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German Pages 606 Year 2005
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 990
Die Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen
Von Thomas Sauerland
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
THOMAS SAUERLAND
Die Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 990
Die Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen
Von
Thomas Sauerland
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11313-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die Verwaltungsvorschriften sind seit der konstitutionellen Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts zu einem Dauerthema der Verfassungs- und Verwaltungsrechtswissenschaft geworden. Stand vormals ihre Rechtsnatur im Mittelpunkt dogmatischen Interesses, werden sie nunmehr mit dem Topos der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte in einen größeren und grundsätzlichen Zusammenhang gestellt. Die Erörterungen hierzu haben bis heute nicht zu endgültigen Lösungen geführt. Vielmehr befindet sich die Diskussion – befruchtet durch supranationale Impulse – in einer ständigen Bewegung und führt in zeitlichen Abständen immer wieder zu Neuorientierungen. Das Rechtsinstitut der Verwaltungsvorschrift zu konturieren, je aus der Perspektive der Exekutive, der Legislative und der Judikative unter Berücksichtigung rechtsgebietsspezifischer Besonderheiten, ist daher Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Sie ist im April 2003 von dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen worden. Rechtsprechung und Schrifttum konnten im wesentlichen bis Dezember 2003 berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gebührt meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Steffen Detterbeck. Er hat diese Arbeit nicht nur wohlwollend und engagiert durch fachlichen Rat begleitet, sondern mich seit Beginn meiner Studien in vielfältiger Weise gefördert. Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Gilbert Gornig für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Wertvolle Unterstützung erhielt ich durch die Begabtenförderung der Konrad-AdenauerStiftung e. V., die mir zunächst ein studienbegleitendes, sodann ein Graduiertenstipendium gewährte. Zu Dankbarkeit verpflichtet bin ich nicht zuletzt meiner Frau Heidi Sauerland für ihren Zuspruch und ihre Geduld. Gewidmet ist diese Studie meinen Eltern Heinz-Josef und Gisela Sauerland. Auf ihre tatkräftige und fürsorgliche Unterstützung konnte ich mich zeit meines Lebens verlassen. Geseke, im Oktober 2004
Thomas Sauerland
Inhaltsübersicht
Einleitung: Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung der Verwaltungsvorschriften ...................................................................................
27
A. Faktische Bedeutung der Verwaltungsvorschriften.........................................
29
B. Rechtsdogmatische Bewertung der Verwaltungsvorschriften .........................
32
C. Erkenntnisinteresse und Untersuchungsgang..................................................
36
Erster Teil Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
38
§ 1 Terminologie......................................................................................................
38
A. Begriffsbestimmung ........................................................................................
38
B. Abgrenzung.....................................................................................................
46
§ 2 Typologie ...........................................................................................................
62
A. Differenzierung nach dem Funktionsbereich der Verwaltungsvorschriften ...
63
B. Differenzierung nach dem Geltungsbereich der Verwaltungsvorschriften......
68
Zweiter Teil Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften § 3 Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften....................................
70 71
A. Historisch-konventioneller Rechtsnormbegriff ...............................................
71
B. Rechtstheoretischer Rechtsnormbegriff ..........................................................
76
§ 4 Rechtsquelleneigenschaft der Verwaltungsvorschriften ................................
94
A. Interpretationen des Begriffs der Rechtsquelle ...............................................
95
B. Juristisch-dualistischer Rechtsquellenbegriff..................................................
97
10
Inhaltsübersicht Dritter Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsperspektive der Administrative
100
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften .......................................................
101
A. Bindungsgrund................................................................................................
101
B. Bindungswirkung............................................................................................
108
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften........................................................
149
A. Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Ländern...................................
150
B. Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Gemeinden..............................
183
Vierter Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Handlungsperspektive der Exekutive
190
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre................................................
191
A. Theorie der Selbstbindung der Verwaltung ....................................................
191
B. Vertrauensschutzorientierte Ansätze...............................................................
198
C. Rechtsgeschäftliche Ansätze ...........................................................................
207
D. Beweisrechtliche Ansätze ...............................................................................
209
E. Normtheoretische Ansätze ..............................................................................
222
F. Normative Ansätze..........................................................................................
230
G. Verfassungsrechtliche Ansätze .......................................................................
260
H. Gemeinschaftsrechtlicher Ansatz ....................................................................
273
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften .........
274
A. Verfassungsrechtsgrundlagen der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ..........................................................................................................
275
B. Verfahren der Entstehung und Vernichtung von Verwaltungsvorschriften ....
322
C. Intensität der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften............................
352
D. Vorläufige Feststellungen zur Reichweite der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften.............................................................................................
359
Inhaltsübersicht
11
Fünfter Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Kontrollperspektive der Judikative
363
§ 9 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollmaßstab.........................
363
A. Funktion der Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG..................
364
B. Gesetzesbindung der Gerichte nach Art. 97 Abs. 1 GG ..................................
370
C. Gerichtlicher Rechtsschutzauftrag nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG .................
373
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand ..................
375
A. Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift .........................................................
376
B. Anwendbarkeit der Verwaltungsvorschrift .....................................................
387
Sechster Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsadressatenperspektive Dritter
390
§ 11 Materiellrechtliche Stellung ...........................................................................
391
A. Eingriff in Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte..............................
391
B. Gewährung subjektiver Rechte .......................................................................
403
§ 12 Verfahrensrechtliche Stellung ........................................................................
410
A. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern nach § 46 VwVfG.........................
410
B. Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG ..........
413
C. Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts nach § 49 VwVfG.................
415
D. Erteilung einer Zusicherung nach § 38 VwVfG..............................................
416
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung ...............................................................................
417
A. Fachgerichtlicher Rechtsschutz.......................................................................
417
B. Bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz ................................................
435
Siebenter Teil Verwaltungsvorschriften und ausgewählte Teilrechtsgebiete § 14 Verwaltungsvorschriften und Staatshaftungsrecht ......................................
442 442
12
Inhaltsübersicht
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht.......................................................
444
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen strafblankettausfüllender Verwaltungsvorschriften .....................................................................................................
446
B. Einfachgesetzliche Grenzen strafblankettausfüllender Verwaltungsvorschriften anhand von Beispielen .....................................................................
451
§ 16 Verwaltungsvorschriften und Zivilrecht .......................................................
454
A. Negatorische Abwehransprüche......................................................................
455
B. Schadensersatzansprüche ................................................................................
466
§ 17 Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht.......................................
481
A. Umsetzung von EG-Richtlinien ......................................................................
481
B. Konkretisierung von EG-Verordnungen .........................................................
508
Schluß: Rückblick und Ausblick............................................................................
511
Zusammenfassung in Thesen..................................................................................
513
Schrifttumsverzeichnis............................................................................................
522
Sachwortverzeichnis ...............................................................................................
597
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung der Verwaltungsvorschriften ...................................................................................
27
A. Faktische Bedeutung der Verwaltungsvorschriften.........................................
29
B. Rechtsdogmatische Bewertung der Verwaltungsvorschriften .........................
32
C. Erkenntnisinteresse und Untersuchungsgang..................................................
36
Erster Teil Grundlagen der Verwaltungsvorschriften § 1 Terminologie...................................................................................................... A. Begriffsbestimmung ........................................................................................ I.
Definition ...............................................................................................
38 38 38 38
1. Definitionsmerkmal der „rechtlichen Regelung“...............................
39
2. Definitionsmerkmal der „Abstraktheit“ der Regelung.......................
41
3. Definitionsmerkmal der „verwaltungsinternen Wirkung“ der Regelung ...................................................................................................
42
4. Vorläufige Definition der Verwaltungsvorschriften..........................
43
Bezeichnung...........................................................................................
44
B. Abgrenzung.....................................................................................................
46
II. I. II.
Sonderverordnungen ..............................................................................
46
Geschäftsordnungen ...............................................................................
50
1. Geschäftsordnungen verfassungsrechtlicher Kollegialorgane ...........
50
2. Administrative Geschäftsordnungen .................................................
52
a) Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)...
52
b) Geschäftsordnungen von Gemeindevertretungen .........................
53
3. Gerichtliche Geschäftsverteilungspläne ............................................
54
III. Regelwerke sachverständiger Gremien...................................................
55
1. Regelwerke öffentlich-rechtlich organisierter Gremien, insbesondere im Atomrecht.................................................................................
55
a) Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke .......................................
55
b) Richtlinien des Bundesinnenministers .........................................
56
14
Inhaltsverzeichnis c) Empfehlungen und Leitlinien der Reaktor-Sicherheitskommission ...............................................................................................
57
d) Empfehlungen und Leitlinien der Strahlenschutzkommission .....
57
e) Regeln des Kerntechnischen Ausschusses....................................
57
2. Regelwerke privatrechtlich organisierter Gremien ............................
58
a) Normen des Deutschen Instituts für Normung e. V......................
58
b) Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure e. V......................
59
IV. Verwaltungsinterne Vorschriften auf Gemeinschaftsebene....................
60
§ 2 Typologie ...........................................................................................................
62
A. Differenzierung nach dem Funktionsbereich der Verwaltungsvorschriften .... I. II.
Organisatorische Verwaltungsvorschriften ............................................
63 63
Verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften........................................
64
1. Gesetzesakzessorische Verwaltungsvorschriften...............................
64
a) Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften ...........................
64
b) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften..........................
64
c) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften ..............................
65
d) Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung...................
66
e) Gesetzesergänzende Verwaltungsvorschriften .............................
67
2. Gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften...................................
68
B. Differenzierung nach dem Geltungsbereich der Verwaltungsvorschriften......
68
I.
Intrasubjektive und intersubjektive Verwaltungsvorschriften ................
68
II.
Intrabehördliche und interbehördliche Verwaltungsvorschriften ...........
69
Zweiter Teil Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften § 3 Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften....................................
70 71
A. Historisch-konventioneller Rechtsnormbegriff ...............................................
71
B. Rechtstheoretischer Rechtsnormbegriff ..........................................................
76
I.
II.
Begriffsbestimmung ...............................................................................
76
1. „Normen“ ..........................................................................................
76
2. „Rechtsnormen“ ................................................................................
78
a) Formelles Kriterium: Zugehörigkeit zu einer Rechtsordnung ......
78
b) Materielles Kriterium: Organisierte Durchsetzbarkeit..................
79
Anwendung auf die Verwaltungsvorschriften ........................................
82
1. Zum Einwand der fehlenden unmittelbaren Außenwirkung..............
85
Inhaltsverzeichnis
15
2. Zum Einwand der fehlenden strikten Verbindlichkeit.......................
88
3. Zum Einwand der fehlenden Gesetzesqualität nach Art. 20 Abs. 3 GG.....................................................................................................
90
§ 4 Rechtsquelleneigenschaft der Verwaltungsvorschriften ................................
94
A. Interpretationen des Begriffs der Rechtsquelle ...............................................
95
B. Juristisch-dualistischer Rechtsquellenbegriff..................................................
97
Dritter Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsperspektive der Administrative
100
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften .......................................................
101
A. Bindungsgrund................................................................................................
101
I.
Intrabehördliche Verwaltungsvorschriften .............................................
101
II.
Interbehördliche Verwaltungsvorschriften .............................................
102
1. Zuständigkeit der „Bundesregierung“ in Art. 86 Satz 1 GG..............
103
2. Begriff der „Allgemeinheit“ der Verwaltungsvorschriften in Art. 86 Satz 1 GG ..........................................................................................
106
3. Vorbehalt anderweitiger gesetzlicher Regelung in Art. 86 Satz 1 GG.....................................................................................................
106
B. Bindungswirkung............................................................................................
108
I.
Divergenz von Verwaltungsvorschriften und förmlichen Gesetzen .......
109
1. Lehre von der Pflichten- und Normenkollision und Kritik ...............
109
2. Lehre vom Rangverlust des Außenrechts und Kritik.........................
111
3. Lösung des Problems der gesetzeswidrigen verbindlichen Verwaltungsvorschrift durch § 56 Abs. 2 BBG ............................................
112
a) Anwendbarkeit des § 56 Abs. 2 BBG auf Verwaltungsvorschriften........................................................................................
113
b) Gegenstand des Remonstrationsverfahrens ..................................
115
c) Materielle Gesetzeswidrigkeit von Verwaltungsvorschriften .......
117
aa) Verbindlichkeit materiell einfach-gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften ..................................................................
117
bb) Unverbindlichkeit materiell qualifiziert-gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften.......................................................
117
(1) Der Begriff der „Strafbarkeit“.........................................
118
(2) Der Begriff der „Erkennbarkeit“.....................................
120
16
Inhaltsverzeichnis
II.
d) Formelle Gesetzeswidrigkeit von Verwaltungsvorschriften .........
121
aa) Direkte Anwendung der Vorschriften über das Remonstrationsverfahren?......................................................................
122
bb) Analoge Anwendung der Vorschriften über das Remonstrationsverfahren .......................................................................
122
Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht.............
123
1. Unverbindlichkeit wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde ......
123
2. Unverbindlichkeit wegen Verstoßes gegen die Grundrechte? ...........
126
a) Grundrechte eines Dritten ............................................................
126
b) Grundrechte des Beamten.............................................................
127
3. Unverbindlichkeit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip?....................................................................................................
128
III. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht.........
130
1. Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts .................................
131
2. Schlußfolgerungen für die Durchsetzung des Anwendungsvorrangs
132
a) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und Kritik.........
132
b) Stellungnahme..............................................................................
134
aa) Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG? .........................................................................
134
bb) Teleologische Reduktion des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG? .......
136
IV. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen .............
137
1. Derogation der Verwaltungsvorschriften durch Einzelweisungen?...
137
2. Prinzipieller Vorrang der Verwaltungsvorschriften gegenüber Einzelweisungen? ...................................................................................
138
3. Differenzierung nach dem rechtsstaatlichen Garantiecharakter der Verwaltungsvorschriften?..................................................................
139
4. Eigener Lösungsansatz ......................................................................
140
a) Überordnung der die Verwaltungsvorschrift erlassenden Stelle gegenüber dem Einzelweisungsgeber...........................................
140
b) Unterordnung der die Verwaltungsvorschrift erlassenden Stelle gegenüber dem Einzelweisungsgeber...........................................
141
c) Identität von Einzelweisungsgeber und der die Verwaltungsvorschrift erlassenden Stelle ..............................................................
141
Divergenz verschiedener Verwaltungsvorschriften ................................
143
VI. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraxis ..........
143
V.
VII. Grenzen der Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften in Ausnahmefällen? ..........................................................................................
144
1. Ausnahmetatbestand des atypischen Falles? .....................................
145
2. Ausnahmetatbestand des Erkenntnisfortschritts in Wissenschaft und Technik?.....................................................................................
147
Inhaltsverzeichnis § 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften........................................................ A. Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Ländern................................... I.
17 149 150
Landeseigenverwaltung nach Art. 83, 84 GG.........................................
150
1. Ermächtigungsgrundlage...................................................................
150
2. Begriff der „Allgemeinheit“ der Verwaltungsvorschriften in Art. 84 Abs. 2 GG..........................................................................................
152
3. Zuständigkeit der „Bundesregierung“ nach Art. 84 Abs. 2 GG.........
156
a) Verfassungsunmittelbare Ermächtigung eines Bundesministers ..
156
b) Einfachgesetzliche Ermächtigung eines Bundesministers? ..........
162
4. Erfordernis einer „Zustimmung des Bundesrates“ ............................
163
a) Verzichtbarkeit der Zustimmung des Bundesrates? .....................
163
b) Zulässigkeit der „Maßgabebeschlüsse“ des Bundesrates..............
165
5. Inhalt allgemeiner Verwaltungsvorschriften .....................................
166
6. Verhältnis zwischen Verwaltungsvorschriften des Bundes und Landesrecht .......................................................................................
168
7. Verwaltungsvorschriften und Bundesaufsicht...................................
171
a) Maßstab der Bundesaufsicht.........................................................
171
b) Mittel der Bundesaufsicht?...........................................................
173
8. Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen ................................
174
Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG..........................................
174
III. Finanzverwaltung nach Art. 108 GG......................................................
179
1. Verwaltungsvorschriften und Weisungen nach Art. 108 Abs. 3, 85 Abs. 3 Satz 1 GG...............................................................................
180
2. Verwaltungsvorschriften und BMF-Schreiben nach der Vereinbarung vom 15. Januar 1970 zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ...............................................................
181
II.
B. Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Gemeinden.............................. I.
Landeseigenverwaltung nach Art. 83, 84 GG.........................................
183 184
1. Auftragsangelegenheiten ...................................................................
184
2. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung....................................
185
Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG..........................................
187
III. Bundesfernstraßenverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG..........................
188
II.
18
Inhaltsverzeichnis Vierter Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Handlungsperspektive der Exekutive
190
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre................................................
191
A. Theorie der Selbstbindung der Verwaltung ....................................................
191
I.
Anknüpfung an die tatsächliche Verwaltungsübung ..............................
II.
Anknüpfung an die Verwaltungsvorschriften als antizipierte Verwaltungsübung.............................................................................................
192 195
B. Vertrauensschutzorientierte Ansätze...............................................................
198
I.
Rechtsprechungsbericht .........................................................................
198
II.
Vertrauensschutz analog § 176 Abs. 2 AO 1977 ...................................
200
III. Vertrauensschutz nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ........................
201
1. Unmittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften vor Veröffentlichung .....................................................................................
201
2. Mittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften nach Veröffentlichung .....................................................................................
202
a) Auch außengerichtete Verwaltungsvorschriften...........................
203
b) Rein innengerichtete Verwaltungsvorschriften ............................
204
aa) Vertrauensgrundlage und Kenntnis des Betroffenen.............
204
bb) Schutzwürdigkeit des Vertrauens..........................................
205
cc) Betätigung des Vertrauens ....................................................
206
dd) Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen ....
206
C. Rechtsgeschäftliche Ansätze ...........................................................................
207
I.
Generell-abstrakte Zusage ......................................................................
208
II.
Auslobung analog §§ 657 ff. BGB .........................................................
208
D. Beweisrechtliche Ansätze ............................................................................... I.
Beweisanzeichen, Anhaltspunkt.............................................................
II.
209 211
Markierungen einer Bandbreite..............................................................
212
III. Antizipiertes Sachverständigengutachten...............................................
214
1. Rechtsprechungs- und Literaturbericht .............................................
214
2. Verwaltungs(prozeß)rechtliche Anforderungen an Sachverständigengutachten .....................................................................................
216
a) Sachkompetenz.............................................................................
217
b) Objektivität und Neutralität..........................................................
218
c) Tatsachengehalt ............................................................................
219
aa) Verwaltungsvorschriften zu Vorsorgepflichten ....................
219
bb) Verwaltungsvorschriften zu Schutzpflichten ........................
220
IV. Beweis des ersten Anscheins..................................................................
221
Inhaltsverzeichnis E. Normtheoretische Ansätze .............................................................................. I.
19 222
Unbestimmter Rechtsbegriff...................................................................
222
1. Literaturbericht..................................................................................
222
2. Grundzüge der wortsemantischen Bedeutungskonzeption ................
223
3. Kritik der wortsemantischen Bedeutungskonzeption ........................
226
Vertretbarkeitslehre................................................................................
228
F. Normative Ansätze..........................................................................................
230
II. I.
Rechtsprechungsbericht .........................................................................
231
1. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 24 Abs. 2 EGGVG.............................................................................................
231
2. Kalkar-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts..............................
233
3. Brokdorf-Urteil des VG Schleswig ...................................................
234
4. Sasbach-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ...........................
235
5. Buschhaus-Beschluß des OVG Lüneburg .........................................
237
6. Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ....................................
238
7. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Münster zur TA Luft ......................................................................... 240 8. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu steuerrechtlichen Verwaltungsvorschriften .........................................................................
II.
241
9. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift .............................................................................
242
Literaturbericht.......................................................................................
243
1. Unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsermächtigung ............
243
a) Grundzüge der Lehre vom Beurteilungsspielraum .......................
244
b) Methodische und inhaltliche Einwände im allgemeinen ..............
245
c) Einwände gegen die Anwendbarkeit auf die Verwaltungsvorschriften im besonderen................................................................
247
2. Ermessensspielraum gemäß § 40 VwVfG .........................................
249
3. Aufklärungsermessen gemäß § 26 Abs. 1 VwVfG............................
250
4. Schätzungsbefugnis gemäß § 162 AO 1977......................................
250
5. Entscheidungsfreiraum kraft erhöhten exekutiven Sachverstands.....
253
6. Standardisierungsspielraum...............................................................
254
a) Grundzüge der Lehre vom Standardisierungsspielraum...............
255
b) Monopolares Staatsmodell der konstitutionellen Monarchie .......
257
c) Polypolares Staatsmodell des Grundgesetzes ...............................
258
G. Verfassungsrechtliche Ansätze .......................................................................
260
I.
Funktionsrechtliche Lösungen ...............................................................
260
1. Exekutiver Funktionsbereich außerhalb des Bereichs des Vorbehalts des Gesetzes..............................................................................
260
2. Exekutiver Funktionsbereich für die Gesetzeskonkretisierung..........
263
20
Inhaltsverzeichnis II.
Kompetenzrechtliche Lösungen .............................................................
265
1. Kompetenz aus der Pflicht zu programmgeleitetem Handeln gemäß Art. 3 Abs. 1 GG ............................................................................... 265 2. Kompetenz gemäß Art. 83 ff. in Verb. mit Art. 20 Abs. 2 und 3 GG
266
3. Kompetenz gemäß Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG..............................
270
4. Notkompetenz ...................................................................................
270
III. Rechtsstaatsorientierte Lösungen ...........................................................
272
H. Gemeinschaftsrechtlicher Ansatz ....................................................................
273
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften .........
274
A. Verfassungsrechtsgrundlagen der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ..........................................................................................................
275
I.
Rechtsetzungsfunktion der vollziehenden Gewalt..................................
275
1. Exekutiver Funktionsbereich nach dem überkommenen Gewaltenteilungsverständnis ............................................................................
276
a) Verfassungsgeschichtliche Entwicklung des populären Gewaltenteilungsverständnisses .............................................................
277
aa) Funktionentrennung und Mischverfassung im 17. Jahrhundert........................................................................................
277
bb) Gewaltenteilungslehre Lockes im 17. Jahrhundert ...............
278
cc) Gewaltenteilungslehre Montesquieus im 18. Jahrhundert.....
279
dd) Gewaltenteilungsverständnis in der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts.................................................
283
ee) Populäre Gewaltenteilungslehre nach dem Wegfall der Monarchie im 20. Jahrhundert....................................................
284
b) Verfassungsdogmatische und -theoretische Unhaltbarkeit des populären Gewaltenteilungsverständnisses ..................................
287
aa) Ununterscheidbarkeit von Rechtsetzung und Rechtsanwendung ...................................................................................... 287 bb) Tendenz zur Errichtung eines gewaltenmonistischen Systems .....................................................................................
288
cc) Exekutive Rechtsetzung in der Verfassungswirklichkeit ......
288
2. Exekutiver Funktionsbereich nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ...........
290
a) Funktionale Eignung als Zuweisungskriterium der Gewaltenteilung...........................................................................................
291
b) Wesentlichkeit als Maßstab der Richtigkeit .................................
292
aa) Entwicklung der Wesentlichkeitslehre..................................
293
bb) Wesentlichkeitslehre als Funktionslehre...............................
295
c) Gesetzgeberischer Funktionsbereich nach der Wesentlichkeitslehre..............................................................................................
297
aa) Inhaltliche Entleerung des Gesetzesbegriffs .........................
297
Inhaltsverzeichnis
21
bb) Inhaltliche Neubestimmung des Gesetzesbegriffs.................
299
d) Exekutiver Funktionsbereich nach der Wesentlichkeitslehre .......
300
Rechtsetzungskompetenz der vollziehenden Gewalt..............................
305
1. Gesetzesvorrang ................................................................................
305
2. Gesetzesvorbehalt..............................................................................
307
a) Gesetzesvorbehalt und Kompetenzverteilung...............................
307
b) Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitslehre................................
310
III. Regelungsgehalt der Rechtsverordnungsermächtigung in Art. 80 Abs. 1 GG...............................................................................................
311
1. Gesetz als materiellrechtliche Handlungsbeschränkung....................
312
II.
2. Exkurs: Gesetz als verfahrensrechtliche Handlungsformermächtigung...................................................................................................
315
B. Verfahren der Entstehung und Vernichtung von Verwaltungsvorschriften ....
322
I.
Zuständigkeit..........................................................................................
322
II.
Internes Vorbereitungsverfahren ............................................................
323
III. Beteiligung innerstaatlicher Stellen........................................................
324
1. Bundesrat ..........................................................................................
324
2. Bundestag..........................................................................................
324
3. Weitere Verwaltungseinheiten ..........................................................
326
IV. Beteiligung außerstaatlicher Kreise........................................................
327
1. Mitentscheidungsrechte.....................................................................
327
2. Mitwirkungsrechte ............................................................................
328
V.
a) Grundrechtlicher Anspruch auf Mitwirkung?...............................
329
b) Mitwirkungsrechte in der Rechtspraxis ........................................
331
aa) Mitwirkung durch Anhörung ................................................
331
(1) Anhörung „beteiligter Kreise“ ........................................
331
(2) Anhörung sachverständiger Gremien..............................
334
(3) Anhörung bestimmter Einzelsachverständiger................
334
bb) Mitwirkung durch Verbände.................................................
335
Begründung............................................................................................
335
1. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Begründung .................................
335
2. Umfang der Begründungspflicht .......................................................
337
VI. Ausfertigung...........................................................................................
338
VII. Verkündung............................................................................................
338
1. Rechtsprechungs- und Literaturbericht .............................................
339
a) Stellungnahmen in der Rechtsprechung .......................................
339
b) Stellungnahmen im Schrifttum.....................................................
342
2. Gebot der Verkündung von Verwaltungsvorschriften unter dem Grundgesetz....................................................................................... 343
22
Inhaltsverzeichnis a) Begründung einer verfassungsrechtlichen Veröffentlichungspflicht ...........................................................................................
343
aa) Rechtsstaatsprinzip ...............................................................
343
(1) Rechtssicherheit durch Veröffentlichung .......................
344
(2) Kontrolle durch Veröffentlichung ..................................
345
bb) Demokratieprinzip ................................................................
345
cc) Gleichheitssatz ......................................................................
347
b) Umfang einer verfassungsrechtlichen Veröffentlichungspflicht...
347
3. Verkündung der Verwaltungsvorschriften in der Rechtspraxis.........
349
VIII. Inkrafttreten............................................................................................
350
IX. Außerkrafttreten .....................................................................................
350
C. Intensität der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften............................
352
I.
Entsprechensverhältnis von Verfahrensmodus und Verbindlichkeitsmodus.....................................................................................................
352
II.
Präsumtive Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften......................
353
III. Formelle Unterscheidbarkeit von Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen...............................................................................
357
D. Vorläufige Feststellungen zur Reichweite der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften.............................................................................................
359
Fünfter Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Kontrollperspektive der Judikative § 9 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollmaßstab......................... A. Funktion der Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG..................
363 363 364
I.
Formelle Rechtsprechungsbegriffe.........................................................
365
II.
Materielle Rechtsprechungsbegriffe.......................................................
366
III. Stellungnahme........................................................................................
367
B. Gesetzesbindung der Gerichte nach Art. 97 Abs. 1 GG ..................................
370
C. Gerichtlicher Rechtsschutzauftrag nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG .................
373
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand ..................
375
A. Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift .........................................................
376
I.
Fehler im Erlaßverfahren........................................................................
376
1. Zuständigkeit.....................................................................................
377
2. Internes Entwurfsverfahren ...............................................................
377
3. Beteiligung staatlicher Stellen...........................................................
378
Inhaltsverzeichnis
II.
23
4. Beteiligung außerstaatlicher Kreise...................................................
379
a) Rechtsprechungs- und Literaturbericht ........................................
379
b) Eigener Lösungsansatz .................................................................
381
aa) Fehlende Anhörung ..............................................................
381
bb) Fehlerhafte Anhörung ...........................................................
381
5. Begründung.......................................................................................
382
6. Verkündung.......................................................................................
383
Fehlerhafte Sachverhaltsermittlung........................................................
384
III. Fehlerhafte Abwägung ...........................................................................
385
IV. Einhaltung der materiellrechtlichen Rahmenbedingungen.....................
386
B. Anwendbarkeit der Verwaltungsvorschrift .....................................................
387
Sechster Teil Die Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsadressatenperspektive Dritter § 11 Materiellrechtliche Stellung ........................................................................... A. Eingriff in Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte.............................. I.
II.
390 391 391
Grundrechte (privater Dritter) ................................................................
392
1. Klassischer Eingriffsbegriff...............................................................
392
2. Erweiterter Eingriffsbegriff ...............................................................
394
Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Gemeinden.....................
398
1. Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für die Gemeinden nach Art. 84 Abs. 2 GG.....................................................................
399
2. Vereinbarkeit der gemeindlichen Bindung mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ..........................................................................................
399
a) Recht auf eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung im Rahmen der Gesetze ...................................................................................
400
b) Grenzen der staatlichen Ausgestaltung des Selbstverwaltungsbereichs ........................................................................................
402
B. Gewährung subjektiver Rechte .......................................................................
403
I.
Rechtsprechungs- und Literaturbericht ..................................................
403
II.
Rechtstheoretische Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts.....................................................................................................
407
III. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts.....................................................................................................
408
§ 12 Verfahrensrechtliche Stellung ........................................................................
410
A. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern nach § 46 VwVfG.........................
410
24
Inhaltsverzeichnis B. Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG ..........
413
C. Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts nach § 49 VwVfG.................
415
D. Erteilung einer Zusicherung nach § 38 VwVfG..............................................
416
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung ...............................................................................
417
A. Fachgerichtlicher Rechtsschutz.......................................................................
417
I.
Prinzipaler Rechtsschutz ........................................................................
417
1. Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO? .........................
417
2. Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ..............................
419
3. Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO? .....................
423
4. Allgemeine Leistungsklage?..............................................................
424
5. Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO .....................................
426
6. Regelungsgehalt des § 44 a VwGO...................................................
427
Inzidenter Rechtsschutz..........................................................................
430
III. Vorbeugender Rechtsschutz...................................................................
430
1. Vorbeugender Rechtsschutz gegen einzelne Vollzugshandlungen....
430
II.
2. Vorbeugender Rechtsschutz gegen den drohenden Erlaß einer Verwaltungsvorschrift .............................................................................
431
IV. Vorläufiger Rechtsschutz .......................................................................
432
V.
Revisibilität der Verwaltungsvorschriften..............................................
433
B. Bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz ................................................
435
I.
Organstreitverfahren...............................................................................
435
II.
Abstrakte Normenkontrolle ....................................................................
435
III. Konkrete Normenkontrolle.....................................................................
437
IV. Bund-Länder-Streitigkeit .......................................................................
438
V.
Verfassungsbeschwerde .........................................................................
438
VI. Kommunalverfassungsbeschwerde.........................................................
441
Siebenter Teil Verwaltungsvorschriften und ausgewählte Teilrechtsgebiete
442
§ 14 Verwaltungsvorschriften und Staatshaftungsrecht ......................................
442
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht.......................................................
444
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen strafblankettausfüllender Verwaltungsvorschriften .....................................................................................................
446
I.
Kompetenzverteilung .............................................................................
446
Inhaltsverzeichnis II.
25
Gesetzesbestimmtheit .............................................................................
447
1. Begriff des Gesetzes in Art. 103 Abs. 2 GG......................................
448
2. Bestimmtheit des Gesetzes nach Art. 103 Abs. 2 GG........................
449
B. Einfachgesetzliche Grenzen strafblankettausfüllender Verwaltungsvorschriften anhand von Beispielen .....................................................................
451
I.
Subventionsbetrug gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB ..............................
451
II.
Luftverunreinigung gemäß § 325 StGB .................................................
453
§ 16 Verwaltungsvorschriften und Zivilrecht .......................................................
454
A. Negatorische Abwehransprüche......................................................................
455
I.
Wesentlichkeit von Beeinträchtigungen.................................................
456
1. Überschreitung von Immissionsgrenzwerten.....................................
457
a) Rechtsprechungs- und Literaturbericht ........................................
457
b) Stellungnahme..............................................................................
458
2. Unterschreitung von Immissionsgrenzwerten....................................
460
Ortsüblichkeit von Beeinträchtigungen..................................................
461
III. Wirtschaftliche Zumutbarkeit von Schutzvorkehrungen ........................
462
IV. Beweisrechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften....................
463
1. Beweis der Kausalität zwischen der Immission und der Grundstücksbeeinträchtigung ......................................................................
463
II.
2. Beweis der Überschreitung der in den Verwaltungsvorschriften festgelegten Immissionsgrenzwerte ...................................................
464
3. Beweis der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ..............................
465
4. Beweis der Ortsüblichkeit und der Zumutbarkeit..............................
465
B. Schadensersatzansprüche ................................................................................
466
I.
Kausalität zwischen Immission und Schaden.........................................
466
1. Anscheinsbeweis ...............................................................................
467
2. Umkehr der Beweislast......................................................................
468
a) Überschreitung der Grenzwerte....................................................
468
b) Unterschreitung der Grenzwerte...................................................
470
Aufopferungshaftung..............................................................................
471
1. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ..................................................................
471
2. § 14 Satz 2 BImSchG ........................................................................
473
III. Verschuldenshaftung..............................................................................
474
1. § 823 Abs. 1 BGB .............................................................................
474
a) Rechtswidrigkeit...........................................................................
474
b) Verschulden .................................................................................
476
aa) Beachtung der Verwaltungsvorschriften...............................
477
bb) Nichtbeachtung der Verwaltungsvorschriften.......................
478
II.
26
Inhaltsverzeichnis cc) Beweislastverteilung .............................................................
479
2. § 823 Abs. 2 BGB .............................................................................
480
§ 17 Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht.......................................
481
A. Umsetzung von EG-Richtlinien ......................................................................
481
I.
Gemeinschaftsvertragliche Regelungen über die Umsetzung von Richtlinien..............................................................................................
482
II.
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ....................................
483
1. Entwicklung der Rechtsprechung bis 1991 .......................................
483
2. Urteil des Gerichtshofs vom 28. Februar 1991 zur Grundwasserschutzrichtlinie ..................................................................................
487
a) Vorverfahren und schriftliches Verfahren ....................................
487
b) Schlußanträge des Generalanwalts ...............................................
488
c) Entscheidung des Gerichtshofs.....................................................
489
3. Urteile des Gerichtshofs vom 30. Mai 1991 zur Schwefeldioxidund Schwebestaubrichtlinie und zur Bleirichtlinie............................ 489 a) Vorverfahren und Vorbringen der Parteien..................................
490
b) Schlußanträge des Generalanwalts ...............................................
492
c) Entscheidungen des Gerichtshofs.................................................
493
4. Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1991 zur Trinkwasserrichtlinie ............................................................................................
495
5. Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 zur Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge................................................
495
III. Stellungnahmen im Schrifttum...............................................................
496
IV. Eigene Bewertung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
499
V.
Tauglichkeit der Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung von Richtlinien ......................................................................................................
501
B. Konkretisierung von EG-Verordnungen .........................................................
508
Schluß: Rückblick und Ausblick............................................................................
511
Zusammenfassung in Thesen..................................................................................
513
Schrifttumsverzeichnis............................................................................................
522
Sachwortverzeichnis ...............................................................................................
597
Einleitung: Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung der Verwaltungsvorschriften Die Rechtsgeschichte der konstitutionellen Monarchie in Deutschland ist wesentlich durch den Kampf des Bürgertums um rechtsstaatliche und demokratische Verfassungs- und Gesellschaftsstrukturen geprägt.1 Insbesondere die Demokratisierung des Staatswesens erfolgte allerdings nur unvollständig: Die Fürstensouveränität wurde nicht durch die Volkssouveränität ersetzt. Das „monarchische Prinzip“2 sicherte dem Staatsoberhaupt vielmehr weiterhin die ungeteilte Trägerschaft der Staatsgewalt.3 Lediglich bei der Ausübung der Staatsgewalt ___________ 1 Ausführliche Darstellung der Lehren des Konstitutionalismus und des Liberalismus bei Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., 2002, S. 130 ff., 134 ff., 155 ff., 178 ff., 225 ff.; Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, 9. Aufl., 1969, S. 164 ff., 197 ff., 211 ff., 252 ff., 257 ff.; E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, 2. Aufl., 1967, insb. S. 314 ff., 336 ff., 350 ff., Bd. II, 2. Aufl., 1968, insb. S. 30 ff., 62 ff., 76 ff., 84 ff., 309 ff., 324 ff., 371 ff.; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 76 ff., 102 ff.; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl., 1987, S. 327 ff.; Menger, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 8. Aufl., 1993, S. 117 ff.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2, 1992, S. 121 ff., 156 ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 4. Aufl., 2001, § 29 (S. 239 ff.); Brandt, in: Kirsch/Schiera, Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland, 1999, S. 99 ff.; Burgdorf, in: Kirsch/Schiera, Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland, 1999, S. 65 ff.; P. Nolte, in: Kirsch/Schiera, Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland, 1999, S. 109 ff.; Schiera, in: Kirsch/Schiera, Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland, 1999, S. 23 ff. 2 Das monarchische Prinzip wurde in den deutschen Verfassungen des 19. Jahrhunderts erstmals in § 4 der Verfassung für das Königreich Württemberg v. 25.9.1819 verankert: „Der König ist das Haupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den durch die Verfassung festgesetzten Bestimmungen aus.“; abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. I, 3. Aufl., 1978, Nr. 55, S. 187 (188). Art. 57 der Wiener Schlußakte v. 15.5.1820 sanktionierte das monarchische Prinzip bundesrechtlich: „Da der deutsche Bund [...] aus souverainen Fürsten besteht, so muß dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge die gesammte Staats-Gewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben, und der Souverain kann durch eine landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden.“; abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. I, 3. Aufl., 1978, Nr. 31, S. 91 (99). 3 Dazu v. Seydel, Das Staatsrecht des Königreichs Bayern, 2. Aufl., 1894, § 10 (S. 18 f.): „In diesem Satz ist das Wesen des Königthums zu scharfem und bezeichnendem Ausdrucke gebracht. Dasselbe leitet seine Gewalt aus keiner Rechtsquelle, insbesondere aus keiner Übertragung durch das Volk oder den ‚Staat‘ ab. Es herrscht aus ei-
28
Einleitung: Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung
wurde das Volk dem Monarchen nebengeordnet. Im Ergebnis erschöpfte sich die Demokratisierung in der Teilhabe des Volkes an der Gesetzgebung.4 Der Begriff des Gesetzes mußte deshalb in der Folgezeit in der Mittelpunkt der staatsrechtlichen Auseinandersetzungen rücken. Denn da die Demokratisierung auf den Bereich der Gesetzgebung begrenzt war, hätte jede Einengung des Gesetzesbegriffs eine erhebliche Beschneidung parlamentarischer Mitwirkungsrechte zur Folge gehabt. Auf der Folie dieser verfassungsgeschichtlichen Situation entwickelte sich jene Begriffsbestimmung von gesetzgebender und vollziehender Gewalt, derzufolge der Träger der vollziehenden Gewalt nie vollziehende, sondern stets gesetzgebende Gewalt ausübt, wenn er allgemein verbindliche Normen erläßt. G. Jellinek, einer der führenden Staatsrechtler des ausgehenden 19. Jahrhunderts, schrieb daher im Jahre 1887 in einem Kapitel über den Gesetzesbegriff:5 „Indem die Bewahrung der Freiheit und der auf ihr basirenden Rechte der Individuen als Zweck des Staates gesetzt wird, kann eine Normirung der Freiheit [...] nicht [...] durch eine Festsetzung der Regierung erfolgen [...]. Von dem materiellen Gesetzesbegriff ausgehend, kommt die constitutionelle Theorie zu der Forderung, dass neue mit Bewusstsein geschaffene Rechtssätze nur auf dem Wege der formellen Gesetzgebung zu Bestandtheilen der geltenden Rechtsordnung erhoben werden dürfen. In Folge dieser Idee ist in allen constitutionellen Verfassungsurkunden der mehr oder minder scharf formulirte Grundsatz eingedrungen, dass Veränderungen des Rechtszustandes [...] nur kraft eines formellen Gesetzes stattfinden dürfen. Alle staatliche Rechtsetzung muss daher in einem Gesetze ihren Anfang nehmen [...].“
In der Konsequenz mußte jeder exekutivische Erlaß allgemein verbindlicher Regelungen vor dem Gewaltenteilungsgrundsatz als Ausnahmeerscheinung und einer vorherigen gesetzlichen Delegation bedürftig angesehen werden. Dementsprechend versagte die Weimarer Reichsverfassung der vollziehenden Gewalt, sich „rechtssatzmäßig an die Bürger zu wenden“6, wie die Entstehungsgeschichte des Art. 77 WRV 19197 belegt.8 Dieses verfassungsgeschichtlich bedingte ___________ gener Macht und eben deshalb kennt diese Macht kein Gebiet, das rechtlich ihrer Einwirkung entzogen wäre. [...] Die königliche Gewalt entsteht nicht kraft der Verfassungsurkunde, sondern die Verfassungsurkunde kraft der königlichen Gewalt.“ 4 Dazu exemplarisch Art. 62 Abs. 1 und 2 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat v. 31.1.1850 (Preußische Gesetz-Sammlung 1850, S. 17 [25]): „Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeführt. Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.“ Lediglich die Abgeordneten der zweiten Kammer wurden vom Volk (in indirekter Wahl) gewählt. Vgl. Art. 70, 72 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat v. 31.1.1850 (Preußische Gesetz-Sammlung 1850, S. 17 [27, 28]). 5 G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 255. 6 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919, 14. Aufl., 1933, Art. 77 Anm. 2. 7 Dazu Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919, 14. Aufl., 1933, Art. 77 Anm. 1.
Einleitung: Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung
29
Verständnis von Gesetzgebung und Vollziehung wurde 1949 weitgehend unkritisch in das vom Gedanken der Volkssouveränität geprägte Grundgesetz übernommen.9 Es ist eine der Ursachen für die Schwierigkeiten, mit denen die Rechtswissenschaft noch heute bei der sachgerechten Einordnung der Verwaltungsvorschriften in das System der Rechtsquellen konfrontiert ist. Denn einerseits gibt es kaum ein Verwaltungshandeln, das nicht durch Verwaltungsvorschriften gesteuert wird. Nahezu auf allen Gebieten des Verwaltungsrechts10 treten Verwaltungsvorschriften häufig an die Stelle von Rechtsverordnungen und nehmen notwendige Ergänzungen bei konkretisierungsbedürftigen Gesetzen vor (dazu A.). Andererseits sind die Verwaltungsvorschriften nach traditioneller Dogmatik keine Rechtsnormen im Sinne von Außenrechtssätzen.11 Nur im Ausnahmefall soll ihnen nach nicht unumstrittener Auffassung eine normkonkretisierende Wirkung zukommen mit der Folge, daß sie auch für die Gerichte verbindlich und wie Rechtsnormen auszulegen sind (dazu B.).12 Infolge dieser Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung sind die Verwaltungsvorschriften bis heute von einem „rechtswissenschaftlichen Nebel“13 umhüllt. Sie sind „zum Prüfstein unseres verwaltungsrechtlichen Rechtsquellensystems und seiner verfassungsrechtlichen Verortung geworden“14. Damit ist zugleich das eigentliche Thema dieser Arbeit benannt (dazu C.).
A. Faktische Bedeutung der Verwaltungsvorschriften Die überragende Bedeutung der Verwaltungsvorschriften für das Verwaltungshandeln zu erfassen, ist nur unzulänglich möglich. Es gibt wohl kaum ein Gesetz, zu dem nicht zumindest einige Verwaltungsvorschriften erlassen wor___________ 8
Die Staatslehre der Weimarer Republik rezipierte den gesamten Dogmenfundus der vorangegangenen Verfassungsepoche, ohne den Wandel in den Grundlagen des staatlichen Legitimationsgefüges zur Kenntnis zu nehmen. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924, Vorwort zur dritten Auflage, brachte die (damalige) Irrelevanz des Verfassungsrechts gegenüber dem Verwaltungsrecht mit seinem bekannten Satz „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“ prägnant auf den Punkt. 9 Vgl. Erichsen, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 219 (219). 10 Insbesondere im Umwelt-, technischen Sicherheits-, Steuer- und Sozialrecht; Beispiele bei Di Fabio, NZS 1998, 449 (450). 11 Vgl. im Vorgriff auf die noch näher zu untersuchende Rechtsprechung statt vieler BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 ff.; v. 11.5.1988, NJW 1988, 2907; v. 11.10.1985, DVBl. 1986, 110 (111 f.). 12 So jüngst BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340 f.). 13 H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 24 Rn. 17 unter Hinweis auf Rupp, JZ 1991, 1034. 14 H. P. Ipsen, VVDStRL 25 (1967), S. 257 (294).
30
Einleitung: Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung
den sind. Die „Erlaß-Freudigkeit“15 der Exekutive hält insofern mit der vielbeklagten „Flut der Gesetze“16 Schritt. Einige Zahlen mögen der Verdeutlichung dienen: Allein in Nordrhein-Westfalen wurden zwischen 1945 und 1959 rund 8.500 Verwaltungsvorschriften in zwölf Bänden des Ministerialblattes und 23 Bänden von Nebenverkündungsblättern veröffentlicht. Nach einer Bereinigung17 im Jahre 1960 blieben immerhin noch etwa 1.800 Verwaltungsvorschriften in acht Bänden mit rund 4.700 Seiten übrig.18 Im Steuerrecht wird die Zahl der Verwaltungsvorschriften auf 40.000 geschätzt.19 Zusätzlich erlassen das Bundesfinanzministerium und die Oberfinanzdirektionen jährlich circa 2.000 neue Verwaltungsvorschriften.20 Der Grund für die „wachsende Bedeutung der Verwaltungsvorschriften“21 liegt wohl weniger in der „Einstellung des Rechtsanwenders“22, sondern vielmehr darin, daß der Gesetzesvollzug ohne diese Handlungsanleitungen in zahlreichen Verwaltungsbereichen überhaupt nicht möglich wäre. Das gilt etwa für Rechtsgebiete, die auf unbestimmten Rechtsbegriffen aufbauen und auf außerrechtliche Standards rekurrieren. Zu nennen ist insbesondere das Umwelt- und Technikrecht23, in dem man auf eine breite Palette von Verwaltungsvorschriften stößt24. Unter ihnen sind die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm)25 und die ___________ 15
Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 20. H.-D. Horn, Experimentelle Gesetzgebung unter dem Grundgesetz, 1989, S. 16. 17 Verwaltungsverordnung über die Bereinigung des Ministerialblattes für das Land Nordrhein-Westfalen v. 11.5.1960, SMBl. NW 1141; Runderlaß des Innenministers v. 11.5.1960 über die Herausgabe des Grundwerks, SMBl. NW 1141. 18 Vgl. die Zahlenangaben bei Rietdorf, DÖV 1960, 576 (577). – Zur Bereinigung der bayerischen Verwaltungsvorschriften Fellner, DVBl. 1955, 244 (244 f.); Meiser, DRiZ 1958, 13 (13 ff.). Nach § 1 Satz 1 der Verwaltungsanordnung über die Geltungsdauer unveröffentlichter Verwaltungsvorschriften der Staatsregierung und der Staatsministerien v. 25.6.1957 (BayGVBl. Nr. 12/1957, S. 130) treten in Bayern unveröffentlichte Verwaltungsvorschriften drei Jahre nach ihrem Erlaß außer Kraft. – Über Maßnahmen zur Ordnung und Überprüfung von Verwaltungsvorschriften siehe auch Wurzel/DetteKoch, in: Hill, Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 45-55. 19 Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 5 Rn. 24 (S. 130). – Ellwein, Verwaltung und Verwaltungsvorschriften, 1989, S. 43, geht demgegenüber von „nur“ 21.000 Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht aus. 20 Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 5 Rn. 24 (S. 130). 21 Scheffler, DÖV 1980, 236 (236, Überschrift). 22 So Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 20. 23 Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992, S. 40, bezeichnet „Verwaltungsvorschriften als ‚Herzstück‘ des fachrechtlichen Standardsystems“. – Zahlreiche gesetzliche Ermächtigungen zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften zeigen die Bedeutung der Verwaltungsvorschriften gerade im Umwelt- und Technikrecht. Siehe nur § 48 BImSchG, § 55 BNatSchG, § 30 Abs. 5 GenTG, § 12 Abs. 2 KrW-/AbfG, § 10 Abs. 2 und 3 StVG, § 20 UVPG, § 36 b Abs. 7 WHG. 24 Aus der Fülle der Verwaltungsvorschriften im Umweltrecht seien nur exemplarisch genannt die Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (Techni16
Einleitung: Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung
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Technische Anleitung Luft (TA Luft)26 wohl die bekanntesten. In ihnen werden die maßgeblichen „Umweltstandards“27 festgelegt, die tiefgreifende ökonomische Wirkungen haben. Ähnliches gilt für die Subventionsrichtlinien28, die Voraussetzungen und Verfahren der Vergabe staatlicher Subventionen29 regeln. So ___________ sche Anleitung zur Lagerung, chemisch/physikalischen, biologischen Behandlung, Verbrennung und Ablagerung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen – TA Abfall) v. 12.3.1991, GMBl. 1991 S. 139, berichtigt durch Bekanntmachung v. 21.3.1991, GMBl. 1991 S. 469 zu § 4 Abs. 5 AbfG; Dritte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (Technische Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen – TA Siedlungsabfall) v. 14.5.1993, BAnz. 1993 Nr. 99 a, zu § 4 Abs. 5 AbfG; Allgemeine Berechnungsgrundlage für die Strahlenexposition bei radioaktiven Ableitungen mit der Abluft oder in Oberflächengewässern v. 15.8.1979, GMBl. 1979 S. 371 zu § 45 StrlSchVO; Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die nähere Bestimmung wassergefährdender Stoffe und ihre Einstufung entsprechend ihrer Gefährlichkeit v. 18.4.1996, GMBl. 1996 S. 327 zu § 19 g Abs. 5 Satz 2 WHG; Allgemeine Verwaltungsvorschrift über den Mindestgehalt von Bewirtschaftungsvorhaben v. 19.9.1978, GMBl. 1978 S. 466 zu § 36 b Abs. 7 WHG. 25 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) v. 26.8.1998, GMBl. 1998 S. 503. – Vgl. dazu Feldhaus, UPR 1999, 1 ff.; F.-J. Kunert, NuR 1999, 430 ff.; Schulze-Fielitz, DVBl. 1999, 65 ff.; Sparwasser/v. Komorowski, VBlBW 2000, 348 ff.; Tegeder, UPR 2000, 99 ff. 26 Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) v. 24.7.2002, GMBl. 2002 S. 511, die die Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) v. 27.2.1986, GMBl. 1986 S. 95, ersetzt. – Vgl. dazu Henselder, Vorschriften zur Reinerhaltung der Luft – TA Luft –, 1986, passim; Kalmbach/Schmölling, Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, 4. Aufl., 1994, passim; Hansmann, NVwZ 2003, 266 ff.; ders., NVwZ 2002, 1208 f. 27 Die Einführung des Begriffes Umweltstandards in die Rechtswissenschaft geht insbesondere auf Feldhaus, UPR 1982, 137 (138), zurück. Nach ihm sind Umweltstandards „generelle, durchweg in meßbare Größen aufgelöste Normen, die der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe des Umweltrechts dienen“. – Kontrovers diskutiert wird allerdings die Frage, ob sich der Begriff Umweltstandards nur auf die konkretisierenden Regelwerke bezieht oder auch die spezifischen umweltrechtlichen Generalklauseln mit einschließt. Dazu exemplarisch Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992, S. 13; Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992, S. 28; Müller-Foell, Die Bedeutung technischer Normen für die Konkretisierung von Rechtsvorschriften, 1987, S. 21 in Fn. 25; Rengeling, Der Stand der Technik bei der Genehmigung umweltgefährdender Anlagen, 1985, S. 19; A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 13; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 3, 7 ff. (S. 426 f., 429-432); Breuer, NVwZ 1988, 104 (106); Jarass, NJW 1987, 1225; Nicklisch, BB 1983, 261 f. 28 Dazu etwa Gusy, GewArch 1980, 324 ff.; Oldiges, NJW 1984, 1927 (insb. 1929 ff.); Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 ff. 29 Zum Subventionsbegriff Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl., 1999, Rn. 375 ff.; Reidt, in: Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl., 1997, § 10 Rn. 17-22 (S. 155-157); Stober, Bes. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 12. Aufl., 2001, S. 364-368.
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betrug im Jahr 1999 das Gesamtvolumen der Subventionen von Bund, Ländern und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland 90,4 Mrd. DM.30 Rechtsgrundlagen für die Gewährung eines nicht unerheblichen Teils dieser Subventionen waren ausschließlich Verwaltungsvorschriften. Beispielsweise wurden im Jahr 1999 Finanzhilfen zur Förderung von Existenzgründungen im Rahmen des Eigenkapitalhilfeprogramms in Höhe von insgesamt 896,5 Mio. DM31 allein aufgrund von Richtlinien der Bundesregierung32 vergeben. Die Vorläufige Verwaltungsvorschrift zu § 44 der Bundeshaushaltsordnung erlangte Bedeutung als Rechtsgrundlage für Zuschüsse zur Technologie- und Innovationsförderung von immerhin 823,6 Mio. DM33. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Unterstrichen wird die faktische Bedeutung der Verwaltungsvorschriften auch durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Art. 94 EGV normiert das Verfahren für „die Angleichung derjenigen [...] Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf [...] das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken“. Art. 95 EGV handelt von den „Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche [...] das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“.34 Daß die Verwaltungsvorschriften „nicht selten erst die für den Gesetzesadressaten entscheidende Regelung“35 enthalten, steht damit heute mehr denn je außer Zweifel.
B. Rechtsdogmatische Bewertung der Verwaltungsvorschriften Weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung besteht demgegenüber Klarheit darüber, ob und wie die Verwaltungsvorschriften in das System der Rechtsquellen einzuordnen sind.36
___________ 30 Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1997 bis 2000 (17. Subventionsbericht), BT-Drucks. 14/1500, S. 23. 31 Lfd. Nr. 55 der Anlage 1 des 17. Subventionsberichts, BT-Drucks. 14/1500, S. 107. 32 Richtlinie v. 9.4.1990, BAnz. Nr. 72 v. 12.4.1990; Richtlinie v. 16.6.1994, BAnz. Nr. 119 v. 29.6.1994; beide Richtlinien in der Fassung v. 1.4.1996, BAnz. Nr. 67 v. 4.4.1996. 33 Lfd. Nr. 43-48 der Anlage 1 des 17. Subventionsberichts, BT-Drucks. 14/1500, S. 101. 34 Erwähnt werden die Verwaltungsvorschriften des weiteren in Art. 39 Abs. 3 lit. c), 96 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 EGV. 35 Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 7 (S. 430).
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Zwar wird der Rechtscharakter der Verwaltungsvorschriften heute allgemein anerkannt. Als ein Kernproblem der Verwaltungsvorschriften gilt jedoch weiterhin die Frage nach dem Rechtsnormcharakter dieser Regelungskategorie. Die Bandbreite der vertretenen Auffassungen reicht von „keine Rechtsnormen“37 bis zu „zweifellos Rechtsnormen“38. Damit zusammenhängend steht seit langem die Frage der Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften im Vordergrund des rechtswissenschaftlichen Interesses, ohne daß bis jetzt eindeutige Antworten gefunden worden wären. Eher Verwirrung als Klarheit besteht nach wie vor in Bezug auf das „Kernproblem des bundesdeutschen Verwaltungs- und Staatsrechts“39 – die Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften. Lange Zeit wurden die Bindungswirkungen der Verwaltungsvorschriften allein auf den Innenbereich der Verwaltung beschränkt.40 Die oben angeführten Beispiele der Umweltstandards und Subventionsrichtlinien zeigen aber, daß Verwaltungsvorschriften nicht nur von verwaltungsinterner Bedeutung sind. Faktische Außenwirkung für den Bürger erhalten sie schon allein durch ihre behördliche Anwendung: So wird die zuständige Behörde eine beantragte Subvention bewilligen, wenn die Voraussetzungen der maßgeblichen Subventionsrichtlinie vorliegen. Umgekehrt wird sie den Antragsteller ablehnend bescheiden, wenn die Voraussetzungen der Richtlinie nicht erfüllt sind. Ob der Antragsteller sich aber vor dem Verwaltungsgericht auf die Subventionsrichtlinie berufen kann und geltend machen kann, sein Antrag sei richtlinienwidrig abgelehnt worden, hängt von der rechtlichen Außenwirkung der Richtlinie ab. Nach der (noch) überwiegenden Lehre41 wird die rechtliche Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften über die Verwaltungspraxis und den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG hergestellt. Eine originäre Befugnis der Exekutive zur verbindlichen Rechtsetzung gegenüber den Bürgern außerhalb des Verordnungsrechts sei weder mit dem grundgesetzlichen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip noch mit Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar.42 Daher scheide auch ___________ 36
Zur Problematik der Verwaltungsvorschriften aus rechtsvergleichender Perspektive etwa Ködderitzsch, Die Rolle der Verwaltungsvorschriften im japanischen Verwaltungsrecht, 1995, passim. 37 So ausdrücklich BVerwG v. 11.5.1988, NJW 1988, 2907; ferner F. Mayer, Allg. Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1972, S. 15; abgeschwächt nunmehr ders., Allg. Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1977, S. 21: „keine Verwaltungsrechtsquellen im eigentlichen, technischen Sinn“; ebenso ders./F. Kopp, Allg. Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 1985, S. 101: „(Die Verwaltungsvorschriften) sind doch selbst nicht objektives Recht.“ 38 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 119. 39 Guttenberg, JuS 1993, 1007 (1008). 40 Zur sogenannten Innenwirkung der Verwaltungsvorschriften siehe unten 3. Teil. 41 Eine ausführliche Darstellung und Würdigung dieser Lehre erfolgt sogleich im 4. Teil § 7 A. 42 Zur Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive siehe unten 4. Teil § 8 A.
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eine Bindung der Gerichtsbarkeit an die Verwaltungsvorschriften aus.43 Durch ständige Anwendung begründeten die Verwaltungsvorschriften aber eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Da die Verwaltung gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln dürfe, binde sich die Verwaltung durch die Verwaltungspraxis selbst. Als Konsequenz dieser Konstruktion kann der Bürger nicht die Verletzung der Verwaltungsvorschriften selbst rügen. Er kann lediglich geltend machen, daß die Verwaltung in seinem Fall die sonst praktizierten Verwaltungsvorschriften nicht eingehalten und folglich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen habe.44 Die Verwaltungsvorschriften erlangen somit über die „Umschaltnorm“45 des Art. 3 Abs. 1 GG mittelbar rechtliche Außenwirkung. Im Gegensatz dazu unterstellt eine vordringende Konzeption46 eine originäre Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive. Dem Gesetzesvollzugsauftrag der Verwaltung gemäß Art. 83 ff. GG korrespondiere eine Ermächtigung zur verbindlichen Rechtsetzung gegenüber dem Bürger. Verwaltungsvorschriften seien folglich als „verbindliche Teilvorwegnahme der behördlichen Einzelfallentscheidung“47 zu qualifizieren. Als „administratives Ergänzungsrecht“48 erlangten sie unmittelbar – also ohne Vermittlung über den Gleichheitssatz – rechtliche Außenwirkung.49 Die Schwierigkeiten in der deutschen Rechtswissenschaft und -praxis, die Rechtsnatur von Verwaltungsvorschriften exakt zu bestimmen, veranlaßte den Europäischen Gerichtshof, die Tauglichkeit der Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien zu verneinen: In den Richtlinien 80/779/EWG50 und 82/884/EWG51 hatte der Rat der Europäischen Gemeinschaften Grenzwerte für die Luftbelastung mit bestimmten Stoffen festgelegt. Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, die entsprechenden Vorschriften zu er___________ 43 Zur Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für die Gerichte siehe unten 5. Teil. 44 Zur sogenannten Theorie der Selbstbindung der Verwaltung siehe unten 4. Teil § 7 A. 45 Zacher, VVDStRL 24 (1966), S. 237 (Diskussionsbeitrag); vgl. dazu auch ders., VVDStRL 25 (1967), S. 308 (314 mit Fn. 24): „Umschalteffekt des Art. 3 Abs. 1 GG“. 46 Ausführliche Darstellung und Würdigung der Lehrmeinungen im 4. Teil § 7. 47 Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992, S. 190 Ziff. 8. 48 Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 vor Rn. 40 (S. 444). 49 Eine gesetzesgleiche Auslegung von Verwaltungsvorschriften des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes nach § 319 Lastenausgleichsgesetz v. 27.6.1955 (BGBl. 1952 I S. 446) nimmt das BVerwG bereits in einem Urteil v. 27.6.1955, BVerwGE 2, 163 (168 ff.), vor. Dazu auch BVerwG v. 11.7.1962, BVerwGE 14, 307 (310 ff.). 50 Richtlinie des Rates 80/779/EWG v. 15.7.1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub (ABl. EG Nr. L 229, S. 30). 51 Richtlinie des Rates 82/884/EWG v. 3.12.1982 betreffend einen Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft (ABl. EG Nr. L 378, S. 15).
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lassen, um die Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung hatte daher in der TA Luft Grenzwerte festgelegt, die grundsätzlich den Vorgaben der Richtlinien entsprachen. Der Europäische Gerichtshof52 entschied jedoch, daß die Richtlinien infolge der fehlenden unmittelbaren Außenwirkung der TA Luft gegenüber den Bürgern nicht wirksam in nationales Recht umgesetzt worden seien. Die durch die beiden Entscheidungen entfachte heftige53 Debatte um die „Europarechtstauglichkeit“ der Verwaltungsvorschriften hält bis heute an.54 Der Streit um die Verwaltungsvorschriften führt zuletzt zum bis heute ungeklärten Verhältnis von Legislative, Exekutive und Judikative im Gewaltengefüge des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht stellt zwar apodiktisch fest, Verwaltungsvorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt seien „grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle“55. Gleichzeitig billigt das Bundesverfassungsgericht aber eine „gewisse Bindung der Gerichte“56 an organisatorische Verwaltungsvorschriften57 und akzeptiert auch sogenannte normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften im Atomrecht58. An anderer Stelle59 läßt es die Frage der Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für die Gerichte indes ausdrücklich offen. Ungereimtheiten in der Behandlung von Verwaltungsvorschriften in einem Rechtsstreit weist auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung auf: So wurden Verwaltungsvorschriften im Umwelt- und Technikrecht als „antizipierte Sachverständigengutachten“60 und in anderen Bereichen als „antizipierte Verwaltungspraxis“61 gewertet. Im Jahre ___________ 52 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 ff. (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. 59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 ff. (Blei). 53 Siehe nur die Stellungnahmen von Lübbe-Wolff, in: Behrens/H.-J. Koch, Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1991, S. 127 (141): „ein Stück der Sparte ‚Absurdes Theater‘“; v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (85): „methodische Chuzpe“; Ossenbühl, DVBl. 1993, 753 (758): „Es kann ja nicht sein, daß durch pauschalierende Judikate aus Luxemburg die feinen Strukturen des Verwaltungsrechts, die das Bundesverwaltungsgericht herausgearbeitet hat und die ihren Sinn haben, wieder zerstört werden.“; Reinhardt, DÖV 1992, 102 (106): „undifferenzierte(r) Gebrauch des Begriffes der Verwaltungsvorschrift“; Salzwedel/Reinhardt, NVwZ 1991, 946 (947): „rechtsmißbräuchliche und besatzungsrechtsähnliche Intervention in gewachsene und allein vollzugseffiziente Normstrukturen des nationalen Rechtes“. 54 Zur Darstellung und kritischen Würdigung der Kontroverse siehe unten 7. Teil § 17 A. 55 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227). 56 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227). 57 Bereits ausdrücklich BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (255). 58 Vgl. dazu BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (316 ff.) – Wyhl. 59 BVerfG v. 21.6.1989, BVerfGE 80, 257 (265). 60 BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (256) – Voerde. 61 BVerwG v. 24.3.1977, BVerwGE 52, 193 (199).
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1985 qualifizierte das Bundesverwaltungsgericht schließlich eine Richtlinie zu § 45 StrlSchVO62 als „normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift“, die „für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich“ sei.63 Den vorläufigen Abschluß der Entwicklung in der Rechtsprechung bildet ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1998, in dem Verwaltungsvorschriften unter bestimmten Voraussetzungen gesetzesgleiche Wirkung zuerkannt wird.64
C. Erkenntnisinteresse und Untersuchungsgang Die Verwaltungsvorschriften berühren somit eine Fülle verwaltungs-, verfassungs- und europarechtlicher Bereiche und Grundprobleme. Alle Problemfelder münden jedoch – um es mit den Worten F. Ossenbühls65 auszudrücken – „unmittelbar in den unter jeder Verfassungsordnung entbrennenden und niemals versiegenden Streit um die Position und Befugnisse der Verwaltung“.66 Die Problematik der Verwaltungsvorschriften als Emanation dieses Konflikts entzieht sich damit „einer gleichsam endgültigen Bewältigung“67. Die vorliegende Arbeit findet darin ihre Rechtfertigung. Ihr Gegenstand ist die Behandlung der materiell- und prozeßrechtlichen Fragestellungen, die im Zusammenhang mit den Verwaltungsvorschriften auftreten. Dabei soll dem bereits vorhandenen Schrifttum, das sich fast ausschließlich mit Verwaltungsvorschriften in spezifischen Rechtsgebieten68 oder mit einzelnen ___________ 62 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen v. 13.10.1976 (BGBl. I S. 2905). 63 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (320) – Wyhl. 64 BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340 ff.). 65 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 17. 66 Vgl. auch H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. V (Vorwort): „Der Kampf um die Eigenständigkeit der Verwaltung ist wieder im Gange.“ 67 Franßen, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 429 (454), im Anschluß an Weyreuther, UPR 1986, 121: „Ein zeitloses Problem, das sich – deshalb immer wieder erörterungswürdig – einer gleichsam endgültigen Bewältigung entzieht.“ 68 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind zu nennen für das Ausländerrecht M. Müller, Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht, 1986; B. Huber, NVwZ 2000, 1386 ff.; für das Beamtenrecht A. Leisner, in: Festschrift für W. Fürst, 2002, S. 185 ff.; für das Sozialrecht Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000; für das Steuerrecht W. Leisner, Verwaltungsvorschriften als „Nebengesetze“ im Steuerrecht?, 1982; Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, 1992; für das Subventionsrecht H. P. Ipsen, VVDStRL 25 (1967), S. 257-307; Zacher, VVDStRL 25 (1967), S. 308-445; für das Umweltrecht Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992; Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996, S. 126-282, Mrasek-Robor, Technisches Risiko und Gewaltenteilung, 1997; Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992; Müller-Foell, Die Bedeutung technischer Normen für
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Aspekten der Verwaltungsvorschriften69 befaßt, keine weitere Teillösung70 hinzugefügt werden. Vielmehr geht es der vorliegenden Arbeit um den Versuch, Ansätze für die Einordnung der „Verwaltungsvorschriften überhaupt“71 in die heutige Rechtsquellenlehre darzulegen. Im Verlauf der Abhandlung wird nach einer Begriffsbestimmung, Abgrenzung und Systematisierung der Verwaltungsvorschriften (1. Teil) kurz auf die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften eingegangen (2. Teil). Der Darstellung der in praktischer wie in dogmatischer Hinsicht problematischen Rechtswirkungen der Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsperspektive der Administrative (3. Teil) schließen sich Untersuchungen ihrer rechtlichen Wirkung aus der Handlungsperspektive der Exekutive (4. Teil), der Kontrollperspektive der Judikative (5. Teil) und der Vollzugsadressatenperspektive Dritter (6. Teil) an. Namentlich im letztgenannten Teil wird gezeigt, daß Verwaltungsvorschriften Grundlage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns gegenüber dem Bürger sein können. Darauf aufbauend werden die Implikationen der Verwaltungsvorschriften in ausgewählten Teilrechtsgebieten wie dem Staatshaftungsrecht, dem Strafrecht, dem Zivilrecht und dem Gemeinschaftsrecht einer Lösung zugeführt (7. Teil).
___________ die Konkretisierung von Rechtsvorschriften, 1987; Steinhoff, Zur Bindungswirkung der Emissionswerte der TA Luft zugunsten des Anlagenbetreibers, 1991; Lübbe-Wolff, NVwZ 1990, 240 ff.; noch spezieller für die Technische Anleitung Siedlungsabfall P. M. Huber, Die TA Siedlungsabfall und ihre Bindungswirkung, 2000; Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999; Gaßner/Willand, ZUR 1999, 28 ff.; für die Technische Anleitung Lärm Chr. Müller, Die TA-Lärm als Rechtsproblem, 2001; für die Richtlinien des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel Reich, WM 1997, 1601 (1608 f.). 69 Über den Rechtscharakter der Verwaltungsvorschriften bereits v. Wedel, Außenwirkung der Verwaltungsverordnung, 1933; über die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften Ko, Verwaltungsvorschriften als Außenrecht, 1991; Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1999; über Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung Ossig, Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung, 1985; über die Verwaltungsvorschriften in der Rechtspraxis Rudisile, Verwaltungsvorschriften in der Rechtsprechung von Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht, 1987; M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987. 70 Eine umfassende Untersuchung der Verwaltungsvorschriften legten bislang nur Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, und W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, vor. 71 W. Leisner, Verwaltungsvorschriften als „Nebengesetze“ im Steuerrecht?, 1982, S. 19.
Erster Teil
Grundlagen der Verwaltungsvorschriften Die Unsicherheit in der rechtswissenschaftlichen Aufarbeitung der Verwaltungsvorschriften setzt bereits bei der „sprachlichen Verständigung“1 ein. Im Folgenden soll daher zunächst Klarheit über die terminologischen und typologischen Grundlagen der Verwaltungsvorschriften geschaffen werden.
§ 1 Terminologie A. Begriffsbestimmung I. Definition § 1 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie der Bundesregierung zur Gestaltung, Ordnung und Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Bundes (VwVR) vom 20. Dezember 19892 definiert Verwaltungsvorschriften als „Vorschriften [...], die mit verwaltungsinterner Bindungswirkung generelle und abstrakte Regelungen enthalten [...]“. Eine gleichlautende Definition enthält § 63 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil (GGO II) vom 15. Oktober 19763. Das Begriffsverständnis des überwiegenden Schrifttums und der Rechtsprechung stimmt im Ausgangspunkt weitgehend mit den beiden Legaldefinitionen überein. So versteht F. Ossenbühl unter Verwaltungsvorschriften
___________ 1
M. Schröder, in: Hill, Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 1 (3 f.), unter Hinweis auf Ossenbühl, in Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 31 (S. 153). 2 GMBl. 1990 Nr. 3 S. 39; Text ferner abgedruckt in ZG 1990, 65. – Die VwVR wurde aufgrund des Beschlusses der Bundesregierung v. 20.12.1989, GMBl. 1990 Nr. 3 S. 38, über Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und von Verwaltungsvorschriften erlassen. – Über den Zweck und den Inhalt der VwVR vgl. die kurze Einführung von Fliedner, in: Hill, Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 31 (33-36). 3 GMBl. 1976 Nr. 33 S. 550. – § 63 Abs. 2 GGO II lautet: „‚Allgemeine Verwaltungsvorschrift‘ ist die Bezeichnung für alle Vorschriften, die mit verwaltungsinterner Bindungswirkung generelle und abstrakte Regelungen [...] enthalten.“
§ 1 Terminologie
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„solche Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergehen und die dazu dienen, Organisation und Handeln der Verwaltung (z. B. Gesetzesvollzug, Ermessensausübung, Verwaltungsverfahren) näher zu bestimmen“4.
Lediglich durch sprachliche Nuancen unterscheiden sich die Begrifflichkeiten im übrigen Schrifttum.5 Gleiches gilt für die Rechtsprechung, nach der Verwaltungsvorschriften Anweisungen sind, „durch die eine vorgesetzte Behörde verwaltungsintern auf ein einheitliches Verfahren oder eine bestimmte Ermessensausübung, aber auch auf eine bestimmte Gesetzesauslegung und -anwendung durch die ihr nachgeordneten Behörden hinwirkt“6.
Über den Begriff der Verwaltungsvorschriften als solchen besteht daher in Schrifttum und Rechtsprechung (im Ausgangspunkt) weitgehende Einigkeit. Dennoch entbindet dieser Befund nicht von einer näheren Betrachtung der einzelnen Definitionsmerkmale.
1. Definitionsmerkmal der „rechtlichen Regelung“ Entsprechend dem gebräuchlichen Begriffsverständnis haben Verwaltungsvorschriften Regelungscharakter.7 Eine Regelung umschreibt, daß und welche ___________ 4 Ossenbühl, in Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 31 (S. 153); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 4 (S. 427); ähnlich ders., Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 30. 5 Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 16 Rn. 51 (S. 299), § 21 Rn. 211 (S. 476); Battis, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1997, S. 34; Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992, S. 17 f.; Bull, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2000, § 6 Rn. 304 (S. 144); Faber, Allg. Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1995, § 11 I (S. 70 f.); Forsthoff, Allg. Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 139 ff.; M. Müller, Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht, 1986, S. 29; Ossig, Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung, 1985, S. 1 f.; Peine, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2002, § 3 Rn. 56 (S. 35); M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 4, 6; Steinhoff, Zur Bindungswirkung der Emissionswerte der TA Luft zugunsten des Anlagenbetreibers, 1991, S. 17; H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 24 Rn. 22 (S. 327); Badura, in: Festschrift für O. Bachof, 1984, S. 169 (187); Detterbeck, Art. „Verwaltungsvorschrift“, in: LdR 9/2030, S. 1; H. H. Klein, in: Festschrift für E. Forsthoff, 1967, S. 163 (166); Ossenbühl, in: Hill, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 99 (105 ff.); M. Schröder, in: Hill, Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 1 (4); Bock, JA 2000, 390; Ketteler, VR 1983, 174; Sterken, VR 1996, 380. – Aus dem älteren verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Schrifttum Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., 1933, Art. 77 Anm. 1 und 2; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928, S. 62 ff.; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 126; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1. Aufl., 1895, S. 122 ff.; v. Wedel, Außenwirkung der Verwaltungsverordnung, 1933, S. 13 ff. 6 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227). – Ähnlich BVerwG v. 25.5.1993, InfAuslR 1993, 298.
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
Rechtswirkungen als Folge einer hoheitlichen Maßnahme eintreten,8 indem sie bereits kraft Gesetzes bestehende Rechte und Pflichten näher konkretisiert9 oder einen Spielraum bei der Rechtsfolgensetzung präziser ausgestaltet10. Entscheidend ist, daß die regelnde Maßnahme ihrem Ausspruch nach unmittelbar auf die Setzung einer Rechtfolge gerichtet ist.11 Nicht ausreichend ist dagegen, wenn sich die Rechtsfolge als bloßer Reflex der behördlichen Maßnahme ergibt. Der Eintritt der Rechtsfolge muß vielmehr final bezweckt sein.12 Daraus ergibt sich zwingend, daß eine Regelung nur eine rechtliche Regelung sein kann. Zwar wurde früher bei Verwaltungsvorschriften im besonderen Gewaltverhältnis13, den sogenannten Sonderverordnungen, das Vorliegen einer rechtlichen Regelung in Abrede gestellt.14 Wie alle Maßnahmen der Exekutive werden indes auch die Verwaltungsvorschriften im besonderen Gewaltverhältnis nach Maßgabe der über Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die Grundrechte und an das Gesetz erlassen.15 Dieser umfassenden Bindung aller Staatsgewalt entspricht es, die frühere Auffassung von der „Rechtsleere“16 bestimmter Typen von Verwaltungsvorschriften ad acta zu legen.
___________ 7
Stellvertretend Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 852 (S. 247); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 36 (S. 9); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 1 (S. 624), sowie die soeben in Fn. 5 aufgeführten Autoren. 8 BVerwG v. 10.5.1984, NJW 1985, 1302 (1303). 9 Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (365). 10 Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (364 f.). 11 Zur Abgrenzung gegenüber Realakten BVerwG v. 20.5.1987, BVerwGE 77, 268 (271 ff.). 12 BVerwG v. 28.10.1970, BVerwGE 36, 192 (194 ff.); v. 26.4.1968, BVerwGE 29, 310 (312, 313); Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (364 f.). 13 Zum besonderen Gewaltverhältnis zählten etwa das Strafvollzugsverhältnis, das Wehrdienstverhältnis, das Zivildienstverhältnis, das Beamtenverhältnis oder das Schulverhältnis. Siehe dazu Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 293-296 (S. 86 f.); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 17-20a (S. 123-127). 14 Zu den Sonderverordnungen siehe sogleich unten 1. Teil § 1 B. 15 BVerfG v. 14.3.1972, BVerfGE 33, 1 (10 f.) – Strafgefangenenentscheidung; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 29-37. – Zum Spannungsverhältnis zwischen der Bindung der Verwaltung an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG und an die Gesetze gemäß Art. 20 Abs. 3 GG vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, passim. 16 Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 96 a. E. – Dazu noch ausführlich unten 2. Teil.
§ 1 Terminologie
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2. Definitionsmerkmal der „Abstraktheit“ der Regelung Ein weiteres Kennzeichen der Verwaltungsvorschriften ist, daß sie eine Vielzahl von Fällen regeln. Dieses Begriffsmerkmal hebt die Verwaltungsvorschriften von den Einzelweisungen17 ab, die rechtsverbindliche Aussagen nur für konkrete Einzelfälle des Verwaltungsgeschehens treffen.18 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich namentlich deshalb, weil der maßgebliche Bezugspunkt „Einzelfall“ fraglich ist. Problematisch wird es insbesondere, wenn eine Regelung eine Vielzahl von Sachverhalten betrifft, sich aber nur an eine einzige oder einige wenige Behörden richtet.19 Es stellt sich daher die Frage, welche Kriterien für die Qualifizierung einer Regelung als Verwaltungsvorschrift maßgeblich sein sollen – der Adressatenkreis20 oder die abstrakte Vielheit der Sachverhalte21 oder kumulativ beide Merkmale22. Vor allem im Rahmen der Einordnung einer Regelung als Verwaltungsakt wird das Kriterium zur Abgrenzung von der Rechtsnorm mit der Individualität des Adressatenkreises umschrieben.23 Der individuelle Charakter einer Regelung sei aber nicht nur dann anzunehmen, wenn sich die Regelung nur an einen Adressaten, sondern auch an einen individuell bestimmten oder zumindest bestimmbaren Adressatenkreis richte.24 Dies ist jedoch nicht nur mißverständlich, sondern sogar unzutreffend: Bestimmbar müssen die Adressaten einer jeden hoheitlichen Regelung sein, soll sie nicht ins Leere laufen und damit nichtig ___________ 17
Einzelweisungen sind normiert in Art. 84 Abs. 5 Satz 1 GG, § 37 Satz 2 BRRG. Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 20; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 117. 19 Die Frage, ob es auch zulässig ist, nur einer oder einigen wenigen Behörden mittels „allgemeiner“ Verwaltungsvorschriften Anweisungen zu geben, war bereits in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik umstritten. Vgl. dazu etwa Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., 1933, Art. 15 Anm. 5, Art. 77 Anm. 3; Triepel, in: Festgabe für W. Kahl, 1923, Beitrag II, S. 1 (85). 20 Eine Reduzierung der Abgrenzungsproblematik ausschließlich auf die personelle Komponente wird im Schrifttum allerdings vornehmlich bei der Unterscheidung von Verwaltungsakten und Rechtsnormen vertreten. Vgl. dazu Obermayer, VwVfG, 2. Aufl., 1990, § 35 Rn. 152; ders., NJW 1980, 2386 ff., Drews/Wacke/Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 357-361; Vogel, BayVBl. 1977, 617 (619 f.). 21 So Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 20; Groß (2001), in: Berliner Kommentar, GG, Art. 84 Rn. 31; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 106; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 8. 22 So Bull, in: AK, GG, Bd. 2, 2. Aufl., 1989, Art. 84 Rn. 37, dem zufolge Verwaltungsvorschriften auf „eine unbestimmte Anzahl von Fällen und betroffenen Personen anwendbar sein“ müssen. Offen gelassen dagegen ders., Allg. Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 1998, Rn. 304. 23 Obermayer, NJW 1980, 2386 (2387); Vogel, BayVBl. 619 (620). – Vgl. auch BVerwG v. 28.2.1961, BVerwGE 12, 87 (89) – Endiviensalat. 24 So Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 9 Rn. 16 (S. 192 f.). 18
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
sein. Und ein „Mittelwert zwischen zahlenmäßiger Bestimmtheit und Unbestimmtheit“25 existiert schon rein begrifflich nicht. Zudem kommt als Adressatenkreis von Verwaltungsvorschriften eine unbestimmte Vielheit bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich Verwaltungsvorschriften zuvörderst an ganz bestimmte Behörden und damit an unter Umständen zahlenmäßig nur wenige Organträger, Organe oder Organwalter richten. Der Adressatenkreis sowohl von Verwaltungsvorschriften als auch von Einzelweisungen ist somit in jedem Fall bestimmbar, mithin als Abgrenzungskriterium unbrauchbar. Angesichts dessen erscheint es richtig, bei der Einordnung einer Regelung als Verwaltungsvorschrift auf das Kriterium des Adressatenkreises zu verzichten. Ausschlaggebend ist vielmehr der Umstand, ob eine unbestimmte, abstrakte Vielheit von Sachverhalten oder ob lediglich einzelne, konkrete Sachverhalte geregelt werden sollen. Nur im ersten Fall handelt es sich um Verwaltungsvorschriften.
3. Definitionsmerkmal der „verwaltungsinternen Wirkung“ der Regelung Neben den bisher erörterten Tatbestandsmerkmalen wurzeln weitere Probleme vor allem im Definitionsmerkmal der verwaltungsinternen Wirkung der Regelung. Unstreitig ergehen Verwaltungsvorschriften „innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete“26. Nur insofern rechtfertigt sich die traditionelle Bezeichnung der Verwaltungsvorschriften als „Innenrecht“ oder als „Recht mit verwaltungsinterner Wirkung“. Dies allein reicht jedoch nicht aus, den Verwaltungsvorschriften eine unmittelbare rechtliche „Außenwirkung“ zu versagen. Statt dessen droht die Gefahr eines Zirkelschlusses, wenn den Verwaltungsvorschriften quasi per definitionem die unmittelbare Rechtswirkung nach außen abgesprochen wird, weil sie keine „Rechtsnormen im engeren Sinne“ seien:27 Ist eine Verwaltungsvorschrift keine Rechtsnorm im engeren Sinne, weil sie keine unmittelbare „Außenwirkung“ hat, oder hat sie keine unmittelbare „Außenwirkung“, weil sie keine Rechtsnorm im engeren Sinne ist? Das Profil der Verwaltungsvorschriften näher zu konturieren, ist richtigerweise ein Problem der Verfassungsinterpretation und richtet sich nach den objektiven Vorgaben des Grundgesetzes. ___________ 25
v. Mutius, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 167 (197). Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 31 (S. 153). 27 So aber wohl Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 94-96. 26
§ 1 Terminologie
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Daher verfängt auch ein Hinweis auf einen eventuell anderslautenden Willen der die Verwaltungsvorschriften erlassenden Stelle nicht. Namentlich können weder die Richtlinie der Bundesregierung zur Gestaltung, Ordnung und Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Bundes28 noch die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien29 zur rechtlichen Qualifizierung der Verwaltungsvorschriften entscheidend beitragen. Denn die Etikettierung einer Regelung, welche die Verwaltung subjektiv gewählt hat, vermag ihre objektivrechtliche Kategorisierung nicht einmal zu indizieren.30 Andernfalls würden die daran anknüpfenden Rechtsfolgen ungeachtet verfassungsrechtlicher Bindungen zur jederzeitigen Disposition des Normsetzers stehen.31 Die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für untergeordnete Verwaltungsinstanzen läßt somit einen Rückschluß auf ihre Wirkkraft gegenüber Gerichten und Bürgern nicht zu.
4. Vorläufige Definition der Verwaltungsvorschriften Zusammenfassend läßt sich folgender (vorläufiger) Definitionsversuch unternehmen: Verwaltungsvorschriften sind solche Vorschriften, die – ungeachtet ihrer Verbindlichkeit für Gerichte und Bürger – innerhalb der Verwaltung von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergehen und eine abstrakte Vielheit von Sachverhalten des Verwaltungsgeschehens regeln.
___________ 28 Für die Bundesverwaltung definiert § 1 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie Verwaltungsvorschriften als Regelungen „mit verwaltungsinterner Bindungswirkung“. In den Erläuterungen zu § 6 der Richtlinie heißt es ausdrücklich: „Verwaltungsvorschriften haben grundsätzlich nur verwaltungsinterne Wirkung. Sie richten sich an die Beschäftigten in der Verwaltung, wenden sich aber nicht berechtigend oder verpflichtend an den Bürger selbst. Außenwirkung erhalten sie erst durch ihre Vollziehung im Einzelfall.“ 29 Auch nach § 63 Abs. 2 GGO II sind Verwaltungsvorschriften Vorschriften mit ausschließlich „verwaltungsinterner Bindungswirkung“. 30 HessStGH v. 15.7.1970, ESVGH 21, 1 (12); HessVGH v. 25.4.1952, ESVGH 1, 139 (142); VGH BW v. 2.6.1967, ESVGH 18, 23 (29); v. Engelhardt, Der Rechtsschutz gegen Rechtsnormen, 1971, S. 41 f.; v. Mutius, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 167 (183); Hauck, NJW 1957, 809 (810); Meyer-Arndt, DÖV 1968, 118 (120); Renck, JuS 1967, 545 (546). 31 Vgl. bereits Bachof, JZ 1956, 35 (36 sub 6.); Lerche, DÖV 1961, 486 (492).
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
II. Bezeichnung Die Nomenklatur der Verwaltungsvorschriften32 ist seit jeher durch ihre quantitative Vielfalt gekennzeichnet. Während Verwaltungsvorschriften im 19. Jahrhundert als „Verordnungen“, „Erlasse“, „Rescripte“, „Circulare“, „Patente“ oder „Reglements“ bezeichnet wurden,33 heißen sie heute vielfach „Verfügungen“, „Richtlinien“, „Dienstanweisungen“, „Anordnungen“, „Runderlasse“, „Verwaltungsverordnungen“, „Verwaltungsanordnungen“, „Technische Anleitungen“ oder einfach „Verwaltungsvorschriften“.34 Nicht von ungefähr gab es sowohl in den Verwaltungen der Länder als auch des Bundes Versuche, die Terminologie der Verwaltungsvorschriften zu vereinheitlichen. So ordnete bereits 1948 das Niedersächsische Staatsministerium an, die Bezeichnung „Verwaltungsverordnung“ nicht mehr zu verwenden und statt dessen den Begriff der „Verordnung“ allein den „Rechtssätzen“ vorzubehalten.35 In Bayern sollen seit 1957 Verwaltungsvorschriften der Staatsregierung und der Staatsministerien nur noch als „Verwaltungsanordnungen“, „Bekanntmachungen“, „Richtlinien“ oder „Entschließungen“ bezeichnet werden.36 Auch die Richtlinie der Bundesregierung zur Gestaltung, Ordnung und Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Bundes vom 20. Dezember 198937 diente der Vereinheitlichung der Begriffssprache.38
___________ 32 Der Begriff „Verwaltungsvorschrift“ findet seine erstmalige Verwendung in § 18 des preußischen Gesetzes Nr. 1868 wegen Untersuchung und Bestrafung der Zollvergehen v. 23.1.1838 (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1838, S. 78 [83]). Insofern unzutreffend Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 200 mit Fn. 13, der von einer erstmaligen Fixierung in Art. 77 WRV 1919 ausgeht. 33 Vgl. die Aufzählung bei L. v. Stein, Die Verwaltungslehre, Erster Theil, Erste Abtheilung, 2. Aufl., 1869, S. 43. 34 Vgl. die Aufzählung bei Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 31 (S. 153); M. Schröder, in: Hill, Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 1 (4). 35 Beschluß des Niedersächsischen Staatsministeriums über die Verwendung der Bezeichnung „Verordnung“ v. 20.4.1948, Nds. ABl. 1948, S. 113. 36 § 6 der Verwaltungsanordnung über die amtliche Veröffentlichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Staatsregierung und der Staatsministerien v. 25.6.1957, BayGVBl. Nr. 12/1957, S. 129. 37 GMBl. 1990 Nr. 3 S. 39-41. 38 Die Sätze 1 und 2 des § 3 Abs. 1 der Richtlinie lauten: „Für Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen künftig außer der Bezeichnung ‚Allgemeine Verwaltungsvorschriften‘ (§ 63 Abs. 2 GGO II) nur noch die Bezeichnungen ‚Verwaltungsvorschrift‘, ‚Dienstvorschrift‘, ‚Richtlinie‘ oder ‚Geschäftsordnung‘ verwendet werden. Die Bezeichnung ‚Anordnung‘ ist nur mit einem Zusatz zulässig.“ – Nach den Erläuterungen zu § 3 der Richtlinie und § 63 Abs. 3 GGO II ist die Bezeichnung „Anordnung“ ohne Zusatz dem Bundespräsidenten vorbehalten.
§ 1 Terminologie
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Anders als in der Verwaltungspraxis findet sich in der Gesetzgebungspraxis indes vornehmlich die Bezeichnung „Verwaltungsvorschriften“. Sie wurde nicht nur in Art. 7 Nr. 2, 37, 38 Nr. 1 der Reichsverfassung vom 16. April 187139 und Art. 77 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 191940 verwendet, sondern kommt ebenfalls in den Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 Satz 1, 86 Satz 1, 87 b Abs. 2 Satz 2 Hs. 2, 108 Abs. 7 und 129 Abs. 1 Satz 1 GG41 vor. Auch die einfachen Gesetze bedienen sich fast ausschließlich des Terminus „Verwaltungsvorschriften“.42 Lediglich in den Verfassungen der Länder läßt sich bisweilen der Begriff „Verwaltungsverordnungen“ antreffen.43 Zuletzt hat sich die Bezeichnung „Verwaltungsvorschriften“ auch im jüngeren Schrifttum44 und in der Rechtsprechung45 eingebürgert. Sie soll daher im Folgenden verwendet werden.
___________ 39 40 41
RGBl. 1871 S. 63 (67). RGBl. 1919 S. 1383 (1397). In Art. 120 a Abs. 1 Satz 1 GG werden die Verwaltungsvorschriften vorausge-
setzt. 42
Etwa § 104 AuslG, § 5 BHO, §§ 48, 66 Abs. 2 BImSchG, § 114 Abs. 1 BSHG, § 30 Abs. 5 GenTG, § 12 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG, § 353 SGB III, § 28 p Abs. 7 SGB IV, § 79 Abs. 2 SGB IV, § 274 Abs. 3 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, Abs. 4 SGB VII, § 115 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 SGB VII, § 19 g Abs. 5 Satz 2 WHG. Vgl. ferner exemplarisch aus früheren Gesetzen § 4 Abs. 5 AbfG (in der Fassung der Bekanntmachung v. 27.8.1986, BGBl. 1986 I S. 1410, berichtigt S. 1501), § 16 GewO (in der Fassung der Bekanntmachung v. 1.1.1987, BGBl. 1987 I S. 425). – Dagegen sind in § 37 Satz 2 BRRG, § 55 Satz 2 BBG die Begriffe „Anordnungen“ und „allgemeine Richtlinien“ anzutreffen. 43 Von „Verwaltungsvorschriften“ ist in Art. 61 Abs. 2 BadWürttVerf, Art. 64 Abs. 3 Satz 2, 67 Abs. 2 Satz 2 BerlVerf, Art. 110 Abs. 2 RhPfVerf und Art. 75 Abs. 2 SächsVerf die Rede. – Die Bezeichnung „Verwaltungsanordnungen“ läßt sich Art. 55 Nr. 2 Satz 2 BayVerf, Art. 124 BremVerf, Art. 107 HessVerf und Art. 56 Abs. 2 NWVerf entnehmen. – Die BrandVerf, HambVerf, MVVerf, NdsVerf, SaarlVerf, LSAVerf, SchlHVerf und ThürVerf enthalten keine ausdrücklichen Bestimmungen über Verwaltungsvorschriften. 44 Etwa Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 852 (S. 247); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 36 f. (S. 9 f.); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 (S. 624 ff.); Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 30 ff. (S. 152 ff.). – Anders noch Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 16 Rn. 51 (S. 299), § 21 Rn. 210 (S. 475), und Forsthoff, Allg. Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 139 ff., die den Terminus „Verwaltungsverordnung“ verwenden. 45 Aus der jüngeren Rechtsprechung etwa BVerfG v. 21.6.1989, BVerfGE 80, 257 (265); v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (Leitsatz 1, 227); v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (247); BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 ff.; v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340); v. 21.3.1996, GewArch 1996, 497 (498); v. 10.1.1995, NVwZ 1995, 994; v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (320) – Wyhl; OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323) – Buschhaus.
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
B. Abgrenzung Verwaltungsvorschriften stellen nicht die einzige Kategorie administrativer Rechts- und Regelbildung dar.46 Dennoch mangelt es bislang an einer ausgebildeten Systematisierung der verschiedenen Regelwerke und an einer Abgrenzung zu den Verwaltungsvorschriften.
I. Sonderverordnungen Eng mit der Kontroverse um die Verwaltungsvorschriften verknüpft ist der Streit um die Sonderverordnungen. Mit dem von H. J. Wolff47 kreierten Begriff der Sonderverordnung werden jene Vorschriften der Verwaltung bezeichnet, die zur Regelung sogenannter besonderer Gewaltverhältnisse48 erlassen werden, sofern sie nicht als Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung qualifiziert werden können.49 Als besondere Gewaltverhältnisse galten spezifische Pflichtverhältnisse, die durch die freiwillige oder zwangsweise Einordnung des Bürgers in bestimmte Verwaltungsbereiche begründet werden.50 Hauptbeispiele sind das Beamtenverhältnis in allen Ausformungen51, das Wehrdienst- und Zivildienst___________ 46
Siehe dazu den Überblick bei Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 12 ff. (S. 146 ff.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 3 ff. (S. 426 ff.); ders., UTR 3 (1987), 27 (insb. 39 ff.). 47 H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 1. Aufl., 1956, § 25 VIII a 1 (S. 89). 48 Die Terminologie ist im jüngeren Schrifttum uneinheitlich. Exemplarisch H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 25 Rn. 43 (S. 357): „verwaltungsrechtliches Sonderverhältnis“; Fuß, DÖV 1972, 765: „personales Kontaktverhältnis“. 49 Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 16 Rn. 58 (S. 301); Battis, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1997, S. 40 f.; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 59 (S. 164 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 6 (S. 428); Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 251 ff.; H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 25 Rn. 43 (S. 357); E.-W. Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1 (16 ff., 21); Brohm, DÖV 1964, 238 (250); R. Groß, NJW 1969, 2186 (2187); Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 (936); Selmer, VerwArch 59 (1968), 114 (136). 50 Ausdruck und Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses verdankt die Verwaltungsrechtswissenschaft O. Mayers Aufsatz „Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrage“, AöR 3 (1888), 1 (53 f.). Seinen Ursprung findet das Rechtsinstituts jedoch bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Versuchen der Staatsrechtslehre, das Beamtenverhältnis zu erfassen. – Dazu auch Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, 1972, S. 2 ff.; Erichsen, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 219 (220 ff.); ders., VerwArch 63 (1972), 441 (442); Luthe, DVBl. 1986, 440 in Fn. 6; Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 in Fn. 3; ders., VerwArch 73 (1982), 245. 51 Aus der Rechtsprechung BVerfG v. 11.12.1962, BVerfGE 15, 167 (199); v. 17.12.1953, BVerfGE 3, 58 (153); BVerwG v. 20.3.1962, BVerwGE 14, 84 (86); v. 18.6.1964, DÖV 1964, 630 (631); v. 23.2.1961, NJW 1961, 1323 (1325); BGH v.
§ 1 Terminologie
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verhältnis52 und Anstaltsnutzungsverhältnisse53 wie das Schul-54 und Strafvollzugsverhältnis55. Demgegenüber erfaßte das allgemeine Gewaltverhältnis jeden Bürger bezüglich seiner allgemeinen Rechte und Pflichten.56 Die rechtsdogmatische Einordnung der Vorschriften im besonderen Gewaltverhältnis war in der Verwaltungsrechtsgeschichte einem mehrfachen Wandel unterworfen: Die Staatsrechtslehre der konstitutionellen Monarchie und der Weimarer Republik beschränkte den Bereich des Rechts auf die Beziehungen der Bürger untereinander und auf das allgemeine Gewaltverhältnis.57 Das besondere Gewaltverhältnis dagegen wurde dem verwaltungsinternen und damit ___________ 21.9.1953, JZ 1954, 261 f.; BayDStH v. 25.3.1970, BayVBl. 1970, 226; OVG Hamburg v. 14.7.1958, ZBR 1959, 81; v. 12.1.1956, DVBl. 1956, 417 (419); HessVGH v. 17.2.1956, ESVGH 6, 40 (41); v. 30.6.1948, HessStAnz. 1949, 210; OVG Münster v. 19.7.1962, DÖV 1963, 27; v. 29.11.1956, ZBR 1957, 135; OVG Koblenz v. 12.10.1959, ZBR 1960, 385 (386); v. 15.12.1963, ZBR 1954, 188. – Aus dem Schrifttum Jeglin, Der Sonderstatus des Beamten in der parlamentarischen Demokratie, 1962, passim; v. Münch, Freie Meinungsäußerung und besonderes Gewaltverhältnis, 1957, S. 48 ff.; Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem und besonderem Gewaltverhältnis, 1972, S. 177 ff. 52 BVerwG v. 6.5.1964, BVerwGE 18, 283 (285); v. 28.6.1965, NJW 1966, 364 f.; BGH v. 5.12.1967, BGHSt 22, 14 (17); Breitinger, Die staatsrechtliche Stellung der Angehörigen der Bundeswehr, 1967, S. 52 ff.; Dowie, Grundrechte, Pflichtenkreis und Privatsphäre im militärischen Statusverhältnis, 1971, S. 9; Ullmann, Grundrechtsbeschränkungen des Soldaten durch die Wehrverfassung, 1968, S. 94 ff.; Schaefgen, Aus Politik und Zeitgeschichte B 48/1980, S. 3 ff. 53 Etwa BSG v. 30.10.1959, DVBl. 1960, 141 (142) – Krankenkasse/Arzt; VGH Mannheim v. 30.7.1960, VBlBW 1960, 140 (141) – Friedhofnutzung; OVG NW v. 20.5.1959, OVGE 15, 64 (67) – Gemeinderat/Mitglied; v. 18.6.1952, OVGE 15, 64 (67) – Versicherungsaufsicht; weitere Beispiele bei Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, 1972, S. 4 f. 54 HessStGH v. 27.10.1965, DÖV 1966, 51 (52); BVerwG v. 29.6.1957, BVerwGE 5, 153 (154); v. 11.12.1964, DÖV 1965, 638 f.; VGH BW v. 5.5.1961, ESVGH 11, 5 (7 ff.); OVG NW v. 8.9.1966, OVGE 22, 267 (277); OVG Lüneburg v. 14.8.1953, DVBl. 1953, 663; v. 24.6.1953, OVGE 9, 430 (434); OVG Koblenz v. 18.12.1953, DVBl. 1954, 579 (580); VG Freiburg v. 29.4.1966, DVBl. 1966, 870 (871); zum besonderen Gewaltverhältnis der Studenten BVerwG v. 20.6.1958, BVerwGE 7, 125 ff. 55 BVerfG v. 14.3.1972, BVerfGE 33, 1 ff. – Strafgefangenen-Entscheidung; VGH Bremen v. 3.8.1956, DÖV 1956, 703; BGH v. 8.11.1965, BGHSt 20, 342 (369); v. 9.7.1956, BGHZ 21, 214 (218 f.); BAG v. 24.4.1969, NJW 1969, 1824; OLG Bremen v. 31.7.1959, NJW 1959, 2176 (2177); OLG Frankfurt v. 11.6.1964, NJW 1964, 2073; OLG Hamburg v. 6.1.1969, JZ 1970, 193 (194); OLG Hamm v. 14.11.1960, NJW 1961, 693; OLG Koblenz v. 25.11.1970, NJW 1971, 531; OLG Oldenburg v. 10.8.1964, MDR 1964, 1027. 56 Aus dem älteren Schrifttum O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924, S. 101; ders., AöR 3 (1888), 1 (53); Thoma, Der Polizeibefehl im Badischen Recht, 1. Teil, 1906, S. 17-21. 57 So bereits Anschütz, in: Stengel/Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staatsund Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2. Aufl., 1913, Art. „Gesetz“, S. 212 (214); Laband, Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. 1, 2. Aufl., 1888, S. 590.
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
einem als rechtsfrei erachteten Bereich zugerechnet, in dem weder der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung noch die Grundrechte Geltung beanspruchen konnten.58 O. Mayer konnte daher als gemeinsamen Nenner der klassischen Lehre festhalten: „Die Ordnung des Nutzungsverhältnisses der Verwaltungsanstalten trägt mit voller Absichtlichkeit nicht das Gepräge des Rechtsstaates. Sie vermeidet Rechtssatz und Verwaltungsakt. Ebendeshalb kommen dabei richtige subjektive Rechte nicht notwendig zum Vorschein.“59
Von diesem Standpunkt her zwingend wurden die Anordnungen der Verwaltung im besonderen Gewaltverhältnis als ausschließlich verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften eingeordnet. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland wurde die Grundrechtsbindung des Staates im besonderen Gewaltverhältnis zwar kaum noch bestritten;60 die Ausübung der Grundrechte aber sollte durch den Zweck des jeweiligen besonderen Gewaltverhältnisses begrenzt sein.61 Ohne dem Vorbehalt des Gesetzes zu unterliegen, stand der Exekutive daher im Bereich des besonderen Gewaltverhältnisses eine originäre Kompetenz zum Erlaß von Rechtssätzen – den sogenannten Sonderverordnungen – zu.62 Von diesen Sonderverordnungen wurden die Verwaltungsvorschriften unterschieden, bei denen es sich um reine Verwaltungsinterna handeln sollte.63 Die
___________ 58 Laband, Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. 2, 5. Aufl., 1911, S. 181 f.; ferner G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 388. 59 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl., 1924, S. 284. 60 v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 1966, Vorbemerkungen B. XII.; H. Krüger, in: Festschrift für R. Smend, 1952, S. 211 (231); ders., VVDStRL 15 (1957), S. 109 (124 ff.); ders., NJW 1953, 1369 (1372); Kalisch, AöR 78 (1952/53), 334 ff.; W. Leisner, DVBl. 1960, 617 (622); a. A. dagegen noch v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., 1953, Vorbemerkungen 4.; Wacke, AöR 76 (1950/51), 385 ff. 61 Vgl. Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, 1972, S. 14-16; v. Münch, Freie Meinungsäußerung und besonderes Gewaltverhältnis, 1957, S. 34 ff.; Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, 1969, S. 299-303; jeweils mit weiteren Nachweisen. 62 W. Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderbindung, 1982, S. 467 f.; E.-W. Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1 (23 ff.); R. Groß, NJW 1969, 2186 (2187 li. Sp.); Merten, Jura 1981, 236 (239); Selmer, VerwArch 59 (1968), 114 (135 f.); dazu ferner Erichsen, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 219 (237 f.). – Die überwiegende Rechtsprechung stufte die in besonderen Gewaltverhältnissen erlassenen abstrakt-generellen Regelungen dagegen weiterhin als Verwaltungsvorschriften ohne Rechtsnormcharakter ein. Beispielhaft etwa BVerwG v. 12.5.1961, NJW 1962, 122 f.; v. 24.4.1959, NJW 1959, 1843 f. Eine Ausnahme stellten insofern VGH Bad.-Württ. v. 4.4.1962, VerwRspr. 15 (1963), S. 19 ff., und BayVerfGH v. 2.5.1968, BayVBl. 1968, 352 f., dar. 63 E.-W. Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1 (16 ff., 20); R. Groß, NJW 1969, 2186 f.; ders., DÖV 1971, 186 (188 f.); Selmer, VerwArch 59 (1968), 114 (135 f.).
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überwiegende Lehre stufte die Sonderverordnungen somit neben den Rechtsverordnungen als eigenständige Rechtsquelle ein. In seiner Strafgefangenen-Entscheidung vom 14. März 197264 tat das Bundesverfassungsgericht indes die These von der Sonderverordnung als Gesetzesersatz im besonderen Gewaltverhältnis mit einem kurzen Hinweis auf den grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalt ab: Der umfassenden Grundrechtsbindung der Staatsgewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG widerspreche es, wenn im besonderen Gewaltverhältnis beliebig oder nach Ermessen in Grundrechte eingegriffen werden könnte. Das Gesetzmäßigkeitsprinzip fordere vielmehr, daß Grundrechte nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden könnten. Eine originäre Rechtsetzungsgewalt komme der Exekutive im besonderen Gewaltverhältnis daher nicht zu.65 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stieß im Schrifttum66 und der fachgerichtlichen Rechtsprechung67 weitgehend auf Zustimmung. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung erscheint der Neologismus „Sonderverordnung“ zur Begründung einer eigenständigen Rechtsquellenkategorie überholt. Der Erlaß abstrakt-genereller Regelungen im besonderen Gewaltverhältnis ist statt dessen ausschließlich in Form von Rechtsverordnungen, Satzungen oder Verwaltungsvorschriften möglich.68
___________ 64
BVerfG v. 14.3.1972, BVerfGE 33, 1 ff. – Strafgefangenen-Entscheidung. BVerfG v. 14.3.1972, BVerfGE 33, 1 (10 f.) – Strafgefangenen-Entscheidung. 66 Erichsen, VerwArch 63 (1972), 441 (444 f.); Fuß, DÖV 1972, 765 ff.; Kempf, JuS 1972, 701 ff.; Maetzel, DÖV 1972, 563; Müller-Dietz, NJW 1972, 1161 ff.; Ronellenfitsch, VerwArch 73 (1982), 245; Rupp, JuS 1975, 609 (613 f.); Starck, JZ 1972, 360 ff. 67 Vgl. insbesondere aus dem Bereich des Schulrechts BVerfG v. 21.12.1977, BVerfGE 47, 46 (78 f.) – Sexualerziehung; v. 22.6.1977, BVerfGE 45, 400 (417 f.); BayVerfGH v. 27.3.1980, BayVBl. 1980, 368 ff.; v. 25.7.1978, BayVBl. 1978, 699 ff.; BVerwG v. 22.3.1979, BVerwGE 57, 360 (369 f.); v. 14.7.1978, BVerwGE 56, 155 (160); HessVGH v. 18.8.1976, DÖV 1977, 211 ff. mit Anmerkung Hennecke, DÖV 1977, 214 f.; OVG Hamburg v. 7.9.1979, DVBl. 1980, 486 f.; OVG NW v. 20.12.1976, NJW 1977, 826. 68 Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 16 Rn. 58 (S. 301); Battis, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1997, S. 41; Fuß, DÖV 1972, 764 (770); Ronellenfitsch, DÖV 1984, 781 (784); ders., VerwArch 73 (1982), 245. – Ebenso bereits HessStGH v. 15.7.1970, ESVGH 21, 1 (14); VG München v. 26.10.1970, BayVBl. 1971, 195 f. – Dagegen immer noch H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 25 Rn. 43 (S. 357 f.); Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1999, S. 14, bei dem der Unterschied zwischen Sonderverordnungen und organisatorischen Verwaltungsvorschriften unklar bleibt. 65
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
II. Geschäftsordnungen Geschäftsordnungen sind Rechtssätze, die von Kollegialorganen zur Regelung ihrer Organisation und ihres Verfahrens erlassen werden und die sich an die Organwalter der jeweiligen Organe richten.69 Zur Abgrenzung zu den Verwaltungsvorschriften sollen im Folgenden Geschäftsordnungen verfassungsrechtlicher Kollegialorgane (1.) sowie administrative (2.) und gerichtliche (3.) Geschäftsordnungen unterschieden werden.
1. Geschäftsordnungen verfassungsrechtlicher Kollegialorgane Der Begriff der „Geschäftsordnung“ wird auf verfassungsrechtlicher Ebene in Art. 40 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 3 Satz 2, 65 Satz 4 und 77 Abs. 2 Satz 2 GG erwähnt. Weder dem Wortlaut oder der Systematik der Grundgesetzbestimmungen noch den historischen deutschen Verfassungen70 kann jedoch die Rechtsnatur dieser Regelungsform entnommen werden, die folglich nicht ohne Grund seit dem 19. Jahrhundert Gegenstand einer kontroversen Diskussion ist.71 Es wundert daher nicht, daß namentlich die parlamentarischen Geschäftsordnungen von einem Teil der Lehre als „Verwaltungsverordnungen“72 oder als „gemischte Rechts- und Verwaltungsverordnungen“73 qualifiziert wurden. Der Hinweis auf den „abstrakte(n), keineswegs jedoch generelle(n), sondern viel___________ 69
Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 12 (S. 629 f.); Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 67 (S. 169 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 66 Rn. 41 (S. 484 f.). 70 Vgl. § 116 Satz 1 RV 1849: „Jedes Haus hat das Recht, sich seine Geschäftsordnung selbst zu geben.“; Art. 27 Satz 2 RV 1871: „Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch seine Geschäfts-Ordnung [...].“; Art. 26 Abs. 1 Satz 2 WRV 1919: „Er gibt sich seine Geschäftsordnung.“ 71 Vgl. nur Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., 1931, Art. 26 Anm. 1; Hubrich, Das demokratische Verfassungsrecht des deutschen Reiches, 1921, S. 64 f.; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 169; G. Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Teil, 7. Aufl., 1914, S. 235. 72 Hamann, GG, 1. Aufl., 1956, Art. 65 Anm. C 6. 73 Giese, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., 1955, Art. 40 Anm. 3. – Aus dem älteren staatsrechtlichen Schrifttum Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., 1931, Art. 26 Anm. 1; Hubrich, Das demokratische Verfassungsrecht des deutschen Reiches, 1921, S. 64 f.; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 169; G. Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Teil, 7. Aufl., 1914, S. 235: „autonomische Norm“; Morstein Marx, Beiträge zum Problem des parlamentarischen Minderheitenschutzes, 1924, S. 16-21; Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung vom 11.8.1919, 3. Aufl., 1928, Art. 26 Anm. 4 b.
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mehr individuelle(n)“74 Regelungscharakter der Parlamentsgeschäftsordnung kann zwar gerade nicht als Argument gegen ihre Einordnung als Verwaltungsvorschrift oder „gemischte Rechts- und Verwaltungsverordnung“ verwendet werden:75 Die Unbrauchbarkeit des Adressatenkreises als Abgrenzungskriterium wurde bereits dargelegt.76 Parlamentarische Geschäftsordnungen als „Verwaltungsverordnungen“ oder „gemischte Rechts- und Verwaltungsverordnungen“ zu kennzeichnen, ist dennoch unzutreffend. Denn Verwaltungsvorschriften werden von übergeordneten Verwaltungsinstanzen an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete erlassen und sind somit Ausdruck eines hierarchischen Subordinationsverhältnisses. Den Geschäftsordnungen der Parlamente demgegenüber wohnt das Moment der Selbstregelung inne. Es handelt sich um „von gleichberechtigten Mitgliedern geschaffene Verfahrensordnung(en)“77. Der Zweck parlamentarischer Geschäftsordnungen – die Selbstregelung eigener Angelegenheiten – darf nun nicht dazu verleiten, sie als „autonome Satzung“78 oder „Verfassungssatzung“79 zu bezeichnen. Der Satzungsbegriff ist solchen Rechtssätzen vorbehalten, die von juristischen Personen auf Grund einer ihnen vom Staat eingeräumten eigenen (autonomen) Rechtsetzungsgewalt erlassen werden. Von staatlichen Organen gesetztes Recht wird aber in Wahrnehmung einer staatlichen Kompetenz erlassen, ist mithin staatliches, d. h. niemals (autonomes) Satzungsrecht.80 ___________ 74
Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 53. So aber Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 53; ders., in: HStR II, 1987, § 52 Rn. 82 (S. 660). 76 Siehe 1. Teil § 1 A. I. 2. 77 Reifenberg, Die Bundesverfassungsorgane und ihre Geschäftsordnungen, 1958, S. 50. 78 BVerfG v. 6.3.1952, BVerfGE 1, 144 (148), in Anlehnung an Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 5. Aufl., 1911, S. 344 f.: „statustechnische Regelung der internen Angelegenheiten“. – Ferner HessStGH v. 21.9.1966, ESVGH 17, 18 (21); HambVerfG v. 5.11.1975, DVBl. 1976, 444 (446); K. F. Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, 1966, S. 138 f.; v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl., 1966, Art. 40 Anm. IV. 1.; Schneider, in: AK, GG, Bd. 2, 1. Aufl., 1984, Art. 40 Rn. 10; weitere Nachweise bei Morlok, in: H. Dreier, GG, Bd. II, 1998, Art. 40 Rn. 18; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 82. 79 Für die Geschäftsordnung der Bundesregierung E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 122 f. – Ferner V. Haug, Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1994, S. 195 f.; Magiera, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 40 Rn. 25; Meyn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 65 Rn. 18; Pietzcker, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 10 Rn. 40 (S. 354). 80 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 54 f.; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 67 (S. 169 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 66 Rn. 41 (S. 484); Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 82 f.; H. Dreier, JZ 1990, 310 (313). 75
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
Es bleibt daher die Lösung, parlamentarische Geschäftsordnungen – wie im übrigen auch die Geschäftsordnungen anderer staatlicher Organe81 – als eigenständigen Regelungstypus zu qualifizieren82 und so von den hier interessierenden Verwaltungsvorschriften abzugrenzen.83
2. Administrative Geschäftsordnungen a) Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) Insbesondere von der Geschäftsordnung der Bundesregierung zu unterscheiden ist die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO I und II). Die GGO I regelt die innere Organisation und den Geschäftsgang der Ministerien und enthält geschäftstechnische Ergänzungen zur Geschäftsordnung der Bundesregierung; die GGO II handelt vom Geschäftsverkehr mit anderen Verfassungsorganen sowie der Mitwirkung bei den Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren. Als verbindliche Dienstanweisung richtet sich die GGO an die Bediensteten des Bundeskanzleramtes und der Bundesministerien. Außerhalb der Ergänzungen der Regierungsgeschäftsordnung beruht sie auf der Befugnis des Bundeskanzlers und der einzelnen Bundesminister, als Behördenleiter dienstliche und organisatorische Anordnungen zu erlassen.84 Die GGO ist daher zu Recht als Verwaltungsvorschrift eingestuft worden.85 Der Beschluß der GGO in konzertierter Form stellt insofern lediglich die Vereinbarung der einzelnen
___________ 81 Die Rechtsnatur der parlamentarischen und der Regierungsgeschäftsordnungen weist insoweit keine Unterschiede auf. Ausdrücklich Achterberg, in: HStR II, 1987, § 52 Rn. 85 (S. 660); vgl. ferner Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 67 (S. 169 f.). 82 Ebenso Kretschmer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 9 Rn. 53 (S. 306); Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, 1997, S. 91; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 12 (S. 629 f.); Morlok, in: H. Dreier, GG, Bd. II, 1998, Art. 40 Rn. 18. 83 Gegen die Rechtsnatur (der Regierungsgeschäftsordnung) als Verwaltungsvorschrift bereits v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl., 1966, Art. 65 Anm. VI. 1. a). 84 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 127 f.; Reifenberg, Die Bundesverfassungsorgane und ihre Geschäftsordnungen, 1958, S. 50. – Nur die Ergänzungen der GGO zur Geschäftsordnung der Bundesregierung beruhen auf der Geschäftsführungsbefugnis der Bundesregierung aus Art. 65 Satz 3 GG. 85 v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl., 1966, Art. 65 Anm. VI. 4.; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 16 (S. 434); Reifenberg, Die Bundesverfassungsorgane und ihre Geschäftsordnungen, 1958, S. 54; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 307.
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Regierungsmitglieder dar, die Verwaltungsvorschriften in ihrem Ministerium in Kraft zu setzen.86
b) Geschäftsordnungen von Gemeindevertretungen Demgegenüber ist die Geschäftsordnung einer Gemeindevertretung weder Verwaltungsvorschrift87 noch sowohl Satzung als auch Verwaltungsvorschrift zugleich88. Sie enthält allgemeine Fragen des Verfahrensablaufs und der Ratsorganisation89 und richtet sich ausschließlich an die Mitglieder der Gemeindevertretung, die sie auch selbst beschlossen haben90. Das für Verwaltungsvorschriften typische Element der heteronomen Bindung untergeordneter Verwaltungsinstanzen ist kommunalen Geschäftsordnungen, die durch eine autonome Selbstbindung gekennzeichnet sind, daher fremd. Die Geschäftsordnung des Gemeinderats kann zudem keine Pflichten zulasten anderer Kommunalorgane oder Dritter begründen: Sie wirkt nicht über den Organbereich hinaus91 und weist damit auch keine Satzungsqualität auf.92 Statt dessen sind Geschäftsordnungen der Gemeindevertretungen als eigenständige Rechtsquelle von Verwaltungsvorschriften (und Satzungen) zu unterscheiden.93
___________ 86 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 128; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 307. 87 VGH Bad.-Württ. v. 30.12.1971, ESVGH 22, 180 (181); Foerstemann, in: Püttner, HkWP, Bd. 2, 2. Aufl., 1982, S. 90 (108 f.); Rothe, DÖV 1991, 486 (490). – Offen gelassen von BVerwG v. 15.9.1987, DVBl. 1988, 790 f. 88 So aber Gern/Berger, VBlBW 1983, 165 (166). 89 Foerstemann, in: Püttner, HkWP, Bd. 2, 2. Aufl., 1982, S. 90 (109 f.) mit einer Aufzählung der in den Geschäftsordnungen kommunaler Vertretungskörperschaften regelmäßig enthaltenen Bestimmungen. 90 Foerstemann, in: Püttner, HkWP, Bd. 2, 2. Aufl., 1982, S. 90 (108); Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 66 Rn. 41 (S. 484 f.); Rothe, DÖV 1991, 486 (489). 91 Nur insofern „erinnert“ (BVerwG v. 15.9.1987, DVBl. 1988, 790) die Geschäftsordnung eines kommunalen Vertretungsorgans an eine Verwaltungsvorschrift. 92 Dennoch ist nicht ausgeschlossen, Geschäftsordnungen förmlich als Satzung zu erlassen. Siehe dazu Foerstemann, in: Püttner, HkWP, Bd. 2, 2. Aufl., 1982, S. 90 (108); Schmidt-Aßmann, in: ders., Bes. Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, Rn. 64 (S. 47); H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 25 Rn. 47 (S. 360). 93 Ebenso Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 12 (S. 629 f.); Schmidt-Aßmann, in: ders., Bes. Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, Rn. 64 (S. 47); Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 66 Rn. 41 (S. 485).
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
3. Gerichtliche Geschäftsverteilungspläne Gleiches gilt für die vom Präsidium angeordneten gerichtlichen Geschäftsverteilungspläne. Zur gerichtlichen Geschäftsverteilung gehört gemäß § 21 e Abs. 1 GVG zweierlei: Die Verteilung der Geschäfte auf die bereits gebildeten Spruchkörper und die Zuweisung einzelner Richter an diese Spruchkörper. Weder die Spruchkörper noch die Einzelrichter können aber im Verhältnis zum Präsidium mit untergeordneten Verwaltungsbehörden oder -bediensteten verglichen werden. Es handelt sich vielmehr um selbständige Entscheidungsorgane, die ausschließlich rechtsprechende Gewalt ausüben.94 Auch die Bezeichnung der Anordnung der Geschäftsverteilungspläne als Teil der gerichtlichen „Selbstverwaltung“95 ändert nichts daran, daß die gerichtlichen Spruchorgane nicht Teil eines Verwaltungsinstanzenzuges sind, innerhalb dessen Verwaltungsvorschriften erlassen werden können.96 Gerichtliche Geschäftsverteilungspläne weisen zudem eine spezifische „Doppelnatur“97 auf und heben sich auch dadurch als eigenständige Rechtsquelle von den Verwaltungsvorschriften98 und anderen Regelwerken99 ab. ___________ 94
Ausdrücklich Rasch, VerwArch 60 (1969), 1 (21). Die Bezeichnung der Spruchorgane als „Gerichtsbehörden“ (vgl. RG v. 24.4.1878, RGSt 19, 260 [261]) wird dem Unterschied zwischen Rechtsprechung und Verwaltung dagegen nicht gerecht. 95 VGH Bad.-Württ. v. 25.6.1973, DVBl. 1973, 891 (892); VG Schleswig v. 13.6.1990, NVwZ-RR 1992, 111; Renck, NJW 1984, 2929; L. Schäfer, BayVBl. 1974, 325 (327). 96 Davon zu trennen ist die Frage, ob dem Präsidium Behördenqualität zukommt. Dafür etwa P. Müller, MDR 1977, 975 (977); Rasch, VerwArch 60 (1969), 1 (6). Dagegen etwa BVerwG v. 28.11.1975, BVerwGE 50, 11 (16); Kissel, GVG, 3. Aufl., 2001, § 21 e Rn. 10. Offengelassen von BGH v. 7.6.1966, BGHZ 46, 147 (148). 97 Einerseits legt der Geschäftsverteilungsplan die Zuständigkeit der Spruchkörper und Einzelrichter zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten fest, ohne jedoch die Zahl der erfaßten Rechtsstreitigkeiten und der betroffenen Personen abschließend zu individualisieren. Insofern ist der Geschäftsverteilungsplan abstrakt (und generell). – Andererseits beinhaltet der Geschäftsverteilungsplan die Zuweisung jedes einzelnen Richters an die Spruchkörper und damit eine konkrete (und individuelle) Einzelfallregelung. – Vgl. zur Problematik Erichsen, VerwArch 68 (1977), 179 (182); Kornblum, NJW 1977, 666; P. Müller, MDR 1977, 975 (976 f.); Rasch, VerwArch 60 (1969), 1 (20 ff.); L. Schäfer, BayVBl. 1974, 325 (327). 98 Gegen eine Qualifizierung der gerichtlichen Geschäftsverteilungspläne als Verwaltungsvorschriften ausdrücklich auch Rasch, VerwArch 60 (1969), 1 (20), allerdings mit der unzutreffenden Begründung, daß Verwaltungsvorschriften keine Rechtssatzqualität zukomme und sie deshalb nicht den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügten. 99 Ebenso Erichsen, VerwArch 68 (1977), 179 (183): „gebrochenes, ihrer Rechtsnatur nach nicht einheitliches Geflecht von Regelungen“; Renck, NJW 1984, 2928 (2929): „Rechtsvorschrift eigener Art“. – Zur Rechtsnatur gerichtlicher Geschäftsverteilungspläne ferner BayVerfGH v. 6.8.1985, NJW 1986, 1673 ff.; VG Schleswig v. 13.6.1990, NVwZ-RR 1992, 111 f. mit weiteren Nachweisen.
§ 1 Terminologie
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III. Regelwerke sachverständiger Gremien In der Rechtswirklichkeit werden die in Gesetzen und Rechtsverordnungen enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe häufig durch Regelungen konkretisiert, die nicht ohne weiteres als Verwaltungsvorschriften bezeichnet werden können. Namentlich im Umweltschutz- und Technikrecht100 erlassen öffentlichrechtlich oder privatrechtlich organisierte sachverständige Gremien eine Fülle von Leitlinien, Bekanntmachungen und sonstigen Regelwerken.
1. Regelwerke öffentlich-rechtlich organisierter Gremien, insbesondere im Atomrecht Vor allem im Bereich des Atomrechts finden sich innerhalb der Verwaltungsorganisation keine allgemeinen Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG. Statt dessen füllt ein ganzer Kranz sonstiger verwaltungsinterner Regelwerke die Regelungslücke.
a) Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke Für die Konkretisierung der „nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche(n) Vorsorge gegen Schäden“ gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AtG kommt namentlich den „Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke“ wesentliche Bedeutung zu. Sie wurden am 12. Oktober 1977 vom Länderausschuß für Atomkernenergie101 verabschiedet102 und waren ursprünglich als „fachtechnischer Teil für eine noch zu erlassende allgemeine Verwaltungsvorschrift“103 geplant. In elf Abschnitten enthalten die Sicherheitskriterien neben Begriffsdefinitionen die „Grundsätze für sicherheitstechnische Anforderungen, die der Ausle___________ 100 Siehe dazu ausführlich Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 49-109; A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 45-91; Kellermann, in: Nicklisch/Schottelius/Wagner, Die Rolle des wissenschaftlich-technischen Sachverstandes, 1981, S. 51-65; Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (224 f.). 101 Der Länderausschuß für Atomkernenergie besteht aus dem Bundesminister des Innern und den für die Genehmigung und die Aufsicht auf dem Gebiet der Atomenergie zuständigen obersten Landesbehörden. 102 Bekanntmachung von Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke v. 21.10.1977, verabschiedet im Länderausschuß für Atomkernenergie am 12.10.1977 (BAnz. Nr. 206 v. 3.11.1977, S. 1 ff.). 103 Vgl. die Antwort der Bundesregierung v. 16.7.1975 auf die Große Anfrage betreffend die friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland (BT-Drucks. 7/3871, S. 28).
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
gung von Kernkraftwerken zugrunde gelegt werden“104. Da sie lediglich Empfehlungen sind, kommt ihnen keine Rechtsverbindlichkeit zu.105
b) Richtlinien des Bundesinnenministers Die Richtlinien des Bundesinnenministers werden in der Regel vom Länderausschuß für Atomkernenergie verabschiedet und dann vom Bundesminister des Innern im Bundesanzeiger veröffentlicht.106 Schwerpunktmäßig enthalten sie die im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Prüfung erforderlichen Informationen über technische Systeme107 sowie die Anforderungen an den Fachkundennachweis des Personals atomtechnischer Anlagen108. Die im Länderausschuß vertretenen obersten Landesbehörden verpflichten sich, bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit kerntechnischer Anlagen nach diesen Richtlinien zu verfahren. Insofern ähneln die Richtlinien zwar Verwaltungsvorschriften. Sie sind aber keine allgemeinen Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 85 Abs. 2 GG.109
___________ 104
So die Einleitung der Bekanntmachung von Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke durch den Bundesminister des Innern (BAnz. Nr. 206 v. 3.11.1977, S. 1). 105 Ebenso Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 108. – Umstritten ist, ob die „Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke“ überhaupt als Verwaltungsvorschriften erlassen werden könnten oder nicht sogar in die Form einer Rechtsverordnung gekleidet werden müßten (so Birkenstock/Gabriel, in: Drittes Deutsches AtomrechtsSymposium, 1975, S. 117 [124]; Roser, in: Erstes Deutsches Atomrechts-Symposium, 1973, S. 115 [118]). Die Prämisse dieser Auffassung, durch den Erlaß als Verwaltungsvorschrift werde der Rechtsschutz in verfassungswidriger Weise ausgehöhlt, kann jedenfalls nicht überzeugen. Dagegen deshalb auch Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 108 in Fn. 38; Mutschler, in: Erstes Deutsches Atomrechts-Symposium, 1973, S. 95 (107). 106 Kellermann, in: Nicklisch/Schottelius/Wagner, Die Rolle des wissenschaftlichtechnischen Sachverstandes, 1981, S. 51 (55); Ossenbühl, UTR 3 (1987), 27 (41). 107 Etwa die Richtlinien über die in atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke zur Prüfung erforderlichen Informationen v. 17.5.1978 (GMBl. S. 294 ff.); v. 21.11.1977 (GMBl. S. 739 ff.); v. 12.10.1977 (GMBl. S. 661 ff.); v. 20.1.1977 (GMBl. S. 66 ff.); v. 4.8.1976 (GMBl. S. 445 ff.). 108 Etwa die Richtlinie für Programme zur Erhaltung der Fachkunde des verantwortlichen Schichtpersonals in Kernkraftwerken v. 17.5.1979 (GMBl. S. 238 ff.). 109 So auch Kellermann, in: Nicklisch/Schottelius/Wagner, Die Rolle des wissenschaftlich-technischen Sachverstandes, 1981, S. 51 (55); Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 10 (S. 431); ders., UTR 3 (1987), 27 (41).
§ 1 Terminologie
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c) Empfehlungen und Leitlinien der Reaktor-Sicherheitskommission Die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) wurde am 25. November 1971 beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft gegründet,110 bevor sie am 15. Dezember 1973 dem Zuständigkeitsbereich des Bundesministers des Innern zugeordnet wurde111. Sie besteht aus „etwa 20“ weisungsungebundenen Wissenschaftlern, die vom Bundesinnenminister berufen werden.112 Ihr Auftrag besteht in der Beratung des Bundesinnenministers in Fragen der Sicherheit von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen und der Sicherheit des Kernbrennstoffkreislaufs.113 Als Ergebnis der Beratungen spricht die RSK Empfehlungen an den Bundesinnenminister aus, die im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Daneben veröffentlicht die RSK in Form der Leitlinien auch abstrakte, vom Einzelfall gelöste Stellungnahmen zu bestimmten atomtechnischen Fragen.114 Sowohl Empfehlungen als auch Leitlinien sind vorrangig für den internen Beratungsprozeß konzipiert und daher rechtlich unverbindlich.115
d) Empfehlungen und Leitlinien der Strahlenschutzkommission Gleiches gilt für die Empfehlungen und Leitlinien der Strahlenschutzkommission (SSK), die den Bundesminister des Innern in Fragen der Radioökologie und des radiologischen Arbeitsschutzes berät.116
e) Regeln des Kerntechnischen Ausschusses Eine Schlüsselfunktion bei der Aufstellung eines kernenergietechnischen Regelwerks kommt dem am 13. September 1972 gegründeten Kerntechnischen ___________ 110
Bekanntmachung über die Bildung einer Reaktor-Sicherheitskommission v. 25.11.1971 (BAnz. Nr. 228 v. 8.12.1971, S. 2 f.). 111 Bekanntmachung über die Übernahme der Reaktor-Sicherheitskommission v. 25.5.1973 (BAnz. Nr. 118 v. 29.6.1973, S. 1); vgl. auch die Bekanntmachung über die Neufassung der Bekanntmachung über die Bildung einer Reaktorsicherheitskommission v. 15.12.1980 (BAnz. Nr. 10 v. 16.1.1981, S. 1 f.). 112 §§ 1 und 3 Abs. 1 der Bekanntmachung über die Bildung einer Reaktor-Sicherheitskommission v. 15.12.1980 (BAnz. Nr. 10 v. 16.1.1981, S. 1). 113 § 2 der Bekanntmachung über die Bildung einer Reaktor-Sicherheitskommission v. 15.12.1980 (BAnz. Nr. 10 v. 16.1.1981, S. 1). 114 § 12 der Bekanntmachung über die Bildung einer Reaktor-Sicherheitskommission v. 15.12.1980 (BAnz. Nr. 10 v. 16.1.1981, S. 2). 115 So auch A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 84; Ossenbühl, UTR 3 (1987), 27 (41). 116 Vgl. die Bekanntmachung über die Bildung einer Strahlenschutzkommission v. 19.4.1974 (BAnz. Nr. 92 v. 17.5.1974, S. 1; BAnz. Nr. 220 v. 5.11.1984, S. 12909).
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
Ausschuß (KTA) zu.117 Er hat die Aufgabe, „auf Gebieten der Kerntechnik, bei denen sich auf Grund von Erfahrungen eine einheitliche Meinung von Fachleuten der Hersteller, Ersteller und Betreiber von Atomanlagen, der Gutachter und der Behörden abzeichnet, für die Aufstellung sicherheitstechnischer Regeln zu sorgen und deren Anwendung zu fördern“118. Der Ausschuß besteht aus 50 Mitgliedern, die vom Bundesinnenminister berufen werden und nach einem im einzelnen festgelegten Verfahren kerntechnische Regeln erarbeiten. Die Regeln werden zunächst als Entwürfe veröffentlicht, nach Ablauf einer Einspruchsfrist erneut beraten und nach ihrer endgültigen Verabschiedung durch den KTA vom Bundesinnenminister im Bundesanzeiger veröffentlicht.119 Aufgrund ihres lediglich empfehlenden Charakters sind die KTA-Regeln auch innerhalb der Behördenorganisation unverbindlich und damit keine Rechtsnormen.120
2. Regelwerke privatrechtlich organisierter Gremien Hinzu treten Vorschriften privater Organisationen und Verbände, deren wichtigste das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) und der Verein Deutscher Ingenieure e. V. (VDI) sind.
a) Normen des Deutschen Instituts für Normung e. V. Das DIN verfolgt als eingetragener Verein den gemeinnützigen Zweck, „durch Gemeinschaftsarbeit der interessierten Kreise zum Nutzen der Allgemeinheit Deutsche Normen oder andere Arbeitsergebnisse, die der Rationalisie___________ 117
Vgl. die Bekanntmachung über die Bildung eines Kerntechnischen Ausschusses v. 13.9.1972 (BAnz. Nr. 172 v. 13.9.1972); Bekanntmachung über die Übernahme des Kerntechnischen Ausschusses in die Zuständigkeit des Bundesministers des Innern v. 27.9.1974 (BAnz. Nr. 193 v. 15.10.1974, S. 2 f.); Bekanntmachung der Neufassung der Bekanntmachung über die Bildung eines Kerntechnischen Ausschusses v. 1.12.1981 (BAnz. Nr. 240 v. 23.12.1981, S. 1 f.); Bekanntmachung über die Übernahme des Kerntechnischen Ausschusses in die Zuständigkeit des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit v. 1.9.1986 (BAnz. Nr. 183 v. 2.10.1986, S. 13850 f.). 118 § 2 der Bekanntmachung der Neufassung der Bekanntmachung über die Bildung eines Kerntechnischen Ausschusses v. 1.12.1981 (BAnz. Nr. 240 v. 23.12.1981, S. 1). 119 § 7 Bekanntmachung der Neufassung der Bekanntmachung über die Bildung eines Kerntechnischen Ausschusses v. 1.12.1981 (BAnz. Nr. 240 v. 23.12.1981, S. 1); ausführlich auch Kellermann, in: Nicklisch/Schottelius/Wagner, Die Rolle des wissenschaftlich-technischen Sachverstandes, 1981, S. 51 (57 ff.); Schwarzer/Eichner, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 377 (378 f.). 120 Ebenso Marburger, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 209 (214); Roser, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 627 (627 f.); Schwarzer/Eichner, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 377 (378).
§ 1 Terminologie
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rung, der Qualitätssicherung, der Sicherheit und der Verständigung in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit dienen“121, aufzustellen und ihre Anwendung zu fördern. Inhaltlich sollen die Normen den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und die wirtschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigen und die Entwicklung und Humanisierung der Technik fördern.122 In einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahre 1975 hat sich das DIN zudem verpflichtet, bei der Normungsarbeit das öffentliche Interesse mit einfließen zu lassen. Im Gegenzug wurde das DIN als die zuständige Normenorganisation für das Bundesgebiet anerkannt.123 Dennoch sind die DIN-Normen keine verbindlichen Rechtsnormen, sondern enthalten mangels Rechtsetzungsbefugnis des DIN nur Empfehlungen.
b) Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure e. V. Ebenso wie das DIN ist auch der VDI ein eingetragener Verein. Vereinszweck ist neben anderem die Pflege der Gemeinschaftsarbeit zur Förderung des fachlichen Erfahrungsaustausches und des allgemeinen technischen Fortschritts sowie die Schaffung von anerkannten Regeln der Technik und von Prüfzeichen in freiwilliger Selbstverantwortung der Technik.124 Hinsichtlich ihrer Rechtsnatur, ihrem Inhalt und ihrer Erarbeitung bestehen zwischen den VDI-Richtlinien und den DIN-Normen zahlreiche Gemeinsamkeiten. So stellen auch die VDIRichtlinien unverbindliche Empfehlungen dar.125 Rechtliche Relevanz kommt ihnen erst dann zu, wenn sie durch Verweisungen in gesetzliche Regelungen oder Verwaltungsvorschriften integriert werden und von den Gerichten als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden.126 ___________ 121 § 1 Abs. 3 der Satzung des DIN in der Fassung v. 20.4.1975, zitiert nach A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 51. 122 Die Normungsarbeit selbst ist in der DIN 820 geregelt. Text abgedruckt in DIN, Grundlagen der Normungsarbeit des DIN, 5. Aufl., 1987, S. 81 ff. 123 Text abgedruckt in DIN, Grundlagen der Normungsarbeit des DIN, 5. Aufl., 1987, S. 43 ff. 124 § 2 Nr. 1.6 und 1.7 der Satzung des VDI in der Fassung v. 30.11.1977, zitiert nach Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 222; A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 68. 125 Vgl. OVG Lüneburg v. 19.8.1999, NVwZ-RR 2000, 91 zur VDI-Richtlinie 3472; v. 18.2.1998, NuR 1998, 661 (662) zur VDI-Richtlinie 3472; v. 25.3.1994, NVwZ 1995, 714 (715) zur VDI-Richtlinie 3471. 126 Ebenso Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 225; Ossenbühl, UTR 3 (1987), 27 (41). – Zur Problematik der Einbeziehung technischer Regelwerke in normative Regelungen oder gerichtliche Entscheidungen Marburger, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 209 (215 ff.).
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
IV. Verwaltungsinterne Vorschriften auf Gemeinschaftsebene Mit Verwaltungsvorschriften vergleichbar sind verwaltungsinterne Vorschriften auf Gemeinschaftsebene, durch deren Veröffentlichung die Kommission der Europäischen Gemeinschaft ihre Genehmigungspolitik offenlegt. Namentlich im Beihilferecht sollen die Gemeinschaftsrahmen, Leitlinien oder Kodizes127 die Entscheidungen der Kommission vereinheitlichen, indem sie losgelöst von Einzelfällen abstrakte Regeln für die Anwendung der Ausnahmebestimmungen des Art. 87 Abs. 2 und 3 EGV aufstellen.128 Hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit der Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien für die Mitgliedstaaten ist zwischen bereits bestehenden und neu einzuführenden Beihilfen zu unterscheiden. In bezug auf bereits bestehende Beihilfen werden einseitig von der Kommission erlassene Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien als „zweckdienliche Maßnahmen“ im Sinne des Art. 88 Abs. 1 Satz 2 EGV bezeichnet, die vor der Zustimmung der Mitgliedstaaten lediglich unverbindliche Empfehlungen nach Art. 259 Abs. 5 EGV sind.129 Wenn und soweit die Mitgliedstaaten den vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen zustimmen, erhalten diese den Charakter sekundärrechtlicher Verträge, die sowohl für die Kommission als auch die Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich sind.130 Demgegenüber sind Regelungen, die sich auf die Einführung neuer Beihilfen nach Art. 88 Abs. 3 EGV beziehen und welche die Kommission deshalb nicht
___________ 127 Vgl. etwa den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie (ABl. EG 1997 Nr. C 279, S. 1 ff.), den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Forschungs- und Entwicklungshilfen (ABl. EG 1996 Nr. C 45, S. 5 ff.), den Beihilfekodex für die Kunstfaserindustrie (ABl. EG 1996 Nr. C 94, S. 11 ff.), den Gemeinschaftsrahmen betreffend staatliche Investitionsbeihilfen für die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse (ABl. EG 1996 Nr. C 29, S. 4 ff.) oder die Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. EG 1994 Nr. C 368, S. 12 ff.). 128 Pieper, in: Salger, Handbuch der europäischen Rechts- und Wirtschaftspraxis, 1996, § 37 Rn. 92 (S. 1471 f.); Creutzig, EuZW 1996, 197 (197); Hellingman, CMLR 23 (1986), 111 (118); T. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787 (787); Schütterle, EuZW 1995, 391 (393). 129 T. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787 (790); Schütterle, EuZW 1995, 391 (393). – In ihrer abschließenden Entscheidung gegen Deutschland v. 21.2.1990 geht die Kommission selbst davon aus, daß der einschlägige Gemeinschaftsrahmen „nur den Charakter einer Empfehlung“ habe (ABl. EG 1990 Nr. L 188, S. 59). 130 T. Jestaedt/Miehle, EuZW 1995, 659 (660); Schütterle, EuZW 1995, 391 (394): „beihilfenkontrollpolitische(s) Übereinkommen“; Uerpmann, EuZW 1998, 331 (333): „Vertrag auf der Ebene des Sekundärrechts“. – Verweigern die Mitgliedstaaten ihre Zustimmung, kann die Kommission eine Entscheidung nach Art. 88 Abs. 2 EGV treffen. Vgl. beispielhaft die Entscheidung der Kommission gegen Deutschland v. 21.2.1990 (ABl. EG 1990 Nr. L 188, S. 55 ff.).
§ 1 Terminologie
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als zweckdienliche Maßnahmen gemäß Art. 88 Abs. 1 EGV erlassen hat, für die Mitgliedstaaten generell unverbindlich.131 Vor allem für Unternehmen ist von Bedeutung, ob die Kommission selbst an die von ihr erlassenen Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien gebunden ist und diese daher bei ihren Beihilfeentscheidungen anzuwenden hat. Anknüpfungspunkt einer Selbstbindung der Kommission unmittelbar an die Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien ist insbesondere der Grundsatz des Vertrauensschutzes.132 Die gemeinschaftsrechtliche Geltung des Vertrauensschutzgrundsatzes als eines der „Grundprinzipien der Gemeinschaft“133 wurde bereits früh vom Europäischen Gerichtshof anerkannt,134 seine tatbestandlichen Voraussetzungen jedoch restriktiv ausgelegt. Voraussetzungen des Vertrauensschutzes sind eine Vertrauenslage135 und die Schutzwürdigkeit des Vertrauens136. Schutzwürdig ist ein eventuelles Vertrauen dann, wenn der Betroffene eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vorhersehen konnte. Die Vorhersehbarkeit kann sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere aus dem vertrauensbegründenden Verhalten selbst ergeben, indem dieses Vorbehalte späterer Nachprüfung oder Neuregelung enthält.137 Ein solcher Vorbehalt ist etwa in einem dem vertrauensbegründenden Handeln beige___________ 131
T. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787 (790 f.); Schütterle, EuZW 1995, 391 (394); ders., EuZW 1995, 581 (582). 132 Creutzig, EuZW 1996, 197; T. Jestaedt/Miehle, EuZW 1995, 659 (660); T. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787 (790). – Zur Frage einer Selbstbindung der Kommission an ihre Genehmigungspraxis aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes Pieper, in: Salger, Handbuch der europäischen Rechts- und Wirtschaftspraxis, 1996, § 37 Rn. 94 (S. 1473). – Gegen jegliche Selbstbindung der Kommission wohl Dickersbach, NVwZ 1996, 962 (963 re. Sp.). 133 EuGH v. 5.5.1981, Rs. 112/80 – Dürbeck/HZA Frankfurt am Main-Flughafen –, Slg. 1981, 1095 (1120 f.), Tz. 48. 134 Explizit erwähnt wurde der Begriff des „Vertrauensschutzes“ erstmalig in EuGH v. 13.7.1965, Rs. 111/63 – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde der EGKS –, Slg. 1965, 894 (911). 135 Vgl. dazu Borchardt, Der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 77-99; ders., EuGRZ 1988, 309 (311 f.). 136 Dazu EuGH v. 29.9.1982, Rs. 26/81 – Oleifici Mediterranei/EWG –, Slg. 1982, 3057 (3079); v. 20.5.1981, Rs. 152/80 – Debayser/Direktor des Fonds d’ intervention et de régularisation du marché du sucre, den Landwirtschaftsminister und den Haushaltsminister –, Slg. 1981, 1291 (1306 f.); v. 16.5.1979, Rs. 84/78 – Tomadini/Amministrazione delle Finanze delle Stato –, Slg. 1979, 1801 (1815); v. 14.2.1978, Rs. 68/77 – Internationale Fleischhandelsgesellschaft/Kommission –, Slg. 1978, 353 (369); v. 1.2.1978, Rs. 78/77 – Lührs/HZA Hamburg-Jonas –, Slg. 1978, 169 (178); v. 26.1.1978, Rs. 44-51/77 – Union Malt/Kommission –, Slg. 1978, 57 (79). 137 Dazu EuGH v. 3.7.1985, Rs. 3/83 – Abrias/Kommission –, Slg. 1985, 1995 (2010), Tz. 27; v. 27.10.1983, Rs. 276/82 – De beste booter/Produktschap voor Zuivel –, Slg. 1983, 3331 (3344), Tz. 20; v. 15.12.1977, Rs. 126/76 – Dietz/Kommission –, Slg. 1977, 2431 (2442).
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
fügten Widerrufsvorbehalt sowie einer Befristung zu sehen. Dadurch, daß sich die Kommission regelmäßig die jederzeitige Anpassung der Gemeinschaftsrahmen an die gegebene Marktsituation vorbehält,138 weist sie ausdrücklich auf die Unsicherheit der Rechtslage hin und zerstört ein Vertrauen auf die Unabänderbarkeit der Regelwerke. Davon zu unterscheiden ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf die Anwendung aufrechterhaltener Leitlinien und Gemeinschaftsrahmen. Denn Sinn und Zweck einer Veröffentlichung der Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien bestehen darin, die Vorhersehbarkeit und Transparenz der Kommissionsentscheidungen für Außenstehende zu stärken.139 Ausserdem bestimmt sie zumeist ausdrücklich den Zeitraum, in dem sie die Regelwerke anwenden will.140 Damit bringt die Kommission zum Ausdruck, daß eine Änderung der Sachlage nicht zwangsläufig zu einer Änderung ihrer Genehmigungspraxis führt, solange die Leitlinien weiterhin gültig sind. Eine Änderung der Genehmigungspraxis entgegen den geltenden Leitlinien wäre damit für Dritte nicht vorhersehbar, ein Vertrauen auf die Anwendung der Leitlinien mithin schutzwürdig. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes bewirkt folglich eine Selbstbindung der Kommission dergestalt, daß sie bei Einzelfallentscheidungen die von ihr erlassenen und aufrechterhaltenen Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien heranziehen muß.141
§ 2 Typologie Das Anwendungsfeld der Verwaltungsvorschriften ist so umfangreich wie der Funktionsbereich der Exekutive selbst. Der Verdeutlichung der daraus resultierenden vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieses administrativen Handlungsinstruments und zugleich seiner weiteren rechtlichen Konturierung dient die folgende Typologie der Verwaltungsvorschriften. Nach der im Schrifttum ___________ 138
Vgl. die Erklärung der Kommission im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. EG 1994 Nr. C 72, S. 3 [9], Tz. 4.3): „(Die Kommission) wird seine Anwendung vor Ende 1996 überprüfen und kann ihn jederzeit ändern, wenn sich dies aus wettbewerbs-, umwelt- oder regionalpolitischen Gründen oder aufgrund anderer Gemeinschaftspolitiken oder internationaler Verpflichtungen als notwendig erweist.“ 139 Pieper, in: Salger, Handbuch der europäischen Rechts- und Wirtschaftspraxis, 1996, § 37 Rn. 92 (S. 1471 f.); T. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787 (787, 792); Schütterle, EuZW 1995, 391 (394). 140 Vgl. die Erklärung der Kommission im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. EG 1994 Nr. C 72, S. 3 [9], Tz. 4.3): „Die Kommission wird sich bis Ende 1999 bei der Beurteilung von Umweltschutzbeihilfen nach dem Gemeinschaftsrahmen richten.“ 141 Im Ergebnis ebenso Creutzig, EuZW 1996, 197; T. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787 (790, 792); T. Jestaedt/Miehle, EuZW 1995, 659 (660).
§ 2 Typologie
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und in der Rechtsprechung eingebürgerten Systematik142 wird nach dem Funktionsbereich und dem Geltungsbereich der Verwaltungsvorschriften differenziert.
A. Differenzierung nach dem Funktionsbereich der Verwaltungsvorschriften Im Rahmen einer an funktionalen Gesichtspunkten ausgerichteten Systematisierung ist zwischen organisatorischen Verwaltungsvorschriften und verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften zu unterscheiden.
I. Organisatorische Verwaltungsvorschriften Organisatorische Verwaltungsvorschriften regeln den Aufbau sowie die innere Ordnung der Behörden im Rahmen der exekutiven Organisationsgewalt. Sie betreffen insbesondere die Behördengliederung, die behördlichen Zuständigkeiten, die Geschäftsverteilung, den Geschäftsgang und den gesamten Bereich des behördlichen Verfahrens.143 Nach sachgegenständlichen Bereichen lassen sie sich weiter differenzieren in institutionelle, sachliche und personelle organisatorische Verwaltungsvorschriften.144 Von Wichtigkeit sind namentlich institutionelle Organisationsvorschriften – auch als Organisationsvorschriften im engeren Sinne bezeichnet –,145 welche die Errichtung und Einrichtung der behördlichen und nichtbehördlichen Dienststellen und die Zuweisung von Zuständigkeiten bestimmen.146
___________ 142 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 250-450; ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 14-29 (S. 433-439); Rogmann, Die Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften, 1999, S. 15-27; Bock, JA 2000, 390 f.; jeweils mit weiteren Nachweisen. 143 Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 16 Rn. 51 (S. 299); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 8 (S. 627); Peine, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2002, § 3 Rn. 56 (S. 36); Detterbeck, Art. „Verwaltungsvorschrift“, in: LdR 9/2030, S. 2. 144 Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 15 (S. 433 f.), im Anschluß an Rasch/Patzig, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, 1962, S. 4. 145 Rasch/Patzig, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, 1962, S. 4. 146 Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, 1967, S. 95-116; ders./Patzig, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, 1962, S. 4.
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
II. Verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften Demgegenüber dirigieren verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften administrative Entscheidungsvorgänge und Handlungen.147 Sie können in gesetzesakzessorische und gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften aufgeteilt werden.
1. Gesetzesakzessorische Verwaltungsvorschriften Gesetzesakzessorische Verwaltungsvorschriften beziehen sich auf die Verwaltungstätigkeit, die den Gesetzesvollzug betrifft.148
a) Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften Norminterpretierende oder normauslegende Verwaltungsvorschriften (Auslegungsrichtlinien, Auslegungserlasse) dienen der Klärung von Zweifelsfragen bei der Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen, insbesondere bei Vorliegen unbestimmter Rechtsbegriffe.149 Sie geben den nachgeordneten Behörden und Bediensteten Auslegungshilfen und tragen damit zur Rationalisierung der Verwaltungsarbeit bei. Gleichzeitig gewährleisten sie eine einheitliche Anwendung der Gesetze und sorgen dadurch für Transparenz und Vorhersehbarkeit von Verwaltungsentscheidungen.150
b) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Von den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften trennen Lehre und Rechtsprechung seit jüngerem die Kategorie der normkonkretisierenden Ver___________ 147 Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 100-103; Mühlenbruch, Aussenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992, S. 34; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 658. 148 Vgl. dazu Battis, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1997, S. 34 f.; Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 17 f. 149 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227); BVerwG v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 313 (315); v. 19.12.1968, BVerwGE 31, 149 (152); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 9 (S. 627 f.); Rudisile, Verwaltungsvorschriften in der Rechtsprechung von Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht, 1987, S. 13-78; Detterbeck, Art. „Verwaltungsvorschrift“, in: LdR 9/2030, S. 2. 150 BVerwG v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (281); Peine, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2002, § 3 Rn. 56 (S. 35 f.); Ossig, Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung, 1985, S. 13.
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waltungsvorschriften. Zwar regeln auch sie die Auslegung und Anwendung weit gefaßter Generalklauseln und unbestimmter Rechtsbegriffe. Über die bloße, verwaltungsgerichtlich voll überprüfbare Interpretation hinausgehend sollen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften jedoch aufgrund gesetzlicher Ermächtigung „offene“ Tatbestände in einem mit erheblichen dezisionistischen Anteilen versehenen Konkretisierungsprozeß ausfüllen.151 Aufgrund dieses der Verwaltung gesetzlich zugewiesenen Konkretisierungsauftrags nimmt die überwiegende Auffassung an, daß normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften im Gegensatz zu norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften gerichtlich nur begrenzt überprüfbar seien.152
c) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften (Ermessensrichtlinien) bestimmen, in welcher Weise von dem der Verwaltung eingeräumten Entschließungsoder Auswahlermessen Gebrauch gemacht werden soll.153 Ein kurzer Blick auf den Vorgang der Ermessensausübung mag dies verdeutlichen: Die Ausübung des Ermessens besteht in der Vervollständigung eines gesetzlichen Tatbestandes durch die Aufstellung verwaltungseigener Entscheidungsmaßstäbe, die am Gesetzeszweck ausgerichtet und der jeweiligen Einzelfallentscheidung zugrunde gelegt werden.154 Die Ermessensrichtlinien geben der Verwaltung diese Entscheidungsmaßstäbe in abstrakter Form an die Hand und liefern damit gleichzeitig Entscheidungsmuster für die Abwägung im Rahmen der individuellen Ermessensentscheidung. Insofern haben die Ermessensrichtlinien die Aufgabe, eine einheitliche und gleichmäßige Ermessensausübung sicherzustellen.155 ___________ 151
BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340 f.); v. 21.3.1996, NuR 1996, 522 (523); v. 10.1.1995, DVBl. 1995, 516 (517); v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (315 f., 320 f.) – Wyhl; VGH Mannheim v. 18.12.2001, VBlBW 2002, 436; v. 28.6.1995, NVwZ 1996, 297 (298); Jarass, JuS 1999, 105 (108 f.); ders., NJW 1987, 1225 (1229 f.); A. Leisner, JZ 2002, 219 (228). 152 Detterbeck, Art. „Verwaltungsvorschrift“, in: LdR 9/2030, S. 2; Erbguth, DVBl. 1989, 473 (477 f., 485 f.); Gerhardt, DVBl. 1989, 125 (127 f.); ders., NJW 1989, 2233 (2234); Gusy, DVBl. 1987, 497 (500 f.); Hill, NVwZ 1989, 401 (409 f.); Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (154). 153 BVerwG v. 25.5.1993, InfAuslR 1993, 298 (299); v. 12.6.1985, BVerwGE 71, 342 (347); v. 1.6.1979, NJW 1980, 75; v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (280 f.); Detterbeck, Art. „Verwaltungsvorschrift“, in: LdR 9/2030, S. 3; Bock, JA 2000, 390 (391); Hamann, VerwArch 73 (1982), 28. 154 Zur Ermessensausübung allgemein Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 311 ff. (S. 92 ff.); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 7 Rn. 7 ff. (S. 131 ff.). 155 BVerwG v. 11.10.1985, DVBl. 1986, 110 (111); v. 16.9.1980, DÖV 1981, 221; v. 16.12.1970, BVerwGE 37, 57 (58 f.); v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (280 f.);
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
d) Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung gelten als Domäne des Steuerrechts156, sind jedoch ebenfalls in anderen Rechtsgebieten wie im Sozialrecht157 anzutreffen. Sie weisen nachgeordnete Behörden an, die Voraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals als gegeben anzusehen, wenn bestimmte andere – in der Regel leichter zu ermittelnde – Tatsachen festgestellt werden können.158 Der verbindende Zweck dieser heterogenen Gruppe von Verwaltungsvorschriften ist einerseits die Vereinfachung des Gesetzesvollzugs, andererseits eine möglichst vollständige Ermittlung von Tatsachen.159 Gemeinhin werden sie in Vereinfachungsanweisungen und Bewertungsrichtlinien unterteilt.160 Vereinfachungsanweisungen kommen – namentlich im Steuerrecht – in Form von Pauschalierungen, typisierenden Unterstellungen, Schätzungsrichtlinien oder der Aufstellung von Bagatellgrenzen vor. Sie sollen vornehmlich die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erleichtern.161 Als besonderer Typ von ___________ Hamann, VerwArch 73 (1982), 28 (29); Peine, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2002, § 3 Rn. 56 (S. 36). 156 Vgl. etwa Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, 1992, S. 451-518; H.-J. Becker, RiA 1976, 144 (146 f.); Jachmann, StuW 1994, 347 ff.; Osterloh, JuS 1990, 100 ff.; Vogel, StuW 1991, 254 (257 ff.). 157 So ermächtigt beispielsweise § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG die Exekutive zum Erlaß von Regelsätzen, nach denen die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen gewährt werden. Die Regelsätze beruhen auf typisierenden Unterstellungen und Pauschalierungen und sind mithin Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung. Dazu BVerwG v. 25.11.1993, BVerwGE 94, 326 (Leitsätze, 331). 158 Ossig, Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung, 1985, passim; Vogel, in: Festschrift für W. Thieme, 1993, S. 605 (605, 609). – Zum Teil werden Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung auch als typisierende Verwaltungsvorschriften bezeichnet. Siehe BVerfG v. 28.6.1993, StuW 1994, 354; Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, 1992, S. 451; Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 23 f.; Jachmann, StuW 1994, 347 (348 ff.); Osterloh, JuS 1990, 100; dies., JuS 1994, 806. 159 Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 37 (S. 154); Kampe, Verwaltungsvorschriften und Steuerprozeß, 1965, S. 32; Osterloh, JuS 1990, 100; dies., StuW 1993, 342 (344) zu den AfA-Tabellen bei der Anwendung des § 7 Abs. 1 EStG. – Zu diesen Verwaltungsvorschriften werden auch die Grundsätze zur Neuorganisation der Finanzämter und zur Neuordnung des Besteuerungsverfahrens (GNOFÄ) v. 16.2.1976 (BStBl. 1976 I S. 88), in der Fassung v. 4.3.1981 (BStBl. 1981 I S. 270), gezählt. Siehe dazu Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, 1992, S. 451. 160 Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 37 (S. 154). 161 Vgl. BFH v. 27.10.1978, BStBl. 1979 II, 54 (55) – Hochschullehrerpauschale; v. 30.10.1975, BStBl. 1976 II, 192 (193) – Betriebsausgabenpauschale. – Dazu ferner Kampe, Verwaltungsvorschriften und Steuerprozeß, 1965, S. 32 f.; Ossig, Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung, 1985, S. 13 f.; Jaehnike, StuW 1979, 293
§ 2 Typologie
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Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung haben sich die Bewertungsrichtlinien entwickelt. Über die Rationalisierung des Bewertungsverfahrens hinaus fällt ihnen die Aufgabe zu, eine gleichmäßige Bewertung der Besteuerungsgrundlagen zu sichern. Dazu gestalten sie die im BewG niedergelegten Bewertungsgrundsätze näher aus.162
e) Gesetzesergänzende Verwaltungsvorschriften Gesetzesergänzende Verwaltungsvorschriften vervollständigen formalgesetzliche Regelungen, indem sie bewußt offengelassene Gesetzeslücken schließen oder durch ausdrückliche Verweisung Bestandteil der Verweisungsnorm werden.163 Bedenken provoziert insbesondere die „dynamische“ Verweisung auf Verwaltungsvorschriften, bei der der Gesetzgeber – im Gegensatz zur „statischen“ Verweisung – auf die jeweils gültige Fassung der Verwaltungsvorschriften Bezug nimmt. Die Folge ist, daß der Gesetzgeber die Entscheidung über den zukünftigen Inhalt eines Gesetzes verliert und auf die Exekutive überträgt.164
___________ (300); Osterloh, StuW 1993, 342 (344 f.) zur Anwendung der AfA-Tabellen; Vogel, StuW 1991, 254 (261 f.) zur Anwendung von Pauschalierungsrichtlinien. 162 Vogel, in: Festschrift für W. Thieme, 1993, S. 605 (610 f.); Jaehnike, StuW 1979, 293 (303); Vogel, StuW 1991, 254 (260). – Demgegenüber bezweifelt Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, 1992, S. 451 in Fn. 7, die Einordnung der Bewertungsrichtlinien als Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung, da steuerrechtlich relevante „Werte“ keine empirisch ermittelbaren Tatsachen seien, der „richtige“ Wert vielmehr vom jeweiligen Bewertungsziel abhängig sei. – Diese Ansicht kann bereits in den Bewertungsfällen keine Richtigkeit beanspruchen, in denen es um die Ermittlung von Kurswerten, Nennwerten oder Marktwerten geht, die als Sachverhalte eindeutig feststellbar sind. Soweit dagegen im Rahmen eines Bewertungsverfahrens Prognosen getroffen werden müssen, handelt es sich um prognostische Schätzungen, mithin um die „Ermittlung“ zukünftiger Sachverhalte. Die Einordnung der Bewertungsrichtlinien in die Kategorie der Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung ist daher gerechtfertigt. 163 Vgl. zur Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik beispielhaft BVerfG v. 14.6.1983, BVerfGE 64, 208 ff.; BVerwG v. 28.6.1967, BVerwGE 27, 239 (243 f.); BayVerfGH v. 13.12.1995, NVwZ 1997, 56 (57); OVG Hamburg v. 8.7.1980, NJW 1980, 2830 ff. – Aus dem Schrifttum etwa G. Arndt, JuS 1979, 784 ff.; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 ff.; Clemens, AöR 111 (1986), 63 ff.; Klindt, DVBl. 1998, 373 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 ff. 164 Zur Problematik ausführlich Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, passim und S. 52 f., 53 f., 67 ff.; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (21 ff., 24 ff.); Clemens, AöR 111 (1986), 63 (insb. 100 ff.); Schenke, NJW 1980, 743 ff.
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1. Teil: Grundlagen der Verwaltungsvorschriften
2. Gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften Gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften steuern das Verwaltungshandeln in gesetzesfreien, d. h. gesetzlich nicht normierten Sachbereichen. Ebenso wie ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften regeln gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften das behördliche Entschließungs- und Auswahlermessen. Im Unterschied zu ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften gestalten sie jedoch nicht gesetzlich vorgegebene Entscheidungsspielräume aus, sondern bilden innerhalb des grundgesetzlichen Rahmens die alleinige Entscheidungsgrundlage der Verwaltung.165 Wohl wichtigstes Beispiel für gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften sind die Subventionsrichtlinien, die auf der Grundlage grober Vorgaben des Haushaltsplans die Verteilung staatlicher Subventionen im Detail festlegen.166
B. Differenzierung nach dem Geltungsbereich der Verwaltungsvorschriften Nach dem Geltungsbereich einer Verwaltungsvorschrift lassen sich intrasubjektive und intersubjektive sowie intrabehördliche und interbehördliche Verwaltungsvorschriften voneinander unterscheiden.
I. Intrasubjektive und intersubjektive Verwaltungsvorschriften Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften ergehen innerhalb eines Verwaltungsträgers an die nachgeordneten Behörden oder Amtswalter.167 Daneben können Verwaltungsvorschriften aber auch Bindungswirkung für die Behörden und Amtswalter eines anderen Verwaltungsträgers entfalten. Man spricht dann von intersubjektiven Verwaltungsvorschriften.168 Sie kommen nicht nur zwischen Bund und Ländern in Form der allgemeinen Verwaltungsvorschriften
___________ 165 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 11 (S. 628 f.); Ossenbühl, in: Hill, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 99 (105); Bock, JA 2000, 390 (391). 166 BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (222); H. P. Ipsen, VVDStRL 25 (1967), S. 257 (294); Zacher, VVDStRL 25 (1967), S. 308 (312 ff.); Oldiges, NJW 1984, 1927 (1928); Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 ff. 167 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 438; Erichsen/ Klüsche, Jura 2000, 540 (542); Jarass, JuS 1999, 105 (106). 168 Bull, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2000, § 6 Rn. 305 (S. 145); Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 42, 44; ders., JuS 1999, 105 (106).
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nach Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 Satz 1 GG vor,169 sondern auch zwischen sonstigen Verwaltungsträgern.170
II. Intrabehördliche und interbehördliche Verwaltungsvorschriften Werden Verwaltungsvorschriften innerhalb einer Verwaltungseinheit erlassen und angewendet, handelt es sich um intrabehördliche Verwaltungsvorschriften. Interbehördliche Verwaltungsvorschriften sind dagegen an Amtswalter einer anderen Behörde adressiert. Im zweiten Fall können die regelungserlassenden und -anwendenden Behörden demselben Verwaltungsträger oder verschiedenen Verwaltungsträgern angehören, mithin die interbehördlichen Verwaltungsvorschriften zugleich entweder intrasubjektive oder intersubjektive Verwaltungsvorschriften sein.171
___________ 169 Etwa Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) v. 11.8.1980 (BAnz. Nr. 153 a v. 20.8.1980), zuletzt geändert am 18.4.1986 (BAnz. Nr. 78 v. 25.4.1986). 170 Etwa Richtlinien des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg über Landesbeihilfen nach schweren Naturereignissen und Ausgleichsfällen im privaten, sozialen und kulturellen Bereich v. 20.6.1988 in der Änderungsfassung v. 15.5.1991, zitiert nach VG Stuttgart v. 29.1.1998, VBlBW 1999, 154 f. 171 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 437, 449; ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 29 (S. 439).
Zweiter Teil
Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften Die bisher vorgenommene (terminologische und typologische) Konturierung der Verwaltungsvorschriften ist weiter voranzutreiben, und zwar zunächst hinsichtlich der inneren Struktur, präziser: der Rechtsnatur dieser exekutiven Handlungsform. Denn daß die in der Form von Verwaltungsvorschriften erlassenen Regelungen überhaupt Rechtssätze, Rechtsnormen oder Rechtsquellen darstellen, wird bis in die Gegenwart bestritten. So stuft die wohl überwiegende Auffassung Verwaltungsvorschriften als Rechtssätze ohne Rechtsnormcharakter ein.1 Genau umgekehrt sollen Verwaltungsvorschriften nach D. Jesch zwar „als Rechtsnormen, jedoch nicht als Rechtssätze bezeichnet“2 werden können. Geläufig sind ferner Charakterisierungen der Verwaltungsvorschriften als „Rechtsnormen mit beschränktem Geltungsbereich“3, als Vorschriften mit „geringe(r) Rechtsqualität“4, als „Innenrechtssätze“5 oder als Regelungen mit „rechtsnormgleiche(r) Wirkung“6. Wenig Konsistenz weist auch die obergerichtliche Rechtsprechung auf. Während der Bundesgerichtshof7 bereits 1969 Verwaltungsvor___________ 1
So jüngst noch Faßbender, UPR 2002, 15 f.; beispielhaft ferner Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 94: keine „Rechtsnormen im engeren Sinne“; Bull, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2000, § 6 Rn. 304 (S. 144); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 3 (S. 625); Peine, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2002, § 3 Rn. 56 (S. 35); Barbey, JR 1977, 406 (408); Jachmann, ZBR 1997, 342 (345); Lübbe-Wolff, DÖV 1980, 594 (596); Pieroth, JuS 1994, L89 (L90); Weyreuther, DVBl. 1976, 853 (857); jeweils mit weiteren Nachweisen. – Dagegen plädieren für eine Qualifizierung als Rechtsnormen Groß (2001), in: Berliner Kommentar, GG, Art. 84 Rn. 31; Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 16 Rn. 54 (S. 300); Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 119: „zweifellos Rechtsnormen“; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 5 Rn. 9 (S. 137 f.), § 6 Rn. 41 (S. 155 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 33 f. (S. 441); Jaehnike, StuW 1979, 293 (295); Krebs, Jura 1981, 569 (573); Merten, Jura 1981, 236 (240); W. Schmidt, JuS 1971, 184 (insb. 187 f.); jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. ferner Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 854 (S. 248); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 37 (S. 9 f.). 2 Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 24. 3 H. H. Klein, in: Festschrift für E. Forsthoff, 1967, S. 163 (173). 4 Unverhau, ZBR 1990, 33 (37). 5 Schwabe, JA 1975, 45 (46). 6 Lübbe-Wolff, DÖV 1980, 594 (596). 7 BGH v. 29.10.1969, MDR 1970, 210.
§ 3 Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften
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schriften als Rechtsvorschriften im Sinne des § 549 Abs. 1 ZPO einordnete, urteilte das Bundesverwaltungsgericht8 in einer neueren Entscheidung, bei den Subventionsrichtlinien handele „es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um verwaltungsinterne Weisungen und damit um Verwaltungsvorschriften“.9 Schon aufgrund dieses gerafften Überblicks kann eine Arbeit über die Verwaltungsvorschriften nicht an der Untersuchung ihrer Rechtsnatur vorbeigehen.
§ 3 Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften Zum staatsrechtlichen Problem avancierten die Verwaltungsvorschriften erstmalig nach der Überwindung des Absolutismus durch den Konstitutionalismus. Die namentlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geführte Auseinandersetzung um den Gesetzes- und Rechtssatzbegriff und damit um die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften wirkt sich bis heute fort.10 Ein kurzer dogmengeschichtlicher Rückblick ist daher unverzichtbar, soll die Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften überzeugend begründet werden können.
A. Historisch-konventioneller Rechtsnormbegriff Die Durchdringung der Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts mit zivilrechtlichen Begriffen11 führte zu einer Rechtsauffassung, die dem Staat eine eigene Rechtspersönlichkeit zuwies und welche die auch heute noch geltende Auffas___________ 8 BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (222); in diesem Sinne kürzlich auch BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340). 9 Ähnlich aus jüngerer Zeit etwa BayVerfGH v. 13.12.1995, ZBR 1996, 93; OVG NRW v. 27.9.2001, RiA 2002, 250; SächsOVG v. 27.2.2002, SächsVBl. 2002, 243; v. 17.9.2001, SächsVBl. 2002, 5 (6): Unterscheidung von Verwaltungs- und Rechtsvorschriften; im Ergebnis auch ThürOVG v. 16.10.2001, ThürVBl. 2002, 232 (234). 10 Zur Diskussion der Staatsrechtslehre um den Gesetzesbegriff in der konstitutionellen Epoche etwa E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 211-329; ders., Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 61-78; Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 25-50; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 10-23; Ossenbühl, Verwaltungsvor-schriften und Grundgesetz, 1968, S. 35-77; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 77-107; Rupp, JuS 1975, 609-611. 11 Vgl. die Kritik bei v. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft (1883), Neudruck 2. Aufl., 1961, S. 26 ff., 29 ff., 34 f. – Ferner E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 211 f., 217 f.; Gerber, Über öffentliche Rechte (1852), Neudruck 1913, S. 30: „Die ganze Summe allgemeiner juristischer Begriffe, welche im Privatrechte in ihrer Einfachheit und ursprünglichen Reinheit zergliedert werden, braucht auch das Staatsrecht, und zwar in ganz gleicher Weise [...].“
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2. Teil: Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften
sung vom Staat als juristische Person begründete12. Die Rechtspersönlichkeit des Staates wurde als rechtlich nicht untergliedert, mithin als für das Recht undurchdringlich oder – anders gewendet: – als impermeabel angesehen.13 Initiiert wurde diese Entwicklung namentlich von P. Laband, der die die Staatsrechtslehre lange Zeit beherrschende sogenannte Impermeabilitätstheorie prägnant zum Ausdruck brachte: „Das Recht besteht in der Abgrenzung der Befugnisse und Pflichten der einzelnen Subjekte gegeneinander; es setzt seinem Wesen nach eine Mehrheit von Willensträgern voraus [...]. Verhaltensregeln, die ein einzelner sich selbst gibt, können niemals Rechtsvorschriften sein; niemand kann gegen sich selbst einen Rechtsanspruch oder eine Rechtspflicht haben oder gegen sich selbst eine Rechtsverletzung verüben. Nur insoweit die Willenssphäre eines Subjekts durch Gebote, Verbote, Gewährungen gegen fremde Willenssphären abgegrenzt ist, und soweit ein Anspruch, eine Verpflichtung, ein Schutz gegen Eingriffe oder gegen Widerstand anderen gegenüber begründet ist, waltet die Rechtsordnung. Dies gilt auch vom Staat [...]. Aber nur da, wo die Willenssphäre des verwaltenden Staates (der Verwaltung) mit irgend einer anderen vom Recht anerkannten Willenssphäre in Kontakt kommt, wo ein wechselweiser Eingriff, eine Kollision, eine Ausgleichung möglich ist, kann für einen Rechtssatz Raum sein. Regeln dagegen, die sich innerhalb der Verwaltung selbst halten, die in keiner Richtung einem außerhalb derselben stehenden Subjekte Beschränkungen auferlegen oder Befugnisse einräumen, ihm nichts gewähren und nichts entziehen, ihm nichts gebieten und nichts verbieten, sind keine Rechtsvorschriften. Wenn die Verwaltung ihr eigenes Verhalten innerhalb des Bereiches ihrer freien Willensbestimmung regelt, so greift dies ebensowenig in die Sphäre des Rechtes ein, als wenn ein Privatmann Anordnungen über die Führung seines Haushalts, seiner Fabrik, seiner Landwirtschaft erteilt oder als wenn ein Aktienverein, eine Genossenschaft, eine Kommune Beschlüsse über ihre Angelegenheiten faßt.“14
Der Begriff des Gesetzes wurde somit auf den Begriff des Rechtssatzes reduziert, dem wiederum nach der Konzeption P. Labands die Aufgabe zugewiesen wurde, die Willenssphären einzelner Rechtssubjekte gegeneinander abzugrenzen. In fast identischer Weise kennzeichnete G. Jellinek den Rechtssatz, indem
___________ 12
Anschütz, Kritische Studien zur Lehre vom Rechtssatz und formellen Gesetz, 2. Aufl., 1913, S. 74; G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 194 f.; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 1. Aufl., 1876, S. 57. 13 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 5. Aufl., 1911, S. 181. – Vgl. auch G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 233: „Insoferne der Staat ausschliesslich sein Verhältnis zu seinen Organen regelt, kann diese Regelung nur durch der rechtlichen Qualifikation entbehrende Anordnungen stattfinden, weil ein Vorgang, der streng innerhalb einer Persönlichkeit bleibt und an sich keine Wirkungen anderen gegenüber äussert, niemals ein nach Rechtsnormen zu beurteilender sein kann.“ 14 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 5. Aufl., 1911, S. 181 f.
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er – auf der Impermeabilitätstheorie aufbauend – den Zweck eines Rechtssatzes in der sozialen Schrankenziehung sah.15 Im Ausgangspunkt mit der Schrankenziehungsformel übereinstimmend setzte auch G. Anschütz Gesetzgebung und Rechtsetzung, (materielles) Gesetz und Rechtssatz gleich.16 Zur Definition des Rechtssatzes bediente er sich dagegen der – engeren – Freiheits- und Eigentumsformel. Er ging davon aus, daß es Charakteristikum eines jeden Rechtssatzes sei, die Rechte der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat zu begrenzen: „Denn es ist das Wesen jedes Gesetzes im mat. S., jeder Rechtsvorschrift, dass sie der persönlichen Freiheit im Allgemeinen und dem Privateigentum insbesondere Mass und Schranken setzt [...].“17
Maßgebliches Kriterium des Rechtssatzes war nach G. Anschütz demnach der Eingriff in Freiheit und Eigentum.18 Bereits seinerzeit stieß G. Anschütz damit auf Kritik. O. Mayer hob richtig hervor, daß G. Anschütz „Vorbehalt und rechtssatzschaffende Kraft“ miteinander vermenge, indem er den vom Gesetzesvorbehalt umrissenen Bereich mit der vom Recht beherrschten Sphäre identifiziere.19 Auch G. Jellinek betonte, daß es durchaus Rechtssätze ohne Eingriffscharakter geben könne.20 Dennoch blieb die Auffassung, daß der Rechtssatz ___________ 15 G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 240: „Hat ein Gesetz den nächsten Zweck, die Sphäre der freien Thätigkeit der Persönlichkeiten gegeneinander abzugrenzen, ist es der socialen Schrankenziehung wegen erlassen worden, so enthält es die Anerkennung eines Rechtssatzes [...].“ 16 Anschütz, Stichwort „Gesetz“, in: v. Stengel/Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2. Aufl., 1913, S. 212 (212 f., 214). 17 Anschütz, Die gegenwärtigen Theorieen über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt, 2. Aufl., 1901, S. 169; ders., Stichwort „Gesetz“, in: v. Stengel/Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2. Aufl., 1913, S. 212. – Vgl. die Kritik dazu bereits bei v. Wedel, Außenwirkung der Verwaltungsverordnung, 1933, S. 71-76. 18 Daneben existierte in der Epoche des Konstitutionalismus noch ein dritter Gesetzes- und Rechtssatzbegriff. Insbesondere C. Bornhak und E. Seligmann vertraten die Auffassung, bei den Rechtssätzen handele es sich um abstrakt-generelle, die Untertanen verpflichtende Anordnungen. Siehe Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1911, S. 469: „Das Wesentliche der Rechtsnorm ist die abstrakt-hypothetische Form. An einen abstrakt vorausgesetzten Tatbestand, der schon bestehen oder nur gedacht sein, der einmal oder unendlich oft vorkommen kann, werden, so oft die Voraussetzung zutrifft, von der Staatsgewalt durch den staatlichen Rechtszwang zu verwirklichende Rechtsfolgen geknüpft.“; Seligmann, Der Begriff des Gesetzes im materiellen und formellen Sinne, 1886, S. 63: „In der That ist es ein essentiale des Rechtsgesetzes, daß es abstract ist und eine nicht vorauszusehende Anzahl von Fällen ordnet.“ – Dieser Rechtssatzbegriff hat sich in der weiteren Diskussion jedoch nicht durchsetzen können und kann deshalb hier vernachlässigt werden. Vgl. ausführlich E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 259-271. 19 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl., 1924, S. 70 in Fn. 11. 20 G. Jellinek, VerwArch 12 (1904), 264 (266).
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durch seinen Eingriffscharakter geprägt sei, ebenfalls in der Weimarer Staatsrechtslehre vorherrschend.21 Die Konsequenz der Lehren P. Labands, G. Jellineks und G. Anschütz über den Gesetzesbegriff ist auch für den hier interessierenden Problemzusammenhang von Bedeutung: Behörden, Organe und Amtswalter des als impermeabel angesehenen Staates konnten per se keine Adressaten von Rechtssätzen sein. Die Verwaltungsvorschriften, die sich zuvörderst an den Staat und seine Organe richten, wurden deshalb gänzlich aus dem Bereich des Rechts ausgeklammert. Sie wurden zwar als Normen, nicht aber als Rechtsnormen charakterisiert.22 Weder die Schrankenziehungsformel noch die Freiheits- und Eigentumsformel waren jedoch dazu in der Lage, den Begriff des Rechtssatzes näher zu konturieren. Namentlich die Schrankenziehungsformel und die ihr zugrunde liegende Impermeabilitätstheorie reduzieren den Staat einseitig „auf die zivilistische Figur einer erdichteten Einzelpersönlichkeit“23 und erfassen die innere Struktur des Staates nur unzureichend.24 Bereits im Jahre 1888 beschrieb A. Haenel den Staatsorganismus als eine Gesamtheit von Menschen, die in einer „eigenthümlichen Berufsstellung den Staatszweck durch planvolle Abgrenzung und Vereinigung ihrer Willensbestimmungen verwirklichen“25. Die Verpflichtbarkeit dieser Menschen – der einzelnen Organwalter – ist jedoch Voraussetzung einer jeden Staatstätigkeit. Wodurch sonst, wenn nicht durch Rechtsnormen, sollen solche Rechtspflichten aber konstituiert werden? O. v. Gierke versuchte daher schon 1874, das öffentliche Recht von seiner zivilrechtlichen Verquickung zu lösen und damit der nur unzureichenden inhaltlichen Bestimmung des Rechtssatzes entgegenzuwirken: „Das System der öffentlichen Rechtsbegriffe muß sich [...] schon an seiner Basis von dem System der Privatrechtsbegriffe abtrennen, weil, während das Privatrecht es nur
___________ 21
Vgl. nur Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., 1933, Art. 77 Anm. 1 (S. 409); Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., 1931, Art. 77 Anm. II. 1. (S. 193). 22 So ausdrücklich Anschütz, Die gegenwärtigen Theorieen über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt, 2. Aufl., 1901, insb. S. 73: „Es sind Produkte der vollziehenden, nicht der gesetzgebenden Gewalt, – Normen, aber keine Rechtsnormen!“; im Ergebnis ebenso G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 240 f.; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 5. Aufl., 1911, S. 181 f. 23 v. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft (1883), Neudruck 2. Aufl., 1961, S. 32. 24 In diesem Sinne E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 233-238; ders., Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 72 f.; Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 29-31; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 24 f. 25 Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, 1888, S. 231.
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mit dem äußeren Leben von Personen zu thun hat, das Staatsrecht gleich jedem Körperschaftsrecht das innere Leben einer Gesammtpersönlichkeit normirt. Das Privatrecht setzt eine Summe fertiger und verkörperter Willen voraus [...] und normirt ihre äußeren Herrschaftssphären. Hier dagegen ist die Bildung und Verkörperung des Willens selbst Gegenstand der Rechtsordnung, und die Willensverhältnisse innerhalb einer zusammengesetzten Willenssphäre werden rechtlich normirt.“26
Doch nicht nur die staatliche Willensbildung, auch „alle [...] Zustände von Nebenordnung einerseits und Ueber- und Unterordnung andererseits“27 zwischen den staatlichen Organen, anders gewendet: die Organisation und das Verfahren bei der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt sind in Anlehnung an O. v. Gierke durch Rechtsnormen geregelt. Darüber hinaus muß jedoch angesichts der freiheits- und gleichheitssichernden Funktion der Grundrechte und des Rechtsstaatsprinzips, die jedwede patrimonialen Herrschaftsrechte unter dem Grundgesetz ausschließen, nicht nur die Ausübung von Hoheitsgewalt, sondern auch ihre Begründung dem Recht unterstellt werden. Gleiches gilt für die im modernen Sozialstaat immer mehr an Bedeutung gewinnende schlichthoheitliche Leistungsverwaltung. Aufgabe des Staates unter dem Grundgesetz ist nicht nur der Erhalt der Freiheit, sondern auch die Sicherung des Gleichheitsgrundsatzes. Wenn daher staatliche Sozialleistungen aufgrund von Regelungen wie den Verwaltungsvorschriften erbracht werden, wird man der rechtlichen Relevanz dieses staatlichen Wirkens nicht entgehen können.28 Die Erkenntnis R. Thomas, die Freiheits- und Eigentumsformel entspringe „dem Geiste eines staatlich unreifen Geschlechts, das von seinen Landtagen lediglich Schutz gegen den ‚Staat‘ und gegen unbedachte Neuerungen erwartet“29, verdient folglich weiterhin Zustimmung. Gehören die historisch-konventionellen Rechtsnormbegriffe aber in die Rechtsgeschichte der Neuzeit, sind sie heute nicht mehr geeignet, den Ausschluß der Verwaltungsvorschriften aus dem Kanon der Rechtsnormen zu belegen.
___________ 26
v. Gierke, Die Grundbegriffe des Staatsrechts, 1915, S. 114. v. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft (1883), Neudruck 2. Aufl., 1961, S. 47. 28 Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 188 in Anlehnung an Gedanken von E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 74. 29 Thoma, in: Festgabe für O. Mayer, 1916, S. 165 (179). 27
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2. Teil: Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften
B. Rechtstheoretischer Rechtsnormbegriff Der Beweis des Gegenteils ist damit freilich noch nicht erbracht. Er erfordert vielmehr eine positive Bestimmung der Charakteristika von Rechtsnormen, sollen Verwaltungsvorschriften zu ihnen gezählt werden.
I. Begriffsbestimmung 1. „Normen“ Mit dem Begriff „Norm“ bezeichnet man, daß etwas sein soll oder geschehen soll, insbesondere daß ein Mensch sich in einer bestimmten Weise verhalten soll.30 Normen sind intentional auf ein Verhalten anderer gerichtet, indem sie dieses Verhalten gebieten, aber auch indem sie es erlauben oder zu ihm ermächtigen, das heißt, indem sie dem anderen eine gewisse Macht verleihen, z. B. selbst Normen zu erlassen.31 Normsätze sind also Sätze des Sollens: Derjenige, der gebietet, erlaubt oder ermächtigt, will, derjenige, an den das Gebot, die Erlaubnis oder Ermächtigung gerichtet ist, soll.32 Dem natürlichen Sprachverständnis entspricht nur dem Gebot ein „Sollen“, der Erlaubnis dagegen ein „Dürfen“, der Ermächtigung ein „Können“. Wird wie hier aber mit „sollen“ der Sinn eines intentional auf das Verhalten anderer gerichteten Willensaktes be___________ 30 Dias, Jurisprudence, 3. Aufl., 1970, S. 227: „[…] a legal duty is the expression of an ‚ought‘ […]“; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 9. Aufl., 1997, S. 1719; Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911, S. 6 f.; ders., Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 4-9; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl., 1948, S. 2: „Gegenstand der Betrachtung (des Rechts) sind also nicht Vorstellungen über ein gesellschaftliches Sein, sondern über ein Seinsollen.“; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 13 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 4. Aufl., 2003, S. 9 ff.; Henkel, in: Gedächtnisschrift für R. Marcic, Bd. I, 1974, S. 63 (73); vgl. ferner bereits Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, 1888, S. 118: Rechtssatz als „verbindliche Anordnung, dass etwas sein oder nicht sein soll“. 31 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 4. 32 Darin liegt der tiefere Grund für den Unterschied zwischen der Rechtsnorm und dem Naturgesetz. Das Naturgesetz gibt grundsätzlich einen bestimmten Teilaspekt der Wirklichkeit, des Seins, wider. Demgegenüber kann es zwischen einer Rechtsnorm und der Rechtswirklichkeit aufgrund der vollkommenen Disparität von Sollen und Sein durchaus Widersprüche geben. Treffend hat Kitz (Seyn und Sollen, 1869, S. 74, zitiert nach Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911, S. 8) den Gegensatz zwischen Sein und Sollen herausgearbeitet: „Etwas kann sollen und doch ist es weder früher gewesen, noch ist es jetzt, noch wird es künftig sein. Sein und Sollen sind daher gänzlich verschiedene Grundgedanken [...]; das Sollen unterscheidet sich dadurch vom Sein, daß es gar nicht ins Sein zu treten, noch auch aus dem Sein zu kommen braucht und doch ein Sollen ist und bleibt. Das Sollen geht zwar auf ein etwas-Sein, aber es ist weder durch ein solches Etwas in seinem Wesensbestande bedingt, noch auch durch ein anderes diesem Etwas vorangegangenes seiendes Ding, noch ist es selbst ein solches Etwas.“
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zeichnet, ist in diesem „Sollen“ das „Dürfen“ und „Können“ mitinbegriffen.33 Die wesentliche Bedeutung von Normen liegt demnach in der Verhaltensregulierung.34 Normen lassen sich daher stets als sogenannte deontische Sätze formulieren, die durch deontische Ausdrücke wie „sollen“, „dürfen“ und „verboten“ angereichert sind.35 Trennscharf zu differenzieren gilt zwischen einer Norm als dem Sinn eines Willensakts, mit dem ein Verhalten geboten, erlaubt oder zu ihm ermächtigt wird, und dem Willensakt selbst, dessen Sinn die Norm ist. Denn die Norm ist ein „Sollen“, der Willensakt, dessen Sinn sie ist, ein „Sein“.36 Willensakte, deren Sinn eine Norm ist, können in verschiedensten Erscheinungsformen auftreten. Etwa durch Gesten wie der Armbewegung des Verkehrspolizisten, durch Symbole wie dem roten Licht der Verkehrsampel, schließlich durch gesprochene oder geschriebene Worte. Nun ist der subjektive Sinn jedes Willensaktes eines Menschen, der intentional auf das Verhalten eines anderen gerichtet ist, ein „Sollen“. Gleichwohl ist nicht jeder solche Willensakt eine „Norm“. Der an das Opfer gerichtete Befehl des Räubers, ihm eine bestimmte Geldsumme auszuhändigen, hat denselben subjektiven Sinn wie der an den Verkehrssünder gerichtete Befehl des Polizisten, ein Bußgeld zu zahlen. Daß nur der Befehl des Polizisten, nicht der des Räubers eine Norm ist, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Nicht ganz so offensichtlich ist freilich der Grund für dieses Ergebnis: Es ist der Charakter einer Norm als „objektives“ Sollen. Nur wenn der Willensakt eines Menschen, der intentional auf das Verhalten eines anderen gerichtet ist, auch objektiv den Sinn eines „Sollens“ hat, nur dann bezeichnet man die___________ 33
Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 4 f. Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. I, 1950, S. 94: „Verhaltensordnung“ für die „Materie des Gemeinschaftslebens“; Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 32: „Die Normen einer Rechtsordnung regeln menschliches Verhalten.“; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., 1983, S. 254 f.; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 13 f.; C. Weinberger/O. Weinberger, Rechtstheorie 10 (1979), 1 (17); kritisch dagegen Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 3. Aufl., 1974, S. 118, der sich gegen das „Vorurteil“ wendet, „als seien nur Verhaltensgebote Rechtsnormen [...] und nicht auch Rechtsfindungs- und Rechtsschutzsätze“. 35 Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 14; Buchwald, Rechtstheorie 28 (1997), 85 (90); a. A. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., 1994, S. 45 in Fn. 14: „Alle deontischen Sätze sind Normsätze, aber nicht alle Normsätze sind deontische Sätze.“ 36 Vgl. Kelsen, in: Festschrift für H. C. Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 57 (59): „Insofern als das Wort ‚Norm‘ eine Vorschrift, ein Gebot bezeichnet, bedeutet ‚Norm‘: daß etwa sein oder geschehen soll. Ihr sprachlicher Ausdruck ist ein Soll-Satz.“ – Insofern ist es unrichtig, wenn W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 31 f., behauptet, eine Rechtsnorm sei „Gedanke und Handlung zugleich“. Die Rechtsnorm allein verändert noch nicht die Wirklichkeit; vielmehr bedarf sie einer Vollzugshandlung, um Wirklichkeit zu werden. Die Rechtsnorm ordnet die Vollzugshandlung lediglich an, bewirkt sie aber nicht selbst. 34
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ses Sollen als „Norm“.37 Zu einem „objektiven“ Sollen wird ein Sollen aber erst, wenn das gesollte Verhalten nicht nur aus der Sicht des den Willensakt setzenden Menschen, sondern auch aus der Perspektive eines unbeteiligten Dritten als gesollt angesehen wird; wenn der Willensakt, dessen subjektiver Sinn das Sollen ist, verschwunden ist, das Sollen aber dennoch weiter existiert; kurzum: wenn das Sollen auch nach dem Aufhören des Wollens „gilt“.38 Erst dann wird das Sollen als „objektives“ Sollen zu einer „Norm“. Es ist das Verdienst der Wiener Rechtstheoretischen Schule, diese Zusammenhänge herausgearbeitet zu haben. Damit aber stellt sich sogleich die Anschlußfrage, worin sich Rechtsnormen von außerrechtlichen Normen wie etwa der Moral, der Religion oder der Logik unterscheiden.39 Anders formuliert: Wann wird eine „Norm“ zu einer „Rechtsnorm“?
2. „Rechtsnormen“ a) Formelles Kriterium: Zugehörigkeit zu einer Rechtsordnung Eine einzelne Norm ist eine Rechtsnorm, sofern sie zu einer bestimmten Rechtsordnung gehört.40 Eine „Rechtsordnung“ wiederum ist ein System von Rechtsnormen, deren Einheit dadurch konstituiert wird, daß sie alle denselben Geltungsgrund haben.41 Eine Norm gehört folglich dann zu einer bestimmten Rechtsordnung, wenn ihre Geltung auf dem Geltungsgrund dieser Ordnung beruht. Was der Geltungsgrund einer Rechtsordnung ist, wird in der Rechtstheorie unterschiedlich beurteilt. Die Reine Rechtslehre führt alle Rechtsnormen auf eine hypothetische Basisnorm, die „Grundnorm“, zurück und schließt aus diesem Ableitungszusammenhang auf den Rechtscharakter der Normen.42 Die Mehrzahl der anderen vertretenen Theorien lehnt sich an dieses Konzept an. Eindeutig ist das bei der Lehre, nach der alle Rechtsnormen einer Rechtsordnung auf deren Verfassung beruhen.43 Nichts anderes gilt für die sogenannte Anerkennungs___________ 37
Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 7. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 7. 39 Gegen eine strikte Trennung dieser Normtypen M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., 1985, S. 191 ff. 40 Merkl (1931), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (461); Buchwald, Rechtstheorie 28 (1997), 85 (90); Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 463 (465-468); Küpper, Rechtstheorie 22 (1991), 71 f. 41 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 32. 42 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 7 f., 32, 196 ff. 43 Hoerster, JuS 1987, 181 (182); Küpper, Rechtstheorie 22 (1991), 71 (84). 38
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theorie. Nach ihr ist generell als Rechtsnorm zu betrachten, was vom einzelnen Bürger oder von der Allgemeinheit als Rechtsnorm anerkannt wird. Von Relevanz ist dabei nicht die Anerkennung jeder einzelnen Rechtsnorm; die Anerkennung der Verfassung oder zumindest der Rechtserzeugungsvorschriften soll genügen.44 Die Zugehörigkeit zu einer Rechtsordnung im Sinne eines Ableitungszusammenhangs ist somit auch hier entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung von Rechtsnormen und außerrechtlichen Normen. Läßt sich die Geltung von Normen also – formell – auf den Geltungsgrund einer Rechtsordnung zurückführen, gehören die Normen dieser Rechtsordnung an und sind deshalb „Rechtsnormen“. Gleichwohl bedarf es eines weiteren Kriteriums, soll die aufgeworfene Frage nach der Unterscheidbarkeit von Rechtsnormen und außerrechtlichen Normen nicht in einem Zirkelschluß enden.45
b) Materielles Kriterium: Organisierte Durchsetzbarkeit Ein anderes – materielles – Merkmal der als Recht bezeichneten Ordnung ist, daß sie sanktionsbewehrt ist, daß hinter ihr die Chance steht, in einem Gewährleistungsverfahren durchgesetzt zu werden, welches wiederum seinerseits rechtlich normiert ist.46 Das Moment der Durchsetzbarkeit unterscheidet Recht von anderen gesellschaftlichen Normen. Würde Recht als ein bloßer an die Adressaten gerichteter Verhaltensvorschlag aufgefaßt, läge ihm die Prämisse zugrunde, daß alle von ihm Betroffenen das gesollte Verhalten als vernünftig und zweckmäßig anerkennen und demgemäß ihr Handeln danach ausrichten. Eine solche Annahme wäre mit der Realität jedoch nur schwer in Einklang zu bringen. Schon die Vielzahl moralischer, politischer und religiöser Vorstellungen in der pluralistischen Gesellschaft schließt die Vorstellung einer einheitlichen normativen Ordnung aus und begründet damit das Bedürfnis nach einer für alle geltenden verbindlichen Mindestordnung.47 Das Recht ist folglich durch das Auf___________ 44 Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. I, 1894, S. 40-47; ders., Zur Kritik der juristischen Grundbegriffe, Bd. I, 1877, S. 3; Dohna, Kernprobleme der Rechtsphilosophie, 1940, S. 49 f.; vgl. ferner die Übersicht bei Küpper, Rechtstheorie 22 (1991), 71 (78-81). 45 Ein Zirkelschluß wäre dann gegeben, wenn man eine Rechtsnorm über ihre Zugehörigkeit zu einer Rechtsordnung definierte, welche ihrerseits als eine Ordnung von Rechtsnormen charakterisiert würde. 46 Vgl. statt vieler Th. Bühler, Rechtsquellenlehre, Bd. 3, 1985, S. 28 f.; Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 45 ff., 114 ff.; Kriele, Recht und praktische Vernunft, 1979, S. 26 f.; R. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, 1966, S. 29 ff.; Siber, in: Planck, BGB, Bd. II/1, 4. Aufl., 1914, Vorbemerkungen § 241 Anm. III. C. 3. a: „Unerläßliches Erfordernis einer Rechtspflicht [...] ist die Möglichkeit einer Reaktion der Rechtsordnung auf die unerfüllte Pflicht [...].“; Zippelius, Rechtsphilosophie, 4. Aufl., 2003, S. 30 ff.; Hoerster, JuS 1987, 181 (184). 47 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1. Aufl., 1982, S. 190.
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stellen von Anforderungen oder Anordnungen charakterisiert, die unabhängig von der konkreten Zustimmung der jeweils Betroffenen sind und so Anspruch auf allgemeine Befolgung erheben. In der Konsequenz besteht die Rechtsordnung nicht nur aus einer „primären“ Ordnung sozialer Verhaltenserwartungen. Zu ihr treten („sekundäre“) Rechtsgewährleistungsnormen hinzu, welche die Kompetenz und das Verfahren zur Durchsetzung der „primären“ Normen regeln.48 Die aus den Rechtsgewährleistungsnormen erwachsenden Rechte und Pflichten sind ihrerseits wieder sanktionsbewehrt. Auf diese Weise bilden die Normen einer Rechtsordnung ein „vermaschtes“49 Regelungs- und Kontrollsystem, dessen Elemente eine gegenseitige Einhaltung gewährleisten sollen. Als mögliche Rechtssanktion kommt nun keinesfalls nur Gewalt in Form der vis compulsiva (z. B. durch Beugehaft) oder vis absoluta (z. B. durch gewaltsame Festnahme) in Betracht. Weitere Mechanismen der Rechtsgewährleistung sind beispielhaft die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Kassation von Rechtsakten, ferner Kriminalstrafe, Disziplinarstrafe, Verwaltungsstrafe, Selbsthilfe, Schadensersatz, Genugtuung, Kündigungs- und Vertragsaufhebungsrechte, Verfall oder Entzug erworbener Rechte oder Vergünstigungen, Auflösung der Gemeinschaft oder der Ausschluß aus einer Körperschaft.50 Soweit dieser Ansicht entgegengehalten wird, der Zwang sei nur ein äußerliches, kein wesensmäßiges Element des Rechts,51 muß dem widersprochen werden. Richtig ist zwar, daß das Recht erst den Zwang legitimiert. Ein in seiner Gesamtheit undurchsetzbares, weil nicht sanktionsbewehrtes Recht ist aber nicht nur unvollkommenes Recht, sondern überhaupt kein Recht. Nicht sanktionsbewehrtes Recht ließe zu, daß es innerhalb der Gemeinschaft vom einen befolgt, vom anderen dagegen mißachtet wird. Es verlöre damit seine Effektivität und Unverbrüchlichkeit, seinen Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit.52 Durchsetzbarkeit ist mithin ein spezifisches Merkmal des Rechts.53 ___________ 48 In Anlehnung an eine Formulierung von Zippelius, Das Wesen des Rechts, 5. Aufl., 1997, S. 20; ähnlich bereits Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 5658: „selbständige“ und „unselbständige“ Rechtsnormen. 49 Zippelius, Das Wesen des Rechts, 5. Aufl., 1997, S. 20. 50 Vgl. die Aufzählung bei Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1. Aufl., 1982, S. 188 in Fn. 15 f. 51 Aus jüngerer Zeit statt vieler A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, 2. Aufl., 1997, S. 149 f., 220, 249. 52 In Anlehnung an die Erkenntnisse der Wiener Rechtstheoretischen Schule; vgl. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911, S. 212 f.: „Nur weil die Frage, ob der Zwang zum Wesen des Rechtsnorm gehöre, vielfach durch falsche Problemstellung verwirrt wurde, ist die mit richtigem juristischen Instinkte von den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag nicht nur von Theoretikern, sondern insbesondere von unbefangenen Praktikern immer wieder vertretene Anschauung seit geraumer Zeit so sehr in Mißkredit geraten [...].“; ferner Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1. Aufl., 1982, S. 191; Engisch, Auf der Suche nach Gerechtigkeit, 1971, S. 93; Henkel,
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Das Moment der Durchsetzbarkeit von Rechtsnormen rechtfertigt andererseits nicht, Recht als „Zwangsordnung“ zu charakterisieren, wie dies die Vertreter der sogenannten „Zwangstheorie“ tun. Nach ihnen soll der Sinn der Rechtsnormen allein darin bestehen, auf den Normadressaten einen psychischen Zwang durch die Androhung eines Übels auszuüben und ihn durch die Vorstellung des im Fall der Zuwiderhandlung gegen die Norm zu erwartenden Zwangs zu rechtmäßigem Verhalten anzuhalten.54 Die Wirkungsweise des Rechts besteht zuvörderst darin, die Normadressaten zu freiwilliger Befolgung der Rechtsnormen zu motivieren. Erst dann, wenn nicht das gebotene, sondern das verbotene Handeln beabsichtigt wird, liegt es in der Intention des Rechts, die Normunterworfenen durch Zwang, nämlich der Vorstellung nachteiliger Sanktionen zum Gehorsam zu veranlassen. Die materielle Bestimmung des Rechtsbegriffs mit Hilfe des Topos der Durchsetzbarkeit bedeutet jedoch lediglich, daß das Recht insgesamt nicht der Durchsetzbarkeit entbehren kann.55 Davon zu trennen ist die Frage der Durchsetzbarkeit der einzelnen Rechtsnormen. So ist im Verfassungsrecht das Recht der obersten Staatsorgane gegeneinander nur unvollkommen erzwingbar.56 Auch steht es dem Normgeber frei, die Durchsetzbarkeit einzelner Rechtsnormen einzuschränken oder sogar auszuschließen, wenn er ihre Erzwingung aus bestimmten Gründen ausnahmsweise für unangemessen erachtet.57 Zur letztgenannten Fallgruppe zählen exemplarisch beim Verlöbnis der Ausschluß des Zwanges zur Eingehung der Ehe (§ 1297 Abs. 1 BGB) und bei bestehender Ehe der Ausschluß des Zwanges zur Herstellung der ehelichen Gemeinschaft (§ 1353 Abs. 2 BGB). Dennoch handelt es sich hierbei nach einhelliger Auffassung nicht um sittliche, sondern um Rechtspflichten. Keineswegs überall führt ___________ Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl., 1977, S. 122 in Fn. 9: „Ein Recht ohne Zwang ist eine Illusion [...].“; Gneist (1863), in: Roellecke, Zur Problematik der höchstrichterlichen Entscheidung, 1982, S. 24 (33): „Ein wirkliches Recht ist nur das erzwingbare.“ 53 Kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Rechtsnatur des Völkerrechts. Bejahend etwa Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl., 1977, S. 124 f.; A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, 2. Aufl., 1997, S. 150; zweifelnd dagegen Baumann, Einführung in die Rechtswissenschaft, 8. Aufl., 1989, S. 537; Zippelius, Das Wesen des Rechts, 5. Aufl., 1997, S. 19. 54 Vgl. insbesondere Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 34 ff., 45 ff.: Recht als „Zwangsordnung“;“ vgl. ferner den Überblick zur „Zwangstheorie“ bei Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl., 1977, S. 121. 55 Entscheidend ist insofern die „Erzwingbarkeit des Rechts im ganzen und im allgemeinen“, wie K. Engisch (Auf der Suche nach Gerechtigkeit, 1971, S. 93) zutreffend formuliert. 56 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl., 1977, S. 123: „Quis custodiet custodes ipsos?“. 57 Herkömmlicherweise werden solche Rechtssätze als „leges imperfectae“ bezeichnet. Vgl. Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl., 1977, S. 123.
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daher der Ausschluß der Durchsetzbarkeit zur Verneinung des Rechtscharakters einer Norm und der ihr entsprechenden Pflicht; die verjährte Forderung (§ 214 Abs. 1 BGB) mag insoweit als Beispiel dienen. Zusammenfassend liegt die Eigenart einer Rechtsordnung darin, daß im Falle ihrer Verletzung spezifische Rechtssanktionen verhängt werden, die die Durchsetzbarkeit des Rechts gewährleisten sollen. In bestimmten Fällen steht es dem Normgeber aber frei, die rechtliche Zulässigkeit des Zwangs im Hinblick auf einzelne Rechtsnormen zu beschränken oder ganz auszuschließen. Insofern kann eine Normenordnung, obgleich nicht alle ihre Normen sanktionsbewehrt sind, dennoch als Rechtsordnung aufgefaßt werden.
II. Anwendung auf die Verwaltungsvorschriften Was folgt aus diesen Erkenntnissen für die Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften? Das Ergebnis ist ebenso eindeutig wie zwingend: Verwaltungsvorschriften sind Rechtsnormen oder Rechtssätze!58 Das Beispiel der Subventionsrichtlinien mag diese Schlußfolgerung verdeutlichen: Subventionsrichtlinien verpflichten und ermächtigen die Amtswalter der Subventionsverwaltung, die im Haushaltsgesetz vorgesehenen Mittel unter bestimmten Voraussetzungen in einer bestimmten Weise zu verwenden. Subventionsrichtlinien sind somit intentional auf das Verhalten von Menschen gerichtet; sie sind Sätze des „Sollens“, indem sie vom Amtswalter ein bestimmtes Verhalten fordern. Als Emanationen der Ausübung vollziehender Gewalt, wie sie durch die Verfassung konstituiert wird, lassen sie sich auf das Grundgesetz zurückführen und sind deshalb einer Rechtsordnung zugehörig. Zwar sprechen sie selbst keinen Zwang im Falle ihrer Zuwiderhandlung aus; aufgrund der in den Beamtengesetzen und Dienstrechtsordnungen enthaltenen Sanktionen in Gestalt ___________ 58
In der Terminologie der traditionellen deutschen Jurisprudenz werden die Begriffe „Rechtsnorm“ und „Rechtssatz“ vielfach synonym gebraucht. Vgl. nur den Hinweis von Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 74 in Fn. *. Diesem Sprachgebrauch soll hier gefolgt werden. – Die Reine Rechtslehre demgegenüber unterscheidet zwischen Rechtssatz und Rechtsnorm, indem sie jenem die Funktion der Rechtserkenntnis, diesem die Funktion der Rechtsautorität zuspricht. Der Rechtssatz wird mithin als Darstellungsmittel der positiven Rechtsnormen aufgefaßt. Vgl. Kelsen, in: Festschrift für H. C. Nipperdey, 1965, S. 57 (59), der den „Soll-Satz“, d. h. den Rechtssatz als den „sprachliche(n) Ausdruck“ einer Rechtsnorm bezeichnet; ebenso H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 24 Rn. 10 (S. 321): Ein Rechtssatz ist „der geschriebene oder ungeschriebene Ausdruck jeder auf das äußere Verhalten von Menschen bezüglichen abstrakten und generellen Anordnung (Norm), die auftritt mit dem Anspruch verbindlich zu sein“. Verwaltungsvorschriften wären danach Rechtssätze, die Rechtsnormen enthielten.
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von Disziplinarmitteln sind sie aber durchsetzbar und folglich Rechtsnormen.59 Damit ist die groteske Konstruktion, die in Verwaltungsvorschriften zwar Normen, aber keine Rechtsnormen erblickt, überflüssig geworden! Zu keinem anderen Ergebnis kann die Untersuchung der Verwaltungsvorschriften kommen, die Zuständigkeiten festlegen,60 unbestimmte Rechtsbegriffe näher konturieren oder die Ausübung administrativen Ermessens steuern. Verwaltungsvorschriften sind daher eine Erscheinungsform von Rechtsnormen.61 Bestätigt wird dieses Ergebnis durch diverse einfachgesetzliche Regelungen. So bestimmt etwa Kapitel XII Anlage II Punkt 1 a) aa) ccc) des Einigungsvertrages, daß die TA Luft „fortgelte“. Nach § 906 Abs. 1 Satz 3 BGB haben Verwaltungsvorschriften ferner rechtliche Relevanz für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung eines Grundstücks durch sogenannte Imponderabilien.62 Angesichts dieses Resultats mag es verwundern, daß Verwaltungsvorschriften von weiten Teilen des Schrifttums63 und der Rechtsprechung64 nicht zu den ___________ 59 Zutreffend Merkl (1931), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (451 f., 461, 462); vgl. ferner Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911, S. 559-561. 60 Vgl. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 1, 1888, S. 443: „Zunächst liegt in einer Instruktion, welche den Behörden ihr Verfahren vorschreibt, auch eine für die Unterthanen verbindliche Anordnung.“ 61 A. A. noch BVerwG v. 26.4.1979, BVerwGE 48, 45 (49 f.); Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, S. 134; widersprüchlich H.-J. Koch, in: ders./Scheuing, GK-BImSchG, Stand: Okt. 2001, § 48 Rn. 27 f.: „keine Rechtssätze“, § 48 Rn. 62: „exekutivisches Binnenrecht“. – Differenzierend H. Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl., 2002, § 9 Rn. 272 (S. 187 f.), der danach unterscheidet, ob Verwaltungsvorschriften lediglich den Wortlaut von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Verträgen oder richterlichen Entscheidungen wiederholen, Hinweise auf technische Verfahren geben oder die administrative Handhabung gesetzlicher Vorschriften regeln. Nach hier vertretener Auffassung stellen die erstgenannten Vorschriften, die lediglich Informationen ohne Regelungscharakter beinhalten, bereits keine Verwaltungsvorschriften dar. 62 Daß diese Erkenntnis nicht einmal neu ist, belegen die Ausführungen von Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, 1888, S. 232: „Darum sind denn aber auch diejenigen objektiven Normen, welche die Abgrenzung und Zusammenordnung der im Staate oder im verwaltenden Staate mitwirkenden menschlichen Willenskräfte feststellen, Rechtssätze.“ – Zu einem gleichen Ergebnis gelangt wenige Jahre später Thoma, in: Festgabe für O. Mayer, 1916, S. 165 (176 f.): „Theoretisch-logisch kann der Begriff Rechtssatz immer nur bezeichnen die vom Recht im Gegensatz zu den von Sitte, Sittlichkeit, Religion geheiligten oder von rechtloser Gewalt gesetzten Geboten. Demnach ist auch die Anordnung im inneren Verwaltungsdienst [...] Rechtssatz. [...] Ebenso kann [...] eine organisatorische Norm bescheidenster Art theoretisch nicht anders denn als Rechtssatz bezeichnet werden.“ 63 Beispielhaft Kampe, Verwaltungsvorschriften und Steuerprozeß, 1965, S. 173 f., 182-186, 206; R. Groß, DÖV 1971, 186 (187); Jachmann, Die Verwaltung 1995, 17 (21, 22, 31), dies., ZBR 1997, 342 (344 f.); Lübbe-Wolff, DÖV 1980, 594 (596); v. Olshausen, JA 1983, 177 (184); Pieroth, JuS 1994, L89 (L90); Rupp, JuS 1975, 609 (612); Schenke, DÖV 1977, 27 (29-31); Weyreuther, DVBl. 1976, 853 (857).
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Rechtsnormen gezählt werden: Rechtsnormen seien regelmäßig nur die Normen des Außenrechts. Als lediglich verwaltungsintern wirkende Regelungen wiesen Verwaltungsvorschriften dagegen keine „Außenwirkung“ auf; zudem könne die Verwaltung aus sachlich gebotenen Gründen von ihnen abweichen. Verwaltungsvorschriften könnten deshalb – trotz ihres Rechtscharakters – nicht als Rechtsnormen qualifiziert werden, so die weit verbreitete Auffassung. Die Kontroverse um die Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften spiegelt auf den ersten Blick lediglich ein unterschiedliches Begriffsverständnis wider. Dennoch ist die Frage nach der Rechtsnatur dieser exekutivischen Handlungsform nicht „vorwiegend eine Sache der Terminologie“65. Denn die hartnäckige Absonderung der Verwaltungsvorschriften von Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Satzungen, denen allein die Bezeichnung Rechtsnormen zukommen soll, führt die überkommene Trennung von Innen- und Außenrecht fort und knüpft – wenn auch begrifflich modifiziert – an die verfassungsgeschichtlich überholte Impermeabilitätstheorie des Konstitutionalismus an.66 Des weiteren erscheint häufig mißverständlich, ob die Differenzierung in Rechtssätze einerseits und Rechtsnormen des Außenrechts andererseits nur der begrifflichen Verdeutlichung dient oder ob aus ihr rechtliche Schlußfolgerungen gezogen werden.67 Sollte lediglich ersteres der Fall sein, ist eine Grundregel der Wissenschaftstheorie in Erinnerung zu rufen, die der terminologischen Beliebigkeit ___________ 64
Beispielhaft BVerfG v. 21.6.1989, BVerfGE 80, 257 (265 f.); v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227); v. 21.2.1961, BVerfGE 12, 180 (199); v. 23.11.1951, BVerfGE 1, 82 (83). – BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340); v. 9.6.1983, BVerwGE 67, 222 (229); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (18); v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45 (49); v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (255) – Voerde; v. 24.3.1977, BVerwGE 52, 193 (199); v. 13.9.1973, BVerwGE 44, 72 (74 f.); v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 323 (327); v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (281, 283); v. 28.5.1958, BVerwGE 8, 4 (10); v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (222); v. 25.5.1993, InfAuslR 1993, 298 (299). – BSG v. 14.6.1995, NZS 1995, 502 (509 f.). – HessStGH v. 15.7.1970, ESVGH 21, 1 (12). – OVG NRW v. 27.9.2001, RiA 2002, 250; SächsOVG v. 27.2.2002, SächsVBl. 2002, 243; v. 17.9.2001, SächsVBl. 2002, 5 (6). 65 So Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 4 (S. 625). – Ferner auch v. Olshausen, JA 1983, 177 (184), der von einer lediglich „begriffsjuristische(n) Qualifikation der Verwaltungsvorschriften“ spricht. Ähnlich W. Leisner, Verwaltungsvorschriften als „Nebengesetze“ im Steuerrecht?, 1982, S. 26; Ossig, Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung, 1985, S. 5 im Anschluß an Ossenbühl, AöR 92 (1967), 1 (25): „Frage des terminologischen Geschmacks, die nur noch didaktischpsychologisch bedeutsam ist“. 66 Über die systematischen Widersprüche der Impermeabilitätstheorie bereits Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, 1888, S. 228-232. – Zur Kritik aus heutiger Sicht beispielhaft E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 235-238; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 10-23; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, insb. S. 19-38 und passim. 67 Zweifelnd auch Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 44.
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auch in der Jurisprudenz Grenzen zieht: Definitionen vermögen an den tatsächlichen Zuständen der Sachverhalte, auf die sich die in den Definitionen auftretenden Begriffe beziehen, nichts zu ändern.68 Daraus ergibt sich zweierlei. Erstens: wenn den Verwaltungsvorschriften – wie noch zu untersuchen sein wird – eine unmittelbare positivrechtliche Außenwirkung zukommt, ändert eine Bezeichnung der Verwaltungsvorschriften als „Innenrechtssätze“ daran nichts. Zweitens: falls eine Außenwirkung und eine besonders „strikte“ Verbindlichkeit gerade nicht zu den konstitutiven Merkmalen von Rechtsnormen gehören69, sind Verwaltungsvorschriften nach dem bereits Festgestellten in jedem Fall (unabhängig von ihrer spezifischen Bindungswirkung) in die Kategorie der Rechtsnormen einzuordnen. Letzteres sollen die folgenden Ausführungen belegen.
1. Zum Einwand der fehlenden unmittelbaren Außenwirkung Verwaltungsvorschriften sollen nicht mit Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen vergleichbar sein, weil sie im Gegensatz zu ihnen nicht unmittelbar nach außen gerichtet seien.70 Denn die Orientierung primär an den Außenwirkungen des hoheitlichen Handelns präge trotz verschiedener „Differenzierungen und Überlagerungen“ nach wie vor das geltende Recht als grundsätzliches System. Namentlich in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes (§§ 9, 35 VwVfG) und der Länder sowie im Verwaltungsprozeßrecht spiegele sich die fortwirkende Bedeutung des Merkmals unmittelbarer Außengerichtetheit wider.71 Abstrakte Regelungen ohne Außenwirkung seien folglich keine Rechtsnormen.72 ___________ 68
Vgl. Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 463 (465). So aber ausdrücklich BVerfG v. 21.6.1989, BVerfGE 80, 257 (265); BVerwG v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45 (49); BSG v. 14.6.1995, NZS 1995, 502 (509 f.); vgl. dazu ferner BVerfG v. 24.5.1977, BVerfGE 44, 322 (341). 70 Vgl. beispielhaft Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 96; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 4 Rn. 3 (S. 63), § 24 Rn. 3 (S. 625); H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 24 Rn. 23 (S. 327 f.); Jachmann, Die Verwaltung 1995, 17 (21, 22-29); dies., ZBR 1997, 342 (344 f.). – Teilweise zielen Verwaltungsvorschriften bereits ihrem Wortlaut nach unmittelbar auf die Rechtssphäre des Bürgers, wie z. B. die Erste Verwaltungsvorschrift zum Benzinbleigesetz v. 5.12.1971 (abgedruckt bei Kloepfer, Umweltschutz, Textsammlung, Bd. II, Stand: März 2001, Nr. 711). 71 So ausdrücklich Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 96. 72 Die Unterscheidung von Innen- und Außenrecht kennzeichnet das Staats- und Verwaltungsrecht bis in die Gegenwart hinein. Vgl. die Bestandsaufnahmen etwa bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 34-152; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 19 ff., 104 ff.; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 160-188; Pieroth, JuS 1994, L89 (L90); Schnapp, Rechtstheorie 9 (1978), 275-300; Schwabe, JA 1975, 45-52. Ossenbühl (AöR 69
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Wo allerdings die Grenzlinie zwischen dem Recht innerhalb und dem Recht außerhalb der Verwaltungsorganisation exakt verlaufen soll, ist bislang nicht geklärt und wird wohl auch kaum geklärt werden können.73 Denn mit der Auffassung, daß allein die Rechtsverhältnisse zwischen dem Staat und den Bürgern dem Außenrecht vorbehalten sind, läßt sich schwerlich vereinbaren, daß etwa Anordnungen der Aufsichtsbehörden gegenüber den Gemeinden in deren Selbstverwaltungsbereich unstreitig als Verwaltungsakte, d. h. als Anordnungen mit unmittelbarer Außenwirkung qualifiziert werden.74 Insofern kann eine innerhalb der Verwaltungsorganisation erlassene Regelung inhaltlich immer auch „Außenrecht“ sein. Andererseits können Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen ebenso wie Verwaltungsvorschriften über die verwaltungsinterne Zuständigkeit und Organisation bestimmen.75 Warum angesichts dieser potentiellen Inhaltsgleichheit den Verwaltungsvorschriften der Rechtsnormcharakter vorenthalten sein soll, ließe sich nur dann nachvollziehbar begründen, wenn das Innen- und Außenrecht formal als durch die Handlungsform zu trennende Bereiche aufgefaßt werden könnten. Will man aber keinen Zirkelschluß riskieren, kann eine derart formalistische Betrachtungsweise kaum greifen: Denn der verwaltungsinterne Charakter einer Vorschrift kann nicht deren Kategorisierung als Verwaltungsvorschrift nach sich ziehen, wenn gleichzeitig umgekehrt die Zuordnung der Regelung zum verwaltungsinternen Bereich aufgrund ihrer Etikettierung als Verwaltungsvorschrift erfolgt.76 Daß sich eine einen qualitativen Unterschied kennzeichnende Trennlinie zwischen dem Innen- und dem die Staat-Bürger-Beziehungen normierenden Außenrecht nicht ziehen läßt, zeigt auch die Beliebigkeit der rechtssatzmäßigen Adressierung in beiden Rechtskreisen. Zwar ist das administrative Organisations- und Verfahrensrecht insofern institutionell konzipiert, als es vom Wechsel natürlicher Personen – den Amtswaltern – unabhängig ist.77 Der jeweils zustän___________ 92 [1967], 1 [4]) spricht daher von „Innen und Außen“ als „ontologisch vorgegebenen Fakten“. 73 Daß es einen genau abgrenzbaren staatlichen Innenbereich nicht geben kann, belegte P. Axer (Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 46) unlängst am Beispiel der Sozialversicherung. Kritisch auch A. Leisner, JZ 2002, 219 (222). 74 Vgl. BVerwG v. 9.7.1964, BVerwGE 19, 121 (123); v. 28.12.1957, BVerwGE 6, 101 (103); BayVGH v. 24.5.1984, BayVBl. 1984, 659 ff.; OVG Münster v. 5.9.1980, DVBl. 1981, 227 (228). 75 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 46; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 160; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 654 f.; Schnapp, Rechtstheorie 9 (1978), 275 (294 f.); Schwabe, JA 1975, 45 (46). 76 Auf die Gefahr eines „circulus vitiosus“ in diesem Zusammenhang weist bereits Forsthoff, Allg. Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 135 in Fn. 3, hin. 77 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 480. – Zur Rechtsstruktur der Administrative H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. II., 1934, S. 224 ff.
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dige Rechtsetzer kann jedoch organisatorische Einheiten jeder Stufe „personalisieren“78, indem er sie als Zurechnungsendpunkt von Rechten oder Pflichten ausgestaltet und sie so für die Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr befähigt79. Nehmen administrative Organisationseinheiten aber am Rechtsverkehr teil, läßt sich ein qualitativer Unterschied zum Außenrecht nicht mehr feststellen.80 Umgekehrt ist eine „allgemeine“ (Außen-)Rechtsordnung, deren Rechtsnormen potentiell jedermann verpflichten, nicht denkbar. Jede Rechtsnorm muß in ihrem Tatbestand notwendig bestimmte Merkmale von Rechtssubjekten beschreiben, die andere Rechtssubjekte nicht besitzen.81 Gegen die Annahme einer Universalität der Rechtsnormen wandte sich daher bereits K. N. Llewellyn: „Regeln für allgemeingültig zu halten – insbesondere für anwendbar auf ‚alle Personen, die in ihren Geltungsbereich fallen‘ – bedeutet, den Blick mit einer verfassungsrechtlichen Fiktion zu vernebeln, bevor man richtig hingesehen hat. Sicherlich sieht es so aus, als würden die Verfassungen vorschreiben, alle Rechtsnormen hätten ‚gleich und allgemein‘ zu sein. Aber die meisten Regeln – so allgemein sie auch gelten mögen für diejenigen, die sie betreffen – sind äußerst speziell, wenn man sie danach betrachtet, wie viele Staatsbürger es insgesamt gibt.“82
Entscheidend gegen die willkürliche und von der herrschenden Lehre vorausgesetzte Verengung des Rechtsnormbegriffs ist jedoch ein anderer Aspekt. Ob die durch eine Rechtsnorm verpflichteten Menschen Amtswalter oder Private sind, ist eine (untergeordnete) Frage des Rechtsinhalts einer Norm und ändert nichts an ihrem Rechtscharakter.83 Betrachtet man aber nicht den Inhalt einer ___________ 78
Schnapp, Rechtstheorie 9 (1978), 275 (295). Dabei ist es mehr eine terminologische Frage, ob von subjektiven Rechten und Pflichten gesprochen wird oder nicht. So auch E.-W. Böckenförde, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 269 (291 in Fn. 77, 302 in Fn. 101); Schnapp, Rechtstheorie 9 (1978), 275 (294 in Fn. 118). – A. A. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 99. 80 Ebenso Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 46; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1982, S. 275: „schwer fixierbare Grenzlinie zwischen ‚Außen‘ und ‚Innen‘“. 81 In diesem Sinne E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 76 f., 93 f. in Fn. 17; Kriele, Recht und praktische Vernunft, 1979, S. 26; Merten, Jura 1981, 169 (171). – Ausdrücklich auch Kelsen, in: Festschrift für H. C. Nipperdey, 1965, S. 57 (68 f.): „Hat die Norm einen generellen Charakter, ist die Norm eine Soll-Regel. Nur in diesem Fall von einer Norm zu sprechen, d. h. den generellen Charakter als für den Begriff der Norm wesentlich anzusehen, ist unbegründet.“ – Differenzierend U. Krüger, Der Adressat des Rechtsgesetzes, 1969, S. 63-68, dem zufolge lediglich die materielle Adresse einer Rechtsnorm, d. h. der tatsächlich bestimmte Geltungsbereich, beschränkt sein könne. Die formelle Adresse, also der juristisch bestimmte Geltungsbereich, sei demgegenüber immer allgemein. 82 Llewellyn, in: Hirsch/Rehbinder, Studien und Materialien zur Rechtssoziologie, 1967, S. 54 (81). 83 Ebenso Merkl (1931), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (459). 79
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Norm, sondern ihre Geltung, ihr „Sollen“ – und in der Statuierung eines „Sollens“, einer Pflicht liegt das Charakteristikum einer Norm –, so ist die Frage nach den Personen, an die das Sollen gerichtet ist, irrelevant. Nochmals sei daher die rhetorische Frage erlaubt: Wodurch sonst als durch Rechtsnormen sollen Rechtspflichten konstituiert werden? Rechtspflichten werden aber unbestritten durch Verwaltungsvorschriften ausgesprochen. Rechtsnormen liegen somit unabhängig von ihrem Adressatenkreis selbst bei einer vornehmlich auf den „Innenbereich“ beschränkten Bindungswirkung vor.84 Diese Überlegungen führen zu der Schlußfolgerung, daß die Verwaltungsvorschriften in keinem Fall aus der Gruppe der Rechtsnormen ausgesondert werden können.
2. Zum Einwand der fehlenden strikten Verbindlichkeit Als vornehmliches Kennzeichen von Rechtsnormen wird in der Rechtswissenschaft des weiteren ihre Verbindlichkeit genannt. Rechtsnormen seien „kodifizierte Verhaltenserwartungen, die einen Anspruch auf Einhaltung“85 erhöben und bei denen dieser Anspruch nötigenfalls mit Strafe, Buße und Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden könne.86 Daraus wird teilweise gefolgert, daß diejenigen Vorschriften, die unter bestimmten Voraussetzungen ein abweichendes Verhalten zulassen, nicht zu den Rechtsnormen gehörten.87 Im Gegensatz zu Rechtsnormen, die in jedem Einzelfall eine unbedingte Verpflichtungskraft hätten, wiesen sie als „Sollvorschriften“ keine unverbrüchliche Verpflichtungswir___________ 84 Die Differenzierung des BVerwG zwischen „Geltung im Innenbereich“ und „normativer Geltung im Außenbereich“ (so BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 [255] – Voerde) ist letztlich auch rechtstheoretisch unhaltbar. Denn definiert man mit der Reinen Rechtslehre die Geltung einer Norm als „spezifische Existenz der Norm“ (so Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 9 f.; ähnlich Lippold, Rechtstheorie 19 [1988], 463 [465 f.]), kann jede Geltung immer nur normative Geltung bedeuten. 85 Blankenburg, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970), 227 (229). 86 Burckhardt (1936), in: ders., Aufsätze und Vorträge 1910-1938, 1970, S. 52 (56 f.): „Der Gesetzgeber kann unmöglich sich zunächst eine Rechtsordnung ausdenken ohne Zwang und sich nachträglich die Frage stellen, wie dieses sein Recht erzwungen werden könnte. Er muß beides zugleich und von Anfang an erwägen. Sorgt der Gesetzgeber nicht für die Erzwingbarkeit, so läuft er Gefahr, mit seiner Vorschrift bloß eine sittliche Ermahnung und nicht eine Rechtspflicht statuiert zu haben.“ – Ebenso Th. Bühler, Rechtsquellenlehre, Bd. 3, 1985, S. 28 f.; Kriele, Recht und praktische Vernunft, 1979, S. 25-27; Marburger, Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 286 in Fn. 3. 87 So speziell über die Standesordnungen wirtschaftsberatender Berufe Kloock, in: Coenenberg/v. Wysocki, Handwörterbuch der Revision, 2. Aufl., 1992, Sp. 2013 (2014); vgl. hierzu ferner Binz, Kritik an deutschen Wirtschaftsprüfern, 2. Aufl., 1985, S. 230 f.
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kung auf.88 Verwaltungsvorschriften könnte somit der Rechtsnormcharakter abgesprochen werden, falls – erstens – Rechtsnormen für den Einzelfall grundsätzlich keine Ausnahmen zuließen und – zweitens – die Verwaltungsvorschriften für den atypischen Fall ein Abweichen ermöglichten. Jedenfalls die erste Voraussetzung trifft nicht zu. Rechtsnormen können durchaus eine abgestufte Intensität des Anspruchs auf inhaltliche Befolgung aufweisen. Die Zweiteilung des Rechts in zwingendes und nachgiebiges Recht, ius cogens und ius dispositivum, verdeutlicht dies. Vorschriften, die in jedem Fall, also auch dann, wenn etwas anderes vereinbart oder gewollt ist, zur Anwendung kommen, werden als zwingende oder unabdingbare Rechtsnormen bezeichnet.89 Anders ist es bei Bestimmungen, die dem dispositiven Recht angehören. Diese ermöglichen den Rechtsunterworfenen, ihre Rechtsverhältnisse abweichend von der Vorschrift zu gestalten und so die von der Rechtsnorm bereitgestellte Regelung für ihren Bereich zu ändern.90 Ob Rechtsnormen somit für den Einzelfall zwingende Regeln vorgeben, ist allein eine Frage ihres Sollensanspruchs, mit anderen Worten: ihres Inhalts.91 Davon zu trennen ist die Frage des Geltungsanspruchs einer Rechtsnorm, der ausschließlich unbedingt sein kann. Entweder hat der legitimierte Rechtsetzer eine gültige Rechtsnorm erlassen oder eben nicht. Eine Graduierung der Geltungsanordnung ist insofern unmöglich.92 Auch dispositive Rechtsnormen enthalten daher den Anspruch, eine für die Rechtsunterworfenen künftig „geltende“ Regelung festzulegen, mithin eine unbedingte Geltungsanordnung.93 ___________ 88 So ausdrücklich über die Richtlinien nach § 368 p Abs. 1 RVO Schulin/Düe, JuS 1984, 920 (924); vgl. hierzu ferner Kleine-Cosack, AnwBl. 1986, 505 (508). 89 Dazu statt vieler Larenz/M. Wolf, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., 1997, § 3 Rn. 114 (S. 88 f.). – Die Differenzierung in zwingende und dispositive Normen wird erweitert durch die sogenannten halbzwingenden Normen, die nicht in ihrem ganzen Inhalt, sondern nur teilweise zwingend sind. 90 Dazu statt vieler Larenz/M. Wolf, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., 1997, § 3 Rn. 110 (S. 88). 91 Ähnlich Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1970, S. 264: „Vom zwingenden Recht unterscheiden sich dispositive Normen nur durch die Bedingtheit ihres Sollensanspruches.“ – Sogar das Grundgesetz enthält Vorschriften, die als verfassungsrechtliche Programmsätze eine abgestufte Verbindlichkeit besitzen. Siehe Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, 1969, S. 22; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 574. 92 Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 47; Engisch, Auf der Suche nach der Gerechtigkeit, 1971, S. 68; J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980, S. 156; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 575; Welzel, Die Frage nach der Rechtsgeltung, 1966, S. 16. 93 A. A. Beuthien, ZHR 142 (1978), 257 (264 in Fn. 10), der annimmt, daß dispositive Rechtsnormen „kraft privatautonomer Gestaltung“ gelten; dagegen wiederum Canaris, AcP 184 (1984), 201 (214 in Fn. 43).
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2. Teil: Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften
Daraus folgt: Auch eine strikte inhaltliche Verbindlichkeit gehört nicht zu den konstitutiven Merkmalen einer Rechtsnorm94 und ist als Kriterium zur Ausgrenzung der Verwaltungsvorschriften aus dem Kreis der Rechtsnormen nicht geeignet.
3. Zum Einwand der fehlenden Gesetzesqualität nach Art. 20 Abs. 3 GG Ausführungen über den (vermeintlich) fehlenden Rechtsnormcharakter der Verwaltungsvorschriften sind häufig mit einem Hinweis auf Art. 20 Abs. 3 GG verbunden: Der in Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG enthaltene Begriff des „Gesetzes“ erfasse die Verwaltungsvorschriften nicht, so die traditionelle Lehre.95 Dies bedeute, daß weder Bürger noch Gerichte an Verwaltungsvorschriften gebunden seien. Verwaltungsvorschriften seien damit keine Rechtsnormen „im rechtsinhaltlichen, dogmatischen Sinne“96. Auch hier drängt sich zunächst die Gefahr eines Zirkelschlusses auf. Denn unklar erscheint, ob Verwaltungsvorschriften mangels unmittelbarer Außengerichtetheit keine „Gesetze“ im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG sind oder ob ihnen umgekehrt keine unmittelbare Außenwirkung zukommt, weil der Regelungsgegenstand in Art. 20 Abs. 3 GG sie nicht umfaßt. Tiefergehend stellt sich jedoch die Frage, ob Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG überhaupt Aussagen über Rechtsnatur und Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften trifft. Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG ordnet die Bindung der vollziehenden Gewalt (und der Rechtsprechung) an das Gesetz, mithin den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung an.97 Ausdrücklich normiert ist der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz in Art. 20 Abs. 3 GG zunächst nur als Vorrang des Gesetzes. Das Prinzip des ___________ 94
Gleiches Ergebnis bei Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S. 237 f.; ders., in: Festgabe für G. C. v. Unruh, 1983, S. 777 (805); Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 578; jeweils im Hinblick auf die Standesordnungen freier Berufe. 95 Etwa BVerfG v. 11.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227); Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 51, 62; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 20 Rn. 38; Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl., 1999, Art. 20 Rn. 107; Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. II, 1998, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 84; Hendler, DÖV 1998, 481 (488); Merten, Jura 1981, 236 (240). – Dagegen aber Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 185 f. 96 Ausdrücklich v. Olshausen, JA 1983, 177 (178, 184). 97 Vgl. zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beispielhaft E.-W. Bökkenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 375-402; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, passim; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 9 Rn. 7-23 (S. 198-205); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 insb. Rn. 1 (S. 316); Detterbeck, Jura 2002, 235 ff.; Kloepfer, JZ 1984, 685 ff.; Krebs, Jura 1979, 304 ff.; Pietzcker, JuS 1979, 710 ff.; Selmer, JuS 1968, 489 ff.
§ 3 Rechtsnormeigenschaft der Verwaltungsvorschriften
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Gesetzesvorrangs untersagt der vollziehenden Gewalt jegliches Handeln gegen das Gesetz.98 Wie aber der Gesetzesbegriff in Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG auszulegen ist, bereitet um so mehr Schwierigkeiten, als die Formulierung „Gesetz“ in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes mit jeweils unterschiedlichem Bedeutungsgehalt verwendet wird.99 Auch aus den Dokumenten zur Entstehungsgeschichte des Art. 20 Abs. 3 GG lassen sich nur schwer Rückschlüsse ziehen.100 Auszugehen ist daher zunächst von dem, worüber in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit besteht: „Gesetz“ im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG ist „jede Art parlamentarischer Entscheidung, die in den für Gesetze vorgesehenen Formen und Verfahren zustande gekommen ist“101. Es fragt sich aber, ob der Regelungsgehalt des Art. 20 Abs. 3 GG darüber hinaus sonstige, traditionell den Rechtsnormen zugeordnete Regelungsformen umfaßt, namentlich die Verfassung102, Rechtsverordnungen und Satzungen103 oder das Richter- und Gewohnheitsrecht104. ___________ 98
Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 35; Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 18 Rn. 1 (S. 329 f.); Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 257 (S. 74 f.); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 55 (S. 14); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 2 (S. 112 f.); Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 803; H. J. Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 30 Rn. 5 (S. 428); Pietzcker, JuS 1979, 710. 99 Zum Gebrauch des Wortes „Gesetz“ im Grundgesetz Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, 1969, S. 17; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 24-47; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 566 f. – Ferner BVerfG v. 9.10.1968, BVerfGE 24, 184 (195 f.): „Das Wort ‚Bundesgesetz‘ (oder ‚Gesetz‘) hat im Grundgesetz nicht überall dieselbe Bedeutung. Welche Bedeutung das Wort hat, ist jeweils aus dem Zusammenhang, in dem es verwendet wird, aus dem Zusammenhang der Vorschrift mit anderen Bestimmungen der Verfassung sowie aus ihrem Sinn und Zweck zu ermitteln.“ – Die in einfachen Gesetzen häufig anzutreffende Definition, Gesetz sei jede Rechtsnorm, ist insofern unergiebig, als sie lediglich auf einen anderen ungeklärten Begriff verweist. Vgl. § 4 AO, Art. 2 EGBGB, § 7 EGStPO, § 12 EGZPO, § 1 Abs. 2 EGZVG, § 185 Abs. 2 FGG, § 116 Abs. 2 GBO. 100 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Art. 20 Abs. 3 GG Doemming/Füsslein/ Matz, JöR N. F. 1 (1951), 1 (195). 101 H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 23 in Anlehnung an Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 34 (S. 1004); ferner Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 50; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 20 Rn. 38; Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl., 1999, Art. 20 Rn. 107; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 20 Rn. 42 ff. 102 So Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 20 Rn. 43; Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl., 1999, Art. 20 Rn. 107; Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 42 (S. 1008). 103 So BVerfG v. 21.6.1989, BVerfGE 80, 257 (265 f.); v. 11.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227); Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 51; Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl., 1999, Art. 20 Rn. 107. – Dagegen BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (248 ff.); BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (320 f.) – Wyhl: Bindung an normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften; OVG NW v. 13.7.1994, NWVBl.
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2. Teil: Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften
Eine grammatische, systematische und teleologische Auslegung der Bestimmung führen zu einer engen Interpretation des Gesetzesbegriffs. Das in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Vorrangsprinzip richtet sich zuvörderst an die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung – so der eindeutige Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG. Die Bindung der Exekutive an das Gesetz betrifft nun nicht nur den Erlaß von Einzelakten und die Vornahme von Realhandlungen, sondern umfaßt ebenso die exekutive Normsetzung, mithin den Erlaß von Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften.105 Die folgenden Überlegungen verdeutlichen dies. Denn einerseits regelt der erste Halbsatz des Art. 20 Abs. 3 GG ausschließlich den Vorrang der Verfassung vor der „Gesetzgebung“. Andererseits ist im Ergebnis völlig unstreitig, daß auch der Rechtsverordnungsund Satzungsgeber an das Parlamentsgesetz gebunden sein muß.106 Die Bindung der Rechtsverordnungen und Satzungen an das förmliche Gesetz läßt sich nur erreichen, wenn der Begriff der „Gesetzgebung“ in der ersten Satzhälfte auf die parlamentarische Rechtsetzung beschränkt wird und sodann die verordnungs- und satzungsgebende Gewalt der „vollziehenden Gewalt“ des zweiten Halbsatzes in Art. 20 Abs. 3 GG zugerechnet wird.107 Ist die gesamte exekutive Normsetzung aber Adressat des Bindungsgebotes aus Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG, kann sie nicht gleichzeitig die Maßstäbe jener Bindung liefern.108 ___________ 1995, 148 (149): Bindung an Anordnungen nach § 32 AuslG; H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 23-26; Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 37 (S. 1006). 104 Dazu Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 52; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 20 Rn. 38; Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl., 1999, Art. 20 Rn. 107; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 20 Rn. 44; Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. II, 1998, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 84; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 576, 581 f., 586. 105 Vgl. auch Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 15, 37; ferner Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 20 Rn. 39; Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. II, 1998, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 75. 106 Vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 24 im Anschluß an Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 15, 37. 107 Damit stellt sich die Anschlußfrage nach der positivrechtlichen Verortung der Verfassungsbindung von vollziehender Gewalt und Rechtsprechung. Art. 20 Abs. 3 Hs. 1 GG bindet lediglich den parlamentarischen Gesetzgeber an die Verfassung. Der Gesetzesbegriff in Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG ist demgegenüber eng auszulegen und umfaßt nur förmliche Parlamentsgesetze. Die Verfassungsbindung der Exekutive und Judikative kann daher nicht aus den beiden Halbsätzen des Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet werden. Sie ergibt sich aus dem Wesen des Grundgesetzes selbst und seines „Verhältnisses zu den pouvoirs constitués“ (so auch Herzog [1980], in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 24; H.-D. Horn, Die verfassungsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 26 in Fn. 23 a. E.). – A. A. Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 42 (S. 1008), der unter „Gesetz“ im Sinne des Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG auch das „Verfassungsgesetz“ versteht. 108 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 37 (S. 1006).
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Daß Art. 20 Abs. 3 GG weniger eine Grenze zwischen Rechtsnormen und Nichtrechtsnormen als vielmehr zwischen parlamentarischen Gesetzen und sonstigen (untergesetzlichen) Normen ziehen will, legt auch die systematische Nähe zum Abs. 2 des Art. 20 GG nahe. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG trennt zunächst die gesetzgebende von der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt.109 Abs. 3 des Art. 20 GG spezifiziert sodann das Verhältnis dieser soeben geteilten Gewalten, indem er dem Parlamentsgesetz die Funktion eines Steuerungsinstruments gegenüber der Exekutive und der Rechtsprechung zuweist.110 Damit klingt bereits die Unvereinbarkeit einer weiten Interpretation des Gesetzesbegriffs mit dem Telos des Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG an. Der Grund für die wohl überwiegende Ausdehnung des Gesetzesbegriffs auch auf nicht parlamentsgesetzliche Normen ist letztlich das Bestreben, die Rangverhältnisse der gesamten Rechtsordnung mit Hilfe einer einzigen Verfassungsnorm abstrakt zu bestimmen. Nur so ist erklärbar, warum das Prinzip des Gesetzesvorrangs besagen soll, daß „Verwaltungsmaßnahmen nicht gegen (höherrangige) Rechtssätze verstoßen dürfen“111. Demgegenüber ist jedoch klarzustellen, daß das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Vorrangsprinzip als Kollisionsregel112 ausschließlich die ___________ 109 Zum Prinzip der Teilung staatlicher Gewalten statt vieler Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 792-796; ders., Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 513-556; aus der Rechtsprechung des BVerfG etwa BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (124 ff.) – Kalkar; v. 10.10.1972, BVerfGE 34, 52 (59); v. 15.12.1970, BVerfGE 30, 1 (27 f.); v. 28.11.1957, BVerfGE 7, 183 (188); v. 18.12.1953, BVerfGE 3, 225 (247). 110 Genaugenommen erfährt das Gesetz seine Steuerungsfunktion aus der Verbindung des in Art. 20 Abs. 3 GG begründeten Vorrangsprinzips mit der in Art. 20 Abs. 3 GG vorausgesetzten Allzuständigkeit des Gesetzgebers. Der Grundsatz der Allzuständigkeit befähigt den Gesetzgeber, alle Sachmaterien zu normieren, die er normieren möchte. Durch den Erlaß von Gesetzen, die Exekutive und Judikative anzuwenden haben, steuert der Gesetzgeber das Handeln dieser beiden Gewalten. Vgl. dazu Herzog, Allg. Staatslehre, 1971, S. 155 ff. – Zu den die Steuerungsfähigkeit von Gesetzen bestimmenden Parametern Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 46-48. 111 Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 20 Rn. 46. – Ausdrücklich auch Pietzcker, JuS 1979, 710: „Vorrang des jeweils ranghöheren staatlichen Aktes“; ähnliche Formulierungen bei Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 18 Rn. 2 (S. 330); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 2 (S. 112 f.); Jarass, JuS 1999, 105 (106); hierzu ferner Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 258 (S. 75); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 56 (S. 14). 112 Das Verständnis des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes wird durch eine häufige Identifizierung der Verpflichtungswirkung des Gesetzes mit dem Vorrang des Gesetzes erschwert. Die Verpflichtungswirkung des Gesetzes begründet die Pflicht zu seiner Befolgung durch Staat und Bürger. Demgegenüber hat der Vorrang des Gesetzes lediglich die Funktion einer Kollisionsregel. Vgl. beispielhaft für eine nicht vorgenommene Trennung der beiden Elemente BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (248 f.); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 2 (S. 112 f.); Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 1, 4 (S. 316, 317 f.); für eine Differenzierung ausdrücklich auch
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2. Teil: Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften
Fähigkeit des förmlichen Gesetzes bezeichnet, „rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor(zugehen)“113. Der Rang und die Bindungswirkung untergesetzlicher Rechtssätze werden in der Konsequenz durch das einfache Recht begründet; nicht aber folgen sie aus ihrem „Gesetzescharakter“.114 Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: „Gesetz“ im Sinne von Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG ist nur das förmliche parlamentarische Gesetz. Über die Bindungswirkung nicht gesetzlicher Normen, namentlich der Verwaltungsvorschriften, trifft Art. 20 Abs. 3 GG dagegen keinerlei Anordnungen. Damit erweist sich zuletzt die Unmöglichkeit, Verwaltungsvorschriften den Rechtsnormcharakter mit der Begründung abzusprechen, sie seien – im Gegensatz zu den traditionell zum Kreis der Rechtsnormen gerechneten Bestimmungen – nicht unter die Klausel „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG subsumierbar. Es bleibt daher dabei: Verwaltungsvorschriften sind in jedem Fall – ungeachtet ihrer noch zu untersuchenden Bindungswirkung – Rechtsnormen.
§ 4 Rechtsquelleneigenschaft der Verwaltungsvorschriften Die Kontroverse um die Qualifikation der Verwaltungsvorschriften als Rechtssätze und Rechtsnormen findet ihre Fortsetzung in dem Streit um die Rechtsquelleneigenschaft der Verwaltungsvorschriften.115 Das Pendant der mit dem Rechtssatz- und Rechtsnormbegriff verbundenen Unklarheiten stellt dabei die Diskussion um den Terminus „Rechtsquelle“ dar. Dessen Unbestimmtheit wurde bereits in einer Monographie aus dem Jahre 1885 kritisiert:
___________ Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 257 (S. 74 f.); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 55 (S. 13 f.). 113 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924, S. 68. – Ebenso Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 35. 114 H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 26; SchmidtAßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 38 (S. 1006). 115 Für eine Einordnung der Verwaltungsvorschriften als Rechtsquellen etwa Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 104; ferner Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 21 Rn. 210 (S. 475); Battis, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1997, S. 35; Forsthoff, Allg. Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 123-126 (insb. S. 126); Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 41 (S. 155 f.); Merten, Jura 1981, 236 (239-241). – Dagegen beispielhaft H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 24 Rn. 23 (S. 327 f.); Peine, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2002, Rn. 56 (S. 35); v. Olshausen, JA 1983, 177 (184). – Zweifelnd Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 4 Rn. 30 (S. 77 f.), § 24 Rn. 4 (S. 625).
§ 4 Rechtsquelleneigenschaft der Verwaltungsvorschriften
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„Wie es gemeiniglich geschieht, dass über die gangbarsten Ausdrücke und Begriffe eine feste Definition vermisst wird, so ist auch der Gebrauch des Wortes Rechtsquelle ein schwankender.“116
Seither ist eine Vielzahl von Interpretationen des Begriffs „Rechtsquelle“ vorgelegt worden.
A. Interpretationen des Begriffs der Rechtsquelle Verbreitet ist die Unterscheidung zwischen Rechtserkenntnis-, Rechtserzeugungs- und Rechtswertungsquellen. Als Rechtserkenntnisquellen firmieren die Aufzeichnungen des heute geltenden und des vergangenen Rechts.117 Rechtserzeugungsquellen sind die Ursachen und Voraussetzungen der Entstehung einer Rechtsordnung.118 Rechtswertungsquellen liefern die Orientierungsmaßstäbe für den Erlaß und die Auslegung des Rechts wie etwa die Gerechtigkeit oder die Vernunft.119 K. Obermayer fügt dieser Aufzählung zwei zusätzliche Rechtsquellen in Form der Rechtskausalquellen und der Rechtsgrundlagenquellen hinzu.120 Mit anderer Terminologie unterscheidet Th. Geiger zwischen den Geltungs-, Inhalts-, Einsichts- und Berufungsquellen.121 Geläufig ist ferner die Aufteilung in formelle und materielle Rechtsquellen. Nach der formellen Rechtsquellenlehre sind Rechtsquellen die Formen, in denen gültiges Recht sich manifestiert.122 Die materielle Rechtsquellentheorie will ___________ 116 Heusler, Institutionen des Deutschen Privatrechts, Bd. I, 1885, S. 13 f. – Vgl. zur römischen Theorie der Rechtsquellen Ehrlich, Beiträge zur Theorie der Rechtsquellen (1902), 1970, passim. 117 Esser, Grundsatz und Norm, 4. Aufl., 1990, S. 134 f.; R. Dreier, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 3 (4 f.); Liver (1955), in: ders., Privatrechtliche Abhandlungen, 1972, S. 31 (33 f.). 118 So Heusler, Institutionen des Deutschen Privatrechts, Bd. I, 1885, S. 14; Liver (1955), in: ders., Privatrechtliche Abhandlungen, 1972, S. 31 (34 f.). – Dagegen Obermayer, in: Maunz/Obermayer/Berg/Knemeyer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 5. Aufl., 1988, S. 110, der als Rechtserzeugungsquellen den Vorgang bezeichnet, in dem eine Norm in rechtserheblicher Weise erzeugt wird. 119 Liver (1955), in: ders., Privatrechtliche Abhandlungen, 1972, S. 31 (35 ff.); Joerges, Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie XVII (1923/24), 431 (435). 120 Obermayer, in: Maunz/Obermayer/Berg/Knemeyer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 5. Aufl., 1988, S. 110. 121 Th. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, 4. Aufl., 1987, S. 129137. 122 Die Differenzierung zwischen formellen und materiellen Rechtsquellen geht wohl auf Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, Bd. I, 1892, S. 542 ff., zurück. – Dagegen Esser, Grundsatz und Norm, 4. Aufl., 1990, S. 136 in Fn. 156; Ross, Theorie der Rechtsquellen, 1929, S. 100 f.
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2. Teil: Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften
demgegenüber zu den „Wurzeln des Rechts“123 vordringen, indem sie nur die rechtsbildenden Faktoren zu den Rechtsquellen zählt.124 In breiter Vielfalt sollen dazu etwa der Volks- oder Gemeingeist125, das Rechtsbewußtsein des Volkes126, das „natürliche“ Recht127, die Natur der Sache128, Prinzipien der Gerechtigkeit129 oder andere Faktoren130 gehören. Wiederum differenziert sieht U. Meyer-Cording nur die Institution, die Rechtsnormen schafft, also den Rechtsschöpfer, als („formende“) Rechtsquelle an.131 Die sich angesichts dieser Begriffsvielfalt ausbreitende Verwirrung kann abgebaut werden, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Interpretation des Rechtsquellenbegriffs letztlich von der ihr zugrundeliegenden disziplinären Perspektive abhängig ist. Das Beispiel der Rechtserkenntnis-, Rechtserzeugungsund Rechtswertungsquellen mag hierbei zur Veranschaulichung herangezogen werden. So steht das Auffinden von Rechtserkenntnisquellen weniger im Mittelpunkt juristischen als vielmehr historischen Interesses. Insbesondere die Feststellung vergangenen Rechts ist primär eine Aufgabe der Geschichtswissenschaft. Aus der Sicht des Geschichtswissenschaftlers können danach alte Urkunden, amtliche Verzeichnisse, die mündliche Überlieferung von Regelungen, sogar die Dichtung und die bildende Kunst Rechtsquellen darstellen.132 Mit den tatsächlichen Auswirkungen der Rechtsanwendung muß sich sodann zwar auch die Rechtswissenschaft beschäftigen, wenn sie fragt, ob eine bestimmte Rechtsnormanwendung mit dem durch Auslegung erschlossenen Normzweck übereinstimmt. Die Frage nach den die Entstehung des Rechts bestimmenden Faktoren und ihrem Zusammenwirken ist dagegen ein Untersuchungsgegenstand namentlich der Soziologie. Nur bei soziologischer Betrachtungsweise können naturab___________ 123
Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 51. Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, Bd. I, 1892, S. 544 in Fn. 9; Heusler, Institutionen des Deutschen Privatrechts, Bd. I, 1885, S. 14. 125 v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, 1895, S. 119 f.; Welzel, Die Frage nach der Rechtsgeltung, 1966, S. 31. 126 Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. Aufl., 1993, S. 228-231; Welzel, Die Frage nach der Rechtsgeltung, 1966, S. 18, 31. 127 Fehr, Deutsche Rechtsgeschichte, 6. Aufl., 1962, S. 226 f. 128 Ross, Theorie der Rechtsquellen, 1929, S. 93. 129 Joerges, Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie XVII (1923/24), 431 (440): „Gerechtigkeitsquellen“; des weiteren Kirchhof, in: Festgabe 25 Jahre BVerfG, Bd. II, 1976, S. 50 (51 f.). 130 Weitere Beispiele und Nachweise bei Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 51 f. 131 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 54-56. 132 Beispiele nach Liver (1955), in: ders., Privatrechtliche Abhandlungen, 1972, S. 31 (33 f.). 124
§ 4 Rechtsquelleneigenschaft der Verwaltungsvorschriften
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hängige Gegebenheiten wie das Klima oder die Geographie eines Landes als Erzeugungsquellen von Recht, anders: als Rechtsquellen betrachtet werden. Zuletzt ist die Bewertung der Rechtsordnung anhand außerrechtlicher Maßstäbe vornehmlich wissenschaftliche Aufgabe der Philosophie, die deshalb beispielweise die Gerechtigkeit, die Vernunft oder Gott den Rechts(wertungs)quellen zuordnen kann. Die verschiedenen Interpretationen des Rechtsquellenbegriffs erhellen somit die Bedeutung zahlreicher wissenschaftlicher Disziplinen für die Erzeugung, Anwendung und Bewertung des Rechts. Zur Beantwortung der Frage, welche Phänomene als Rechtsquellen im juristischen Sinne zu qualifizieren sind, sind sie jedoch nur bedingt tauglich.133
B. Juristisch-dualistischer Rechtsquellenbegriff In den Mittelpunkt zu rücken ist das eigentliche Anliegen der Jurisprudenz. Es besteht weniger in der Erforschung des Zusammenwirkens aller an der Rechtsbildung beteiligten außerrechtlichen Faktoren. Zentrale Aufgabe der Rechtswissenschaft ist primär die Ermittlung der Bedeutung des geltenden Rechts in seinem systematischen Kontext. Die Rechtswissenschaft wird damit auf die mit der Verbindlichkeit von Rechtsnormen zusammenhängenden Probleme verwiesen. Sie fragt zunächst, ob oder ab wann Normen den Charakter verbindlichen Rechts haben und wie oder in welcher Form die Normen ihre Verbindlichkeit erlangt haben. Der erste Teil der Frage zielt auf den Rechtsetzungsakt des legitimierten Organs, durch den die Rechtsnorm ihre institutionelle Verkörperung und ihre Verbindlichkeit erfährt. Der Bezugspunkt des zweiten Teils der Frage ist die Erscheinungsform, in der eine Rechtsnorm sichtbar wird. Damit wird das Problem bei der juristischen Interpretation des Rechtsquellenbegriffs deutlich: Ist unter Rechtsquelle der juristische Positivierungsvorgang, also der Rechtsetzungsakt oder aber das Positivierungsergebnis, mithin die Erscheinungsform, in der sich das Recht manifestiert, zu verstehen? Gegen die Deklaration des Positivierungsergebnisses als Rechtsquelle scheint auf den ersten Blick die Logik zu sprechen. Wenn die Rechtslehre die Erscheinungsformen des Rechts als Rechtsquellen ausgebe, bezeichne sie „das Recht als die Quelle seiner selbst“ und führe sich damit ad absurdum, heißt es in einer Untersuchung.134 Der Einwand greift jedoch nur dann, wenn Rechtsnorm und Rechts___________ 133 In diesem Sinne auch Ossenbühl, in Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 5 Rn. 6 (S. 136). 134 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 50 f., im Anschluß an Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 4. Aufl., 1990, S. 138 in Fn. 163; ebenso Larenz/M. Wolf, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., 1997, § 3 Rn. 1 (S. 58 in Fn. 1).
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2. Teil: Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften
quelle miteinander identifiziert werden, nicht dagegen bei einer Trennung der Rechtsnorm von der Erscheinungsform, in der sie Verbindlichkeit erlangt hat.135 Letztlich ist es jedoch eine typische Eigenschaft bildhafter und metaphorischer Ausdrücke, daß sie zwar Assoziationen erwecken, einer begrifflich eindeutigen Fixierung aber entgleiten: Eine „Quelle“ kann sowohl der Ort sein, an dem das Wasser hervortritt, als auch das hervortretende Wasser selbst.136 Ebenso kann unter einer „Rechtsquelle“ sowohl der Positivierungsvorgang als auch das Positivierte selbst verstanden werden, ohne daß sich eine eindeutige Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Alternative treffen ließe.137 Angesichts dieser Mehrdeutigkeit des Terminus „Rechtsquelle“ – auch in rechtswissenschaftlicher Sicht – ist von einem juristisch-dualistischen Rechtsquellenbegriff auszugehen:138 Zu unterscheiden ist danach zwischen den positivierenden Rechtsquellen und den positivierten Rechtsquellen. Eine positivierende Rechtsquelle ist der Rechtsetzungsakt einer dazu legitimierten Institution, der Positivierungsvorgang, aus dem eine verbindliche Rechtsnorm hervorgeht. Positivierte Rechtsquellen sind dagegen die Erscheinungsformen, in denen Rechtsnormen verbindliches Recht geworden sind. Auf die Verwaltungsvorschriften angewandt, ergibt sich daraus folgendes: Als Ergebnis eines Rechtsetzungsaktes sind sie Emanation einer positivierenden Rechtsquelle. Da sie aber auch spezifische Erscheinungsformen von Rechtsnormen sind, müssen sie zugleich als positivierte Rechtsquellen qualifiziert werden. ___________ 135 In diesem Sinne sind Verwaltungsvorschriften keine Rechtsnormen, sondern sie enthalten Rechtsnormen. Die häufig vorgenommene Gleichsetzung von Rechtsnorm und Rechtsquelle ist daher insoweit sprachwidrig. Ebenso Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 329 in Fn. 21. 136 Ähnlich Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 78; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 327. – Dagegen versucht Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 51, aus der Metapher „Rechtsquelle“ Schlußfolgerungen für seinen Inhalt zu ziehen: „Nach der eigentlichen Bedeutung des Bildes Quellen sind die Rechtsquellen dem Recht vorgeordnet. Sie produzieren Recht wie die Quelle das Bachwasser.“ 137 Anders Esser, Grundsatz und Norm, 4. Aufl., 1990, S. 137 f., der lediglich das „fait social“, den Normsetzungsakt, als Rechtsquelle gelten lassen will. – Unklar Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 79, der offenbar den Normsetzungsakt und das Normsetzungsergebnis nicht sauber voneinander trennt. Unentschieden ebenfalls Ebsen, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, 1994, § 7 Rn. 1 in Fn. 1 (S. 250). 138 Eine andere Möglichkeit bestünde in einem Verzicht auf den Begriff der „Rechtsquelle“ überhaupt. So Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 238 f.: „Die Vieldeutigkeit des Terminus ‚Rechtsquelle‘ läßt ihn als recht unbrauchbar erscheinen.“; dagegen Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 79, der den Rechtsquellenbegriff für „praktisch nicht gut entbehrlich“ hält.
§ 4 Rechtsquelleneigenschaft der Verwaltungsvorschriften
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Die grundsätzliche Anerkennung des Rechtsquellencharakters der Verwaltungsvorschriften impliziert jedoch keine Rückschlüsse auf ihre spezifischen Rechtswirkungen. Die Differenziertheit der Rechtsetzungsvorgänge bedingt die Verschiedenheit der (positivierten) Rechtsquellen, deren Eigenschaften je gesondert herausgearbeitet werden müssen.139 Der Feststellung dieser Eigenschaften der Verwaltungsvorschriften – ihrer Bindungswirkung – sind die folgenden Kapitel gewidmet.
___________ 139
Ähnlich W. Leisner, Verwaltungsvorschriften als „Nebengesetze“ im Steuerrecht?, 1982, S. 26 f.; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 5 Rn. 10 (S. 138): „Es gibt weder eine Einheitsrechtsquelle noch einen Einheitsrechtssatz.“
Dritter Teil
Die Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsperspektive der Administrative Daß Verwaltungsvorschriften Bindungswirkung für untergeordnete Behörden und Amtswalter entfalten, ist eine ebenso unspektakuläre wie unstreitige Feststellung.1 Ihre Verbindlichkeit innerhalb der Verwaltungsorganisation verdeutlicht beispielhaft nicht nur der Wortlaut der Ziff. 1.2 Satz 3 TA Siedlungsabfall2, wo es heißt: „Diese Technische Anleitung dient den Vollzugsbehörden als Prüfungs- und Entscheidungsgrundlage [...].“ Ganz unerwähnt blieb die interne Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften auch im Gesetzgebungsverfahren zu § 48 BImSchG nicht. Nach der Erstfassung der Bundesregierung sollte der Bund Verwaltungsvorschriften erlassen, die „die zuständigen Behörden zu beachten haben“3. Der Bundesrat hielt die Passage mit der Begründung für überflüssig: „Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die zuständigen Behörden die einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu beachten haben.“4 Die Bundesregierung schloß sich dem an. Daraus schließen zu wollen, die Innenwirkung von Verwaltungsvorschriften bereite „keine Schwierigkeiten dogmatischer Natur“5, bedeutet allerdings eine Verkennung der komplexen Struktur des inneradministrativen Raumes im Geflecht von Weisungsrechten und Gehorsamspflichten. An die Differenzierung zwischen intra- und intersubjektiven Verwaltungsvorschriften anknüpfend,6 sollen daher Bindungsgrund und Bindungskraft der Verwaltungsvorschriften innerhalb des staatlichen Verwaltungsapparates ermittelt werden. ___________ 1 Statt vieler Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 100, 102 (S. 27, 28); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 36 (S. 9); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 16 (S. 631); Eiselt, DÖV 1980, 405 (408). 2 Beilage zum BAnz. Nr. 99 a v. 14.5.1993. 3 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) v. 30.11.1971, BT-Drucks. VI/2868, S. 12 zu § 40. 4 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks. 7/179, S. 57 zu Ziff. 27 lit. a); Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 7/179, S. 62 zu Ziff. 28 lit. a). 5 Bock, JA 2000, 390 (391). 6 Siehe dazu oben unten 1. Teil § 2 B. I.
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
101
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften A. Bindungsgrund I. Intrabehördliche Verwaltungsvorschriften Die Befugnis zum Erlaß intrabehördlicher Verwaltungsvorschriften liefert nach überwiegender Auffassung die Organisations-, Geschäftsleitungs- und Dienstgewalt übergeordneter Behörden und Amtswalter. Einer weiteren ausdrücklichen Ermächtigung bedürfe es nicht. Die Organisations- und Geschäftleitungsgewalt soll dabei nicht nur die Erlaßbefugnis der vorgesetzten Stelle, sondern zugleich die Verbindlichkeit gegenüber untergeordneten Verwaltungsstellen begründen.7 Demgegenüber lösen nach anderer Ansicht die Weisungsgebundenheit und das Amtwahrnehmungsgebot die Bindung der Administrative an die Verwaltungsvorschriften aus.8 Letztlich schafft jedoch die Addition von Weisungsrecht und Weisungsgebundenheit, anders: von Sachleitungsgewalt9 und Folgepflicht den Grund für die Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften innerhalb der Administrative.10 Beide sind Emanationen der hierarchischen Gliederung der Exekutive, die zwar vom Grundgesetz nicht ausdrücklich thematisiert, aber erkennbar als gültig vorausgesetzt wird. So läßt sich das hierarchische Verwaltungsgefüge nicht nur aus dem VIII. Abschnitt des Grundgesetzes erschließen, der unmittelbar den Aufbau der Verwaltung normiert. Auch die grundgesetzliche Entscheidung über die Funktion der vollziehenden und der gesetzgebenden Gewalt in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ist ohne einen hierarchischen Unterbau der Verwaltung undenkbar: Ohne die Pflicht der Amtswalter, den dienstlichen Anordnungen der Vorgesetzten zu gehorchen, wäre die Vollziehung der vom Parlament beschlossenen Gesetze durch die Verwaltung nicht möglich. Die Gehorsamspflicht des Beamten zählt außerdem zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im
___________ 7 Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 229; Jaehnike, StuW 1979, 293 (297). 8 Vgl. Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 42; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 18 (S. 632); ferner M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 75 f. 9 Ausdrücklich erwähnt ist die Sachleitungsgewalt etwa in § 3 Abs. 1 Satz 1 FVG: „Der Bundesminister der Finanzen leitet die Bundesfinanzverwaltung.“ 10 Ähnlich Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 455, der zwischen Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt sowie Dienstgewalt unterscheidet. Letztere stehe „im Verhältnis zur Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt wie die Sanktion zur Befugnis“.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG.11 Ebenfalls setzt die parlamentarische Ressortverantwortlichkeit der Bundesminister nach Art. 65 Satz 2 GG Weisungsrecht und Weisungsgebundenheit voraus.12 Sei es bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe oder bei der Ausrichtung der Ermessenshandhabung: Weisungen übergeordneter Verwaltungsstellen sind überdies zur Sicherung der rechtsstaatlich gebotenen Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns erforderlich. Die Hierarchie der Verwaltung ist insoweit als „Strukturelement des Rechtsstaates“13 verfassungsrechtlich institutionalisiert. Daraus folgt, daß Bindungsgrund intrabehördlicher Verwaltungsvorschriften letztlich das im Grundgesetz anerkannte hierarchische Verwaltungsgefüge ist, dessen Ausprägungen die Sachleitungsgewalt des Vorgesetzten und die Folgepflicht des Untergebenen sind.14 Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts, „die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften (sei) der Exekutive inhärent“15.
II. Interbehördliche Verwaltungsvorschriften Für den Erlaß intrasubjektiv-interbehördlicher Verwaltungsvorschriften existieren teilweise ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigungsgrundlagen wie etwa in Art. 86 Satz 1 GG oder in Art. 56 Abs. 2 NWVerf. Namentlich um die Voraussetzungen zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften nach Art. 86 GG hat sich in der Rechtswissenschaft ein Streit entwickelt. Art. 86 Satz 1 GG weist der Bundesregierung die Befugnis zu, allgemeine Verwaltungsvorschriften für diejenigen Angelegenheiten zu erlassen, die durch bundeseigene Behörden oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts verwaltet werden.
___________ 11
Vgl. aus der Rechtsprechung nur BVerfG v. 27.4.1959, BVerfGE 9, 268 (286); BVerwG v. 29.6.1999, BVerwGE 113, 361 (363). 12 H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (73). 13 Barfuß, Die Weisung, 1967, S. 9. 14 Entgegen Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, 1958, S. 110 f., 153, beruht die Verbindlichkeit nicht auf der „Vermutung für die Rechtmäßigkeit“ der Verwaltungsvorschriften. Nach § 56 Abs. 2 BBG hat der Beamte bereits einfache „Bedenken“ gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Weisungen im Wege der Remonstration geltend zu machen. Im Vertrauen auf eine „vermutliche Rechtmäßigkeit“ die dienstlichen Weisungen auszuführen, wird ihm damit durch § 56 Abs. 2 BBG untersagt. – Gegen die These von der „Vermutung der Rechtmäßigkeit“ auch E. Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, 1965, S. 7; Depenheuer, DVBl. 1992, 404 (405 mit Fn. 13, 408 mit Fn. 33). 15 BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (396).
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
103
1. Zuständigkeit der „Bundesregierung“ in Art. 86 Satz 1 GG Schwierig erscheint insbesondere die Bestimmung des Begriffs „Bundesregierung“ in Art. 86 Satz 1 GG. Während das Bundesverfassungsgericht die Frage für Art. 86 GG16 ausdrücklich offengelassen hat,17 erfaßt der Terminus nach wohl überwiegender Auffassung die Bundesregierung als Kollegium, nicht dagegen einen einzelnen Bundesminister.18 In der Tat kann sich diese Auslegung auf den – vordergründig – eindeutigen Wortlaut des Art. 86 Satz 1 GG berufen.19 Schon im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „Bundesregierung“ das Kollegium von Bundeskanzler und Bundesministern, dem die Staatsleitung obliegt.20 Diesem Sprachgebrauch ist das Grundgesetz offenkundig in seinem Art. 62 gefolgt, wo es die Bundesregierung als aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern bestehend legaldefiniert.21 Anhaltspunkte dafür, daß der Begriff „Bundesregierung“ in Art. 86 Satz 1 GG ausnahmsweise den einzelnen Fachminister bezeichnet, lassen sich (zumindest) dem Wortlaut nicht entnehmen. Die Gegenüberstellung von Bundesregierung und Bundesminister in Art. 80 Abs. 1 und 2 GG und von Bundesregierung und oberster Bundesbehörde in Art. 85 Abs. 2 und 3 GG kann vielmehr als Bestätigung dafür angesehen werden, daß das Wort „Bundesregierung“ das Kollegium bezeichnet. Es bedarf daher schon gewichtiger Gründe, um den Begriff „Bundesregierung“ in Art. 86 GG doch als den jeweils zuständigen Bundesminister interpretieren zu können. Ein solcher Grund ergibt aus der Struktur der Exekutive, anders: dem in Art. 65 Satz 2 GG verankerten Ressortprinzip. Kraft des Ressortprinzips leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich (innerhalb der vom ___________ 16
Ebenso für Art. 84 Abs. 5 GG und Art. 85 Abs. 4 Satz 2 GG. BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (396). 18 Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 86 Rn. 7; Bull (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 86 Rn. 18; Herzog (1983/84), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 62 Rn. 6; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 86 Rn. 7; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 820; Th. Koch, Jura 2000, 179 (185). – Unentschieden Blümel, in: HStR IV, 2. Aufl., 1999, § 101 Rn. 84 (S. 907); E. Klein, DVBl. 1970, 109 (110). – Offen auch BVerfG v. 10.5.1960, BVerfGE 11, 77 (85), nach dem „Regierung“ lediglich „im Zweifel“ das gesamte Kollegium bedeute. 19 Nur insoweit richtig Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 86 Rn. 7. 20 So auch BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (395 f.); v. 10.5.1960, BVerfGE 11, 77 (85). 21 Allerdings widerspricht diese Verfassungsauslegung der Staatspraxis unter Art. 52 WRV 1919, der mit Art. 62 GG fast wörtlich übereinstimmt und nach damaliger Rechtsauffassung auch das Tätigwerden des einzelnen Reichsministers „als Reichsregierung“ zuließ. Vgl. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung vom 11.8.1919, 3. Aufl., 1928, Vorb. zum Dritten Abschnitt. 17
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Bundeskanzler festgesetzten Richtlinien) selbständig und unter eigener Verantwortung. Die dem einzelnen Bundesminister zustehenden Leitungsbefugnisse konkretisieren sich in einer Fülle interner Organisations- und Weisungsbefugnisse gegenüber den untergeordneten Bediensteten sowie einer umfassenden Sachentscheidungskompetenz innerhalb des eigenen Ressorts. Darin enthalten ist die Befugnis jedes Bundesministers, allgemeine Verwaltungsvorschriften gegenüber den nachgeordneten Behörden seines Ministeriums zu erlassen.22 Die solcherart bestehende Ressortleitungsbefugnis eines Bundesministers würde nun erheblich eingeschränkt, wollte man die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach Art. 86 Satz 1 GG allein dem Regierungskabinett zuweisen. Daß Art. 86 Satz 1 GG aber gerade keine Modifikation des Ressortprinzips bewirken soll, zeigen der Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Art. 86 GG kommt eine doppelte Funktion zu. Zum ersten legitimiert die Vorschrift den Verwaltungstyp der bundeseigenen Verwaltung im Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern. Die Mitwirkung der Länder an der bundeseigenen Verwaltung wird (negativ) dergestalt geregelt, daß die Länder in keiner Weise – auch nicht über den Bundesrat – beteiligt werden. Zum zweiten legt Art. 86 GG den Inhaber der Organisationsgewalt auf Bundesebene fest: Weder dem Bundespräsidenten noch dem Bundestag oder dem Bundesrat, sondern allein der Bundesregierung obliegt der Erlaß der Verwaltungsvorschriften und die Einrichtung der Behörden, soweit ein Gesetz nichts anderes bestimmt. Über das interne Kompetenzverhältnis innerhalb des Verfassungsorgans „Bundesregierung“ trifft Art. 86 GG dagegen keine Aussage. Er kann das Ressortprinzip in Art. 65 Satz 2 GG daher nicht modifizieren – und soll es auch nicht, wie die Entstehungsgeschichte23 der Norm belegt. Die Beratungen über Art. 86 GG, genauer Art. 112 des ursprünglichen Herrenchiemseer Entwurfs, wurden vornehmlich in der 14. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates geführt. Im Mittelpunkt der Erörterungen standen die beiden Fragen, ob die Bundesregierung oder der Bundespräsident Inhaber der Organisationsgewalt des Bundes sein soll24 und ob dem ___________ 22
Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet daher § 15 Abs. 1 lit. c) GeschOBReg, nach dem der Bundesregierung alle Verordnungsentwürfe, die von „besonderer politischer Bedeutung“ sind, zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen sind. Denn die Ressortkompetenz des Bundesministers ist gemäß Art. 65 Satz 2 GG zwar der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, nicht aber dem Kabinett in allen Angelegenheiten von besonderer Bedeutung untergeordnet. An der Verfassungsmäßigkeit zweifelnd auch Oldiges, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 65 Rn. 30. 23 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 86 GG BVerwG v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 327 (334); Lerche (1989), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86 Rn. 2, 19, 94; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 134-137. 24 Vgl. den Bericht des Abgeordneten Dr. Laforet, 14. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung v. 10.11.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949,
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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Bundesrat beim Erlaß von Organisationsvorschriften ein Mitwirkungsrecht einzuräumen ist25. In der Diskussion entstand schnell Einigkeit darüber, daß – unter Abweichung von der Rechtslage unter der Weimarer Reichsverfassung – nicht das Staatsoberhaupt, sondern die Bundesregierung die Bestimmungen über die Organisation der Behörden mit Zustimmung des Bundesrates erlassen sollte.26 Ein vom Zuständigkeitsausschuß formulierter Grundgesetzartikel27 wurde vom Hauptausschuß sachlich unverändert angenommen und erhielt nach verschiedenen redaktionellen Änderungen die heutige Fassung des Art. 86 GG.28 Lediglich das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates wurde gestrichen.29 Auch die Beratungen des Hauptausschusses lassen erkennen, daß mit Art. 86 GG der Bundesregierung und nicht dem Bundespräsidenten die Organisationsgewalt eingeräumt werden sollte: „Das Entscheidende in der Bestimmung ist, daß wir die Organisationsvorschriften aufnehmen. [...] Hier ist im Herrenchiemseer Entwurf eine Lücke. Das Organisationsrecht wurde nach Auslegung der Staatspraxis wie auch des Schrifttums dem Reichspräsidenten als dem Nachfolger des Kaisers nach der Bismarckschen Verfassung zugewiesen. Wir hielten es im Zuständigkeitsausschuß für zweckmäßig, daß diese Lük-
___________ Bd. 3, 1986, S. 571: „Nach Reichsrecht wurde in früherer Zeit ganz überwiegend angenommen, daß der Reichspräsident das allgemeine und besondere Organisationsrecht hat. Auch der Herrenchiemseer Entwurf scheint auf diesem Rechtsstandpunkt zu stehen, denn dort wird gesagt, daß die ‚Bundesregierung oder der einzelne Bundesminister die Organisation durch Verordnung‘ regelt. [...] Dann entsteht jedoch die Frage, ob diese allgemeine und besondere Organisationsgewalt, soweit sie nicht [...] durch Gesetz erfolgt [...], dem Bundespräsidenten oder der Bundesregierung zukommt. [...] es dürfte sich empfehlen, zu beiden Fragen, zur Frage der Organisationsgewalt wie zur Frage ihres Trägers, im Grundgesetz Stellung zu nehmen.“ 25 Vgl. einerseits den Vorschlag des Abgeordneten Dr. Laforet, 14. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung v. 10.11.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 3, 1986, S. 573: „Die Organisationsverordnungen und Ausführungsvorschriften bedürfen der Zustimmung des Bundesrats.“ und andererseits den Abgeordneten Dr. Hoch, 14. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung v. 10.11.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 3, 1986, S. 574: „Ich hatte (Art. 112) nur deswegen gern aufrechterhalten wollen, weil damit ganz klar zum Ausdruck kommt, daß der Bundesrat bei diesen Dingen nicht mitwirkt.“ 26 Vgl. etwa den Abgeordneten Dr. Hoch, 16. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung v. 18.11.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 3, 1986, S. 574: „Daß künftig die Bundesregierung und nicht der Bundespräsident die Organisation der Behörde bestimmt, halte ich für richtig, sofern sie nicht durch Gesetz geregelt worden ist.“ 27 Vgl. die 20. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung v. 2.12.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 3, 1986, S. 717 (728): „Die Bestimmungen über die Einrichtung der Bundesbehörden erläßt, soweit sie nicht gesetzlich geregelt wird, die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats.“ 28 Vgl. die 36. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 445. 29 Vgl. die 57. Sitzung des Hauptausschusses v. 5.5.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 743 (756).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
ke ausgefüllt wird. Die Entscheidung fiel dahin, daß diese Organisationsbefugnis nicht dem Bundespräsidenten, sondern der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats zukommt. Das ist die entscheidende Abweichung gegenüber dem Herrenchiemseer Entwurf.“30
Nach der eindeutigen Entstehungsgeschichte verbleibt der Regelungsbereich des Art. 86 GG somit im Kompetenzverhältnis zwischen den obersten Verfassungsorganen Bundesregierung, Bundespräsident, Bundesrat und Bundestag. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Bundesregierung regelt Art. 86 GG nicht. Sie ergibt sich vielmehr aus Art. 65 GG. Demnach kann auch der einzelne Bundesminister allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Art. 86 Satz 1 GG erlassen.31
2. Begriff der „Allgemeinheit“ der Verwaltungsvorschriften in Art. 86 Satz 1 GG Der Zusatz „allgemein“ in Art. 86 Satz 1 GG dient wie bei Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 Satz 1 GG lediglich der Betonung des Gegensatzes zu den Einzelweisungen gemäß Art. 84 Abs. 5, 85 Abs. 3 GG.32
3. Vorbehalt anderweitiger gesetzlicher Regelung in Art. 86 Satz 1 GG Die Kompetenz der Bundesregierung bzw. der Ressortminister nach Art. 86 Satz 1 GG steht unter dem Vorbehalt, daß „nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt“. Als Gesetz im Sinne des Art. 86 GG kommt nur ein förmliches Bun___________ 30
Abgeordneter Dr. Laforet, 16. Sitzung des Hauptausschusses v. 3.12.1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 191. 31 Gleiches Ergebnis bei BVerwG v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 327 (333 f.); v. 15.3.1985, NVwZ 1985, 497 (498); v. 28.4.1978, NJW 1979, 280; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 86 Rn. 52; Herrfahrdt (Erstbearb.), in: BK, GG, Art. 86 Anm. II; Lerche (1989), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86 Rn. 94; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 137 f.; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 221; Redeker, DÖV 1952, 235 (236). – Unzutreffend insoweit Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 820 mit Fn. 425, der behauptet, diese Ansicht mache den Art. 86 GG überflüssig. Art. 86 GG verteilt Verwaltungskompetenzen einerseits zwischen obersten Verfassungsorganen des Bundes und andererseits zwischen Bund und Ländern. – Ebenfalls unzutreffend Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./ 5. Aufl., 2003, Art. 86 Rn. 8, der der hier vertretenen Ansicht entgegenhält, mit ihr laufe die Vorbehaltsklausel des Art. 86 Satz 1 GG leer. Der Vorbehalt anderweitiger gesetzlicher Regelung in Art. 86 Satz 1 GG eröffnet die Möglichkeit, sonstige Bundes(ober)behörden oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften zu ermächtigen oder die Mitwirkung des Bundesrates anzuordnen. 32 Siehe dazu unten 3. Teil § 6 A. I. 2.
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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desgesetz in Betracht.33 Nach der Formulierung und Struktur des Art. 86 Satz 1 GG bezieht sich die Vorbehaltsklausel auf die Zuständigkeit zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften einschließlich etwaiger Mitwirkungskompetenzen oder Verfahrensregelungen.34 So kann etwa die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften einer anderen Bundesbehörde oder dem Organ einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts übertragen werden.35 Ebenfalls ist es zulässig, die Mitwirkung des Bundesrates anzuordnen.36 Eine echte Mitentscheidung des Bundestages beim Erlaß der allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist dagegen mit Art. 86 Satz 1 GG unvereinbar. Unmittelbarer Vorläufer des Art. 86 Satz 1 GG war Art. 77 Satz 1 WRV 1919. Hiernach erließ die Reichsregierung die zur Ausführung der Reichsgesetze durch Reichsbehörden erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmten.37 Trotz der weiten Formulierung legte die Weimarer Staatsrechtslehre die Vorbehaltsklausel restriktiv aus. Namentlich wurde es als verfassungswidrig angesehen, den Reichstag gesetzlich zum Erlaß der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu ermächtigen oder dem Parlament Mitentscheidungsrechte einzuräumen.38 Diese Auffassung wurde von der Reichsregierung bestätigt.39 Angesichts der eindeutigen Rechtslage in der Weimarer Republik hätte es daher in den Beratungen des Parlamentarischen Rates zu Art. 86 Satz 1 GG eines ausdrücklichen Hinweises auf die Möglichkeit bedurft, dem Bundestag durch Bundesgesetz echte Mitentscheidungsrechte beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften einzuräumen. Eine entsprechende Diskussion fand jedoch nicht statt; vielmehr wurden vornehmlich etwaige Zu-
___________ 33 Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 86 Rn. 8; Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl., 1999, Art. 86 Rn. 26; Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 819. 34 Bull (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 86 Rn. 18; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 86 Rn. 56; Lerche (1989), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86 Rn. 104; Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl., 1999, Art. 86 Rn. 27. 35 Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 86 Rn. 8; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 86 Rn. 8. 36 BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (395); Bull, in: AK, GG, Bd. 2, 1984, Art. 86 Rn. 18; Lerche (1989), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86 Rn. 104; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 86 Rn. 8; zweifelnd Hömig, DVBl. 1976, 858 (862). – In der Gesetzgebungspraxis sieht etwa § 36 BKAG (in der Fassung v. 7.7.1997, BGBl. I S. 1650 [1663]) für den Erlaß sämtlicher Verwaltungsvorschriften die vorherige Zustimmung des Bundesrates vor. 37 RGBl. 1919 S. 1383 (1397). 38 Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919, 1932, Art. 77 Anm. 4 b), c). 39 Abdruck des Beschlusses bei Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung vom 11.8.1919, 3. Aufl., 1928, Art. 77 Anm. 4 b).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
stimmungsrechte des Bundesrates erörtert.40 Zumindest echte Mitentscheidungsbefugnisse des Bundestages, die in der Sache auf ein parlamentarisches Recht zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften im Bereich der bundeseigenen Verwaltung hinauslaufen, sind mit Art. 86 Satz 1 GG unvereinbar.41
B. Bindungswirkung Verwaltungsvorschriften enthalten bindende Regelungen unstreitig zunächst für die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung. Der örtlich und sachlich zuständige Amtswalter muß daher die zu dienstlichen Zwecken und in der gehörigen Form erlassenen Verwaltungsvorschriften grundsätzlich befolgen. Die Weisungsgebundenheit entläßt den Amtswalter jedoch nicht aus seiner Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner Diensthandlungen. Zu einem Problem wird die Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften somit, wenn diese ein Verhalten anordnen, das „rechtswidrig“ ist. Ob ein Amtswalter (nach erfolgloser Remonstration42) Verwaltungsvorschriften befolgen muß, die von einfachgesetzlichen, grundgesetzlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, anderen Verwaltungsvorschriften, Einzelweisungen oder der ständigen Verwaltungspraxis abweichen, verdient daher eine genauere Betrachtung.
___________ 40
Vgl. etwa 16. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung v. 18.11.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 3, 1986, S. 617-641; vgl. ferner v. Doemming/Füsslein/Matz, JöR N. F. 1 (1951), 1 (641-644). 41 Ebenso Hömig, DVBl. 1976, 858 (861 f.); skeptisch auch Lerche (1989), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86 Rn. 104 a. E.; vgl. ferner den Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) v. 4.5.1975, BT-Drucks. 7/3450, S. 2, nach dem eine Beteiligung des Bundestages am Erlaß von Verwaltungsvorschriften „unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 GG“ verfassungsrechtlich zweifelhaft sei. – Allgemein zur Problematik von Mitwirkungsrechten des Bundestages beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften siehe unten 4. Teil § 8 B. III. 2. 42 Zum Remonstrationsrecht des Beamten vgl. § 56 BBG, § 7 UZwG, § 38 BRRG, Art. 65 BayBG, § 65 BadWürttBG, § 22 BlnBG, § 21 BrandBG, § 57 BremBG, § 61 HambBG, § 71 HessBG, § 56 LSABG, § 60 MVBG, § 64 NdsBG, § 59 NWBG, § 66 RhPfBG, § 70 SaarlBG, § 74 SächsBG, § 68 SchlHlBG, § 59 ThürBG. Zum Remonstrationsrecht des Angestellten im öffentlichen Dienst vgl. § 8 Abs. 2 BAT. Im Wehrrecht existieren keine ausdrücklichen Vorschriften über die Remonstration, doch auch hier ist das Recht auf Gegenvorstellung anerkannt. Vgl. Rux, DÖV 2002, 985 in Fn. 5. – Im Folgenden werden der sprachlichen Vereinfachung wegen lediglich die Vorschriften des BBG zitiert.
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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I. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und förmlichen Gesetzen Einerseits trägt der Beamte gemäß § 56 Abs. 1 BBG die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen. Andererseits ist er nach § 55 Satz 2 BBG verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Verwaltungsvorschriften auszuführen. Weicht nun eine Verwaltungsvorschrift von einem förmlichen Gesetz ab, entsteht folgender Konflikt: Muß der Beamte die Verwaltungsvorschrift – aufgrund seiner Gehorsamspflicht – befolgen, obwohl sie gesetzeswidrig ist? Oder darf er sie – aufgrund seiner Verpflichtung zu rechtmäßigem Handeln – nicht vollziehen, weil sie gesetzeswidrig ist?
1. Lehre von der Pflichten- und Normenkollision und Kritik Ausgangspunkt der Lösung A. Riskens sind zwei Überlegungen: Erstens sei die Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften von deren Rechtmäßigkeit abhängig, weil eine Rechtspflicht zu rechtswidrigem Tun die Einheit der Rechtsordnung sprenge.43 Zum zweiten unterstellt A. Risken, daß es bei einer Divergenz von Verwaltungsvorschriften und förmlichen Gesetzen zu einer Pflichtenund Normenkollision von Gehorsamspflicht und Verbotsnorm komme.44 Diese Normenkollision könne nur mittels eines Derogationsprinzips gelöst werden, das an der Wertigkeit der geschützten Rechtsgüter ausgerichtet sei.45 Gesetzesdivergente Verwaltungsvorschriften seien folglich rechtmäßig und für den Amtswalter verbindlich, wenn seine Gehorsamspflicht ein höherwertiges Rechtsgut schütze als das verletzte Gesetz.46 Eine Höherwertigkeit der Gehorsamspflicht sei grundsätzlich in den Fällen gegeben, in denen Verwaltungsvorschriften mit einfachen Gesetzen kollidierten. Verwaltungsvorschriften dagegen, die gegen Grundrechte Dritter oder Straftatbestände verstießen, könnten als rechtswidrige Regelungen keine Verbindlichkeit gegenüber dem Amtswalter beanspruchen.47
___________ 43 Risken, Grenzen 1969, S. 91. 44 Risken, Grenzen 1969, S. 54 f. 45 Risken, Grenzen 1969, S. 156-159. 46 Risken, Grenzen 1969, S. 162, 179. 47 Risken, Grenzen 1969, S. 167-171.
amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst,
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Bereits die Ausgangsthese A. Riskens weckt Bedenken. Die Verbindlichkeit staatlicher Akte ist keineswegs von ihrer Rechtmäßigkeit abhängig, wie § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG sowie die Fälle unanfechtbar gewordener rechtswidriger Verwaltungsakte belegen. Zudem verkennt A. Risken die Relativität der Rechtmäßigkeit, wenn er den Topos der Einheit der Rechtsordnung anführt, um die Unverbindlichkeit rechtswidriger Verwaltungsvorschriften zu begründen. Die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns ist „keine absolute, sondern eine relative Größe“48. Mit anderen Worten: um ein Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitsurteil fällen zu können, kann nur auf solche Rechtssätze rekurriert werden, die das jeweils in Betracht kommende Rechtsverhältnis normieren. Strikt voneinander getrennt werden müssen vorliegend daher zwei verschiedene rechtliche Beziehungen: einerseits das Rechtsverhältnis zwischen dem Vorgesetzten, der die dienstlichen Weisungen erläßt, und dem Amtswalter, der sie befolgt; andererseits das Rechtsverhältnis zwischen dem Staat, dem die Diensthandlung des Amtswalters zugerechnet wird, und dem Bürger, der von ihr betroffen ist.49 Eine unmittelbare Bindung des Amtswalters an die Rechtsnormen, die die Beziehungen zwischen dem Staat und den Bürgern regeln, sieht das geltende Beamtenrecht nun nicht vor.50 Der Amtswalter ist lediglich zur Amtswahrnehmung und zur Befolgung dienstlicher Weisungen verpflichtet.51 Daraus resultiert, daß die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für den Amtswalter von der Gesetzmäßigkeit sei___________ 48
Kelsen, Allg. Staatslehre, 1925, S. 294. Widersprüchlich sind demgegenüber die Ausführungen von Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 1821, 59. Einerseits (S. 18-21) verweist Felix auf die mögliche Divergenz zwischen der Rechtmäßigkeit einer Weisung im Amtswalterverhältnis und der Rechtmäßigkeit des durch die Weisung angeordneten Verhaltens im Staat-Bürger-Verhältnis. Andererseits (S. 59) behauptet sie, die Rechtmäßigkeit umfasse „die gesamte Rechtsordnung“, und negiert damit die zuvor herausgestellte Relativität der Rechtmäßigkeit. 50 Nach § 38 Abs. 1 BRRG trägt der Beamte (lediglich) die „volle persönliche Verantwortung“ für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist dem Beamten damit keine „Pflicht“ auferlegt, gegenüber dem Bürger rechtmäßig zu handeln. Der Beamte „schuldet“ keine Rechtmäßigkeit seiner Vollzugshandlungen, sondern „haftet“ allenfalls im Falle ihrer Rechtswidrigkeit. Das Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Diensthandlungen trifft den Amtswalter deshalb nur als „innerdienstliche Obliegenheit“, wie F. E. Schnapp formuliert (Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 172). – Wie hier Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 527 f.; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 34 ff., 44 ff., 54 ff, 60 ff. – A. A. Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 92; Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, 1958, S. 140 ff.; Thieme, Der öffentliche Dienst in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1961, S. 49, die contra legem von einer unmittelbaren Bindung des Amtswalters an das Gesetz ausgehen. 51 Vgl. §§ 35 Abs. 1, 36, 37 Satz 2 BRRG. 49
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ner Vollzugshandlung gegenüber dem Bürger unabhängig ist.52 Mit dem Hinweis auf die Einheit der Rechtsordnung verkennt A. Risken daher die Struktur des geltenden Beamtenrechts.53
2. Lehre vom Rangverlust des Außenrechts und Kritik Ähnliche Kritik trifft den Lösungsansatz H. H. Rupps, der das Problem der Verbindlichkeit „rechtswidriger“ Weisungen mit seiner These vom Rangverlust des Außenrechts lösen will. H. H. Rupp vertritt zunächst die Auffassung von der fehlenden Bindung des Amtswalters an das „Außenrecht“54. Werde nämlich die „unmittelbare Geltung des Außenrechts einschließlich des ihm anhaftenden Vorrangs auch für den staatlichen ‚Innenbereich‘“ bejaht, gelange man zu der „absonderlichen Schlußfolgerung, daß das Recht [...] dem Organwalter etwas verbiete, was es im gleichen Atemzug gebiete“55. Weil zudem der gesamte Verwaltungsorganismus „in einen einzigen Kompetenzstreit“ zerfiele, falls jeder Organwalter „die den Gesamtorganismus treffende Außenpflicht auf sich beziehen“ würde, gelte das „Außenrecht“ unmittelbar in der Organwaltersphäre nicht.56 Der Inhalt der Außenrechtssätze würde vielmehr durch bestimmte Normen des Innenrechts in den Organwalterbereich transformiert57 und verlöre da___________ 52
Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 GG gebietet kein anderes Ergebnis. Zwar verpflichtet § 56 Abs. 2 BBG den Beamten, der Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit von Verwaltungsvorschriften hat, sie nach erfolgloser Remonstration dennoch zu vollziehen. Ein dadurch in seinen Rechten verletzter Bürger kann aber unter der Geltung der Generalklausel in Art. 19 Abs. 4 GG ein gesetzmäßiges Verwaltungshandeln verwaltungsgerichtlich erzwingen. Zumindest im Regelfall wird dem Vorrang des Gesetzes vor den Verwaltungsvorschriften damit Genüge getan. – Ebenso Herzog (1983/84), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 62 Rn. 34; Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 239. – Nur im Ergebnis gleich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 61. – Zu möglichen Ausnahmefällen Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 201 f. 53 Den gleichen Vorwurf sieht sich A. Riskens Derogations- bzw. Abwägungsprinzip ausgesetzt. So ist der Amtswalter nach § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 BBG zwar nicht an ordnungswidrige Weisungen gebunden. Verfassungswidrige Weisungen dagegen sind zu befolgen, sofern sie nicht gegen die Menschenwürde verstoßen. Ein Abwägungsprinzip, das an der Wertigkeit miteinander kollidierender Rechtsgüter ausgerichtet ist, kann dem geltenden Beamtenrecht daher nicht zugrunde liegen. Vgl. dazu auch Depenheuer, DVBl. 1992, 404 (407). 54 Außenrecht definiert Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 4 f., als die Rechtssätze, die das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern bestimmen. 55 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 45. 56 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 48, 62. 57 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 49, 55.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
bei seinen Vorrang58. Infolge dieses Rangverlusts sei eine gesetzesinkongruente Weisung nicht rechtswidrig, sondern gehe dem zu Innenrecht gewordenen Aussenrecht vor.59 Die Ruppsche Formulierung vom Rangverlust des Außenrechts erscheint jedoch verunglückt, wenn die – bereits angeführte60 – Relativität der Rechtsordnung in die Betrachtung einbezogen wird. Das „Außenrecht“ entfaltet seine normative Verbindlichkeit ausschließlich im Verhältnis zwischen dem Staat und den Bürgern. In diesem Rechtsverhältnis verliert es seinen Rang nicht, behält ihn vielmehr unverändert.61 Im Verhältnis zwischen dem Amtswalter und seinen Vorgesetzten dagegen entfalten die die Staat-Bürger-Beziehung regelnden Normen keine unmittelbare Geltung. Die Frage nach dem Ranganspruch des „Außenrechts“ im Verhältnis zwischen Amtswalter und Vorgesetzten ist insofern verfehlt. Entscheidend für die Rechtsbeziehungen in der Amtswaltersphäre ist allein die Frage, ob gesetzesdivergente Verwaltungsvorschriften für den angewiesenen Amtswalter verbindlich sind oder nicht.
3. Lösung des Problems der gesetzeswidrigen verbindlichen Verwaltungsvorschrift durch § 56 Abs. 2 BBG Eine Antwort ergibt sich – wie im Folgenden darzulegen ist – aus dem geltenden Beamtenrecht, namentlich § 56 Abs. 2 BBG. Gemäß § 56 Abs. 2 BBG hat der Beamte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wenn dieser die Anordnung bestätigt, kann sich der Beamte an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden. Bestätigt auch dieser die Anordnung, muß der Beamte sie ausführen. Dies gilt nicht, wenn das dem Beamten aufgetragene Verhalten strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für ihn erkennbar ist.62 Führt der Beamte eine dienstliche Anordnung nach erfolgloser Remonstration aus, ist er gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 GG von seiner persönlichen Verantwortung befreit: Er kann ___________ 58
Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 55 f., 61 f., 65 f. 59 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 55 f., 62. 60 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 1. 61 Im Ergebnis auch BVerwG v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (281 f.); Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 239; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 215; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 175; vgl. ferner Isensee, JuS 1973, 265 (267 f.). 62 Vgl. § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 BBG. – Zum Problem eines Verstoßes der Verwaltungsvorschrift gegen die Menschenwürde sogleich 3. Teil § 5 B. II.
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weder disziplinar- noch haftungsrechtlich vom Dienstherrn oder einem Dritten in Anspruch genommen werden.63 Die Bestätigung der Anordnung durch den Vorgesetzten zeigt jedoch keine Wirkungen gegenüber dem Bürger. Eine aufgrund bindender Anordnung vorgenommene Diensthandlung kann sehr wohl Amtshaftungsansprüche des Bürgers gegen den Staat auslösen.64 Abzustellen ist dann freilich auf ein eventuelles Fehlverhalten des anweisenden Beamten.65 Soll ein dergestalt in § 56 Abs. 2 BBG normiertes Remonstrationsverfahren das Problem der Verbindlichkeit gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften lösen, muß zuerst seine Anwendbarkeit auf Verwaltungsvorschriften belegt und sein exakter Gegenstand herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage kann das Problem der Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften beantwortet werden, die entweder formell gesetzeswidrig sind oder zwar formell rechtmäßig sind, aber eine gesetzeswidrige Diensthandlung anordnen.
a) Anwendbarkeit des § 56 Abs. 2 BBG auf Verwaltungsvorschriften Das Remonstrationsverfahren in § 56 Abs. 2 BBG setzt voraus, daß der Beamte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit „dienstlicher Anordnungen“ hat. Der Begriff „Anordnung“ wird ebenfalls in § 55 Satz 2 BBG66 erwähnt, wo der Gesetzgeber zwischen den von den Vorgesetzten erlassenen Anordnungen und ihren allgemeinen Richtlinien unterscheidet. Allgemeine Richtlinien sind Vorschriften, die eine unbestimmte Anzahl von Fällen betreffen, ohne sie in allen Einzelheiten zu regeln. Sie werden innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Stellen erlassen und sind mithin nichts anderes als Verwaltungsvorschriften.67 Im Unterschied zu allgemeinen Richtlinien stellt eine An-
___________ 63
Insofern unzutreffend K. Müller, RiA 1969, 81 (84), der nur eine Befreiung von der persönlichen Verantwortung gegenüber dem Dienstherrn annimmt. 64 Siehe dazu Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 1533 (S. 371); Windthorst, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 9 Rn. 91-93 (S. 129 f.). 65 Dessen Haftung gegenüber dem Bürger wiederum wird nach Art. 34 Satz 1 GG auf den Staat übergeleitet. 66 Vgl. auch § 37 Satz 2 BRRG sowie § 74 Satz 2 BadWürttBG, Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBG, § 21 Satz 2 BlnBG, § 20 Abs. 1 Satz 3 BrandBG, § 70 Satz 2 HessBG, § 60 Satz 2 HambBG, § 55 Satz 2 LSABG, § 59 Satz 2 MVLBG, § 73 Satz 2 SächsBG, § 58 Satz 2 NWLBG, § 58 Satz 2 ThürBG, § 69 Satz 2 SaarBG, § 63 Satz 3 NdsBG. 67 Battis, BBG, 2. Aufl., 1997, § 55 Rn. 4; Schütz (1986), Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C § 58 Rn. 5; Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 34.
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ordnung eine dienstliche Weisung zur Regelung eines konkreten Einzelfalles dar.68 Bezieht sich § 55 Satz 2 BBG sowohl auf allgemeine Richtlinien als auch auf Anordnungen, § 56 Abs. 2 BBG dagegen nur auf Anordnungen, liegt der Schluß nahe, daß der Gesetzgeber die Anwendung des Remonstrationsverfahrens auf Verwaltungsvorschriften ausschließen wollte. Namentlich H. Wax nimmt deshalb an, daß eine Remonstration gegen allgemeine Richtlinien unmittelbar nicht möglich sei.69 Ein Beamter habe Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsvorschrift daher zunächst gegenüber seinem Vorgesetzten geltend zu machen. Erst wenn dieser eine Diensthandlung aufgrund der allgemeinen Richtlinie vorschreibe, läge eine „Anordnung“ vor, gegen die eine Remonstration zum nächsthöheren Vorgesetzten geboten sei.70 Wird diese Auffassung konsequent zu Ende gedacht, müßte ein Beamter seine Bedenken gleich zweimal71 gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend machen, bevor er sich an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden dürfte. Indem H. Wax diese Konsequenz ohne Begründung nicht zieht, den unmittelbaren Vorgesetzen vielmehr übergehen will,72 setzt er sich in Widerspruch zum Wortlaut des § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG. Ferner gilt es zu bedenken, daß sich ein Beamter sowohl bei Einzelweisungen als auch bei allgemeinen Richtlinien in einem Konflikt zwischen seiner Gehorsamspflicht und seiner persönlichen Verantwortung für rechtmäßiges Handeln befinden kann, den § 56 Abs. 2 BBG gerade zu entschärfen bezweckt.73 Vorzugswürdig erscheint deshalb die Ansicht, nach welcher der Begriff „dienstliche Anordnung“ in § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG alle Weisungen umfaßt, zu deren Befolgung der Beamte verpflichtet ist. Da dazu ebenfalls allgemeine Richtlinien gehören, ermöglicht § 56 Abs. 2 BBG das Remonstrationsverfahren auch bei Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsvorschriften.74 ___________ 68
Insoweit besteht Einigkeit. Vgl. Battis, BBG, 2. Aufl., 1997, § 55 Rn. 4; Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 26; Wax, Die Gehorsamspflicht des Bayerischen Beamten, 1961, S. 34. – Mißverständlich Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 43, nach dem Verwaltungsvorschriften Anordnungen sind, die „konkrete Sachverhalte [...] generell regeln“. 69 Wax, Die Gehorsamspflicht des Bayerischen Beamten, 1961, S. 33. 70 Wax, Die Gehorsamspflicht des Bayerischen Beamten, 1961, S. 33. 71 Der Beamte muß zuerst seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der allgemeinen Richtlinie und danach gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung geltend machen. Vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG. 72 Wax, Die Gehorsamspflicht des Bayerischen Beamten, 1961, S. 33. 73 Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 35 f. 74 Ebenso Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 36; Schütz (1981), Beamtenrecht des Bundes und der
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b) Gegenstand des Remonstrationsverfahrens Es fragt sich aber, ob eine Remonstrationsmöglichkeit nur gegeben ist, wenn sich die Bedenken des Beamten gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift richten, oder auch dann, wenn es um die Rechtmäßigkeit der angeordneten Amtshandlung geht. Zumindest § 56 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BBG scheint die erste Alternative zu fordern. Demgegenüber nimmt § 56 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 BBG auf die Rechtmäßigkeit der angeordneten Diensthandlung Bezug. Der Gesetzeswortlaut läßt insofern offen, ob die Einleitung eines Remonstrationsverfahrens Bedenken gegen die formelle oder die materielle Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift voraussetzt. Klarheit verschafft dagegen ein Blick auf den Sinn und Zweck des Remonstrationsverfahrens. § 55 Satz 2 BBG verpflichtet den Beamten, dienstlichen Weisungen seiner Vorgesetzten Gehorsam zu leisten. Gleichzeitig trägt der Beamte gemäß § 56 Abs. 1 BBG die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen. Diesen bei rechtswidrigen Weisungen entstehenden Konflikt zwischen Folgepflicht einerseits und Pflicht zu rechtmäßigem Handeln andererseits zu entschärfen, ist vornehmlicher Zweck des Remonstrationsverfahrens. Um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten, muß der Beamte nach erfolgloser Remonstration eine seiner Ansicht nach rechtswidrige Weisung ausführen – und wird in diesem Fall von seiner persönlichen Haftung befreit. Dem Remonstrationsverfahren kommt damit eine Schutzfunktion gegenüber dem Beamten zu: Es soll ihn in einem bestehenden Konflikt durch die Verlagerung des Haftungsrisikos entlasten.75 Eine haftungsoder disziplinarrechtliche Inanspruchnahme des Beamten, die § 56 Abs. 2 BBG vermeiden soll, droht aber nur dann, wenn seine angeordnete Diensthandlung rechtswidrig ist. Nur in diesem Fall sind §§ 77 f. BBG als Regreßgrundlagen gegen den Beamten einschlägig, ohne daß die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Weisung selbst von Bedeutung ist.76 ___________ Länder, Teil C § 59 Rn. 6; Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 6 a) cc); Adam, Bundeswehrverwaltung 1979, 260. 75 Ebenso Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 24; Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, 1958, S. 196; Enste, JA 1979, 423 (426); Rux, DÖV 2002, 985 (990); Wind, ZBR 1984, 167 (174). Über die Notwendigkeit, den Beamten bei seinen Diensthandlungen zu schützen, siehe auch Forsthoff, VVDStRL 13 (1955), S. 163 (Diskussionsbeitrag). – In der Literatur wird dagegen häufig die Selbstkontrolle der Verwaltung, mithin eine rechtsstaatliche Funktion des Remonstrationsverfahrens betont. So etwa Battis, BBG, 2. Aufl., 1997, § 56 Rn. 2; Wax, Die Gehorsamspflicht des Bayerischen Beamten, 1961, S. 83; Bank, ZBR 1963, 161 (163); Günther, ZBR 1988, 297 (308). 76 Vgl. zur Verantwortlichkeit des Beamten gegenüber Dritten und seinem Dienstherrn ausführlich Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 76-117.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Auch die Entstehungsgeschichte des § 56 Abs. 2 BBG77 und seiner Vorläuferbestimmungen78 belegt, daß das Remonstrationsverfahren primär der Entlastung des Beamten in einer Konfliktsituation dient79. Die Selbstkontrolle der Verwaltung zur Sicherung des rechtmäßigen Handelns gegenüber dem Bürger bezweckt die Vorschrift dagegen lediglich mittelbar.80 Im Rahmen des Remonstrationsverfahrens wird somit überprüft, ob die in einer Weisung angeordnete Diensthandlung rechtmäßig ist. Mit anderen Worten: Es geht um die materielle Rechtmäßigkeit der Weisung. Ihre formelle Rechtmäßigkeit dagegen ist nicht Gegenstand der Remonstration.81
___________ 77 Vgl. die Begründung des Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes v. 19.11.1951, BT-Drucks. I/2846, S. 42 f. zu § 56: „§ 56 regelt die im demokratischen Staate besonders wichtigen Fragen der Verantwortlichkeit des Beamten für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen und des Einflusses von Dienstbefehlen auf diese Verantwortlichkeit. Dabei wird als Grundsatz herausgestellt, daß der Beamte die volle persönliche Verantwortung trägt und Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Anordnung bei seinem Vorgesetzten zur Sprache zu bringen hat, daß er aber – ausgenommen Fälle erkennbar strafbaren Verhaltens – von der Verantwortung befreit ist und die Anordnung ausführen muß, wenn der nächsthöhere Vorgesetzte sie bestätigt.“ 78 Vgl. etwa § 7 Abs. 2 Satz 1 DBG v. 26.1.1937 (RGBl. I S. 39): „Er hat die dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten oder der kraft besonderer Vorschrift ihm gegenüber zur Erteilung von Weisungen berechtigten Personen zu befolgen, soweit gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben ist; die Verantwortung trifft dann denjenigen, der die Anordnung gegeben hat.“ – Ferner § 7 Abs. 4 DBG v. 30.6.1950 (BGBl. S. 279): „Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen hat der Beamte unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten und hat der Beamte weiterhin Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit, so kann er sich an die nächsthöheren Vorgesetzten wenden, um eine die Verantwortung klarstellende Entscheidung herbeizuführen. Bei für ihn erkennbarer Strafbarkeit der Anordnung wird der Beamte nicht von seiner eigenen Verantwortung befreit; in solchen Fällen hat er die Ausführung zu verweigern.“ – Im RBG v. 31.3.1873 (RGBl. S. 61) war das Remonstrationsverfahren zwar nicht ausdrücklich normiert. § 10 RBG verpflichtete die Reichsbeamten lediglich auf die Verfassung und die Gesetze. Zugleich wies § 13 RBG den Beamten jedoch die volle Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit ihrer Amtshandlungen zu. Daraus resultierte in der Konsequenz das Recht und die Pflicht, die Rechtmäßigkeit dienstlicher Weisungen zu überprüfen und ggf. die Ausführung zu verweigern. Siehe dazu Dux, DÖV 2002, 985 (987). Kontrovers diskutiert wurde in der konstitutionellen Staatsrechtslehre freilich der Umfang des Prüfungsrechts der Beamten. Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 5. Aufl., 1911, S. 461 mit Nachweisen zur Gegenansicht in Fn. 1. 79 Vgl. zur Entstehungsgeschichte auch Summer, Dokumente zur Geschichte des Beamtenrechts, 1986, S. 24 ff.; Streit/Häcker, ZBR 1978, 285 ff.; H.-D. Weiß, ZBR 1994, 325 (327-330). 80 Zutreffend Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 22-28. 81 A. A. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 185-187; ohne nähere Begründung auch Ule, Beamtenrecht, 1970, § 38 Rn. 2 a. E.
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c) Materielle Gesetzeswidrigkeit von Verwaltungsvorschriften Bei der Frage der Verbindlichkeit materiell gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften unterscheidet das BBG in seinem § 56 Abs. 2 Satz 3 zwischen einer einfachen und einer qualifizierten Gesetzeswidrigkeit.
aa) Verbindlichkeit materiell einfach-gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften Hält ein Beamter das in einer anzuwendenden Verwaltungsvorschrift angeordnete Verhalten für einfach-gesetzeswidrig, so kann oder muß er seine Bedenken nach § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG im Wege der Remonstration bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten unverzüglich geltend machen. Daraufhin wird die materielle Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift behördenintern überprüft. Wird die Verwaltungsvorschrift bestätigt, hat sich der Beamte bei fortbestehenden Bedenken an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Hält dieser die Verwaltungsvorschrift ebenfalls für rechtmäßig, muß der Beamte sie nunmehr – unter Befreiung von seiner eigenen Verantwortung – ausführen. Disziplinarund haftungsrechtlich handelt er in diesem Fall amtspflichtgemäß. Bei einfacher Gesetzeswidrigkeit der in einer Verwaltungsvorschrift angeordneten Diensthandlung ist der Beamte somit jedenfalls im Falle der erfolglosen Remonstration zu Gehorsam verpflichtet.82
bb) Unverbindlichkeit materiell qualifiziert-gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 BBG gilt dies nicht, sofern das dem Beamten „aufgetragene Verhalten strafbar oder ordnungswidrig und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für ihn erkennbar ist“. In diesem Fall ist eine Verwaltungsvorschrift für den Amtswalter unverbindlich. ___________ 82
Daran schließt sich die weitere Frage an, ob eine einfach-gesetzeswidrige Verwaltungsvorschrift bereits nach ihrem Erlaß oder erst nach erfolgloser Remonstration Verbindlichkeit entfaltet. Im Grundsatz ist anerkannt, daß die Verbindlichkeit einer Weisung die Verantwortlichkeit des Amtswalters ausschließt. Normiert nun § 56 Abs. 1 BBG die Verantwortlichkeit des Beamten für die Ausführung einer gesetzeswidrigen Verwaltungsvorschrift ohne vorheriges Remonstrationsverfahren, ergibt sich daraus im Umkehrschluß die Verbindlichkeit gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften erst nach erfolgloser Remonstration. Vgl. Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 60. Zur verfassungsrechtlichen Problematik der Verbindlichkeit rechtswidriger dienstlicher Anordnungen vgl. Rux, DÖV 2002, 985 ff.
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(1) Der Begriff der „Strafbarkeit“ Über eine Mindestanforderung, die an das Tatbestandsmerkmal „Strafbarkeit“83 zu stellen ist, herrscht Einigkeit: „Strafbar“ kann nur das dem Beamten in einer Verwaltungsvorschrift aufgetragene Verhalten sein, das den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt.84 Es fragt sich aber, ob das Vorliegen des objektiven Tatbestandes eines Strafgesetzes nicht nur notwendige, sondern auch hinreichende Voraussetzung der „Strafbarkeit“ im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG ist, wie E. Lindgen85 meint. Die „Strafbarkeit“ der Diensthandlung jedoch bereits bei der Erfüllung eines objektiven Straftatbestandes annehmen zu wollen, hätte eine weitgehende Funktionsunfähigkeit der Verwaltung zur Folge. Der Beamte könnte den Gehorsam verweigern, obwohl das ihm aufgetragene Verhalten sowohl aus verwaltungsrechtlicher als auch aus strafrechtlicher Perspektive als rechtmäßig zu beurteilen wäre.86 Die Unverbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift wäre entgegen der Vorschrift des § 55 Satz 2 BBG die Regel, nicht die Ausnahme.87 „Strafbar“ im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG kann ein Verhalten somit nicht bereits dann sein, wenn es den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Als Korrektiv im Rahmen des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG zusätzlich auf das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale abzustellen, kann allerdings nicht überzeugen. Auch die Einbeziehung des subjektiven Tatbestandes würde nichts daran ändern, daß der Beamte in Verwaltungsvorschriften angeordnete rechtmäßige Diensthandlungen unter Berufung auf ihre bloße Tatbestandsmässigkeit unterlassen dürfte. Gegen die Berücksichtigung subjektiver Elemente spricht zudem der insoweit eindeutige Wortlaut des Gesetzes. § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG knüpft die Unverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften kumulativ an das Erfordernis der „Erkennbarkeit“ der Strafbarkeit. Wollte man bereits bei der Beurteilung der „Strafbarkeit“ des aufgetragenen Verhaltens subjektive ___________ 83
Das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der „Ordnungswidrigkeit“ wurde durch Art. 39 Nr. 1 EGStGB v. 2.3.1974 (BGBl. I S. 469 [546]) eingefügt. – Pars pro toto wird in diesem Abschnitt nur die „Strafbarkeit“ näher untersucht. 84 Leusser/Gerner/Kruis, Bayerisches Beamtengesetz, 2. Aufl., 1971, Art. 65 Anm. 2 a); Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, 245. Lfg. (Nov. 2003), § 56 Rn. 12; Schütz (1984), Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C § 59 Rn. 12; Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 b); Günther, ZBR 1988, 297 (303). 85 Lindgen, Handbuch des Disziplinarrechts, Bd. 1, 1966, § 55 III (S. 675). 86 Im Ergebnis ebenso Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, 245. Lfg. (Nov. 2003), § 56 Rn. 12; Schütz (1984), Beamtenrecht, Teil C § 59 Rn. 12; Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 b). 87 Ausdrücklich Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, 1958, S. 170.
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Tatbestandsmerkmale bedenken, würde die Voraussetzung der Erkennbarkeit überflüssig.88 Infolgedessen bejaht eine verbreitete Auffassung die „Strafbarkeit“ des aufgetragenen Verhaltens, wenn der objektive Tatbestand eines Strafgesetzes gegeben ist und kein Rechtfertigungsgrund eingreift.89 Daß die strafrechtliche Rechtswidrigkeit eines Verhaltens konstitutiv für die Einstufung dieses Verhaltens als strafbar ist, ergibt sich aus einer banalen Feststellung: Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, ist ein Verhalten nicht strafbar. Nicht mit in die Betrachtung einzubeziehen sind dabei die subjektiven Rechtfertigungselemente. Das Remonstrationsverfahren dient zwar primär dem Schutz des Beamten.90 Zusätzlich kommt § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG jedoch die Aufgabe zu, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns im „Bereich zentraler sozialethischer Grundwerte“91 zu sichern. Die „Strafbarkeit“ des aufgetragenen Verhaltens ist daher nicht nur zu bejahen, wenn sich der Beamte selbst strafbar macht, sondern bereits dann, wenn die ihm aufgetragene Diensthandlung objektiv strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzt. Aus den gleichen Gründen ist die Schuld des Beamten irrelevant für die „Strafbarkeit“ der in einer Verwaltungsvorschrift angeordneten Diensthandlung.92 Als „strafbar“ im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG ist somit das in einer Verwaltungsvorschrift angeordnete Verhalten zu qualifizieren, wenn es den ob___________ 88
Vorsatz und Fahrlässigkeit einerseits sowie die Erkennbarkeit der „Strafbarkeit“ andererseits bedingen einander zwingend. Ebenso Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 166. – Das Wortlautargument von Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 124, ist dagegen schwach. Felix hält subjektive Tatbestandsmerkmale bei der Prüfung der „Strafbarkeit“ im Rahmen des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG für unerheblich, weil das Gesetz auf das dem Beamten „aufgetragene Verhalten“ abstelle, nicht aber auf die Strafbarkeit des Beamten selbst. Die Strafbarkeit einer bestimmten Handlung kann aber von der Strafbarkeit des Handelnden nicht getrennt werden. 89 Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, 245. Lfg. (Nov. 2003), § 56 Rn. 12; Schütz (1984), Beamtenrecht, Teil C § 59 Rn. 12; Günther, ZBR 1988, 297 (303 f.). – A. A. Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 b), der die Ausnahme von der Weisungsbindung zwar nicht vom (subjektiven) Verschuldenserfordernis abhängig machen will, nicht ohne Widerspruch aber die Erfüllung der subjektiven Tatbestandsmerkmale fordert. 90 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 3. b). 91 Depenheuer, DVBl. 1992, 404 (410). – Ähnlich Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/ Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 a). 92 Ebenso Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, 245. Lfg. (Nov. 2003), § 56 Rn. 12; Schütz (1984), Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C § 59 Rn. 12; Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 b); Günther, ZBR 1988, 297 (303).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
jektiven Unrechtstatbestand einer Strafnorm erfüllt und wenn zusätzlich objektiv kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist.
(2) Der Begriff der „Erkennbarkeit“ Umstritten ist weiter, ob der Wegfall der internen Verbindlichkeit einer Verwaltungsvorschrift davon abhängt, daß die Strafbarkeit der angeordneten Diensthandlung für den Beamten „erkennbar“ ist. Der Wortlaut des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG ist insoweit eindeutig. Das Merkmal der „Erkennbarkeit“ wird im unmittelbaren Kontext der Befolgungspflicht normiert.93 D. Felix dagegen postuliert die Unverbindlichkeit strafrechtswidriger Weisungen unabhängig von der „Erkennbarkeit“ der Strafbarkeit. Das Merkmal der Erkennbarkeit sei für die Frage der Verbindlichkeit fachlicher Weisungen deshalb ohne Bedeutung, weil es sich allein auf die persönliche Verantwortlichkeit des Beamten beziehe.94 Eine solche Auslegung widerspricht jedoch der Systematik des Gesetzes. Wollte das Erfordernis der „Erkennbarkeit“ wirklich nur die Voraussetzungen bestimmen, unter denen der Beamte von seiner Verantwortlichkeit befreit würde, würde es letztlich überflüssig. Denn da ein für den Beamten nicht erkennbarer Strafrechtsverstoß nie schuldhaft begangen sein kann, ergibt sich eine Befreiung des Beamten von seiner disziplinarrechtlichen Haftung bereits unmittelbar aus den §§ 77 Abs. 1 Satz 1, 78 Abs. 1 Satz 1 BBG. Auch die Genese des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG legt nahe, die „Erkennbarkeit“ der Strafbarkeit als Tatbestandsmerkmal der Folgepflicht zu interpretieren.95 ___________ 93 Ebenso Zängl (1975), in: Fürst, GKÖD I, K § 56 Rn. 2; Plog/Wiedow/Lemhöfer/ Bayer, Bundesbeamtengesetz, 245. Lfg. (Nov. 2003), § 56 Rn. 12; Ule, Beamtenrecht, 1970, § 38 Rn. 3; H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (77). – A. A. Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 129-131; Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 166 f. – Vgl. dazu § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 BBG. 94 So die Argumentation von Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 130. – Vgl. dazu § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 BBG. 95 Die Vorläuferbestimmung des § 7 Abs. 2 Satz 2 DBG v. 26.1.1937 (RGBl. I S. 39 [42]) lautete: „Der Beamte darf eine Anordnung nicht befolgen, deren Ausführung für ihn erkennbar den Strafgesetzen zuwiderlaufen würde.“ Aus der Begründung zum DBG v. 26.1.1937 (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 22 v. 28.1.1937 zu § 7 Abs. 2 Satz 2) ergibt sich eindeutig der Zusammenhang zwischen der „Erkennbarkeit“ und der Folgepflicht: „Der Beamte hat allen Anordnungen seiner Vorgesetzten [...] Folge zu leisten, wenn solche Anordnungen nicht für ihn erkennbar den Strafgesetzen zuwiderlaufen.“ Das BBG hat diese Formulierungen wörtlich übernommen. § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG als „rechtpolitisch unhaltbar“ zu bezeichnen, ist daher nicht statthaft (so aber Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 129 in Anlehnung an Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 166).
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Soll einer Verwaltungsvorschrift daher keine interne Verbindlichkeit zukommen, muß die Strafbarkeit des aufgetragenen Verhaltens „erkennbar“ sein.96 Die Antwort auf die sich im Anschluß aufdrängende Frage, wann die Strafbarkeit eines Verhaltens erkennbar ist, läßt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen:97 Erkennbar ist eine drohende Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für den Beamten, wenn sie für ihn aufgrund seiner persönlichen und fachlichen Fähigkeiten „offensichtlich“ ist.98 Als Zwischenergebnis gilt es daher festzuhalten: Verwaltungsvorschriften, welche eine Diensthandlung anordnen, die strafbar ist, mithin den objektiven Unrechtstatbestand einer Strafnorm verwirklicht, ohne objektiv gerechtfertigt zu sein, und deren Strafbarkeit erkennbar ist, entfalten keinen Verbindlichkeitsanspruch gegenüber dem Beamten.
d) Formelle Gesetzeswidrigkeit von Verwaltungsvorschriften Die Bedenken des Beamten können sich auch gegen die formelle Rechtmässigkeit der Verwaltungsvorschrift richten. Formell rechtmäßig ist eine Verwaltungsvorschrift nur, sofern sie von einem örtlich und sachlich zuständigen Vorgesetzten erlassen wurde,99 der angewiesene Beamte selbst örtlich und sachlich ___________ 96 Ebenso Zängl (1975), in: Fürst, GKÖD I, K § 56 Rn. 2; Plog/Wiedow/Lemhöfer/ Bayer, Bundesbeamtengesetz, 245. Lfg. (Dez. 2003), § 56 Rn. 12; Ule, Beamtenrecht, 1970, § 38 Rn. 3; H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (77). 97 Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollten Weisungen dann nicht rechtverbindlich sein, „wenn ihre Befolgung ganz offensichtlich der durch staatliche Unrechtsfolgen geschützten Rechtsordnung zuwiderlaufen würde“ (Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch [EGStGB] v. 11.5.1973, BT-Drucks. 7/550, S. 63 f.). 98 Das Offensichtlichkeitskriterium wiederum hängt von zwei Parametern ab: der Schwere der drohenden Rechtsgutsverletzung und der Eilbedürftigkeit des Verwaltungshandelns. Als Ausnahmevorschrift entbindet § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG den Amtswalter nur bei drohenden Rechtsgutsverletzungen, die derart gravierend sind, daß der Staat sie mit Strafen oder Geldbußen belegt hat. Je höherwertiger das gefährdete Rechtsgut also ist, desto geringer sind die an das Offensichtlichkeitskriterium zu stellenden Anforderungen. Andererseits knüpft der § 56 Abs. 3 BBG zu entnehmende Rechtsgedanke die Offensichtlichkeit der Gesetzesverletzung an die Eilbedürftigkeit des Verwaltungshandelns. Daraus resultiert: Je eilbedürftiger die durchzuführende Maßnahme ist, desto höhere Anforderungen sind an die Offensichtlichkeit des Gesetzesverstoßes zu stellen, soll der Beamte von seiner Folgepflicht befreit sein. Vgl. dazu ausführlich Depenheuer, DVBl. 1992, 404 (411-413). 99 Die Notwendigkeit der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Vorgesetzten läßt sich § 55 Satz 1 und 2 BBG entnehmen. Danach ist der Beamte verpflichtet, „seine Vorgesetzten“ zu unterstützen und „ihre“ allgemeinen Richtlinien zu befolgen. „Seine“ Vorgesetzten sind die für ihn örtlich und sachlich zuständigen. Ebenso Schütz (1992),
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zuständig ist100 sowie eventuelle Formvorschriften beachtet wurden101. Nur bei Beachtung der formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen soll nach fast einhelliger Auffassung eine Pflicht des Amtswalters zur Befolgung der Verwaltungsvorschrift bestehen.102 Demgegenüber wird im Folgenden gezeigt, daß der Amtswalter formell gesetzeswidrige Verwaltungsvorschriften nach erfolgloser Remonstration sehr wohl ausführen muß.
aa) Direkte Anwendung der Vorschriften über das Remonstrationsverfahren? Auf den Fall der formellen Gesetzeswidrigkeit von Verwaltungsvorschriften findet § 56 Abs. 2 BBG keine direkte Anwendung. Nach seinem Telos dient § 56 Abs. 2 BBG der Entlastung des Beamten in einem Konflikt zwischen seiner Weisungsgebundenheit und seiner Pflicht zu rechtmäßigem Handeln gegenüber dem Bürger.103 Schiede eine Folgepflicht des Beamten wegen formeller Gesetzeswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift aus, existierte diese Konfliktsituation, deren Entschärfung das Remonstrationsverfahren unmittelbar bezweckt, nicht. Gegenstand des Remonstrationsverfahrens könnten dann nur formell rechtmäßige Verwaltungsvorschriften sein, die für den Beamten verbindlich sind.
bb) Analoge Anwendung der Vorschriften über das Remonstrationsverfahren Doch erscheint eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 2 BBG auf den Fall formell gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften geboten, wie die folgende Überlegung zeigt. Weigert sich ein Beamter, eine Verwaltungsvorschrift wegen seiner Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit auszuführen, wird sein ___________ Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C § 58 Rn. 3; E. Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, 1965, S. 8. 100 Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BBG ist Vorgesetzter, wer einem Beamten für „seine“ dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen kann. Eine Verwaltungsvorschrift kann für einen Amtswalter daher nur verbindlich sein, wenn er selbst für ihre Vollziehung sachlich und örtlich zuständig ist. Vgl. Ule, Beamtenrecht, 1970, § 37 Rn. 3. – Kritisch zum Erfordernis der „Zuständigkeit des Untergebenen“ H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (74-76), der statt dessen auf das „Aufgabengebiet des Untergebenen“ abstellen will. 101 Vgl. zum Formerfordernis Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 48 f.; H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (74). 102 So bereits die überwiegende Rechtsansicht im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Vgl. statt vieler Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 5. Aufl., 1911, S. 462-465; Brand, Das Beamtenrecht, 3. Aufl., 1928, S. 546-551. Ebenso ferner Brand, Das Deutsche Beamtengesetz, 4. Aufl., 1942, § 7 Anm. 4 f.; Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, Bd. I, 2. Aufl., 1940, § 7 Anm. III. 5. a)-c). 103 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 3. b).
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Verhalten behördenintern überprüft. Bestätigt die behördeninterne Überprüfung die Gesetzeswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift als solcher, entfällt die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit des Amtswalters. Ergibt sich dagegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift, steht sowohl die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift als auch die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten fest. Hat der Beamte somit Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift als solcher, befindet er sich in einer Konfliktsituation, die mit der direkt von § 56 Abs. 2 BBG erfaßten vergleichbar ist.104 Die Entlastungsfunktion des Remonstrationsverfahrens gegenüber dem Beamten gebietet daher eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 2 BBG auf formell gesetzeswidrige Verwaltungsvorschriften.105 Die aufgeworfene Frage kann daher wie folgt beantwortet werden: Nach erfolgloser Remonstration muß der Beamte – unter Freistellung von seiner disziplinarrechtlichen Verantwortung – Verwaltungsvorschriften ausführen, gegen deren formelle Gesetzmäßigkeit er Bedenken hat.
II. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht Daß der Amtswalter Verwaltungsvorschriften nicht befolgen muß, die gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen, regelt das geltende Beamtenrecht ausdrücklich nur für den Fall einer Verletzung der Menschenwürde.
1. Unverbindlichkeit wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 BBG ist eine Verwaltungsvorschrift – trotz zweifacher Bestätigung durch die Vorgesetzten – für den Beamten unverbindlich, wenn das in ihr angeordnete Verhalten die Würde des Menschen106 verletzt.107 ___________ 104 So auch Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 186 f.; Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 12. 105 A. A. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 186 f., Ule, Beamtenrecht, 1970, § 38 Rn. 2 a. E., die eine direkte Anwendung der Vorschriften des Remonstrationsverfahrens befürworten, obwohl die der Remonstration zugrundeliegende typische Konfliktsituation unmittelbar nicht gegeben ist. – Modifizierend Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 51 f., die eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 2 BBG nur bejaht, wenn der Beamte gleichzeitig Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit sowohl der Weisung selbst als auch des ihm aufgetragenen Verhaltens hat. In einem solchen Fall ist § 56 Abs. 2 BBG jedoch bereits direkt anzuwenden. 106 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa BVerfG v. 15.12.1970, BVerfGE 30, 1 [26] – Abhörurteil) widerspricht es der Menschenwürde,
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Nach wohl überwiegender Auffassung erfaßt der Wortlaut des § 56 Abs. 2 BBG nicht nur die Menschenwürde eines Dritten108, sondern auch die des Beamten109. Die Unverbindlichkeit einer Verwaltungsvorschrift, die gegen die Menschenwürde des Beamten verstößt, folgt jedoch nicht unmittelbar aus § 56 Abs. 2 Satz 3 Var. 3 BBG. Unmittelbar stellt § 56 Abs. 2 Satz 3 Var. 3 BBG den Beamten nur dann von seiner Gehorsamspflicht frei, wenn die ihm aufgetragene Diensthandlung gegen die Würde anderer Menschen verstößt.110 Denn unmittelbar bezweckt das Remonstrationsverfahren ausschließlich die Freistellung des Beamten von seiner persönlichen Haftung gegenüber seinem Dienstherrn sowie den Adressaten seiner Amtshandlungen.111 Für den Fall der Menschenrechtswidrigkeit der in der Verwaltungsvorschrift angeordneten Diensthandlung112 treffen den Beamten straf- oder haftungsrechtliche Konsequenzen wie___________ wenn der Mensch „einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt“, oder wenn „in der Behandlung im konkreten Fall eine willkürliche Mißachtung der Würde des Menschen liegt. Die Behandlung des Menschen durch die öffentliche Hand [...] muß also, wenn sie die Menschenwürde berühren soll, Ausdruck der Verachtung des Wertes, der dem Menschen kraft seines Personseins zukommt, also in diesem Sinne eine ‚verächtliche Behandlung‘ sein“. Vgl. hierzu ferner Dürig (1958), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abschn. I Rn. 17-45. 107 Das Tatbestandsmerkmal der Menschenwürde wurde durch § 139 Abs. 1 Nr. 12 BRRG v. 1.7.1957 (BGBl. 1957 I S. 667 [688]) eingefügt. 108 OVG Bremen v. 9.8.1988, ZBR 1989, 23; Battis, BBG, 2. Aufl., 1997, § 56 Rn. 5; Claussen, in: ders./Janzen, BDO, 8. Aufl., 1995, Einl. C Rn. 32 b, 36; Schütz (1984), Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C § 59 Rn. 13; Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 c); Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 135 f.; Lindgen, Handbuch des Disziplinarrechts, Bd. 1, 1966, § 55 III. (S. 676); Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 66; Ule, Beamtenrecht, 1970, § 38 Rn. 3; Bank, ZBR 1963, 161 (167); Günther, ZBR 1988, 297 (303). – Nach Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, 1958, S. 169 ist die Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 1 GG aber überflüssig, da insbesondere die Strafgesetze den Umfang festlegten, in dem die Menschenwürde respektiert werde. 109 Alberts, DÖD 1987, 67 (69); Werth, DÖD 1984, 109 (111-114), sowie die oben in Fn. 108 genannten Autoren. – Ausdrücklich dagegen Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., 1994, B. II. 6. Rn. 6, B. II. 7. Rn. 6; Köhler, PersR 11 (1994), 12. – Offen Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, 245. Lfg. (Nov. 2003), § 56 Rn. 13; K. Müller, RiA 1969, 81 (84); Leinius, ZBR 1974, 182; Wenzel, ZBR 1974, 384. 110 Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., 1994, B. II. 7 Rn. 5; Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 135 f.; Köhler, PersR 11 (1994), 12. 111 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 3. vor a), a) und b). 112 Nochmals zur Klarstellung: Im vorliegenden Abschnitt geht es ausschließlich um die Frage der Unverbindlichkeit einer verfassungswidrigen Verwaltungsvorschrift, die eine menschenrechtswidrige Diensthandlung anordnet. Daß ein Beamter auch dann straf- und haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn seine
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derum nur, sofern die Diensthandlung nicht (allein) seine, sondern (zumindest auch) die Menschenwürde eines Dritten verletzt. Als „archimedischer Punkt des Verfassungsstaates“113 wirkt die Garantie der Menschenwürde jedoch richtungsweisend für die gesamte Staatstätigkeit.114 Das Grundgesetz verzichtet nicht nur darauf, die Menschenwürde in einen bestimmten Kontext zu stellen, verwendet den Menschenwürdesatz also ohne Bindung an einen bestimmten Sozialbereich.115 Mit der Unantastbarkeitsformel entzieht es die Garantie der Menschenwürde überdies jeglichen Beschränkungsmöglichkeiten: Auch durch Rückgriff auf andere Verfassungsgüter – etwa die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG116 – kann die Menschenwürde nicht angetastet werden.117 Gebührt der grundlegenden Verfassungsentscheidung in Art. 1 Abs. 1 GG somit der „Vorrang vor einem reibungslosen Dienstbetrieb“118, ist eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 2 BBG geboten, wenn eine auszuführende Verwaltungsvorschrift die Menschenwürde des Beamten verletzt.119 Verwaltungsvorschriften sind daher unverbindlich, sofern das in ihnen aufgetragene Verhalten gegen die Menschenwürde entweder eines Dritten oder des Beamten verstößt.
___________ Amtshandlung nicht gegen die Menschenwürde verstößt, aber ansonsten rechtswidrig ist, bleibt von dieser Frage unberührt. 113 Haverkate, Verfassungslehre, 1992, S. 142. 114 Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 27; Maihofer, Rechtsstaat und menschliche Würde, 1968, S. 44 ff. 115 Vgl. schon Badura, JZ 1964, 337 (342): „Verfassungsrechtssatz von umfassender Allgemeinheit“; ähnlich Stein/Frank, Staatsrecht, 18. Aufl., 2002, § 29 III. 2. (S. 227). 116 Die beamtenrechtliche Gehorsamspflicht zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Hierzu BVerfG v. 27.4.1959, BVerfGE 9, 268 (286); BayVerfGH v. 7.11.1960, ZBR 1960, 381; OVG Münster v. 5.12.1969, ZBR 1970, 367 f.; Alberts, DÖD 1987, 67 (68); sowie allgemein zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums Baltes, Die Neutralität des Berufsbeamten, 1973, S. 107 ff.; Ruland, ZRP 1983, 278 (279 f.); Thiele, DÖD 1988, 273 (274); ders., PersV 1988, 88 (89 ff.). 117 So auch Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 1 Rn. 12; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 1 Rn. 26; Podlech (2001), in: AK, GG, Bd. 1, 3. Aufl., Art. 1 Abs. 1 Rn. 73; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 352. 118 Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 c). 119 Ähnlich BDiG v. 16.7.1987, DÖD 1987, 233 (234); Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., 1994, B. II. 7 Rn. 6; Köhler, PersR 11 (1994), 12: „absolute Verweigerungstatbestände in § 56 Abs. 2 BBG als allgemeine Rechtsgrundsätze“.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
2. Unverbindlichkeit wegen Verstoßes gegen die Grundrechte? Nach verbreiteter Auffassung enthält § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG keinen abschließenden Katalog der Fälle, bei deren Vorliegen der Beamte die Ausführung von Verwaltungsvorschriften verweigern darf. Namentlich solche Weisungen sollen für den Beamten unverbindlich sein, deren Ausführung gegen ein in der Verfassung verankertes Grundrecht verstoßen würde.120
a) Grundrechte eines Dritten Bereits im Ansatz verfehlt ist der Versuch H. Köhlers, die Unverbindlichkeit grundrechtswidriger Weisungen mit einem argumentum a minus ad maiorem zu begründen. Da einem Verstoß gegen die Verfassung kein „geringeres Gewicht als der gegen die – einfachen – Gesetze des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts“ zukomme, entbinde eine gegen die Verfassung gerichtete Weisung „ohne weiteres und grundsätzlich“ von der Gehorsamspflicht.121 Der Ausnahmeregelung in § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 BBG liegt jedoch ersichtlich keine Güterabwägung zugrunde, wie H. Köhler meint.122 Der Grund für das Nichtbestehen der Befolgungspflicht bei angesonnenen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten liegt in der dadurch begründeten eigenen Verantwortlichkeit des handelnden Beamten, von der ihn auch § 56 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 BBG nicht befreien kann.123 Ein drohender Verstoß gegen die Menschenwürde dagegen entbindet den Beamten von seiner Gehorsamspflicht, weil sich die Menschenwürde dem grundrechtlichen „Spiel von Grund und Gegengrund“124 entzieht, bei dem Grundrechtstatbestand und Grundrechtsschranke gegenübergestellt und die divergierenden Interessen im Wege praktischer Konkordanz zum schonendsten Ausgleich gebracht werden.125 Vermag ein Umkehrschluß a minus ad maiorem somit nicht zu überzeugen, kann nur folgende Überlegung greifen: Angesichts der in Art. 2 Abs. 1 GG ga___________ 120 Lindgen, Handbuch des Disziplinarrechts, Bd. 1, 1966, § 55 IV (S. 676); Grewe, in: Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages (1951), 1952, S. D3 (D26, D31); Kalisch, AöR 78 (1952/53), 334 (347); Köhler, PersR 11 (1994), 12 (12, 13 f.); wohl auch Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 169 f. 121 Köhler, PersR 11 (1994), 12. 122 Dazu auch Depenheuer, DVBl. 1992, 404 (407 f.). 123 Anders dagegen Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 124, nach der § 56 BBG eine Güterabwägung zwischen der Notwendigkeit beamtenrechtlichen Gehorsams auf der einen und dem strafrechtlichen Rechtsgüterschütz auf der anderen Seite zugrunde liegt. 124 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 289 f. 125 Vgl. die in Fn. 115, 117 genannten Autoren.
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rantierten Freiheit von rechtswidrigem Zwang126 beeinträchtigt bereits jede „einfach“ rechtswidrige Weisung Grundrechte. Würde nun jede Grundrechtswidrigkeit einer Weisung den Beamten von seiner Folgepflicht entbinden, wäre die Folgepflicht letztlich strikt an die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift geknüpft. Ein solches Ergebnis widerspricht der insoweit eindeutigen und seinerseits verfassungsmäßigen Bestimmung in § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG.127 Die Weisungsgebundenheit des Beamten tritt somit nicht schon dann zurück, wenn eine auszuführende Verwaltungsvorschrift gegen Grundrechte Dritter verstößt.
b) Grundrechte des Beamten Ebenso wenig darf der Beamte unter Berufung auf eigene Grundrechte die Ausführung einer Verwaltungsvorschrift verweigern. Für diejenigen, die den Beamten als Amtswalter für prinzipiell grundrechtsunfähig erachten,128 ist dieses Ergebnis von vornherein klar. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Grundrechte ebenfalls innerhalb der Sonderbindung des Beamtenverhältnisses gewährleistet sieht.129 Die grundsätzliche Gehorsamspflicht des Beamten bei rechtswidrigen Weisungen ist in §§ 55 Satz 2, 56 Abs. 2 BBG formalgesetzlich normiert und rechtfertigt deshalb Beschränkungen von Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt. Überdies gehört die Weisungsgebundenheit des Beamten zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG;130 als kollidierendes Verfassungsrecht kann sie daher Eingriffe in vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte legi-
___________ 126
Vgl. etwa BVerfG v. 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 (36 ff.) – Elfes; ferner BVerfG v. 15.12.1970, BVerfGE 29, 402 (408): „Grundrecht des Bürgers, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind“. 127 Ähnlich BVerfG v. 7.11.1994, DVBl. 1995, 192 (193); Günther, ZBR 1988, 297 (307); Zöller, JA 1995, 930 (932). – Im Ergebnis ähnlich Friauf, Der Staat 9 (1970), 223 (233): „Ein genereller Geltungsvorrang des Verfassungsrechts im Innenbereich läßt sich [...] kaum behaupten.“ 128 Etwa Depenheuer, DVBl. 1992, 404 (409); Erichsen, DVBl. 1982, 95 (99); für eine bereichsdifferenzierte Geltung der Grundrechte Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerf, 2. Aufl., 1994, § 32 Rn. 80-85 (S. 1567-1571). 129 Etwa BVerwG v. 8.9.1978, RiA 1979, 78 f.; VG Sigmaringen v. 7.11.1990, DÖD 1991, 142 (143); Lisken, DRiZ 1989, 401 (403); Rottmann, ZBR 1983, 77 (89); jeweils mit weiteren Nachweisen. 130 Vgl. statt vieler BVerfG v. 27.4.1959, BVerfGE 9, 268 (286); BVerwG v. 29.6.1999, BVerwGE 113, 361 (363).
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timieren.131 Wird dem Amtswalter nun das Recht verwehrt, auch bei grundrechtswidrigen Weisungen den Gehorsam zu verweigern, wird er dennoch nicht schutzlos. Es bleibt ihm unbenommen, verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, wenn er eine Verletzung seiner Grundrechte geltend macht. Lediglich von der sofortigen Ausführung der Weisung ist der Amtswalter nicht entbunden.132 Der Folgepflicht unterfallen somit auch Verwaltungsvorschriften, die den Beamten in seinen eigenen Grundrechten verletzen.
3. Unverbindlichkeit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip? Des weiteren soll die Gehorsamspflicht des Beamten an ihre Grenzen stoßen, wenn das in einer Weisung angeordnete Verhalten wegen offensichtlich schwerer Rechtswidrigkeit mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip kollidiere. Denn die Derogation des Rechtsstaatsprinzips in Fällen, in denen das „aufgetragene Verhalten“ wegen „besonders schwerer, offenkundiger ___________ 131
Demgegenüber existiert – entgegen der Rechtsprechung des BVerfG (v. 7.11.1994, DVBl. 1995, 192 [193]) – kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der eine Befreiung des Beamten von seiner Gehorsamspflicht bei „evidenter Rechtswidrigkeit“ der Weisung gebietet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde allein die Unvereinbarkeit des aufgetragenen Verhaltens mit den Strafgesetzen, nicht dagegen mit sonstigen Rechtsvorschriften als Schranke der Weisungsgebundenheit des Beamten angesehen. – Zur Rechtslage vor 1871 vgl. etwa § 9 des Zivil-Staatsdiener-Gesetzes für die Herzogthümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen v. 10.4.1850: „Jeder Staatsdiener muß die dienstliche Anordnung seiner Vorgesetzten vollziehen, wenn dieselbe nicht eine durch die Strafgesetze verpönte Handlung vorschreibt. Eine gegen die Strafgesetze verstoßende Anordnung darf bei eigener Verantwortung von keinem Staatsdiener ausgeführt werden.“ (abgedruckt bei Summer, Dokumente zur Geschichte des Beamtenrechts, 1986, S. 88); dazu ferner Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 2, 6. Aufl., 1885, S. 134 ff.; Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Teil II, 3. Aufl., 1867, S. 3942. – Anders lediglich § 97 Abs. 3 der Militärstrafgerichtsordnung v. 1.9.1898: „Hält der Militärjustizbeamte eine Weisung [...] mit den Gesetzen [...] nicht vereinbar, so hat er dagegen Vorstellung zu erheben. Bleibt diese erfolglos, so hat er der Weisung des Gerichtsherrn, welcher alsdann allein die Verantwortung trägt, zu entsprechen [...].“ (RGBl. 1898 S. 1189 [1209]); zur Rechtslage im Kaiserreich ferner Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 5. Aufl., 1911, S. 459-465. – Zur Rechtslage in der Weimarer Republik vgl. etwa Brand, Das Beamtenrecht, 1928, S. 549 f.; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl., 1924, S. 190. – Zur Rechtslage unter der Geltung des DBG v. 26.1.1937 vgl. § 7 Abs. 2 Satz 2 DBG: „Der Beamte darf eine Anordnung nicht befolgen, deren Ausführung für ihn erkennbar den Strafgesetzen zuwiderlaufen würde.“ (RGBl. 1937 I S. 39 [42]); dazu ferner Brand, Das Deutsche Beamtengesetz, 4. Aufl., 1942, § 7 Anm. 4 f.; Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, 2. Aufl., 1940, § 7 Anm. III. 2, 5 d). 132 Vgl. BVerfG v. 7.11.1994, DVBl. 1995, 192 (193) mit Anmerkung Zöller, JA 1995, 930 (931).
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Fehler“ – etwa gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG – ohnehin unwirksam sei, mache „schwerlich Sinn“133.134 Den Rechtsgedanken der „Außenrechtsnorm“ des § 44 Abs. 1 VwVfG auf das Innenverhältnis zwischen Amtswalter und Vorgesetzten übertragen zu wollen, verbietet aber bereits das geltende BBG. Ordnet es doch in seinen §§ 55, 56 die Verbindlichkeit einer Weisung für den Beamten auch dann an, wenn die aufgetragene Maßnahme im Staat-Bürger-Verhältnis rechtswidrig oder sogar nichtig ist. Mittelbar dient das Remonstrationsverfahren zwar auch der Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips. Zuvörderst bezweckt es aber den Schutz des Beamten vor haftungs- und disziplinarrechtlichen Folgen: Einerseits muß der Beamte eine Verwaltungsvorschrift nach erfolgloser Remonstration trotz seiner Bedenken gegen ihre Rechtmäßigkeit ausführen. Andererseits wird er dabei von seiner persönlichen Verantwortung befreit; das Auslegungs- und Haftungsrisiko verlagert sich auf seine Vorgesetzten.135 Je mehr ungeschriebene Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen werden, desto größer wird die Gefahr haftungsoder disziplinarrechtlicher Inanspruchnahme des Beamten – eine Konsequenz, die § 56 Abs. 2 BBG gerade verhindern will. Die Erweiterung der Ausnahmetatbestände in § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG um die Fallgruppe der Verletzung des Rechtsstaatsprinzips wegen offenkundig schwerer Rechtswidrigkeit widerspricht deshalb dem Telos des Gesetzes.136 Darüber hinaus ist sie sogar systemwidrig. Anders als etwa bei einem Verstoß gegen Normen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts, die sich unmittelbar an den Beamten richten, ist eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips bei schwerer Rechtswidrigkeit nicht sanktionsbewehrt. Widerspricht das dem Beamten in einer Verwaltungsvorschrift aufgetragene Verhalten dem Rechtsstaats___________ 133
Ausdrücklich Günther, ZBR 1988, 297 (306). Im Ergebnis auch Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., 1994, B. II. 7. Rn. 7; Zängl (Juli 2000), in: H. Weiß/Niedermaier, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 65 Anm. 10 a); Bank, ZBR 1963, 161 (165, 167); Günther, ZBR 1988, 297 (306 f.); H.-D. Weiß, ZBR 1994, 325 (332-337). – Ähnlich wohl auch BVerfG v. 7.11.1994, DVBl. 1995, 192 (193): „evidenter, besonders schwerer Verfassungsverstoß“; H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (78): „offensichtliche(r) Verstoß gegen die tragenden Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG“. – Battis, BBG, 1. Aufl., 1980, § 56 Anm. 4, will sogar einen Verstoß gegen die Menschenwürde des Beamten annehmen, wenn von ihm verlangt werde, eine offensichtlich widerrechtliche Verwaltungsvorschrift auszuführen. Anders nunmehr Battis, BBG, 2. Aufl., 1997, § 56 Rn. 5. – Vgl. dazu ferner Wenzel, ZBR 1974, 384; Werth, DÖD 1984, 109 ff. 135 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 3. b). 136 Im Ergebnis ebenso Felix, Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten, 1993, S. 142 f.; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 188. 134
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prinzip, liegt somit kein „äquivalenter Konflikt“137 zwischen der Gehorsamspflicht und der direkten Verantwortung des Beamten vor, der seine Freistellung von der Weisungsgebundenheit rechtfertigen würde. Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber daher ausdrücklich von der Normierung weiterer Fallgruppen der Unverbindlichkeit dienstlicher Weisungen abgesehen, wie der Wortlaut des § 56 Abs. 2 BBG und die Entstehungsgeschichte des insoweit vergleichbaren § 7 UZwG138 belegen.139 Auch der Verstoß einer Verwaltungsvorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip wegen offenkundig schwerer Rechtswidrigkeit entbindet den Amtswalter daher nicht von seiner Pflicht zu ihrer Ausführung.
III. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht Im Gegensatz zur vieldiskutierten Befugnis der Exekutive zur sogenannten Verwerfung verfassungswidriger Gesetze140 hat das Problem der Verwerfung, d. h. Nichtanwendung gemeinschaftsrechtswidrigen innerstaatlichen Rechts durch die Verwaltung bislang weniger Beachtung gefunden.141 Namentlich die ___________ 137
Günther, ZBR 1988, 297 (305). Der Ausschuß für Inneres des Deutschen Bundestages ging bei den Beratungen zum UZwG davon aus, daß die Pflicht zur Befolgung einer Anordnung ihre Grenzen (auch) in der „Willkürlichkeit der Anordnung“ fände (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres [6. Ausschuß], BT-Drucks. III/2272, S. 3 zu § 5 b). Dennoch wurden lediglich die Verletzung der Strafgesetze sowie der Menschenwürde als Ausnahmen zur grundsätzlichen Weisungsgebundenheit in den Normtext aufgenommen (BGBl. 1961 I S. 165). 139 Die Annahme einer „Unvollständigkeit“ der Vorschriften über das Remonstrationsverfahren kann dagegen vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung kaum überzeugen (so aber H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 [78]). 140 Etwa G. Groß, Inzidente Normenkontrolle durch die Exekutive?, 1967, passim; Kokemüller, Die Verwaltung und das verfassungswidrige Gesetz, 1967, passim; Rau, Kontrolle nachkonstitutioneller Bundesgesetze durch die Exekutive, 1974, passim; Wehr, Inzidente Normverwerfung durch die Exekutive, 1998, passim; Bachof, in: ders., Wege zum Rechtsstaat, 1979, S. 197-244; Abelein, BayVBl. 1967, 145 ff.; Hoffmann, JZ 1961, 193 ff.; Kratzer, BayVBl. 1967, 150 f.; Michel, NJW 1960, 841 ff.; jeweils mit weiteren Nachweisen. 141 Ausführlicher nur Jamrath, Normenkontrolle der Verwaltung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 88-112, 120-124; Pietzcker, in: Festschrift für Everling, 1995, S. 1095-1111; Scheuing, EuR 20 (1985), 229-272. – Eher knappe Stellungnahmen ferner bei Barnstedt, Die Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation in Deutschland, 1988, S. 251-274; Ehlers, DVBl. 1991, 605 (611); Everling, DVBl. 1985, 1201 f.; Jarass, NJW 1991, 2665; Mögele, BayVBl. 1993, 129 (131 f.); Pagenkopf, NVwZ 1993, 216 (222 f.); Papier, DVBl. 1993, 809 (813 f.); Pernice, NVwZ 1990, 201 (202); Pieper, DVBl. 1990, 684 (688); Schoch, JZ 1995, 109 (111 mit Fn. 29); Scheuing, VVDStRL 53 (1994), S. 254 f. (Diskussionsbeitrag); Seidel, NJW 1985, 517 (521); Winter, DVBl. 1991, 657 (666); H.-J. Wolff, VR 1991, 77 (83 f.). 138
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Frage der Gehorsamspflicht des Amtswalters bei mit EG-Recht unvereinbaren Verwaltungsvorschriften darf als ungeklärt bezeichnet werden142. Dies erstaunt um so mehr, als bei der Nichtausübung einer Nichtanwendungspflicht, sofern sie denn bestehen sollte, die Amtshaftung droht.
1. Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts Die Problematik der Nichtanwendungsbefugnis des Amtswalters einer Lösung zuzuführen, erfordert zunächst, Klarheit über das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatlichem Recht zu schaffen. Die maßgeblichen Determinanten sind allgemein bekannt,143 so daß hier einige kurze Stichworte genügen. Ausgangspunkt der Betrachtung muß das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Juni 1964 in der Rechtssache Costa/ENEL144 sein. In ihm heißt es, „daß dem vom Vertrag geschaffenen und somit aus einer eigenen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll“. In der Rechtssache Simmenthal II erläuterte der Gerichtshof die Wirkung der Vorrangregel näher. Gemeinschaftsrechtsakte haben danach „nicht nur zur Folge, daß allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird, sondern auch – da diese Bestimmungen und Rechtsakte vorrangiger Bestandteil der im Gebiet eines jeden Mitgliedstaats bestehenden Rechtsordnung sind –, daß ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar wären“.145 Bei einer Kollision von Gemeinschaftsrecht und geltendem nationalen Recht wird die nationale Rechtsnorm demnach nicht nichtig, sondern lediglich unanwendbar.146 Den ___________ 142 Dazu lediglich die kurzen Erwähnungen der Problematik bei Pietzcker, in: Festschrift für Everling, 1995, S. 1095 (1107 f.); Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), S. 154 (189 bei Fn. 181); Schoch, JZ 1995, 109 (111 in Fn. 29). – Allgemein zur „Europäisierung des öffentlichen Dienstrechts“ Kämmerer, EuR 36 (2001), 27-48. 143 Vgl. etwa Rengeling, VVDStRL 53 (1994), S. 202 (217-222); Scheuing, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 289-354; Ehlers, DVBl. 1991, 605-613; E. Klein, Der Staat 33 (1994), 39 ff.; jeweils mit weiteren Nachweisen. 144 EuGH v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa/ENEL –, Slg. 1964, 1251 ff. 145 EuGH v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II –, Slg. 1978, 629 (644). 146 Im übrigen spricht die Formulierung des EuGH sehr für eine Unwirksamkeit solcher gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Rechtsakte, die zeitlich nach den entgegenstehenden Bestimmungen des EG-Rechts erlassen wurden. Hinsichtlich der Wirkung
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts hat der Gerichtshof seither immer wieder bestätigt.147 Fast einhellig sind ihm die deutschen Gerichte148 und das Schrifttum149 darin gefolgt.150
2. Schlußfolgerungen für die Durchsetzung des Anwendungsvorrangs a) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und Kritik Welche Konsequenzen er aus dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts für die nationalen Behörden zu ziehen gedenkt, verdeutlichte der Gerichtshof bereits in seinem zweiten Urteil zur italienischen Exportabgabe auf Kulturgut vom 13. Juli 1972151: „Aus der Geltung des Gemeinschaftsrechts“ ergebe sich „für die nationalen Behörden ohne weiteres das Verbot, eine mit dem Vertrag für unvereinbar erklärte nationale Vorschrift anzuwenden, sowie gegebenenfalls die Verpflichtung, alle Bestimmungen zu erlassen, um die volle Geltung des Gemeinschaftsrechts zu erleichtern“152. Die Pflicht nationaler Behörden, den Vorrang jedenfalls unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts durch die Nichtanwendung kollidierender nationaler Bestimmungen zu gewährleisten, bekräftigte der Gerichtshof in der Rechtssache Fratelli Costanzo/Stadt Mailand: „Wenn sich die einzelnen [...] vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen können, so deshalb, weil die Verpflichtungen, die sich aus
___________ der Vorrangregel differenziert der EuGH mithin offenbar nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Rechtsakte. 147 Vg. etwa EuGH v. 7.2.1991. Rs. C-184/89 – Nimz/Freie und Hansestadt Hamburg –, Slg. 1991, I-297 (321); v. 14.12.1991, Gutachten 1/91, Slg. 1991, I-6079 (6102). 148 So bereits BVerfG v. 9.6.1971, BVerfGE 31, 145 (174): „Von dieser Rechtslage ausgehend müssen seit dem Inkrafttreten des Gemeinsamen Marktes die deutschen Gerichte auch solche Rechtsvorschriften anwenden, die zwar einer eigenständigen außerstaatlichen Hoheitsgewalt zuzurechnen sind, aber dennoch aufgrund ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung entfalten und entgegenstehendes nationales Recht überlagern und verdrängen; denn nur so können die den Bürgern des Gemeinsamen Markts eingeräumten subjektiven Rechte verwirklicht werden.“ 149 Siehe etwa durchgehend die oben in Fn. 141 genannten Autoren. 150 A. A. Spetzler, RIW 1990, 286 (288), der das dem primären Gemeinschaftsrecht und den nach Art. 249 Abs. 2 EGV „unmittelbar wirkenden Rechtsakte(n) der Gemeinschaftsorgane“ entgegenstehende nationale Recht für nichtig hält. Bei einer Abweichung nationalen Rechts von einer Richtlinie dagegen soll lediglich eine Pflicht zur vorrangigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und damit ein „mindere(r) Wirkungsgrad des Vorrangs“ bestehen. 151 EuGH v. 13.7.1972, Rs. 48/71 – Kommission/Italien –, Slg. 1972, 529-536. 152 EuGH v. 13.7.1972, Rs. 48/71 – Kommission/Italien –, Slg. 1972, 529 (534 f.).
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diesen Bestimmungen ergeben, für alle Behörden der Mitgliedstaaten gelten. Es wäre [...] widersprüchlich, zwar zu entscheiden, daß die einzelnen sich vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie [...] berufen können, um das Verhalten der Verwaltung beanstanden zu lassen, trotzdem aber die Auffassung zu vertreten, daß die Verwaltung nicht verpflichtet ist, die Bestimmungen der Richtlinie dadurch einzuhalten, daß sie die Vorschriften des nationalen Rechts, die damit nicht im Einklang stehen, unangewendet läßt. Wenn die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes einzuhaltenden Voraussetzungen dafür erfüllt sind, daß die einzelnen sich vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen können, sind folglich alle Träger der Verwaltung einschließlich der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften verpflichtet, die Bestimmungen anzuwenden.“153
Im deutschen Schrifttum wurde daraus der Schluß gezogen, daß die Gehorsamspflicht des Amtswalters gegenüber gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungsvorschriften zurücktrete.154 Die Annahme der Unverbindlichkeit gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsvorschriften erscheint jedoch nicht nur praxisfern.155 Sie begegnet auch dogmatischen Bedenken. Das Rechtsinstitut der Weisungsgebundenheit des Amtswalters rüttelt nicht am materiellrechtlichen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, sondern berührt allein die organisatorische Frage nach der Zuständigkeit zur Durchsetzung des Vorrangs.156 Bei der Unvereinbarkeit von sekundärem mit primärem Gemeinschaftsrecht erkannte der Gerichtshof diese Differenzierung zwischen dem Anwendungsvorrang und der Verwirklichung des Vorrangs durchaus an.157 In der Rechtssache Granaria untersagte er nationalen Behörden, sekundäres Gemeinschaftsrecht wegen einer Verletzung primären Gemeinschaftsrechts unangewendet zu lassen.158 Der gemeinschaftsrechtliche ___________ 153 EuGH v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo/Stadt Mailand –, Slg. 1989, 1861 (1870 f.). 154 So ausdrücklich Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), S. 154 (189 bei Fn. 181); Schoch, JZ 1995, 109 (111 in Fn. 29). 155 Zu Recht fragt etwa Pagenkopf, NVwZ 1993, 216 (222): „Wie soll der Kreisinspektor X einer kleinen Gemeinde sich ernsthaft über den Gesetzes- und Gesetzesanwendungsbefehl des deutschen Normgebers hinwegsetzen können, wenn er die Richtlinien der EG weder umfassend kennt noch die Technik der Prüfung der Vereinbarkeit von nationalen Vorschriften mit EG-Recht beherrscht?“ – Kritisch auch Vogel, VVDStRL 53 (1994), S. 242 (Diskussionsbeitrag). 156 Pietzcker, in: Festschrift für Everling, 1995, S. 1095 (1101 f.). – Zur Unterscheidung zwischen dem Vorrang des Grundgesetzes und der Durchsetzung dieses Vorrangs ders., AöR 101 (1976), 374 (382). 157 Unverständlich erscheint daher, wenn der EuGH (v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo/Stadt Mailand –, Slg. 1989, 1861 [1870 f.]) bei der Unvereinbarkeit von nationalem Recht mit sekundärem Gemeinschaftsrecht die notwendige Unterscheidung zwischen dem Anwendungsvorrang einerseits und der Durchsetzung des Vorrangs andererseits übergeht. 158 EuGH v. 13.2.1979, Rs. 101/78 – Granaria/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten –, Slg. 1979, 623 (637); wohl zustimmend Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), S. 154 (190); kritisch dagegen Scheuing, EuR 20 (1985), 229 (254).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Anwendungsvorrang führt daher keineswegs zwingend dazu, daß jede rechtsanwendende Stelle ihre eigene Auffassung über die Vereinbarkeit nationaler Vorschriften mit dem EG-Recht ihrer Diensthandlung zugrunde legen darf. Vielmehr ergibt sich die Entscheidungsbefugnis des einzelnen Amtswalters allein aus den Vorschriften, die Kompetenzen verteilen und Zuständigkeiten regeln. Für die Bundesbeamten in Deutschland sind dies die §§ 55, 56 BBG.
b) Stellungnahme Hält ein Beamter das in einer Verwaltungsvorschrift angeordnete Verhalten für unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht, hat er seine Bedenken nach der Konzeption des § 56 Abs. 2 Satz 1 und 2 BBG unverzüglich bei seinem unmittelbaren bzw. nächsthöheren Vorgesetzten geltend zu machen. Bestätigen beide jedoch die Verwaltungsvorschrift, spitzt sich die Situation zu: Muß der Beamte die Verwaltungsvorschrift nach erfolgloser Remonstration trotz seiner Bedenken gegen ihre Gemeinschaftsrechtmäßigkeit vollziehen? Der eindeutige Wortlaut des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG läßt nur eine Antwort zu: Ja, der Beamte ist zum Gehorsam verpflichtet159 – es sei denn, eine gemeinschaftsrechtskonforme oder teleologische Auslegung des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG führten zu einem anderen Ergebnis.
aa) Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG? Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts scheint auf den ersten Blick eine Reduktion des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG, anders: ein Wegfall der Weisungsgebundenheit des Beamten geboten. Nach dem Grundsatz der Effektivität des Europarechts – auch effet utile-Prinzip genannt – müssen die Mitgliedstaaten den ordnungsgemäßen Verwaltungsvollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts in ihrem innerstaatlichen Bereich sicherstellen.160 Insbesondere muß das mitgliedstaatliche Verwaltungsverfahren so ausgestaltet sein, daß das Gemeinschaftsrecht seine volle Wirksamkeit entfalten kann und sein Vorrang vor nationalem Recht gesichert ist.161 Dabei gilt das Effektivitätsgebot gegenüber allen Organen ___________ 159 Sofern das angeordnete Verhalten nicht zugleich für den Beamten erkennbar strafbar oder ordnungswidrig ist oder die Würde des Menschen verletzt. 160 EuGH v. 21.9.1983, Rs. 205-215/82 – Deutsche Milchkontor/Bundesrepublik Deutschland –, Slg. 1983, 2633 (2665 f.); v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission/Italien –, Slg. 1973, 101 (113). 161 EuGH v. 8.2.1973, Rs. 30/72 – Kommission/Italien –, Slg. 1973, 161 (171 f.); v. Bogdandy (Aug. 2002), in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. I, Art. 10 EGV Rn. 43 a, 46; Zuleeg, in: von der Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Bd. 1, 6. Aufl., 2003, Art. 10 EGV Rn. 6.
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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der Mitgliedstaaten. Mithin ist auch die Verwaltung gehalten, nationales Recht bei seiner Anwendung im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen.162 Geböte das Effektivitätsprinzip nun eine Nichtanwendungsbefugnis jedes einzelnen Amtswalters, ergäben sich folgende Auswirkungen: Hielte ein nach außen handelnder Amtswalter eine Verwaltungsvorschrift für gemeinschaftsrechtswidrig, könnte er nach erfolgloser Remonstration den Gehorsam verweigern. Hätte er dagegen keine Bedenken gegen die Gemeinschaftsrechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift, dürfte er sie dennoch nicht ausführen, falls er eine entsprechende Weisung seines von der EG-Rechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift überzeugten Vorgesetzten erhalten würde. Letzterer wiederum wäre an eine gegenteilige Anordnung von oben nicht gebunden, solange er nur selbst die Europarechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift bezweifelte. Auf diese Weise würde die Gehorsamspflicht „nur zugunsten, nicht auch zulasten“163 des Gemeinschaftsrechts wegfallen. Angesichts der dargestellten praktischen Konsequenzen kann das effet utilePrinzip ein Zurücktreten der beamtenrechtlichen Weisungsgebundenheit jedoch kaum fordern, will es sich nicht selbst ad absurdum führen. Gerade komplexe Verwaltungsverfahren mit europarechtlichen Bezügen erfordern nicht nur die Befassung zahlreicher Amtswalter, sondern bedingen zudem häufig die Einschaltung verschiedener Behörden. Soll der – im übrigen auch von § 10 VwVfG geforderte – zügige Abschluß des Verwaltungsverfahrens somit von der subjektiven Einschätzung jedes einzelnen Amtswalters abhängen, würde ein ordnungsgemäßer Verwaltungsvollzug schlichtweg unmöglich. Ein effizientes mitgliedstaatliches Verwaltungsverfahren wiederum ist jedoch Voraussetzung einer optimalen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts. Überdies widerspricht eine Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Prinzips der beamtenrechtlichen Gehorsamspflicht dem Grundsatz der Rechtssicherheit, den der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache CNTA als „höherrangige Rechtsnorm“ bezeichnet hat.164 Die Rechtssicherheit als Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts gebietet die Gewährleistung rechtlicher Kontinuität.165 Hierzu ist eine einheitliche und gleichmäßige Anwendung des ___________ 162
EuGH v. 15.5.1986, Rs. 222/84 – Johnston/Chief Constable –, Slg. 1986, 1651 (1690); v. 10.4.1984, Rs. 79/83 – Harz/Deutsche Tradax –, Slg. 1984, 1921 (1942); v. 10.4.1984, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen –, Slg. 1984, 1891 (1909). 163 Pietzcker, in: Festschrift für Everling, 1995, S. 1095 (1107). 164 EuGH v. 14.5.1975, Rs. 74/74 – CNTA/Kommission –, Slg. 1975, 533 (549). 165 Vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 1988, S. 920. Über den Grundsatz der Rechtssicherheit als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts siehe bereits EuGH v. 25.1.1979, Rs. 98/78 – Firma A. Racke/Hauptzollamt Mainz –, Slg. 1979, 69 (86); v. 3.5.1978, Rs. 112/77 – Töpfer/Kommission –, Slg. 1978, 1019 (1032); v. 22.3.1961, Rs. 42 und 49/59 – SNUPAT/Hohe Behörde –, Slg. 1961, 109 (172 f.). –
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
EG-Rechts erforderlich.166 Es liegt auf der Hand, daß die Weisungsgebundenheit der Verwaltung einer Rechtszersplitterung vorbeugt und somit dem gleichmäßigen Vollzug von (Gemeinschafts-)Rechtsnormen, mithin der Rechtssicherheit dient. Entstehen Zweifel an der Vereinbarkeit von Verwaltungsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht, steht eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG einer Weisungsgebundenheit des Amtswalters folglich nicht entgegen, sondern impliziert sie sogar.167
bb) Teleologische Reduktion des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG? Mittels einer teleologischen Reduktion des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG läßt sich die Zahl der Ausnahmen von der Gehorsamspflicht ebenfalls nicht erweitern. Ein Zurücktreten der Weisungsgebundenheit im Ausnahmefall rechtfertigt sich allein aus der besonderen Konfliktsituation des Beamten, wenn das ihm aufgetragene Verhalten erkennbar strafbar oder ordnungswidrig ist oder die Würde des Menschen verletzt. Im ersten Fall treffen den Beamten die Sanktionen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts unmittelbar selbst; eine Freistellung von seiner Verantwortlichkeit scheidet grundsätzlich aus.168 Bei der zweiten Konstellation handelt es sich um die Verletzung einer Norm, die schlechter___________ Zur Rechtslage in Deutschland etwa BVerfG v. 23.2.1983, BVerfGE 63, 215 (223 f.); v. 18.11.1980, BVerfGE 55, 185 (203 f.); v. 9.8.1978, BVerfGE 49, 148 (164); v. 29.10.1969, BVerfGE 27, 167 (173 f.); v. 14.3.1963, BVerfGE 15, 313 (319); v. 19.12.1961, BVerfGE 13, 261 (271); v. 24.7.1957, BVerfGE 7, 89 (92); v. 18.12.1953, BVerfGE 3, 225 (237); v. 1.7.1953, BVerfGE 2, 380 (403); Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 154-188; Fuß, in: Festschrift für H. Kutscher, 1981, S. 201 (203 f.); jeweils mit weiteren Nachweisen. 166 Vgl. etwa EuGH v. 10.10.1973, Rs. 34/73 – Variola/Amministrazione italiana delle Finanze –, Slg. 1973, 981 (990); v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission/Italien –, Slg. 1973, 101 (113); v. 13.7.1972, Rs. 48/71 – Kommission/Italien –, Slg. 1972, 529 (535); v. 18.6.1970, Rs. 74/69 – HZA Bremen-Freihafen/Krohn –, Slg. 1970, 451 (460); v. 17.2.1970, Rs. 31/69 – Kommission/Italien –, Slg. 1970, 25 (34 f.); v. 12.11.1969, Rs. 26/69 – Stauder/Stadt Ulm –, Slg. 1969, 419 (425). 167 Dem entspricht die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der die aus Art. 10 EGV abgeleitete Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung für die mitgliedstaatlichen Träger öffentlicher Gewalt nur „im Rahmen ihrer Zuständigkeiten“ besteht (vgl. EuGH v. 20.9.1988, Rs. 31/87 – Beentjes/Niederländischer Staat –, Slg. 1988, 4635 [4662]; v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen –, Slg. 1987, 3969 [3986]; v. 10.4.1984, Rs. 79/83 – Harz/Deutsche Tradax –, Slg. 1984, 1921 [1942]; v. 10.4.1984, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen –, Slg. 1984, 1891 [1909]). Anders formuliert: Das Gemeinschaftsrecht darf nicht in bestehende nationale Zuständigkeitsordnungen eingreifen. § 56 Abs. 2 BBG, der dem einzelnen Sachbearbeiter die Kompetenz zur letztverbindlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsvorschrift entzieht, enthält jedoch gerade eine solche Zuständigkeitsregelung. 168 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 3. c) bb), II. 3.
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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dings richtungsweisend für die gesamte Staatstätigkeit ist und sich daher jeglichen Beschränkungen entzieht.169 Weder verpflichten Gemeinschaftsrechtsnormen – ähnlich dem Strafrecht – den Amtswalter persönlich, noch berührt ein europarechtswidriges Verhalten ohne weiteres die Menschenwürde. Der den Ausnahmetatbeständen zugrundeliegende spezielle Konflikt ist daher ersichtlich nicht gegeben, falls das dem Beamten in einer Verwaltungsvorschrift aufgetragene Verhalten gegen EG-Recht verstößt. Ist eine teleologische Reduktion des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG mithin nicht geboten, muß als Ergebnis festgehalten werden: Verwaltungsvorschriften, die ein gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten anordnen, sind für den einzelnen Amtswalter nach erfolgloser Remonstration verbindlich.
IV. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen Umstritten ist ferner das Verhältnis zwischen einer Verwaltungsvorschrift und einer Einzelweisung, durch die der unmittelbare Dienstvorgesetzte die Vornahme einer Amtshandlung anordnet, welche nach Auffassung des Angewiesenen mit der Verwaltungsvorschrift nicht vereinbar ist.
1. Derogation der Verwaltungsvorschriften durch Einzelweisungen? Die herkömmliche Auffassung170 sah darin kein Problem und knüpfte an die Ansicht O. Mayers an: „Von selbst versteht es sich keineswegs, daß das in Form einer allgemeinen Regel Ausgesprochene mehr bindet als der Einzelbefehl. Dieser wirkt im Gegenteil von Natur bestimmter und kräftiger.“171
Hintergrund dieser Lehrmeinung ist die Vorstellung, eine Verwaltungsvorschrift bilde aus lediglich „befehlstechnischen Gründen“172 ein Bündel von Einzelbefehlen.173 Stehe daher in Wirklichkeit Einzelbefehl gegen Einzelbefehl, ___________ 169
Siehe oben 3. Teil § 5 B. II. 1. Jacobi, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 255 (257); Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, 1967, S. 125; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 71; M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 81; Bachof, in: Festschrift für W. Laforet, 1952, S. 285 (286); Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (160 mit Fn. 29 a. E.). 171 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., 1917, S. 319 in Fn. 8. 172 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 471. 173 Vgl. die oben in Fn. 170 genannten Autoren. – Ähnlich BFH v. 14.8.1958, JZ 1960, 279 (280), der bei den Richtlinien nach § 131 Abs. 2 AO 1977 ebenfalls eine derart zergliedernde Denkweise anwendet. 170
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
könne die Kollision einer Verwaltungsvorschrift und einer Einzelweisung mit Hilfe der Regel „lex specialis derogat legi generali“ gelöst werden. Der spezielleren Einzelweisung komme demgemäß derogierende Kraft zu.174 Wenig stichhaltig ist bereits die Anwendung der lex specialis-Regel auf das Verhältnis zwischen einer Verwaltungsvorschrift und einer Einzelweisung, die von verschiedenen Instanzen ausgehen. In diesem Fall ist die von der lex specialis-Regel vorausgesetzte Gleichrangigkeit der miteinander konkurrierenden Rechtssätze ersichtlich nicht gegeben. Fehlgehend ist überdies die Charakterisierung der Verwaltungsvorschriften als eine aus „befehlstechnischen Gründen“ erfolgte Bündelung von Einzelweisungen. Verwaltungsvorschriften dienen der Gleichmäßigkeit und Rationalisierung des Verwaltungshandelns, mithin der Effektivität der Verwaltung.175 Als ein „Rechtsgut von elementarer Bedeutung“176 betrifft die Verwaltungseffektivität aber die Durchsetzung rechtsstaatlicher Garantien und demokratisch legitimierter Entscheidungen. Insofern kommt Verwaltungsvorschriften nicht nur ein technischer „Verwaltungswert“, sondern darüber hinaus ein eigenständiger „Rechtswert“ zu, um einen Neologismus H. Krügers177 zu verwenden.
2. Prinzipieller Vorrang der Verwaltungsvorschriften gegenüber Einzelweisungen? Dagegen mit A. Risken davon auszugehen, das geltende Beamtenrecht gebiete den prinzipiellen Vorrang abstrakter Weisungen gegenüber Einzelbefehlen,178 vermag ebensowenig zu überzeugen.179 Weder der von ihm zitierte § 10 Abs. 4 SG180 noch die geltenden Beamtengesetze enthalten Aussagen über das Verhält___________ 174 Vgl. nochmals die oben in Fn. 170 genannten Autoren. – Modifizierend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 471 f.; Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 172 f. 175 Statt vieler Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 9 (S. 627 f.); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 284, für die norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften. 176 W. Loschelder, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 68 Rn. 63 (S. 547). 177 H. Krüger, in: Festschrift für R. Smend, 1952, S. 211 (223 f.). 178 Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 172 f. 179 Im Ergebnis a. A. T. Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 1992, S. 198. 180 § 10 Abs. 4 SG in der Fassung der Bekanntmachung v. 19.8.1975 (BGBl. I S. 2273), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit und Verlängerung der Dauer des Grundwehrdienstes v. 13.6.1986 (BGBl. I S. 873): Der Vorgesetze „darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.“
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nis von abstrakten und konkreten Weisungen.181 A. Risken verstrickt sich denn auch in Widersprüche, wenn er einerseits behauptet, abstrakt-generelle Amtsrechtssätze seien „bei jeder Fallgestaltung Grenzen amtlicher Einzelweisungen“, andererseits die einer Verwaltungsvorschrift widersprechende Einzelweisung als rechtmäßig bezeichnet.182
3. Differenzierung nach dem rechtsstaatlichen Garantiecharakter der Verwaltungsvorschriften? F. Ossenbühl schlägt vor, beide Denkansätze zu einer Synthese zu verschmelzen.183 Nur zum Teil könnten Verwaltungsvorschriften normtechnisch betrachtet und in Einzelweisungen aufgeteilt werden. Darüber hinaus hätten sie durch ihre abstrakt-generelle Form auch eine rechtsstaatliche Garantiefunktion zu erfüllen. Je mehr Verwaltungsvorschriften rechtstaatlichen Garantiecharakter trügen, um so mehr wüchsen sie in den „Aggregatzustand unverbrüchlicher Starrheit, in dem sie gegen die Derogationswirkung des Einzelbefehls immun“184 seien. Die Kriterien aber, anhand deren festzustellen ist, ob einer Verwaltungsvorschrift mehr an rechtsstaatlichem Garantiecharakter aufweist oder eher einer normtechnischen Betrachtungsweise unterliegt, bleibt offen. Die Entscheidung über das Verhältnis von Verwaltungsvorschrift und Einzelweisung wird daher letztlich „der Beliebigkeit ausgeliefert“185. ___________ 181 Vgl. Scherer/Alff, Soldatengesetz, 6. Aufl., 1988, § 10 Rn. 50 f.; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 192. 182 Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 173. 183 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 471 f.; ihm folgend M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 81. 184 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 472. 185 So bereits treffend Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 193. – Nur am Rande erwähnt sei ferner die von K. Obermayer, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 114-116, 121, angebotene Lösung. Ergehe ein abstrakter innerdienstlicher Rechtsakt als „formeller Rechtssetzungsakt“, komme ihm wie bei jedem förmlichen Rechtssetzungsakt eine Vorrangstellung gegenüber Einzelweisungen zu. Könne ein innerdienstlicher Rechtsakt aber der „Form des Rechtssetzungsakts“ entbehren – „wie das bei den Verwaltungsvorschriften so oft der Fall (sei)“ (Obermayer, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 116) –, dürfe man gegen den Erlaß eines von der Verwaltungsvorschrift abweichenden Einzelbefehls keine Bedenken haben. Hintergrund der Überlegungen Obermayers ist die Vorstellung von den Verwaltungsvorschriften als verwaltungsinterne Maßnahmen ohne „echte“ Rechtssatzqualität. Daß diese Auffassung bereits im Ansatzpunkt verfehlt ist, dürfte nach dem bisher Ausgeführten auf der Hand liegen.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
4. Eigener Lösungsansatz Ausgangspunkt einer Lösung des Problems muß die Unterscheidung danach sein, ob die die Verwaltungsvorschrift erlassende Stelle mit dem Einzelbefehlsgeber identisch ist oder ihm unter- oder übergeordnet ist.
a) Überordnung der die Verwaltungsvorschrift erlassenden Stelle gegenüber dem Einzelweisungsgeber Kraft ihrer in der Verwaltungshierarchie wurzelnden Geschäftsleitungs- und Organisationsgewalt steht (Ober-)Behörden die Befugnis zu, das Handeln nachgeordneter Behörden zu steuern.186 Der den nachgeordneten Verwaltungsinstanzen verbleibende Entscheidungsspielraum wird dabei durch die Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen der übergeordneten Stellen begrenzt und ausgestaltet. Untergeordnete Verwaltungsstellen können daher lediglich im Rahmen der vorhandenen Vorschriften superordinierter Behörden eigene Weisungen erlassen.187 Nach der Regel „lex superior derogat legi inferiori“ gebührt Verwaltungsvorschriften somit der Vorrang gegenüber Einzelweisungen nachgeordneter Stellen.188 Das bedeutet freilich nicht, daß der angewiesene Beamte befugt wäre, die Einzelweisung unter Berufung auf den Vorrang der Verwaltungsvorschrift nicht zu befolgen.189 Der Vorrang der Verwaltungsvorschrift gilt sowohl bei intrabehördlichen als auch bei interbehördlichen (intrasubjektiven) Verwaltungsvorschriften. H. Rittstieg behauptet dagegen, die Verwaltungsvorschrift einer Oberbehörde könne nur durch Einzelweisung des Leiters der untergeordneten Behörde Gegenstand der Gehorsamspflicht werden.190 Bei einer Divergenz zwischen einer interbehördlichen Verwaltungsvorschrift und einer Einzelweisung gehe deshalb die Einzelweisung vor. Nach § 55 Satz 2 BBG muß der Beamte jedoch die Weisungen seiner Vorgesetzten befolgen. Vorgesetzte sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BBG diejenigen, die dem Beamten Weisungen erteilen können. Vorgesetzter ist daher in jedem Fall der Dienstvorgesetzte des Beamten. Dienstvorgesetzter ist aber nicht nur der Leiter der Behörde des einzelnen Beamten, sondern auch der ___________ 186
Siehe oben 3. Teil § 5 A. I. Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 232, 240 f.; M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 79 f. in Anlehnung an Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 469; H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (76). 188 A. A. in neuerer Zeit etwa Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 71. 189 Dazu sogleich unten im Text. 190 H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (77). 187
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
141
Leiter der Mittelbehörde und der obersten Dienstbehörde.191 Insofern unterliegen auch interbehördlich-intrasubjektive Verwaltungsvorschriften der Gehorsamspflicht des Beamten, ohne daß es einer Weisung des Leiters der nachgeordneten Behörde bedarf. Der Vorrang einer Einzelweisung kann daher nicht mit einer mangelnden Gehorsamspflicht gegenüber interbehördlich-intrasubjektiven Verwaltungsvorschriften begründet werden. Vom Rangproblem zu trennen ist allerdings die Kompetenzfrage, wer darüber entscheiden darf, ob die Einzelweisung die Verwaltungsvorschrift in zulässiger Weise konkretisiert oder nicht.192 Ihre Beantwortung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG.193 Hat der Beamte also Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Einzelweisung, muß er remonstrieren. Nach erfolgloser Remonstration ist er verpflichtet, die Einzelweisung auszuführen. Die Verwaltungsvorschrift ist in diesem Fall – trotz ihrer generellen Höherrangigkeit gegenüber Einzelweisungen – für ihn unverbindlich.
b) Unterordnung der die Verwaltungsvorschrift erlassenden Stelle gegenüber dem Einzelweisungsgeber Ganz entsprechend ist die umgekehrte Fallkonstellation zu lösen, in der die die Verwaltungsvorschrift erlassende Stelle dem Einzelweisungsgeber untergeordnet ist. Als lex superior durchbricht die Einzelweisung die Verwaltungsvorschrift der untergeordneten Behörde. Dennoch ist die Verwaltungsvorschrift für den Beamten verbindlich, wenn sie nach erfolgter Remonstration analog § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG sowohl von seinem unmittelbaren als auch dem nächsthöheren Vorgesetzten bestätigt wird.
c) Identität von Einzelweisungsgeber und der die Verwaltungsvorschrift erlassenden Stelle Sind die die Verwaltungsvorschrift und die Einzelweisung erlassende Instanz identisch, können aus der hierarchischen Struktur der Verwaltung keine Rückschlüsse für die Lösung der Vorrangfrage gezogen werden. Eine verbreitete An___________ 191
Battis, BBG, 2. Aufl., 1997, § 3 Rn. 4; Summer (1994), in: Fürst, GKÖD I, K § 3 Rn. 7, 10. 192 Mißverständlich etwa H. Rittstieg, ZBR 1970, 72 (76 f.), der offensichtlich Rang- und Verbindlichkeitsfragen miteinander vermengt. 193 Direkt anwendbar sind die Vorschriften über das Remonstrationsverfahren nur auf den Fall, daß das dem Amtswalter aufgetragene Verhalten dem Bürger gegenüber rechtswidrig ist. Zur analogen Anwendung des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 3. d) bb).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
sicht gesteht daher der anweisenden Behörde die Befugnis zu, eine Verwaltungsvorschrift durch eine Einzelweisung zu durchbrechen.194 A. Risken195 und Th. Tschentscher196 halten der Annahme einer solchen Durchbrechungsbefugnis das „Interesse des Befehlsempfängers“ an der „Meßbarkeit staatlichen Handelns“ entgegen, das eine Bindung der Behörde an die von ihr erlassenen Verwaltungsvorschriften bewirke. Warum der Befehlsempfänger aber trotz der Verneinung einer behördlichen Durchbrechungsbefugnis gleichwohl verpflichtet sein soll, eine abweichende Einzelweisung auszuführen, diesen Widerspruch vermögen beide Autoren nicht zu erklären. Dennoch ist im Ergebnis der Vorrang einer Verwaltungsvorschrift gegenüber einer Einzelweisung derselben Verwaltungsinstanz zu bejahen. Verwaltungsvorschriften enthalten Rechtsnormen. Rechtsnormen können nur in einem bestimmten Rechtsetzungsverfahren erlassen werden. Soll das in diesem Verfahren gebildete Recht nicht der Beliebigkeit ausgesetzt werden, muß jede Änderung oder Aufhebung des jeweiligen Rechtsakts die Form und das Verfahren des entsprechenden Rechtsetzungsprozesses beachten.197 Der Geltungsanspruch von Verwaltungsvorschriften kann daher nur durch eine dem Erlaßverfahren entsprechende Änderung oder Aufhebung, nicht dagegen durch eine konkrete Einzelweisung beseitigt werden. Auch hier wiederum präjudiziert der Vorrang der Verwaltungsvorschrift nicht ihre absolute Verbindlichkeit gegenüber dem einzelnen Amtswalter. Widersprüche zwischen Verwaltungsvorschriften und Einzelbefehlen derselben Instanz kann dieser nur durch Remonstration an den unmittelbaren und nächsthöheren Vorgesetzten ausräumen. Nach erfolgloser Remonstration gegen die Einzelweisung muß er diese trotz des objektiven Vorrangs der Verwaltungsvorschrift befolgen. ___________ 194 O. Bachof, VVDStRL 40 (1982), S. 311 f. (Diskussionsbeitrag), bezeichnete dieses Phänomen als Sonderfallvorbehalt. – Zum Sonderfallvorbehalt sogleich 3. Teil § 5 B. VII. 1. 195 Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, 1969, S. 173. 196 T. Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 1992, S. 198. 197 So speziell zu Verwaltungsvorschriften BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (223 f.); im Ergebnis ebenso M. Schröder, in: Hill, Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 1 (14); ähnlich bereits Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. I, 1888, S. 443 in Fn. 15: „Die Regierung ist jedoch gebunden, bis sie die Abänderung (einer erlassenen Norm; Anmerkung des Verfassers) vornimmt.“ – Es handelt sich insoweit um die „uralte rechtsstaatliche Forderung“ (Herzog [1980], in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VII Rn. 58), daß staatliche Akte so klar und bestandskräftig sein sollen, daß sich der Adressat auf sie verlassen kann. Ohne ein solches Minimum an Rechtssicherheit bleibt jegliches staatliche Handeln unvorhersehbar und damit unberechenbar. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang aus dem Rechtsstaatsprinzip das Gebot der „Verläßlichkeit“ der staatlichen Ordnung hergeleitet (vgl. BVerfG v. 24.7.1968, BVerfGE 24, 75 [98]).
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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V. Divergenz verschiedener Verwaltungsvorschriften Widersprechen sich die Verwaltungsvorschriften verschiedener Verwaltungsbehörden, findet die Kollisionsregel „lex superior derogat legi inferiori“ Anwendung: Die Verwaltungsvorschriften einer höheren Instanz gehen denen einer untergeordneten Stelle vor.198 Die Kollision zweier Verwaltungsvorschriften derselben Verwaltungsstelle wird dagegen durch die Regel „lex posterior derogat legi priori“ und „lex specialis derogat legi generali“ gelöst. Will die Verwaltung die ältere der beiden Verwaltungsvorschriften aufheben, wird diese durch die jüngere Vorschrift verdrängt. Soweit beide Verwaltungsvorschriften rechtsgültig bleiben sollen, gilt die Regel vom Vorrang der lex specialis. Sieht sich nun auf der Amtswalterebene der einzelne Beamte mit zwei divergierenden Verwaltungsvorschriften konfrontiert, so hat er analog § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG eventuelle Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsvorschrift im Wege der Remonstration geltend zu machen.199
VI. Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraxis Schließlich bleibt zu erwägen, ob eine Verwaltungsvorschrift durch eine dauerhafte entgegenstehende Verwaltungsübung derogiert werden kann. Namentlich F. Ossenbühl tritt für eine Unverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften bei widersprechender Verwaltungspraxis ein, „wenn unter den kompetenten Organwaltern opinio iuris besteh(e) und die Exekutivspitze trotz Kenntnis der gegenteiligen Praxis nicht einschreit(e)“200. In diesem Fall erhärte die Verwaltungsübung zu einem „originären Administrativgewohnheitsrecht“, das der jeweiligen Verwaltungsvorschrift vorgehe. Daß Verwaltungsvorschriften als Rechtsnormen nur in einem bestimmten Normsetzungsverfahren erlassen, geändert und aufgehoben werden können, wurde bereits dargetan.201 Daß deshalb in der Konsequenz die Anerkennung ei___________ 198 Vgl. OVG NRW v. 27.9.2001, RiA 2002, 250 (251); M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 82 in Anlehnung an Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 473. – Zum Verhältnis sich widersprechender Verwaltungsvorschriften zweier oberster Bundesbehörden BVerwG v. 15.3.1985, NVwZ 1985, 497 (498). 199 Ähnlich M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 82. 200 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 478 f. im Anschluß an Menger, VerwArch 51 (1960), 64 (72), der ein „stillschweigende(s) Obsoletwerden einer Verwaltungsvorschrift“ postuliert. 201 Siehe oben 3. Teil § 5 B. IV. 4. c).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
ner formlosen Derogation von Verwaltungsvorschriften ausgeschlossen ist, drängt sich geradezu auf.202 Anderenfalls wäre es dem einzelnen Amtswalter auch kaum möglich, das für ihn geltende Recht zuverlässig zu ermitteln, ohne sich der Gefahr disziplinarrechtlicher Folgen auszusetzen. Die von einer Verwaltungsvorschrift abweichende Verwaltungsübung ist damit nicht als vorrangiges Administrativgewohnheitsrecht einzustufen, sondern solange als dienstlicher Ungehorsam, bis die Verwaltungsvorschrift förmlich geändert wird.
VII. Grenzen der Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften in Ausnahmefällen? Nach landläufiger Auffassung sollen „die Modalitäten und die Intensität der Bindung von Verwaltungsvorschriften erhebliche Abstufungen erkennen lassen“203. Die spezifische „erhöhte Flexibilität“204 der Verwaltungsvorschriften führe zum Wegfall ihrer Verbindlichkeit, wenn ein atypischer Fall vorliege oder sie durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt seien.205 In der Regel wird dabei nicht zwischen dem Wegfall der Verbindlichkeit für die Verwaltung, für die Gerichte oder für den Bürger differenziert. Deshalb vorab ein kurzer Hinweis zur Klarstellung: Die folgenden Ausführungen beziehen sich ___________ 202
Ebenso im Ergebnis M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 82 f.; ferner für als Verwaltungsvorschriften erlassene Beihilfevorschriften OVG NRW v. 27.9.2001, RiA 2002, 250 f. 203 Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 35 (S. 442). 204 Gusy, in: H.-J. Koch/Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 1994, S. 185 (194). 205 Zum Tatbestand des atypischen Falles etwa BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (261) – Voerde; BayVGH v. 20.9.1990, NVwZ-RR 1991, 463 (472 f.); OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323) – Buschhaus; VGH BW v. 29.6.1994, NVwZ 1995, 292 (294); Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992, S. 160; Gerhardt, DVBl. 1989, 125 (127); Jarass, JuS 1999, 105 (106, 111); Kutscheidt, NVwZ 1983, 581 (584). – Zum Tatbestand des gesicherten Erkenntnisfortschritts etwa BVerwG v. 22.10.1996, NVwZ-RR 1997, 279: TA Lärm; v. 21.3.1996, NuR 1996, 522 (523); v. 10.1.1995, NVwZ 1995, 994: TA Luft; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 48 Rn. 37; ders., Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 43, 46, 53-56, 59-61; Paetow, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., 2003, § 12 Rn. 30; Hoppe, in: J. Ipsen/Stüer, Öffentliche Verwaltung in Europa, 1999, S. 5 (12); Beckmann, DVBl. 1997, 216 (217); Gusy, NVwZ 1995, 105 (111); ferner Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (67 f.). – Dieser Auffassung ist offenbar auch die Bundesregierung. So sah der Referentenentwurf der TA Siedlungsabfall zunächst keine Ausnahmeregelung vor. Eine solche wurde nicht für erforderlich gehalten, da normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften ihre Verbindlichkeit bei fortgeschrittenem Stand der Technik ohnehin verlören. Zur Entstehungsgeschichte der TA Siedlungsabfall vgl. Dolde/Vetter, NVwZ 1998, 217 (219).
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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allein auf die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für die Verwaltung, mithin auf die beamtenrechtliche Ebene.
1. Ausnahmetatbestand des atypischen Falles? Die Disponibilität der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften in atypischen Fällen – auch Einzelfall- oder Sonderfallvorbehalt genannt – wurde von O. Bachof wie folgt umschrieben: „Der Sonderfallvorbehalt besagt, daß die angewiesene Behörde – unter Berücksichtigung der besonderen, in der Verwaltungsvorschrift vielleicht nicht gesehenen oder übergangenen Fälle – im Einzelfall anders muß handeln können als es die Verwaltungsvorschrift vorsieht, und daß die anweisende Behörde die allgemeine Weisung durch eine Einzelweisung durchbrechen kann.“206
Einem Amtswalter soll somit in zwei Fallkonstellationen gestattet sein, von einer auszuführenden Verwaltungsvorschrift abzuweichen: erstens in einer von ihm selbst festgestellten atypischen Sondersituation; – zweitens bei einer abweichenden Einzelweisung der die Verwaltungsvorschrift erlassenden übergeordneten Behörde. Daß die zweite Konstellation, der Vorrang einer Einzelweisung gegenüber einer Verwaltungsvorschrift derselben Verwaltungsinstanz, nicht zweifelsfrei begründet werden kann, wurde bereits hinlänglich dargetan.207 Auf den ersten Blick eingängig erscheint die Annahme der Unverbindlichkeit einer Verwaltungsvorschrift in den vom Amtswalter selbst festgestellten atypischen Fällen. Die Pflicht der Verwaltung zur Einzelfallentscheidung schließe zwar nicht aus, daß die Verwaltung ihr Handeln aus Gleichbehandlungsgründen in Verwaltungsvorschriften für zukünftige Fälle vorab festlege. Eröffne ein Gesetz der Verwaltung jedoch Ermessensspielräume, müsse den Besonderheiten des jeweiligen Falles durch Abweichen von der Verwaltungsvorschrift Rechnung getragen werden. Anderenfalls drohe eine Ermessensunterschreitung und damit die Rechtswidrigkeit des in der Verwaltungsvorschrift aufgetragenen Verhaltens, so die fast einhellige Lehrmeinung.208 ___________ 206
Bachof, VVDStRL 40 (1982), S. 311 f. (Diskussionsbeitrag). Siehe oben 3. Teil § 5 B. IV. 4. c). 208 Ausdrücklich Bachof, VVDStRL 40 (1982), S. 312 (Diskussionsbeitrag); vgl. ferner Rudisile, Verwaltungsvorschriften in der Rechtsprechung von Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht, 1987, S. 327; Brohm, in: ders., Drittes deutschpolnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 11 (27); Hoppe, in: J. Ipsen/Stüer, Öffentliche Verwaltung in Europa, 1999, S. 5 (12); Guttenberg, JuS 1993, 1006 (1009); Himmelmann, DÖV 1996, 145 (150); W. Schmidt, JuS 1971, 184 (186); P. M. Huber, AöR 114 (1989), 252 (302). 207
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Unabhängig von einer spezifischen Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften im „Außenverhältnis“ vermag diese Auffassung jedoch nicht zu überzeugen. Unterstellt, das Vorliegen eines atypischen Sonderfalls geböte in der Tat ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift,209 resultierte aus deren Anwendung die Rechtswidrigkeit der in der Verwaltungsvorschrift angeordneten Diensthandlung.210 Hat der Beamte aber Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Diensthandlung, eben weil er aufgrund eigener Einschätzung einen atypischen Sonderfall für gegeben hält, darf er nicht ohne weiteres von der Verwaltungsvorschrift abweichen. § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG ordnet vielmehr deren Ausführung an, sofern der Beamte erfolglos remonstriert hat. Lediglich der Dienstvorgesetzte darf oder muß dann in atypischen Ausnahmefällen von der Verwaltungsvorschrift abweichen. Allenfalls in Eilfällen, etwa wenn Gefahr im Verzuge besteht und der Dienstvorgesetzte nicht rechtzeitig angerufen werden kann, wird man dem Beamten eine Abweichung von der Verwaltungsvorschrift gestatten können.211 Nicht anders verhält es sich, wenn der einschlägige Sachverhalt zwar von der Verwaltungsvorschrift geregelt wurde, deren Anwendung aber zu einem dem Telos des Gesetzes zuwiderlaufenden Ergebnis führen würde. Das dem Amtswalter in der Verwaltungsvorschrift aufgetragene Verhalten ist in diesem Fall schlichtweg gesetzeswidrig. Aber auch hier steht dem einzelnen Beamten nicht die Befugnis zu, aufgrund eigener Einschätzung von der Verwaltungsvorschrift abzuweichen. Vielmehr ist der Beamte analog § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG zur Remonstration gegen die Verwaltungsvorschrift und im Falle einer erfolglosen Remonstration analog § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG zur Anwendung der Verwaltungsvorschrift verpflichtet.212 Atypische Fälle beschränken die Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften für die einzelnen Verwaltungsbediensteten somit nicht. Zur Verdeutlichung und im Vorgriff auf spätere Ausführungen muß an dieser Stelle indes nochmals betont werden: Das gefundene Ergebnis beansprucht Konsequenz insoweit lediglich für die beamtenrechtliche Ebene. Damit nicht ausgeschlossen ist, daß den Verwaltungsvorschriften auf staatsrechtlicher Ebene, d. h. gegenüber den Gerichten und den Bürgern sehr wohl eine flexible Bindungswirkung in atypischen Sonderfällen zukommt. ___________ 209 Die Frage der spezifischen Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrift aus der Sicht der Gerichte und des Bürgers ist für ihre beamtenrechtliche Verbindlichkeit ohne Bedeutung. Sie wird daher erst unten im 4. Teil § 8 behandelt werden. 210 Zur Kontroverse über die Rechtswidrigkeit einer behördlichen Maßnahme, die unter Abweichung von einer Verwaltungsvorschrift getroffen wurde, siehe unten 4. Teil. 211 Vgl. insoweit den Rechtsgedanken der Regelung in § 56 Abs. 3 BBG. 212 Zu einer Divergenz von Verwaltungsvorschriften und Gesetzen siehe oben 3. Teil § 5 B. I.
§ 5 Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften
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2. Ausnahmetatbestand des Erkenntnisfortschritts in Wissenschaft und Technik? Des weiteren sollen Verwaltungsvorschriften – namentlich im Umwelt- und Technikrecht – nach überwiegender Auffassung nur Bindungswirkungen entfalten, solange sie nicht durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt seien.213 Mit der begründeten Feststellung, der Stand von Wissenschaft und Technik sei zwischenzeitlich fortgeschritten, könne die Verwaltung von selbstgesetzten Maßstäben abweichen. Die Anforderungen an den Nachweis der Überalterung der Verwaltungsvorschriften hat die Rechtsprechung dabei hoch angesetzt. Zwar soll es für den Wegfall der Verbindlichkeit unerheblich sein, ob die neuen Erkenntnisse „zu brauchbaren Alternativen für eine Normanwendung oder gar Normkonkretisierung geführt haben“214. Andererseits könnten sogar neuere private technische Regelwerke nicht immer den Nachweis inzwischen vorhandenen Erkenntnisfortschritts erbringen.215 Erforderlich seien „konkret feststellbare gesicherte Erkenntnisfortschritte“216. Dazu genügten einzelne abweichende Stimmen in der Wissenschaft nicht.217 Unter Berücksichtigung aller zu dem Problem vertretenen wissenschaftlichen Lehrmeinungen müßten die der Verwaltungsvorschrift zugrundeliegenden Annahmen vielmehr als widerlegt ___________ 213 So grundlegend bereits BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (258) – Voerde; aus der Rechtsprechung ferner etwa BVerwG v. 15.2.1988, DVBl. 1988, 539; OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323) – Buschhaus; OVG Münster v. 9.7.1987, DVBl. 1988, 152. – Aus dem Schrifttum etwa Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 4. Aufl., 2000, Rn. 4/32; Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992, S. 166 f.; Versmann, in: DGAW, Novellierung der TA Siedlungsabfall?, 1996, S. 148 (162); Everling, NVwZ 1993, 209 (214); Gusy, DVBl. 1987, 497 (505); Hill, NVwZ 1989, 401 (410); Himmelmann, DÖV 1996, 145 (150 f.); Kromer, NVwZ 1995, 975 (976); Kutscheidt, NWVBl. 1994, 281 (284); Wahl, NVwZ 1991, 409 (417); Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (160); sowie die oben in Fn. 205 aufgeführten Nachweise. 214 BVerwG v. 21.3.1996, NuR 1996, 522 (523). 215 BVerwG v. 22.5.1987, BVerwGE 77, 285 (290 f.) zu DIN 18005. – Nach der Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte ist das Vorliegen neuer technischer Regelwerke lediglich ein „Indiz“ für neue Erkenntnisse in Technik und Wissenschaft. So OVG Koblenz v. 4.3.1986, NVwZ 1988, 176 (178): Vorliegen anderer Verwaltungsvorschriften; OVG Münster v. 12.4.1978, DVBl. 1979, 316 (317); VG Berlin v. 18.9.1981, UPR 1982, 101 (103): Vorliegen von Entwürfen zur Änderung von Verwaltungsvorschriften. – „Gesicherte“ neue Erkenntnisse verlangen demgegenüber OVG Koblenz v. 11.6.1990, NVwZ 1991, 86 (87); OVG Münster v. 9.7.1987, NVwZ 1988, 173; VGH München v. 30.11.1988, BayVBl. 1989, 530 (533). 216 VGH BW v. 29.6.1994, NVwZ 1995, 292 (294). – Ähnlich BayVGH v. 20.7.1994, NVwZ 1996, 284 (291); VGH BW v. 28.3.1995, NVwZ-RR 1995, 639 (642). – Noch weitergehende Anforderungen stellen Hill, NVwZ 1989, 401 (410): Annahme der Überholung der Verwaltungsvorschrift erst bei „evidentem Verstoß gegen die Anpassungspflicht“ durch den Verwaltungsvorschriftengeber; und Niederstadt, ZUR 1997, 211 (212): wissenschaftliche Widerlegung. 217 Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992, S. 167: „gewisse Festigung neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse“.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
eingestuft werden können.218 H. D. Jarass219 zieht aus dieser Rechtsprechung den noch weitergehenden Schluß, die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften nehme „tendenziell mit ihrem Alter“ ab.220 Bereits die letztgenannte Behauptung ist rechtsdogmatisch nicht haltbar. Zwar können Rechtsnormen durchaus eine unterschiedliche Intensität des Anspruchs auf inhaltliche Befolgung aufweisen. Der Rechtsgeltungsanspruch einer Norm selbst, ihre Verbindlichkeit, kann gleichwohl nur unbedingt sein.221 Dogmatisch betrachtet ist es undenkbar, den Begriff der rechtlichen Geltung oder Verbindlichkeit zeitlich zu graduieren.222 Die Frage der Verbindlichkeit einer Verwaltungsvorschrift verlangt insofern eine eindeutige Entscheidung: Entweder gilt die Vorschrift für den Amtswalter, oder sie gilt nicht.223 Die Alternativität der Entscheidung ist hier „selbstverständlich“224. ___________ 218
Dieses Erfordernis ergebe sich aus der Tatsache, daß ein bestimmtes Maß an Erkenntnisunsicherheit bereits in die Risikoabwägung beim Erlaß der Verwaltungsvorschrift eingeflossen sei. Vgl. BVerwG v. 15.2.1988, NVwZ 1988, 824 (825); OVG Münster v. 9.7.1987, DVBl. 1988, 152 (153). – Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 60, hebt weniger streng darauf ab, ob die der Verwaltungsvorschrift zugrunde liegenden Annahmen „als zentral in Frage gestellt eingestuft werden können“. 219 Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 48 Rn. 37; ders., Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 55 wohl in Anlehnung an Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“, 1992, S. 169. 220 Ebenso Kautz, GewArch 2000, 230 (238): „schleichender Verlust der Wirksamkeit“. 221 Dieser Befund gilt sowohl auf dem Boden einer normativen als auch einer faktischen Normgeltungstheorie. Wird die Legitimation des Geltungsanspruchs einer Norm am Maßstab anderer Rechtsnormen gemessen (so etwa Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, insb. S. 196 ff., 228 ff.), geht man also von normativer Geltung als Kriterium einer Rechtsnorm aus, so handelt es sich bei der Frage nach der Geltung einer Norm um eine Rechtsfrage, die eine eindeutige Antwort verlangt: Die Norm ist verbindlich, oder sie ist es nicht. Aber auch wenn die faktische Geltung einer Norm als entscheidend erachtet wird (so etwa Th. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, 4. Aufl., 1987, insb. S. 165 ff.) und gefragt wird, ob die Norm von ihren Adressaten in der Regel befolgt wird, ist die Feststellung der Normgeltung einer quantifizierbaren Unterscheidung nicht zugänglich: Die Norm ist so lange verbindlich, bis die Befolgungsquote eine bestimmte Schwelle unterschreitet. 222 Engisch, Auf der Suche nach der Gerechtigkeit, 1971, S. 68; J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980, S. 156 f.; Welzel, An den Grenzen des Rechts, 1966, S. 16. 223 Auch unter praktischen Gesichtspunkten begegnet die Annahme Jarass (Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 55) von einer „tendenziellen Abnahme der Bindungswirkung“ der Verwaltungsvorschriften Bedenken. Denn in der Rechtswirklichkeit bleiben veraltete Standards vielfach erhalten. Bis zum Inkrafttreten der TA Lärm v. 26.8.1998 (GMBl. 1998 S. 503) etwa richtete sich der Lärmschutz drei Jahrzehnte lang maßgeblich nach der alten TA Lärm v. 16.7.1968 (Beilage zum BAnz. Nr. 137 v. 26.7.1968), die noch auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 2 GewO ergangen war und auch nach Erlaß des BImSchG im Jahre 1974 (§ 66 Abs. 2 BImSchG) fortgalt. Zwar
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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Zwar können Verwaltungsvorschriften, die einen überholten technischen oder wissenschaftlichen Stand perpetuieren, nicht mehr als Konkretisierung des einfachen Gesetzes gelten. Dieses Schicksal teilen sie jedoch mit anderen untergesetzlichen Normen, die unbestimmte Rechtsbegriffe etwa im Umweltrecht durch veraltete Grenzwerte näher ausgestalten. Im übrigen gelten auch hier die Überlegungen, die bereits zum Fall gesetzesinkongruenter Verwaltungsvorschriften dargelegt wurden.225 Kommen dem Amtswalter Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer Verwaltungsvorschrift, weil diese nicht mehr dem vom Gesetz geforderten „Stand von Wissenschaft und Technik“ entspricht, so hat er zu remonstrieren. Bestätigen sein unmittelbarer und sein nächsthöherer Vorgesetzter die Verwaltungsvorschrift, ist der Amtswalter nach § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG zu ihrer Ausführung verpflichtet; ihre Verbindlichkeit entfällt nicht.226 Es bleibt daher festzuhalten: Weder bei atypischen Fallgestaltungen noch bei Erkenntnisfortschritten in Wissenschaft und Technik sind sachliche oder zeitliche Grenzen der Verbindlichkeit intrasubjektiver Verwaltungsvorschriften anzuerkennen.
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften In den vorherigen Ausführungen wurde die „Grundform der Verwaltungsvorschriften“227, die intrasubjektive Verwaltungsvorschrift, als Emanation der administrativen Sachleitungsgewalt dargestellt und die Grenzen ihrer Bindungswirkung untersucht. Im Anschluß daran geht es in den folgenden Erörterungen um Verwaltungsvorschriften zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern. Von rechtswissenschaftlichem Interesse sind hier namentlich die Verwaltungsvorschriften zwischen dem Bund und den Ländern sowie dem Bund und den Ge___________ wurde der Regelungsgehalt der TA Lärm 1968 schon seit geraumer Zeit als überholt angesehen; eine Novellierung des Regelungswerkes scheiterte jedoch. Einzelne Verwaltungsvorschriften gegen Baulärm sind bereits über 20 Jahre alt und gelten so, wie sie § 66 Abs. 2 BImSchG bei seinem Inkrafttreten vorfand. Auch die TA Luft erfuhr in den Jahren 1964, 1974, 1983, 1986 und 2002 einige wenige Änderungen oder Neufassungen, ohne daß ihre Verbindlichkeit zu irgendeinem Zeitpunkt bestritten worden wäre. Kritisch gegenüber einer Verringerung der Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften durch Zeitablauf deshalb auch F.-J. Kunert, NuR 1999, 430 f.; Rindtorff, UPR 1997, 450. 224 J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980, S. 157. 225 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 226 Im Ergebnis ebenso Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 230-233; ferner Gusy, in: H.-J. Koch/Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 1994, S. 185 (203), jeweils hinsichtlich der sogenannten „Außenwirkung“ der Verwaltungsvorschriften. 227 Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 42.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
meinden, die infolge der Eigenstaatlichkeit der Länder und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zahlreiche ungelöste Probleme mit sich bringen.
A. Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Ländern Administrative Einflußnahmen des Bundes auf die Verwaltungstätigkeit der Länder finden sich sowohl im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen als auch im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung. Im gesetzesfreien Bereich lassen sich intersubjektive Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Ländern allerdings lediglich im Rahmen der sogenannten Bundesfondsverwaltung beobachten. Diese birgt umfangreichen speziellen Konfliktstoff in sich, der durch eine hier erforderliche abstrahierende (verfassungs)rechtliche Betrachtung losgelöst vom konkreten Einzelfall nur schwer durchleuchtet werden kann.228 Aufmerksamkeit sollen daher im Folgenden nur die intersubjektiven Verwaltungsvorschriften finden, die der Bund beim Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder nach Maßgabe der Art. 83 ff., 108 GG erläßt.
I. Landeseigenverwaltung nach Art. 83, 84 GG Entsprechend der Zuständigkeitsvermutung des Art. 83 GG führen die Länder die Bundesgesetze in der Regel als eigene Angelegenheit aus. Daran anknüpfend hebt Art. 84 Abs. 1 GG besonders hervor, daß im Rahmen des Vollzugstyps der Landeseigenverwaltung die Organisationsgewalt229 dem jeweils ausführenden Land verbleibt.230
1. Ermächtigungsgrundlage Charakteristikum der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen ist somit die Kompetenz der Länder, sowohl die allgemeinen Verwaltungsmaßnah___________ 228
Zur Bundesfondsverwaltung aus dem Schrifttum etwa Köttgen, Fondsverwaltung in der Bundesrepublik, 1965, passim; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 376-380; Friauf, DVBl. 1966, 729 ff.; H. P. Ipsen, DVBl. 1956, 461 ff., 498 ff., 602 ff.; Stern, JZ 1960, 518 ff.; jeweils mit weiteren Nachweisen. 229 Grundlegend zum Begriff der Organisationsgewalt E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 21 ff.; Köttgen, VVDStRL 16 (1958), S. 191 ff. 230 So auch die Sicht von Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 3; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 12; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 1 f.; Schmidt-Bleibtreu, in: ders./Klein, GG, 9. Aufl., 1999, Art. 84 Rn. 1.
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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men durchzuführen als auch die konkreten Verwaltungsentscheidungen, etwa in Form eines Verwaltungsakts, zu treffen. Darin eingeschlossen ist die Befugnis der jeweiligen Landesexekutive, Verwaltungsvorschriften zu erlassen.231 Die so begründete Sachleitungsgewalt der Länder wird nun durch Art. 84 Abs. 2 GG eingeschränkt und partiell auf die Bundesregierung übertragen.232 Diese Bestimmung ermächtigt die Bundesregierung zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates. Art. 84 Abs. 2 GG ist daher nicht nur eine Kompetenzverteilungsregel, sondern eine Ermächtigungsgrundlage, ohne die der Bund Verwaltungsvorschriften gegenüber den Ländern nicht erlassen dürfte.233 Als Ermessensvorschrift234 räumt Art. 84 Abs. 2 GG der Bundesregierung zunächst das Recht ein, Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Ob sich die Ermächtigung in Art. 84 Abs. 2 GG auch zu einer Pflicht zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften verdichten kann, ist im Schrifttum umstritten. P. Lerche nimmt eine Reduzierung des Ermessens für den Fall an, daß „anders eine hinreichend effektive Ausführung des Bundesgesetzes schlechthin nicht sichergestellt werden“ könne. Eine solche Situation sei etwa gegeben, wenn „anders grundrechtlichen Schutzgeboten nicht rechtzeitig entsprochen werden“ könne.235 Dem hält G. Hermes entgegen, daß im Falle grundrechtlicher Schutzpflichten nach der Wesentlichkeitstheorie „bereits das Parlamentsgesetz selbst die Vollzugsfähigkeit im notwendigen Maße sichert, so daß eine Vollzugssicherung durch Verwaltungsvorschriften überflüssig“ sei.236 Art. 1 Abs. 3 GG bindet aber nicht nur die gesetzgebende, sondern auch die vollziehende Gewalt an die ___________ 231 Ausdrücklich Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 83 Rn. 32; Lerche (1983), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 66 mit Fn. 242; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 83 Rn. 4. 232 Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 20; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 86; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 370: Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 84 Abs. 2 GG als „Instrumente partieller Geschäftsleitungsgewalt der Bundesregierung“. 233 Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 56; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 7; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 33. 234 Vgl. den Wortlaut des Art. 84 Abs. 2 GG: „Die Bundesregierung kann [...].“ 235 Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 91 mit Fn. 42 a. – Ihm folgend Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 20; modifiziert Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 7: Verpflichtung zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften, wenn anders eine hinreichend effektive Ausführung des Bundesgesetzes unmöglich ist. 236 Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 64 unter Berufung auf BVerfG v. 15.3.1960, BVerfGE 11, 6 (18). – Ebenso im Ergebnis Bull (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 84 Rn. 39; Groß (2001), in: Berliner Kommentar, GG, Art. 84 Rn. 32; Hamann jr., in: ders./Lenz, GG, 3. Aufl., 1970, Art. 84 Rn. 6; v. Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. III, 2. Aufl., 1974, Art. 84 Anm. IV. 1. e) cc); Schmidt-Bleibtreu, in: ders./Klein, GG, 9. Aufl., 1999, Art. 84 Rn. 11.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Grundrechte. Soweit der Gedanke des „dynamischen Grundrechtsschutzes“237 reicht, kann die Exekutive daher durchaus dazu angehalten sein, etwa in Verwaltungsvorschriften festgelegte Umweltstandards der fortgeschrittenen technischen Entwicklung anzupassen. Die Lage spitzt sich freilich zu, wenn der Bundesrat die Zustimmung zum gebotenen Erlaß der Verwaltungsvorschrift verweigert. Denn nach einhelliger Auffassung besteht keine Pflicht die Bundesrates, die nach Art. 84 Abs. 2 GG erforderliche Zustimmung zu erteilen; der Bundesrat ist hierbei vielmehr frei.238 In einem solchen Fall kann die allgemeine Verwaltungsvorschrift nicht erlassen werden. Das Gebot des „dynamischen Grundrechtsschutzes“ wird durch dieses Ergebnis dennoch nicht wieder in Frage gestellt: Die grundrechtliche Schutzpflicht trifft nunmehr zuvörderst die einzelnen gesetzesausführenden Bundesländer.239
2. Begriff der „Allgemeinheit“ der Verwaltungsvorschriften in Art. 84 Abs. 2 GG Der Begriff der „Allgemeinheit“ stellt die Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG in einen deutlichen Gegensatz zu den „Einzelweisungen für besondere Fälle“ in Art. 84 Abs. 5 GG. Nach fast einhelliger Auffassung soll er besonders zum Ausdruck bringen, daß Verwaltungsvorschriften eine unbestimmte Anzahl von Sachverhalten regeln. Der Zusatz „allgemein“ beziehe sich daher ausschließlich auf den Inhalt der Verwaltungsvorschriften.240 Daß Ver___________ 237 Zum „dynamischen Grundrechtsschutz“ vgl. insbesondere die KalkarEntscheidung des BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (139 f.): „Die Beurteilung eines konkreten Risikos ist nur unter Berücksichtigung der Wirkungszusammenhänge aller Risikofaktoren und der zu ihrer Eindämmung möglichen Vorkehrungen vorzunehmen; mit der technischen Entwicklung [...] können sich die Gewichtungen der einzelnen Faktoren von Mal zu Mal verändern. Nur eine laufende Anpassung der für eine Risikobeurteilung maßgeblichen Umstände an den jeweils neuesten Erkenntnisstand vermag hier dem Grundsatz einer bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zu genügen. Diese Beurteilung in die Hand der Exekutive zu geben, deren rechtliche Handlungsformen sie für die erforderliche Anpassung sehr viel besser ausrüsten als den Gesetzgeber, dient auch insoweit einer Dynamisierung des Rechtsgüterschutzes.“ 238 Vgl. statt vieler Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 113; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 9. 239 So wohl auch Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 91 in Fn. 42 a. 240 Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 29; Hamann jr., in: ders./Lenz, GG, 3. Aufl., 1970, Art. 84 Anm. 7; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 57; v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., 1953, Art. 84 Anm. 3; ders./Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. III, 2. Aufl., 1974, Art. 84 Anm. IV. 1. c) aa); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 8; Schmidt-Bleibtreu, in: ders./Klein, GG, 9. Aufl., 1999, Art. 84 Rn. 12; Dux, Bundesrat und Bundesaufsicht, 1963, S. 88 f.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 364.
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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waltungsvorschriften durch eine abstrakte Formulierung gekennzeichnet sind und keine Einzelfälle regeln dürfen, kann als sicher gelten.241 Wird „allgemein“ jedoch lediglich als verstärkende Betonung des abstrakten Charakters einer jeden Verwaltungsvorschrift gesehen, kommt dem Merkmal keine eigenständige Bedeutung zu. Aus diesem Grund sieht H. D. Jarass in dem Adjektiv einen Hinweis darauf, daß der Bund nur einheitliche Verwaltungsvorschriften für alle Bundesländer erlassen könne. „Allgemein“ beziehe sich folglich nicht auf den Inhalt, sondern allein auf den Adressatenkreis der Verwaltungsvorschriften.242 Eine grammatische Auslegung des Grundgesetzartikels kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Das Wort „allgemein“ kann vom natürlichen Sprachgebrauch her sowohl den Adressatenkreis als auch den Inhalt eines Rechtsaktes näher erläutern, wie ebenfalls die umstrittene Interpretation der Vorläuferbestimmungen des Art. 84 Abs. 2 GG im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zeigt. „Allgemeine Verwaltungsvorschriften“ wurden bereits in Art. 7 Ziff. 2 RV 1871243 erwähnt. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 ermächtigte die Reichsregierung in ihrem Art. 15 Abs. 2 Satz 1244 zum Erlaß „allgemeiner Anweisungen“, in Art. 77 Satz 1245 zum Erlaß „allgemeiner Verwaltungsvorschriften“. Die Staatsrechtslehre unter der Reichsverfassung von 1871 verstand „allgemein“ überwiegend zunächst noch im Sinne einer Geltung in allen Einzelstaaten.246 Demgegenüber wurde im rechtswissenschaftlichen Schrifttum der Weimarer Republik höchst kontrovers diskutiert, ob das „Allgemeine“ ___________ 241
Vgl. bereits oben 1. Teil § 1 A. I. 2. Jarass, in: Lukes, Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 367 (374). – Widersprüchlich dagegen Bull, in: AK, GG, Bd. 2, 2. Aufl., 1989, Art. 84 Rn. 37, nach dem sich der Charakter als „allgemeine“ Vorschriften nicht zu ändern brauche, „solange nur nicht der Kreis der Adressaten im vornhinein feststeh(e)“. Soll der Kreis der möglichen Adressaten einer Verwaltungsvorschrift jedoch nicht die Bürger, sondern ausschließlich Organe oder Organwalter eines Verwaltungsbereichs umfassen (so Bull, in: AK, GG, Bd. 2, 2. Aufl., 1989, Art. 84 Rn. 33), ist der Adressatenkreis immer von vornherein bestimmt oder bestimmbar; anders nunmehr Bull (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 84 Rn. 37: allein auf die abstrakte Vielheit von Sachverhalten abstellend. 243 Art. 7 Ziff. 2 RV 1871 (RGBl. 1871 S. 63 [67]): „Der Bundesrath beschließt: [...] 2) über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, soweit nicht durch Reichsgesetz etwas Anderes bestimmt ist [...].“ 244 Art. 15 Abs. 2 Satz 1 WRV 1919 (RGBl. 1919 S. 1383 [1387]): „Soweit die Reichsgesetze von den Landesbehörden auszuführen sind, kann die Reichsregierung allgemeine Anweisungen erlassen.“ 245 Art. 77 Satz 1 WRV 1919 (RGBl. 1919 S. 1383 [1397]): „Die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften erläßt, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, die Reichsregierung.“ 246 A. Arndt, Verfassung des Deutschen Reichs, 2. Aufl., 1902, Art. 7 Anm. 7 (S. 118); Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. I, 1892, § 45 III. 3. (S. 288 f.); wohl auch Gebhardt, Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches, 1912, S. 144 f. – Vgl. ferner Triepel, Reichsaufsicht, 1917, S. 622, 623 mit Fn. 1. 242
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
der Anweisungen und der Verwaltungsvorschriften in der Allgemeinheit des Adressatenkreises247 oder der Allgemeinheit des Inhalts248 zu suchen sei.249 Zwar lassen sich auch der Entstehungsgeschichte der Art. 83 ff. GG keine ausdrücklichen Hinweise auf die Allgemeinheit der Verwaltungsvorschriften entnehmen.250 Im Rahmen der Debatte um die Einführung von Weisungsrechten des Bundes gegenüber den Ländern gaben Abgeordnete des Parlamentarisches Rates allerdings zu erkennen, daß der Zusatz „allgemein“ den Adressatenkreis eines Rechtsaktes näher umschreibe. So hob etwa der Abgeordnete Dr. Kleindinst den Unterschied zwischen allgemeinen und Einzelweisungen wie folgt hervor: „Dem Herren Kollegen Dr. Laforet schwebt die unmittelbare Weisung an die Mitteloder Unterbehörden im einzelnen Fall vor. [...] Allgemeine Weisungen sind etwas anderes, sie binden alle Behörden.“251
Ebenso gab der Abgeordnete Dr. Strauß unwidersprochen zu erkennen, „allgemein“ seien nur die Weisungen, die sich an alle Länderbehörden richteten: „Was die allgemeinen Anweisungen betrifft, so sind es grundsätzliche Anweisungen darüber, wie ein Gesetz auszuführen ist. Solche allgemeinen Anweisungen richten sich natürlich, unabhängig vom Instanzenzug, an sämtliche Behörden, die ein solches Gesetz auszuführen haben.“252
___________ 247 Etwa Triepel, in: Festgabe für W. Kahl, 1923, Beitrag II, S. 1 (85). – Ihm folgend Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, 3. Aufl., 1928, Art. 15 Anm. 8 (S. 137), Art. 77 Anm. 2 (S. 335); Forsthoff, AöR 58 (1930), 61 (79). 248 Etwa Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 10. Aufl., 1929, Art. 15 Anm. 4 (S. 113 f.), Art. 77 Anm. 3 (S. 358); ders., in: ders./Thoma, HdbDStR I, 1930, S. 363 (376). 249 Offen gelassen von Bornhak, Grundriß des Deutschen Staatsrechts, 1920, S. 162. 250 Vgl. 16. Sitzung des Hauptausschusses v. 3.12.1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 189-194; 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431-441; 36. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 445; 45. Sitzung des Hauptausschusses v. 19.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 593-595; 50. Sitzung des Hauptausschusses v. 10.2.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 655 (661); 57. Sitzung des Hauptausschusses v. 5.5.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 743 (756). 251 Abgeordneter Dr. Kleindinst, 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431 (439 f.). 252 Abgeordneter Dr. Strauß, 45. Sitzung des Hauptausschusses v. 19.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 593 (595).
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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Da dem Merkmal „allgemein“ nach den Vorstellungen des Parlamentarischen Rates innerhalb derselben Grundgesetzbestimmung kein unterschiedlicher Begriffsinhalt zukommen sollte,253 läßt eine historische Auslegung des Art. 84 Abs. 2 GG somit nur folgenden Schluß zu: „Allgemein“ sind einheitliche Verwaltungsvorschriften für alle Bundesländer. Vordergründig entspricht diesem Ergebnis die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Telos des Art. 84 Abs. 2 GG, der „vor allem“ in der Gewährleistung der einheitlichen Ausführung von Bundesgesetzen gesehen wird.254 Nun mag die Sicherung der Gleichmäßigkeit des Vollzugs gewiß den „kräftigsten Ansporn“255 für die Ermächtigung in Art. 84 Abs. 2 GG gegeben haben. Soll die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften aber letztlich als Emanation des Gleichbehandlungsgrundsatzes aufgefaßt werden, müssen auch Fallkonstellationen denkbar sein, bei denen eine unterschiedliche Behandlung der Bundesländer geboten ist. Mit anderen Worten: Da der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, nur wesentlich Gleiches gleich,256 wesentlich Ungleiches aber ungleich zu behandeln,257 muß die Bundesregierung die Eigentümlichkeiten einzelner Länder auch bei dem Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften berücksichtigen können. Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die besonderen Verhältnisse einzelner Länder kann dann unter Umständen zur Zulässigkeit von Verwaltungsvorschriften führen, die nur an einzelne Landesregierungen gerichtet sind. Mögen sich die Ergebnisse einer an der Genese und dem Telos orientierten Auslegung des Art. 84 Abs. 2 GG auf den ersten Blick widersprechen, so können sie doch synthetisch zusammengefügt werden: Für den Regelfall fordert das Adjektiv der „Allgemeinheit“ den Erlaß von Verwaltungsvorschriften für alle Bundesländer. Aufgrund besonderer Umstände in einzelnen Ländern ist im ___________ 253
Zumindest läßt sich den Materialien zur Entstehungsgeschichte des Art. 84 GG nichts Gegenteiliges entnehmen. Vgl. dazu die Redebeiträge in den oben in Fn. 250 angeführten Sitzungen des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates. 254 BVerfG v. 15.3.1960, BVerfGE 11, 6 (18). – Ebenso Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 22, 29; Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 20; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 56. – Ähnlich Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 1: „Gewährleistung eines wirksamen Vollzugs der Bundesgesetze“. 255 Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 9 a. E. 256 Vgl. etwa BVerfG v. 8.6.1988, BVerfGE 78, 249 (287); v. 30.9.1987, BVerfGE 76, 256 (329); v. 18.7.1984, BVerfGE 67, 239 (244); v. 23.10.1951, BVerfGE 1, 14 (52); BFH v. 3.8.1988, BFHE 154, 383 (387). 257 Vgl. beispielhaft BVerfG v. 15.7.1998, BVerfGE 98, 365 (385); v. 23.3.1994, BVerfGE 90, 226 (239); v. 12.5.1992, BVerfGE 86, 81 (87); v. 24.4.1991, BVerfGE 84, 133 (158); v. 13.5.1986, BVerfGE 72, 141 (150); BGH v. 30.7.1990, BGHZ 112, 163 (173).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Ausnahmefall aber eine nur partielle Geltung der Verwaltungsvorschriften zulässig.
3. Zuständigkeit der „Bundesregierung“ nach Art. 84 Abs. 2 GG Art. 84 Abs. 2 GG weist der „Bundesregierung“, die Befugnis zu, allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Ob darunter ausschließlich die Bundesregierung als Kollegialorgan zu verstehen ist258 oder ebenfalls ein einzelner Bundesminister zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften ermächtigt wird (oder werden kann)259, zählt – auch nach zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts260 – zu den bis heute ungeklärten Problemen des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes.
a) Verfassungsunmittelbare Ermächtigung eines Bundesministers In seinem Beschluß vom 15. Juli 1969261 hatte der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts hervorgehoben, daß unter „Bundesregierung“ im Sinne des Art. 84 Abs. 2 GG262 nur das aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern bestehende Kollegium zu verstehen sei. Allerdings enthalte Art. 84 Abs. 2 GG ___________ 258
Für eine verfassungsunmittelbare Ermächtigung nur des Regierungskollegiums Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 19; Groß (2001), in: Berliner Kommentar, GG, Art. 84 Rn. 33; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 65; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 202-207; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 804; v. Wick, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, 1957, S. 108; Kratzer, DÖV 1952, 230 ff.; ders., DÖV 1953, 172 f.; H. Rittstieg, InfAuslR 1989, 307 (309); H. Schäfer, DÖV 1960, 641 (648). – Differenzierend Dux, Bundesrat und Bundesaufsicht, 1963, S. 91: Zuständigkeit des Regierungskollegiums nur bei Verwaltungsvorschriften „von allgemeiner politischer Bedeutung“. 259 Für eine verfassungsunmittelbare Ermächtigung auch einzelner Minister BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (399); BVerwG v. 20.6.1973, BVerwGE 42, 279 (283) zu Art. 84 Abs. 2 und 5 GG; v. 4.7.1972, NJW 1972, 1773 f.; Herrfahrdt (Erstbearb.), in: BK, GG, Art. 84 Anm. II. 3.; Redeker, DÖV 1952, 235 ff. – Für die Zulässigkeit einer konstitutiven einfachgesetzlichen Ministerermächtigung Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl., 1996, Art. 84 Rn. 25 f. (a. A. nunmehr ders., in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 25 f.); E. Klein, DVBl. 1970, 109 ff.; H. H. Klein, in: BVerfG und GG, Bd. II, 1976, S. 277 (292 f.); Bleibaum, DVBl. 1999, 1265 f.; A. Tschentscher, JZ 1999, 993 ff. – Unentschieden Blümel, AöR 93 (1968), 200 (202 mit Fn. 8). 260 BVerfG v. 2.3.1999, BVerfGE 100, 249 ff.; v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 ff. – Die beiden Entscheidungen referierend Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (542 f.); R. Schmidt, JuS 1999, 861 (862); Sachs, JuS 2000, 60 f. 261 BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 ff. 262 Das BVerfG bezog sich in seinem Beschluß vom 15.7.1969 sowohl auf die Ermächtigung in Art. 84 Abs. 2 GG als auch auf die in Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG.
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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„kein Verbot, durch Bundesgesetz auch einen Ressortminister zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften zu ermächtigen“. Solche speziellen gesetzlichen Ermächtigungen einzelner Bundesminister seien daher zulässig.263 Daß der Begriff „Bundesregierung“ nur das Kollegium von Bundeskanzler und Bundesministern umfaßt, bestätigte der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts264 in seinem Beschluß vom 11. März 1999. Von seiner bisherigen Rechtsprechung, Ermächtigungen einzelner Bundesminister zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften dürften durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates erteilt werden, rückte der 2. Senat dagegen ab. Allgemeine Verwaltungsvorschriften für den Vollzug des Bundesgesetze durch die Länder im Auftrage des Bundes könnten gemäß Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG265 „ausschließlich von der Bundesregierung als Kollegium mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden“. Der einfache Bundesgesetzgeber sei daher „nicht frei, abweichend von dieser grundgesetzlichen Ausgestaltung des föderativen Prinzips, einen anderen Ermächtigungsadressaten auszuwählen und dafür die Zustimmung des Bundesrates einzuholen“.266 Auf den ersten Blick ist der Aussagegehalt des Beschlusses eindeutig: Der einfache Bundesgesetzgeber darf vom grundgesetzlich vorgesehenen Ermächtigungsadressaten nicht abweichen. Zweifel an dieser Lesart sollen jedoch die unzureichende Begründung und die Isoliertheit der Aussage im Gesamtkontext der Entscheidungsgründe wecken.267 Im neueren Schrifttum werden aus der Entscheidung daher unterschiedliche Schlußfolgerungen für die Ministerbefugnis zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften gezogen.268 Zunächst deuten die Legaldefinition der „Bundesregierung“ in Art. 62 GG sowie die Gegenüberstellung von Bundesregierung und Bundesminister bzw. Bundesregierung und oberster Bundesbehörde in Art. 80 Abs. 1 und 2, 85 Abs. 2 und 3 GG in der Tat auf den – vermeintlich eindeutigen – Willen des Verfassungsgebers, unter „Bundesregierung“ in Art. 84 Abs. 2 GG sei ausschließlich das Kollegium von Bundeskanzler und Bundesministern zu verste___________ 263
BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (399). BVerfG v. 2.3.1999, BVerfGE 100, 249 ff. 265 Das BVerfG bezieht sich ausdrücklich nur auf die Verwaltungsvorschriften nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG. Seine Argumentation ist aber auf die Ermächtigung in Art. 84 Abs. 2 GG übertragbar. 266 BVerfG v. 2.3.1999, BVerfGE 100, 249 (261). 267 So Bleibaum, DVBl. 1999, 1265 (1266); für Interpretationsbedürftigkeit des Beschlusses ferner A. Tschentscher, JZ 1999, 993. – Vgl. dagegen den eindeutigen Leitsatz des BVerfG v. 2.3.1999, BVerfGE 100, 249. 268 Gegen die Befugnis einzelner Bundesminister nunmehr Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 65; R. Schmidt, JuS 1999, 861 (862). – Weiterhin für die Befugnis einzelner Bundesminister Bleibaum, DVBl. 1999, 1265 f.; A. Tschentscher, JZ 1999, 993-996. 264
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
hen.269 Bei einer grammatischen Auslegung stehenbleiben zu wollen, bedeutete jedoch die Nichtbeachtung der „fehlenden Schlußredaktion des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes“270. Nicht umsonst wird deshalb neben dem Wortlaut die Entstehungsgeschichte des Art. 84 Abs. 2 GG sowohl für271 als auch gegen272 ein weites Begriffsverständnis der „Bundesregierung“ angeführt. Vorab sei klargestellt, daß sich – entgegen einer verbreiteten Ansicht273 – aus der Rechtspraxis unter der Weimarer Reichsverfassung keine Rückschlüsse für die Interpretation des Ermächtigungsadressaten in Art. 84 Abs. 2 GG ziehen lassen. Art. 77 Satz 1 WRV 1919274 ermächtigte die „Reichsregierung“ die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Das Problem, ob mit „Reichsregierung“ nur das Kollegium oder auch der einzelne Reichsminister gemeint sei, lösten Teile des damaligen Schrifttums275 und der Rechtsprechung276 zwar zugunsten einer weiten Auslegung. Dieser Auffassung entsprach in der Praxis § 56 Abs. 1 Satz 1 des Besonderen Teils der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien vom 1. August 1924277, nach dem die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften „die Reichsregierung, und zwar in der Regel der zuständige Fachminister“ erließ, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmten. Indes war die Verfassungsmäßigkeit dieser Praxis schon in der Weimarer Staatsrechtslehre ___________ 269 Siehe bereits oben 3. Teil § 5 A. II. 1. – Vgl. ferner die folgenden Formulierungen in Art. 43 Abs. 1 GG („jedes Mitglied der Bundesregierung“), 58 Satz 1 („Bundeskanzler oder zuständiger Bundesminister“), 66 („Bundeskanzler und die Bundesminister“), 69 Abs. 2 („Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers“) oder 120 a Abs. 1 Satz 1 GG („Bundesregierung und zuständige oberste Bundesbehörden“). 270 BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (396) mit weiteren Nachweisen; ebenso BVerwG v. 20.6.1973, BVerwGE 42, 279 (283). 271 Herrfahrdt (Erstbearb.), in: BK, GG, Art. 84 Anm. II. 3.; Haun, Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten, 1972, S. 64-68; Redeker, DÖV 1952, 235 f.; vgl. auch Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 213-217 zu Art. 86 Satz 1 GG. 272 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 457; E. Klein, DVBl. 1970, 109; Kratzer, DÖV 1952, 230 (231 f.); ders., DÖV 1953, 172 f.; A. Tschentscher, JZ 1999, 993 (994). 273 So aber Herrfahrdt (Erstbearb.), in: BK, GG, Art. 84 Anm. II. 3.; Kratzer, DÖV 1952, 230 (231 f.); Redeker, DÖV 1952, 235; A. Tschentscher, JZ 1999, 993 (995); mit jeweils unterschiedlichen Schlußfolgerungen. 274 RGBl. 1919 S. 1383 (1397). – Vgl. auch Art. 15 Abs. 2 Satz 1 WRV 1919 (RGBl. 1919 S. 1383 [1387]): „Soweit die Reichsgesetze von den Landesbehörden auszuführen sind, kann die Reichsregierung allgemeine Anweisungen erlassen.“ 275 Etwa Gebhard, Kommentar zur Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919, 1932, Art. 56 Anm. 6; Poetzsch-Heffter, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR I, 1930, S. 511 ff.; Triepel, AöR 39 (1920), 456 (482). 276 Etwa RG v. 21.10.1925, RGZ 112, 108; v. 14.11.1924, RGSt 58, 401 (407). 277 Vgl. RMBl. 1926 S. 997 f.; RMBl. 1924 S. 237.
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höchst umstritten,278 so daß sie für die Auslegung des Grundgesetzes kaum herangezogen werden kann. Überdies wurde unter „Reichsregierung“ nur dann der nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelminister verstanden, wenn der Erlaß der Verwaltungsvorschrift eine Angelegenheit seines Geschäftsbereichs war, für den er gemäß Art. 56 Satz 2 WRV 1919 die Verantwortung zu tragen hatte.279 Einer unreflektierten Transformation dieser Lehre auf den grundgesetzlichen Bundesstaat aber steht die prinzipielle Eigenständigkeit der Länder beim Vollzug von Bundesgesetzen entgegen. Weder im Rahmen der Landeseigenverwaltung noch der Bundesauftragsverwaltung verkümmern die Länderbehörden zu den jeweiligen Bundesministern untergeordneten Verwaltungsstellen. Erstreckt sich die Ressortselbständigkeit der Bundesminister nach Art. 65 Satz 2 GG mithin nicht auf die Länderbehörden, kann Art. 84 Abs. 2 GG im Vergleich zu Art. 77 Satz 1 WRV 1919 schwerlich als Beleg einer „kontinuierlichen staatsrechtlichen Entwicklung“280 qualifiziert werden. Damit sind zwei Argumente zugleich widerlegt: Der historische Art. 77 Satz 1 WRV 1919281 eignet sich ebensowenig zur Begründung einer weiten Interpretation der „Bundesregierung“ in Art. 84 Abs. 2 GG wie der derzeitige Art. 65 Satz 2 GG282. Dennoch liefert die Entstehungsgeschichte des Art. 84 Abs. 2 GG Anhaltspunkte für eine Auslegung des Begriffs „Bundesregierung“, wie im Folgenden ausführlicher dargelegt wird. Der Grundgesetzentwurf des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee ermächtigte in seinem Art. 112 die „Bundesregierung und nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung die einzelnen Bundesminister“ (im Rahmen der bundeseigenen Verwaltung) zum Erlaß der notwendigen Durchführungsverordnungen. Für den Erlaß von Verwaltungsvorschriften beim Ländervollzug nach Weisung und als landeseigene Angelegenheit wurde dagegen in Art. 113 Satz 1, 114 Abs. 1 des Herrenchiemseer Entwurfs die Zuständigkeit
___________ 278 Gegen die Zulässigkeit der Rechtspraxis etwa Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, Art. 57 Anm. 2 (S. 330), Art. 77 Anm. 2 und 5 (S. 411 f., 413); Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., 1931, Art. 57 Anm. 1, Art. 77 Anm. 2; zweifelnd auch W. Jellinek, Verfassung und Verwaltung des Reichs und der Länder, 1925, S. 84 f.: „nicht unbedenkliche Auslegung einer doch ganz klaren Bestimmung“; Jacobi, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 236 (247, 261). 279 Vgl. Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919, 1932, Art. 77 Anm. 3 a); Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung vom 11.8.1919, 3. Aufl., 1928, Art. 77 Anm. 5; Triepel, AöR 39 (1920), 456 (482). 280 Redeker, DÖV 1952, 235. 281 A. A. die oben in Fn. 273 genannten Autoren. 282 A. A. Dux, Bundesrat und Bundesaufsicht, 1963, S. 90; Redeker, DÖV 1952, 235 (236).
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der „Bundesregierung“ begründet.283 Daß hierbei der Zusatz „nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung die einzelnen Bundesminister“ mitgedacht werden sollte, ergibt sich indirekt aus Art. 114 Abs. 2 Satz 2 des Herrenchiemseer Entwurfs. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift, der nur „die Bundesregierung“ nennt, sollte auch „der zuständige Bundesminister“ in Ausübung der Bundesaufsicht Beauftragte zu den obersten Landesbehörden entsenden können.284 Im Parlamentarischen Rat beschäftigte sich zuerst der Zuständigkeitsausschuß mit der Materie, der die hier einschlägigen Formulierungen aus dem Herrenchiemseer Entwurf ohne wesentliche Änderungen übernahm.285 Der Allgemeine Redaktionsausschuß dagegen legte in seiner Stellungnahme eine überarbeitete Fassung vor. In einer allgemeinen Vorschrift für alle drei Verwaltungstypen des Vollzugs von Bundesgesetzen wurden vorweg „die Bundesregierung und nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung die einzelnen Bundesminister“ zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften ermächtigt. Ausdrücklich sollten auch beim Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit Bundesregierung und Bundesminister zuständig sein.286 Der Hauptausschuß nahm diese Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses einstimmig in erster Lesung an.287 Von Bedeutung ist, daß zwischen der Fassung des Zuständigkeits- und der des Allgemeinen Redaktionsausschusses keine inhaltliche Abweichung gesehen, die Vorlage des Zuständigkeitsausschusses vielmehr ausschließlich aus redaktionellen Gründen verworfen wurde.288 In einer erneuten Stellungnahme strich der Allgemeine Redaktionsausschuß indes die allgemeine Vorschrift, welche die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften auch den Bundesministern zugewiesen hatte. Auf die einzelnen Bundesminister wurde nunmehr nur noch im Artikel über die bundeseigene Verwaltung Bezug genommen. Im Rahmen der Bestimmungen über die Landeseigen- und die Bun___________ 283
Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v. 10.23.8.1948, Teil C („Entwurf eines Grundgesetzes“), in: Der Parlamentarische Rat: 19481949, Bd. 2, 1981, S. 504 (605). 284 Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v. 10.23.8.1948, Teil B („Darstellender Teil“), in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 2, 1981, S. 504 (562): „In Ausübung der Bundesaufsicht kann der zuständige Bundesminister auch Beauftragte zu den obersten Landesbehörden [...] entsenden.“. 285 Art. 112-114 i. d. F. der vorläufigen Formulierungen der Fachausschüsse v. 18.10.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 1 (30 f.). 286 Art. 112-2 i. d. F. der Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses v. 10.11./5.12.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 36 (71 f.). 287 Art. 112/2 i. d. F. der vom Hauptausschuß in erster Lesung angenommenen Fassung v. 10.12.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 91 (117 f.). 288 So ausdrücklich der Vorsitzende des Hauptausschusses, Abgeordneter Dr. Schmid, 16. Sitzung des Hauptausschusses v. 3.12.1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 189 (190): „Auch hier scheint mir genau dasselbe gesagt zu sein, nur flüssiger.“
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desauftragsverwaltung war statt dessen allein von der „Bundesregierung“ die Rede.289 In seiner zweiten Lesung stimmte der Hauptausschuß dieser Vorlage zu, nicht ohne jedoch den Passus „die Bundesregierung und nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung die einzelnen Bundesminister“ nunmehr auch in der Vorschrift über die bundeseigene Verwaltung durch die Formulierung „die Bundesregierung“ zu ersetzen.290 Bei dieser Fassung blieb es bis zum Ende der Beratungen des Parlamentarischen Rates. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Sowohl im Herrenchiemseer Entwurf des Grundgesetzes als auch den Entwürfen des Parlamentarischen Rates bis zur ersten Lesung des Hauptausschusses wird das Merkmal „Bundesregierung“ lediglich aus redaktionellen Gründen verwendet; die Befugnis eines einzelnen Bundesministers zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften sollte ersichtlich nicht ausgeschlossen werden. Seit seiner zweiten Lesung verwendet der Hauptausschuß dagegen ausschließlich die Kurzformel „die Bundesregierung“. Hätte er damit eine qualitative Zuständigkeitsänderung für der Erlaß der Verwaltungsvorschriften bewirken wollen, wäre eine entsprechende Diskussion zu dieser Frage zu erwarten gewesen. Eine Auseinandersetzung ist indes nirgends ersichtlich. Nicht ohne Grund: Gerade weil unter der „Bundesregierung“ auch der einzelne Minister verstanden wurde, konnten weitere Zusätze ohne nähere Diskussion als überflüssiges Beiwerk gestrichen werden. Nach den Vorstellungen des Verfassungsgebers sollte folglich auch der einzelne Bundesminister zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften ermächtigt sein.291 Dem widerspricht nicht die vom Bundesverfassungsgericht erkannte Schutzfunktion des Art. 84 Abs. 2 GG. Art. 84 Abs. 2 GG treffe Vorkehrungen zum Schutze der Verwaltungseigenständigkeit der Länder auch dadurch, daß er den Erlaß von Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung als Kollegium vorbehalte, so der 2. Senat in seinem Beschluß vom 15. Juli 1969.292 Nun mag zwar eine obligatorische Kabinettsvorlage eine gewisse „Appellwirkung“ aufweisen, indem sie an die Eigenständigkeit der Länder erinnert.293 Ob aber bei der Bera___________ 289
Bei der Bundesaufsicht wurden Bundesregierung und Bundesminister dagegen noch gemeinsam genannt. Vgl. Art. 112-2 Abs. 2 in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuß redigierten Fassung v. 13.-18.12.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 19481949, Bd. 7, 1995, S. 133 (176 f.). 290 Vgl. Art. 115 in der vom Hauptausschuß in zweiter Lesung beschlossenen Fassung v. 20.1.1949, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 202 (263). 291 Zutreffend Haun, Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten, 1972, S. 65-68; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 217. 292 BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (397); ebenso H. H. Klein, in: BVerfG und GG, Bd. II, 1976, S. 277 (293). – A. A. BVerfG v. 2.3.1999, BVerfGE 100, 249 (262); v. Wick, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, 1957, S. 102. 293 So Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 204; ähnlich E. Klein, DVBl. 1970, 109 (110): „deklamatorische Unterstreichung“.
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tung und Beschlußfassung der Verwaltungsvorschriften im Regierungskabinett nicht letztlich doch eher gesamtstaatliche als länderbezogene Interessen Berücksichtigung finden, ist keineswegs ausgeschlossen.294 Eine Schutzfunktion zugunsten der Ländereigenständigkeit kommt insofern allein dem Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates zu.295 Davon schien auch der Verfassungsgeber selbst auszugehen. Anderenfalls wäre es kaum plausibel, daß Art. 80 Abs. 2 Var. 3 GG bei Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die von den Ländern im Auftrag des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, zwar einerseits die Zustimmung des Bundesrates fordert, andererseits aber einen einzelnen Bundesminister als Ermächtigungsadressaten ausreichen läßt.296 Eine historische und systematische Auslegung beweist folglich die verfassungsrechtliche Befugnis der Bundesregierung sowie – nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung – eines einzelnen Bundesministers zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften im Rahmen des Art. 84 Abs. 2 GG. Der Schutzzweck der Bestimmung steht diesem Befund nicht entgegen.
b) Einfachgesetzliche Ermächtigung eines Bundesministers? Bundesgesetzlichen Ermächtigungen einzelner Ressortminister zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften kann daher allenfalls kompetenzverteilende Bedeutung zukommen. Die Annahme einer konstitutiven Ministerermächti-
___________ 294 Zweifelnd auch Dux, Bundesrat und Bundesaufsicht, 1963, S. 91; v. Wick, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, 1957, S. 102; E. Klein, DVBl. 1970, 109 f.; Th. Koch, Jura 2000, 179 (183 f.); A. Tschentscher, JZ 1999, 993 (996). 295 Vgl. nunmehr ebenso BVerfG v. 2.3.1999, BVerfGE 100, 249 (262). 296 Das Gegenargument von Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 457 mit Fn. 23, Art. 80 Abs. 2 GG könnten keine Rückschlüsse für die hier interessierende Problematik entnommen werden, weil die Vorschrift „nicht im föderativen Spannungsfeld“ stehe, widerspricht der Entstehungsgeschichte der Norm. Art. 114 Abs. 1 in der vom Hauptausschuß in erster Lesung angenommenen Fassung ermächtigte zum Erlaß der „Ausführungsvorschriften (Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften)“ für den Vollzug der Bundesgesetze in Landeseigenverwaltung. In der zweiten Lesung des Hauptausschusses wurden die Rechtsverordnungen aus dem Grundgesetzabschnitt über „(d)ie Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung“ gestrichen und in den Abschnitt „Die Gesetzgebung des Bundes“ transferiert. Grund war allein die Vorstellung, daß Rechtsverordnungen im Gegensatz zu Verwaltungsvorschriften Rechtsnormen seien und deshalb systematisch in den Abschnitt über die Gesetzgebung gehörten. Eine „föderative Entschärfung“ der Rechtsverordnungen war mit dieser Änderung nicht verbunden. Vgl. Abgeordneter Dr. v. Mangoldt, 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431 (432).
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gung im Bereich des Art. 84 GG durch Parlamentsgesetz297 kann demgegenüber nicht überzeugen.298
4. Erfordernis einer „Zustimmung des Bundesrates“ Die nach Art. 84 Abs. 2 GG erforderliche Zustimmung des Bundesrates299 kann durch schlichten Beschluß erteilt werden.300 Sie bezieht sich auf den Erlaß der jeweiligen allgemeinen Verwaltungsvorschrift als Einheit.301 Soweit herrscht Einigkeit.
a) Verzichtbarkeit der Zustimmung des Bundesrates? Umstritten ist indes die Frage, ob die Zustimmung des Bundesrates verzichtbar ist, mithin auch einfache Beschlüsse der Bundesregierung302 Verbindlichkeit für die Länder nach Art. 84 Abs. 2 GG entfalten. Die Antwort, die der 11. Senat des VGH Mannheim303 gab, lautet: Ja! Beschlüsse der Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates stellten sich als „unvollkommene, gleichsam ‚steckengebliebene‘ Verwaltungsvorschriften“ dar. Der in ihnen „eindeutig ge___________ 297 So A. Tschentscher, JZ 1999, 993 (994, 996), der eine verfassungsunmittelbare Ermächtigung einzelner Bundesminister ablehnt, eine einfachgesetzliche Ermächtigung dagegen für zulässig hält. 298 Im Ergebnis ebenso Haun, Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten, 1972, S. 68 mit Fn. 32; Bettermann, DAR 1962, 100 (101); Kratzer, DÖV 1952, 230 (233, 234). 299 Art. 120 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 GG normiert eine verfassungsunmittelbare Ausnahme für den Lastenausgleich, umgesetzt durch § 319 Abs. 2 Satz 2 und 3 LAG (i. d. F. v. 2.6.1993, BGBl. I S. 845 [886 f.]) sowie § 23 Abs. 2 Satz 2 und 3 FeststG (i. d. F. v. 1.10.1969, BGBl. I S. 1885 [1892]). 300 Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 27; Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 22; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 66; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 113. – Vgl. zur Praxis des Bundesrates Limberger, Die Kompetenzen des Bundesrates und ihre Inanspruchnahme, 1982, S. 101, nach dem der Bundesrat in acht Legislaturperioden 585 Vorlagen beschlossen habe, die allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Inhalt hatten, dagegen nur in drei Fällen seine Zustimmung versagt habe. 301 Vgl. ebenso die ständige Rechtsprechung des BVerfG zum Zustimmungserfordernis in Art. 84 Abs. 1 GG BVerfG v. 13.4.1978, BVerfGE 48, 127 (177 f.); v. 25.6.1974, BVerfGE 37, 363 (380 f., 383 f.); v. 9.10.1968, BVerfGE 24, 184 (194 f.); v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274 (294). 302 Vgl. aus der Praxis etwa die „Beschlüsse der Bundesregierung zur sozialverantwortlichen Steuerung des Familiennachzugs zu Ausländern aus Nicht-EG-Staaten“ v. 2.12.1981, abgedruckt in: InfAuslR 1981, 306 f. 303 VGH Mannheim v. 6.10.1983, NVwZ 1984, 327 ff.
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äußerte und inhaltlich festgelegte Wille der Bundesregierung“ sei nach dem „Sinn und Zweck“ des Art. 84 Abs. 2 GG für die Länder „beachtlich“. Das vorgesehene Verfahren für den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften könne ohnehin „grundsätzlich nicht wie ein förmliches Gesetzgebungsverfahren“ gesehen werden. Vielmehr sei „die damit beabsichtigte gegenseitige Bindung und Abstimmung auf den Verwaltungsebenen des Bundes und der Länder entscheidend“. Ohne Zustimmung des Bundesrates ergangene Beschlüsse der Bundesregierung hätten daher „für die Länder Leitcharakter in dem Sinne, daß der Inhalt dieser Beschlüsse die eigene Regelungsbefugnis der Länder insoweit inhaltlich verbindlich beschränk(e)“304. Der 1. Senat des VGH Mannheim305 will dieser Auffassung nicht folgen. Weil die Zustimmung des Bundesrates fehle, komme entsprechenden Beschlüssen der Bundesregierung lediglich Empfehlungscharakter zu. In ihren Wirkungen dürften sie einer Verwaltungsvorschrift im Sinne des Art. 84 Abs. 2 GG nicht gleichgestellt werden.306 Im Ergebnis ist dem 1. Senat des VGH Mannheim beizupflichten. Um die Länder vor einem „Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen“307, macht Art. 84 Abs. 2 GG den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften von der Zustimmung des Bundesrates abhängig. Das Zustimmungserfordernis ist insofern eine Ausformung des grundgesetzlichen Bundesstaatsprinzips und zugleich ein „Element zusätzlicher funktionaler Gewaltenteilung“308. Es soll verhindern, daß Machtverschiebungen im föderalen Kompetenzgefüge im Wege einfacher Beschlüsse der Bundesregierung ermöglicht werden.309 Eine Gleichstellung entsprechender Beschlüsse mit allgemeinen Verwaltungsvorschriften würde diesem Anliegen des Zustimmungserfordernisses in Art. 84 Abs. 2 GG diametral entgegenstehen.310 Ist die Zustimmung des ___________ 304
VGH Mannheim v. 6.10.1983, NVwZ 1984, 327 (329). VGH Mannheim v. 20.2.1984, NVwZ 1984, 598 ff. 306 VGH Mannheim v. 20.2.1984, NVwZ 1984, 598. 307 BVerfG v. 10.12.1980, BVerfGE 55, 274 (319). 308 BVerfG v. 10.12.1980, BVerfGE 55, 274 (318) zum Zustimmungserfordernis in Art. 84 Abs. 1 GG. 309 Ähnlich BVerfG v. 10.12.1980, BVerfGE 55, 274 (318 f.); v. 13.4.1978, BVerfGE 48, 127 (178); v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (397) zum Zustimmungserfordernis in Art. 84 Abs. 1 GG. – Darüber hinaus mißt ein Teil der Literatur dem Zustimmungserfordernis sogar eine kompensatorische Funktion zu: Der Kompetenzverlust der Länder im Verwaltungsbereich soll durch ihre Mitwirkung im Bundesrat ausgeglichen werden. So etwa Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 14; Sachs, VVDStRL 58 (1999), S. 39 (47). Kritisch hierzu Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 63. 310 Ebenfalls scheitert die Umdeutung eines Regierungsbeschlusses in eine Verwaltungsvorschrift analog § 47 Abs. 1 VwVfG. Eine Umdeutung in eine Verwaltungsvorschrift ist nur zulässig, falls die formellen Voraussetzungen einer Verwaltungsvorschrift 305
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Bundesrates somit unverzichtbare Voraussetzung rechtsverbindlicher Verwaltungsvorschriften des Bundes gegenüber den Ländern,311 kann Beschlüssen der Bundesregierung allenfalls empfehlende Bedeutung zukommen.312
b) Zulässigkeit der „Maßgabebeschlüsse“ des Bundesrates In der Rechtspraxis erteilt der Bundesrat seine Zustimmung häufig nur unter dem Vorbehalt bestimmter inhaltlicher Änderungen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser sogenannten „Maßgabebeschlüsse“313 ist nicht unbestritten.314 Die praktizierten „Maßgabebeschlüsse“ sind freilich nur dann verfassungswidrig, wenn sie gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Postulat der Verantwortungsklarheit315 verstoßen. Art. 84 Abs. 2 GG ermächtigt nicht nur die Bundesregierung zum Erlaß bestimmter Verwaltungsvorschriften, sondern legt gleichzeitig ihre Verantwortlichkeit im Sinne einer Einstehenspflicht316 für die erlassenen Rechtssätze fest. Mitwirkungsvorbehalte müssen deshalb verfassungsrechtlich daran gemessen werden, ob durch sie eine tatsächliche interne Machtverteilung entsteht, die mit der nach außen vorgesehenen Machtverteilung ___________ vorliegen (vgl. Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 640 f. [S. 181]; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 10 Rn. 44 [S. 272-274], § 24 Rn. 42 [S. 645 f.]). Vorliegend fehlt jedoch das (formelle) Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates. 311 Die Mitwirkung des Bundestages beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften, wie sie im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes v. 3.1.1975 (BT-Drucks 7/3055, S. 2) erwogen wurde, ist zulässig, sofern die Bundesregierung letztlich frei entscheiden kann, ob und wann sie die Verwaltungsvorschrift erläßt oder nicht. Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 Satz 1, 86 Satz 1 und 108 Abs. 7 GG enthalten lediglich das Verbot solcher Mitwirkungsrechte des Bundestages, die in der Sache auf ein parlamentarisches Recht zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften hinauslaufen. Dazu ausführlich unten im 4. Teil § 8 B. III. 2. 312 Ebenso im Ergebnis BVerwG v. 18.9.1984, BVerwGE 70, 127 (131); VGH Mannheim v. 20.2.1984, NVwZ 1984, 598; M. Müller, Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht, 1986, S. 256-258; B. Huber, NJW 1984, 2008 (2010). 313 Ausführliche Darstellung bei Nierhaus (Drittbearb., 1998), in: BK, GG, Art. 80 Abs. 2 Rn. 673-721; Riese, Der Maßgabebeschluß des Bundesrates, 1992, passim; Scholz, DÖV 1990, 455 ff. 314 Für Verfassungswidrigkeit plädiert etwa Jekewitz, Recht und Politik 29 (1993), 72 (76 f.); skeptisch auch Scholz, DÖV 1990, 455 (458). Von einer Zulässigkeit ohne Einschränkungen geht demgegenüber § 70 Abs. 2 GGO II aus. 315 BVerfG v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274 (321) in Anlehnung an B. Wolff, AöR 78 (1952/53), 194 (217); zum Gebot der Verantwortungsklarheit als Unterfall des rechtsstaatlichen Gebots nach Verläßlichkeit der staatlichen Ordnung ferner Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VII Rn. 58. 316 Vgl. Lerche (1983), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 107.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
unvereinbar ist. Eine solche Verschiebung der Verantwortungszurechenbarkeit bewirken die „Maßgabebeschlüsse“ des Bundesrates nicht. Da die Änderungswünsche für die Bundesregierung nicht bindend sind, verbleibt ihr weiterhin die Möglichkeit, von einem Erlaß der Verwaltungsvorschrift abzusehen. Zur Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift bedürfen die Beschlüsse des Bundesrates zudem wiederum ihrerseits der Zustimmung der Bundesregierung,317 deren Rechtsetzungskompetenz somit gewahrt bleibt. Solange die „Maßgabebeschlüsse“ den Regelungsrahmen der Bundesregierung nicht sprengen, kann Art. 84 Abs. 2 GG ein Verbot dieser Mitwirkungsform des Bundesrates folglich nicht entnommen werden.318
5. Inhalt allgemeiner Verwaltungsvorschriften Indem Art. 84 GG in Abs. 1 für die Regelung der „Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens“ durch den Bund ein zustimmungsbedürftiges Gesetz verlangt, wirft er fast von selbst die Frage nach dem Verhältnis zu den Verwaltungsvorschriften in Abs. 2 auf. Mit anderen Worten: es stellt sich das Problem des zulässigen Inhalts allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG. Wie so oft stehen sich zwei Extrempositionen gegenüber. Zum Teil wird ein „Alternativitätsverhältnis“ zwischen Abs. 1 und Abs. 2 dergestalt angenommen, daß die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren sowohl durch Bundesgesetze als auch durch Bundesverwaltungsvorschriften geregelt werden könne. Ausgangspunkt dieser Lehrmeinung ist der folgende Befund: Grundsätzlich sei es für den Bund verfahrensmäßig einfacher, die Zustimmung des Bundesrates zu Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG zu erlangen als zu Bundesgesetzen im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG. Wenn der Bund gegen derartige Gesetze Widerstand durch den Bundesrat erwarte, läge es daher nahe, die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren auf dem „unauffälligeren Weg der Setzung von Verwaltungsvorschriften“ einzuführen. Die spätere Heraufstufung solcher Regelungen zu Bundesgesetzen sei dadurch nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil wachse die Qualität der Gesetzgebung sogar, wenn die Materie schon durch Verwaltungsvorschriften vorstrukturiert sei und diese einige Zeit erprobt worden seien.319 Nach anderer Ansicht verwehrt es der in Art. 84 Abs. 1 GG normierte Gesetzesvorbehalt der Bundesregierung, die Einrichtung der Behörden und das Ver___________ 317
Vgl. die Regelung in § 70 Abs. 2 GGO II. Im Ergebnis auch Riese, Der Maßgabebeschluß des Bundesrates, 1992, S. 148. 319 Bull (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 84 Rn. 36 im Anschluß an Held, AöR 80 (1955/56), 50 (55-57). 318
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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waltungsverfahren durch Verwaltungsvorschriften zu regeln.320 Art. 84 Abs. 1 GG teile die Zuständigkeit abschließend zwischen den Ländern und dem Bundesgesetzgeber auf; Parallelzuständigkeiten der Bundesregierung existierten daneben nicht. Zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 84 GG bestünde deshalb ein „Exklusivitätsverhältnis“.321 Letztlich ergibt sich der zulässige sachgegenständliche Inhalt der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG jedoch aus der Wesentlichkeitslehre sowie den Grundsätzen vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes. Dienen Verwaltungsvorschriften im Rahmen des Art. 84 GG der Ausführung von Bundesgesetzen, sind sie mithin gesetzesakzessorisch, dürfen sie daher zunächst „thematisch nicht über das Gesetz selbst hinausgehen“322, sollen sie nicht gegen den Vorrang des Gesetzes verstoßen. Darüber hinaus setzt die Wesentlichkeitslehre323 dem Inhalt der Verwaltungsvorschriften Grenzen, indem sie – vorbehaltlich ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Vorgaben – „wesentliche“ Sachthemen der Legislative zuweist und umgekehrt der Exekutive vorenthält.324 In concreto resultiert daraus: Die Entstehung und Beendigung rechtsfähiger Verwaltungsträger, die Schaffung neuer Behörden mit hoheitlichen Befugnissen und die Ausstattung bestehender Behörden mit solchen Befugnissen bedürfen in den Grundzügen einer gesetzlichen Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG.325 Denn sachlich bedeutsame Regelungen über den Aufbau und die Struktur der Verwaltung insgesamt sind „wesentliche“ Entscheidungen für das Staatswesen im Sinne der Wesentlichkeitslehre. Innerhalb einer bestehenden Organisation allerdings steht der Exekutive das Recht zu, neue Behörden oder Verwaltungsstellen ohne hoheitliche Entscheidungsbefugnisse durch Verwaltungsvorschriften zu schaffen.326 Die Wesentlichkeitslehre bestimmt auch insoweit die parlamentsgesetzliche Regelungsbedürftigkeit und Regelungsdichte.
___________ 320 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 364-368; modifizierend Köttgen, VVDStRL 16 (1958), S. 154 (185 f.). 321 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 367 f. im Anschluß an v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., 1953, Art. 84 Anm. 3. 322 So zutreffend Köttgen, VVDStRL 16 (1958), S. 154 (186). 323 Ausführlich zum Verhältnis von Wesentlichkeitslehre und Vorbehalt des Gesetzes im 4. Teil § 8. 324 Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 18; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 58; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 88; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 8. 325 Vgl. nur Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 301 f. (S. 89); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 21 (S. 127). 326 Im Ergebnis ebenso bereits die ältere Lehre; exemplarisch G. Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. II, 7. Aufl., 1917, S. 670 in Fn. 5; aus der
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Zu differenzieren gilt es ebenfalls bei Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen. Wenn die Zuweisung von Zuständigkeiten und Hoheitsbefugnissen in einem Akt erfolgen, die Regelung des Eingriffs also erst mit der Zuständigkeitsbestimmung vervollständigt wird, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage.327 Das ergibt sich schon daraus, daß die Grundrechte nicht nur materielle Verbürgungen enthalten, sondern auch eine entsprechende Gestaltung der Organisation und des Verfahrens erfordern („Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren“). Grundrechtsrelevante Bestimmungen sind aber immer „wesentlich“ im Sinne der Wesentlichkeitslehre. Andererseits folgt daraus nicht, daß die Regelung der Behördenzuständigkeit „bis in alle Einzelheiten“328 dem Gesetz vorbehalten ist. Aus einem Umkehrschluß aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine Zuständigkeitsregelung im Bereich der Judikative unter Gesetzesvorbehalt stellt,329 ergibt sich vielmehr, daß es der Exekutive nicht „ausnahmslos“ untersagt ist, Zuständigkeitsfragen in Verwaltungsvorschriften zu entscheiden. In seinem Beschluß vom 28. Oktober 1975 entschied das Bundesverfassungsgericht daher zutreffend, daß die „relativ untergeordnete Regelung (der) Modalitäten“ einer gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung, die bereits selbst den „Eingriff“ enthalte, durch Verwaltungsvorschriften zulässig sei.330 Unstreitig einer Normierung durch Verwaltungsvorschriften zugänglich sind zudem reine Organisationsmaßnahmen wie etwa die Untergliederung einer Behörde.331
6. Verhältnis zwischen Verwaltungsvorschriften des Bundes und Landesrecht Existiert Landesrecht – etwa in Form von Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsabkommen oder Parlamentsgesetzen – stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieser Regelungen zu den Verwaltungsvorschriften des Bundes gemäß Art. 84 Abs. 2 GG.
___________ Rechtsprechung etwa BayVGH v. 20.1.1956, BayVBl. 1956, 121 f., mit Anmerkung Obermayer, BayVBl. 1956, 123. 327 Vgl. nur Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 302 (S. 89). 328 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (250). 329 So BVerfG v. 10.6.1953, BVerfGE 2, 307 (319 f.). 330 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (250 f.) zur Einführung eines verwaltungsrechtlichen Vorverfahrens nach § 24 Abs. 2 EGGVG durch Verwaltungsvorschriften; im Ergebnis ähnlich BVerwG v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 327 ff. zur Festlegung der örtlichen Zuständigkeit von Wehrersatzbehörden durch Verwaltungsvorschriften. 331 Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 855 (S. 248); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 21 Rn. 66 (S. 546).
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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Bei einer Kollision von Verwaltungsvorschriften des Bundes mit solchen der Länder332 herrscht zunächst noch Einigkeit: Entgegenstehende Landesverwaltungsvorschriften werden durch Bundesverwaltungsvorschriften verdrängt.333 Gleichwohl ist die dogmatische Herleitung dieses Grundsatzes ungeklärt. Während eine Lehrmeinung Art. 31 GG als Kollisionsnorm heranzieht,334 rekurrieren andere auf die Ermächtigungsnorm des Art. 84 Abs. 2 GG, der die Kompetenz der Landesbehörden zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften inhaltlich begrenze.335 Zur Lösung bedarf es zunächst – wie so oft – der Differenzierung. Art. 31 GG setzt die Anwendung gültigen Bundes- und Landesrechts voraus; denn kompetenzwidriges Landesrecht ist schon wegen des Kompetenzverstoßes nichtig.336 Nimmt der Bund aber die ihm in Art. 84 Abs. 2 GG eingeräumte Befugnis in Anspruch, verlieren die Länder ihre Kompetenz zum Erlaß entgegenstehender Verwaltungsvorschriften. Zeitlich nach entsprechenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes erlassene Landesverwaltungsvorschriften sind daher kompetenzwidrig und gemäß Art. 84 Abs. 2 GG nichtig. Bei zeitlich vorgelagerten Landesverwaltungsvorschriften steht den Ländern dagegen zunächst die (Verbands-)Kompetenz zu. Erst mit der rechtmäßigen Inanspruchnahme von Bundeskompetenz nach Art. 84 Abs. 2 GG tritt eine Sperrwirkung für den Landesverwaltungsvorschriftengeber ein. Die Verbandskompetenz der Länder erlischt (rückwirkend) von diesem Zeitpunkt an; bereits erlassene Landesverwaltungsvorschriften werden unzulässig und nichtig. Art. 84 Abs. 2 GG wirkt somit „nach rückwärts als Aufhebung, nach vorwärts als Sperre“337 und ist auch inso___________ 332 Zur praktischen Bedeutung von Landesverwaltungsvorschriften beim Landesvollzug von Bundesgesetzen beispielhaft BVerwG v. 15.3.1985, NVwZ 1985, 497 f.; Hailbronner, JZ 1983, 574 (580-582). 333 BVerwG v. 18.9.1984, BVerwGE 70, 127 (131); VGH Mannheim v. 6.10.1983, ESVGH 34, 81 (84 f.); Bothe (2001), in: AK, GG, Bd. 2, 3. Aufl, Art. 31 Rn. 18; Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 22; H. Dreier, in: ders., GG, Bd. II, 1998, Art. 31 Rn. 33 mit Fn. 102; Groß (2001), in: Berliner Kommentar, GG, Art. 84 Rn. 32 bei Fn. 105; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 61; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 86; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 8. 334 VGH Mannheim v. 6.10.1983, ESVGH 34, 81 (84 f.): „Rechtsgedanke des Art. 31 GG“; Bothe (2001), in: AK, GG, Bd. 2, 3. Aufl., Art. 31 Rn. 18; Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 22. 335 Wohl BVerwG v. 18.9.1984, BVerwGE 70, 127 (131); ferner H. Dreier, in: ders., GG, Bd. II, 1998, Art. 31 Rn. 33 mit Fn. 102; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 62; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 31 Rn. 2, Art. 84 Rn. 8. 336 BVerfG v. 29.1.1974, BVerfGE 36, 342 (364); BayObLG v. 9.10.1985, NJW 1986, 1002; Bernhardt/Sacksofsky (Drittbearb., 1998), in: BK, GG, Art. 31 Rn. 52; a. A. Maunz (1960), in: ders./Dürig, GG, Art. 31 Rn. 21. 337 In Anlehnung an eine Formulierung von Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, Art. 13 Anm. 3.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
weit lex specialis zu Art. 31 GG.338 Entgegenstehende Landesverwaltungsvorschriften, die zeitlich vor allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes ergehen, sind deshalb ebenfalls nach Maßgabe des Art. 84 Abs. 2 GG nichtig. Gleiches gilt für die Kollision von Verwaltungsvorschriften des Bundes und Verwaltungsvereinbarungen der Länder.339 Im übrigen aber fallen Verwaltungsvorschriften – entgegen der wohl herrschenden Auffassung340 – sehr wohl in den Anwendungsbereich des Art. 31 GG. Auch Verwaltungsvorschriften sind Rechtssätze341 und damit „Bundesrecht“ bzw. „Landesrecht“ im Sinne des Art. 31 GG.342 Für das Verhältnis zwischen Bundesverwaltungsvorschriften und Landesgesetzen will M. Bothe Art. 31 GG dennoch nur Anwendung finden lassen, sofern sich das Landesgesetz auf eine „Regelung des Innenverhältnisses“ beschränke. Regele das Landesgesetz das „Außenverhältnis“ in einer mit der Bundesverwaltungsvorschrift unvereinbaren Weise, müsse die Landesverwaltung das Gesetz befolgen.343 Daß diese Differenzierung beamtenrechtlich unhaltbar ist, braucht angesichts der Gehorsamspflicht des Amtswalters auch bei gesetzeswidrigen Verwaltungsvorschriften nicht weiter ausgeführt zu werden.344 Unabhängig von ihrer Verbindlichkeit für Gerichte oder Bürger ergehen (intersubjektive) Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG im übrigen zwischen zwei selbständigen Verwaltungsträgern und sind daher stets „außenwirksam“.345 Einer Anwendung des Art. 31 GG auch in dieser Fallkonstellation steht daher nichts entgegen.346
___________ 338 Ähnlich die wohl überwiegende Auffassung zum Verhältnis zwischen Art. 70 ff. und Art. 31 GG. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 31 Rn. 3, Art. 71 Rn. 2, 5, Art. 72 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen. 339 Im Ergebnis ebenso H. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 1 (21). 340 Bernhardt/Sacksofsky (Drittbearb., 1998), in: BK, GG, Art. 31 Rn. 34; H. Dreier, in: ders., GG, Bd. II, 1998, Art. 31 Rn. 33 mit Fn. 102; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 31 Rn. 4; Maunz (1960), in: ders./Dürig, GG, Art. 31 Rn. 4. – Differenzierend Huber, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 31 Rn. 4 mit Fn. 17: Anwendung des Art. 31 GG nur auf normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. 341 Siehe oben 2. Teil § 3. 342 Im Ergebnis ebenso Bothe (2001), in: AK, GG, Bd. 2, 3. Aufl., Art. 31 Rn. 18; Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 22; wohl auch Lerche (1987), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 85 Rn. 40 bei Fn. 15. 343 Bothe (2001), in: AK, GG, Bd. 2, 3. Aufl., Art. 31 Rn. 19. 344 Siehe oben 3. Teil § 5 B. I. 3. 345 Statt vieler Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 820. 346 Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 22; Lerche (1987), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 85 Rn. 40 mit Fn. 15.
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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7. Verwaltungsvorschriften und Bundesaufsicht Interpretationsschwierigkeiten im Rahmen des Art. 84 GG bereitet ebenfalls das Verhältnis des Abs. 2 zu den Abs. 3 und 4. In concreto zählt zu den ungeklärten Fragen, ob sich der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften im Sinne des Abs. 2 als Maßstab und bzw. oder als Mittel der Bundesaufsicht darstellt.347 Die Palette der vertretenen Auffassungen ist fast ebenso breit wie die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten: Allgemeine Verwaltungsvorschriften werden als Mittel und Maßstab der Aufsicht qualifiziert,348 lediglich als Maßstab der Bundesaufsicht begriffen349 oder gänzlich der Vorstellungswelt der Aufsicht entzogen350.
a) Maßstab der Bundesaufsicht Maßstab der Aufsicht ist das „geltende Recht“ im Sinne des Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG, mithin alle geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen, die die Länder bei der verwaltungsmäßigen Ausführung der Bundesgesetze zu beachten haben.351 Normative Verbindlichkeit gegenüber den Ländern entfalten aber auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften im Sinne des Abs. 2. Sie sind zumindest Maßstab der Bundesaufsicht.352 ___________ 347 Der Streit wurde bereits in der Zeit vor Geltung des Grundgesetzes geführt. Während die Reichsregierung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 WRV 1919 „allgemeine Anweisungen“ erlassen konnte, wurde sie durch Art. 77 Satz 1 WRV 1919 zum Erlaß „allgemeiner Verwaltungsvorschriften“ ermächtigt. Nach verbreiteter Auffassung der damaligen Staatsrechtslehre waren die allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Art. 77 WRV 1919 Maßstab, die allgemeinen Anweisungen des Art. 15 WRV 1919 Mittel der Reichsaufsicht. Inhaltlich konnten jedoch keine faßbaren Unterschiede festgestellt werden. Vgl. dazu etwa Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, Art. 15 Anm. 5 (S. 120 mit Fn. 2), Art. 77 Anm. 5 (S. 413); Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, 3. Aufl., 1928, Art. 15 Anm. 8; Triepel, Die Reichsaufsicht, 1917, S. 380; ders., in: Festgabe für W. Kahl, 1923, Beitrag II, S. 1 (8285); Forsthoff, AöR 58 (1930), 61 (79). 348 Dux, Bundesrat und Bundesaufsicht, S. 83-87; Haun, Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten, 1972, S. 93-96. 349 Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 27; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 77; Herrfahrdt (Erstbearb.), in: BK, GG, Art. 84 Anm. II. 4.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 368-371. 350 Hamann jr., in: ders./Lenz, GG, 3. Aufl., 1970, Art. 84 Anm. 8. 351 Ähnlich bereits Triepel, Die Reichsaufsicht, 1917, S. 378; ferner Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 33; Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 27; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 805; Frowein, Die selbständige Bundesaufsicht nach dem Grundgesetz, 1961, S. 20. 352 Im Ergebnis ebenso Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 27; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 77; Lerche (1985), in: Maunz/Dü-
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Der Vorschlag dagegen, lediglich normkonkretisierende bzw. außenwirksame Verwaltungsvorschriften als Aufsichtsmaßstab in Betracht zu ziehen,353 vernachlässigt den rechtlich unmittelbar verpflichtenden Charakter aller Verwaltungsvorschriften für die Landesbehörden und ist daher mit Art. 84 Abs. 2 GG unvereinbar. Nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist allerdings der Einwand, durch die Erhebung der Verwaltungsvorschriften zum Aufsichtsmaßstab komme die in Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG vorgesehene Rechtsaufsicht einer Fachaufsicht nahe. Der Verfassungsgeber hat dies aber gebilligt. Nach Art. 112/2 Abs. 2 der dem Hauptausschuß des Parlamentarischen Rats in zweiter Lesung vorliegenden Fassung eines Grundgesetzentwurfs sollte die Bundesregierung zwar lediglich „die Aufsicht über die gesetzmäßige Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder“ ausüben.354 Einigkeit bestand aber darüber, daß die Länder im Rahmen des Vollzugs von Bundesgesetzen auch zur Beachtung der allgemeinen Verwaltungsvorschriften verpflichtet seien.355 Zur Vermeidung von Mißverständnissen wurde Art. 112/2 Abs. 2 daher wie folgt geändert: „Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß die Bundesgesetze durch die Länder dem geltenden Recht gemäß ausgeführt werden.“356 An der Qualifizierung der Verwaltungsvorschriften als Maßstab der Bundesaufsicht ließ der Verfassungsgeber ___________ rig, GG, Art. 84 Rn. 157; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 12; Hantke, Bundesstaatliche Fragen des Energierechts, 1990, S. 184-188; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 371. 353 Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 33; Blümel, in: HStR IV, 2. Aufl., 1999, § 101 Rn. 44 (S. 883 f.). – Ähnlich Bull, in: AK, GG, Bd. 2, 1. Aufl., 1984, Art. 84 Rn. 56, nach dem Verwaltungsvorschriften nur dann Maßstab der Aufsicht sind, wenn in ihrer Verletzung zugleich eine Verletzung des Art. 3 GG liegt; weitergehend nunmehr Bull (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 84 Rn. 56. 354 Vgl. 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431. 355 Vgl. etwa Abgeordneter Dr. Hoch, 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431 (433): „[...] Alles das, was der Bund auch im Rahmen der allgemeinen Verwaltungsvorschriften anordnen kann, muß das Land beachten. Das Recht der Nachprüfung, ob es beachtet ist, steht dem Bund auch zu. Darüber kann nach meiner Meinung gar kein Zweifel bestehen. [...]“ – Darauf der Abgeordnete Dr. Schmid, 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431 (433): „Ich glaube, man kann schlechthin nicht anders. Sonst hat es keinen Sinn, dem Bund das Recht zu geben, allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen.“ – Abgeordneter Dr. Laforet, 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431 (433): “ – An die die Länder gebunden sind und bei denen nur ein Streit entstehen kann, ob das in die allgemeinen Verwaltungsvorschriften aufgenommen werden konnte. Die Bindung des Landes an die Norm, auch an die Verwaltungsvorschrift, ist zuzugeben. [...]“. 356 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431 (435).
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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somit keine Zweifel. Im übrigen mag dem Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates beim Erlaß der allgemeinen Verwaltungsvorschriften eine Schutzfunktion zur Verhinderung von Mißbräuchen zukommen.357
b) Mittel der Bundesaufsicht? Mittel der Bundesaufsicht sind allgemeine Verwaltungsvorschriften indes nicht. Als echte Aufsichtsmittel gelten neben den in Art. 84 Abs. 3 und 4 GG genannten Kompetenzen des Bundes – Entsendung von Beauftragten und Mängelrüge – nur ein Recht auf Auskunft und Information und ein Untersuchungsrecht. Die Absonderung der Verwaltungsvorschriften von der Gruppe der echten Aufsichtsmittel folgt zunächst nicht aus der Inkongruenz von Geschäftsleitung und Aufsicht, wie eine Ansicht im Schrifttum meint. Verwaltungsvorschriften seien „Instrumente partieller Geschäftsleitungsgewalt der Bundesregierung“, welche die Bundes- und Landesbehörden zu einem „einheitlichen Verwaltungskörper“ zusammenschweiße und damit im Gegensatz zur Aufsicht „in eigener Sache“ erfolge. Die Aufsicht demgegenüber beziehe sich auf fremde Angelegenheiten.358 Im Bereich der Landeseigenverwaltung nach Art. 84 GG verschmelzen Bundes- und Landesbehörden jedoch nicht zu einem einheitlichen Verwaltungskörper. Die Länder führen die Bundesgesetze vielmehr als „ihre“ eigene Angelegenheit aus; ihre Eigenständigkeit bleibt insofern erhalten. Vornehmliches Kennzeichen echter Aufsichtsmittel im Sinne des Art. 84 Abs. 3 und 4 GG ist aber ihre auf Kontrolle oder Mängelbeseitigung gerichtete Funktion, anders: ihre repressive Natur. Allgemeine Verwaltungsvorschriften dagegen dienen weniger der Kontrolle der Länder, sondern ermöglichen dem Bund eine präventive Steuerung der Landesbehörden, haben mithin – zumindest schwerpunktmäßig – lenkenden Charakter. Darüber hinaus können allgemeine Verwaltungsvorschriften unabhängig vom Verfahren der Bundesaufsicht erlassen werden; eine Übertragung des in Abs. 4 vorgesehenen aufsichtsrechtlichen Verfahrens auf den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften scheidet jedenfalls des Zustimmungserfordernisses in Abs. 2 wegen aus. Dennoch steht es dem Bund natürlich frei, allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG aus Anlaß einer Mängelfeststellung zu erlassen.359 In diesem Fall können Verwaltungsvorschriften außerhalb des eigentlichen Mängelbeseitigungsverfahrens zur Mängelbeseitigung beitragen. Ob sie deshalb ___________ 357 358 359
So auch Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 157 a. E. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 369 f. So bereits Triepel, Die Reichsaufsicht, 1917, S. 636 f.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
als Aufsichtsmittel im weiteren Sinne bezeichnet werden sollten,360 ist dabei eher eine Frage des terminologischen Geschmacks ohne besondere praktische Bedeutung.
8. Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen Während Verwaltungsvorschriften auf eine abstrakte Vielheit von Sachverhalten gerichtet sind, treffen Einzelweisungen nach Art. 84 Abs. 5 Satz 1 GG rechtsverbindliche Aussagen für konkrete Sachverhalte.361 Sie haben die Verpflichtung eines Landes zur Vornahme oder Unterlassung bestimmter Vollzugsmaßnahmen zum Inhalt und ergehen damit ohne Außenwirkung gegenüber dem Bürger.362 Im Unterschied zu den Verwaltungsvorschriften steht die Vornahme von Einzelweisungen gemäß Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG unter dem Vorbehalt eines zustimmungsbedürftigen Gesetzes. Anders als bei Art. 84 Abs. 2 GG herrscht im wesentlichen Einigkeit, daß die Ermächtigung zu Einzelweisungen nur der Bundesregierung als Kollegium erteilt werden kann.363 Nach Art. 85 Abs. 5 Satz 1 GG ist sie zudem auf „besondere Fälle“ beschränkt.
II. Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG Für den Bereich der Bundesauftragsverwaltung ermächtigt Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG die Bundesregierung zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates.364 Grundsätzlich kommt dieser Ermächtigung dieselbe Bedeutung zu wie der in Art. 84 Abs. 2 GG.365 ___________ 360
So wohl Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 126. Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 24; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 68; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 10. 362 Dazu BVerfG v. 1.8.1978, BVerfGE 49, 24 (49) mit Hinweisen zu den prozessualen Konsequenzen; BVerwG v. 20.6.1973, BVerwGE 42, 279 (284). 363 Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 23; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 84 Rn. 70; Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 110; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 84 Rn. 10. – Ausdrücklich offengelassen von BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26, 338 (396). – A. A. dagegen BVerwG v. 20.6.1973, BVerwGE 42, 279 (283) unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte. 364 Eine Sonderregelung findet sich in Art. 87 b Abs. 2 Satz 2 GG für den Fall, daß Bundesgesetze, die der Verteidigung einschließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden. Hiernach kann die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften gemäß Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG mit Zustimmung des Bundesrates auch auf Bundesoberbehörden übertragen werden. Dabei kann auch bestimmt werden, daß diese Behör361
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
175
Während Art. 84 Abs. 5 GG jedoch Bezug auf „Einzelweisungen für besondere Fälle“ nimmt, verwendet Art. 85 Abs. 3 GG den Terminus „Weisung“. Der unterschiedliche Wortlaut gibt Anlaß zu der bereits seit Jahrzehnten andauernden Diskussion, ob unter „Weisungen“ im Sinne des Art. 85 Abs. 3 GG auch allgemeine Weisungen verstanden werden können366 oder ob allgemeine Weisungen nur in Form allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG erlassen werden dürfen367. Ausgangspunkt einer jeden Gesetzesauslegung ist der Wortsinn der zu untersuchenden Norm. Auf ihn berufen sich denn auch vornehmlich diejenigen, die aus der Gegenüberstellung von „Weisungen“ in Art. 85 Abs. 3 GG und der en___________ den beim Erlaß der Verwaltungsvorschriften nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. 365 Vgl. Herrfahrdt (Erstbearb.), in: BK, GG, Art. 85 Anm. II. 3.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 371. 366 So BGH v. 30.12.1954, BGHZ 16, 95 (97); Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 85 Rn. 20 a. E.; v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. III, 2. Aufl., 1974, Art. 85 Anm. IV. 2 b) aa), c); Kastner, in: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl., 1998, § 22 Rn. 5; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl., 2003, G Rn. 43; Janz, Das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 GG, 2003, S. 258-261; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 813; Zeise, Haftung der Länder gegenüber dem Bund bei fehlerhafter Ausführung von Bundesrecht, 1963, S. 13; Blümel, in: HStR IV, 2. Aufl., 1999, § 101 Rn. 60 (S. 893 f.); Jarass, in: Lukes, Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 367 (396 f.); Krämer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., 1999, Rn. 30.41 (S. 59 f.); Orlopp, in: Festschrift für F. Klein, 1994, S. 597 (598); Ossenbühl, in: Lukes, Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 27 (52-56); Bettermann, DAR 1962, 100 (102); Blümel, AöR 93 (1968), 200 (215); Depenbrock, DÖV 1970, 235 f.; F. Klein, BB 1969, 1321 (1323); L. Müller/Zeitler, DStZ (A) 1975, 469 (472 f.); Ossenbühl, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 33 (1983), 665 (673); H. Schäfer, AöR 78 (1952/53), 1 (24, 29); ders., DÖV 1960, 641 (648); differenzierend Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, 2001, S. 281: Zulässigkeit allgemeiner Weisungen nur bei „Gefahr im Verzuge“. 367 So Bartlsperger (Zweitbearb., 1969), in: BK, GG, Art. 90 Rn. 88, 92; Bull (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 85 Rn. 16; ferner Groß (2001), in: Berliner Kommentar, GG, Art. 84 Rn. 19; Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 85 Rn. 43; Lerche (1987), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 85 Rn. 50 f.; v. Danwitz, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 81 (87); Dux, Bundesrat und Bundesaufsicht, 1963, S. 88 mit Fn. 20; Hantke, Bundesstaatliche Fragen des Energierechts, 1990, S. 210; Haun, Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten, 1972, S. 94 f.; K. Lange, Das Weisungsrecht des Bundes in der atomrechtlichen Auftragsverwaltung, 1990, S. 75 f.; ders., Die Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke, 1990, S. 83-89; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 372 f.; Pauly, Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1989, S. 63; Steinberg, Bundesaufsicht, Länderhoheit und Atomgesetz, 1990, S. 21, 30; T. Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 1992, S. 162-174; Wolst, Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, 1974, S. 108 ff.; Steinberg, AöR 110 (1985), 419 (428 mit Fn. 37); Zech, DVBl. 1987, 1089 (1092 f.); Streitfrage offengelassen von F. Loschelder, Durchsetzbarkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1998, S. 62 mit Fn. 177.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
geren Fassung „Einzelweisungen für besondere Fälle“ in Art. 84 Abs. 5 Satz 1 GG die Zulässigkeit allgemeiner Weisungen herleiten wollen.368 Die synonyme Verwendung der Begriffe „Einzelweisung“ und „Weisung“ in Art. 119 Satz 2 und 3 GG sowie die Verweisung des Art. 128 GG auf „Weisungsrechte im Sinne des Artikels 84 Abs. 5“ gebieten jedoch Skepsis gegenüber Versuchen, die Zulässigkeit allgemeiner Weisungen mit dem Wortlaut der Art. 84 Abs. 5 Satz 1 und 85 Abs. 3 Satz 1 GG zu begründen. Im Gegenteil: angesichts der fehlenden Schlußredaktion des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes spricht der Wortlaut der Art. 119, 128 GG eher für eine Identität von „Weisung“ und „Einzelweisung“, mithin eine Unzulässigkeit allgemeiner Weisungen. Dem entspricht der Wille des Verfassungsgebers, Weisungen auch im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung auf konkrete Einzelfälle zu beschränken. In der 45. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 19. Januar 1949 wurde zunächst Art. 112/2 Abs. 4, die Vorläuferbestimmung des Art. 84 Abs. 5 GG, angenommen, nach dem die Bundesregierung durch Bundesgesetz für besondere Fälle zur Erteilung von Einzelweisungen ermächtigt werden konnte.369 In den sich darauf anschließenden Beratungen stand der Antrag der Abgeordneten Dr. Laforet und Dr. Hoch zu Art. 113 Abs. 2 – heute Art. 85 Abs. 3 GG – im Mittelpunkt. In ihm hieß es für den Bereich der Bundesauftragsverwaltung: „Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden.“ Der Abgeordnete Zinn erblickte in dieser Fassung des Art. 113 Abs. 2 einen Wertungswiderspruch, weil im Gegensatz zur Landeseigenverwaltung bei „der reinen Auftragsverwaltung, bei der das Land nur kraft Auftrags handelt, nicht kraft eigenen Rechts“, Einzelweisungen ausgeschlossen seien.370 Abgeordneter Dr. Hoch stellte daraufhin klar: „‚Weisungen‘ ist genau dasselbe wie ‚Einzelweisungen‘. [...] Es ist nicht so, daß ‚Weisung‘ gleich ‚allgemeine Weisung‘ ist. In diesem Zusammenhang, bei der Auftragsverwaltung, heißt Weisung auch Einzelweisung.“371
Abgeordneter Dr. Laforet stimmte dem zu:
___________ 368
Etwa Janz, Das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 GG, 2003, S. 258; Krämer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., 1999, Rn. 30.42 (S. 60); Flockermann, in: Festschrift für D. Meyding, 1994, S. 105 (108); Ossenbühl, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 33 (1983), 665 (673). 369 Vgl. 45. Sitzung des Hauptausschusses v. 19.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 593. 370 Abgeordneter Zinn, 45. Sitzung des Hauptausschusses v. 19.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 593 (594 f.). 371 Abgeordneter Dr. Hoch, 45. Sitzung des Hauptausschusses v. 19.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 593 (595).
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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„Wir hätten einsetzen können: ‚Die Landesbehörden unterstehen auch den Einzelweisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden‘. Wir meinen aber das.“372
Der Zusatz „auch“ in den beiden Wortbeiträgen bedeutet nun nicht, daß die zuständige oberste Bundesbehörde nach Art. 85 Abs. 3 GG neben allgemeinen Weisungen „auch“ Einzelweisungen erteilen dürfte.373 Angesichts des beschriebenen Gesamtkontextes diente „auch“ vielmehr der Klarstellung, daß ebenso wie bei der Landeseigenverwaltung in Art. 84 Abs. 5 GG „auch hier“ bei der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 3 GG ausschließlich Einzelweisungen gemeint waren.374 Warum dennoch keine redaktionelle Klarstellung erfolgte, erläuterte Vorsitzender Dr. Schmid: „Wenn das so klargestellt wird, wie es in der Diskussion geschehen ist, brauchen wir es nicht mehr in den Text hineinzunehmen.“ 375
Systematisch unterstrichen wird dieses Ergebnis durch das Verhältnis zwischen Art. 85 Abs. 2 Satz 1 und 85 Abs. 3 GG. Da allgemeine Verwaltungsvorschriften anderen Rechtserzeugungsregeln unterliegen als Weisungen im Sinne des Art. 85 Abs. 3 GG, können allgemeine Weisungen nur insoweit zulässig sein, als sie sich von allgemeinen Verwaltungsvorschriften abgrenzen lassen. Zwar mangelt es an Abgrenzungsversuchen nicht. Ein überzeugendes Unterscheidungskriterium wurde indes bislang noch nicht gefunden. Die Annahme, allgemeine Weisungen regelten technische Fragen und steuerten landesbehördliches Ermessen, während diese Materien dem Zugriff allgemeiner Verwaltungsvorschriften entzogen seien,376 löst das Abgrenzungsproblem nicht. Denn einerseits können allgemeine Verwaltungsvorschriften sehr
___________ 372 Abgeordneter Dr. Laforet, 45. Sitzung des Hauptausschusses v. 19.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 593 (595). 373 So aber T. Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 1992, S. 163, der die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Hoch aus ihrem Gesamtkontext reißt und ihnen dadurch eine sinnverfälschende Bedeutung zumißt. Im Ergebnis ähnlich Janz, Das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 GG, 2003, S. 259; Ossenbühl, in: Lukes, Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 27 (53); ders., Energiewirtschaftliche Tagesfragen 33 (1983), 665 (673). – Zutreffend dagegen v. Danwitz, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 81 (86 in Fn. 27). 374 Ebenso im Ergebnis Haun, Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten, 1972, S. 94 f. 375 Vorsitzender Dr. Schmid, 45. Sitzung des Hauptausschusses v. 19.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 593 (595). 376 So Marschall, in: ders./Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 4. Aufl., 1977, § 22 Rn. 3.1; anders wohl nunmehr Kastner, in: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl., 1998, § 22 Rn. 4 f.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
wohl bundesgesetzlich eingeräumtes Ermessen ausgestalten;377 andererseits ist das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 GG sachgegenständlich unbegrenzt.378 Nur wenig Klarheit verschafft die Auffassung, nach der Weisungen in der Regel „nur eine für den Gesetzesvollzug wesentliche Frage oder einige wenige solcher Fragen“ zum Gegenstand hätten, demgegenüber allgemeine Verwaltungsvorschriften vielfach dazu bestimmt seien, „die Ausführung des Gesetzes als Ganzes oder die Durchführung in sich geschlossener Gesetzesmaterien“ zu regeln.379 Auch allgemeine Verwaltungsvorschriften können sich auf die Regelung einiger weniger grundsätzlicher Fragen beschränken. Zudem vermag ein Unterscheidungsmerkmal, das nur „in der Regel“ greift, eine trennscharfe Abgrenzung allgemeiner Weisungen von allgemeinen Verwaltungsvorschriften gerade nicht zu gewährleisten. Ebenfalls zweifelhaft erscheint der Vorschlag, beide Rechtsinstitute nach der Intensität des bundesstaatlichen Eingriffs in die Landesverwaltung zu trennen. Bestimmte Regelungen, „die [...] die Gefahr einer ‚Systemverschiebung‘ [...] zu Lasten der Länder und einer Veränderung der Eigenart der Auftragsverwaltung als Landesverwaltung mit sich brächten“, sollten ausschließlich als allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen werden können. „Alle unterhalb dieser Ebene liegenden Fragen“ blieben einem (allgemeinen) Weisungsrecht des Bundes überlassen.380 Wird das Weisungsrecht aber zutreffend als „Instrument zur Klärung von Streitigkeiten um den ‚richtigen‘ Gesetzesvollzug“381 beschrieben,382 widerspricht es dem Wesen der Bundesauftragsverwaltung, „intensive“ Eingriffe in den Landesvollzug von Bundesgesetzen allein einer Regelung in allgemeinen Verwaltungsvorschriften vorzubehalten. Das Gegenteil ist der Fall: Art. 85 Abs. 3 GG verleiht dem Bund eine umfassende Entscheidungsmacht, mittels de___________ 377
Siehe oben 1. Teil § 2 A. II. 1 c). Gegenstand einer Weisung kann die gesamte Vollzugstätigkeit eines Landes in allen Bereichen der Bundesauftragsverwaltung sein. Hierzu BVerfG v. 10.4.1991, BVerfGE 84, 25 (31); v. 22.5.1990, BVerfGE 81, 310 (335 f.); ferner Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 813; Steinberg, Bundesaufsicht, Länderhoheit und Atomgesetz, 1990, S. 21; v. Danwitz, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 81 (90 f.); Wieland, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 67 (78). 379 Hömig, in: Seifert/Hömig, GG, 6. Aufl., 1999, Art. 85 Rn. 7; Janz, Das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 GG, 2003, S. 261; H. Schäfer, AöR 78 (1952/53), 1 (24, 29); modifiziert v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. III, 2. Aufl., 1974, Art. 85 Anm. IV. 2. c): Abhängigkeit des Inhalts der Weisung von den „jeweils im Auftrage des Bundes auszuführenden Gesetzen“. 380 L. Müller/Zeitler, DStZ (A) 1975, 467 (472); ähnlich Krämer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., 1999, Rn. 30.42.3 (S. 61). 381 Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 85 Rn. 37. 382 A. A. Ossenbühl, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 33 (1983), 665 (673); Schulte, VerwArch 81 (1990), 415 (428): „Gewährleistung der Einheitlichkeit der Gesetzesausführung“. 378
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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rer er seine eigene Auffassung auch gegen den Willen der Landesorgane durchsetzen kann. Keine Konturendeutlichkeit verschafft schließlich der Versuch, Anleihen beim Rechtsinstitut der „Allgemeinverfügung“ zu nehmen und allgemeine Weisungen durch ihren konkret-generellen Charakter zu definieren.383 Die in Art. 85 Abs. 3 GG angesprochenen Landesbehörden sind in jedem Fall bestimmt, zumindest bestimmbar. Demnach kann der Adressatenkreis einer Weisung immer nur individuell, niemals generell sein. Hinzu kommt, daß auch konkret-individuelle Regelungen Allgemeinverfügungen sein können (nicht müssen), wie etwa die Auflösung einer bestimmten Demonstration als personenbezogene Allgemeinverfügung.384 Das Maß der Individualität ist damit als Mittel zur Kennzeichnung innerstaatlicher Handlungsformen wie einer Weisung nach Art. 85 Abs. 3 GG ungeeignet.385 Aus genetischen und systematischen Erwägungen ergibt sich daher: im Gegensatz zu den abstrakten Verwaltungsvorschriften des Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG beziehen sich die Weisungen in Art. 85 Abs. 3 GG – wie die Einzelweisungen nach Art. 84 Abs. 5 GG – immer auf einen konkreten Einzelfall.
III. Finanzverwaltung nach Art. 108 GG Eine spezifisch finanzverfassungsrechtliche Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften, „und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) obliegt“, enthält Art. 108 GG.
___________ 383 So Depenbrock, DÖV 1970, 235 (236); ähnlich Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 85 Rn. 17; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 813; Jarass, in: Lukes, Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 367 (396 f.); Wieland, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 67 (78 f.). – Vordergründig ebenso Ossenbühl, in: Lukes, Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 27 (54); ders., Energiewirtschaftliche Tagesfragen 33 (1983), 665 (673), der allerdings den Begriff „konkret“ abweichend vom üblichen juristischen Sprachgebrauch verwendet. Konkret ist eine Regelung, wenn sie einen Einzelfall betrifft. Nicht konkret, sondern abstrakt dagegen sind Regelungen, die eine unbestimmte Vielzahl von Fällen zum Gegenstand haben. Wenn eine allgemeine Weisung daher nach Ossenbühl einerseits eine konkretgenerelle Frage beantwortet, andererseits aber über den Einzelfall hinausgeht, ist dies zumindest mißverständlich. – Zu Recht kritisch gegenüber einer Anknüpfung an das Rechtsinstitut der Allgemeinverfügung dagegen v. Danwitz, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 81 (87). 384 Dazu Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 465, 468. 385 Im Ergebnis ebenso T. Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 1992, S. 170; referierend Zech, DVBl. 1987, 1089 (1093 mit Fn. 51).
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
1. Verwaltungsvorschriften und Weisungen nach Art. 108 Abs. 3, 85 Abs. 3 Satz 1 GG Art. 108 Abs. 3 GG sieht für die von den Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern, die ganz oder teilweise dem Bund zufließen, den Verwaltungstyp der Bundesauftragsverwaltung vor und verweist insoweit auf Art. 85 Abs. 3 und 4 GG. Das bereits bekannte Problem, ob dem Bund neben seiner Befugnis zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften auch ein allgemeines Weisungsrecht zusteht, taucht daher „im finanzverfassungsrechtlichen Gewande“ erneut auf. Nach einer nicht unerheblichen Meinung im Schrifttum soll das Telos des Art. 108 GG allgemeine Weisungen des Bundes verfassungsrechtlich zulassen, ja geradezu fordern. Namentlich die Gleichmäßigkeit der Steuerbelastung aller Bundesbürger impliziere eine „unitarische Interpretation“386 des Art. 108 GG.387 Mit anderen Worten: aus der gebotenen „Maximierung“388 der Ingerenzrechte des Bundes gegenüber den Ländern folge die Verfassungsmäßigkeit allgemeiner Weisungen gemäß Art. 108 Abs. 3 GG. In der Tat bedingen die gleichmäßige Anwendung der Steuergesetze und die Sicherung des Finanzbedarfs von Bund und Ländern stärkere Ingerenzrechte des Bundes im Finanzbereich als in anderen Sektoren der Landeseigen- und Bundesauftragsverwaltung.389 Nur daraus erklären sich die zahlreichen Abweichungen in Art. 108 GG gegenüber den Art. 83 ff. GG.390 Dennoch: wo Abweichungen nicht normiert sind, gelten die allgemeinen Regeln des VIII. Grundge___________ 386
Weyhausen, Steuerverwaltung und bundesstaatliche Verfassungsordnung, 1982,
S. 128. 387 So speziell aus dem finanzverfassungsrechtlichen Schrifttum Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 9. Aufl., 1999, Art. 108 Rn. 14; Weyhausen, Steuerverwaltung und bundesstaatliche Verfassungsordnung, 1982, S. 127-131; Flockermann, in: Festschrift für D. Meyding, 1994, S. 105 (108 f.); Orlopp, in: Festschrift für F. Klein, 1994, S. 597 (598-600); Uelner, in: Festschrift für K. H. Friauf, 1996, S. 217 (224); F. Klein, BB 1969, 1321 (1323, 1324); L. Müller/Zeitler, DStZ (A) 1975, 467 (472 f.). Zur Zulässigkeit allgemeiner Weisungen im Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG vgl. ferner die oben in Fn. 366 genannten Nachweise. – Auch die Bundesregierung geht in der Begründung ihres Entwurfs des Finanzreformgesetzes v. 30.4.1968 stillschweigend von einem umfassenden Weisungsrecht des Bundes in der Finanzverwaltung aus (BT-Drucks. V/2861, Tz. 164-166, 171 [S. 37 f.]). Ausdrücklich für ein allgemeines Weisungsrecht nunmehr die Bundesregierung in ihrer Antwort v. 18.7.2001 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frick, Dr. Solms, Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P., BT-Drucks. 14/6716, S. 3. 388 Weyhausen, Steuerverwaltung und bundesstaatliche Verfassungsordnung, 1982, S. 128. 389 Siehe die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Finanzreformgesetzes v. 30.4.1968, BT-Drucks. V/2861, Tz. 10 (S. 11). 390 Dazu BVerfG v. 21.10.1971, BVerfGE 32, 145 (151 f.).
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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setzabschnitts auch für die Finanzverwaltung.391 Denn diese ist Bundeseigenverwaltung, soweit die Bundesfinanzbehörden nach Art. 108 Abs. 1 GG für zuständig erklärt werden; sie ist Bundesauftragsverwaltung, soweit Landesfinanzbehörden nach Art. 108 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 GG handeln. Da Art. 108 GG die Verwaltungstypen im Steuerbereich nun abschließend regelt,392 darf die Antwort auf die Frage nach dem Umfang der Weisungsrechte des Bundes im Rahmen des Art. 108 GG nicht anders lauten als bei Art. 85 GG: Hier wie dort sind Weisungen des Bundes durch ihre Bezogenheit auf konkrete Fälle gekennzeichnet. Allgemeine Weisungen dagegen können ausschließlich unter Beachtung des in Art. 108 Abs. 7 GG vorgesehenen Verfahrens erlassen werden und sind im übrigen verfassungswidrig.393 Dies ist auch die Haltung der Bundesländer.394
2. Verwaltungsvorschriften und BMF-Schreiben nach der Vereinbarung vom 15. Januar 1970 zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder Ungeachtet divergierender Rechtspositionen über die Verfassungsmäßigkeit allgemeiner Weisungen erkannten die Länder ein dringendes Bedürfnis nach flexiblen Handlungsinstrumenten zur Arbeitserleichterung und Gleichmäßigkeit der Besteuerung an. Daß Verwaltungsvorschriften nach Art. 108 Abs. 7 GG allein die Funktionsfähigkeit der Finanzverwaltung infolge des schwerfälligen Erlaßverfahrens nicht sichern könnten, war einhellige Auffassung.395 ___________ 391
Zu den Sonderregelungen in Art. 108 GG BVerfG v. 21.10.1971, BVerfGE 32, 145 (154 f.); Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 108 Rn. 9; Seer (Drittbearb., 1999), in: BK, GG, Art. 108 Rn. 30; Vogel/Wachenhausen (Zweitbearb., 1971), in: BK, GG, Art. 108 Rn. 23. 392 Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl., 1996, Art. 108 Rn. 9. 393 Im Ergebnis ebenso Seer (Drittbearb., 1999), in: BK, GG, Art. 108 Rn. 106; Oeter, ThürVBl. 1997, 28 (30); Schöck, StuW 1977, 22 (28 f.); Starck, JZ 2001, 132 (133); dazu auch Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 32 v. 7.2.2001, S. 28 („Bedenken gegen Erlaß der AfA-Tabellen“). 394 Vgl. Orlopp, in: Festschrift für F. Klein, 1994, S. 597 (601-605); L. Müller/ Zeitler, DStZ (A) 1975, 467 (474); Oeter, ThürVBl. 1997, 28 (29 bei Fn. 70); zur gegenteiligen Auffassung des Bundes siehe die Antwort der Bundesregierung vom 18.7.2001 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frick, Dr. Solms, Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P., BT-Drucks. 14/6716, S. 3. 395 Vgl. Orlopp, in: Festschrift für F. Klein, 1994, S. 597 (601-605); Juchum, ZG 1991, 56 (63). Zur Bedeutung der BMF-Schreiben für die Verwaltungspraxis der Steuerbehörden ferner die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Hendricks v. 4.9.2001 auf die schriftliche Frage des Abgeordneten Binding, BT-Drucks. 14/6913, S. 11 f.; sowie die Antwort der Bundesregierung vom 18.7.2001 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frick, Dr. Solms, Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P., BT-Drucks. 14/6716, S. 1-3.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Zur Lösung der praktischen Probleme wurde deshalb am 15. Januar 1970 eine Vereinbarung zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder getroffen,396 durch die im Wege eines „modus vivendi“397 unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Standpunkte ein Rechtsstreit vermieden wurde. Danach werden alle relevanten Fragen des Verwaltungsvollzugs im Bereich der Bundesauftragsverwaltung in einem gestuften Gefüge auf Fachreferenten-, Abteilungsleiter- und Ministerebene diskutiert. Die in den Sitzungen mit den Ländervertretern mehrheitlich gefaßten Beschlüsse werden als Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF-Schreiben) an die obersten Länderfinanzbehörden im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Die Länder setzen die BMFSchreiben dann für ihre nachgeordneten Behörden um, indem sie z. B. unter Hinweis auf das BMF-Schreiben ein eigenes Schreiben an ihre untergeordneten Behörden im jeweiligen Amtsblatt veröffentlichen.398 Sowohl nach ihrer Bezeichnung als „Schreiben“ als auch angesichts des Umstandes, daß die Vereinbarung vom 15. Januar 1970 kein Präjudiz für die divergierenden Rechtsauffassungen von Bund und Ländern in der Frage der Erteilung allgemeiner Weisungen sein will, müssen die BMF-Schreiben als petitorische Koordinierungsakte ohne Rechtsverbindlichkeit qualifiziert werden:399 Die Länder folgen freiwillig der von der Ländermehrheit gebilligten Auffassung des Bundesministers der Finanzen. Allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Art. 108 Abs. 7 GG dagegen sind für die Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder verbindlich. Daraus folgt, daß den allgemeinen Verwaltungsvorschriften widersprechende BMF-Schreiben und Länderregelungen, die im Rah___________ 396 Die Vereinbarung beruht auf einem Schriftwechsel vom Dezember 1969 und Januar 1970 zwischen dem damaligen Bundesminister der Finanzen Dr. Möller und dem damaligen Vorsitzenden der Konferenz der Landesfinanzminister Wertz. Die Finanzministerkonferenz hatte der Vereinbarung in ihrer Sitzung vom 15.1.1970 zugestimmt. Dazu Flockermann, in: Festschrift für D. Meyding, 1994, S. 105 (110 f.); Manke, DStZ 2002, 70 ff.; L. Müller/Zeitler, DStZ (A) 1975, 467 (474); Oeter, ThürVBl. 1997, 28 (29 f.); Schöck, StuW 1977, 22 (28 f.). 397 Im Ergebnis ebenso Oeter, ThürVBl. 1997, 28 (29); ähnlich L. Müller/Zeitler, DStZ (A) 1975, 467 (474), die sich allerdings auf völkerrechtliche Auslegungskriterien stützen; modifizierend Flockermann, in: Festschrift für D. Meyding, 1994, S. 105 (111); Orlopp, in: Festschrift für F. Klein, 1994, S. 597 (605); Schöck, StuW 1977, 22 (28): „jederzeit frei widerrufliches Verwaltungsabkommen“. 398 Ausführlich zum Koordinierungsverfahren nach der Vereinbarung v. 15.1.1970 Flockermann, in: Festschrift für D. Meyding, 1994, S. 105 (111-114); ders., DStZ 1999, 679 (680 f.); Orlopp, in: Festschrift für F. Klein, 1994, S. 597 (605 f.). 399 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rundschreibenpraxis des Bundesministers der Finanzen äußern Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 85 Rn. 6, Art. 108 Rn. 6; Schöck, StuW 1977, 22 (29); Starck, JZ 2001, 132 (133); vgl. ferner Manke, DStZ 2002, 70 ff. – Allgemein zur Problematik der Ersetzung von Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen durch koordinierende Akte Blümel, AöR 93 (1968), 200 (203 f., 208, 211-213, 236, 240-243).
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
183
men des Koordinierungsverfahrens nach der Vereinbarung vom 15. Januar 1970 erlassen wurden, kompetenz- und damit verfassungswidrig sind.
B. Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Gemeinden Intersubjektive Verwaltungsvorschriften finden sich ferner zwischen Bund und Gemeinden. Dies verwundert nicht, denn Staatsaufgaben werden in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vom Bund und den Ländern, sondern auch von den Kommunen erfüllt. Das Grundgesetz erkennt letztere in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 als eigenständige Verwaltungsträger an: Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Doch auch die grundgesetzlich garantierte Selbstverwaltung gehört zur vollziehenden Gewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 und 3 GG. Im zweigliedrigen Bundesstaat des Grundgesetzes werden die Kommunen den Ländern, genauer: der mittelbaren Staatsverwaltung der Länder zugeordnet. Diese „Doppelrolle“400 der Kommunen als Teil der Staatsverwaltung und zugleich Träger der Selbstverwaltung ist Ursache des besonderen Spannungsverhältnisses zwischen Bund und Kommunen. Ihren verfassungsrechtlichen Niederschlag findet die Problematik nicht nur in der (bereits ausführlich diskutierten) Frage bundesgesetzgeberischer Gestaltungsmöglichkeiten der kommunalen Sphäre,401 sondern auch in der (bislang eher spärlichen) Diskussion um die Zulässigkeit gemeindeadressierter Verwaltungsvorschriften der Bundesexekutive.402 Deren Bindungswirkung gegenüber den Kommunen ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.403 ___________ 400 Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, 1. Abschn. Rn. 8 (S. 14). 401 Exemplarisch aus der namentlich in den 1950er und 1960er Jahren geführten Diskussion Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, 1963, insb. S. 70-78, mit weiteren Nachweisen; H. Huber, Die Ausführung von Bundesgesetzen durch Gemeinden und Gemeindeverbände, 1965, S. 41 ff.; E. Becker, BayVBl. 1961, 65 (67 f.); v. Hausen, DÖV 1958, 753 ff.; ders., DÖV 1960, 1 ff.; ders., DÖV 1960, 441 ff.; Jesch, DÖV 1960, 739 (742 in Fn. 28); Jobst, BayVBl. 1960, 201 ff. mit Erwiderung Maunz, BayVBl. 1960, 205 f., 303 f.; Krebsbach, Der Städtetag 1961, 7 ff.; H. Schäfer, DÖV 1960, 641 (647). Aus der neueren Literatur Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlaßte kommunale Aufgaben, 1995, insb. S. 115-119. 402 Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 88; ders. (1987), in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 85 Rn. 38 in Fn. 8; P. M. Huber, Die TA Siedlungsabfall und ihre Bindungswirkung, 2000, S. 23-27; Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 70, 81; H. Huber, Die Ausführung von Bundesgesetzen durch Gemeinden und Gemeindeverbände, 1965, S. 21-24; Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für H. Sendler, 1991, S. 127 (132 f.); E. Becker, BayVBl. 1961, 65 (68); Kromer, NVwZ 1995, 975 (976); Schink, NuR 1998, 20 (23 f.); ausführlicher lediglich Burmeister/Lauer, Die Bin-
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
Die Systematik des VIII. Grundgesetzabschnitts legt es nahe, zunächst auf den gemeindlichen Vollzug von Bundesgesetzen im Rahmen der Landeseigenverwaltung nach Art. 84 GG einzugehen.
I. Landeseigenverwaltung nach Art. 83, 84 GG Der Anwendungsbereich gemeindeadressierter Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG hängt vom Maß der kommunalen Eigenverantwortlichkeit beim Vollzug von Bundesgesetzen ab. Zu unterscheiden ist zwischen dem Bundesgesetzesvollzug der Gemeinde als Auftragsangelegenheit, als Pflichtaufgabe nach Weisung und als Selbstverwaltungsangelegenheit404.
1. Auftragsangelegenheiten Weist der Bundes- oder Landesgesetzgeber den Gemeinden den Vollzug von Bundesgesetzen als Auftragsangelegenheit zu, erledigen sie die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben in unbeschränkt weisungsgebundener Abhängigkeit von den staatlichen Ober- und Mittelbehörden. Im Bereich der Auftragsangelegenheiten werden die Gemeinden für fremde staatliche Interessen in die Pflicht genommen und handeln somit als Teil der Landesstaatsverwaltung – unabhängig davon, ob es um den Vollzug von Bundes- oder Landesgesetzen geht. Zusammen mit den Landesbehörden wachsen sie zu einem einheitlichen Behördenzug zusammen, in dem sie die unterste Instanz bilden. Werden die Gemeinden beim Vollzug von Bundesgesetzen im übertragenen Wirkungskreis dergestalt in die Landesverwaltung inkorporiert, tritt im Rahmen der landeseigenen Verwaltung die partielle Sachleitungsgewalt des Bundes gemäß Art. 84 Abs. 2 GG zur Kommunalaufsicht der Länder hinzu. Die nach Maßgabe des Art. 84 Abs. 2 GG erlassenen Verwaltungsvorschriften sind daher ___________ dung der Gemeinden an die Verdingungsordnung für Bauleistungen, 1989, passim; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 396-411. – Aus der Rechtsprechung BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 (114, 117 f.) – Raumordnungsprogramme; BVerwG v. 15.3.1989, NVwZ-RR 1989, 377 ff. – Vergabegrundsätze; v. 27.1.1989, NVwZ 1989, 469 – Finanzausgleichsrichtlinie. 403 Zum Spannungsverhältnis zwischen Bundesverwaltungsvorschriften und dem Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherungsträger Bull, VSSR 1977, 113 (124-127). 404 Die Problematik des gemeindlichen Gesetzesvollzugs als Selbstverwaltungsangelegenheit wird an späterer Stelle erörtert. Da die Selbstverwaltungsgarantie nur „im Rahmen der Gesetze“ gewährleistet wird, erfordert die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Art. 84 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ausführlichere Untersuchungen über das verfassungsrechtliche Zusammenspiel von Gesetzgeber und Exekutive, die erst im nächsten Kapitel erfolgen.
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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nicht nur für die Länder, sondern auch für die Gemeinden verbindlich, falls letztere die Bundesgesetze als Auftragsangelegenheit ausführen. Nach F. Ossenbühl dagegen sind die Gemeinden als Glieder eines Landes nicht unmittelbar an die Verwaltungsvorschriften des Bundes gebunden. Adressaten der nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassenen Verwaltungsvorschriften seien vielmehr die Länder „als insoweit für die Bundesexekutive impermeable Staatseinheiten“. Die Exekutivspitzen der Länder hätten deshalb ihrerseits die an sie gerichteten Bundesvorschriften in Landesvorschriften zu transformieren und an die Gemeindebehörden weiterzuleiten, so daß gemeindeunmittelbare Bundesverwaltungsvorschriften ausschieden.405 Wenig verständlich ist dann aber, warum die Gemeinden bereits vor einer erforderlichen Transformation verpflichtet sein sollen, die Bundesverwaltungsvorschriften zu befolgen.406 Der zudem von F. Ossenbühl zur Begründung des Transformationserfordernisses angeführte Fall, daß die Länder die Bundesverwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG wegen Kompetenzüberschreitung für nichtig hielten und bis zur einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts inhibieren könnten, ist auch bei Ablehnung eines Transformationserfordernisses denkbar.407 Es bleibt daher dabei: Soweit die Kommunen Bundesgesetze als Auftragsangelegenheit vollziehen, sind sie zur Befolgung der nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften verpflichtet.
2. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung Schwieriger ist die Rechtslage in den Bundesländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein, die sich an den §§ 3 Abs. 1, 110 Abs. 2 des sogenannten Weinheimer Entwurfs einer Gemeindeordnung vom 3. Juli 1948408 orientiert und eine monistische Aufgabenstruktur auf Gemeindeebene eingeführt haben. Danach treten im Bereich des kommunalen Vollzugs von Bundesgesetzen an die Stelle der staatlichen Auftragsangelegenheiten die sogenannten Pflichtaufgaben zur Erfüllung
___________ 405 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 402 f.; im Ergebnis ebenso E. Becker, BayVBl. 1961, 65 (68). 406 So Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 402. 407 Zum verpflichtenden Charakter rechtswidriger Bundesverwaltungsvorschriften für die Länder vgl. Lerche (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 121 mit Fn. 121; gleiches Ergebnis hinsichtlich rechtswidriger Weisungen nach Art. 85 Abs. 3 GG ders. (1987), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 85 Rn. 53. 408 Abgedruckt in Markull, Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein v. 24.1.1950, 1950.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
nach Weisung.409 Deren rechtliche Qualifizierung ist außerordentlich umstritten: die Palette der vertretenen Meinungen reicht von der Charakterisierung als echte Selbstverwaltungsangelegenheiten410 oder als staatliche Auftragsangelegenheiten411 bis zur Einordnung als „Zwischending zwischen Selbstverwaltungsund Auftragsangelegenheiten“412. Unabhängig von ihrer exakten Qualifizierung rücken die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung jedenfalls insofern in die Nähe der Selbstverwaltungsangelegenheiten, als nach der eindeutigen Entscheidung der jeweiligen Landesgesetzgeber für eine monistische Aufgabenstruktur Inhalt und Grenzen der Weisungsbefugnisse einer gesetzlichen Fixierung bedürfen.413 Sofern also der Landesgesetzgeber den Gemeinden den Vollzug von Bundesgesetzen als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung zuweist, ergeben sich für die allgemeinen Verwaltungsvorschriften im Bereich der Landeseigenverwaltung folgende Konsequenzen: Nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassene Verwaltungsvorschriften entfalten unmittelbare Verbindlichkeit gegenüber den Kommunen, wenn der Landesgesetzgeber die Weisungsrechte auch auf allgemeine Weisungen erstreckt. Es ist insofern auf die für die Auftragsangelegenheiten erarbeiteten Grundsätze zu verweisen. Beschränkt der Landesgesetzgeber die Weisungsbefugnisse aber auf Einzelanordnungen, ist die entsprechende landesgesetzliche Regelung gemäß Art. 84 Abs. 2, 31 GG verfassungswidrig: Das Telos des Art. 84 Abs. 2 GG bedingt die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Länder, bei Aufgabenzuweisungen an die Gemeinden die Effektivität der Bundesverwaltungsvorschriften nicht zu unterminieren.414
___________ 409
Vgl. Art. 75 Abs. 2 BWVerf, § 2 BWGO; § 3 BrandGO; Art. 137 Abs. 4 HessVerf, § 4 Satz 1 HessGO; Art. 78 NWVerf, § 2 NWGO; § 2 SächsGO; Art. 46 Abs. 4 SchlHVerf, §§ 2 f. SchlHGO. 410 Erlenkemper, NVwZ 1996, 534 (542); Jesch, DÖV 1960, 739 (741 f.); Peters, DÖV 1964, 754; Rietdorf, DÖV 1957, 7 (10); ders., DVBl. 1958, 344 (insb. 345); Riotte/Waldecker, NWVBl. 1995, 401 (402-404); Vietmeier, DVBl. 1992, 413 (415 f.). 411 Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl., 1997, Rn. 239 (S. 161 f.); Schweer, DVBl. 1956, 703 (708). 412 So OVG Münster v. 15.7.1958, OVGE 13, 356 (359); Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, 2. Aufl., 1975, S. 177; ähnlich Gelzer, DVBl. 1958, 87 (88): „unechte Selbstverwaltungsangelegenheiten“. 413 OVG Münster v. 15.7.1958, OVGE 13, 356 (359); v. Mutius, Kommunalrecht, 1996, Rn. 315 (S. 168); Gelzer, DVBl. 1958, 87 (88). – A. A. Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl., 1997, Rn. 239 (S. 162), nach dem die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nicht in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG fallen. 414 Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, 1963, S. 76; H. Huber, Die Ausführung von Bundesgesetzen durch Gemeinden und Gemeindeverbände, 1965, S. 21; vgl. auch BVerfG v. 30.7.1958, BVerfGE 8, 122 (138).
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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II. Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG Im Vergleich zur landeseigenen Verwaltung nach Art. 83, 84 GG sind bei der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG die Einflußrechte des Bundes auf die Landesverwaltungen beim Vollzug von Bundesgesetzen stärker ausgeprägt. Namentlich Art. 85 Abs. 4 GG unterwirft die Landesbehörden einem Weisungsrecht der obersten Bundesbehörden, das nicht nur verfassungsunmittelbar, sondern darüber hinaus grundsätzlich unbeschränkt gewährt wird. Wenn demgegenüber die gemeindlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten durch eine prinzipielle Weisungsfeindlichkeit charakterisiert sind, resultiert daraus bereits eine eindeutige Feststellung: Dem Landesgesetzgeber ist es verfassungsrechtlich untersagt, den Gemeinden im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Vollzug von Bundesgesetzen als Selbstverwaltungsangelegenheit zu übertragen. Denn die Pflicht der Länder, das unbeschränkte Weisungsrecht des Bundes sicherzustellen, schließt eine entsprechende Übertragung des Bundesgesetzesvollzugs aus. Entgegenstehendes Landesrecht ist gemäß Art. 85 Abs. 2 und 3, 31 GG verfassungswidrig. Verfassungsgemäß ist dagegen, den Kommunen im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die Ausführung von Bundesgesetzen als Auftragsangelegenheit zuzuweisen.415 In diesem Fall entsteht zwar für die Gemeinden kein Bundesauftragsverhältnis, sondern ein Landesauftragsverhältnis.416 Denn auch in der Bundesauftragsverwaltung verschmelzen die Bundes- und die Länderexekutive nicht zu einem einheitlichen Hoheitsträger; vielmehr bewahren die Länder ihre verfassungs- und verwaltungsrechtliche Geschlossenheit.417 An der unmittelbaren Bindung der Gemeinden an die allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG ändert dieser Befund allerdings nichts. Deren direkte Verbindlichkeit für die Kommunen beim Gesetzesvollzug als Auftragsangelegenheit, ohne daß es einer vorherigen Transformation durch die Landesexekutiven bedürfte, stellt sich insofern als Durchbrechung der Eigenständigkeit der Landesverwaltung dar.418 In den Bundesländern, in denen an die Stelle der staatlichen Auftragsangelegenheiten die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung treten,419 gilt im Ergebnis nichts anderes. Nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG entfalten die Verwal___________ 415
In Betracht kommt dies nur in Bundesländern, die eine dualistische Aufgabenstruktur auf Gemeindeebene eingeführt haben. 416 E. Becker, BayVBl. 1961, 65 (68); Görg, DÖV 1961, 41 (43). 417 Allgemeine Meinung; statt vieler Lerche (1987), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 85 Rn. 5. 418 Zutreffend Lerche (1987), in: Maunz/Dürig, Art. 85 Rn. 38 mit Fn. 7 f. – A. A. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 406 f. 419 Siehe dazu die Nachweise oben in Fn. 409.
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3. Teil: Vollzugsperspektive der Administrative
tungsvorschriften unmittelbare Verbindlichkeit gegenüber den Gemeinden, sofern der Landesgesetzgeber die Weisungsrechte auch auf allgemeine Weisungen erstreckt. Beschränkt der Landesgesetzgeber die Weisungsbefugnis dagegen auf Einzelanordnungen, zieht dies die Verfassungswidrigkeit der entsprechenden landesgesetzlichen Regelung gemäß Art. 85 Abs. 2 Satz 1, 31 GG nach sich. Es ist insoweit auf die für die Landeseigenverwaltung erarbeiteten Grundsätze zu verweisen.420
III. Bundesfernstraßenverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG Für die Bundesfernstraßenverwaltung ordnet Art. 90 Abs. 2 Var. 1 GG im Grundsatz obligatorisch die Verwaltungsform der Auftragsverwaltung durch die Länder an.421 Träger der Verwaltung im Auftrage des Bundes können nach Art. 90 Abs. 2 Var. 2 GG aber auch die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften sein. Zumindest seinem Wortlaut nach eröffnet Art. 90 Abs. 2 GG somit die Möglichkeit, ein unmittelbares Bundesauftragsverhältnis der Selbstverwaltungskörperschaften zu begründen.422 Dem wird die Entstehungsgeschichte der Vorschrift entgegengehalten, nach der Art. 90 Abs. 2 GG keinen neuen Verwaltungstyp schaffen, sondern nur die in Art. 85 GG umschriebene Bundesauftragsverwaltung auf die Verwaltung der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen erstrecken sollte.423 Auf die vorliegend interessierende Frage der Bindungswirkung von Bundesverwaltungsvorschriften gegenüber den Kommunen wirkt sich der Streit dann aus, wenn im Rahmen des Art. 85 GG von einem Erfordernis der Transformation der Bundesverwaltungsvorschriften in Ländervorschriften ausgegangen wird. Wird eine solche Transformationsnotwendigkeit bejaht, kann der Bund allgemeine Verwaltungsvorschriften unmittelbar an die für die Bundesfernstraßenverwaltung zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften nur unter der Prämisse richten, daß Art. 90 Abs. 2 GG einen direkten Bundesauftrag der Selbstverwaltungskörperschaften vorsieht.424 ___________ 420
Siehe dazu oben im 3. Teil § 6 D. I. 2. Zur auftragsweisen Fernstraßenverwaltung vgl. Hermes, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 90 Rn. 16-26. 422 Krämer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., 1999, Rn. 33.4 (S. 73); Görg, DÖV 1961, 41 (43 mit Fn. 20). 423 v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., 1953, Art. 90 Anm. 4; Maunz (1962), in: ders./Dürig, GG, Art. 90 Rn. 6, 25; im Ergebnis ebenso VGH München v. 21.2.1962, DVBl. 1962, 341; Hamann jr., in: ders./Lenz, GG, 3. Aufl., 1970, Art. 90 Anm. 3. 424 Entstehungsgeschichtlich erklärt sich die besondere Einbeziehung der Selbstverwaltungskörperschaften in Art. 90 Abs. 2 GG durch die beabsichtigte Anknüpfung an 421
§ 6 Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
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Nach hier vertretener Auffassung bedürfen allgemeine Verwaltungsvorschriften des Bundes gemäß Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG jedoch keiner Transformation durch die Landesexekutiven, um Verbindlichkeit gegenüber den Gemeinden beanspruchen zu können. Unabhängig vom Verhältnis des Art. 90 Abs. 2 Var. 2 GG zum Regelungsgehalt des Art. 85 GG gilt daher zwingend: Allgemeine Verwaltungsvorschriften des Bundes binden die nach Landesrecht für die Bundesfernstraßenverwaltung zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften unmittelbar.425
___________ die preußische Provinzialverwaltung. Vgl. den Abgeordneten Dr. Hoch, 36. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 445 (449): „Die Reichsstraßen waren Eigentum des Reiches, aber sie wurden im Auftrage des Reiches durch die Länder, in Preußen durch die Provinzialverwaltungen, verwaltet. Das möchte ich jetzt wieder erreichen.“ Insofern spricht die Genese der Vorschrift in der Tat dafür, daß Art. 90 Abs. 2 GG entgegen seinem mißverständlichen Wortlaut keine unmittelbare Bundesauftragsverwaltung der Gemeinden schaffen will. 425 Soweit ersichtlich, hat lediglich Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit die Sonderregelung in Art. 90 Abs. 2 GG genutzt, indem es durch § 5 Abs. 1 lit. b) Nr. 3 der Landschaftsverbandsordnung (i. d. F. der Bekanntmachung v. 14.7.1994, GVBl. S. 657 [658]) den Landschaftsverbänden die Verwaltung der Bundesfernstraßen „im Auftrag des Landes“ übertrug. Durch Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 27 Nr. 1 lit. a) bb) des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in NordrheinWestfalen v. 9.5.2000 (GVBl. S. 462 [462, 471]) wurden die von den Landschaftsverbänden wahrgenommenen Aufgaben im Bereich der Straßenbauverwaltung indes wieder in die Trägerschaft des Landes übergeleitet.
Vierter Teil
Die Verwaltungsvorschriften aus der Handlungsperspektive der Exekutive Ihre soeben beschriebene Verbindlichkeit innerhalb der Administrative war lange Zeit die einzige Rechtswirkung, die den Verwaltungsvorschriften von der Verfassungsrechtsdogmatik zugestanden wurde. In der Rechtspraxis bestand (und besteht) demgegenüber offenbar durchaus ein Bedürfnis, den Verwaltungsvorschriften auch im Verhältnis zu den Gerichten und den Bürgern eine abgeschwächte „Außenbindung“ zuzusprechen. Nicht ohne Grund wurde bereits zur Zeit der Weimarer Republik die Forderung erhoben, die Allgemeinverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften anzuerkennen. Namentlich E. Becker, Senatspräsident am Reichsfinanzhof und Kommentator der RAO 19191, zweifelte am herrschenden Dogma von der Unverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften außerhalb der Behördenorganisation: „Wenn die Richtlinien für die Finanzgerichte rechtlich bedeutungslos sind, kann eine einzige Entscheidung eines Finanzgerichts alles das, was zur Erzielung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Richtlinien mühsam angestrebt wird und in ernster Arbeit aufgebaut ist, zunichte machen.“2
Namentlich dort, wo eine auslegungsbedürftige gesetzliche Vorschrift durch die Richtlinien in einer für den Steuerpflichtigen günstigen Weise ausgelegt worden sei, müsse eine Verbindlichkeit der Richtlinien erwogen werden, so E. Becker.3 Einen Schritt weiter ging O. Bühler, der – nunmehr unter der Geltung des Grundgesetzes – versuchte, die Verbindlichkeit aller steuerrechtlichen Verwaltungsvorschriften für den Steuerpflichtigen zu begründen.4 Sind diese Vorschläge letztlich vereinzelt geblieben,5 so ist dennoch eines zu konstatieren: ___________ 1
E. Becker, Die Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., 1930. E. Becker, StuW 1926, Sp. 241 (259). 3 E. Becker, Grundlagen der Einkommensteuer, 1940, S. 139 f. 4 Die Allgemeinverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften ergab sich für O. Bühler aus einem „besonderen Gewaltverhältnis“ zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen. Vgl. O. Bühler, Grundsätzliche Fragen der Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit, 1958, S. 13 f. 5 Gegen die Konstruktion O. Bühlers vom „besonderen Gewaltverhältnis“ zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen explizit Wacke, AöR 83 (1958), 309 (332 f.). – Zum Streitstand über Rechtsnatur und Verbindlichkeit von Steuerrichtlinien in Rechtsprechung und Literatur bis Anfang der 1960er Jahre Jaenke, Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1959, S. 15 ff., 52 ff. und passim. 2
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Insbesondere seit dem Ende der 1960er Jahre wurde in Rechtsprechung und Lehre trotz aller verfassungsrechtlicher Bedenken eine Fülle von Konstruktionen entwickelt, aus denen eine zumindest mittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften resultieren soll.6 Sie zu systematisieren und – in der gebotenen Kürze – zu analysieren, ist Anliegen der zunächst folgenden Ausführungen. Darauf aufbauend werden in weiteren Schritten die verfassungsrechtlichen Fundamente einer Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für Gerichte und Bürger gelegt.
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre A. Theorie der Selbstbindung der Verwaltung Ausgangspunkt der auch heute vorherrschenden sogenannten Theorie der Selbstbindung der Verwaltung ist das Postulat von der lediglich verwaltungsinternen Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften.7 Danach können sich aus den Verwaltungsvorschriften weder Rechte für außerhalb der Behördenorganisation stehende Dritte ergeben8 noch sind die Gerichte an sie gebunden9. Während dem Parlamentsgesetz und der Rechtsverordnung nach dem mit der Verkündung abschließenden Rechtssetzungsakt aus sich selbst heraus Allgemeinverbindlichkeit zukomme, bedürfe eine verwaltungsexterne Rechtswirkung von Verwaltungsvorschriften einer besonderen Rechtfertigung, anders: einer beson___________ 6 Standardsetzend waren die beiden Monographien von Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, und W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969. 7 Vgl. kürzlich etwa BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (222): „verwaltungsinterne Weisungen“; ferner bereits früher BVerfG v. 23.11.1951, BVerfGE 1, 82 (83 f.); BVerwG v. 9.10.1957, DÖV 1957, 863 (864); v. 27.6.1955, BVerwGE 2, 163 (164 f.). Nach BVerwG v. 14.10.1959, BVerwGE 10, 12 (14), sollten norminterpretierende Verwaltungsvorschriften sogar von dieser internen Verbindlichkeit ausgeschlossen sein. Andere und zutreffende Auffassung dann wieder BVerwG v. 12.2.1964, NJW 1964, 1239 Leitsatz b). 8 Statt vieler BVerwG v. 27.6.1955, BVerwGE 2, 163 (165); BFH v. 22.11.1957, BFHE 66, 111 (112); BGH v. 21.11.1991, NJW 1992, 827; OVG Münster v. 13.7.1994, NWVBl. 1995, 148; v. 30.4.1963, DVBl. 1963, 860 (861); SächsOVG v. 27.2.2002, SächsVBl. 2002, 243; ThürOVG v. 16.10.2001, ThürVBl. 2002, 232 (234). – A. A. für die § 24 Abs. 2 EGGVG ausgestaltende Verwaltungsvorschrift BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (255) mit kritischer Anmerkung Schenke, DÖV 1977, 27 ff.; und Schwabe, JuS 1977, 661 ff. 9 Jüngst BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 217 (227) mit Anmerkung Kanzler, FR 1988, 677 f.; BayVerfGH v. 13.12.1995, ZBR 1996, 93; aus der älteren Rechtsprechung etwa BVerwG v. 24.4.1959, NJW 1959, 1843 f.; v. 9.10.1957, DÖV 1957, 863 (864); v. 10.7.1957, BVerwGE 5, 193 (194); v. 27.9.1955, DÖV 1956, 505; BFH v. 12.7.1955, BStBl. 1955 III, 267 (268).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
deren die Außenverbindlichkeit erzeugenden Transformationsnorm. Für den „Prototyp der Verwaltungsvorschriften“10, die Ermessensrichtlinien, will die Theorie der Selbstbindung diesen besonderen Rechtssatz im Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sehen.
I. Anknüpfung an die tatsächliche Verwaltungsübung Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die Verwaltung zur gleichmäßigen Ausübung ihres Ermessens. Richtet die Verwaltung ihre Ermessensentscheidungen recht- und regelmäßig an den in Verwaltungsvorschriften niedergelegten Maßstäben aus, so erlaubt das Gleichbehandlungsgebot eine Abweichung11 von dieser Verwaltungsübung nur, wenn sie ein sachlicher Grund im Einzelfall rechtfertigt.12 Anknüpfungspunkt für die Gleichheitsprüfung – der ___________ 10
Jaenke, Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1959, S. 108 unter Hinweis auf Roethe, AöR 59 (1931), 194 (253). 11 Daß der Amtswalter nicht berechtigt ist, von sich aus von der Verwaltungsvorschrift abzuweichen, sondern – unter Berufung auf einen Sonderfall – remonstrieren muß, wurde bereits dargelegt. Vgl. dazu oben 3. Teil § 5 B. VII. 1. 12 Entgegen Ossenbühl, AöR 92 (1967), 1 (13), findet sich die Selbstbindungskonstruktion nicht zuerst im Urteil des VG Stuttgart v. 24.6.1949, DRZ 1950, 571 (572) mit Anmerkung O. Bühler, DRZ 1950, 573, sondern bereits im Urteil des RFH v. 9.7.1931, RStBl. 1932, 6 f. – Grundsätzlich BVerwG v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (280 f.); vgl. ferner BVerwG v. 18.7.2002, GewArch 2003, 111 (112); v. 13.9.1973, BVerwGE 44, 72 (74 f.); v. 13.7.1973, BVerwGE 44, 1 (6); v. 17.2.1972, NJW 1972, 1483; v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 323 (327); v. 25.6.1964, BVerwGE 19, 48 (55 f.); v. 4.3.1964, BVerwGE 18, 120 (123); v. 28.11.1963, BVerwGE 17, 202 (203); v. 25.4.1963, BVerwGE 16, 68 (72); v. 13.12.1962, BVerwGE 15, 196 (202); v. 11.7.1962, BVerwGE 14, 307 (310); v. 24.4.1959, NJW 1959, 1843 (1844); v. 28.5.1958, BVerwGE 8, 4 (10); v. 16.5.1957, BVerwGE 5, 79 (81); v. 16.11.1956, BVerwGE 4, 161 (162); v. 27.6.1955, BVerwGE 2, 163 (167 f.) mit Anmerkung Bachof, JZ 1956, 35 f.; OVG Münster v. 17.10.1950, JZ 1951, 119 mit Anmerkung Bachof, JZ 1951, 119; SächsOVG v. 27.2.2002, SächsVBl. 2002, 243; v. 17.9.2001, SächsVBl. 2002, 5 (6); ThürOVG v. 16.10.2001, ThürVBl. 2002, 232 (234). – Aus dem Schrifttum zur „Selbstbindung der Verwaltung“ jüngst Kautz, GewArch 2000, 230 (231 f.); ferner Mertens, Die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund des Gleichheitssatzes, 1963, passim; Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, 1968, passim; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), S. 187 ff.; Raschauer, VVDStRL 40 (1982), S. 240 ff.; Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 ff.; Brohm, DÖV 1964, 238 (243); Hamann, VerwArch 73 (1982), 28 (29-33); Hauck, NJW 1957, 809 (811 f.); Helmers, NJW 1972, 2012 f.; Jaenike, StuW 1979, 293 (298-303); H. Krüger, DÖV 1957, 686 (689); Menger, VerwArch 53 (1962), 390 (391); ders., VerwArch 51 (1960), 64 (71); Ossenbühl, DVBl. 1981, 857 ff.; Pietzcker, NJW 1981, 2087 ff.; Reinke, ArchPF 1985, 264; W. Schmidt, JuS 1971, 184 ff.; Selmer, VerwArch 59 (1968), 114 (122 f.). – In einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung will das VG Leipzig v. 11.10.1993, NVwZ 1995, 617, „über diese Fallgruppe hinaus ausnahmsweise auch dann einen Verstoß gegen Art. 3 I GG [...] bejahen, wenn die (rechtswidrige) Verwaltungspraxis im grundrechtsrelevanten Bereich einen Personenkreis ohne sachlichen Grund von einer von ihr
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Vergleichsmaßstab – sind daher nicht die Verwaltungsvorschriften als solche, sondern die gleichmäßige Verwaltungspraxis, bildhaft gesprochen: eine Kette einzelner Verwaltungsakte.13 Unter Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG kann daher jeder Bürger verlangen, so gestellt zu werden, wie andere Bürger in vorangegangenen gleichen Fällen bereits gestellt wurden. Eine umständliche Feststellung der Verwaltungsübung ist jedoch nicht erforderlich. Die Verwaltungsvorschriften fungieren vielmehr als Indizien der Verwaltungspraxis.14 Denn aufgrund der für die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung bestehenden Weisungsgebundenheit besteht die Vermutung, daß Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsübung übereinstimmen. Ein nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigtes Abweichen von den Verwaltungsvorschriften bedeutet deshalb einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot. Nach der Theorie der Selbstbindung der Verwaltung sollen die Verwaltungsvorschriften demnach mit Hilfe der „Umschaltnorm“15 des Art. 3 Abs. 1 GG mittelbar Außenwirkung gegenüber den Bürgern entfalten. Schon früh wurde auf die rechtliche Problematik der Selbstbindungskonstruktion hingewiesen.16 Den „besondere(n) Schwachpunkt“17 dieser Lehre aber im (ohnehin eher theoretischen) „ersten Fall“ zu sehen, bei dem sich noch keine Verwaltungspraxis entwickelt habe und eine Selbstbindung daher zwei___________ gewährten Vergünstigung ausnimmt“. Dagegen aber BVerwG v. 26.2.1993, NJW 1993, 2065 (2066): „Denn Art. 3 I GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht [...].“ – Abweichend V. Götz, DVBl. 1968, 93 ff., nach dem die Verwaltung kraft des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG auch von einer rechtswidrigen Verwaltungsübung nicht ohne sachlichen Grund abweichen dürfe. 13 BVerwG v. 26.10.1973, BVerwGE 44, 136 (138 f.); v. 13.7.1973, BVerwGE 44, 1 (6); v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 323 (327); v. 26.11.1970, BVerwGE 36, 313 (315); v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (281); sowie die in Fn. 12 aufgeführten Rechtsprechungsnachweise. – Eine mittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften über Art. 3 Abs. 1 GG dagegen zunächst ablehnend BFH v. 12.7.1955, BStBl. 1955 III, 267 (268), der den Einwand, bestimmte Steuerrichtlinien seien bereits über einen längeren Zeitraum angewandt worden, mit der Begründung für irrelevant hält, „eine dem Gesetz entsprechende Auslegung“ könne nicht als „unvereinbar mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ angesehen werden. Später argumentiert der BFH (v. 22.11.1957, BFHE 66, 111 [113]), eine auch nur mittelbare Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften führe zur Anerkennung einer administrativen Rechtsetzungsbefugnis, die gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoße. Erst in den 1960er Jahren erkennt der BFH die Selbstbindungskonstruktion an (etwa BFH v. 20.11.1964, BStBl. 1965 III, 73 [75]). 14 BVerwG v. 11.10.1985, DVBl. 1986, 110 (111); v. 25.3.1981, DVBl. 1981, 1149; v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (18, 21). 15 Zacher, VVDStRL 24 (1966), S. 237 (Diskussionsbeitrag). 16 Vgl. etwa Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (266 f.); Ossenbühl, in: Festgabe 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 433 (441-444); aus jüngerer Zeit etwa A. Leisner, JZ 2002, 219 (223, 227). 17 Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 38.
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felhaft sei,18 kann kaum als tragfähiges Gegenargument dienen. Zwar ist es richtig, daß Art. 3 Abs. 1 GG selbst keine Vergleichsmaßstäbe liefert, sondern sie voraussetzt. Wenn daher ein Anspruch auf Gleichbehandlung nur unter Hinweis auf bereits entschiedene vergleichbare Fälle begründet werden kann, bedingt dies eben in der Konsequenz eine Bindung jedenfalls ab dem zweiten Fall.19 Zudem erscheint dieses Resultat auch aus der Sicht des rechtsschutzsuchenden Bürgers vertretbar. Eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung erfolgt ohnehin erst, nachdem sich in der Regel bereits eine Verwaltungsübung herausgebildet hat.20 Entscheidend ist statt dessen die folgende Überlegung. Der tiefere Grund für die Entwicklung der Theorie der Selbstbindung der Verwaltung liegt in der Besonderheit des Verwaltungsrechtsschutzes, von der einzelnen Verwaltungshandlung auszugehen und deren Rechtmäßigkeit singulär anhand ihrer gesetzlichen Grundlagen zu untersuchen. Auch in diesem Zusammenhang ist die verbreitete Qualifikation der Verwaltungsvorschriften als eines Bündels von Einzelweisungen zu sehen.21 Verwaltungsvorschriften steuern jedoch nicht nur den gleichmäßigen Vollzug eines Gesetzes im Einzelfall. Verwaltungsvorschriften enthalten zugleich ein inhaltliches Programm, ein politisches Wertungskonzept, eine planerische Gesamtentscheidung, in der grundlegende Abwägungen – etwa im Umweltbereich über Schutz- und Vorsorgekonzepte – enthalten sind.22 Die aus der Anwendung der Verwaltungsvorschriften resultierenden Einzelakte stellen verdichtete Emanationen dieses komplexen Systems kognitiver und volitiver Gesichtspunkte dar. Sie können daher nicht herausgelöst aus dem aus planerischen Wertungs- und Wirklichkeitselementen geschmiedeten Gesamtkonzept ___________ 18 So Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 38; H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 24 Rn. 29 (S. 331 f.). 19 Die Frage, wie häufig eine Verwaltungsvorschrift in die Praxis umgesetzt sein muß, bis eine mittelbare Außenwirkung eintritt, wird nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird lediglich ein vorentschiedener Fall gefordert (vgl. Erichsen, VerwArch 71 [1980], 289 [298]; Ossenbühl, DVBl. 1981, 857 [862]). In der Regel wird auf eine „mehrfache“ Anwendung der Verwaltungsvorschriften abgestellt (vgl. Pietzcker, NJW 1981, 2088 [2091]). Wittling (Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 233 f.) will eine mittelbare Außenbindung bereits nach dem ersten Fall nur dann annehmen, wenn die Verwaltungsvorschriften die maßgeblichen Entscheidungskriterien abschließend aufzählten, so daß die Verwaltung keine „Erprobungszeit“ zur Entwicklung ihrer Verwaltungspraxis benötige. In anderen Fällen trete die Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften kraft des Gleichheitssatzes dagegen „langsamer“ ein. 20 Im Ergebnis ebenso Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 22 (S. 634). 21 Vgl. dazu oben 3. Teil § 5 B. IV. 1. 22 Vgl. BVerwG v. 21.6.2001, BVerwGE 114, 342 (344); ähnlich bereits Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 320 f.; Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 185 f., 224 f., 347-359; SchmidtAßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 57 (S. 1016 f.).
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betrachtet werden. Genau dies aber ist die Konsequenz der Selbstbindungskonstruktion, die den Einzelfall isoliert auf der Verwaltungsaktsebene an seinen gesetzlichen Grundlagen mißt. Aufgrund der Vernachlässigung jenes spezifischen Leistungsprofils der Verwaltungsvorschriften kann die an die tatsächliche Verwaltungspraxis anknüpfende Variante der Selbstbindungslehre nicht überzeugen.23
II. Anknüpfung an die Verwaltungsvorschriften als antizipierte Verwaltungsübung Wurde in der überwiegenden Rechtsprechung zunächst noch allein auf die tatsächliche, länger praktizierte Verwaltungsübung abgestellt, um eine Selbstbindung der Verwaltung zu konstruieren, finden sich in späteren Entscheidungen keinerlei Hinweise mehr auf das Erfordernis einer gleichmäßigen Übung.24 Statt dessen stellen Teile der Rechtsprechung die These auf, auch eine noch nicht angewandte Verwaltungsvorschrift vermöge über das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG eine Selbstbindung der Verwaltung zu erzeugen.25 Da es sich bei den Verwaltungsvorschriften qualitativ um die generalisierende Vorwegnahme künftiger Einzelfallentscheidungen handele, könne der Gleichheitssatz direkt an die Verwaltungsvorschriften als „antizipierte Verwaltungspraxis“ anknüpfen.26 Offen spricht etwa das OVG Koblenz in diesem Zusammenhang aus: ___________ 23 Zudem läßt sich die Verbindlichkeit von organisatorischen und verfahrensregelnden Verwaltungsvorschriften mit Hilfe des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nur schwer begründen (vgl. Brohm, in: ders., Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 11 [34]). An seine Grenzen stößt das Selbstbindungskonzept schließlich bei Antragstellern, denen keine Grundrechtsträgerschaft zukommt (vgl. Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 321 bei Fn. 103 unter Hinweis auf die Fallgestaltung in VGH BW v. 19.11.1985, VBlBW 1986, 221 [223], wo Art. 3 Abs. 1 GG in seiner objektiv-rechtlichen Dimension herangezogen wird, um die mittelbare Außenwirkung einer Verwaltungsvorschrift gegenüber einer Gemeinde begründen zu können). 24 Etwa BVerwG v. 25.6.1964, BVerwGE 19, 48 ff.; v. 4.3.1964, BVerwGE 18, 120 ff.; v. 30.10.1963, BVerwGE 17, 111 ff.; v. 24.10.1962, JR 1963, 432 f.; v. 30.4.1962, DVBl. 1963, 182; v. 14.3.1962, DÖV 1962, 549 f.; v. 27.1.1960, BVerwGE 10, 112 ff.; HessVGH v. 29.11.1962, ESVGH 14, 50 ff. 25 Etwa OVG Koblenz v. 21.3.1962, DVBl. 1962, 757; v. 8.9.1966, NJW 1967, 949 (952). 26 BVerwG v. 7.5.1981, DVBl. 1982, 195 (196 f.); v. 24.3.1977, BVerwGE 52, 193 (199); v. 29.4.1971, DÖV 1971, 748: „gewissermaßen eine – der Verwaltung und den Bewerbern im voraus bekanntgegebene – antizipierte Verwaltungspraxis“; v. 7.12.1966, ZBR 1967, 220 (221): „vorwegnehmende Fixierung einer durch sie vorgezeichneten Verwaltungsübung“; v. 25.6.1964, BVerwGE 19, 48 (55); v. 4.3.1964, BVerwGE 18, 120 (121 f.); v. 25.4.1963, BVerwGE 16, 68 (70).
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„Denn die Selbstbindung tritt in Fällen dieser Art schon deshalb ein, weil sich die Verwaltung durch einen Willensakt der eingeräumten Gestaltungsfreiheit begeben hat.“27
Das Schrifttum sieht darin bereits die Aufgabe der auf Art. 3 Abs. 1 GG basierenden Selbstbindungskonstruktion und die Anerkennung eines originären Administrativrechts durch die Rechtsprechung. Denn nunmehr trete die Selbstbindung der Verwaltung nicht erst kraft administrativen Handelns ein, sondern kraft eines in den Verwaltungsvorschriften verlautbarten Willensaktes der Verwaltung.28 Sollte dem wirklich so sein, müßte sich bei einer Divergenz von Verwaltungsvorschrift und tatsächlicher Verwaltungsübung die Verwaltungsvorschrift durchsetzen. Eine genauere Analyse der Rechtsprechung fördert jedoch das Gegenteil zu Tage. Dreh- und Angelpunkt der Erwägungen (des 2. Senats) des Bundesverwaltungsgerichts ist die Einordnung einer Verwaltungsvorschrift als Willenserklärung, die analog § 133 BGB nach dem wirklichen Willen des Vorschriftengebers auszulegen sei.29 Der wirkliche Wille des Vorschriftengebers wiederum zeige sich in der tatsächlichen, vom Vorschriftengeber geduldeten Verwaltungsübung.30 Weiche die Verwaltung daher in kontinuierlicher Übung von der Verwaltungsvorschrift ab, so sei die divergierende Verwaltungspraxis ein Indiz für den geänderten Willen des Vorschriftengebers, mithin einer Revision der Verwaltungsvorschrift. Denn es bedeute eine Billigung oder Duldung der seinen Verwaltungsvorschriften widersprechenden Praxis, falls der Vorschriftengeber nicht einschreite.31 Im entscheidenden Konfliktfall zwischen Verwaltungsvorschrift und Verwaltungspraxis knüpft das Bundesverwaltungsgericht daher weiterhin an das tatsächliche Verwaltungshandeln an.32 Von einer Aufgabe der ___________ 27
OVG Koblenz v. 21.3.1962, DVBl. 1962, 757. – Dagegen stellen das SächsOVG (v. 17.9.2001, SächsVBl. 2002, 5 [6]) und das ThürOVG (v. 16.10.2001, ThürVBl. 2002, 232 [235]) wieder auf das tatsächliche Verwaltungshandeln ab. 28 So Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 50 (S. 161); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 49 (S. 449 f.); ders., in: Festgabe 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 433 (442); zustimmend Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 39; A. Leisner, in: Festschrift für W. Fürst, 2002, S. 185 (189 f.); Löwer, JA 1977, 319 (322). 29 Grundsätzlich BVerwG v. 31.1.1980, BVerwGE 59, 348 (349); gegen eine rechtsnormgleiche Auslegung bereits BVerwG v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45 (51 f.). 30 Nach der Rechtsprechung des BVerwG (v. 28.9.1971, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 47) ist bei Erklärungen, „generalisierend auf eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle abzustellen“, für die Ermittlung des vom Vorschriftengeber Gewollten „die tatsächliche Verwaltungspraxis jedenfalls insoweit heranzuziehen, als sie von dem Urheber der Verwaltungsvorschrift gebilligt oder doch geduldet wurde und wird.“ 31 BVerwG v. 24.3.1977, BVerwGE 52, 193 (199 f.). 32 Nichts anderes ergibt sich aus einer jüngeren Entscheidung des BVerwG v. 8.4.1997 (BVerwGE 104, 220 ff.). Gegenstand des Rechtsstreits war ein Antrag des Klägers auf Bewilligung von Subventionen, der von der zuständigen Behörde abgelehnt
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Selbstbindungslehre kann somit keine Rede sein. Lediglich für den Zeitraum, in dem sich noch keine Verwaltungspraxis herausgebildet hat, kommt es zu einer Modifikation, indem über Art. 3 Abs. 1 GG eine direkte Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften als „antizipierte Verwaltungsübung“ angenommen wird. Damit tut sich ein erster Kritikpunkt auf: Warum soll sich der Anspruch eines Dritten nur im „ersten Fall“ unmittelbar nach der Verwaltungsvorschrift richten, es in allen nachfolgenden Fällen dagegen auf die Verwaltungsübung ankommen?33 Entscheidend aber sind die Angriffspunkte, die das Fundament der Lehre von der „antizipierten Verwaltungsübung“ – die Qualifikation der Verwaltungsvorschriften als analog § 133 BGB auszulegende Willenserklärungen – bietet. Daß etwa die tatsächliche Verwaltungspraxis untergeordneter Behörden ein Indiz für den wirklichen Willen des übergeordneten Verwaltungsvorschriftengebers sein soll, ist eine reine Fiktion, zumal der Vorschriftengeber auch aus Unkenntnis gegen eine von den Verwaltungsvorschriften abweichende Praxis nicht eingeschritten sein kann. Sogar zu einer Unterstellung aber wird die Ermittlung des Willens des Verwaltungsvorschriftengebers, wenn die Verwaltungsvorschriften zeitlich unmittelbar vor der divergierenden Verwaltungspraxis erlassen wurden: In diesem Fall konnte der Vorschriftengeber seinen Willen noch gar nicht ändern. § 133 BGB manifestiert im übrigen nicht die subjektive Erklärungstheorie, sondern verlangt eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont.34 Auch ein verständiger (außenstehender) Empfänger wird jedoch kaum eine abweichende Verwaltungsübung feststellen, sondern allenfalls Kenntnis von der Verwaltungsvorschrift erlangen können. Es verwundert daher nicht, wenn die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wieder das tatsächliche Verwaltungshandeln als Grundlage der Selbstbindungslehre betrachtet.35 Die Mängel dieser Konstruktion wurden soeben offengelegt. ___________ worden war. Die Ablehnung des Antrags widersprach zwar einer veröffentlichten Subventionsrichtlinie aus dem Jahre 1983, befand sich jedoch in Einklang mit einem unveröffentlichten Erlaß aus dem Jahre 1989, durch den ihrerseits die Richtlinie von 1983 geändert werden sollte. Das BVerwG bejahte im Ergebnis die Wirksamkeit der Änderung der 1983 erlassenen Richtlinie. Eine Kollision zwischen geltender Verwaltungsvorschrift und Verwaltungspraxis bestand daher gerade nicht. Das BVerwG konnte deshalb offenlassen, ob der Gleichheitssatz direkt an die Verwaltungsvorschrift oder an die darauf basierende Verwaltungspraxis anknüpft (BVerwGE 104, 220 [223 sub 2.]: „Das bedarf indes keiner Vertiefung.“). 33 Vgl. dazu etwa Bogs, in: Verhandlungen des 43. Deutschen Juristentages (1960), Bd. II, 1962, S. G5 (G32 f.), und Oldiges, NJW 1984, 1927 (1931 mit Fn. 72). 34 Medicus, Allg. Teil des BGB, 7. Aufl., 1997, Rn. 323 (S. 123 f.). 35 Vgl. BVerwG v. 15.1.1987, DÖV 1987, 546 (547); v. 21.10.1986, BVerwGE 75, 86 (93); v. 25.3.1981, DVBl. 1981, 1149; v. 1.6.1979, NJW 1980, 75; v. 28.4.1978, NJW 1979, 280; OVG Bremen v. 25.8.1987, DÖV 1988, 180; OVG Münster v.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
B. Vertrauensschutzorientierte Ansätze Weniger als Gegenentwurf denn als Ergänzung der auf Art. 3 Abs. 1 GG basierenden Selbstbindungslehre ist der Versuch insbesondere der Rechtsprechung zu verstehen, die Außenverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften auf das Vertrauensschutzprinzip zu stützen.
I. Rechtsprechungsbericht Bereits Ende der 1950er Jahre hatte der Bundesfinanzhof36 die Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften aus dem Vertrauensgrundsatz in Anlehnung an die Rechtsprechung über die Verbindlichkeit von Einzelauskünften entwikkelt. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben könne sich der Steuerpflichtige darauf verlassen, daß eine vom zuständigen Beamten erteilte Auskunft, auf die er seine geschäftlichen Maßnahmen abgestellt habe, vom Finanzamt nicht ohne gewichtige Gründe beiseite geschoben würde. Publizierte Ermessensvorschriften seien aber nichts anderes als generelle Auskünfte an alle Steuerpflichtigen und daher nach dem Vertrauensgrundsatz im finanzgerichtlichen Verfahren von Bedeutung.37 Der Gedanke, eine Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften aus dem Vertrauensgrundsatz herzuleiten, fand alsbald auch Eingang in die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. In seinem Urteil vom 17. April 1970 entschied das Bundesverwaltungsgericht38, daß die Verwaltung durch die Bekanntmachung einer Verwaltungsvorschrift aufgrund des Vertrauensschutzes „unmittelbar“ gebunden sei. Denn durch die Bekanntmachung binde sich die Verwaltung, „wie auch im sonstigen Recht eine Rechtspersönlichkeit an ihre Erklärungen gebunden ist“. Der Dritte, an den sich die Verwaltungsbehörde im Rahmen des ihr ge___________ 15.6.1984, DVBl. 1985, 532 (533); v. 15.8.1980, NJW 1981, 2597 (2598). – Unentschieden BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 ff., das einerseits ausdrücklich offen läßt, wie der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG Verwaltungsvorschriften eine anspruchsbegründende Außenwirkung gegenüber dem Bürger zu vermitteln vermag (BVerwGE 104, 220 [223 sub 2.]: „Das bedarf indes keiner Vertiefung.“), und im übrigen sowohl an die „Änderung der Richtlinie“ (BVerwGE 104, 220 [223 f.]) als auch an die „Änderung der Subventionspraxis“ (BVerwGE 104, 220 [226]) anknüpft. 36 BFH v. 14.8.1958, BFHE 67, 354 ff. mit Anmerkung Jesch, JZ 1960, 282 ff. – Zur vorherigen Behandlung von Ermessensrichtlinien durch den BFH vgl. Flume, Steuerberater-Jahrbuch 1953/54, 81 ff.; Seithel, FR 1958, 314 ff. 37 BFH v. 14.8.1958, BFHE 67, 354 (360 f.). – Kritisch gegenüber dem Vergleich einer Verwaltungsvorschrift mit der behördlichen Auskunft Trzaskalik, in: Tipke, Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1982, S. 315 (324 in Fn. 29). Vgl. dazu auch BFH v. 5.3.1964, BStBl. 1964 III, 311 (312). 38 BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 ff.
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setzlich zugestandenen Ermessens mit ihrer Verwaltungsvorschrift wende, müsse sich mithin „aufgrund der Verfassungsprinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit“ darauf verlassen können, daß sich die Behörde an ihre bekanntgemachte Verwaltungsvorschrift halte. Diese Bindung „erfolgt zum Vertrauensschutz, der teils mit dem Grundsatz von Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit [...], teils mit Treu und Glauben begründet wird“.39 Im Ergebnis ebenso urteilte das OVG Münster40 im Jahre 1976, daß der durch die Veröffentlichung einer Subventionsrichtlinie begründete Vertrauensschutz zur Leistungsberechtigung eines Personenkreises führen könne, obwohl sein Ausschluß von der Subventionsgewährung nicht dem Gleichheitssatz widerspreche.41 Der Argumentationstopos des Vertrauensschutzes fordert jedoch Kritik heraus.42 Sie wird im Folgenden entwickelt.
___________ 39
BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 (161 f.). OVG Münster v. 30.1.1976, GewArch 1976, 290 f. – Später im Fall der Gewährung einer Finanzierungshilfe, deren Berechnungsgrundlage nachträglich geändert worden war, rückte das OVG Münster (v. 30.11.1979, DVBl. 1980, 648 [649]) von dieser Rechtsprechung wieder ab. Alleiniger Grund der Selbstbindung der Verwaltung „vor Erteilung des Bewilligungsbescheids“ sei der Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Tatbestand, der das Vertrauen des Subventionsbewerbers auf eine bestimmte Verwaltungspraxis zu begründen vermöge, werde erst durch die Erteilung eines Bewilligungsbescheides gesetzt. 41 Aus der Rechtsprechung jüngst BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (223): „Allerdings ist in der Rspr. des BVerwG [...] anerkannt, daß Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne Bindung hinaus vermittels [...] des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger zu begründen vermögen.“; vgl. ferner VGH Kassel v. 21.12.1956, ESVGH 6, 231 (233 f.); VG München v. 15.12.1971, BayVBl. 1973, 135 (137). – Aus dem zustimmenden Schrifttum H. H. Klein, in: Festgabe für E. Forsthoff, 1967, S. 163 (179184); V. Götz, DVBl. 1979, 882 (883); ders., NJW 1979, 1478 (1481); Hamann, VerwArch 73 (1982), 28 (35 f.); Jesch, JZ 1960, 282 (283); Pietzcker, NJW 1981, 2087 (2090, 2091); Randelzhofer, JZ 1973, 536 (543 in Fn. 66, 544); Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 (488 f.); Stern, JZ 1960, 557 (559). – Zur Verbindlichkeit einer länger andauernden gleichmäßigen Verwaltungsübung kraft des Vertrauensgrundsatzes BVerwG v. 13.9.1984, BVerwGE 70, 121 (126); F. Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht, 1966, S. 237. 42 Kritisch gegenüber einer Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften kraft des Vertrauensgrundsatzes auch Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 24 (S. 635 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 60 Rn. 94 (S. 265); K. Lange, WiVerw. 1979, 15 (32-34); Lotz, WiVerw. 1979, 1 (6 f.); Ossenbühl, DÖV 1981, 857 (860 f.); ders., DÖV 1972, 25 (29); W. Schmidt, JuS 1973, 529 (530). 40
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
II. Vertrauensschutz analog § 176 Abs. 2 AO 1977 Im Zusammenhang mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes wird häufig auf § 176 Abs. 2 AO 1977 verwiesen.43 Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. § 176 Abs. 2 AO 1977 komme insofern eine „Signalwirkung“44 zu, als für einen begrenzten Bereich eine rechtliche Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften aufgrund des Vertrauensschutzprinzips vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt werde.45 § 176 Abs. 2 AO 1977 läßt sich jedoch nicht als Emanation des Vertrauensschutzprinzips auffassen und eignet sich daher kaum für Verallgemeinerungen. Denn tatbestandlich ist die Vorschrift nur „bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids“ einschlägig. § 176 Abs. 2 AO 1977 stellt sich damit als Annexregelung zu anderen Steuergesetzen dar, die gerade der materiellen Rechtmäßigkeit den Vorzug vor einem Schutz individuellen Vertrauens einräumen, indem sie die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids erlauben. Kommt § 176 Abs. 2 AO 1977 aber nur zur Anwendung, wenn feststeht, daß kein Vertrauensschutz gewährt wird, kann er folgerichtig auch keinen Vertrauensschutztatbestand normieren. Die Qualifikation des § 176 Abs. 2 AO 1977 als Ausprägung des Vertrauensschutzgrundsatzes bleibt ferner die Erklärung schuldig, warum § 176 AO 1977 nicht zwischen den verschiedenen Aufhebungsmöglichkeiten differenziert. Wer etwa einen Steuerbescheid durch unlautere Mittel im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c) AO 1977 erwirkt hat, dürfte kaum demjenigen gleichgestellt werden, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO 1977 veranlagt wurde.46 Läßt sich eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften somit nicht aus einer analogen Anwendung des § 176 Abs. 2 AO 1977 herleiten, bleibt nur der Rückgriff auf den in allgemeinen Rechtsgrundsätzen verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes. ___________ 43 Etwa J. Martens, in: Tipke, Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1982, S. 165 (188); Tipke, StuW 1981, 189 (195). 44 J. Martens, in: Tipke, Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1982, S. 165 (188 in Fn. 124). 45 Tipke, StuW 1981, 189 (195 in Fn. 34), hält § 176 Abs. 2 AO 1977 für zu eng, da er die Änderung von Verwaltungsvorschriften durch die Verwaltung nicht erfasse. 46 So auch Trzaskalik, in: Tipke, Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1982, S. 315 (324 in Fn. 29 a. E.).
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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III. Vertrauensschutz nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Als rechtliches Fundament des Vertrauensschutzgedankens werden vornehmlich die Verfassungsprinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit sowie Treu und Glauben genannt.47 Stand am Anfang noch die apodiktische Übernahme des zivilrechtlichen Grundsatzes von Treu und Glauben in das öffentliche Recht im Vordergrund,48 wird heute das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Rechtssicherheit angeführt.49 Es hat die Funktion, gegenüber der individualistischen Wurzel des Grundsatzes von Treu und Glauben das allgemeinbezogene öffentlich-rechtliche Element des Vertrauensschutzes stärker hervorzuheben.50 Ausprägung und Reichweite des allgemeinen Vertrauensgrundsatzes sind im einzelnen noch nicht abschließend geklärt. Es wundert daher nicht, daß der allgemeine Vertrauensschutzgedanke in Praxis und Lehre in verschiedenen Varianten auftaucht, je nachdem, ob er auf Anordnungen des Gesetzgebers, auf Urteile der Gerichte oder auf Verwaltungsakte, Pläne oder eben Verwaltungsvorschriften der Exekutive angewandt wird.
1. Unmittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften vor Veröffentlichung H. Klein51 will eine unmittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften schon vor ihrer Veröffentlichung mit Hilfe des Vertrauensgrundsatzes begründen. Der Gedanke des Vertrauensschutzes zwinge „die vollziehende Gewalt, jede Aufgabe planmäßig, d. h. nach einem bestimmten Konzept zu vollziehen“. Verwaltungsvorschriften stellten ein solches Konzept dar, durch das die Plan___________ 47
BVerfG v. 19.12.1961, BVerfGE 13, 261 (271); BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 (162); Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (27); Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 (488); zur Entwicklung auch Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, passim; Lenz, Das Vertrauensschutz-Prinzip, 1968, passim; Kisker, VVDStRL 32 (1974), S. 149 ff.; Püttner, VVDStRL 32 (1974), S. 200 ff. 48 Dazu Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1963, S. 2-11; zur Kritik Kimminich, JZ 1962, 518 (521 f.). 49 Ähnlich BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 (162); Lotz, WiVerw. 1979, 1 f.; Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (27); vgl. auch K. Schmidt, DÖV 1972, 36 mit Fn. 2; W. Schmidt, JuS 1973, 529 (531). 50 Vgl. die oben in Fn. 49 angeführten Nachweise. – Bisweilen wurde der Vertrauensschutzgedanke auch auf das öffentlich-rechtliche Willkürverbot gestützt. Hierzu etwa Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 233. 51 H. H. Klein, in: Festgabe für E. Forsthoff, 1967, S. 163 ff.; kritisch Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 241 in Fn. 489; Redeker, JZ 1968, 537 (539 f.).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
mäßigkeit des Verwaltungsverfahrens gewährleistet werde. Soweit sie die Tätigkeit der Behörden im Verhältnis zum Bürger regelten, seien sie „keine bloßen Verwaltungsinterna, auf die sich der Satz anwenden ließe, daß sie nicht geeignet seien, den Vertrauensschutz Dritter zu begründen“. Vielmehr sei die vollziehende Gewalt „wegen der Notwendigkeit dieses Vertrauensschutzes [...] den Bürgern gegenüber an sie gebunden“. „Grundsätzlich (werde) man deshalb auch eine Bekanntgabe der Verwaltungsanweisungen in geeigneter Form verlangen müssen.“52 Zwar mag noch keine vollständige Klarheit hinsichtlich der Voraussetzungen des Vertrauensschutzprinzips herrschen, eines ist indes sicher. Damit ein Dritter überhaupt Vertrauen entwickeln kann, muß er den Tatbestand kennen, an den sein Vertrauen anknüpfen soll.53 Mit anderen Worten: Er muß Kenntnis vom Inhalt der Verwaltungsvorschriften haben, bevor er auf sie vertrauen kann.54 Wenn H. Klein daher wegen der aus dem Vertrauensschutz resultierenden Aussenwirkung der Verwaltungsvorschriften deren Veröffentlichung fordert,55 bleibt er die Antwort auf die Frage schuldig, wie ein Betroffener auf eine unveröffentlichte Verwaltungsvorschrift vertrauen kann.56 Denn die Bekanntmachung einer Verwaltungsvorschrift kann nie Folge, sondern allenfalls Ursache einer Außenwirkung kraft Vertrauensschutzes sein.
2. Mittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften nach Veröffentlichung Insoweit konsequent knüpft die Rechtsprechung57 an die Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften an, um den Vertrauensschutz zu begründen.
___________ 52
H. H. Klein, in: Festgabe für E. Forsthoff, 1967, S. 163 (180, 181). So die allgemeine Auffassung. Vgl. statt vieler Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 265 f.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 544 in Fn. 296; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 102 in Fn. 312; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 90 f. 54 Explizit für den Fall der Verwaltungsvorschriften als Vertrauensgrundlage etwa Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 265 f.; Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 241 f.; Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 (488). 55 H. H. Klein, in: Festgabe für E. Forsthoff, 1967, S. 163 (181). 56 Gegen eine Fiktion der Kenntnisnahme des Bürgers vom Vertrauenstatbestand auch Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 90 f. 57 Siehe oben 4. Teil § 7 B. I. 53
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a) Auch außengerichtete Verwaltungsvorschriften Hierbei wurde in den entschiedenen Fällen ein Leistungsanspruch kraft Vertrauensschutzes fast ausnahmslos auf Ausschreibungen der Wirtschaftsverwaltung gestützt. Zweck ihrer Veröffentlichung war es, die betroffenen Unternehmer über die Bedingungen einer begünstigenden Entscheidung der Behörde zu informieren und damit eventuelle Anträge vorzubereiten. Das Bundesverwaltungsgericht qualifiziert derartige Ausschreibungen nur in einem ersten Schritt als Verwaltungsvorschriften, die der Vorbereitung von Verwaltungsakten, nämlich der Erteilung von Genehmigungen dienten.58 Darüber hinaus seien die Ausschreibungen ebenso an den begünstigten Personenkreis und damit auch nach außen gerichtet. Außengerichtetheit und Bekanntmachung erzeugten eine Metamorphose der zunächst internen Verwaltungsanweisungen zu einem „nach außen tretenden Willensakt“, an den die Verwaltung gebunden sei.59 Widerspruchslos kann diese Deduktion nicht hingenommen werden. Angreifbar bleibt insbesondere, warum der Vertrauensgrundsatz als Quelle der Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften angeführt wird, wenn sich die Verwaltung doch gerade „kraft Willensaktes“, mithin „wie auch im sonstigen Recht eine Rechtspersönlichkeit“ binden soll. Zumindest rechtmäßige Willensakte tragen den Charakter der Verbindlichkeit bereits in sich selbst, ohne daß es einer Heranziehung des Vertrauensschutzprinzips noch bedürfte.60 Daß auch das Bundesverwaltungsgericht das Vertrauensschutzprinzip letztlich nur als Feigenblatt vorschiebt, indes in Wirklichkeit ein originäres Administrativrecht mit Außenwirkung bejaht, zeigt die Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Vertrauensschutzprinzips durch das höchste Verwaltungsgericht. Während das Bundesverwaltungsgericht – in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Amtshaftungsprozessen61 – ansonsten regelmäßig eine Vertrauensbetätigung als Voraussetzung eines Anspruchs kraft Vertrauensschutz fordert,62 verzichtet es in den Fällen außengerichteter Verwaltungsvorschriften auf dieses Merkmal.63 Geht es im Kern aber weniger um die Gewährung von Ver___________ 58
BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 (161). BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 (162); im Ergebnis ebenso OVG Münster v. 30.1.1976, GewArch 1976, 290 (291). 60 Vgl. Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 259 in Anlehnung an Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (28). 61 Vgl. etwa BGH v. 10.1.1963, NJW 1963, 644 (645); v. 26.9.1960, NJW 1960, 2334. 62 Jüngst BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (226-230) mit Anmerkung Jobs, JA 1998, 545 ff.; ferner BVerwG v. 18.9.1984, BVerwGE 70, 127 (136); v. 13.9.1984, BVerwGE 70, 121 (126); v. 7.5.1981, DVBl. 1982, 195 (197). 63 BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 (162); ebenso OVG Münster v. 30.1.1976, GewArch 1976, 290 f. 59
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
trauensschutz als um die Anerkennung eines selbständigen Rechtserzeugungswillens der Verwaltung, verdunkelt das Bundesverwaltungsgericht das eigentlich zu erörternde Problem: Administrative Außenrechtsetzung ist nur dann zulässig, wenn sie in den verfassungsrechtlich vorgegebenen exekutiven Funktions- und Kompetenzbereich fällt. Außengerichtete Verwaltungsvorschriften erweisen sich damit nicht als Frage des Vertrauensschutzes. Die Annahme ihrer Verfassungsmäßigkeit führt vielmehr herab zu den Grundfesten unserer Verfassung – dem Gewaltenteilungsgrundsatz, dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip.
b) Rein innengerichtete Verwaltungsvorschriften Lediglich bei rein innengerichteten und bei rechtswidrigen außengerichteten Verwaltungsvorschriften könnte der Argumentationstopos des Vertrauensschutzes – ggf. unter erschwerten Bedingungen – eine mittelbare Außenwirkung erzeugen. Die Reichweite des Vertrauensgrundsatzes ist daher zunächst anhand der Fallgruppe der rein innengerichteten Verwaltungsvorschriften näher zu untersuchen.
aa) Vertrauensgrundlage und Kenntnis des Betroffenen Eine ausdrückliche Normierung hat der Grundsatz des Vertrauensschutzes in den §§ 48, 49 VwVfG für die Fälle der Rücknahme und des Widerrufs von Verwaltungsakten gefunden. Der Verwaltungsakt ist in der Tat in herausragender Weise als Vertrauensgrundlage geeignet, da er seiner Funktion entsprechend auf die Stabilisierung der von ihm erfaßten Rechtsverhältnisse angelegt ist. Der am Verwaltungsakt entwickelte Vertrauensschutz darf daher nicht ohne weiteres auf andere Verwaltungsmaßnahmen übertragen werden. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob andere administrative Handlungsformen überhaupt eine hinreichende Vertrauensgrundlage zu bilden vermögen, an die etwaiges Vertrauen des Bürgers anknüpfen kann. Für die (rein innengerichteten) Verwaltungsvorschriften wird dies teilweise64 verneint. Da die Verwaltungsvorschriften nicht an den Bürger, sondern an nachgeordnete Verwaltungsinstanzen adressiert seien, enthielten sie keine Erklärungen, die ein Vertrauen des Bürgers begründen könnten. Daran ändere
___________ 64 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 24 (S. 635 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 60 Rn. 94 (S. 265).
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auch die Publikation der Verwaltungsvorschriften nichts, wenn und weil deutlich bleibe, daß sie sich nur an die nachgeordneten Behörden wendeten.65 Überzeugen kann diese Argumentation nicht: Kennt der Bürger die für seinen Fall einschlägigen Verwaltungsvorschriften aufgrund einer von der Verwaltung veranlaßten Bekanntmachung, wird er regelmäßig auf eine bestimmte Verwaltungspraxis schließen und darauf vertrauen, auch in seinem Fall entsprechend den Vorschriften behandelt zu werden.66 Voraussetzung hierzu ist allerdings die Kenntnis des Bürgers von den veröffentlichen Verwaltungsvorschriften.67 Die Verwaltung hat es daher in der Hand, ob durch die Publikation der Verwaltungsanweisungen eine Außenwirkung eintritt. Zutreffend ist die Geheimhaltung von Verwaltungsvorschriften daher als „das beste und sicherste Mittel gegen Ansprüche aus dem Vertrauensgrundsatz“68 bezeichnet worden. Grundlage einer Vertrauensbildung können allerdings nur solche Verwaltungsvorschriften sein, die mit Wissen und Willen der Verwaltung in den Verkehr gelangt sind.69 Im umgekehrten Fall der nichtzurechenbaren Veröffentlichung kann der Bürger nicht darauf vertrauen, daß die ihm bekannt gewordene Verwaltungsvorschrift die aktuelle und verbindliche Fassung darstellt.
bb) Schutzwürdigkeit des Vertrauens Das auf der Grundlage einer Verwaltungsvorschrift entwickelte Vertrauen ist in analoger Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG70 nur insoweit schutzwürdig, als der Bürger nicht die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Sofern der Bürger sich mit unlauteren Mitteln die Kenntnis einer unveröffentlichten Verwal___________ 65 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 24 (S. 635 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 60 Rn. 94 (S. 265). 66 Im Ergebnis ebenso Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 245; ähnlich Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 264 f.: Verwaltungsvorschriften als „Orientierungspunkt [...], der erhebliche Bedeutung erlangen kann“. 67 Vgl. die oben in Fn. 53, 54 aufgeführten Nachweise. 68 Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 241 f. 69 Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 265; Hamann, VerwArch 73 (1982), 28 (35); wohl auch Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 (488). 70 Vgl. zur Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Vertrauensgrundlage Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 91 f.; vgl. zur fahrlässigen Unkenntnis der Fehlerhaftigkeit der Vertrauensgrundlage dies., Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 93-96.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
tungsvorschrift verschafft hat, fehlt es bereits an einer hinreichenden Vertrauensgrundlage.
cc) Betätigung des Vertrauens Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung verlangt ferner in jenen Fällen, in denen sie über den Vertrauenstatbestand auf der Grundlage innengerichteter Verwaltungsvorschriften zu entscheiden hat, eine Disposition des Anspruchstellers.71 A. Randelzhofer tritt dieser Rechtsprechung mit dem Argument entgegen, das Dispositionserfordernis führe zur „Begünstigung des Unbedenklicheren gegenüber dem Skrupelhaften“72. Der vorsichtige Antragsteller, der erst den behördlichen Bescheid abwarte, stehe schlechter da als derjenige, der aufgrund der veröffentlichten Verwaltungsvorschrift sofort disponiere. Als ausreichend will er daher „jede – auch nur vorbereitende, planende – Disposition“ ansehen, „auch wenn sie sich nicht bereits in einer verfestigten rechtlichen Position zeig(e)“73. Im Ergebnis nähert er sich damit aber den Anforderungen der Rechtsprechung an. Um sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen zu können, muß der Bürger daher zumindest rechtlich relevante Vorkehrungen aufgrund der Verwaltungsvorschrift getroffen haben.
dd) Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen Zu weichen hat der Schutz des Vertrauens allerdings, wenn im Rahmen einer abschließenden Gewichtung Gemeinwohlbelange individuellen Interessen vorgehen.74 Gegeneinander abzuwägen sind namentlich das öffentliche Interesse an der Flexibilität und der Weiterentwicklung der Verwaltungspraxis einerseits und das Bindungsinteresse des Bürgers andererseits. Ersteres verdient regelmäßig dann den Vorrang, wenn es sich um rein innengerichtete Verwaltungsvorschriften handelt, denen ein Außenbindungswille der Verwaltung generell nicht ___________ 71 BVerwG v. 18.9.1984, BVerwGE 70, 127 (136); v. 13.9.1984, BVerwGE 70, 121 (126); v. 7.5.1981, DVBl. 1982, 195 (197); v. 20.3.1973, BVerwGE 46, 89 (91); v. 7.7.1966, BVerwGE 24, 294 (296). 72 Randelzhofer, JZ 1973, 536 (544); dazu kritisch Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 243 f. 73 Randelzhofer, JZ 1973, 536 (544). 74 Grundsätzlich BVerfG v. 19.12.1961, BVerfGE 13, 261 (272); ferner WeberDürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 112 f.; Hamann, VerwArch 73 (1982), 28 (36).
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zu entnehmen ist.75 Anderenfalls würde mit Hilfe des Vertrauensprinzips rein innengerichteten Verwaltungsvorschriften der Erklärungswert auch außengerichteter Verwaltungsvorschriften untergeschoben, den sie nach dem objektiven Willen der Verwaltung gerade nicht haben (sollen). Für rein innengerichtete Verwaltungsvorschriften bedeutet dies, daß der Grundsatz des Vertrauensschutzes dem Bürger weder Schutz gegen Abweichungen in seinem Einzelfall noch gegen generelle Änderungen von Verwaltungsvorschriften bietet.76
C. Rechtsgeschäftliche Ansätze Zuweilen wird dem Rechtsakt der Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften ein anspruchsbegründender Charakter dadurch zugesprochen, daß er als rechtsgeschäftliche Selbstverpflichtung der Verwaltung gegenüber dem Bürger interpretiert wird.77 Angeboten werden zwei Varianten einer einseitigen rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Verwaltung.
___________ 75 Im Ergebnis ebenso Ossenbühl, DVBl. 1981, 857 (861 bei Fn. 43, 863 bei Fn. 63); ähnlich, einen Vertrauensschutz bei innengerichteten Verwaltungsvorschriften aber nicht vollständig ausschließend Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 268: Interne Verwaltungsanweisungen bilden „ihrer Natur nach von vornherein eine schmalere Vertrauensbasis [...] als jene Verwaltungs-Verordnungen, die zumindest auch an den Bürger adressiert sind [...].“; Pietzcker, NJW 1981, 2087 (2091): „Das Vertrauen des Bürgers in die Beachtung der Verwaltungsvorschriften ist von Rechts wegen schwach, wo sie nur als Innenrechtssatz auftreten [...].“ 76 Davon zu trennen ist die (zu verneinende) Frage, ob die Änderung einer veröffentlichten Verwaltungsvorschrift ebenfalls publiziert werden muß. Steht die Veröffentlichung rein innengerichteter Verwaltungsvorschriften im Ermessen der Behörde, muß dies auch für ihre Änderung gelten, zumindest soweit diese Änderung keine Außenrichtung der Verwaltungsvorschriften bewirkt. Die gegenteilige Auffassung führt zur bereits beschriebenen Konsequenz, eine Außengerichtetheit rein innengerichteter Verwaltungsvorschriften zu fingieren. Ebenso jüngst BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (227 f.). – A. A. etwa Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 269 f., Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (160) unter Hinweis auf das Gebot „rechtsstaatlicher Formenklarheit“. Zum Problem der Veröffentlichungspflicht auch außengerichteter Verwaltungsvorschriften siehe unten 4. Teil § 8 B. VII. 77 Vgl. BVerwG v. 31.1.1980, BVerwGE 59, 348 ff.; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 24 (S. 635 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 60 Rn. 95 (S. 265 f.); Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 (487 f.); dazu kritisch Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (29).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
I. Generell-abstrakte Zusage Vornehmlich das Schrifttum qualifiziert veröffentlichte Verwaltungsvorschriften als generell-abstrakte Zusagen, durch die sich die Verwaltung zu einer zukünftigen Handlung verpflichte.78 Die Zusage ist seit jeher als eine „im ungeschriebenen allgemeinen Verwaltungsrecht wurzelnde hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen zu einem späteren Tun oder Unterlassen“79 verstanden worden. Einen Unterfall der Zusage, die sogenannte Zusicherung, die sich auf den Erlaß oder Nichterlaß eines Verwaltungsakts bezieht, normiert § 38 Abs. 1 VwVfG sogar ausdrücklich. Die durch Zusagen begründeten Selbstbindungen der Verwaltung sind jedoch immer konkret-individuelle Bindungen. Ihr Inhalt ist „zugesagt“, will sagen: konkret, und nimmt Bezug auf einen individuellen, mithin bestimmten Personenkreis.80 Insoweit stringent erklärt § 38 Abs. 2 VwVfG eine Reihe von Vorschriften über den Verwaltungsakt – einer Einzelfallregelung – auf die Zusicherung für anwendbar. Verwaltungsvorschriften dagegen sind nicht auf einen konkreten einzelnen Fall festgelegt, sondern per definitionem immer abstrakt. Sofern sie auch außengerichtet sind, betreffen sie nicht eine einzelne oder mehrere individualisierte Personen, sondern alle Personen, die von ihrer Regelungsanordnung und deren Vollzug tangiert werden. Soll somit an den Begriff der Zusage im herkömmlichen Sinne angeknüpft werden, kann der Beweis einer Aussenwirkung von Verwaltungsvorschriften nicht widerspruchsfrei geführt werden.81
II. Auslobung analog §§ 657 ff. BGB „Hilfsweise“ wird auf die „Verwandtschaft“82 zwischen veröffentlichten Verwaltungsvorschriften und dem in §§ 657 ff. BGB geregelten Rechtsinstitut der Auslobung verwiesen.83 ___________ 78 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 24 (S. 636): „eine Art Zusicherung“; ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 60 Rn. 95 (S. 265 f.): „generelle Zusage“; Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 (487 f.): „generell-abstrakte Zusage“. 79 BVerwG v. 19.1.1967, BVerwGE 26, 31 (36). – Vgl. hierzu Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 517, 521 ff. (S. 147 f.); J. Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 2003, Rn. 433-437 (S. 131-133); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 9 Rn. 59-61a (S. 223-225). 80 Ähnlich Ossenbühl, DVBl. 1981, 857 (859) bezüglich der Selbstbindung aufgrund Vertrages oder Zusage. 81 Nur im Ergebnis gleich Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (29), nach dem „die Figur der Generalzusage in eine bedenkliche Nähe zur Rechtssetzungsmacht der Legislative führt und mit dem Gewaltenteilungsprinzip kollidieren kann“. 82 BVerwG v. 31.1.1980, BVerwGE 59, 348 (352).
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Eine analoge Anwendung der Auslobungsvorschriften des BGB auf die Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften verlangt indes – neben einer planwidrigen Regelungslücke – die Vergleichbarkeit der Situation. Schon die Annahme der letztgenannten Voraussetzung begegnet Zweifeln. So ist der Normgehalt von Verwaltungsvorschriften regelmäßig sicher nicht auf die Vornahme einer Handlung, insbesondere nicht auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges im Sinne des § 657 BGB gerichtet.84 Für den in § 661 Abs. 1 BGB normierten Tatbestand des Preisausschreibens fehlt es den meisten Verwaltungsvorschriften zudem an einer Befristung.85 Den ebenfalls für einseitige Rechtsgeschäfte (wie der Auslobung) erforderlichen Rechtsfolgewillen gegenüber Dritten bei rein innengerichteten Verwaltungsvorschriften entdecken zu wollen, dürfte überdies an die Grenze einer Unterstellung geraten. Entscheidend ist jedoch ein anderer Gesichtspunkt. Verwaltungsvorschriften stellen keine Willenserklärungen dar, die auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielen. Sie sind Rechtsnormen, deren Verbindlichkeit für Gerichte und Bürger allein aus der Funktion und Kompetenz der drei Staatsgewalten unter dem Grundgesetz resultiert – wie noch zu zeigen sein wird. Eine anspruchsbegründende Außenwirkung kann Verwaltungsvorschriften daher nicht durch eine entsprechende Anwendung von Rechtsinstituten des bürgerlichen Rechts beigelegt werden; sie kann allein aus der Stellung der Exekutive in der gewaltengegliederten Demokratie des Grundgesetzes folgen.
D. Beweisrechtliche Ansätze Seine besondere Aktualisierung erfährt der Dauerkonflikt um die Verwaltungsvorschriften seit Beginn der 1970er Jahre im Umwelt- und Technikrecht, zumal im Immissionsschutzrecht. Dessen Vorschriften zeichnen sich durch eine Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe aus. So räumt § 6 BImSchG dem Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung ein, wenn u. a. sichergestellt ist, daß die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. § 5 BImSchG enthält seinerseits zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe wie „schädliche Umwelteinwirkungen“, ___________ 83
BVerwG v. 31.1.1980, BVerwGE 59, 348 (352); Maurer, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 60 Rn. 95 (S. 265 f.); Schwerdtfeger. NVwZ 1984, 486 (487 f.). 84 Dies gesteht auch das BVerwG (v. 31.1.1980, BVerwGE 59, 348 [352]) ein. – Zum Begriff der „Handlung“ und des „Erfolges“ im Sinne des § 657 BGB siehe im übrigen Sprau, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 657 Rn. 5 f. 85 Insofern ließe sich allenfalls an Subventionsrichtlinien denken, die den Antrag auf Bewilligung von Subventionen in der Regel an eine Frist binden. Vgl. etwa den Sachverhalt in BVerwG v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 (160 f.).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
„erhebliche Nachteile“ oder „Stand der Technik“, die erst durch die nach § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften operationalisiert werden. Die Rechtsprechung geht nun einerseits davon aus, daß unbestimmte Rechtsbegriffe der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegen.86 Insbesondere die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verlange eine vollständige gerichtliche Kontrolle jeder Verwaltungsentscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Auch gegenüber den unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesimmissionsschutz- (und Atom)rechts wurde dieses Erfordernis aufrechterhalten.87 Andererseits stellte sich Unbehagen darüber ein, den Verwaltungsvorschriften trotz ihres gesetzlich geregelten Erlaßverfahrens und der Einbeziehung naturwissenschaftlichen Sachverstandes bei ihrer Erarbeitung keinerlei Außenverbindlichkeit zuzugestehen.88 Insbesondere die TA Lärm vom 16. Juli 196889 wurde von den Gerichten vielfach als willkommene Entscheidungshilfe aufgegriffen.90 ___________ 86 Vgl. BVerfG v. 5.2.1963, BVerfGE 15, 275 (282); BVerwG v. 26.3.1981, BVerwGE 62, 86 (101); v. 21.5.1974, BVerwGE 45, 162 (164); v. 29.9.1972, BVerwGE 40, 359 (361); v. 29.9.1972, BVerwGE 40, 353 (356); v. 13.2.1970, BVerwGE 35, 69 (72); v. 12.12.1969, BVerwGE 34, 301 (308); v. 19.12.1968, BVerwGE 31, 149 (152); v. 2.4.1968, BVerwGE 29, 279 (280); v. 15.11.1967, BVerwGE 28, 223 (225); v. 25.1.1967, BVerwGE 26, 65 (74); v. 22.4.1966, BVerwGE 24, 60 (63 f.); v. 28.1.1966, BVerwGE 23, 194 (200 f.); v. 12.1.1966, BVerwGE 23, 112 (114); v. 28.5.1965, BVerwGE 21, 184 (186); v. 15.5.1964, BVerwGE 18, 298 (299); v. 31.1.1964, BVerwGE 18, 40 (42); v. 19.12.1963, BVerwGE 17, 322 (326); v. 14.12.1962, BVerwGE 15, 207 (208). 87 Vgl. BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (253) – Voerde; v. 24.10.1967, BVerwGE 28, 131 (133); v. 29.3.1966, BVerwGE 24, 23 (32); v. 22.6.1959, BVerwGE 9, 9 (13); OVG Münster v. 12.4.1978, NJW 1979, 772 (773); v. 7.7.1976, DVBl. 1976, 790 (793). 88 Die aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete Selbstbindung der Exekutive an die tatsächliche oder „antizipierte“ Verwaltungsübung setzt einen administrativen Entscheidungsspielraum entweder auf der Tatbestands- oder der Rechtsfolgenseite eines Gesetzes voraus (vgl. die Rechtsprechungsnachweise oben in Fn. 12, 13 und 26). Der insofern allein in Betracht kommende administrative Beurteilungsspielraum wurde von der Rechtsprechung für die immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung jedoch verneint (vgl. statt vieler BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 [253] – Voerde). Eine Außenbindung der nach § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften kraft des Gleichbehandlungsgrundsatzes kam daher nicht in Betracht. 89 Beilage zum BAnz. Nr. 137 v. 26.7.1968. 90 Das OVG Münster v. 31.10.1973, Der Städtetag 1974, 389 (390), maß der TA Lärm sogar quasi-normative Bedeutung bei: „Die technischen Anleitungen haben zwar keinen Rechtsnormcharakter, sondern sind Allgemeine Verwaltungsvorschriften. Sie enthalten allgemein anerkannte, wissenschaftlich-technische Grundsätze zur Bekämpfung von Lärm bzw. zur Vermeidung und Verringerung von Luftverunreinigungen. Hält sich ein Vorhaben im Rahmen der Anforderungen der technischen Anleitungen, so können die Gerichte in der Regel ohne Hinzuziehung von Sachverständigen davon ausgehen, daß die Belästigung auf ein tragbares, der Allgemeinheit zumutbares und der Er-
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I. Beweisanzeichen, Anhaltspunkt Anders dagegen das OVG Hamburg91 in seiner bekannten ReynoldsEntscheidung vom 23. Oktober 1974: Durch die Betriebsgenehmigung für eine Aluminiumhütte waren wesentlich niedrigere Immissionswerte für Fluor und Fluorverbindungen festgesetzt worden, als es die TA Luft zuließ. Ein Nachbar wehrte sich mit der Drittanfechtungsklage und einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung.92 Zur Bedeutung der TA Luft führte das OVG Hamburg aus: „Die von der Bundesregierung in der TA Luft 1974 festgesetzten höheren Grenzwerte geben ein Beweisanzeichen dafür her, daß die Anforderungen des § 5 Bundesimmissionsschutzgesetz jedenfalls dann erfüllt sein dürften, wenn die deutlich niedrigeren Grenzwerte des Genehmigungsbescheides eingehalten werden. Vor Inkrafttreten des Bundesimmissionsschutzgesetzes hat das OVG Münster im Beschluß vom 31. Oktober 1973 [...] die Auffassung vertreten, die Gerichte könnten in der Regel davon ausgehen, daß ein Vorhaben hinsichtlich seiner Umweltauswirkungen erlaubt sei, sofern es den Anforderungen der TA Luft entspreche. Aber auch wenn man angesichts der besonders strengen Anforderungen in § 5 Bundesimmissionsschutzgesetz diese Auffassung heute nicht mehr vertreten könnte, ist ein Verstoß gegen diese Anforderungen hier jedenfalls nicht offensichtlich.“93
Im Anschluß erklärte sich das Gericht trotz gravierender Unterschreitung der Grenzwerte der TA Luft außerstande, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilen, ob durch die betreffenden Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen würden oder nicht. Das OVG Hamburg maß der TA Luft im Ergebnis daher überhaupt keine Bedeutung bei.
___________ laubnis nicht entgegenstehendes Maß beschränkt wird.“ – Vgl. ferner BVerwG v. 21.5.1976, DVBl. 1976, 779 ff.; v. 12.12.1975, BVerwGE 50, 49 (54 f.); v. 5.11.1968, BVerwGE 31, 15 (19 f.); OVG Koblenz v. 20.9.1972, GewArch 1973, 96 (97); OVG Lüneburg v. 21.8.1974, GewArch 1975, 275 (276); OVG Münster v. 19.12.1972, DÖV 1973, 718 (719 f.) mit Anmerkung Feldhaus, DÖV 1973, 720 f.; zur VDI-Richtlinie 2058 BGH v. 17.11.1967, DVBl. 1968, 148; und VGH Mannheim v. 20.1.1972, DÖV 1972, 134 (135 f.). 91 OVG Hamburg v. 23.10.1974, DVBl. 1975, 207 ff. – Reynolds, mit kritischer Anmerkung Niere, DVBl. 1975, 172 ff. 92 Zu den politischen und planerischen Hintergründen des Falles vgl. Simmersbach, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 106 v. 9.5.1975, S. 13 („Hamburger AluminiumSorgen“); Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 94 v. 22.4.1976, S. 14 („Die ‚erste Schwalbe‘ kostete viel Geld. Untersuchungsausschuß prüft die Reynolds-Ansiedlung“); zur Standortvorsorgeplanung für Kernkraftwerke allgemein siehe Blümel. DVBl. 1977, 301 ff. 93 OVG Hamburg v. 23.10.1974, DVBl. 1975, 207 (209) – Reynolds.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Ähnlich sah das OVG Lüneburg94 in seiner „Dow Chemical I“-Entscheidung vom 20. Februar 1975 in den Grenzwerten der TA Luft nur einen Anhaltspunkt für den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis für die Gefährlichkeit von Immissionen.95 Beide Entscheidungen negieren die Konkretisierungsfunktion, die den Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG vom Gesetzgeber ausdrücklich zugewiesen wurde.96 Die Kritik an der Rechtsprechung setzt an diesem Punkt an.97 Indem sich die Gerichte über die gesetzeskonkretisierende Funktion der Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG hinwegsetzten, gefährdeten sie die Rechtssicherheit. Rechtssicherheit in Form einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage für das zulässige Maß an Emissionen und Immissionen benötigten jedoch insbesondere investierende Unternehmer und betroffene Nachbarn.
II. Markierungen einer Bandbreite Die Frage, wie trennscharf die in der TA Luft festgelegten Immissionswerte die Grenze zwischen schädlichen und unschädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 BImSchG zu bezeichnen vermögen, versuchte ebenfalls das OVG Münster98 in seiner Voerde-Entscheidung vom 7. Juli 1976 zu beantworten. Das Gericht stellte fest, „daß die in der TA Luft festgelegten Immissionswerte nicht die Bedeutung von starren, absoluten Grenzen haben, sondern als Markierungen anzusehen sind, die einen nicht genau bekannten Übergangsbereich zwischen schädlichen und unschädlichen Umwelteinwirkun___________ 94
OVG Lüneburg v. 20.2.1975, GewArch 1975, 303 (304 f.) – Dow Chemical I. In seiner „Dow Chemical II“-Entscheidung v. 28.12.1976 erkannte das OVG Lüneburg (GewArch 1977, 126 [130]) dann zwar an, daß die Grenzwerte der TA Luft dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechen. Es behielt sich jedoch weiterhin die Prüfung vor, ob nicht „auch bei Einhaltung der Immissionswerte der TA Luft durch das Zusammenwirken verschiedener Schadstoffe die Gefahrengrenze überschritten“ werde. 96 Vgl. die Begründung der Bundesregierung v. 14.2.1973 zum Entwurf des BImSchG, BT-Drucks. 7/179, S. 32 li. Sp.: „Wichtige Kriterien für die Erfüllung der [...] Genehmigungsvoraussetzungen sind Immissionsrichtwerte oder Immissionsgrenzwerte, bei deren Überschreiten erfahrungsgemäß schädliche Umwelteinwirkungen zu besorgen sind. Für die einzelnen Bereiche enthalten die genannten Technischen Anleitungen derartige Immissionswerte. Im Interesse einer Verbesserung des Immissionsschutzes, aber auch, um den betroffenen Unternehmern rechtzeitig die notwendigen Planungsdaten an die Hand zu geben, werden derartige Immissionswerte künftig in größerem Umfang festgesetzt werden.“ 97 So etwa Breuer, DVBl. 1978, 28 (30 f.); ders., AöR 101 (1976), 46 (79-88); Niere, DVBl. 1975, 172 (174 f.); Ule, BB 1976, 446 f. 98 OVG Münster v. 7.7.1976, NJW 1976, 2360 ff. – Voerde, mit kritischer Anmerkung Meyer-Abich, NJW 1976, 2365 f.; dazu ferner Breuer, NJW 1977, 1025 (1029). 95
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gen kennzeichnen, oder – mit anderen Worten – mit Warntafeln vor oder in unsicherem Gelände verglichen werden können und in diesem Sinne den Charakter von Richtwerten oder Anhaltspunkten haben“. Für diese Beurteilung spreche bereits, „daß nach dem heutigen Stand der wissenschaftlichen, insbesondere der medizinisch-biologischen Erkenntnisse nicht exakt angegeben werden (könne), bei welcher Dosis oder Belastung der Luft eine schädliche Umwelteinwirkung beginn(e)“. Mithin stünden die in der TA Luft genannten Immissionswerte „für eine gewisse Bandbreite oder Schwankungsbreite [...], deren Ausmaß allerdings – schon im Hinblick auf die insoweit noch nicht ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse – für die einzelnen Schadstoffkomponenten nicht bekannt“ sei. Die Bewertung der in der TA Luft enthaltenen Immissionswerte als „Markierungen einer Bandbreite“ erforderten allerdings regelmäßig eine Einzelbewertung des in Frage stehenden Vorhabens. Dabei sei es denkbar, daß „auch bei einer nicht wesentlichen Überschreitung des Immissionswertes einer einzelnen Schadstoffkomponente“ noch nicht von einer schädlichen Umwelteinwirkung ausgegangen werden müsse, „insbesondere dann, wenn die übrigen Komponenten außerhalb der Bandbreite“ lägen.99 Maßgeblich sei also immer „eine Gesamtbetrachtung der gegebenen Belastung der Luft mit Schadstoffen und die Bewertung der durch das beabsichtigte Vorhaben hinzutretenden Emissionen“. 100 Daß die „Bandbreitenlehre“ des OVG Münster ebenfalls mit der gesetzlich gewollten Konkretisierungsfunktion der TA Luft unvereinbar ist, liegt auf der Hand. Insofern wurde auch hier die aus der Unkalkulierbarkeit gerichtlicher Entscheidungen resultierende Rechtsunsicherheit kritisiert, durch die unternehmerische Investitionen gelähmt und die Umweltschutzdebatte emotionalisiert werde.101
___________ 99 A. A. wohl Engelhardt/Schlicht, BImSchG, 4. Aufl., 1997, § 48 Rn. 7, der aus der Überschreitung der in den Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG festgelegten Immissionswerte stets eine schädliche Umwelteinwirkung folgern, nicht aber umgekehrt bei Einhaltung der Immissionswerte unweigerlich eine unschädliche Umwelteinwirkung annehmen will. 100 OVG Münster v. 7.7.1976, NJW 1976, 2360 (2363) – Voerde. 101 Vgl. eingehend A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 107 f.; Breuer, DVBl. 1978, 28 (31); ders., AöR 101 (1976), 46 (79-88); v. Holleben, GewArch 1977, 45 (48 f.); Meyer-Abich, NJW 1976, 2365 f. – Im Deutschen Bundestag löste das Voerde-Urteil des OVG Münster sogar eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (v. 13.7.1976, BT-Drucks. 7/5597) aus. Vgl. hierzu die Antwort der Bundesregierung (v. 29.7.1976, BT-Drucks. 7/5665, S. 3).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
III. Antizipiertes Sachverständigengutachten 1. Rechtsprechungs- und Literaturbericht In seiner Revisionsentscheidung vom 17. Februar 1978 griff das Bundesverwaltungsgericht102 die Kritik des Schrifttums auf und verwarf die „Bandbreitenlehre“ des OVG Münster. Die aufgrund des § 48 BImSchG erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften seien zwar keine Rechtsnormen. Sie bänden mithin weder den Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage noch die Gerichte bei der Anwendung des BImSchG. Aus dem Fehlen einer solchen normativen Geltung folge jedoch nicht, den durch die TA Luft festgelegten Immissionswerten im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Entscheidung der Genehmigungsbehörde jegliche Bedeutung abzusprechen. 103 Es müsse vielmehr Berücksichtigung finden, „daß die auf Grund und unter Beachtung der genannten Vorschriften festgelegten Immissionswerte wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Art und Weise ihrer Ermittlung für die Beantwortung der Frage, ob Immissionen geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, eine geeignete, wenn nicht optimale Erkenntnisquelle darstellen, weil sie auf den zentral – durch die Bundesregierung – ermittelten Erkenntnissen und Erfahrungen von Fachleuten verschiedener Fachgebiete beruhen und deswegen als schon die Entscheidung der Genehmigungsbehörden prägendes und insofern „antizipiertes“ Sachverständigengutachten (Breuer, DVBl. 1978, 28 [34 ff.]) wegen ihres naturwissenschaftlich fundierten fachlichen Aussagegehaltes auch für das kontrollierende Gericht bedeutsam sind.“104
In seiner Voerde-Entscheidung beruft sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich auf R. Breuer, der das Konzept vom „antizipierten Sachverständigengutachten“ im wesentlichen105 entwickelte.106 In seinem Beitrag „Direkte und ___________ 102
BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 ff. – Voerde, mit Anmerkung Breuer, DVBl. 1978, 598 ff.; H.-R. Horn, NJW 1978, 2409 f.; Selmer, JuS 1978, 714 f.; Vallendar, DÖV 1978, 564 ff.; Rechtsprechungsbericht bei Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996, S. 146148. 103 BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (256) – Voerde. 104 BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (256) – Voerde. 105 Erstmals in die rechtswissenschaftliche Diskussion eingeführt wurde der Terminus „antizipiertes Sachverständigengutachten“ von K.-W. Schäfer, Das Recht der Regeln der Technik, 1965, S. 121 unter Berufung auf Trabandt, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 36 v. 12.2.1960, S. 6 („Die Regeln der Elektrotechnik“); vgl. ferner Klingmüller, in: Festgabe für K. Oftinger, 1969, S. 121 (126). 106 Breuer, AöR 101 (1976), 46 (82-88); ders., NJW 1977, 1025 (1029); ders., DVBl. 1978, 28 (35); ders., DVBl. 1978, 598 (599); sowie Czajka, DÖV 1982, 99 (105-107); Jarass, DVBl. 1983, 725 (731); Nicklisch, NJW 1983, 841 ff.; Paefgen, BayVBl. 1986, 513 (518 f.); Selmer, JuS 1978, 714 (715); Skouris, AöR 107 (1982), 215 (233-236); Vallendar, DÖV 1978, 564 ff.; Vieweg, NJW 1982, 2473 ff. – Später modifizierte Breuer seine Theorie. Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften
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indirekte Rezeption technischer Regeln durch die Rechtsordnung“107 schlägt er vor, daß das Gericht die betreffende technische Regel auf ihre Geeignetheit als vorweggenommenes Sachverständigengutachten überprüft und seiner Entscheidung ohne ein weiteres, förmlich eingeholtes Gutachten zugrunde legt. Voraussetzung dazu sei, daß das technische Regelwerk keine gravierenden Mängel aufweise;108 außerdem müsse erkennbar sein, „daß die Regel für den anstehenden Einzelfall paßt, dieser also keinen atypischen Ausnahmefall gegenüber den Falltypen der Regel darstellt“109. Falls das Gericht das Vorliegen eines gravierenden Mangels oder eines atypischen Falles selbst nicht beurteilen könne, müsse hierfür ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Der Sachverständige habe dann lediglich die Frage zu beantworten, ob die einschlägige technische Regel nach den skizzierten Kriterien eine qualifizierte sachverständige Äußerung bilde. Keinesfalls habe er direkt und selbst Feststellungen über den „Stand der Technik“ zu treffen.110 Nach dem Voerde-Urteil des Bundesverwaltungsgerichte legten auch die Oberverwaltungsgerichte ihren Entscheidungen zumeist die in den Technischen Anleitungen festgelegten Grenzwerte als „antizipierte Sachverständigengutachten“ zugrunde.111 Der VGH Mannheim dagegen lehnte eine derartige Qualifizierung der TA Luft dezidiert ab: Die Richtwerte dieser Verwaltungsvorschrift seien nicht Ausdruck besonderen technischen Sachverstandes, sondern vielmehr Ergebnis einer umweltpolitischen Wertung.112 Die überwiegende Literatur ___________ des Umwelt- und Technikrechts resultiere aus der gesetzlichen Verweisung auf einen „naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisspielraum, verbunden mit der Einräumung eines administrativen Standardisierungsspielraums. Vgl. Breuer, DVBl. 1986, 849 (858 f.); ders., NVwZ 1988, 104 (110-113). 107 Breuer, AöR 101 (1976), 46 ff. 108 Gravierende Mängel sind nach Breuer (AöR 101 [1976], 46 [84]), solche, „die jedes Sachverständigengutachten ungeeignet und ein weiteres Gutachten erforderlich machen“. 109 Breuer, AöR 101 (1976), 46 (84). 110 Breuer, AöR 101 (1976), 46 (84). 111 OVG Berlin v. 17.7.1978, DVBl. 1979, 159 (160 f.) mit Anmerkung Papier, DVBl. 1979, 162 ff.; OVG Lüneburg v. 12.6.1978, GewArch 1978, 344 f.; OVG Münster v. 12.4.1978, NJW 1979, 772 (773). – Überblick bei Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, 1983, S. 157-160; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 202 ff. 112 VGH Mannheim v. 5.2.1980, GewArch 1980, 197 Leitsatz 7. Mittlerweile ebenso BVerwG v. 21.6.2001, BVerwGE 114, 342 (344). Außerdem hielt das OVG Lüneburg v. 22.12.1978, DVBl. 1979, 686 [691]) im Fall des Kernkraftwerkes GeesthachtKrümmel an seiner früheren Rechtsprechung fest (vgl. oben in Fn. 94, 95), nach der die Belastungsgrenze für einzelne Schadstoffe durch das Zusammenwirken verschiedener Schadstoffe bereits unterhalb der in der TA Luft festgelegten Grenzwerte erreicht sein könne.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
schloß sich dieser Argumentation an113 und läutete bereits den „Abschied vom ‚antizipierten Sachverständigengutachten‘“114 ein. In der Tat schließt die Bewertungshaltigkeit der umweltrechtlichen Verwaltungsvorschriften ihre Qualifizierung als „antizipierte Sachverständigengutachten“ aus, wie die folgenden beweisrechtlichen Überlegungen zeigen.
2. Verwaltungs(prozeß)rechtliche Anforderungen an Sachverständigengutachten Daß das Auftreten von Sachverständigen im Verwaltungsprozeß zulässig ist, besagt die VwGO in ihren §§ 96 f. ausdrücklich. Zwar regelt § 96 VwGO nur die „Vernehmung“ von Sachverständigen; gemäß § 98 VwGO in Verb. mit §§ 407 f., 411 f. ZPO sind jedoch auch schriftliche Äußerungen von Sachverständigen erlaubt, die das Gesetz als „Gutachten“ bezeichnet.115 Die Zuziehung von Sachverständigengutachten ist demnach grundsätzlich eine zulässige Form der Tatsachenfeststellung im Verwaltungsprozeß. Davon zu trennen ist die Frage, welchen Anforderungen ein Sachverständigengutachten gerecht werden muß, um im Prozeß Anwendung finden zu kön___________ 113
Battis/Gusy, Technische Normen im Baurecht, 1988, Rn. 297-327; Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992, S. 42-44; P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 128-143; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 206-209; Müller-Foell, Die Bedeutung technischer Normen für die Konkretisierung von Rechtsvorschriften, 1987, S. 135 in Fn. 72; A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 108-111, 206-212; Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 318 f.; Vieweg, Atomrecht und technische Normung, 1982, S. 186 ff.; AsbeckSchröder, Grundfragen zur TA Sonderabfall, 1990, S. 133; Franßen, in: Festschrift für W. Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 429 (452 f.); Bönker, DVBl. 1992, 804 (806); Brohm, NJW 1984, 8 (11); Gusy, DVBl. 1987, 497; ders., NuR 1987, 156 (159-162); ders., VerwArch 79 (1988), 68 (70); Kloepfer, VerwArch 76 (1985), 371 (396); v. Lersner, NuR 1990, 193 (195); Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (235); H.-J. Koch, ZUR 1993, 103 (104); ders., WUR 1991, 350 (351); Kutscheidt, NVwZ 1983, 581 (583 f.); Ossenbühl, DÖV 1982, 833 (837); Papier, Bitburger Gespräche 1981, 81 (91 f.); A. Rittstieg, NJW 1983, 1098 f.; Salzwedel, NVwZ 1987, 276 (278 bei Fn. 30); Sendler, UPR 1981, 1 (13 f.); H. Wagener, NuR 1988, 71 (72-75). – A. A. dagegen in jüngerer Zeit Diefenbach/Jungnickel, SächsVBl. 1998, 25 (27 bei Fn. 18), die der TA Siedlungsabfall „allenfalls die Bindungswirkung eines sog. antizipierten Sachverständigengutachtens zukommen“ lassen wollen. Anders Dolde/Vetter, NVwZ 1998, 217 (218) mit weiteren Nachweisen: TA Siedlungsabfall als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift. 114 Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 318 (Überschrift zu Gliederungspunkt a.). 115 Im Verwaltungsverfahren ist die Hinzuziehung von Sachverständigen gemäß §§ 26, 65 VwVfG ebenfalls möglich. Schriftliche Äußerungen von Sachverständigen im Verwaltungsverfahren, also „Gutachten“ werden in §§ 26 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 65 Abs. 1-4 VwVfG ausdrücklich erwähnt.
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nen.116 Auszugehen ist von der Aufgabe eines Sachverständigenbeweises: Sie besteht darin, eventuelle Wissenslücken des Gerichts zu schließen. Ein Sachverständigenbeweis kommt demnach nur in Frage, wenn das Gericht selbst nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt, um einen streitigen Sachverhalt nach dem geltenden Recht beurteilen zu können.117 Soll der Sachverständige dem Richter aber außerhalb der Hauptverhandlung Bewiesenes zur Kenntnis bringen, muß er zunächst selbst über das notwendige Wissen verfügen, mit anderen Worten: er muß eine ausreichende Sachkompetenz zur Beurteilung der betreffenden Fragen besitzen.118 Damit der Zweck des Sachverständigenbeweises nicht vereitelt wird, darf der Sachverständige sich ferner nur von seinem Sachverstand leiten lassen; Objektivität und Neutralität des Sachverständigen müssen gesichert sein.119 Zuletzt kann ein Sachverständigenbeweis lediglich über Tatsachen erhoben werden. Rechtsfragen entziehen sich daher dem Sachverständigenbeweis; denn hier ist der Richter bereits selbst sachkundig.120
a) Sachkompetenz Zweifel bestehen bereits an der Sachkunde der Vorschriftengeber der Technischen Anleitungen. Sie werden von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. „Die Bundesregierung“ ist als solche ebensowenig sachkundig wie „der Bundesrat“. Zwar verlangt § 48 BImSchG die Anhörung der beteiligten Kreise beim Erlaß der allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Zu den beteiligten Kreisen gehören nach § 51 BImSchG Vertreter der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft, des beteiligten Verkehrswesens und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden. Das gesetzliche Anhörungserfordernis bedingt jedoch nicht zwingend, daß der in den beteiligten Kreisen konzentrierte Sachverstand in die Erarbeitung der Techni___________ 116
Allgemein zur Eignung einer Stellungnahme als Sachverständigengutachten Bremer, Der Sachverständige, 2. Aufl., 1973, S. 26-30; Jessnitzer/Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 11. Aufl., 2001, S. 85-95. 117 Ausführlich Bayerlein, in: PraxisHdb. SachverständigenR, 1990, § 13 Rn. 1 (S. 229); K. Müller, Der Sachverständige im gerichtlichen Verfahren, 3. Aufl., 1988, Rn. 25-27 (S. 12 f.). 118 BVerwG v. 20.12.1963, BVerwGE 17, 342; Battis/Gusy, Technische Normen im Baurecht, 1988, Rn. 306; Gusy, NuR 1987, 156 (158); A. Rittstieg, NJW 1983, 1098; Vieweg, NJW 1982, 2473 (2475). 119 Zur Sicherung dieser Anforderungen unterliegt der Sachverständige der Ablehnung nach § 406 ZPO. Vgl. Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 98 Rn. 10; Bremer, Der Sachverständige, 2. Aufl., 1973, S. 22, 25, 36; siehe schon OVG Berlin v. 28.2.1969, NJW 1970, 1390. 120 Vgl. Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 98 Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 86 Rn. 1 a; Battis/Gusy, Technische Normen im Baurecht, 1988, Rn. 305 f.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
schen Anleitungen tatsächlich mit einfließt. Die gegenteilige Behauptung121 vernachlässigt den kompromißhaften Charakter der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG, die aus dem Zielkonflikt von Ökonomie und Ökologie hervorgegangen sind und Ergebnis einer politischen Verständigung über das Notwendige und (finanziell) Mögliche sind. Enthalten die Technischen Anleitungen aber politische Abwägungen und Wertungen, sind sie eben nicht bloß Konsequenz eines Urteils sachkundiger Naturwissenschaftler oder Techniker.122
b) Objektivität und Neutralität Ebenfalls fehlt es an der notwendigen Objektivität und Neutralität der Ersteller der Technischen Anleitungen, ohne die eine Eignung der Verwaltungsvorschriften als Sachverständigengutachten nicht bejaht werden kann. So ist die Exekutive als Vorschriftengeber gleichzeitig Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in dem die Grenzwerte der Verwaltungsvorschriften als „antizipierte Sachverständigengutachten“ herangezogen werden sollen. R. Breuer will deshalb den allgemeinen Verwaltungsvorschriften „die Autorität und rechtliche Beachtlichkeit antizipierter Sachverständigengutachten [...] nicht originär, sondern ausschließlich derivativ aufgrund und im Umfang der Übernahme technischer Regeln“123 zukommen lassen. Die Repräsentanz der maßgeblichen Fachkreise in den regelerarbeitenden Gremien verhindere interessenbezogene, einseitige Einflußnahmen und sichere so die notwendige Objektivität und Unparteilichkeit.124 Private Normungsverbände verfolgen mit der Erstellung technischer Regelwerke jedoch vornehmlich Zwecksetzungen wie Rationalisierung und Standardisierung, die mit den Schutz- und Vorsorgezielen namentlich des Immissions___________ 121 P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 133; A. Rittstieg, NJW 1983, 1098 (1099); Vieweg, NJW 1982, 2473 (2475); schwer nachvollziehbar Steinhoff, Zur Bindungswirkung der Emissionswerte der TA Luft zugunsten des Anlagenbetreibers, 1991, S. 162, für die sich offenbar Bewertungshaltigkeit und reine Sachverständigkeit begrifflich nicht ausschließen. 122 Gusy (NuR 1987, 156 [159]) will deshalb Technische Anleitungen als „antizipierte Sachverständigengutachten“ nur dann heranziehen, wenn die Orientierung am Sachverstand konkret bewiesen worden ist. Ein solcher Beweis dürfte in der Praxis kaum zu erheben sein. Wie die folgenden Ausführungen im Text belegen, ist umweltrechtlichen Verwaltungsvorschriften vielmehr ein Wertungselement inhärent. Eine Unterscheidung rein sachverständiger Verwaltungsvorschriften von (auch) bewertungshaltigen Verwaltungsvorschriften ist daher unmöglich. 123 Breuer, DVBl. 1978, 28 (35). 124 So etwa P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 134 f.; Steinhoff, Zur Bindungswirkung der Emissionswerte der TA Luft zugunsten des Anlagenbetreibers, 1991, S. 161; Vieweg, NJW 1982, 2473 (2475).
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schutzrechts nicht unbedingt übereinstimmen. Im übrigen darf bezweifelt werden, daß die pluralistische Zusammensetzung der regelerstellenden Ausschüsse infolge der Dominanz der Vertreter der interessierten Industrie durchgehend gewährleistet ist. Die Beteiligung widerstreitender Interessen bewirkt zudem auch hier die Notwendigkeit von Kompromissen, die weniger gesetzliche Schutzzwecke realisieren als am ökonomisch Vertretbaren ausgerichtet sind.
c) Tatsachengehalt Eben die Bewertungshaltigkeit von Umweltstandards widerspricht schließlich dem letzten Erfordernis für eine Einstufung der Technischen Anleitungen als „antizipierte Sachverständigengutachten“: Die beweisrechtliche Bedeutung von Verwaltungsvorschriften ist grundlegend davon abhängig, daß sie ausschließlich tatsächliche Umstände, nicht aber zugleich politische oder rechtliche Wertungen wiedergeben. Weder die Verwaltungsvorschriften zu Vorsorgepflichten noch die zu Schutzpflichten vermögen dieser Voraussetzung zu genügen.
aa) Verwaltungsvorschriften zu Vorsorgepflichten Die in diversen Umwelt- und Technikgesetzen normierten Vorsorgepflichten125 gebieten die Verringerung technischer Risiken – allerdings nur, soweit die Verringerung in verhältnismäßiger Weise wissenschaftlich-technisch realisierbar ist.126 Während sich die Festlegung des technisch Möglichen noch als rein naturwissenschaftliches Problem darstellt, ist dies bei der im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebotenen Abwägung anders. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fordert die Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen einerseits und den privaten Interessen des Anlagenbetreibers andererseits,127 mithin eine rechtliche Wertung, die der Struktur von Vorsorgepflichten geradezu inhärent ist. Die zur Konkretisierung von Vorsorgepflichten dienenden Ver___________ 125 Vgl. aus dem Immissionsschutzrecht § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, aus dem Atomrecht § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. 126 Vgl. BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (138 f.) – Kalkar; OVG Lüneburg v. 17.10.1977, DVBl. 1978, 67 (69); Bender, NJW 1979, 1425 (1429). 127 Zu den relevanten Abwägungskriterien und deren Gewichtung siehe Hanning, Umweltschutz und überbetriebliche technische Normung, 1976, S. 52; Marburger, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (1986), Bd. I, 1986, S. C1 (C74); R. Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kernanlagen, 1984, S. 71-73; Feldhaus, DVBl. 1981, 165 (169 f.); Nicklisch, BB 1981, 505 (511); Winter, ZRP 1987, 425 (428 f.).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
waltungsvorschriften enthalten somit nicht nur Festsetzungen tatsächlicher Art, sondern beantworten auch Rechtsfragen.
bb) Verwaltungsvorschriften zu Schutzpflichten Demgegenüber sind Schutzpflichten128 zumindest strukturell nicht von politischen Wertungen abhängig. In ihrem Kern sind sie auf die Abwehr von Gefahren gerichtet.129 Eine Gefahr liegt nach einhelliger Auffassung dann vor, wenn bei ungehindertem Ablauf eines Lebenssachverhalts ein geschütztes Rechtsgut mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht unerheblich zu Schaden kommen wird.130 Beide für die Gefahrenqualität einer Situation maßgeblichen Faktoren – die Schadenswahrscheinlichkeit und die Schadenshöhe – werden ausschließlich von tatsächlichen Gegebenheiten determiniert, ohne daß es auf Abwägungen widerstreitender Interessen ankäme. Insofern unterscheiden sich Vorsorge- und Schutzstandards in Verwaltungsvorschriften grundlegend voneinander. Trotzdem beinhalten Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung von Schutzpflichten auch politische Kompromisse. Sie resultieren aus Erkenntnisdefiziten in den Naturwissenschaften. So sind bis heute zahlreiche tatsächliche Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge noch nicht vollständig geklärt.131 Schon deswegen können die in Verwaltungsvorschriften enthaltenen Schutzstandards nicht allein als Emanation rein naturwissenschaftlicher Sachverständigkeit qualifiziert werden. Unklare Tatsachenzusammenhänge bedingen vielmehr auch rechtliche oder politische Wertungen des Vorschriftengebers.132 Es läßt sich zusammenfassen: Verwaltungsvorschriften im Umwelt- und Technikrecht erfüllen die an ein Sachverständigengutachten zu stellenden rechtlichen Anforderungen nicht. Sie können daher nicht als „antizipierte Sachverständigengutachten“ in den Verwaltungsprozeß eingeführt werden.
___________ 128
Vgl. aus dem Immissionsschutzrecht § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Zur Unterscheidung von Schutz- und Vorsorgepflichten P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 22-29. 130 Zum Gefahrbegriff statt vieler BVerwG v. 17.3.1981, BVerwGE 62, 36 (38 f.); v. 26.2.1974, BVerwGE 45, 51 (57); v. 13.12.1967, BVerwGE 28, 310 (315 f.); Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., 2001, Abschn. E Rn. 29-31 (S. 214 f.); Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl., 2002, Rn. 87-93 (S. 56-58). 131 Vgl. etwa BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (258) – Voerde; ferner OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323) – Buschhaus, das die Qualifizierung der Grenzwerte der TA Luft als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ aufgrund der lückenhaften naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ablehnt. 132 Im Ergebnis ebenso die soeben in Fn. 131 genannten Entscheidungen. 129
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IV. Beweis des ersten Anscheins Teile des Schrifttums qualifizieren die in Verwaltungsvorschriften enthaltenen Grenzwertfestsetzungen als allgemeine Erfahrungssätze und gelangen so zu einer Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises.133 Es sei gerechtfertigt, einen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend anzunehmen, „daß die in abstrakt-generellen Festlegungen der Exekutive enthaltenen technischen Anforderungen den jeweiligen technischen Standard, zu dessen Konkretisierung sie aufgestellt worden sind, zutreffend wiedergeben“134. Für die richterliche Beweiswürdigung habe dieser Erfahrungssatz die Bedeutung eines Anscheinsbeweises.135 Aus beweisrechtlicher Sicht begegnet dieser Vorschlag Bedenken. Um die in Verwaltungsvorschriften des Umwelt- und Technikrechts enthaltenen Grenzwertfestsetzungen als allgemeine Erfahrungssätze einstufen zu können, muß ihr spezifischer Beweiswert sichergestellt sein. Dazu muß den Verwaltungsvorschriften die für einen allgemeinen Erfahrungssatz erforderliche erhöhte Verwirklichungswahrscheinlichkeit des zu beweisenden Umstandes immanent sein. An einem Beispiel verdeutlicht: Die Einhaltung eines Immissionsgrenzwertes der TA Luft muß typischerweise die Unschädlichkeit der Umwelteinwirkungen ___________ 133
Brinkmann, Rechtliche Aspekte der Bedeutung von technischen Normen für den Verbraucherschutz, 1984, S. 19; Hanning, Umweltschutz und überbetriebliche technische Normung, 1976, S. 68-70; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 464; A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 210-215; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, 1983, S. 201205; Scharnhoop, Die Haftung für Zulassungskontrollen technischer Erzeugnisse, 1975, S. 9 f.; Lukes, in: Wettbewerb als Aufgabe. Nach zehn Jahren GWB, 1968, S. 147 (169 f.); Herschel, NJW 1968, 617 (619); A. Rittstieg, NJW 1983, 1098 (1099 f.); zur Bedeutung der DIN-Normen für die Beweislastverteilung Röhling, Überbetriebliche technische Normen als nichttarifäre Handelshemmnisse im Gemeinsamen Markt, 1972, S. 18 f. 134 So A. Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 210-215; ders., NJW 1983, 1098 (1099 f.); zur Einordnung der in technischen Regelwerken festgelegten Grenzwerte als Erfahrungssätze ferner Hanning, Umweltschutz und überbetriebliche technische Normung, 1976, S. 68-70; Herschel, Rechtsfragen der Technischen Überwachung, 2. Aufl., 1980, S. 123 f.; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 400-405; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, 1983, S. 201-205; Berg, GewArch 1978, 281 (283); Breuer, AöR 101 (1976), 46 (80); Hammer, MDR 1966, 977 (980 f.); Herschel, NJW 1968, 617 (619). 135 Vgl. die oben in Fn. 133 angeführten Nachweise. – Der Anscheinsbeweis begründet im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme, daß die zu beweisende Tatsache prima facie vorliegt, sofern für die Art des in der Beweiswürdigung zu beurteilenden Geschehensablaufs ein gleichmäßiger, sich stetig wiederholender Hergang, mithin ein typischer Geschehensablauf festgestellt werden kann. Vgl. hierzu Hainmüller, Der Anscheinsbeweis und die Fahrlässigkeitstat im heutigen deutschen Schadensersatzprozeß, 1966, S. 29; R. Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kernanlagen, 1984, S. 155 f.; Breuer, AöR 101 (1976), 40 (80).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 BImSchG zur Folge haben. Ein solchermaßen spezifischer Beweiswert allgemeiner Verwaltungsvorschriften erfordert jedoch – neben der Sachkompetenz, Objektivität und Neutralität des Vorschriftengebers – einen rein wissenschaftlich fundierten Tatsachengehalt. Damit rückt auch hier wieder das bereits mehrfach angeführte Argument gegen eine beweisrechtliche Bewertung der Verwaltungsvorschriften in den Mittelpunkt: Umwelt- und technikrechtliche Verwaltungsvorschriften weisen zwar einen naturwissenschaftlichen Tatsachengehalt auf, sind daneben aber ebenfalls Ausdruck umfassender politischer Wertungen. Für die Einordnung der Verwaltungsvorschriften als allgemeine Erfahrungssätze und die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises bleibt daher kein Raum.
E. Normtheoretische Ansätze Das Umweltrecht mit seinen zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen leitet zur (normtheoretischen) Frage über, ob die Offenheit der Rechtssprache einen Schluß auf fehlende Kontrollmaßstäbe der Gerichte und – daraus resultierend – eine exekutive Konkretisierungskompetenz zuläßt.
I. Unbestimmter Rechtsbegriff Nur dann jedenfalls, wenn aus der Unbestimmtheit eines Gesetzesbegriffs kompetenzrechtliche Folgerungen zugunsten der Exekutive gezogen werden können, ist in einem weiteren Schritt eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften – normtheoretisch – begründbar.
1. Literaturbericht An den konkreten Inhalt eines Gesetzes anknüpfend, wird ein derartiger Zusammenhang zwischen gesetzlicher Normstruktur und gerichtlicher Kontrolldichte bejaht.136 Sei das Gesetz in hohem Maße bestimmt, so könne idealtypisch nur eine Handlungsalternative zulässig sein; sei der Gesetzesinhalt dagegen un___________ 136
Etwa P. Kirchhof, Die Bestimmtheit und Offenheit der Rechtssprache, 1987, S. 28-30; Grimm, in: van Buiren/Ballerstedt/Grimm, Richterliches Handeln und technisches Risiko, 1982, S. 25 (32 f., 46, 47-49); Gusy, DVBl. 1987, 497 (499 f.); Kind, DÖV 1988, 679 (682-685); im Ergebnis auch K.-H. Weber, Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, 1984, S. 165 ff., der zwar einerseits eine Beschränkung gerichtlicher Kontrolldichte ausschließlich staatstheoretisch begründen möchte (S. 200), andererseits ein Letztentscheidungsrecht der Exekutive dennoch vornehmlich normtheoretisch begründet (S. 205-211).
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bestimmt, so vermehre sich mit zunehmender Unbestimmtheit die Zahl der rechtmäßigen Vollzugsalternativen im Verhältnis zu den rechtswidrigen. Unbestimmte Rechtsbegriffe137 ermächtigten mithin die Exekutive zur Auswahl zwischen mehreren Konkretisierungsmöglichkeiten.138 Für die gerichtliche Kontrolltätigkeit wirke der unbestimmte Rechtsbegriff dementsprechend geradezu umgekehrt. Gemäß Art. 19 Abs. 4 GG hätten die Gerichte zu prüfen, ob eine exekutive Maßnahme dem geltenden Rechte widerspreche. Ein Widerspruch läge aber nur vor, wenn die vollziehende Gewalt eine Handlungsalternative ausgewählt habe, die außerhalb des zulässigen Handlungsspektrums liege. Je unbestimmter nun die gesetzlichen Vorgaben seien, desto weiter sei dieses Spektrum und desto geringer sei die Anzahl der rechtswidrigen Handlungsalternativen. Prüfe die Justiz dagegen am inhaltlich bestimmten Gesetz, erhöhe sich die Zahl der rechtswidrigen Vollzugsalternativen. Unbestimmtheit vergrößere somit das Auswahlspektrum der Exekutive und verringere zugleich das Aufhebungsspektrum der Judikative.139 Das Unterfangen, kompetenzrechtliche Fragen in rechtsmethodische Fragen umzumünzen, kann jedoch nur gelingen, falls seine Prämisse zu überzeugen vermag: die normtheoretische Unterscheidbarkeit bestimmter und unbestimmter Rechtsbegriffe – wie sie die wortsemantischen Bedeutungslehren postulieren.140
2. Grundzüge der wortsemantischen Bedeutungskonzeption Grundlegend hatte bereits W. Jellinek im Jahre 1913 versucht, die semantische Struktur unbestimmter Rechtsbegriffe zu beschreiben:
___________ 137 Zur Verfassungsmäßigkeit unbestimmter Rechtsbegriffe vgl. BVerfG v. 24.4.1985, BVerfGE 69, 1 (43); v. 8.3.1983, BVerfGE 63, 312 (323 f.); v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (133 ff.) – Kalkar. 138 Stellvertretend Gusy, DVBl. 1987, 497 (499); Kind, DÖV 1988, 679 (683). – Die Frage einer möglicherweise verfassungswidrigen Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Exekutive stellt sich nach dieser Auffassung erst gar nicht. Die verfassungsrechtliche Prüfung konzentriert sich zunächst vielmehr auf das Bestimmtheitsgebot. 139 Zum Gesichtspunkt eingeschränkter judikativer Kontrollkompetenz wegen mangelnder gesetzlicher Maßstäbe P. Kirchhof, Die Bestimmtheit und Offenheit der Rechtssprache, 1987, S. 27; Grimm, in: van Buiren/Ballerstedt/Grimm, Richterliches Handeln und technisches Risiko, 1982, S. 25 (32 f.). 140 Im Folgenden kann nicht versucht werden, den zahlreichen Lehren zum unbestimmten Rechtsbegriff eine weitere hinzuzufügen. Statt dessen sollen die Grundzüge der Wortsemantik ausgeleuchtet werden, um zu zeigen, daß sie eine wie auch immer geartete Kompetenzverteilung zwischen Exekutive und Judikative nicht rechtfertigen können.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
„Der unbestimmte Begriff [...] bildet den Gegensatz zum bestimmten Begriff. Wie dieser hat er überhaupt Grenzen, denn sonst wäre es kein Begriff. Aber während der bestimmte Begriff eine einzige Grenze hat, die ein sicheres (assertorisches) Urteil über die Zugehörigkeit oder Nichtgehörigkeit einer Erscheinung zum Begriffe ermöglicht, hat der unbestimmte Begriff deren zwei. Auch beim unbestimmten Begriff gibt es daher sichere (assertorische) Urteile; aber zwischen dem bejahenden und dem verneinenden Urteil liegt ein Grenzgebiet der bloßen Möglichkeit (problematisches Urteil).“141
Auf dieser Unterscheidung W. Jellineks zwischen den „Sphären der positiven und der negativen Gewißheit“ und des „möglichen Zweifels“142 baut H.-J. Kochs Konzeption der Vagheit eines Rechtsbegriffs auf.143 Nach ihm ist für unbestimmte, in seinen Worten: „vage“ Begriffe folgendes kennzeichnend: „Es gibt – erstens – Gegenstände, die unzweifelhaft unter den Begriff fallen (sogenannte „positive Kandidaten“); es gibt – zweitens – Gegenstände, auf die der Begriff ebenso unzweifelhaft nicht anzuwenden ist (sogenannte „negative Kandidaten“); schließlich gibt es – drittens – Gegenstände, hinsichtlich deren nicht entschieden werden kann, ob sie unter den Begriff fallen oder nicht (sogenannte „neutrale Kandidaten“).“144 Dergestalt „unbestimmte“ Rechtsbegriffe finden sich beispielhaft in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG („Interessen der Bundesrepublik Deutschland“), §§ 17, 18 BRRG („dienstliches Bedürfnis“), § 4 Abs. 1 Nr. 1 GaststG („Unzuverlässigkeit“), § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG („Ungeeignetheit“), § 6 Abs. 2 Nr. 1 KrWaffG („Interesse der Bundesrepublik an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu anderen Ländern“) oder § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG („bereits weitgehend geförderter Ausbildungsabschnitt“). So kann etwa fraglich sein, wann ein „bereits weitgehend geförderter Ausbildungsabschnitt“ im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG vorliegt, der eine Zurückstellung des Wehrpflichtigen vom Wehrdienst rechtfertigt. Daß ein „weitgehend geförderter Ausbildungsabschnitt“ bei einem Wehrpflichtigen, der sein Studium erst vor wenigen Tagen ___________ 141
W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendungen und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 37. – Die sprachphilosophische Diskussion um Unbestimmtheit begann mit Russell, The Australasian Journal of Psychology and Philosophy 1 (1923), 84 ff. 142 W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendungen und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 37 f. 143 H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensermächtigungen im Verwaltungsrecht, 1979, S. 33-40; ders., Seminar „Die juristische Methode im Staatsrecht“, 1977, S. 42-45; ders./Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 194-201; ähnlich Herberger/Simon, Wissenschaftstheorie für Juristen, 1980, S. 285 ff.; K.-H. Weber, Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, 1984, S. 165-218. 144 H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 195, unter Übernahme der Terminologie von Körner, Erfahrung und Theorie, 1970, S. 44, 49. – Ähnlich bereits Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, 1914, S. 46, der zwischen einem festen Vorstellungskern und einem Vorstellungshof unbestimmter Rechtsbegriffe unterscheidet.
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begonnen hat, ohne weiteres zu verneinen ist, liegt auf der Hand („negativer Kandidat“). Ebenso eindeutig hat ein Wehrpflichtiger sein Studium „bereits weitgehend gefördert“, wenn er kurz vor der Examensprüfung steht („positiver Kandidat“). Dazwischen aber liegt ein Bereich, in dem die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs im konkreten Fall Schwierigkeiten bereitet („neutrale Kandidaten“). Ist zum Beispiel bereits ein „weitgehend geförderter“ Ausbildungsabschnitt erreicht, wenn der Wehrpflichtige ein Viertel der für seinen Ausbildungsabschnitt vorgeschriebenen Ausbildungszeit erreicht hat?145 Zusammenfassend sind unbestimmte Rechtsbegriffe solche Begriffe, die neutrale Kandidaten haben. Damit werden sie allerdings vornehmlich durch das Ergebnis ihrer Anwendung beschrieben. Die Bedeutung unbestimmter Begriffe, die für das fragliche Anwendungsergebnis ursächlich ist, bleibt (zunächst) noch unbekannt. Bei der Ermittlung ihrer Bedeutung will H.-J. Koch zwischen der Extension und der Intension eines Begriffs differenzieren: Extension ist die Menge aller Objekte der außersprachlichen Welt, die unter den Begriff fallen. Die Intension dagegen ist durch eine Reihe von Eigenschaften darstellbar, die Objekte der außersprachlichen Welt haben können und die in dem Begriff ausgedrückt werden.146 Ob sich nun ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften unter den Begriff subsumieren läßt, kann eindeutig nur für die positiven und negativen Kandidaten ermittelt werden. In diesen zwei Fällen soll die Bedeutung eines Begriffs aus einer empirischen und deshalb wahrheitsdefiniten Ermittlung resultieren. Im Bereich der neutralen Kandidaten kann die Bedeutung des Begriffs indes nicht ermittelt werden, denn es fehlt insoweit an gesetzlichen Maßstäben. Eine Zuordnung der neutralen zu den positiven oder negativen Kandidaten kann daher nur durch eine (induktive) wahrheitsindefinite Bedeutungsfestsetzung erfolgen; eine (deduktive) Bedeutungsermittlung scheidet aus.147 Eine solche wortsemantische Bedeutungskonzeption ist nicht frei von Widersprüchen und Zirkelschlüssen und fordert eine Reihe von Einwänden heraus.
___________ 145 Das BVerwG hat in seinem Urteil v. 10.12.1969 (BVerwGE 34, 278 [279]) die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG als erfüllt angesehen, wenn der Wehrpflichtige „schon mindestens ein Drittel der für den Ausbildungsabschnitt vorgeschriebenen und regelmäßig erforderlichen Ausbildungszeit erreicht hat“. 146 H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensermächtigungen im Verwaltungsrecht, 1979, S. 35; vgl. ferner ders./Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 128-132. 147 Zur sprachphilosophischen Unterscheidung von Bedeutungsermittlung und Bedeutungsfestsetzung H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 15, 24, 26, 127, 157 f., 166 f., 188 ff.; ferner Herberger/Simon, Wissenschaftstheorie für Juristen, 1980, S. 303 ff.; Wank, Die juristische Begriffsbildung, 1985, S. 60-62; K.H. Weber, Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, 1984, S. 177-191.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
3. Kritik der wortsemantischen Bedeutungskonzeption Axiomatisch liegt einer wortsemantischen Bedeutungskonzeption die Trennung von Sprache und außersprachlicher Welt zugrunde: Die Bedeutungen sprachlicher Zeichen definieren sich über die Eigenschaften der Objekte in der außersprachlichen Welt. Sprache wird so zu einem Abbildungsinstrument eben dieser außersprachlichen Wirklichkeit.148 Damit verkennt eine wortsemantische Bedeutungskonzeption die Kontext- und Situationsoffenheit sprachlicher Zeichen. Welche Bedeutung einem bestimmten Wort an einer bestimmten Stelle aktuell zukommt, muß der Hörer oder Leser aufgrund des jeweiligen Kontextes und der jeweiligen Kommunikationssituation entscheiden. Seine Bedeutung liegt einem Wort daher nicht voraus als etwas Objektives, Vorgegebenes. Sie stellt sich ein in einem Prozeß komplexer Kommunikationshandlungen.149 Der Begriff „Hilfe“ etwa bedeutet etwas anders, wenn er von einem Ertrinkenden gerufen wird als wenn er von einer Person geäußert wird, die nach einem Lachanfall Luft holt.150 Diese Mehrdeutigkeit (Polysemie) ist Wörtern natürlicher Sprachen geradezu inhärent, wie ein schneller Blick in ein Lexikon belegt. Sie resultiert auch aus der Handlungsdimension der Sprache, die eine wortsemantische Bedeutungskonzeption verkennt. Ein Sprechakt stellt eine soziale Handlung dar, vermittels deren sich der Sprecher nicht nur auf eine bestimmte Realität bezieht, sondern überdies eine bestimmte Intention verfolgt. Will der Hörer die Bedeutung der Äußerung ergründen, muß er versuchen, die Intention mit Blick auf den Sprecher nachzuvollziehen.151 Damit ist hinreichend verdeutlicht, daß die Bedeutung eines Begriffs aus seiner Verwendung innerhalb eines Kommunikationsprozesses entsteht. Sprachtheoretisch hat dies zur Konsequenz, daß mit jedem Sprechakt die Möglichkeit ___________ 148 Deutlich etwa bei K.-H. Weber, Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, 1984, S. 183: „Der Begriffsbildung gehen zunächst zwei Phasen des Erkennens voraus, wobei innerhalb der ersten konkrete Gegenstände [...] mittels der Sinne wahrgenommen werden [...]. In der [...] zweiten Phase werden diese Wahrnehmungen verstandesmäßig verarbeitet, indem das sinnlich Erkannte von der Einmaligkeit seiner konkreten Beziehung [...] abstrahiert wird [...]. Das Ergebnis dieses Erkennens stellt dann der abstrakte Begriff dar als die Summe aller an den wahrgenommenen Gegenständen [...] erkannten wesentlichen Eigenschaften.“ 149 Siehe dazu schon die Kritik von D. Horn, Rechtssprache und Kommunikation, 1966, S. 41 f.; kritisch ebenfalls Hegenbarth, Juristische Hermeneutik und linguistische Pragmatik, 1982, S. 88 f. 150 Beispiel in Anlehnung an Hegenbarth, Juristische Hermeneutik und linguistische Pragmatik, 1982, S. 88. 151 Einer Begriffsinterpretation kann es daher nicht um die „Wiederentdeckung“ einer ursprünglichen Bedeutung des Begriffs gehen. Siehe hierzu F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, 1984, S. 274 ff., 314 ff.
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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einer Bedeutungsverschiebung gegeben ist.152 H.-J. Koch leugnet demgegenüber diese strukturelle Indeterminiertheit sprachlicher Zeichen, indem er streng zwischen Sprache und Realität trennt. Konsequent zu Ende gedacht, müßte er daher eigentlich die Existenz „wahrer“ und „falscher“ Bedeutungen anerkennen. In sich widersprüchlich behauptet er jedoch statt dessen, daß sprachliche Begriffe und ihre Bedeutung in einem konventionellen Zusammenhang stünden.153 Wie aber soll sich bei Annahme einer konventionalistischen Semantik154 die Bedeutungsermittlung noch von der Bedeutungsfestsetzung unterscheiden lassen? Können jedoch Bedeutungsermittlung und Bedeutungsfestsetzung – die beiden Eckpfeiler der Lehre H.-J. Kochs – nicht voneinander unterschieden werden, läßt sich die normtheoretische Trennung von unbestimmten und bestimmten Rechtsbegriffen nicht aufrechterhalten. Doch bereits die These der objektiven, weil wahrheitsdefiniten Bedeutungsermittlung ist in sich unschlüssig. So soll nach H.-J. Koch die Intension eines Begriffs „grundsätzlich nur über den ‚Umweg‘ der Extensionsermittlung bestimmbar“ sein.155 Verschwiegen wird damit, daß auch in die Extensionsermittlung intuitive Vorentscheidungen über die Bedeutung eines Begriffs eingehen, die später als entdeckte Eigenschaften nur verkleidet werden. Die Intension über die Extension bestimmen zu wollen, führt daher zu nichts anderem als der Konstituierung eines hermeneutischen Zirkels.156 Als Resümee bleibt vorläufig festzuhalten: Die unhintergehbare Situationsabhängigkeit der Sprache und ihre soziale Handlungsdimension begründen das Unvermögen wortsemantischer Konzeptionen, eine Unterscheidbarkeit bestimmter und unbestimmter Rechtsbegriffe zu liefern. Jedem Sprechakt ist vielmehr die Möglichkeit einer Bedeutungsverschiebung immanent. Läßt sich normtheoretisch eine feststehende Differenz zwischen bestimmten und unbestimmten Begriffen aber nicht entdecken, können unbestimmte Rechtsbegriffe ___________ 152
Vgl. Frank, Das Sagbare und das Unsagbare, 1990, S. 196-210. – Letztlich finden diese Gedanken ihr Fundament in der Sprachphilosophie Wittgensteins, der eine realistische Wortsemantik ablehnt. Nach Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Teil I, 1968, § 43 (S. 20 f.), ist die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache. Die Bedeutung stellt sich daher ein in einem Geflecht von Tätigkeiten, Institutionen, Argumenten und Relationen, so daß wirkliche Kommunikation semantisch nicht determiniert ist. 153 H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 163. 154 Daß bereits H.-J. Kochs Annahme eines konventionellen Zusammenhangs zwischen Zeichen und Bedeutung unter Anknüpfung an die realistische Semantik paradox ist, liegt auf der Hand. Ebenso Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 308 in Fn. 38. 155 H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 189; zustimmend K.-H. Weber, Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, 1984, S. 173 f. 156 Vgl. F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, 1984, S. 287 f.; Christensen, ARSP LXXIII (1987), 75 (88 f.).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
nicht zum Anknüpfungspunkt für die Verteilung von Kompetenzen (zwischen Exekutive und Judikative) avancieren. Allein normtheoretische Überlegungen rechtfertigen daher keine Außenverbindlichkeit bestimmter Verwaltungsvorschriften.
II. Vertretbarkeitslehre Auch die Vertretbarkeitslehre C. H. Ules157 knüpft an die Vagheit der Begriffe an, wenn sie fragt, ob die Gerichte unbestimmte Rechtsbegriffe in vollem Umfang überprüfen dürfen. Ausgangspunkt der Vertretbarkeitslehre ist der dreigliedrige Aufbau der Gesetzesanwendung, wonach die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs, die Sachverhaltsermittlung und die Subsumtion voneinander zu trennen sind.158 Die Auslegung der unbestimmten Begriffe, d. h. die Feststellung ihrer Bedeutung, ist nach C. H. Ule in vollem Umfang von den Gerichten nachzuprüfen. Ebenso obliege dem Gericht die Überprüfung der behördlichen Ermittlung des Sachverhalts, auf den der unbestimmte Rechtsbegriff an___________ 157 Grundlegend Ule, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, 1955, S. 309 ff.; sowie ders., Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl., 1987, § 2 I 3 (S. 10); ders. (1974/1981), in: ders./Laubinger, BImSchG, § 3 Rn. 17-32; ders., VerwArch 76 (1985), 1 (15-19); ders., WiVerw. 1977, 80 (87); ders., BB 1976, 446 (447); ders., DVBl. 1973, 756 (758); anders noch ders., DVBl. 1953, 491 (497); vgl. ferner Feuchte, Die Verwaltung 10 (1977), 291 (307); Schmidt-Eichstaedt, DVBl. 1985, 645 (648 f.); kritisch Heinze, BB 1976, 772. – In der Rechtsprechung ist der Vertretbarkeitslehre dagegen – soweit ersichtlich – lediglich der VGH München in seinem Pharmachemie-Beschluß (v. 26.10.1976, BayVBl. 1977, 303 [305]) gefolgt: „Die in der TA-Luft festgelegten Immissionswerte sind Ausdruck ‚administrativen Sachverstandes‘, den auch der Senat zu respektieren weiß. Eine Nachprüfung der Richtigkeit dieser Werte hat grundsätzlich außer Betracht zu bleiben; vielmehr kann davon ausgegangen werden, daß diese auf dem Richtlinienwerk der VDI-Kommission Reinhaltung der Luft, einem umfassenden Erfahrungsaustausch der Bundes- und Länderbehörden, Forschungsergebnissen u. a. beruhenden Werte den an die Reinhaltung der Luft zum Schutze der Umwelt zu stellenden Anforderungen gerecht werden (siehe Ule, Die Bindung der Verwaltungsgerichte an die Immissionswerte der TA-Luft, BB 1976, 446).“ Das BVerwG (v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 [253 f.] – Voerde) dagegen lehnte die Anwendbarkeit der Vertretbarkeitslehre für die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 5 BImSchG ausdrücklich ab. 158 Dazu Engisch, Einführung in das juristische Denken, 9. Aufl., 1997, S. 45 ff., 72 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 271-277. – Kritisch gegenüber einer Dreigliederung des Rechtsanwendungsprozesses Waltner, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen, 1968, S. 37; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 8. Aufl., 2003, S. 97-101; Czermak, JuS 1968, 399 (400); H.-R. Horn, DVBl. 1977, 13 (15); Korbmacher, DÖV 1965, 696 (699 f., 703); Maetzel, DÖV 1966, 520 (526); Obermayer, BayVBl. 1975, 257 (258). Für einen zweigliedrigen Rechtsanwendungsprozeß aus Auslegung und Subsumtion H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensermächtigungen im Verwaltungsrecht, 1979, S. 74; Kuchinke, Grenzen der Nachprüfbarkeit tatrichterlicher Würdigung und Feststellungen in der Revisionsinstanz, 1964, S. 78 f.
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zuwenden ist.159 Hinsichtlich der Überprüfbarkeit der Subsumtion, also der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs auf den Sachverhalt, will C. H. Ule dagegen zu einer differenzierten Betrachtung übergehen. Die Subsumtion unbestimmter Rechtsbegriffe mit deskriptivem Charakter sei infolge des Fehlens wertender Elemente gerichtlich stets voll überprüfbar. Gleiches gelte in der Regel auch für unbestimmte Rechtsbegriffe mit normativem, anders: wertungsbedürftigem Charakter.160 In – verhältnismäßig seltenen – Fällen aber könne die Frage, ob sich der festgestellte Sachverhalt unter einen normativen unbestimmten Rechtsbegriff subsumieren lasse, nicht eindeutig beantwortet werden. Nur in diesen „Grenzfällen“ habe das Gericht die von der Verwaltungsbehörde getroffene Entscheidung als rechtlich vertretbar zu respektieren und seinem eigenen Urteil zugrunde zu legen.161 Ein solcher Grenzfall liegt nach C. H. Ule vor, wenn die Bundesregierung durch allgemeine Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG Immissionswerte festsetzt, die zu dem in § 1 BImSchG genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen.162 Die Vertretbarkeitslehre führt daher – für die Immissionswerte der TA Luft – zu dem Ergebnis, daß die Gerichte diese Werte zu beachten haben und keine anderen Anforderungen stellen können. Die Überzeugungskraft der Lehre C. H. Ules hängt indes von der Stichhaltigkeit ihrer beiden Prämissen ab: – erstens – der methodischen Unterscheidbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe mit deskriptivem Charakter von solchen mit normativem Charakter und – zweitens – der Trennung der voll überprüfbaren Tatbestandsauslegung und Sachverhaltsermittlung von der nur eingeschränkt kontrollierbaren Subsumtion. Beide Postulate wecken Bedenken. Genauso wie es sprachtheoretisch unmöglich ist, zwischen unbestimmten und bestimmten Rechtsbegriffen zu differenzieren, kann eine Scheidelinie zwischen wertungsergänzungsbedürftigen und nicht wertungsergänzungsbedürftigen unbestimmten Begriffen gefunden werden. Die Handlungsdimension und die Situationsoffenheit der Sprache bedingen vielmehr stets, daß intuitive Vorentscheidungen in die Bedeutungsbestimmung von Begriffen eingehen.163 Daher ist
___________ 159
Ule, WiVerw. 1977, 80 (87); ders., BB 1976, 446 (447); ders., DVBl. 1973, 756
(758). 160
Ule, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, 1955, S. 309 (325 f.). Ule, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, 1955, S. 309 (326).; ders., WiVerw. 1977, 80 (87); ders., BB 1976, 446 (447). 162 Ule (1979/1981), in: ders./Laubinger, BImSchG, § 48 Rn. 3; ders., BB 1976, 446 (447). 163 Siehe hierzu oben 4. Teil § 7 E. I. 3. 161
230
4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
höchst zweifelhaft, ob überhaupt Rechtsbegriffe ohne wertende Elemente existieren.164 Daneben fordert die Dreigliederung des Rechtsanwendungsschemas Widerspruch heraus. Denn eine bestimmte Rechtsfolge kann nicht allein durch die Auslegung des Tatbestands, die Ermittlung des Sachverhalts und die Subsumtion als trennscharf zu unterscheidende und unabhängig voneinander durchzuführende Teilschritte festgestellt werden. Zur Ermöglichung der Subsumtion bedarf es nämlich der Herstellung einer besonderen Affinität zwischen der Begriffsauslegung und der Sachverhaltsermittlung, die beide möglichst weit angenähert werden müssen. Mit anderen Worten: Teils ist der Sachverhalt so zuzubereiten, daß er unter den unbestimmten Rechtsbegriff subsumiert werden kann; teils muß die Auslegung mit Blick auf den Sachverhalt erfolgen.165 Dieses „Hin- und Herwandern des Blickes zwischen Obersatz und Lebenssachverhalt“166 vereitelt jedoch die nach C. H. Ule erforderliche Unterscheidung von voll überprüfbarer Begriffsauslegung und Sachverhaltsfeststellung einerseits und nur eingeschränkt überprüfbarer Subsumtion andererseits. Dem Versuch, (bestimmten) Verwaltungsvorschriften mit Hilfe der Vertretbarkeitslehre eine Außenwirkung beizulegen, kann daher kein Erfolg beschieden werden.
F. Normative Ansätze Auf das Parlamentsgesetz selbst stellen neuere normative Ansätze ab, die exekutive Letztentscheidungsrechte aus einer Ermächtigung des Gesetzgebers ableiten wollen. Ausgangspunkt dieser in verschiedenen Ausprägungen auftretenden sogenannten normativen Ermächtigungslehre167 sind die Verfassungsbestimmungen in Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG. Die Rechtsschutzgarantie in ___________ 164
Vgl. etwa W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendungen und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 43, 49, 161, wo beispielhaft die Wertungsausfüllungsbedürftigkeit des Tatbestandsmerkmales „rot“ diskutiert wird. 165 Ähnlich bereits Jesch, AöR 82 (1957), 163 (191): „Jede Interpretation ist antizipierte Subsumtion.“; Kaufmann, JZ 1975, 337 (338 f.); ders., JuS 1965, 1 (7): „Rechtsfindung ist ein In-die-Entsprechung-Bringen, eine Angleichung, eine Assimilation von Sachverhalt und Norm“. 166 Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl., 1963, S. 15. 167 Exemplarisch Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 185 ff.; ders., in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 59 (S. 1017 f.); Badura, in: Festschrift für O. Bachof, 1984, S. 169 (177, 186, 188); Beckmann, DVBl. 1987, 611 (617); Brohm, DVBl. 1987, 321 (330 f.); Erichsen, DVBl. 1985, 22 (26); Gusy, DVBl. 1987, 497 (499 f.); Kind, DÖV 1988, 679 (680 f.); Kloepfer, VerwArch 76 (1985), 371 (392); Papier, DÖV 1986, 621 (626); Schmidt-Eichstaedt, DVBl. 1985, 645 (647).
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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Art. 19 Abs. 4 GG gebiete die volle gerichtliche Nachprüfung exekutiven Handelns in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.168 Gleichzeitig normiere das Grundgesetz in seinem Art. 20 Abs. 3 eine gleichmäßige Bindung sowohl der Exekutive als auch der Judikative an das Gesetz. Art. 19 Abs. 4 GG knüpfe nun für die gerichtliche Kontrolle an diese Gesetzesbindung (auch) der rechtsprechenden Gewalt an.169 Daraus folgt für die normative Ermächtigungslehre die Befugnis des Gesetzgebers, Ausnahmen vom Grundsatz vollständiger gerichtlicher Kontrolle festzulegen und so der Verwaltung Letztentscheidungsermächtigungen einzuräumen.170 Welche Anforderungen an eine solche normative Ermächtigung zu stellen sind und wie weit ein exekutives Letztentscheidungsrecht reicht, ist gleichwohl noch nicht abschließend geklärt.171 Ebenso wenig herrscht Einigkeit über die Konsequenzen für, genauer: die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften, die in Ausübung gesetzlich eingeräumter Freiräume durch die Exekutive erlassen werden. Immer wieder neue Nahrung erhielt die Diskussion über derartige Verwaltungsvorschriften indes durch die bundesverfassungs- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung; sie soll daher zunächst skizziert werden.
I. Rechtsprechungsbericht 1. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 24 Abs. 2 EGGVG Eine normativ begründete unmittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften entwickelte das Bundesverfassungsgericht erstmals in seinem Beschluß vom 28. Oktober 1975172, in dem es die Urteilsverfassungsbeschwerden gegen drei Beschlüsse des OLG Hamm zurückwies. Vorausgegangen waren die ___________ 168 BVerfG v. 5.2.1963, BVerfGE 15, 275 (282); BVerwG v. 21.5.1974, BVerwGE 45, 162 (164); v. 29.9.1972, BVerwGE 40, 359 (361); v. 29.9.1972, BVerwGE 40, 353 (356); v. 13.2.1970, BVerwGE 35, 69 (72); v. 12.12.1969, BVerwGE 34, 301 (308); v. 19.12.1968, BVerwGE 31, 149 (152); 2.4.1968, BVerwGE 29, 279 (280); v. 15.11.1967, BVerwGE 28, 223 (225); v. 25.1.1967, BVerwGE 26, 65 (74); v. 22.4.1966, BVerwGE 24, 60 (64); v. 28.1.1966, BVerwGE 23, 194 (200 f.); v. 12.1.1966, BVerwGE 23, 112 (114); v. 28.5.1965, BVerwGE 21, 184 (186); v. 15.5.1964, BVerwGE 18, 298 (299); v. 31.1.1964, BVerwGE 18, 40 (42). 169 Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 185. 170 Vgl. die in Fn. 167 angeführten Autoren. 171 Die Bezeichnung „normative Ermächtigungslehre“ dürfte von Schmidt-Aßmann (1985), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 185, stammen, der sich seinerseits auf BVerfG v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 (111) – Sasbach, bezieht. Die anderen mit der „normativen Ermächtigungslehre“ in Zusammenhang gebrachten Autoren (vgl. oben in Fn. 167) verzichten auf eigenständige Bezeichnungen ihrer Auffassungen. 172 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 ff. mit abweichender Meinung des Richters Seuffert, BVerfGE 40, 260 f.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Beschwerden dreier Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Werl gegen entsprechende Bescheide der Anstaltsleitung. Das OLG Hamm verwarf die Beschwerden mit der Begründung, den Anträgen auf gerichtliche Entscheidung sei kein ordnungsgemäßes Beschwerdeverfahren vorausgegangen, wie es eine Verwaltungsvorschrift des nordrhein-westfälischen Justizministers vorsehe. Nach § 24 Abs. 2 EGGVG könne der Antrag auf gerichtliche Entscheidung aber erst nach vorangegangenem Beschwerdeverfahren gestellt werden, soweit Maßnahmen der Justiz- oder Vollzugsbehörden der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterlägen.173 Das Bundesverfassungsgericht hatte daher zu entscheiden, ob die Verwaltungsvorschrift des Landesjustizministers auch dergestalt außenverbindlich war, daß durch sie ein „förmlicher Rechtsbehelf“ im Sinne des § 24 Abs. 2 EGGVG eingeführt werden konnte.174 Im Ergebnis hat das Gericht diese Frage bejaht: Im Rahmen der demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung des Grundgesetzes müsse die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar beträfen, durch Gesetz erfolgen, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des „Eingriffs“.175 Aber auch wenn man aus dieser Erwägung eine Ausdehnung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts auf weitere Bereiche annehme, „so folgt daraus noch nicht, daß vom Grundgesetz die Regelung der Behördenzuständigkeiten und des Verwaltungsverfahrens bis in alle Einzelheiten dem Gesetz vorbehalten sei“. Die grundlegende Entscheidung nämlich, „daß ein verwaltungsrechtliches Vorverfahren vorgesehen werden kann und daß die Sanktion der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Vorverfahrens die Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist“, habe der Gesetzgeber bereits in § 24 Abs. 2 EGGVG getroffen. Soweit in diesem Zusammenhang überhaupt von einem „Eingriff“ die Rede sein könne, liege dieser also bereits im Gesetz selbst. Demgegenüber erweise sich die Verwaltungsvorschrift als eine untergeordnete Regelung. Sie beschränke sich auf die Ausgestaltung von Modalitäten eines verwaltungsrechtlichen Vorverfahrens im Zuständigkeitsbereich der Verwaltung.176 Kollidiere die Verwaltungsvorschrift somit nicht mit dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt, ergebe sich ihre Außenverbindlichkeit aus dem einer „verwaltungsrechtlichen Ermächtigung“ ähnelnden § 24 Abs. 2 EGGVG. Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht aus: ___________ 173
Vgl. den Sachverhalt in BVerfGE 40, 237-244. Die Allgemeinverfügung des nordrhein-westfälischen Justizministers v. 28.4.1971 (JMBl. NRW 1971 S. 122 f.) ist entgegen ihrer mißverständlichen Bezeichnung keine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG, sondern eine Verwaltungsvorschrift. 175 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (249). 176 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (250 f.). 174
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
233
„§ 24 Abs. 2 EGGVG ist eine bewußt ‚unvollständige‘ Norm. Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern die Regelung des Vorverfahrens vorbehalten und es ihnen überlassen, ob dies durch Gesetz oder [...] durch Verwaltungsverordnung geschehen soll. Dabei ging er davon aus, daß der erstrebte Zweck auch durch eine Verwaltungsverordnung erreicht werden könne. [...] Durch den ‚förmlichen Rechtsbehelf‘ des Vorverfahrens soll [...] den Gefangenen eine ‚zweite Instanz‘ im Rahmen der Verwaltung eröffnet werden, die im Falle einer Rechtsverletzung sofort einschreiten und die Ermessensausübung der nachgeordneten Vollzugsbehörde [...] in vollem Umfang zu kontrollieren hat. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn die Regelung der Verwaltungsvorschrift auch für die Verwaltung verbindlich ist und wie eine Norm des objektiven Rechts angewendet wird [...]. Der Allgemeinverfügung [...] kommt also schon kraft ihrer gesetzlich intendierten Funktion, die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit von Maßnahmen des Strafvollzugs gewährleisten zu helfen, Bindungswirkung gegenüber dem betroffenen Bürger zu. Sie ist damit Bestandteil der objektiven Rechtsordnung.“177
Die vom Bundesverfassungsgericht begründete Außenwirkung organisatorischer Verwaltungsvorschriften blieb jedoch zunächst ohne Resonanz. Neue Impulse gaben der Debatte über eine nur eingeschränkte Gerichtskontrolle (bestimmter Verwaltungsvorschriften) erst wieder das Brokdorf-Urteil des VG Schleswig, der Sasbach-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, der Buschhaus-Beschluß des OVG Lüneburg und das Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts178.
2. Kalkar-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts Gemeinsamer Ausgangspunkt dieser Entscheidungen ist der Kalkar-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. August 1978179 zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AtG. Entgegen der bis dahin fast einhelligen Rechtsprechung von der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe des BImSchG und AtG läßt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen, „wo im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG bei der Bewertung technischer Normen und Standards für die Einschätzung künftiger Schadensmöglichkeiten die Grenzen richterlicher Nachprüfungspflicht liegen“180. Der Gesetzgeber verfüge jedenfalls, „wenn er vor der Frage steht, ob er in einer Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet ___________ 177
BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (255). Siehe dazu sogleich unten im Text. 179 BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 ff. – Kalkar, mit Anmerkung Fiedler, JZ 1979, 184 ff. – Die Entscheidung des BVerfG wurde durch eine Vorlage des OVG Münster nach Art. 100 Abs. 1 GG initiiert. Vgl. hierzu Bettermann, NJW 1978, 612 ff. 180 BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (136) – Kalkar. 178
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
oder sie bis ins einzelne gehend faßt, über einen Gestaltungsspielraum“181. Das Gesetz könne es damit „weitgehend“ der Exekutive überlassen, „über Art und insbesondere über das Ausmaß von Risiken, die im Einzelfall hingenommen oder nicht hingenommen werden, zu befinden“182. Denn: „Nur eine laufende Anpassung der für eine Risikobeurteilung maßgeblichen Umstände an den jeweils neuesten Erkenntnisstand vermag hier dem Grundsatz einer bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zu genügen. Diese Beurteilung in die Hand der Exekutive zu geben, deren rechtliche Handlungsformen sie für die erforderliche Anpassung sehr viel besser ausrüsten als den Gesetzgeber, dient auch insoweit einer Dynamisierung des Rechtsgüterschutzes. [...] Wenn das Gesetz bei dieser Sachlage der Exekutive einen eigenen Beurteilungsspielraum beläßt, verstößt das nicht gegen das Bestimmtheitserfordernis der Verfassung.“183
Das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht damit nicht nur, daß es die gerichtliche Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe – entgegen der VoerdeEntscheidung des Bundesverwaltungsgerichts184 – noch nicht als geklärt ansieht. Erkennbar hebt es auf die Funktionstüchtigkeit exekutiver Handlungsformen für eine bestmögliche Risikovorsorge ab, die die gesetzliche Einräumung eigener Beurteilungsspielräume der Verwaltung rechtfertigen könne.185 Die verwaltungsgerichtliche Rezeption dieses Beschlusses ließ nicht lange auf sich warten.
3. Brokdorf-Urteil des VG Schleswig In seinem Brokdorf-Urteil vom 17. März 1980186 führt das VG Schleswig unter Bezugnahme auf den Kalkar-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zur Aufgabenverteilung zwischen Exekutive und Judikative aus: „Der Begriff ‚Stand von Wissenschaft und Technik‘ ist im Vergleich zu anderen in der Rechtsordnung vorkommenden unbestimmten Rechtsbegriffen von einer großen Offenheit und Unbestimmtheit. Er bedarf im konkreten Fall der Ausfüllung durch eine Bewertung sich widersprechender Meinungen im Bereich des Strahlenschutzes und der Reaktorsicherheit. Dazu sind nach dem Atomgesetz die zuständigen Verwaltungsbehörden berufen. [...] sie haben das Maß des zu tragenden Risikos abzuschätzen und eine Entscheidung über den Umfang der erforderlichen Vorsorgemaßnahmen
___________ 181
BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (136 f.) – Kalkar. BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (138) – Kalkar. 183 BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (139 f.) – Kalkar. 184 BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 50, 250 ff. – Voerde. Dazu oben 4. Teil § 7 D. III. 1. 185 Zu den Reaktionen auf den Kalkar-Beschluß des BVerfG vgl. nur Sellner, NuR 1981, 204; ferner Breuer, Der Staat 20 (1981), 393 (420 f.); Degenhart, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1981, 203 (205). 186 VG Schleswig v. 17.3.1980, NJW 1980, 1296 ff. – Brokdorf. 182
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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zu treffen. [...] Vor diesem Hintergrund muß die Kontrollaufgabe der VGe gesehen werden. Ihnen obliegt es nicht, den der Exekutive zugewiesenen Bewertungsvorgang durch ein erneutes Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der unterschiedlichen Meinungen auf dem Gebiet des Strahlenschutzes und der Reaktorsicherheit zu ergänzen. Die VGe würden dadurch Aufgaben an sich ziehen, die nach der Fassung des Atomgesetzes der Exekutive zustehen. Sie würden gestaltende Aufgaben übernehmen und die Grenzen der Rechtskontrolle überschreiten.“187
Die Verwaltungsgerichte müßten sich deshalb auf eine Rechtskontrolle der Verwaltungsentscheidung beschränken; denn das gerichtliche Verfahren sei „kein zweites Genehmigungsverfahren“.188 Den der Verwaltungsentscheidung zugrundegelegten Richtlinien des Bundesinnenministers komme daher folgende Bedeutung zu: Sie seien für die behördliche Entscheidung wegen ihres naturwissenschaftlich fundierten fachlichen Aussagegehalts eine geeignete Erkenntnisquelle, weil sie auf den zentral – durch die Bundesregierung – ermittelten Erkenntnissen und Erfahrungen von Fachleuten verschiedener Fachgebiete beruhten. Nachdem das Bundesverfassungsgericht der Exekutive ausdrücklich einen eigenen Beurteilungsbereich bei der Abschätzung der noch hinzunehmenden Risiken zuerkannt habe, sei es sachgerecht, „wenn auch die Gerichte das Regelwerk als das Ergebnis dieser Beurteilung bei ihrer Beurteilung zugrunde legen“.189 Zwar entbehrt (auch) das Brokdorf-Urteil des VG Schleswig einer exakten dogmatischen Verortung der technischen Regelwerke unterhalb der Ebene der Rechtsverordnungen.190 Eines tritt indes immer deutlicher zutage: Eine Beachtlichkeit exekutiver Umwelt- und Technikstandards für die Verwaltungsgerichte erscheint durchaus denkbar.
4. Sasbach-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts Einen Schritt weiter geht das Bundesverfassungsgericht in seinem SasbachBeschluß vom 8. Juli 1982191, indem es erstmals – und eher beiläufig – einer Verbindlichkeit exekutiver Feststellungen für die Judikative aufgrund „normativ eröffneter Gestaltungsspielräume“ das Wort redet. Ausgangspunkt der Überlegungen des Gerichts ist die Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleiste nicht allein den ___________ 187
VG Schleswig v. 17.3.1980, NJW 1980, 1296 (1297, 1298) – Brokdorf. VG Schleswig v. 17.3.1980, NJW 1980, 1296 (1298) – Brokdorf. 189 VG Schleswig v. 17.3.1980, NJW 1980, 1296 (1298) – Brokdorf. 190 Zu den unterschiedlichen Interpretationen des Urteils vgl. nur Breuer, Der Staat 20 (1981), 393 (421); Dauk, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1980, 404 (406 f.); ferner Czajka, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1981, 537 (542); Sellner, Baurecht 1980, 391 (404). 191 BVerfG v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 ff. – Sasbach. 188
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Rechtsweg in dem Sinne, daß ein Rechtsschutzbegehren wegen behaupteter Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt von dem Betroffenen einem Richter unterbreitet werden können müsse. Er verbürge auch die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes. Dazu gehöre vor allem, daß der Richter eine hinreichende Prüfungsbefugnis über die tatsächliche und rechtliche Seite des Rechtsschutzbegehrens habe sowie über eine zureichende Entscheidungsmacht verfüge, um einer erfolgten oder drohenden Rechtsverletzung wirksam abzuhelfen.192 Der so vom Bundesverfassungsgericht hergeleitete Grundsatz einer vollinhaltlichen Kontrolle exekutiven Handelns erfährt jedoch durch den ersten Halbsatz der folgenden Entscheidungspassage eine entscheidende Modifikation: „Unbeschadet normativ eröffneter Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie der Tatbestandswirkung von Hoheitsakten schließt dies grundsätzlich eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall Rechtens ist, aus [...].“193
Das Bundesverfassungsgericht bestätigt hier zwar den Grundsatz umfassender gerichtlicher Überprüfung, hält jedoch gleichzeitig seine Relativierung im Bereich normativ eröffneter Spielräume für möglich. Denn, so führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus: „[...] die Genehmigungsbehörde (hat) im Rahmen normativer Vorgaben und willkürfreier Ermittlungen auch Bewertungen, zum Beispiel am Maßstab des Standes von Wissenschaft und Technik [...], zu treffen. Die Gerichte haben solche Feststellungen und Bewertungen nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, nicht aber ihre eigenen Bewertungen an deren Stellen zu setzen [...].“194
Unmittelbar bezieht sich das Bundesverfassungsgericht in seinem SasbachBeschluß ausschließlich auf die Verfassungsmäßigkeit einer nach dem AtG erlassenen Rechtsverordnung.195 Dennoch: Die Verbindung gerichtlicher Kontrollrestriktionen mit gesetzlich eröffneten Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräumen weist in seiner Bedeutung weit über das Atomrecht hinaus. Es wundert daher nicht, daß sich die Verwaltungsgerichte in der Folgezeit (auch) auf den Sasbach-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts beriefen, um
___________ 192
BVerfG v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 (110 f.) – Sasbach. BVerfG v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 (111) – Sasbach. 194 BVerfG v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 (114 f.) – Sasbach. 195 Entscheidungserheblich war im wesentlichen § 3 Abs. 1 der Atomanlagen-Verordnung v. 20.5.1960 (BGBl. I S. 310) i. d. F. der Bekanntmachung v. 29.10.1970 (BGBl. I S. 1518). Vgl. dazu den Sachverhalt in BVerfG v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 (82-96). 193
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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eine Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften kraft gesetzlicher Ermächtigung zu begründen.196
5. Buschhaus-Beschluß des OVG Lüneburg Auf die ausdrückliche Ermächtigung des § 48 BImSchG verweist denn auch das OVG Lüneburg in seinem Buschhaus-Beschluß vom 28. Februar 1985197 über die Verbindlichkeit der TA Luft. Obwohl das Gericht die Bestimmungen der TA Luft nicht als Rechtsnormen anerkennen will, spricht es ihnen ausdrücklich „eine über den Bereich der Verwaltung hinausgehende, auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung“ zu. Ihre „besondere Qualität“ ergebe sich aus der „ihnen zugrundeliegenden Ermächtigung des § 48 BImSchG, der es nicht bedurft hätte [...], ginge es um ‚gewöhnliche‘ Verwaltungsvorschriften“. § 48 BImSchG schreibe nicht nur ein qualifiziertes Verfahren für ihr Zustandekommen vor. Er weise darüber hinaus „mit der Ermächtigung, insbesondere über einzuhaltende Immissions- und Emissionswerte und das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen, dem Vorschriftengeber dem Gegenstand nach die Befugnis [...] zu, [...] Bewertungen und Feststellungen auch zur Erforderlichkeit von Maßnahmen zum Schutz [...] und zur Vorsorge [...] gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen“. Dabei belasse das Gesetz der Exekutive „einen von den Gerichten zu respektierenden Beurteilungsbereich“. Denn die Grenze zwischen schädlichen und nicht schädlichen Umwelteinwirkungen ließe sich abstrakt nicht exakt bestimmen. Bei den Bestimmungen der TA Luft handele es sich deshalb letztlich um politische Willensentscheidungen, die „innerhalb einer Bandbreite unter Umständen denkbarer Entscheidungen trennscharf fest(legten), welche Umwelteinwirkungen dem einzelnen noch zuzumuten (seien)“.198 Solche Bewertungen der Exekutive hätten die Gerichte indes nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, nicht aber ihre eigenen Bewertungen an deren Stelle zu setzen.199 Zusammenfassend stellt das OVG Lüneburg sodann fest: „Die Beachtlichkeit der Bestimmungen der TA Luft auch für die Gerichte folgt demnach nicht nur aus ihrem naturwissenschaftlich fundierten fachlichen Aussagegehalt, sondern auch aus dem Verfahren ihres Zustandekommens, d. h. der Tatsache, daß sie
___________ 196
Unverständlich daher die Einschätzung P. Fischers, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 97 f., nach der der Sasbach-Entscheidung des BVerfG eindeutige Aussagen über exekutive Freiräume nicht zu entnehmen seien. 197 OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 ff. – Buschhaus. 198 OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323) – Buschhaus. 199 OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323) – Buschhaus, unter Berufung auf BVerfG v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 (115) – Sasbach.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
aufgrund des in § 48 BImSchG vorgeschriebenen zentralen Ermittlungsverfahrens unter Mitwirkung der beteiligten Kreise von der hierzu legitimierten obersten Stelle der Exekutive erlassen worden sind [...].“200
In der Rechtsprechung bis dahin einmalig legt das OVG Lüneburg somit einer Verwaltungsvorschrift aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung (in § 48 BImSchG) eine unmittelbare Außenwirkung bei. Die Rezeption dieser Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte prompt.
6. Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts In seinem als „Durchbruch“201 bezeichneten Wyhl-Urteil vom 19. Dezember 1985202 erkennt das Bundesverwaltungsgericht – für das Atomrecht – ausdrücklich eine gesetzesabgeleitete unmittelbare Außenwirkung der von ihm so bezeichneten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften an. Ausgangspunkt seiner Erwägungen ist das Verhältnis der Exekutive zur Legislative und insbesondere zur Judikative bei der Gefahrenabwehr und Risikovorsorge im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AtG. Die Struktur des in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AtG verwendeten Vorsorgebegriffs lasse es nicht zu, „ihn im herkömmlichen Sinne als unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum zu bezeichnen“.203 Denn die „Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung“ trage nach der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AtG die Exekutive. Daraus folgt für das Bundesverwaltungsgericht, daß es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein könne, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen.204 Die Exekutive verfüge nämlich „nicht nur gegenüber der Legislative, sondern auch im Verhältnis zu den Verwaltungsgerichten über rechtliche Handlungsformen, die sie für die Verwirklichung des Grundsatzes bestmöglicher Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sehr viel besser ausrüsten“. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG stehe dem nicht entgegen. Wo daher „ein der Exekutive zugewiesener Vorbehalt vor der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung Bestand hat, kann er nicht durch eine mit ihm unver-
___________ 200
OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323) – Buschhaus. Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996, S. 154. 202 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 ff. – Wyhl, mit Anmerkung H.-J. Koch, WUR 1991, 350 (351); und Chr. Schmidt, KJ 1986, 470 ff. 203 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (315) – Wyhl. 204 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (316) – Wyhl. 201
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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einbare Ausweitung der gerichtlichen Kontrollbefugnisse wieder in Frage gestellt werden“.205 Aus dem Gesagten folgert das Bundesverwaltungsgericht die Beachtlichkeit der einschlägigen Richtlinie zu § 45 Strahlenschutzverordnung für die Verwaltungsgerichte: „Die Allgemeine Berechnungsgrundlage ist nach abschließender Beratung im Länderausschuß für Atomkernenergie vom Bundesinnenminister als eine künftig bei Genehmigungsverfahren anzuwendende Richtlinie erlassen worden. Sie soll [...] sicherstellen, daß die Einhaltung der Dosisgrenzwerte nach § 45 Satz 1 StrlSchV auf der Basis hinreichend konservativer Rechenmodelle und Datenansätze geprüft wird, damit es beim späteren Betrieb der Anlage zu keiner [...] Überschreitung dieser Grenzwerte gegenüber einem einzelnen kommt. Damit hat die Richtlinie eine normkonkretisierende Funktion und ist im Gegensatz zu lediglich norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich.“206
Die „Allgemeine Berechnungsgrundlage für Strahlenexposition bei radioaktiver Ableitung mit der Abluft oder in Oberflächengewässer“ sei von den Verwaltungsgerichten daher nur daraufhin zu überprüfen, „ob sie auf willkürfreien Ermittlungen beruht und die Genehmigungsbehörden in Anwendung dieser Berechnungsgrundlage davon ausgehen dürfen, daß die auf eine solche Weise berechnete Strahlenexposition unbeschadet bestehender Unsicherheiten bei einzelnen Parametern zu hinreichend konservativen Abschätzungen führt“.207 Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts kreierte damit nicht nur einen neuen Typus von Verwaltungsvorschriften: die sogenannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften.208 Gegen die fast einhellige Auffassung maß er diesen Vorschriften zudem eine (gesetzesabgeleitete) unmittelbare Außenwirkung zu. Im Schrifttum wurde daher alsbald gemutmaßt, das Gericht wolle eine neue Rechtsquellenkategorie schaffen, die in der Normenhierarchie „zwischen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften“ anzusiedeln sei.209 Wie dem auch sei: das Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte eine Si___________ 205
BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (317) – Wyhl. BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (320) – Wyhl. 207 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (321) – Wyhl. 208 Kriterien zur Abgrenzung von normkonkretisierenden und norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften nannte das Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht. Erste Vorschläge dazu bei Gusy, DVBl. 1987, 497 (500 f.). Unerwähnt blieb im WyhlUrteil des Bundesverwaltungsgerichts zudem, daß die Allgemeine Berechnungsgrundlage mangels Zustimmung des Bundesrates nicht den Vorgaben des Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG genügte und deshalb keine Verbindlichkeit für die Länderbehörden entfalten konnte. Zutreffend Jarass, in: Lukes, Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 367 (391); Wieland, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 67 (73 bei Fn. 40). 209 Rengeling, DVBl. 1986, 265 (268). 206
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
gnalwirkung für die weitere Einordnung von Verwaltungsvorschriften zur Ausund Auffüllung unbestimmter Rechtsbegriffe.
7. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Münster zur TA Luft Zuerst griff das OVG Münster die Wyhl-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 9. Juli 1987210 über die Rechtsnatur der TA Luft auf. Die Bestimmungen der TA Luft seien als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungsgerichte verbindlich. Legitimiert werde diese „eingeschränkte Außenwirkung“ durch die in „§ 48 BImSchG i. V. mit § 51 BImSchG enthaltene Standardisierungsermächtigung“.211 Im Urteil vom 7. Juni 1990 bestätigte das OVG Münster212 diese Einordnung der TA Luft. Das Bundesverwaltungsgericht vermied zwar zunächst eine wörtliche Übernahme des Terminus „normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift“ in seinen Beschlüssen vom 15. Februar 1988213 und 24. Mai 1991214, in denen es die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision gegen die beiden Urteile des OVG Münster zurückwies. Sprachlich ähnlich bezeichnete es die TA Luft aber als „eine auf gesetzlicher Grundlage [...] erlassene Verwaltungsvorschrift zur Konkretisierung der Anforderungen des §§ 1, 3 und 5 BImSchG“.215 Darin bereits einen Abschied des obersten Verwaltungsgerichts vom Rechtsinstitut der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift sehen zu wollen,216 wird späteren verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen indes nicht gerecht. In seinen zwei Urteilen vom 20.12.1999217 und 21.6.2001218 qualifizierte das Bundesverwaltungsgericht die TA Luft ausdrücklich als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift und erkannte ihre Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren an. Aufgabe des technischen Regelsystems der TA Luft, das aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 48 BImSchG nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51 BImSchG) erlassen wurde, sei es, einen gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug sicherzustellen. Zu diesem Zweck konkreti___________ 210 211 212 213 214 215 216 217 218
OVG Münster v. 9.7.1987, DVBl. 1988, 152 ff. OVG Münster v. 9.7.1987, DVBl. 1988, 152 (153). OVG Münster v. 7.6.1990, NVwZ 1991, 1200 ff. BVerwG v. 15.2.1988, NVwZ 1988, 824 ff. BVerwG v. 24.5.1991, NVwZ 1991, 1187 ff. BVerwG v. 15.2.1988, NVwZ 1988, 824 (825). So Klöck, NuR 1998, 180 (181): „Rückkehr zur herkömmlichen Dogmatik“. BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 ff. BVerwG v. 21.6.2001, BVerwGE 114, 342 ff.
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
241
siere die TA Luft die unbestimmten Rechtsbegriffe des BImSchG durch generelle Standards, die entsprechend der Art ihres Zustandekommens ein hohes Maß an wissenschaftlich-technischem Sachverstand verkörperten und zugleich auf abstrakt-genereller Abwägung beruhende Wertungen des Vorschriftengebers zum Ausdruck brächten.219 Dieser auf besonderen Sachverstand gegründeten normkonkretisierenden Funktion werde es allein gerecht, die Grenzwerte der TA Luft als bindende Vorgabe auch für die Gerichte aufzufassen.220
8. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu steuerrechtlichen Verwaltungsvorschriften Skepsis über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit außenwirksamer Verwaltungsvorschriften kann sich allenfalls bei der Lektüre des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 1988221 einstellen. Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts beginnt mit der Feststellung, gemäß Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG seien die Gerichte bei der Kontrolle des Verwaltungshandelns an das Gesetz gebunden. Daraus folge, daß die Gerichte ihren Entscheidungen „nur materielles Recht – Verfassungsrecht, förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen, autonome Satzungen und auch Gewohnheitsrecht – zugrundelegen“ dürften. Allgemeine Verwaltungsvorschriften könnten aber nicht als Gesetze im Sinne des Art. 20 Abs. 3 und des Art. 97 Abs. 1 GG qualifiziert werden. Daher seien Verwaltungsvorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt grundsätzlich „Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle“. Anderes gelte nur für eine „Regelung der Behördenzuständigkeit oder des Verwaltungsverfahrens“, für die das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit eine gewisse Bindung der Gerichte angenommen habe, sowie für den „Sonderfall der atomrechtlichen Genehmigung“.222 Die erwähnte Skepsis verfliegt indes bei genauerer Betrachtung des Beschlusses: Zwar darf als juristisches Gemeingut gelten, daß Verwaltungsvorschriften nicht zu den „Gesetzen“ im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG zählen.223 Daraus aber ein Argument für eine Unverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften im Gerichtsprozeß zu konstruieren, vermag nicht zu überzeugen. Denn ___________ 219 BVerwG v. 21.6.2001, BVerwGE 114, 342 (344); v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (218 f.). 220 BVerwG v. 21.6.2001, BVerwGE 114, 342 (345); v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (218 f.). 221 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 ff. mit Anmerkung Kanzler, FR 1988, 677 f. 222 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227). 223 A. A. – soweit ersichtlich – lediglich Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 185.
242
4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
nach zutreffender Auslegung erfaßt Art. 20 Abs. 3 GG ohnehin nur Parlamentsgesetze, nicht dagegen Rechtsverordnungen oder Satzungen, an die die Gerichte dennoch gebunden sind.224 Wie der Beschluß des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts daher auch zu interpretieren ist: In jedem Fall bedeutet er die ausdrückliche Bestätigung des Wyhl-Urteils des Bundesverwaltungsgerichts und damit die grundsätzliche Anerkennung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften.225
9. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift Das Bundesverwaltungsgericht sah sich daher in der Folgezeit nicht gehindert, seine Lehre von den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften aufrechtzuerhalten226 und sogar auf weitere Teilrechtsgebiete auszuweiten227. So stellte der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 28. Oktober 1998228 nicht nur eine Außenwirkung der Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift229 fest, die die allgemein anerkannten Regeln der Technik und den Stand der Technik im Sinne des § 7 a Abs. 1 Satz 3 WHG230 konkretisierte. Er lieferte überdies erstmals231 eine genauere dogmatische Begründung der Lehre von den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften: ___________ 224
Siehe oben 2. Teil § 3 B. II. 3. Der 2. Senat des BVerfG hat demgegenüber in seinem Beschluß v. 21.6.1989 (BVerfGE 80, 257 [265]) ausdrücklich offen gelassen, ob Verwaltungsvorschriften unbestimmte Rechtsbegriffe oder „offene“ Normen auch für die Gerichte verbindlich ausfüllen können. 226 Die Verbindlichkeit der TA Luft für die Gerichte aufgrund ihrer Rechtsnatur als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bestätigte das BVerwG jüngst in seinen Entscheidungen v. 21.6.2001, BVerwGE 114, 342 ff.; v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 ff. mit Anmerkung Murswiek, JuS 2000, 927 ff.; v. 21.3.1996, GewArch 1996, 497 f. = NuR 1996, 522 f.; v. 10.1.1995, NVwZ 1995, 994 ff. 227 Zu den Verwaltungsvorschriften im Wasserrecht etwa BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 ff. Dazu sogleich im Text. – Im Schrifttum wird mittlerweile sogar erwogen, die Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften zu qualifizieren. Siehe Oberländer, ZUM 2001, 487 ff. 228 BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 ff. 229 Die Allgemeine Rahmen-Verwaltungsvorschrift über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer v. 8.9.1989 (GMBl. S. 518) galt ab dem 1.1.1990 und wurde im Jahre 1997 aufgrund von § 7 a Abs. 1 WHG i. d. F. der Bekanntmachung v. 12.11.1996 (BGBl. I S. 1695 [1697]) durch Rechtsverordnungen ersetzt. 230 § 7 a Abs. 1 WHG i. d. F. der Bekanntmachung v. 23.9.1986 (BGBl. I S. 1529), nunmehr i. d. F. der Bekanntmachung v. 12.11.1996 (BGBl. I S. 1695). 231 In seinem Beschluß v. 10.1.1995 (NVwZ 1995, 994) hatte es das BVerwG noch ausdrücklich offen gelassen, „ob die in § 48 Nr. 2 i. V. mit § 51 BImSchG eingeräumte 225
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
243
„Einigen Verwaltungsvorschriften kommt [...] eine normkonkretisierende Wirkung zu mit der Folge, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen auch für Gerichte verbindlich und dann wie Normen auszulegen sind. Eine derartige Normkonkretisierung wird [...] insbesondere bejaht für die nach § 48 BImSchG [...] erlassenen VwVen der TA-Luft und der TA-Lärm [...] sowie für bestimmte atomrechtliche Verwaltungsvorschriften [...]. Diese Verwaltungsvorschriften dienen nämlich der Ausfüllung eines der Verwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums. Mit ihnen wird die Ausübung dieses Beurteilungsspielraums von der Einzelentscheidung im jeweiligen Verwaltungsakt in eine abstrakt generalisierende Regelung vorverlagert, um so die Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns sicherzustellen [...].“232
Daß aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassene (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften eine eingeschränkte, gesetzesabgeleitete Außenwirkung entfalten, darf somit als ständige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bezeichnet werden.
II. Literaturbericht Die verwaltungsgerichtliche Praxis einer Außenverbindlichkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften kraft Gesetzes ist im Schrifttum sowohl auf uneingeschränkte Zustimmung als auch differenzierte Kritik gestoßen. Auch sofern die Kritiker der Rechtsprechung eine normativ begründete Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften im Ergebnis bejahen, so herrscht doch Einigkeit nur im Ausgangspunkt: der Herleitung einer gerichtlichen Verbindlichkeit aus dem materiellen Recht. Die präzise Herleitung einer Verringerung der gerichtlichen Kontrolldichte bei Verwaltungsvorschriften dagegen ist im einzelnen noch umstritten.
1. Unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsermächtigung Insbesondere seit dem Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts233 wird zunehmend eine auch vom Richter zu beachtende Selbstbindung der Exekutive nach Maßgabe bestehender Verwaltungsvorschriften anerkannt, wenn und soweit das Gesetz der Verwaltung bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbe___________ Ermächtigung zur Festlegung von Emissionswerten zugleich als administrative Beurteilungsermächtigung des Inhalts zu verstehen ist, das Maß der im Wege von Emissionsbegrenzungen zu treffenden Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen [...] durch generelle Standards verbindlich zu konkretisieren“. Dennoch behauptete das BVerwG, eine Beachtlichkeit der Emissionswerte der TA Luft im gerichtlichen Verfahren aufgrund ihrer normkonkretisierenden Funktion verstehe sich „von selbst“. 232 BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (440 f.). 233 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 ff. – Wyhl. – Siehe oben 4. Teil § 7 F. I. 6.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
griffe einen Beurteilungsspielraum einräumt.234 Grundlage dieser Überlegungen ist die Befugnis des Gesetzgebers, der Verwaltung Ermessens- und Beurteilungsspielräume zu eröffnen und diese gegenüber einer umfassenden Gerichtskontrolle abzuschirmen.235 Die Anerkennung eines derartigen Beurteilungsspielraums führe dabei unmittelbar zu einer gerichtlichen Kontrollrestriktion. Sofern Verwaltungsvorschriften mit näheren Anweisungen zur Handhabung des unbestimmten Rechtsbegriffs fehlten, stehe der Beurteilungsspielraum (allein) der Behörde zu, die im Rahmen einer bürgeradressierten Einzelfallentscheidung eine Begriffskonkretisierung vorzunehmen habe. Würden die Einzelfallentscheidungen dagegen durch Verwaltungsvorschriften vorstrukturiert, wirke sich der Beurteilungsspielraum zugunsten der übergeordneten vorschriftenerlassenden Behörde aus. (Normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften erlangten ihre Außenwirkung somit als „normativ ausgeübte Beurteilungsermächtigung“236. Ob eine Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften aus gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielräumen hergeleitet werden kann, vermag indes erst ein Blick auf die Grundlagen der von O. Bachof begründeten Lehre vom Beurteilungsspielraum zu zeigen.
a) Grundzüge der Lehre vom Beurteilungsspielraum O. Bachofs Lehre vom Beurteilungsspielraum237 geht von ähnlichen Voraussetzungen aus wie C. H. Ules Vertretbarkeitslehre. Auch O. Bachof unterscheidet innerhalb der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs zwischen der ___________ 234 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 358 f.; Faßbender, Die Umsetzung von Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft, 2001, S. 218-224; Battis, in: H.-J. Koch, Auf dem Weg zum Umweltgesetzbuch, 1992, S. 170 (176 f., 179); Papier, in: Festschrift für R. Lukes, 1989, S. 159 (160); Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1340); Hendler, UTR 40 (1997), 55 (68 f.); Jachmann, Die Verwaltung 28 (1995), 17 (20-22); dies., StuW 1994, 347 (352 f.); dies., ZBR 1997, 342 (346); Kutscheidt, NVwZ 1983, 581 (584); Oberländer, ZUM 2001, 487 (490 f.); Ossenbühl, DVBl. 1999, 1 (5); Paefgen, BayVBl. 1986, 551 (554); Sendler, UPR 1993, 321 (324); ders., UPR 1981, 1 (13); Wilke, Jura 1992, 186 (192); ähnlich A. Leisner, in: Festschrift für W. Fürst, 2002, S. 185 (191-193, 197-199); dies., JZ 2002, 219 (227-229), die neben normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften auch Ermessens- und Subventionsrichtlinien eine gesetzesabgeleitete Außenwirkung zuerkennen will. 235 Im Schrifttum wird in diesem Zusammenhang von der „normativen Ermächtigungslehre“ gesprochen. Vgl. hierzu die Nachweise oben in Fn. 167. 236 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 358 f.; ders., DVBl. 1992, 1338 (1340). 237 Bachof, JZ 1955, 97 (99 f.); ferner ders., VVDStRL 34 (1976), S. 276-280 (Diskussionsbeitrag); ders., JZ 1972, 208-210; ähnlich bereits vorher K. Meyer, DÖV 1954, 368 (369 f.).
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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Auslegung, der Sachverhaltsfeststellung und der Subsumtion.238 Während er die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs und die Feststellung des Sachverhalts für judiziell voll nachprüfbar hält, differenziert er hinsichtlich der Kontrolle der Subsumtion. Die Überprüfbarkeit des Subsumtionsvorgangs sei davon abhängig, ob ein Sachverhalt unter einen unbestimmten Rechtsbegriff anhand von subjektiven Wertvorstellungen oder objektiven Erfahrungssätzen subsumiert werden könne.239 Soweit ein Tatbestand durch werthaltige unbestimmte Rechtsbegriffe gekennzeichnet sei, könne man „kaum von einer richtigen oder falschen Beurteilung, sondern nur von verschiedenen möglichen ‚Ansichten‘ sprechen“. Durch die Verwendung derart „subjektiv-wertbezogener Begriffe“240 eröffne der Gesetzgeber der Verwaltung somit stets einen Spielraum für eigenständige Beurteilungen. Die behördliche Subsumtion könne folglich nur dahingehend überprüft werden, ob die Behörde den Sachverhalt bei „verständiger Würdigung als diesem Begriff unterfallend“ ansehen durfte.241 Bei objektiv-erfahrungsbezogenen Begriffen will O. Bachof demgegenüber durch Auslegung der jeweiligen Vorschrift ermitteln, ob der Gesetzgeber der Exekutive im Einzelfall „einen unüberprüfbaren Spielraum eigener Beurteilung“242 zugestehen wollte oder nicht. Stütze möglicher Differenzierungen seien vornehmlich die Möglichkeit einer eindeutigen Beurteilung des einem unbestimmten Rechtsbegriff unterfallenden Sachverhalts einerseits und die Verantwortung der entscheidenden Behörde andererseits.243 Die Begründung gerichtlicher Kontrollrestriktionen mit Hilfe der Bachofschen Lehre vom Beurteilungsspielraum begegnet jedoch methodischen und inhaltlichen Bedenken.
b) Methodische und inhaltliche Einwände im allgemeinen Schon die Befassung mit C. H. Ules Vertretbarkeitslehre hat die Unmöglichkeit gezeigt, in der Rechtspraxis trennscharf zwischen voll nachprüfbarer Begriffsauslegung und Sachverhaltsermittlung einerseits und der mit einem Beur___________ 238 Kritisch gegenüber der Annahme eines dreigliedrigen Rechtsanwendungsprozesses Czermak, JuS 1968, 399 (400); H.-R. Horn, DVBl. 1977, 13 (15); Korbmacher, DÖV 1965, 696 (699 f.); Maetzel, DÖV 1966, 520 (526); Obermayer, BayVBl. 1975, 257 (258). 239 Bachof, JZ 1955, 97 (99). 240 Bachof, JZ 1955, 97 (99). 241 Bachof, JZ 1955, 97 (100). 242 Bachof, JZ 1955, 97 (100). 243 Bachof, JZ 1955, 97 (100).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
teilungsspielraum versehenen Subsumtion andererseits zu unterscheiden. Denn gerade die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe im Umweltrecht – wie etwa „schädliche Umwelteinwirkungen“ im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG – erfolgt stets im Hinblick auf den vorgefundenen Lebenssachverhalt und dieser wird wiederum mit Blick auf die getroffene Auslegung ermittelt.244 Überzeugen kann ebenfalls nicht der Schluß O. Bachofs von der Wertungsausfüllungsbedürftigkeit eines unbestimmten Rechtsbegriffs auf das Vorliegen einer Beurteilungsermächtigung. Rechtsbegriffe sind immer durch Wertungen zu erschließen. Denn die Handlungsdimension und die Situationsoffenheit der Sprache bedingen stets, daß intuitive Vorentscheidungen in die Bedeutungsbestimmung von Begriffen eingehen, wie bereits oben dargelegt wurde.245 Daher ist nicht nur höchst zweifelhaft, ob überhaupt Rechtsbegriffe ohne wertende Elemente existieren. Eine graduelle Abstufung unbestimmter Rechtsbegriffe nach ihrem Wertungsgehalt mit anschließender Annahme oder Ablehnung von Beurteilungsermächtigungen vorzunehmen, erscheint überdies willkürlich. Sofern objektiv-erfahrungsbezogene Rechtsbegriffe den Tatbestand einer Vorschrift kennzeichnen, will O. Bachof Beurteilungsermächtigungen letztlich im Ergebnis mit dem Prognosecharakter der behördlichen Entscheidung begründen.246 Daß jedoch aus der Natur prognostischer Entscheidungen keine behördlichen Beurteilungsfreiräume abgeleitet werden können, wird unten noch in einem eigenen Absatz zu zeigen sein. Ist die Annahme einer gerichtlichen Kontrollrestriktion aufgrund der Lehre vom Beurteilungsspielraum aber wenig sachgerecht, fällt zugleich die Konstruktion außenwirksamer Verwaltungsvorschriften als „ausgeübte Beurteilungsermächtigung“ in sich zusammen. Über diese allgemeinen Bedenken hinaus kann die Lehre vom Beurteilungsspielraum zudem nicht widerspruchsfrei auf den Erlaß von Verwaltungsvorschriften übertragen werden.
___________ 244
Vgl. die Nachweise oben in Fn. 165 und 166. Siehe hierzu oben 4. Teil § 7 E. I. 3. 246 Vgl. Bachof, JZ 1955, 97 (100). Nach O. Bachof ist auch bei Erfahrungsbegriffen „das“ richtige Auslegungsergebnis nur theoretisch möglich, weil „sich die Richtigkeit der Entscheidung oft nicht einwandfrei ermitteln (lasse), es sei denn durch eine Probe aufs Exempel. Es lassen sich zwar gewisse Prognosen stellen, mehr aber vor der praktischen Bewährung der Entscheidung nicht.“ 245
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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c) Einwände gegen die Anwendbarkeit auf die Verwaltungsvorschriften im besonderen So haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Fallgruppen von Beurteilungsermächtigungen herausgebildet, die namentlich die Rechtsprechung der Verwaltung zugebilligt hat. Bekannte Beispiele sind etwa Prüfungs- und prüfungsähnliche Entscheidungen,247 beamtenrechtliche Beurteilungen,248 Planungsentscheidungen mit politischen Bezügen249 und Entscheidungen weisungsfreier und mit Sachverständigen oder Interessenvertretern besetzter Gremien250. In allen anerkannten Fällen behördlicher Beurteilungsermächtigungen handelt es sich um Freiräume, die – erstens – der „vor Ort“ entscheidenden Behörde – und zweitens – für den Einzelfall zugestanden werden. Verwaltungsvorschriften dagegen sind abstrakte Regelungen für eine Vielzahl von Einzelfällen; sie werden überdies nicht von untergeordneten, dem Bürger gegenübertretenden Amtswaltern erlassen, sondern von übergeordneten Behörden. Die Befürworter der Herleitung einer Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften aus gesetzlichen Beurteilungsermächtigungen sehen sich daher gezwungen, Verwaltungsvorschriften als „ausgeübte“ Beurteilungsermächtigung zu qualifizieren. Außenwirksame (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften bündelten vorweggenommene Genehmigungsbestandteile; sie stellten eine gestufte Konkretisierung und verbindliche Teilvorwegnahme des dem Bürger gegenüber zu treffenden Einzelakts dar. Der der Verwaltung gewährte Beurteilungsspielraum erstrecke sich deshalb auch auf den „vor die Klammer gezogenen“ Teil der Einzelfallentscheidung – die Verwaltungsvorschriften.251 Damit tut sich jedoch ein Widerspruch auf: Denn warum soll eine gerichtliche Kontrollrestriktion bei abstrakten Verwaltungsvorschriften aus dem Willen des ___________ 247 Etwa BVerwG v. 14.3.1979, DÖV 1979, 752 (753); v. 7.5.1971, BVerwGE 38, 105 (110); v. 23.2.1962, BVerwGE 14, 31 (35); v. 14.7.1961, BVerwGE 12, 359 (363); v. 19.10.1960, BVerwGE 11, 165 (167); v. 29.6.1957, BVerwGE 5, 153 (162 f.). 248 Etwa BVerwG v. 27.11.1980, BVerwGE 61, 176 (185); v. 26.6.1980, BVerwGE 60, 245 (246); v. 27.2.1959, BVerwGE 8, 192 (195). 249 Etwa BVerwG v. 10.2.1978, DÖV 1978, 410 (411); v. 14.2.1975, DVBl. 1975, 713 (715). 250 Etwa BVerwG v. 13.12.1979, BVerwGE 59, 213 (217); v. 16.12.1971, BVerwGE 39, 197 (203); v. 23.2.1962, BVerwGE 14, 31 (34); v. 14.7.1961, BVerwGE 12, 359 (363): Prüfungskommission; v. 23.1.1961, BVerwGE 12, 20 (27): Prüfungskommission. 251 Vgl. explizit Sendler, UPR 1993, 321 (324) unter Berufung auf Hill, NVwZ 1989, 401 (406): „(Die normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift) zieht die der Behörde obliegende Wertung sozusagen vor die Klammer, nimmt sie vorweg und macht sie für die ihrer Regelung unterfallenden Einzelfälle verbindlich. Darf aber die behördliche Wertung für den Einzelfall nicht durch die Bewertung des Gerichts verdrängt werden, so kann dies bei einer generellen, die Behandlung der Einzelfälle steuernden behördlichen Wertung schwerlich anders sein [...].“
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Gesetzgebers abgeleitet werden können, wenn dieser der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum lediglich zur Ausfüllung im konkreten Einzelfall zuweisen wollte? Daß sich der Gesetzgeber in der Vergangenheit eher in permanenter Abstinenz bei der Einräumung kontrollfreier Gestaltungsmacht der Verwaltung übte, sei hier lediglich am Rande erwähnt. Ausdrücklich hat der Gesetzgeber der Verwaltung jedenfalls nur in den Ausnahmenfällen des § 71 Abs. 5 Satz 2 GWB252 und § 146 Nr. 2 FlurbereinigungsG einen gerichtsfesten Beurteilungsbereich zugebilligt. Seine Zurückhaltung zeigt immerhin die (auch praktische) Schwierigkeit, exekutive Beurteilungsspielräume auf einen gesetzgeberischen Willen zu stützen. Die Deduktion der Außenverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften aus normativ eröffneten Beurteilungsspielräumen der Verwaltung setzt sich zudem in Gegensatz zu einer Prämisse der Lehre vom Beurteilungsspielraum. Nach O. Bachof253 und der ihm folgenden Rechtsprechung254 und Lehre255 sind Beurteilungsspielräume der Exekutive auf die Subsumtion beschränkt. Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe sei eine Rechtsfrage, deren uneingeschränkte Beantwortung den Gerichten obliege.256 (Normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften aber dienen vornehmlich der Präzisierung, mithin Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß der Versuch, eine Außenverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften mit Hilfe der Lehre vom Beurteilungsspielraum begründen zu wollen, in sich widersprüchlich ist.
___________ 252 Dazu Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 96 mit Fn. 313; K.-H. Weber, Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, 1984, S. 204; Badura, in: Festschrift für O. Bachof, 1984, S. 169 (183); Kloepfer, VerwArch 76 (1985), 371 (395); Nierhaus, DVBl. 1977, 19 (24). – Vgl. ferner den in Anlehnung an § 71 Abs. 5 Satz 2 GWB geschaffenen Gesetzgebungsvorschlag für eine Verringerung der gerichtlichen Kontrolldichte bei technologischen Bewertungen von Scholz, in: Festschrift 125 Jahre Juristische Gesellschaft zu Berlin, 1984, S. 691 (712). 253 Bachof, JZ 1955, 97 (99 f.). 254 Siehe die Rechtsprechungsnachweise oben in Fn. 247 ff. 255 Etwa Brohm, DVBl. 1986, 321 (330 f.); Papier, DÖV 1986, 621 (624). 256 Kritisch Sendler, in: Festschrift für C. H. Ule, 1987, S. 337 (339-342), nach dem weder Art. 19 Abs. 4 noch Art. 20 Abs. 3 GG einem gerichtskontrollfreien Beurteilungsspielraum der Verwaltung auf der Ebene der Gesetzesauslegung entgegenstünden.
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2. Ermessensspielraum gemäß § 40 VwVfG Auch K. Lange257 sieht in Ermessens- und Beurteilungsspielräumen den Schlüssel für eine Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften. Im Unterschied zu vorherigen Ansicht will er den Verwaltungsvorschriften allerdings eine Aussenrechtsrelevanz über die unmittelbare oder sinngemäße Anwendung des § 40 VwVfG zukommen lassen. Wenn die Verwaltung Ermessenrichtlinien schaffe, bringe sie damit zum Ausdruck, welche Leitlinien sie für ihre Entscheidung für richtig halte. Weiche sie von diesen Leitlinien ab, ohne daß dies durch hinreichende Gründe gerechtfertigt sei, so setze sie sich zu ihren eigenen Leitvorstellungen in Widerspruch. Eine Ermessensausübung, der in sich widersprüchliche Erwägungen zugrunde lägen, sei aber niemals mit dem Zweck der Ermessensermächtigung vereinbar, sondern stets ermessensfehlerhaft im Sinne des § 40 VwVfG.258 Umgekehrt folge aus dem Verständnis von Verwaltungsvorschriften als Teil der Ermessensausübung, daß Verwaltungsvorschriften mit § 40 VwVfG unvereinbar seien, soweit sie den gesetzlich gebotenen Spielraum für Einzelfallentscheidungen verengten.259 Entsprechendes gelte für die Konkretisierung normativer Beurteilungsspielräume durch die Verwaltung.260 Dem ist jedoch der rein verwaltungsverfahrensrechtliche Charakter des § 40 VwVfG entgegenzuhalten, welcher nicht in eine verwaltungsprozeßrechtliche Generalklausel der Kontrollrestriktion bei Ermessensrichtlinien umgedeutet werden kann. Insofern könnte allenfalls auf § 114 Satz 1 VwGO rekurriert werden.261 Wie § 40 VwVfG begründet § 114 Satz 1 VwGO aber nicht das exekutive Ermessen, sondern setzt die Ermessensermächtigung im jeweiligen materiellen Recht des Bundes oder Landes voraus. Gleiches gilt für etwaige Beurteilungsermächtigungen in unbestimmten Rechtsbegriffen. Das materielle Verwaltungsrecht wiederum ist für die Verwaltung Verhaltensnorm, für die Gerichte Beurteilungsnorm. Es nimmt eine Doppelfunktion als Handlungs- und Kontrollmaßstab ein.262 Soll diese Doppelfunktionalität des materiellen Verwaltungsrechts aufgehoben und die gerichtlichen Kontrollmaßstäbe hinter die Linien der exekutiven Verhaltensnormen zurückgenommen werden, bedarf es zuvörderst einer Analyse der Stellung von Exekutive und Judikative in der gewal___________ 257
K. Lange, NJW 1992, 1193 ff.; ders., in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 307 (316 f.); ihm zustimmend Sendler, UPR 1993, 321 (324). 258 K. Lange, NJW 1992, 1193 (1195); ders., in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 307 (317). 259 K. Lange, NJW 1992, 1193 (1195). 260 K. Lange, NJW 1992, 1193 (1196). 261 So Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (84). 262 Siehe dazu auch Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für F. Menger, 1985, S. 107 (115).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
tenteiligen Demokratie des Grundgesetzes. Eine solche Untersuchung bleibt K. Lange indes schuldig. Im übrigen ist auf das bereits Ausgeführte hinzuweisen: Die Einräumung nur eingeschränkt nachprüfbarer Ermessensspielräume im Einzelfall zieht nicht zugleich zwingend die gerichtliche Verbindlichkeit von auf eine Vielzahl von Fällen bezogenen Regelungen wie der Verwaltungsvorschriften nach sich. Aus § 40 VwVfG ist daher keine Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften herzuleiten.
3. Aufklärungsermessen gemäß § 26 Abs. 1 VwVfG Eine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung speziell umweltrechtlicher Verwaltungsvorschriften wird ferner unter Hinweis auf ein Aufklärungsermessen der Verwaltung zu begründen versucht. Gemäß § 26 Abs. 1 VwVfG stehe der Behörde bei der Ermittlung des für Umweltstandards relevanten Sachverhalts ein Ermessen zu. Soweit Verwaltungsvorschriften diesen Ermessensspielraum ausfüllten, seien sie gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbar.263 Tatbestandlich gestaltet § 26 Abs. 1 VwVfG indes lediglich die behördliche Untersuchungspflicht des § 24 VwVfG aus. Als rein verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung führt die Vorschrift daher zu keiner Bindung der Verwaltungsgerichte. Den Gerichten bleibt es vielmehr unbenommen, auch andere als die von der Verwaltung herangezogenen Beweismittel zu nutzen.264 Über ein Aufklärungsermessen nach § 26 Abs. 1 VwVfG können Verwaltungsvorschriften folglich keine Außenwirkung erlangen.
4. Schätzungsbefugnis gemäß § 162 AO 1977 Im Bereich des Steuerrechts hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung265 zahlreiche Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung als ___________ 263 Vallendar, GewArch 1981, 281 (285); ähnlich Feldhaus, UPR 1982, 137 (146 f.). 264 Vgl. Hill, NVwZ 1985, 449 (453). 265 Vgl. statt vieler BFH v. 11.5.1990, FR 1990, 611 (612); v. 25.10.1985, BStBl. 1986 II, 200 (204); v. 30.7.1982, BStBl. 1982 II, 779 (781); v. 23.4.1982, BStBl. 1982 II, 500 (501); v. 14.8.1981, BStBl. 1982 II, 24 (26); v. 20.3.1980, BStBl. 1980 II, 455 (456); v. 27.10.1978, BStBl. 1979 II, 54 f.; v. 7.11.1975, BStBl. 1976 II, 207 (209); v. 24.5.1962, BStBl. 1962 III, 396 (397); v. 11.8.1961, BStBl. 1961 III, 509 (510); aus dem Schrifttum etwa Birkenfeld, in: Stolterfoht, Grundfragen des Lohnsteuerrechts, 1986, S. 245 (331 f.); Seeger, BB 1984, 51 (52 f., 55); Kurz, DStZ 1982, 26 (29 f.). – Kritisch dazu Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwen-
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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Schätzungen im Sinne des § 162 AO 1977 angesehen und mit Rücksicht auf den Vereinfachungszweck und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung für gerichtsverbindlich erachtet.266 So wurden etwa Pauschbeträge von Mehraufwendungen in den LStR als zutreffende Schätzungen eines schwer zu ermittelnden Mehraufwandes eingeordnet, die einerseits der Beweiserleichterung des Steuerpflichtigen und andererseits der Verwaltungsvereinfachung bei der Bewältigung von Massenverfahren dienten.267 Auch die Schätzungsermächtigung in § 162 AO 1977268 liefert indes keine Rechtfertigung einer Außenwirkung steuerrechtlicher Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind die Finanzbehörden befugt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen können. Zweck der Vorschrift ist die Vermeidung einer non liquet-Situation: Bei Unerweislichkeit bestimmter Tatsachen soll das gesetzliche Institut der Schätzung im Einzelfall einen optimalen Annäherungswert an die konkrete Fallrealität sicherstellen. Die Schätzung erweist sich damit als pauschalierter Ermittlungsersatz.269 Demgegenüber sind (abstrakte) Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung Ermittlungshilfen zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Sie werden nicht aufgrund eines konkreten Erforschungsnot___________ dung der Steuergesetze, 1992, S. 461 f., 500-504; dies., JuS 1990, 100 (102); ferner Jachmann, StuW 1994, 347 (351); Jaehnike, StuW 1979, 293 (301 f.). 266 Aus „Gründen der Praktikabilität und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ will H. List (Steuerkongreß-Report 13 [1975], 139 [164 f.]) pauschalierenden und typisierenden Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung sogar „unmittelbare Allgemeinverbindlichkeit“ zugestehen. Die Gesichtspunkte der Praktikabilität und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung griffen insbesondere dort ein, wo die Verwaltung nach der Vorstellung des Gesetzgebers selbst das Gesetz ergänzen solle oder wo eine Ergänzung des Gesetzes zu dessen Vollzug notwendig sei. Im Ergebnis knüpft H. List die Allgemeinverbindlichkeit bestimmter Verwaltungsvorschriften somit an das Vorliegen eines Typisierungs-, Pauschalierungs- oder Beurteilungsspielraums. Daß gesetzliche Beurteilungsspielräume zur Herleitung einer Außenverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften nicht geeignet sind, wurde bereits oben im Text dargetan. Ebenso kritisch, aber mit anderer Begründung Jaehnike, StuW 1979, 293 (300). 267 Siehe BFH v. 11.12.1987, BStBl. 1988 II, 445 (446); v. 29.1.1971, BStBl. 1971 II, 459 (460). 268 Neben § 162 AO 1977 beruft sich der BFH (v. 11.12.1987, BStBl. 1988 II, 445 [446]) auch auf Art. 108 Abs. 7 GG, um die Verbindlichkeit bestimmter Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung im Gerichtsverfahren zu begründen. Art. 108 Abs. 7 GG regelt jedoch lediglich die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern hinsichtlich des Erlasses allgemeiner Verwaltungsvorschriften, sagt aber nichts zu deren Bindungswirkung außerhalb der Behördenhierarchie aus. Vgl. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, S. 461 in Fn. 26. 269 Vgl. Jachmann, StuW 1994, 347 (351); Jaehnike, StuW 1979, 293 (301 f.); ähnlich Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 348.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
standes des Vorschriftengebers erlassen, sondern pauschalieren für gewisse Fallgruppen270 aus Gründen der Verwaltungsökonomie. Wenn der Bundesfinanzhof gleichwohl behauptet, daß Grundlage jeder Pauschalierung eine der Lebenserfahrung entsprechende Schätzung im Sinne des § 162 AO 1977 sein müsse,271 unterstellt er letztlich einen Erforschungsnotstand der gesamten Finanzverwaltung. Im finanzgerichtlichen Verfahren gehört die Einzelfallschätzung überdies gemäß § 96 Abs. 1 FGO in Verb. mit § 162 AO 1977 zu den eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben des Tatrichters.272 Als Herr der Sachverhaltsermittlung hat er die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls zu schätzen, soweit die tatbestandsmäßigen Sachverhalte nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können.273 An etwaige behördliche Schätzungen oder Feststellungen ist das Gericht dabei nicht gebunden; die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung beurteilt es allein aufgrund eigener Sachverhaltsermittlung.274 Diese eigenständige tatrichterliche Schätzungsbefugnis ist ihrerseits nur beschränkt revisionsgerichtlich überprüfbar.275 Die Anwendung steuerlicher Verwaltungsvorschriften im Gerichtsprozeß wegen § 162 AO 1977 für rechtlich geboten zu halten widerspricht daher dem Zweck sowohl des § 162 AO 1977 als auch des § 96 Abs. 1 FGO. ___________ 270
Der Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung dienen etwa Verwaltungsvorschriften, die Pauschsätze für den Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten bestimmen (z. B. R 40 Abs. 1 LStR 2000: Übernachtungskosten bei beruflich veranlaßten Reisen) oder Bagatellgrenzen aufstellen (z. B. R 73 Abs. 1 LStR 2000: Sachzuwendungen des Arbeitsgebers an den Arbeitnehmer bis zu einem Wert von 60 DM lohnsteuerfrei). 271 BFH v. 25.10.1985, BStBl. 1986 II, 200 (204); v. 14.8.1981, BStBl. 1982 II, 24 (26). 272 Aus der Rechtsprechung etwa BFH v. 19.2.1987, BStBl. 1987 II, 412 (413); v. 18.12.1984, BStBl. 1986 II, 226 (229); v. 26.4.1983, BStBl. 1983 II, 618 (619); v. 2.2.1982, BStBl. 1982 II, 409 (410); aus dem Schrifttum etwa Seer (1998), in: Tipke/ Kruse, AO (FGO), § 162 Rn. 9. 273 Kritisch gegenüber dieser Rechtslage im Hinblick auf die rechtskontrollierende Aufgabe der Finanzgerichte Bettermann, in: Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentages (1966), Bd. II, 1967, S. E26 (E28 f.). 274 A. A. für das verwaltungsgerichtliche Verfahren VGH Bad.-Württ. v. 6.2.1987, ZKF 1987, 204 (205), nach dem die Schätzung „als Tatsachenfeststellung zwar grundsätzlich voller verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung“ unterliege, der Behörde jedoch ein „Schätzungsspielraum“ zugebilligt werden müsse, welcher aus dem Wesen der Schätzung selbst folge. 275 Vgl. BFH v. 18.12.1984, BStBl. 1986 II, 226 (229): „Schätzungen müssen insgesamt in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein.“
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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5. Entscheidungsfreiraum kraft erhöhten exekutiven Sachverstands Zum Teil in Kombination mit anderen Ansätzen wird zur Begründung einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsvorschriften auf einen gegenüber der Rechtsprechung erhöhten exekutiven Sachverstand hingewiesen.276 Aufgrund ihrer besonderen Sachkunde und Ausstattung sei die Exekutive gerade für hochkomplexe naturwissenschaftliche Entscheidungen weitaus qualifizierter als die nicht in gleicher Weise gerüstete Judikative.277 Wo naturwissenschaftliche oder technische Erkenntnisse die Gesetzesvollziehung derart dominierten wie etwa im Umweltrecht, müsse deshalb ein Entscheidungsfreiraum „kraft Sachnähe“278 angenommen werden, der eine Außenwirkung der zu seiner Konkretisierung erlassenen Verwaltungsvorschriften nach sich ziehe.279 Daß die mangelnde Nachvollziehbarkeit exekutiver Entscheidungen durch naturwissenschaftlich nicht vorgebildete Richter mittels der Heranziehung aussergerichtlichen Sachverstandes kompensiert werden könnte,280 lassen die Vertreter dieser Ansicht nicht gelten. Der erhöhte Sachverstand der Behörden stütze sich „auf die organisatorische Möglichkeit rechtlicher Instrumentalisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse, die zentrale Informationsmöglichkeit auch im internationalen Bereich, die verfahrensmäßige Koordinationsmöglichkeit einer vielfach auch privat betriebenen Forschung, die Kontroll- und Fortschreibungsmöglichkeit wissenschaftlicher Entwicklung und die größere Flexibilität mit Blick auf veränderte wissenschaftliche Ausgangslagen“281. Die traditionelle Entscheidungshilfe des Sachverständigengutachtens im Prozeß könne diesen In-
___________ 276 Jarass, NJW 1987, 1225 (1229); ders., JuS 1999, 105 (109); ferner Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2236); Hill, NVwZ 1989, 401 (404): Bundesregierung als „informierte Gewalt“; Wahl, NVwZ 1991, 409 (410, 411 f.); ähnlich Erbguth, DVBl. 1989, 473 (482), der in einer besonderen Sachkunde der Verwaltung gegenüber der Legislative den Begründungsansatz für eine funktionale Bestimmung des Bereichs originärer exekutiver Rechtsetzungsbefugnisse sehen will. – Zur Begründung behördlicher Freiräume aufgrund besonderen exekutiven Sachverstands gegenüber den Gerichten ferner Feuchte, Die Verwaltung 10 (1977), 291 (insb. 300-307); Fiedler, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1982, 580 (582); Nicklisch, BB 1981, 505 (509 f.); Ossenbühl, DVBl. 1974, 309 (311); ders., DÖV 1980, 545 (552); Schmitt Glaeser, Der Landkreis 1976, 442 (447451); Ule, BB 1976, 446 (447); Wagner, NJW 1980, 665 (667); ders., DÖV 1980, 269 (272). 277 Vgl. Kloepfer, VerwArch 76 (1985), 371 (391): „Des Richters Kleid ist die Robe, nicht der Ingenieurskittel!“ 278 Fiedler, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1982, 580 (582). 279 Jarass, NJW 1987, 1225 (1229); ders., JuS 1999, 105 (109); Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2236); Hill, NVwZ 1989, 401 (404); Wahl, NVwZ 1991, 409 (410, 411 f.). 280 Vgl. Nierhaus, DVBl. 1977, 19 (25); Czajka, DÖV 1982, 99 (100). 281 Fiedler, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1982, 580 (582).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
formationsvorsprung der Verwaltung gegenüber den Gerichten nur bedingt ausgleichen.282 Die Schlüssigkeit dieser Behauptung sei dahingestellt:283 Entscheidend ist, daß die Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolldichte ausschließlich nach rechtlichen Maßstäben zu beantworten ist. Demgegenüber ist ein erhöhter exekutiver Sachverstand notwendigerweise auf einer tatsächlichen (Sachverhalts-)Ebene angesiedelt. Daß die behördliche Sachverhaltsermittlung aber einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist unstreitig.284 Erhöhter exekutiver Sachverstand führt folglich nicht zu Freiräumen der Verwaltung, die eine Außenwirkung gewisser Verwaltungsvorschriften nahelegen könnten.
6. Standardisierungsspielraum Die Unmöglichkeit, eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften aus einzelfallbezogenen Beurteilungsspielräumen abzuleiten, führte seit Mitte der 1980er Jahre zu einem weiteren normativen Begründungsansatz: der Lehre vom Standardisierungsspielraum, die mittlerweile wohl als herrschende Ansicht bezeichnet werden darf.285 ___________ 282
Fiedler, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1982, 580 (582). Gegen die Begründung eines Beurteilungsspielraums kraft besonderer exekutiver Sachkunde etwa Nierhaus, DVBl. 1977, 19 (25). 284 Stellvertretend für viele Bachof, JZ 1955, 97 (99): „Das brauchte wegen seiner Selbstverständlichkeit nicht besonders erwähnt zu werden [...].“ 285 Etwa P. M. Huber, Die TA Siedlungsabfall und ihre Bindungswirkung, 2000, S. 33; Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 49-51; Ko, Verwaltungsvorschriften als Außenrecht, 1991, S. 35 f.; Krieger, Normkonkretisierung im Recht der wassergefährdenden Stoffe, 1992, S. 172-174; Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 321 f.; Brandner, NJ 1999, 437; Degenhart, NJW 1989, 2435 (2439 f.); Dolde/Vetter, NVwZ 1998, 217 (218); Ennuschat, JuS 1998, 905 (909); Gerhardt, NJW 1989, 2233 (insb. 2234-2237); ders., DVBl. 1989, 125 (127 f.); Giesberts/Hilf, UPR 1999, 168 f.; P. M. Huber, ZMR 1992, 469 (insb. 471473); Jarass, JuS 1999, 105 (108 f.); ders., NJW 1987, 1225 (1229); Kautz, GewArch 2000, 230 (233 f.); F.-J. Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1019 f.); Ladeur, DÖV 2000, 217 (220-222); Osterloh, JuS 1990, 100 (102 f.); Schulze-Fielitz, DVBl. 1999, 65 (72); Sellner, NVwZ 1986, 616 (618-620); Sparwasser/v. Komorowski, VBlBW 2000, 348 (354); Wahl, NVwZ 1991, 409 (insb. 410-412); ders., VBlBW 1988, 387 (insb. 391 f.); Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (insb. 154-159); Wiegand, VR 1991, 110 (111 f., 113115). – Modifizierend für den Bereich des Umwelt- und Technikrechts Breuer, NVwZ 1988, 104 (110-113); ders., DVBl. 1986, 849 (858 f.): „Naturwissenschaftlichtechnischer Erkenntnisspielraum und administrativer Standardisierungsspielraum beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften“. – Kritisch gegenüber einer gesetzesabgeleiteten Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992, S. 45-51; ders., DVBl. 1992, 804 (808 f.); Hoppe/Otting, NuR 1998, 283
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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a) Grundzüge der Lehre vom Standardisierungsspielraum Ausgangspunkt dieser Auffassung ist die bereits erwähnte normative Ermächtigungslehre, nach der der Gesetzgeber die Verwaltung zur letztverbindlichen Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe ermächtigen kann.286 Sehe nun ein Gesetz den Erlaß von Verwaltungsvorschriften zur Ausgestaltung unbestimmter Rechtsbegriffe vor, wolle der Gesetzgeber die Verantwortung für die Operationalisierung dieser Begriffe der Exekutive zuweisen.287 Wenn und soweit sich aber den gesetzlichen Bestimmungen ein solcher Standardisierungsspielraum entnehmen lasse, der durch (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften ausgefüllt werden könne oder müsse, dürfe diese gesetzgeberische Entscheidung nicht nachträglich durch eine uneingeschränkte Gerichtskontrolle wieder in Frage gestellt werden.288 Dem gebotenen Respekt der Gerichte vor der gesetzlich eröffneten Standardisierungsermächtigung der Exekutive korrespondiere dann zwingend die Verbindlichkeit der (normkonkretisierenden) Verwaltungsvorschriften im Verwaltungsprozeß. Zugleich resultiere aus dem gesetzlichen Konkretisierungsauftrag an die Exekutive ein Rechtsanspruch des Bürgers auf Einhaltung der Verwaltungsvorschriften.289 ___________ 61 (63 f.); Schenke, DÖV 1986, 190 ff.; vgl. ferner Klöck, Behandlung und/oder energetische Verwertung, 1998, S. 175 ff. – Widersprüchlich Hill, NVwZ 1989, 401 ff., der einerseits (S. 406) eine Kompetenz der Bundesregierung zum Erlaß außenwirksamer Verwaltungsvorschriften auf Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG und die aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierende Pflicht zu programmgeleitetem Handeln stützen will, andererseits (S. 408) eine Bindung der Rechtsprechung an Verwaltungsvorschriften „kraft (weiterwirkender) Gesetzesbindung und gesetzlichen Auftrags“ behauptet. – Ebenfalls nicht ganz eindeutig Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996, der zunächst apodiktisch (S. 192 f.) ein verfassungsunmittelbares, „originäres“ Verordnungsrecht der Exekutive postuliert, wenig später (S. 201) indes eine Außenverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften von einem „spezialgesetzlichem Auftrag“ abhängig machen will. 286 Siehe oben 4. Teil § 7 F. 287 Die Frage, ob in concreto ein exekutiver Standardisierungsspielraum besteht, soll sich aus dem Wortlaut und dem durch Auslegung zu ermittelnden Sinn des Gesetzes ergeben. Wichtige Indizien für die Annahme einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis seien dabei die formale sprachliche oder konstruktive Gestalt einer Norm, ihre objektive Ausfüllungsbedürftigkeit, besondere Regelungen über Organisation und Verfahren des Erlasses der Verwaltungsvorschrift und die Eigenart des jeweiligen Sachbereichs. Dazu Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2237); Jarass, NJW 1987, 1225 (1229); Wahl, NVwZ 1991, 409 (411); Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (155 f.); Wiegand, VR 1991, 110 (114). 288 Vgl. Breuer, NVwZ 1988, 104 (112 f.); F.-J. Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1019); Wahl, VBlBW 1988, 387 (390 f.). Zur Anbindung der gerichtlichen Kontrollbefugnis an die Normstruktur siehe bereits das Referat Sellners (BauR 1980, 391 [402-406]) vor dem 6. Deutschen Verwaltungsrichtertag 1980. 289 So Osterloh, JuS 1990, 100 (103); ihr im Ergebnis ausdrücklich beipflichtend Vogel, in: Festschrift für W. Thieme, 1993, S. 605 (614 f.); ders., StuW 1991, 254
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Die Annahme dergestalt außenwirksamer normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften bedürfe allerdings als Mindestvoraussetzung eines durch Auslegung zu ermittelnden gesetzlichen Regelungsauftrags.290 Des weiteren müsse der Gesetzgeber dafür sorgen, daß die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte durch Vorgaben zum Verfahren des Erlasses der Verwaltungsvorschrift kompensiert und auf diese Weise für eine ausreichende Richtigkeitsgewähr gesorgt werde.291 Das setze zum einen voraus, daß durch Gesetz die Nutzung von Sachverstand in besonderem Maße vorgeschrieben werde.292 Zum anderen müsse der Erlaß der Verwaltungsvorschrift im Hinblick auf ihre politischen Inhalte einer demokratisch ausreichend legitimierten Instanz anvertraut sein wie etwa der Bundesregierung oder einzelnen Bundesministern.293 Insgesamt sei eine Außenwirkung (normkonkretisierender) Verwaltungsvorschriften kraft gesetzlicher Standardisierungsermächtigung mithin nur gerechtfertigt, wenn ___________ (262), der allerdings eine „unmittelbare“, nicht gesetzesabgeleitete Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften annimmt; siehe ferner die oben in Fn. 285 aufgeführten Nachweise. – Aus der Gesetzgebungspraxis etwa den Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (17. Ausschuß) v. 14.4.1994, BT-Drucks. 12/7284, S. 17 Ziff. 9 zu § 12: „(Durch § 12 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG) wird sichergestellt, daß gegebenenfalls notwendige Fortentwicklungen etwa der TA Abfall oder der TA Sonderabfall auf einer hinreichenden verfahrensrechtlichen Legitimation beruhen, durch die diese Vorschriften insbesondere im Verwaltungsgerichtsverfahren eine gewisse Verbindlichkeit als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften beanspruchen können.“ 290 Vgl. Giesberts/Hilf, UPR 1999, 168; Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (155 f.); ferner Breuer, NVwZ 1988, 104 (111 f.), zu administrativen Standardisierungsspielräumen in immissionsschutz-, wasser- und atomrechtlichen Vorschriften; ähnlich auch A. Leisner, in: Festschrift für W. Fürst, 2002, S. 185 (190 f., 196): Außenwirksamkeit der Verwaltungsvorschriften ausschließlich „auf Grund gesetzgeberischer Gestattung“; noch deutlicher dies., JZ 2002, 219 (228): „Immer ist auf den Gesetzgeber zu sehen, zu ermitteln, was er gewollt hat.“ – Jarass, JuS 1999, 105 (109) fordert sogar, daß der Gesetzgeber die Notwendigkeit von Verwaltungsvorschriften in einem bestimmten Bereich „ausdrücklich“ vorsehen müsse. 291 So schon Badura, in: Festschrift für O. Bachof, 1984, S. 169 (176 f.); grundlegend Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 207; ferner Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2237); Gusy, DVBl. 1987, 497 (504); Jarass, NJW 1987, 1225 (1229); Sellner, NVwZ 1986, 616 (619); Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (159). 292 Vgl. Badura, in: Festschrift für O. Bachof, 1984, S. 169 (176 f.); Giesberts/Hilf, UPR 1999, 168 f.; Wahl, NVwZ 1991, 409 (412); Wiegand, VR 1991, 110 (114). 293 Statt vieler Breuer, NVwZ 1988, 104 (109); Giesberts/Hilf, UPR 1999, 168 (172); Jarass, NJW 1987, 1225 (1229); F.-J. Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1020); Sellner, NVwZ 1986, 616 (619). – A. A. Kautz, GewArch 2000, 230 (236), nach dem die Zuweisung des exekutiven Letztentscheidungsrechts an eine „übergeordnete Behörde“ ausreicht. Im Ergebnis ähnlich P. M. Huber, ZMR 1992, 469 (474 f.), der sogar den nach § 2 MHG a. F. (= § 558 c BGB n. F.) von den Gemeinden aufgestellten Mietspiegel als normkonkretisierende und damit außenverbindliche Verwaltungsvorschrift einstuft.
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
257
– das Gesetz ausdrücklich einen Auftrag zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften erteile,
– deren Ausarbeitung ein hohes Maß an technisch-wissenschaftlichem Sachverstand oder politischen Wertungen voraussetze und
– die Verwaltungsvorschriften durch ein demokratisch besonders legitimiertes Organ in einem rechtlich geordneten Verfahren erlassen würden.294
b) Monopolares Staatsmodell der konstitutionellen Monarchie Stellt sich die Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften aber lediglich als Reflex der Bindung der Verwaltung und der Gerichte an das Gesetz dar, so wird eines deutlich: Die Lehre vom administrativen Standardisierungsspielraum beschränkt die Funktion der Verwaltung vornehmlich auf die Vollziehung von Gesetzen.295 Sie stellt wesentlich darauf ab, ob die Verwaltungsvorschriften dem Gesetz entsprechen, und knüpft deren Außenverbindlichkeit an eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung. Letztlich unterstellt die Lehre vom Standardisierungsspielraum damit – wenn schon kein Rechtsetzungsmonopol, so doch – eine Rechtsetzungsprärogative des Parlaments. Jedwede außenwirksame exekutive Rechtsetzung wird funktional als Gesetzgebung und folglich als Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes charakterisiert.296 Ihre Verfassungswidrigkeit kann aus dieser Perspektive nur vermieden werden, indem der Erlaß exekutiver Rechtsnormen von einer vorherigen gesetzlichen Ermächtigung abhängig gemacht wird und sich somit als delegierte, nicht aber originäre Gesetzgebung darstellt.297 ___________ 294
Zu den Voraussetzungen der Anerkennung eines durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften auszufüllenden Standardisierungsspielraums jüngst BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (218 f.); v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (341 f.); v. 10.1.1995, NVwZ 1995, 994 f.; aus dem Schrifttum ferner Breuer, NVwZ 1990, 211 (222); Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2237); Jarass, NJW 1987, 1225 (1229); Wahl, NVwZ 1991, 409 (412). 295 Dagegen bereits Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, 1888, S. 186: Nach ihm ist der Begriff „Vollziehung“ jeder „gewissenhaften Analyse zuwider missbraucht“ worden, „um die reiche und vielgestaltige Thätigkeit des Staates, die der Gesetzgebung gegenübersteht, mit logischer Subsumtion und mit starrer Gebundenheit zu identifiziren“. 296 Statt vieler Maunz (1960/1978), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 80 Rn. 1-3; Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 815; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 117; H. H. Klein, in: Festgabe für E. Forsthoff, 1967, S. 163 (171 f.); Schenke, DÖV 1977, 27 (29, 31-33); Selmer, VerwArch 59 (1968), 114 (133 f.). 297 Zur Rechtsverordnungsgebung als „delegierte Gesetzgebung“ etwa Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (270 f.).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Die dogmatischen Stützpfeiler dieser Konzeption ruhen auf dem monopolaren Staatsmodell der konstitutionellen Monarchie mit seiner Trennung von „Staat“ und „Gesellschaft“ als zwei selbständigen Sphären.298 Die Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts richtete ihr Hauptaugenmerk auf den Schutz der Gesellschaft vor Eingriffen der nicht demokratisch legitimierten, weil monarchisch geführten Verwaltung in Freiheit und Eigentum. Die Abgrenzung der Sphären zwischen dem Staat und den Bürgern (sowie den Bürgern untereinander) blieb dem Recht, mit anderen Worten: dem durch das Parlament verabschiedeten Gesetz vorbehalten.299 Diese Identität von Recht und Gesetz einerseits und die demokratische Legitimation allein des Parlaments als der „Vertretung des Volkes“ andererseits bedingten das bis heute verbreitete Postulat vom Rechtsetzungsmonopol des Gesetzgebers.300 Indes, die rechtssoziologischen wie verfassungsrechtlichen Voraussetzungen dieses Staatsmodells sind unter der Geltung des Grundgesetzes weggefallen.
c) Polypolares Staatsmodell des Grundgesetzes Das Dogma der Trennung von „Staat“ und „Gesellschaft“ und die Forderung nach einer weitgehenden Beschränkung der Staatstätigkeit auf die Gefahrenabwehr setzen einfach strukturierte soziale Gemeinschaften voraus – wie sie heute nicht mehr existieren:301 Denn moderne Industriegesellschaften wie die der Bundesrepublik Deutschland zeichnen sich durch hochgradige Spezialisierung und komplexe Arbeitsteilung sowie einen raschen Wandel aller Lebenssachverhalte aus. Hinzu kommt die rapide Vermehrung staatlicher Aufgabenfelder sowohl im Bereich der Gefahrenabwehr als auch in Form der Leistungsverwaltung. Daraus ergeben sich komplizierte und wechselseitig abhängige Entscheidungssituationen, die das Zusammenspiel einer Vielzahl von Entscheidungszentren erfordern. Der moderne Staat bedarf zur Erhaltung seiner Funktions- und Steuerungsfähigkeit daher nicht mehr allein eines bis in alle Einzelheiten regelnden Gesetzgebers. Er ist vielmehr auf die sich ergänzende Kooperation und ___________ 298
Hierzu Badura, Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967, insb. S. 22 ff.; ders., Verwaltungsrecht im liberalen und im sozialen Rechtsstaat, 1966, insb. S. 5 ff. 299 Siehe dazu oben 2. Teil § 3 A. 300 Vgl. etwa jüngst die Entscheidung des BVerfG v. 17.7.1996, BVerfGE 95, 1 (15 f.): „Im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu. Nur das Parlament besitzt hierfür die demokratische Legitimation [...].“ 301 Zum Folgenden Brohm, DÖV 1987, 265 (269); ders., DVBl. 1986, 321 (329); ders., NJW 1984, 8 (12); Roellecke, NJW 1978, 1776 (1781); ähnlich auch im Hinblick auf die Verfassungsgerichtsbarkeit Ebsen, Das Bundesverfassungsgericht als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, 1985, insb. S. 192 ff., 218 ff.
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
259
Koordination von Gesetzgeber, Verwaltung und Gerichtsbarkeit angewiesen.302 Dies verlangt folgerichtig eine funktional und sachlich eigenständige Exekutive – wie sie das Grundgesetz konstituiert.303 Im demokratischen Staat des Grundgesetzes kommt nicht nur dem Gesetzgeber eine unmittelbare demokratische Legitimation zu, sondern auch der Exekutive (und der Judikative) als Funktion und Institution.304 Dadurch, daß die Verwaltung über das Weisungsrecht der übergeordneten Instanzen mit dem Minister als Mitglied der Regierung und über deren parlamentarische Verantwortlichkeit an die Volksvertretung rückgebunden ist, verfügt sie zudem über eine mittelbare personelle demokratische Legitimation.305 Insoweit konsequent hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Kalkar-Entscheidung einen Gewaltenmonismus in Form eines Vorrangs des Parlaments gegenüber den anderen Gewalten abgelehnt.306 Die Exekutive bedarf daher nicht erst der Legitimation durch das Gesetz. Vielmehr verfügt die vollziehende Gewalt über eine eigenständige Funktion und Kompetenz, die sie von einer bloß gesetzesanwendenden Gewalt unterscheidet.307 Dieser Funktions- und Kompetenzbereich der Verwal___________ 302 Ähnlich etwa Papier, Die Stellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im demokratischen Rechtsstaat, 1979, S. 30 f., 33 f.; Brohm, NJW 1984, 8 (11 f.). Eindrücklich stellte Scheuner, DÖV 1969, 585 (593) bereits im Jahre 1969 fest: „Es reicht nicht mehr zu, allein mit den älteren Vorstellungen vom Gesetz als Schranke und von einer Vorstellung einfacher extensiver Ausdehnung strenger Gesetzesbindung an die Probleme heranzutreten.“ 303 Die Komplexität der heutigen Gesellschaft bedingt im Grundgesetz indes nicht nur eine Teilung der Gewalten auf horizontaler Ebene, sondern überdies auf vertikaler Ebene eine Dezentralisation der Bundesrepublik Deutschland in Bund, Länder, Gemeinden und andere Selbstverwaltungskörperschaften. Vgl. Brohm, DÖV 1987, 265 (269); ders., DVBl. 1986, 321 (329). 304 Funktionelle und institutionelle demokratische Legitimation kommt der vollziehenden Gewalt bereits dadurch zu, daß der Verfassungsgeber beide als je eigene Funktionen und Organe konstituiert hat, durch die das Volk die von ihm ausgehende Staatsgewalt ausübt (Art. 20 Abs. 2 GG). Hierzu E.-W. Böckenförde, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 22 Rn. 15 (S. 896). 305 Vgl. Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 104 (S. 24); E.-W. Böckenförde, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 22 Rn. 16 (S. 896 f.). 306 BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (124 f.) – Kalkar: „Das Grundgesetz spricht dem Parlament nicht einen allumfassenden Vorrang bei grundlegenden Entscheidungen zu. Es setzt durch die gewaltenteilende Kompetenzzuordnung seinen Befugnissen Grenzen. [...] Die konkrete Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht, die das Grundgesetz gewahrt wissen will, darf nicht durch einen aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden.“ 307 Art. 20 Abs. 2 GG konstituiert die gesetzgebende, richterliche und vollziehende Gewalt als eigenverantwortliche Staatsfunktionen. Eigenverantwortung setzt indes Eigenständigkeit voraus (vgl. etwa BVerfG v. 18.12.1984, BVerfGE 68, 1 [87]). Nur eine eigenständige, nicht ausschließlich mit nachgeordneten Vollzugsaufgaben betraute Exekutive kann daher der vom Grundgesetz intendierten Balance des staatlichen Gesamtge-
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
tung umfaßt auch – nur soviel sei hier mit Blick auf spätere Ausführungen vorweggenommen308 – den Erlaß außenwirksamer Rechtsnormen in Form von Verwaltungsvorschriften. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Indem die Lehre vom Standardisierungsspielraum eine Bindung der Gerichte an normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften kraft Gesetzesbindung fordert, bleibt sie einer monopolaren Demokratiekonzeption des 19. Jahrhunderts verhaftet. Sie negiert damit die funktionale und kompetenzielle Eigenständigkeit der Exekutive. Wie auch die übrigen normativen Ansätze ist die Lehre vom Standardisierungsspielraum damit ungeeignet, eine Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften zu begründen.
G. Verfassungsrechtliche Ansätze Eine eigenständige Befugnis der Exekutive zur Rechtsetzung nehmen verschiedene verfassungsrechtliche Ansätze an. Mit Hilfe funktions-, kompetenzoder staatsstrukturrechtlicher Überlegungen versuchen sie, eine unmittelbare Außenbindung der Verwaltungsvorschriften zu begründen.
I. Funktionsrechtliche Lösungen 1. Exekutiver Funktionsbereich außerhalb des Bereichs des Vorbehalts des Gesetzes Einen großen Schritt hin zur Annahme einer Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften kraft eigener Regelungsgewalt der Exekutive tat K. Vogel 1965 auf der Würzburger Staatsrechtslehrertagung. In seinem Bericht belegt er, wie sehr das vorherrschende Verständnis der Verordnungsgebung von der besonderen Situation der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts geprägt ist.309 Werde Art. 80 GG dieses historischen Mantels entkleidet, so werde deutlich, daß er mitnichten Ausdruck eines Rechtsetzungsmonopols des Gesetzgebers sei.310 Außerhalb des Bereichs des Gesetzesvorbehalts habe die Verwaltung vielmehr „ein ursprünglich eigenes Recht, sowohl organverbindliche wie allgemeinverbindliche Normen zu setzen“311. Nur in den Fällen, in denen eine ___________ füges gerecht werden. Hierzu ausführlich H. Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137 ff.; zu den Erscheinungsformen administrativer Eigenständigkeit ferner Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, Rn. 4/41 f. (S. 176-179). 308 Siehe dazu sogleich im Text 4. Teil § 8. 309 Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (156 ff.). 310 Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (163 f.). 311 Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (165, 166).
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
261
Verwaltungsvorschrift dem Bürger neue, im Gesetz nicht begründete Pflichten auferlege und den Grundrechtsbereich berühre, müsse eine Regelung durch Gesetz erfolgen.312 In einem Appell an die Staatsrechtsdogmatik bringt K. Vogel das Ergebnis seiner Untersuchung auf den Punkt: „In Anbetracht all dieser Vorgegebenheiten sollte man sich aber entschließen, die Verbindlichkeit derartiger Richtlinien auch im ‚Außenverhältnis‘, also deren ‚Gemeinverbindlichkeit‘, offen anzuerkennen, statt weiterhin den recht gekünstelten Umweg über den Gleichheitsgrundsatz zu nehmen.“313
In seinem mehr als ein Jahrzehnt später erschienenen Beitrag in der Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts plädiert F. Ossenbühl ebenfalls für eine Einordnung der Verwaltungsvorschriften als „originäres Administrativrecht mit Außenwirkung“314. Auch nach seiner Auffassung sind Verwaltungsvorschriften eine „Kompetenzkategorie“ und treten „als solche in einen unmittelbaren Konnex mit dem Gesetzesvorbehalt“. Diese Beziehung verdeutliche, daß es sich bei den Verwaltungsvorschriften um ein Problem der Gewaltenteilung, ein Problem der Abgrenzung von erster und zweiter Gewalt handele.315 Außenwirksame Verwaltungsvorschriften ergingen im Funktionsbereich der Exekutive; der Gesetzesvorbehalt grenze demgegenüber jene Materien ab, die zur Kompetenz des Parlaments gehörten.316 Im Kern konstruieren F. Ossenbühl und (wohl auch) K. Vogel damit einen exekutiven Funktionsbereich, dessen Umfang maßgeblich aus den Grenzen des Vorbehalts des Gesetzes, mithin einer Kompetenzverteilungsregel erwächst. Zwar ist ihr Ansatzpunkt nicht angreifbar: Das Problem der Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften kann nur einer Lösung zugeführt werden, wenn zugleich die Stellung der Exekutive unter dem Grundgesetz dargelegt wird. In unzulässiger Weise vermengen indes beide Autoren die Kompetenzfrage mit der vorgelagerten Frage nach der Funktion der vollziehenden Gewalt.317 ___________ 312
Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (163). Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (162 f.). 314 Ossenbühl, in: Festgabe 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 433 (442). Im Jahre 1968 hatte Ossenbühl in seiner Habilitationsschrift (Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 543) noch für eine mittelbare Außenwirkung bestimmter Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG plädiert: „Diesen Effekt kann man dogmatisch eben nur auf der Basis des Gleichbehandlungsgebotes erzielen, welches aber seinerseits denknotwendig an bereits vorhandene bürgeradressierte Verwaltungsmaßnahmen anknüpft und nicht schon an den Erlaß von Verwaltungsvorschriften.“ 315 Ossenbühl, in: Festgabe 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 433 (434 f., 436 f.). 316 Ossenbühl, in: Festgabe 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 433 (436). 317 Deutlich wird die Vermengung der beiden verschiedenen Kategorien bei Ossenbühl, in: Festgabe 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 433 (434 f. sub II.): „Die Problematik der Verwaltungsvorschriften steht in engstem Zusammenhang mit dem Gesetzesvorbehalt [...]. Dieser Zusammenhang indiziert deutlich, daß es sich bei den Verwaltungsvorschriften [...] um ein Urproblem der Gewaltenteilung handelt.“ Ähnlich verwirrend 313
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG teilt die Staatsgewalt auf in die gesetzgebende, die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt. Daraus folgt zwingend, daß der Exekutive jegliche „Gesetzgebung“ und umgekehrt der Legislative jegliche Ausübung „vollziehender Gewalt“, weil einem anderen „besonderen Organ“ zugewiesen, verwehrt ist. Was nun aber „Gesetzgebung“, was „vollziehende Gewalt“ ist, stellt nicht den Gegenstand der Vorbehaltsproblematik dar. Als sogenannte „positive Gesetzmäßigkeit“ besagt der Vorbehalt des Gesetzes lediglich, daß der Exekutive die Vornahme bestimmter Handlungen verwehrt ist, solange und soweit ein Gesetz nicht vorhanden ist.318 Der Vorbehalt thematisiert folglich, wie sich die vollziehende Gewalt ohne gesetzliche Grundlage nicht verhalten darf,319 und setzt so die Begriffe der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt voraus. Letztere sind allein Regelungsthema der grundgesetzlichen Funktionengliederung. Zusammenfassend bestimmt der Vorbehalt des Gesetzes die Kompetenzverteilung zwischen gesetzgebender und vollziehender Gewalt,320 nicht dagegen die Funktionenteilung von Gesetzgebung und Exekutive. Plakativ formuliert: Der Vorbehalt bezieht sich auf das „Dürfen“, die Funktionengliederung auf das vorausliegende „Können“ der Verwaltung.321 ___________ Jaehnike, StuW 1979, 293 (296): „Somit erweist sich die Frage nach den rechtlichen Eigenschaften der VV – insb. ihrer möglichen Allgemeinverbindlichkeit – als ein Problem der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung. Dabei geht es primär um die Absteckung der Grenze zwischen den Funktionsbereichen der Legislative und der Exekutive; diese wird dort zu ziehen sein, wo die Regelung einer Materie dem Gesetzgeber vorbehalten ist.“ Wohl auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 80 Rn. 9-9 c, der den Schlüssel für die Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften allein in der Bindung der Verwaltung an den Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes sieht, ohne die Funktion der Verwaltung auch nur eines Wortes zu würdigen. Eigenartigerweise begründet Bryde (in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 80 Rn. 9 d) eine geringere Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften im Vergleich zu Gesetzen oder Rechtsverordnungen mit dem Argument der „Selbstbindung“. Unter dem Begriff der „Selbstbindung“ wird jedoch herkömmlich die von Art. 3 Abs. 1 GG erzeugte mittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften verstanden, die Bryde freilich ablehnt (in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 80 Rn. 9 b a. E.). – Vgl. dazu ferner Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 45, 50 f. (S. 157 f., 161 f.); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 49 f. (S. 449 f.). 318 Etwa Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 805; Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 18 Rn. 1 (S. 329); Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 259 (S. 75); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 59 (S. 14); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 3 (S. 113); H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 30 Rn. 15 (S. 434 f.). 319 Das Wörtchen „nicht“ fehlt bei Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 18 Rn. 1 (S. 329). 320 Ebenso Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 102 ff.; ders., Jura 1979, 304 (307). 321 H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 49: Die Funktionenlehre handelt von den „Handlungsfähigkeiten der funktionstragenden Staatsorga-
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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Sind Funktion und Kompetenz der Exekutive aber nicht identisch, kann eine Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften nicht davon abhängen, daß sie sich innerhalb eines durch die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes definierten exekutiven Funktionsbereichs halten.
2. Exekutiver Funktionsbereich für die Gesetzeskonkretisierung Auch W. Krebs unterstellt einen durch den Vorbehalt des Gesetzes bestimmten eigenständigen Funktionsbereich der Verwaltung bei der Konkretisierung von Staatszwecken.322 Die selbständige Funktion der Verwaltung bedinge eine „verfassungsunmittelbare Kompetenz zum Gesetzesvollzug durch (verbindliche) Rechtsetzung“, eine „Kompetenz“, die wiederum die Anerkennung außenwirksamer Verwaltungsvorschriften nach sich ziehe.323 Dem Vorwurf, diese Annahme verstoße gegen Art. 80 Abs. 1 GG,324 begegnet W. Krebs mit folgender Überlegung: Art. 80 Abs. 1 GG diene der „Sicherung der Legislativfunktion“. Daraus folge, daß die Exekutive den „gesetzgeberischen Zuständigkeitsbereich“ nicht durch den Erlaß von Verwaltungsvorschriften verletzen dürfe. „Gesetzgebungsfunktionen“ dürfe die Verwaltung demnach nur in „delegierter Form“ durch Rechtsverordnungen wahrnehmen. Demgegenüber handele es sich bei dem Erlaß von Verwaltungsvorschriften gerade nicht um „Gesetzgebung“, sondern um „gesetzeskonkretisierende Rechtsetzung“. Letztere unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 1 GG. Vielmehr zähle sie zum eigenständigen Funktionsbereich der Verwaltung und erlaube folglich auch den Erlaß außenwirksamer Verwaltungsvorschriften.325 Bedenken weckt nicht nur die bereits kritisierte326 Vermengung von Funktionen- und Vorbehaltslehre. Verfehlt ist auch der gekünstelte Aufbau eines vermeintlichen Gegensatzes zwischen der Rechtsverordnungsgebung als „delegierter Gesetzgebung“ und dem Erlaß von Verwaltungsvorschriften als „Rechtskonkretisierung“. ___________ ne. Thema der Vorbehaltslehre hingegen ist die (sich erst anschließende) Frage nach deren Handlungsberechtigung.“ 322 Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (265, 269); kritisch Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 324 f.; Brohm, in: ders., Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 11 (26); Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135 (162); Erbguth, DVBl. 1989, 473 (479); Oldiges, NJW 1984, 1927 (1930). 323 Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (269). 324 Etwa H. H. Klein, in: Festgabe für E. Forsthoff, 1967, S. 163 (177, 187); Breuer, DVBl. 1978, 28 (34); Schenke, DÖV 1977, 27 (29); vgl. ferner Magiera, Der Staat 13 (1974), 1 (16). 325 Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (270 f.). 326 Siehe oben 4. Teil § 7 G. I. 1.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Wenn Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG die „Gesetzgebung“ (ausschließlich) den „besonderen“ parlamentarischen Organen zuweist, bedeutet dies im Umkehrschluß, daß der Exekutive jegliche Ausübung gesetzgeberischer Gewalt untersagt ist. Die „Gesetzgebung“ kann deshalb nicht Inhalt der Gestattungswirkung eines Ermächtigungsgesetzes im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG sein; sie ist den exekutiven Organen schlichtweg „vorenthalten“327. Die Kreierung der besonderen Kategorie „delegierter Gesetzgebung“ verstößt daher gegen die unverrückbare Funktionengliederung des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Unterscheidung von „delegierter Gesetzgebung“ und „rechtskonkretisierender Verwaltung“, anders: von „Rechtsetzung“ und „Rechtskonkretisierung“ ist überdies rechtstheoretisch unhaltbar. Es gehört zu den gesicherten Erkenntnissen juristischer Hermeneutik und Topik, daß Rechtsetzung und Rechtsanwendung bzw. Rechtskonkretisierung keine gegenteilige Verschiedenheit bilden.328 Im Stufenbau der Rechtsordnung erscheinen beide in einer hierarchischen Ordnung, die sich als permanenter Rechtserzeugungs- und Rechtskonkretisierungsprozeß darstellt, in der jeder Rechtsakt durch eine doppelte Struktur gekennzeichnet ist: nach „oben“, hinsichtlich der vorrangigen Rechtsnorm, als Rechtskonkretisierung, nach „unten“, mit Blick auf die nachrangige Rechtsnorm, als Rechtsetzung.329 Werden zudem die Ergebnisse der Wiener Rechtsschule berücksichtigt, nach der sich Rechtsnormen durch eine Vielfalt möglicher Inhalte auszeichnen, mithin der Begriff des Rechtssatzes nicht mit einer allgemeinen Regelung identifiziert werden kann,330 so wird eines deutlich: Sogar die Entscheidung eines Einzelfalles ist Rechtskonkretisierung und Rechtsetzung zugleich331 – wie R. Thoma bereits 1916 feststellte: ___________ 327 In Anlehnung an H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 46 sub 2. 328 Stellvertretend Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl., 1963, passim; Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 4. Aufl., 1990, insb. S. 141-147, 253 f.; Gröschner, Dialog und Jurisprudenz, 1982, S. 84 ff., 189 ff.; Henke, Recht und Staat, 1988, S. 139-143, 525-531; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl., 1976, S. 47 ff., 157 ff., 195 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 137-145; F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, 1984, S. 47 ff.; Viehweg, Topik und Jurisprudenz, 5. Aufl., 1974, passim. 329 Ausführlich Merkl (1916), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 63-83; ders. (1916/17/19), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 85146; ders. (1918), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 227-252; ders. (1931), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (464-480); ferner Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 238 f., 239-242, 346-354. 330 Vgl. Merkl (1931), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (454); Lippold, Der Staat 29 (1990), 185 (193 in Fn. 25). 331 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 236-238; ders., Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. XII-XVI; Merkl (1931), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (457); dazu ferner Schilling, Rang und Geltung von Nor-
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„[...] als ob nicht jede Anordnung, von unten her betrachtet, Rechtssatzung – lex generalis oder specialis – wäre, z. B. auch eine Gewerbserlaubnis, eine Eingemeindung, eine Zwangsinnungsbegründung, eine Einbürgerung, indem diese Akte dem betroffenen Lebensverhältnis sein Recht setzen [...].“332
Eine Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften kann somit nicht an eine (rechtstheoretisch) unmögliche Unterscheidung zwischen Rechtsetzung und Rechtskonkretisierung anknüpfen.
II. Kompetenzrechtliche Lösungen Zur Begründung einer Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften wird ferner auf (angebliche) verfassungsrechtliche Handlungsermächtigungen der Verwaltung verwiesen.
1. Kompetenz aus der Pflicht zu programmgeleitetem Handeln gemäß Art. 3 Abs. 1 GG Eine exekutive Kompetenzgrundlage wird etwa in der mit dem Auftrag zum Einzelvollzug verbundenen und aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Pflicht der Verwaltung zu programmgeleitetem Handeln gesehen.333 Danach muß bereits die erste Einzelentscheidung der Verwaltung innerhalb eines administrativen Handlungsspielraums durch einen Grundsatz gerechtfertigt sein, der fortan als Handlungsprogramm und Prüfungsmaßstab für weitere einschlägige Fälle dient. Verwaltungsvorschriften seien als derartige Handlungsprogramme zu verstehen und anzuwenden. Ihre Außenwirkung bewirke der Gleichheitssatz daher nicht erst über die tatsächliche Verwaltungspraxis; Art. 3 Abs. 1 GG legitimiere und
___________ men in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 91 f.; Buchwald, Rechtstheorie 28 (1997), 85 (90-92). 332 Thoma, in: Festgabe für O. Mayer, 1916, S. 165 (179). 333 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, insb. S. 3 ff., 109 ff.; Franßen, in: Festschrift für W. Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 429 (450); Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (157-159); Guttenberg, JuS 1993, 1006 (1010 f.); ferner Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 352-356; Gusy, DVBl. 1987, 497 (501 f.); unklar Hill, NVwZ 1989, 401 ff., der eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften einerseits (S. 406) auf eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG stützen will, sich andererseits (S. 408) aber auf einen „gesetzlichen Auftrag“ der Verwaltung „zur Maßstabssetzung“ beruft.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
verpflichte die Verwaltung vielmehr zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften als unmittelbar außenwirksame Rechtssätze.334 Stichhaltig ist dieser Schluß freilich nicht. Durchaus zutreffend ist zwar, daß Gesetze, zumal im Umweltrecht, ohne ein detailliertes Vollzugskonzept häufig nicht oder nur unter Einbußen an Rationalität und Transparenz auf Einzelfälle angewandt werden können.335 Daraus folgt indes nicht unbedingt, daß der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Kontrolle der von der Exekutive gesetzten Maßstäbe bei der Beurteilung von Einzelfällen verwehrt sein müßte. Auch mag der Gleichheitssatz dem Bürger einen Anspruch auf konsequentes Verwaltungshandeln geben. Die zentrale Funktion der Verwaltungsvorschriften hierbei soll nicht bestritten werden. Sie bleiben gleichwohl nur ein Instrument unter vielen, die der Verwaltung zur Verwirklichung rechtsstaatlicher Grundsätze zur Verfügung stehen. Ein Grundsatz, wonach einheitliches Handeln der Exekutive zwingend durch außenwirksame Verwaltungsvorschriften herzustellen wäre, existiert nicht.336 Daß Art. 3 Abs. 1 GG die Verwaltung zum Erlaß außenverbindlicher Verwaltungsvorschriften ermächtigt, bleibt daher eine Behauptung.
2. Kompetenz gemäß Art. 83 ff. in Verb. mit Art. 20 Abs. 2 und 3 GG Ein Verweis auf den „eigenen Funktionsbereich“ der Exekutive liefert nach W. Erbguth337 allein keine hinreichende Begründung für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit außenwirksamen Administrativrechts. Vielmehr bedürfe es angesichts der vom Grundgesetz bewußt „nicht strikt verfolgten, zudem sozialstaatlich interpretationsoffenen Gewaltenteilung“ der „verfassungsunmittelbaren Zuweisung einer exekutiven Befugnis“ zum Erlaß außengerichteter Verwaltungsvorschriften.338 Eine solche verfassungsrechtliche Ermächtigung will W. Erbguth aus der Art. 83 ff. in Verb. mit Art. 20 Abs. 2 und 3 GG zu entnehmen___________ 334
So Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (159); Guttenberg, JuS 1993, 1006 (1010); Hill, NVwZ 1989, 401 (408). – Kritisch Brohm, in: ders., Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 11 (27); vgl. auch H.-J. Koch, ZUR 1993, 103 (105 f.). 335 Vgl. etwa Di Fabio, DVBl. 1992, 1338 (1340); Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2236). 336 Ähnlich F.-J. Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1021), nach dem schon ein umfassendes, mit Rechtsqualität ausgestattetes Einheitspostulat, das durch ein administratives Handlungsprogramm verwirklicht werden müßte, verfassungsrechtlich nicht existiert. Vgl. ferner die Berichte auf der Staatsrechtslehrertagung 1987 zur „Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem“ von Bryde (VVDStRL 46 [1988], S. 181 ff.) und Haverkate (VVDStRL 46 [1988], S. 217 ff.). 337 Erbguth, DVBl. 1989, 473 ff.; ders./Mahlburg, UPR 1997, 224 (225 f.). 338 Erbguth, DVBl. 1989, 473 (479, 480).
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den „Befugnis zur Einzelfallentscheidung bzw. zur Festsetzung des gesetzlichen Sprachgebrauchs“ herleiten. Diese „impliziere“ zugleich die Kompetenz der Verwaltung zum Erlaß „entsprechender, d. h. auf den Vollzug gerichteter genereller Regelungen“.339 Im Einklang mit dem Telos der Art. 83 ff. GG befindet sich diese Konstruktion gleichwohl nicht. Soweit sich die Art. 83 ff. GG auf Verwaltungsvorschriften beziehen, kommt ihnen vornehmlich föderative Bedeutung zu: Sie übertragen die Sachleitungsgewalt der Länder im Bereich der Landeseigen- und Bundesauftragsverwaltung partiell auf den Bund und bestimmen damit die Verbandskompetenz zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften.340 Eine Antwort auf die Frage der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften läßt sich dem VIII. Abschnitt des Grundgesetzes daher nicht entnehmen. Insbesondere verbietet sich, eine Kompetenz der Verwaltung zum Erlaß aussenwirksamer Verwaltungsvorschriften aus einer „Befugnis zur Festsetzung des gesetzlichen Sprachgebrauchs“ herzuleiten. In der Sache wird damit an normtheoretische Ansätze angeknüpft, die bei unbestimmten Rechtsbegriffen zwischen der gerichtlich voll überprüfbaren Bedeutungsermittlung und der nur eingeschränkt kontrollierbaren Bedeutungsfestsetzung unterscheiden. Wie gezeigt, ist eine solche Unterscheidung sprachtheoretisch verfehlt.341 Auch aus einer Befugnis der Verwaltung zur Einzelfallentscheidung folgt nicht zwingend die Außenverbindlichkeit vorgeschalteter genereller Regelungen. Vielmehr bedarf es dazu einer weitergehenden Begründung – die jedenfalls eine aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierende Pflicht zu programmgeleitetem Handeln nicht zu liefern vermag.342 W. Erbguth geht jedoch noch einen Schritt weiter. Die anhand Art. 83 ff. GG gewonnene erste Sicht bedürfe der Ergänzung „um das funktionale Element der Gewaltenteilung“, durch das der Kompetenzbereich der Verwaltung im einzelnen abgesteckt werde.343 Den Begründungsansatz für eine funktionale Bestim___________ 339 Erbguth, DVBl. 1989, 473 (480); ähnlich Gusy, DVBl. 1987, 487 (498 f.), nach dem der behördliche Vollziehungsauftrag einen Konkretisierungsauftrag nach sich zieht, und Hill, NVwZ 1989, 401 (406). Kritisch dagegen Brohm, in: ders., Drittes deutschpolnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 11 (27), unter Hinweis auf einen Vorrang des Einzelvollzugs. 340 Daneben entfalten die Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG eine organkompetenzrechtliche Verteilungswirkung. Siehe dazu oben 3. Teil § 5 A. I. 3. 341 Siehe dazu oben 4. Teil § 7 E. I. 3. – In seinen „Anmerkungen zum administrativen Entscheidungsspielraum“ (DVBl. 1992, 398 [402 in Fn. 53 a. E.]) sieht Erbguth dies nunmehr genauso. 342 So aber Hill, NVwZ 1989, 401 (406). – Siehe dazu oben 4. Teil § 7 G. II. 1. 343 Erbguth, DVBl. 1989, 473 (481). – Bedenken weckt bereits der methodische Ansatzpunkt Erbguths. Denn grundsätzlich geht die Frage nach der Funktion der Frage
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
mung des Bereichs originärer administrativer Rechtserzeugungsbefugnisse sieht W. Erbguth sodann in der „sächlich-personell bedingten und institutionell abgesicherten Sachkunde der Verwaltung“. Diese besondere Ausstattung der Verwaltung verstehe sich als Ausdruck ihrer Vollzugsaufgaben, die über den Bereich einer rein rechtlichen Umsetzung gesetzlicher Maßgaben hinausgingen.344 Das gelte freilich nicht uneingeschränkt. Denn der Gesetzgeber vermöge sich über Art. 80 GG des besonderen Sachverstands der Exekutive zu vergewissern und damit im Wege derivativer Rechtsetzung außerrechtliche Erkenntnisse in den Gesetzesvollzug einzubinden. Die Grenze eines solchen Vorgehens sei indes dort erreicht, wo eine Delegation im Sinne des Art. 80 GG daran scheitere, daß der Gesetzgeber keine hinreichend bestimmte Ermächtigung für den Verordnungserlaß bereitstellen könne. In diesen Fällen „mangelnder legislativer Dezision aufgrund fehlender gesetzlicher Dezisionierbarkeit“ eröffne sich der Verwaltung ein Bereich originärer administrativer Rechtsetzungskompetenzen.345 Dem könnten bereits Zweifel an der besonderen Sachkunde der Exekutive gegenüber der Legislative entgegengehalten werden. So sehen das Grundgesetz und die Geschäftsordnung des Bundestages immerhin zahlreiche Informationsrechte vor, durch deren Ausübung sich der Bundestag (externen) Sachverstandes vergewissern kann.346 Entscheidend für die Überzeugungskraft der dargestellten These ist freilich die Frage, ob an die Regelungsdichte eines Ermächtigungsgesetzes im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG höhere Anforderungen zu stellen sind als an die Regelungsdichte eines anderen Gesetzes. Nur dann, wenn ein Gesetz nicht mehr der Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht zu werden vermag, im übrigen aber noch hinreichend bestimmt ist, soll sich nach W. Erbguth ein Bereich originärer Rechtsetzungskompetenzen ergeben. Das Problem der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften kraft originärer exekutiver Rechtsetzungskompetenz mündet damit in den Streit über das Verhältnis von Bestimmtheitstrias und Parlamentsvorbehalt. Denn sowohl Parlamentsvorbehalt als auch Bestimmtheitstrias setzen Maßstäbe für die Regelungsdichte des formellen Gesetzes. Jener begründet für wesentliche Gegenstände erhöhte Anforderungen an ___________ nach der Kompetenz voraus. Zutreffend nunmehr Erbguth, DVBl. 1992, 398 (402 in Fn. 53). 344 Erbguth, DVBl. 1989, 473 (482). 345 Erbguth, DVBl. 1989, 473 (483). 346 Vgl. etwa das Zitier- und Interpellationsrecht (Art. 43 Abs. 1 GG), die Große Anfrage (§§ 100-103 GeschOBT), die Kleine Anfrage (§ 104 GeschOBT), die Fragen einzelner Abgeordneter (§ 105 GeschOBT und Anlage 4), die mündlichen Fragen einzelner Abgeordneter an die Bundesregierung zu Themen von aktuellem Interesse (§ 106 Abs. 2 GeschOBT und Anlage 7), die Einsetzung einer Enquête-Kommission (§ 56 GeschOBT) oder die Einrichtung eines Wehrbeauftragten (Art. 45 b GG).
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die Regelungsdichte; diese bindet die Rechtsverordnungsgebung an ein nach Inhalt, Zweck und Ausmaß begrenztes Parlamentsgesetz. Die Vertreter der „Identitätsthese“347 betrachten Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG als besondere Ausprägung des Parlamentsvorbehalts. Die Anforderungen an die Bestimmtheit nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG werden daher nach der Wesentlichkeit der vom Rechtsverordnungsgeber zu regelnden Materie variiert.348 Demgegenüber gehen andere von einer funktionellen Trennung von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitstrias aus.349 Während der Parlamentsvorbehalt über das „ob“ exekutiver Normsetzung entscheide, behandle die Bestimmtheitstrias das „wie“, anders: die Frage, an welche Voraussetzungen die gesetzliche Ermächtigung gebunden ist.350 Trotz der Selbständigkeit beider Institute beeinflusse der Parlamentsvorbehalt allerdings die Anwendung der Bestimmtheitstrias. Je wesentlicher der durch die Exekutive zu regelnde Gegenstand sei, desto höher seien auch die Bestimmtheitsanforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Ermächtigung.351 Beide Ansichten differenzieren somit bei der Anwendung der Bestimmtheitstrias nach der Wesentlichkeit des Regelungsgegenstandes. Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes nach Art. 80 Abs. 1 GG steigen mit zunehmender Wesentlichkeit der zu normierenden Materie. Der Parlamentsvorbehalt wird so zum Maßstab für die Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG. Determiniert der Parlamentsvorbehalt aber die Auslegung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, kommt der Bestimmtheitstrias keine eigen-
___________ 347 Begriff in Anlehnung an Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 142. 348 Etwa E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 393; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 90-95; Ossenbühl, in: Festschrift für F. W. Bosch, 1976, S. 751 (756); Kloepfer, JZ 1984, 685 (692 f.); Nevermann, VerwArch 71 (1980), 241 (245); Pietzcker, JuS 1979, 710 (712); Wilke, JZ 1982, 758 (759). 349 Etwa Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 80 Rn. 21; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 118-124; Papier, in: V. Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 (56 f.); Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 142-148; Umbach, in: Festschrift für H. J. Faller, 1984, S. 111 (128 f.); Eberle, DÖV 1984, 485 (486 f.); Krebs, Jura 1979, 304 (311); Lerche, DVBl. 1958, 524 (530). 350 Beispielhaft Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 144; Eberle, DÖV 1984, 485 (487). 351 Beispielhaft Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 80 Rn. 12 f.; Ramsauer (2001), in: AK, GG, Bd. 3, 3. Aufl., Art. 80 Rn. 58 -59; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 132138.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
ständige Bedeutung mehr zu. Ihr Anforderungsprofil wird allein vom Parlamentsvorbehalt „bestimmt“. Damit aber schließt sich der Kreis: Ist die Bestimmtheitstrias lediglich „Aufhänger“352 für die Prüfung des Parlamentsvorbehalts, kann es keine Gesetze geben, die zwar nicht die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllen, aber dennoch hinreichend bestimmt im Sinne des Parlamentsvorbehalts sind. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ist folglich nicht geeignet, einen Bereich originärer Rechtsetzungskompetenzen der Exekutive abzustecken. Seine Konstruktion von der verfassungsunmittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften bleibt daher insoweit unbewiesen.
3. Kompetenz gemäß Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG Teile des Schrifttums erwägen, eine Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften aus dem in Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot der Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs im gesamten Bundesgebiet zu folgern.353 Ein solcher Schluß widerspricht indes dem föderativen Zweck dieser Vorschriften354 und ist auch durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zwingend geboten.355
4. Notkompetenz Für das Steuerrecht wird zum Teil eine über den verwaltungsinternen Bereich hinausgehende exekutive Regelungsbefugnis in einer Notkompetenz der Finanzverwaltung gesehen.356 Auch ohne Personalnotstand sei die Finanzverwaltung nicht in der Lage, die Gesetze in einem Massenverfahren wie dem Steuerverfahren effektiv zu vollziehen. Dieser administrative Vollzugsnotstand zwinge zu einer Rationalisierung des Besteuerungsverfahrens und einer Einschränkung der finanzbehördlichen Ermittlungspflicht, soweit der Gesetzgeber ___________ 352
Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 350. Ossenbühl, in: Hill, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 99 (100 in Fn. 5); ähnlich Gusy, DVBl. 1979, 720 (723 f.): Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 86, 108 Abs. 4, 129 Abs. 1 GG. 354 Siehe oben 3. Teil § 6 A. 355 Siehe oben 4. Teil § 7 G. II. 1. 356 Altehoefer, DStR 1981, 183 (184) unter Berufung auf Isensee, Die typisierende Verwaltung, 1976, S. 171-177; ähnlich List, Steuerkongreß-Report 13 (1975), 139 (165 f.); ferner Jaehnike, StuW 1979, 293 (302), der zwar „eine Art übergesetzlicher Notkompetenz“ der Verwaltung zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung annimmt, eine Bindung der Finanzgerichte gleichwohl ablehnt. 353
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selbst nur unvollkommen typisiert habe. Die Forderung nach einer Notkompetenz der Verwaltung zum Gesetzesvollzug durch Typisierung bedeute aber in der Konsequenz die Anerkennung der Außenverbindlichkeit typisierender und pauschalierender Verwaltungsvorschriften.357 Erkennbar liegt dieser Auffassung J. Isensees Notstandskonzept zugrunde.358 Nach ihm ist ein gesetzwidriger Gesetzesvollzug durch gesetzwidrig vereinfachende Sachverhaltsermittlung ausnahmsweise verfassungsrechtlich legitimiert. In den Fällen eines nicht aufhebbaren Vollzugsnotstandes löse das Grundgesetz den Konflikt „Verwaltungsraison gegen Verwaltungsrecht“359 durch die Bereitstellung einer (Not-)Kompetenz der Exekutive zur gesetzwidrigen Gesetzesvollziehung durch Typisierung und Pauschalierung.360 Indes muß die Begründung einer solchen administrativen Notkompetenz auf Ablehnung stoßen.361 Fände eine verfassungsrechtliche Grauzone „brauchbarer Illegalität“362 des Verwaltungshandelns Anerkennung, würde zugleich einer Aufweichung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Vorschub geleistet und damit ein dem Rechtsstaatsprinzip widersprechender Zustand herbeigeführt. Letztlich ist es allein Aufgabe der Legislative, der Verwaltung die benötigten sachlichen und personellen Mittel zur Verfügung zu stellen und die zu vollziehenden Gesetze vollzugsfähig auszugestalten. Kommt der Gesetzgeber dem nicht nach, verletzt er seine Pflicht zu rechtsstaatlicher Gesetzgebung.363 Eine (kaum begründbare) Notkompetenz der Verwaltung rechtfertigt daher keine Allgemeinverbindlichkeit gewisser steuerrechtlicher Verwaltungsvorschriften. ___________ 357 Ausdrücklich Altehoefer, DStR 1981, 183 (184, 185); List, SteuerkongreßReport 13 (1975), 139 (166). 358 Vgl. Isensee, Die typisierende Verwaltung, 1976, insb. S. 171-177; ders., StuW 1973, 199 ff. 359 So der Titel der Abhandlung Isensees, StuW 1973, 199. 360 Isensee, Die typisierende Verwaltung, 1976, S. 171-177; ders., StuW 1973, 199 (203 f.). 361 Zum Folgenden ausführlich Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, S. 43 f.; ferner etwa Tipke, in: ders./Kruse, AO, 16. Aufl., 1996, § 88 Rn. 7-12; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO (FGO), 10. Aufl., 1995, § 88 Rn. 66-68; H.-W. Arndt, Praktikabilität und Effizienz, 1983, S. 58 ff.; Lang, in: Stolterfoht, Grundfragen des Lohnsteuerrechts, 1986, S. 15 (77-83); Trzaskalik, in: Tipke, Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1982, S. 315 (330 in Fn. 54); Rasenack, DB 1974, 937 (940). 362 Isensee, StuW 1973, 199 (205, 206). 363 Ausdrücklich ebenso Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, S. 43; ferner Tipke, in: ders./Kruse, AO, 16. Aufl., 1996, § 88 Rn. 9; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO (FGO), 10. Aufl., 1995, § 88 Rn. 66; Lang, in: Stolterfoht, Grundfragen des Lohnsteuerrechts, 1986, S. 15 (78).
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III. Rechtsstaatsorientierte Lösungen Nach einem von D. Lorenz entwickelten Modell ist die Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften Konsequenz eines Art. 19 Abs. 4 GG zu entnehmenden „Verrechtlichungsgebots“.364 Das „Verrechtlichungsgebot“ des Art. 19 Abs. 4 GG verlange eine umfassende rechtliche Durchdringung der Beziehungen zwischen dem Staat und dem Individuum.365 Angesichts des vorhandenen Regelungsmaterials in Form der Verwaltungsvorschriften könne es sich aber darauf beschränken, diese Beziehungen rechtlich zu strukturieren, und bewirke so „eine unmittelbare normative Anerkennung jener faktischen Auswirkungen interner Vorschriften auf das Staat-Bürger-Verhältnis“. Verwaltungsvorschriften erscheinen damit als „‚echte‘ Rechtsnormen mit grundsätzlich allen für diese kennzeichnenden Eigenschaften, insbesondere der Erzeugung rechtlicher Gebundenheit und der Tragfähigkeit als Basis subjektiver Rechte des einzelnen“.366 Freilich drängt sich die Frage auf, ob Art. 19 Abs. 4 GG überhaupt ein „Verrechtlichungsgebot“ mit derartigen Konsequenzen entnommen werden kann. Auch D. Lorenz gesteht ein, daß Art. 19 Abs. 4 GG zunächst eine „formelle“ Garantie sei, beschränkt auf die Durchsetzung „materiellen“ Rechts und in ihrer Wirksamkeit für das Staat-Bürger-Verhältnis abhängig von der Existenz eines solchen Rechts. Dennoch zeige sich bei „näherem Zusehen“, daß die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG „eine bedeutsame Ausstrahlungswirkung auf das materielle Recht“ ausübe.367 Denn da rechtsprechende Tätigkeit die Existenz rechtlicher Maßstäbe zur unabdingbaren Voraussetzung habe, könne der durch Art. 19 Abs. 4 GG erteilte Rechtsschutzauftrag nur verwirklicht werden, wenn die zu beurteilenden Staat-Bürger-Beziehungen rechtliche Struktur aufwiesen. Art. 19 Abs. 4 GG verleihe so der im Rechtsstaatsprinzip ausgeprägten „Verrechtlichungstendenz“ zusätzlichen Antrieb und bewirke deren Verfestigung zu „einem unmittelbar wirksamen Verrechtlichungsgebot“.368 ___________ 364 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 3744; ähnlich Pipkorn, Auskunftspflichten der daseinsvorsorgenden Verwaltungsbehörden, 1968, S. 104 f.; kritisch Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 256; Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 212 f. 365 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 18. 366 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 39 f. 367 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 14. 368 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 18; ähnlich Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384 (395 f.), nach dem der Gesetzgeber diesem „Verrechtlichungsgebot“ allerdings bereits nachgekommen ist; ähnlich ferner Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, S. 207 f., der Art. 19 Abs. 4 GG einen möglichst weitreichenden Rechtsschutzauftrag entnehmen möchte. Dieser bedinge zugleich
§ 7 Außenwirkung in Rechtsprechung und Lehre
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Warum aber Art. 19 Abs. 4 GG das Verhältnis des einzelnen unabhängig von der Gewährung subjektiver Rechte einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterwerfen soll, beantwortet D. Lorenz nicht. Statt dessen beläßt er es bei einem unbewiesenen Hinweis auf „Wortlaut, Stellung und Entstehungsgeschichte“ der Verfassungsbestimmung.369 Ihrem Wortlaut nach setzt die Rechtsschutzgarantie („Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt [...].“) indes eindeutig die Existenz subjektiver Rechtspositionen voraus, ohne selbst bestehende Rechte zu verändern oder neue zu schaffen.370 Läßt sich ein „Verrechtlichungsgebot“ somit nicht auf Art. 19 Abs. 4 GG zurückführen, entfällt zugleich die Grundlage des Lorenzschen Modells außenverbindlicher Verwaltungsvorschriften.
H. Gemeinschaftsrechtlicher Ansatz Zu guter Letzt kann die Außenwirkung von EG-Richtlinien umsetzenden (umsatzsteuerrechtlichen) Verwaltungsvorschriften nicht durch die Wirkung des primären oder sekundären Gemeinschaftsrechts selbst begründet werden.371 Zwar verpflichten Art. 10 Abs. 1, 249 Abs. 3 EGV und in der Regel die Richtlinien selbst die Mitgliedstaaten zur Umsetzung.372 Im Gegensatz zu den Verordnungen sind Richtlinien nach Art. 249 Abs. 3 EGV allerdings nicht „in allen ihren Teilen“ verbindlich, sondern nur hinsichtlich des festgelegten Zieles. In welcher Form und mit welchen Mitteln die Mitgliedstaaten dieses Ziel erreichen, bleibt ihnen überlassen.373 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs haben die Mitgliedstaaten die Wahl der Form und der Mittel lediglich so zu treffen, daß die praktische Wirksamkeit der Richtlinie am besten gewährleistet wird.374 Dazu müssen sie die Richtlinie in verbindliche innerstaatliche Vorschriften umsetzen, die den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit genügen. Die Betroffenen müssen davon Kenntnis erlangen und ___________ einen umfassenden Gesetzesvorbehalt, ohne den Art. 19 Abs. 4 GG „zumindest teilweise eine leerlaufende Verfassungsbestimmung bliebe“. 369 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 15. 370 Siehe dazu Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl., 1999, Art. 19 Abs. 4 Rn. 378 ff., 396 ff.; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 19 Rn. 25 f.; Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 116 ff. 371 So aber Birkenfeld, UR 1993, 271 (276 f.). 372 Statt vieler EuGH v. 6.6.1978, Rs. 147/77 – Kommission/Italien –, Slg. 1978, 1307 (1311), Tz. 1. 373 H. P. Ipsen (Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 458) nennt diese Art der Verbindlichkeit daher eine „gestufte Verbindlichkeit“. 374 Etwa EuGH v. 8.4.1976, Rs. 48/75 – Royer –, Slg. 1976, 497 (517), Tz. 69/73.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
sich vor Gericht auf die nationale Regelung berufen können.375 Gerade deshalb, wegen ihrer angeblich fehlenden unmittelbaren Außenwirkung, hat der Europäische Gerichtshof Verwaltungsvorschriften als ungeeignetes Mittel zur Umsetzung von EG-Richtlinien bezeichnet.376 Unmittelbar einsichtig ist damit, daß das Gemeinschaftsrecht bestimmte Rechtswirkungen des EG-Richtlinien umsetzenden nationalen Rechts fordert, diese jedoch selbst nicht erzeugt.377 Das EGRecht kann somit lediglich als Maßstab der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsvorschriften, nicht dagegen als Grund ihrer Außenwirkung fungieren.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften Läßt man die Fülle der vertretenen Begründungsansätze für eine Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften Revue passieren, so wird in der Tendenz eines deutlich: Die traditionelle Rechtsdogmatik erfaßt die Ausübung vollziehender Gewalt nahezu ausschließlich aus der Perspektive des Rechtsschutzes. Der Erlaß von Verwaltungsvorschriften wird demzufolge weniger als Problem der Handlungskompetenz der Exekutive als der Kontrollkompetenz der Judikative begriffen. Die gerichtliche Kontrolldichte bei Verwaltungsvorschriften wiederum soll von der Einräumung exekutiver Entscheidungsspielräume durch den Gesetzgeber und deren Anerkennung durch die Judikative abhängen. U. Battis und Chr. Gusy bringen diese Sichtweise stellvertretend für viele auf den Punkt: „Die Gestaltungsmöglichkeiten der Exekutive reichen demnach genauso weit, wie ihr Gesetzgebung und Rechtsprechung Entscheidungsalternativen lassen.“378 ___________ 375 Schlichte Verwaltungspraktiken, die als solche von der Exekutive beliebig geändert werden können, genügen daher nicht. EuGH in ständiger Rechtsprechung; vgl. nur EuGH v. 15.10.1986, Rs. 168/85 – Kommission/Italien –, Slg. 1986, 2945 (2961), Tz. 13; v. 25.5.1982, Rs. 96/81 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1982, 1791 (1804 f.), Tz. 12. 376 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2626 ff.) (Blei); v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2596 ff.) (Schwefeldioxid und Schwebestaub). 377 Daß auch der Gesetzgeber diese Auffassung teilt, zeigt sich etwa im Vergaberecht. Aufgrund europarechtlicher Vorgaben sah sich der Gesetzgeber dort gezwungen, die bisherigen Regelungen in Verwaltungsvorschriften durch Gesetze und Rechtsverordnungen zu ersetzen. Ob dieses Auswechseln der Rechtsnormkategorie uneingeschränkt erforderlich war, kann allerdings angesichts der noch zu präzisierenden Rechtswirkungen der Verwaltungsvorschriften bezweifelt werden. Dazu Gallwas, VergabeR 1 (2001), 1 ff. 378 Battis/Gusy, Technische Normen im Baurecht, 1988, Rn. 237 (S. 126); ähnlich deutlich A. Leisner, in: Festschrift für W. Fürst, 2002, S. 185 (190): „Ein Rechtssetzungsrecht der Exekutive kommt nur in Betracht, soweit das Parlamentsgesetz dies [...] gestattet [...].“; oder Faßbender, Die Umsetzung von Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft, 2001, S. 225: „Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG als Dreh-
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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Die Verwaltung, eingezwängt in ein Korsett aus gesetzgeberischem Handlungsauftrag und gerichtlicher Kontrolle, degeneriert damit zu einer Gewalt „en quelque façon nulle“ oder – um E. Franßen379 zu zitieren – zu einer „‚Vorprüfstelle‘ für die sodann in eigener Kompetenz ‚letztverbindlich‘ entscheidenden Verwaltungsgerichte“. Die gerichtliche Kontrolle demgegenüber mutiert zu einem „K.O.-Maßstab“380, der die vollziehende Gewalt zur bloßen Gesetzesanwendung herabstuft und ihre eigenverantwortliche Funktion verleugnet. Ausgangspunkt dieser verkürzenden Sichtweise ist die Forderung, die Verwaltung dürfe nicht die Voraussetzungen für ihr eigenes Handeln mitbestimmen. Die leidvolle Erfahrung der im Nationalsozialismus jeglicher Schranken entzogenen Exekutive gebar unter der Geltung des Grundgesetzes das Schreckgespenst der „Entfesselung der Dritten Gewalt“381, das es zu vertreiben gelte.382 Daß das Szenario einer jegliche demokratische und rechtsstaatliche Grenzen überschreitenden Exekutive heute – mehr als 50 Jahre seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes – bar jeder Realität ist, braucht nicht eigens hervorgehoben zu werden. Entscheidend ist indes, daß das Grundgesetz die vollziehende Gewalt in seinem Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG als selbständige und eigenverantwortliche Gewalt mit eigenem Funktionsbereich konstituiert und legitimiert. Was notwendig ist, ist deshalb ein Perspektivenwechsel: eine Betrachtung der Verwaltungsvorschriften aus der Handlungsperspektive der Exekutive anstelle der Kontrollperspektive der Judikative.
A. Verfassungsrechtsgrundlagen der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften I. Rechtsetzungsfunktion der vollziehenden Gewalt Den Schlüssel zur Problemlösung bildet der „funktionelle Aspekt der Gewaltenteilung“383. Er ist der eigentliche Ansatzpunkt für die Bestimmung des Funk___________ und Angelpunkt der verfassungsrechtlichen Betrachtungen“ zu außenwirksamen Verwaltungsvorschriften. 379 Franßen, in: Festschrift für W. Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 429 (435). 380 So die Formulierung von F. Wagener, VVDStRL 41 (1983), S. 273 (Diskussionsbeitrag). 381 So die Formulierung von van Husen, AöR 78 (1952), 49. 382 Vgl. etwa BVerwG v. 26.3.1981, BVerwGE 62, 86 (97 ff.) – Krankenhausfinanzierung; ferner BVerwG v. 25.7.1985, BVerwGE 72, 38 (53) zum Gesetz als Mittel exekutivischer Handlungsermächtigung und Handlungsbindung. 383 Zeidler, in: Festschrift der Jur. Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg, 1986, S. 645 (650).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
tionsbereichs der Exekutive – eines Funktionsbereichs, der auch den Erlaß außenwirksamer Verwaltungsvorschriften umfaßt, wie zu zeigen sein wird.
1. Exekutiver Funktionsbereich nach dem überkommenen Gewaltenteilungsverständnis Die überkommene Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung teilt die Vorstellung von einer originären Rechtsetzungsfunktion der Exekutive indes nicht. Im Gegenteil: Sie definiert Gesetzgebung als die Setzung abstrakter Rechtssätze, Vollziehung als die konkrete Rechtsanwendung. Für die Rechtsetzung ist die Legislative berufen, für die Rechtsanwendung die Exekutive.384 Nach diesem Verständnis verbietet das Gewaltenteilungsprinzip eine außenwirksame Rechtsetzung durch Verwaltungsvorschriften.385 Denn eine unmittelbar außenwirksame Rechtsetzung, so wird behauptet, sei grundsätzlich Sache der Gesetzgebung und der Exekutive nur ausnahmsweise im Wege der Rechtsetzungsdelegation durch Rechtsverordnung gestattet.386 Das verfassungsdogmatische und -theoretische Scheitern dieses Gewaltenteilungsdenkens nachzuweisen erfordert zunächst die Freilegung seiner verfassungsgeschichtlichen Wurzeln, zumal sich die Protagonisten des populären Ge-
___________ 384 Dergestalt schematisch etwa Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 795: „Funktionentrennung besteht materiell darin, daß die materiellen Staatsfunktionen der Rechtsetzung, der Vollziehung und der Rechtsprechung grundsätzlich je einem spezifisch zur Erfüllung dieser Tätigkeit eingerichteten Organ, einer formellen Gewalt, zugewiesen sind, so daß im Idealzustand Kongruenz zwischen materieller und formeller Funktion besteht. Rechtsetzung soll also dem Parlament obliegen, Vollziehung der Exekutive, Rechtsprechung den Gerichten.“ – Exemplarisch des weiteren Imboden, Montesquieu und die Lehre von der Gewaltentrennung, 1959, S. 11: „Alles Bildhaft-Anschauliche vermeidend wird rein begrifflich zwischen generell-abstrakter und individuell-konkreter Normsetzung unterschieden. Die letztere, d. h. die Rechtsanwendung, wird sodann durch die Unterscheidung nichtstreitigen und streitigen Anordnens weiter untergliedert. Damit entsteht die Funktionendreiheit: Rechtsetzung, Verwaltung und Rechtsprechung.“ 385 Ausdrücklich etwa Lübbe-Wolff, DÖV 1987, 896 (899); Schenke, DÖV 1977, 27 (29, 31 f.); J. Wolf, DÖV 1992, 849 (856 f.). 386 So etwa Maurer, Staatsrecht I, 3. Aufl., 2003, § 17 Rn. 135 (S. 604): „Die Rechtsverordnungen von Regierungsorganen [...] sind [...] der Legislative im weiteren Sinne zuzurechnen.“; Petersen, Die Bindung Privater an Verwaltungsrichtlinien über die Vergabe von Finanzhilfen, 1980, S. 117: „[...] so ist zur Rechtsetzung [...] lediglich das Parlament legitimiert.“; jüngst Faßbender, Die Umsetzung von Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft, 2001, S. 250: Erlaß von Rechtsverordnungen als „Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung“; Nachweise dieser überkommenen Ansicht ferner bei H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 (291 f., 294).
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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waltenteilungsverständnisses auf einen historischen Klassiker der Gewaltenteilungstheorie berufen: Montesquieu.387
a) Verfassungsgeschichtliche Entwicklung des populären Gewaltenteilungsverständnisses aa) Funktionentrennung und Mischverfassung im 17. Jahrhundert Der Gewaltenteilungsgrundsatz als „grundlegendes Organisationsprinzip der modernen Verfassungen“388 entstand aus der Einmaligkeit einer konkreten historisch-geistesgeschichtlichen Epoche: dem ancien régime des 17. und 18. Jahrhunderts.389 In seiner zentralen Absicht der „modération“ der absolutistischen Herrschaftsgewalt390 nimmt es ein verfassungspolitisches Motiv auf, das bereits in der antiken Staatstheorie anzutreffen ist391 und sich in zwei Prinzipien widerspiegelt: der Funktionentrennung und der gemischten Staatsform.392 Die Unterscheidung und Trennung dreier verschiedener Staatsfunktionen – die trias politica Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung – wird zwar oft mit dem Modell der Mischverfassung – der Kombination von Monarchie, ___________ 387
So ausdrücklich etwa Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 522. – Kritisch Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 12, nach dem das Werk Montesquieus „zum größten Teil nur durch die FußnotenZitat-Tradition“ fortlebt, „nachweislich kaum verbunden durch die Kenntnis des ganzen ‚berühmten‘ 6. Kapitels des 11. Buches des ‚Esprit des Lois‘ [...], geschweige denn des philosophisch-politischen Standorts ihre(s) Schöpfer(s).“ 388 Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 13. 389 Zur Verfassungsgeschichte der modernen Gewaltenteilungslehre ausführlich Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 13 ff., 44 ff., 68 ff., 102 ff.; Kluxen, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, 1969, S. 131 ff.; Imboden, Montesquieu und die Lehre von der Gewaltentrennung, 1959, passim; H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 13 ff. 390 Vgl. Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 13; H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 21 f. 391 Über erste Spuren der Gewaltenunterscheidung im antiken Verfassungsleben siehe Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 13-17. 392 Vgl. Imboden, Montesquieu und die Lehre von der Gewaltentrennung, 1959, S. 14 ff.; H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 13-15. Das Prinzip der Funktionentrennung findet sich in der Verfassungspraxis erstmals in England im Second Agreement of the People von 1648. Den status mixtus verwirklichte diese Verfassung indes nicht. Vielmehr stellt sie die gesamte Ausübung der Staatsgewalt auf eine einheitliche (demokratische) Legitimationsgrundlage. Hierzu Gwyn, The Meaning of the Separation of Powers, 1965, S. 37-65; Vile, Constitutionalism and the Separation of Powers, 1967, S. 44 f.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Aristokratie und Demokratie – verknüpft. Beide Prinzipien liegen gleichwohl auf verschiedenen Ebenen. Die Idee des status mixtus besteht darin, die Ausübung der staatlichen Gewalt, der Souveränität, auf die verschiedenen politischen Mächte aufzuteilen und ständisch auszubalancieren. Keineswegs aber sind Funktionentrennung und Mischverfassung in dem Sinne deckungsgleich, daß jede Staatsfunktion einer Staatsform entspricht, daß also Monarch, Adel und Volk jeweils allein eine der staatlichen Funktionen übernehmen. Entscheidendes Merkmal der Mischverfassung ist daher nicht die Zuteilung jeweils einer Staats-„Gewalt“ – Gesetzgebung, Vollziehung oder Rechtsprechung – in toto an eine einzige soziale „Gewalt“, d. h. eine politische Kraft als Funktionsträger. Entscheidend ist die Aufteilung jeder einzelnen Staatsgewalt auf die verschiedenen sozialen Mächte im Sinne einer „Gewalt-Teilung“.393 Mit den Prinzipien der Funktionentrennung und Mischverfassung sind holzschnitzartig zwei Entwicklungslinien der modernen gewaltenteiligen Verfassung aufgezeigt.
bb) Gewaltenteilungslehre Lockes im 17. Jahrhundert Auf der gemischten Verfassung und der Funktionentrennung baut J. Locke (1632-1704) in seinem „Second Treatise concerning the true original, extent, and end of Civil Government“ auf. Nach J. Locke sind die Volkssouveränität und der Schutz der Freiheitsrechte der Untertanen Grundlage und Zweck des Staatswesens.394 Da Freiheit und Eigentum des Individuums durch die Volkssouveränität allein noch nicht ausreichend geschützt sind, bedarf es nach seiner Überzeugung einer gewaltenteilenden Verfassungsorganisation. Diese ist wie folgt aufgebaut: Grundlegend ist die Zweiteilung der Staatsfunktionen in Legislative und Exekutive,395 deren Unterscheidung anhand der Kriterien der generellen Norm und des individuellen Vollzugsaktes erfolgt.396 Das Verhältnis der ___________ 393 So dezidiert J. Becker, Gewaltenteilung im Gruppenstaat, 1986, S. 35 f., 67 ff.; H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 15; H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 (289); U. Lange, Der Staat 19 (1980), 213 (224). Zur unterschiedlichen Bedeutung der Begriffe „Gewalt“ und „Gewalten“ auch Küster, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, 1969, S. 1 (5 f.). 394 Locke, Two Treatises of Government, Book II (1689), in: The Works of J. Locke, vol. V, 1963, § 124 (S. 412). – Vgl. zur Ideengeschichte der Grundrechte Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl., 1997, § 1 (S. 1-23). 395 Locke, Two Treatises of Government, Book II (1689), in: The Works of J. Locke, vol. V, 1963, §§ 131, 140, 143 (S. 414 f., 422 f., 424). Die Gerichte erwähnt Locke (§ 125 [S. 412]) ebenfalls. Da sie an die von der Legislative verabschiedeten Gesetze gebunden sind (§ 131 [S. 414 f.]), können sie Rechtsschutz lediglich gegenüber Handlungen der Exekutive gewähren. 396 Locke, Two Treatises of Government, Book II (1689), in: The Works of J. Locke, vol. V, 1963, §§ 131, 135 (S. 414 f., 417 ff.).
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Gewalten untereinander ist weniger durch Koordination als durch Subordination geprägt. Getreu dem postulierten Grundsatz der Volkssouveränität liegt die höchste Staatsgewalt beim Volk. Alle anderen Gewalten stellen lediglich sogenannte „fiduciary powers“ dar, die ihre Legitimation vom Souverän ableiten.397 Dabei kommt der gesetzgebenden Gewalt innerhalb der „fiduciary powers“ ein Vorrang vor der vollziehenden zu.398 Zwar propagiert J. Locke die Trennung von Legislative und Exekutive; eine Gewaltenverbindung durch eine Personalunion zwischen den Trägern beider Gewalten soll jedoch zulässig sein, soweit der Inhaber der Exekutivfunktion nicht gleichzeitig die ungeteilte legislative Gewalt ausübt.399 In der von J. Locke bevorzugten Mischverfassung400 kann der König daher als „King in Parliament“ zugleich Spitze der Exekutive sein.
cc) Gewaltenteilungslehre Montesquieus im 18. Jahrhundert Auch Charles des Secondat Baron de la Brède et de Montesquieu (16891755) erhebt die Freiheit in seinem Werk „De l’ Esprit des Lois“ zum universellen Staatszweck schlechthin. Seinen Freiheitsbegriff, die „liberté politique“, umschreibt Montesquieu dabei nicht als demokratische Freiheit, als Freiheit zum Staat, sondern als liberale Freiheit, als Freiheit vom Staat. Sie ist das Recht, „de faire tout ce que les lois permettent“,401 und unterscheidet sich in dieser Gesetzesgebundenheit trennscharf von der „indépendance“, der Freiheit „à faire ce que l’on veut“402. Das Maß der Freiheit ist somit nicht apriorisch ___________ 397 Locke, Two Treatises of Government, Book II (1689), in: The Works of J. Locke, vol. V, 1963, §§ 132, 141, 149, 155, 219 ff., 240, 243 (S. 415 f., 423, 426 f., 430, 468 ff., 483 f., 485). 398 Locke, Two Treatises of Government, Book II (1689), in: The Works of J. Locke, vol. V, 1963, §§ 134 ff., 149 (S. 416 f., 426 f.): „[…] there can be but one supreme power, which is the legislative, to which all the rest are and must be subordinate […].“ 399 Locke, Two Treatises of Government, Book II (1689), in: The Works of J. Locke, vol. V, 1963, § 143 (S. 424). 400 Andere demgegenüber wollen in J. Locke den Vertreter eines strengen Trennungsmodells sehen (vgl. etwa Tsatsos, Zur Geschichte und Kritik der Lehre von der Gewaltenteilung, 1968, S. 31; Vile, Constitutionalism and the Separation of Powers, 1967, S. 62). Indessen erkennt J. Locke durchaus die mögliche Beteiligung verschiedener Organe an der Legislative – wie etwa des Adels oder des Monarchen – an. Im letzten Fall soll der Monarch sogar Inhaber der „höchsten Macht“ sein, allerdings nicht in seiner Eigenschaft als Träger der Exekutive, sondern als Teil der Legislative (so Locke, Two Treatises of Government, Book II [1689], in: The Works of J. Locke, vol. V, 1963, §§ 151, 152 [S. 427 f., 428 f.]). 401 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre III, § 2 (S. 167). – Hervorhebung durch den Verfasser. 402 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre III, § 1 (S. 167). – Hervorhebung durch den Verfasser.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
festgelegt, sondern obliegt der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Gesetzgebers.403 Um so mehr bedarf die Freiheit der Sicherung durch normative und faktische Vorkehrungen. Darin, in der Sicherung dieser bürgerlichen Freiheit vom Staat, ist der zentrale Gedanke im verfassungspolitischen Denken Montesquieus zu sehen. Der Garantie der „liberté politique“ dient das von ihm formulierte System der Gewaltenteilung und Gewaltenhemmung, der „modération“ der Staatsgewalt, das nicht nur eine organisatorische Sonderung, sondern auch eine organisatorische Verbindung der Gewalten erfordert.404 Ansatzpunkt der Gewaltenteilungslehre Montesquieus ist die Unterscheidung der Staatsgewalt im sachlichen und im persönlichen Sinn. Auf ihr beruht das verfassungspolitische Postulat einer funktionellen und personellen Gewaltenteilung. Funktionell trennt Montesquieu zwischen den drei Gewalten der Legislative, der Exekutive und der Judikative, die er als realpolitisch vorgegeben betrachtet. Die Legislative ist ausschließlich zum Erlaß generell-abstrakter Normen zuständig, nicht dagegen zur Vornahme von Einzelmaßnahmen.405 Der Exekutive sind die Vollziehung der Gesetze, darüber hinaus die Entscheidung über Krieg und Frieden, der völkerrechtliche Verkehr sowie die Gewährleistung der inneren Sicherheit aufgegeben.406 Die richterliche Gewalt umfaßt nur die Straf- und Zivilgerichtsbarkeit.407 Die mit der Gewaltenteilung bezweckte „modération“ der Staatsgewalt wird nach Montesquieu indes erst dann erreicht, wenn der funktionellen Gewaltentrennung auch personell getrennte Gewaltenträger entsprechen. Da die Exekutive streng an das Gesetz gebunden ist, ergibt sich eine natürliche Vorrangstellung der Legislative.408 Zum Schutz der Freiheit bedarf folglich insbesondere die Legislative einer Hemmung durch Mitwirkung verschiedener „Gewalten“. Montesquieu überträgt daher die Gesetzgebungsfunktion zu geteilter Ausübung an ein Herrenhaus (corps des nobles) und ein Repräsentantenhaus (corps qui se-
___________ 403
Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre I, Chapitre III, § 14 (S. 13). Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 41 ff. (S. 174 ff.). 405 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 30 f. (S. 172). 406 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, §§ 1 f., 36 (S. 168 f., 173). 407 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, §§ 1 f., 17, 49 (S. 168 f., 171, 176). 408 Vgl. Rehm, Allgemeine Staatslehre, 1899, S. 307; Vile, Constitutionalism and the Separation of Powers, 1967, S. 95 f.; Drath, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, 1969, S. 21 (44). 404
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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ra choisi pour représenter le peuple).409 Die Exekutivspitze wird ebenfalls an der Gesetzgebung beteiligt: ihr stehen ein Vetorecht sowie das Recht zu, die beiden Parlamentskammern einzuberufen.410 Eine Balance zwischen Herren- und Repräsentantenhaus will Montesquieu dadurch herstellen, daß die Erhebung der Steuern und die Aufstellung von Land- und Seestreitkräften allein durch das Repräsentantenhaus bewilligt werden, dem Herrenhaus dagegen nur eine „faculté d’empêcher“ zusteht.411 Die Exekutivgewalt glaubt Montesquieu am besten in den Händen eines einzelnen, dem „monarque“, aufgehoben.412 Keinesfalls darf die Exekutivfunktion der gesetzgebenden Körperschaft übertragen sein; ebensowenig ist letztere Kreationsorgan der Exekutive.413 Denn ansonsten könnte sich der „corps législatif“ alle Gewalt zuerteilen.414 Während die Person des Monarchen selbst zwar unantastbar ist, läßt Montesquieu die strafrechtliche Verfolgung seiner Minister und Berater zu.415 Im übrigen aber wird die notwendige Abhängigkeit der Exekutivträger von der Legislative allein durch den Erlaß abstrakt-genereller Gesetze verbürgt. Immerhin steht der gesetzgebenden Körperschaft ein Kontrollrecht zu, um die ordnungsgemäße Ausführung der Gesetze überwachen zu können.416 Die Stellung der Judikative im Gewaltenteilungssystem Montesquieus mutet demgegenüber eigentümlich an. Der richterlichen Gewalt kommt nach Montesquieu weder eine mitgestaltende Kraft noch eine eigene „politische Existenz“ zu. Denn der Richter ist lediglich „la bouche qui prononce les paroles de la loi“. Seine Urteile sind das Ergebnis bloß automatenhafter Subsumtion und damit nichts anderes als „un texte précis de la loi“.417 Damit sich richterliche Tätigkeit ___________ 409
Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, §§ 30, 31, 40, 41 (S. 172 f., 173, 174). 410 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, §§ 42, 52, 57 (S. 174, 176, 177). 411 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, §§ 32-35, 60 (S. 173, 177). 412 Montesquieu verlangt freilich allein Einheitlichkeit der Exekutivspitze, nicht dagegen Erblichkeit. Auch eine Präsidialrepublik wäre daher wohl mit seinem Staatsdenken vereinbar gewesen. 413 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 37 (S. 173 f.). 414 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 42 (S. 174). 415 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 46 (S. 175). 416 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 29, 44 (S. 172, 175). 417 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 17, 49 (S. 171, 176). – Nach heutiger Auffassung kommt demgegenüber der richterlichen Tätigkeit in nicht unerheblichem Umfang eine rechtsschöpferische Kraft zu. Vgl. nur § 132
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
aber ausschließlich auf die in den Gesetzen enthaltenen rationalen Maßstäbe gründet, beansprucht sie in besonderem Maße Unabhängigkeit. Träger der richterlichen Gewalt darf deshalb unter keinen Umständen ein bestimmter Stand sein. Vielmehr wird die Richterschaft aus der Gesamtbürgerschaft ausgewählt und tritt nur periodisch und nur aufgrund gesetzlicher Anordnung zusammen. Weil die Judikative somit funktionell ausschließlich rational-mechanistisch konzipiert und personell auf keine der sozialen Mächte beschränkt ist, bedarf sie im Gewaltenteilungssystem Montesquieus keiner Hemmung durch Mitwirkung anderer Gewalten.418 Lediglich in Ausnahmefällen übt die gesetzgebende Körperschaft richterliche Gewalt aus: Die „nobles“ sollen nicht durch die ordentlichen Gerichte, sondern allein durch das Herrenhaus verurteilt werden können.419 Dem Herrenhaus sind ferner alle Verstöße gegen Volksrechte und politische Strafgesetze zur Aburteilung übertragen; Ankläger ist hierbei das Repräsentantenhaus.420 Deutlich wird damit die Idee Montesquieus von der ständischen Balancierung, genauer: von der „sozialen Gewaltenteilung“421. Montesquieu fürchtete weniger die Vormachtstellung eines bestimmten Organs als vielmehr die Dominanz eines einzelnen „corps“. Demgemäß postulierte er nicht eine deckungsgleiche Zuweisung der drei Staatsfunktionen an die sozialen Mächte oder gar an verschiedene Organe. Kerngedanke seiner in der regimen mixtum-Tradition wurzelnden Theorie ist vielmehr die Beteiligung aller Stände an der Ausübung der Staatsgewalt, namentlich an der höchsten Gewalt: der Gesetzgebung.422 Die Funktionsträger sind folglich nicht nur formal, sondern inhaltlich aufgrund ihrer sozialen Stellung in der ständischen Gesellschaftsordnung bestimmt. Die Unterscheidung des „monarque“, des „corps des nobles“ und des „corps qui serat
___________ Abs. 4 GVG: „Fortbildung des Rechts“. Allgemein zur rechtsprechenden Tätigkeit der Richter Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 92 Rn. 9 ff. 418 Nur deshalb bezeichnet Montesquieu die Judikative im System der Gewalten als „invisible et nulle“ (De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 14 [S. 170]) und als „en quelque façon nulle“ (Livre XI, Chapitre VI, § 32 [S. 173]). 419 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 48 (S. 175 f.). 420 Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 50 (S. 176). 421 In Anlehnung an eine Formulierung Rehms, Allgemeine Staatslehre, 1899, S. 234: „sozial gemischte(r) Staat“. 422 Zu dieser Deutung der Montesquieuschen Gewaltenteilungslehre vgl. J. Becker, Gewaltenteilung im Gruppenstaat, 1986, S. 35 f., 67 ff.; Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 49-68; H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 18-22; H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 (289); U. Lange, Der Staat 19 (1980), 213 (224).
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choisi pour représenter le peuple“ ist Ausdruck dieser ständischen Verfassungssituation.423
dd) Gewaltenteilungsverständnis in der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts In Deutschland wird der Grundsatz der Gewaltenteilung zuerst in der Epoche des Frühkonstitutionalismus in einzelnen süddeutschen Landesverfassungen niedergelegt.424 Das aufstrebende Bürgertum begehrte während der napoléonischen Befreiungskriege sowie in der Folgezeit die Errichtung eines einheitlichen Nationalstaates und den Schutz seiner Rechte gegen die bis dahin absolutistisch regierenden Landesherrn. Dieser Schutz sollte namentlich durch das Erfordernis der Zustimmung einer gewählten Volksvertretung zu jedem Eingriff in Freiheit und Eigentum gewährleistet werden. Das Gewaltenteilungsprinzip wurde so (neben den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der parlamentarischen Repräsentation) über die frühkonstitutionellen Verfassungen in das deutsche Verfassungsrecht eingeführt.425 Zur Verdeutlichung läßt sich die Verfassung für das Königreich Württemberg vom 25. September 1819426 anführen. Oberhaupt des Staates war der König, dem Heer und Verwaltung unterstanden und der die Regierung ernannte und entließ. Zwar stand dem Monarchen damit der gesamte Exekutivapparat uneingeschränkt zu Gebote. Mit dem Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit ordnete die Verfassung freilich die strikte Gesetzesbindung der höchsten Ratgeber des Herrschers an und ermöglichte so die Verhütung und Ahndung von Rechtsverletzungen auch des Monarchen selbst. Dem König oblag ferner die Mitwirkung an der Gesetzgebung zusammen mit der parlamentarischen Vertretung des ganzen Landes. Letztere bestand aus der Kammer der Standesherrn und der Kammer der Abgeordneten, wobei lediglich die Abgeordneten der Städte und Oberamtsbezirke in der zweiten Kammer gewählt wurden. Das Parlament besaß folgende Aufgaben: Mitwirkung an der Gesetzgebung, Kontrolle der Verwaltung und die Bewilligung der Steuern. Die (Straf- und Zivil-)Gerichtsbarkeit wurde zwar im Namen des Königs ausgeübt; „innerhalb der Grenzen ihres Berufes“ (§ 93) waren die Gerichte jedoch unabhängig. ___________ 423 Zur Bedeutung des status mixtus für das Funktionieren der Gewaltenteilung vgl. Montesquieu, De l’ Esprit des Lois, 1973, Livre XI, Chapitre VI, § 68 (S. 179). 424 Den Anfang in der Verfassungsgebung des deutschen Konstitutionalismus machte das Herzogtum Nassau mit seinem Patent v. 1./2.9.1814. Vgl. E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, 2. Aufl., 1976, S. 317. 425 Vgl. Badura, Der Staat 1996, Beiheft 11, 133 (134-136). 426 Abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. I, 3. Aufl., 1978, Nr. 55, S. 187-221.
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Stellvertretend für die konstitutionellen Verfassungen anderer Staaten427 wird damit das Ziel dieser Verfassungsurkunde deutlich: die Gewährleistung einer Balance zwischen den sozialen Mächten durch die gemischte Staatsform428 – ganz im Sinne des richtig verstandenen Montesquieu.429 Weder ist dem Monarchen die Ausübung der exekutiven Gewalt ohne parlamentarische Kontrollrechte vorbehalten noch kann das Volk die gesetzgebende Gewalt ausüben, ohne daß dem Monarchen ein Mitwirkungsrecht zustünde.430 Vielmehr werden die Staatsfunktionen, insbesondere die Gesetzgebung, zur gemeinsamen Ausübung auf Monarch, Adel und Volk aufgeteilt.
ee) Populäre Gewaltenteilungslehre nach dem Wegfall der Monarchie im 20. Jahrhundert Mit dem Untergang der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg und der Schaffung des demokratischen Verfassungsstaates wurde dieses konstitutionelle Konzept der Gewaltenteilung obsolet. Entscheidendes Charakteristikum der Demokratie ist der Grundsatz der Volkssouveränität – wie er etwa in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG als verfassungsrechtliche Grundentscheidung verankert ist. Nach ihm ist alleiniger und ausschließlicher Träger der Staatsgewalt das Volk. Alle Ausübung von Staatsgewalt muß vom Volk ausgehen und wiederum dem Volk gegenüber verantwortet werden.431 Die Betonung liegt auf „alle Staatsge___________ 427 Die Einführung konstitutioneller Landesverfassungen in den deutschen Staaten des 19. Jahrhunderts wurde maßgeblich angeregt durch Art. 13 des Deutschen Bundesakte v. 8.6.1815 (abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. I, 3. Aufl., 1978, Nr. 30, S. 84 [88]): „In allen Bundesstaaten wird eine Landständische Verfassung statt finden.“ Hierzu auch Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., 2002, insb. §§ 8-11 (S. 118-176). 428 Vgl. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, 1985, S. 20; Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 62; H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 44-46; Scheuner, in: Festschrift für R. Smend, 1952, S. 253 (280 f.); W. Weber, in: Festschrift für C. Schmitt, 1959, S. 253 ff.; H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 (289). 429 Wenn bei Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., 2002, Rn. 242, 268 (S. 127, 141), dagegen anklingt, die Landesverfassung des Königsreichs Württemberg bekräftigte (auch) eine „Abwehr der Gewaltenteilung“, so kann dem zumindest nicht vorbehaltlos zugestimmt werden. Vielmehr verwirklichten die konstitutionellen Verfassungen des 19. Jahrhunderts den status mixtus gerade im Sinne der Gewaltenteilungslehre Montesquieus. Ähnlich H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 43: „(Die konstitutionelle Monarchie) gilt bisweilen noch heute als Inbegriff der echt gewaltenteiligen Verfassung.“ 430 Wäre dem so, so würde nach der Überzeugung Stahls (Staatslehre, 3. Aufl., 1856, Neudruck 1910, S. 64) gerade dadurch das Gleichgewicht der Gewalten vereitelt und der Fürst zum dienenden Werkzeug der Gesetzgebung. 431 Zur Ausgestaltung des Grundsatzes der Volkssouveränität im Grundgesetz vgl. statt vieler Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. I Rn. 33-73; Maurer,
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walt“; denn die Volkssouveränität gilt uneingeschränkt. Eine Verknüpfung mit anderen Prinzipien – etwa im Sinne der konstitutionellen Doktrin des 19. Jahrhunderts, die die extrakonstitutionelle Fürstensouveränität mit der demokratischen Mitbestimmung des Volkes verband – ist unter ihrer Geltung ausgeschlossen.432 Die Legitimationsrivalität zwischen den verschiedenen politischen und sozialen „Gewalten“, insbesondere zwischen Monarch und Volk, verschwindet damit. An ihre Stelle tritt in der Demokratie (des Grundgesetzes) das Volk als die alleinige „Gewalt“, die alle Staatsgewalt ausübt.433 Mit dem Wegfall der Ständegesellschaft verliert die Gewaltenteilung ihre ursprüngliche Motivation: die Ausbalancierung der Machtbereiche verschiedener politischer Größen, die in ihrer verfassungsrechtlichen Position voneinander unabgeleitet waren und sich selbständig gegenüberstanden. Die Gewaltenteilung in der Demokratie des Grundgesetzes bezweckt demgemäß keine „séparation des pouvoirs“ mehr, sondern organisiert die Ausübung der Staatsgewalt in einer – um mit E.-W. Böckenförde zu formulieren434 – „séparation des fonctions“. Die ausschließlich vom Volk ausgehende Staatsgewalt wird in „besondere Organe“ gegliedert, die die Staatsfunktionen ausüben. Der heutige Sprachgebrauch wird daher vornehmlich durch die Begriffe der Funktionengliederung oder Funktionenteilung geprägt.435 Damit einher entwickelte sich ein anderes Verständnis von der Gewaltenteilung bzw. der Funktionengliederung in der Demokratie. Stellvertretend für das gesamte kontinentaleuropäische Staatsrecht des 20. Jahrhunderts faßte der Schweizer Z. Giacometti die neue Deutung zusammen: ___________ Staatsrecht I, 3. Aufl., 2003, § 7 Rn. 18-65 (S. 190-210); Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 604 ff.; E.-W. Böckenförde, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 22 Rn. 2 ff. (S. 888 ff.). 432 Das Grundgesetz normiert damit einen Legitimationsmonismus, der sich gegen die Ansprüche solcher partikularen gesellschaftlichen Kräfte auf die Ausübung von Staatsgewalt richtet, welche nicht das Volk in seiner Gesamtheit repräsentieren. Das Prinzip der Volkssouveränität schließt sie als Träger der Staatsgewalt aus. Hierzu H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 (290). 433 Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 55; Ossenbühl, DÖV 1980, 545 (546 f.). 434 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 78. 435 Vgl. etwa die Monographie von Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, passim; ferner Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 55. Rechtsgeschichtlich wurden Gewaltenteilung und Funktionenlehre wohl erstmals von R. Thoma (in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 108-159) miteinander verknüpft. P. Laband (Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 4. Aufl., 1901, S. 159 ff.) und G. Jellinek (Allgemeine Staatslehre, 4. Aufl., 1922, S. 497-501, 595-624) hatten noch zwischen der Gewaltenteilung und der Einteilung der Staatsfunktionen unterschieden.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
„Das Prinzip der Trennung der Gewalten [...] geht von der Funktionenlehre im Sinne der Dreiteilung der staatlichen Gewalten, d. h. Funktionen in Rechtssetzung, das ist Setzung von Rechtssätzen, in Rechtsprechung und in Verwaltung aus, und verknüpft diese Dreiteilung mit der Forderung der Verteilung der drei staatlichen Funktionen auf drei verschiedene Organe, Legislative, Exekutive und Justiz (organisatorische Trennung), die ihrerseits aus verschiedenen Personen bestehen müssen (personelle Trennung).“436
Von dieser Umschreibung der Gewaltenteilung als überschneidungsfreie Verteilung der drei Staatsfunktionen Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung auf drei verschiedene Organe vermochte sich bislang auch das Bundesverfassungsgericht nicht zu lösen.437 Nur so versteht es sich, wenn das Bundesverfassungsgericht feststellt: „Im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu.“438 Diese Auffassung entspricht der heute wohl (noch)439 überwiegenden Interpretation von Gewaltenteilung440 und wird deshalb zu Recht als das „populäre Gewaltenteilungsverständnis“ bezeichnet441. Erklärbar wird dadurch die Beharrlichkeit, mit der der Erlaß außenwirksamer Verwaltungsvorschriften als Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz gebrandmarkt wird. Denn wenn der Gewaltenteilungsgrundsatz das Verbot des einen Organs beinhaltet, Funktionen auszuüben, die einem anderen Organ zu-
___________ 436
Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht, 1960,
S. 9 f. 437 Etwa BVerfG v. 17.7.1984, BVerfGE 67, 100 (130); v. 10.10.1972, BVerfGE 34, 52 (59); v. 27.4.1959, BVerfGE 9, 268 (279 f.); v. 28.11.1957, BVerfGE 7, 183 (188); v. 18.12.1953, BVerfGE 3, 225 (247); zur Rechtsprechung des BVerfG auch Sinemus, Der Grundsatz der Gewaltenteilung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1982, passim und insb. S. 100 ff. 438 So zuletzt BVerfG v. 17.7.1996, BVerfGE 95, 1 (15 f.). 439 Gegen das populäre Gewaltenteilungsdenken vgl. aus dem jüngeren Schrifttum v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, insb. S. 39 ff., 136 ff., 198 ff.; H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, insb. S. 43 ff., 55 ff., 62 ff., 249 ff., 263 ff.; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 185 ff. 440 Stellvertretend für viele Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. V Rn. 13 ff., 24 ff., 37 ff.; Petersen, Die Bindung Privater an Verwaltungsrichtlinien über die Vergabe von Finanzhilfen, 1980, S. 117; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 521 ff., 527 ff., 536 ff.; Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 52 ff. (S. 1013 ff.). – Zur Diskussion über das Gewaltenteilungskonzept in der Europäischen Union allgemein siehe Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 172 ff.; R. Hofmann, in: ders./Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit in Europa, 1996, S. 321 (325-328); H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 ff. 441 H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 58; H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 (291).
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gewiesen sind,442 dann muß der Erlaß außenwirksamer Verwaltungsvorschriften nach der populären Gewaltenteilungslehre die (verfassungswidrige) Wahrnehmung gesetzgeberischer Funktionen durch die vollziehende Gewalt sein. Beharrlichkeit kann gleichwohl keine Überzeugungskraft ersetzen, und an dieser mangelt es dem überkommenen Gewaltenteilungsverständnis – wie die Kritik im Folgenden bezeugen wird.
b) Verfassungsdogmatische und -theoretische Unhaltbarkeit des populären Gewaltenteilungsverständnisses Daß sich die vom überkommenen Gewaltenteilungsverständnis postulierte Überschneidungsfreiheit der Organ-Funktionen-Zuordnung gerade nicht auf Montesquieu berufen kann,443 bedarf eigentlich keines besonderen Hinweises mehr. Wie bereits erwähnt, war das Motiv der Montesquieuschen Lehre weniger die Teilung der staatlichen Funktionen, („séparation“) als die Aufteilung der jeweiligen Funktion („distribution“) auf die sozialen Mächte.
aa) Ununterscheidbarkeit von Rechtsetzung und Rechtsanwendung Entscheidend ist freilich die verfassungstheoretische (und -dogmatische) Unhaltbarkeit der populären Gewaltenteilungslehre. Indem sie jede staatliche Funktion entweder als Setzung eines abstrakten Rechtssatzes oder als dessen Anwendung im Einzelfall begreift, beraubt sie die Staatsfunktionsbegriffe jeglicher Inhalte. Das (rechtstheoretische) Verständnis der Rechtsetzung als idealtypische Aufgabe der gesetzgebenden Gewalt und der Rechtsanwendung als exklusive Aufgabe der vollziehenden Gewalt setzt indes die Unterscheidbarkeit beider Staatstätigkeiten voraus. Eben eine solche ist rechtstheoretisch unmöglich. Rechtsetzung und Rechtsanwendung erscheinen im Stufenbau der Rechtsordnung, in einer hierarchischen Ordnung, die sich als permanenter Rechtserzeugungs- und Rechtsanwendungsprozeß darstellt, in der jeder Rechtsakt eine doppelte Struktur aufweist: als rechtsetzender und als rechtsanwendender Akt zugleich.444 Zeichnen sich Rechtssätze daher keineswegs stets durch eine ab___________ 442 Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. V Rn. 6, 52 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 522, 529 f., 536-539; Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24 Rn. 53 f. (S. 1014 f.). 443 So aber ausdrücklich Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 522; aus dem älteren Schrifttum Bornhak, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., 1909, S. 58 f.; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 4. Aufl., 1922, S. 498 f.; C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 184 f. 444 Diese Erkenntnis verdankt die Rechtswissenschaft der Wiener Rechtsschule. Vgl. insbesondere Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 228-242; Merkl
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strakt-generelle Regelung aus, sondern vielmehr durch eine Normstruktur, die von „unendlicher Allgemeinheit“ bis „restloser Individualisierung“ reicht,445 ist eine Schlußfolgerung unausweichlich: Rechtsetzung und Rechtsanwendung lassen sich rechtstheoretisch nicht voneinander unterscheiden. Sie sind deshalb nicht geeignet, die Funktionsbereiche von gesetzgebender und vollziehender Gewalt abzugrenzen.
bb) Tendenz zur Errichtung eines gewaltenmonistischen Systems Hinzu kommt ein weiteres, auf das bereits von anderer Seite hingewiesen wurde.446 Degeneriert das Gewaltenteilungsprinzip zu einer reinen Zuständigkeitsregel, nach der für die Rechtsetzung die gesetzgebenden Organe, für die Rechtsanwendung die vollziehenden Organe zuständig sind, besteht die Gefahr eines latenten Gewaltenmonismus: Der Gewaltenteilungsstaat mutiert zum „Gesetzgebungsstaat“447. Denn wenn lediglich ein Organ der Form nach Rechtssätze erlassen kann, erhält dieses Organ zugleich die (Kompetenz-)Kompetenz, beliebige Materien in Rechtssätze zu fassen und dadurch nach Gutdünken über den Umfang seiner eigenen sachlichen Zuständigkeit zu bestimmen. Ein solcher Gewaltenmonismus ist dem Grundgesetz indes fremd.448
cc) Exekutive Rechtsetzung in der Verfassungswirklichkeit Die Funktionenaufteilung zwischen abstrakter Rechtsetzung und konkreter Rechtsanwendung als Angelpunkt der Gewaltenteilung ist auch verfassungsrechtlich überholt. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen einzelfallbezogenen Planungs- und Maßnahmegesetze, deren Verfassungsmäßigkeit mittlerweile als anerkannt gelten darf.449 Ohne die Fülle der exekutiven Rechtssätze wie der ___________ (1916/17/19), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 85 (99, 116, 117); ders. (1918), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 227 (232, 236, 237, 246); ders. (1931), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (443, 449, 456). 445 Merkl (1931), in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teilbd. 1, 1993, S. 437 (457). 446 Vgl. insb. H.-D. Horn, AöR 127 (2002), 427 ff.; ferner Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 219 ff. 447 Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 212, der insoweit von einer „logizistisch-juridische(n) Deformation“ der Lehre Montesquieus spricht (S. 210). 448 Vgl. nur BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (124 f.) – Kalkar; eindringlich bereits Peters, in: Festschrift für H. Huber, 1961, S. 206 (214): „Regierung und Verwaltung bedeuten eine selbständige Staatsfunktion [...].“ 449 Aus der Rechtsprechung jüngst BVerfG v. 17.7.1996, BVerfGE 95, 1 ff. – Südumfahrung Stendal; ferner K. Huber, Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963, passim;
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Rechtsverordnungen, Satzungen, Verwaltungsvorschriften oder sonstigen von der Verwaltung erlassenen Vorschriften etwa im Sozialrecht450 wäre eine Vollziehung der Gesetze schlichtweg undenkbar. Doch sogar das Gesetzgebungsverfahren im Grundgesetz wird von der Exekutive in nicht unerheblichem Maße mitgestaltet und -gesteuert. Zwar beschließt gemäß Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG der Bundestag die Bundesgesetze. In der Staatspraxis werden letztere jedoch zum weitaus größten Teil in den Ministerialverwaltungen erarbeitet451 und dann – durch Art. 76 Abs. 1 GG sanktioniert – von der Bundesregierung beim Bundestag eingebracht. Auch am weiteren Gesetzgebungsverfahren ist die Bundesregierung beteiligt (Art. 76 Abs. 2 und 3, Art. 82 Abs. 1 GG).452 Nun soll hier nicht die wichtige Bedeutung des Parlaments bei der Gesetzgebung bestritten werden.453 Deutlich wird aber, daß der Erlaß abstrakt-genereller Regelungen, anders: die Rechtsetzung, unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr allein der Legislative vorbehalten ist. Dieser Erkenntnis wird allgemein mit der These begegnet, daß der Grundsatz der Gewaltenteilung eben „nicht rein verwirklicht“ sei, sondern das Grundgesetz ausdrücklich „zahlreiche Ausnahmen und Durchbrechungen“ vorsehe.454 Funktionelle Eigenständigkeit komme den „Gewalten“ dennoch zu, da jedem Organ ein funktioneller Kernbereich zustehe, in den die anderen Organe nicht eindringen dürften.455 ___________ Zeidler, Maßnahmegesetz und „klassisches“ Gesetz, 1961, passim; Menger, VVDStRL 15 (1957), S. 3 ff.; Wehrhahn, VVDStRL 15 (1957), S. 35 ff. 450 Eine Bestandsaufnahme exekutiver Normen in der Sozialversicherung findet sich bei Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 52-148. 451 Zur Statistik Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1983-1991, Bd. 4, 1994, S. 537-546, 820-833. 452 v. Bogdandy (Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 147) begreift Gesetzgebung daher „als eine im Regelfall kooperative Funktion zwischen Regierung und Parlament, und zwar eine Kooperation unter gubernativer Hegemonie“. Ähnlich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 506 (S. 219): Gesetzgebung als Rechtsetzung durch das Parlament „und unter weitgehender Beteiligung der Exekutive über wichtigste Fragen des Gemeinwesens“. 453 Allerdings stellte der Schlußbericht der Enquête-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages (Zur Sache 3/76, S. 190) fest, „daß das Parlament vielfach zu einem ‚Ausführungsorgan‘ für die planende Regierung wird, da es mit einer wachsenden Zahl von zumeist konkrete Einzelfragen regelnden Gesetzen die Langzeitprogramme der Regierung gesetzestechnisch umsetzt.“ 454 BVerfG v. 17.7.1996, BVerfGE 95, 1 (15) – Südumfahrung Stendal; v. 10.10.1972, BVerfGE 34, 52 (59); v. 15.12.1970, BVerfGE 30, 1 (28); v. 28.11.1957, BVerfGE 7, 183 (188); v. 18.12.1953, BVerfGE 3, 225 (247); aus dem Schrifttum etwa Stettner, JöR N. F. 35 (1986), 57 (59 f.). 455 BVerfG v. 17.7.1996, BVerfGE 95, 1 (15) – Südumfahrung Stendal; v. 17.7.1984, BVerfGE 67, 100 (139); v. 10.10.1972, BVerfGE 34, 52 (59); v. 15.12.1970, BVerfGE 30, 1 (27 f.); v. 27.4.1959, BVerfGE 9, 268 (279 f.); v. 9.11.1955, BVerfGE
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Damit wird das Problem indes nur verlagert. Die Kernbereichslehre setzt einen bestimmten Inhalt der Staatsfunktionen voraus, definiert ihn aber nicht. Ohne die vorherige inhaltliche Bestimmung einer Funktion ist jedoch eine Aussage darüber, ob ein Organ jedenfalls im Kern der Träger dieser Funktion ist, unmöglich. Weder die Kernbereichslehre noch der Text des Grundgesetzes halten eine Definition der Staatsfunktionen bereit. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG unterscheidet lediglich die drei klassischen Funktionen Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung, deren Ausübung durch besondere Organe wahrgenommen wird. Mehr nicht.456 Auch der „Klassiker“ der Gewaltenteilung, Montesquieu, liefert allenfalls „dürftige Ansätze“ zu einer materiellen Funktionenlehre.457 Ist aber, wie dargetan, auch ein letzter Gegensatz zwischen Rechtsetzung und Rechtsanwendung nicht begründbar, so fällt die (substanzlose) Lehre vom Kernbereichsschutz in sich zusammen. Das populäre Gewaltenteilungsverständnis ist daher nicht geeignet, die Funktionsbereiche von Legislative und Exekutive abzugrenzen. Oder, um die Verbindung mit dem eigentlichen „Kern“ dieser Arbeit wieder herzustellen: Die überkommene Gewaltenteilungslehre vermag keine Antwort auf die Frage zu geben, ob sich der Erlaß außenwirksamer Verwaltungsvorschriften als Ausübung vollziehender Gewalt darstellt oder nicht.
2. Exekutiver Funktionsbereich nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG Was not tut, ist daher eine Überwindung der überkommenen Symbiose von Organ und Funktion, ein Neuansatz, der die ursprüngliche Werthaltigkeit des Gewaltenteilungsgrundsatzes mit den Wertvorstellungen des Grundgesetzes verknüpft.458 Ein solcher Blick zurück zu den Wurzeln des Gewaltenteilungsprinzips erhellt ein gewaltenteiliges Grundanliegen, das für die Abgrenzung der ___________ 4, 331 (346 f.); vgl. ferner Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 541 ff.; Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 94 f. 456 Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. V Rn. 39; H.-D. Horn, AöR 127 (2002), 427 (440). 457 Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, S. 54. 458 Auf die Notwendigkeit einer positivrechtlichen Fundierung der Staatsfunktionen wies bereits E. Kaufmann (Art. „Verwaltung, Verwaltungsrecht“, in: Stengel/Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3, 1914, S. 688 [695]) im Jahre 1914 hin. Er warf der überkommenen Lehre vor, sie gehe „begrifflich von psychologischen, apriorischen, materiellen Begriffen statt von positiven Rechtsbegriffen aus“. Es könne weder „an sich“ der Gesetzgebung vorbehaltene „Inhalte“ geben noch a priori feststehende, „die der Justiz ‚an sich‘ zukommen: es ist reine Sache des positiven Rechtes, ob Strafen und Verhaftungen nur vom Richter verhängt werden dürfen [...].“
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grundgesetzlichen Funktionsbereiche von Exekutive und Legislative fruchtbar gemacht werden kann: die Effizienz oder die Effektivität staatlichen Handelns, kurzum: seine Richtigkeitsgewähr.
a) Funktionale Eignung als Zuweisungskriterium der Gewaltenteilung Die Verbindung von Effizienz und Richtigkeitsgewähr des staatlichen Handelns mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz ist als solche nicht neu. Sie findet sich bereits in den Theorien antiker Philosophen.459 Die einseitige Betrachtung der Gewaltenteilung als Mittel zur Hemmung und Mäßigung staatlicher Machtausübung ließ den Richtigkeitsgedanken jedoch in den Hintergrund treten.460 Indes ist es geradezu ein selbstverständliches Ziel eines jeden Verfassungsorganisationsrechts, die verfassungsrechtlich vorgegebenen und demokratisch beschlossenen Staatsaufgaben möglichst optimal zu verwirklichen und zu diesem Zweck funktional geeignete Organe zu konstituieren.461 Diesem Gedanken entspricht es, die Gliederung der Staatsgewalt nach dem Maßstab der „funktionalen Eignung“ oder „funktionsgerechten Organstruktur“ eintreten zu lassen.462 Ansatzpunkt für die Abgrenzung der legislativen und exekutiven Gewalt sind damit nicht mehr apriorisch gewonnene Funktionenbegriffe, sondern das „richtige“ Verhältnis von Aufgabenstellung einerseits und Organstruktur andererseits.463 Den verschiedenen Organen werden die staatlichen Aufgaben zugewiesen, die ihnen nach Struktur und Legitimation entsprechen. In ___________ 459
Siehe dazu H. Seiler, Gewaltenteilung, 1994, S. 257 f. mit weiteren Nachweisen. Vgl. W. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971, S. 13 f., 58 ff. 461 Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, 1985, S. 91; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 485 f. (S. 210); Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 99 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 793; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 305. 462 Ausführlich H.-D. Horn, JöR N. F. 49 (2001), 287 (294-296). Kreiert wird der Topos wohl von Küster, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, 1969, S. 1 (7); vgl. hierzu ferner v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 40 f.; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, 1989, S. 95-103; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 526, 530 f.; Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 51 ff. und passim; v. Danwitz, Der Staat 35 (1996), 329 ff. 463 Auf einen „sinnlogischen Zusammenhang“ zwischen Organstruktur und Organfunktion weist bereits E. Kaufmann (Art. „Verwaltung, Verwaltungsrecht“, in: Stengel/Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3, 1914, S. 688 [696]) hin: „Gibt es so auch keine ‚an sich‘ den einzelnen formellen Hoheitsrechten begriffsnotwendig zukommenden Inhalte, so gibt es doch natürlich bestimmte Inhalte, die sich besonders für die Zuweisung an das eine oder andere formelle Hoheitsrecht eignen, und die daher – so sehr die Anschauungen im Laufe der Geschichte über solche Eignung geschwankt haben – heute normalerweise der Gesetzgebung, Justiz oder Verwaltung zugewiesen werden.“ 460
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt der funktionale Neuansatz erstmals in seinem Urteil zur Raketenstationierung464 zum Ausdruck: Die zu erledigenden staatlichen Aufgaben sollen „möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“.465 Kaum nachdrücklich genug kann dieser Perspektivenwechsel hervorgehoben werden: Nicht mehr die Funktion sucht sich fortan das ihr entsprechende Organ, sondern das Organ sucht sich die ihm entsprechende Aufgabe.466 Damit stellt sich aber die Anschlußfrage nach der inhaltlichen Richtigkeitsvorstellung, die das Grundgesetz davon hat, welches Organ für welche Aufgabenstellung zuständig ist.
b) Wesentlichkeit als Maßstab der Richtigkeit Die Antwort liefert die Formel, für die sich im Schrifttum467 die Bezeichnung „Wesentlichkeitsformel“ eingebürgert hat: Die grundlegenden normativen Angelegenheiten, die vom Grundgesetz offengelassen worden sind und die einer staatlichen Regelung zugänglich sind, sollen möglichst demokratisch entschieden werden; folglich ist das gesetzgebende Organ verpflichtet, diese wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.468 Hierfür bietet das Parlament die ___________ 464 465 466
BVerfG v. 18.12.1984, BVerfGE 68, 1 ff. – Raketenstationierung. BVerfG v. 18.12.1984, BVerfGE 68, 1 (86) – Raketenstationierung. In Anlehnung an eine Formulierung von H.-D. Horn, AöR 127 (2002), 427
(448). 467 Aus dem schier unüberschaubaren Schrifttum statt vieler Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 803, 812, 1003; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, insb. S. 51-146; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, insb. S. 103-165; Papier, in: V. Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 ff.; Bethge, NVwZ 1983, 577 ff.; Degenhart, DVBl. 1983, 926 (933); Dietze, DVBl. 1975, 389 ff.; Erichsen, VerwArch 69 (1978), 387 ff.; Evers, JuS 1977, 804 ff.; Falckenberg, BayVBl. 1978, 166 ff.; Gusy, JuS 1983, 189 (191); Hennecke, DÖV 1982, 696 f.; Kisker, NJW 1977, 1313 ff.; Kloepfer, JZ 1984, 685 ff.; Nevermann, VerwArch 71 (1980), 241 ff.; Niehues, DVBl. 1980, 465 ff.; Osterloh, JuS 1983, 280 (282); Pieske, DVBl. 1979, 329 ff.; Starck, DÖV 1979, 269 ff.; ders., NJW 1976, 1375 ff.; Stober, DÖV 1976, 518 ff.; Wilke, JZ 1982, 758 ff. 468 Aus der Rechtsprechung etwa BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (126 f.) – Kalkar; sowie ferner BVerfG v. 14.7.1998, BVerfGE 98, 218 (251 f.); v. 8.4.1997, BVerfGE 95, 267 (307 f.); v. 11.10.1994, BVerfGE 91, 148 (162); v. 27.11.1990, BVerfGE 83, 130 (142, 151 f.); v. 20.10.1981, BVerfGE 58, 257 (268 f.); v. 16.6.1981, BVerfGE 57, 295 (320 f.); v. 8.1.1981, BVerfGE 56, 1 (13); v. 3.6.1980, BVerfGE 54, 173 (192 f.); v. 13.6.1979, BVerfGE 51, 268 (290 f.); v. 19.4.1978, BVerfGE 48, 210 (221 f.); v. 21.12.1977, BVerfGE 47, 46 (79); v. 22.6.1977, BVerfGE 45, 400 (417 f.); v. 22.6.1977, BVerfGE 45, 393 (399); v. 27.1.1976, BVerfGE 41, 251 (259 f.); v.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
293
größtmögliche Richtigkeitsgewähr, mit anderen Worten: die „funktionsgerechte Organstruktur“.469 Wie die Wesentlichkeitslehre im einzelnen wirkt, wie sie die Funktionsbereiche der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt voneinander abgrenzt, bedarf daher einer genaueren Betrachtung.
aa) Entwicklung der Wesentlichkeitslehre Erstmals in die Rechtspraxis eingeführt wurde die „Wesentlichkeitslehre“ durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Anfang der 1970er Jahre.470 In drei grundlegenden Entscheidungen aus dem Jahre 1972 dehnte das Bundesverfassungsgericht zunächst das überkommene Vorbehaltsprinzip auf die sogenannten besonderen Gewaltverhältnisse aus. Der Hochschulbereich, der staatliche Strafvollzug und die Satzungsautonomie fachärztlicher Selbstverwaltungskörperschaften gaben den Anlaß, die Geltung der Grundrechte von ihrer Beschränkung auf das allgemeine Gewaltverhältnis zu befreien.471 Daraus erwuchs die Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Regelung der Sonderrechtsverhältnisse.472 Indes machte sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alsbald von der Konzentration auf die besonderen Gewaltverhält___________ 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (248 f.); v. 6.12.1972, BVerfGE 34, 165 (192 f.); v. 18.7.1972, BVerfGE 33, 303 (346 f.); v. 9.5.1972, BVerfGE 33, 125 (158 f., 163); BVerwG v. 7.10.1983, DVBl. 1984, 269; v. 18.5.1982, DVBl. 1982, 894 (895); v. 29.5.1981, NJW 1982, 250; v. 13.1.1982, BVerwGE 64, 308 (310 f.); v. 22.3.1979, BVerwGE 57, 360 (363 f.); v. 1.12.1978, BVerwGE 57, 130 (137 ff.); v. 14.7.1978, BVerwGE 56, 155 (157); v. 15.11.1974, BVerwGE 47, 201 (203); v. 15.11.1974, BVerwGE 47, 194 (197 f.); BayVerfGH v. 27.5.1981, NJW 1982, 1089; BayVGH v. 21.6.1982, BayVBl. 1982, 562 (563); VerfGH NRW v. 3.1.1983, DVBl. 1983, 223 (224). 469 Zur Interpretation der Wesentlichkeitslehre als verfassungsrechtliche Funktionenlehre siehe H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, insb. S. 4355, 62-64, 89 f. 470 Das Erstgeburtsrecht des Begriffs „Wesentlichkeitstheorie“ gebührt wohl Oppermann, in: v. Münch, Bes. Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1976, S. 605 (641 in Fn. 140); ders., in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages (1976), Bd. I, 1976, S. C1 (C46 mit Fn. 94, C49 mit Fn. 104). 471 BVerfG v. 18.7.1972, BVerfGE 33, 303 (346) – numerus clausus; v. 14.3.1972, BVerfGE 33, 1 (9 ff.) – Strafgefangenenurteil; v. 9.5.1972, BVerfGE 33, 125 (158 f., 163) – Facharzturteil. 472 Zum besonderen Gewaltverhältnis des Schulwesens vgl. BVerfG v. 14.7.1998, BVerfGE 98, 218 ff. – Rechtschreibreform; v. 20.10.1981, BVerfGE 58, 257 ff. – Schulausschluß; v. 13.6.1979, BVerfGE 51, 268 ff. – Schulauflösung; v. 21.12.1977, BVerfGE 47, 46 ff. – Sexualkunde; v. 22.6.1977, BVerfGE 45, 400 ff. – hessische Oberstufenreform; v. 6.12.1972, BVerfGE 34, 165 ff. – hessische Förderstufe; zum besonderen Gewaltverhältnis des Strafvollzugs vgl. BVerfG v. 28.6.1983, BVerfGE 64, 261 (286) – Hafturlaub; v. 21.6.1977, BVerfGE 45, 187 ff. – lebenslange Freiheitsstrafe; v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 ff. – Rechtsschutz im Strafvollzug.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
nisse frei. Weit darüber hinausgehend wurde der „Vorbehalt des Gesetzes [...] von seiner demokratisch-rechtsstaatlichen Funktion her auf ein neues Fundament gestellt“, so der Anspruch des Bundesverfassungsgerichts.473 Losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des Eingriffs müsse im „Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung, wie sie das Grundgesetz ist, [...] die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen“, formulierte das Gericht 1975.474 Die bislang „präziseste Definition“475 der Wesentlichkeitslehre lieferte das Bundesverfassungsgericht dann drei Jahre später in seiner KalkarEntscheidung: „Heute ist es ständige Rechtsprechung, daß der Gesetzgeber verpflichtet ist, – losgelöst vom Merkmal des ‚Eingriffs‘ – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen [...].“476
Zwar entbehrt das Kriterium des Wesentlichen eines vergleichbar präzisen Inhalts und wurde deshalb zu einem lediglich „heuristischen Begriff“ herabgestuft.477 Dennoch: die Wesentlichkeitstheorie hat – trotz zuweilen scharfer Kritik478 – auch im Schrifttum ihren Siegeszug angetreten und ist mittlerweile zu einem rechtsdogmatischen Institut gewachsen.479 Ihren funktionsrechtlichen Gehalt gilt es deshalb im Folgenden nachzuvollziehen.
___________ 473
BVerfG v. 21.12.1977, BVerfGE 47, 46 (78 f.). BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (249). 475 Zitat bei Lerche, in: HStR V, 1992, § 121 Rn. 46 in Fn. 134 (S. 767). 476 BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (126 f.) – Kalkar. Aus der ständigen Rechtsprechung vgl. ferner die oben in Fn. 468 aufgeführten Nachweise. 477 So der ehemalige Bundesverfassungsrichter Simon, in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages (1976), Bd. II, 1976, S. M108 (Diskussionsbeitrag). 478 Vgl. etwa Kisker, in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages (1976), Bd. II, 1976, S. M82 (Diskussionsbeitrag): „rechtsdogmatische Bankrotterklärung“; Oppermann, in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages (1976), Bd. II, 1976, S. M115 (Diskussionsbeitrag): „Binsenwahrheit“; Isensee, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 207 v. 6.9.1997, S. 33: Die Wesentlichkeitsformel „gehört in den Esoterik-Sektor der Jurisprudenz“; Krebs, Jura 1979, 304 (308 f.): „Leerformel“; kritisch auch A. Leisner, JZ 2002, 219 (224). Weitere Nachweise bei H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 80 in Fn. 216; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 71 in Fn. 208 f. 479 Ihre positivrechtliche Ableitung und Auffüllung findet die Wesentlichkeitslehre in der Entscheidung des Grundgesetzes für die „demokratisch-parlamentarische Staatsverfassung“ (BVerfG v. 21.12.1977, BVerfGE 47, 46 [79]; v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 [249]). 474
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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bb) Wesentlichkeitslehre als Funktionslehre Das Verständnis der Wesentlichkeitslehre als verfassungsrechtliche Funktionenlehre480 – entgegen der überkommenen Interpretation als Gesetzesvorbehalts- oder Parlamentsvorbehaltslehre481 – wird geboten durch den Wandel von der konstitutionellen Monarchie zur Weimarer Republik und von dort zur Demokratie des Grundgesetzes. Die Formel vom Vorbehalt des Gesetzes für Eingriffe in Freiheit und Eigentum diente in der Epoche des Konstitutionalismus dazu, die Rechte des Parlaments gegenüber dem Monarchen zu bestimmen und zu sichern.482 Auf der Basis der Gleichsetzung von Gesetz und Rechtssätzen war der Erlaß neuer Rechtssätze483 dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Exekutive Rechtsetzung war zwar möglich, stand aber unter dem Vorbehalt gesetzgeberischer Delegation. Ebenso bedurfte der Erlaß konkret-individueller Rechtsakte, die die Freiheitssphäre der Bürger tangierten, einer formellgesetzlichen Grundlage, mindestens in Form einer rechtssatzmäßigen Ermächtigung, die ihrerseits auf einem Parlamentsgesetz beruhte.484 Unter den Bedingungen des konstitutionellen Dualismus zwischen Monarch und Bürgergesellschaft bestand die Aufgabe des Gesetzesvorbehalts folglich darin, die Entscheidungsrechte und damit das Dürfen des Parlaments festzulegen. Übergeordnetes Leitmotiv war die Sicherung der individuellen Freiheit des Bürgers gegenüber der Willkür der Krone. In der parlamentarischen Demokratie (der Weimarer Verfassung und) des Grundgesetzes dagegen gilt der Grundsatz der Volkssouveränität, geht alle Staatsgewalt vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG). Mit dem dadurch be___________ 480 Siehe dazu H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 4355, 62-64, 89 f. 481 Jüngst etwa wieder Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 67-70 (insb. S. 67): „Die Wesentlichkeitsformel bestimmt den Parlamentsvorbehalt in dogmatischer Hinsicht neu. Dennoch halten sich die durch sie bewirkten sachlichen Veränderungen gegenüber der bisherigen Formel vom Eingriff in Freiheit und Eigentum in Grenzen.“ Ähnlich bereits früher E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 382; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 171; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 32 ff. (S. 332 ff.). 482 Zur Entstehungsgeschichte des Gesetzesvorbehalts in der Epoche des Konstitutionalismus statt vieler E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 210 ff.; ders., Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 6169; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 102 ff.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 16 ff.; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 42-63; Grimm, ZParl 1 (1970), 448-450. 483 Zur Erinnerung: Nach dem historisch-konventionellem Verständnis waren Rechtssätze solche abstrakt-generellen Regelungen, die in Freiheit und Eigentum der gewaltunterworfenen Bürger eingreifen. Siehe dazu bereits oben 2. Teil § 3 A. 484 Zum Ganzen statt vieler Thoma, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 221 (222, 229). Aus der Sekundärliteratur siehe nur die Darstellung bei Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 108 ff., 141 ff., 156 ff.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
wirkten Ende des Konflikts zwischen Monarch und Volksvertretung entfällt zugleich die entstehungsgeschichtliche Voraussetzung des Gesetzesvorbehalts. Fortan ist Aufgabe der Staatsorganisation nicht mehr die Machtverteilung zwischen den verschiedenen „Gewalten“ im Sinne von sozialen Mächten. Statt dessen geht es um die Zuweisung von Funktionen und Kompetenzen an die verschiedenen Staatsorgane, denen die Ausübung der Staatsgewalt übertragen ist.485 Ursache und Ergebnis dieses verfassungsrechtlichen Wandels ist die Festlegung des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Indem sie die Gesetzgebung und die Ausübung der vollziehenden Gewalt je gesonderten Staatsorganen zuweist, verläßt sie den Boden des Gesetzesvorbehalts. Sie regelt nicht das „Dürfen“, sondern das „Können“ und „Müssen“ der Staatsorgane: Wie der vollziehenden Gewalt jegliche Gesetzgebung von vornherein verschlossen ist, ist dem Parlament die Ausübung vollziehender Gewalt unter keinen Umständen möglich.486 Umgekehrt muß das Parlament gesetzgebende, die Regierung und Verwaltung vollziehende Gewalt ausüben. Denn als Funktionszuweisung begründet Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur Entscheidungsrechte, sondern auch Entscheidungspflichten.487 Anderenfalls wäre die tatsächliche Ausübung der verfassungsrechtlich zugewiesenen Funktionen durch die verschiedenen Verfassungsorgane nicht gewährleistet. Damit aber ist die Brücke zwischen Funktionenlehre und Wesentlichkeitstheorie geschlagen. Wenn der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die „wesentlichen Entscheidungen“ selbst treffen muß, dann bedeutet dies keine bloße Erweiterung des alten, auf Eingriffe in Freiheit und Eigentum begrenzten Gesetzesvorbehalts.488 Was vielmehr erfolgt, ist eine Inhaltsbestimmung, eine Definition der gesetzgebenden Staatsfunktion des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Soweit diese Funktion der Gesetzgebung reicht, ist eine Handlungskompetenz der Exekutive undenkbar, also auch ein Vorbehalt des Gesetzes nicht mehr möglich. Zusammenfassend auf den Punkt gebracht: ___________ 485 So auch Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 171, der allerdings die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes als Funktionenlehre auffaßt. 486 Vgl. Art. 118 Hs. 2 HessVerf: „Durch Gesetz kann der Landesregierung [...] nicht die Gesetzgebungsgewalt im ganzen oder für Teilgebiete übertragen werden.“ 487 H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 45; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 171. 488 So aber jüngst Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 67; ähnlich Degenhart, DÖV 1981, 477 (479 f.): „Erweiterung des tradierten Gesetzesvorbehaltes für Grundrechtseingriffe auf ‚grundrechtswesentliche‘ Bereiche“. Daraus folgt zugleich die Notwendigkeit eines modifizierten Verständnisses des Terminus „Parlamentsvorbehalt“. Soweit der „Parlamentsvorbehalt“ die wesentlichen und somit ausschließlich dem Parlament zustehenden Kompetenzen umschreibt, stellt er entgegen der überkommenen Meinung keinen „zum Delegationsverbot verdichteten Gesetzesvorbehalt“ (Erichsen, DVBl. 1985, 22 [27]) dar. Statt dessen füllt er den Begriff der gesetzgebenden Funktion im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG aus. Hierzu H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 55 bei Fn. 128.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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Die Wesentlichkeitslehre ist Funktionenlehre und keine Gesetzesvorbehaltslehre. Wie aber umreißt nun die Wesentlichkeitslehre den Funktionsbereich der gesetzgebenden und – kehrseitig – den der vollziehenden Gewalt?
c) Gesetzgeberischer Funktionsbereich nach der Wesentlichkeitslehre Auf den ersten Blick mag es verwundern, hier zunächst die gesetzgebende Funktion zu untersuchen, obwohl Verwaltungsvorschriften, das Thema dieser Arbeit, von der vollziehenden Gewalt erlassen werden. Indes gebietet die historische Entwicklung, den Begriff der Gesetzgebung als Ausgangspunkt für eine Bestimmung des exekutiven Funktionsbereichs zu nehmen. Genauer: die inhaltliche Entleerung des Gesetzesbegriffs seit dem Spätkonstitutionalismus.
aa) Inhaltliche Entleerung des Gesetzesbegriffs Die verfassungsgeschichtlichen Hintergründe der inhaltlichen Offenheit des Gesetzesbegriffs sind bekannt und müssen hier nicht vertieft dargestellt werden.489 Holzschnitzartig geht es um folgendes: Die frühkonstitutionelle Qualifizierung der Exekutive als „vollziehende Gewalt“ fand ihren Bezugspunkt in einem „allgemeinen“ Gesetzesbegriff, dessen Charakteristikum sein sittlich-moralischer Wert war. In der spezifischen „Allgemeinheit“ des Gesetzes, die sich in der real gegebenen oder doch zumindest möglichen Zustimmung aller Staatsbürger zum Gesetz äußerte,490 verwirklichte sich die Freiheit oder anders: die materielle Gerechtigkeit.491 Das „allgemeine“ Gesetz besaß dadurch einen sittli___________ 489 Vgl. zum Folgenden nur E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, passim; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, 1969, S. 42 ff., 98 ff., 157 ff.; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 51-63; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 71-149; Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (137-145). 490 Aus der vernunftrechtlich-idealistischen Konzeption des Frühkonstitutionalismus vgl. namentlich Kant, Metaphysik der Sitten, 1. Teil: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1798), § 46, in: Werke, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 7, 1975, S. 305 (432), nach dem „die gesetzgebende Gewalt [...] nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen“ könne. Denn es sei, „wenn jemand etwas gegen einen anderen verfügt, immer möglich, daß er ihm dadurch unrecht tue, nie aber in dem, was er über sich selbst beschließt (denn volenti non fit iniuria)“. 491 Vgl. dazu wieder Kant, Über den Gemeinspruch: das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793), S. 201 (250), in: Werke, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 9, 1975, S. 125 (153): „Denn das ist der Probierstein der Rechtmäßigkeit eines jeden öffentlichen Gesetzes. Ist nämlich dieses so beschaffen, daß ein ganzes Volk unmöglich dazu seine Einstimmung geben könnte [...], so ist es nicht gerecht; ist es aber
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
chen Rang, der der „Ausführung“ durch die vollziehende Gewalt dagegen nicht zugestanden wurde. Die frühkonstitutionelle Staatsrechtslehre vermochte daher die gesetzgebende von der vollziehenden Gewalt abzugrenzen, indem sie die „Setzung“ dieses „Allgemeinen“ und dessen „Vollziehung“ im „Besonderen“ – ihrem sittlichen Gehalt nach – unterschied.492 Mit dem Denken des spätkonstitutionellen Rechtspositivismus ging diese unmittelbare Verbindung von Recht und Moral stufenweise verloren. Konstitutives Merkmal des insoweit inhaltlich offenen Gesetzesbegriffs war seine formell verfassungstheoretische Bedeutung: die „rechtssatzschaffende Kraft“ (O. Mayer) als oberster Staatswille und der Geltungsvorrang vor allen anderen Staatsakten.493 Unter der Geltung des Grundgesetzes rückte schließlich ein formeller Gesetzesbegriff im Sinne eines bloßen Form- und Verfahrensbegriffs in den Mittelpunkt. Alleiniges Kennzeichen des Gesetzes ist lediglich das Verfahren seines Zustandekommens: Gesetz ist jeder Hoheitsakt, der vom Parlament im vom dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren erlassen wird.494 Damit ist das grundsätzliche Kriterium, das seinerzeit die Grenzziehung zwischen Legislative und Exekutive ermöglichte – die Verwirklichung der Gerechtigkeit – weggefallen. Ist eine prinzipielle Unterscheidung der beiden Gewalten nach der (konstitutionellen) Verfassungstheorie aber nicht mehr möglich, droht der Exekutive das gleiche Schicksal wie der Gesetzgebung. Aufgrund ihrer Qualifizierung als nur (gesetzes)vollziehende Gewalt wird sie angesichts eines inhaltlich leeren Gesetzesbegriffs ebenfalls inhaltlich leer. Diese verfassungstheoretische Bresche füllt nun die Wesentlichkeitslehre mit ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch aus.
___________ nur möglich, daß ein Volk dazu zusammen stimme, so ist es Pflicht, das Gesetz für gerecht zu halten [...].“ 492 Stellvertretend für viele etwa Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), §§ 273, 287 ff., 298 ff., in: Sämtliche Werke, hrsg. v. J. Hoffmeister, Bd. 12, 4. Aufl., 1955, S. 235-239, 252 ff., 259 ff.: „Der politische Staat dirimiert sich somit in die substantiellen Unterschiede: a) der Gewalt, das Allgemeine zu bestimmen und festzuhalten, – der gesetzgebenden Gewalt, b) der Subsumtion der besonderen Sphären und einzelnen Fälle [...], – der Regierungsgewalt, [...].“; L. v. Stein, Die Verwaltungslehre, Erster Theil, Erste Abtheilung, 2. Aufl., 1869, S. 86: „Daß es daneben“ – neben dem Gesetz – „auch Verordnungen geben solle, ist [...] nur eine wesentlich praktische Forderung.“ 493 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924, S. 64 ff., 73 ff. 494 So etwa Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, 1969, S. 278-291; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 156 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 21-23 mit weiteren Nachweisen; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 568, 570 mit weiteren Nachweisen; Achterberg, DÖV 1973, 289 (297); Degenhart, DÖV 1981, 477.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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bb) Inhaltliche Neubestimmung des Gesetzesbegriffs Die Wesentlichkeitslehre stellt den Begriff der gesetzgebenden Staatsfunktion in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf ein neues inhaltliches Fundament, indem sie die Struktur und Leistungsfähigkeit des Gesetzgebers und des Gesetzgebungsverfahrens mit der Funktionenlehre verbindet. Aufgegriffen wird damit die frühkonstitutionelle Korrelation von Gesetzesform und Gesetzesinhalt, freilich im umgekehrten Entsprechensverhältnis. Entsprach früher das Verfahren und die Form dem Inhalt, entspricht heute der Inhalt dem Verfahren und der Form.495 Was also geschieht, ist eine Umkehrung der Perspektive: „Nicht der Inhalt sucht sich seine Form, sondern die über der inhaltlichen Entleerung des Gesetzesbegriffs erhalten gebliebene Form sucht sich (wieder) den ihr angemessenen Inhalt.“496 Das besondere Leistungsprofil des Gesetzgebers497 zeichnet sich nun zuvörderst durch seine unmittelbare demokratische Legitimation und pluralistische Zusammensetzung aus. Des weiteren gewährleistet das Gesetzgebungsverfahren eine gewisse inhaltliche Güte und Ausgewogenheit des aus ihm hervorgehenden Gesetzes.498 Hierzu gehört, daß einerseits das Gesetzgebungsverfahren durch Mehrheitsbeschluß beendet wird (Art. 42 Abs. 2 GG) und so eine Majorisierung durch eine Minderheit vermieden wird. Andererseits bewirken der Öffentlichkeitsgrundsatz (Art. 42 Abs. 1 GG), die Diskussion bereits der Gesetzesvorlage (Art. 76 Abs. 2 und 3 GG), die permanente Beratung auch im weiteren Verfahren, die Dialektik zwischen Regierungsmehrheit und Opposition sowie die zahl-
___________ 495 Grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 484 ff. (S. 210 ff.); seinen Ansatz weiterentwickelnd H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 59 f.; zur Schlußfolgerung vom Gesetzgebungsverfahren auf den Gesetzesinhalt bereits Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 169-175 (169, Überschrift zu § 33): „Bedeutung des Verfahrens für den Inhalt des Gesetzes“; Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 256-264. 496 Formulierung bei E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 384. 497 Zur Leistungsfähigkeit des Gesetzgebers v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 87-100, 199-207; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, 1969, S. 282 ff.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 157-163, 169-175; Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 249266. 498 Zur Legitimation durch Verfahren grundlegend Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 3. Aufl., 1978, passim, der das Gesetzgebungsverfahren allerdings nur im Hinblick auf seine legitimatorische, nicht dagegen auf seine funktionale und kompetenzielle Relevanz untersucht. Eine eingehende Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens, auf die hier verzichtet werden muß, findet sich bei Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, 1971, S. 49 ff.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
reichen Minderheitenrechte499, daß die Interessen breiter Kreise ausgleichend in die Entscheidungsfindung miteinfließen.500 Diese Qualitäten des Gesetzgebers verknüpft der Topos der „Funktionsgerechtigkeit“ mit dem Begriff des Gesetzes:501 Weil der Gesetzgeber unmittelbar demokratisch legitimiert ist und weil das Gesetzgebungsverfahren demokratisch ausgestaltet ist, bietet das Parlament die größtmögliche Gewähr502 für eine „möglichst richtige“, will heißen „möglichst demokratische“ Entscheidung der grundlegenden Fragen des Gemeinwesens.503 Daraus folgt unabwendbar: Die (Mindest-)Funktion der Gesetzgebung ist die Entscheidung der grundlegenden normativen, der „wesentlichen“ Angelegenheiten, die vom Grundgesetz offen gelassen worden sind und die einer staatlichen Regelung zugänglich sind.
d) Exekutiver Funktionsbereich nach der Wesentlichkeitslehre Erst jetzt wird die funktionale Bestimmung der vollziehenden Gewalt möglich. Sie ergibt sich aus der Wesentlichkeitslehre, die als Funktionenlehre auch den Funktionsbereich der vollziehenden Gewalt festschreibt: Während der Gesetzgeber nach der Wesentlichkeitslehre (mindestens) die wesentlichen Fragen
___________ 499 Dazu nur Badura, in: HStR I, 1987, § 23 Rn. 18 (S. 962 f.); v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 94: „Parlamentsrecht ist zu einem gewichtigen Teil Minderheitenrecht [...].“ 500 Sein ausgleichender Entscheidungsprozeß rechtfertigt die Bezeichnung des Parlaments als „Hüter des Gemeinwohls gegenüber Gruppeninteressen“ (BVerfG v. 9.5.1972, BVerfGE 33, 125 [159]); zur „Gemeinwohlrichtigkeit der Gesetzgebung näher Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umweltund Technikrecht, 1990, Rn. 115 (S. 121). 501 Die „Funktionsgerechtigkeit“ als solche ist lediglich ein „inhaltsleerer Platzhalter“ (H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 60 in Fn. 148). Sie findet ihren einzigen Sinn darin, die legitimatorischen und prozeduralen Elemente des Gesetzgebungsverfahrens für den Begriff der Gesetzgebung fruchtbar zu machen. Zur „Funktion“ des Topos „Funktionsgerechtigkeit“ vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 59 f. mit Fn. 147 f.; ferner v. Danwitz, Der Staat 35 (1996), 329 ff. 502 Mit anderen Worten: die „funktionsgerechte Organstruktur“. 503 Über den Begriffsinhalt der gesetzgebenden Funktion etwa Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, insb. S. 8-97; E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 381 f., 391 f.; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 9-24, 171-212; H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 55-62; Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 20 ff.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 157-175; Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 249-266.
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des Gemeinwesens zu entscheiden hat, ist der Exekutive kehrseitig die Funktion zur Regelung von nicht- oder unwesentlichen Sachfragen zugewiesen.504 Allein die Lösung des Wesentlichkeitskriteriums von der Vorbehaltsfrage und sein Verständnis als vorgelagerte Funktionenlehre sind der Schlüssel für die Anerkennung einer Exekutivfunktion für nicht-wesentliche Rechtsetzung. Sie bedingen eine verfassungsunmittelbare, also nicht vom Gesetzgeber delegierte und abgeleitete Rechtsetzungsgewalt der Exekutive.505 Unter dem Grundgesetz ist der Bereich der Rechtsetzung daher nicht ausschließlich der Legislative zugewiesen, sondern zwischen Legislative und Exekutive zur kooperativen Erledigung aufgeteilt.506 Für die (gesetzesvertretenden) Verwaltungsvorschriften bedeutet dies – soviel sei vorweggenommen: Die Exekutive kann „außenwirksa___________ 504 Nach Chr. Seiler (Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 229) besagt der Umkehrschluß aus der Wesentlichkeitslehre dagegen nur, „daß die vom Gesetzgeber nicht zu beantwortenden Fragen in den aus exekutivem und judikativem Funktionsbereich zusammen gebildeten Rahmen nichtgesetzgeberischer Staatstätigkeit fallen“. Über die Aufgabenverteilung zwischen vollziehender und rechtsprechender Gewalt sei damit aber noch nicht entschieden. Damit verkennt Chr. Seiler freilich den Zusammenhang zwischen der Wesentlichkeitslehre und dem staatlichen Gewaltenteilungssystem. Letzteres ist verfassungsgeschichtlich vornehmlich durch das Verhältnis der beiden gestaltenden Staatsfunktionen Legislative und Exekutive bestimmt und gewinnt seine verfassungstheoretische Bedeutung als Organisationsform allein der politischen Staatlichkeit. Die Rechtsprechung dagegen ist durch die Verfassung ausdrücklich von der politischen Staatsleitung ausgeschlossen und funktional der kontrollierenden Rechtlichkeit verpflichtet. Vgl. dazu bereits C. Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., 1928, S. 184 f. mit Fn. 1. Es ist das Verdienst H.-D. Horns, diese Schlußfolgerung erstmals in solcher Deutlichkeit gezogen zu haben. Vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 62-64; Anhaltspunkte ebenfalls bereits bei Kisker, NJW 1977, 1313 (1318 in Fn. 36). – Ebenfalls nicht durchzudringen vermag daher die Kritik von A. Leisner (JZ 2002, 219 [224]). Sie betrachtet den gezogenen Umkehrschluß zur Wesentlichkeitslehre nicht als zwingend. Denn der Gesetzgeber habe „ohne weiteres“ die Möglichkeit, nichtwesentliche Fragen durch Gesetz zu regeln. Über das Problem, welche Befugnisse der Exekutive zustehen, wenn die Legislative nicht tätig wird, sage die Wesentlichkeitslehre aber nichts aus. Sie ziehe dem Zugriffsrecht des Gesetzgebers auf Regelungen nichtwesentlicher Bereiche nämlich gerade keine Schranke. Indes erhebt die Wesentlichkeitslehre nicht den Anspruch, die Befugnisse der Exekutive zu bestimmen. Als reine Funktionenlehre betrifft sie auschließlich das Problem des rechtlichen „Könnens“. Die insoweit nachgelagerte Frage des „Dürfens“, mit anderen Worten: der Kompetenz der vollziehenden Gewalt ist dagegen Thema der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes. Zur Differenzierung zwischen Wesentlichkeitskriterium und Gesetzesvorbehalt sogleich im Text und sub 4. Teil § 8 A. II. 2. a). 505 Ebenso Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 50, 60 (S. 342, 345 f.), § 64 Rn. 16 (S. 394), § 65 Rn. 12 f., 65 (S. 432, 457); ders., ZG 1997, 305 (318-320); dagegen ders., DVBl. 1999, 1 (6 f.); W. Loschelder, in: HStR V, 1992, § 123 Rn. 59-61 (S. 831 f.); Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für K. Vogel, 2000, S. 477 (479-484); v. Danwitz, DVBl. 1998, 928 (931 f.). 506 Ähnlich für den Bereich der Gesetzgebung v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 147: „Gesetzgebung als eine im Regelfall kooperative Funktion zwischen Regierung und Parlament, und zwar eine Kooperation unter gubernativer Hegemonie“.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
me“ Verwaltungsvorschriften erlassen. Eines muß allerdings hervorgehoben werden. Den Begriffen „außen“ und „innen“ kommt unter der Wesentlichkeitslehre allenfalls noch deklaratorische Bedeutung zu. Denn die Staatsfunktionen werden fortan durch die aus der Gesetzgebungsperspektive zu treffende Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zugleich abgegrenzt und konstituiert; die Differenzierung zwischen Außen- und Innenrechtssatz dagegen hat ausgedient.507 Aber auch innerhalb des Wesentlichkeitsbereichs existieren Zonen exekutiver Eigenständigkeit, die durch den Erlaß „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften ausgefüllt werden können. Erklärbar wird diese Rechtslage durch die zweifache verfassungsdogmatische Funktion der Wesentlichkeitstheorie. Sie liegt zum einen darin, daß für die wesentlichen Rechtsverhältnisse und Lebensbereiche, für die die Wesentlichkeitstheorie ihren Geltungsanspruch erhebt, eine Selbstentscheidungspflicht des Gesetzgebers begründet wird. Zum anderen ist es die Aufgabe der Wesentlichkeitslehre, den Funktionsbereich der Gesetzgebung nicht nur gegenständlich, sondern auch umfangmäßig zu bestimmen. Indem die Wesentlichkeitslehre fordert, daß in wesentlichen Bereichen die wesentlichen Regelungen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen, erstreckt sich der Gesetzgebungsbegriff umfangmäßig nicht auf jedwede Regelung in diesen Bereichen, sondern eben nur auf die „wesentlichen“.508 In umgekehrter Richtung unterfallen folgerichtig die nicht-wesentlichen Regelungen wesentlicher Bereiche der Funktion der vollziehenden Gewalt.509 Liegt daher ein Gesetz vor, welches seinerseits den Bestimmtheitsanforderungen der Wesentlichkeitslehre genügt,510 obliegt der Exekutive die Gestaltung der nichtwesentlichen Fragen, die das Gesetz offengelassen hat.511 ___________ 507 Ebenso E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 378-381; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 13 (S. 432 f.). 508 Ebenso E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 390 f.; zum Bestimmtheitsgebot der Wesentlichkeitslehre siehe BVerfG v. 27.11.1990, BVerfGE 83, 130 (152); Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 136-148; Bauer, DÖV 1983, 53 (57 f.); Kloepfer, JZ 1984, 685 (691 f.). 509 E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 392; H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 71 f.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, Rn. 4/39 (S. 175 f.); im Ergebnis ferner Magiera, Der Staat 13 (1974), 1 (24). 510 Die sich sogleich in den Vordergrund drängende Frage nach dem Verhältnis des Bestimmtheitsgebots der Wesentlichkeitslehre zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG soll an dieser Stelle nur am Rande gestreift werden. Während Busch (Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 113 ff., 132 ff.) die Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG als eine den Wesentlichkeitsvorbehalt verdrängende Sonderregelung qualifiziert, sieht die überwiegende Ansicht in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG eine Bekräftigung des Bestimmtheitsgebots der Wesentlichkeitslehre. Vgl. etwa E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 392,
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Daraus folgt zugleich und unabwendbar der mögliche Regelungsgehalt von Verwaltungsvorschriften – und Rechtsverordnungen. Die Gemeinsamkeit beider Handlungsformen in gegenständlicher Hinsicht besteht in ihrer Inhaltsgleichheit, d. h. ihrer Beschränkung auf die Regelung nicht-wesentlicher Sachmaterien. In keinem Fall kann daher eine Regelung durch Rechtsverordnung den Anforderungen der Wesentlichkeitslehre genügen, während eine Verwaltungsvorschrift gleichen Inhalts dies nicht tut. Der mögliche Inhalt von Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung ist nach der Wesentlichkeitslehre vielmehr identisch.512 ___________ 393 f., 395; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 86-95. Siehe ferner bereits oben 4. Teil § 7 G. II. 2. 511 Wird in diesem Zusammenhang von „gesetzesabhängiger Verwaltung“ gesprochen (etwa E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 393; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, Rn. 4/40 [S. 176]: „gesetzesdirigierte Verwaltung“; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 50 [S. 342], § 64 Rn. 16 [S. 394]), so gilt es sich zu vergegenwärtigen, daß das in Bezug genommene Gesetz keinerlei Ermächtigungsfunktion erfüllt. Zur materiell- und verfahrensrechtlichen Bedeutung des zu vollziehenden Gesetzes für die rechtsetzende Exekutive siehe unten 4. Teil § 8 A. II. Auch der Erlaß („außenwirksamer“) gesetzesakzessorischer Verwaltungsvorschriften ist daher kein Problem der Rechtsetzungsdelegation, sondern des Grundsatzes vom Vorrang des Gesetzes. Vgl. H.-D. Horn, Die grund-rechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 72 gegen die Vertreter der sogenannten „normativen Ermächtigungslehre“ (zu dieser insbesondere Schmidt-Aßmann [2003], in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 185 ff.). 512 Ausdrücklich bereits Selmer, JuS 1968, 489 (492): „Diese (Richtlinien) unterscheiden sich in ihrem Inhalt zum großen Teil durch nichts von Rechtsverordnungen [...].“; ferner Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 220, 221: „paralleler Anwendungsbereich“. – Die gegenteilige Auffassung will die Wesentlichkeitslehre auch für eine inhaltliche Abgrenzung von Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung heranziehen. Sie läuft im Ergebnis auf die Einführung eines weiteren, zwischen nicht-wesentlich und rechtlich irrelevant angesiedelten Unterscheidungskriteriums hinaus. So etwa Maurer, Staatsrecht I, 3. Aufl., 2003, § 8 Rn. 21 (S. 221): „Je nach dem Grad der Wesentlichkeit besteht eine Stufenfolge von ganz wesentlichen Angelegenheiten, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln muß, über weniger, aber doch noch wesentliche Angelegenheiten, die aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung durch Rechtsverordnung (Art. 80 I 2 GG) geregelt werden können, bis zu den nicht mehr wesentlichen Angelegenheiten, die von der Verwaltung selbst (etwa durch Verwaltungsvorschriften) geregelt werden können.“; ebenso v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 175 mit Fn. 102; ähnliche Überlegungen auch bei Kloepfer, JZ 1984, 685 (692). – Überzeugen kann diese Lehre freilich nicht. Auch der geringfügige Grundrechtseingriff (wie etwa das vielzitierte Beispiel eines Bußgeldes von nur 5,- EUR) unterfällt dem Wesentlichkeitsvorbehalt und bedarf einer parlamentsgesetzlichen Regelung. Im übrigen verkennt den Charakter der Wesentlichkeitslehre als Funktionenlehre, wer das Wesentlichkeitskriterium für die Unterscheidung exekutiver Handlungsformen fruchtbar machen will. Gewiß, indem die Wesentlichkeitslehre das Wesentliche an einer Regelung der gesetzgebenden Gewalt zuweist, bestimmt sie zugleich den (Mindest-)inhalt des Gesetzes mit. Dennoch: durch die Trennung des Wesentlichen vom Nicht-Wesentlichen trennt und konstituiert die Wesentlichkeitstheorie allein die Funktionen von Legislative und Exekutive, ohne innerhalb der vollziehenden Gewalt weitere Bereiche
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Das damit erreichte erste Zwischenziel dieses Kapitels ist wie folgt zu umschreiben: Die Wesentlichkeitslehre schafft von Verfassungs wegen eine originäre, d. h. eine nicht vom Gesetzgeber abgeleitete Rechtsetzungsgewalt der Exekutive für nicht-wesentliche Materien.513 Der Erlaß „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften stellt sich als Emanation dieser exekutiven Rechtsetzungs___________ abzuschichten. Alles andere führte zur Annahme eines Vorbehalts exekutivischer Rechtsverordnung, die indes unhaltbar ist (so auch statt vieler Herzog [1980], in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 51 in Fn. 3: „in sich völlig absurd“; oder Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 32 a. E.: „offensichtlich falsch“). 513 Hier bietet sich die Gelegenheit, kurz auf die Maßstäbe der „Wesentlichkeit“ einzugehen, sieht sich doch die praktische Tauglichkeit des Wesentlichkeitskriteriums starken Zweifeln ausgesetzt (vgl. statt vieler Kisker, NJW 1977, 1313 [1317]: „fatale Rechtsunsicherheit“; Krebs, Jura 1979, 304 (308 f.): „Leerformel“; weitere Nachweise bei H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 80 in Fn. 216). Ausgangspunkt einer Präzisierung der Wesentlichkeitstheorie ist ihre Verankerung in der „demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung“ (etwa BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 [249]), durch die sie ihren rechtsdogmatischen Rang und Aussagegehalt erhält. Letzterer besteht weniger in der negativen Trennung und Hemmung als in der positiven Konstituierung und Zuordnung der einzelnen Staatsfunktionen des Gemeinwesens insgesamt. Bestimmungsparameter des „Wesentlichen“ ist daher das für die Steuerung des Gemeinwesens Grundsätzliche und die dahingehende politische Verantwortung des Parlaments. Dies führt zum eigentlichen Leitgedanken der Wesentlichkeitslehre: die Sicherung der politischen Führungsaufgabe des Gesetzgebers und seiner Teilhabe an der Staatsleitung (vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 80: „Die politische Teilhabe als Grund“ der Wesentlichkeit; ferner Kloepfer, in: Hill, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 187 [211]; Papier, in: V. Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 [37 f.]; Erbguth, VerwArch 86 [1995], 327 [338-344]). Damit ist indes nur eine erste Grundlegung, indes noch keine Spezifizierung des an sich unspezifischen Wesentlichkeitskriteriums erreicht. Sie erfolgt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vornehmlich durch die Rückbindung an die Grundrechte. „Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet [...] ‚wesentlich‘ in der Regel ‚wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte‘ [...].“ (BVerfG v. 21.12.1977, BVerfGE 47, 46 [79]). Mit anderen Worten: Die „Grundrechtsrelevanz“ einer Maßnahme bedingt immer ihre „Wesentlichkeit“. Erst jene Wesentlichkeit ist es, die eine grundrechtsrelevante Maßnahme dem Gesetzgeber zuweist. Zur Funktion der Gesetzgebung unter dem Grundgesetz gehören mithin sämtliche Formen staatlichen Handelns in grundrechtlich relevanten Bereichen, losgelöst von ihrem eingreifenden, leistenden oder gestaltenden Charakter (vgl. ausführlich H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 85 f.). Etwas anderes gilt nur für die Fälle, in denen das Grundgesetz ausdrücklich Grundrechtseinschränkungen auch ohne gesetzliche Grundlage erlaubt (vgl. z. B. Art. 13 Abs. 3 Hs. 1 GG). Zur Erinnerung und Klarstellung sei in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von der Grundrechtsrelevanz als solcher und der Intensität der Grundrechtsrelevanz angeführt: Während die erste stets eine Grenzziehung zwischen dem Wesentlichen und dem Nicht-Wesentlichen bewirkt, sich also auf das „Ob“ der parlamentarischen Zugriffspflicht bezieht, bestimmt die zweite die erforderliche gesetzliche Regelungsdichte (anders Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 40 [S. 336], der zwischen wesentlichen und unwesentlichen Eingriffen unterscheidet; dagegen zu Recht H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 85 mit Fn. 239).
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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funktion dar.514 Anders: Die vollziehende Gewalt kann Verwaltungsvorschriften mit „Außenwirkung“ erlassen. Die Frage ist nur, wann sie dies darf.515
II. Rechtsetzungskompetenz der vollziehenden Gewalt Die Fähigkeit der Exekutive zum Erlaß „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften (mit nicht-wesentlichem Inhalt) verdichtet sich dann zur Befugnis, wenn ihr nicht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der vollziehenden Gewalt entgegensteht.516 Trotz ihrer verfassungsunmittelbaren Rechtsetzungsgewalt bleibt die Exekutive dadurch eine jederzeit durch Gesetz beschränkbare und bindbare Staatsfunktion.517
1. Gesetzesvorrang Seine erste Ausprägung findet der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, genauer: der Gesetzmäßigkeit der vollziehenden Gewalt im Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes. Dieser Gesetzesvorrang, auch als „negative Ge-
___________ 514 Damit wird die Frage nach dem Verhältnis zwischen exekutivischer Rechtsetzungsfunktion und Sachleitungsgewalt virulent. Die Antwort ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Sachleitungsgewalt. Als Strukturelement der hierarchischen Verwaltungsorganisation soll sie die Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns sichern, Vorsorge für die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidungen treffen und den Einfluß der übergeordneten Verwaltungsinstanzen auf die Amtswalter gewährleisten. Die Sachleitungsgewalt setzt folglich voraus, daß die vollziehende Gewalt handeln kann (und darf). Sie endet damit dort, wo die grundgesetzliche Funktionenordnung der Exekutive die Regelung bestimmter Materien vorenthält. – Ähnlich Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 268 f., der allerdings unzutreffend den Vorbehalt des Gesetzes mit der Funktion der vollziehenden Gewalt vermengt. 515 Daß das „Können“ dem „Dürfen“ vorgelagert ist, wurde bereits dargetan (siehe oben 4. Teil § 8 A. I. 2 b) bb). Dementsprechend impliziert die Handlungsfähigkeit der Exekutive, nicht-wesentliche Rechtsnormen zu erlassen, nicht ohne weiteres ihre Handlungsbefugnis dazu (so aber E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 395). 516 Vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 65 f. unter spezieller Bezugnahme auf ein originäres Verordnungsrecht der Exekutive. 517 Zur hier nicht näher zu behandelnden Frage, ob dem gesetzgeberischen Zugriffsrecht Grenzen in Form eines „Verwaltungsvorbehalts“ gezogen sind vgl. insbesondere Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135-171; Schnapp, VVDStRL 43 (1985), S. 172-201; Oldiges, VVDStRL 43 (1985), S. 216 (Diskussionsbeitrag); des weiteren Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, 1979, S. 222-231; M. Schröder, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 67 Rn. 22-27 (S. 510-513); Degenhart, NJW 1984, 2184 ff.; Stettner, DÖV 1984, 611 ff.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
setzmäßigkeit“518 bezeichnet, hat seine positivrechtliche Verankerung in Art. 20 Abs. 3 GG gefunden. Er verpflichtet die vollziehende Gewalt (und die Rechtsprechung) auf die bestehenden Gesetze.519 Auch beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften ist der Exekutive folglich ein Verstoß gegen das Gesetz untersagt.520 Demgegenüber lehnt H. H. Rupp bekanntlich die Geltung des Gesetzesvorrangs für die Verwaltungsvorschriften ab. Weil Gesetze „Außenrechtssätze“ seien, fänden sie keine unmittelbare Geltung in der Organwaltersphäre. Die gesetzlichen Regelungen müßten deshalb erst durch bestimmte Normen des Innenrechts in den Organwalterbereich transformiert werden, wobei sie ihren Vorrang verlören. Als Folge dieses Rangverlusts ergebe sich, daß eine gesetzesinkongruente Verwaltungsvorschrift nicht als rechtswidrig qualifiziert werden könne, sondern nunmehr dem zu Innenrecht gewordenen (Außen-)Recht vorgehe.521 Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt indes, wie dargetan, in der Relativität der Rechtsordnung. Auf der beamtenrechtlichen Ebene handelt der Amtswalter nach erfolgloser Remonstration in der Tat gegenüber seinem Vorgesetzten rechtmäßig, wenn er eine gesetzesdivergente Verwaltungsvorschrift vollzieht. Im Staat-Bürger-Verhältnis dagegen bleibt die aufgrund der Verwaltungsvorschrift getroffene Verwaltungsmaßnahme dem Bürger gegenüber rechtswidrig. Die beamtenrechtliche Freistellung des Amtswalters von seiner Verantwortlichkeit bedeutet daher keine Einschränkung des verfassungsrechtlich fundierten Gesetzesvorrangs bei Verwaltungsvorschriften. Sie kann dies auch nicht; denn Art. 20 Abs. 3 GG bindet ebenfalls den Verwaltungsvorschriftengeber.522
___________ 518
Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 3 (S. 113); Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 803; H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 30 Rn. 5 ff. (S. 428 ff.). 519 Statt vieler Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 257 (S. 74 f.); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 55 (S. 13 f.); ders., Jura 2002, 235. 520 Der Begriff des Gesetzes in Art. 20 Abs. 3 GG bezeichnet, wie dargetan, allein das Parlamentsgesetz. Ein weiter Gesetzesbegriff, der auch die übrigen traditionellen Rechtsquellen umfaßt, ist abzulehnen. Vgl. dazu oben 2. Teil § 3 B. II. 3. Unzutreffend daher v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 166; Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 77; richtig dagegen Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996, S. 189. 521 Zum Ganzen Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 48 f., 55 f., 61 f., 65 f. 522 Nochmals zum ganzen oben 3. Teil § 5 B. I. 2.
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Festzuhalten ist daher: Die Beachtung des Vorrangs des Gesetzes523 ist eine notwendige Bedingung für die exekutivische Befugnis zur Rechtsetzung durch Verwaltungsvorschriften.
2. Gesetzesvorbehalt a) Gesetzesvorbehalt und Kompetenzverteilung Vorläufig verwehrt ist der Exekutive ferner der Erlaß von Verwaltungsvorschriften (und Rechtsverordnungen), falls die zu regelnden Sachmaterien einem sogenannten Gesetzesvorbehalt unterfallen. Dieser Vorbehalt des Gesetzes, die „positive Gesetzmäßigkeit“524, ist die zweite Konkretisierung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes.525 Nach ihm ist der Exekutive ein Tätigwerden verboten, soweit und solange es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Umgekehrt impliziert der Vorbehalt zugleich das Gebot, im Vorbehaltsbereich gesetzloses Handeln zu unterlassen.526 Regelungsthema des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes ist folglich die Kompetenzverteilung im Verhältnis von Legislative und Exekutive.527 ___________ 523
Der Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes bedingt sowohl das Gebot, die bestehenden Gesetze anzuwenden und auszuführen, als auch das Verbot, von ihnen abzuweichen. Hierzu Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 4 (S. 317 f.). 524 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 3 (S. 113); Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 805; H. J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl., 1999, § 30 Rn. 15 (S. 434 f.). 525 Die unterschiedlichen verfassungsgeschichtlichen Bedeutungsinhalte des Gesetzmäßigkeitsprinzips und des Gesetzesvorbehalts wurden erstmals durch die Begriffsbildung O. Mayers, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1. Aufl., 1895, S. 74 f., nivelliert, der mit dem „Vorbehalt des Gesetzes“ genau das umschrieb, was zuvor als Gesetzmäßigkeitsprinzip gerade dem Vorbehalt des Gesetzes gegenübergestellt worden war. Dazu vertieft Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 57-60. 526 So auch Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 259 (S. 75); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 59 (S. 14); ders., Jura 2002, 235 (236); H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 28; anders dagegen exemplarisch Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 3 (S. 113); und Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 62, die formulieren, der Gesetzesvorbehalt verlange eine gesetzliche Grundlage für das Verwaltungshandeln. Übersehen wird dabei aber, daß der Gesetzesvorbehalt das Verwaltungshandeln nicht schlechthin, sondern nur bezüglich des vorbehaltenen Bereichs vorläufig sperrt. 527 Demgemäß genügt dem Gesetzesvorbehalt nicht schon jede Rechtsnorm. Wie auch beim Vorrang des Gesetzes bildet vielmehr allein das Parlamentsgesetz seinen Bezugspunkt. So auch Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 51 in Fn. 3; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 111. Dagegen Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundrechtliche Demokratieprinzip, 1973, S. 30-32.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Hergeleitet wird das Vorbehaltsprinzip verschiedentlich aus Art. 20 Abs. 3 GG.528 Freilich läßt sich Art. 20 Abs. 3 GG unmittelbar lediglich die Bindung der vollziehenden Gewalt an bestehende Gesetze, mithin der Vorrang des Gesetzes entnehmen.529 Doch auch eine mittelbare Ableitung scheidet aus. Insbesondere die Argumentation der gegenteiligen Auffassung, der Vorrang des Gesetzes in Art. 20 Abs. 3 GG setze zwingend einen Vorbehalt des Gesetzes voraus,530 vermag kaum zu überzeugen. Denn der Vorrang des Gesetzes gilt nicht nur im Bereich des Gesetzesvorbehalts, sondern darüber hinaus für jedes parlamentarische Gesetz. Zu keinem anderen Ergebnis führt der Hinweis auf die Wesentlichkeitslehre, die den Vorbehaltsgrundsatz dahingehend modifiziere, daß dieser nunmehr die Regelungspflichten des Gesetzgebers bestimme.531 Der Vorrang des Gesetzes setzt zwar in der Tat insoweit einen Gesetzesvorbehalt voraus, als er gegenstandlos würde, falls das Parlament seiner Gesetzgebungspflicht in keiner Weise nachkäme. Dennoch verpflichtet Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG gerade die Exekutive (und die Rechtsprechung), nicht dagegen die Legislative, wie es jene Auffassung erfordern würde.532 Mithin ist der Gesetzesvorrang dem Gesetzesvorbehalt vorgeordnet, nicht aber umgekehrt.533 Weder Art. 20 Abs. 3 GG noch den übrigen Vorschriften des Grundgesetzes läßt sich somit ein „allgemeiner“, d. h. inhaltlich unbenannter (Innominat-)Vorbehalt entnehmen.534 Nachgewiesen werden können daher ausschließlich nach Art und Gegenstand bestimmte Gesetzesvorbehalte. Sie finden sich im Grundgesetz vornehmlich als – insofern ausdrücklich erwähnte – grundrechtliche und institutionelle535 Geset-
___________ 528
So etwa BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (126) – Kalkar; v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (248). 529 So die überwiegende Auffassung; vgl. statt vieler Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 261 (S. 76); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 59 (S. 14); ders., Jura 2002, 235 f.; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 6 Rn. 4 (S. 113). 530 Vgl. nur Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 201 (S. 89); Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 805; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 20 Rn. 46; Lipphardt, EuGRZ 1986, 149 (155). 531 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 508 (S. 219). 532 Zutreffend Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 44 Rn. 45; Frohn, ZG 1990, 117 (121). 533 Ebenso Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 18 Rn. 6 (S. 331 f.); H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 32. 534 Vgl. Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 5; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 132 in Fn. 76. 535 Hierzu umfassend Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, 1991, passim.
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zesvorbehalte536 sowie als – insoweit nicht ausdrücklich erwähnter, aber dennoch inhaltlich benannter – allgemeiner rechtsstaatlicher Gesetzesvorbehalt537. Den den Grundrechtsgarantien beigefügten Gesetzesvorbehalten kommt dabei eine doppelte Funktion zu. Die eine Seite der Gesetzesvorbehalte dient der Grenzziehung zwischen dem Staat und dem Individuum, indem sie der Legislative die Beschränkung oder Ausgestaltung der Grundrechtsgewährleistung gestattet.538 Die andere Komponente der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte zieht eine Grenze zwischen dem Gesetzgeber und der vollziehenden Gewalt. Sie enthält dadurch eine kompetenzrechtliche Aussage: Weil allein das Parlament zum Handeln in Grundrechtsbereichen ermächtigt wird, ist der Exekutive kehrseitig die eigeninitiative Regelung grundrechtsrelevanter Materien verwehrt.539 Allenfalls kann sie „auf Grund“ eines Gesetzes dazu berechtigt werden. Darin verfügen die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte kein Eingriffsverbot, sondern eine Eingriffserlaubnis. Der vollziehenden Gewalt ist die Begrenzung der grundrechtlichen Freiheit auf der Grundlage eines Gesetzes erlaubt.540 ___________ 536 Daneben sieht das Grundgesetz weitere ausdrückliche Gesetzesvorbehalte für bestimmte Materien vor. Vgl. insoweit die Aufzählung bei Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 26-31 (S. 330-332). 537 Die These, der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes sei vollständig in der Grundrechtsbestimmungen aufgegangen und somit entbehrlich (etwa Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 134 f.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 327; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, 1973, S. 27 ff., 92 f.; Vogel, VVDStRL 24 [1966], S. 125 [151]), vermag nicht zu überzeugen. Zahlreiche Grundrechtsbestimmungen sind in kompetenzrechtlicher Hinsicht offen (etwa Art. 2 Abs. 1 Hs. 2, 5 Abs. 2 Var. 3, 6 Abs. 2 Satz 2 GG), so daß die Nichtanerkennung eines allgemeinen Vorbehalts „in die Aporie eines kompetentiellen non liquet“ führt (Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 199, in Anlehnung an Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, 1981, S. 41 f.). Demgemäß besteht weiterhin die Notwendigkeit eines allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes, der eine gesetzliche Grundlage für jeglichen staatlichen Eingriff in subjektive Rechte verlangt. Seine Grundlage findet dieses allgemeine Vorbehaltsprinzip im Rechtsstaatsprinzip (vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 36 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 288 in Fn. 4; Isensee, in: HStR V, 1992, § 111 Rn. 70 [S. 179]). 538 Daraus wird teilweise der Schluß gezogen, der Vorbehalt des Gesetzes und die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte seien streng voneinander zu trennende Rechtsinstitute (so etwa Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 120 f.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, S. 373). 539 Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 126 f.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 102, 111; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 288; Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, 1981, S. 36 ff.; Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (150). 540 Damit dreht sich die Stoßrichtung der Gesetzesvorbehaltslehre um. Während sie in der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts die Reichweite der Kompetenzen der Volksvertretung bestimmte, beantwortet er heute die Frage nach der Befugnis der Exekutive.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Für den Verwaltungsvorschriftengeber folgt daraus, daß ihm die Regelung gesetzesvorbehaltserfaßter Materien vorübergehend, d. h. bis zur Verabschiedung eines Parlamentsgesetzes versperrt ist. Vorher darf er eine entsprechende Verwaltungsvorschrift nicht erlassen, obgleich er es seiner Funktion nach könnte. Damit drängt sich die bereits angeschnittene Frage541 nach dem Verhältnis von Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitslehre in den Vordergrund und verlangt nach einer Klärung. Der folgende Gliederungspunkt trägt dem Rechnung.
b) Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitslehre Der grundlegende Unterschied zwischen der Gesetzesvorbehalts- und der Wesentlichkeitslehre besteht in ihrer verschiedenartigen Bedeutung als Kompetenzlehre einerseits und als dieser vorgelagerte Funktionenlehre andererseits. Indes erschöpft sich der Anwendungsbereich des Vorbehalts des Gesetzes nicht nur auf der Ebene des exekutiven „Dürfens“. Vielmehr trägt er auch entscheidend zur Bestimmung dessen, was wesentlich ist, bei und wird so zu einem Wertungsgesichtspunkt, zu einem Indiz innerhalb der Wesentlichkeitslehre.542 Unterfällt eine Materie einem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, erfüllt sie gleichzeitig das Wesentlichkeitskriterium der „Grundrechtsrelevanz“, welches wiederum die Notwendigkeit parlamentsgesetzlicher Regelung im Sinne der Funktionenlehre begründet.543 Für die Rechtspraxis der Verwaltungsvorschriften lösen diese Zusammenhänge folgende Konsequenzen aus. Entsteht aus der Sicht des Verwaltungsvorschriftengebers Bedarf für die Regelung einer Materie, die von einem Gesetzesvorbehalt erfaßt wird, so ist deren „Grundrechtsrelevanz“ zugleich ein Indiz für die Annahme der Wesentlichkeit. Jene Wesentlichkeit vermittelt die Grundrechtsmaterie exklusiv an den Gesetzgeber. Dieser muß das Wesentliche jedoch nur wesentlich regeln.544 Demgemäß kann die vollziehende Gewalt das Nicht___________ 541
Siehe die Ausführungen oben in Fn. 513. Vgl. H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 85: „Soweit der Vorenthalt des Wesentlichen reicht, verdrängt er den Vorbehalt des Gesetzes. Aber wieweit er reicht, für diese Frage behält er (sc.: der Vorbehalt des Gesetzes) Tuchfühlung.“; ähnlich Wilke, JZ 1982, 758 (759): grundrechtliche Gesetzesvorbehalte als „Ausprägungen“ des Wesentlichkeitsvorbehalts. 543 Ist allein die „Grundrechtsrelevanz“ ein Indiz für die Wesentlichkeit einer Maßnahme, verliert in der Konsequenz die Unterscheidung von Eingriff und Leistung an Bedeutung. 544 Nochmals: Grundsätzlich erfüllt jeder Eingriff das Wesentlichkeitskriterium der „Grundrechtsrelevanz“. Unmöglich ist folglich, zwischen wesentlichen und nicht-wesentlichen Eingriffen unterscheiden zu wollen. Eine eigenständige Bedeutung kommt der Intensität der Grundrechtsrelevanz daher lediglich auf der Ebene des „Wie“ der par542
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
311
Wesentliche des Grundrechtsfalls sehr wohl in exekutive Rechtssätze fassen. Sie darf es indes erst, wenn der Gesetzgeber seinerseits eine das Wesentliche enthaltende gesetzliche Grundlage geschaffen hat. Denn einer eigenmächtigen Regelung des Nicht-Wesentlichen durch Verwaltungsvorschriften steht in diesem Fall (vorläufig) der Gesetzesvorbehalt entgegen.
III. Regelungsgehalt der Rechtsverordnungsermächtigung in Art. 80 Abs. 1 GG Einer auf der Wesentlichkeitslehre als Funktionenlehre gegründeten exekutivischen Rechtsetzungsbefugnis stünde freilich der Regelungsgehalt des Art. 80 Abs. 1 GG entgegen – zumindest soweit der Argumentation der überkommenen Auffassung noch Überzeugungskraft zukäme. Daß nämlich Art. 80 Abs. 1 GG ein originäres Rechtsetzungsrecht der vollziehenden Gewalt ausschließe, wird bis heute beharrlich behauptet.545 Sinn und Zweck des Art. 80 Abs. 1 GG sei es, die Delegationsmöglichkeit „außenwirksamer“ Normsetzungsbefugnisse auf die Exekutive zu begrenzen, um eine Selbstentäußerung des Gesetzgebers von seiner Verantwortung für die Rechtsordnung zu verhindern.546 Die Rechtsetzungsfunktion sei folgerichtig grundsätzlich der Legislative zugewiesen. Wenn demgegenüber die Exekutive „außenwirksame“ Regelungskompetenzen in Anspruch nehmen wolle, könne sie ihre Rechtsetzungsbefugnisse ausschließlich vom Parlament im Wege der Delegation durch Rechtsverordnungsermächtigung empfangen. „Außenwirksame“ Verwaltungsvorschriften sind daher in der Konsequenz dieser Lehre mit Art. 80 Abs. 1 GG unvereinbar.547
___________ lamentarischen Zugriffspflicht zu, d. h. bei der Frage nach der gesetzlichen Regelungsdichte (siehe hierzu bereits oben Fn. 513 a. E.). 545 Exemplarisch Bauer, in: H. Dreier, GG, Bd. II, 1998, Art. 80 Rn. 18; Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rn. 60; Lücke, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 80 Rn. 5; Wilke, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Bd. 3, 2. Aufl., 1974, Art. 80 Anm. III. 1. b); Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 94 f., 154 f., 156; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 115, 117, 134 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 40; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 67 f.; Asbeck-Schröder, Grundfragen zur TA Sonderabfall, 1990, S. 138; Lübbe-Wolff, DÖV 1987, 896 (898 f.); Schenke, DÖV 1986, 190 (191-194); ders., DÖV 1977, 27 (29-33); Schwabe, JuS 1977, 661 (663 f.); Selmer, JuS 1968, 489 (494). 546 So auch das BVerfG in ständiger Rechtsprechung; jüngst BVerfG v. 11.10.1994, BVerfGE 91, 148 (162 ff.); aus der älteren Rechtsprechung etwa v. 30.1.1968, BVerfGE 23, 62 (73); v. 11.10.1966, BVerfGE 20, 257 (270); v. 5.3.1958, BVerfGE 7, 282 (301); v. 23.10.1951, BVerfGE 1, 14 (60). 547 So ausdrücklich Lübbe-Wolff, DÖV 1987, 896 (898 f.); Schenke, DÖV 1986, 190 (insb. 191); J. Wolf, DÖV 1992, 849 (852, 856, 857 in Fn. 62).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Ob die Vorschrift indes einen Totalvorbehalt für jegliche „außenwirksame“ Rechtsetzung normiert, mithin das zu vollziehende Gesetz materiellrechtlich als exekutive Handlungsermächtigung ausweist, begegnet Zweifeln.
1. Gesetz als materiellrechtliche Handlungsbeschränkung Schon der Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 GG spricht eher gegen als für ein unmittelbares Verbot „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften. Denn die Norm richtet sich allein an den Gesetzgeber und regelt die Voraussetzungen, unter denen dieser die Exekutive zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigen darf.548 Art. 80 Abs. 1 GG läßt daher durchaus eine solche Interpretation zu, nach der er ausschließlich das Verfahren der Rechtsverordnungsgebung betrifft, über die Zulässigkeit sonstiger exekutiver (Außen-)Rechtsetzung – etwa in Form von Verwaltungsvorschriften – dagegen nichts aussagt. Dem steht E.-W. Böckenfördes Feststellung gleich, daß „Art. 80 Abs. 1 GG aus sich selbst keinen bestimmten Begriff des Gesetzesvorbehalts festlegt, sondern einen solchen voraussetzt“549. Ihm ist insoweit beizupflichten, als er sich gegen die Annahme wendet, Art. 80 Abs. 1 GG schreibe einen Gesetzesvorbehalt für jegliche „außenwirksame“ Rechtsetzung fest. Zumal ebenfalls dem historischen Verfassungsgeber nicht unterstellt werden kann, daß der Bereich der Außenrechtsetzung ausnahmslos dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen sollte. Bei den Beratungen zu Art. 101 Satz 2 des Herrenchiemseer Entwurfs, dem Vorläufer des späteren Art. 80 GG, beschloß der Organisationsausschuß ursprünglich folgende Fassung: „Rechte und Pflichten der Bürger können nur durch Gesetz begründet werden“550,
___________ 548 Im Ergebnis auch v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 288; H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 67 f.; Schwabe, JA 1975, 113 (116 f.). 549 E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 395 f.; sich ihm anschließend v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 288, 291; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 112; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 95; H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 68; SchulzeFielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 172; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 50 (S. 342), § 64 Rn. 16 (S. 394); offensichtlich anders aber nunmehr ders., ZG 1997, 305 (318): „Konzentration der Rechtsetzung beim Parlament“, wie „Art. 80 Abs. 1 GG zeigt“; wie hier ferner E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 81; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, 1973, S. 73; Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (163 f., 181); Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (270). 550 Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v. 10.-23.8.1948. Entwurf eines Grundgesetzes; in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 2, 1981, S. 579 (600).
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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und stellte somit offensichtlich auf den klassischen Eingriffsvorbehalt ab. Der Allgemeine Redaktionsausschuß empfahl gleichwohl die Streichung dieses Vorschlags, da er inhaltlich bereits in Art. 20 Abs. 3, 21 Abs. 4 des ersten Entwurfs zum Grundgesetz enthalten sei.551 Der Wortlaut von Art. 20 Abs. 3, 21 Abs. 4 des ersten Entwurfs zum Grundgesetz lautet wie folgt: „Die Verwaltung darf in den Rechtsbereich der Einzelnen und ihrer Verbände nur eingreifen, soweit die Rechtsordnung sie dazu ermächtigt.“552 „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, Rechtsprechung und vollziehende Gewalt sind an Gesetz und Recht gebunden.“553
Gewiß ist damit eines. Der Parlamentarische Rat ging bei der Formulierung des Art. 80 Abs. 1 GG zwar vom traditionellen Eingriffsvorbehalt der spätkonstitutionellen Staatsrechtslehre aus, legte diesen als solchen ausdrücklich jedoch nicht fest. Mit anderen Worten: Art. 80 Abs. 1 GG modifiziert nicht die funktions- und kompetenzrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes durch eigene verfassungsrechtliche Festlegungen. Sondern umgekehrt definieren und gestalten die beiden Grundentscheidungen der Verfassung, das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, sowie Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und die (geschriebenen) Gesetzesvorbehalte den Anwendungsbereich und die Funktion des Art. 80 Abs. 1 GG aus.554 Die Vorgaben dieser Grundgesetzbestimmungen gibt die Wesentlichkeitslehre wieder, indem sie – selbst im Demokratieprinzip verankert – den (Mindest-)gehalt der gesetzgebenden und umgekehrt der vollziehenden Gewalt nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG aufzeigt. Verteilungsmaßstab ist das Wesentlichkeitskriterium. Mit ihm umfaßt „Gesetzgebung“ im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG nicht mehr den gesamten Bereich der (Außen-)Rechtsetzung. Allein die Regelung der wesentlichen Fragen des Gemeinwesens ist der gesetzgebenden Gewalt exklusiv zugewiesen, während der Erlaß nicht-wesentlicher Rechtsnormen in die Funktion der Exekutive fällt.555 Teilt die grundgesetzliche Funktio___________ 551
Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse. Stand v. 26.11.1948; in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 36 (63). 552 Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse. Stand v. 16.11.1948; in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 36 (41). 553 Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse. Stand v. 16.11.1948; in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 36 (42). 554 So auch E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 396; ihm zustimmend H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 70 mit Fn. 181. 555 Die Frage nach der Fortgeltung des überkommenen spätkonstitutionellen ungeschriebenen, allgemeinen Rechtsetzungsvorbehalts hat sich damit endgültig erübrigt. Unter der Geltung der Wesentlichkeitslehre verbietet sich die Gleichsetzung von Ge-
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
nenordnung den Bereich der Rechtsetzung mithin zur kooperativen Erledigung zwischen der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt auf,556 so wird die Konzentration aller Rechtsetzung auf den Gesetzgeber irreal. Exekutive Normgebung ist daher keine delegierte Gesetzgebung,557 keine dekonzentrierte Gesetzgebung558 oder Gesetzgebung überhaupt,559 insbesondere keine Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes oder der grundgesetzlichen Funktionenteilung.560 Exekutive Normgebung sowohl durch (außenwirksame) Verwaltungsvorschriften als auch Rechtsverordnungen stellt sich als Ausübung eigener originärer Staatsfunktion dar. Das von der Exekutive zu vollziehende Gesetz konstituiert daher materiellrechtlich keine Handlungsermächtigung, sondern eine Handlungsbeschränkung der Exekutive.561 Erfährt Art. 80 Abs. 1 GG seinen Anwendungsbereich dergestalt durch das Zusammenspiel von Wesentlichkeitstheorie und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, kann er keine dogmatische Sperrwirkung gegenüber exekutiver (Außen-)Rechtsetzung entfalten. Entgegen der überkommenen Auffassung steht die Norm einer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften daher nicht entgegen.
___________ setzgebung und Rechtsetzung und die Annahme eines Rechtsetzungsmonopols des Gesetzgebers. Anders die oben in Fn. 545 angeführten Autoren. 556 Ebenso v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 46 f., 48 f.; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 181: „kooperative Konkretisierung von Rechtssetzungsakten“; ferner v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 147 in bezug auf den Prozeß der parlamentarischen Gesetzgebung. 557 So aber Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetze, 1971, S. 324 und passim; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 115 f.; Selmer, JuS 1968, 489 (494 in Fn. 76). 558 So Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 62 f. (S. 166 f.): „dekonzentrierte Rechtsetzung“; Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 172 f.; kritisch gegenüber der Aussagekraft dieser Terminologie Heintzen, Die Verwaltung 29 (1996), 17 (23). 559 Demgemäß stellt die Rechtsverordnungsermächtigung in Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG keine Übertragung ursprünglicher Rechtsetzungsgewalt des Gesetzgebers dar. So auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 524-529 (S. 224-226). – A. A. Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 62 (S. 167); sowie die in Fn. 545 genannten Vertreter. 560 Vgl. v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 44, 48 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 525-528 (S. 224 f.). 561 Ähnlich H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 72: „[...] befinden wir uns damit im normativen Spektrum des Grundsatzes vom Vorrang des Gesetzes!“
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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2. Exkurs: Gesetz als verfahrensrechtliche Handlungsformermächtigung Dennoch hat sich die Bedeutung des Parlamentsgesetzes nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in seiner Qualifizierung als materiellrechtliche Handlungsbeschränkung erschöpft. Durchaus „ermächtigenden“ Charakter gewinnt die Rechtsverordnungsermächtigung aus dem Blickwinkel einer verfahrensrechtlichen Perspektive: als Handlungsformermächtigung. Zwar steht diese Feststellung zuvörderst im Horizont des Problems, ob Art. 80 Abs. 1 GG den Rechtsverordnungserlaß abschließend regelt oder ob außerhalb seines Funktionsbereichs ein gesetzesunabhängiges Verordnungsrecht existiert. Dessenungeachtet beeinflußt die Beantwortung dieser Frage die Abgrenzung der Rechtsverordnung von der hier interessierenden Verwaltungsvorschrift, in concreto: die Intensität der Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift. Die folgenden Ausführungen gewinnen ihre Rechtfertigung daher gleichsam in der Vorbereitung des nächsten Abschnitts. Wurde soeben der Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG als ein Argument für die – materiellrechtliche – Einstufung der Verordnungsermächtigung als Handlungsbeschränkung angeführt, so gilt dies nicht für die – verfahrensrechtliche – Frage nach der Gesetzesakzessorietät des Verordnungsrechts. Ein Widerspruch eröffnet sich mit dieser Feststellung nicht. Denn der Text der Verfassung ist insoweit, aber auch nur insoweit, unergiebig. Indem sich Art. 80 Abs. 1 GG lediglich an die Legislative richtet, verbietet er die Annahme eines an die Exekutive adressierten gesetzlichen Totalvorbehalts für jegliche Außenrechtsetzung, mithin die Identifikation der Rechtsverordnung mit der außenwirksamen exekutiven Rechtsnorm. Darüber hinaus aber enthält der Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG keine Antwort auf die Frage, ob „außenwirksames“ administratives Recht außerhalb seines Anwendungsbereichs in Form gesetzesunabhängiger Verordnungen oder aber in Form von („außenwirksamen“) Verwaltungsvorschriften gesetzt werden muß. Vor dem Hintergrund dieser grammatikalischen Offenheit der Vorschrift kann es keine Verwunderung hervorrufen, wenn sich sowohl Befürworter als auch Gegner einer gesetzesunabhängigen Rechtsverordnungsbefugnis auf den Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 GG berufen.562 Gleichwohl, zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt – und daran führt kein Weg vorbei – eine historische Auslegung des Art. 80 Abs. 1 GG. Entstehungsgeschichtlich begegnete der Verfassungsgeber der Rechtsverordnung mit einer gewissen Distanz. Ihr verfassungsgeschichtlicher Hintergrund, die Verordnungspraxis in der Weimarer Republik und zur Zeit des Nationalsozialismus, ___________ 562
Vgl. einerseits Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 189; andererseits v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 32 f. Wie hier zweifelnd wohl auch v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 288.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
muß hier nicht zum wiederholten Male im einzelnen ausgebreitet werden.563 Nur soviel sei grobmaschig festgehalten: Zwar war auch unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen erforderlich. Indes wurden nur geringe Anforderungen an die Bestimmtheit derartiger Ermächtigungen gestellt, die im übrigen auch konkludent erteilt werden durften.564 Rechtsverordnungen konnten überdies Parlamentsgesetze aufheben und ändern565 sowie von der Verfassung abweichen.566 Letzteres galt namentlich für die Notverordnungen des Reichspräsidenten gemäß Art. 48 Abs. 2 WRV 1919. Ihnen kam gesetzesvertretende Wirkung zu;567 zudem konnten sie zahlreiche Grundrechte der Verfassung vorübergehend außer Kraft setzen.568 Konsequenz dieser Verfassungsrechtslage war eine umfangreiche Verordnungspraxis, „die das förmliche Gesetz fast zur Ausnahmeerscheinung gegenüber der Rechtsverordnung macht“, wie E. Jacobi 1932 im „Handbuch des Deutschen Staatsrechts“ beklagte.569 In der Zeit des Nationalsozialismus schließlich wurden sämtliche Schranken exekutiver Rechtsetzung durch die uferlosen Ermächtigungen der Gesetze „zur Behebung der Not von Volk und
___________ 563 Vgl. die ausführlicheren Darstellungen, jeweils mit weiteren Nachweisen, von Nierhaus (Drittbearb., 1998), in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 38 ff., 52 ff.; Frotscher/ Pieroth, Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., 2002, Rn. 491, 515 (S. 270 f., 282 f.); E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3, 3. Aufl., 1988, S. 58-61; Mößle, Inhalt, Zweck und Ausmaß. Zur Verfassungsgeschichte der Verordnungsermächtigung, 1990, S. 19 ff., 28 ff.; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 147-159; namentlich zur Rechtsverordnung in der Weimarer Republik Jacobi, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 236-255; ders., AöR 39 (1920), 273 ff.; P. Schoen, AöR 45 (1924), 133 ff.; Triepel, in: Verhandlungen des 32. Deutschen Juristentages (1921), Bd. II, 1922, S. 11 ff. 564 Vgl. nur Jacobi, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 236 (244): „stillschweigende Ermächtigung“. 565 Vgl. nur Jacobi, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 236 (240). 566 Vgl. nochmals Jacobi, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 236 (240 ff.). 567 Das Notverordnungsrecht umfaßte sogar den Erlaß von Strafvorschriften. Vgl. aus der Rechtspraxis etwa RG v. 14.7.1924, RGSt 58, 269 ff.; v. 23.10.1923, RGSt 57, 384 ff. 568 Art. 48 Abs. 2 Satz 2 WRV 1919 (RGBl. 1919 S. 1383 [1392]) lautet: „Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.“ – Nach C. Schmitt, VVDStRL 1 (1924), S. 63 (64), erlaubte das Notverordnungsrecht sogar die Durchbrechung weiterer Verfassungsbestimmungen, um einen wirksamen Ausnahmezustand zu gewährleisten. Kritisch dagegen Grau, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 274 ff., der die verfassungserhaltende Funktion des Art. 48 Abs. 2 WRV 1919 herausstrich, die eine Bindung des Reichspräsidenten an die Verfassung auch beim Erlaß von Notverordnungen verlange. 569 Jacobi, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 236 (239); ähnlich C. Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932, S. 7: „Zusammenbruch des parlamentarischen Gesetzgebungsstaates“.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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Reich“570 und „über den Neuaufbau des Reichs“571 aufgehoben. Im Bewußtsein dieser historischen Hintergründe bestand in den Beratungen zum Grundgesetz Einigkeit darüber, den Erlaß von Rechtsverordnungen grundsätzlich an ein hinreichend bestimmtes Parlamentsgesetz zu binden. Deutlich wird dieser Wille bereits in den ersten Vorentwürfen zum Grundgesetz wie etwa in Art. 70 Abs. 1 Satz 3 des Bayerischen Entwurfs eines Grundgesetzes, nach dem Rechtsverordnungen stets einer „besonderen gesetzlichen Ermächtigung“ bedurften.572 Erst der Herrenchiemseer Entwurf sah in seinem Art. 111 Abs. 1 gesetzesunabhängige Notverordnungen mit Gesetzeskraft vor, deren Zulässigkeit freilich auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben sollte.573 Doch selbst ein nur eingeschränktes Notverordnungsrecht ohne vorherige gesetzliche Ermächtigung konnte sich im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates nicht durchsetzen und wurde deshalb abgelehnt.574 Statt dessen schuf Art. 81 GG das Rechtsinstitut des Gesetzgebungsnotstands. Eine eigene Definition der Begriffe „Rechtsverordnung“ und „Verwaltungsvorschrift“ nahmen die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates zwar nicht vor. Offensichtlich aber legten sie ihren Beratungen stillschweigend das spätkonstitutionelle, auch in der Weimarer Staatsrechtslehre vorherrschende Verständnis zugrunde, wonach für den Erlaß von Rechtsverordnungen grundsätz___________ 570 Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich v. 24.3.1933, RGBl. 1933 I S. 141 ff. 571 Gesetz über den Neuaufbau des Reichs, RGBl. 1934 I S. 75 ff. 572 Art. 70 Abs. 1 Satz 3 des Bayerischen Entwurfs eines Grundgesetzes für den Verfassungskonvent (in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 2, 1981, S. 1 [27]) lautete: „Rechtsverordnungen bedürfen einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung [...].“ 573 Art. 111 Abs. 1 HChE (Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v. 10.-23.8.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 2, 1981, S. 504 [604 f.]) lautete: „Bei drohender Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats (Senats) im Rahmen der Bundeszuständigkeit Notverordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. [...] Die Verordnungen treten außer Kraft, wenn sie nicht binnen vier Wochen vom Bundestag oder seinem ständigen Ausschuß bestätigt werden.“ 574 Vgl. die Beratungen bei der 13. Sitzung des Hauptausschusses v. 1.12.1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 151 ff.; 16. Sitzung des Hauptausschusses v. 13.12.1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 189; 36. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 445 (455-459); 50. Sitzung des Hauptausschusses v. 10.2.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 655 (656-661); 57. Sitzung des Hauptausschusses v. 5.5.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 755.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
lich eine gesetzliche Ermächtigung notwendig war. Da der Parlamentarische Rat zugleich ein (gesetzesunabhängiges) Notverordnungsrecht ähnlich dem Art. 48 Abs. 2 WRV 1919 ablehnte, bleibt als einzige Schlußfolgerung, daß eine dritte Verordnungskategorie „zwischen“ den Rechtsverordnungen mit gesetzlicher Ermächtigung und den Verwaltungsverordnungen ohne gesetzliche Ermächtigung nicht vorgesehen sein sollte. Eine eigene Note gewinnt daher die Stellungnahme des Abgeordneten Höpker-Aschoff, in der er von einer Zweiteilung der Ausführungsverordnungen in Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften spricht: „Es ist ein Unterschied zu machen. Es gibt Rechtsverordnungen, die keine Ausführungsverordnungen sind, und es gibt Ausführungsverordnungen, die keine Rechtsverordnungen sind; denn die Ausführungsverordnungen können sowohl Rechtsverordnungen wie Verwaltungsvorschriften sein.“575
Auch der Hinweis, der Verfassungsgeber habe die Leistungsverwaltung, die Organisation und das Verfahren der Verwaltung und die sogenannten besonderen Gewaltverhältnisse nicht oder jedenfalls nicht bewußt überplant, kann ein exekutives Verordnungsrecht ohne gesetzliche Ermächtigung für diese Bereiche nicht stützen.576 Ihm widerspricht die Systematik des Grundgesetzes. Denn wenn in Art. 80 Abs. 2 GG auch der Erlaß sogenannter Verkehrsverordnungen, die sich gerade außerhalb der klassischen Eingriffsverwaltung bewegen, einer vorherigen gesetzlichen Ermächtigung unterstellt wird,577 so zeigt dies deutlich: Der Verfassungsgeber wollte jedwede Rechtsverordnungsgebung verfahrensrechtlich an ein Parlamentsgesetz knüpfen. Bezeichnend ist, daß das Grundgesetz den Begriff der „Rechtsverordnung“ außerhalb seines VII. Abschnitts ausnahmslos in Zusammenhang mit einem förmlichen Gesetz erwähnt (Art. 109 Abs. 4 Satz 2, 115 k Abs. 1 und 2 GG), gesetzesunabhängige „Verordnungen“ dagegen nur in wenigen Übergangsbestimmungen vorsieht (Art. 119 Satz 1, 132 Abs. 4 GG). Die sprachliche Gegenüberstellung von (gesetzesakzessorischer) „Rechtsverordnung“ und (gesetzesunabhängiger) „Verordnung“ sowie die Plazierung der letztgenannten in mittler-
___________ 575 Vgl. Abgeordneter Höpker-Aschoff, 35. Sitzung des Hauptausschusses v. 12.1.1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 431. 576 So aber Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 164; dagegen bereits Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 324: „gekünstelte Argumentationen“. 577 Daß der Erlaß von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 2 GG eines vorherigen Parlamentsgesetzes bedarf, legt nicht nur die enge systematische Nähe zu Art. 80 Abs. 1 GG nahe. Hinweise auf ein anderes Verständnis lassen sich auch den Materialien zur Entstehung des Grundgesetzes nicht entnehmen.
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weile gegenstandlos gewordenen Vorschriften578 spricht ebenfalls gegen die Zulässigkeit eines Verordnungsrechts ohne gesetzliche Ermächtigung. Ausschlaggebendes Gewicht erlangt indessen die Erwähnung der Verwaltungsvorschrift in Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 86 Satz 1 GG und anderen Bestimmungen. Durch sie konstituiert das Grundgesetz die Verwaltungsvorschrift als Handlungsform mit einem eigenständigen Profil, das sie von anderen exekutiven Handlungsformen wie der Rechtsverordnung klar abgrenzt und auch klar abgrenzbar erscheinen lassen muß. Die Anerkennung eines gesetzesunabhängigen Verordnungsrechts verwischte hingegen die gebotene Differenzierbarkeit beider Handlungsformen bis zur Unkenntlichkeit. Denn worin sollte sich eine außerhalb des Art. 80 GG erlassene Rechtsverordnung noch von einer Verwaltungsvorschrift unterscheiden? Jedenfalls nicht mehr im Erlaßverfahren, das in diesem Fall für beide Rechtsatzkategorien identisch wäre.579 Ebenso nicht im potentiellen Regelungsgehalt, da der Anwendungsbereich von Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung deckungsgleich verläuft, wie heute allgemein anerkannt wird.580 Eine unterschiedliche Intensität der Bindungswirkung beider Handlungsformen ließe sich ebenfalls nicht begründen: Das (identische) Erlaßverfahren wäre als Anknüpfungspunkt untauglich.581 Der Adressatenkreis mag als alleiniges und zudem nur formales Abgrenzungskriterium kaum überzeugen; wie Verwaltungsvorschriften können auch Rechtsverordnungen behördengerichtet sein.582 Damit scheidet – entgegen einer jüngeren Untersuchung – zugleich die Reichweite der Bindung der Judikative als materielles Unterschei___________ 578
Maunz ([1966], in: ders./Dürig, GG, Art. 119 Rn. 2) hält die Bestimmungen sogar für im rechtsförmlichen Sinne erloschen. Lediglich Gegenstandslosigkeit nehmen an Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 132 Rn. 2; Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 119 Rn. 5. Zum Außerkrafttreten von Rechtssätzen durch Funktionslosigkeit auch BVerwG v. 29.4.1977, BVerwGE 54, 5 (8 f.). 579 Unterschiede im Erlaßverfahren zwischen einer Verwaltungsvorschrift und einer gesetzesunabhängigen Rechtverordnung könnten sich allenfalls aus dem Veröffentlichungsmodus in Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Voraussetzung einer solchen Annahme wäre indes ein differenzierter Anwendungsbereich der Art. 80 Abs. 1 und Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG. Weder dem Wortlaut noch der Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschriften lassen sich dafür aber Anhaltspunkte entnehmen. 580 Vgl. statt vieler Selmer, JuS 1968, 489 (492): „Diese (Richtlinien) unterschieden sich in ihrem Inhalt zum großen Teil durch nichts von Rechtsverordnungen [...].“; vgl. aus der Rechtspraxis zur inhaltlichen Identität von Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung etwa die Regelungen in §§ 48 a, 7 Abs. 1 BImSchG einerseits und § 48 BImSchG andererseits. 581 Über die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG für die Intensität der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften sogleich im Text. 582 So schon O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl., 1924, S. 66 f. in Fn. 4; aus jüngerer Zeit ferner v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 24 f.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
dungskriterium von Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift aus.583 Die Bindung der rechtsprechenden Gewalt an jedwedes Recht ist unabhängig vom mehr oder weniger weit gefaßten Adressatenkreis der jeweiligen zu kontrollierenden Rechtsnormen.584 Nimmt man daher die Systematik des Grundgesetzes ernst, so ergibt sich folgendes: Die in der Verfassung vorausgesetzte Unverwechselbarkeit der Verwaltungsvorschrift (wie der Rechtsverordnung) verbietet ein gesetzesunabhängiges Rechtsverordnungsrecht, wie es für gesetzesvorbehaltsfreie Bereiche postuliert wird.585 Die Frage freilich, die sich dessenungeachtet sogleich aufdrängt, ist diese: Ist eine funktionsimmanente, selbständige Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive damit doch nur Makulatur? Darf die Exekutive nicht-wesentliche Materien trotz allem nicht ohne Gesetzesvorlage regeln, obgleich dem Gesetz gerade keinerlei Ermächtigungsfunktion zukommt? Eine Antwort muß differenziert ausfallen. Der Erlaß nicht-wesentlicher Rechtsnormen ist der Staatsfunktion der vollzie___________ 583 So aber Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 220 f., 222 f., 226, der sich dabei in subkutane Widersprüche verwickelt. Nach seiner Auffassung kommt eine Bindung der Gerichte an exekutive Rechtsnormen und damit deren „Außenwirksamkeit“ nur in Frage, wenn eine gesetzliche Ermächtigung dies anordnet (S. 199, 226). Denn keinesfalls könne die Exekutive ihren Funktionsbereich „eigenmächtig“ zu Lasten der Judikative verschieben (S. 225). Da Verwaltungsvorschriften nun ohne gesetzliche Ermächtigung ergingen, seien sie für die Gerichte unverbindlich und deshalb lediglich „Innenrecht“ (S. 220, 221, 223, 226). In der Konsequenz seiner These müßten gesetzesunabhängige Verordnungen ebenfalls für die Judikative unverbindlich und damit „Innenrecht“ sein. So weit will Chr. Seiler aber nicht gehen und behauptet statt dessen die „Außenwirkung“ auch der ohne gesetzliche Ermächtigung erlassenen Verordnungen (S. 220, 223, 227). Als Erklärung bietet er den Grundsatz der „Rechtssicherheit“ an. Dieser fordere „in ‚wesentlichen‘ Bereichen“ eine ausdrückliche Ermächtigung, da ansonsten „für den Bürger oft kaum ersichtlich (wäre), ob er durch die Verordnung gebunden ist“ (S. 196 f.). In „‚unwesentlichen Bereichen‘, vor allem der Leistungsverwaltung“, habe die Rechtssicherheit dagegen nur eine „geringere Bedeutung“, so daß „keine ausdrückliche Ermächtigung zur Wahl der Handlungsform der Rechtsverordnung notwendig“ sei (S. 198). Verkannt wird damit zunächst die Unempfindlichkeit des Wesentlichkeitskriteriums für jede Unterscheidung zwischen Eingriff und Leistung. Beide Begriffe haben unter der Wesentlichkeitslehre ihre ursprüngliche Weichenstellung in der Vorbehaltsfrage verloren. Offen bleibt zudem weiterhin, wie sich – erstens – Verwaltungsvorschriften und Verordnungen in gesetzesvorbehaltsfreien Bereichen voneinander abgrenzen lassen und warum – zweitens – die Gerichte zwar an Rechtsverordnungen ohne gesetzliche Grundlage gebunden sein sollen, nicht aber an Verwaltungsvorschriften. 584 Dazu des näheren unter 5. Teil. 585 So etwa H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 70; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 189-192, 196-198, 227. – Wie hier dagegen v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 286-294; Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 325; Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für K. Vogel, 2000, S. 477 (488, 489 f.); Krebs, VerwArch 70 (1979), 259 (265271); im Ergebnis ebenso, aber ohne Begründung E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 397 bei Fn. 66; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62 Rn. 50 (S. 342), § 64 Rn. 16 (S. 394).
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henden Gewalt immanent; die Exekutive kann Nicht-Wesentliches regeln. Greift ein Gesetzesvorbehalt ein (oder macht die Legislative von ihrem Zugriffsrecht Gebrauch), ist der Exekutive allerdings jegliches Handeln in Richtung auf den vorbehaltenen Bereich verboten. Umgekehrt darf die Exekutive handeln, wenn ihrer Tätigkeit kein Gesetzesvorbehalt (mehr) entgegensteht, sei es, weil ein dem Gesetzesvorbehalt genügendes Parlamentsgesetz vorhanden ist, das die wesentlichen Fragen bestimmt, sei es, weil von vornherein eine gesetzesvorbehaltsfreie Materie zur Entscheidung ansteht. Die Zusammenhänge wurden bereits dargelegt. Will die Exekutive die betreffende Sachfrage aber gesetzesgleich regeln, will sie exklusiv die Handlungsform der Rechtsverordnung mit ihrer strikten Bindungswirkung nutzen, bedarf sie einer Handlungsformermächtigung. Darin liegt das eigentliche – verfahrensrechtliche – Telos des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG: in der Rückkoppelung und Vermittlung des besonderen gesetzesgleichen Geltungsanspruchs der Rechtsverordnung an und durch das Parlamentsgesetz.586 Diese prozedurale Verkoppelung von Gesetz und Rechtsverordnung erhellt, warum die exekutive Verordnungsgebung im VII. Grundgesetzabschnitt über „Die Gesetzgebung des Bundes“ näher ausgestaltet wird und Rechtsverordnungen nach Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG im Bundesgesetzblatt verkündet werden.587 Sie bedeutet die grundgesetzliche Absage an ein gesetzesunabhängiges Rechtsverordnungsrecht.588 ___________ 586
So auch Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für K. Vogel, 2000, S. 477 (488). – Ein anderes, nicht-prozedurales Verständnis der Rechtsverordnungsermächtigung könnte auch den Sinn des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG nur schwerlich erklären. Einen Schutz des Parlaments vor der Entäußerung seiner Gesetzgebungsbefugnisse kann Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG kaum bezwecken. Denn bereits Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verbietet der Exekutive in Verbindung mit der Wesentlichkeitslehre die Ausübung gesetzgebender Gewalt, mithin die Entscheidung wesentlicher Fragen. Auch hätten die Gesetzesvorbehalte bei einer Einstufung des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG als Handlungsformermächtigung nicht nur deklaratorische Bedeutung (so aber v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 290 f.). In gesetzesvorbehaltserfaßten Bereichen darf die Exekutive (vorläufig) überhaupt nicht in Richtung auf den vorbehaltenen Bereich tätig werden, bei gesetzesvorbehaltsfreien Materien sehr wohl. Das Problem, in welcher Handlungsform dies dann geschehen darf, ist eine zweite, von den Gesetzesvorbehalten unabhängige Frage. 587 Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sieht die Verkündung der Rechtsverordnungen im Bundesgesetzblatt nur „vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung“ vor. Gemäß § 1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen v. 30.1.1950 (BGBl. 1950 S. 23), geändert durch Gesetz v. 25.8.1998 (BGBl. 1998 I S. 2432), können Rechtsverordnungen daher auch im Bundesanzeiger verkündet werden. Auf sie ist dann nachrichtlich im Bundesgesetzblatt hinzuweisen. 588 Auch die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages für Verfassungsreform war davon überzeugt, daß ein gesetzesunabhängiges Verordnungsrecht de lege lata nicht bestünde und überdies de lege ferenda nicht wünschenswert sei (Beratungen und Empfehlungen zur Verfassungsreform, Zur Sache 3/76, Teil I, 1976, S. 194-196). Hierzu H. H. Klein, DÖV 1975, 523 ff. In den Beratungen über die Verfassungsreform nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Thematik ausgeblendet. Vgl. dazu Kloep-
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Erst ein solcherart qualitatives Verständnis des Gesetzes nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG als prozedurale Handlungsformermächtigung ebnet den Weg, die Intensität der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften dogmatisch fixieren zu können und gleichlaufend Verwaltungsvorschriften von Rechtsverordnungen materiell zu unterscheiden. Denn nur soviel sei hier vorweggenommen: Im Gegensatz zu Rechtsverordnungen entfalten Verwaltungsvorschriften gerade keine gesetzesgleiche Bindungswirkung. Darauf ist an späterer Stelle noch zurückzukommen.
B. Verfahren der Entstehung und Vernichtung von Verwaltungsvorschriften Um die Rechtsetzungsbefugnis des Verwaltungsvorschriftengebers exakt verorten zu können, bedarf es einer vollständigen Untersuchung der verfassungsrechtlichen, gesetzlichen und untergesetzlichen Direktiven für den Erlaß von Verwaltungsvorschriften. Daher gilt es, sich in einem nächsten Schritt der Voraussetzungen zu vergewissern, die die Rechtsordnung an die Ausübung der exekutivischen Rechtsetzungsbefugnis in Form der Verwaltungsvorschriften knüpft.
I. Zuständigkeit Naturgemäß stellt sich zuerst die Frage nach der Zuständigkeit zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften. Das Grundgesetz nennt in seinen Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 86, 87 b Abs. 2 Satz 2, 108 Abs. 7 GG die „Bundesregierung“ als zuständiges Organ. Der sich um diese Vorschriften rankende Meinungsstreit wurde bereits wie folgt entschieden:589 In den Fällen der Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 86, 87 b Abs. 2 Satz 2 und 108 Abs. 7 GG werden die Bundesregierung als Kollegialorgan und nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung einzelne Bundesminister angesprochen. Bundesgesetzlichen Ermächtigungen einzelner Bundesminister kommt lediglich kompetenzverteilende Wirkung zu. Innerhalb der Behördenhierarchie gibt die Verteilung der Geschäfts- und Organisationsgewalt darüber Auskunft, wer zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften befugt ist.
___________ fer, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, 1995, S. 136 ff.; Melchior, in: Borgmann/Geis/Hermann/Liegmann/Liegmann/Manssen, Verfassungsreform und Grundgesetz, 1992, S. 31 (44-50). 589 Siehe oben 3. Teil § 6 A. I. 3.
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II. Internes Vorbereitungsverfahren Weder das Grundgesetz noch das einfache Gesetzesrecht enthalten Vorschriften über das Rechtsetzungsverfahren beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften. Namentlich das VwVfG findet gemäß seinem § 9 auf den Erlaß von Verwaltungsvorschriften keine Anwendung. Soweit freilich die Bundesregierung Verwaltungsvorschriften erläßt – und das ist bei den bedeutenderen Regelwerken meistens der Fall –, ist das interne Vorbereitungsverfahren detailliert in der GeschOBReg sowie im Besonderen Teil der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO II) niedergelegt. Im Grundsatz ist es als kooperatives Verfahren ausgestaltet. Bereits bei der Bearbeitung von Entwürfen einer Verwaltungsvorschrift ist das federführende Ministerium nach § 78 Abs. 1, 23 Abs. 1 und 2 Nr. 4 GGO II verpflichtet, weitere beteiligte Ministerien hinzuzuziehen. Die Einbeziehung der Bundesregierung als Kollegium gewährleisten § 15 Abs. 1 lit. c) und f) GeschOBReg und §§ 78 Abs. 1, 68 Abs. 2 Satz 1 GGO II: Für den Fall einer Verwaltungsvorschrift „von besonderer politischer Bedeutung“ sowie bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Bundesministern verlangen sie eine Beratung und Beschlußfassung der Bundesregierung, selbst wenn ein Gesetz einen einzelnen Minister ermächtigt. Die Beschlußfassung der Bundesregierung erfolgt gemäß § 24 Abs. 2 GeschOBReg mit Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Für die Bundesminister der Finanzen, des Innern und der Justiz sieht § 26 GeschOBReg Widerspruchsrechte mit aufschiebender Wirkung vor. In der Regel faßt die Bundesregierung ihre Beschlüsse nach § 20 Abs. 1 GeschOBReg in gemeinschaftlicher Sitzung. Im sogenannten Umlaufverfahren nach § 20 Abs. 2 GeschOBReg kann die Zustimmung der Mitglieder der Bundesregierung für Entwürfe von Verwaltungsvorschriften jedoch auch auf schriftlichem Weg eingeholt werden.590 ___________ 590 Bis 1994 wurde das Umlaufverfahren als Einwendungsausschlußverfahren praktiziert. Danach leitete der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes den Beschlußentwurf des federführenden Ministeriums den übrigen Bundesministern mit der Auflage zu, daß die Zustimmung beim Ausbleiben eines Widerspruchs binnen einer Frist als erteilt gelte (vgl. Honnacker/Grimm, GeschOBReg, 1969, § 20 Anm. 5). Das Einwendungsausschlußverfahren wurde vom BVerfG (v. 11.10.1994, BVerfGE 91, 148 [165-167]) indes für verfassungswidrig erklärt (ebenso VGH Kassel v. 19.3.1990, NJW 1990, 2704 [2705]). Das regierungsinterne Verfahren muß danach drei Kriterien genügen, damit ein Beschluß dem Kollegialorgan zugerechnet werden kann: Zurechenbarkeit verlangt, daß sämtliche Regierungsmitglieder von der anstehenden Entscheidung in Kenntnis gesetzt werden (Kriterium der Information). Des weiteren müssen sich an der Entscheidung so viele Mitglieder der Bundesregierung beteiligen, daß noch von einem Handeln des Kollegiums gesprochen werden kann (Kriterium des Quorums). Zuletzt muß eine Mehrheit der Beteiligten die Entscheidung tragen (Kriterium der Majorität). Das Einwendungs-
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Für die interne Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften ordnet § 22 Abs. 3 GeschOBReg Vertraulichkeit an.
III. Beteiligung innerstaatlicher Stellen Zahlreiche Verfahrensbestimmungen sehen die Beteiligung weiterer innerstaatlicher Stellen beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften vor.
1. Bundesrat Auszugehen ist von den Grundsatzregelungen der Verfassung, die in ihren Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 87 b Abs. 2 Satz 2, 108 Abs. 7, 120 a die Wirksamkeit allgemeiner Verwaltungsvorschriften an die Zustimmung des Bundesrates knüpft. Die damit zusammenhängenden Probleme wurden bereits dargelegt. 591
2. Bundestag Die Beteiligung des Bundestages an der exekutiven Rechtsetzung wird nicht ohne Grund vornehmlich im Zusammenhang mit der Rechtsverordnungsgebung diskutiert.592 Denn bislang wird das Parlament in zahlreichen Gesetzen, soweit ersichtlich, ausschließlich in das Verfahren beim Erlaß von Rechtsverordnungen eingeschaltet.593 Ohne Praxisrelevanz ist die Frage der Hinzuziehung des Parlaments beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften allerdings nicht, wie der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 3. Januar 1975594 sowie vereinzelte Stellungnahmen im Schrifttum595 zeigen. ___________ ausschlußverfahren fingiert nun eine Zustimmung, obwohl das Schweigen nicht nur Stimmenthaltung oder Ablehnung bedeutet, sondern auch auf bloße Nichtteilnahme zurückgeführt werden kann. Ob eine Beschlußvorlage die Mehrheit der Regierungsmitglieder erreicht hat, läßt sich beim Einwendungsausschlußverfahren somit gerade nicht feststellen (vgl. BVerfG v. 11.10.1994, BVerfGE 91, 148 [165 f.]). 591 Siehe dazu oben unter 3. Teil § 6 A. I. 4. 592 Vgl. aus dem jüngeren Schrifttum etwa v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 415-434; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 112-116; P. Conradi, NVwZ 1994, 977 f.; Jekewitz, NVwZ 1994, 956 ff.; Konzak, DVBl. 1994, 1107 ff.; Lippold, ZRP 1991, 254 ff.; Rupp, NVwZ 1993, 756 ff.; Studenroth, DÖV 1995, 525 ff. 593 Siehe dazu die Gesetzesnachweise unten in Fn. 597-601. 594 Vgl. Art. 1 Nr. 1 lit. a) des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes v. 3.1.1975 (BT-Drucks 7/3055, S. 2): „Die [...] allgemeinen Verwaltungsvorschriften sind nach der erforderlichen Mitwirkung des Bundesrates dem Bun-
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Mitwirkungsbefugnisse können dem Parlament in fünf verschiedenen Grundformen eingeräumt werden.596 Während der Konsultationsvorbehalt lediglich Anhörungsrechte vorsieht,597 bedarf beim Zustimmungsvorbehalt das Zustandekommen einer exekutiven Rechtsnorm der parlamentarischen Zustimmung.598 Beim Vetovorbehalt gilt die erforderliche Zustimmung nach Ablauf einer Frist „als erteilt“.599 Der Kassationsvorbehalt räumt dem Parlament zwar nicht das Recht ein, über das Zustandekommen des Rechtssatzes zu bestimmen; gleichwohl hängt dessen Bestand von der (Nicht-)Ausübung eines Kassationsrechts ab.600 Der fünfte Typus schließlich, der sogenannte Abänderungsvorbehalt, weist dem Bundestag die Gestaltungskompetenz zu, den Inhalt der Exekutivnorm zu ändern.601 Problematisch sind die verschiedenen Mitwirkungsbefugnisse insbesondere aus der Perspektive der Verantwortungszurechenbarkeit.602 Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit von Mitwirkungsvorbehalten daran gemessen, ob durch sie eine tatsächliche Kompetenzverlagerung erfolgt, die mit der nach außen bestehenden Kompetenzverteilung nicht zu vereinbaren ist.603 Die gesetzliche Normierung von Konsultationsvorbehalten begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; bloße parlamentarische Anhörungen oder Stellungnahmen üben keinen beeinträchtigenden Einfluß auf die exekutive Verantwortlichkeit des Verwaltungsvorschriftengebers aus. Anders sieht es bei den übrigen Typen von Mitwirkungsvorbehalten aus. Sie schaffen echte Mitentscheidungsrechte des Bundestages. Als maßgebliches Prü___________ destag zuzuleiten. Sie können nur in Kraft treten, wenn der Bundestag nicht innerhalb von vier Sitzungswochen Einspruch erhebt oder wenn er auf den Einspruch verzichtet.“ 595 Skeptisch gegenüber einer Beteiligung des Bundestages am Erlaß von Verwaltungsvorschriften Lerche (1989), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86 Rn. 104 a. E.; Hömig, DVBl. 1976, 858 (861). 596 Daneben ist eine Vielzahl verschiedener Modifikationen denkbar. Näheres dazu bei Studenroth, DÖV 1995, 525 (528). 597 Vgl. Studenroth, DÖV 1995, 525 (528). 598 Beispiele in § 3 Abs. 1 Satz 3 UVPG, § 48 a Abs. 1 Satz 3 BImSchG, § 51 Abs. 3 Satz 2 EStG. 599 Vgl. z. B. § 51 Abs. 2 Satz 4 EStG. 600 Vgl. etwa Art. 109 Abs. 4 Satz 4 GG, §§ 20 Abs. 5, 30 Abs. 2 StabG. 601 Beispielhaft § 292 Abs. 4 HGB, § 59 KrW-/AbfG, § 20 Abs. 2 UmwelthaftungsG. 602 Aus dem in Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 87 b Abs. 2 Satz 2, 108 Abs. 7 GG normierten Zustimmungsrecht des Bundesrates mittels eines Umkehrschlusses ein Argument gegen Mitwirkungsrechte des Bundestages herleiten zu wollen, kann nicht überzeugen. Weder die Entstehungsgeschichte noch die Systematik der Vorschrift sprechen für eine derartige Auslegung. 603 BVerfG v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274 (321) in Anlehnung an B. Wolff, AöR 78 (1952/53), 194 (217).
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fungskriterium für die Zulässigkeit dieser Mitwirkungsrechte wurde im Bereich der Rechtsverordnungen der Maßstab der Entscheidungsbefugnis eingesetzt. Gesetzlich eingeräumte Beteiligungsrechte seien insoweit verfassungsrechtlich zulässig, als dem Rechtsverordnungsgeber „ein so weiter Spielraum verbleibt, daß entsprechend der Regelung des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG die Verantwortung für die Rechtsverordnung ausschließlich von ihm getragen wird“604. Gewendet auf die Verwaltungsvorschriften bedeutet dies, daß parlamentarische Mitwirkungsrechte verfassungswidrig sind, soweit sie den Verwaltungsvorschriftengeber auch gegen seinen Willen verpflichten und in der Sache auf ein parlamentarisches Recht zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften hinauslaufen.605 Umgekehrt kann dem GG kein Verbot solcher Mitwirkungsformen entnommen werden, bei denen die Bundesregierung letztlich frei entscheiden kann, ob, wann und mit welchem Inhalt sie die Verwaltungsvorschrift erläßt.606
3. Weitere Verwaltungseinheiten Vereinzelt sehen Gesetze die Beteiligung weiterer Verwaltungseinheiten beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften vor. Die Mitwirkungsformen reichen von der Mitberatung607 bis zur Herstellung des Einvernehmens608 und der Genehmigung609. Über diese gesetzlichen Vorschriften hinausgehend enthalten die §§ 78 Abs. 1, 25-27 GGO II zusätzliche Regeln über die Kooperation des Verwaltungsvorschriftengebers mit kommunalen Spitzenverbänden, Landesministerien, Fraktionen und Abgeordneten des Bundestages sowie anderen Stellen. Die Motive für die vorgeschriebenen Beteiligungen sind teils finanzrechtlicher Art; teils bestehen sie in der Intention, das Risiko möglicher Normwidersprüche von vornherein gering zu halten.
___________ 604
BVerwG v. 28.3.1969, BVerwGE 31, 359 (367); ferner BVerfG v. 24.2.1970, BVerfGE 28, 66 (83 f.). 605 Erhebliche Zweifel bestehen daher an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 292 Abs. 4 HGB, die für das Verfahren der Rechtsverordnungsgebung eine Bindung des ermächtigten Bundesjustizministers an einen parlamentarischen Abänderungsbeschluß ausdrücklich vorschreibt. 606 Speziell zur Problematik von Mitwirkungsrechten des Bundestages beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach Art. 86 Satz 1 GG siehe bereits oben 3. Teil § 5 A. II. 3. 607 Beispiel: § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVertrG. 608 Beispiel: § 18 Hs. 2 UZwG (Erlaß von Verwaltungsvorschriften im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern). 609 Beispiel: § 51 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 GWB (Genehmigung der vom Präsidenten des Bundeskartellamtes erlassenen Geschäftsordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft).
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IV. Beteiligung außerstaatlicher Kreise Von größter Praxisrelevanz ist die Einschaltung außerstaatlicher Kreise in das Erlaßverfahren von Verwaltungsvorschriften. Zahlreiche Gesetze schreiben die Hinzuziehung außerstaatlicher Interessengruppen, Verbände oder einzelner Fachleute610 oder der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, Berufsverbände und Arbeitgebervereinigungen611 vor. Eine Betrachtung der vielfältigen Partizipationsformen im Lichte der Verfassung hat an die Unterscheidung der beiden Grundformen der Beteiligung anzuknüpfen: die Mitentscheidung und die Mitwirkung. Mitentscheidungsrechte implizieren eine rechtliche Bindung des Normgebers an die Auffassung der beteiligten privaten Kreise. Eine solche Bindung ist bereits anzunehmen, wenn die außerstaatlichen Gruppen Entscheidungsalternativen rechtlich verpflichtend ausschließen können, der staatliche Normsetzer mithin nicht mehr uneingeschränkt über sämtliche Handlungsalternativen verfügen darf. In allen anderen Fällen liegt eine Mitwirkung vor.612
1. Mitentscheidungsrechte Bedingen Mitentscheidungsbefugnisse somit eine Verlagerung der Entscheidung über Verwaltungsvorschriften aus dem staatlichen Verantwortungsbereich hinaus, stellt sich die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit dem Demokratieverständnis des Grundgesetzes. Bei der Schwierigkeit des Problems kann im Rahmen dieses Abschnitts nur exemplarisch argumentiert werden. In der freiheitlichen Demokratie unserer Verfassung muß die Ausübung der Staatsgewalt ihren Ausgangspunkt im Willen des Volkes haben und dementsprechend durch das Volk legitimiert sein. Der Grundsatz der demokratischen Legitimität verlangt, daß alle Organe und Amtswalter ihre Berufung und ihre Tätigkeit – vermittelt durch die jeweils ihrerseits demokratisch legitimierten Organe – auf das Volk zurückführen können. Geboten ist – mit anderen Worten – in personeller und sachlicher Hinsicht „eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk über ___________ 610 Beispiele: § 114 Abs. 1 BSHG (Anhörung sozial erfahrener Personen); – § 48 BImSchG, – § 12 Abs. 2 KrW-/AbfG (Anhörung der beteiligten Kreise); – § 30 Abs. 5 GenTG (Anhörung der Kommission). 611 Beispiele: §§ 15 Abs. 1 Satz 3, 34 Abs. 1 ArbGG (Anhörung der Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern, die für das Arbeitsleben im Landesgebiet wesentliche Bedeutung haben); – § 94 BBG (Beteiligung der Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften); – § 33 Abs. 2 HAG (Anhörung der Spitzenverbände der Gewerkschaften und der Vereinigung der Arbeitgeber). 612 v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 80; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (184 f.); vgl. ferner die ausführliche Differenzierung bei Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, Umweltgesetzbuch: Allg. Teil, 2. Aufl., 1991, zu § 132 f. (S. 446-448.).
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die von diesem gewählte Vertretung zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern“613. Institutionalisierter Ausdruck dieser Legitimationskette ist die Volkswahl. Sie spannt den Legitimationsbogen vom Volk zu den („besonderen“) Organen der vollziehenden Gewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.614 Eine Beteiligung diffuse Partikularinteressen vertretender außerstaatlicher Gruppen an der staatlichen Rechtsetzung in der Weise, daß die Entscheidung nicht mehr (allein) bei den demokratisch legitimierten Organen liegt, schließt die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG geforderte Legitimationskette gewissermaßen kurz.615 Sie konterkariert die Monopolisierung der Herrschaft beim Staat und seinen Organen, aufgrund deren alle Wahrnehmung öffentlicher Gewalt, mithin auch die Rechtsetzung, ausschließlich als vom Staat ausgeübte oder von ihm abgeleitete besteht.616 Schließlich widerspricht sie der in Art. 20 Abs. 2 GG implizierten Verpflichtung der Staatsgewalt auf das Gemeinwohl.617 Unter dem Grundgesetz muß der Verwaltungsvorschriftengeber daher in alleiniger Verantwortung und frei von Bindungen an außerstaatliche Verbände entscheiden können. Eine Mitentscheidung korporatistisch verfaßter Gremien über den Erlaß einer Verwaltungsvorschrift ist folglich mit dem zwingenden Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.
2. Mitwirkungsrechte Aus dem Verbot der Mitentscheidung außerstaatlicher Kreise bei der Rechtsetzung ergibt sich im Umkehrschluß die Zulässigkeit ihrer Mitwirkung.618
___________ 613
BVerfG v. 30.10.1990, BVerfGE 83, 60 (73); dazu vor allem im Blick auf den Bereich der Verwaltung Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, Art. 20 Abschn. II Rn. 46 ff.; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 49 ff.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominalverwaltung, 1993, S. 265 ff.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtsfreie Räume in der Verwaltung, 1986, S. 67 ff.; E.W. Böckenförde, in: HStR I, 1987, § 22 Rn. 14-25 (S. 896-903); Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 ff. 614 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (211); Scheuner, VVDStRL 16 (1958), S. 124 (Diskussionsbeitrag). 615 In Anlehnung an eine Formulierung von Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (215). 616 Vgl. BVerfG v. 11.6.1969, BVerfGE 26, 186 ff.; v. 24.11.1964, BVerfGE 18, 241 ff., wo das BVerfG die Notwendigkeit der Staatlichkeit der Gerichte betont; ferner Badura, VVDStRL 22 (1965), S. 350 (Diskussionsbeitrag); Zeidler, DVBl. 1971, 565 (571). 617 Vgl. H. H. Klein, in: Festschrift für E. Forsthoff, 2. Aufl., 1974, S. 165 (168). 618 Ebenso im Ergebnis v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 393; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (232).
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a) Grundrechtlicher Anspruch auf Mitwirkung? Angesichts der zahllosen Gesetze, die verschiedene Arten der Beteiligung beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften vorsehen, stellt sich zunächst die Frage, ob die Verfassung in ihren Grundrechtsgarantien einen individuellen Anspruch auf Mitwirkung einräumt. In der Diskussion wird ein entsprechendes Recht überwiegend abgelehnt.619 In Anlehnung an die Voraussetzungen einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde gebiete das Grundgesetz nur dann eine individuelle Verfahrensbeteiligung, wenn die staatliche Norm einen unmittelbaren Eingriff in private Rechte bewirke oder diese gestalte und die Einwirkung auf den Rechtsträger individualisierbar sei. Da Verwaltungsvorschriften immer einer Umsetzung durch ein Einzelgenehmigungsverfahren bedürften, seien die Mitwirkungsvoraussetzungen bei ihnen nicht erfüllt.620 So sehr dieser Lehrmeinung im Ergebnis zuzustimmen ist, ihre Begründung fordert Widerspruch heraus. Denn Verwaltungsvorschriften richten sich zwar unmittelbar an untergeordnete Behörden und Amtswalter. Dennoch vermögen sie bekanntlich das „Unwesentliche“ am Grundrechtseingriff (im Sinne der Wesentlichkeitslehre) zu regeln und so in Verbindung mit dem zu vollziehenden Gesetz (zumindest) mittelbar in Grundrechtspositionen einzugreifen.621 Unter der Geltung des Grundgesetzes aber ist der Grundrechtsschutz nicht auf klassische Eingriffe beschränkt, sondern auch auf mittelbare und faktische Beeinträchtigungen ausgedehnt worden.622 Entscheidend gegen die Annahme eines grundrechtlichen Mitwirkungsanspruchs spricht indes der Funktionsradius der Grundrechtsausübung. Der Wandel vom liberalen Rechtsstaat zum sozialen Rechtsstaat der Gegenwart bewirkte eine Änderung der Grundrechtsverständnisses. Stand vordem das Grundrecht ___________ 619
BVerfG v. 25.5.1976, BVerfGE 42, 191 (205); v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 396-399; Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rn. 181 (S. 173 f.); Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 96 f.; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 64 Rn. 64 (S. 416 f.); Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (236); a. A. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 465 (S. 282 f.), der eine grundrechtliche Schutzpflicht des Staates gegenüber den durch eine Norm Betroffenen annimmt, aus der ein entsprechender Mitwirkungsanspruch resultieren soll. 620 So ausdrücklich Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 96. 621 Dazu noch ausführlich im 6. Teil. 622 So jüngst das BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2621 (2624) – Glykolwein; v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2629 f.) – Osho; aus dem Schrifttum statt vieler Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl., 1997, § 12 Rn. 40-52 (S. 413-419); Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, passim; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, passim; J. Ipsen, Staatsrecht II, 4. Aufl., 2001, Rn. 130-133, 155-157 (S. 44 f., 49 f.), Bleckmann/Eckhoff, DVBl. 1988, 373 ff.
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als Abwehrrecht im Mittelpunkt der Betrachtung, findet heute zunehmend eine Akzentverlagerung auf grundrechtliche Teilhabe- und Mitwirkungsrechte statt.623 Die rechtsstaatliche Komponente der Grundrechtsgewährleistungen wird so durch ein demokratisches Element ergänzt.624 Aber selbst wenn der einzelne Grundrechte in Gestalt von Teilhabe- oder Mitwirkungsrechten wahrnimmt, handelt er als Staatsbürger. Die Grundrechte, die er geltend macht, bleiben individuell-beliebige Instrumente zur Gestaltung des privaten oder gesellschaftlichen Bereichs.625 Bei der Mitwirkung in staatlichen Rechtsetzungsverfahren dagegen tritt der einzelne als Teil des staatlichen Institutionengefüges auf, ohne daß er seine personale Freiheit gegen den oder für den Staat verwirklichte. Er übt Einfluß auf die Staatswillensbildung aus. Auch soweit die Grundrechte in Gestalt der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit nach Art. 5, 8, 9 GG in Frage stehen, unmittelbar betreffen sie nur die Volkswillensbildung. An der Staatswillensbildung ermöglichen sie über die öffentliche Meinung lediglich eine mittelbare Teilnahme.626 Grundrechte und Mitwirkung an der Staatswillensbildung sind daher strikt voneinander zu unterscheiden. Gewähren jene ein Recht auf individuelle Selbstbestimmung, nimmt diese den einzelnen in die Pflicht und ist auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Deswegen kann es einen grundrechtlich niedergelegten Anspruch auf Mitwirkung beim Erlaß von Rechtsnormen, genauer: Verwaltungsvorschriften nicht geben, wiewohl die Mitwirkung von Betroffenen und Interessengruppen grundgesetzlich zulässig ist.
___________ 623
Systematische Ausführungen bei Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, insb. S. 70 ff. und passim; Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, 2. Aufl., 1994, S. 127 ff.; Isensee, in: HStR V, 1992, § 111 Rn. 22-31 (S. 156-161); Murswiek, in: HStR V, 1992, § 112 (S. 243 ff.); Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (insb. S. 86 ff.): „status activus processualis“; Redeker, NJW 1980, 1593 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), 161 ff.; Schlink, EuGRZ 1984, 457 ff. 624 Vgl. Herzog (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abschn. I, II Rn. 2, 4, 5, Art. 8 Rn. 2; Scholz (1999), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 9, 13. 625 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (221-223); ders., AöR 97 (1972), 60 (82-97); Zacher, Freiheitliche Demokratie, 1969, S. 81-85, 116-122. 626 Zur Trennung von Willensbildung des Volkes und staatlicher Willensbildung insbesondere BVerfG v. 19.7.1966, BVerfGE 20, 56 (98-100); v. 30.7.1958, BVerfGE 8, 104 (112-115); dazu im einzelnen Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), 60 (108-113); insoweit undifferenziert Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971, S. 189.
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b) Mitwirkungsrechte in der Rechtspraxis aa) Mitwirkung durch Anhörung In der Rechtspraxis finden sich zahlreiche Bestimmungen, die außerstaatliche Gruppen in das Erlaßverfahren von Verwaltungsvorschriften einbeziehen. Statistisch überwiegen gesetzliche Anhörungsregeln, welche die Anhörung „beteiligter Kreise“, sachverständiger Gremien oder bestimmter Einzelsachverständiger vor der Verwaltungsvorschriftengebung vorschreiben.
(1) Anhörung „beteiligter Kreise“ Zur Anhörung der „beteiligten Kreise“ wird die Bundesregierung oder das jeweils zuständige Bundesministerium etwa durch die §§ 48, 51 BImSchG, §§ 12 Abs. 2, 60 KrW-/AbfG sowie § 6 WRMG verpflichtet.627 Exemplarisch soll § 51 BImSchG zur Verdeutlichung der Funktion, des Verfahrens und der Rechtswirkungen derartiger Anhörungen näher untersucht werden. Gemäß § 51 BImSchG ist „ein jeweils auszuwählender Kreis von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft, des beteiligten Verkehrswesens und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden“ zu hören, soweit Ermächtigungen zum Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften die Anhörung der „beteiligten Kreise“ vorschreiben. Nach überwiegender Auffassung dient die Anhörung der „beteiligten Kreise“ ausschließlich der Gewinnung externen Sachverstandes bei der Vorbereitung der exekutiven Normsetzung.628 Soweit § 51 BImSchG die Hinzuziehung von Vertretern der Wissenschaft und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden verlangt, kann an seiner Informationsfunktion in der Tat kein Zweifel bestehen. Eine reine Informationsfunktion vermag allerdings kaum die darüber hinausgehende Anhörung der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft und des beteiligten Verkehrswesens zu erklären. Insbesondere die Entstehungsgeschichte des § 51 BImSchG spricht vielmehr für eine Doppelfunktionalität der Anhörung im Sinne einer Information der Exekutive und Beteiligung der Betroffenen. So zählte der Entwurf des § 51 BImSchG ursprünglich als anzuhörende Gruppen die Vertreter der Verbraucher, der Gewerkschaf-
___________ 627 Vgl. weiter die außer Kraft getretenen §§ 16, 4 Abs. 5 AbfG i. d. F. v. 27.8.1986 (BGBl. I S. 1410, ber. BGBl. I S. 1501). 628 Hansmann (1978), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 51 BImSchG Rn. 3; Stich/Porger (1981), BImSchG, § 51 Anm. 13; differenziert Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 51 Rn. 1: Information und Legitimation.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
ten, der Land- und Forstwirtschaft und des Haus- und Grundbesitzes auf.629 Zu beteiligen waren mithin Gruppen, die sich weniger durch naturwissenschaftlichtechnischen Sachverstand als durch ihre spezifische Betroffenheit auszeichneten. Die Begründung des Gesetzentwurfs bestätigt diese Sichtweise. Danach bedürfen die zu erlassenden Verwaltungsvorschriften „einer sachkundigen Vorbereitung, in die rechtzeitig auch eine Prüfung der verschiedenen, oft widerstreitenden Interessen einzubeziehen ist“630. Die im weiteren Gesetzgebungsverfahren erfolgte Änderung des späteren § 51 BImSchG bezweckte ausschließlich eine flexiblere Gestaltung des Anhörungsverfahrens in der Praxis, ohne die Betroffenenbeteiligung zu beschränken.631 Als mitwirkende Gruppen nennt § 51 BImSchG lediglich einen „jeweils auszuwählenden Kreis von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft, des beteiligten Verkehrswesens und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden“. Auf eine detaillierte Regelung des Anhörungsverfahrens wird verzichtet. In der Praxis wird die Auswahl der Anzuhörenden regelmäßig vom federführenden Ministerium vorgenommen; nach herrschender Meinung kommt ihm dabei ein weit zu interpretierendes Auswahlermessen zu.632 Seiner Ausübung werden insbesondere durch das Willkürverbot und den Anhörungszweck Schranken gesetzt. Letzterer erfordert, auch konkurrierende, abweichende Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Dementsprechend sind „Betroffene“ im Sinne des § 51 BImSchG nicht nur Personen, die rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile durch die Verwaltungsvorschrift zu erwarten haben. Betroffenheit wird auch durch qualifizierte ideelle Interessen, die durch die jeweilige Verwaltungsvorschrift tangiert werden, begründet.633 Im übrigen muß jeweils mindestens ein Vertreter der in § 51 BImSchG genannten Kreise angehört werden. Das Ermessen der Bundesregierung dagegen über die Auswahl der einzelnen Vertreter hinaus auch auf die zu ___________ 629
Vgl. BT-Drucks. 7/179, S. 13 zu § 43: „Soweit [...] die Anhörung beteiligter Kreise vorgeschrieben ist, sind Vertreter der Wissenschaft, der Technik, der technischen Überwachung, des Gesundheitswesens, des Bergwesens, der gewerblichen Wirtschaft, der Verbraucher, der Gewerkschaften, der kommunalen Spitzenverbände, der Land- und Forstwirtschaft, des Haus- und Grundbesitzes sowie Vertreter der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden anzuhören.“ 630 Vgl. BT-Drucks. 7/179, S. 46 zu § 43. 631 Vgl. BT-Drucks. 7/1513, S. 8 zu § 43: „Das im Regierungsentwurf enthaltene schwerfällige Anhörungsverfahren wurde in eine flexiblere Form gebracht. [...] Eine Beschränkung der Anhörungspflicht ist damit nicht verbunden.“ 632 H.-J. Koch, in: ders./Scheuing, GK-BImSchG, § 51 Rn. 31; Stich/Porger (1981), BImSchG, § 51 Anm. 14; v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 409 in Fn. 568; Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rn. 59 (S. 55). 633 Feldhaus, BImSchG, 2. Aufl., 1998, § 51 Anm. 3; H.-J. Koch, in: ders./Scheuing, GK-BImSchG, § 51 Rn. 2 b; Stich/Porger (1981), BImSchG, § 51 Anm. 8.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
333
beteiligenden Gruppen zu erstrecken, widerspricht nicht nur dem beschriebenen Zweck und der Entstehungsgeschichte des § 51 BImSchG634, sondern auch seinem Wortlaut („jeweils auszuwählender Kreis von Vertretern“).635 Die Durchführung des Anhörungsverfahrens liegt ebenfalls im Ermessen des Verwaltungsvorschriftengebers.636 Zur möglichst optimalen Verwirklichung des Anhörungszwecks muß den Beteiligten freilich die Möglichkeit eröffnet werden, mit ihren Stellungnahmen auf den staatlichen Willensbildungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Verlangt wird also mehr als eine bloße Entgegennahme der Äußerung der Beteiligten.637 Einerseits muß das Ministerium der Anhörungsaufforderung daher hinreichende Informationen beifügen; andererseits muß der jeweiligen Gruppe eine genügende Vorbereitungszeit zur Erarbeitung einer Stellungnahme eingeräumt werden. Im übrigen verwenden die Behörden die unterschiedlichsten Anhörungstechniken.638 Insoweit unbestritten sind das federführende Ministerium oder die Bundesregierung rechtlich nicht an die im Rahmen der Anhörung unterbreiteten Empfehlungen gebunden.639 ___________ 634
So sah die Fassung des Regierungsentwurfs des heutigen § 51 BImSchG die Anhörung von Vertretern aller aufgezählten Kreise vor. Vgl. daher nochmals BT-Drucks. 7/179, S. 13 zu § 43 Abs. 1: „Soweit [...] die Anhörung beteiligter Kreise vorgeschrieben ist, sind Vertreter der Wissenschaft, der Technik [...] sowie Vertreter der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden anzuhören.“ Die Neufassung des Wortlauts des § 51 Abs. 1 BImSchG auf Vorschlag des Innenausschusses sollte das Anhörungsverfahren lediglich in eine „flexiblere Form“ bringen, ohne der Bundesregierung ein größeres Auswahlermessen einzuräumen. Auch insoweit nochmals BT-Drucks. 7/1513, S. 8 zu § 43: „Eine Beschränkung der Anhörungspflicht ist damit nicht verbunden.“ 635 Hervorhebung durch den Verf. – Unzutreffend daher Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rn. 59 (S. 55 f.) in Anlehnung an Stich/Porger (1981), BImSchG, § 51 Anm. 7. – Wie hier v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 410 unter Berufung auf Jarass, BImSchG, 4. Aufl., 1999, § 51 Rn. 2. 636 Feldhaus, BImSchG, 2. Aufl., 1998, § 51 Anm. 4; Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung, 1995, S. 164-167. 637 Hansmann (1978), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 51 BImSchG Rn. 23; Stich/Porger (1981), BImSchG, § 51 Rn. 10-12. 638 Zur Offenheit der Gestaltungsformen Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 466 (S. 284): „Hinsichtlich der Durchführung der Beteiligung gibt es keine abstrakten Regeln.“; Beispiele für verschiedene Anhörungsformen bei Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rn. 183 (S. 175 f.); ferner Hansmann (1978), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 51 BImSchG Rn. 22; Stich/Porger (1981), BImSchG, § 51 Rn. 10. 639 Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rn. 59 a. E. (S. 57); vgl. demgegenüber § 11 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GerSiG, der im Rahmen der Rechtsverordnungsgebung die „Berücksichtigung“ der Vorschläge eines technischen Ausschusses festschreibt. Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung, 1995, S. 151, legt dieses Tatbestandsmerkmal so aus, daß im Gegen-
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
(2) Anhörung sachverständiger Gremien Charakteristisch für einen weiteren Anhörungstyp ist die Einschaltung sachverständiger Gremien in das Erlaßverfahren von Verwaltungsvorschriften. Zu nennen sind etwa § 30 Abs. 5 GenTG, § 10 GerSiG, § 32 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG oder § 16 b Abs. 1 Satz 2 TierSchG. Den informatorischen Zweck der Anhörung dieser Gremien verdeutlicht exemplarisch § 5 Satz 1 GenTG. Danach prüft und bewertet die „Kommission“ sicherheitsrelevante Fragen nach den Vorschriften des GenTG, gibt hierzu Empfehlungen und berät die Bundesregierung bei bestimmten Problemen der Gentechnik. Über die Beratung des Verwaltungsvorschriftengebers hinausgehende Kompetenzen kommt den Ausschüssen regelmäßig nicht zu.640
(3) Anhörung bestimmter Einzelsachverständiger Des weiteren sehen Vorschriften die Anhörung von Einzelsachverständigen vor. Zu unterscheiden ist zwischen zwei Regelungentypen. Zum ersten Typus zählen solche Gesetze, die auf eine fachspezifische Benennung der anzuhörenden Sachverständigen verzichten und statt dessen schlicht die Anhörung von „Sachverständigen“ fordern. Als Beispiel können § 4 Abs. 6 und § 10 Abs. 3 ChemG641 dienen. Daneben existieren Vorschriften, die die Anhörung von Einzelsachverständigen aus bestimmten Fachgebieten vorschreiben. So ist dem Erlaß von Arzneimittelprüfrichtlinien nach § 32 Abs. 2 AMG die „Anhörung von Sachverständigen aus der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis“ vorgeschaltet. Oder: Gemäß § 114 Abs. 1 BSHG sind vor dem Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften „sozial erfahrene Personen zu hören, besonders aus Vereinigungen, die Bedürftige betreuen, oder aus Vereinigungen von Sozialleistungsempfängern“. Hinsichtlich der Funktion, des Verfahrens und der Verbindlichkeit dieses Anhörungstyps ist auf die Ausführungen über die erstgenannte Fallgruppe zu verweisen.
___________ satz zur bloßen Anhörung eine Nichtbefolgung der Vorschläge nur aus sachlichen Gründen erlaubt sei. 640 Zur Anhörung des Beratenden Ausschusses gemäß § 32 a Abs. 1 LuftVG vor dem Erlaß von Verwaltungsvorschriften im Bereich der Luftverkehrsverwaltung vgl. M. Hofmann/Grabherr, LuftVG, 2. Aufl., 1993, § 32 a Rn. 2. 641 §§ 4 Abs. 6, 10 Abs. 3 ChemG beziehen sich allerdings auf den Erlaß von Rechtsverordnungen. Sie seien deshalb hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
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bb) Mitwirkung durch Verbände Unabhängig von den gesetzlichen Anhörungsvorschriften werden den tangierten Fachkreisen und (kommunalen Spitzen-)Verbänden durch §§ 78 Abs. 1, 24, 25 GGO II weitere Mitwirkungsrechte bei der Erstellung von Verwaltungsvorschriften gewährt.
V. Begründung Das Problem einer Begründungspflicht für Verwaltungsvorschriften aufzuwerfen bedeutet, weitgehend juristisches Neuland zu betreten. In der Rechtspraxis finden sich nur vereinzelt Vorschriften, die den jeweiligen rechtsetzenden Organen Begründungspflichten auferlegen. Beispielhaft können Art. 253 EGV für Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaft, § 9 Abs. 8 Satz 2 BauGB für Bebauungspläne, § 2 Abs. 2 StWG in Verb. mit § 51 Abs. 3 EStG für bestimmte Rechtsverordnungen642 und § 39 VwVfG für Verwaltungsakte angeführt werden. Lediglich § 78 Abs. 1 in Verb. mit § 66 Satz 1 GGO II „empfiehlt“ eine Begründung komplizierterer Verwaltungsvorschriften. Eine Verpflichtung der Exekutive zur Begründung der von ihr erlassenen Verwaltungsvorschriften besteht daher nur dann, wenn sie vom Grundgesetz gefordert wird.
1. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Begründung Stellungnahmen der Rechtsprechung zum Erfordernis einer Begründung für Verwaltungsvorschriften fehlen gänzlich.643 Lediglich für Verwaltungsakte nahm die verfassungs- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (vor der Kodifizierung des § 39 VwVfG) ein grundgesetzliches Begründungsgebot an und leitete dies aus dem Rechtsstaatsprinzip ab. Die verschiedenen dogmatischen Ansätze unterschieden sich dabei nur in Nuancen. Während das Bundesverfassungsgericht ein Begründungserfordernis als allgemeinen „rechtsstaatli___________ 642
Auch der „Berücksichtigungspflicht“ des § 11 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GerSiG wird die Pflicht zur Begründung einer erlassenen Rechtsverordnung entnommen, soweit dem Vorschlag eines technischen Ausschusses nicht gefolgt wird. Vgl. Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung, 1995, S. 151. 643 Die Entscheidung des BVerwG v. 13.12.1984, BVerwGE 70, 318 (332-342), enthält ausschließlich Ausführungen über das Gebot einer Begründung von Rechtsverordnungen.
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chen Grundsatz“ bezeichnete und in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte,644 erkannte das Bundesverwaltungsgericht die Begründungspflicht als Bestandteil der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.645 Im Schrifttum wird eine Übertragung dieser Rechtsprechung vornehmlich646 auf den Erlaß von Rechtsverordnungen erörtert.647 Die Begründung einer Rechtsverordnung diene der Realisierung einer effektiven Gerichtskontrolle der Administrative. Auch die effektive Wahrung der Rechte der betroffenen Bürger verlange nach einer Information über die (Hinter-)Gründe der jeweiligen Vorschrift. Ohne eine Begründungspflicht würde die Rechtsdurchsetzung durch die Gerichte und für den einzelnen Bürger somit essentiell erschwert. Eine Begründung exekutiver Rechtsnormen (in Gestalt von Rechtsverordnungen) werde daher sowohl durch den Grundsatz der Rechtssicherheit als auch die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gefordert.648 Zudem komme der Begründung auch eine demokratische Dimension zu. Sie bezwecke, die Akzeptanz der Rechtsnorm zu erhöhen und sie damit durch Konsens (zusätzlich) zu legitimieren.649 So richtig diese Argumentation auch die rechtsstaatlichen und demokratischen Potentiale einer Begründung beleuchtet, ein verfassungsrechtliches Begründungsgebot für exekutive Rechtsnormen wie den Verwaltungsvorschriften wird dennoch abzulehnen sein. Der Grund liegt in der Wertungshaltigkeit von Verwaltungsvorschriften. Ähnlich den Rechtsverordnungen oder Satzungen enthalten Verwaltungsvorschriften in hohem Maße kompromißhafte, politische Wertungen. Damit sind sie zwar keineswegs zwingend irrational, wie die soeben aufgeführten einfachgesetzlich normierten Begründungserfordernisse zeigen. Jedoch ist der Erlaß von Verwaltungsvorschriften zuvörderst eine volunta___________ 644
BVerfG v. 28.2.1979, BVerfGE 50, 287 (290); v. 29.10.1975, BVerfGE 40, 276 (286); v. 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 (44). 645 BVerwG v. 21.10.1980, NJW 1981, 1917 (1918); v. 16.12.1971, BVerwGE 39, 197 (204); v. 15.7.1971, BVerwGE 38, 191 (194). 646 Eine Ausnahme macht lediglich Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 102 f., der eine Begründungspflicht bei Verwaltungsvorschriften im Ergebnis bejaht; wohl auch Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 472 (S. 287). 647 Vgl. v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 441-443; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 138-143; Ossenbühl, NJW 1986, 2805 ff.; siehe ferner den Bericht von H. Klein/Kleiner (NJW 1986, 2814 f.) über die Ergebnisse des 8. Verwaltungsrichtertages, auf dem die Begründungspflicht für Rechtsverordnungen thematisiert wurde. 648 So die Argumentation namentlich von v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 441-443; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 139 f.; Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2809); jeweils mit weiteren Nachweisen. 649 Vgl. Ule, in: Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gesammelte Aufsätze und Vorträge 1949-1979, 1979, S. 561 (575).
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tive Entscheidung, die auch durch eine Begründung unter sachlogischen Gesichtspunkten rational nicht nachvollziehbar wird.650 Insofern mag sich die Begründung zwar einerseits als zusätzliches rechtsstaatliches Sicherungsmittel darstellen. Andererseits kann ihr jedoch allenfalls eine (ergänzende) Indizfunktion bei der Prüfung zukommen, ob der Normsetzer sich von sachfremden Erwägungen leiten ließ, die ihrerseits die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift begründen.651 Eine grundgesetzliche Pflicht der Exekutive zur Begründung der von ihr erlassenen Verwaltungsvorschriften besteht daher regelmäßig nicht.652 Etwas anderes kann allenfalls in seltenen Grenzfällen gelten, in denen die Verwaltungsvorschrift aus sich selbst heraus nicht verständlich ist und eine gerichtliche Kontrolle ohne Begründung faktisch unmöglich wäre.653 Zu denken ist vornehmlich an rein zahlenmäßige Normierungen, wie sie etwa im Umweltrecht in Form von Grenzwerten vorkommen.654
2. Umfang der Begründungspflicht Noch nicht beantwortet ist damit die Frage nach dem Umfang der Begründungspflicht, soweit sie in Ausnahmefällen bejaht wird. Eine Antwort muß zweierlei berücksichtigen. Erstens, daß Verwaltungsvorschriften abstrakte Rechtssätze sind, die auf einen weiteren Vollzug durch seinerseits begründungsbedürftige Verwaltungsakte angelegt sind. Zweitens, daß die Begründung im Gerichtsverfahren dazu dient, „die objektive, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Norm“655 und damit deren Rechtswidrigkeit nachzuweisen.656 In der Konsequenz ist der Umfang der dem Verwaltungsvor___________ 650 Vgl. BVerwG v. 13.12.1984, BVerwGE 70, 318 (336) für die Rechtsverordnungsgebung. 651 Im Ergebnis ähnlich v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 200, der daraus allerdings nur den Schluß zieht, ein Verstoß gegen die von ihm bejahte Begründungspflicht führe nicht zur Unwirksamkeit (einer Rechtsverordnung). 652 Anders die oben in Fn. 646 genannten Autoren. 653 Dem entspricht § 78 Abs. 1 in Verb. mit § 66 Satz 1 GGO II, der eine Begründung von Verwaltungsvorschriften für die Vorlage beim Kabinett oder beim Bundesrat „empfiehlt“, wenn die Verwaltungsvorschrift aus sich selbst heraus nicht ohne weiteres verständlich ist. 654 So wohl auch VGH BW v. 10.11.1983, KMK-HSchR 1984, 690 (703, 706) und OVG Koblenz v. 7.4.1983, KMK-HSchR 1984, 367 (372 ff.), die beide die zahlenmäßigen Normierungen in Rechtsverordnungen des Hochschulkapazitätsrechts anhand der jeweiligen Begründung überprüfen. 655 BVerwG v. 13.12.1984, BVerwGE 70, 318 (335). 656 Vgl. BVerfG v. 20.3.1979, BVerfGE 51, 1 (27); BVerwG v. 13.12.1984, BVerwGE 70, 318 (335); ferner v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 141 f.
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schriftengeber obliegenden Begründungspflicht nicht entsprechend dem auf Einzelfallentscheidungen zugeschnittenen § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG zu bestimmen. In Anlehnung an den für Satzungen geltenden § 9 Abs. 8 Satz 2 BauGB reicht es vielmehr aus, in der Begründung die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen der Verwaltungsvorschrift darzulegen.657
VI. Ausfertigung Nähere Bestimmungen über die Ausfertigung der Bundesverwaltungsvorschriften, d. h. die Modalitäten ihrer Unterzeichnung, treffen §§ 74, 67 Abs. 1 und 2 GGO II. Unterschiede zu den Rechtsverordnungen bestehen insoweit nicht. Entsprechende Regelungen finden sich ebenfalls in den Geschäftsordnungen der Länderregierungen.658
VII. Verkündung Den Schlußpunkt eines jeden Rechtsetzungsverfahrens bildet die Verkündung. Sie ist unabdingbares Erfordernis jedweder Entstehung von Rechtsnormen.659 Nicht ohne Grund schreiben Art. 82 Abs. 1 GG sowie die entsprechenden Vorschriften in den Verfassungen der Länder660 eine Publikation von Gesetzen und Rechtsverordnungen im Bundesgesetzblatt bzw. den jeweiligen Gesetz- und Verordnungsblättern vor. Für Verwaltungsvorschriften fehlt indes eine derartige Regelung. Bereits seit Jahrzehnten steht deshalb die Frage der Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften im Mittelpunkt rechtswissenschaftlicher Kontroversen.
___________ 657
Für Rechtsverordnungen ähnlich Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2809), der allerdings auf den Rechtsgedanken des Art. 190 EWGV (= Art. 253 EGV) abstellen will. 658 Beispiel: § 9 Abs. 4 Satz 3 GeschO der Bayerischen Staatsregierung v. 19.12.1956 (StAnz. 1957 Nr. 1 S. 1): „Veröffentlichte Rechts- und Verwaltungsvorschriften [...] können nur durch veröffentlichte Vorschriften geändert oder außer Anwendung gesetzt werden.“ 659 W. Weber, Die Verkündung von Rechtsvorschriften, 1942, S. 7 f.; Hallier, AöR 85 (1960), 391 (405-408); speziell zu Parlamentsgesetzen BVerfG v. 19.3.1958, BVerfGE 7, 330 (337). 660 Vgl. Art. 71 Abs. 1 und 2 VerfNW.
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1. Rechtsprechungs- und Literaturbericht a) Stellungnahmen in der Rechtsprechung In seinem Beschluß vom 28. Oktober 1975661 entschied das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsrechtsmäßigkeit einer Verwaltungsvorschrift des nordrhein-westfälischen Justizministers, die § 24 Abs. 2 EGGVG näher ausfüllte. Nach ihr konnte ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justiz- und Vollzugsbehörden erst nach einem vorausgegangenen Beschwerdeverfahren gestellt werden. Die insoweit zulässige Verwaltungsvorschrift, urteilte das Bundesverfassungsgericht, komme kraft ihrer gesetzlich, d. h. von § 24 Abs. 2 EGGVG intendierten Funktion auch Bindungswirkung gegenüber dem betroffenen Bürger zu. Gewährleistet sein müsse aber, daß die Vorschrift jedem, den sie angehe, bekannt werden könne. „Bestünde hier Rechtsunsicherheit, so würde in der Tat der Zugang zum Gericht, wie ihn Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet, unzumutbar erschwert.“662 Dem Erfordernis der Publikation sei freilich durch die Veröffentlichung im Justizministerialblatt Genüge getan.663 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts blieb vereinzelt. Insbesondere die ältere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war gegenüber der Annahme einer Publikationspflicht bei Verwaltungsvorschriften zunächst zurückhaltend. In seinem grundlegenden Urteil vom 25. Juni 1964664 über die Rechtmäßigkeit einer unveröffentlichten Beihilferichtlinie fordert es eine Bekanntgabe der Verwaltungsvorschrift lediglich an ihre Adressaten, die Verwaltungsbediensteten: „Voraussetzung der Wirksamkeit von Normen [...] ist, daß sie dem Adressaten bekanntwerden. Die allgemein verbindlichen Rechtssätze können naturgemäß nicht jedem einzelnen Gewaltunterworfenen persönlich eröffnet werden. Deshalb ist es erforderlich, daß sie in den dafür bestimmten Verkündungsorganen öffentlich bekannt gemacht werden. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gebietet es aber nicht, die nur für bestimmte Behörden verbindlichen Verwaltungsvorschriften öffentlich kundzumachen. Sie sind wirksam, wenn sie den betreffenden Behörden zugehen.“665
Wer nun Adressat des Verwaltungsrechtssatzes sei, hänge außerhalb des Gesetzesvorbehalts vom Willen der normsetzenden Stelle ab. Könne eine Norm ___________ 661
BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 ff. – Verfahren nach § 24 Abs. 2 EGGVG. 662 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (252 f.) – Verfahren nach § 24 Abs. 2 EGGVG. 663 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (255) – Verfahren nach § 24 Abs. 2 EGGVG. 664 BVerwG v. 25.6.1964, BVerwGE 19, 48 ff. 665 BVerwG v. 25.6.1964, BVerwGE 19, 48 (58).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
daher sowohl als Verwaltungsvorschrift als auch in Form eines „Rechtssatzes“ erlassen werden, habe die Exekutive die Wahl zwischen dem veröffentlichungsfreien Innenrecht und dem veröffentlichungspflichtigen Außenrecht.666 In einem weiteren Urteil667 knüpft das Bundesverwaltungsgericht auch innerhalb des Bereichs des Gesetzesvorbehalts an das Adressatenkriterium an: Nur in Grundrechte eingreifende Rechtssätze bedürften aus rechtsstaatlichen Gründen der Publikation. Verwaltungsvorschriften als Innenrecht dagegen könnten in keinem Fall Eingriffe in individuelle Rechtspositionen rechtfertigen und müßten deshalb nicht veröffentlicht werden.668 Einen Perspektivwechsel nimmt das Bundesverwaltungsverwaltungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung vor. Standen bislang objektiv-rechtliche Publikationspflichten im Mittelpunkt, konzentrieren sich die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nunmehr auf die Frage, ob ein subjektives Recht auf Bekanntgabe von Verwaltungsvorschriften existiert. Ein subjektiver Anspruch auf Bekanntgabe gegenüber jedermann wird kategorisch verneint.669 In Abkehr von seiner bisherigen Adressatenorientierung bejaht das Bundesverwaltungsgericht aber ein entsprechendes Recht der Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens nach § 13 VwVfG,670 und zwar bereits im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens.671 Als Anspruchsgrundlage werden weniger die in §§ 25 Satz 2, 29 VwVfG normierten Ansprüche auf Auskunft und Akteneinsicht als der auf ein individuelles Schuldverhältnis zugeschnittene Grundsatz von Treu und Glauben herangezogen: „Nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz [...] kann derjenige, der über das Bestehen und den Umfang des ihm zustehenden Rechts im ungewissen und insoweit auf
___________ 666
BVerwG v. 25.6.1964, BVerwGE 19, 48 (53). BVerwG v. 29.8.1961, NJW 1962, 506 ff. 668 BVerwG v. 8.4.1997, BVerwGE 104, 220 (224); v. 29.8.1961, NJW 1962, 506; vgl. ferner BVerwG v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45 (49). – Lediglich in dem Fall einer Ausschreibung über Einfuhrgenehmigungen für Gemüsekonserven bejahte das BVerwG (v. 17.4.1970, BVerwGE 35, 159 [162]) eine Veröffentlichungspflicht für Verwaltungsvorschriften. Als Begründung führte das Gericht an, daß sich die Verwaltung mit dieser Ausschreibung „nicht nur nach innen mit Bindungswirkung für ihre Beamten, sondern auch nach außen mit Wirkung gegenüber Dritten“ wende. Die Verwaltungsvorschrift müsse daher, „soweit sie sich nach außen wendet“, bekanntgemacht werden. 669 BVerwG v. 5.6.1984, BVerwGE 69, 278 (282); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 40 (43 f.); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (21); v. 18.10.1984, NJW 1985, 1234 mit Anmerkung Osterloh, JuS 1986, 162 f. und Reinke, ArchPF 1985, 264. 670 BVerwG v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 40 (43); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (20). 671 BVerwG v. 5.6.1984, BVerwGE 69, 278 (282). 667
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Unterrichtung durch den Verpflichteten angewiesen ist, von diesem die erforderlichen Auskünfte verlangen [...].“672
Grundrechtliche Informationsansprüche, namentlich von Rechtsanwälten, lehnt das Bundesverwaltungsgericht demgegenüber ab. Gegen ein Bekanntgaberecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 GG spreche bereits die im Verfassungstext ausdrücklich vorgenommene Beschränkung auf „allgemein zugängliche Quellen“.673 Aus der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit lasse sich ein Leistungsanspruch ebenfalls nicht herleiten; denn die fehlende Kenntnis der Verwaltungsvorschriften bedeute keine hinreichend schwere Beeinträchtigung der anwaltlichen Berufsausübung.674 Rechtsanwälten und sonstigen Personen soll allenfalls ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens zukommen, soweit sie ein „berechtigtes Interesse“ an der Mitteilung des Inhalts der Verwaltungsvorschriften darlegen können. Dabei macht das allgemeine berufliche Interesse eines Anwalts, auch falls er sich auf das in Frage stehende Rechtsgebiet spezialisiert hat, sein Interesse nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich noch nicht zu einem berechtigten.675 Über die restriktive Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinausgehend sprechen sich demgegenüber einige Obergerichte für eine objektivrechtliche Veröffentlichungspflicht bei Verwaltungsvorschriften aus. Namentlich das OVG Berlin leitet ein Verkündungserfordernis bei ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 GG ab.676 Werde die Pflicht zur Publikation verletzt, habe jeder Bürger einen Anspruch auf Bekanntgabe der Verwaltungsvorschriften „zur Beseitigung (der) durch Unterlassen der gebotenen Veröffentlichung herbeigeführten, fortdauernden rechtswidrigen Beeinträchtigung seiner Freiheitsrechte“.677 Als Anspruchsgrundlage zieht das OVG Berlin das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) heran.678 Im Einklang mit bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen lehnt zwar auch der VGH Mannheim einen subjektiven Bekanntgabeanspruch solcher Personen ab, die sich nicht durch eine Verfahrensbeteiligung im Sinne des § 13 ___________ 672
BVerwG v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (20); im Ergebnis ebenso BVerwG v. 5.6.1984, BVerwGE 69, 278 (282); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 40 (43). 673 So BVerwG v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (22). 674 So BVerwG v. 5.6.1984, BVerwGE 69, 278 (281); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 40 (41 f.); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (19 f.). 675 So BVerwG v. 5.6.1984, BVerwGE 69, 278 (279 f.); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 40 (44); v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 (23 f.); v. 18.10.1984, NJW 1985, 1234 f. 676 OVG Berlin v. 26.9.1975, DVBl. 1976, 266 f.; aufgehoben durch BVerwG v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 15 ff. 677 OVG Berlin v. 26.9.1975, DVBl. 1976, 266 (267). 678 OVG Berlin v. 26.9.1975, DVBl. 1976, 266 (267).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
VwVfG auszeichnen.679 Gleichwohl deutet er seine Sympathie für eine objektivrechtliche Publikationspflicht bei ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften an. Als mögliche Grundlage eines solchen Gebotes erkennt der VGH Mannheim das Rechtsstaatsprinzip oder Art. 19 Abs. 4 GG.680
b) Stellungnahmen im Schrifttum Bei der Analyse des Schrifttums ist zwischen solchen Autoren zu unterscheiden, die eine unmittelbare Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften im Grundsatz für möglich halten, und solchen, die Verwaltungsvorschriften als rein innengerichtetes Recht mit bestenfalls mittelbarer Außenwirkung qualifizieren. Sofern Verwaltungsvorschriften unmittelbare Außenwirkung zugesprochen wird, herrscht zugleich Einigkeit über die Notwendigkeit ihrer Veröffentlichung.681 Zur Begründung werden allgemein die Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit angeführt.682 Daneben wird auf das Gebot der Gleichheit vor dem geltenden Recht verwiesen, von dem alle Staatsbürger in gleicher Weise Kenntnis erlangen müßten.683 Eine unter Mißachtung dieser Verfassungsgrundsätze nicht oder zumindest fehlerhaft veröffentlichte Verwaltungsvorschrift wird als unwirksam betrachtet.684 Deutlich wird damit das Charakteristikum dieser Lehrmeinung: Die Veröffentlichung der Verwaltungsvorschrift ist Voraussetzung, nicht Folge ihrer Außenverbindlichkeit. ___________ 679 VGH Mannheim v. 5.2.1979, NJW 1979, 2117 (2119); bestätigt durch BVerwG v. 16.9.1980, BVerwGE 61, 40 ff. 680 VGH Mannheim v. 5.2.1979, NJW 1979, 2117 (2118 f.). 681 Aus der Fülle des Schrifttums E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 282 f.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 462-465; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 260; Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 103 f.; M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 105 f.; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 69 (S. 459); H. P. Ipsen, VVDStRL 25 (1967), S. 257 (295, 297); Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (158 f.); Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125 (164); Gusy, DVBl. 1979, 720 (724); ders., GewArch 1980, 325 (327); Hamann, VerwArch 73 (1982), 34; Hill, NVwZ 1989, 401 (408); Jarass, NJW 1987, 1225 (1230); H. Jellinek, NJW 1981, 2235; Salzwedel, NVwZ 1987, 276 (279). 682 So etwa Jaenke, Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1959, S. 88; Gusy, DVBl. 1979, 720 (724). 683 Vgl. Gusy, DVBl. 1979, 720 (724); ders., GewArch 1980, 324 (328). 684 Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 69 (S. 459); Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (158 f.); modifizierend M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 105 f., der bei Publikationsmängeln als zusätzliche Sanktion einen Anspruch auf Bekanntgabe der Verwaltungsvorschrift erwägt.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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Genau umgekehrt sieht die zweite Autorengruppe in der (mittelbaren) Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift die Voraussetzung einer Publikationspflicht. Da Verwaltungsvorschriften grundsätzlich innengerichtet seien, könne ihnen lediglich über den Gleichheitssatz oder das Vertrauensschutzprinzip eine mittelbare Außenwirkung zugestanden werden. Nur in diesen Fällen geböten das Rechtsstaatsprinzip oder der Gleichheitssatz ihre Veröffentlichung.685 Da das Erfordernis der Publikation nach dieser Auffassung Folge der Außenverbindlichkeit ist, kann ihr Fehlen nicht zur Unwirksamkeit der Verwaltungsvorschrift führen.686 Zur Absicherung der Verkündungspflicht werden daher insbesondere subjektive Bekanntgabeansprüche erörtert.687
2. Gebot der Verkündung von Verwaltungsvorschriften unter dem Grundgesetz Trotz aller Unterschiede: gemeinsam ist den divergierenden Auffassungen über eine Publikationspflicht bei Verwaltungsvorschriften der verfassungsrechtliche Ansatz. Die folgenden Ausführungen sollen daher klären, ob und in welchem Umfang rechtsstaatliche oder demokratische Verfassungsprinzipien oder der Gleichheitssatz eine Verkündung von Verwaltungsvorschriften verlangen.
a) Begründung einer verfassungsrechtlichen Veröffentlichungspflicht aa) Rechtsstaatsprinzip Daß die Pflicht zur Publikation von Rechtsnormen rechtsstaatliche Ursprünge hat, kann heute als Allgemeingut bezeichnet werden.688 Soll es bei dieser ___________ 685 M. Müller, Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht, 1986, S. 288 f., 294; H. P. Ipsen, VVDStRL 25 (1967), S. 257 (295, 297); Zacher, VVDStRL 25 (1967), S. 308 (358); Ketteler, VR 1983, 174 (175-177); Lübbe-Wolff, DÖV 1980, 594 (596 f.); Oldiges, NJW 1984, 1927 (1930 f.); Reinke, ArchPF 1985, 264; Scheffler, DÖV 1980, 236 (242); Schenke, DÖV 1977, 27 (29); ders., GewArch 1977, 313 (315). – Gegen jedwede Annahme von Veröffentlichungsgeboten Obermayer, JZ 1962, 64 (65); Selmer, VerwArch 59 (1968), 114 (115). 686 So ausdrücklich Ketteler, VR 1983, 174 (177). – Dennoch für eine Unwirksamkeit der Verwaltungsvorschriften infolge fehlender Verkündung Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 252; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 21 Rn. 220 (S. 479). 687 Für einen Bekanntgabeanspruch etwa M. Müller, Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht, 1986, S. 289-294; Ketteler, VR 1983, 174 (177-179); Lübbe-Wolff, DÖV 1980, 594 (599 f.); Scheffler, DÖV 1980, 236 (241 f.). – Modifizierend Krahmer, Zeitschrift für das Fürsorgewesen 1981, 73 (74), der einen Beratungsanspruch annimmt; ähnlich Zacher VVDStRL 25 (1967), S. 308 (359 f.): „Auskunftsanspruch“. 688 Vgl. nur aus der Rechtsprechung BVerfG v. 24.5.1977, BVerfGE 44, 322 (350); BGH v. 28.1.1954, NJW 1954, 1081 (1082) mit Anmerkung Tietz, NJW 1954, 1081 f.;
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
pauschalen Feststellung jedoch nicht sein Bewenden haben, bedarf namentlich die rechtsstaatliche Relevanz der Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften einer näheren Durchleuchtung.
(1) Rechtssicherheit durch Veröffentlichung Ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wird zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt; sein Charakter als verfassungsrechtliches Gebot ist indes unumstritten.689 Die „Rechtssicherheit“ bezieht sich zunächst auf die Funktion des Rechts. Das Recht soll durch verbindliche Regelungen eine verläßliche und berechenbare Ordnung und damit Sicherheit im bürgerlichen und staatlichen Bereich schaffen.690 In diesem Sinne folgert das Bundesverfassungsgericht aus den „Grundsätzen des Rechtsstaats“ das Erfordernis, staatliches Handeln, spezieller: Verwaltungshandeln voraussehen zu können.691 Darin eingeschlossen ist das Recht des Bürgers auf Zugang zum Recht. Denn ohne eine zuverlässige Information darüber, was Recht sein soll, kann der Bürger weder sein Verhalten nach den maßgeblichen Rechtsregeln einrichten noch die Reaktion staatlicher Behörden auf ihm mögliche Verhaltensweisen voraussehen.692 Die Publikation von Rechtsnormen gewährleistet demnach die gebotene Erkennbarkeit und Berechenbarkeit der Rechtsordnung – und auf andere Weise können beide Komponenten des Rechtsstaatsprinzips nicht gewährleistet werden. Darum erfordert der Grundsatz der Rechtssicherheit die Veröffentlichung von Rechtsnormen. ___________ HessStGH v. 10.5.1989, DVBl. 1989, 656 (657); OVG Bremen v. 25.10.1988, DVBl. 1989, 314 (315); aus dem Schrifttum Severin, Das Bundesgesetzblatt, 1962, S. 3; Heydt, in: Festschrift 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1972, S. 463 ff.; Hallier, AöR 85 (1960), 391 (406). 689 Vgl. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 193-195; ausführlich E.-W. Bökkenförde, in: Festschrift für A. Arndt, 1969, S. 53 ff.; Hesse, in: Festschrift für R. Smend, 1962, S. 71 (82-84); Isensee, in: HStR IX, 1997, § 202 Rn. 2, 5 f. (S. 6 f., 9 f.); Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 1987, § 24 Rn. 81-86 (S. 1030-1034); Görisch, JuS 1997, 988 (989 f.); Lipphardt, EuGRZ 1986, 149 (154-160). 690 Maurer, Staatsrecht I, 3. Aufl., 2003, § 8 Rn. 46 (S. 231) sowie die oben in Fn. 689 genannten Autoren. 691 BVerfG v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274 (325) – Preisgesetz; ferner BVerfG v. 9.8.1995, BVerfGE 93, 213 (238); v. 17.11.1992, BVerfGE 87, 234 (263); zur Vereinbarkeit von unbestimmten Rechtsbegriffen mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit BVerfG v. 11.5.1988, BVerfGE 78, 214 (226); zur Zulässigkeit von Ermessensermächtigungen BVerfG v. 3.2.1959, BVerfGE 9, 137 (146-152) – Einfuhrgenehmigungen. 692 Vgl. hierzu EuGH v. 4.4.1974, Rs. 167/73 – Kommission/Frankreich –, Slg. 1974, 359 (372), Tz. 41/42, der die an französische Behörden gerichtete mündliche Anweisung, eine bestimmte Rechtsvorschrift nicht auf EG-Ausländer anzuwenden, für vertragswidrig erklärte, weil die Begünstigten auf diese Weise keine klare Kenntnis von ihren Rechten erhalten könnten.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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(2) Kontrolle durch Veröffentlichung Zu einem weiteren Kernstück des Rechtsstaatsprinzips gehört die Bindung aller staatlichen Organe bei ihrer Tätigkeit an das geltende Recht. Sie wird in Art. 20 Abs. 3 GG festgelegt, in Art. 1 Abs. 3 GG hinsichtlich der Grundrechte hervorgehoben und in Art. 97 Abs. 1 Hs. 2 GG für die Rechtsprechung bestätigt. Das vornehmliche Kennzeichen dieser rechtsstaatlichen Beschränkung besteht in zweierlei. Einerseits werden dem Staat durch die Rechtsbindung Grenzen gesetzt, deren Beachtung grundsätzlich auch der einzelne Bürger zur Wahrung seiner Freiheitsrechte einfordern kann. Andererseits findet die Ausübung von Staatsgewalt erst in der rechtlichen Begrenzung ihre Legitimation. Die Legitimation staatlichen Handelns verlangt mithin die Einhaltung der dem Staat gesetzten Beschränkungen, die wiederum eine effektive Kontrolle der staatlichen Handlungen voraussetzt. Eine solche Kontrolle ist freilich nur sichergestellt, wenn der Staat seine Handlungen öffentlich macht, auf den Bereich der Rechtsetzung gewendet: das von ihm gesetzte Recht ordnungsgemäß verkündet. Diese rechtsstaatliche Kontrollfunktion der Öffentlichkeit ist allgemein anerkannt.693 Hinsichtlich der Veröffentlichung von Rechtsnormen äußert sich die Kontrollwirkung sowohl in präventiver als auch repressiver Hinsicht. Präventiv kontrollierend wirkt eine Publikation, weil die Exekutive schon im Vorfeld zu rechtmäßigem Handeln angehalten wird. Eine repressive Kontrollwirkung entfaltet die Verkündung, indem sie über die Mobilisierung der öffentlichen Meinung zur nachträglichen Änderung oder Aufhebung des Rechtssatzes führen kann.694 Auch unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle staatlichen Handelns läßt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip somit eine Pflicht zur Publikation des von der Exekutive gesetzten Rechts ableiten. Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Publikation von Rechtsnormen gewinnt gleichwohl nicht nur eine rechtsstaatliche, sondern auch eine demokratische Dimension.
bb) Demokratieprinzip Die vom Grundgesetz geforderte demokratische Legitimation aller Ausübung von Staatsgewalt erfolgt zuvörderst durch die Volkswahlen im Sinne der Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 GG. Daneben schützen die „demo___________ 693 Vgl. statt vieler und jeweils mit weiteren Nachweisen Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 198-200, 211-214, 221 f., 364-372; Rinken, Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, 1971, S. 278; Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 133 mit Fn. 102. 694 Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 132; kritisch W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 56.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
kratischen“ Grundrechte in Art. 5, 8 und 9 GG die Entfaltung der öffentlichen Meinung und stärken so mittelbar die Einflußnahme des Volkes auf das staatliche Handeln zwischen den Wahlen. Beide Betätigungen, die Teilnahme an den Wahlen und an der öffentlichen Diskussion, sind ohne eine offene Information des Staates über seine (Rechtsetzungs-)Tätigkeit undenkbar.695 Für die öffentliche Meinungsbildung ist dies offensichtlich. Erst mit seiner Verkündung kann eine breite öffentliche Diskussion über den jeweiligen Rechtssatz beginnen. Insbesondere die Publikation exekutiver Rechtsnormen ist unabdingbare Voraussetzung einer (nachträglichen) öffentlichen Einflußnahme, da das Verfahren ihres Erlasses im Unterschied zum Gesetzgebungsverfahren (Art. 42 Abs. 1, 52 Abs. 3 GG) vorheriger öffentlicher Einflußnahme kaum zugänglich ist.696 Zudem darf die Bedeutung der Rechtsnormverkündung für die individuelle Wahlentscheidung nicht unterschätzt werden. Zwar steht hier weniger die Meinungsbildung über eine einzelne Rechtsnorm im Vordergrund; jedoch trifft der Staatsbürger seine Wahl aufgrund einer Beurteilung der gesamten Staatstätigkeit, zu der auch die Rechtsetzung zählt. Eine Gesamtbewertung der Tätigkeit des Parlaments, der von der Parlamentsmehrheit getragenen Regierung bzw. der von der Regierung ernannten Amtswalter ist aber nur möglich, wenn die Tätigkeitsergebnisse – etwa in Form von Rechtsnormen – veröffentlicht werden. Statuiert das grundgesetzliche Demokratieprinzip mithin allgemein eine Pflicht des Staates zur Information seiner Staatsbürger, um einer „möglichst an den Tatsachen orientierten öffentlichen Meinung“ zur Entfaltung zu verhelfen,697 ist darin zugleich ein Gebot der Veröffentlichung von Rechtsnormen enthalten.
___________ 695 So ausdrücklich auch mit Bezug auf die Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften Ellwein, Politische Verhaltenslehre, 7. Aufl., 1972, S. 80; ferner W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 60-65. 696 Ausnahmen gelten lediglich für solche Verwaltungsvorschriften, in deren Erlaßverfahren bestimmte außerstaatliche Interessengruppen eingeschaltet sind. Vgl. dazu oben 4. Teil § 8 B. IV. 2. b). 697 So Herzog (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abschn. I, II Rn. 101; ebenso BVerfG v. 5.8.1966, BVerfGE 20, 162 (174-176); v. 19.7.1966, BVerfGE 20, 56 (97 f.); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 4. Aufl., 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 49.
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cc) Gleichheitssatz Auf die Zusammenhänge zwischen Öffentlichkeit und Gleichheitssatz wurde bereits von anderer Seite hingewiesen.698 Daß die ungleiche Bekanntgabe von Rechtssätzen unweigerlich zur ungleichen Verteilung der in den Rechtsnormen gewährten Rechte und Vorteile führt, darf daher als bekannt gelten.699 Die für alle gleiche Veröffentlichung des Rechts dient deshalb auch der Verwirklichung des Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG. Eine allgemeine Pflicht zur Veröffentlichung kann dennoch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet werden. Der Gleichheitssatz verlangt insoweit lediglich, daß ein und dieselbe Rechtsnorm allen in gleicher Weise bekanntgegeben wird. Als Zwischenergebnis soll daher festgehalten werden: Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip gebieten eine Verkündung des staatlich gesetzten Rechts. Diese grundsätzliche Feststellung impliziert sogleich die Anschlußfrage nach dem Umfang der Verkündungspflicht.
b) Umfang einer verfassungsrechtlichen Veröffentlichungspflicht Die Antwort ergibt sich aus den beiden genannten Verfassungsgrundsätzen. Sie, das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip, fordern eine umfassende Veröffentlichung jedweder Rechtssätze – unter Einschluß der Verwaltungsvorschriften – gegenüber denen, die sie angehen, mithin gegenüber den „Betroffenen“.700 Im Sinne des Grundsatzes der Rechtssicherheit sind dies zunächst all diejenigen Personen, deren Rechtssphäre durch den jeweiligen Rechtssatz direkt ___________ 698
Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 139 f.; Zacher, VVDStRL 25 (1967), S. 308 (358); Gusy, DVBl. 1979, 720 (724); Ketteler, VR 1983, 174 (175). 699 Vgl. nur die amtliche Begründung zu § 12 Abs. 3 AWG, der die Veröffentlichung bestimmter Verwaltungsvorschriften vorschreibt (BT-Drucks. 3/1285, S. 243): „Die grundsätzlichen Richtlinien, in welchem Umfange und nach welchen Gesichtspunkten Einfuhrgenehmigungen zu erteilen sind, sollen nach Abs. 3 von den für die Einfuhr zuständigen Bundesministerien im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank aufgestellt werden. Bei der beschränkten Wareneinfuhr ist es von Bedeutung, daß allen zu berücksichtigenden Wirtschaftskreisen gleiche Möglichkeiten gegeben werden, Einfuhrgenehmigungen zu beantragen. [...] Um diesem Gesichtspunkt entsprechen zu können, sollen die Möglichkeiten, Einfuhrgenehmigungen zu beantragen, nach Absatz 3 Satz 2 grundsätzlich im Bundesanzeiger mit den erforderlichen Angaben bekanntgemacht werden.“; ferner EuGH v. 10.7.1985, Rs. 27/84 – Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie/Kommission –, Slg. 1985, 2393 (2397), Tz. 14: „Der Publizitätsgrundsatz ist [...] final auf das Diskriminierungsverbot bezogen.“ 700 Ähnlich Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 463465; Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 141 f., 160-162.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
oder indirekt tangiert wird. Aus dem Blickwinkel des Demokratieprinzips müssen Rechtsnormen darüber hinaus allen Personen bekanntgegeben werden, bei denen die Bekanntgabe der Entscheidungsfindung bei Volkswahlen oder der Meinungsbildung in der politischen Diskussion dient. Im Ergebnis sind das die wahlberechtigten Staatsbürger sowie die Träger namentlich der Grundrechte aus Art. 5, 8 und 9 GG.701 Klar tritt dadurch das Kriterium hervor, welches die Publikationspflichtigkeit von Rechtsnormen steuert. Es ist nicht ihr formeller Adressatenkreis, sondern allein ihre materielle Wirkung.702 Das Gegensatzpaar publikationspflichtiges Recht und publikationsfreies Recht deckt sich daher nicht mit der verfassungsgeschichtlich bedingten Dichotomie von Außenrecht und Innenrecht. Ungeachtet ihrer formellen Adressierung an Behörden und Amtswalter unterfallen vielmehr auch Verwaltungsvorschriften grundsätzlich dem verfassungsrechtlichen Publikationsgebot. Ausnahmen von diesem Grundsatz können allenfalls für solche Verwaltungsvorschriften zugelassen werden, die als rein innerdienstliche Regelungen niemanden außerhalb der staatlichen Verwaltung „betreffen“.703 Exemplarisch ist an Anordnungen über Vorlagen an die Leitung des Hauses, die Arbeitszeit, die Benutzung von Dienstfahrzeugen oder das Erfassen von Vorhaben auf Datenblatt zu denken.704 Bei ihnen genügt die Aushändigung an die ausdrücklich genannten Adressaten, die Amtswalter.705
___________ 701 Vgl. H. Krüger, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, 1965, S. 6 f., 16; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 60-65. 702 Ebenso Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 464 f.; Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 128, 141 f., 160-162; im Ergebnis auch Ketteler, VR 1983, 174 (175-177). – Siehe auch Ziff. 7 der Empfehlung Nr. R (80) 2 v. 11.3.1980 des Ministerkomitees des Europarates über die Ermessensausübung durch Verwaltungsbehörden, nach der jede ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift entweder zu veröffentlichen oder dem Betroffenen auf Verlangen vor oder nach Erlaß des ihn betreffenden Verwaltungsakts in angemessener Weise bekanntzugeben ist. Hierzu H. Jellinek, ZRP 1981, 68 (69). 703 Ähnlich Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 252: „haushaltstechnische, planungsinterne oder intrabehördliche Verwaltungsvorschriften“; Ketteler, VR 1983, 174 (177): „rein innerorganisatorische Verwaltungsvorschriften“; Scheffler, DÖV 1980, 236 (242 in Fn. 53): „rein innerdienstliche Regelungen“; kritisch dagegen Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S. 162 f., die für eine Veröffentlichung ausnahmslos aller Verwaltungsvorschriften plädiert, da ansonsten einer „Erneuerung der Impermeabilitätslehre Tür und Tor geöffnet“ würde. 704 Aufzählung in Anlehnung an die Erläuterung zu § 6 VwVR i. d. F. v. 20.12.1989 (GMBl. 1990 S. 39 [40]). 705 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 5. Aufl., 1911, S. 199: „Behändigung oder Insinuation“.
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3. Verkündung der Verwaltungsvorschriften in der Rechtspraxis Noch Mitte der 1960er Jahre empörte sich E.-W. Böckenförde706 über die damalige Rechtspraxis bei der Bekanntgabe von Organisationsvorschriften im Bereich der Regierung. Die Errichtung und Kompetenzabgrenzung der Ministerien lediglich durch formlose Schreiben des Bundeskanzlers an die beteiligten Minister könne man nur als „rechtsstaatlich-konstitutionellen Kulturverfall“ charakterisieren; die Bekanntgabepraxis spiegele Zustände wider, „die an Verhältnisse wie weiland ‚bei Hofe‘ Serenissimi eines deutschen Duodezstaates erinnern“. Auch heute stellen Parlamentsgesetze des Bundes nur vereinzelt Publikationsgebote für Verwaltungsvorschriften auf.707 Die GGO II dagegen enthält in ihren §§ 78, 71, 75 Abs. 1 und 2, 86, 87 umfangreiche Bestimmungen über die Verkündungsmodalitäten bei Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung und der Bundesminister. Ähnliche Regelungen existieren auch in den meisten Bundesländern.708 Die heutige Verwaltungspraxis wird man daher wohl – zu___________ 706
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964,
S. 282. 707 Beispiele: § 34 Satz 2 BBankG a. F. (für die frühere „Satzung“ der Deutschen Bundesbank), § 52 GWB. 708 Vgl. für Baden-Württemberg: Abschn. II der Anordnung der Landesregierung und der Ministerien über die Bereinigung von Verwaltungsvorschriften des Landes v. 16.12.1981 (GABl. 1982 S. 14); – für Bayern: § 2 der Bekanntmachung über die amtliche Veröffentlichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Staatsregierung und der Staatsministerien v. 6.11.2001 (GVBl. S. 730); – für Berlin: § 82 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung, Besonderer Teil, v. 12.1.2000 (Dienstblatt des Senats von Berlin S. 41); – für Brandenburg: § 77 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg (GGO) (ABl. Nr. 72 v. 10.10.1994), zuletzt geändert durch 5. Änderung der GGO (ABl. Nr. 36 v. 13.9.2000); – für Bremen: Abs. 2 des Senatsbeschlusses v. 13.10.1964 über die Einführung des Amtsblattes (ABl. 1965 S. 2); – für Hamburg: § 6 Abs. 5 Bezirksverwaltungsgesetz v. 11.6.1997 (GVBl. S. 205 [207]), i. d. F. v. 6.11.1997 (GVBl. S. 489): zentrale Sammlung der den Bezirk betreffenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die allen Bürgerinnen und Bürgern zur Einsicht offensteht; – für Hessen: §§ 5, 6 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen, Organisationsanordnungen und Anstaltsordnungen v. 2.11.1971 (GVBl. S. 158 f.), zuletzt geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften v. 2.4.2002 (GVBl. S. 170 [173]); – für Mecklenburg-Vorpommern: § 36 der Gemeinsamen Geschäftsordnung II – Richtlinien über Gesetz- und Verordnungsentwürfe der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern (GGO II) – v. 12.11.1996 (ABl. S. 1228 [1235]); – für Niedersachsen: Nr. 3.4 des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und der übrigen Ministerien v. 18.6.2002 über das Niedersächsische Vorschrifteninformationssystem – VORIS – (Nds. MBl. S. 494 [495]); – für Nordrhein-Westfalen: Nr. 1.6.1 der Richtlinien für den Erlaß von Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Fortführung der Loseblattsammlungen v. 18.4.1994 (MBl. NRW S. 558), zuletzt geändert durch Runderlaß v. 13.1.2000 (MBl. NRW S. 124), Nr. 2.11 der Richtlinien für das Regierungsamtsblatt v. 12.8.1999 (MBl. NRW S. 1094); – für Rheinland-Pfalz: § 22 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien, die Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und die Staatskanzlei v. 11.7.1995 (unveröffentlicht); – für Sachsen: Nr. 3.1.1, 3.2.1, 5 der Verwaltungsvor-
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
mindest hinsichtlich der von den Exekutivspitzen des Bundes und der Länder erlassenen Verwaltungsvorschriften – als im Einklang mit der Verfassungsrechtslage bezeichnen können.
VIII. Inkrafttreten Nähere Bestimmungen über das Inkrafttreten von Verwaltungsvorschriften enthalten weder das Grundgesetz noch sonstige unterverfassungsrechtliche Normen. Trifft auch die Verwaltungsvorschrift selbst keine Regelung über den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens,709 so tritt sie frühestens mit ihrer Veröffentlichung oder – bei einer rein innengerichteten Verwaltungsvorschrift – mit ihrer Aushändigung an die zuständigen Amtswalter in Kraft. Die Annahme, daß gesetzesakzessorische Verwaltungsvorschriften prinzipiell aus „Gründen der sachgegenständlichen Abhängigkeit“ nicht vor dem dazugehörigen Gesetz in Kraft treten könnten,710 verdient allenfalls hinsichtlich gesetzesvorbehaltsfreier Bereiche Zustimmung: Verwaltungsvorschriften, die das „Nicht-Wesentliche“ von gesetzesvorbehaltserfaßten Materien normieren, ohne daß bereits ein das „Wesentliche“ regelndes Gesetz verabschiedet wurde, sind dagegen schlichtweg verfassungswidrig.
IX. Außerkrafttreten Für das Außerkrafttreten einer Verwaltungsvorschrift können verschiedene Gründe ursächlich sein. Anzuführen ist zunächst die namentliche Beschränkung ihrer Geltungsdauer durch Parlamentsgesetz711, die Verwaltungsvorschrift selbst ___________ schrift der Sächsischen Staatsregierung über Veröffentlichungen im Sächsischen Gesetzund Verordnungsblatt, im Sächsischen Amtsblatt sowie in Ministerialblättern v. 17.7.1997 (ABl. S. 844 [845, 846]); – für Schleswig-Holstein: §§ 71, 68 Landesverwaltungsgesetz v. 18.4.1967 (GVBl. S. 131 [147]). – Keine ausdrücklichen Publikationsvorschriften existieren dagegen im Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Im Saarland ist jedoch beabsichtigt, ab dem Jahr 2003 ein Verzeichnis aller gültigen Verwaltungsvorschriften herauszugeben (Auskunft des Innenministeriums). 709 So exemplarisch § 10 der Richtlinie der Bundesregierung zur Gestattung, Ordnung und Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Bundes (VwVR) v. 20.12.1989 (GMBl. 1990 S. 39 ff.): „Diese Richtlinie tritt am 1. Juli 1990 in Kraft.“ 710 So Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 465. 711 Beispiel: § 6 Abs. 5 des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der allgemeinen Berliner Verwaltung i. d. F. v. 25.6.1998: „Verwaltungsvorschriften sollen eine Begrenzung ihrer Geltungsdauer enthalten. Die Geltungsdauer darf nicht über fünf Jahre, bei Verwaltungsvorschriften des Senats nicht über zehn Jahre hinaus erstreckt werden. Ist die Geltungsdauer von Verwaltungsvorschriften nicht begrenzt, so treten sie fünf Jahre, solche des Senats zehn Jahre nach Ablauf des Jahres außer Kraft, in dem sie erlassen worden sind.“
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oder sonstige allgemeine Verwaltungsvorschriften712. Eine Verwaltungsvorschrift kann ferner ganz oder teilweise durch eine andere Verwaltungsvorschrift entweder ausdrücklich aufgehoben oder nach der lex posterior-Regel derogiert werden. Wohl weniger praxisrelevant ist das Erlöschen einer Verwaltungsvorschrift durch den Wegfall des erlassenden Organs (nicht des Organwalters).713 Diese Fälle sind insoweit unproblematisch. Klärungsbedarf weckt hingegen die im Ergebnis richtige These, Verwaltungsvorschriften könnten dann nicht durch entgegenstehende förmliche Gesetze außer Kraft gesetzt werden, „wenn die Legislative in verfassungswidriger Weise auf den ureigenen Funktionsbereich der Exekutive zugreift“.714 Hier gilt es zu verdeutlichen: Zwar umfaßt die Funktion der vollziehenden Gewalt nach der Wesentlichkeitslehre, wie dargetan, die Regelung nicht-wesentlicher Sachmaterien. Umgekehrt betrifft die Regelung der wesentlichen Sachfragen aber nur den Mindestgehalt des Funktionsbereichs der Gesetzgebung. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber kann durchaus auch unwesentliche Materien per Gesetz normieren, ohne in den Funktionsbereich der Exekutive einzudringen – solange er nur die Grenzen seines Zugriffsrechts wahrt. Tut er dies, so werden entgegenstehende Verwaltungsvorschriften durch den Vorrang des Gesetzes in Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG außer Kraft gesetzt. Daß der einzelne Amtswalter nun unter Umständen auch gesetzeswidrige Verwaltungsvorschriften ausführen muß, stellt den Gesetzesvorrang nicht in Frage. Vielmehr handelt es sich um das (beamtenrechtliche) Problem, auf welcher hierarchischen Ebene die Kompetenz zur Erkenntnis der Gesetzeswidrigkeit von Verwaltungsvorschriften angesiedelt ist.715 Zuletzt sei das Erlöschen gesetzesakzessorischer Verwaltungsvorschriften aufgrund tatsächlicher Funktionslosigkeit erwähnt, sofern das zu vollziehende Gesetz selbst außer Kraft tritt und kein gleichartiges neues Gesetz Anwendung findet.716
___________ 712
Vgl. etwa für Nordrhein-Westfalen § 3 der Verwaltungsverordnung über den Abschluß der Bereinigung der Verwaltungsvorschriften v. 29.8.1961 (MinBl. NRW S. 1600). 713 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 468 unter Hinweis auf Barfuß, Die Weisung, 1967, S. 96. 714 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 467. 715 Siehe dazu bereits 3. Teil § 5 B. I. 716 So auch Roethe, AöR 59 (1931), 194 (269).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
C. Intensität der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften Ansatzpunkt einer Bestimmung des Verbindlichkeitsgrades von Verwaltungsvorschriften, und das klingt bereits aus dem Vorstehenden an, ist ein prozedurales Verständnis des Rechts. Rechtsnormen, also auch Verwaltungsvorschriften, sind jenseits ihrer Entstehung im Rechtsetzungsverfahren ein „Verfahrensprodukt“.717
I. Entsprechensverhältnis von Verfahrensmodus und Verbindlichkeitsmodus Verfahrensmäßige Denkansätze haben heute eine dogmatische Grundlegung insbesondere in Bereichen erfahren, in denen administrative Einzelfallentscheidungen im Mittelpunkt stehen. Zu nennen sind vor allem die Rechtsinstitute des Verwaltungsakts und des verwaltungsrechtlichen Vertrags, deren Erlaß- und Abschlußverfahren in den VwVfG des Bundes und der Länder, der AO 1977 und dem SGB AT kodifiziert sind.718 Die Notwendigkeit, „in“ und „durch“ Verfahren zu entscheiden, kennzeichnet freilich – über den Einzelfall hinausgehend – jedwedes staatliche Handeln. Entscheidungen des modernen Staates ergehen ausnahmslos in dazu vorgesehenen Verfahren auf der Grundlage bestimmter Kompetenzen719 und sichern insoweit die staatliche Handlungsfähigkeit. Prozedurale Vorkehrungen werden damit zugleich zum Ordnungsmuster staatlichen Handelns und Entscheidens.720 Der entscheidungsordnende Eigenwert von Verfahren wird zunehmend auch für die Normsetzungsverfahren erkannt.721 Denn einerseits entstehen Rechtsnormen in Verfahren, andererseits gewährleisten sie die Orientierung staatlicher ___________ 717 Über den Verfahrensgedanken im öffentlichen Recht vgl. nur Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984, passim; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, passim; Bachof, VVDStRL 30 (1972), S. 193 (230-233); Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 (279); Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 ff.; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 ff.; Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 ff.; R. Walter, VVDStRL 31 (1973), S. 147 ff. 718 Zum verfahrensrechtlichen Wert dieser Kodifikationen vgl. Schmitt Glaeser, in: Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des R. Boorberg-Verlags, 1977, S. 1 ff. 719 Über die Korrelation von Verfahren und Kompetenz Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 170-188. 720 Vgl. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, Rn. 6/100 (S. 290); ders., in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984, S. 1 (6-8). 721 Sichtbar hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens etwa durch die Untersuchungen von Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 62 ff., 82 ff.; Lüdemann, Gesetzgebung als Entscheidungsprozeß, 1986, S. 32 ff.; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 255 ff.; Karpen, ZG 1986, 5 (20-25).
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Entscheidungen an Verfahren. Mit anderen Worten: Rechtsnormen sind die „äußere Verfassung von Verfahren“, wie diese kehrseitig „das Medium“ ihrer Entwicklung und Geltung sind.722 Rechtsnormsetzung und Verfahren stehen daher in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem letzterem eine spezifische Aufgabe mit rechtsstaatlichem Gehalt übertragen wird. Sie besteht in der Herstellung von Legitimation und Rationalität,723 letztere verstanden als „planmäßige Organisierung einer möglichst zweckhaften und effektiven Erledigung der staatlichen Aufgaben“724. Dies gilt auch und gerade für exekutive Handlungsformen. Indem die Exekutive sich für eine bestimmte Handlungsform entscheidet, bestimmt sie das jeweilige Rechtsregime, dem das in Frage stehende Verwaltungshandeln hinsichtlich seines Verfahrens und seines Verbindlichkeitsgrades unterliegt.725 Die Wahl einer exekutiven Handlungsform bedingt einen Bestand von spezifischen Verfahrensregeln, die der Wirkungsweise der Handlungsform – unabhängig von ihrem Inhalt – entsprechen. Offenbar wird damit der Verknüpfungszusammenhang zwischen Verfahrensform und Handlungsform. Diese Verknüpfung vollzieht sich nach dem Gedanken der Proportionalität: Die Rechtsanforderungen und die Rechtsfolgen, anders: der Verfahrensmodus und der Verbindlichkeitsmodus müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.726 Es ist dieses Entsprechensverhältnis, das die Bindungswirkung der Handlungsformen wie ihre Abgrenzung untereinander steuert.
II. Präsumtive Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften Erst die Proportionalität von Verfahren und Verbindlichkeit erlaubt, die Intensität der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften zu bestimmen. Sie läßt Schlußfolgerungen in zweierlei Hinsicht zu. ___________ 722 Formulierung in Anlehnung an Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 151. 723 Zur Gewährleistung von Rationalität durch Verfahren vgl. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 164 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984, S. 1 (10-13). 724 Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, S. 194. 725 Ossenbühl, JuS 1979, 681 (687 bei Fn. 88): „Wahl der Handlungsformen bedeutet deshalb Wahl des Rechtsregimes.“ 726 So auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, Rn. 6/35 (S. 253); ders., in: Festschrift für K. Vogel, 2000, S. 477 (487, 493); ähnlich in bezug auf den Inhalt des Gesetzgebungsverfahrens bereits Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 169: „Proportionalität zwischen Erzeugungsverfahren und Wichtigkeit der Regelung“.
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Erstens: Aus dem Proportionalitätskriterium folgt (negativ) unabwendbar das Verbot, eine exekutive Handlungsform rechtsdogmatisch, genauer: materiellrechtlich so auszugestalten, daß die mit einer anderen Handlungsform verbundenen spezifischen Verfahrensregeln umgangen werden könnten.727 Eine Absage muß daher derjenigen Auffassung erteilt werden, die der Verwaltungsvorschrift eine rechtsverordnungsgleiche Bindungswirkung zuweist.728 Die Verwaltungsvorschrift muß sich materiellrechtlich in ihrem Verbindlichkeitsmodus von der Rechtsverordnung unterscheiden.729 Anderenfalls würde es der Verwaltung möglich, verordnungsgleiche Rechtsnormen ohne das Verfahren der Art. 80 und 82 GG zu erlassen. Zweitens: Das Proportionalitätskriterium erklärt (positiv) die elastische Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrift, indem sie an deren fehlender Rückbindung an das Parlamentsgesetz anknüpft. Ein Vergleich mit anderen exekutiven Handlungsformen mag der Verdeutlichung dienen. Der Rechtsverordnung wird gemeinhin eine gesetzesgleiche Bindungswirkung zugeschrieben. Sie bindet ohne Rücksicht auf die Zweckmäßigkeit ihrer Regelung im Einzelfall und steht daher unter keinem Vorbehalt der Abweichung in atypischen Sonderfällen.730 Grund und Konsequenz zugleich dieser strikten Bindungsintensität ist die ___________ 727
Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für K. Vogel, 2000, S. 477 (493). So jüngst Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 217-234; A. Leisner, JZ 2002, 219 (230). Auch die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß auf einer gesetzlichen „Ermächtigung“ beruhende Verwaltungsvorschriften eine Bindungswirkung wie Rechtsverordnungen entfalten; vgl. dazu die Stellungnahme der Bundesregierung, EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2581). 729 Zur Verdeutlichung: Alleiniges materielles Kriterium zur Unterscheidbarkeit von Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung kann nur der Verbindlichkeitsmodus sein. Der potentielle Regelungsgehalt beider Handlungsformen demgegenüber ist unter der Geltung des Wesentlichkeitslehre identisch und deshalb als Unterscheidungskriterium ungeeignet. Gleiches gilt für den Adressatenkreis. Wie Verwaltungsvorschriften können auch Rechtsverordnungen ausschließlich an Behörden gerichtet sein. Wollte man daher den Unterschied zwischen beiden Handlungsformen einzig und allein im formalen Erlaßverfahren sehen, im übrigen aber materielle Identität annehmen (so ausdrücklich A. Leisner, JZ 2002, 219 [229 f.]), bedeutete dies letztlich eine Verneinung der rechtsstaatlichen Aufgabe von Normsetzungsverfahren. Normsetzungsverfahren kommt gerade kein wertneutraler Selbstzweck zu. Vielmehr dienen sie der Legitimation des spezifischen Geltungsanspruchs von Rechtsnormen. Deshalb muß den Besonderheiten beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen auch ein je spezifischer Verbindlichkeitsgrad entsprechen. Warum mit dieser zwingenden Notwendigkeit ein „dogmengeschichtlicher Rückschritt“ in die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre verbunden sein soll (so A. Leisner, JZ 2002, 219 [230]), erscheint dagegen nur schwer nachvollziehbar. 730 Vgl. statt vieler Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 90 (S. 25 f.); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 29 (S. 8); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 4 Rn. 10-13 (S. 66-68), § 13 Rn. 1 ff. (S. 349 ff.); Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 64 Rn. 1 ff. (S. 388 ff.). 728
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verfahrensbezogene Rückkoppelung jedweder Rechtsverordnungsgebung an das Parlamentsgesetz – auch in gesetzesvorbehaltsfreien Bereichen. Beide – die gesetzesgleiche Bindung und die gesetzesakzessorische Verfahrensmodalität der Rechtsverordnung – bedingen einander. In ähnlicher Weise erhebt die Satzung einen dem Gesetz vergleichbaren Beachtensanspruch.731 Sein verfahrensrechtliches Äquivalent findet sich in der Begrenzung der Bindungswirkung auf die Mitglieder der jeweiligen Körperschaft sowie in der zusätzlichen demokratischen Legitimation des satzungsgebenden Organs, welche ihm von den Mitgliedern des körperschaftlichen Verbandes vermittelt wird. Anders verhält es sich demgegenüber mit der Verwaltungsvorschrift. Weder bedarf ihr Erlaß einer vorherigen Handlungsformermächtigung noch wird sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht oder ist sie Ausdruck körperschaftlicher Autonomie732. Verfahrensregeln für ihren Erlaß stellt das Grundgesetz lediglich rudimentär und vornehmlich in föderativem Zusammenhang auf (Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 87 b Abs. 2, 108 Abs. 7 GG). Diese fehlende Rückbindung der Verwaltungsvorschrift an eine parlamentsgesetzliche Handlungsformermächtigung bedingt und wird bedingt durch eine im Vergleich zu anderen Handlungsformen verringerte spezifische Bindungsintensität. Deren Charakteristik besteht in der Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift vorbehaltlich eines „triftigen Grundes“ im Einzelfall. Bei jeder konkreten Anwendung der Verwaltungsvorschrift ist zu prüfen, ob ihrer Vollziehung „triftige Gründe“ entgegenstehen.733 Eine Abweichung von einer Rechtsverordnung dagegen kommt – wesentlich restriktiver – nur in Frage, wenn sie „überhaupt keinen sinnvollen Gegenstand oder keinen denkbaren Adressaten hat oder eine schlechthin unmögliche Regelung trifft“.734 Dieses Entsprechensverhältnis zwischen dem Verfahrensmodus und dem Verbindlichkeitsmodus der Verwaltungsvorschrift ist der Schlüssel für eine Neubestimmung der Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, namentlich ihrer Abgrenzung von der Rechtsverordnung.735 ___________ 731 Vgl. statt vieler Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 96 f. (S. 26 f.); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 33 f. (S. 8 f.); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 4 Rn. 14-18 (S. 68-71); Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 66 Rn. 42-45 (S. 485-486). 732 Wenn Ossenbühl (in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 vor Rn. 1 [S. 425], Rn. 12 [S. 432]) daher den Erlaß von Verwaltungsvorschriften als „autonome Rechtsetzung der Verwaltung“ bezeichnet, will er herausstreichen, daß gewisse exekutive Rechtssätze Emanationen der Staatsfunktion der vollziehenden Gewalt sind. 733 Zu den „triftigen Gründen“ sogleich im Text. 734 BVerwG v. 29.4.1977, BVerwGE 54, 5 (8), dort allerdings in bezug auf Bebauungspläne; ferner v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 135 f. 735 Andeutungen bereits bei W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 99: „Die im Vergleich [...] schwächere Wirkung der Verwaltungsvorschriften [...] folgt schon daraus, daß Verwaltungsvorschriften nicht im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht werden.“
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Wohlgemerkt: Nicht ausgeschlossen wird dadurch, Verwaltungsvorschriften durch Parlamentsgesetz oder andere unterverfassungsrechtliche Bestimmungen differenzierten Verfahrensregeln zu unterwerfen, sofern das Grundgesetz dem nicht entgegensteht. Nur, an dem verfassungsrechtlich begründeten einheitlichen Rechtsregime der Verwaltungsvorschrift ändert dies nichts. Das Wirkungsprofil der Verwaltungsvorschrift von einem besonderen gesetzlichen Willen abhängig machen zu wollen,736 bedeutete letztlich nichts anderes als die Negation der originären Rechtsetzungsfunktion der Exekutive.737 Im Angesicht des Proportionalitätsprinzips zum Scheitern verurteilt sind demgegenüber Versuche, die elastische Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrift über den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu konstruieren. Die Bedenken gegen die sogenannte Theorie der Selbstbindung, die bekanntlich an der durch Verwaltungsvorschriften hervorgerufenen Verwaltungspraxis ansetzt, wurden bereits dargetan.738 Erwähnt werden muß in diesem Zusammenhang jedoch auch ein Ansatz A. v. Bogdandys:739 Er schlägt vor, in jede in einer Verwaltungsvorschrift enthaltenen Rechtsnorm ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmale hineinzuinterpretieren und diese mit der zu Art. 3 Abs. 1 GG entwickelten Dogmatik aufzufüllen. Danach sollen alle Verwaltungsvorschriften durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal „vorbehaltlich eines im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG relevanten Sonderfalls“740 ergänzt werden. A. v. Bogdandys Vorschlag sieht sich jedoch Bedenken ausgesetzt. Denn daß der verfassungsrechtlich fundierten Verwaltungsvorschrift ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmale entnommen werden können, läßt sich dem Grundgesetz nicht in Ansätzen entnehmen. Zudem bleibt offen, warum Art. 3 Abs. 1 GG einen geringeren Verbindlichkeitsmodus der Verwaltungsvorschrift im Einzelfall begründen soll. Gilt der Gleichheitssatz gemäß Art. 1 Abs. 3 GG doch in gleicher Weise auch für den Rechtsverordnungsgeber. Wie aber lassen sich nun die „triftigen Gründe“, die eine Abweichung von der Verwaltungsvorschrift und damit deren zurückgenommene Bindungswirkung rechtfertigen, dogmatisch präzisieren? Um es gleich vorwegzunehmen: Zu einer subsumtionstauglichen und trennscharfen Formel wird sich das Kriterium
___________ 736 Aus der Rechtspraxis etwa BFH v. 12.4.1983, BFHE 138, 157 (163 f.); BSG v. 22.3.1979, BSGE 48, 120 (128); OVG Münster v. 13.7.1994, NVwZ 1995, 818 f. 737 Umgekehrt verbietet die verfassungsrechtlich fundierte Bindungswirkung aber auch jedweden Versuch, eine rechtsverordnungsgleiche Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften mit einem „verlautbarten Bindungswillen der Administration“ begründen zu wollen (so aber A. Leisner, JZ 2002, 219 [230]). 738 Siehe dazu oben 4. Teil § 7 A. 739 v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 468, 470 f. 740 v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 468.
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der „triftigen Gründe“ kaum verdichten lassen.741 Zu unterschiedlich sind die Einsatzfelder, auf denen Regelungen durch Verwaltungsvorschriften getroffen werden. Nur soviel kann gesagt werden: Die Berufung auf einen „triftigen Grund“ erfordert eine Abwägung der Zweckmäßigkeit und Folgerichtigkeit der durch die Verwaltungsvorschrift angeordneten Rechtsfolge. Abwägungsmaßstäbe sind dabei die Wertungen des auszuführenden Gesetzes bzw. der Rechtsverordnung, der Verfassung sowie des Gemeinschaftsrechts, daneben aber auch tatsächliche Entwicklungen wie etwa der allgemeine Erkenntnisfortschritt.742 Erst im Rahmen dieser Abwägung, erst jetzt gewinnt Art. 3 Abs. 1 GG eine eigene Bedeutung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet der Gleichheitssatz, „wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln“.743 Tangiert die Anwendung einer Verwaltungsvorschrift auf einen einzelnen Sachverhalt eben dieses Verbot, wird Art. 3 Abs. 1 GG zum Indiz für das Vorliegen „triftiger Gründe“, die ihrerseits eine Abweichung von der Verwaltungsvorschrift erlauben. Art. 3 Abs. 1 GG ist somit kein Grund, sondern ein Anlaß für die verringerte Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften. Erkennbar wird damit das spezifische Einsatzprofil der Verwaltungsvorschriften: Als entwicklungsoffene Rechtsnormen finden sie ihr Anwendungsgebiet vor allem dort, wo trotz rechtlich und tatsächlich möglicher Typisierung mit Ausnahmefällen zu rechnen ist. Verwaltungsvorschriften kommt hier der Charakter einer „Experimentalnorm“744 mit präsumtiver Bindungswirkung745 zu.746
III. Formelle Unterscheidbarkeit von Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen Nachdem in den vorherigen Ausführungen mit der Intensität der Bindungswirkung ein materielles Abgrenzungskriterium zwischen Rechtsverordnung und ___________ 741 Vgl. zur Diskussion über die Zulässigkeit einer Abweichung von gerichtlichen Präjudizien Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 508 ff. mit weiteren Nachweisen. 742 Von Bedeutung können in diesem Zusammenhang auch die mitunter in Verwaltungsvorschriften ausdrücklich enthaltenen Ausnahmeregelungen sein. Vgl. Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (76). 743 BVerfG v. 12.5.1992, BVerfGE 86, 81 (87); v. 9.8.1978, BVerfGE 49, 148 (165). 744 In Anlehnung an Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 345. 745 Zur „präsumtiven Verbindlichkeit“, die eine Abweichung aus „zureichendem Grund“ gestattet, vgl. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl., 1976, S. 243-268. 746 Zur Erinnerung: Von der staatsrechtlich begründeten Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften ist die beamtenrechtliche Frage zu trennen, ob der einzelne Amtswalter eine Verwaltungsvorschrift auszuführen hat.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
Verwaltungsvorschrift aufgezeigt wurde, stellt sich nun die Frage nach der formellen Unterscheidbarkeit beider Handlungsformen. Sie soll in diesem Abschnitt beantwortet werden. Zur Problemvereinfachung werden in einem ersten Schritt all diejenigen Qualifikationskriterien abgeschichtet, die zur Identifizierung eines Rechtsakts als Verwaltungsvorschrift oder Rechtsverordnung offensichtlich ungeeignet sind. Das Verdikt der Untauglichkeit als Unterscheidungsmerkmal fällt zunächst auf den Regelungsgegenstand beider Rechtsnormkategorien. Die gegenteilige Auffassung, die die Rechtsverordnung als von der Exekutive erlassenes Recht im sogenannten Außenverhältnis begreift,747 beruht auf einem spätkonstitutionellen Staats- und Rechtsverständnis. Danach wird der Staat bekanntlich als impermeable juristische Person betrachtet, deren Innenbeziehungen nicht durch Rechtssätze regelbar seien. Denn Rechtssätze sollen nur solche staatlichen Willensäußerungen sein, die Schranken zwischen selbständigen Rechtssubjekten ziehen bzw. in Freiheit und Eigentum der Bürger eingreifen. Im Gegensatz zu Rechtsverordnungen entbehrten Verwaltungsvorschriften deshalb nicht nur der Rechtsqualität. Die Gegenüberstellung beider Handlungsformen impliziere zugleich je einen spezifischen Inhalt. Diese spätkonstitutionelle Verengung des Rechtssatzbegriffs ist indes heute überwunden. Auch die Vorschriften im sogenannten Innenverhältnis sind Rechtssätze. Rechtsverordnungen demgegenüber können auch Sachmaterien außerhalb der Eingriffsverwaltung regeln. Es ist daher nicht möglich, Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung sachgegenständlich voneinander abzugrenzen.748 Weil somit auch Rechtsverordnungen an die Adresse von Amtswaltern gerichtet sein können, scheidet das Merkmal des Adressatenkreises zur Abgrenzung von Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen ebenfalls aus.749 Nichts anderes gilt hinsichtlich des potentiellen Normurhebers, der für beide Handlungsformen identisch ist.750 ___________ 747 Etwa Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, 10. Aufl., 1973, § 7 A. 2. (S. 131 ff.); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 4 Rn. 10 (S. 66 f.), § 13 Rn. 3 (S. 350); Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 653; Papier, in: V. Götz/Klein/ Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 (62); vgl. ferner BVerwG v. 25.6.1964, BVerwGE 19, 48 (53), nach dem eine Norm „sowohl als Rechtssatz als auch als Verwaltungsvorschrift“ ergehen kann, was auf einen potentiell gleichen Regelungsgehalt beider Handlungsformen hinweist. 748 So auch v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 236-239; Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 267; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 232. 749 Ebenso Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 173 f., 480; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 45; nur im Ergebnis Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 267 f., nach dem der Adressatenkreis kein Qualifikationsmerkmal, sondern eine Qualifikationsfolge darstellt. 750 Siehe beispielhaft §§ 48, 48 a BImSchG, die als Urheber sowohl der immissionsschutzrechtlichen Verwaltungsvorschriften als auch Rechtsverordnungen die „Bundesregierung“ anführen.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
359
Nach der so erfolgten Reduzierung der möglichen Lösungen des Qualifikationsproblems gilt es, sich in einem zweiten Schritt folgendes zu vergegenwärtigen: Die Frage der formellen Abgrenzung von Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung wird erst dann akut, wenn die Exekutive beide Handlungsformen nutzen darf, wenn sie sich also – auch – auf eine Handlungsformermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG stützen könnte.751 In diesem Fall darf die Verwaltung zwischen beiden Rechtsnormarten wählen. Aus Gründen der Rechtssicherheit muß sie allerdings deutlich zum Ausdruck bringen, in welcher Form sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Dies kann regelmäßig nur durch die äußere Form der jeweiligen Vorschrift geschehen. Abzustellen ist insofern auf die Bezeichnung des Rechtsakts, die Berufung auf eine gesetzliche Handlungsermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG sowie die Modalität der Ausfertigung und Verkündung der erlassenen Norm.752 Steht der Exekutive dagegen keine Handlungsformermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG zur Verfügung, stellt sich die Frage der Abgrenzung beider Rechtsnormen nicht. Erläßt die vollziehende Gewalt insoweit abstrakte Regelungen, kann es sich nur um Verwaltungsvorschriften handeln.
D. Vorläufige Feststellungen zur Reichweite der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften Gegen eine unmittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften wird nun aus dem Schrifttum eingewandt, daß diese Rechtssätze definitionsgemäß ausschließlich an Amtswalter, nicht aber an Bürger adressiert seien. Sie erhöben also gar nicht den Anspruch, unmittelbar rechtliche Bindungswirkung nach außen zu entfalten. Schöbe man einer Verwaltungsvorschrift daher eine unmittelbare Außenwirkung aufgrund eines Willensaktes der Verwaltung unter, so wer-
___________ 751 Die Regelung des Art. 80 GG gilt nur für den Bundesbereich, d. h. nur für Rechtsverordnungen aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung. Für den Landesbereich enthalten die Landesverfassungen entsprechende Regelungen. Zwar können die Länder die Anforderungen an die Verordnungsermächtigung nach ihren Vorstellungen festlegen. Über das Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 GG sind sie aber an die in Art. 80 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätze gebunden. Das bedeutet, daß sie die wesentlichen Regelungen des Art. 80 Abs. 1 GG (gesetzliche Ermächtigung, Bestimmtheitsgebot) beachten müssen. 752 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 80 Rn. 8; Nierhaus (Drittbearb., 1988), in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 149 f.; v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 239 f., 245; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 104 ff., 112; Chr. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, 2000, S. 233 f.; Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (63).
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
de damit ein Wille konstruiert, den die Verwaltung beim Erlaß einer Verwaltungsvorschrift gar nicht habe.753 Diametral gegenüber steht dem die Lehre F. Ossenbühls. Nach ihr kommt Verwaltungsvorschriften eine Außenwirkung gerade kraft eines „selbständige(n) rechtserzeugende(n) Normwillen(s) der Verwaltung im eigenen Funktionsbereich“ zu.754 Eine dritte Auffassung rechnet Private „konzeptionell“ zwar nicht zum Adressatenkreis der Verwaltungsvorschriften. Es gebe aber Verwaltungsvorschriften, die „im Grunde“ an den Bürger gerichtet seien. Dies sei dort der Fall, „wo in komplexen Gestattungsverfahren dem Antragsteller das Gros der Sachverhaltsermittlung auferlegt wird“, wie z. B. im Arzneimittel-, Pflanzenschutzoder Chemikalienrecht. Die Formulierung der Prüfstandards richte sich dann „praktisch“ an den Antragsteller. Insoweit könne von der „intendierten Außenwirkung innengerichteter Verwaltungsvorschriften“ gesprochen werden.755 Des Rätsels (vorläufige) Lösung liegt in der Differenzierung: in der Differenzierung zwischen der Wahl einer Handlungsform und den mit ihr verbundenen spezifischen Rechtsfolgen einerseits sowie zwischen dem objektiven und dem subjektiven öffentlichen Recht andererseits. Befindet sich die Verwaltung in der komfortablen Lage, zur Regelung einer Sachmaterie zwischen dem Erlaß einer Verwaltungsvorschrift und einer Rechtsverordnung wählen zu dürfen, hängt die Ausübung des Wahlrechts von ihrem Willen ab. Entscheidet sie sich etwa für den Erlaß einer Verwaltungsvorschrift, so ergeht diese insoweit in der Tat „kraft eines administrativen Willensaktes“. Die mit der Verwaltungsvorschrift verbundenen Rechtsfolgen dagegen ergeben sich allein aus der Verfassung. Sie sind vom subjektiven Willen der Verwaltung unabhängig. ___________ 753
So jüngst Kautz, GewArch 2000, 230 (233); ferner Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 24 Rn. 25 a (S. 636-638); Asbeck-Schröder, Grundfragen zur TA Sonderabfall, 1990, S. 138 f. 754 Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002, § 6 Rn. 50 (S. 161); ders., in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 48 (S. 448 f.). – Ähnlich Rogmann, Die Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 53-57, nach dem für eine Außengerichtetheit der Verwaltungsvorschriften nur erforderlich ist, „daß die Verwaltung – bewußt oder unbewußt – das Außenverhältnis verbindlich regeln will“. Unabhängig von der sprachlichen Ungenauigkeit (Wie kann eine „unbewußte“ Handlung auf einem „Wollen“ basieren?) setzt sich Rogmann damit in Widerspruch zu seinen vorherigen Ausführungen. Zuvor (S. 51 f.) hatte er noch festgestellt, daß die Bundesverwaltung gerade keine Außenwirkung ihrer Verwaltungsvorschriften beabsichtige. Demnach könnte zumindest einer Bundesverwaltungsvorschrift per se keine Aussengerichtetheit zukommen, so daß sich jedwede weitere Prüfung ihrer Außenwirkung erübrigte. 755 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 347 in Fn. 38; ders., DVBl. 1992, 1338 (1345 in Fn. 68); ähnlich Schwerdtfeger, NVwZ 1984, 486 f., der zwischen binnengerichteten Verwaltungsvorschriften über Ex-ante-Subventionen und außengerichteten Verwaltungsvorschriften über Ex-post-Subventionen unterscheidet.
§ 8 Unmittelbare Außenwirkung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften
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Für die Verwaltungsvorschrift bedeutet dies zunächst, daß sie als objektives Recht alle Rechtsgenossen bindet. Weil sie Wahrnehmungszuständigkeiten und Rechtspflichten der Amtswalter begründet, weil sie inhaltlich die Rechtssphäre der Bürger mit einem rechtlichen Beachtensanspruch tangiert, also anordnet, was Rechtens sein soll, bindet sie objektivrechtlich sowohl Behörden als auch Staatsbürger. Diese objektivrechtliche Gebundenheit ist davon unabhängig, daß sich die Verwaltungsvorschrift äußerlich nur an die nachgeordneten Verwaltungsbehörden wendet.756 Sie – die objektivrechtliche Gebundenheit – ist insbesondere keine Folge des Willens der erlassenden Stelle, sondern ihres Geltungsanspruchs als Satz des Rechts, der „in irgendeiner Beziehung die Rechtssphäre des Einzelnen“757 betrifft.758 Davon zu trennen sind zwei Fragen: Erstens, die Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolldichte gegenüber Verwaltungsvorschriften. Ihre Beantwortung resultiert aus dem Kontrollauftrag der Judikative in der gewaltengegliederten Demokratie des Grundgesetzes. Zweitens, die Frage nach subjektiven Rechten der Bürger in Verwaltungsvorschriften. Nach überwiegender Auffassung ist ein subjektives Recht zu bejahen, wenn ein Satz des objektiven Rechts und damit die sich aus ihm ergebende Rechtspflicht der Verwaltung nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern zumindest auch dem Interesse einzelner Bürger zu dienen bestimmt ist. Maßgeblich ist insofern nicht die Adressatenrichtung, sondern allein die Interessenrichtung.759 Ob Verwaltungsvorschriften auch den Schutz der Interessen privater Dritter bezwecken, kann somit nicht mit einem kurzen Hinweis auf den formellen Adressatenkreis dieser Handlungsform abgetan werden. Geboten ist vielmehr eine ausführliche Untersuchung darüber, warum beispielhaft Abs. 1 der Einführung zur EStR 1999 wie folgt lautet: „Die Einkommensteuer-Richtlinien 1999 sind Weisungen an die Finanzbehörden zur ___________ 756
So auch Hauck, NJW 1957, 809 (810): „Es kommt immer darauf an, nicht nur auf den nominellen „Adressaten“ zu sehen, sondern den wirklichen „Adressaten“ der Anordnung zu erkennen. Hat z. B. eine Anordnung, die äußerlich nur an nachgeordnete Verwaltungsbehörden gerichtet ist, nach ihrem Inhalt unmittelbare Auswirkungen auf Dritte, so ist sie eine Rechtsnorm, obwohl sie nur an die Verwaltung adressiert ist.“; ähnlich Selmer, VerwArch 59 (1968), 114 (128). 757 Laband, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der Preussischen Verfassungs-Urkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1871, S. 12. 758 Ähnlich U. Krüger, Der Adressat des Rechtsgesetzes, 1969, S. 63-68, der zwischen dem formellen und dem materiellen Adressatenkreis einer Norm unterscheidet; ebenso Hauck, NJW 1957, 809 (810). 759 Zur Annahme eines subjektiven öffentlichen Rechts vgl. statt vieler Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, passim, etwa S. 2: „rechtlich geschütztes Individualinteresse“; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, passim; Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992, passim; Bauer, AöR 113 (1988), 582 ff.; Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 ff.; Zuleeg, DVBl. 1976, 509 ff.
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4. Teil: Handlungsperspektive der Exekutive
einheitlichen Anwendung des Einkommensteuerrechts, zur Vermeidung unbilliger Härten und zur Verwaltungsvereinfachung.“760 Beide Problemkreise, die Verwaltungsvorschriften aus der Kontrollperspektive der Gerichte und aus der Vollzugsadressatenperspektive der Bürger, sollen daher in den beiden folgenden Teilen dieser Arbeit durchleuchtet werden.
___________ 760
EStR 1999 v. 14.12.1999 (BStBl. 1999 I Sondernr. 3). – Hervorhebung durch den Verfasser.
Fünfter Teil
Die Verwaltungsvorschriften aus der Kontrollperspektive der Judikative Das Problem der „Außenwirkung“ der Verwaltungsvorschriften gegenüber der Judikative wird insbesondere dann aktuell, wenn die Verwaltung einen Verwaltungsakt erläßt, der zwar noch vom Gesetz (oder einer Rechtsverordnung) gedeckt ist, der aber von einer Verwaltungsvorschrift abweicht, welche ihrerseits rechtmäßig ist. In diesem Fall lautet die Frage, ob das Verwaltungsgericht1 außer dem Parlamentsgesetz (oder der Rechtsverordnung) auch die Verwaltungsvorschrift beachten muß.
§ 9 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollmaßstab Für die Verfechter einer reinen Innenwirkung der Verwaltungsvorschriften stellt sich das Problem ihrer gerichtlichen Kontrolle regelmäßig nicht. Gerichtlich überprüft werde der dem Bürger gegenüber ergangene Verwaltungsakt allein am Maßstab des Gesetzes. Wenn somit eine Behörde von einer Verwaltungsvorschrift abweiche, führe dies nicht zur Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts. Umgekehrt könne sich eine Behörde vor Gericht nicht damit verteidigen, sie habe lediglich die Verwaltungsvorschrift angewandt. Denn Verwaltungsvorschriften seien „grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle“, um eine Wendung des Bundesverfassungsgerichts zu zitieren.2 Ihre dogmatischen Wurzeln findet diese Lehre bekanntlich in der Ablehnung einer selbständigen verfassungsunmittelbaren exekutivischen Rechtsetzungsbefugnis. Die Exekutive soll Rechtsnormen lediglich aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Delegation und dies nur in den restriktiv auszulegenden Grenzen des Art. 80 Abs. 1 GG erlassen dürfen. Die zur Zeit im Schrifttum wohl überwiegenden Lehransätze begründen dagegen eine eingeschränkte gerichtliche Bindungswirkung der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften. Letztlich auf der sogenannten „normativen ___________ 1
Die folgenden Ausführungen gelten in gleicher Weise für die Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit. Zur Bindung der (ordentlichen) Straf- und Zivilgerichte an Verwaltungsvorschriften siehe unten 7. Teil. 2 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227).
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
Ermächtigungslehre“ basierend knüpfen sie zur Bestimmung des Verbindlichkeitsgrades an das Parlamentsgesetz an. Soweit der Gesetzgeber der Exekutive eine Standardisierungsermächtigung erteilt habe, stellten die erlassenen Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungsgerichte eine verbindliche Konkretisierung des jeweiligen unbestimmten Rechtsbegriffs dar. Die gerichtliche Kontrolldichte sei dann insofern reduziert, als die Aufgabe der Rechtsprechung „nur noch“3 darin bestünde, die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift zu kontrollieren. Voraussetzung der Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift sei aber, daß diese in der Art und Weise zustande gekommen sei, wie sie das Gesetz vorsehe.4 Deutlich wird damit eine Voraussetzung, von der die gerichtliche Bindung an Verwaltungsvorschriften abhängen soll. Eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften wird nur dann akzeptiert, wenn das Gesetz der Exekutive einen bereichsspezifischen Konkretisierungsauftrag erteilt hat. So unterschiedlich die Ergebnisse der Lehre von der reinen Innenwirkung der Verwaltungsvorschriften und der Lehre von den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften auch sein mögen, Übereinstimmung herrscht doch in einem: in der Ablehnung einer selbständigen originären Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive. Aus dieser Perspektive muß eine Bindung der Gerichte an ohne gesetzlichen Regelungsauftrag erlassene Verwaltungsvorschriften verfassungswidrig erscheinen. Nicht nur das Ergebnis, bereits der Ansatzpunkt dieser Grundgesetzinterpretation weckt indes Bedenken. Die Lösung des Problems der Gerichtsverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften hängt weniger von einer einfachgesetzlichen Ermächtigung als vielmehr von der Reichweite der verfassungsrechtlichen Funktionsbereiche sowohl der Exekutive als auch der Judikative ab.5 Zur Begründung (oder Ablehnung) der Außenverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften wird daher im Folgenden die Funktion der „Rechtsprechung“, wie sie das Grundgesetz in seinen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Art. 92 konstituiert und legitimiert, dargelegt.
A. Funktion der Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG Der Begriff der „Rechtsprechung“ wird in Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG erwähnt und dort der Gesetzgebung und der vollziehenden Ge___________ 3
Jarass, NJW 1987, 1225 (1229). Insoweit führt die Lehre von den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften auch zu einer Erweiterung der gerichtlichen Kontrolldichte. Ebenso Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2239): „Den Gerichten stellt sich dementsprechend eine Kontrollaufgabe erheblichen Umfangs.“ 5 Zur Rechtsetzungsfunktion der Exekutive ausführlich oben 5. Teil § 8 A. 4
§ 9 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollmaßstab
365
walt zur Seite gestellt. Er deckt sich zwar mit dem der „rechtsprechenden Gewalt“, der in Art. 92 GG verwendet wird.6 Jedoch hält das Grundgesetz an keiner Stelle eine Definition bereit. In Schrifttum und Rechtsprechung wird deshalb eine weitreichende Kontroverse über den Begriff der „Rechtsprechung“ geführt.
I. Formelle Rechtsprechungsbegriffe Teilweise wird die Rechtsprechungsfunktion ganz formal als das gekennzeichnet, was die Verfassung und die einfachen Gesetze den Richtern in Form von Richtervorbehalten oder Rechtsweggarantien als Tätigkeit zuweisen.7 Ein solches Verständnis stellt den verfassungsrechtlichen Begriff der „Rechtsprechung“ freilich in das Belieben des Gesetzgebers. Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG wird damit einem Gesetzesvorbehalt unterworfen, der dem Grundgesetz nicht zu entnehmen ist.8 Zudem gibt diese Definition dem Art. 92 GG einen tautologischen Inhalt: Alle Tätigkeiten, die den Richtern durch die Verfassung oder die Gesetze zugewiesen werden, sind den Richtern anvertraut.9 Ebensowenig kann der Versuch gelingen, Rechtsprechung formal als Tätigkeit unabhängiger Organe zu begreifen.10 Das Kriterium der Unabhängigkeit des Handelns ermöglicht weder eine Abgrenzung der Rechtsprechung zur Legislative – die Parlamentsabgeordneten sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“ (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) – noch zu den obersten Organen der Exekutive.11 Vorzugswürdig erscheint daher der Versuch, den Begriff der Rechtsprechung (zumindest auch) materiell zu bestimmen. ___________ 6 Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 92 Rn. 4; ebenso Achterberg (Zweitbearb., 1981), in: BK, GG, Art. 92 Rn. 60; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 92 Rn. 5; a. A. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 92 Rn. 24; dazu ferner Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 375 ff. (S. 87 f.). 7 Herzog (1971), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 43; Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, 1992, S. 53; Grossrau, NJW 1958, 929 (931); ferner Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, 1970, S. 87-95 mit weiteren Nachweisen. 8 BVerfG v. 6.6.1967, BVerfGE 22, 49 (75); OVG Münster v. 10.6.1952, OVGE 5, 243 (247); ferner Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 92 Rn. 6. 9 Vgl. Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, S. 99; Bettermann, in: ders./ Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III/2, 1959, S. 729 (876 f.); Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 844 f. 10 Wie hier Kelsen, Allg. Staatslehre, 1966, S. 260; vgl. auch Merkl, Allg. Verwaltungsrecht, 1927, S. 38. 11 So auch Achterberg (Zweitbearb., 1981), in: BK, GG, Art. 92 Rn. 68.
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
II. Materielle Rechtsprechungsbegriffe Die Diskussion darüber, worin der materielle Gehalt der Rechtsprechung besteht, ist allerdings keineswegs abgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht12 knüpft an den Sinnzusammenhang der Vorschrift des Art. 92 GG an, um die rechtsprechende Staatstätigkeit zu bestimmen. Zur Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG gehören danach zunächst diejenigen Aufgaben, die die Verfassung selbst an anderer Stelle den Gerichten überträgt.13 Darüber hinaus sollen die „traditionellen Kernbereiche der Rechtsprechung“ – bürgerliche Rechtspflege und Strafgerichtsbarkeit – der rechtsprechenden Gewalt zugerechnet werden, auch wenn sie im Grundgesetz nicht besonders aufgeführt sind.14 Im Schrifttum werden eine ganze Reihe von Gesichtspunkten als charakteristisch für den Begriff „Rechtsprechung“ betrachtet. Exemplarisch sollen hier nur die wichtigsten angeführt werden:15 R. Thoma etwa erblickt die Besonderheit rechtsprechender Tätigkeit im Richterspruch und bestimmt Rechtsprechung als „verselbständigten Ausspruch dessen, was in Anwendung des geltenden Rechts auf einen konkreten Tatbestand im Einzelfalle Rechtens ist, durch eine staatliche Autorität“.16 Demgegenüber vertritt im Anschluß an E. Friesenhahn ein Teil des Schrifttums die These, Rechtsprechung sei Streitentscheidung.17 ___________ 12 Grundlegend BVerfG v. 6.6.1967, BVerfGE 22, 49 ff.; ferner BVerfG v. 31.5.1983, BVerfGE 64, 175 (179); v. 16.7.1969, BVerfGE 27, 18 (28). 13 BVerfG v. 6.6.1967, BVerfGE 22, 49 (76 f.); dazu auch Bettermann, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 73 Rn. 17-26 (S. 783-788). 14 BVerfG v. 6.6.1967, BVerfGE 22, 49 (77 f.); zu bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten vgl. schon BVerfG v. 9.5.1962, BVerfGE 14, 56 (66). 15 Ausführlicher Überblick bei Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 92 Rn. 4 ff.; ferner Achterberg (Zweitbearb., 1981), in: BK, GG, Art. 92 Rn. 81 ff.; Herzog (1971), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 20 ff.; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, S. 65-141; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl., 1987, S. 11-15. 16 Thoma, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 108 (129); ähnlich Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 196 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 894; Scheuner, in: Festschrift für R. Smend, 1952, S. 253 (278 mit Fn. 66); Messerer, DRiZ 1954, 209; Müller-Tochtermann, DRiZ 1956, 4 (5); H.-P. Schneider, DÖV 1975, 443 (447). 17 Friesenhahn, in: Festschrift für R. Thoma, 1950, S. 21 (27); ebenso v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., 1953, IX. Die Rechtsprechung Vorbemerkungen Anm. 3. a); Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928, S. 14; Köhling, Rechtsprechende und verwaltende Funktionen des Strafrichters, 1969, S. 131; Ule, JZ 1958, 628 (629); jeweils mit weiteren Nachweisen; ferner Baur, DNotZ 1955, 507 (513); Möllinger, AöR 80 (1955/56), 276 (289 f.); kritisch Habscheid, JR 1958, 361 (362): „Der Begriff (Rechtsprechung) ist vielmehr historisch zu verstehen: Die Streitentscheidung ist zwar sein Kernstück, es sind darunter aber auch alle die Bereiche staatlicher Tätigkeit zu begreifen, die in der geschichtlichen Entwicklung gerade
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Sowohl bei der Tätigkeit der rechtsprechenden als auch der vollziehenden Gewalt sei Rechtsanwendung im Wege der Subsumtion anzutreffen. Im Gegensatz zum Verwaltungsbeamten sei der Richter jedoch selbst nicht Partei, sondern unbeteiligter Dritter. Materiell sei Rechtsprechung daher die Tätigkeit eines staatlichen Organs, „das als unbeteiligter Dritter mit obrigkeitlicher Gewalt ausspricht, was bei Anwendung der allgemeinen Rechtsnormen auf den konkreten Tatbestand Rechtens ist, um einen Rechtsstreit zwischen zwei Parteien zu entscheiden“.18 Andere wiederum verzichten auf das Merkmal der Streitentscheidung und rücken den Gedanken der Rechtskraft in den Vordergrund. Kennzeichen der Rechtsprechung sei, daß ihr Ergebnis, die Entscheidung, auch gegen den Willen eines Verfahrensbeteiligten diesem gegenüber in Rechtskraft erwachsen könne. Rechtsprechende Gewalt bedeutet daher nach A. Arndt „rechtskraftwirkende Entscheidung durch Wahrheits- und Rechtsprüfung um der Gewißheit willen.“19 In die Diskussion eingeführt werden ebenfalls verfahrensrechtliche Gesichtspunkte. So definiert K. Hesse rechtsprechende Tätigkeit allgemein als „die Aufgabe autoritativer und damit verbindlicher, selbständiger Entscheidung in Fällen bestrittenen oder verletzten Rechts in einem besonderen Verfahren“.20 All diese Aspekte konkretisieren den Wirkbereich der Rechtsprechung, ohne daß aber bislang eine als allein maßgeblich anerkannte Definition gefunden wurde.21
III. Stellungnahme Bei einer Funktionsbestimmung der rechtsprechenden Gewalt gilt es daher, vorab einen Fixpunkt festzuhalten: daß nämlich der Verfassungsbegriff der ___________ deshalb den Richtern überantwortet worden sind, weil nur in ihrer Hand eine unabhängige, sachgerechte Entscheidung gewährleistet schien, Art. 92.“ 18 Friesenhahn, in: Festschrift für R. Thoma, 1950, S. 21 (27). 19 A. Arndt, in: Festgabe für C. Schmid, 1962, S. 5 (15); vgl. auch Bender, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens nach der AO, 1963, S. 18-30; A. Arndt, NJW 1959, 605 (607). 20 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 25. Aufl., Neudruck 1999, Rn. 548 (S. 235) im Anschluß an Scheuner, in: Festschrift für R. Smend, 1952, S. 253 (278); zum Gesichtspunkt des richterlichen Entscheidungsverfahrens besonders BVerfG v. 30.11.1955, BVerfGE 4, 358 (363); Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 92 Rn. 25; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 3. Aufl., 2003, Rn. 54 f. (S. 27 f.); Smid, Rechtsprechung, 1990, S. 37-50; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, S. 95 ff., 100 ff., 104 ff.; Starck, VVDStRL 34 (1976), S. 43 (65 f.). 21 Vgl. Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 92 Rn. 21.
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Rechtsprechung aus der Verfassung selbst herzuleiten ist.22 Die Funktion der „rechtsprechenden Gewalt“ muß folglich vornehmlich23 durch die verfassungspositiven Wertungen und das vorverfassungsrechtliche Verständnis des Verfassungsgebers erschlossen werden.24 Rechtsprechung umfaßt so zunächst alle richterlichen Entscheidungstätigkeiten, die das Grundgesetz ausdrücklich als solche ansieht. Dazu gehören die verfassungsrechtlichen Richtervorbehalte sowie die verschiedenen Rechtsweggarantien.25 Das Telos des Art. 92 GG erschöpft sich hierin indes nicht, soll ihm keine ausschließlich deklaratorische Bedeutung zugewiesen werden.26 Vielmehr kommt Art. 92 GG auch ein konstitutiver Gehalt zu, der durch eine historische Interpretation der Vorschrift ermittelt werden muß. Danach gehören zur Rechtsprechung all diejenigen Tätigkeiten, die das Grundgesetz den Gerichten zwar nicht ausdrücklich zuweist, die nach traditionellem verfassungsrechtlichen Vorverständnis aber zu den Aufgaben der Rechtsprechung zählen.27 Zu beachten ist freilich die nur eingeschränkte Geeignetheit der historischen Auslegungsmethode bei der Interpretation des Art. 92 GG: Weder in Rechtslehre noch Rechtspraxis bestand vor der Geltung des Grundgesetzes Einigkeit darüber, was unter Rechtsprechung zu verstehen und was ihr oder was der vollziehenden Gewalt zuzurechnen ist.28 Abgestellt werden darf damit nur auf solche Elemente des Rechtsprechungsbegriffs, über die bereits vor der Zeit des Grundgesetzes allgemeine Einigkeit bestand. ___________ 22 So auch Achterberg (Zweitbearb., 1981), in: BK, GG, Art. 92 Rn. 92; Herzog (1971), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 34. 23 Zur Ausfüllung des normgeprägten Verfassungsbegriffs der „Rechtsprechung“ durch Gesetzesrecht BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 100 (106); v. 31.5.1983, BVerfGE 64, 175 (179); ferner Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 92 Rn. 2; Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 92 Rn. 36 f. 24 BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 100 (106); Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 92 Rn. 2. 25 Vgl. BVerfG v. 6.6.1967, BVerfGE 22, 49 (76 f.); Herzog (1971), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 42 ff.; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, S. 67. 26 BVerfG v. 6.6.1967, BVerfGE 22, 49 (77 f.); für einen rein deklaratorischen Gehalt des Art. 92 GG Herzog (1971), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 49; dagegen Bettermann, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 73 Rn. 19 (S. 785); Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 92 Rn. 9. 27 BVerfG v. 6.6.1967, BVerfGE 22, 49 (77 f.); ausführlich Achterberg (Zweitbearb., 1981), in: BK, GG, Art. 92 Rn. 92, 101-105; Herzog (1971), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 34: „vorverfassungsrechtliche Gesamtbilder“; kritisch gegenüber dem Topos des „vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes“ Gramlich, DVBl. 1980, 531 (535 ff.). 28 Siehe insbesondere RG v. 26.4.1906, RGZ 63, 236 (238); ferner Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928, S. 12-17; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 9-12; Thoma, in: Anschütz/Thoma, HbdDStR II, 1932, S. 108 (129 mit Fn. 49).
§ 9 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollmaßstab
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Trotz unterschiedlicher Akzentsetzungen im einzelnen war (und ist) allen Auffassungen über den Wirkbereich der Rechtsprechung doch immer ein Gedanke gemeinsam: Die Orientierung der richterlichen Tätigkeit an der bestehenden Rechtsordnung. Unabhängig von der Kennzeichnung der Rechtsprechung als „Streitentscheidung“, „rechtskrafterzeugende Entscheidung“, „autoritative Entscheidung“ oder „Feststellung gefährdeten Rechts“, stets ist die Tätigkeit des Richters auf die Erkenntnis und nicht auf die Gestaltung des Rechts gerichtet. Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt ist nicht zu sagen, was zukünftig Recht sein soll, sondern festzustellen, was gegenwärtig Recht ist. Insofern ist es richtig, die Rechtsprechung als rechtsbewahrende Gewalt zu bezeichnen und den beiden rechtsgestaltenden Gewalten der Legislative und Exekutive gegenüber zu stellen.29 Keineswegs negiert werden soll damit die rechtsfortbildende Kraft der Rechtsprechung, wie sie namentlich im sogenannten „Richterrecht“ in Erscheinung tritt.30 Dessenungeachtet, dem Richter ist – neben dem zu beurteilenden Sachverhalt – der Beurteilungsmaßstab in Form des geltenden Rechts vorgegeben. Dieses Recht hat er zu ermitteln, nicht zu setzen. Über eine solche Bindung der rechtsprechenden Gewalt bestand nicht nur weitgehender Konsens in der Rechtslehre der Weimarer Republik.31 Sie entspricht auch dem vorverfassungsrechtlichen Verständnis des Verfassungsgebers.32 Ist funktionsimmanentes Charakteristikum jeder Rechtsprechung im Sinne der Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG die Anerkennung des geltenden Rechts als Kontrollmaßstab, läuft die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte auf die Prüfung hinaus, ob die Exekutive im Einzelfall das verfassungsmäßig gesetzte Recht richtig angewendet hat. Zum Recht, welches das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, gehören unstreitig nicht nur formelle Gesetze, sondern auch exekutive Rechtsnormen wie Rechtsverordnungen und Satzungen. Sind Verwaltungsvorschriften aber – wie Rechtsverordnungen und Satzungen – Emanation der exekutivischen Rechtsetzungsfunktion, sind sie daher – wie die ___________ 29
Zutreffend Roellecke, Politik und Verfassungsgerichtsbarkeit, 1961, S. 101 f. in Anlehnung an P. Schneider, AöR 82 (1957), 1 (12-21); ebenso Schlüter, Das obiter dictum, 1973, S. 21-24; kritisch Achterberg (Zweitbearb., 1981), in: BK, GG, Art. 92 Rn. 109. 30 Zur Rechtsfortbildung durch sogenanntes „Richterrecht“ jüngst Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, 1997, S. 337 ff., 409 ff.; des weiteren F. Müller, ‚Richterrecht‘, 1986, passim; Hoffmann, in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 183 ff. 31 Vgl. stellvertretend die oben in Fn. 28 angeführten Nachweise. 32 Vgl. den insoweit unwidersprochenen Beitrag des Abgeordneten Dr. Becker über die Bindung der Richter an die „Gesetze“ (25. Sitzung des Hauptausschusses v. 9.12.1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 295 [297]): „Im Hinblick auf die in Nürnberg gefällten Entscheidungen, in denen festgestellt wurde, daß unter ‚Gesetzen‘ nicht ausschließlich der positive Gesetzestext, sondern das Recht als solches zu verstehen ist, halte ich den Zusatz für überflüssig.“ (Hervorhebung durch den Verf.).
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
übrigen von der Exekutive erlassenen Normen – Rechtssätze sowohl im rechtstheoretischen als auch im staatsrechtlichen Sinne,33 dann darf hinsichtlich ihrer Gerichtsverbindlichkeit im Grundsatz34 kein Unterschied zu den Rechtsverordnungen und Satzungen bestehen. Jede andere Vorstellung negierte die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und dem Demokratieprinzip verankerte Rechtsetzungsfunktion der Exekutive. Sie knüpfte damit letztlich an die verfassungsgeschichtlich überholte spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre an, die Verwaltungsvorschriften gänzlich aus dem Bereich des Rechts aussonderte und deshalb ihre Außenverbindlichkeit verneinte. Auf den Punkt gebracht: Verwaltungsvorschriften sind nicht nur Gegenstand, sondern auch Maßstab der richterlichen Kontrolle.35 Das herkömmliche Verständnis, das die Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Verwaltungsgerichte auf ein restriktiv verstandenes „Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“ beschränkt,36 wird der richterlichen Rechtsbewahrungsfunktion aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG demgegenüber nicht gerecht. Auf Art. 97 Abs. 1 GG läßt es sich ebenfalls nicht stützen.
B. Gesetzesbindung der Gerichte nach Art. 97 Abs. 1 GG Nach Art. 97 Abs. 1 GG sind die Richter „unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“. Mit dem Wortlaut dieser Vorschrift hält die überwiegende Auffassung eine Bindung der Gerichte an Verwaltungsvorschriften für unverein___________ 33
Im Ergebnis ebenso Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für K. Vogel, 2000, S. 477
(491). 34
D. h. vorbehaltlich der bereits dargelegten spezifischen Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften. Vgl. oben 4. Teil § 8 C. II. 35 Ein ähnliches Ergebnis wird vertreten von W. Schmidt (Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 139-141), der auf die Aufgabe der Verwaltungsgerichte zur Rechtmäßigkeitskontrolle nach § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 VwGO verweist. Brohm (DÖV 1987, 265 [270 f.]; ders., DVBl. 1986, 321 [329-331]; ders., NJW 1984, 8 [12]) dagegen nimmt eine Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften im Gerichtsverfahren aufgrund der geringeren demokratischen Legitimation der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber der Verwaltung an. Wahl (NVwZ 1991, 409 [414]; ders., VBlBW 1988, 387 [391]) betrachtet lediglich normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften als gerichtliche Kontrollmaßstäbe, da nur sie in Wahrnehmung einer gesetzlich eingeräumten Einschätzungsermächtigung der Exekutive erlassen würden. 36 Für eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrollmaßstäbe auf „Gesetze im materiellen Sinne“ jüngst noch BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227); Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 92 Rn. 19, Art. 97 Rn. 11; Herzog (1977), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 25; Meyer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 97 Rn. 22; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 97 Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 97 Rn. 25; Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, 1997, S. 134-154.
§ 9 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollmaßstab
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bar.37 Sie kann sich – zumindest vordergründig – auf die Entstehungsgeschichte der Norm berufen. Am 16. Dezember 1948 hatte der Allgemeine Redaktionsausschuß des Parlamentarischen Rates bei der Formulierung der Fassung des heutigen Art. 97 Abs. 1 GG klargestellt: „Wenn von ‚Gesetz‘ gesprochen wird, so ist selbstverständlich darunter ein Gesetz im materiellen Sinne, also in jeder Form: Grundgesetz, Gesetz, Rechtsverordnung und Gewohnheitsrecht zu verstehen.“38
Bereits am 9. Dezember 1948 indes hatte der Abgeordnete Dr. Becker in einer Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates unwidersprochen erklärt, daß unter Gesetz „das Recht als solches“ zu verstehen sei.39 Offenbar wird damit, warum der Verfassungsgeber in Art. 97 Abs. 1 GG keine Bindung des Richters an Verwaltungsvorschriften normieren wollte: Weil er vom Rechtsverständnis der spätkonstitutionellen Staatslehre geprägt war, die die Verwaltungsvorschriften als Nicht-Recht betrachtete. Sind die verfassungsgeschichtlichen Voraussetzungen dieser Lehre jedoch weggefallen, kann die Entstehungsgeschichte des Art. 97 Abs. 1 GG nicht mehr gegen eine Gerichtsverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften angeführt werden. Dies gilt um so mehr, als eine derartige Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften auch mit dem Regelungszusammenhang des Art. 97 Abs. 1 GG im Einklang steht. Art. 97 Abs. 1 GG stellt in seinem Hs. 1 die richterliche Unabhängigkeit neben die richterliche Gesetzesbindung nach Hs. 2. Beide Normaussagen sind gleichwohl keine tendenziellen Gegensätze;40 sie bedingen einander.41 Die richterliche Unabhängigkeit bezweckt, daß der Richter in seiner Ent___________ 37 So ausdrücklich Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 97 Abs. 1 Rn. 11; Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 97 Rn. 13; Herzog (1977), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 25 f.; Holtkotten (1968), in: BK, GG, Art. 97 Anm. II. 2. a); Meyer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 97 Rn. 22 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 97 Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 97 Rn. 25; modifizierend Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 327, der lediglich eine richterliche Bindung an Verwaltungsvorschriften „aufgrund einer nicht gesetzesabgeleiteten, originären exekutivischen Rechtsetzungskompetenz“ für mit Art. 97 Abs. 1 GG unvereinbar hält. 38 Entwurf zum Grundgesetz in der vom Allg. Redaktionsausschuß redigierten Fassung. Drucksache Nr. 374 v. 16.12.1948, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Bd. 7, 1995, S. 161 (189). 39 Abgeordneter Dr. Becker, 25. Sitzung des Hauptausschusses v. 9.12.1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 295 (297). 40 So aber Herzog (1977), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 13: „teilweise gegenläufige Wirkungen“. 41 Vgl. BVerfG v. 11.6.1969, BVerfGE 26, 186 (198); Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 97 Rn. 12; E.-W. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 1974, S. 72; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 907, 912; Heyde, in: Benda/Maihofer/
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
scheidung „nur“ durch das Gesetz geleitet wird. Sie ist ein insofern „funktionsbezogenes“42 Rechtsinstitut. Der zweite Hs. des Art. 97 Abs. 1 GG gewinnt daher durch das Wort „nur“43 und der damit verbundenen Garantie der Unabhängigkeit aus Hs. 1 seine besondere Note. Jeder Richter hat das Recht und zugleich die Pflicht44, eigenverantwortlich und unabhängig zu beurteilen, was im Einzelfall „Recht“ ist. Unabhängigkeit bedeutet dabei Unabhängigkeit von Weisungen an die Richter zwecks Einflußnahme auf die Entscheidungstätigkeit.45 Verboten sind alle Formen von Maßnahmen, die die Art und Weise der Ausübung der rechtsprechenden Tätigkeit zu beeinflussen suchen.46 Davon zu trennen sind die von der Exekutive gesetzten Rechtsnormen etwa in Form von Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften. Sie wirken nicht auf die Art und Weise der Ausübung der Rechtsprechung ein, sondern liefern die rechtlichen Kontrollmaßstäbe, die die Gerichte zu ihrer Entscheidung heranzuziehen haben.47 Eine Bindung der Richter an die in Verwaltungsvorschriften normierten Maßstäbe berührt damit ihren rechtlichen Status nach Art. 97 Abs. 1 GG nicht. Im übrigen resultiert der Geltungsanspruch exekutivischer Normen aus der eigenständigen Rechtsetzungsfunktion und -kompetenz der vollziehenden Gewalt, so wie sie das Grundgesetz konstituiert und legitimiert. Art. 97 Abs. 1 GG setzt aber die im Demokratieprinzip und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte ___________ Vogel, HdbVerfR, 2. Aufl., 1994, § 33 Rn. 92 (S. 1627); Mahrenholz, DRiZ 1991, 432 (433 f.). 42 Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 97 Abs. 1 Rn. 7. 43 Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 912. – Diesen systematischen Zusammenhang verkennt Gusy (DVBl. 1987, 497 [499]), wenn er das Wort „nur“ isoliert im Sinne von „ausschließlich“ interpretiert und so eine Bindung des Richters an untergesetzliche Rechtsquellen ablehnt. 44 Dazu BVerfG v. 23.1.1991, BVerfGE 83, 216 (227 f.); v. 18.12.1984, BVerfGE 68, 337 (345); Barbey, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 74 Rn. 18, 41 (S. 823 f., 833). 45 Vgl. BVerfG v. 8.7.1992, BVerfGE 87, 68 (85); v. 17.12.1953, BVerfGE 3, 213 (224); Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 97 Rn. 11; Holtkotten (1968), in: BK, GG, Art. 97 Anm. II. 1. a). 46 Unzulässig ist also jeder „vermeidbare Einfluß“ (Classen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 97 Abs. 1 Rn. 18). Über die zahlreichen Abgrenzungsprobleme im Einzelfall siehe Detterbeck, in: Sachs, GG, 3. Aufl., 2003, Art. 97 Rn. 20 f. 47 In Widerspruch setzt sich daher Schulze-Fielitz (in: H. Dreier, GG, Bd. III, 2000, Art. 97 Rn. 25 f.), wenn er einerseits eine Bindung des Richters an Verwaltungsvorschriften als verbotene Einflußnahme der Exekutive auf die rechtsprechende Tätigkeit brandmarkt, andererseits Rechtsverordnungen als zulässigen gerichtlichen Kontrollmaßstab betrachtet. Denn zweifellos unterscheiden sich Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung weder in ihrem potentiellen Inhalt noch in ihrer Eigenschaft als Sätze des Rechts.
§ 9 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollmaßstab
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Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive voraus, ohne sie selbst zu modifizieren.48 Der Vorschrift eine Aussage über die Wirkweise bestimmter exekutivischer Rechtsnormen (wie den Verwaltungsvorschriften) entnehmen zu wollen, würde ihren Normgehalt dagegen schlicht überdehnen. Entgegen gängiger Formulierungen49 bedeutet eine Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für die Judikative daher keineswegs – negativ – eine Restriktion richterlicher Kontrolle. Vielmehr geht es – positiv – um die Wahrung des verfassungsrechtlichen Wirkbereichs der vollziehenden Gewalt durch die Rechtsprechung.50
C. Gerichtlicher Rechtsschutzauftrag nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Eine Koppelung der Gerichtsverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften an eine vorherige gesetzliche „Ermächtigung“, wie sie die Lehre von den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften vornimmt, widerspricht nicht nur der exekutivischen Rechtsetzungsbefugnis und der judikativen Rechtsbindung. Sie wird darüber hinaus auch durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht geboten. Ganz allgemein eröffnet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gegen rechtsverletzende Akte der öffentlichen Gewalt den „Rechtsweg“. Erfaßt wird von ihm jedwede Ausübung von Verwaltungsbefugnissen, mithin auch der Erlaß von Rechtsverordnungen, Satzungen oder Verwaltungsvorschriften.51 Die Rechtsschutzgarantie
___________ 48 Gleiches gilt für die im vorigen Abschnitt aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG hergeleitete Bindung der rechtsprechenden Gewalt an das geltende Recht. Auch sie erfährt keine Umgestaltung durch den Regelungsgehalt des Art. 97 Abs. 1 GG. 49 So statt vieler Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 327: „Begrenzung richterlicher Kontrolle“; Papier, Bitburger Gespräche 1981, S. 81 (91 f.): „Auflockerung der [...] Kontrollkompetenz der Verwaltungsgerichte“; Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (155, 159 f.): „Reduktion gerichtlicher Kontrolldichte“; mit starken Worten J. Wolf, DÖV 1992, 849 (853): „Ausstieg aus der gerichtlichen Kontrolle“; ebenso im Ergebnis und aus der Perspektive der normativen Ermächtigungslehre argumentierend Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 1987, § 24 Rn. 40 (S. 1007); Hill, NVwZ 1989, 401 (408); Kutscheidt, NVwZ 1989, 193 (197); Wahl, NVwZ 1991, 409 (410413); ders., VBlBW 1988, 387 (391). 50 So zutreffend Erbguth, DVBl. 1989, 473 (485); im Ansatz ähnlich ferner Franßen, in: Festschrift für W. Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 429 (446 f.), der auf die von den Verwaltungsgerichten zu respektierenden verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Verwaltung hinweist. 51 So Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG, Bd. I, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rn. 39; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 162; Bettermann, in: ders./Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III/2, 1959, S. 779 (789); SchmidtAßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (239 f.); Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (192); offengelassen von BVerfG v. 27.7.1971, BVerfGE 31, 364 (368).
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
des Art. 19 Abs. 4 GG entfaltet sich auf drei Ebenen: als Grundrecht, objektive Wertentscheidung und institutionelle Garantie.52 Als Verfahrensgrundrecht53 ist Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zuallererst ein subjektives Recht auf Individualrechtsschutz.54 Er gewährleistet, daß die materiellen Grundrechte und die subjektiven Rechte des einfachen Rechts im gerichtlichen Verfahren zu tatsächlicher Wirksamkeit gebracht werden. Dem korrespondiert ein Aufhebungsanspruch gegen exekutivische Maßnahmen, die rechtswidrig in subjektive Rechtspositionen eingreifen. Solange solche Maßnahmen ihrerseits aber rechtmäßig sind, können sie keine Rechtsverletzung bewirken und keinen Aufhebungsanspruch begründen.55 Eine rechtmäßige Maßnahme der Exekutive hat die Justiz demnach zu respektieren. Mit anderen Worten: Eine Bindung des Richters an rechtmäßige Verwaltungsvorschriften befindet sich im Einklang mit der subjektiv-rechtlichen Komponente des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. In seiner objektiv-rechtlichen Ausprägung konstituiert Art. 19 Abs. 4 GG im Verbund mit Art. 14 Abs. 3 Satz 4, 34 Satz 3, 93 und 100 GG die zentrale Funktion der Judikative bei der Kontrolle der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt.56 Eine totale Verwaltungskontrolle wird dadurch allerdings nicht errichtet. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG knüpft allein an subjektive Rechte an. Soweit diese nicht betroffen sind, kann ein objektiver gerichtlicher Kontrollauftrag aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht hergeleitet werden. Wenn sich daher die Formulierung findet, Art. 19 Abs. 4 GG garantiere einen möglichst „lückenlosen Rechtsschutz“, so ist damit nur ein möglichst lückenloser Individualrechtsschutz am Maßstab des Rechts, nicht aber eine lückenlose Verwaltungskontrolle gemeint.57 Die Rechtsschutzgarantie setzt somit die Existenz rechtlicher Kon___________ 52
Das institutionell-rechtliche Element der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist für hier den vorliegenden Untersuchungsgegenstand von geringerem Interesse. Vgl. insoweit Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 1442 f. 53 Vgl. Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 17. Aufl., 2001, Rn. 1006 (S. 257); Herzog (1981), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Vorb. Rn. 5: „justizielles Hauptgrundrecht“. 54 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 130 ff.; Schenke (Zweitbearb., 1982), in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 25; SchmidtAßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 7 f. 55 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für C.-F. Menger, 1985, S. 107 (109 f.). 56 Umfassend Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. V Rn. 1 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 531-546. 57 So bereits BVerfG v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274 (326) und seitdem ständig: „möglichst lückenloser gerichtlicher Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des einzelnen“; ferner BVerwG v. 27.5.1983, NJW 1984, 188 (189): „Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgewährleistung gilt nämlich nicht absolut und verschafft nicht den Anspruch auf bestmögliche Befriedigung des Rechtsschutzinteresses ohne Rücksicht auf andere Verfassungsprinzipien.“; Bryde, DÖV 1981, 193 (201): gegen „justizstaatliche(s) Maximum“.
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand
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trollmaßstäbe voraus, sagt aber nichts über ihr Zustandekommen. Sie vollzieht das Funktions- und Kompetenzgefüge der Verfassung nach, ohne es wieder in Frage zu stellen.58 Festzuhalten ist daher: Weder Art. 97 Abs. 1 noch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG stehen einer Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für die Gerichte entgegen – einer Verbindlichkeit, die aus der im Grundgesetz verankerten Rechtsetzungsfunktion und -kompetenz der Exekutive einerseits und der Rechtsbindung der Judikative andererseits resultiert. Dieses Ergebnis gilt für alle Arten von Verwaltungsvorschriften, also etwa auch für die norminterpretierenden oder die Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung. Es ist ebenso neu wie unbestreitbar: Sind doch alle und nicht nur die sogenannten „normkonkretisierenden“ Verwaltungsvorschriften Emanationen der verfassungsrechtlichen Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive.59
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand Eine „Entfesselung der Dritten Gewalt“60 ist durch die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften allen Unkenrufen zum Trotz nicht zu befürchten.61 Denn eine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren entfalten die Verwaltungsvorschriften nur vorbehaltlich zweier Prämissen. Erstens: vorbehaltlich ihrer Wirksamkeit; – und zweitens: vorbehaltlich ihrer Anwendbarkeit. Beide Aspekte hat der Richter zu überprüfen, bevor er die jeweilige Verwaltungsvorschrift heranzieht. Verwaltungsvorschriften sind deshalb nicht nur Maßstab, sondern auch Gegenstand gerichtlicher Kontrolle.62 ___________ 58 Vgl. BVerfG v. 20.4.1982, BVerfGE 60, 253 (267); deutlich BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (317) – Wyhl: Art. 19 Abs. 4 GG „ist, da die Verfassung ein Sinngefüge darstellt, stets in einer Weise auszulegen, daß ‚anderen Verfassungsnormen und -grundsätzen nicht Abbruch getan wird‘ (BVerfGE 60, 253 [267]) [...]. Wo daher ein der Exekutive zugewiesener Vorbehalt von der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung Bestand hat, kann er nicht durch eine mit ihm unvereinbare Ausweitung der gerichtlichen Kontrollbefugnisse wieder in Frage gestellt werden [...].“ 59 Der vermeintliche Unterschied zwischen norminterpretierenden und normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften fällt in dem Augenblick in sich zusammen, in dem die „Außenverbindlichkeit“ von Verwaltungsvorschriften nicht mehr auf eine gesetzliche „Ermächtigung“ gestützt wird. 60 So der Titel der Abhandlung von van Husen, AöR 78 (1952/53), 49. 61 Zu Recht kritisch gegenüber der unberechtigten „Dauerangst“ vor einer Unterminierung der Rechtsschutzgarantie Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für C.-F. Menger, 1985, S. 107 (116) unter Hinweis auf A. Arndt, Praktikabilität und Effizienz, 1983, S. 137-146; ebenso Franßen, in: Festschrift für W. Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 429 (insb. 442-445, 448 f.). 62 Die im Folgenden zu entwickelnden Grundsätze gelten zunächst nur für die gerichtliche Inzidentprüfung von Verwaltungsvorschriften. Sie finden aber auch Anwen-
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
A. Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift In Anlehnung an die gerichtliche Kontrollsystematik bei Rechtsverordnungen und Satzungen umfaßt die Kontrolle der Verwaltungsvorschriften durch die Verwaltungsgerichte folgende Aspekte: Das Erlaßverfahren, die Sachverhaltsermittlung, die Abwägung und die materielle Rechtmäßigkeit.
I. Fehler im Erlaßverfahren Im Gegensatz zum Verwaltungsakt kennt die Rechtsordnung bei Rechtsnormen keine „einfache“ Rechtswidrigkeit, die zwar die Aufhebbarkeit mittels eines Rechtsbehelfs ermöglicht, im übrigen aber die Wirksamkeit der jeweiligen Rechtsnorm unberührt läßt. In der Vergangenheit wurde daher regelmäßig die Nichtigkeit einer verfahrensfehlerhaften Rechtsnorm angenommen.63 Angesichts der Schwere dieser an sich eindeutigen Konsequenz wurde seit Anfang der 1960er Jahre – zunächst im Schrifttum – zunehmend die Forderung nach einer Korrektur des Nichtigkeitsdogmas laut.64 Das Bundesverfassungsgericht griff die Kritik auf und ließ erstmals bei Fehlern im Gesetzgebungsverfahren Ausnahmen von der Nichtigkeitsrechtsfolge zu. Zwar seien Rechtsnormen bei ihrer Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht weiterhin als nichtig zu betrachten.65 Verfahrensfehler jedoch sollten nur im Falle ihrer Evidenz zur Nichtigkeit des verabschiedeten Gesetzes führen.66 Darauf aufbauend machte das Bundesver___________ dung, sofern die Verwaltungsvorschriften selbst unmittelbar Angriffsgegenstand sind. Dazu noch ausführlich 6. Teil § 13. – Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei ferner vorab ein Aspekt besonders hervorgehoben: Wenn im Folgenden von Unwirksamkeit oder Nichtigkeit von Verwaltungsvorschriften gesprochen wird, so gilt dies nur im „Außenverhältnis“ gegenüber den Gerichten (und den Bürgern). Der handelnde Beamte im „Innenverhältnis“ ist an die Verwaltungsvorschrift grundsätzlich immer gebunden. Die Grenzen seiner Gehorsamspflicht nach § 37 Satz 2 BRRG, § 55 Satz 2 BBG wurden bereits dargestellt (siehe dazu oben 3. Teil § 5 B.). 63 v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 157 f.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 474 (S. 288); J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeiten von Norm und Einzelakt, 1980, S. 313 f.; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 (225); Hill, DVBl. 1983, 1 ff.; Röper, NVwZ 1982, 298 f.; Schmidt-Aßmann, VR 1978, 85 (86). 64 Siehe erstmals H. Götz, NJW 1960, 1177 ff.; Hoffmann, JZ 1961, 193 ff.; ferner Chr. Böckenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, 1966, S. 44 ff. und passim; J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeiten von Norm und Einzelakt, 1980, S. 145 ff. und passim; Schmidt-Aßmann, Die kommunale Rechtssetzung im Gefüge der administrativen Handlungsformen und Rechtsquellen, 1981, S. 16 ff.; Maurer, in: Festschrift für O. Bachof, 1984, S. 215 ff.; Heußner, NJW 1982, 257 ff. 65 BVerfG v. 28.4.1971, BVerfGE 31, 47 (52 f.). 66 BVerfG v. 26.7.1972, BVerfGE 34, 9 (25); v. 28.4.1971, BVerfGE 31, 47 (53).
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand
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waltungsgericht die Wirksamkeit einer Rechtsverordnung, die ohne eine erforderliche Beteiligung erlassen wurde, von dem Gewicht des verletzten Beteiligungsrechts abhängig. Geboten sei eine Differenzierung, nach der „die Folge der Nichtigkeit u. a. von der Schwere des Verstoßes, dem Sinn und Zweck der Mitwirkung und dem Gewicht des jeweiligen Mitwirkungsrechts abhängt“.67 In der Tat kann eine aufgrund eines Verfahrensfehlers rechtswidrige Norm nicht immer zugleich Nichtigkeit nach sich ziehen, sollen nicht die unterschiedlichen Funktionen der zahlreichen Verfahrensregelungen nivelliert werden.68 Die Rechtsfolgen eines Verfahrensfehlers sind daher differenziert je nach den Einzelheiten des Normverstoßes zu wählen. Differenzierungskriterien sind etwa die Bedeutung, der Sinn und Zweck der Verfahrensvorschrift, die Verfahrensstruktur oder die grundrechtliche Betroffenheit.69 Für die Beachtlichkeit fehlerhafter Verwaltungsvorschriften im Gerichtsverfahren resultiert daraus folgendes:
1. Zuständigkeit Die Wirksamkeit einer Verwaltungsvorschrift setzt zunächst ihren Erlaß durch die zuständige Stelle voraus. Eine auf § 48 BImSchG, § 12 Abs. 2 KrW-/AbfG oder § 30 Abs. 5 GenTG gestützte Verwaltungsvorschrift muß daher von der gesamten Bundesregierung, nicht etwa von einem einzelnen Ressortminister, erlassen werden.70
2. Internes Entwurfsverfahren Nach überwiegender Auffassung sind Verstöße gegen die GeschOBReg und die GGO II für das Ergebnis eines Normsetzungsverfahrens unbeachtlich und können daher die Wirksamkeit einer Verwaltungsvorschrift nicht beeinträchtigen.71 Die ausnahmslose Gültigkeit einer unter Verstoß gegen Geschäftsordnungsbestimmungen zustande gekommenen Verwaltungsvorschrift weckt indes ___________ 67
BVerwG v. 25.10.1979, BVerwGE 59, 48 (51). Vgl. Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 342; Schmidt-Aßmann, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 70 Rn. 37 (S. 649). 69 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, Rn. 6/97 ff. (S. 288 ff.); ders., in: HStR II, 2. Aufl., 1996, § 70 Rn. 36 (S. 648 f.); ferner Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 94 f. 70 Ebenso ausdrücklich Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 48 Rn. 7. 71 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 66 f.; Wilke, in: v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. III, 2. Aufl., 1974, Art. 80 Anm. XI vor 1; K. König, in: Festschrift für C. H. Ule, 1987, S. 121 (125); allgemein zur GGO I und II ferner Achterberg, in: HStR II, 1987, § 52 Rn. 91 (S. 662). 68
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
Bedenken. Denn gesteht man diesen Regelungen Rechtssatzqualität zu,72 so läßt sich ihre rechtliche Relevanz für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des Normsetzungsverfahrens schwer leugnen.73 Was daher auch hier not tut, ist eine Differenzierung: Zunächst zur GeschOBReg. Soweit sie Verfahrensbestimmungen des Grundgesetzes wiederholt, führt eine Verletzung zur Unwirksamkeit der jeweiligen Verwaltungsvorschrift.74 Unbeachtlich sind Verfahrensfehler allenfalls bei rein geschäftsregelnden, technischen Vorschriften, die vom Grundgesetz nur geduldet, nicht aber gefordert werden.75 In gleicher Weise zu differenzieren ist bei den Regelungen der GGO II, die die GeschOBReg ergänzen und sich als Ausprägung des Art. 65 Satz 4 GG darstellen. Je nachdem handelt es sich um eine Verfassungsverletzung oder nur um eine Verletzung technischer Regeln. Sofern die GGO II als Verwaltungsvorschrift auftritt, richtet sie sich an die Bediensteten des Bundeskanzleramts und der Bundesministerien und ist Emanation der Sachleitungsgewalt des Bundeskanzlers und der jeweiligen Minister in ihrem „Haus“. Eine Abweichung von ihren Bestimmungen durch den einzelnen Bundesminister bedarf daher keiner rechtlichen Ermächtigung durch die anderen Minister oder das Regierungskollegium.76 Insoweit führt ein Verstoß gegen die Verfahrensbestimmungen des GGO II (ebenfalls) nicht zur Unwirksamkeit einer Verwaltungsvorschrift.
3. Beteiligung staatlicher Stellen Die Zustimmung des Bundesrates zur Verwaltungsvorschrift, wie sie im Grundgesetz gefordert wird, ist nach einhelliger Auffassung dagegen Voraussetzung der Beachtlichkeit der Verwaltungsvorschrift.77 ___________ 72
Skeptisch hinsichtlich der Vorschriften der GGO II E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1965, S. 127 bei Fn. 2. – Vgl. dazu oben 1. Teil § 1 B. II. 73 Vgl. Erichsen, VerwArch 66 (1975), 299 (309 f.). 74 Als bloße Wiedergabe einer Verfassungsregel ist exemplarisch das Mehrheitserfordernis bei Beschlüssen der Bundesregierung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 GeschOBReg einzuordnen. Vgl. dazu jüngst BVerfG v. 11.10.1994, DVBl. 1995, 96 (97); BVerwG v. 17.10.1991, NJW 1992, 2648 (2649). 75 So ist etwa die in § 26 Abs. 2 GeschOBReg geregelte Vorzugsstellung der Bundesminister des Innern und der Justiz nicht verfassungsgefordert. Ein unter Verstoß gegen diese Bestimmung gefaßter Beschluß der Bundesregierung ist demnach gleichwohl wirksam. 76 Ebenso E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 128. 77 Broß, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3., 4./5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 23, 27; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 48 Rn. 7; v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundge-
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand
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Gleiches wird man zur gegenwärtig nicht praxisrelevanten, aber grundsätzlich zulässigen Mitwirkung des Bundestages beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften festhalten müssen. Die vorgesehene Mitwirkung einer anderen Behörde, eines Ausschusses oder eines zur Einbringung bestimmter Sachaspekte zu beteiligenden Verbandes dient vornehmlich der Information des Verwaltungsvorschriftengebers. Deshalb in der entsprechenden Regelung eine sogenannte unwesentliche Verfahrensvorschrift zu sehen, deren Verletzung folgenlos bleiben kann,78 vermag der Bedeutung dieser Informationsfunktion nicht gerecht zu werden. Die vorgeschriebene Information des Normgebers dient einer möglichst vollständigen, vor jedem Normerlaß durchzuführenden Ermittlung des Sachverhalts79 und damit der Herstellung einer insgesamt rechtmäßigen Verwaltungsvorschrift. Ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten dieser Art zieht daher die Rechtswidrigkeit der erlassenen Verwaltungsvorschrift nach sich.80
4. Beteiligung außerstaatlicher Kreise Zu einem Kernproblem des Erlaßverfahrens von Verwaltungsvorschriften entwickelt sich immer mehr die Frage, welche Rechtsfolgen Abweichungen von der in vielen Einzelgesetzen vorgeschriebenen Beteiligung außerstaatlicher Interessengruppen nach sich ziehen. Exemplarisch sollen im Folgenden Verstöße gegen die Pflicht der Bundesregierung, beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG die beteiligten Kreise anzuhören, erörtert werden.
a) Rechtsprechungs- und Literaturbericht Die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum sieht eine Verwaltungsvorschrift als nichtig an, sofern die in §§ 48, 51 BImSchG vorgeschriebene Anhörung gänzlich unterblieben ist.81 Demgegenüber will eine Mindermeinung bei ___________ setz, Bd. III, 2. Aufl., 1974, Art. 84 Anm. IV. 1. e) bb); Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 88; wohl auch Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 471 (S. 286) in bezug auf die Genehmigung kommunaler Normen. 78 Vgl. Boisserée/Oels/Hansmann (2001), Immissionsschutzrecht, Bd. I, 3. Aufl., § 51 BImSchG Rn. 2 hinsichtlich eines Verfahrensfehlers, der der Informationsfunktion des § 51 BImSchG zuwiderläuft. 79 Dazu siehe oben 4. Teil § 8 B. IV. 2. b). 80 So auch Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 463 (S. 281). 81 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 464 (S. 281 f.); Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 343 f.; wohl
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5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
einem Verstoß gegen § 51 BImSchG grundsätzlich die Wirksamkeit einer Verwaltungsvorschrift annehmen, da § 51 BImSchG lediglich die Information des Verwaltungsvorschriftengebers bezwecke.82 Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das bei einer Verletzung der in § 110 HessBG vorgesehenen Beteiligung der Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften die Nichtigkeit einer Rechtsverordnung abgelehnt hat.83 Noch differenzierter ist das Meinungsspektrum in dem Fall, in dem zwar die beteiligten Kreise, nicht aber Repräsentanten aller in § 51 BImSchG genannten Gruppen angehört werden. Die Vertreter der beiden Extrempositionen halten Verwaltungsvorschriften, die nach einer derart fehlerhaften Anhörung ergangen sind, entweder für uneingeschränkt wirksam84 oder umgekehrt für unwirksam85. Teilweise wird eine Nichtigkeit nur dann bejaht, wenn Vertreter bestimmter Gruppen, genauer: der Wissenschaft und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden bei der Anhörung ausgelassen wurden. Sofern demgegenüber die Beteiligung der Wirtschaft oder des Verkehrs unzutreffend bewertet wurde, sei eine Nichtigkeit der Verwaltungsvorschrift nur anzunehmen, wenn der Fehler „evident“ ist.86 Daneben tritt namentlich G. Feldhaus für eine Nichtigkeit der Verwaltungsvorschrift ein, wenn das Anhörungsverfahren unter „schweren Verfahrensfehlern“ leide. Als Beispiel nennt er die Anhörung zu einem so späten Zeitpunkt, daß eine Berücksichtigung der Vorschläge nach Lage des Verfahrens nicht mehr möglich ist.87 ___________ auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 90; ferner Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 2. Aufl., Stand: 2001, § 51 BImSchG Anm. 4; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 51 Rn. 4; ders., NJW 1987, 1225 (1229 f.); Schlicht, BImSchG, 4. Aufl., 1997, § 48 Rn. 1, § 51 Rn. 4; Ule (1974/1981), in: ders./Laubinger, BImSchG, § 51 Rn. 2. 82 Boisserée/Oels/Hansmann (2001), Immissionsschutzrecht, Bd. I, 3. Aufl., § 51 Rn. 2; Hansmann (1978), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 51 BImSchG Rn. 29. 83 BVerwG v. 25.10.1979, BVerwGE 59, 48 (50 f.); ähnlich Fees, ZBR 1963, 135 (136); kritisch dagegen B. Conradi, Die Mitwirkung außerstaatlicher Stellen beim Erlaß von Rechtsverordnungen, 1962, S. 60 f.; Baden, in: Kindermann, Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung 1982, 1982, S. 131 (135 f.); Ule, ZBR 1962, 171 ff. 84 Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 90; Ule (1974/1981), in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 51 Rn. 2; ferner Jarass, BImSchG, 3. Aufl., 1995, § 51 Rn. 4; anders nunmehr ders., BImSchG, 4. Aufl., 1999, § 51 Rn. 4; und ders., BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 51 Rn. 4. 85 Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 51 Rn. 4; Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 2. Aufl., Stand: 2001, § 51 BImSchG Anm. 4; wohl auch Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 464 (S. 282). 86 Schlicht, BImSchG, 4. Aufl., 1997, § 51 Rn. 4. 87 Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 2. Aufl., Stand: 2001, § 51 BImSchG Anm. 4.
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b) Eigener Lösungsansatz Soll die Unsicherheit hinsichtlich der Folgen eines Verstoßes gegen die Anhörungspflicht in § 51 BImSchG überwunden werden, gilt es vorab zwischen einer gänzlich fehlenden und einer lediglich fehlerhaften Anhörung zu unterscheiden.
aa) Fehlende Anhörung Die Unbeachtlichkeit einer vollständig unterbliebenen Anhörung für die Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift kann zunächst nicht mit einem Hinweis auf das Verfahrensermessen der Bundesregierung gerechtfertigt werden.88 Das Ermessen der Bundesregierung bezieht sich ausschließlich auf die Auswahl der Vertreter der zu beteiligenden Kreise sowie die Form und den Zeitpunkt, mithin die Ausgestaltung der Anhörung, nicht dagegen auf die Anhörung als solche.89 Abzustellen ist vielmehr auf die bereits dargestellten Funktionen des Anhörungserfordernisses. Danach bezweckt die Anhörung nicht nur die Information des betreffenden Normgebers, sondern auch den Schutz der Interessen der in § 51 BImSchG genannten „Kreise“, insbesondere den Schutz der Betroffenen.90 Keineswegs ist es dagegen angängig, § 51 BImSchG als „Verfahrensvorschrift mit bloßem Ordnungscharakter“ zu bezeichnen.91 Bereits aufgrund seiner kompensatorischen Bedeutung muß eine unterbliebene Anhörung daher zur Nichtigkeit und Unbeachtlichkeit der erlassenen Verwaltungsvorschrift im Gerichtsverfahren führen.92
bb) Fehlerhafte Anhörung Darüber hinaus muß die Unwirksamkeit der jeweiligen Verwaltungsvorschrift auch bei einer durchgeführten, aber fehlerhaften Anhörung angenommen werden. In concreto ist eine Verwaltungsvorschrift als nichtig anzusehen, wenn bloß einer der in § 51 BImSchG zwingend vorgeschriebenen Bereiche nicht be___________ 88 So aber Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 90; ders., NVwZ 1985, 449 (456). 89 Vgl. Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 344 f.; Hansmann (1978), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 51 BImSchG Rn. 20; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 51 Rn. 2, 4. 90 Ausführlich oben 4. Teil § 8 B. IV. 2. b). 91 So aber Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 90 unter Berufung auf Jarass, BImSchG, 3. Aufl., 1995, § 51 Rn. 4. 92 Im Ergebnis ebenso die oben in Fn. 81 angeführten Autoren.
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teiligt wurde. Für den jeweiligen Kreis ist es ohne Bedeutung, ob eine Anhörung vollständig unterblieben oder ausschließlich er nicht im Anhörungsverfahren berücksichtigt wurde. Die Nichtigkeitsfolge tritt auch ein, sofern die Beteiligung lediglich der Information der Bundesregierung dient, wie dies bei der Anhörung von Vertretern der Wissenschaft und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden zutrifft. Die gegenteilige Auffassung93 ist nicht nur mit dem Wortlaut des § 51 BImSchG unvereinbar: Eine Rangfolge der anzuhörenden Kreise nach Wichtigkeit wird gerade nicht statuiert.94 Sie verkennt zudem die Bedeutung der Informationsfunktion des § 51 BImSchG, der auch einer vollständigen Sachverhaltsermittlung und damit der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift insgesamt dient.95 Angesichts des weiten Verfahrensermessens der Bundesregierung bei der Auswahl der zu beteiligenden Repräsentanten wird diesbezüglich die Annahme eines beachtlichen Verfahrensfehlers regelmäßig ausscheiden.96 Nur in den Fällen einer willkürlichen Auswahl der Vertreter97 sowie einer verspäteten Anhörung, durch die der beteiligte Kreis an jeder Einflußnahme auf das Verfahrensergebnis gehindert wird,98 ist die Unwirksamkeit der erlassenen Verwaltungsvorschrift zu bejahen.
5. Begründung Zweifelhaft erscheint demgegenüber, ob die Begründung einer Verwaltungsvorschrift Gegenstand gerichtlicher Kontrolle sein kann. Die Rechtsschutzfunktion der Begründung mag vordergründig für eine auf Nichtigkeit unbegründeter Verwaltungsvorschriften abzielende Fehlerfolge sprechen. Denn, wie oben dargelegt, wird die Begründung – in seltenen Grenzfällen – sowohl durch den ___________ 93
Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, 1989, S. 344, der gewiß zu Recht zwischen der Informations- und der Kompensationsfunktion des § 51 BImSchG unterscheidet. Indem er aber – ohne Begründung – eine Unwirksamkeit von Verwaltungsvorschriften nur bei einem Verstoß gegen die Kompensationsfunktion des § 51 BImSchG annimmt, also bei einer Nichtanhörung von Vertretern der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft oder des beteiligten Verkehrswesens, verwechselt er die Schutzrichtung des § 51 BImSchG mit den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Anhörungsgebot. 94 Zutreffend Ule (1974/1981), in: ders./Laubinger, BImSchG, § 51 Rn. 2. 95 Vgl. soeben 5. Teil § 10 A. I. 3. 96 Vgl. Hill, NVwZ 1985, 449 (456). 97 Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, 1989, S. 345. 98 Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 2. Aufl., Stand: 2001, § 51 Anm. 4; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 51 Rn. 4; a. A. Hansmann (1978), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 51 BImSchG Rn. 29.
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Grundsatz der Rechtssicherheit als auch durch die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG geboten. Indes besteht kein derart enger Zusammenhang zwischen der Begründung und dem Inhalt der Verwaltungsvorschrift, daß ein Begründungsdefizit unmittelbar zur Unwirksamkeit der Vorschrift führen muß. Der Grund ist in der bereits erwähnten Wertungshaltigkeit der Verwaltungsvorschriften zu sehen, die in hohem Maße kompromißhafte, politische Abwägungen enthalten. Da diese auch durch eine Begründung unter sachlogischen Gesichtspunkten nicht vollständig nachvollziehbar werden,99 kann eine Begründung regelmäßig keine konstitutive Voraussetzung der Wirksamkeit einer Verwaltungsvorschrift sein.100
6. Verkündung Für diejenigen, die Verwaltungsvorschriften als Innenrechtssätze betrachten, denen allenfalls über eine Transformationsnorm Außenverbindlichkeit zukommen kann, ist die Veröffentlichung eine aus der Außenwirkung resultierende Folgepflicht. Ein Verstoß gegen die Publikationspflicht kann die Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift in der Konsequenz nicht beeinträchtigen.101 Nach hier vertretener Auffassung stellen sich außenwirksame Verwaltungsvorschriften indes – ebenso wie Rechtsverordnungen und Satzungen – als Ergebnis einer verfassungsunmittelbaren exekutivischen Rechtsetzungskompetenz dar.102 Ist die Veröffentlichung aber für Rechtsverordnungen und Satzungen Wirksamkeitsvoraussetzung, muß dies auch für Verwaltungsvorschriften gelten. Ein Grund, insoweit zwischen den drei Handlungsformen zu differenzieren, besteht nicht. Die Verkündung einer Verwaltungsvorschrift ist daher als Voraussetzung ihrer Wirksamkeit Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle.103
___________ 99
Vgl. BVerwG v. 13.12.1984, BVerwGE 70, 318 (336) für die Rechtsverordnungsgebung. 100 Vgl. Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 345 f., der für eine „flexible Ausgestaltung“ der Rechtsfolgen von Begründungsdefiziten anhand des jeweiligen Einzelfalls plädiert. 101 Siehe dazu oben 4. Teil § 8 B. VII. 1. mit zahlreichen Nachweisen. 102 Vgl. oben 4. Teil § 8 A. 103 Im Ergebnis ebenso Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 345; M. Schröder, Verwaltungsvorschriften in der gerichtlichen Kontrolle, 1987, S. 105 f.; Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65 Rn. 69 (S. 459); Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (158 f.).
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II. Fehlerhafte Sachverhaltsermittlung Die Ermittlung des der Verwaltungsvorschrift zugrundeliegenden Sachverhalts fällt grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Exekutive, der dabei ein weites Aufklärungsermessen zukommt. Daraus folgt einerseits, daß die Verwaltungsgerichte die aufgrund willkürfreier Ermittlungen vorgenommenen Bewertungen nur auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht aber ihre eigenen Ermittlungen (und Bewertungen) an deren Stelle zu setzen haben.104 Andererseits klingt bereits an, daß der Verwaltungsvorschriftengeber nicht völlig von rechtlichen Bindungen freigestellt ist. So muß das Gericht überprüfen, ob die jeweilige Verwaltungsvorschrift aufgrund sachfremder oder willkürlicher Ermittlungen zustande gekommen ist.105 Relevante Fehler in der Sachverhaltsermittlung liegen etwa vor, wenn der Normgeber die erforderliche Sachaufklärung vollständig unterläßt, wenn er sich einseitig informiert, notwendigen wissenschaftlichen Sachverstand nicht hinzuzieht oder wenn die Sachaufklärung aus sonstigen Gründen unzulänglich ist.106 Im Zweifelsfalle muß das Gericht bei der Kontrolle der exekutivischen Sachverhaltsermittlungen Sachverständige hören, die Ausführungen zum Umfang der ermittelten Gesichtspunkte machen können. Ergibt sich, daß der Vorschriftengeber von unvollständig bzw. willkürlich erhobenen Tatsachen ausgegangen ist, ist die Verwaltungsvorschrift unwirksam. Voraussetzung dafür ist nicht – und das gilt es hier hervorzuheben – die Richtigkeit, sondern allein die Willkürlichkeit der Sachverhaltsaufklärung. Die Verwendung von lückenhaftem Material beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften stellt allerdings keinen Verstoß gegen die Pflicht zu willkürfreier Sachverhaltsermittlung dar, wenn die Eigenart des betreffenden Sachbereichs einer präziseren Sachverhaltsaufklärung entgegensteht.107 Auch dieser Gesichtspunkt ist Gegenstand gerichtlicher Kontrolle. ___________ 104 Vgl. BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (317) – Wyhl; grundsätzlich Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für C.-F. Menger, 1985, S. 107 ff.; Krebs, VerwArch 21 (1988), 155 ff.; im Ergebnis ähnlich VGH Mannheim v. 19.6.1989, VBlBW 1990, 56 (57 mit Leitsatz 11, 61) – Flughafen Stuttgart; Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2239); Hill, NVwZ 1989, 401 (409 f.); F.-J. Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1022); Wahl, NVwZ 1991, 409 (416); Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (159 f.). 105 So auch Gerhardt, DVBl. 1989, 125 (128); ders., NJW 1989, 2233 (2239); Hill, NVwZ 1989, 401 (409); Sellner, NVwZ 1986, 616 (619, 620); Wahl, NVwZ 1991, 409 (416 f.); Wallerath, NWVBl. 1989, 153 (159); vgl. ferner F.-J. Kunert, NVwZ 1989, 1018 (1021). 106 Beispiele in Anlehnung an Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 473 (S. 288). 107 Vgl. in bezug auf Rechtsverordnungen BVerwG v. 13.12.1984, BVerwGE 70, 318 (339 f.); OVG Lüneburg v. 28.12.1982, OVGE 37, 330 (337 f.). Im Rahmen der Rechtsverordnungsgebung hat das BVerwG (v. 18.5.1982, BVerwGE 65, 303 [311]) zudem einen möglichen wissenschaftlichen Irrtum bei der Sachverhaltsaufklärung für unbeachtlich erklärt.
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III. Fehlerhafte Abwägung Erläßt die Exekutive Verwaltungsvorschriften, übt sie eine verfassungsunmittelbare Gestaltungsbefugnis aus.108 Der Erlaß einer Verwaltungsvorschrift setzt folglich eine Betätigung des normsetzenden Ermessens und damit eine Abwägung voraus, die von den Gerichten begrenzt überprüfbar ist.109 Nach überwiegender Auffassung besteht die gerichtliche Kontrolle der Abwägung in einer Kontrolle des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses.110 Fehler des Abwägungsvorgangs sind keine Verfahrensfehler im engeren Sinne, sondern Inhaltsfehler.111 Sie ergeben sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, falls
– eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (Abwägungsausfall), – in die vorgenommene Abwägung nicht alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen (Abwägungsdefizit),
– bei der Abwägung die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt wurde (Abwägungsfehleinschätzung) oder
– der Ausgleich zwischen widerstreitenden Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität).112 ___________ 108
Fälle, in denen exekutive Normsetzung lediglich als gebundener Gesetzesvollzug zu charakterisieren ist, sind die Ausnahme. Für Festsetzungen nach § 4 FluglärmG vgl. etwa BVerwG v. 15.9.1981, DÖV 1982, 198 f.; a. A. insofern BVerfG v. 7.10.1980, BVerfGE 56, 298 (317 ff.); dazu ferner Weyreuther, DÖV 1982, 173 ff. 109 Im Ergebnis zutreffend Trute, Vorsorgekonkretisierung und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 347 f.; Gerhardt, NJW 1989, 2233 (2239 f.); Hill, NVwZ 1989, 401 (409 f.): „Standardisierungsermessen“. – A. A. für Rechtsverordnungen v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 201 f., der auf die „strukturellen Unterschiede“ zwischen der Planungsfreiheit und der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers hinweist. Eine gerichtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs der rechtsetzenden Exekutive sei mit ihrer Gestaltungsfreiheit, d. h. dem Regelfall der Verordnungsgebung, nicht zu vereinbaren. Indes bedeutet jede Inanspruchnahme einer Gestaltungsfreiheit die Ausübung eines (Normsetzungs-)Ermessens, die gerichtlich zwar nur eingeschränkt, aber eben doch überprüfbar ist. 110 Ständige Rechtsprechung seit BVerwG v. 5.7.1974, BVerwGE 45, 309 (312 f.); statt vieler ferner BGH v. 28.5.1976, BGHZ 66, 322 (325 ff.); Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 6. Aufl., 2001, Rn. 1142 ff. (S. 351 ff.); Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. I, 5. Aufl., 1998, S. 37-40, 185-189; Reidt, in: Gelzer/ Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 6. Aufl., 2001, Rn. 614 ff. (S. 185 ff.); Weyreuther, BauR 1977, 293 (299); kritisch zu dieser Unterteilung Dolde, NJW 1984, 1713 (1714); H.-J. Koch, DVBl. 1983, 1125 ff. 111 Bettermann, in: Festschrift für H. Huber, 1981, S. 25 (47); H.-J. Koch, DVBl. 1983, 1125 (1127); Weyreuther, BauR 1977, 293 (298).
386
5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
Ob daneben der Kontrolle des Abwägungsergebnisses noch eine eigenständige Bedeutung zukommen kann, vermag im Rahmen dieses Untersuchungsgegenstandes nicht beantwortet zu werden.113 Nur soviel sei – ganz allgemein – festgehalten: Die Überprüfung des Abwägungsergebnisses hat sich nicht auf die Richtigkeit oder Optimalität des Ergebnisses, hier der Verwaltungsvorschrift, zu beziehen. Die Frage kann allenfalls lauten, „ob mit der vorgenommenen Abwägung die objektive Gewichtigkeit eines der betroffenen Belange völlig verfehlt wird“.114
IV. Einhaltung der materiellrechtlichen Rahmenbedingungen Schließlich sind Verwaltungsvorschriften gerichtlich nur soweit beachtlich, als sie mit den geltenden materiellrechtlichen Rahmenbedingungen vereinbar sind.115 Hier, und nur hier, ist der systematische Standort der Frage, ob die Bindungswirkung umweltrechtlicher Verwaltungsvorschriften durch neue Erkenntnisse beschränkt wird. Sofern Verwaltungsvorschriften unbestimmte Rechtsbegriffe des Umweltrechts konkretisieren, die auf den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand Bezug nehmen, müssen sie diesen Erkenntnisstand wiedergeben.116 Tut eine Verwaltungsvorschrift dies nicht, ist sie schlicht gesetzeswidrig – und deshalb für die Gerichte unbeachtlich.117 Bei genauerem Hinsehen ___________ 112 Vgl. BVerwG v. 25.2.1988, DVBl. 1988, 844 ff.; v. 9.11.1979, BVerwGE 59, 87 ff.; v. 1.11.1974, BVerwGE 47, 144 ff.; v. 5.7.1974, BVerwGE 45, 309 ff.; v. 12.12.1969, BVerwGE 34, 301 ff.; v. 30.4.1969, DVBl. 1969, 697 ff. 113 Gegen eine eigenständige Prüfung des Abwägungsergebnisses H.-J. Koch, DVBl. 1983, 1125 (1127 ff.). Da die Prüfung des Abwägungsvorgangs eine Begründungskontrolle sei, käme für die Ergebniskontrolle nur eine Begründbarkeitsprüfung in Betracht. Diese sei jedoch überflüssig, da jedes begründete Ergebnis auch begründbar sei. 114 BVerwG v. 29.9.1978, BVerwGE 56, 283 (289 f.). 115 Vgl. BVerwG v. 15.2.1988, DVBl. 1988, 539; Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 206 a; Schenke (Zweitbearb., 1982), in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 377-382; Gusy, in: H.-J. Koch/Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 1994, S. 185 (202); zurückhaltender Hansmann (1993), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 48 BImSchG Rn. 6. 116 Beispiele: § 48 Nr. 2 BImSchG („Stand der Stand der Technik“); – § 12 Abs. 2 KrW-/AbfG („Stand der Technik“); – § 10 lit. a) GerSiG („allgemein anerkannte Regeln der Technik“). 117 Eine Unbeachtlichkeit der Verwaltungsvorschrift soll sich allerdings erst aus „gesicherten“ neuen Erkenntnissen ergeben (vgl. BayVGH v. 30.11.1988, BayVBl. 1989, 533; OVG NW v. 9.7.1987, NVwZ 1988, 173; OVG RP v. 11.6.1990, NVwZ 1991, 86 [87]). Sofern private Regeln der Technik oder Entwürfe zu Verwaltungsvorschriften schärfere Anforderungen stellen, soll das ein gewichtiges Indiz für neue Erkenntnisse darstellen (so OVG NW v. 12.4.1978, DVBl. 1979, 316 [317]; OVG RP v.
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand
387
ergibt sich die Unwirksamkeit der Verwaltungsvorschrift somit aus dem Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG, welcher freilich für alle untergesetzlichen Rechtsnormen Anwendung findet.118 Erkennt man dies, so kann eine Beschränkung der Bindungswirkung durch neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse kein Spezifikum der Verwaltungsvorschrift sein.119
B. Anwendbarkeit der Verwaltungsvorschrift Die gerichtliche Prüfung umfaßt zuletzt die Frage, welche Sachverhalte von der Verwaltungsvorschrift erfaßt werden und ob „triftige Gründe“ gegeben sind, die die Anwendbarkeit der Vorschrift ausschließen. Wegen der typisierenden Wirkung einer jeden Verwaltungsvorschrift muß das Verwaltungsgericht allerdings beachten, daß auch vom Durchschnitt geringfügig abweichende Fälle erfaßt werden.120 Häufig enthält bereits der Tatbestand der Verwaltungsvorschrift selbst einen Sonderfallvorbehalt oder eine Einschätzungsprärogative des Amtswalters für die Berücksichtigung besonderer örtlicher Verhältnisse.121 Soweit die Verwaltungsvorschrift anwendbar ist, muß sie der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugrundegelegt werden. Unterliegen dementsprechend die Voraussetzungen und der Umfang der Anwendung einer Verwaltungsvorschrift der gerichtlichen Kontrolle, muß die Verwaltungsvorschrift ausgelegt werden. Ist doch die Ermittlung des Inhalts ei___________ 4.3.1986, NVwZ 1988, 176 [178]; VG Berlin v. 18.9.1981, UPR 1982, 101 [103]; vgl. aber auch BVerwG v. 6.8.1982, NVwZ 1983, 155 f.). 118 Auch Rechtsverordnungen, die etwa den „Stand der Technik“ konkretisieren und deren Aussage durch neue Erkenntnisse überholt ist, sind gesetzeswidrig und können damit vom Gericht inzident verworfen werden. Vgl. exemplarisch die Rechtsverordnungsermächtigungen in §§ 7, 48 a BImSchG; § 30 Abs. 1-4 GenTG; § 12 Abs. 1 KrW-/AbfG; § 7 a Abs. 1 Satz 3 WHG. 119 So aber die herrschende Meinung; vgl. statt vieler BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (258) – Voerde; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 48 Rn. 37; ders., NJW 1987, 1225 (1230); Kutscheidt (1999), in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 3 BImSchG Rn. 19 k; Gusy, in: H.-J. Koch/Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 1994, S. 185 (203). – Gewiß im Einklang mit der überwiegenden Auffassung, aber dennoch unzutreffend ist daher ebenfalls die These von Jarass (BImSchG, 4. Aufl., 1999, § 48 Rn. 24), die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften nehme „tendenziell“ mit ihrem Alter ab, da die enthaltene sachverständige Aussage „häufig durch neuere Erkenntnisse überholt“ sei. Entweder ist die Verwaltungsvorschrift gesetzmäßig, oder sie ist es nicht. Ein „Zwischenstadium“ ist rechtstheoretisch undenkbar. 120 OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 (1323); VGH BW v. 29.6.1994, NVwZ 1995, 292 (294); Hill, NVwZ 1989, 401 (409); Jarass, NJW 1987, 1225 (1230); Kutscheidt, NVwZ 1983, 581 (584); ähnlich bereits BVerwG v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (261) – Voerde. 121 Vgl. nur die Fallkonstellation in BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 (321) – Wyhl.
388
5. Teil: Kontrollperspektive der Judikative
ner Norm nichts anderes als Auslegung. Damit stellt sich sogleich die Anschlußfrage nach den Auslegungskriterien. In der Rechtsprechung namentlich des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts bestand bislang Einigkeit über eines: Verwaltungsvorschriften sind nicht wie Gesetze auszulegen.122 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, Verwaltungsvorschriften seien kein materielles Recht, die Gerichte deshalb nicht an sie gebunden.123 Soweit eine Verwaltungsvorschrift aber doch mittelbar über die „nach außen hin publizierte Selbstbindung der Verwaltung“124 Beachtung im Gerichtsverfahren fände, sei im Zweifelsfall entscheidend, wie die Verwaltung ihre Regelung „verstanden hat und verstanden wissen wollte und wie sie dementsprechend verfahren ist“.125 Entgegen dieser primär am subjektiven Willen der Verwaltung ausgerichteten Auslegungsmethode wollen Teile des Schrifttums Verwaltungsvorschriften wie zivilrechtliche „Erklärungen an die Allgemeinheit“ auslegen. Publizierte Verwaltungsvorschriften sind danach analog § 133 BGB nach den (verobjektivierten) „durchschnittlichen Verständnismöglichkeiten des hiervon betroffenen Personenkreises zu interpretieren“.126 Letztlich beruhen beide Ansichten auf der Verkennung der Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften: Verwaltungsvorschriften sind Rechtsnormen! Daraus
___________ 122 Vgl. BFH v. 27.10.1978, BStBl. 1979 II, 54 (55); im Anschluß daran auch BFH v. 10.10.1990, BStBl. 1990 II, 1065 (1066 f.); v. 18.9.1986, BStBl. 1987 II, 128 (129); v. 15.12.1982, BStBl. 1983 II, 177 (178); ferner BVerwG v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45 (49 ff.). – Anders dagegen BFH v. 16.12.1981, BStBl. 1982 II, 302 (303), wo eine Bestimmung der LStR 1975 unter Hinweis auf den „objektiven“ Zweck interpretiert wird; ähnlich BVerwG v. 11.2.1983, NVwZ 1984, 36 (37), das auf den objektiven Empfängerhorizont analog § 133 BGB abstellt. 123 Vgl. etwa BFH v. 4.4.1986, BStBl. 1986 II, 852 (853); v. 17.1.1984, BStBl. 1984 II, 522 (525); v. 30.3.1982, BStBl. 1982 II, 595 (597); v. 27.10.1978, BStBl. 1979 II, 54 (55); v. 2.9.1977, BStBl. 1978 II, 26 (29); v. 23.7.1976, BStBl. 1976 II, 795 (796); BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340); v. 17.2.1978, BVerwGE 55, 250 (255) – Voerde; v. 10.12.1969, BVerwGE 34, 278 (281). 124 BFH v. 25.10.1985, BStBl. 1986 II, 200 (205). 125 BFH v. 27.10.1978, BStBl. 1979 II, 54 (55); ferner BFH v. 18.9.1986, BStBl. 1987 II, 128 (129): „Ist objektiv zweifelhaft, ob ein bestimmter Fall unter eine der Vereinfachung der Verwaltung dienende Anweisung fällt, so ist es Sache der Verwaltungsbehörde zu entscheiden, ob die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist oder nicht.“; ähnlich jüngst BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (219): „Daher haben zeitnahe, im Verfahren hervorgetretene Willensbekundungen des Vorschriftengebers bei der Auslegung im Zweifel mehr Gewicht, als dies regelmäßig bei Rechtsnormen der Fall ist.“ 126 Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, S. 518; vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise oben in Fn. 122 a. E.
§ 10 Verwaltungsvorschriften als gerichtlicher Kontrollgegenstand
389
folgt zwingend das Gebot, ihre Anwendbarkeit und Reichweite in Anlehnung an die Grundsätze der Auslegung von Rechtsnormen zu bestimmen.127 Auch das Bundesverwaltungsgericht will den Regelungsgehalt sogenannter normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften nunmehr „im Prinzip nicht anders als bei Rechtsnormen durch Auslegung ermitteln“128. Allerdings soll der Entstehungsgeschichte der Verwaltungsvorschrift bei der Auslegung „im Zweifel mehr Gewicht zu(kommen), als dies regelmäßig bei Rechtsnormen der Fall ist“129. Das Motiv für die stärkere Gewichtung der Normgenese bei der Auslegung ist in der spezifischen Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften zu sehen, wie sie das Bundesverwaltungsgericht konstruiert. Nach seiner Rechtsprechung soll die Außenverbindlichkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften allein aus einer gesetzlichen Ermächtigung resultieren. Diese Beurteilungs- oder Standardisierungsermächtigung gebietet, den Vorstellungen des Vorschriftengebers auch im Gerichtsverfahren besonders Rechnung zu tragen. Ist die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften aber gerade nicht auf eine Ermächtigung des Gesetzgebers, sondern – wie dargetan130 – auf die verfassungsrechtliche Rechtsetzungsfunktion der Exekutive zurückzuführen, entfällt der Grund, der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung von Verwaltungsvorschriften eine herausgehobene Bedeutung zuzubilligen. Es bleibt daher dabei: Verwaltungsvorschriften sind nicht anders als Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen und sonstige Rechtsnormen auszulegen.
___________ 127
Widersprüchlich ist es dagegen, Verwaltungsvorschriften als Rechtsnormen im rechtstheoretischen Sinne zu qualifizieren, sie aber dennoch wie Willenserklärungen auszulegen (so Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, S. 517 f.). 128 BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (218); sowie BVerwG v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340 f.): „Einigen Verwaltungsvorschriften kommt hier eine normkonkretisierende Wirkung zu mit der Folge, daß sie [...] wie Normen auszulegen sind.“. 129 BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (Leitsatz); ablehnend Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (87). 130 Siehe ausführlich oben 4. Teil § 8 A.
Sechster Teil
Die Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsadressatenperspektive Dritter Nach traditioneller Dogmatik entfalten Verwaltungsvorschriften – ungeachtet ihrer faktischen Außenwirkung – Rechtswirkungen ausschließlich im staatlichen Innenbereich. Für die Bürger können sie daher weder Rechte noch Pflichten begründen; allenfalls eine über Art. 3 Abs. 1 GG vermittelte Außenwirkung wird grundsätzlich anerkannt.1 Seit der Wyhl-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1985 mehren sich indes in Rechtsprechung und Schrifttum Stimmen, die den sogenannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften eine Verbindlichkeit für die Judikative zusprechen wollen. Die Bindungswirkung gegenüber den Gerichten wird dabei zumeist mit einer Aussenwirkung gegenüber dem Bürger gleichgesetzt. Ansatzpunkt dieser Neubestimmung der Verwaltungsvorschriften ist bekanntlich deren Qualifizierung als Ausübung eines gesetzlichen Beurteilungs- oder Standardisierungsspielraums, aus dem ein exekutivisches Letztentscheidungsrecht resultiere.2 Daß ein solches Verständnis mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, muß hier nicht erneut dargetan werden. Nur soviel zur Erinnerung: Unter der Wesentlichkeitslehre stellen sich Beurteilungs- oder Standardisierungsspielräume nicht als gesetzliche Ermächtigung im Sinne des Gesetzesvorbehalts, sondern als gesetzliche Beschränkung im Sinne des Gesetzesvorrangs dar. Die Forderung nach einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung für (nicht-wesentliche) exekutivische Rechtssätze ist daher überholt.3 Doch im gegenwärtigen Zusammenhang kommt es vornehmlich auf einen anderen Aspekt an: Wer Verwaltungsvorschriften allein aus dem Blickwinkel gesetzlich eröffneter Gestaltungsspielräume betrachtet, vermag zwar der Reduktion der Gerichtskontrolle ein dogmatisches Fundament zu gießen. Den Geltungsanspruch einer Verwaltungsvorschrift gegenüber dem Bürger freilich kann er damit noch nicht begründen.4 In jedem Fall bedarf ___________ 1
Siehe dazu oben 4. Teil § 7 A. Siehe dazu oben 4. Teil § 7 F. 3 Siehe dazu oben 4. Teil § 7 A. I., II. 4 In unzulässiger Weise die Problematik verkürzend daher etwa Jarass, NJW 1987, 1225 (1229 f.); Sendler, UPR 1993, 321 (326 f.). – Zutreffend dagegen Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 375 in Fn. 155: „Die unmittelbare Außenwirkung richtet sich zunächst auf das Verhältnis der Exekutive zur Rechtsprechung. 2
§ 11 Materiellrechtliche Stellung
391
es einer erweiterten Untersuchung der Verwaltungsvorschriften aus der Vollzugsadressatenperspektive Dritter. Sie soll im Folgenden unter materiellrechtlichen, verwaltungsverfahrensrechtlichen und prozeßrechtlichen Gesichtspunkten geliefert werden.
§ 11 Materiellrechtliche Stellung Materiellrechtlich wird der Regelungsgehalt von Verwaltungsvorschriften durch die Wesentlichkeitslehre bestimmt.5 Während danach der Gesetzgeber die wesentlichen Angelegenheiten zu entscheiden hat, obliegen umgekehrt dem Verwaltungsvorschriftengeber die Gestaltung nicht-wesentlicher Bereiche sowie die nicht-wesentlichen Regelungen in wesentlichen Bereichen. Als Maßstab der „Wesentlichkeit“ fungiert die Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme. In grundrechtlich relevanten Gebieten unterfallen daher sämtliche Formen staatlichen Handelns der Funktion der Gesetzgebung. Umfangmäßig gilt dies aber nur für die „wesentlichen“ Regelungen in diesen Bereichen; das Nicht-Wesentliche dagegen kann sehr wohl durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden. Dieses Zusammenspiel von Wesentlichkeitslehre, gesetzlicher Regelungsdichte und möglichem Inhalt von Verwaltungsvorschriften erfolgt losgelöst von der klassischen Unterscheidung zwischen Eingriff und Leistung. Trotzdem behalten beide Begriffe als „Hilfsarbeiter“6 ihre Bedeutung, indem sie das Merkmal des „Grundrechtsrelevanten“ mit Leben füllen.
A. Eingriff in Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte Denn staatliche Eingriffe erfüllen stets das Wesentlichkeitskriterium der „Grundrechtsrelevanz“ und sind deshalb ein Indiz für die Annahme eines Parlamentsvorbehalts.7 Das Nicht-Wesentliche am Eingriff aber, und das wurde bereits mehrfach herausgearbeitet, darf durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden, sofern kein Gesetzesvorrang oder Gesetzesvorbehalt entgegensteht. Erst die Vergegenwärtigung dieser Zusammenhänge ermöglicht eine erste Zwischenbilanz: Verwaltungsvorschriften allein vermögen Grundrechte oder grund___________ Dies ergibt sich aus dem Sinn der Figur des Beurteilungsspielraums, die auf die Dichte richterlicher Kontrolle zielt [...].“; ähnlich ders., DVBl. 1992, 1338 (1345 in Fn. 68). 5 Ausführlich zu den Grundlagen der folgenden Ausführungen oben 4. Teil § 8 A. I. 6 H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 86. 7 Die Wesentlichkeitslehre findet allerdings dort ihre Grenze, wo das Grundgesetz ausdrücklich Einschränkungen ohne ein vorheriges Tätigwerden des Gesetzgebers erlaubt. Vgl. etwa Art. 13 Abs. 3 Hs. 1, 132 Abs. 1 GG. Dazu Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, S. 509 ff.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
rechtsgleiche Rechte nicht zu begrenzen. Sie bedürfen dazu immer eines Gesetzes, das die wesentlichen Fragen vorab regelt. Grundrechte tangierende Verwaltungsvorschriften sind daher stets gesetzesakzessorisch. Erschöpfend ausgeleuchtet ist die Eingriffsproblematik damit indes noch nicht. Vielmehr tritt im Gefolge dieser Überlegungen sogleich die Anschlußfrage hervor, ob Verwaltungsvorschriften in Verbindung mit dem auszufüllenden Parlamentsgesetz eingriffsgeeignet sind.
I. Grundrechte (privater Dritter) Ihre Beantwortung erfordert eine Rückbesinnung auf den grundgesetzlichen Eingriffsbegriff als den zentralen Begriff im Hinblick auf eine materielle Rechtsverletzung.
1. Klassischer Eingriffsbegriff Der klassische Eingriffsbegriff setzte vier verschiedene, aber eng aufeinander bezogene Kriterien voraus, die kumulativ erfüllt sein mußten. Staatliche Maßnahmen mußten danach
– final auf eine Grundrechtsbeeinträchtigung gerichtet und nicht nur eine unbeabsichtigte Folge ganz anderer Ziele sein,
– unmittelbare und nicht bloß beabsichtigte, aber mittelbare Folgen für ein geschütztes Rechtsgut nach sich ziehen,
– in Form eines Rechtsaktes mit rechtlicher und nicht bloß tatsächlicher Wirkung auftreten und
– imperativ, d. h. mit Befehl und Zwang durchgesetzt werden.8 ___________ 8 Zum klassischen Eingriffsbegriff zuletzt BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2628); vgl. aus dem Schrifttum Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 7 ff. (insb. S. 38-40); Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), S. 57 ff. (insb. S. 60-65); ferner Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, passim und S. 173 ff.; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 21 ff.; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, S. 24 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 4250; Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, 1989, S. 88 ff.; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 17. Aufl., 2001, Rn. 238 (S. 58); Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, S. 23; A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 171 f.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 1989, S. 17, 139 f., 144; Pietzcker, in: Festschrift für G. Dürig, 1990, S. 345 ff. – Ossenbühl (Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 14 f.) sieht den traditionellen Eingriffsbegriff dagegen nur an zwei Voraussetzungen gebunden: die Unmittelbarkeit und die Finalität.
§ 11 Materiellrechtliche Stellung
393
Typische Anwendungsfälle des traditionellen Eingriffsbegriffs waren sowohl die Enteignung9 als auch der an den Bürger gerichtete Polizeibefehl in Form eines verbindlichen Verbots oder Gebots.10 Verwaltungsvorschriften erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Sie sind zwar Rechtsakte, konzeptionell aber nicht an Grundrechtsträger, sondern an Behörden und Amtswalter adressiert. Zudem bedürfen sie regelmäßig einer weiteren Umsetzung durch behördliche Einzelmaßnahmen wie etwa Verwaltungsakte. Demzufolge schloß das OVG Berlin in seinem Urteil vom 4. Februar 1988 rechtlich erhebliche Nachteile gewisser arzneimittelrechtlicher Verwaltungsvorschriften für die pharmazeutischen Unternehmen unter Hinweis auf ihre lediglich vorbereitende Bedeutung aus: „Die Erstellung und Veröffentlichung der Monographien nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG dient der Vorbereitung künftiger Entscheidungen des Bundesgesundheitsamtes über Anträge auf Neuzulassung oder Nachzulassung von Arzneimitteln [...]. Da das Bundesgesundheitsamt bei seiner Entscheidung den bekanntgemachten Ergebnissen nicht zwangsläufig folgen muß (§ 25 Abs. 7 Sätze 4 und 5 AMG), hat die Veröffentlichung für den Hersteller eines Medikaments im Hinblick auf ein künftiges Zulassungsverfahren noch keine rechtlich erheblichen Nachteile.“11
In den Grundrechtslehren wird indes seit 1949 der Akzent mehr und mehr auf die tatsächliche Wirkung als auf die Formen und Ziele des Staatshandelns gelegt und so der Gedanke des Schutzes der Grundrechte stärker in den Vordergrund gerückt.12 Zunehmend setzt sich die Einsicht durch, daß eine Maßnahme, die bloß eine oder sogar keine der oben genannten Voraussetzungen erfüllt, ebenso stark in Grundrechte eingreifen kann wie ein Akt, der einen Eingriff im klassischen Sinne darstellt. Der traditionelle Eingriffsbegriff hat damit seine Konturen verloren. Darüber herrscht Einigkeit.13 Unklar sind aber die Kriterien eines erweiterten Eingriffsbegriffs. ___________ Bleckmann (Staatsrecht II, 4. Aufl., 1997, § 12 Rn. 34-38 [S. 411 f.]) will sogar fünf Eingriffsmerkmale unterscheiden, indem er das Eingriffsmerkmal des Rechtsaktes noch einmal in die Rechtsqualität des Staatsaktes und die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und dem Grundrechtsträger unterteilt. 9 Über den eigentumsrechtlichen Eingriffsbegriff Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 809 ff. (S. 187); Sproll, in: Detterbeck/ Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, §§ 14, 15 (S. 280 ff., 296 ff.); Gronefeld, Preisgabe und Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1972, passim. 10 Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 15. 11 OVG Berlin v. 4.2.1988, ESzA § 25 AMG Nr. 2, S. 11 – Negativmonographie; im Ergebnis ebenso die Vorinstanz VG Berlin v. 13.7.1987, ESzA § 25 AMG Nr. 1, S. 6 f. 12 Namentlich die Grundrechtsrelevanz der wirtschaftslenkenden Verwaltung ist seit den 1960er Jahren Gegenstand rechtswissenschaftlichen Interesses. Vgl. dazu etwa BVerfG v. 26.10.1976, BVerfGE 43, 58 (68 f.); v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (249); Friauf, DVBl. 1971, 674 ff.; Lerche, DÖV 1961, 486 (490). 13 Vgl. zuletzt BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2628) – Osho; sowie die oben in Fn. 8 aufgeführten Autoren.
394
6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
2. Erweiterter Eingriffsbegriff In der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird deutlich, daß die Voraussetzungen des klassischen Eingriffsbegriffs jedenfalls nicht mehr kumulativ herangezogen werden dürfen.14 Eine Grundrechtsverletzung wird in der Konsequenz auch bei „faktischen Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte“15 und bei „mittelbarer Verletzung der Grundrechte“16 angenommen. Die Ausweitung des Grundrechtsschutzes auf jedwede tatsächliche Berührung der Individualrechte bedrohte freilich die Flexibilität staatlichen Handelns. Auch die Voraussetzungen des klassischen Grundrechtseingriffs wurden nicht aufgestellt, um festzustellen, wann ein Staatsakt die Grundrechte tatsächlich berührte. Zweck der überkommenen Eingriffsdefinition war vielmehr, den Grundrechtsschutz zur Wahrung bestimmter, für legitim gehaltener staatlicher Interessen zurückzudrängen.17 Auch heute sind diese öffentlichen Interessen bei der Neubestimmung des Eingriffsbegriffs mit den Grundrechten abzuwägen, soll die notwendige Handlungsfähigkeit des Staates erhalten bleiben. Daraus folgt zunächst, daß die Rechtmäßigkeit einer staatlichen Maßnahme nicht bei jeder äquivalent-kausalen Folgewirkung für die unterschiedlichsten Grundrechte in Frage gestellt werden darf.18 In ihren früheren Entscheidungen zur Berufsfreiheit haben das Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht zu erkennen gegeben, wann sie einen dem Staat zurechenbaren Grundrechtseingriff bejahen wollen. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liege vor, wenn der Staat subjektiv berufsregelnd tätig werde, mithin hinsichtlich des fraglichen Grundrechts final steuere.19 Handele ___________ 14
BVerfG v. 12.6.1990, BVerfGE 82, 209 (223 f.); v. 12.10.1977, BVerfGE 46, 120 (137 f.); v. 29.11.1967, BVerfGE 22, 380 (384); dazu ebenfalls Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 197 ff. 15 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Rahmen der Grundrechte, 1970, S. 49 ff. – Dazu ferner jüngst BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2628) – Osho: „mittelbar faktische Wirkung“. 16 Zum mittelbaren Grundrechtseingriff ausführlich zuletzt BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2628-2630) – Osho; aus dem Schrifttum exemplarisch Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 173 ff.; R. Haug, Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bei mittelbarer Verletzung eines Grundrechts, 1971, passim; Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, passim; Bleckmann/Eckhoff, DVBl. 1988, 373 ff.; dies., DVBl. 1988, 1057 f.; Schwabe, DVBl. 1988, 1055 ff. 17 Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl., 1997, § 12 Rn. 40 (S. 414). 18 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 429; ähnlich Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl., 1997, § 12 Rn. 44 f. (S. 415 f.). 19 Aus der jüngsten Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG vgl. BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2621 (2124) – Glykolwein: „Insbesondere kann die staatliche Informationstätigkeit eine Beeinträchtigung im Gewährleistungsbereich des Grundrechts sein, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre.“; ferner BVerfG v. 12.6.1990, BVerfGE 82, 209 (223 f.); v. 12.10.1977, BVerfGE 46, 120 (137 f.).
§ 11 Materiellrechtliche Stellung
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der Staat demgegenüber nicht final in bezug auf das Grundrecht, könne die objektive Schwere der Auswirkung des Akts bereits für sich genommen die Annahme eines Eingriffs rechtfertigen.20 In seinem jüngsten Beschluß vom 26. Juni 2002 zu Informationen der Bundesregierung über religiöse und weltanschauliche Vereinigungen prüft das Bundesverfassungsgericht die Kriterien der Finalität und der Schwere demgegenüber nicht, um die Eingriffsqualität staatlicher Informationstätigkeit festzustellen. Denn grundsätzlich schütze Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vor jedweden mittelbar faktischen Beeinträchtigungen durch staatliche Maßnahmen.21 Der Zielrichtung und Wirkung einer Maßnahme kommen erst im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Beeinträchtigung Bedeutung zu. Wörtlich führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt hierfür keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber, es sei denn, die Maßnahme stellt sich nach der Zielsetzung und ihren Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme dar, die als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs kann das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden.“22
Finalität ist nach einhelliger Auffassung – mindestens – dann anzunehmen, wenn eine Grundrechtsbeeinträchtigung das planvoll eingesetzte Mittel zur Erreichung eines öffentlichen Zwecks ist.23 Das Merkmal der Schwere wird da___________ 20 Etwa BVerwG v. 1.12.1982, BVerwGE 66, 307 (309); v. 26.3.1976, BVerwGE 50, 282 (287 f.); v. 14.12.1973, BVerwGE 44, 244 (246 ff.); v. 11.11.1970, BVerwGE 36, 248 (251); v. 13.6.1969, BVerwGE 32, 173 (178 f.); v. 30.8.1968, BVerwGE 30, 191 (198); dazu jüngst auch BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 1621 ff. – Glykolwein; zu mittelbaren Beeinträchtigungen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ferner BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2629) – Osho. – Auch nach Auffassung weiter Teile des Schrifttums setzt die Annahme eines (mittelbaren) Grundrechtseingriffs die Finalität oder Schwere der Wirkungen der jeweiligen staatlichen Maßnahme voraus. Das Verhältnis beider Kriterien wird folgendermaßen bestimmt: Bei angenommener Finalität ist für das Kriterium der Schwere kein Raum mehr. Umgekehrt bedarf es bei einer schweren Auswirkung nicht der Finalität, wohl aber der Unmittelbarkeit, um einen Grundrechtseingriff zu bejahen. Mit dem zusätzlichen Erfordernis der Unmittelbarkeit sollen ganz entfernte Kausalitäten aus dem Eingriffsbegriff ausgeschieden werden. Vgl. dazu etwa Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl., 1997, § 12 Rn. 49 (S. 419); Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 429; zum Unmittelbarkeitskriterium im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 1580-1582 (S. 380 f.); Sproll, in: Detterbeck/ Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 17 Rn. 31 f. (S. 362 f.); kritisch zum Unmittelbarkeitskriterium Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 24. 21 BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2628) – Osho. 22 BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2629) – Osho. 23 Zum Finalitätskriterium ausführlich Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 186-197; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 42 ff.,
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
hingehend konkretisiert, daß eine deutlich meßbare oder schätzbare und vom Grundrechtsinhaber fühlbare Beeinträchtigung vorliegen muß.24 Eine völlige Versagung grundrechtlich geschützter Betätigung ist hingegen nicht erforderlich. Werden diese Gesichtspunkte für die allgemeine Neubestimmung des Eingriffsbegriffs fruchtbar gemacht, so ergibt sich daraus: Die Verneinung einzelner Merkmals allein vermag die Ablehnung eines Eingriffs nicht zu rechtfertigen.25 Erforderlich ist vielmehr eine Bewertung und Abwägung am jeweiligen Grundrecht sowie an den Merkmalen des erweiterten Eingriffsbegriffs.26 Wann eine solche Bewertung zur Annahme eines Zurechnungszusammenhangs führt, läßt sich nur schwer in ein starres Schema pressen. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG durch staatliche Informationsakte lassen sich aber Hinweise für die Behandlung (ebenfalls) indirekt wirkender Verwaltungsvorschriften entnehmen. So verweist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Transparenzlisten-Urteil27 und seinem Glykolwein-Urteil28 auf den Gesamtzusammenhang und die Regelungsdichte im jeweiligen gesellschaftlichen Bereich, als es der Frage nachgeht, ob der staatlichen Gestaltung von Erwerbsbedingungen eine berufsregelnde Tendenz innewohnt.29 Erforderlich ist mithin eine Bewertung der Regelungsdichte, die eine Gesamtmaterie bereits aufweist. Je dichter der Staat einen Bereich grundrechtlich geschützter Betätigung gestaltend verändert, desto eher weisen damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen wie etwa Verwaltungsvorschriften grundrechtsspezifische Wirkungen auf. Ein Eingriff wird in diesem Sinne immer durch den Gesamtzusammenhang indiziert.
___________ 270; jeweils mit weiteren Nachweisen; ferner Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 18. 24 Vgl. BVerwG v. 18.10.1990, BVerwGE 87, 37 (43 f.) – Glykolwein; v. 23.5.1989, BVerwGE 82, 76 (79) – Osho; v. 1.12.1982, BVerwGE 66, 307 (309); v. 26.3.1976, BVerwGE 50, 282 (287 f.): „schwere und unerträgliche Betroffenheit“; ferner Sodan, DÖV 1987, 858 (860-865). 25 Anders dagegen einzelne Entscheidungen aus der Rechtsprechung, die mit der Verneinung der Finalität einer staatlichen Maßnahme zugleich die Verneinung eines Eingriffs verbinden. So etwa OVG Berlin v. 4.2.1988, ESzA § 25 AMG Nr. 2, S. 11 – Negativmonographie; VG Berlin v. 13.7.1987, ESzA § 25 AMG Nr. 1, S. 6 f. Kritisch gegenüber einer singulären Bedeutung des Finalitätsmerkmals Schulte, DVBl. 1988, 512 (517). 26 Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl., 1997, § 12 Rn. 40, 42 (S. 413 f., 414 f.); Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 431. 27 BVerwG v. 18.4.1985, BVerwGE 71, 183 ff. – Transparenzlisten. 28 BVerwG v. 18.10.1990, BVerwGE 87, 37 ff. – Glykolwein. 29 BVerwG v. 18.10.1990, BVerwGE 87, 37 (42 f., 45 f.) – Glykolwein; v. 18.4.1985, BVerwGE 71, 183 (193) – Transparenzlisten.
§ 11 Materiellrechtliche Stellung
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Es bedarf daher keiner langwierigen Erörterung, daß Verwaltungsvorschriften, mit denen final etwa Wirtschafts- und Sozialstrukturen anstelle von Verboten oder Geboten beeinflußt werden sollen, grundsätzlich immer eingriffsgeeignet sind. Zu denken ist namentlich an Eingriffe in die Wettbewerbs-, Berufsoder Eigentumsfreiheit.30 Diffiziler sind dagegen Grundrechtsbegrenzungen, auf die es dem handelnden Staat nicht ankommt, die er vielleicht sogar zu vermeiden trachtet. Als Beispiel aus der Praxis mag das Baustoff-Urteil des Württemberg-Badischen VGH vom 25. Mai 195031 angeführt werden. Das württembergbadische Innenministerium hatte die Baugenehmigungsbehörden in Nordwürttemberg durch Verwaltungsvorschrift angewiesen, den Einbau bestimmter Baustoffe aus der Produktion verschiedener Firmen wegen ihrer leichten Brennbarkeit als im Widerspruch zur württembergischen Bauordnung stehend zu verbieten. Dort, wo solche Baustoffe schon eingebaut waren, sollte ihre Entfernung gefordert und notfalls zwangsweise durchgeführt werden. Die Klägerin, die die in Frage stehenden Baustoffe produzierte und in den Handel brachte, wandte sich (nur) gegen den zweiten Teil der Verwaltungsvorschrift.32 Obwohl nicht entscheidungsrelevant, äußerte sich der VGH gleichwohl ebenfalls zur Frage, ob auch die Verbotsregelung im ersten Teil des Erlasses eine berufsregelnde Tendenz aufwies.33 Die Annahme eines Eingriffs in die Berufsfreiheit der Baustoffhersteller konnte zunächst kaum auf das Kriterium der Finalität der Verwaltungsvorschrift gestützt werden. Denn das Innenministerium verfolgte ersichtlich nicht das Ziel, den Umsatz der Baustoffhersteller zu verringern oder deren Berufsausübung zu behindern. Vielmehr standen ausschließlich Brandschutzgesichtspunkte und damit allenfalls Auswirkungen auf die in Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit der Bauherren im Vordergrund. Dennoch: nicht der gute Zweck, sondern die möglichen Auswirkungen staatlicher Maßnahmen entscheiden über die Bejahung einer Grundrechtsrelevanz.34 Dergestalt aus dem Blickwinkel der Berufsfreiheit der Hersteller her betrachtet, war die Eingriffseignung der Verwaltungsvorschrift vergleichsweise hoch. Eben weil die Baugenehmigungsbehörden angewiesen wurden, bestimmte Baustoffe allgemein zu verbieten, war die Verwaltungsvorschrift geeignet, die Bauherrn von vornherein von ___________ 30 Vgl. beispielhaft Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 390393 hinsichtlich bestimmter Verwaltungsvorschriften im Arzneimittelrecht. Speziell dazu ebenfalls Schwerdtfeger, Pluralistische Arzneimittelbeurteilung, 1988, S. 64 ff. 31 Württ.-Bad. VGH v. 25.5.1950, DRZ 1950, 500 f. – Baustoff. 32 Sachverhalt abgedruckt in DRZ 1950, 500. 33 Zwar ließ der Württ.-Bad. VGH Sympathie für die Zulässigkeit einer Klage gegen den ersten Teil der Verwaltungsvorschrift erkennen. Da sich die Klage jedoch lediglich gegen den zweiten Teil des Erlasses richtete, der die Klägerin gerade nicht in ihren Rechten beeinträchtigte, wies das Gericht die Klage ab. Vgl. Württ.-Bad. VGH v. 25.5.1950, DRZ 1950, 500 (501) – Baustoff. 34 So zuletzt auch BVerfG v. 26.6.2002, NJW 2002, 2121 (2124) – Glykolwein; v. 26.6.2002, NJW 2002, 2626 (2628) – Osho.
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der Verwendung derartiger Materialien abzuhalten und deutliche Umsatzrückgänge der Hersteller zu verursachen. Der Erlaß der Verwaltungsvorschrift geriet hier so in die Nähe der Finalität im Sinne einer bewußten Billigung von Grundrechtsbeeinträchtigungen der Produzenten. Zutreffend urteilte der WürttembergBadische VGH daher, daß auch „eine an nachgeordnete Behörden gerichtete Dienstanweisung [...] unmittelbar durch ihre bloße Existenz die Rechte Dritter beeinträchtig(en kann), insbesondere wenn sie die Wirkung einer behördlichen Warnung hat“35. Vermögen Verwaltungsvorschriften somit in Grundrechte einzugreifen, können sie eine rechtliche (Außen-)Wirkung mithin auch gegenüber privaten Dritten zeitigen.
II. Verwaltungsvorschriften zwischen Bund und Gemeinden Eine zweite in diesem Zusammenhang zu untersuchende Problematik stellt das Verhältnis zwischen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und den Verwaltungsvorschriften des Bundes dar. Deren Verbindlichkeit für die Gemeinden wird von der überwiegenden Auffassung mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG abgelehnt, sofern den Kommunen die Ausführung der Bundesgesetze als Selbstverwaltungsangelegenheit zugewiesen ist.36 Inwieweit mit der Prädikatisierung eines Aufgabenbereichs als „Selbstverwaltungsangelegenheit“ die Einwirkungsrechte des Bundes rechtlich zurückgedrängt werden, vermag indes erst eine Gesamtschau der Regelungen in Art. 84 Abs. 2 und 28 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben.
___________ 35
Württ.-Bad. VGH v. 25.5.1950, DRZ 1950, 500 Leitsatz 1 – Baustoff. So Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 399-401; Schmidt-Aßmann, in: ders., Bes. Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, 1. Abschn. Rn. 20 (S. 21); Beckmann, DVBl. 1997, 216 (217, 218); Dierkes, NVwZ 1993, 951; Kromer, NVwZ 1995, 975; Schink, NuR 1998, 20 (23); wohl auch Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 48 Rn. 27. Eine Verbindlichkeit nur für den Fall einer ausdrücklichen, den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung nehmen an BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 (117 f.); BVerwG v. 27.1.1989, NVwZ 1989, 469. Ähnlich Burmeister/Lauer, Die Bindung der Gemeinden an die VOB, 1989, S. 10 und passim, nach denen eine gemeindliche Bindung an Verwaltungsvorschriften eine Verweisung in einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung voraussetzt. Speziell über die verordnungsrechtliche Bindung der Gemeinden an die VOB vgl. BVerwG v. 15.3.1989, NVwZ-RR 1989, 377 ff. – Dagegen lediglich Schlicht, BImSchG, 4. Aufl., 1997, § 48 Rn. 2; P. M. Huber, Die TA Siedlungsabfall und ihre Bindungswirkung, 2000, S. 25-27. – Zur Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften für die Gemeinden als Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung siehe oben 3. Teil § 6 B. 36
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1. Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften für die Gemeinden nach Art. 84 Abs. 2 GG Grundsätzlich ist vorab festzuhalten: Es ist zwar das „Lebensgesetz der gemeindlichen Verwaltung“37, daß sie sich immer in einer Doppelrolle befindet: Einerseits Teil der Staatsverwaltung, andererseits ebenfalls dezentralisierte Verwaltung mit eigenem Legitimationssystem und herausgehobener verfassungsrechtlicher Stellung.38 Auch bei der gemeindlichen Ausführung von Bundesgesetzen als Selbstverwaltungsangelegenheit aber handelt es sich um eine Variante der landeseigenen Verwaltung nach Art. 84 GG.39 Die exekutivischen Einwirkungsrechte des Bundes richten sich demnach nach Art. 84 GG, so daß der Erlaß gemeindegerichteter allgemeiner Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 2 GG im Grundsatz zulässig ist. Voraussetzung ist insofern lediglich, daß die Verwaltungsvorschriften an die Gemeinden als gesetzesanwendende Verwaltungseinheiten adressiert sind. Erst nach dieser Klarstellung, erst jetzt stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und der Bestimmung des Art. 84 Abs. 2 GG.
2. Vereinbarkeit der gemeindlichen Bindung mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG muß den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Nach überkommener Auffassung resultieren daraus drei verschiedene Garantieebenen: die Rechtssubjektsgarantie,
___________ 37 Schmidt-Aßmann, in: ders., Bes. Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, 1. Abschn. Rn. 8 (S. 14). 38 Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gemeinden vgl. stellvertretend Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 408 ff.; ders., in: Püttner, HkWP, Bd. 1, 2. Aufl., 1981, S. 204-228; Blümel, in: Püttner, HkWP, Bd. 1, 2. Aufl., 1981, S. 229-264; Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, passim; Vogelsang/Lübking/Jahn, Kommunale Selbstverwaltung, 2. Aufl., 1997, S. 32-38; Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl., 1997, Rn. 048 ff. (S. 30 ff.); zum Spannungsverhältnis von kommunaler Selbstverwaltung und europäischer Integration vgl. Frenz, in: Hoffmann/Kromberg/Roth/Wiegand, Kommunale Selbstverwaltung im Spiegel von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht, 1996, S. 9 ff. 39 Jedenfalls soweit man einen Numerus clausus grundgesetzlicher Verwaltungstypen bejaht (vgl. dazu Lerche [1983], in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 28, 84). – Die Weisungsbefugnis der obersten Bundesbehörden gemäß Art. 85 Abs. 3 GG schließt demgegenüber eine Qualifizierung des gemeindlichen Gesetzesvollzugs als Bundesauftragsverwaltung aus, falls den Gemeinden die Ausführung der Bundesgesetze als Selbstverwaltungsangelegenheit zugewiesen ist.
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die Rechtsinstitutionsgarantie und die subjektive Rechtsstellungsgarantie.40 Gewährleistet wird als erstes, daß es überhaupt Gemeinden als Elemente des Verwaltungsaufbaus gibt. Die zweite Garantieebene des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG betrifft die Gewährleistung der Rechtsinstitution „kommunale Selbstverwaltung“, der eigenverantwortlichen Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Zuletzt gewährt Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG eine subjektive Rechtsstellung, aufgrund deren die einzelne Gemeinde vom Garantieverpflichteten die Einhaltung der Gewährleistungen verlangen kann; dazu zählt auch ein Anspruch auf Gerichtsschutz. Von Interesse für den vorliegenden Zusammenhang ist Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG allein in seiner Ausprägung als Rechtsinstitutionsgarantie.
a) Recht auf eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung im Rahmen der Gesetze Die Rechtsinstitutionsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ umfassenden Aufgabenbereich und konstituiert so den Grundsatz der kommunalen Allzuständigkeit.41 Daneben steht der Gemeinde die Befugnis zu eigenverantwortlicher Wahrnehmung der Aufgaben des örtlichen Wirkungskreises zu. Die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde gebiert das Recht, ihre Aufgaben ohne Weisung und Vormundschaft des Staates so zu erfüllen, wie dies nach Maßgabe der Rechtsordnung zweckmäßig erscheint.42 Eine staatliche Fremdbestimmung dergestalt, daß die Art und Weise der Erledigung der gemeindlichen Aufgaben vorgegeben wird, ist daher mit dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar. Gemeindeadressierte Verwaltungsvorschriften begrenzen nun in der Sache die Selbstgestaltungsautonomie der Gemeinden hinsichtlich der Modalitäten der Gesetzesvollziehung. Insofern könnte in der aus der kommunalen Bindung an Verwaltungsvorschriften resultierenden Einbuße an ___________ 40 Allgemeine Meinung; vgl. statt vieler Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 409; ders., in: Püttner, HkWP, Bd. 1, 2. Aufl., 1981, S. 204 (205); Schmidt-Aßmann, in: ders., Bes. Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, 1. Abschn. Rn. 9-24 (S. 15-25); Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl., 1997, Rn. 052-055 (S. 34 f.); sowie ferner die Nachweise oben in Fn. 38. 41 Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises „nur solche Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen Bezug haben und von dieser örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich und selbständig bewältigt werden können“. Vgl. BVerfG v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 (151 f.) – Rastede; v. 24.7.1979, BVerfGE 52, 95 (120); v. 17.1.1979, BVerfGE 50, 195 (201); v. 30.7.1958, BVerfGE 8, 122 (134) und ständig. 42 Vgl. etwa VerfGH Rh.-Pf. v. 1.6.1982, DÖV 1983, 113 mit Anmerkung Merten, DÖV 1983, 117 f.; Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für H. Sendler, 1991, S. 127 (132 f.); v. Mutius/Schoch, DVBl. 1981, 1077 ff.; sowie die in Fn. 38 angeführten Nachweise.
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Eigenverantwortlichkeit ein „Eingriff“ in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden gesehen werden. Gleichwohl steht die Eigenverantwortlichkeit der Wahrnehmung kommunaler Aufgaben unter Gesetzesvorbehalt, so daß Einschränkungen „im Rahmen der Gesetze“, aber eben auch nur „im Rahmen der Gesetze“ zulässig sind.43 Da Verwaltungsvorschriften aber keine Gesetze sind, scheint den Gemeinden mit der Zuweisung einer Selbstverwaltungsangelegenheit eine Kompetenz verliehen worden zu sein, welche gegen den Zugriff der Exekutive durch Verwaltungsvorschriften abgesichert ist.44 Art. 84 Abs. 2 GG würde insoweit von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurückgedrängt. Diese Auffassung wird in der Tat vertreten.45 Ihr dogmatisches Fundament wird durch einen Beschluß des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 198746 zutage gefördert. Danach darf der Staat die Selbstverwaltung der Gemeinden nicht nur durch förmliche Gesetze, sondern durchaus auch durch untergesetzliche Rechtsnormen ausgestalten und einschränken. Voraussetzung bleibe freilich, „daß diese auf einer hinreichenden, mit dem Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG übereinstimmenden Ermächtigung beruhen“.47 Die verfassungsgeschichtlich bedingten Wurzeln dieser Ansicht drängen sich geradezu auf. Sie bestehen in einem überholten Verfassungsverständnis, das exekutivische Rechtssetzung als delegierte Gesetzgebung und Art. 80 Abs. 1 GG als eine eng zu interpretierende Ausnahmeregelung betrachtet. Zum wiederholten Male gilt es deshalb hier hervorzuheben: Weder Art. 80 Abs. 1 noch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG rütteln am demokratischen Gewaltenteilungsgefüge, wie es das Grundgesetz konstituiert. Beide Vorschriften setzen vielmehr die verfassungsrechtliche Funktionenordnung voraus. Das bedeutet: Im Sinne der Wesentlichkeitslehre indiziert der Gesetzesvorbehalt in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die „Wesentlichkeit“ einer staatlichen Maßnahme, durch die die gemeindliche Selbstverwaltung eingeschränkt wird. Die „Wesentlichkeit“ wiederum vermittelt die Regelung an den formellen Gesetzgeber. Doch auch die Exekutive kann Vorschriften erlassen, die die Selbstverwaltungsgarantie ausgestalten, solange sie sich nur auf das „Nicht-Wesentliche“ beschränkt. Sie darf dies, wenn ein Gesetz vorliegt, das das „Wesentliche“ seinerseits regelt und so dem Gesetzesvorbehalt genügt. Damit fallen unter den Ge___________ 43
Vgl. zuletzt BVerfG v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 (143-146) – Rastede. Daß demgegenüber Rechtsverordnungen und Satzungen unter den Begriff des „Gesetzes“ im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallen, ist insoweit unstreitig. Vgl. statt vieler Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 28 Rn. 20. 45 Ausdrücklich Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 400; im Ergebnis ebenso Schmidt-Aßmann, in: ders., Bes. Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, 1. Abschn. Rn. 20 (S. 20 f.); Dierkes, NVwZ 1993, 951; Kromer, NVwZ 1995, 975 bei Fn. 6; Schink, NuR 1998, 20 (23). 46 BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 ff. 47 BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 (117 f.). 44
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
setzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht nur Rechtsverordnungen und Satzungen, sondern auch Verwaltungsvorschriften. In nichts anderem liegt das Telos des Gesetzesvorbehalts aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Vorbehalt „im Rahmen der Gesetze“ überläßt dem Gesetzgeber und dem Verwaltungsvorschriftengeber die Ausgestaltung des Bereichs gemeindlicher Selbstverwaltung nun freilich nicht grenzenlos.
b) Grenzen der staatlichen Ausgestaltung des Selbstverwaltungsbereichs Es besteht für die kommunale Selbstverwaltung ordnende Vorschriften eine äußerste Schranke dergestalt, daß die zum „Kernbereich“ der Selbstverwaltung gehörenden Materien einer Schmälerung durch gesetzgeberische oder exekutive Eingriffe entzogen sind.48 Was zum Kernbereich gehört, läßt sich „nicht in eine allgemein gültige Formel fassen“, sondern „ergibt sich aus der geschichtlichen Entwicklung, sodann aus den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung sowie aus deren aktuellem Leitbild“.49 Nach traditioneller Ansicht haben der Gesetzgeber und der exekutive Rechtsetzer des weiteren das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten.50 Die Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. November 198851 bringt hier Änderungen. Das Übermaßverbot wird durch einen in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG niedergelegten Vorrang der gemeindlichen Kompetenzen in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ersetzt.52 Dieser Vorrang gilt für die gesamte Breite der Rechtsinstitutionsgarantie, mithin auch für Eingriffe in die Eigenverantwortlichkeit. Sein ___________ 48
Ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 (146) – Rastede; v. 24.7.1979, BVerfGE 52, 95 (116 f.); v. 10.12.1974, BVerfGE 38, 258 (278); v. 20.3.1952, BVerfGE 1, 167 (175); BayVerfGH v. 10.12.1981, BayVerfGHE 34 (1981), 180 (188 f.); BayVGH v. 17.3.1982, BayVBl. 1982, 749 (751); VerfGH Rh.-Pf. v. 1.6.1982, DÖV 1983, 113 (114 f.); VerfGH NW v. 17.11.1978, OVGE 33, 318 f.; v. 7.7.1956, OVGE 11, 149 f.; weitere Nachweise bei Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 416 f.; kritisch gegenüber einer befürchteten „Aushöhlung“ der kommunalen Selbstverwaltung Blümel, VVDStRL 36 (1978), S. 171 (190 ff.). 49 Ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 (146) – Rastede; v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 (118); v. 12.1.1982, BVerfGE 59, 216 (226); v. 10.12.1974, BVerfGE 38, 258 (278 f.); v. 24.6.1969, BVerfGE 26, 228 (238); v. 10.6.1969, BVerfGE 26, 172 (180 f.); v. 21.5.1968, BVerfGE 23, 353 (365 f.); v. 26.11.1963, BVerfGE 17, 172 (182); v. 12.7.1960, BVerfGE 11, 266 (274 f.). 50 Zuletzt BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 (119 f., 122-124); davor bereits BVerfG v. 24.6.1969, BVerfGE 26, 228 (239, 241); BVerwG v. 4.8.1983, BVerwGE 67, 321 (323). 51 BVerfG v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 ff. – Rastede. 52 BVerfG v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 (147-155) – Rastede; ausführlich Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für H. Sendler, 1991, S. 127 (135-138).
§ 11 Materiellrechtliche Stellung
403
Inhalt besteht in einer strikten Bindung des staatlichen Zugriffs an „Gründe des Gemeininteresses“53. Insgesamt folgt daraus, daß die Zuweisung des Vollzugs von Bundesgesetzen als Selbstverwaltungsangelegenheit die Bindung der Gemeinden an Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG nicht ausschaltet, sofern sich der Verwaltungsvorschriftengeber nur innerhalb der Schranken des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG bewegt.54
B. Gewährung subjektiver Rechte Ebenfalls nicht einfach zu beantworten ist die Frage, ob außenstehende Dritte die Anwendung einer Verwaltungsvorschrift verlangen können, anders formuliert: ob eine Verwaltungsvorschrift subjektive Rechte zu gewähren vermag.
I. Rechtsprechungs- und Literaturbericht Für die traditionelle Theorie der Selbstbindung ist die Rechtslage eindeutig. Die Verwaltungsvorschriften begründen durch ihre ständige Anwendung eine gleichmäßige Verwaltungspraxis, durch die sich die Verwaltung kraft des Gleichheitssatzes selbst bindet, da sie gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln darf. Im Fall einer Abweichung von der Verwaltungspraxis kann der Bürger daher kein subjektives Recht aus der nur verwaltungsintern wirkenden Verwaltungsvorschrift selbst geltend machen. Er kann aber rügen, daß die Verwaltung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen habe, weil sie in seinem Fall die sonst praktizierten Verwaltungsvorschriften nicht eingehalten habe.55 Für als Verwaltungsvorschriften erlassene Beihilfevorschriften hat das Bundesverwaltungsgericht indes schon früh einen anderen Weg eingeschlagen. In ___________ 53
BVerfG v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 (153) – Rastede. Daß die TA Siedlungsabfall keine unmittelbare Verbindlichkeit gegenüber den Gemeinden entfaltet, liegt daher mitnichten an der Unvereinbarkeit einer kommunalen Bindung mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (so aber Kromer, NVwZ 1995, 975 bei Fn. 6; Schink, NuR 1998, 20 [23]). Vielmehr ist die TA Siedlungsabfall ausschließlich an die Genehmigungsbehörden im Sinne des KrW-/AbfG adressiert. Zu diesen zählen die Gemeinden nicht, soweit sie selbst Abfallentsorgungsanlagen betreiben. Vgl. Nr. 1.2 Satz 3 TA Siedlungsabfall (v. 14.5.1993, BAnz. Nr. 99 S. 4967 und Beilage zum BAnz. Nr. 99 a): „Diese Technische Anleitung dient den Vollzugsbehörden als Prüfungs- und Entscheidungsgrundlage und gilt insbesondere bei [...] b) der Entscheidung über Anträge auf Erteilung der Planfeststellung oder der Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen [...].“ 55 Siehe dazu ausführlich oben 4. Teil § 7 A. 54
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
ständiger Rechtsprechung unterwirft es die Auslegung und Anwendung der Beihilfevorschriften in gleichem Umfang der revisionsgerichtlichen Überprüfung wie sonstige revisible Rechtsnormen: „Diese Auffassung beruht auf der Erwägung, daß die Bedeutung der Beihilfevorschriften sich nicht in einer bloßen Anweisung für den inneren Dienstbetrieb erschöpft, wie dies in der Regel sonst bei Verwaltungsvorschriften der Fall ist. Durch Vorschriften dieses Inhalts wird vielmehr eine im Gesetz nur im allgemeinen festgelegte Rechtspflicht durch bestimmte und für alle gleichliegenden Fälle allgemein geltende Regeln nach Inhalt und Umfang konkretisiert und damit das Ermessen des Dienstherrn mit der nach außen wirkenden Folge gebunden, daß ein gegen eine solche Regel verstoßender Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Beamtenrechtliche Regelungen solchen Inhalts gleichwohl nicht als revisibel anzusehen, wäre ein Verstoß gegen die zur Gewährleistung der Rechtseinheitlichkeit auf dem Gebiet des Beamtenrechts ergangene Regelung des § 127 BRRG [...].“56
In der Konsequenz leitet das Bundesverwaltungsgericht Beihilfeansprüche der Begünstigten unmittelbar aus den Beihilfevorschriften selbst her.57 Auf die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über die Fürsorgepflicht58 will es insoweit allenfalls dann zurückgreifen, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre.59 Dem haben sich das Bundessozialgericht60 und der Bundesgerichtshof61 ausdrücklich angeschlossen und ebenfalls subjektive Rechte unmittelbar aus (beamtenrechtlichen) Verwaltungsvorschriften abgeleitet. ___________ 56
BVerwG v. 28.5.1973, Buchholz 238.91 Nr. 5 BhV Nr. 3, S. 4; ebenso BVerwG v. 18.12.1974, Buchholz 238.91 Nr. 3 BhV Nr. 17, S. 32. 57 Etwa BVerwG v. 28.8.1988, BVerwGE 79, 249 (250 f., 253); v. 24.3.1982, BVerwGE 65, 184 (186); v. 21.1.1982, BVerwGE 64, 333 (335) und ständig. Im Ergebnis behandelt das BVerwG Beihilfeverwaltungsvorschriften daher wie Beihilfeverordnungen. Zu Beihilfeverordnungen auch BVerwG v. 18.6.1980, BVerwGE 60, 212 (214). Aus der obergerichtlichen Rechtsprechung statt vieler OVG NRW v. 27.9.2001, RiA 2002, 250. 58 Vgl. § 79 BBG, § 48 BRRG sowie die entsprechenden Bestimmungen der Länder. 59 BVerwG v. 28.4.1988, BVerwGE 79, 249 (253); v. 21.1.1982, BVerwGE 64, 333 (343); v. 18.6.1980, BVerwGE 60, 212 (220); v. 30.6.1983, DVBl. 1984, 429; vgl. ferner die Rechtsprechungsnachweise von Lecheler, JZ 1987, 448 (451). 60 BSG v. 27.1.1982, Breithaupt 1982, 796 (797 f.); v. 22.11.1977, BSGE 45, 142 (143 f.); v. 22.10.1974, SozR 4720 Allg. Nr. 1, S. 2; v. 22.10.1974, SozR 4720 Allg. Nr. 2, S. 6; v. 26.11.1968, BSGE 29, 41 (42). Einen anspruchsbegründenden Charakter will das BSG Verwaltungsvorschriften allerdings nur dann zusprechen, wenn sie als „Ausfluß einer gesetzlichen Ermächtigung“ betrachtet werden können, insbesondere „kraft Verweisung“ an der Normqualität des Gesetzes teilnehmen (so etwa BSG v. 17.3.1972, BSGE 34, 115 [117]; v. 26.11.1968, BSGE 29, 41 [42]). Grundlage dieser Auffassung ist die Annahme einer Suprematie des Parlaments gegenüber der Verwaltung. Vgl. BSG v. 22.3.1979, BSGE 48, 120 (128): „Konkret verpflichtende Akte der Verwaltung bedürfen grundsätzlich dergestalt einer gesetzlichen Grundlage, daß die Voraussetzungen für den eingreifenden Akt tatbestandsmäßig normiert sind [...]. Das
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Auf den engen Bereich des Beamtenrechts beschränkt blieb die Entwicklung freilich nicht. In einer Reihe weiterer Entscheidungen erkannten das Bundesverwaltungsgericht und die Oberverwaltungsgerichte vielmehr den drittschützenden Charakter bestimmter Verwaltungsvorschriften aus den verschiedensten Sachbereichen an. Exemplarisch anzuführen sind etwa Verwaltungsvorschriften über die behördliche Zuständigkeit62, über die Bestimmung des Kaufkraftausgleichs nach § 2 Abs. 2 BBesG63, über die Regelung von Berufsbezeichnungen64, über die nähere Bestimmung von Prüfungsmodalitäten65 oder über die Einreise und den Verbleib von Ausländern nach § 32 AuslG66. Als Durchbruch darf jedoch ein Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 1996 gelten, in dem der 7. Senat denjenigen Bestimmungen der TA Luft subjektive Rechtsqualität beimißt, die die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisieren: „Dabei werden durch die TA Luft nicht nur die Grundpflichten des Anlagenbetreibers, sondern auch die aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG folgenden Abwehrrechte Dritter konkretisiert; diese können somit gegen eine Genehmigung mit der Begründung vorgehen, die – drittschützenden – Anforderungen der TA Luft seien entweder nicht eingehalten, oder zwar eingehalten, aber durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt.“67
Um so zurückhaltender muten sich demgegenüber die Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs an. Nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung ist die Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten. Welche Rechte der Bürger geltend machen könne, bestimme sich allein nach den Regelungen des materiel-
___________ folgt daraus, daß in einer Demokratie Staatsakte letztlich immer einer Ermächtigung des Souveräns, also der gesetzgebenden Organe, bedürfen.“ 61 Vgl. nur BFH v. 12.4.1983, BFHE 138, 157 (164): „[...] dann, wenn der Inhalt einer Verwaltungsrichtlinie in der dazu ermächtigenden Rechtsnorm in ihrem wesentlichen Inhalt – insbesondere, soweit dieser für die Betroffenen belastend ist – vorgezeichnet ist, kann ihr eine – gewissermaßen von der ermächtigenden Rechtsnorm verliehene – Bindungswirkung gegenüber dem rechtsunterworfenen Bürger zukommen.“; a. A. demgegenüber FG Schleswig-Holstein v. 1.4.1980, EFG 1980, 331 (332): „[...] nach Auffassung des Senats bedürfen Regelungen der Verwaltung mit Bindungswirkung der Ermächtigung des Gesetzgebers (Art. 80 GG; [...]).“ 62 BVerwG v. 25.8.1971, DÖV 1972, 129 (130); v. 26.11.1970, DÖV 1971, 317. 63 BVerwG v. 26.5.1971, BVerwGE 38, 139 ff. 64 BVerwG v. 11.6.1975, BVerwGE 48, 305 ff. 65 BVerwG v. 24.3.1977, BVerwGE 52, 193. 66 OVG NW v. 13.7.1994, NWVBl. 1995, 148; ThürOVG v. 1.3.1995, ThürVBl. 1995, 181 (182); VGH Mannheim v. 17.2.1993, NVwZ 1994, 400 (401 f.). 67 BVerwG v. 21.3.1996, NuR 1996, 522 (523); zustimmend Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 49, 52.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
len Rechts, mithin den „Gesetzen“ im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG, zu denen Verwaltungsvorschriften nicht zählten.68 Der Bundesfinanzhof hat zwar mehrfach einen Anspruch des Steuerpflichtigen auf Anwendung von Verwaltungsvorschriften (zur Sachverhaltsermittlung) bejaht.69 Die Rechte Dritter folgen nach Ansicht des Gerichts allerdings nicht aus den Verwaltungsvorschriften selbst, sondern aus dem Gebot der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen, mithin den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung.70 Denn Verwaltungsvorschriften seien kein allgemein verbindliches Recht, wie stellvertretend das FG Schleswig-Holstein unmißverständlich zum Ausdruck bringt: „Mit den Vereinfachungsregelungen greift die Exekutive in den Funktionsbereich der Legislative ein, schafft sachlich-rechtliche Ersatztatbestände. Hierzu ist sie ohne gesetzliche Ermächtigung verfassungsrechtlich nicht legitimiert. Schon aus diesem Grund kann den Pauschalierungsregelungen Allgemeinverbindlichkeit nicht zukommen [...].“71
Auch im Schrifttum finden sich lediglich vereinzelt Stimmen, die die Berufung außenstehender Dritter auf Verwaltungsvorschriften für zulässig halten.72 Die Rechtslage darf daher weiterhin als ungeklärt gelten. Ausgangspunkt einer Lösung müssen die Voraussetzungen eines subjektiven öffentlichen Rechts sein.
___________ 68 BVerfG v. 11.5.1988, BVerfGE 78, 214 (226 f.); zustimmend v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (89). 69 Etwa BFH v. 12.4.1984, BFHE 141, 45 (50): „Den Finanzbehörden ist es demnach verwehrt, in Einzelfällen, die offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckt werden, deren Anwendung ohne triftige Gründe abzulehnen [...]. Der Steuerpflichtige hat einen auch von den Steuergerichten zu beachtenden Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden.“ 70 BFH v. 12.4.1984, BFHE 141, 45 (50); v. 30.7.1982, BFHE 136, 399 (403); v. 30.3.1982, BFHE 136, 79 (82); v. 17.7.1981, BFHE 133, 556; v. 20.11.1979, BFHE 129, 158 (162); v. 23.2.1979, BFHE 127, 205 (207); v. 27.10.1978, BFHE 126, 217 (219); v. 30.10.1975, BFHE 117, 456 (458 f.); v. 7.11.1975, BFHE 117, 486 (491); v. 28.2.1975, BFHE 115, 254 (257); offengelassen von BFH v. 25.3.1977, BFHE 122, 173 (176). 71 FG Schleswig-Holstein v. 1.4.1980, EFG 1980, 331 (332). 72 Für einen drittschützenden Charakter bestimmter Verwaltungsvorschriften namentlich Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall, 1999, S. 49, 52; wohl auch P. M. Huber, Die TA Siedlungsabfall und ihre Bindungswirkung, 2000, S. 33; ferner Röthel/Hartmann, UTR 31 (1995), 71 (90 f.); skeptisch K. Lange, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allg. Verwaltungsrechts, 1993, S. 307 (322, 328).
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II. Rechtstheoretische Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts Die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht bejaht ein subjektives Recht, wenn eine Rechtsvorschrift und damit die aus dieser Rechtsvorschrift resultierende Pflicht der Exekutive nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse einzelner Dritter zu dienen bestimmt ist. Entscheidend ist der bezweckte Interessenschutz, der aus der jeweils einschlägigen Rechtsvorschrift durch Auslegung zu gewinnen ist. Die Tatsache, daß eine Rechtsvorschrift dem Bürger Vorteile bringt, begründet allein noch kein subjektives Recht, sondern allenfalls einen günstigen Rechtsreflex.73 Unzweifelhaft sind Verwaltungsvorschriften Sätze objektiven Rechts, die die Verwaltung zu einem bestimmten Verhalten verpflichten. Eine Antwort auf die Frage zu geben, ob sie auch dem Schutz der Interessen einzelner Bürger zu dienen bestimmt sind, fällt demgegenüber schwerer. Die überwiegende Meinung jedenfalls will den drittschützenden Charakter der Verwaltungsvorschriften aufgrund ihrer ausschließlichen Behördengerichtetheit verneinen.74 Überzeugen kann diese auf den formalen Adressatenkreis beschränkte Sicht nicht, wie ein Blick in das Baurecht, das öffentliche Wirtschaftsrecht oder das Staatshaftungsrecht zeigt. So ist im öffentlichen Baurecht anerkannt, daß ein Dritter die Einhaltung baurechtlicher Normen verlangen kann, soweit diese ebenfalls den Schutz seiner Interessen bezwecken. Dies gilt insbesondere im Rahmen des Nachbarschutzes im öffentlichen Baurecht. Auch ein Nachbar kann sich grundsätzlich auf nachbarschützende Vorschriften des Baurechts berufen, obgleich diese formal nicht an ihn, sondern an den Grundstückseigentümer oder Bauherrn adressiert sind.75 Die Unabhängigkeit subjektiver Rechte vom Adressatenkreis einer Rechtsnorm verdeutlicht des weiteren die Herstatt-Bank-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 1979.76 Zwar waren die einschlägigen Bestimmungen des ___________ 73 Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 20 Rn. 71 (S. 392 f.); Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 396 (S. 115); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 1142 (S. 265); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 8 Rn. 8 (S. 163 f.). 74 Vgl. aus dem jüngeren Schrifttum Maurer, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 60 Rn. 94 (S. 265); Breuer, UTR 9 (1989), 43 (49); Kautz, GewArch 2000, 230 (233). – A. A. Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 54 f., der von einem weiten Adressatenbegriff ausgeht und deshalb von einer „(Mit-)Adressierung“ der Verwaltungsvorschriften an Außenstehende spricht. 75 Vgl. nur Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 401 (S. 116); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002, § 8 Rn. 9 (S. 164-166); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 14 Rn. 98-100 (S. 270-272); Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 6. Aufl., 2001, Rn. 2026 ff. (S. 568 ff.). 76 BGH v. 12.7.1979, BGHZ 75, 120 (122) – Herstatt-Bank; ebenso BGH v. 15.2.1979, BGHZ 74, 144 (147) – Wetterstein; anders dagegen noch OLG Bremen v.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
KWG in erster Linie an das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gerichtet. Der Bundesgerichtshof entnahm ihnen dennoch subjektive Rechte zugunsten der außerhalb des Aufsichtsverhältnisses stehenden Bankkunden.77 Sogar die im internen Dienstverhältnis zwischen dem Amtswalter und seinem Vorgesetzten bestehenden Amtspflichten begründen nach ständiger Rechtsprechung subjektiv-öffentliche Abwehrrechte in dem Umfang, in dem sie (auch) individualschützend sind.78 Die Beispiele erhellen: Der begrenzte Adressatenkreis einer Vorschrift hindert sie nicht daran, ebenfalls etwaigen Nichtadressaten subjektive Rechte einzuräumen. Auch außerhalb der Verwaltung stehende private Dritte können daher die Einhaltung von behördenadressierten Verwaltungsvorschriften verlangen, sofern diese nicht nur einen öffentlichen, sondern auch einen individuellen Schutzzweck verfolgen.79 Ob überhaupt und gegebenenfalls welche Individualinteressen die jeweilige Verwaltungsvorschrift schützen soll, muß mit Hilfe der auch sonst üblichen Auslegungsmittel festgestellt werden. Die Gewährung subjektiver Rechte durch Verwaltungsvorschriften ist daher rechtstheoretisch möglich; davon zu trennen ist freilich das Problem der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit.
III. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts Die Frage, ob Verwaltungsvorschriften subjektive Rechte einzuräumen vermögen, wäre dann zu verneinen, wenn die grundgesetzliche Kompetenzordnung ___________ 13.11.1952, NJW 1953, 585 mit zustimmender Anmerkung Flume, NJW 1953, 585 f.; OLG Hamburg v. 28.6.1957, BB 1957, 950, die beide eine Staatshaftung gegenüber Gläubigern der Banken abgelehnt hatten. 77 Der Gesetzgeber sah sich daher zu einer Gesetzesänderung verlaßt (vgl. Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen v. 20.12.1984, BGBl. I S. 1693 [1694 zu Ziff. 3]). § 6 Abs. 4 KWG i. d. F. v. 20.12.1984 stellte daher klar: „Das Bundesaufsichtsamt nimmt die nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr.“ Siehe die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf v. 14.5.1984, BT-Drucks. 10/1441, S. 20: „Die Änderung stellt für sämtliche dem Bundesaufsichtsamt zugewiesenen Aufgaben klar, daß sie zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. Amtspflichten gegenüber den durch das Wirken des Bundesaufsichtsamtes nur mittelbar geschützten Personen oder Personenkreisen werden bei der Tätigkeit des Bundesaufsichtsamtes deshalb nicht begründet.“ 78 Zum drittschützenden Charakter von Amtspflichten siehe ausführlich Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 1534-1538 (S. 351 f.); ders., JuS 2002, 127 (129 f.); Windthorst, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 9 Rn. 94 ff. (S. 130 ff.). 79 Im Ergebnis ebenso Brohm, in: ders., Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 11 (32-34).
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die Entscheidung über das Bestehen subjektiver Rechte allein dem Gesetzgeber zuwiese. Wohl überwiegend wird dies angenommen.80 Den Hintergrund eines solches Verständnisses bildet die überkommene Auffassung, jede „außenwirksame“ exekutive Rechtssetzung bedürfe einer gesetzlichen Ermächtigung. Ihre historische Bedingtheit muß hier nicht erneut dargelegt werden.81 Unter der im Demokratieprinzip verankerten Wesentlichkeitslehre ergibt sich jedenfalls ein differenziertes Bild. Führt die Vergabe staatlicher Leistungen zugleich zur Benachteiligung eines Dritten82 oder ist die Beteiligung des einzelnen an staatlichen Leistungen notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung von Grundrechten,83 erfüllt der jeweilige Gegenstand der Leistungsverwaltung immer das Wesentlichkeitskriterium der „Grundrechtsrelevanz“. Jene Wesentlichkeit wiederum vermittelt den Fall an den Gesetzgeber, der seinerseits das Wesentliche regeln muß. Kommt er seiner Pflicht durch die Gewährung subjektiver Rechtspositionen nach, sind auch die das Gesetz ausfüllenden Verwaltungsvorschriften drittschützend.84 Genau umgekehrt können Verwaltungsvorschriften keine subjektiven öffentlichen Rechte einräumen, wenn das zu konkretisierende Gesetz lediglich dem Schutz öffentlicher Interessen zu dienen bestimmt ist.85 Insoweit kann Verwaltungsvorschriften in wesentlichen Bereichen lediglich eine „gesetzesakzessorische“ drittschützende Wirkung zukommen.86 Nichts anderes gilt für nicht-wesentliche Bereiche der Leistungsverwaltung, die der Gesetzgeber kraft seines Zugriffsrechts ausgestaltet hat. Der individual___________ 80
BVerfG v. 11.5.1988, BVerfGE 78, 214 (226); zustimmend v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 72 (89). 81 Siehe ausführlich oben 4. Teil § 7 A., F. 82 Vgl. die Fallkonstellation in BVerwG v. 27.3.1992, BVerwGE 90, 112 (126) bezüglich der Vergabe von Subventionen. 83 Beispiele sind etwa die Zulassung zum Hochschulstudium (dazu BVerfG v. 18.7.1972, BVerfGE 33, 303 [336 f.]), die Genehmigung technischer Großanlagen (dazu BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 [127] – Kalkar; HessVGH v. 6.11.1989, NVwZ 1990, 276), die Subventionierung der Presse (dazu BVerfG v. 6.6.1989, BVerfGE 80, 124 [131]; Detterbeck, JuS 1991, 670 [671-673]) oder die Unterstützung von Religionsgemeinschaften (dazu BVerwG v. 27.3.1992, BVerwGE 90, 112 [126]; OVG NW v. 23.3.1990, DVBl. 1990, 999 [1001]; Erichsen, Jura 1995, 550 [553]). 84 Demgemäß sind die Anforderungen der TA Luft, die den individualschützenden Schutzgrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisieren, ebenfalls individualschützend. Zutreffend BVerwG v. 21.3.1996, NuR 1996, 522 (523). 85 Denjenigen Teilen von Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG, die das Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ausfüllen, kommt daher keine drittschützende Wirkung zu. Ebenso VGH München v. 8.6.1988, NVwZ 1989, 482 (484). 86 Letztlich ist dies freilich keine Besonderheit der Verwaltungsvorschriften. Unter der Geltung der Wesentlichkeitslehre ist vielmehr auch der drittschützende Charakter sonstiger exekutivischer Rechtsnormen in wesentlichen Bereichen an ein Parlamentsgesetz gebunden.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
schützende Charakter einer Verwaltungsvorschrift ist auch in diesem Fall davon abhängig, inwieweit das jeweilige Gesetz subjektive Rechte gewährt.87 Nur bewegt sich der Verwaltungsvorschriftengeber hier nicht mehr im Bereich des Gesetzesvorbehalts, sondern des Gesetzesvorrangs. „Gesetzesunabhängig“ vermögen Verwaltungsvorschriften somit Ansprüche Dritter nur für solche Leistungen zu begründen, die einerseits nicht dem Wesentlichkeitskriterium unterfallen und parlamentsgesetzlich noch nicht festgelegt sind. Zur Klarstellung seien abschließend zwei Aspekte besonders hervorgehoben. Die aufgezeigte Konzeption findet Anwendung auf alle Verwaltungsvorschriften, mithin auch die organisatorischen und verfahrensregelnden Verwaltungsvorschriften. Jedoch kann der Bürger nur die Einhaltung solcher Verwaltungsvorschriften durchsetzen, die – entweder „gesetzesakzessorisch“ oder „gesetzesunabhängig“ – auch den Schutz seiner Interessen bezwecken. Beide Gesichtspunkte sind mit dem traditionellen Dogma von der Bindungswirkung über das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG kaum aufzuzeigen.
§ 12 Verfahrensrechtliche Stellung Weicht ein Verwaltungsakt von einer Verwaltungsvorschrift ab, so führt dies freilich nicht nur – materiellrechtlich – zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und unter Umständen zur Verletzung subjektiver Rechte. Darüber hinaus ergeben sich Implikationen auf verwaltungsverfahrensrechtlicher Ebene. Sie sollen im Folgenden anhand der Vorschriften der §§ 46, 48, 49, 38 VwVfG verdeutlicht werden.88 Zunächst zu § 46 VwVfG.
A. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern nach § 46 VwVfG § 46 VwVfG schreibt vor, daß die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts wegen Verfahrens- und Formverstößen einschließlich der Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit einen Anspruch auf Aufhebung nicht begründen kann, „wenn offensichtlich ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat“.89 Die Regelung betrifft damit nur den Aufhebungsan___________ 87
Vgl. etwa zu den Verwaltungsvorschriften nach § 32 AuslG OVG NW v. 13.7.1994, NWVBl. 1995, 148 ff.; ThürVBl. v. 1.3.1995, ThürVBl. 1995, 181 f.; VGH Mannheim v. 17.2.1993, NVwZ 1994, 400 ff. 88 Die Ausführungen gelten gleichermaßen für die entsprechenden Verfahrensvorschriften in der AO 1977 und dem SGB X. 89 § 46 VwVfG, § 127 AO 1977 und § 42 Satz 1 SGB X stimmen nahezu völlig überein. Lediglich für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren enthält § 42 Satz 2
§ 12 Verfahrensrechtliche Stellung
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spruch des Bürgers und läßt die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts unberührt, die sich aus dem nicht geheilten Verstoß gegen Verfahrens- oder Formvorschriften nach wie vor zwingend ergibt.90 Unter § 46 VwVfG fallen nur Verstöße gegen Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit. Nicht anwendbar ist § 46 VwVfG daher, wenn der Verwaltungsakt unter Verletzung von Vorschriften über die sachliche oder die Verbandszuständigkeit erlassen wurde91 oder mit einem materiellen Mangel behaftet ist92. Dabei soll es nach überwiegender Auffassung zwar keine Rolle spielen, ob gegen Verfahrens- oder Formvorschriften verstoßen wird, die ihren Niederschlag im VwVfG oder in anderen Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Satzungen93 gefunden haben. In jedem Fall aber erfasse § 46 VwVfG nur die Verletzung von „Rechtsvorschriften“ über das Verwaltungsverfahren; Verstöße gegen „bloße Verwaltungsvorschriften“ dagegen unterfielen der Bestimmung nicht.94 Daß der Hinweis auf die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften den Kern des Problems verfehlt, bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erläuterung mehr: Verwaltungsvorschriften sind Rechtsnormen, und zwar sowohl in rechtstheoretischer als auch in staatsrechtlicher Hinsicht! Entscheidend ist vielmehr, ob das Grundgesetz die Bestimmung insbesondere der Behördenzuständigkeit allein dem Gesetzgeber zuweist. Das Bundesverfassungsgericht95 und Bundesverwal___________ SGB X eine Sondervorschrift. Danach gilt der Satz 1 jener Bestimmung nicht, „wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist“. Im Anwendungsbereich des SGB haben nicht geheilte Anhörungsmängel somit stets die Aufhebbarkeit des Verwaltungsakts zur Folge. Dazu BSG (GrS) v. 19.2.1992, NJW 1992, 2444 f. 90 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 46 Rn. 1; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 46 Rn. 1; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995, § 58 Rn. 25 (S. 581). 91 BVerwG v. 29.9.1982, BVerwGE 66, 178 (182 f.) zu § 127 AO 1977; OVG NW v. 3.10.1978, OVGE 33, 274 (276); H. Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 46 Rn. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 46 Rn. 45-48. 92 BVerwG v. 20.2.1992, BVerwGE 90, 25 (32) zu § 42 Satz 1 SGB X; VGH Kassel v. 7.9.1993, NVwZ-RR 1994, 342 (344); Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995, § 58 Rn. 21 (S. 577). 93 H. Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 1 Rn. 27, will dagegen § 46 VwVfG auf Satzungen bundesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht anwenden. 94 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 46 Rn. 16; H. Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 46 Rn. 20; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995, § 58 Rn. 21 (S. 577); Laubinger, VerwArch 72 (1981), 333 (334 in Fn. 8); a. A. wohl K. Lange, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allg. Verwaltungsrechts, 1993, S. 307 (328). 95 BVerfG v. 28.10.1975, BVerfGE 40, 237 (250); v. 6.5.1958, BVerfGE 8, 155 (Leitsatz 2, 167).
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
tungsgericht96 haben dies in ihrer älteren Rechtsprechung verneint und auch Verwaltungsvorschriften für ausreichend erachtet. Die Wesentlichkeitslehre führt indes zu einer differenzierten Lösung. Nach ihr bedürfen „wesentliche“ Zuständigkeitsregelungen einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Festlegung. Konkreter: Zuständigkeiten für Eingriffe in die Rechtssphäre von Bürgern97 oder auf dem Gebiet einer grundrechtsrelevanten Leistungsverwaltung98 müssen „im wesentlichen“ durch Parlamentsgesetz bestimmt werden. Im übrigen sind Zuständigkeitsanordnungen durch Verwaltungsvorschriften gleichwohl zulässig.99 Entsprechendes gilt für verfahrensregelnde Verwaltungsvorschriften. Bei einem Verstoß gegen Verfahrens- oder Zuständigkeitsbestimmungen in Verwaltungsvorschriften ist § 46 VwVfG daher sehr wohl anwendbar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist eine Verletzung von Verwaltungsvorschriften dennoch unerheblich, „wenn offensichtlich ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat“. Ungeachtet der näheren Auslegung des zweiten Halbsatzes: Unerheblich ist jedenfalls ein Verstoß gegen organisatorische oder verfahrensregelnde Verwaltungsvorschriften bei rechtlicher Alternativlosigkeit, d. h. in Fällen, in denen der Verwaltungsakt aus rechtlichen Gründen nicht anders möglich gewesen wäre.100 Ob eine Bindung der Ermessensausübung durch Ermessensrichtlinien eine andere Entscheidung von vornherein ausschließen kann und so einen Fall rechtlicher Alternativlosigkeit begründen kann, mag auf den ersten Blick zweifelhaft sein. Denn eine Abweichung von einer Verwaltungsvorschrift ist aufgrund ihrer spezifischen Bindungswirkung in atypischen Einzelfällen zulässig. Die wohl überwiegende Meinung lehnt daher die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG bei einer Steuerung der ___________ 96
BVerwG v. 21.6.1974, DÖV 1975, 208 f.; v. 25.8.1971, DÖV 1972, 129 (130); v. 10.9.1970, BVerwGE 36, 91 (93 f.). – Vgl. demgegenüber die jüngere Entscheidung des BVerwG v. 24.8.1987, DVBl. 1987, 1267 (1269): „In der älteren Rechtsprechung wurden hinsichtlich der rechtssatzmäßigen Bestimmung der Behördenzuständigkeit zumeist nur sehr geringe Anforderungen gestellt [...]. Dies mag gegenwärtig nicht mehr so hinzunehmen sein, nachdem insbesondere das BVerfG an die Beachtung des Gesetzesvorbehalts generell strenge Anforderungen stellt [...] und die grundrechtsschützende Bedeutung auch der die Organisation und das Verfahren der Behörde betreffenden Vorschriften hervorgehoben hat [...].“ 97 Insoweit zutreffend HessStGH v. 3.12.1969, DÖV 1970, 132 ff., nach dem Organisationsanordnungen, die die Zuständigkeit einer Behörde für Eingriffe in das Eigentum begründen, dem Gesetzesvorbehalt unterliegen. 98 Enger Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 3 Rn. 7: stets Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung erforderlich; ebenso Schenke, DÖV 1986, 190 ff.; Schwabe, JuS 1977, 661 (663 f.). 99 Zutreffend Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 354. 100 Vgl. etwa statt vieler BVerwG v. 22.2.1985, BVerwGE 71, 63 (65); ferner Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 46 Rn. 59, 79; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002, Rn. 628 (S. 386).
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Ermessensausübung durch Richtlinien ab.101 Indes gilt es zu differenzieren. Eine Abweichung von einer Verwaltungsvorschrift ist nur zulässig, sofern der konkrete Fall ein atypischer Einzelfall ist. Ist demgegenüber in der jeweiligen Situation kein atypischer Einzelfall gegeben, darf von der Verwaltungsvorschrift gerade nicht abgewichen werden, mit anderen Worten: schließt die Ermessensbindung durch Verwaltungsvorschriften eine andere Entscheidung in der Sache aus. In dieser Konstellation aber, beim Fehlen eines atypischen Einzelfalls, muß § 46 VwVfG anwendbar sein, auch wenn die Ermessensausübung durch Richtlinien gesteuert wird.
B. Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG Rechtliche Relevanz entfalten Verwaltungsvorschriften darüber hinaus im Rahmen des § 48 VwVfG. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Möglichkeit der Rücknahme nach § 48 VwVfG besteht aber nur, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Damit stellt sich die praxisrelevante Frage, ob der Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften Rechtswidrigkeit im Sinne des § 48 VwVfG zur Folge haben kann.102 Die Antwort von Rechtsprechung und Schrifttum fällt ebenso ablehnend wie eindeutig aus: Ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften als solcher reiche für die Begründung von Rechtswidrigkeit nicht. Rechtswidrig und unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG rücknehmbar sei ein gegen eine Verwaltungsvorschrift verstoßender Verwaltungsakt deshalb nur, soweit die Verwaltungsvorschrift über die Verwaltungspraxis und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Außenrechtswirkung erlangt habe.103 Soweit Argumente vor___________ 101 Vgl. etwa OVG Münster v. 28.10.1980, NJW 1981, 936; Klappstein, in: Knack, VwVfG, 5. Aufl., 1996, § 46 Rn. 4.4; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 111 f.; Hufen, NJW 1982, 2160 (2167). 102 In der Verwaltungspraxis wurde das Problem insbesondere in Fällen akut, in denen die Verwaltung einen Bescheid zurücknehmen wollte, durch den entgegen den einschlägigen Subventionsrichtlinien eine Subvention bewilligt worden war. Vgl. etwa die Entscheidungen BVerwG v. 17.3.1977, NJW 1977, 1838 f.; OVG NW v. 25.11.1996, NVwZ-RR 1997, 585 ff.; v. 15.8.1980, DÖV 1981, 109 ff. 103 OVG Bremen v. 25.8.1987, NVwZ 1988, 447; OVG NW v. 25.11.1996, NVwZ-RR 1997, 585 (587 f.); v. 15.8.1980, DÖV 1981, 109 (110); VGH Mannheim v. 16.6.1998, NVwZ 1999, 547; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 48 Rn. 30; H. Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, Vor § 43 Rn. 41, § 48 Rn. 29; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 48 Rn. 61 a; Mußgnug, VVDStRL 47 (1989), S. 113 (134); Dickersbach, GewArch 1993, 177 (179); Oldiges, NJW 1984, 1927 (1934); Schnapp/Henkenötter, JuS 1998, 624 (625); offengelassen von Dommach, DÖV 1981, 122 (124); Erichsen, VerwArch 69 (1978), 303 (308 f.); unklar BVerwG v.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
gebracht werden, unterscheiden sie sich allenfalls in Nuancen; im Kern geht es um Altbekanntes: Verwaltungsvorschriften seien keine Rechtsnormen, kein objektives Recht.104 Sie könnten keine Rechte der Bürger begründen und seien deshalb grundsätzlich auf den Innenrechtskreis der Verwaltung beschränkt.105 Als rechtswidrig müsse ein richtlinienwidriger Verwaltungsakt daher nur qualifiziert werden, wenn zu seiner Richtlinienwidrigkeit weitere Mängel hinzuträten. Jede andere Sichtweise verstoße gegen Art. 80 Abs. 1 GG.106 Die fehlende Stichhaltigkeit dieser Begründung, ihre historische Bedingtheit und Überholtheit wurden bereits ausführlich dargetan. Dazu kommen weitere Gesichtspunkte. Nach einhelliger Auffassung ist der Begriff der Rechtswidrigkeit in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG identisch mit dem in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.107 Dort unterscheidet die VwGO aber zwischen der objektiven Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts und der Verletzung subjektiver Rechte. Selbst wenn Verwaltungsvorschriften daher keine subjektiven Rechte gewähren könnten, wäre das noch kein hinreichender Beleg für das Erfordernis einer Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und Verwaltungsvorschriftenwidrigkeit. Das Gegenteil ist vielmehr zutreffend: Verstößt ein Verwaltungsakt gegen eine Verwaltungsvorschrift, so führt dies grundsätzlich zu seiner Rechtswidrigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Denn Verwaltungsvorschriften sind Emanationen einer verfassungsrechtlichen Rechtsetzungskompetenz der Exekutive und deshalb Rechtsnormen nicht nur in rechtstheoretischer Hinsicht. Diese Einsicht ist ebenso unbestreitbar wie unabhängig von der formalen Adresse der Verwaltungsvorschriften.108 Der zu befürchtende Vorhalt einer uferlosen Ausweitung der Rücknahmemöglichkeiten vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Ihm steht bereits die Vorschrift des § 48 Abs. 2 VwVfG entgegen. Danach darf ein begünstigender Verwaltungsakt trotz Rechtswidrigkeit nicht zurückgenommen werden, sofern nur das Vertrauen des Adressaten des Verwaltungsakts schutzwürdig ist. ___________ 17.3.1977, NJW 1977, 1838 f.; anders OVG Koblenz v. 11.11.1987, DVBl. 1988, 455: Rechtswidrigkeit eines Bescheides, der unter Abweichung der nach § 17 RhPfFAG zu erlassenen Verwaltungsvorschriften erging. 104 So OVG NW v. 15.8.1980, DÖV 1981, 109 (110); Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 48 Rn. 61 a; Mußgnug, VVDStRL 47 (1989), S. 113 (134). 105 Ausdrücklich OVG NW v. 25.11.1996, NVwZ-RR 1997, 585 (588). 106 In diesem Zusammenhang etwa Dickersbach, GewArch 1993, 177 (179). 107 Statt vieler Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 48 Rn. 28. 108 Im Ergebnis wohl auch K. Lange, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allg. Verwaltungsrechts, 1993, S. 307 (328, 329); unklar BVerwG v. 17.3.1977, NJW 1977, 1838 f., welches die Aufhebung einer richtlinienwidrigen Bewilligung von Subventionen ohne weitere Begründung als Rücknahme (des Subventionsbescheides) einordnet; kritisch zu dieser Entscheidung Erichsen, VerwArch 69 (1978), 303 (308 f.).
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C. Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts nach § 49 VwVfG Desgleichen werden die Auslegung und Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 VwVfG durch die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften gesteuert. Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf „durch Rechtsvorschrift“ zugelassen ist. Die sich daraus ergebende Frage, ob unter den Begriff der „Rechtsvorschrift“ auch eine Verwaltungsvorschrift subsumiert werden kann, erlangt durchaus praktische Bedeutung. Zahlreiche, zumeist noch vor Erlaß der Verwaltungsverfahrensgesetze erlassene Subventionsrichtlinien enthalten eigene Regelungen über den Widerruf von Subventionsbescheiden.109 Die traditionelle Lehre, die die Rechtsnormqualität der Verwaltungsvorschriften hartnäckig leugnet, spricht sich – insoweit konsequent – gegen ihre Anerkennung als „Rechtsvorschriften“ gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 VwVfG aus.110 Nach hier vertretener Auffassung muß die Lösung dagegen anders ausfallen. Denn infolge ihrer Rechtssatzeigenschaft sind Verwaltungsvorschriften „Rechtsvorschriften“ im Sinne des Gesetzes. Ein Widerruf aufgrund einer rechtmäßigen und anwendbaren Verwaltungsvorschrift kann daher sehr wohl aus § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 VwVfG gerechtfertigt sein. Art. 80 Abs. 1 GG gebietet kein anderes Ergebnis.111 Folgerichtig unterfallen Verwaltungsvorschriften ebenfalls den „Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG.112
___________ 109
Vgl. etwa Nr. 10.1 der Vorl. VV-LHO zu § 44 NRWHO v. 21.7.1972 (MBl. NRW 1972, S. 1436 [1445]). 110 Bronnenmeyer, Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG, 1994, S. 85-87; H. Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 49 Rn. 41; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., 1999, § 49 Rn. 23; Erichsen, Jura 1981, 590 (591); wohl auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 49 Rn. 45, 78a. 111 So aber Bronnenmeyer, Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG, 1994, S. 86 f. – Vgl. dazu oben 4. Teil § 8 A. III. 112 Ebenso für bestimmte Verwaltungsvorschriften über die Arbeitszeit von Lehrern VGH Mannheim v. 25.9.1998, RiA 1999, 204. – A. A. BVerwG v. 11.12.1990, NVwZ 1991, 577 (579); Bronnenmeyer, Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG, 1994, S. 143; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 49 Rn. 50 a; H. Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 49 Rn. 56; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 49 Rn. 78 a; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., 1999, § 49 Rn. 49; vgl. ferner Papier, DVBl. 1993, 809 (812), nach dem Verwaltungsvorschriften „die Stringenz eines Rechtssatzes [...] mit Sicherheit nicht (zu)kommt“.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
D. Erteilung einer Zusicherung nach § 38 VwVfG Bedeutung gewinnen Verwaltungsvorschriften ebenfalls bei der Auslegung und Anwendung des § 38 VwVfG. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusicherung zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Obwohl die Wirksamkeit der Zusicherung nur an die Einhaltung der Schriftform geknüpft ist, muß aus der Hervorhebung der Zuständigkeit („von der zuständigen Behörde“) geschlossen werden, daß auch die behördliche Zuständigkeit Wirksamkeitsvoraussetzung einer Zusicherung sein soll.113 Zuständig ist grundsätzlich diejenige Behörde, die den zugesicherten Verwaltungsakt erlassen müßte.114 Darüber hinaus wurde vor Inkrafttreten des VwVfG für die Wirksamkeit der Zusicherung verlangt, daß der innerhalb der Behörde zuständige Amtswalter gehandelt hat.115 Eine solche Interpretation des § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG widerspricht indes seinem eindeutigen Wortlaut, der lediglich die Zuständigkeit der Behörde fordert. Ebenfalls keine Stütze im Gesetz findet daher die Differenzierung zwischen den geschäftplanmäßig unzuständigen Beamten und solchen, die nach ihrer Stellung in der Behörde jedenfalls generell zur Abgabe von Zusicherungen befugt sind.116 Zutreffend nimmt die überwiegende Meinung deshalb an, die Wirksamkeit der Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG setze die Zuständigkeit des handelnden Bediensteten innerhalb der Behörde nicht voraus.117 Für die Praxis der Verwaltungsvorschriften folgt daraus, daß lediglich die Einhaltung interbehördlicher organisatorischer Verwaltungsvorschriften Verbindlichkeitsvoraussetzung einer Zusicherung ist.
___________ 113 BVerwG v. 29.8.1986, NVwZ 1987, 46 f.; Henneke, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 38 Rn. 12; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 38 Rn. 18, 21; vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, BT-Drucks. 7/910, S. 60 zu § 34 VwVfG. 114 Henneke, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 38 Rn. 12; P. Stelkens, in: P. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 38 Rn. 39. 115 BVerwG v. 17.10.1975, NJW 1976, 303 (304); v. 19.1.1967, BVerwGE 26, 31 (36); Kimminich, JuS 1963, 268 (272); jüngst noch BVerwG v. 29.8.1986, NVwZ 1987, 46 (47); Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995, § 49 Rn. 4 (S. 493); anders dagegen BFH v. 29.1.1981, BFHE 132, 219 (221 f.): Irrelevanz der Überschreitung der internen Zeichnungsbefugnis eines Sachbearbeiters bei der Steuerfestsetzung. 116 P. Stelkens/U. Stelkens, in: P. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 38 Rn. 41. 117 Exemplarisch Henneke, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 38 Rn. 12; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., 2003, § 38 Rn. 18; Bettermann, in: Festschrift 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 61 (66).
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§ 13 Prozeßrechtliche Stellung Die Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle wurde in den bisherigen Untersuchungen bereits mehrfach behandelt. Die damit zusammenhängenden Probleme dieser exekutiven Handlungsform wurden damit gleichwohl noch nicht vollständig einer Lösung zugeführt. Im folgenden Abschnitt soll der Kontrollaspekt daher erneut aufgegriffen und nunmehr aus der Vollzugsadressatenperspektive Dritter betrachtet werden. Mit anderen Worten: Es geht um den fach- und verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen Verwaltungsvorschriften.
A. Fachgerichtlicher Rechtsschutz Als Ausgangspunkt ist zunächst festzuhalten, daß ein fachgerichtliches Vorgehen Dritter gegen Verwaltungsvorschriften im Rahmen prinzipalen, inzidenten oder vorbeugenden Rechtsschutzes möglich erscheint. Die folgenden Ausführungen haben sich an dieser Vorgabe zu orientieren. Daneben stellt sich die Frage nach der Revisibilität von Verwaltungsvorschriften; auch darauf soll eingegangen werden.
I. Prinzipaler Rechtsschutz Zu den viele Jahrzehnte als unangefochten geltenden Prinzipien verwaltungsrechtlicher Dogmatik gehörte jenes, daß gegen Verwaltungsvorschriften kein (prinzipaler) Rechtsschutz möglich sei. Rechtsbehelfe der Bürger gegen Verwaltungsvorschriften erschienen gleichsam als eine contradictio in adiecto. Seit Anfang der 1950er Jahre wurde die Rechtserheblichkeit der Verwaltungsvorschriften für außenstehende Dritte jedoch vereinzelt anerkannt und versucht, diese Erkenntnis in das System der verwaltungsgerichtlichen Klagearten einzuordnen.
1. Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO? Als erster erkannte O. Bachof, daß Verwaltungsvorschriften in bestimmten Situationen durchaus in die Rechtssphäre Dritter einzugreifen vermögen.118 In einem solchen Fall komme es zu einem direkten „Umschlag von Innen nach Außen“. Die internen Verwaltungsvorschriften trügen dann den Charakter eines ___________ 118 Bachof, DÖV 1950, 310; ferner ders., in: Festschrift für W. Laforet, 1952, S. 285 (insb. 296 ff., 299 ff.).
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
Verwaltungsakts.119 Ähnlich argumentierte der VGH Württemberg-Baden in seinem bereits erwähnten Baustoff-Urteil vom 25. Mai 1950.120 Im Mittelpunkt der Entscheidung stand bekanntlich eine ministerielle Verwaltungsvorschrift, die den nachgeordneten Behörden die Zulassung bestimmter Baustoffe wegen Feuergefährlichkeit untersagte. Der VGH Württemberg-Baden qualifizierte die bekanntgemachte Verwaltungsvorschrift als einen Verwaltungsakt gegenüber dem betroffenen Unternehmer und ließ konsequenterweise eine Anfechtungsklage gegen die Verwaltungsvorschrift zu.121 In seinem Bruchband-Urteil vom 10. März 1958 ging der Bundesgerichtshof noch einen Schritt weiter. Sogar ohne ausdrückliche Bekanntmachung komme internen Verwaltungsvorschriften Verwaltungsaktsqualität zu, sofern sie eine unmittelbar nachteilige Außenwirkung und damit einen geschäftsschädigenden Eingriff zeitigten.122 Auf der gleichen Linie liegt eine Entscheidung des OVG Lüneburg vom 6. Juli 1960.123 Streitgegenstand war die interne Weisung, die Schreiben eines Rechtsanwalts zukünftig nicht mehr zu beantworten, weil sie ihrer Form und ihrem Inhalt nach zu aggressiv seien. Das Gericht urteilte, daß eine an nachgeordnete Verwaltungsinstanzen gerichtete Dienstanweisung dann die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts erfüllen könne, wenn sie allein durch ihre Existenz unmittelbar in die Rechte des einzelnen eingreife und sich für diesen nachteilig auswirke.124 In diesen Zusammenhang gehört ebenfalls das Fahrschul-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 1972. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dort eine innerdienstliche Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an den TÜV Bayern e. V. als Verwaltungsakt gewertet, um dem klagenden Fahrschullehrer die Möglichkeit der Anfechtungsklage zu eröffnen.125 Diese Rechtsprechung kann nur auf der Folie der früheren Verwaltungsgerichtsgesetze verstanden werden. Sie beschränkten den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz des Bürgers im wesentlichen auf den nur gegenüber Verwaltungsakten eingeräumten Rechtsschutz durch Anfechtungs- und Verpflichtungs___________ 119 Weitere Beispiele für die Verwaltungsaktsqualität von Verwaltungsvorschriften führt Bachof in seiner Abhandlung „Verwaltungsakt und innerdienstliche Weisung“ (in: Festschrift für W. Laforet, 1952, S. 285 [299 ff.]) an. 120 Württ.-Bad. VGH v. 25.5.1950, DRZ 1950, 500 f. – Baustoff. 121 Württ.-Bad. VGH v. 25.5.1950, DRZ 1950, 500 (Leitsatz 1 und 500 f.) – Baustoff; vgl. hierzu auch Obermayer, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 125 f.; Bachof, in: Festschrift für W. Laforet, 1952, S. 285 (308 f.). 122 BGH v. 10.3.1958, DÖV 1958, 629; dazu die Anmerkungen von Bettermann, DVBl. 1958, 869 und Obermayer, DÖV 1958, 629 ff. 123 OVG Lüneburg v. 6.7.1960, NJW 1961, 936 f. 124 OVG Lüneburg v. 6.7.1960, NJW 1961, 936; vgl. in diesem Zusammenhang ferner Württ.-Bad. VGH v. 21.9.1951, VerwRspr. 4 (1952), 840 ff. zur Rechtsnatur einer von einem Oberversicherungsamt an die Vorsitzenden der Spruchkammern gerichteten Dienstanweisung. 125 BVerwG v. 25.2.1972, JZ 1972, 625 f. mit Anmerkung Henke, JZ 1972, 626 ff.
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung
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klage.126 Nach der Einführung der Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO besteht indes kein Anlaß mehr, Verwaltungsvorschriften als Verwaltungsakte im Verhältnis zum Bürger zu konstruieren und so die begriffsnotwendigen Merkmale eines Verwaltungsakts nach § 35 VwVfG zu durchbrechen. Verwaltungsvorschriften sind keine Verwaltungsakte. Eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO kann daher keinen prinzipalen Rechtsschutz gegen Verwaltungsvorschriften gewähren.
2. Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Die Kontroverse über die Zulässigkeit prinzipalen Rechtsschutzes gegen Verwaltungsvorschriften rankt sich vornehmlich um die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO stellt sie den Landesgesetzgebern zur Disposition für „andere im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften“. Ob auch Verwaltungsvorschriften zu den „Rechtsvorschriften“ in diesem Sinne zählen, ist bis heute ungeklärt. Ein Blick in das Schrifttum erhellt eine wohl (noch) überwiegend ablehnende Haltung.127 Zur Begründung wird re___________ 126 Vgl. etwa § 22 Abs. 1 HessVerwGG v. 31.10.1946 (GVBl. S. 194) i. d. F. v. 30.6.1949 (GVBl. S. 137): „Das Verwaltungsgericht entscheidet über die Anfechtung von Verfügungen der Verwaltungsbehörden und von sonstigen Verwaltungsakten (Anfechtungssachen) sowie in anderen Streitigkeiten des öffentlichen Rechts (Parteistreitigkeiten), soweit nicht besondere Verwaltungsgerichte oder Schiedsgerichte oder die bürgerlichen Gerichte zu entscheiden haben. Parlamentarische Wahlprüfungen und sonstige in den Bereich der Staatsgerichtsbarkeit fallende Streitsachen gehören nicht zur verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit.“; fast wortgleiche Bestimmungen finden sich in den Verwaltungsgerichtsgesetzen Bayerns (v. 25.9.1946, GVBl. S. 281), Bremens (v. 5.8.1947, GBl. S. 171) und Württemberg-Badens (v. 16.10.1946, RegBl. S. 221). Siehe dazu auch die Kommentierung von Eyermann/Fröhler/Hofmann, VerwGG, 2. Aufl., 1954, § 22. 127 Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 47 Rn. 24; H.-J. Koch (2001), in: ders./Scheuing, GK-BImSchG, § 48 Rn. 96; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 47 Rn. 29; M. Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 47 Rn. 16; Schmitt Glaser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 413 (S. 257); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 19 Rn. 22 (S. 374); Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 381-383; Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, 1967, S. 124; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 145; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Arbeit, 8. Aufl., 2000, Rn. 285 (S. 131 f.); Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im BImSchG, 1989, S. 338 f.; Wolfram, Die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 VwGO, 1967, S. 79; X. Schoen, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, 1955, S. 407 (415); Bergmann, VerwArch 51 (1960), 36 (46); Bock, JA 2000, 390 (393 f.); Hauck, NJW 1957, 809 (812); H.-G. König, DVBl. 1963, 81 (83); Masson, BayVBl. 1957, 233 ff.; Röthel/Hartmann, UTR 31 (1995), 71 (96 f.); Schenke, DÖV 1979, 622 (624 f.); ders., zitiert nach Sigg, in: Brohm, Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 75 (92 f.); Wahl, NVwZ 1991, 409 (417). – A. A. Ko, Verwaltungsvorschriften als Außenrecht, 1991, S. 132-135; W. Leisner, Verwaltungs-
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
gelmäßig auf die rein verwaltungsinterne Funktion der Verwaltungsvorschriften verwiesen, die die Rechtssphäre des Bürgers nicht tangierten und deshalb keine „Rechtsvorschriften“ darstellten. Die Rechtsprechung bietet sowohl im Ergebnis als auch in der Argumentation im wesentlichen dasselbe Bild.128 Lediglich vereinzelt wird differenziert. Namentlich der VGH Mannheim betrachtet in ständiger Rechtsprechung bestimmte Verwaltungsvorschriften über die Arbeitszeit der Lehrer an öffentlichen Schulen als „Rechtsvorschriften“ und bezieht sie in den Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ein.129 Schon früh hielten Teile des Schrifttums Organisationsvorschriften für normenkontrollfähig, sofern und soweit sie die Rechtssphäre des Bürgers tangierten.130 Ebenfalls wurde den ursprünglich den Verwaltungsvorschriften zugerechneten Anstaltsordnungen teilweise die Qualität von „Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 47 VwGO zuerkannt.131 Jedoch sind diese Hinweise auf Ausnahmefälle beschränkt geblieben und deshalb nur bedingt verallgemeinerungsfähig. Nach wie vor klärungsbedürftig ist daher, ob Verwaltungsvorschriften dem Begriff „Rechtsvorschriften“ in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO unterfallen. ___________ vorschriften als „Nebengesetze“ im Steuerrecht?, 1982, S. 62 hinsichtlich organisatorischer und ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 553-555; ders., DVBl. 1969, 526 (529) hinsichtlich normergänzender Verwaltungsvorschriften; K. Meyer, in: Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung, 1970, S. 161 (165); Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (242); ders., zitiert nach Sigg, in: Brohm, Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 75 (86-91); Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (191-193); Beckmann, DVBl. 1987, 611 (insb. 612-615); Bickel, NJW 1985, 2441 (2446); v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (91); Hill, NVwZ 1989, 401 (410); Sparwasser/v. Komorowski, VBlBW 2000, 348 (354); Weidemann, DVBl. 1984, 767 (770-772) hinsichtlich in Gestalt von Verwaltungsvorschriften erlassenen regionalen Raumordnungsplänen; Weyreuther, DVBl. 1976, 853 (856); wohl auch Redeker, JZ 1968, 537 (538-540). – Differenzierend nunmehr Gerhardt (1998), in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 24-30; ablehnend noch ders., NJW 1989, 2233 (2239). 128 BVerwG v. 26.1.1996, JZ 1996, 904 (906); v. 6.11.1986, BVerwGE 75, 109 (118); v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45 (49); BayVerfGH v. 22.10.1992, BayVBl. 1993, 143; BayVGH v. 20.9.2000, DVBl. 2001, 311 ff.; v. 20.1.1956, BayVBl. 1956, 121 (122); v. 30.3.1960, DVBl. 1960, 401; HessVGH v. 15.4.1991, DVBl. 1992, 779 f.; v. 2.4.1948, DÖV 1949, 460 Nr. 18; OVG Lüneburg v. 11.4.1986, ZfBR 1986, 287; VGH BW v. 2.6.1967, DVBl. 1968, 117 (119); Württ.-Bad. VGH v. 5.4.1950, DÖV 1950, 314 (315). 129 VGH Mannheim v. 19.12.1991, VBlBW 1992, 350 (Leitsatz 1, 351); v. 30.1.1989, NVwZ-RR 1990, 257 (Leitsatz 1, 257); v. 3.6.1977, ZBR 1977, 332; v. 15.8.1972, ESVGH 23, 90 (91). 130 So bereits Klinger, VwGO, 2. Aufl., 1964, § 47 Anm. B. 3. c), d); vgl. ferner Eyermann/Fröhler, VwGO, 9. Aufl., 1988, § 47 Rn. 17. 131 Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., 1962, § 47 Anm. II. 1.; Schmidt-Aßmann, zitiert nach Sigg, in: Brohm, Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 75 (89); weitere Nachweise bei Bergmann, VerwArch 51 (1960), 36 (44 in Fn. 28).
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Ausgangspunkt einer jeder grammatischen Interpretation müssen die Rechtsnatur und die Rechtswirkungen von Verwaltungsvorschriften sein. Verwaltungsvorschriften sind Emanationen exekutiver Normsetzungskompetenz und deshalb Rechtsnormen. Allein dieser Befund genügt, um auch Verwaltungsvorschriften der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle unterstellen zu können. Dem halten Teile des Schrifttums entgegen, bei einer solchen Schlußfolgerung mache man sich der „Inversionsmethode der Begriffsjurisprudenz schuldig, indem man aus einer anderen rechtstheoretischen Qualifikation rechtsdogmatische normative Folgerungen ableite“.132 Mit anderen Worten: Selbst wenn Verwaltungsvorschriften Rechtscharakter zukomme, bedürfe es erst noch des Nachweises, ob sie auch von jener Art „Recht“ seien, das § 47 Abs. 1 VwGO meine. Zu überzeugen vermag diese Argumentation keineswegs. Ihr zu folgen bedeutete nicht nur die Zementierung eines verfassungsgeschichtlich bedingten und überholten Rechtsverständnisses. Unausgesprochen gesteht sie den anerkannten Rechtsvorschriften wie der Rechtsverordnung eine im Vergleich zur Verwaltungsvorschrift herausgehobene Dignität zu, die der verfassungsrechtlichen Funktionenordnung diametral gegenüber steht. Sowohl Verwaltungsvorschrift als auch Rechtsverordnung beruhen auf derselben verfassungsunmittelbaren Rechtsetzungskompetenz der Exekutive. Diese Einsicht ist zwingend. Sie gebietet die Erstreckung der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auf beide exekutiven Handlungsformen, mithin auch auf die Verwaltungsvorschrift. Eine Beschränkung des Begriffs der „Rechtsvorschriften“ in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auf Rechtsvorschriften mit einer bestimmten Bindungswirkung oder einem bestimmten Adressatenkreis findet auch in der Genese und dem Telos der Vorschrift keine Stütze. So liegt die Funktion der Normenkontrolle nach dem Willen des Gesetzgebers darin, daß sie durch unmittelbare Klärung der Normgültigkeit zahlreiche Einzelprozesse vermeidet und dadurch einen Entlastungseffekt bewirkt.133 Da Verwaltungsvorschriften die Gerichte ebenso binden wie die anderen in § 47 VwGO genannten Rechtsnormen, wirkt eine Normenkontrolle ihnen gegenüber genauso entlastend wie in den übrigen Fällen. Eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO muß daher immer bei abstrakten Regelungen bejaht werden, die als inhaltsbestimmende Anordnung für eine Vielzahl von Einzelakten dienen. Zutreffend leitet das Bundesverwal___________ 132
Ausdrücklich Schenke, DÖV 1979, 622 (624); ebenso bereits Ossenbühl, DVBl. 1969, 526 (527). 133 So die Begründung zum Entwurf einer Verwaltungsgerichtsordnung v. 5.12.1957, BT-Drucks. III/55, S. 33 zu § 46: „Der Zweck der abstrakten Normenkontrolle liegt darin, durch eine einzige Entscheidung eine Reihe von Einzelklagen zu vermeiden und dadurch die Verwaltungsgerichte zu entlasten.“; vgl. des weiteren die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften v. 21.11.1975, BT-Drucks. 7/4324, S. 6: „Die Normenkontrolle dient damit der Beschleunigung des Rechtsschutzes, der Rechtsklarheit und der ökonomischen Gestaltung des Prozeßrechts [...].“
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tungsgericht daher aus der Entstehungsgeschichte des § 47 VwGO ab, daß der Begriff der „Rechtsvorschrift“ in einem „weiteren Sinn“ zu verstehen ist.134 Auch dem 6. VwGOÄndG135 kann keine anderslautende Absicht des Gesetzgebers entnommen werden. Mit der Beschränkung der Antragsbefugnis in § 47 Abs. 2 VwGO strebte der Gesetzgeber zwar offensichtlich eine Erschwerung der gerichtlichen Normverwerfung gemäß § 47 Abs. 5 VwGO an. Allerdings bezog er sich wohl ausschließlich auf die Satzungen nach dem BauGB, um die gemeindliche Bauleitplanung zu beschleunigen; das Problem der Verwaltungsvorschriften wurde dagegen nicht in den Blick genommen.136 Von daher sprechen die Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 47 VwGO eher für als gegen eine Öffnung der Normenkontrolle gegenüber Verwaltungsvorschriften.137 Daß die gegenteilige Auffassung zudem aus gesetzessystematischen Gründen verfehlt ist, zeigt die Regelung in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist jede Person antragsbefugt, „die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden“. Auch Rechtsvorschriften, die eines weiteren Verwaltungsvollzugs bedürfen und selbst noch keine Rechte Dritter beeinträchtigen, insoweit gerade keine „Außenwirksamkeit“ zeitigen, sind mithin grundsätzlich normenkontrollfähig.138 Unbestreitbar muß daraus die Schlußfolgerung gezogen werden, daß sich die Zulässigkeit eines Antrags nach § 47 VwGO nicht nach der Reichweite des formalen Adressatenkreises einer Norm bemißt. Jede andere Auffassung vermengte demgegenüber die Statthaftigkeit eines Antrags nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO mit der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Wenn nun in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ausschließlich Rechtsverordnungen und Satzungen als Gegenstand der Normenkontrolle angeführt werden, widerspricht das nicht der hier vertretenen Auffassung. Insbesondere kann Nr. 1 der Vorschrift kaum zwingend entnommen werden, daß auch unter den „Rechtsvorschriften“ nach Nr. 2 nur Regelungen mit gesetzesgleicher Bindungswirkung zu verstehen sind.139 Denn unterschiedliche Grade von (materieller) Verbindlichkeit sind den traditionellen Rechtsvorschriften gleichfalls bekannt – man denke ___________ 134
BVerwG v. 25.11.1993, BVerwGE 94, 335 (337); v. 15.9.1987, NVwZ 1988, 1119 (1120). 135 Sechstes Gesetz zur Änderung der VwGO und anderer Gesetze v. 1.11.1996, BGBl. I S. 1626. 136 Vgl. die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des 6. VwGOÄndG v. 6.3.1996, BT-Drucks. 13/3993, S. 10 zu Art. 1 Nr. 2 (§ 47 VwGO). 137 So bereits Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 554 f. unter Hinweis auf Württ.-Bad. VGH v. 5.4.1950, DÖV 1950, 314 (315 re.) und Bergmann, VerwArch 51 (1960), 36 (38). – Dagegen Schenke, DÖV 1979, 622 (624). 138 So auch Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 242. 139 So aber die Argumentation von Wahl, NVwZ 1991, 409 (417).
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nur an Soll-Vorschriften oder Vermutungsregeln. Beachtlich ist ferner das Gebot des § 47 Abs. 5 Satz 2 Hs. 2 VwGO, nach dem die Entscheidungsformel im Falle der Ungültigkeit einer Norm ebenso zu veröffentlichen ist, „wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre“. Gerade die Formulierung „bekanntzumachen wäre“ besagt, daß das Normenkontrollverfahren nicht ausschließlich gegen solche Rechtsvorschriften zulässig sein soll, die – wie die traditionellen Rechtsnormen – förmlich im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen sind. Normenkontrollfähig sollen vielmehr auch Vorschriften sein, deren ordnungsgemäße Bekanntmachung etwa in Amts- oder Ministerialblättern erfolgt. Zu dieser Gruppe zählen indes ebenfalls die Verwaltungsvorschriften. Verwaltungsvorschriften sind deshalb grundsätzlich statthafter Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Erforderlich ist freilich ein Landesgesetz, welches die Entscheidungskompetenz des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 47 VwGO auf die in Abs. 1 Nr. 2 genannten „Rechtsvorschriften“140 erstreckt.141
3. Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO? Des weiteren fragt sich, ob die behördliche Aufhebung von Verwaltungsvorschriften im Wege einer Leistungsklage begehrt werden kann. Wichtig ist die Beantwortung dieser Frage vor allem für die Bundesländer Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, die von der Möglichkeit der Einführung einer Nor___________ 140 Unabhängig von der Frage, ob sich die Regelungsbefugnis der Länder auch auf den Kreis der kontrollfähigen Normen erstreckt: Wegen des insoweit kodifikatorischen Charakters der VwGO (Art. 72 Abs. 1 GG) dürfen die Länder jedenfalls keine abweichenden Regelungen hinsichtlich des in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO verwandten Begriffs der „Rechtsvorschrift“ treffen. Vgl. etwa M. Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 47 Rn. 2: Verfahrensvorschriften des § 47 VwGO gelten unmittelbar in den Ländern und nicht nur als Rahmenrecht. 141 Eingeführt haben die Normenkontrolle die Bundesländer Baden-Württemberg (§ 4 AGVwGO), Brandenburg (§ 4 Abs. 1 VwGG), Bremen (Art. 7 AGVwGO), Hessen (§ 11 AGVwGO), Mecklenburg-Vorpommern (§ 13 AGGerStrG), Niedersachsen (§ 7 VwGG), Saarland (§ 16 AGVwGO), Sachsen (§ 14 VerfAG), Sachsen-Anhalt (§ 10 AGVwGO), Schleswig-Holstein (§ 5 AGVwGO) und Thüringen (§ 4 AGVwGO), ferner mit gewissen Einschränkungen Bayern (Art. 5 AGVwGO) und Rheinland-Pfalz (§ 4 AGVwGO). Demgegenüber haben Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen von der Möglichkeit des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bislang keinen Gebrauch gemacht. Kritik an der Konzentration der Rechtsschutzdebatte auf § 47 VwGO äußert daher Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 382 mit Fn. 179: „§ 47 VwGO ist für den Individualrechtsschutz gegenüber [...] Verwaltungsvorschriften ein ausgesprochener Nebenkriegsschauplatz.“ – Zur Bundesrechtswidrigkeit der bayerischen Rechtslage vgl. einerseits H. Geiger, BayVBl. 1995, 363 ff.; andererseits Allesch, BayVBl. 1996, 331 f. Zu den Besonderheiten der rheinland-pfälzischen Rechtslage vgl. BVerwG v. 1.8.1990, NVwZ-RR 1991, 54 f.
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menkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bislang keinen Gebrauch gemacht haben.142 Um ein Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Die Aufhebung von Verwaltungsvorschriften mit der Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO erzwingen zu wollen, ist nicht statthaft. Als Verpflichtungsklage bezeichnet die VwGO die Klage auf Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts. Weder die Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift noch die Verwaltungsvorschrift selbst sind indes Verwaltungsakte. Zudem verlangt § 68 VwGO, vor Erhebung der Verpflichtungsklage die Rechtund Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren abzuklären. Die Recht- und Zweckmäßigkeit einer Verwaltungsvorschrift aber in einem befristeten Vorverfahren nachprüfen zu wollen, wäre insofern systemwidrig, als Verwaltungsvorschriften nicht wie Verwaltungsakten nach Fristablauf erhöhte Bestandskraft zukommt. Auch die Fristvorschriften der Verpflichtungsklage können nicht ohne Systembruch auf Verwaltungsvorschriften angewendet werden. Unabhängig davon, ob die Verkündung einer Verwaltungsvorschrift einer Zustellung im Sinne der §§ 70, 74 VwGO gleichgesetzt wird und man so zur Monatsfrist des § 74 VwGO kommt oder ob die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO für einschlägig erachtet wird: In beiden Fällen ergibt sich eine Diskrepanz zwischen der auf Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift gerichteten Verpflichtungsklage und dem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, das gerade unbefristet zulässig ist.
4. Allgemeine Leistungsklage? Ist eine Verpflichtungsklage unmittelbar auf Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift nicht statthaft, muß an die Möglichkeit einer allgemeinen Leistungsklage gedacht werden.143 Dies gilt um so mehr, als verschiedene Obergerichte die Statthaftigkeit einer allgemeinen Leistungsklage auf Normerlaß oder Normergänzung sowie einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen drohenden Normerlaß anerkannt haben.144 Für die Statthaftigkeit der allgemeinen Lei___________ 142 Einigkeit herrscht über die fehlende Analogiefähigkeit des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Vgl. BVerwG v. 7.9.1989, DVBl. 1990, 155 (156); BayVGH v. 15.12.1980, BayVBl. 1981, 499 (501 ff.); HessVGH v. 15.4.1991, DVBl. 1992, 779 f. Angesichts des eindeutigen Einführungsvorbehalts in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO mangelt es in der Tat an der für eine analoge Anwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. 143 Für die Statthaftigkeit einer allgemeinen Leistungsklage auf Änderung oder Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift plädieren Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 382 f.; Schenke, DÖV 1979, 622 (627-629). – A. A. dagegen Müller-Volbehr, DVBl. 1976, 57 (60 mit Fn. 37); ähnlich Kopp, BayVBl. 1976, 719 (720). 144 Vgl. etwa BayVGH v. 15.12.1980, BayVBl. 1981, 499 (503); im Ergebnis ebenso Duken, NVwZ 1993, 546 (547); Renck, JuS 1982, 338 (341 f.); für die Statthaftigkeit einer Normerlaßklage in Gestalt einer allgemeinen Feststellungsklage dagegen BVerwG v. 7.9.1989, NVwZ 1990, 162 (163); v. 3.11.1988, BVerwGE 80, 355 (365).
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stungsklage bei Normbeseitigungsklagen sprechen vordergründig die maßgeblichen Merkmale des Normaufhebungsanspruchs. Er ist seiner Art nach ein Leistungsanspruch, gerichtet auf ein Tätigwerden des Normgebers, hier des Verwaltungsvorschriftengebers. Dessen Tätigwerden besteht in einem Hoheitsakt, der Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift. Der Normbeseitigungsanspruch ist mithin auf eine nicht vertretbare Handlung gerichtet. Dennoch wird die allgemeine Leistungsklage von Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung für unstatthaft gehalten. Denn Gegenstand einer Leistungsklage könne nur ein Einzelakt der Verwaltung, nicht aber ein abstrakter Rechtsetzungsakt sein.145 Weil der Klagegegenstand der allgemeinen Leistungsklage von der VwGO aber nicht ausdrücklich geregelt wird, läßt der Wortlaut des Gesetzes sehr wohl beides zu, den Bezug auf einen Einzelakt und eine Rechtsnorm. Zudem: Die Geltendmachung einer Individualberechtigung auf Normaufhebung ist ein Einzelfall.146 Stärkeres Gewicht erlangt indes der Fingerzeig auf die Regelung in § 47 VwGO. Dort verdeutlicht die VwGO, daß sie Rechtssätze einem Normenkontrollverfahren unterstellen will, das seinem Wesen nach ein Feststellungsverfahren ist.147 Entscheidend gegen die Statthaftigkeit einer allgemeinen Leistungsklage spricht freilich folgendes: Rechtswidrige Rechtsnormen sind grundsätzlich nichtig. Nichtige Rechtssätze wiederum können bei Lichte betrachtet gar nicht aufgehoben werden. Einer allgemeinen Leistungsklage auf Aufhebung einer (nichtigen) Verwaltungsvorschrift fehlt damit der Gegenstand. Die Gegenauffassung vermag das „logische Kunststück“148 nicht zu erklären, wie etwas nicht Existierendes rechtsgestaltend aufgehoben werden soll. Rechtsschutz gegen den gleichwohl bestehenden „Rechtsschein“ kann allenfalls die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Verwaltungsvorschrift bieten. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist insofern Emanation eines allgemeinen Rechtsgedankens.149 Doch auch eine allgemeine Leistungsklage auf Verurteilung der Behörde zur Feststellung der Nichtigkeit einer Verwaltungsvorschrift ist im Ergebnis un___________ 145
So die Argumentation von OVG Koblenz v. 10.3.1988, NJW 1988, 1684 ff.; Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 375 (S. 237 f.); Würtenberger, AöR 105 (1980), 370 (385); ferner Robbers, JuS 1988, 949 (952). 146 Ähnlich Renck, JuS 1982, 338 (342) hinsichtlich der Frage des gerichtlichen Rechtsschutzes bei Normerlaßansprüchen. 147 Ebenso Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 375 (S. 238); wohl auch BayVGH v. 15.12.1980, BayVBl. 1981, 499 (503). 148 Zur Problematik der Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage gegen nichtige Verwaltungsakte auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 14 Rn. 11 (S. 232 f.). 149 Vgl. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, § 42 Rn. 49; Maurer, in: Festschrift für E. Kern, 1968, S. 275 (296 f.); ferner Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 153 in Fn. 543, 160.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
statthaft. Die Wahl der Klageart steht nach der Maßgeblichkeit des Klageziels unter dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses. Die Klageform muß dem Klagebegehren möglichst genau entsprechen.150 Eine allgemeine Leistungsklage könnte nun bestenfalls dazu führen, daß das Verwaltungsgericht die Behörde dazu verpflichtet, die Nichtigkeit der betreffenden Verwaltungsvorschrift festzustellen. Demgegenüber führt eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zur Feststellung der Nichtigkeit der Verwaltungsvorschrift durch das Gericht. Sie entspricht daher eher dem vom Kläger erstrebten Ziel als eine allgemeine Leistungsklage auf Verurteilung der Behörde zur Feststellung der Nichtigkeit einer Verwaltungsvorschrift.
5. Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO Die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO ist auf die Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet.151 Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis werden allgemein die rechtlichen Beziehungen verstanden, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO umfaßt demnach nur Beziehungen, aus denen sich konkrete Rechte oder Pflichten des einzelnen ergeben. Es muß sich also um ein konkretes Rechtsverhältnis handeln.152 Daraus folgt zunächst, daß die Klage auf Feststellung der abstrakten Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Verwaltungsvorschrift unzulässig ist, weil mit der Feststellungsklage nicht das Ziel einer abstrakten Normenkontrolle erreicht werden kann.153 Soweit sich eine Verwaltungsvorschrift dagegen konkret auf die Rechtsstellung einzelner auswirkt, begründen diese Auswirkungen ein konkretes und damit feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.154 In diesem Fall wird es dem ___________ 150 Vgl. statt vieler Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 125 (S. 87). 151 Daneben bestimmt § 43 Abs. 1 Var. 2 VwGO, daß mit der Feststellungsklage auch die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden kann. 152 Allgemeine Auffassung; vgl. statt vieler Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 328 f. (S. 212 f.). 153 Vgl. nur BVerwG v. 16.11.1989, NJW 1990, 1866; v. 8.6.1962, BVerwGE 14, 235 (236); BayVGH v. 15.3.1989, NVwZ 1989, 976. 154 Dagegen begründet der Antrag eines Bürgers auf Änderung oder Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift kein konkretes Rechtsverhältnis, das gemäß § 43 Abs. 1 VwGO der Klärung im Wege der Feststellungsklage zugänglich wäre. Ansonsten könnte
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung
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Kläger auch nur scheinbar um die Feststellung der abstrakten Ungültigkeit der Verwaltungsvorschrift gehen. Vielmehr ist sein – insoweit zulässiges – Begehren auf die Feststellung gerichtet, ob die in ihrer Gültigkeit bezweifelte Verwaltungsvorschrift ihn im konkreten Einzelfall berechtigt oder verpflichtet.155 Zur Klarstellung sei freilich an dieser Stelle hervorgehoben: Im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Gültigkeit einer Verwaltungsvorschrift nur inzidenter (als Vorfrage) überprüft werden. Ob es auch ein Rechtsschutzverfahren geben muß, bei dem die Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift nicht nur Vorfrage, sondern Streitgegenstand ist, erscheint demgegenüber zweifelhaft. Aus Art. 19 Abs. 4 GG wird man die Statthaftigkeit einer solchen prinzipalen Feststellungsklage jedenfalls nicht ableiten können. Zwar ist unter Ausübung „öffentlicher Gewalt“ im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ebenfalls der Erlaß von Verwaltungsvorschriften einzuordnen,156 so daß grundsätzlich auch diese Hoheitsakte einer effektiven Gerichtskontrolle unterworfen werden müssen. Allerdings wird dem Rechtsschutzanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG auch ohne prinzipalen Rechtsschutz voll genügt. Denn es ist kein Fall denkbar, in dem eine mögliche subjektive Rechtsschutzverletzung nicht durch das Rechtsschutzsystem der VwGO einer effektiven Gerichtskontrolle zugeführt werden könnte.157
6. Regelungsgehalt des § 44 a VwGO Ob Verwaltungsvorschriften freilich auch gerichtlicher Kontrollgegenstand sein können, wenn der Rechtsschutzbegehrende im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in ihren Anwendungsbereich gelangt, erscheint problematisch. Denn nach § 44 a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen „nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden“. Müssen Verwaltungsvorschriften aber als Teil eines Verwaltungsverfahrens interpretiert werden, könnte die Zulässigkeit einer isolierten Klage an der Hürde des § 44 a VwGO scheitern. Mit § 44 a VwGO wollte der Gesetzgeber gerichtlichen Rechtsschutz auf oder gegen einzelne ___________ der bloße Antrag auf individuelle Beantwortung einer für sich genommen abstrakten Rechtsfrage immer ein konkretes Rechtsverhältnis begründen. Das Rechtsverhältnis muß indes bereits vor dem Antrag hinreichend konkret sein. 155 Vgl. BVerwG v. 9.12.1982, DÖV 1983, 548 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 43 Rn. 8, 14. 156 Zum verfassungsrechtlichen Gebot der gerichtlichen Überprüfung auch von Rechtssätzen Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 19 Rn. 29; Schenke, JuS 1981, 81 ff. – A. A. hinsichtlich formeller Gesetze BVerfG v. 10.5.1977, BVerfGE 45, 297 (334); v. 27.7.1971, BVerfGE 31, 364 (369) in bezug auf Bebauungspläne. 157 Ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 43 Rn. 8; Schmitt Glaeser/ H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 403 (S. 253).
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
Schritte des Verwaltungsverfahrens ausschließen und so die Verfahrensherrschaft der Behörden vor Abschluß des Verfahrens sichern. § 44 a VwGO dient damit der Verfahrensökonomie.158 „Behördliche Verfahrenshandlungen“ im Sinne der Vorschrift sind solche des VwVfG, wie etwa Entscheidungen über die Entgegennahme eines Antrags (§ 22 VwVfG), über die Bestellung eines bestimmten Sachverständigen (§ 26 VwVfG)159 oder über die Hinzuziehung zur Anhörung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens160. Für Verfahrenshandlungen, die nicht auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (§ 9 VwVfG) zielen, sondern auf den Erlaß einer Rechtsverordnung oder einer Satzung gerichtet sind, soll § 44 a VwGO entsprechend anwendbar sein.161 Es fragt sich daher, ob Verwaltungsvorschriften als Produkt eines selbständigen oder als Verfahrenshandlung eines fremden Verwaltungsverfahrens zu verstehen sind. Gegen die letzte Alternative spricht bereits die Funktion der Verwaltungsvorschriften. Sie sind zwar Teil des Gesetzesvollzugs, konkretisieren das Gesetz jedoch durch Typisierung und Pauschalierung und weisen deshalb keinen unmittelbaren Bezug zu einer in ungewisser Zukunft liegenden Einzelfallentscheidung auf. Verwaltungsvorschriften werden zudem in einem eigenständigen Rechtsetzungsprozeß erzeugt, nach dessen ordnungsgemäßen Abschluß die Verwaltungsvorschrift als Rechtsnorm ihre Verbindlichkeit entfaltet. Bei einem solchen Verständnis kann § 44 a VwGO nur Klagen gegen einzelne Verfahrenshandlungen bis zum Zustandekommen der Verwaltungsvorschrift be___________ 158 Zum Zweck des § 44 a VwGO siehe die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines VwVfG v. 18.7.1973, BT-Drucks. 7/910, S. 97 zu § 92 Ziff. 2: „Bei einer Kodifizierung des Verfahrensrechts ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, die Verfahrensvorschriften könnten dazu mißbraucht werden, die sachliche Entscheidung durch Anfechtung der Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren. Das Verwaltungsverfahrensgesetz würde dann nicht der Verwaltungsvereinfachung dienen, sondern zu einer Erschwerung des Verwaltungsverfahrens und zu einer Vermehrung der Rechtsbehelfsverfahren führen. Deshalb wird durch diese Vorschrift eine selbständige Anfechtung von Anordnungen, die nur das Verfahren betreffen, nicht zugelassen.“; ferner aus dem Schrifttum Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 44 a Rn. 1; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 44 a Rn. 1; v. Oertzen, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 44 a Rn. 1; Eichberger, Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen, 1986, S. 22-25; Bettermann, in: Festschrift für H. P. Ipsen, 1977, S. 271 (288 f.); Hill, Jura 1985, 61 ff.; Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 (470 f.); Pagenkopf, NJW 1979, 2382 f.; W. Schmidt, JuS 1982, 745 ff.; Stelkens, NJW 1982, 1237 f. 159 Vgl. etwa VGH Kassel v. 10.9.1991, NVwZ 1992, 391 f.; VGH München v. 18.7.1988, NVwZ 1988, 1054 f. 160 Vgl. etwa OVG Koblenz v. 19.5.1987, DVBl. 1987, 1027 (1028). 161 Redeker/v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl., 1997, § 44 a Rn. 2; a. A. nunmehr v. Oertzen, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 44 a Rn. 2; ebenfalls a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 44 a Rn. 3.
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung
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treffen, nicht hingegen die Verwaltungsvorschrift selbst als Produkt dieses (Rechtsetzungs-)Verfahrens. Eine restriktive Interpretation des § 44 a VwGO entspricht zudem dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung einfachgesetzlichen Rechts.162 Falls eine staatliche Maßnahme innerhalb oder außerhalb eines Verwaltungsverfahrens in Rechte Außenstehender eingreift, gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Gewährung effektiven Rechtsschutzes.163 Darüber kann sich § 44 a VwGO nicht hinwegsetzen. Daß Verwaltungsvorschriften indes subjektive Rechte zu beeinträchtigen vermögen, bedarf nach den bisherigen Erörterungen keines weiteren Beweises mehr. § 44 a VwGO kann daher nur dort Anwendung finden, wo von einer Verwaltungsvorschrift keinerlei rechtsverletzende Beeinträchtigungen für den Bürger ausgehen. Dies gilt um so mehr, sofern man mit der überwiegenden Ansicht § 44 a VwGO einschränkend als Ausprägung einer prozessualen Sachentscheidungsvoraussetzung, genauer: des Rechtsschutzbedürfnisses deutet.164 Denn am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es nur, wenn der Kläger entweder durch die Verfahrenshandlung nicht belastet wird oder sein Ziel anders als durch die Klage leichter erreichen kann.165 Zusammenfassend steht § 44 a Satz 1 VwGO einem Rechtsbehelf gegen Verwaltungsvorschriften nicht entgegen, sofern die Verwaltungsvorschrift in Rechte eines außenstehenden Bürgers eingreift.
___________ 162 Zur verfassungskonformen Auslegung unterverfassungsrechtlichen Rechts grundsätzlich Bettermann, Die verfassungskonforme Auslegung, 1986, passim; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., 1991, § 20 Rn. 9 (S. 275 f.); Zippelius, in: Starck, BVerfG und GG, Bd. II, 1976, S. 108 ff.; Simon, EuGRZ 1974, 85 ff.; ferner Maurer, Staatsrecht I, 3. Aufl., 2003, § 1 Rn. 67-69 (S. 26-28); Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rn. 440-451 (S. 308-316). 163 Allgemeine Meinung; statt vieler Schmidt-Aßmann (2003), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abschn. IV Rn. 246. 164 BVerwG v. 12.4.1978, BayVBl. 1978, 444 (445); Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 44 a Rn. 1; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 23 Rn. 18 (S. 419 f.); Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 128 (S. 89); Hill, Jura 1985, 61. – A. A. Eichberger, Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen, 1986, S. 117; wohl auch Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, 8. Aufl., 2002, Rn. 566 (S. 180). 165 Zum Rechtsschutzbedürfnis allgemein Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 117-135 (S. 83-92); Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, 8. Aufl., 2002, Rn. 557 ff. (S. 178 ff.).
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
II. Inzidenter Rechtsschutz Begehrt der Kläger Rechtsschutz gegen eine von der Verwaltungsvorschrift initiierte Vollzugshandlung, so wird über die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift als Vorfrage entschieden. Die Intensität der richterlichen (Inzident-)Kontrolle im Rahmen einer Gestaltungs-, Leistungs- oder Feststellungsklage wurde bereits an anderer Stelle erörtert.166
III. Vorbeugender Rechtsschutz Sofern Verwaltungsvorschriften oder das durch sie angeordnete Verwaltungshandeln subjektivrechtliche Relevanz gegenüber dem Bürger aufweisen, muß unter Rechtsschutzgesichtspunkten an die Möglichkeit vorbeugenden Rechtsschutzes gedacht werden. In Betracht zu ziehen ist vorbeugender Rechtsschutz sowohl gegen die durch die Verwaltungsvorschrift angeordneten Vollzugshandlungen als auch gegen den drohenden Erlaß einer Verwaltungsvorschrift.
1. Vorbeugender Rechtsschutz gegen einzelne Vollzugshandlungen Zwar wird zumeist kein Bedürfnis zur Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes bestehen, da dem Betroffenen regelmäßig zuzumuten ist, die Ausführung der Verwaltungsvorschrift abzuwarten und dann gegen den Vollzugsakt vorzugehen. Sofern und soweit allerdings ein repressiver Rechtsschutz nicht effektiv ist, kann bereits vor der Vollziehung der Verwaltungsvorschrift ein Bedürfnis nach einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen einzelne Vollzugshandlungen bestehen.167 Eine Klage auf Unterlassung schlichten Verwaltungshandelns ist inzwischen allgemein anerkannt.168 Wird eine Verwaltungsvorschrift dagegen durch Verwaltungsakte ausgeführt, so gilt es zu beachten, daß der Betroffene nach dem Erlaß des Verwaltungsakts Widerspruch und Anfechtungsklage erheben kann und durch die nach § 80 Abs. 1 VwGO eintretende aufschiebende Wirkung ausreichend geschützt wird. Nach fast einhelliger Auffassung hindert dies die ___________ 166
Siehe dazu oben 5. Teil § 10. So auch Müller-Volbehr, DVBl. 1976, 57 (61); Schenke, DÖV 1979, 622 (629). 168 Zur Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes statt vieler Detterbeck, Zum präventiven Rechtsschutz gegen ultra-vires-Handlungen öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, 1990, S. 122-125; ferner Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 16 Rn. 4 ff. (S. 320 ff.); Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 378 f. (S. 240). 167
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grundsätzliche Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes gegen künftige Verwaltungsakte indes nicht.169 Verlangt wird aber ein besonderes, qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis;170 für die Zulässigkeit der Klage sind „besondere Gründe notwendig, die es rechtfertigen, den nachteiligen Verwaltungsakt nicht abwarten zu müssen“171. Solche Unzumutbarkeitsgründe liegen etwa vor in Fällen, in denen ein irreparabler Schaden entstünde172 oder die Gefahr der Verfestigung einer Situation vor Erlaß der Regelung besteht, bei sich kurzfristig erledigenden Entscheidungen173 oder bei strafbewehrten Verwaltungsakten.174 Eine vorbeugende Unterlassungsklage gegen die durch eine Verwaltungsvorschrift initiierten Vollzugshandlungen ist daher prinzipiell zulässig. Dagegen dürfte eine vorbeugende Feststellungsklage wegen der Subsidiaritätsklausel in § 43 Abs. 2 VwGO in aller Regel ausscheiden.175
2. Vorbeugender Rechtsschutz gegen den drohenden Erlaß einer Verwaltungsvorschrift Weitere verwaltungsprozessuale Probleme eröffnen sich in Fällen, in denen ein effektiver Rechtsschutz gegen die auf der Verwaltungsvorschrift fußenden Vollzugshandlungen nicht möglich ist. Aus dem Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes wird man dann die Forderung nach einem gerichtlichen Rechtsschutz unmittelbar gegen den drohenden Erlaß der Verwaltungsvorschrift ablei___________ 169 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 16 Rn. 10-13 (S. 322 f.); H. Dreier, NVwZ 1988, 1073 (1074); ders., JA 1987, 415 (421-424); Peine, Jura 1983, 285 (288-292). – A. A. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 313 (S. 201 f.). 170 Vgl. BVerwG v. 7.5.1996, DVBl. 1996, 1192 (1193); v. 18.4.1985, DVBl. 1985, 857; v. 26.6.1981, DVBl. 1981, 936 (939); BayVGH v. 4.9.1984, NVwZ 1985, 837; ferner jeweils mit weiteren Nachweisen H. Dreier, NVwZ 1988, 1073 (1076); Erichsen, Jura 1992, 384 (386); Peine, Jura 1983, 285 (292-294). 171 BVerwG v. 12.1.1967, BVerwGE 26, 23 (25). 172 Beispiel: OVG Münster v. 22.10.1982, NJW 1984, 1642. 173 Beispiel: BayVGH v. 9.12.1992, BayVBl. 1993, 468 f. 174 Allgemein zur Unzumutbarkeit repressiven Rechtsschutzes siehe die oben in Fn. 170 aufgeführten Nachweise. 175 So auch Detterbeck, Zum präventiven Rechtsschutz gegen ultra-vires-Handlungen öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, 1990, S. 138 ff.; Müller-Volbehr, DVBl. 1976, 57 (62); Schenke, DÖV 1979, 622 (629). Nimmt man mit der wohl überwiegenden Ansicht dagegen an, daß die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO im Verhältnis zur vorbeugenden Unterlassungsklage nicht gilt, wäre eine vorbeugende Feststellungsklage gegenüber den durch die Verwaltungsvorschrift bewirkten Vollzugshandlungen statthaft. Zur herrschenden Rechtsprechung und Lehre vgl. BVerwG v. 27.3.1992, NJW 1992, 2496 (2497); v. 7.5.1987, NVwZ 1988, 430 (431); OVG Hamburg v. 27.2.1995, NVwZ 1995, 1135 (1136); H. Dreier, NVwZ 1988, 1073 (1077) mit weiteren Nachweisen.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
ten müssen. Die statthafte Klageart besteht auch hier nicht in einer allgemeinen Leistungs-Unterlassungsklage.176 Rechtsschutz gegen die Unterlassung einer Verwaltungsvorschrift ist vielmehr in Form einer vorbeugenden Feststellungsklage zu gewähren, gerichtet auf die Feststellung, daß die Verwaltungsvorschrift nicht erlassen werden darf.177 Die Begründung für die fehlende Statthaftigkeit einer allgemeinen Leistungs(-Unterlassungs)klage wurde bereits geliefert. Das erforderliche besondere, qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis kann allerdings nicht allein deswegen bejaht werden, weil eine Verwaltungsvorschrift eine Vielzahl von Verwaltungsakten gegenüber einem Bürger zu initiieren vermag. Lediglich dann wird eine vorbeugende Feststellungsklage als zulässig angesehen werden müssen, soweit dem Betroffenen keine Klage direkt gegen die Verwaltungsvorschrift zumutbar ist. Das dürfte etwa der Fall sein, wenn er gegen eine Vielzahl in etwa gleichzeitig zu erwartender Verwaltungsakte Klage erheben müßte und sich deshalb nur mit einer möglichst frühzeitigen präjudizierenden Gerichtsentscheidung wirksam zur Wehr setzen kann.178 Sofern die in Ausführung der Verwaltungsvorschrift zu erwartenden Vollzugsakte demgegenüber zeitlich so gestaffelt sind, daß ein Unterlassungsurteil im Einzelfall noch vor dem Erlaß weiterer belastender Vollzugsakte berücksichtigt werden kann, wird eine vorbeugende Unterlassungsklage gegen den Vollzugsakt dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen genügen.179 Eine vorbeugende Feststellungsklage gegen den drohenden Erlaß einer Verwaltungsvorschrift wird deshalb nur in Sondersituationen möglich sein.
IV. Vorläufiger Rechtsschutz Greift der Kläger im Hauptsacheverfahren unmittelbar eine Verwaltungsvorschrift an, ist ferner eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung der Vorschrift im Wege vorläufigen Rechtsschutzes denkbar. Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens kann dies auf Antrag gemäß § 46 Abs. 6 VwGO geschehen, wenn eine einstweilige Anordnung „zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten“ ist. Dabei haben die Gründe, welche der Antragsteller für die Ungültigkeit der angegriffenen Verwaltungsvorschrift vorbringt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Etwas anderes gilt
___________ 176
So aber Schenke, DÖV 1979, 622 (630). Ebenso BVerwG v. 29.7.1977, BVerwGE 54, 211 (214 ff.); v. 8.9.1972, BVerwGE 40, 323 (327 f.) hinsichtlich der Unterlassung einer untergesetzlichen Normsetzung; a. A. BayVGH v. 4.9.1984, BayVBl. 1985, 83 (84). 178 Vgl. die Fallkonstellation bei BayVGH v. 31.3.1980, BayVBl. 1980, 692. 179 Zutreffend Müller-Volbehr, DVBl. 1976, 57 (63). 177
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung
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nur dann, wenn die jeweilige Norm offensichtlich gültig oder offensichtlich ungültig ist.180 Ein Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung einer Verwaltungsvorschrift kann zudem an eine vorbeugende Unterlassungsklage gegen drohende Vollzugsakte gekoppelt werden. Die Zulässigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes des Bürgers richtet sich in diesem Fall nach § 123 Abs. 1 VwGO.181 Danach kann das Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung zur Hauptsache untersagen, die Verwaltungsvorschrift durch Realakt oder Verwaltungsakt zu vollziehen.
V. Revisibilität der Verwaltungsvorschriften Erlangen die Verwaltungsvorschriften dergestalt normatives Gewicht, ist es nur noch ein Schritt zur Anerkennung ihrer Revisibilität. Das Schrifttum verweigert sich dieser Einsicht jedoch bislang fast einhellig.182 Zur Begründung wird durchgehend auf die fehlende Rechtssatzeigenschaft der Verwaltungsvorschriften verwiesen. Verwaltungsvorschriften stellten keine Rechtssätze, sondern eine im voraus bekanntgegebene Verwaltungspraxis dar, die vom Tatsachengericht als Willenerklärung analog § 133 BGB auszulegen sei. Das Revisionsgericht könne daher nur prüfen, ob die Auslegung der Verwaltungsvorschrift durch das Tatsachengericht dem Recht, insbesondere dem Gleichheitssatz entspreche.183 Das Bundesverwaltungsgericht begann demgegenüber erstmals in den 1960er Jahren am Dogma der Irrevisibilität zu rütteln. Hatte es Verwaltungsvorschriften zunächst für irrevisibel erklärt, da sie keine Rechtssätze seien,184 ging es später dazu über, die als Verwaltungsvorschriften erlassenen beamtenrechtlichen Beihilfevorschriften als revisibles Recht anzuerkennen.185 Seit dem Ende ___________ 180 Zu den Voraussetzungen eines Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 34 Rn. 2 ff. (S. 559 ff.); Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 452 (S. 276). 181 Zum vorläufigen Rechtsschutz im Rahmen der Feststellungsklage siehe Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., 2000, Rn. 368 (S. 233). 182 Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 137 Rn. 4, 18, 25; v. Oertzen, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 137 Rn. 5 f.; P. Schmidt, in: Eyermann/ Fröhler, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 137 Rn. 4; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003, § 41 Rn. 17 (S. 656); differenzierend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 561 f.: Revisibilität von Verwaltungsvorschriften mit Ergänzungsfunktion. 183 Siehe die oben in Fn. 182 angeführten Nachweise. 184 Etwa BVerwG v. 9.10.1957, DVBl. 1958, 173 (174). 185 Ständige Rechtsprechung; vgl. nur BVerwG v. 10.6.1999, NVwZ-RR 2000, 99; v. 10.4.1997, ZBR 1997, 359 (360); v. 24.8.1995, BayVBl. 1996, 218 (219); v.
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
der 1990er Jahre unterwirft es zusätzlich normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften im Umwelt- und Technikrecht in vollem Umfang der revisionsgerichtlichen Prüfung.186 Die übrigen Verwaltungsvorschriften dagegen behandelt das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren weiterhin als irrevisible Tatsachen.187 Eine solche Sichtweise übersieht die eigenständige normative Bedeutung der Verwaltungsvorschriften, deren Außenwirkung gerade nicht auf ihrem Vollzug, genauer: auf Art. 3 Abs. 1 GG beruht. Verwaltungsvorschriften sind Rechtsnormen und als solche für die Gerichte verbindlich. Jede andere Auffassung bräche mit der grundgesetzlichen Funktionen- und Kompetenzordnung. Sie sind von den Gerichten wie Rechtsnormen auszulegen und unterliegen deshalb sehr wohl der revisionsgerichtlichen Überprüfung wie auch sonstige Sätze des Rechts. Einschränkend ist allerdings eines zu beachten. Gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann die Revision allein darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von „Bundesrecht“ beruhe. Landesrecht ist nur insofern revisibel, als es aufgrund der Ermächtigung in Art. 99 Hs. 2 GG188 oder durch Bundesgesetz189 ausdrücklich für revisibel erklärt ist190 oder mit Bundesrecht inhaltsgleich ist.
___________ 30.6.1983, NVwZ 1985, 417 (418 f.); v. 28.4.1988, BVerwGE 79, 249 (251); v. 18.9.1985, BVerwGE 72, 119 (121); v. 12.6.1985, BVerwGE 71, 342 ff.; v. 24.3.1982, BVerwGE 65, 184 (186); v. 21.1.1982, BVerwGE 64, 333 (334); v. 26.6.1975, BVerwGE 49, 30 (32); v. 26.6.1975, BVerwGE 49, 24 (26); v. 3.9.1970, BVerwGE 36, 53 (55); v. 11.7.1962, BVerwGE 14, 307 (310); v. 24.10.1962, JR 1963, 432 (433); v. 30.4.1962, DVBl. 1963, 182; v. 6.7.1960, BVerwGE 11, 56 (59); vgl. ferner BayVerfGH v. 13.12.1995, ZBR 1996, 93 (94); OVG NRW v. 27.9.2001, RiA 2002, 250 f. – Gegen eine Revisibiliät aber noch BVerwG v. 11.5.1988, DÖV 1988, 974 (975). 186 BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (218 f.); v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340 f.); ausdrücklich unentschieden noch BVerwG v. 24.5.1991, NVwZ 1991, 1187. 187 Vgl. BVerwG v. 25.2.1993, NVwZ 1993, 692 (693); v. 24.9.1992, NVwZ 1993, 977 (978); v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45 (51 f.); v. 29.3.1968, BVerwGE 29, 261 (269); v. 9.10.1957, VerwRspr. 10 (1958), 614 (616). 188 Beispiele: Art. 97 BayVwVfG; § 5 BlnAGVwGO. 189 Beispiel: § 127 Nr. 2 BRRG. 190 Dazu ausführlich Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 137 Rn. 9 ff., 15 ff.; P. Schmidt, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 137 Rn. 18.
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung
435
B. Bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz Verwaltungsvorschriften können schließlich Gegenstand bundesverfassungsgerichtlicher Verfahren sein, wie (vereinzelte) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts belegen.191
I. Organstreitverfahren Die Möglichkeit eines Organstreitverfahrens (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63-67 BVerfGG) scheidet allerdings zunächst aus. Beteiligtenfähig im Rahmen eines Organstreitverfahrens sind lediglich alle Verfassungsorgane, unter bestimmten Voraussetzungen die Teile dieser Verfassungsorgane und andere Beteiligte, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG),192 mithin Antragsteller, die durch Verwaltungsvorschriften überhaupt nicht ansprechbar sind. Denn Kern des Bundesorganstreitverfahrens ist das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen den Beteiligten, wie § 64 Abs. 1 BVerfGG verdeutlicht. Verwaltungsvorschriften dagegen können nur verwaltungsrechtliche Fragen regeln.
II. Abstrakte Normenkontrolle Größeres rechtliches Interesse verdient dagegen die Frage, ob Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel über die Gültigkeit von Verwaltungsvorschriften zu einer abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 7679 BVerfGG) führen können.193 Daß Verwaltungsvorschriften aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts wohl eher nicht normenkontrollfähig sein dürften, läßt eine Feststellung aus dem Jahre 1961 vermuten:
___________ 191 Vgl. etwa BVerfG v. 21.6.1989, BVerfGE 80, 257 (265 f.); v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227); v. 21.2.1961, BVerfGE 12, 180 (199); v. 24.4.1953, BVerfGE 2, 237 (242); v. 23.11.1951, BVerfGE 1, 82 ff. 192 Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Organstreitverfahrens Maurer, Staatsrecht I, 3. Aufl., 2003, § 20 Rn. 43-50 (S. 672-674); Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rn. 86-96 (S. 65-75). 193 Ein entsprechender Kontrollantrag wurde beim Bundesverfassungsgericht bislang noch nicht gestellt. Der BayVerfGH hatte demgegenüber bereits häufiger über Normenkontrollanträge zu entscheiden, welche gegen Verwaltungsvorschriften gerichtet waren. Vgl. etwa BayVerfGH v. 22.12.1964, BayVerfGHE 17 (1964), 117 (120 f.); v. 6.7.1961, BayVerfGHE 14 (1961), 71 (76); v. 2.3.1960, BayVerfGHE 13 (1960), 32 (41); v. 2.12.1957, BayVerfGHE 10 (1957), 86 (93).
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
„Verwaltungsanordnungen sind nicht objektives Recht, nicht ‚Gesetz‘ im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG. Sie können also nicht vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden.“194
Im Schrifttum jedenfalls dominiert die Auffassung, nach der Verwaltungsvorschriften kein tauglicher Prüfungsgegenstand einer abstrakten Normenkontrolle sein können.195 Sucht man eine nähere Begründung, findet sich regelmäßig nur die ebenso lapidare wie überholte Behauptung von der fehlenden Rechtssatzqualität der Verwaltungsvorschriften.196 Zwar mag dies durchaus der Vorstellung des Verfassungsgebers von 1949 entsprochen haben. Dessen Beurteilung kann für das Problem, ob Verwaltungsvorschriften „Recht“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG darstellen, indes nicht entscheidend sein.197 Anderenfalls enthielte das Grundgesetz zementiertes Recht und verlöre seine prinzipielle Offenheit gegenüber neuen Erkenntnissen und sich wandelnden Entwicklungen.198 Will man Verwaltungsvorschriften somit nicht schon aufgrund ihrer Rechtsnatur zum Kreis der normenkontrollfähigen Prüfungsgegenstände zählen, gebietet unbestreitbar der Zweck der abstrakten Normenkontrolle ihre Einbeziehung. Die primäre Funktion der Normenkontrolle besteht darin, einem Rechtssatz allgemeinverbindlich den Schein der Gültigkeit zu entziehen oder Zweifel an der Gültigkeit auszuräumen. Im ersten Fall manifestiert sich die Abwehrfunktion, im zweiten Fall die Klärungsfunktion der Normenkontrolle.199 Beide Komponenten dienen letztlich dem Schutz des höherrangigen Rechts vor einer Verlet-
___________ 194 BVerfG v. 21.2.1961, BVerfGE 12, 180 (199); kritische Beurteilung der Begründung durch Rupp, NJW 1966, 1097 (1099): „sibyllinisches Argument“. 195 Lechner/Zuck, BVerfGG, 4. Aufl., 1996, Vor § 76 Rn. 6; Rozek (2001), in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 12, 43; Stern (Zweitbearb., 1982), in: BK, GG, Art. 93 Rn. 251; Stuth, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 76 Rn. 17; E. Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl., 2001, Rn. 720 (S. 307); Fleury, Verfassungsprozeßrecht, 4. Aufl., 2001, Rn. 95 (S. 26); Leibholz/ Rupprecht, BVerfGG, 1968, § 76 Rn. 2; Maurer, Staatsrecht I, 3. Aufl., 2003, § 20 Rn. 79 (S. 685); Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rn. 128 (S. 98); Hauck, NJW 1957, 809 (812); Unverhau, ZBR 1990, 33 (37 in Fn. 30). 196 Siehe die oben in Fn. 195 angeführten Nachweise. 197 So aber Stern (Zweitbearb., 1982), in: BK, GG, Art. 93 Rn. 251; ähnlich zuvor Schenke, DÖV 1979, 622 (624) hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. 198 Auch die im Grundgesetz normierten Handlungsformen der Exekutive unterliegen steter Überprüfung auf Funktionsgerechtigkeit. Erfüllen sie ihre Aufgabe nicht mehr, kann das Rechtsstaatsprinzip eine Neubestimmung verlangen. Siehe dazu Schmidt-Aßmann, DVBl. 1989, 533 (534). 199 Vgl. BVerfG v. 30.7.1952, BVerfGE 1, 396 (413); Rozek (2001), in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 1; Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 984.
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung
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zung durch niederrangige Vorschriften.200 Da Verwaltungsvorschriften einerseits objektives Recht gerichtsverbindlich näher ausgestalten, andererseits durchaus in subjektive Rechte einzugreifen vermögen, kann von ihnen eine höherrangiges Recht beeinträchtigende Wirkung ausgehen. Bei funktionaler Betrachtung rechtfertigen Rechtsnatur und Rechtswirkungen der Verwaltungsvorschriften deshalb die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle gegen Verwaltungsvorschriften.201
III. Konkrete Normenkontrolle Demgegenüber können Verwaltungsvorschriften nicht Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80-82 BVerfGG) sein. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient die konkrete Normenkontrolle dem Schutz des parlamentarischen Gesetzgebers. Es soll verhindert werden, daß sich ein einzelnes Gericht über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, indem es einem Gesetz wegen vermeintlicher Verfassungswidrigkeit die Anwendung versagt.202 Aufgrund dieser Schutzfunktion beschränkt sich das bundesverfassungsgerichtliche Verwerfungsmonopol auf formelle und nachkonstitutionelle Gesetze.203 Untergesetzliche Rechtsnormen wie Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften werden in der Konsequenz nicht erfaßt.
___________ 200 Vgl. BVerfG v. 18.12.1953, BVerfGE 3, 225 (235 f.); Bethge (1998), in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Vorbemerkung Rn. 21; Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 423 f.; Söhn, in: BVerfG und GG, Bd. I, 1976, S. 292 (294); v. Mutius, Jura 1987, 534 (536). 201 Eine Anerkennung nur bestimmter Typen von Verwaltungsvorschriften als Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle befürworten Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 564; Robbers, Verfassungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Arbeit, 1996, S. 50. 202 Vgl. BVerfG v. 8.2.1983, BVerfGE 63, 131 (141); v. 24.3.1976, BVerfGE 42, 42 (49); v. 29.11.1967, BVerfGE 22, 373 (378); v. 20.3.1952, BVerfGE 1, 184 (197) und ständig. 203 Grundsätzlich BVerfG v. 24.2.1953, BVerfGE 2, 124 (128 ff.) – nachkonstitutionelle Gesetze; v. 20.3.1952, BVerfGE 1, 184 (189 ff.) – formelle Gesetze; ferner BVerfG v. 12.5.1992, BVerfGE 86, 71 (77); v. 4.6.1985, BVerfGE 70, 126 (129 f.); v. 18.12.1984, BVerfGE 68, 337 (344 f.); v. 28.3.1984, BVerfGE 66, 248 (254); v. 26.1.1972, BVerfGE 32, 296 (299); zur Rechtsprechung des BVerfG auch Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rn. 136-138 (S. 103-106).
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
IV. Bund-Länder-Streitigkeit Sofern intersubjektive Verwaltungsvorschriften zwischen dem Bund und den Ländern nach Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 oder 108 Abs. 7 GG in Streit stehen, bietet eine Bund-Länder-Streitigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3, 84 Abs. 4 Satz 2 GG, §§ 13 Nr. 7, 68-70 BVerfGG) die Möglichkeit verfassungsgerichtlicher Kontrolle.204 Dabei wird zu prüfen sein, ob der Bund durch den Erlaß der Verwaltungsvorschriften seine Ingerenzrechte überschritten hat oder die Länder den Verwaltungsvorschriften zuwidergehandelt und damit ihre Pflichten verletzt haben.205 Stets aber muß das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Bund und Ländern betroffen sein (§§ 69, 64 Abs. 1 BVerfGG).206
V. Verfassungsbeschwerde Im Gegensatz zur konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG, die nur förmliche Gesetze erfaßt, unterliegen der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90-95 BVerfGG) grundsätzlich alle Akte der Rechtsetzung.207 So können etwa Rechtsverordnungen208 oder Satzungen209 öffentlich-rechtlicher Hoheitsträger mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Eine Verfassungsbeschwerde gegen Verwaltungsvorschriften soll demgegenüber unzulässig sein, wie das Bundesverfassungsgericht seit dem Beginn seiner Rechtsprechungspraxis ständig feststellt: ___________ 204 Ebenso Stern (Zweitbearb., 1982), in: BK, GG, Art. 93 Rn. 251; ders., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 820; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 565; Görg, DÖV 1961, 41 (45). 205 Zu beachten ist, daß der Bund-Länder-Streitigkeit die Mängelrüge und die Anrufung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 4 Satz 1 GG vorausgehen muß. Vgl. BVerfG v. 30.7.1958, BVerfGE 8, 122 (130 f.). 206 Soweit Verwaltungsvorschriften im Bund-Länder-Verhältnis verwaltungsrechtliche Fragen aufwerfen, vgl. die Regelung in § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. 207 Allgemeine Meinung; vgl. bereits früh BVerfG v. 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (207); v. 20.7.1954, BVerfGE 4, 27 (30); aus dem Schrifttum Kley/Rühmann, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 90 Rn. 29; Lechner/Zuck, BVerfGG, 4. Aufl., 1996, § 90 Rn. 81; Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, 1968, § 90 Rn. 30; Stern (Zweitbearb. 1982), in: BK, GG, Art. 93 Rn. 220 ff., 618 ff.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., 1991, § 12 Rn. 25 (S. 174); Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. Aufl., 1988, Rn. 433 (S. 195). 208 Vgl. die Beispiele BVerfG v. 18.12.1985, BVerfGE 71, 305 (337 f.); v. 12.12.1984, BVerfGE 68, 319 ff.; v. 8.11.1983, BVerfGE 65, 248 (258 f.); v. 25.3.1980, BVerfGE 53, 366 (389); v. 16.1.1980, BVerfGE 53, 135 (143); v. 26.2.1954, BVerfGE 3, 288 (299); v. 17.12.1953, BVerfGE 3, 162 (171). 209 Beispiele etwa BVerfG v. 14.5.1985, BVerfGE 70, 1 (21 ff.); v. 12.12.1984, BVerfGE 68, 319 (324); v. 20.10.1982, BVerfGE 61, 260 ff.; v. 2.5.1961, BVerfGE 12, 319 (321).
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„Solche allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Richtlinien sind für den einzelnen Staatsbürger nicht verbindlich, sondern richten sich lediglich an die nachgeordneten Verwaltungsbehörden. Sie betreffen den Einzelnen im allgemeinen [...] nicht unmittelbar; Auswirkungen ihm gegenüber haben sie vielmehr erst dann, wenn eine Verwaltungsbehörde [...] im Einzelfall nach den Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien verfährt.“210
Nur gegen eine solche Einzelentscheidung könne daher Verfassungsbeschwerde erhoben werden.211 Das Schrifttum ist den bundesverfassungsgerichtlichen Urteilen im wesentlichen gefolgt.212 Eine kritische Würdigung dieser Rechtsprechung hat zunächst zwischen dem Beschwerdegegenstand und der Beschwerdebefugnis zu unterscheiden. Mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar sind prinzipiell alle Akte der öffentlichen Gewalt. „Öffentliche Gewalt“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG ist jedes hoheitliche Handeln, mithin alle Maßnahmen der Exekutive, Legislative und Judikative.213 Demnach kommen Verwaltungsvorschriften als Beschwerdegegenstand sehr wohl in Betracht. Das eigentliche Problem einer Verfassungsbeschwerde gegen Verwaltungsvorschriften liegt daher in der Beschwerdebefugnis. Der Beschwerdeführer muß behaupten und behaupten können, in einem seiner Grundrechte oder diesen in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG gleichgestellten, dort genannten Rechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein.214 Unmittelbar wird der Beschwerdeführer durch eine Rechtsnorm jedenfalls dann betroffen, wenn diese eingreift, ___________ 210 BVerfG v. 24.4.1953, BVerfGE 2, 237 (242 f.); v. 4.3.1953, BVerfGE 2, 139 (141) und ständig. 211 BVerfG v. 17.12.1975, BVerfGE 41, 88 (105); v. 6.5.1964, BVerfGE 18, 1 (15); v. 17.5.1961, BVerfGE 12, 370 (371); v. 21.2.1961, BVerfGE 12, 180 (199); v. 24.4.1953, BVerfGE 2, 237 (242 f.); v. 7.3.1953, BVerfGE 2, 139 (141 f.); v. 23.11.1951, BVerfGE 1, 82 (83 f.). 212 Kley/Rühmann, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 1993, § 90 Rn. 35; Lechner/ Zuck, BVerfGG, 4. Aufl., 1996, § 90 Rn. 97; Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, 1968, § 90 Rn. 42; Schmidt-Bleibtreu (2003), in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 88; Benda, in: ders./Klein, Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl., 2001, § 19 Rn. 503 (S. 211); Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. Aufl., 1988, Rn. 444 in Fn. 516 (S. 199); Schmidt-Bleibtreu, DB 1978, 2193 (2194); Zweigert, JZ 1952, 321 (324). – A. A. hinsichtlich außenwirksamer Verwaltungsvorschriften Fleury, Verfassungsprozeßrecht, 4. Aufl., 2001, Rn. 282 (S. 67); Kleine-Cosack, Verfassungsbeschwerden, 2001, § 6 Rn. 4 (S. 88); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 563 f. 213 Vgl. statt vieler Fleury, Verfassungsprozeßrecht, 4. Aufl., 2001, Rn. 277 (S. 66); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., 1988, Rn. 432 (S. 195); Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rn. 213 (S. 146). 214 Ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG v. 18.10.1966, BVerfGE 20, 283 (290); v. 29.11.1961, BVerfGE 13, 237 (239); v. 29.11.1961, BVerfGE 13, 225 (227 ff.); v. 21.2.1957, BVerfGE 6, 273 (277); weitere Nachweise bei Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rn. 215 ff. (S. 147 ff.).
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6. Teil: Vollzugsadressatenperspektive Dritter
ohne zu ihrer „Durchführung rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis eines besonderen, vom Willen der vollziehenden Gewalt beeinflußten Verwaltungsakts“ zu bedürfen.215 Weil Verwaltungsvorschriften – wie alle anderen Rechtsvorschriften auch – konzeptionell auf einen weiteren Vollzug im Einzelfall angelegt sind, wird es regelmäßig an einer unmittelbaren Betroffenheit des Bürgers fehlen. Eine Verfassungsbeschwerde hat dann auszuscheiden. Andererseits wurde auch gezeigt, daß eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsähnlichen Rechten durch Verwaltungsvorschriften nicht unumstößlich ausgeschlossen werden kann. Sofern und soweit Verwaltungsvorschriften aber in rechtsverletzender Weise auf Bürgerpositionen einwirken, muß eine Verfassungsbeschwerde gegen sie möglich sein.216 Allerdings müssen zunächst alle nach Lage der Sache sonst zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ergriffen werden, um die Verfassungsverletzung auszuräumen. Denn: „Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde muß der Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den in der maßgeblichen Prozeßordnung vorgesehenen Rechtsweg erschöpfen. Außerdem muß er – gemäß dem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde217 – zunächst die behauptete Grundrechtsverletzung [...] auch in allen weiteren fachgerichtlichen Verfahren geltend machen, die zur Beseitigung des Verfassungsverstoßes führen könnten.“218 Sowohl das Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO219 als auch eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO220 sind als Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu betrachten.221 ___________ 215 Vgl. bereits BVerfG v. 26.1.1965, BVerfGE 18, 310 (313); v. 27.2.1962, BVerfGE 14, 25 (28); v. 21.3.1957, BVerfGE 6, 290 (295); v. 21.2.1957, BVerfGE 6, 273 (277); v. 1.8.1953, BVerfGE 3, 34 (36); v. 13.5.1953, BVerfGE 2, 292 (294 f.) und seitdem ständig. 216 Im Ergebnis ähnlich, aber enger auf „Ausnahmefälle“ beschränkt Fleury, Verfassungsprozeßrecht, 4. Aufl., 2001, Rn. 283 (S. 67); Schmidt-Bleibtreu (2003), in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 88 a. E. 217 Zum Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ausführlich Detterbeck, Zum präventiven Rechtsschutz gegen ultra-vires-Handlungen öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, 1990, S. 208 f.; ders., DÖV 1990, 858-864; ders., DÖV 1990, 558-564. 218 BVerfG v. 18.6.1985, BVerfGE 70, 180 (185); v. 12.1.1983, BVerfGE 63, 45 (58); ferner BVerfG v. 8.1.1985, BVerfGE 68, 384 (388); v. 30.6.1976, BVerfGE 42, 243 (249 f.); v. 9.4.1975, BVerfGE 39, 276 (291); v. 17.10.1967, BVerfGE 22, 287 (290). 219 Dies war vor der am 1.1.1977 in Kraft getretenen Neufassung des § 47 VwGO streitig; vgl. Henning, Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der RechtssatzVerfassungsbeschwerde, 1981, S. 218 ff. 220 Siehe dazu Detterbeck, DÖV 1990, 558 (559). 221 Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung des BVerfG zum Subsidiaritätsgrundsatz Warmke, Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, 1993, S. 25 ff.
§ 13 Prozeßrechtliche Stellung
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VI. Kommunalverfassungsbeschwerde Schwieriger zu beantworten ist dagegen die Frage, ob Verwaltungsvorschriften Beschwerdegegenstand einer Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, §§ 13 Nr. 8 a, 91 BVerfGG) sein können.222 Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG und § 91 Satz 1 BVerfGG führen ausschließlich „ein Gesetz“ des Bundes oder eines Landes als zulässigen Angriffsgegenstand an. Das Bundesverfassungsgericht hat seit jeher anerkannt, daß nicht nur förmliche Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen mit der Kommunalverfassungsbeschwerde angreifbar sind.223 Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß bei der Ausklammerung von Rechtsverordnungen eine mit der Rechtsschutzfunktion der Kommunalverfassungsbeschwerde unvereinbare Lücke entstünde.224 Denn in einem solchen Fall könnte der Staat statt eines angreifbaren Parlamentsgesetzes die Handlungsform der Rechtsverordnung wählen, um eine gemeindliche Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu verhindern. Die Rechtsverordnung mutierte so zu einem „Rechtsschutz-Umgehungsinstrument“225. Eine dergestalt funktionale Betrachtungsweise ist gleichermaßen bei anderen im Rang unter dem Parlamentsgesetz stehenden Rechtsnormen geboten. Zutreffend erkannte das Bundesverfassungsgericht daher Vorschriften eines Raumordnungsprogramms als mit der Kommunalverfassungsbeschwerde angreifbares „Gesetz“ an.226 Ihre Bekanntmachung in einem Ministerialblatt widerspreche dieser Qualifizierung nicht. Denn, so das Bundesverfassungsgericht, als „Gesetz“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG und des § 91 BVerfGG seien „alle vom Staat erlassenen Rechtsnormen anzusehen, die Außenwirkung gegenüber einer Kommune entfalten“.227 Zu dieser Normgruppe zählen nun ebenfalls die Verwaltungsvorschriften; an ihrer Eignung zur normativen Umgrenzung der kommunalen Selbstverwaltung besteht nach den bisherigen Ausführungen kein Zweifel mehr. Dann aber muß den Gemeinden auch gegen Verwaltungsvorschriften Rechtsschutz im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde gewährt werden können.
___________ 222
Ausdrücklich sprechen sich dagegen aus Schmidt-Bleibtreu (1995), in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 91 Rn. 22; Stern (Zweitbearb., 1982), in: BK, GG, Art. 93 Rn. 800-802; im Ergebnis ebenso Lechner/Zuck, BVerfGG, 4. Aufl., 1996, § 91 Rn. 4. 223 Siehe BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 (114); v. 15.10.1985, BVerfGE 71, 25 (34); v. 2.11.1981, NVwZ 1982, 306 (307); v. 7.10.1980, BVerfGE 56, 298 (309); v. 24.6.1969, BVerfGE 26, 228 (236); vgl. ferner BayVerfGH v. 20.4.1978, BayVBl. 1978, 497 (498); NWVerfGH v. 9.2.1979, DVBl. 1979, 668 (669) mit Anmerkung Püttner, DVBl. 1979, 670. 224 Vgl. BVerfG v. 24.6.1969, BVerfGE 26, 228 (236); ebenso bereits Grafe, Der Städtetag 1951, 125 (126). 225 Clemens, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 91 Rn. 23. 226 BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 ff. 227 BVerfG v. 23.6.1987, BVerfGE 76, 107 (114).
Siebenter Teil
Verwaltungsvorschriften und ausgewählte Teilrechtsgebiete Mit dem Abschluß der staatsfunktional ausgerichteten Untersuchung ist die Problematik der Verwaltungsvorschriften in ihrer Gänze gleichwohl noch nicht ausgeschöpft. Verwaltungsvorschriften prägen vielmehr die Auslegung und Anwendung zahlreicher Gesetze in besonderer rechtsgebietsspezifischer Weise. Anhand der Teilrechtsgebiete des Staatshaftungsrechts, Strafrechts, Zivilrechts und des supranationalen Gemeinschaftsrechts soll diesen Besonderheiten nachgegangen werden.
§ 14 Verwaltungsvorschriften und Staatshaftungsrecht Das Dogma von den Verwaltungsvorschriften als reine Verwaltungsinterna erhielt bereits unmittelbar nach dem Inkrafttreten des BGB erste Risse. In zahlreichen Urteilen stellte das Reichsgericht die Eignung der Verwaltungsvorschriften heraus, Amtspflichten zu begründen, deren Verletzung eine Amtshaftung nach § 839 BGB auslöst.1 Der Bundesgerichtshof2 und die Oberlandesgerichte3 sind dieser Rechtsprechung später gefolgt. Eine kurze Skizze der Rechtslage unter der Geltung des Grundgesetzes ist daher angebracht. Ein Amtshaftungsanspruch ist nach § 839 BGB in Verb. mit Art. 34 Satz 1 GG gegeben, wenn jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt und dadurch einen Schaden verursacht, sofern kein Haftungsausschluß-
___________ 1 So bereits RG v. 16.10.1906, JW 1906, 745: „Hier aber [...] ist die Haftbarkeit des Beamten an die Rechtswidrigkeit seiner Handlungsweise geknüpft, die gerade bei ihm durch Dienstvorschriften, insbesondere durch solche über den Waffengebrauch, ausgeschlossen sein kann.“; vgl. ferner RG v. 23.7.1935, RGZ 148, 251 (256); v. 10.10.1934, RGZ 145, 204 (215); v. 12.12.1924, JW 1925, 956 f. Nr. 26; v. 1.6.1922, RGZ 105, 99 (100); v. 1.5.1902, RGZ 51, 259 (261). 2 BGH v. 19.5.1958, BGHZ 27, 278 (282); v. 9.1.1958, BGHZ 26, 232 (234); v. 29.10.1953, BGHZ 10, 389 (390); v. 7.2.1957, DÖV 1957, 216. 3 Etwa OLG Celle v. 6.11.1957, NJW 1958, 345 (346); OLG Düsseldorf v. 19.4.1956, NJW 1956, 1112 (1113).
§ 14 Verwaltungsvorschriften und Staatshaftungsrecht
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grund vorliegt.4 Amtspflichten sind die sich aus dem amtlichen Verhältnis des Amtswalters zum Staat ergebenden Pflichten.5 Sie können sich aus dem gesamten Recht ergeben, das für den Amtswalter bei der Ausübung seines öffentlichen Amtes maßgeblich ist;6 auch Verwaltungsvorschriften äußern nach fast einhelliger Auffassung eine amtspflichtbegründende Wirkung.7 Davon zu unterscheiden sind die sogenannten Rechtspflichten, deren Bezugspunkt im Verhältnis zwischen dem Staat und den Bürgern wurzelt.8 Mag die dogmatische Kluft zwischen Amts- und Rechtspflichten im Falle ihrer Konvergenz noch verdeckt sein; zu einem juristischen Problem wird sie bei einer Divergenz von Amtspflicht und Rechtspflicht. Zwei Fallgruppen sind zu unterscheiden: Ein amtspflichtgemäßes, aber rechtspflichtwidriges Verhalten tritt ein, wenn der Amtswalter zwar entsprechend der ihn bindenden rechtswidrigen Verwaltungsvorschrift handelt, im übrigen aber gegen ein drittschützendes Gesetz verstößt.9 Die Tätigkeit des Amtswalters ist hier dem Bürger gegenüber zwar rechtswidrig, gegenüber dem Dienstherrn jedoch amtspflichtgemäß. Zu einem Erlöschen der Amtshaftung führt dieser Umstand dennoch nicht. Vielmehr bedeutet der Erlaß der gesetzeswidrigen, aber trotzdem bindenden Verwaltungsvorschriften seinerseits eine Amtspflichtverletzung, die die Amtshaftung des ___________ 4 Ausführlich zu den Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 1525 ff. (S. 369 ff.); ders., JuS 2002, 127 (128, 129 f.); Windthorst, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 9 (S. 92 ff.); ferner Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, 2. Teil III. ff. (S. 12 ff.). 5 Allgemeine Meinung; siehe nur Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 1065 (S. 313); ders., Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 1533 (S. 371); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2002 § 26 Rn. 16 (S. 663). 6 Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 839 Rn. 32; Detterbeck, Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Aufl., 2002, Rn. 1533 (S. 371); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, 2. Teil III. 2. a) (S. 41 f.); Windthorst, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 9 Rn. 57 (S. 115). 7 Vinke, in: Soergel, BGB, Bd. 5/2, 12. Aufl., 1998, § 839 Rn. 135; Küchenhoff/Hekker, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 839 Rn. 42; Kreft, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., 1989, § 839 Rn. 147; Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 839 Rn. 32; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, 8. Aufl., 2000, § 59 II. 1. c (S. 225); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, 2. Teil III. 2. a) (S. 42); Windthorst, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 9 Rn. 57 (S. 115); kritisch allerdings Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl., 1991, S. 35-38; Bettermann, in: ders./Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III/2, 1959, S. 779 (841 mit Fn. 348). 8 Zur Abgrenzung von Amts- und Rechtspflichten siehe Windthorst, in: Detterbeck/ Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 9 Rn. 60-63 (S. 116-118). 9 Vgl. etwa BGH v. 21.5.1959, NJW 1959, 1629 f., wo ein städtischer Beamter aufgrund einer innerdienstlichen Einzelweisung des Regierungspräsidenten eine gesetzeswidrige Genehmigung erteilt hatte.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
übergeordneten Verwaltungsvorschriftengebers auslöst.10 Bewirkt wird somit lediglich eine Haftungsverlagerung auf die erlassende Stelle.11 Der umgekehrte Fall tritt ein, wenn der Amtswalter rein innengerichtete Verwaltungsvorschriften verletzt, aber in Übereinstimmung mit den Gesetzen handelt. Es ist dann ein amtspflichtwidriges, aber rechtspflichtgemäßes Verhalten gegeben. Ein Amtshaftungsanspruch muß hier ausscheiden. Rein innengerichteten Verwaltungsvorschriften mangelt es bereits an der von § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG geforderten Drittbezogenheit. Dieses Argument greift bei auch außengerichteten Verwaltungsvorschriften freilich nicht; denn sie sind grundsätzlich sehr wohl geeignet, subjektive Rechte zu gewähren. Dennoch kann ein Amtshaftungsanspruch im Ergebnis nicht bestehen, sofern der Amtswalter einer gesetzeswidrigen auch außengerichteten Verwaltungsvorschrift zuwiderhandelt, ohne dabei gegen das zu vollziehende Gesetz selbst zu verstoßen. Denn die Pflicht der Amtswalter zur Beachtung auch gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften besteht ausschließlich im Interesse der Behörden, keinesfalls dagegen im (objektiv verstandenen) Interesse der Bürger. Die Voraussetzung für die Annahme einer amtshaftungsbegründenden Handlung im Sinne von § 839 BGB – die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht – ist mit einem dergestalt amtspflichtwidrigen Verhalten daher nicht erfüllt.
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht Die Lehre von der Beschränkung der Verwaltungsvorschriften auf den Innenbereich wird des weiteren durch ein Phänomen widerlegt, das gemeinhin als die Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts bezeichnet wird. Gemeint ist die Vorgabewirkung des Verwaltungsrechts für das Strafrecht.12 Sie kann in unter___________ 10
Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 490. Windthorst, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 9 Rn. 92 (S. 129); in diesem Sinne bereits OLG Celle v. 6.11.1957, NJW 1958, 345 (346). 12 Aus der schier unüberschaubaren Fülle des Schrifttums zur Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts vgl. nur Winkelbauer, Zur Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, 1985, passim; ders., NStZ 1986, 149 ff.; ders., DÖV 1988, 723 ff.; Hansmann, in: Dokumentation zum 9. Deutschen Verwaltungsrichtertag 1989, S. 217 ff.; M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), S. 196 ff.; Tröndle, in: Dokumentation zum 9. Deutschen Verwaltungsrichtertag 1989, S. 232 ff.; Breuer, NJW 1988, 2072 ff.; Dahs/Redeker, DVBl. 1988, 803 ff.; Meurer, NJW 1988, 2065 ff.; Samson, JZ 1988, 800 ff.; ferner Meinberg/Möhrenschlager/Link, Umweltstrafrecht, 1989, passim; Keller, in: Festschrift für K. Rebmann, 1989, S. 241 ff.; Kühl, in: Festschrift für K. Lackner, 1987, S. 815 ff.; Odersky, in: Festschrift für H. Tröndle, 1989, S. 291 ff.; Papier, in: Krebs/Oldiges/Papier, Aktuelle Probleme des Gewässerschutzes, 1990, S. 61 ff.; ders., NuR 1986, 1 ff.; ders., UTR 3 (1987), 65 ff.; Schünemann, in: Festschrift für K. Lackner, 1987, S. 367 ff.; ders., wistra 1986, 235 ff.; Breuer, DÖV 1987, 169 ff.; Dahs, NStZ 1986, 97 ff.; ders., NStZ 1987, 440 f.; Franzheim, ZfW 1985, 145 ff.; Fröhlich, DÖV 1989, 11
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht
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schiedlicher Weise zutage treten. Geläufig sind seit langem die in Strafgesetzen enthaltenen Verweisungen auf Normen des Verwaltungsrechts, die ihrerseits den Straftatbestand erst aus- und auffüllen.13 Eine Variante der Verweisungen bildet die Bezugnahme auf „verwaltungsrechtliche Pflichten“, deren Grundlage in einer Verwaltungsrechtsnorm oder auch einer behördlichen Anordnung liegen kann.14 Darüber hinaus können verwaltungsrechtliche Genehmigungen oder Erlaubnisse als negative Tatbestandsmerkmale oder als Rechtfertigungsgründe in Strafgesetzen fungieren.15 In der verfassungs- und strafrechtlichen Literatur wird die Anknüpfung der Strafbarkeit an die hier interessierenden Verwaltungsvorschriften regelmäßig als Problematik des Blankettstrafgesetzes behandelt. Blankettstrafgesetze sind Parlamentsgesetze, die nur die Strafbarkeitsvoraussetzungen sowie Art und Maß der Strafe bestimmen (Blankettsanktionsnorm), aber die Festlegung der Gebote oder Verbote einer sogenannten Blankettausfüllungsnorm überlassen.16 Zu letzteren können unstreitig andere Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen oder auch Verwaltungsakte gehören. Gegen die Zulässigkeit strafblankettausfüllender Verwaltungsvorschriften werden demgegenüber rechtliche Bedenken vorgebracht.17 Diese tangieren zwei Problemkreise: die Kompetenz der Exekutive ___________ 1029 ff.; Führen, VR 1987, 401 ff.; Hansmann, NVwZ 1989, 913 ff.; Hauber, VR 1989, 109 ff.; Heine/Meinberg, GA 1990, 1 ff.; E. Horn, NuR 1988, 63 ff.; Kloepfer/ Brandner, ZfW 1989, 1 ff.; Kuhlen, GA 1986, 389 ff.; Laufhütte, DRiZ 1989, 337 ff.; E. Mayer/Brodersen, BayVBl. 1989, 257 ff.; Möhrenschlager, NuR 1983, 209 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1990, 963 (969-973); Rengier, ZStW 1989, 874 ff.; Rudolphi, ZfW 1982, 197 ff.; ders., NStZ 1984, 193 ff.; Samson, ZfW 1988, 201 ff.; Schall, NJW 1990, 1263 ff.; Seelmann, NJW 1990, 1257 ff.; K. Tiedemann/Kindhäuser, NStZ 1988, 337 (342-346); Tröndle, NVwZ 1989, 918 ff. 13 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 493; ders., DVBl. 1990, 963 (969). 14 Beispiele: §§ 324 a Abs. 1, 325 Abs. 1, 325 a Abs. 1, 326 Abs. 3 StGB. 15 Beispiele: §§ 324 Abs. 1, 326 Abs. 1, 327 Abs. 1, 328 Abs. 1 StGB. Zur Differenzierung zwischen einer Genehmigung als negativem Tatbestandsmerkmal und als Rechtfertigungsgrund siehe Kloepfer/Brandner, ZfW 1989, 1 (9 f.); Rengier, ZStW 1989, 874 (878-881). 16 BVerfG v. 15.10.1990, NStZ 1991, 88; Ensenbach, Probleme der Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht, 1989, S. 230-233; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 493 f.; K. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 239 ff.; Schünemann, in: Festschrift für K. Lackner, 1987, S. 367 (370373); K. H. Kunert, NStZ 1982, 276 (278); zur Irrtumsproblematik bei Blankettstrafgesetzen Puppe, GA 1990, 145 (162-170); Lüderssen, wistra 1983, 223 ff. 17 Grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Vervollständigung von Strafgesetzen durch Verwaltungsvorschriften etwa bei Weidenbach, Die verfassungsrechtliche Problematik der Blankettstrafgesetze, 1965, S. 97 ff.; Rupp, VVDStRL 50 (1991), S. 293 f. (Diskussionsbeitrag); dagegen die Erwiderung von Ossenbühl, VVDStRL 50 (1991), S. 300 (Diskussionsbeitrag); kritisch ferner Wieland, VVDStRL 50 (1991), S. 326 f. (Diskussionsbeitrag); speziell zur TA Luft siehe Kühl, in: Fest-
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
zum Erlaß einer Blankettausfüllungsnorm sowie die Bestimmtheit einer Blankettsanktionsnorm.18
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen strafblankettausfüllender Verwaltungsvorschriften I. Kompetenzverteilung Zu einem Kompetenzproblem können blankettausfüllende Verwaltungsvorschriften unter zwei Gesichtspunkten werden. Erstens tangiert die Ausformung von Straftatbeständen durch Verwaltungsvorschriften das Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Exekutive. Der Einwand liegt auf der Hand, daß die Verwendung blankettausfüllender Verwaltungsvorschriften nichts anderes als (Straf-)Gesetzgebung der Verwaltung darstelle und deshalb mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar sei.19 Hinzu kommt das Problem der Abgrenzung von vollziehender und rechtsprechender Gewalt. So werden Verwaltungsvorschriften als Blankettausfüllungsnormen nach einer vereinzelten Auffassung im Schrifttum zurückgewiesen, weil sie gegen Art. 97 Abs. 1 GG verstießen. Dem Richter obliege die Aufgabe, die normativen Tatbestandsmerkmale des Strafgesetzes nach seinem Ermessen auszulegen und zu konkretisieren. Sei er an blankettausfüllende Verwaltungsvorschriften gebunden, werde seine Ermessensfreiheit durch die Exekutive beschnitten. Dadurch maße sich die Verwaltung in verfassungswidriger Weise richterliche Gewalt an.20 Gleichwohl, das Grundgesetz konstituiert, wie bereits mehrfach hervorgehoben, die vollziehende Gewalt als eigenständige Gewalt mit eigener demokratischer Legitimation. Sie verfügt über eine eigene Rechtsetzungskompetenz, die zwar durch Gesetz bindbar und beschränkbar ist, ihr aber grundsätzlich von Verfassungs wegen gewährt wird.21 Exekutive Normsetzung durch (strafblankettausfüllende) Verwaltungsvorschriften ist daher nicht mit dem Verdikt des verfassungsrechtlich Irregulären belegt; sie stellt keine Durchbrechung des Ge___________ schrift für K. Lackner, 1987, S. 815 (859 f.); Hansmann, in: Dokumentation zum 9. Dt. Verwaltungsrichtertag 1989, S. 217 (226 f.); Rudolphi, NStZ 1984, 248 (250 f.). 18 So auch Badura, VVDStRL 50 (1991), S. 292 (Diskussionsbeitrag); anders Kloepfer, VVDStRL 50 (1991), S. 306 (Diskussionsbeitrag): „primär eine Frage von Gesetzgeber zu Gesetzgeber“. 19 So wohl Rupp, VVDStRL 50 (1991), S. 293 f. (Diskussionsbeitrag); ähnlich und unter Hinweis auf den Gesetzesvorbehalt in Art. 103 Abs. 2 GG Wieland, VVDStRL 50 (1991), S. 326 f. (Diskussionsbeitrag). 20 Weidenbach, Die verfassungsrechtliche Problematik der Blankettstrafgesetze, 1965, S. 97 ff. 21 Siehe dazu oben 4. Teil § 8 A. I., II.
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht
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waltenteilungsgrundsatzes,22 sondern die verfassungsrechtliche Regel dar. Dem entspricht der grundgesetzlich gebotene Respekt des Richters vor der administrativen Blankettausformung. Die gegenteilige Auffassung, die verwaltungsakzessorische Straftatbestände der Alleinverantwortung des Richters zuweist, bedeutet nichts anderes als die Mandatierung der Strafjustiz zu einer eigenen Steuer-, Wirtschafts- oder Umweltpolitik.23 Gerade darin liegt eine Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips.24 Die Vorgabewirkung der Verwaltungsvorschriften für das Strafrecht ist daher kompetenz(verfassungs)rechtlich zulässig. Art. 103 Abs. 2 GG stellt freilich darüber hinaus weitere Anforderungen an durch die Exekutive zu konkretisierende Straftatbestände auf.
II. Gesetzesbestimmtheit Die Garantie, daß eine Tat nur betraft werden kann, wenn die Strafbarkeit vor Begehung der Tat gesetzlich bestimmt war, enthält vier klassische rechtsstaatliche Regeln. Es handelt sich um das Gebot der gesetzlichen Begründung der Strafbarkeit (nulla poena sine lege), das Gebot bestimmter Strafgesetze (nulla poena sine lege certa), das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege praevia) und schließlich das Analogieverbot (nulla poena sine lege stricta).25 Die Forderung „Keine Strafe ohne Gesetz“ bedingt zugleich das Gebot „Kein Verbrechen ohne Gesetz“. Anders formuliert: Die Strafandrohungsbestimmtheit (nulla poena sine lege) setzt die Tatbestandsbestimmtheit (nullum crimen sine lege) voraus.26 Art. 103 Abs. 2 GG ist Emanation sowohl des Rechtsstaatsprinzips als auch des Demokratieprinzips.27 Die rechtsstaatliche Komponente des Art. 103 Abs. 2 ___________ 22
So aber die Argumentation von Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 495. 23 Im Ergebnis ebenso Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 498; M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), S. 196 (218). 24 Zur Unvereinbarkeit einer Blankettnorm mit Art. 103 Abs. 2 GG, die die tatbestandliche Begründung der Strafbarkeit oder die Festlegung des Strafrahmens allein richterlichen Ermessens- oder Beurteilungserwägungen anheim stellt, siehe sogleich 7. Teil § 15 A. II. 25 BVerfG v. 3.7.1962, BVerfGE 14, 174 (185); Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 103 Rn. 21 ff.; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 103 Rn. 97; Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. II Rn. 178. 26 Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 103 Rn. 18; Schmidhäuser, Strafrecht, Allg. Teil, 2. Aufl., 1984, Rn. 3/15 (S. 28). 27 Vgl. BVerfG v. 6.5.1987, BVerfGE 75, 329 (341); v. 17.1.1978, BVerfGE 47, 109 (120); Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen, 1971, S. 72;
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
GG dient dem Schutz der Freiheit des Normadressaten. Er soll voraussehen, erkennen und verstehen können, welches Verhalten mit Strafe bedroht ist.28 Die demokratische Seite des Art. 103 Abs. 2 GG rückt institutionelle Aspekte in den Vordergrund. Danach sind die Voraussetzungen der Strafbarkeit und der Art der Strafe der Bestimmungsmacht des Parlaments anheimgegeben. Denn die Entscheidung über die Beschränkung von Grundrechten obliegt nach dem demokratischen Verteilungsprinzip des Grundgesetzes dem Gesetzgeber und nicht den anderen staatlichen Gewalten.29 Art. 103 Abs. 2 GG verlangt insofern nicht nur Bestimmtheit, sondern Gesetzesbestimmtheit. Beide Funktionen des Art. 103 Abs. 2 GG sind gleichgewichtig zu verwirklichen.30 Sie gilt es bei der Auslegung der beiden Garantieelemente des Art. 103 Abs. 2 GG, des Gesetzesbegriffs und der Gesetzesbestimmtheit, zu berücksichtigen.
1. Begriff des Gesetzes in Art. 103 Abs. 2 GG Mit „Gesetz“ im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist ausschließlich das parlamentarische Gesetz gemeint.31 Art. 103 Abs. 2 GG legt somit für den Bereich des Strafrechts einen Gesetzesvorbehalt fest.32 Daß demgegenüber Art. 104 ___________ Grünwald, ZStW 76 (1964), 1 (13 f., 16); allgemeiner Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, 1974, S. 345: „ein Gebot, dessen Sinn Freiheitsgewährleistung ist“. 28 BVerfG v. 24.10.1996, BVerfGE 95, 96 (131); v. 11.11.1986, BVerfGE 73, 206 (234 f.); v. 23.10.1985, BVerfGE 71, 108 (114); v. 23.2.1972, BVerfGE 32, 346 (362); ebenso Rüping (Zweitbearb., 1990), in: BK, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 23; SchmidtAßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. II Rn. 179. 29 BVerfG v. 10.1.1995, BVerfGE 92, 1 (12); v. 17.1.1978, BVerfGE 47, 109 (120); Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 103 Abs. 2 Rn. 140; Krey, in: Festschrift für G. Blau, 1985, S. 123 (130 f.); Amelung, NJW 1995, 2584 (2587); zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung Schottlaender, Die geschichtliche Entwicklung des Satzes: Nulla poena sine lege, 1911, passim. 30 Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abschn. II Rn. 181. 31 So BVerfG v. 1.12.1992, BVerfGE 87, 399 (411); v. 6.5.1987, BVerfGE 75, 329 (341): „strenger Gesetzesvorbehalt“; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 103 Rn. 21; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen, 1971, S. 72; K. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 244 ff. – Anders dagegen BVerfG v. 27.3.1979, BVerfGE 51, 60 (73): „Dabei sind Gesetze im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG auch Rechtsverordnungen, welche [...] im Rahmen von Ermächtigungen ergangen sind, die den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügen [...].“; ebenso BVerfG v. 4.2.1975, BVerfGE 38, 348 (371); ferner die 2. Kammer des 2. Senats des BVerfG v. 25.10.1991, NJW 1992, 2624. 32 Nach der Rechtsprechung des BVerfG legt Art. 103 Abs. 2 GG nicht nur einen Gesetzesvorbehalt schlechthin, sondern einen „strengen Gesetzesvorbehalt“ (BVerfG v. 22.6.1988, BVerfGE 78, 374 [382]) im Sinne eines Parlamentsvorbehalts fest. Vgl. auch
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht
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Abs. 1 Satz 1 GG nur für Freiheitsstrafen ein förmliches Gesetz verlangt, taugt nicht als argumentum e contrario bei der Auslegung des Art. 103 Abs. 2 GG.33 Vielmehr gelten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die zum Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG entwickelten Grundsätze gleichermassen für Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.34 Art. 103 Abs. 2 GG begründet daher die „Verpflichtung des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen“.35 Untergesetzlichen Rechtsnormen, wie Rechtsverordnungen, Satzungen oder eben Verwaltungsvorschriften, kann demnach eine konstitutive, die Strafbarkeit begründende Wirkung nicht zukommen.36
2. Bestimmtheit des Gesetzes nach Art. 103 Abs. 2 GG Art. 103 Abs. 2 GG gebietet freilich nicht, der Gesetzgeber müsse ein Strafgesetz in jeder Hinsicht und in allen Einzelheiten so präzise und detailliert wie nur möglich fassen.37 Im Gegenteil: Es ist ihm nicht verwehrt, seine strafrechtlichen Vorgaben abstrakt zu umreißen und hierbei auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückzugreifen, die auf eine weitere Konkretisierung durch Richterspruch oder exekutivische Rechtsnorm angelegt sind.38 In jedem Fall aber kön___________ BVerfG v. 10.1.1995, BVerfGE 92, 1 (12); v. 6.5.1987, BVerfGE 75, 329 (341) mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung. 33 Ebenso Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abschn. II Rn. 183; K. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 251 f. – A. A. Rudolphi, in: SK, StGB, 6. Aufl., Stand: April 2001, § 1 Rn. 4. 34 Ausdrücklich BVerfG v. 29.5.1991, NJW 1992, 107; v. 15.10.1990, NJW 1992, 35; v. 22.6.1988, BVerfGE 78, 374 (382, 383); v. 27.3.1979, BVerfGE 51, 60 (70 f.): „Betrifft die Regelung eine (auch) Freiheitsstrafe androhende Strafnorm, so kann sie – wie sich aus Art. 103 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ergibt – nur im Wege eines förmlichen Gesetzes getroffen werden, das die Voraussetzungen der Strafbarkeit in dem durch Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vorgeschriebenen Umfang sowie Art und Maß der Strafe selbst festlegt [...].“ 35 BVerfG v. 6.5.1987, BVerfGE 75, 329 (341); ähnlich bereits BVerfG v. 22.10.1980, BVerfGE 55, 144 (152); v. 27.3.1979, BVerfGE 51, 60 (73); v. 11.2.1976, BVerfGE 41, 314 (319); v. 4.2.1975, BVerfGE 38, 348 (371 f.). 36 Ausdrücklich Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abschn. II Rn. 183, 209; BVerfG v. 29.5.1991, NJW 1992, 107. 37 BVerfG v. 15.3.1978, BVerfGE 48, 48 (56); v. 21.6.1977, BVerfGE 45, 363 (371); K. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 185; Lenckner, JuS 1968, 249 (252-257). 38 BVerfG v. 10.1.1995, BVerfGE 92, 1 (12); v. 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 (97 f.); v. 22.8.1994, NJW 1995, 315; v. 22.6.1988, BVerfGE 78, 374 (389); v. 6.5.1987, BVerfGE 75, 329 (341); v. 22.10.1980, BVerfGE 55, 144 (152); siehe auch BGH v. 8.12.1981, JZ 1982, 214; Tröndle (1978), in: LK, StGB, 10. Aufl., § 1 Rn. 13 f.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
nen blankettausfüllende exekutivische Rechtsnormen weder die Strafbarkeit tatbestandlich begründen noch den Strafrahmen selbständig festlegen. Beide Eckpunkte sind der Exekutive – wie im übrigen auch der Judikative39 – ausnahmslos vorenthalten. Zur Ausformung eines Straftatbestandes durch Rechtsverordnung hat das Bundesverfassungsgericht dies wie folgt formuliert: „[...] vielmehr müssen zugleich die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einer anderen gesetzlichen Vorschrift, auf die das Blankettstrafgesetz Bezug nimmt, hinreichend deutlich umschrieben werden. Dem Verordnungsgeber dürfen lediglich gewisse Spezifizierungen des Straftatbestandes überlassen werden.“40
Wie weit diese „Spezifizierungen“ der Exekutive im Einzelfall überlassen werden dürfen, bestimmt das Bundesverfassungsgericht im wesentlichen nach der Schwere der angedrohten Strafe, dem Verständnishorizont des Adressatenkreises oder danach, ob „wechselnde und mannigfaltige Einzelregelungen erforderlich“ sind.41 Mithin sind exekutivische Rechtsnormen für den Strafrichter grundsätzlich verbindlich, sofern und soweit sie sich im Rahmen zulässiger „Spezifizierungen“ eines Blankettstrafgesetzes halten. Dies muß gleichermaßen für Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften gelten. Denn beide Handlungsformen sind Ausprägung derselben verfassungsunmittelbaren Rechtsetzungskompetenz der Exekutive.42 Insbesondere nutzt die Anerkennung der Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften für die Strafgerichte das in Verwaltungsvorschriften angelegte Potential an Rechtsklarheit. Strafrechtliche Pflichten sind für den Normadressaten in detaillierten Verwaltungsvorschriften regelmäßig leichter erkennbar als in einer Generalklausel des Gesetzgebers, die erst durch einzelfallweise richterliche Spruchpraxis näher präzisiert werden kann.43 Auf Kosten der demokratischen Funktion des Art. 103 ___________ 39 Auch eine solche Blankettnorm wäre demnach mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar, bei der allein der Strafrichter durch Ermessens- oder Beurteilungserwägungen die tatbestandliche Strafbarkeit begründen oder den Strafrahmen festlegen würde. 40 BVerfG v. 6.5.1987, BVerfGE 75, 329 (342); ferner BVerfG v. 19.12.1991, NVwZ-RR 1992, 521; v. 25.10.1991, NJW 1992, 2624; v. 27.3.1979, BVerfGE 51, 60 (70 f.); auch BGH v. 12.6.1990, NStZ 1990, 443. 41 Zum gebotenen Maß an Bestimmtheit etwa BGH v. 16.8.1996, NJW 1996, 3220 (3221); BVerfG v. 20.10.1992, BVerfGE 87, 209 (224); v. 6.5.1987, BVerfGE 75, 329 (342 f.); v. 15.3.1978, BVerfGE 48, 48 (57); v. 23.2.1972, BVerfGE 32, 346 (363); v. 14.5.1969, BVerfGE 26, 41 (42 f.); v. 25.7.1962, BVerfGE 14, 245 (251); ausführlich auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 103 Rn. 23 ff.; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 103 Abs. 2 Rn. 144150. 42 Siehe dazu oben 4. Teil § 7 A. I., II. 43 Ähnlich Breuer, DÖV 1987, 169 (178 f.); zustimmend Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abschn. II Rn. 215 bei Fn. 215; Kühl, in: Festschrift für K. Lackner, 1987, S. 815 (820).
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht
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Abs. 2 GG geht dieser rechtsstaatliche Zugewinn nicht.44 Beschränkt sich die blankettausfüllende Verwaltungsvorschrift inhaltlich auf das verfassungsrechtlich Zulässige und wahrt sie ferner die verwaltungsrechtlichen Erlaßvoraussetzungen, ist eine Gefährdung der parlamentarischen Mitwirkung an der Fassung des Straftatbestandes nicht zu befürchten. Art. 103 Abs. 2 GG steht der Übernahme einer straftatbestandspezifizierenden Funktion rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften daher nicht entgegen.45
B. Einfachgesetzliche Grenzen strafblankettausfüllender Verwaltungsvorschriften anhand von Beispielen Die Beantwortung der Frage freilich, ob und inwieweit Verwaltungsvorschriften im konkreten Fall Maßstäbe für den strafrechtlichen Pflichtenverstoß des einzelnen liefern, bedarf einer genauen Auslegung des jeweiligen Regelungszusammenhangs von Strafgesetz und Verwaltungsvorschrift. Zwei Beispiele aus dem Wirtschafts- und dem Umweltstrafrecht mögen der Veranschaulichung dienen.
I. Subventionsbetrug gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt ein Verhalten als Subventionsbetrug unter Strafe, bei dem der Subventionsgeber „entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventionsvergabe“ über subventionserhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird. Ob nun auch Verwaltungsvorschriften zur selbständigen Festlegung solcher Offenbarungspflichten genügen, hatte das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Unterlassungsfall zu entscheiden.46 Nach Maßgabe der Richtlinien des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 12. Juli 197947 war einem Unternehmen für die Neueinstellung von Arbeitnehmern eine ___________ 44 Insoweit skeptisch Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abschn. II Rn. 214. 45 Ähnlich, aber auf sogenannte normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften beschränkt Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 4./5. Aufl., 2003, Art. 103 Rn. 24 a; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 103 Abs. 2 Rn. 154; Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abschn. II Rn. 215; M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), S. 196 (217-219); weiter dagegen Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 493-498; ders., DVBl. 1990, 963 (969, 972); wohl auch Schachtschneider, VVDStRL 50 (1991), S. 326 (Diskussionsbeitrag); Heinz, NStZ 1981, 253 (255). 46 BayObLG v. 30.12.1981, NJW 1982, 2202 f. 47 Richtlinien zur Durchführung des arbeitsmarktpolitischen Programms der Bundesregierung für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen v. 12.7.1979, BAnz Nr. 131 v. 18.7.1979, S. 2 f.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
„kapitalisierte Einarbeitungshilfe“ gewährt worden. Unter Verwendung eines Formulars des zuständigen Arbeitsamtes hatte sich die Angeklagte verpflichtet, „jede Änderung (z. B. Abbruch der Maßnahme, Änderung des Arbeitsentgelts, Unterbrechungszeiten, in denen der Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung am Arbeitsplatz nicht erbringt und für ihn auch ein Lohnfortzahlungsanspruch nicht gegeben ist) gegenüber den Angaben in diesem Antrag dem Arbeitsamt mitzuteilen“. Die Bewilligungsbescheide enthielten den Hinweis, daß die gewährten Leistungen für den Teil des Förderungszeitraums zurückzuzahlen seien, in dem die Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt würden. Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer endete vor Ablauf des Förderungszeitraums. Eine Unterrichtung des Arbeitsamtes durch die Angeklagte erfolgte jedoch nicht. Das Amtsgericht verneinte einen Subventionsbetrug der Angeklagten, weil die Richtlinien des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung keine Rechtsvorschriften im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB seien.48 Das Bayerische Oberste Landesgericht kam zu einem gegenteiligen Ergebnis. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte daher Aufhebung und Zurückverweisung zur Folge.49 Es fragt sich somit, ob diese Richtlinien wirklich geeignet sind, das Tatbestandsmerkmal „Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB auszufüllen. Eine verneinende Antwort kann – entgegen einer Ansicht50 – nicht auf den Sprachgebrauch des Gesetzgebers gestützt werden. Denn dieser ist (noch) von der verfassungsgeschichtlich überholten und unzutreffenden Auffassung geprägt, welche Verwaltungsvorschriften nicht als Rechtssätze anerkannte. Indes muß dem Amtsgericht zugestimmt werden. Eine Vervollständigung des Unterlassungstatbestandes in § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB durch die Richtlinien bedeutete die Begründung einer strafbewehrten Handlungspflicht durch eine Maßnahme der vollziehenden Gewalt. Der Inhalt der Richtlinien aktivierte nicht nur anderweit gesetzlich festgelegte Handlungspflichten, sondern wäre konstitutiv für die Handlungspflichten und damit für den Unterlassungstatbestand selbst. Gemäß Art. 103 Abs. 2 GG bedarf es dazu jedoch eines förmlichen Gesetzes.51 Verwaltungsvorschriften sind deshalb – ebenso wie im übrigen Rechtsverordnungen52 – nicht geeignet, den Unterlassungstatbestand des § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu vervollständigen.53 ___________ 48
Sachverhalt abgedruckt in: BayObLG v. 30.12.1981, NJW 1982, 2202. BayObLG v. 30.12.1981, NJW 1982, 2202. 50 Schmidt-Aßmann (1992), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abschn. II Rn. 213. 51 Zutreffend Ranft, NJW 1986, 3168 (3170 f.). 52 Eine Auslegung, die nur Verwaltungsvorschriften, nicht aber Rechtsverordnungen für ungeeignet hielte, § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB auszufüllen, würde den Erfordernissen des Gesetzlichkeitsprinzips in Art. 103 Abs. 2 GG daher ebensowenig genügen. 53 Ebenso Ranft, NJW 1986, 3168 (3170 f.); vgl. ferner Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., 2001, § 264 Rn. 52. – A. A. BayObLG v. 49
§ 15 Verwaltungsvorschriften und Strafrecht
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II. Luftverunreinigung gemäß § 325 StGB Die Interpretation des § 325 StGB fördert ein ähnliches Ergebnis zutage. In § 325 Abs. 1 Satz 1 StGB bedroht der Gesetzgeber denjenigen mit Strafe, der beim Betrieb einer Anlage unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Veränderungen der Luft verursacht, die geeignet sind, die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen. Zur Feststellung der geforderten Schädigungseignung der vom Täter bewirkten Luftverunreinigung greift die strafrechtliche Literatur vielfach auf die Grenzwerte der TA Luft zurück, denen die Qualität eines „antizipierten Sachverständigengutachtens“ zugesprochen wird.54 Gegen eine solche Verbindlichkeit der TA Luft für den Strafrichter sind Bedenken anzumelden. Sie gründen auf den unterschiedlichen Schutzzwecken des § 325 StGB und der zur Konkretisierung des BImSchG erlassenen TA Luft. Schon ein Vergleich des § 325 StGB mit § 324 StGB55 zeigt, daß § 325 StGB nicht bereits jede nachteilige Veränderung der natürlichen Luft verhindern, sondern nur eine solche, die eine qualifizierte Schädigungseignung aufweist. Schutzgut des § 325 StGB ist damit nicht die Luft in ihrer natürlichen Zusammensetzung, sondern die Luft als Voraussetzung für die menschliche Gesundheit und die Integrität der Tiere, Pflanzen und anderen Sachen.56 Demgegenüber erfaßt das BImSchG, dessen Ausführung die TA Luft bezweckt, als schädliche Umwelteinwirkungen alle Immissionen, „die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen“ (§§ 1, 3 Abs. 1 ___________ 30.12.1981, NJW 1982, 2202; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., 2001, § 264 Rn. 21, der Offenbarungspflichten mittelbar auf §§ 3, 4 SubvG zurückführt. – Demgegenüber können die „subventionserheblichen Tatsachen“ im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB sehr wohl durch Verwaltungsvorschriften festgelegt werden. Entscheidend ist allein, daß die Vergabe der Subventionen verfassungsrechtlich zulässig ist. In diesem Fall ist der Anknüpfungspunkt für die Täuschungshandlung die von der Behörde in der Verwaltungsvorschrift bezeichnete Tatsachengrundlage. Insofern besteht eine Parallele zum Betrug nach § 263 StGB, bei dem der Empfänger einer Leistung positiv über Tatsachen täuscht, von deren Vorliegen der Gewährende die Leistung abhängig macht. Wird § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB aber dergestalt vor dem Hintergrund des § 263 StGB ausgelegt, wird deutlich, daß die Tathandlung in § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit der Täuschung über Tatsachen hinreichend präzise umschrieben ist. Gegen eine nähere Spezifizierung der Subventionserheblichkeit dieser Tatsachen durch Verwaltungsvorschriften bestehen deshalb keine Bedenken. Anders Löwer, JZ 1979, 621 (630 f.). 54 So etwa Stree/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., 2001, § 325 Rn. 19. 55 Nach § 324 Abs. 1 StGB wird derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, der unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert. 56 Horn, in: SK, StGB, 6. Aufl., Stand: Juli 2001, § 325 Rn. 2; Stree/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., 2001, § 325 Rn. 1; wohl auch Kühl, in: Lackner/ Kühl, StGB, 24. Aufl., 2001, § 325 Rn. 1.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
BImSchG). Die in der TA Luft festgelegten Grenzwerte dienen somit nicht allein der Vermeidung der von § 325 StGB ausschließlich erfaßten schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern darüber hinaus auch dem Schutz vor erheblichen Belästigungen. Letztere werden aber lediglich von § 1 und § 3 Abs. 1 BImSchG, nicht dagegen von § 325 StGB tatbestandlich erfaßt. Gemessen an § 325 Abs. 1 Satz 1 StGB sind die Grenzwerte der TA Luft daher „zu streng“57 und können aus diesem Grund keine Bindung des Strafrichters bewirken.58 Jede andere Annahme verstieße gegen den in Art. 20 Abs. 3 GG garantierten Vorrang des (Straf-)Gesetzes, an dem auch § 325 StGB teilhat.59 Der Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung steht dem nicht entgegen.60 Als ultima ratio kann sich das Strafrecht durchaus darauf beschränken, nur gewichtigere Rechtsgutsverletzungen mit dem Mittel der Strafe zu bekämpfen. Die beiden Beispiele aus dem Wirtschafts- und dem Umweltstrafrecht zeigen deutlich: Zwar entfalten Verwaltungsvorschriften eine Bindungswirkung grundsätzlich auch gegenüber den Strafgerichten. Ob und inwieweit sie im Einzelfall Straftatbestände vervollständigen, ist allerdings eine Frage der Auslegung des konkreten Strafgesetzes.
§ 16 Verwaltungsvorschriften und Zivilrecht Nicht nur im Strafrecht, auch im Zivilrecht wird seit längerem eine kontroverse Diskussion um den Topos der Verwaltungsakzessorietät geführt; sie ist ebenso vielgestaltig wie es die Verknüpfungen zwischen dem Verwaltungsrecht und dem Zivilrecht sind.61 Namentlich Normen des Verwaltungsrechts können ___________ 57
Rudolphi, NStZ 1984, 248 (251). Nur im Ergebnis ebenso Hansmann, in: Dokumentation zum 9. Dt. Verwaltungsrichtertag 1989, S. 217 (226 f.); K. Tiedemann/Kindhäuser, NStZ 1988, 337 (345). – A. A. wohl Heinz, NStZ 1981, 253 (255); Ossenbühl, DVBl. 1990, 963 (972). 59 Daraus folgt zugleich, daß ebenfalls die in immissionsschutzrechtlichen Rechtsverordnungen festgesetzten Höchst- und Grenzwerte für die Strafgerichte keine Verbindlichkeit entfalten. Unzutreffend daher K. Tiedemann/Kindhäuser, NStZ 1988, 337 (345), die eine strafrechtliche Verbindlichkeit derjenigen verwaltungsrechtlichen Standards annehmen, welche in Form einer Rechtsverordnung erlassen wurden. 60 Zum Topos der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung im hier interessierenden Zusammenhang siehe M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), S. 196 (205 f.) mit weiteren Nachweisen. 61 Vgl. etwa das Thema „Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht“ der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1990 in Zürich mit dem 2. Bericht von Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 ff.; ferner Ossenbühl, DVBl. 1990, 963 (964-969). 58
§ 16 Verwaltungsvorschriften und Zivilrecht
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sich als Vorgabe für das Zivilrecht erweisen. So sind verwaltungsrechtliche Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen imstande, unmittelbar als Tatbestandselemente in privatrechtlichen Rechtssätzen in Erscheinung zu treten. Eher mittelbaren Einfluß üben Verwaltungsrechtssätze auf das Zivilrecht aus, wenn die in ihnen enthaltenen Wertungen die Auslegung zivilrechtlicher Normen bestimmen oder beeinflussen.62 Es besteht daher Anlaß genug, die Vorgaben der Verwaltungsvorschriften für das Zivilrecht einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Sie soll getrennt nach negatorischen Abwehransprüchen und Schadensersatzansprüchen erfolgen.
A. Negatorische Abwehransprüche Gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB kann der Eigentümer im Falle der Beeinträchtigung seines Eigentums von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen, sofern er nicht zu ihrer Duldung verpflichtet ist. Derartige Beeinträchtigungen des Eigentums können etwa durch Emissionen von umweltbelastenden Anlagen verursacht werden. Für den Fall des negatorischen Schutzes vor Umweltbelastungen verlangt die Rechtsprechung freilich eine spezifische Grundstücksbezogenheit der Belastung. Ansprüche aus § 1004 BGB gegen den Betreiber einer emittierenden Anlage können demnach nur durch einen Grundstückseigentümer oder einen in ähnlicher Weise Betroffenen63 geltend gemacht werden.64 Den Abwehrrechten des Eigentümers aus § 1004 BGB werden durch § 906 BGB Grenzen gesetzt. Nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung unwägbarer Stoffe von einem anderen Grundstück insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Das gleiche gilt nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Voraussetzung einer Anwendung des § 906 BGB ist die Zuführung von Immissionen in Form unwägbarer Stoffe von seiten des störenden Grundstücks auf das Grundstück des betroffenen Eigentümers.65 Unwesentliche Immissionen müssen deshalb entgegen der Rege___________ 62
Beispiele bei Ossenbühl, DVBl. 1990, 963 (964 f., 966). Zu nennen sind hier insbesondere die Inhaber beschränkt dinglicher Grundstücksrechte, die Inhaber eines Dauerwohnrechts oder die Besitzer des Grundstücks. Zu letzteren etwa BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (145) – Kupolofen; v. 15.4.1959, BGHZ 30, 273 (276, 280). 64 Vgl. dazu exemplarisch BGH v. 15.6.1977, BGHZ 69, 105 (110). 65 Zum Anwendungsbereich des § 906 BGB siehe Augustin, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., 1979, Bd. III/1, § 906 Rn. 1-5; Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 1; J. F. Baur, in: Soergel, BGB, Bd. 14, 13. Aufl., 2002, § 906 Rn. 1-5; Säk63
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
lung in § 1004 BGB hingenommen werden. Demgegenüber sind wesentliche Immissionen nur zu dulden, sofern sie durch eine ortsübliche Nutzung herbeigeführt werden und nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art von Grundstücken wirtschaftlich zumutbar sind. Allein die Wiedergabe des Tatbestandes des § 906 BGB lenkt die Aufmerksamkeit auf zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung und Anwendung die Beurteilung komplexer naturwissenschaftlich-technischer Sachverhalte erfordert. Wie schon bei den unbestimmten Rechtsbegriffen des öffentlichen Rechts stellt sich daher auch hier die Frage, ob der Zivilrichter auf die technischen Regelungen in Verwaltungsvorschriften zurückgreifen darf oder sogar muß. Eine auf Vollständigkeit bedachte Antwort hat sich an den einschlägigen Rechtsbegriffen des § 906 BGB zu orientieren und muß zusätzlich eine eventuelle beweisrechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften berücksichtigen.
I. Wesentlichkeit von Beeinträchtigungen Ein Abwehranspruch aus § 1004 BGB besteht nach § 906 BGB für den Eigentümer eines gestörten Grundstücks nicht, wenn die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Der Begriff der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung dient der Abgrenzung zwischen den unabhängig von ihrer Ortsüblichkeit hinzunehmenden „sozialadäquaten“ Belästigungen im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und den über eine bloße Belästigung hinausgehenden, körperliches Unbehagen hervorrufenden Einwirkungen.66 Letztere können abgewehrt werden, sofern sie nicht ortsüblich sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die semantische Ähnlichkeit zwischen dem Rechtsbegriff der wesentlichen Beeinträchtigung im Sinne des § 906 BGB und dem der schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG liegt auf der Hand. Für die Beurteilung einer Beeinträchtigung als noch nicht oder schon wesentlich könnten deshalb ebenso wie bei der Unterscheidung zwischen schädlichen und unschädlichen Umwelteinwirkungen die in Verwaltungsvorschriften festgelegten Immissionsgrenzwerte67 maßgeblich
___________ ker, in: MünchKomm, BGB, Bd. 6, 4. Aufl., 2004, § 906 Rn. 4 f.; Westermann, in: Festschrift für K. Larenz, 1973, S. 1003 (1005 f.). 66 So ausdrücklich OLG Karlsruhe v. 22.6.1988, NJW-RR 1989, 145; vgl. des weiteren BGH v. 8.1.1970, WM 1970, 492; zum Normzweck ferner BGH v. 21.10.1983, BGHZ 88, 344 (346); v. 15.5.1970, BGHZ 54, 56 (59). 67 Zu den Verwaltungsvorschriften, die in den Anwendungsbereich des § 906 BGB fallen, zählen in erster Linie die TA Lärm und die TA Luft. Vgl. H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 190, 196.
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sein.68 Konkreter fragt sich, ob eine Überschreitung dieser Grenzwerte eo ipso die Wesentlichkeit und eine Unterschreitung entsprechend die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung zur Folge hat.
1. Überschreitung von Immissionsgrenzwerten a) Rechtsprechungs- und Literaturbericht Die Antwort des Bundesgerichtshofs auf diese Frage fiel in seiner Rechtsprechung bislang eindeutig aus. Dem Gericht zufolge entfalten weder die Grenzwerte der TA Lärm noch die der TA Luft eine strikte Verbindlichkeit gegenüber dem Zivilrichter. Eine Grenzwertüberschreitung qualifiziere eine Beeinträchtigung daher nicht per se als wesentlich im Sinne des § 906 BGB.69 Im übrigen differenziert der Bundesgerichtshof zwischen der TA Lärm und der TA Luft. In seiner Entscheidung vom 29. Juni 196670 führte der Bundesgerichtshof zunächst aus, daß die Grenzwerte von Lärmimmissionen nur einen „gewissen Anhalt und einen Richtwert“ für die Lästigkeit eines Geräuschs und damit für die Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung darstellten. Denn die für die Wesentlichkeit maßgebliche Lästigkeit eines Geräusches hänge nicht nur von der Lautstärke, sondern auch vom Schallpegel, der spektralen Zusammensetzung und den individuellen Bedingungen, unter denen der Lärmbetroffene stehe, ab. Insbesondere die letzte Komponente werde durch die in technischen Regelwerken normierten Meßverfahren nicht berücksichtigt, welche lediglich auf die aus dem Schalldruck und der Frequenz zusammengesetzte Lautstärke abstellten. Überhaupt sei es unmöglich, die Lästigkeit von Lärm „durch ein allgemeingültiges Maß zahlenmäßig“ zu erfassen. Der Richter sei deshalb nicht an Lärmgrenzwerte gebunden; vielmehr müsse er sich auf seine eigenen Empfindungen verlassen und gegebenenfalls einen Sachverständigen hinzuziehen.71 ___________ 68
Eine Identität zwischen wesentlichen Beeinträchtigungen im Sinne des § 906 BGB und schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG nimmt etwa Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (241) an. 69 Vgl. nur BGH v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 (107, 110); v. 20.11.1970, MDR 1971, 203; v. 22.3.1968, NJW 1968, 1333; v. 29.6.1966, BGHZ 46, 35 (38, 40); zur Überschreitung von Grenzwerten in VDI-Richtlinien: BGH v. 17.12.1982, NJW 1983, 751; v. 16.10.1970, WM 1970, 1460 (1461); v. 6.6.1969, JZ 1969, 635 (636); v. 17.11.1967, MDR 1968, 312; zur Rechtsprechung ferner Johlen, Die Beeinflussung privater Immissionsabwehransprüche durch das öffentliche Recht, 2001, S. 91 f., 117-120. 70 BGH v. 29.6.1966, BGHZ 46, 35 (38) in bezug auf die VDI-Richtlinie 2058. 71 Ständige Rechtsprechung; vgl. statt vieler BGH v. 17.12.1982, NJW 1983, 751; v. 20.11.1970, MDR 1971, 203; v. 16.10.1970, WM 1970, 1460 (1461); v. 6.6.1969, JZ 1969, 635 (636); v. 22.3.1968, NJW 1968, 1133: „nur einen gewissen Anhaltspunkt und einen Richtwert“; v. 17.11.1967, MDR 1968, 312; jeweils in bezug auf VDI-
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Der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der TA Luft maß der Bundesgerichtshof demgegenüber in seiner Fluorabgas-Entscheidung vom 16. Dezember 197772 eine gewisse Beachtlichkeit zu. Bei den Grenzwerten der TA Luft handele es sich um allgemeine Maßstäbe, die eine Obergrenze für die Belastung mit Luftimmissionen festlegten. Da § 906 BGB darauf abstelle, in welchem Ausmaß die Benutzung eines Grundstücks im konkreten Einzelfall beeinträchtigt werde, könne „in aller Regel“ davon ausgegangen werden, daß eine Überschreitung der Grenzwerte der TA Luft auf eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift hinweise. Freilich müsse stets berücksichtigt werden, daß die TA Luft als Verwaltungsvorschrift nicht schematisch angewendet werden dürfe, sondern nur ein wichtiger Anhaltspunkt sei.73 Das Schrifttum hat sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im wesentlichen angeschlossen und betrachtet die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte überwiegend als Indiz für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung eines Grundstücks.74 Teilweise wird auch eine zwingende Verknüpfung zwischen dem Vorliegen einer schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne des BImSchG und der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung im Sinne von § 906 BGB angenommen. Den Immissionsgrenzwerten müsse aufgrund der in ihnen verwerteten naturwissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse die Funktion eines „äußersten Entscheidungsrahmens“ zugebilligt werden. Ihre Überschreitung habe daher stets die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung zur Folge.75
b) Stellungnahme Die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Grenzwertüberschreitung und Wesentlichkeit kann indes nur gelingen, wenn die Funktion der in der TA Lärm und der TA Luft enthaltenen Grenzwerte einerseits und des Tatbestands___________ Richtlinien; speziell zur TA Lärm jüngst BGH v. 14.10.1994, NJW 1995, 132 (133); v. 20.11.1992, BGHZ 120, 239 (256 f.) – Froschlärm. 72 BGH v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 ff. – Fluorabgas. 73 BGH v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 (107, 110) – Fluorabgas; ferner BGH v. 5.2.1993, BGHZ 121, 248 (251); v. 23.3.1990, BGHZ 111, 63 (67); OLG Zweibrücken v. 20.8.1991, DWW 1991, 305 (306). 74 Augustin, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., 1979, § 906 Rn. 34; Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 23; Hagen/Lorenz, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 906 Rn. 16; Säcker, in: MünchKomm, BGB, Bd. 6, 4. Aufl., 2004, § 906 Rn. 31; Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (241-243); Marburger, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (1986), 1986, S. C1 (C108); G. Walter, NJW 1978, 1158: „Anhaltspunkte“. 75 Mittenzwei, MDR 1977, 99 (104).
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merkmals der Wesentlichkeit andererseits in den Blick genommen werden. Erst wenn der immissionsschutzrechtliche Rechtsbegriff „schädliche Umwelteinwirkung“, zu dessen Konkretisierung die TA Luft und die TA Lärm erlassen wurden, und sein privatrechtliches Pendant „wesentliche Beeinträchtigung“ gleichzusetzen sind, vermag eine Grenzwertüberschreitung die Wesentlichkeit gemäß § 906 BGB zu implizieren. Was also bedeutet „wesentliche Beeinträchtigung“ im Sinne von § 906 BGB? Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt die Grenzziehung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Beeinträchtigungen in Anlehnung an das Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“.76 Die herrschende Lehre spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten differenziert-objektiven Maßstab. Demnach kommt es für die Frage der Wesentlichkeit nicht auf die besondere Empfindlichkeit des von der Immission betroffenen Nachbarn (subjektiver Maßstab) an, sondern auf die Belastbarkeit des Durchschnittsmenschen (objektiver Maßstab).77 Differenziert ist der Maßstab, weil auf einen Durchschnittsbenutzer des betreffenden Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit abgestellt werden muß, nicht dagegen auf einen von den gegebenen örtlichen Verhältnissen losgelösten Durchschnittsmenschen schlechthin.78 Von entscheidender Bedeutung ist, in welchem Ausmaß die Benutzung nach der tatsächlichen Natur und der konkreten Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird; auf vorhandene Störanfälligkeiten muß der Nachbar Rücksicht nehmen.79 Die Feststellung der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung erfolgt somit zwar zunächst nach objektiven, generalisierenden Kriterien. Stets aber muß dem jeweils in Rede stehenden konkreten Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden, daß das Empfinden eines verständigen Benutzers des jeweiligen Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit beachtet wird.80 Die tatsächliche Beschaffenheit eines Grundstücks kann mithin eine Beeinträchtigung als wesent___________ 76
Seit seiner Froschlärm-Entscheidung v. 20.11.1992 stellt der BGH (BGHZ 120, 239 [255]) nicht mehr auf das Empfinden eines „normalen“, sondern das eines „verständigen“ Durchschnittsmenschen ab. Ebenso jüngst BGH v. 5.2.1993, BGHZ 121, 248 (255) mit Anmerkung H. Roth, JR 1994, 64 f. 77 BGH v. 23.3.1990, BGHZ 111, 63 (65); v. 18.6.1958, LM § 906 BGB Nr. 6 Bl. 2; OLG Oldenburg v. 15.8.1983, AgrarR 1984, 73 Leitsatz; OLG Zweibrücken v. 20.8.1991, DWW 1991, 305 (306). 78 H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 177; Säcker, in: MünchKomm, BGB, Bd. 6, 4. Aufl., 2004, § 906 Rn. 34. 79 BGH v. 2.3.1984, BGHZ 90, 255 (260 f.); v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 (109 f.); v. 10.6.1977, BGHZ 69, 118 (127); OLG Düsseldorf v. 14.8.1990, AgrarR 1991, 263 (264); OLG Frankfurt v. 13.6.1991, NJW-RR 1991, 1364 (1365); OLG Stuttgart v. 28.10.1987, NJW-RR 1988, 204. 80 Augustin, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., 1979, § 906 Rn. 32; J. F. Baur, in: Soergel, BGB, Bd. 14, 13. Aufl., 2002, § 906 Rn. 42 f.; Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach § 906 BGB, 1964, S. 56.
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lich erscheinen lassen, die in bezug auf ein Grundstück mit einer anderen Beschaffenheit noch als unwesentlich eingestuft werden muß. Die in der TA Lärm und TA Luft enthaltenen Immissionsgrenzwerte bezeichnen demgegenüber „allgemeine Maßstäbe“81 zur prognostizierenden Beurteilung der Frage, ob geplante Anlagen Gefahren im Sinne des BImSchG hervorrufen können. Keinesfalls aber bezwecken sie den Ausgleich konfligierender nachbarlicher Eigentumspositionen und Nutzungsinteressen im konkreten Einzelfall. Naturgemäß kann die konkrete Beschaffenheit eines Grundstücks, die für die Bewertung der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung entscheidungserheblich ist, in ihnen nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund enthalten die in Verwaltungsvorschriften festgesetzten Grenzwerte keinen zwingenden Maßstab für den Begriff der Wesentlichkeit in § 906 BGB. Eine Überschreitung der Grenzwerte der TA Lärm und TA Luft zieht daher nicht per se die Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung nach sich.
2. Unterschreitung von Immissionsgrenzwerten Für den Fall der Einhaltung der in Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG festgelegten Grenzwerte enthält § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB jedoch seit dem 1. Oktober 199482 eine explizite Bestimmung. Danach liegt „in der Regel“ eine unwesentliche Beeinträchtigung vor, sofern die in den genannten Verwaltungsvorschriften festgelegten Grenz- und Richtwerte nicht überschritten werden.83 Eine ausnahmslose Anwendung der Grenzwerte verlangt allerdings auch die neue Fassung des § 906 Abs. 1 BGB nicht. Dem Zivilrichter bleibt vielmehr die Möglichkeit, den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen.84 Auf die Zulässigkeit der Einzelfallbeurteilung durch den Tatrichter verweist auch die Begründung der Bundesregierung.85
___________ 81
So BGH v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 (107) – Fluorabgas. Vgl. Art. 2 § 4 des Gesetzes zur Änderung sachenrechtlicher Bestimmungen v. 21.9.1994 (BGBl. I S. 2457 [2489 f.]). 83 Dazu Dury, SpuRt 1995, 102; ferner BGH v. 14.10.1994, NJW 1995, 132 (133). 84 H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 188; Säcker, in: MünchKomm, BGB, Bd. 6, 4. Aufl., 2004, § 906 Rn. 16; H. Weber/C. Weber, VersR 1995, 20 (21); einschränkend wohl Murswiek, JuS 1995, 1138; Otto, ZMR 1995, 147 (148): „(Die Grenzwerte) bestimmen künftig die zivilrechtliche Bedeutung, die kaum noch anders ausfallen kann als die öffentlich-rechtliche Entscheidung.“ 85 BT-Drucks. 12/7425, S. 87 (88) zu § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB: „[...] stets bleibt eine Prüfung der Einzelfallumstände vorbehalten.“ 82
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II. Ortsüblichkeit von Beeinträchtigungen Auch eine wesentliche Beeinträchtigung kann nicht verboten werden, wenn sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird (und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind). Die Beurteilung einer Immission als ortsüblich erfolgt auf der Grundlage eines Vergleich der Benutzung des schädigenden (nicht des betroffenen) Grundstücks mit anderen Grundstücken des Vergleichsbereichs.86 Maßgebend für die Frage der Ortsüblichkeit ist das Gepräge, das sich aus der Betrachtung des tatsächlichen Zustands der Mehrheit der Vergleichsgrundstücke ergibt („Geprägetheorie“).87 Der tatsächliche Zustand wird anhand der tatsächlichen allgemeinen Übung sowie der allgemeinen Anschauung der Bevölkerung festgelegt.88 Wird die Ortsüblichkeit einer Immission damit vornehmlich durch die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse von Grundstükken eines bestimmten Gebietes bestimmt, können öffentlich-rechtliche Vorschriften allenfalls Indizien für die Auslegung dieses Rechtsbegriffs liefern. Allein aus der Tatsache, daß die festgestellten Immissionen die in der TA Luft oder TA Lärm festgesetzten Grenzwerte nicht überschreiten, kann folglich nicht schon auf die Ortsüblichkeit geschlossen werden.89 Die Neufassung des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ändert daran nichts, weil sie sich nur auf die Frage der Wesentlichkeit bezieht.
___________ 86 BGH v. 20.11.1992, BGHZ 120, 239 (260) – Froschlärm; v. 15.6.1977, BGHZ 69, 105 (110 f.); v. 10.11.1972, BGHZ 59, 378 (381); v. 15.4.1959, BGHZ 30, 273 (277-279); v. 29.10.1954, BGHZ 15, 146 (148 f.); RG v. 26.11.1932, RGZ 139, 29 (31 f.); v. 4.10.1922, RGZ 105, 213 (216 f.); v. 31.1.1906, DJZ 1906, 485 (486). 87 BGH v. 17.12.1982, NJW 1983, 751; v. 6.6.1969, LM § 906 BGB Nr. 32 Bl. 4; v. 19.2.1976, NJW 1976, 1204 (1205); RG v. 10.3.1937, RGZ 154, 161 (164 f.); OLG Frankfurt v. 14.7.1987, NJW 1988, 2618 (2619). 88 BGH v. 19.5.1967, BGHZ 48, 31 (32); v. 28.4.1967, MDR 1967, 913; v. 18.6.1958, LM § 906 BGB Nr. 6 Bl. 2; OLG Stuttgart v. 19.2.1959, VersR 1959, 746 (747); Pikart, WM 1969, 82 (85). 89 BGH v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 (111) – Fluorabgas; H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 218, 235; ders., JZ 2002, 245 (247). – In der Konsequenz zieht die Überschreitung von öffentlich-rechtlichen Grenzwerten aus Verwaltungsvorschriften nicht zwingend eine fehlende Ortsüblichkeit nach sich. So auch Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 30; anders H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 231, 235; ders., JZ 2002, 245 (247); Johlen, Die Beeinflussung privater Immissionsschutzabwehransprüche durch das öffentliche Recht, 2001, S. 132: „Öffentlich-rechtliche Vorschriften können somit für sich allein zwar keine Ortsüblichkeit begründen, wohl aber die Entstehung der Ortsüblichkeit verhindern.“; Mittenzwei, MDR 1977, 99 (104).
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III. Wirtschaftliche Zumutbarkeit von Schutzvorkehrungen Der Eigentümer muß wesentliche, ortsübliche Beeinträchtigungen seines Grundstücks nur hinnehmen, wenn sie nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Unter wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen sind alle technischen Einrichtungen sowie betriebswirtschaftliche Möglichkeiten zu verstehen, die die Beeinträchtigung unter die Schwelle der Wesentlichkeit herabsetzen.90 Da namentlich Verwaltungsvorschriften nach § 48 Nr. 2 BImSchG Emissionswerte festlegen, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist, drängt sich die Frage nach ihrer Relevanz für den Begriff der „Zumutbarkeit“ auf. Eine Beachtlichkeit der Verwaltungsvorschriften setzt jedoch voraus, daß bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ein rein objektiver, generalisierender Maßstab anzulegen ist. Dem ist jedoch nicht so. Zwar wird die Zumutbarkeit typisierend an „Benutzern dieser Art“ gemessen; dem Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zufolge kommt es somit nicht gerade darauf an, was diesem besonderen Betrieb zuzumuten ist. Daneben ist den individuellen Besonderheiten jedoch insoweit Rechnung zu tragen, als auf einen durchschnittlichen Benutzer des konkreten Grundstücks abzustellen ist. Ob eine Maßnahme wirtschaftlich zumutbar ist, richtet sich daher nicht nur nach den abstrakten Vor- und Nachteilen und technisch-naturwissenschaftlichen Möglichkeiten, sondern auch nach dem konkreten nachbarschaftlichen Verhältnis sowie der Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen Benutzers des jeweiligen emittierenden Grundstücks.91 Vergleichbar der Frage der „Wesentlichkeit“ gilt mithin auch für die wirtschaftliche Zumutbarkeit ein differenziert-objektiver Maßstab.92 Eine verbindliche Konkretisierung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit
___________ 90
Vgl. dazu BGH v. 30.10.1981, DB 1982, 694; v. 22.10.1976, NJW 1977, 146; v. 14.4.1954, LM § 906 BGB Nr. 1 Bl. 2; LG München II v. 10.12.1991, NJW-RR 1992, 462 f. 91 Allgemeine Meinung; vgl. nur OLG Düsseldorf v. 27.6.1979, OLGZ 1980, 16 (18 f.); Hagen/Lorenz, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 906 Rn. 30; H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 237; Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 32; Säcker, in: MünchKomm, BGB, Bd. 6, 4. Aufl., 2004, § 906 Rn. 121; mißverständlich OLG Karlsruhe v. 22.12.1964, BB 1965, 690; LG München I v. 3.3.1989, NJW-RR 1989, 1178 (1179), die zwar einen rein objektiven Maßstab postulieren, im Ergebnis aber auch die konkreten Verhältnisse mit in die Betrachtung einbeziehen. 92 Ebenso Hagen/Lorenz, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 906 Rn. 30; H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 237; Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach § 906 BGB, 1964, S. 56; a. A. P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 156 f., der zufolge dem Rechtsbegriff der Zumutbarkeit ein rein objektiver Maßstab zugrundeliegt.
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nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB kann durch die typisierenden Verwaltungsvorschriften des § 48 Nr. 2 BImSchG daher nicht erfolgen.93
IV. Beweisrechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften Der Eigentümer kann seinen Abwehranspruch aus §§ 1004, 906 BGB nur geltend machen, sofern es ihm gelingt, neben seinem Eigentum oder seinem Besitz eine Beeinträchtigung seines Eigentums durch Einwirkung einer Immission substantiiert zu behaupten und zu beweisen.94 Grundsätzlich muß der Eigentümer damit auch die Kausalität der Immission für die Beeinträchtigung seines Grundstücks beweisen;95 die Relevanz der in Verwaltungsvorschriften enthaltenen Grenzwerte für diese ihm obliegende Beweisführung ist freilich umstritten.
1. Beweis der Kausalität zwischen der Immission und der Grundstücksbeeinträchtigung Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte will namentlich J. F. Baur den Beweisschwierigkeiten des Geschädigten Abhilfe schaffen.96 Zwar könnten die technischen Verwaltungsvorschriften nur generelle Maßstäbe setzen und seien deshalb auf den individuellen Interessenausgleich im privaten Nachbarrecht nicht uneingeschränkt übertragbar. Dennoch würden sie immerhin die Grenzen der „allgemeinen Belastbarkeit“ der Umwelt aufzeigen. Sofern der Störer die in den Verwaltungsvorschriften normierten Grenzwerte überschritten habe, sei dem Geschädigten die Führung eines Anscheinsbeweises hinsichtlich der Kausalität zuzubilligen.97 Indes hängt eine beweisrechtliche Qualifizierung der Verwaltungsvorschriften als Anscheinsbeweis von ihrem Tatsachengehalt ab. Die Ausführungen zur beweisrechtlichen Bedeutung der technischen Rege___________ 93
Ebenso BGH v. 10.11.1977, BauR 1978, 391 (393): Richtwerte in Verwaltungsvorschriften als „Orientierungshilfe“; v. 15.6.1977, BGHZ 69, 105 (115-117); Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 32; nur im Ergebnis P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 158; Johlen, Die Beeinflussung privater Immissionsabwehransprüche durch das öffentliche Recht, 2001, S. 133: „gewisser Stellenwert“ der Emissionsgrenzwerte. 94 BGH v. 12.7.1985, BGHZ 95, 307 (312); v. 16.10.1970, MDR 1971, 119 (120); v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 (111) – Fluorabgas; weitergehende Anforderungen bei OLG Schleswig v. 12.5.1986, NJW-RR 1986, 884 ff. 95 Vgl. die soeben in Fn. 94 aufgeführten Rechtsprechungsnachweise. 96 J. F. Baur, in: Soergel, BGB, Bd. 14, 13. Aufl., 2002, § 906 Rn. 169; F. Baur, JZ 1974, 657 (659 f.); zur Problematik ferner ders., JZ 1981, 278; Nick, AgrarR 1985, 343 (344). 97 F. Baur, JZ 1974, 657 (659 f.).
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lungen in Verwaltungsvorschriften haben aber gezeigt, daß die jeweiligen Regelwerke neben naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ebenfalls kompromißhafte Abwägungen und Wertungen des Verwaltungsvorschriftengebers enthalten.98 Auch im Rahmen der negatorischen Haftung des § 906 BGB kann Verwaltungsvorschriften daher keine beweisrechtliche Relevanz im Sinne eines Anscheinsbeweises zukommen.99 Teilweise wird eine Privilegierung des Grundstückeigentümers dadurch zu erreichen versucht, daß im Falle einer Überschreitung von Grenzwerten aus Verwaltungsvorschriften eine Umkehr der Beweislast postuliert wird. Auf diese Weise muß der Anlagenbetreiber nachweisen, daß die eingetretene Beeinträchtigung des Grundstücks nicht von ihm hervorgerufen wurde.100 Dagegen spricht bereits, daß dem Emittenten dieser Beweis wohl kaum gelingen wird. Zuzustimmen ist daher der flexiblen Lösung der Rechtsprechung, die einerseits eine Übermaßhaftung des Störers vermeidet, andererseits dem Geschädigten entgegenkommt. Für den Fall einer Überschreitung von Grenzwerten aus Verwaltungsvorschriften wird den Beweisschwierigkeiten des Eigentümers demnach dadurch Rechnung getragen, daß auf der Ebene der Beweiswürdigung die Vorschrift des § 287 ZPO auch auf die haftungsbegründende Kausalität erstreckt wird.101 Bei Einhaltung der Grenzwerte dagegen bleibt dem Grundstückseigentümer der Beweis der Kausalität nicht erspart.
2. Beweis der Überschreitung der in den Verwaltungsvorschriften festgelegten Immissionsgrenzwerte Es fragt sich weiter, wer für die Überschreitung der Grenzwerte darlegungsund beweispflichtig ist. Dem Willen des Gesetzgebers dürfte es entsprechen, die Beweislast für die Einhaltung der Grenzwerte aus Verwaltungsvorschriften dem Emittenten aufzuerlegen.102 Für diese Beweislastverteilung spricht ebenfalls, ___________ 98 Wobei durchaus graduelle Unterschiede zwischen den Verwaltungsvorschriften zur Vorsorge- und zur Schutzpflicht bestehen. Siehe oben 4. Teil § 7 D. III. 99 Ebenso BGH v. 17.12.1982, NJW 1983, 751 f.; Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 30: „allgemeine(r) Anhalt“; H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 200; P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 160; G. Walter, NJW 1978, 1158. 100 Etwa G. Walter, Freie Beweiswürdigung, 1979, S. 255; ders., NJW 1978, 1158; ähnlich Diederichsen/ A. Scholz, WiVerw. 1984, 23 (36); Marburger/H. Herrmann, JuS 1986, 354 (358). 101 BGH v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 (108) – Fluorabgas; zustimmend H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 200. 102 Vgl. die Beschlußempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) v. 27.4.1994, BT-Drucks. 12/7425, S. 88: „Künftig ist es so, daß eine Verschie-
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daß der Grundstückseigentümer mangels der erforderlichen Meßgeräte regelmäßig kaum zur Führung eines solches Beweises in der Lage sein dürfte.103
3. Beweis der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung Ist dem geschädigten Grundstückseigentümer die Beweisführung aufgrund der oben genannten Grundsätze gelungen, muß nunmehr grundsätzlich der Emittent beweisen, daß die Beeinträchtigung nur unwesentlich ist. Seit dem 1. Oktober 1994 normiert § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB aber eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Eigentümers.104 Hat der Emittent die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Grenzwerte bewiesen, obliegt dem Geschädigten der Beweis, daß trotz Einhaltung der Grenzwerte eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt.105
4. Beweis der Ortsüblichkeit und der Zumutbarkeit Der Störer wiederum trägt die Beweislast dafür, daß die festgestellten Beeinträchtigungen ortsüblich sind.106 Die Einhaltung der Grenzwerte aus Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG liefert keinen Anscheinsbeweis für die Ortsüblichkeit; allenfalls kann ihr ein allgemeiner Anhalt entnommen werden.107
___________ bung des Beweisthemas dahin erfolgt, daß der Emittent nur noch die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Grenzwerte trägt [...].“ 103 H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 201; Marburger/H. Herrmann, JuS 1986, 354 (358); ähnlich für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB LG Münster v. 6.2.1986, NJW-RR 1986, 947 (950). 104 Demgegenüber bringen Hagen/Lorenz, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 906 Rn. 17 und Marburger, in: Festschrift für W. Ritter, 1997, S. 901 (910-912) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Deutung des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB als Beweislastumkehr vor. Anders dagegen H. Roth, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb., 1996, § 906 Rn. 167: „geglückte“ Neuregelung. 105 Vgl. die Beschlußempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses (6. Bericht) v. 27.4.1994, BT-Drucks. 12/7425, S. 88. 106 BGH v. 20.11.1992, BGHZ 120, 239 (260) – Froschlärm; v. 23.3.1990, BGHZ 111, 63 (73); v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (147) – Kupolofen. 107 BGH v. 17.12.1982, NJW 1983, 751 (752) in bezug auf die VDI-Richtlinie 2058; Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 30; Marburger, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (1986), 1986, S. C1 (C109): „indizielle Bedeutung“.
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Umgekehrt spricht die Überschreitung der Grenzwerte nicht zwingend für eine fehlende Ortsüblichkeit der Immissionen.108 Im Rahmen des Abwehranspruchs aus §§ 1004, 906 BGB hat der Emittent ferner zu beweisen, daß die Beeinträchtigung durch ihn nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen hätte verhindert werden können.109 Auch hier kann das Problem der Zumutbarkeit zwar in Anlehnung an die Verwaltungsvorschriften zum BImSchG gelöst werden. Keinesfalls aber kommt der Unterschreitung der in ihnen enthaltenen Grenzwerte eine beweisrechtliche Bedeutung für die wirtschaftliche Unzumutbarkeit zusätzlicher Schutzmaßnahmen zu.110 Es gilt insoweit das bereits oben zum Kausalitätsbeweis Ausgeführte.111
B. Schadensersatzansprüche In Verwaltungsvorschriften festgesetzte Grenzwerte sind des weiteren relevant für die Beurteilung privatrechtlicher Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche. Den Einfluß der Verwaltungsvorschriften auf die Auslegung und Anwendung insbesondere der §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 823 Abs. 1 und 2 BGB, § 14 Satz 2 BImSchG nachzuzeichnen ist daher Anliegen des folgenden Abschnitts dieser Arbeit.
I. Kausalität zwischen Immission und Schaden So unterschiedlich die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 823 Abs. 1 und 2 BGB, § 14 Satz 2 BImSchG auch sein mögen, in allen Fällen ist der durch Immissionen Geschädigte vor das gleiche Problem gestellt, will er Schadensersatz- oder Ausgleichsansprüche geltend machen: dem Nachweis der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität. Vor allem in Industrieregionen wird der Geschädigte nur schwer nachweisen können, daß der in Anspruch Genommene bei mehreren in Betracht kommenden Emittenten auch ___________ 108
Ebenso Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 30; a. A. H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 218; Mittenzwei, MDR 1977, 99 (104). 109 BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (147) – Kupolofen; v. 26.10.1978, BGHZ 72, 289 (296); Kuchinke, NJW 1966, 1031. 110 Ebenso Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 30; Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (243, 258); ders., NJW 1987, 1225 (1230); wohl auch P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 160; anders dagegen H. Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 906 Rn. 243: Einhaltung von Emissionsgrenzwerten als „Anhalt für die wirtschaftliche Unzumutbarkeit zusätzlicher Schutzmaßnahmen“. 111 Siehe oben 7. Teil § 16 A. IV. 1.
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derjenige ist, der mit seinen Emissionen tatsächlich die schädliche und rechtsgutsverletzende Immission verursacht hat. Kommen mehrere Emittenten als Schädiger in Frage, so können einer oder einige der Emittenten mit ihren Emissionen bereits für sich allein die Ursache für die Schädigung gesetzt haben;112 denkbar ist aber auch, daß erst das Zusammenwirken mehrerer Emissionen zur schädigenden Immission geführt hat (sogenannte summierte Immission).113 Darlegungsschwierigkeiten sind ferner auch dann möglich, wenn zwar nur ein Emittent in Betracht kommt, der Geschädigte aber die Ursächlichkeit der Emission für den Schaden nicht nachzuweisen vermag. Angesichts dieser Beweisschwierigkeiten werden in Rechtsprechung und Lehre Beweiserleichterungen zugunsten des Geschädigten erwogen, sofern der Emittent von Grenzwertfestsetzungen in Verwaltungsvorschriften abgewichen ist.
1. Anscheinsbeweis Namentlich F. Baur tritt dafür ein, technischen Verwaltungsvorschriften die Bedeutung eines Anscheinsbeweises zuzumessen. Der Geschädigte genüge seiner Beweispflicht, indem er nachweise, daß der mögliche Schädiger die Grenzwerte der technischen Verwaltungsvorschriften überschritten habe. Sofern ihm dies gelinge, habe nunmehr der Schädiger darzutun, daß die Immissionen den Schaden nicht verursacht haben.114 Dem ist zu widersprechen. Die Annahme einer beweisrechtlichen Bedeutung der technischen Verwaltungsvorschriften im Sinne eines Anscheinsbeweises kann nur dann überzeugen, wenn die Verwaltungsvorschriften als der Tatsachenfeststellung dienende qualifizierte Erfahrungssätze angesehen werden können. Eine solche Charakterisierung muß indes ausscheiden. Auch – technische – Verwaltungsvorschriften spiegeln nicht nur naturwissenschaftliche Erkenntnisse wider, sondern sind daneben Ergebnis einer Wertung und Abwägung.115 Sind Verwaltungsvorschriften aber als allgemeine Erfahrungssätze unbrauchbar, können sie nicht für die Führung eines Anscheinsbeweises im Rahmen der Kausalitätsfeststellung herangezogen werden.116
___________ 112
Vgl. etwa OLG Nürnberg v. 11.3.1980, MDR 1980, 667 f. Vgl. etwa Diederichsen/A. Scholz, WiVerw. 1984, 23 (36-38). 114 J. F. Baur, in: Soergel, BGB, Bd. 14, 13. Aufl., 2002, § 906 Rn. 169; F. Baur, JZ 1974, 657 (659 f.). 115 Siehe oben 4. Teil § 7 D. IV. 116 Ebenso P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 162 f.; Köndgen, UPR 1983, 345 (353); Meyer-Abich, NJW 1976, 2365; Marburger/H. Herrmann, JuS 1986, 354 (358); G. Walter, NJW 1978, 1158. 113
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2. Umkehr der Beweislast In einem obiter dictum seiner Kupolofen-Entscheidung vom 18. September 1984117 führte der Bundesgerichtshof allerdings aus, daß bei festgestellter Überschreitung der in Verwaltungsvorschriften niedergelegten Emissions- oder Immissionswerte „im Einzelfall“ eine Beweislastumkehr118 in Betracht zu ziehen sei. Im konkreten Fall könne indes auf sich beruhen, ob dem Anspruchsteller, der aus unerlaubter Handlung Ersatz für die Schadensfolgen von ihn treffenden Immissionen begehrte, „Beweiserleichterungen für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs“ zugutekommen könnten.119 Die Bedeutung einer Überschreitung oder Unterschreitung von Grenzwerten für die Beweislastverteilung bedarf daher weiterhin einer Klärung.
a) Überschreitung der Grenzwerte Eine Beweislastumkehr im Falle einer Überschreitung von Immissionsgrenzwerten wird im Schrifttum insbesondere von G. Walter vertreten.120 Bei einer Grenzwertüberschreitung rechtfertige sie sich aus der Erwägung, daß die Grenzwerte – ähnlich wie Unfallverhütungsvorschriften, bei deren Verletzung eine Beweislastumkehr anerkannt sei – die Grenze der Gefährlichkeit von Umweltbelastungen aufzeigten. Ihr Erlaß solle die Verwirklichung von Gefahren für die Umwelt gerade verhindern. Komme es zu einer Verwirklichung dieser Gefahr und bestehe die Möglichkeit, daß das Überschreiten der Grenzwerte hierfür ursächlich war, so habe der Emittent etwaige Zweifel hinsichtlich der Schadensverursachung zu tragen. Er müsse dann beweisen, daß seine Emission den Schaden nicht verursacht habe.121 P. Marburger kommt mit einem anderen Ansatz zum gleichen Ergebnis.122 Die Rechtsgemeinschaft dulde gefährliche Tätigkeiten nur, soweit sich diese als ___________ 117
BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 ff. – Kupolofen. Die Beweislastumkehr bewirkt, daß dem Gegner des an sich Beweispflichtigen die Beweislast aufgebürdet wird. Im Gegensatz zum Anscheinsbeweis kann sich die gegnerische Partei nicht damit begnügen, die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs darzulegen. Vielmehr muß sie selbst den vollen Beweis des Gegenteils erbringen. Hierzu BGH v. 7.6.1988, BGHZ 104, 323 ff.; v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 ff. – Hühnerpest; Lüke, Zivilprozessrecht, 8. Aufl., 2003, § 23 Rn. 277 (S. 275 f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., 1993, S. 674-676; Schilken, Zivilprozessrecht, 4. Aufl., 2002, Rn. 507-509 (S. 265-268). 119 BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (147) – Kupolofen. 120 G. Walter, NJW 1978, 1158 f. 121 G. Walter, NJW 1978, 1158; ihm ausdrücklich zustimmend Baumgärtel, JZ 1984, 1109 f.; Diederichsen/A. Scholz, WiVerw. 1984, 23 (36). 122 Vgl. insbesondere Marburger, VersR 1983, 597 (604). 118
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gemeinwohlverträglich darstellten. Darüber hinaus müßten die aus ihnen resultierenden Gefahren durch präventive Regelungen auf ein sozial adäquates Maß reduziert werden. Verstoße jemand bei der Ausübung einer gefahrträchtigen Tätigkeit gegen diese Regelungen, so erhöhe er damit die ohnehin schon gegebene Gefährlichkeit seines Verhaltens über das in den Verhaltensnormen bestimmte, gerade noch akzeptable Maß hinaus. In einem solchen Fall sei es gerechtfertigt, dem Emittenten den Entlastungsbeweis für die fehlende Ursächlichkeit aufzuerlegen; denn indem er die Verhaltenspflicht verletzt habe, habe gerade er das Risiko pflichtwidrig erhöht und so die Verwirklichung des Schadens gefördert. Als derartige Verhaltensregeln seien nun auch die Grenzwertfestsetzungen in Verwaltungsvorschriften zu betrachten.123 Die von G. Walter und P. Marburger axiomatisch vorgenommene Gleichsetzung von Normüberschreitung und Gefahrbegründung stößt bei P. Fischer auf Kritik. Aus der Nichteinhaltung von Verwaltungsvorschriften folge nicht zwingend die Erhöhung des Risikos auf ein rechtlich nicht mehr tolerierbares Maß. Namentlich die TA Luft und die TA Lärm könnten aufgrund ihrer Rechtsnatur die Gefahrengrenze nicht verbindlich bestimmen.124 Weil ihnen aber eine Hinweisfunktion zukomme, begründe eine Immissionswertüberschreitung die Vermutung, daß die entsprechenden Immissionen als Ursache für aufgetretene Umweltschäden anzusehen seien. In diesem Fall wäre es unbillig, dem Geschädigten den nur schwierig zu erbringenden Beweis der Schadensverursachung aufzubürden, obwohl der Schädiger erwiesenermaßen mit seinen Emissionen die Immissionsgrenzwerte überschritten habe.125 Indes: Grundlage der Beweislastverteilung bei Schäden durch Immissionswertüberschreitungen kann kaum die vorgebliche Unverbindlichkeit der einschlägigen Verwaltungsvorschriften sein.126 Denn ebenso wie Rechtsverordnungen sind Verwaltungsvorschriften Rechtsnormen, die Verbindlichkeit auch ausserhalb der Verwaltungsorganisation entfalten. Ausschlaggebend kann daher nicht die Rechtsnatur, sondern muß der Rechtsgehalt der die Grenzwerte festlegenden Verwaltungsvorschriften sein. Hier aber gilt es, zwischen Schutz- und Vorsorgestandards zu differenzieren. Schutzstandards bezwecken die Abwehr von Gefahren; sie sind an bestehenden, vermuteten oder geschätzten Schädlich-
___________ 123 Marburger, VersR 1983, 597 (604); ferner ders., in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (1986), 1986, S. C1 (C123); ders./H. Herrmann, JuS 1986, 354 (358). 124 P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 167 f. und Fn. 103. 125 P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 168. 126 So aber P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 167 f. und Fn. 103.
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keitsschwellen orientiert.127 Demgegenüber bewegen sich Vorsorgestandards unterhalb der Gefahrenschwelle; sie zielen auf eine erwünschte Umweltqualität, ohne die Gefährdungsgrenze vorzuverlegen.128 Erst ein Verstoß gegen die (mit Verbindlichkeit ausgestatteten) Schutzstandards in Verwaltungsvorschriften bedeutet daher die Überschreitung der Schwelle zu einer von der Rechtsordnung nicht mehr tolerierten Gefährdung durch Umweltbelastungen. Erst in diesem Fall legt die Grenzwertüberschreitung die Vermutung nahe, daß die entsprechenden Emissionen bzw. Immissionen die aufgetretenen Schäden verursacht haben. Dann aber wäre es in der Tat unbillig, dem Geschädigten den Beweis für die Ursächlichkeit der Grenzwertüberschreitung aufzubürden. Ansonsten könnte der Geschädigte unter Umständen einen gerechtfertigten Anspruch wegen unüberwindlicher Beweisschwierigkeiten nicht durchsetzen, obwohl der Anlagenbetreiber die in den jeweiligen Schutzstandards bezeichneten Gefahrengrenzen überschritten hat. Die Annahme einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Schadenskausalität ist folglich bei einer Überschreitung der in Verwaltungsvorschriften niedergelegten Schutzstandards gerechtfertigt.129
b) Unterschreitung der Grenzwerte Hat der Emittent dagegen die in Verwaltungsvorschriften festgelegten Immissionsgrenzwerte eingehalten, entfällt der Grund für eine Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten. Er muß nun beweisen, daß die trotz Einhaltung der Grenzwerte im Einzelfall unzulässigen Immissionen den Schaden bewirkt haben.130 Die von G. Walter auch bei einer Einhaltung der Grenzwerte postulierte Beweiserleichterung durch „Herabsetzung des Beweismaßes auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit“131 ist demgegenüber abzulehnen. Zwar haben die Ausführungen über den Einfluß der Verwaltungsvorschriften auf die negatorische Haftung gezeigt, daß auch bei Einhaltung der Immissionsgrenzwerte im Einzelfall durchaus „wesentliche“ Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Wollte man dem Geschädigten aber auch in diesem Fall eine Beweiserleichterung gewähren, so führte dies angesichts der in einer Industriegesellschaft nicht zu vermeidenden und deshalb in weiten Bereichen rechtlich tolerierten Immissionen zu einem un___________ 127 Salzwedel, NVwZ 1987, 276 (277); ferner Feldhaus, UPR 1982, 137 (144), der diese Standards als „Wirkungsstandards“ bezeichnet. 128 Salzwedel, NVwZ 1987, 276 (277). 129 Insoweit zutreffend Köndgen, UPR 1983, 345 (353). 130 Ebenso P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 168170; Baumgärtel, JZ 1984, 1109 (1110). 131 G. Walter, NJW 1978, 1158 (1159).
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überschaubaren Risiko für den Emittenten.132 Zudem geht § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB davon aus, daß bei einer Einhaltung der Grenzwerte aus Verwaltungsvorschriften „in der Regel“ eine unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Wird die Wertung dieser Vorschrift für die hier interessierende Problematik fruchtbar gemacht, spricht die überwiegende Wahrscheinlichkeit gerade gegen die Schadensursächlichkeit von Immissionen, die sich unterhalb der Grenzwerte bewegen. Auch P. Marburgers Vorschlag vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen. Er erwägt eine Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten, sofern der Emittent zwar die Immissionswerte, nicht aber die Emissionswerte eingehalten hat oder deren Einhaltung nicht beweisen kann.133 Emissionswerte bezwecken als Vorsorgestandards allerdings keine Definition der Gefährdungsgrenze; sie können weder einen Aufschluß über die Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen noch über die Wahrscheinlichkeit von Schäden geben. Sind Schäden daher nie unmittelbar emissions-, sondern stets immissionsbezogen,134 kann eine direkte Beziehung zwischen Emissionen und Schäden schwerlich geknüpft werden. Es bleibt somit dabei: Überschreitet der Emittent die in Verwaltungsvorschriften normierten Immissionsgrenzwerte nicht, verbleibt die Beweislast für die Verursachung von Schäden beim Geschädigten.
II. Aufopferungshaftung 1. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Grundstückseigentümer, die nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Duldung von wesentlichen Einwirkungen verpflichtet sind, können gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vom Störer einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung ihrer Grundstücke oder deren Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Die Frage, ob Verwaltungsvorschriften die „Zumutbarkeit“ zu konkretisieren vermögen, scheint angesichts einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. März 1975135 ohne nähere Untersuchung beantwortbar. Bei der Auslegung des Begriffs „Zumutbarkeit“ soll dem Bundesgerichtshof zufolge „gerade nicht ___________ 132
Ebenso Baumgärtel, JZ 1984, 1109 (1110). Marburger, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (1986), 1986, S. C1 (C124); ders./H. Herrmann, JuS 1986, 354 (358). 134 Zutreffend P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 169. 135 BGH v. 20.3.1975, NJW 1975, 1406 ff. 133
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mehr der besonders liegende Einzelfall“136 herangezogen werden.137 Unter Berücksichtigung der vom BImSchG getroffenen Wertentscheidung für eine von schädlichen Einwirkungen möglichst freizuhaltende Umwelt müsse vielmehr beachtet werden, daß der Bereich der unzumutbaren Beeinträchtigungen „durch Immissionsgrenzwerte [...] allgemein abgesteckt“ werde.138 Vordergründig mag dies für eine Verbindlichkeit technischer Verwaltungsvorschriften im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu sprechen. Die Orientierung der Auslegung an verobjektivierten Beurteilungsmaßstäben darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die Zumutbarkeit im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB an differenziert-objektiven Kriterien gemessen wird.139 Abzustellen ist auf das Empfinden eines durchschnittlichen Benutzers des betroffenen Grundstücks in seiner örtlichen Beschaffenheit, Ausgestaltung und Zweckbestimmung.140 Dazu bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, bei der namentlich Zeitdauer, Art, Intensität und Auswirkung der Beeinträchtigung auf das gestörte Grundstück sowie ein eventuelles Mitverschulden des Betroffenen zu bewerten sind.141 Über diese (subjektiven) Kriterien herrscht bislang Einigkeit.142 Als vom Einzelfall abstrahierende Regelungen sind Verwaltungsvorschriften konzeptionell aber nicht imstande, die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls hinreichend zu berücksichtigen. Wie bereits bei den anderen Tatbestandsmerkmalen des § 906 BGB können sie daher keine rechtsverbindliche Konturierung der „Zumutbarkeit“ liefern.143 ___________ 136
BGH v. 20.3.1975, NJW 1975, 1406 (1408). Die frühere Rechtsprechung dagegen richtete die Ermittlung der Zumutbarkeitsgrenze vor allem an subjektiven Beurteilungsmaßstäben aus, indem sie auf die Auswirkungen der Immissionen beim Beeinträchtigten abstellte. Vgl. BGH v. 30.10.1970, BGHZ 54, 384 (391); v. 28.9.1962, BGHZ 38, 61 (64); v. 15.4.1959, BGHZ 30, 273 (280 f.); v. 28.2.1955, BGHZ 16, 366 (372 f.); RG v. 10.3.1937, RGZ 154, 161 (166 f.). 138 BGH v. 20.9.1975, NJW 1975, 1406 (1408). 139 Darauf verweist auch der BGH in der genannten Entscheidung v. 20.9.1975, NJW 1975, 1406 (1408). 140 BGH v. 18.10.1979, LM § 906 BGB Nr. 64 Bl. 3; v. 22.12.1967, BGHZ 49, 148 (152); LG Aachen v. 27.1.1987, NuR 1989, 234 (235); Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 32; Hagen/Lorenz, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 906 Rn. 32; Säcker, in: MünchKomm, BGB, Bd. 6, 4. Aufl., 2004, § 906 Rn. 139. 141 Vgl. BGH v. 6.6.1969, LM § 906 BGB Nr. 32 Bl. 3; v. 31.5.1974, BGHZ 62, 361 (369); v. 10.11.1972, BGHZ 59, 378 (382-386); v. 8.2.1972, BGHZ 58, 149 (156158); v. 22.12.1967, BGHZ 49, 148 (153); OLG Düsseldorf v. 6.7.1988, AgrarR 1989, 311 (312); OLG Frankfurt v. 13.6.1991, NJW-RR 1991, 1364 (1366); v. 14.7.1987, NJW 1988, 2618 (2620). 142 Siehe die soeben in Fn. 140 und 141 angeführten Nachweise. 143 Allenfalls können die Grenzwerte in Verwaltungsvorschriften als unverbindliche Anhaltspunkte herangezogen werden. So auch BGH v. 10.11.1977, BauR 1978, 391 (392 f.); v. 15.6.1977, BGHZ 69, 105 (116); Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 906 Rn. 32; Säcker, in: MünchKomm, BGB, Bd. 6, 4. Aufl., 2004, § 906 137
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2. § 14 Satz 2 BImSchG Nach § 14 Satz 1 BImSchG kann ein Grundstückseigentümer, dem ein Abwehranspruch nach § 906 BGB zusteht, nicht die Einstellung des Betriebs einer emittierenden Anlage verlangen, deren Genehmigung unanfechtbar ist. Statt dessen kann der Betroffene gemäß § 14 Satz 1 BImSchG verlangen, daß Vorkehrungen getroffen werden, die die benachteiligenden Wirkungen ausschliessen. Soweit solche Schutzvorkehrungen jedoch nach dem Stand der Technik nicht durchführbar oder wirtschaftlich vertretbar sind, kann lediglich Schadensersatz begehrt werden.144 Auch hier stellt sich wieder die Frage nach der Vorgabewirkung technischer Verwaltungsvorschriften für die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale. Sofern es um die Bestimmung der technischen Durchführbarkeit von Schutzvorkehrungen geht, kann technischen Verwaltungsvorschriften eine konkretisierende Funktion zukommen. Dies gilt namentlich für Verwaltungsvorschriften nach § 48 Nr. 2 BImSchG, die am Stand der Technik ausgerichtet sind und so die Emissionswerte verbindlich festschreiben, deren Vermeidung technisch möglich ist.145 Dem Rechtsbegriff der wirtschaftlichen Vertretbarkeit liegt demgegenüber ein differenziert-objektiver Maßstab zugrunde. Anlagenbetreiber mit einer überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sollen sich nicht auf die Leistungsfähigkeit des Branchendurchschnitts berufen können, um Schutzvorkehrungen zu vermeiden.146 Auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit von Schutzvorkehrungen im Sinne des § 14 Satz 2 BImSchG vermögen Verwaltungsvorschriften daher nicht rechtsverbindlich zu konkretisieren.147
___________ Rn. 139; P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 172; Hager, NJW 1986, 1961 (1964). 144 Vgl. zu diesem Anspruch Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl., 2000, § 12 Rn. 71-73 (S. 311); Hager, NJW 1986, 1961 (1965). 145 Anders P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 173, nach der einer verbindlichen Vorgabewirkung von Verwaltungsvorschriften für die „technische Durchführbarkeit“ der Vorkehrungen im Sinne des § 14 Satz 2 BImSchG die „Dynamik des technischen Erkenntnisstandes“ entgegensteht. Eine solche Sicht verwechselt freilich die Funktion der Verwaltungsvorschriften mit ihrer Rechtmäßigkeit. Selbstverständlich vermögen Verwaltungsvorschriften gesetzliche Bestimmungen nur dann verbindlich auszufüllen, wenn sie formell und materiell rechtmäßig sind, im vorliegenden Zusammenhang also den „Stand der Technik“ wiedergeben. 146 Vgl. Marburger, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (1986), 1986, S. C1 (C114); wohl auch Ule (1974/1981), in: ders./Laubinger, BImSchG, § 14 Rn. 8; a. A. Jarass, BImSchG, 5. Aufl., 2002, § 14 Rn. 15: objektiver Maßstab. 147 Ebenso P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 173.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
III. Verschuldenshaftung 1. § 823 Abs. 1 BGB Für den Bereich der Verschuldenshaftung räumt § 823 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch für die kausale, rechtswidrige und schuldhafte Beeinträchtigung bestimmter Rechtsgüter ein. Danach ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig in das Leben, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges absolutes Recht eines anderen widerrechtlich eingreift, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Verwaltungsrechtliche Vorgaben für die Auslegung dieser Anspruchsvoraussetzungen sind vor allem denkbar, wenn ein Ersatz für Umweltschäden begehrt wird. In diesem Fall kann sich ein Anspruch in erster Linie aus der Verletzung der geschützten Rechtsgüter Gesundheit und Eigentum ergeben. So wurden in der Praxis als umweltrelevante Gesundheitsbeeinträchtigungen etwa Schlafstörungen infolge übermäßiger Lärmeinwirkungen anerkannt.148 Schadensersatzansprüche infolge einer Eigentumsverletzung gewährte die Rechtsprechung beispielhaft für Lackschäden an Kraftfahrzeugen durch Industrieabgase149 oder für Pflanzenschäden einer Baumschule durch Fluoremissionen.150 In allen Fällen stellte sich das Problem, ob und inwieweit Abweichungen von Grenzwertfestsetzungen in Verwaltungsvorschriften Rückschlüsse auf die Rechtswidrigkeit der Umweltbelastung und das Verschulden des Emittenten zulassen.151 Zunächst zum Einfluß der Verwaltungsvorschriften auf die Rechtswidrigkeit von Rechtsgutsbeeinträchtigungen.
a) Rechtswidrigkeit Die Bedeutung der Verwaltungsvorschriften bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit hängt entscheidend vom Bezugspunkt der Rechtswidrigkeit ab. Innerhalb der Zivilrechtswissenschaft ist streitig, ob die Rechtswidrigkeit auf die Verhaltensweise – das Handlungsunrecht – oder auf den Erfolg – das Erfolgsunrecht – zu beziehen ist. Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht ist grundsätzlich jede Beeinträchtigung eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechte oder Rechtsgüter durch positives Tun rechtswidrig. Der Eingriffserfolg indiziert die Rechtswidrigkeit. Letztere entfällt erst dann, wenn ein besonderer Rechtferti___________ 148
BGH v. 25.9.1970, MDR 1971, 37 f. BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 ff. – Kupolofen. 150 BGH v. 16.12.1977, BGHZ 70, 102 ff. – Fluorabgas. 151 Das Problem der Kausalität zwischen Immissionen und Schaden wurde bereits behandelt. Siehe hierzu oben 7. Teil § 16 B. I. 149
§ 16 Verwaltungsvorschriften und Zivilrecht
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gungsgrund für das schädigende Tun eingreift.152 Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht müßten Verwaltungsvorschriften somit Bedeutung im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes erlangen, sollen sie Vorgaben für die Rechtswidrigkeit im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB liefern.153 Die Lehre vom Handlungsunrecht beurteilt die Rechtswidrigkeit dagegen verhaltensbezogen. Ein nicht vorsätzlicher Rechtseingriff ist daher nur rechtswidrig,154 wenn der Handelnde gegen eine von der Rechtsordnung aufgestellte spezielle Verhaltensregel verstoßen oder die zur Vermeidung des Schadens generell erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Sozialadäquates Verhalten ist danach nicht rechtswidrig, selbst wenn es im Einzelfall zu einem Rechtseingriff führt.155 Der Lehre vom Handlungsunrecht zufolge würden Verwaltungsvorschriften somit nur Relevanz für das Rechtswidrigkeitsurteil gewinnen können, wenn sie einen objektiven Sorgfaltsmaßstab umschrieben.156 Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen vom 4. März 1957157 und vom 2. März 1984158 der Lehre vom Erfolgsunrecht den Vorzug gegeben. Große Teile des zivilrechtlichen Schrifttums sind ihm darin gefolgt.159 Den weiteren Ausführungen über die Bedeutung der Verwaltungsvorschriften für die Rechtswidrigkeit nach § 823 Abs. 1 BGB soll deshalb die Lehre vom Erfolgsunrecht zugrundegelegt werden.160 Einfluß auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB können Verwaltungsvorschriften somit ausüben, sofern sie sich unmittelbar oder mittelbar als Vorgabe für einen anerkannten Rechtfertigungsgrund erweisen. Im hier interessierenden Zusammenhang ist insbesondere an den Recht___________ 152
Hager, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb., 1999, § 823 Rn. A3; Schiemann, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000, § 823 Rn. 1; Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 823 Rn. 33; jeweils mit weiteren Nachweisen. 153 Vgl. P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 174. 154 Eine vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung dagegen indiziert die Rechtswidrigkeit auch nach der Lehre vom Handlungsunrecht. In dieser Fallkonstellation ergeben sich somit keine Unterschiede zur Lehre vom Erfolgsunrecht. Vgl. nur Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, 8. Aufl., 2000, § 25 IV. 1. c) (S. 68 f.). 155 Nipperdey, NJW 1957, 1777 ff.; ders., NJW 1967, 1985 (1988); vermittelnd Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, 13. Aufl., 1994, § 75 II. 3. (S. 364-370). 156 Vgl. P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 175. 157 BGH v. 4.3.1957, BGHZ 24, 21 (27 f.). 158 BGH v. 2.3.1984, BGHZ 90, 255 (257 f.): „Die Verletzung eines nach § 823 BGB geschützten Rechtsguts ist grundsätzlich rechtswidrig, wenn nicht ein Rechtfertigungsgrund besteht [...].“ 159 Siehe die soeben angeführten Nachweise oben in Fn. 152. 160 Eine ausführlichere Darstellung und Entscheidung des originär zivilrechtlichen Meinungsstreits würde den Untersuchungsgegenstand verfehlen. Es sei insoweit erlaubt, auf die oben in Fn. 152 und 155 angeführten Autoren zu verweisen.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
fertigungsgrund des § 906 BGB zu denken.161 § 906 BGB entscheidet darüber, inwieweit Beeinträchtigungen eines Grundstücks von der Rechtsordnung toleriert werden können. Einwirkungen, die ein Grundstückseigentümer nach § 906 BGB zu dulden hat, sind daher keine rechtswidrigen Rechtsgutsverletzungen nach § 823 Abs. 1 BGB.162 Diese rechtfertigende Wirkung des § 906 BGB hat der Bundesgerichtshof in seiner Kupolofen-Entscheidung vom 18. September 1984 sogar auf Rechtsbeziehungen außerhalb des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses ausgedehnt.163 § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB enthält danach eine gesetzgeberische Aussage zur Pflichtenstellung des Emittenten, die auch gegenüber Eigentümern beweglicher Sachen zu beachten ist. Vermag § 906 BGB somit die Rechtswidrigkeit gewisser Einwirkungen auszuschließen, ist damit zugleich die Bedeutung der Verwaltungsvorschriften für die Ermittlung der Rechtswidrigkeit vorgegeben. Ähnlich wie bei § 906 BGB können sie allenfalls einen unverbindlichen Anhalt liefern, keinesfalls aber die Widerrechtlichkeit eines Verhaltens im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB verbindlich bestimmen.
b) Verschulden Zur Haftung des Schädigers im Rahmen der unerlaubten Handlung ist außerdem Verschulden erforderlich, d. h. die endgültige Beurteilung der Verantwortlichkeit des Schädigers für sein normwidriges Verhalten im Sinne der Vorwerfbarkeit.164 Zwar wird der Begriff des Verschuldens im BGB nicht definiert. Nach der Systematik des Gesetzes ist er aber als Oberbegriff der Schuldformen Vorsatz und Fahrlässigkeit anzusehen.165 Fahrlässig handelt nach der für das gesamte bürgerliche Recht geltenden Begriffsbestimmung in § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat.166 Namentlich umweltrechtliche Verwaltungsvorschriften können folglich dann zur Feststellung des Verschuldens herangezogen werden, wenn sie den im Gesetz durch ___________ 161 Zur Einordnung des § 906 BGB als Rechtfertigungsgrund vgl. BGH v. 24.1.1992, MDR 1992, 482 (483); v. 2.3.1984, BGHZ 90, 255 (258); Wagner, in: MünchKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., 2004, § 823 Rn. 306; Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 823 Rn. 36. 162 Vgl. etwa BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (148); v. 2.3.1984, BGHZ 90, 255 (258); v. 13.7.1965, BGHZ 44, 130 (134). 163 BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (148 f.) – Kupolofen. 164 Vgl. Wagner, in: MünchKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., 2004, § 823 Rn. 25-46; Steffen, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., 1989, § 823 Rn. 395 ff.; Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 823 Rn. 32. 165 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, 8. Aufl., 2000, § 26 (S. 78-93); Larenz, Schuldrecht, Bd. I, 14. Aufl., 1987, § 20 I. (S. 276). 166 Bei vorsätzlichen Beeinträchtigungen von Rechten oder Rechtsgütern kommt Verwaltungsvorschriften insoweit keine Bedeutung zu.
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Blankett umschriebenen Sorgfaltsmaßstab verbindlich zu konkretisieren vermögen. Die folgenden Gliederungspunkte widmen sich dieser Fragestellung.
aa) Beachtung der Verwaltungsvorschriften Die Beachtung der in Verwaltungsvorschriften festgelegten Grenzwerte wird nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB „in der Regel“ bereits dazu führen, daß die jeweilige Beeinträchtigung zu dulden ist und damit nicht rechtswidrig im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist. Handelt es sich hingegen um einen atypischen Sonderfall, bei dem die Beeinträchtigung trotz Beachtung der Verwaltungsvorschriften dem Rechtswidrigkeitsverdikt unterfällt, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Verwaltungsvorschriften und Sorgfaltsmaßstab. Abweichend vom Strafrecht gilt im BGB kein individueller, sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiver Sorgfaltsmaßstab.167 Der Grund hierfür ist der Gedanke des Vertrauensschutzes; im Rechtsverkehr muß jeder grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, daß der andere die für die Erfüllung seiner Pflichten erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt.168 Die Ausrichtung der Sorgfaltspflichten an objektiven Kriterien läßt ihre Ausfüllung durch Rechtsnormen, genauer: Verwaltungsvorschriften grundsätzlich zu.169 Sofern ein Schädiger daher die in Verwaltungsvorschriften normierten Grenzwerte beachtet hat, wird ihm in der Regel kein Verschulden zur Last gelegt werden können. Von diesem Grundsatz sind freilich zwei Ausnahmen zu machen. Da die Objektivierung dem Schutz des Rechtsverkehrs dient, ist es nicht ausgeschlossen, die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse des Störers zu seinen Lasten zu berücksichtigen.170 Weil der Handelnde in diesem Fall zur Beachtung strengerer als der verkehrsüblichen Sorgfaltspflichten angehalten werden kann, bekommt der Sorgfaltsmaßstab eine subjektive Komponente. Diese ist durch vom Einzelfall abstrahierende Verwaltungsvorschriften nicht konkretisierbar. In Ausnahmefällen kann der Schädiger somit durchaus sorgfaltswidrig und fahrläs___________ 167 BGH v. 7.7.1980, NJW 1980, 2464 (2465); v. 17.3.1981, BGHZ 80, 186 (193); v. 21.5.1963, BGHZ 39, 281 (283). 168 Statt vieler Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, 8. Aufl., 2000, § 26 II. 1. b. (S. 84); Heinrichs, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003, § 276 Rn. 15. 169 BGH v. 15.10.1970, BGHZ 54, 332 (335); Marburger, VersR 1983, 597 (602); noch weitergehend zu technischen Regelwerken privater Verbände OLG Hamm v. 29.6.1987, OLGZ 1990, 115 (119). 170 BGH v. 2.7.1968, VersR 1968, 1057 (1059); v. 27.4.1967, VersR 1967, 775 (777); v. 21.5.1964, VersR 1964, 830 (831); Deutsch, Allg. Haftungsrecht, 2. Aufl., 1996, Rn. 397 f. (S. 256 f.); zur Verstärkung des Sorgfaltsmaßstabes durch vertragliche Abreden bereits RG v. 14.1.1928, RGZ 119, 397 (399).
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
sig gehandelt haben, obwohl die einschlägigen Verwaltungsvorschriften beachtet wurden.171 Zum zweiten entlastet den Schädiger die Einhaltung von (technischen) Verwaltungsvorschriften dann nicht vom Verschuldensvorwurf, wenn er aufgrund besonderer Umstände an der Eignung der Regelungen zur Vermeidung unzulässiger Schäden zweifeln mußte.172 Daraus resultiert nun keine umfassende Prüfungspflicht des Schädigers hinsichtlich des Inhalts einschlägiger Verwaltungsvorschriften. Lediglich bei offenkundigen Mängeln etwa der in Verwaltungsvorschriften niedergelegten Grenzwerte oder Verfahrensbeschreibungen sind dem Handelnden zusätzliche Gefahrabwendungspflichten auferlegt.173
bb) Nichtbeachtung der Verwaltungsvorschriften In seiner Kupolofen-Entscheidung vom 18. September 1984 hatte der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum darauf hingewiesen, der „der TA Luft zugrundeliegende Zweck, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden, steht im Gleichklang mit der vom Haftungsrecht geforderten Pflichtenstellung des Betreibers“.174 Daraus könnte nun der Schluß gezogen werden, daß eine Überschreitung der in technischen Verwaltungsvorschriften festgesetzten Grenzwerte stets die Verletzung der erforderlichen Sorgfalt nach sich zieht. Dem ist jedoch nicht so. Der zivilrechtliche Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB knüpft grundsätzlich an die allgemeinen Bedürfnisse des Rechtsverkehrs an; die Sorgfaltsanforderungen sind mithin nach den durchschnittlichen Erwartungen der jeweiligen Verkehrskreise zu bestimmen.175 Demgegenüber legen die öffentlich-rechtlichen Schutz- und Vorsorgestandards etwa des BImSchG regelmäßig strengere Sorgfaltspflichten fest; sie dienen der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen im öffentlichen Interesse und sind daher stärker an den Grenzen des technisch Möglichen ausgerichtet.176 Die Nichtbe___________ 171 Etwa BGH v. 23.10.1984, NJW 1985, 620 (621); OLG Hamm v. 23.6.1981, BauR 1983, 173 (174). 172 BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (152) – Kupolofen. 173 So im Ergebnis BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (152) – Kupolofen; zur Bedeutung der technischen Regelwerke für das Verschulden auch Herschel, Rechtsfragen der Technischen Überwachung, 2. Aufl., 1980, S. 123 f.; ders., NJW 1968, 617 (619); Marburger, VersR 1983, 597 (602-604). 174 BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (152) – Kupolofen; F. Baur, JZ 1974, 657 (659): „unterschiedlicher Normzweck der Grenzwerte und des § 906 BGB; Marburger, VersR 1983, 597 (602). 175 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, 8. Aufl., 2000, § 26 II. 1. b. (S. 84): „Durchschnittswerte“; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, 14. Aufl., 1987, § 20 III. (S. 285): „typisierter Fahrlässigkeitsmaßstab“. 176 Vgl. P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 180.
§ 16 Verwaltungsvorschriften und Zivilrecht
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achtung der technischen Regelungen in Verwaltungsvorschriften bedeutet daher nicht notwendig zugleich eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach § 276 Abs. 2 BGB. Allenfalls kann ihr ein Indiz für ein sorgfaltswidriges Verhalten und damit ein Verschulden des Schädigers entnommen werden.177 Zwar können Verwaltungsvorschriften somit keine verbindlichen Vorgaben für den Verschuldensmaßstab liefern; dennoch kommt ihnen eine beachtliche Bedeutung für die Beweislastverteilung zu.
cc) Beweislastverteilung Grundsätzlich hat der Geschädigte alle Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB zu beweisen.178 Teile des Schrifttums wollen dem Geschädigten indes Beweiserleichterungen dergestalt verschaffen, daß die Nichtbeachtung von (technischen) Verwaltungsvorschriften eine widerlegbare Vermutung für die Verletzung der erforderlichen Sorgfalt begründet.179 Im Ergebnis ähnlich hat der Bundesgerichtshof in der Kupolofen-Entscheidung eine Beweislastumkehr zugunsten des durch Umweltbelastungen Geschädigten angenommen.180 Der Anlagenbetreiber stehe hinsichtlich der Emission seiner Anlage in der Situation des Produzenten hinsichtlich des Produkts, wenn die Emission die vom Verkehr hinzunehmende Belastungsgrenze überschreite. Die Emission bleibe dann nicht mehr in dem Bereich des Sicherheitsstandards, den Dritte erwarten dürften. Allein der Störer vermöge aber zu übersehen, ob die Emission unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen bewirkt worden sei. Er sei daher eher als der Geschädigte in der Lage, diese Vorgänge aufzuklären. Deshalb obliegt nach dem Bundesgerichtshof dem Schädiger der Beweis dafür, daß er die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Seiner Beweispflicht würde er in der Regel nachkommen, indem er die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften darlege.181 ___________ 177
Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 470; ders., in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (1986), 1986, S. C1 (C121). 178 Vgl. statt vieler BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 (104); v. 4.3.1957, BGHZ 24, 21 (28 f.). 179 Herschel, Rechtsfragen der Technischen Überwachung, 2. Aufl., 1980, S. 124; allgemein zur Bedeutung technischer Regelwerke für die Beweislastverteilung bei Sorgfaltsverletzungen ders., NJW 1968, 617 (619); Lipps, NJW 1968, 279 (281 f.); allgemein zu technischen Regelwerken Lukes, in: Regeln der Technik und Schadensersatz, 1969, S. 22 (31, 42). 180 BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (150 f.) – Kupolofen. 181 BGH v. 18.9.1984, BGHZ 92, 143 (151, 152) – Kupolofen.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stimmt mit dem Grundsatz überein, daß derjenige beweisführungspflichtig ist, in dessen Gefahrenbereich eine streitige Tatsache liegt.182 Ihr ist daher zuzustimmen. Anderenfalls würde der den Emissionsvorgängen fernstehende Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch nur schwerlich durchsetzen können. Der Schadensverursacher wird sich vom Verschuldensvorwurf daher nur dann entlasten können, wenn er die Beachtung der in Rede stehenden Verwaltungsvorschriften nachweist.183
2. § 823 Abs. 2 BGB Gemäß § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB trifft die Verpflichtung zum Schadensersatz auch denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Grundsätzlich ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß auch drittschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sein können.184 Umstritten ist allerdings, ob auch Verwaltungsvorschriften, insbesondere die TA Luft und TA Lärm, unter den Begriff des Schutzgesetzes zu subsumieren sind.185 Ausgangspunkt einer Stellungnahme muß Art. 2 EGBGB sein. Danach ist „Gesetz“ im Sinne des BGB „jede Rechtsnorm“. Rechtsnormen sind freilich nicht nur parlamentarische Gesetze, sondern eben auch Verwaltungsvorschriften.186 Schutzgesetzcharakter kommt aber nur solchen Rechtsnormen zu, die – und sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit – dazu dienen, den einzelnen oder einzelne Personenkreise zu schützen. Daß Verwaltungsvorschriften in diesem Sinne generell drittschützend sein können, wurde bereits dargelegt und speziell für Schutzstandards ausfüllende Verwaltungsvorschriften bejaht.187 Verwaltungsvorschriften mit drittschützender Wirkung sind daher als Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB anzuerkennen. ___________ 182
Etwa BGH v. 19.6.1973, NJW 1973, 1602 (1603); v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (35); v. 12.10.1967, BGHZ 48, 310 (312); v. 23.10.1958, BGHZ 28, 251 (254). 183 Zutreffend P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 183. 184 BGH v. 26.2.1993, NJW 1993, 1580; v. 23.6.1983, UPR 1984, 193 (194); v. 30.4.1976, BGHZ 66, 354 (355); v. 27.1.1983, BGHZ 86, 356 (362); v. 27.11.1963, BGHZ 40, 306 (310); ebenso Ganten/Lemke, UPR 1989, 1 (3 f.); Konrad, BayVBl. 1984, 33 (37). 185 Dafür Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl., 2000, § 12 Rn. 58 (S. 308); Köndgen, UPR 1983, 345 (351); Ossenbühl, DVBl. 1990, 963 (964). – Dagegen Wagner, in: MünchKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., 2004, § 823 Rn. 326; P. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, 1989, S. 183 f.; Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (246 bei Fn. 45); Medicus, JZ 1986, 778 (783). 186 Siehe dazu nochmals oben 2. Teil § 3 B. 187 Siehe dazu oben 6. Teil § 11 B.
§ 17 Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht
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§ 17 Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht Neue Nahrung erhält die Diskussion um die Verwaltungsvorschriften seit Anfang der 1990er Jahre in verstärktem Maße durch das europäische Gemeinschaftsrecht. Verwundern kann dies kaum. Angesichts des Ausbaus der Europäischen Union und der Erweiterung ihrer Kompetenzen entwickelt die Rechtsordnung der Gemeinschaft mehr und mehr eine Eigendynamik. Damit einher geht eine zunehmende Bedeutung des europäischen (Sekundär-)Rechts für die nationalen Rechtsordnungen, zumal für das Verwaltungsrecht.
A. Umsetzung von EG-Richtlinien Die weitaus überwiegende Anzahl der gemeinschaftsrechtlichen Normen wird in der Rechtsform einer Richtlinie erlassen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage nach den Anforderungen, die das Gemeinschaftsrecht an die innerstaatliche Umsetzung von Richtlinien stellt, eine überaus praktische Relevanz. Denn Richtlinien, welche nicht oder fehlerhaft umgesetzt wurden, kann eine unmittelbare Wirkung im nationalen Rechtsraum zukommen.188 Nach der Francovich-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs begründet eine nicht ordnungsgemäße Umsetzung von Richtlinien zudem staatshaftungsrechtliche Ansprüche.189 Geradezu heftige Reaktionen riefen daher zwei Urteile hervor, in denen der Europäische Gerichtshof die Untauglichkeit der TA Luft als Mittel zur Umsetzung von Richtlinien feststellte.190 Von einer „methodische(n) Chuzpe“191 bis hin zu einer „rechtsmißbräuchlichen und besatzungsrechtsähnlichen Intervention in gewachsene und allein vollzugseffiziente Normstrukturen des nationalen Rechts“192 war die Rede. Das Problem, ob Verwaltungsvorschrif___________ 188 Zur unmittelbaren Wirkung nicht ordnungsgemäß umgesetzter Richtlinien vgl. exemplarisch Hakenberg, Grundzüge des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 3. Aufl., 2003, 4. Teil Rn. 23-30 (S. 68-71); Herdegen, Europarecht, 5. Aufl., 2003, Rn. 183-185 (S. 146-149); Hobe, Europarecht, 2002, Rn. 141 (S. 65 f.); Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl., 1996, Rn. 364-369 (S. 106 f.). 189 EuGH v. 19.11.1991, Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich –, Slg. 1991, I5357 ff.; ausführliche Besprechung des Urteils von Detterbeck, VerwArch 85 (1994), 159 ff.; zur Haftung bei der Verletzung von Umsetzungspflichten bei Richtlinien ferner Detterbeck, in: ders./Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 6 Rn. 38 ff. (S. 58 ff.); ders., AöR 125 (2000), 202 (228-243); Schockweiler, EuR 28 (1993), 107 (110 f.). 190 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2596 ff. (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2626 ff. (Blei); vgl. dazu ausführlich den Rechtsprechungs- und Literaturbericht im 7. Teil § 17 A. II., III. 191 v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (85). 192 Salzwedel/Reinhardt, NVwZ 1991, 946 (947).
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
ten den Anforderungen an die Umsetzung von EG-Richtlinien genügen, harrt nach wie vor einer Klärung. Den Ausgangspunkt einer Untersuchung bilden die gemeinschaftsvertraglichen Regelungen über die Richtlinie.
I. Gemeinschaftsvertragliche Regelungen über die Umsetzung von Richtlinien Die Richtlinie ist gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV „für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“. Adressaten der Richtlinie sind damit, anders als bei der Verordnung nach Art. 249 Abs. 2 EGV, die Mitgliedstaaten. Sie sind verpflichtet, das Ziel der Richtlinie zu verwirklichen, indem sie die inhaltlichen Vorgaben der Richtlinie mit den Mitteln des innerstaatlichen Rechts zur Geltung zu bringen.193 Weder der Begriff „Richtlinie“ noch die Tatsache, daß sie nur in ihrem Ziel verbindlich sind, schließen freilich eine „hohe Regelungsintensität“ dieser Handlungsform aus.194 Im Gegenteil: Der Europäische Gerichtshof hat die jüngere Rechtspraxis nie beanstandet, in der Richtlinien häufig detaillierte und keiner weiteren Präzisierung bedürftige Vollregelungen enthalten.195 Der Grund liegt in der Unmöglichkeit, zwischen den „Zielen“ einer Regelung und den „Mitteln“ und „Formen“ klar zu unterscheiden. Denn – wie D. Oldekop zutreffend feststellt – „jedes Ziel (kann) zugleich ein Mittel zu einem übergeordneten Ziel und jedes Mittel zugleich ein Ziel“ darstellen, „das seinerseits mit bestimmten Mitteln angestrebt wird“196. Dennoch bleibt die Richtlinie auf die innerstaatliche Umsetzung ___________ 193 Allerdings sind nicht nur die Mitgliedstaaten als solche zur Befolgung des Umsetzungsbefehls einer Richtlinie verpflichtet (so aber Erichsen, Zur Umsetzung der Richtlinie des Rates über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, 1992, S. 33). Vielmehr sind alle innerstaatlichen Verwaltungsträger zur Realisierung der inhaltlichen Richtlinienvorgaben aufgefordert, wie bereits der Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV („innerstaatliche Stellen“) nahelegt (ebenso Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 15-18; Himmelmann, DÖV 1996, 145). 194 Vgl. bereits H. P. Ipsen, in: Festschrift für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (74); Fuß, DVBl. 1965, 378 (380 f.); Schatz, NJW 1967, 1694 ff.; aus dem jüngeren Schrifttum Bleckmann, in: ders., Europarecht, 6. Aufl., 1997, Rn. 420-430 (S. 164-167); Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., 1999, § 6 Rn. 547 (S. 210); Beyerlein, EuR 22 (1987), 126 (129); Riegel, DVBl. 1977, 82 (84); Zuleeg, ZGR 1980, 466 (471-473). 195 Vgl. statt vieler EuGH v. 2.12.1980, Rs. 815/79 – Cremonini/Vrankovich –, Slg. 1980, 3583 (3607), Tz. 6. 196 Oldekop, Die Richtlinien der EWG, 1968, S. 140. – Mit den Richtlinien„Zielen“ sind nicht die EGV-Vertragsziele, sondern die Richtlinien-Ergebnisse gemeint, „d. h. die aus ihrem Inhalt sich ergebenden Rechtswirkungen, denen der Mitgliedstaat in den Formen und Mitteln seiner Wahl innerstaatliche Wirksamkeit zu verschaffen hat“ (H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 458; ders., in: Festschrift für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 [71-75]). Ferner Nettesheim (Aug. 2002), in: Grabitz/Hilf,
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angewiesen. Erst die Umsetzungsakte der Mitgliedstaaten erzeugen innerstaatliche Rechtswirkungen.197 Damit drängt sich die Frage nach den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungspostulaten auf. Mit anderen Worten: In welcher Hinsicht und in welchem Umfang steht den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien eine Wahlfreiheit hinsichtlich der Rechtsform der Umsetzung zu? Die Bedeutung der Antwort ist enorm. Würde der Inhalt der Richtlinie nicht mit gleicher Wirksamkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt, drohten eine Zersplitterung der Gemeinschaftsrechtsordnung und Wettbewerbsverzerrungen. Nicht ohne Grund wurde in die Schlußakte zum Vertrag von Maastricht eine „Erklärung zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ aufgenommen, nach der es „für die innere Geschlossenheit und die Einheit des europäischen Aufbauwerks von wesentlicher Bedeutung ist, daß jeder Mitgliedstaat die an ihn gerichteten Richtlinien der Gemeinschaft innerhalb der darin festgesetzten Fristen vollständig und getreu in innerstaatliches Recht umsetzt [...] (und es) für die reibungslose Arbeit der Gemeinschaft von wesentlicher Bedeutung ist, daß die in den einzelnen Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen dazu führen, daß das Gemeinschaftsrecht dort mit gleicher Wirksamkeit und Strenge Anwendung findet, wie dies bei der Durchführung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Fall ist“198.
Diese noch reichlich unbestimmte Erklärung bedarf weiterer Ergänzung, sollen konkrete Aussagen über die Umsetzungstauglichkeit von Verwaltungsvorschriften getroffen werden. Der Europäische Gerichtshof hat sich der Problematik in einer Reihe von Entscheidungen angenommen.
II. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 1. Entwicklung der Rechtsprechung bis 1991 Nach seiner Erkenntnis resultiert die Verpflichtung zur Umsetzung von Richtlinien aus Art. 249 Abs. 3 in Verb. mit Art. 10 EGV.199 Dem Urteil Royer ___________ Das Recht der EU, Bd. II, Art. 249 EGV Rn. 133; G. Schmidt, in: von der Groeben/ Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Bd. 4, 6. Aufl., 2004, Art. 249 EGV Rn. 38. 197 H. P. Ipsen (Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 458) nennt diese Art der Verbindlichkeit von Richtlinien eine „gestufte Verbindlichkeit“. Dazu ausführlich auch Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl., 1996, Rn. 358-363 (S. 104-106); Koenig/ Haratsch, Europarecht, 4. Aufl., 2003, Rn. 279-288 (S. 98-101). 198 Erklärung zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts, ABlEG 1992 Nr. C 191, S. 102. 199 EuGH v. 15.5.1986, Rs. 222/84 – Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary –, Slg. 1986, 1651 (1690), Tz. 53, verortete die Umsetzungspflicht noch allein in Art. 10 EGV. Auf Art. 249 Abs. 3 EGV selbst stellt dagegen ab EuGH v. 19.11.1991, Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich –, Slg. 1991, I-5357 (5415), Tz. 39.
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vom 8. April 1976 zufolge haben die Mitgliedstaaten danach entgegen ihrer Wahlfreiheit „die Formen und Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen“200.
Daraus folgt, daß der in der Richtlinie enthaltene Regelungsinhalt innerstaatlich volle Geltung erlangen muß. Bloße Verwaltungspraktiken genügen demgegenüber nicht, wie der Europäische Gerichtshof am 6. Mai 1980 in einem Rechtsstreit zwischen der Kommission und Belgien entschied: „Im Hinblick darauf muß jeder Mitgliedstaat die fraglichen Richtlinien in einer Weise durchführen, die den Erfordernissen der Eindeutigkeit und Bestimmtheit des Rechtszustands voll gerecht wird, auf den die jeweilige Richtlinie im Interesse der in den anderen Mitgliedstaaten ansässigen Erzeuger abzielt. Daher kann eine bloße Verwaltungspraxis, welche die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, nicht als eine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung angesehen werden, die Artikel 189 den Mitgliedstaaten auferlegt, an die die Richtlinien gerichtet sind.“201
Für unbeachtlich erklärte der Gerichtshof sogar eine richtlinienkonforme Verwaltungspraxis, von der wegen der „Selbstbindung der Verwaltung“ kraft des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht mehr ohne weiteres abgewichen werden konnte.202 Zur Begründung verwies der Europäische Gerichtshof auf die Grundsätze der Rechtssicherheit, Klarheit und Transparenz203 und folgerte daraus zusammenfassend: „Das Nichtbestehen einer mit der Richtlinie unvereinbaren Praxis vermag den betroffenen Mitgliedstaat nicht von seiner Verpflichtung zu entbinden, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie sicherzustellen.“204
___________ 200
EuGH v. 8.4.1976, Rs. 48/75 – Royer –, Slg. 1976, 497 (517), Tz. 69/73. EuGH v. 6.5.1980, Rs. 102/79 – Kommission/Belgien –, Slg. 1980, 1473 (1486), Tz. 11; gegen die Umsetzungstauglichkeit einer bloßen Verwaltungspraxis auch EuGH v. 15.3.1990, Rs. C-339/87 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1990, I-878 (884), Tz. 22; v. 15.3.1983, Rs. 145/82 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 711 (718), Tz. 10; v. 1.3.1983, Rs. 300/81 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 449 (456), Tz. 10; v. 15.12.1982, Rs. 160/82 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1982, 4637 (4642), Tz. 4; v. 25.5.1982, Rs. 97/81 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1982, 1819 (1833), Tz. 12; v. 25.5.1982, Rs. 96/81 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1982, 1791 (1804 f.), Tz. 12. 202 EuGH v. 23.5.1985, Rs. 29/84 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1985, 1661 (1671-1673), Tz. 18-21 (Krankenschwester). 203 EuGH v. 23.5.1985, Rs. 29/84 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1985, 1661 (1673, 1674, 1676), Tz. 21, 28, 38 (Krankenschwester). 204 EuGH v. 15.3.1990, Rs. C-339/87 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1990, I878 (884), Tz. 22. 201
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In den Rang eines Gesetzes müssen nationale Umsetzungsakte dennoch nicht ausnahmslos erhoben werden. Im Krankenschwester-Urteil205 vom 23. Mai 1985 über die mangelhafte Umsetzung der Richtlinie 77/452/EWG206 durch Deutschland entwickelte der Europäische Gerichtshof vielmehr den folgenden Grundsatz, den er seit der Futtermittel-Entscheidung207 gegen Italien vom 9. April 1987 in ständiger Rechtsprechung wiederholt. Demnach „verlangt die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise, daß ihre Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden; je nach dem Inhalt der Richtlinien kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend bestimmter und klarer Weise gewährleistet, damit – soweit die Richtlinie Ansprüche der einzelnen begründen soll – die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.“208
Namentlich aus der ersten Voraussetzung folgt aber zugleich, daß bei Widersprüchen zwischen dem Ziel der Richtlinie und innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Umsetzung durch innerstaatliches Recht zu erfolgen hat, „das denselben rechtlichen Rang hat wie die zu ändernden Bestimmungen“.209 Weil er diesen „Grundsatz der Parallelität“210 als nicht erfüllt ansah, verneinte der Europäische Gerichtshof am 15. März 1983 in einem Rechtsstreit zwischen der Kommission und Italien die Umsetzungstauglichkeit gewisser Verwaltungsvor___________ 205 EuGH v. 23.5.1985, Rs. 29/84 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1985, 1661 (1673), Tz. 23 (Krankenschwester). 206 Richtlinie 77/452/EWG des Rates v. 27.6.1977 über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, und über Maßnahmen der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr, ABlEG 1977 Nr. L 176, S. 1. 207 EuGH v. 9.4.1987, Rs. 363/85 – Kommission/Italien –, Slg. 1987, 1733 ff. (Futtermittel). 208 EuGH v. 9.4.1987, Rs. 363/85 – Kommission/Italien –, Slg. 1987, 1733 (1742), Tz. 7 (Futtermittel); diese Rechtsprechung bestätigend EuGH v. 1.10.1991, Rs. C-13/90 – Kommission/Frankreich –, Slg. 1991, I-4327 f. (Leitsatz 1); v. 1.10.1991, Rs. C-14/90 – Kommission/Frankreich –, Slg. 1991, I-4331 f. (Leitsatz 1); v. 1.10.1991, Rs. C-64/90 – Kommission/Frankreich –, Slg. 1991, I-4335 f. (Leitsatz 1); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2626 (2631), Tz. 18 (Blei); v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2596 (2600 f.), Tz. 15 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-825 (868), Tz. 8 (Grundwasser); v. 15.3.1990, Rs. C-339/87 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1990, I-851 (880), Tz. 6; v. 27.4.1988, Rs. 252/85 – Kommission/Frankreich –, Slg. 1988, 2243 (2263), Tz. 5. 209 EuGH v. 15.10.1986, Rs. 168/85 – Kommission/Italien –, Slg. 1986, 2945 (2960 f.), Tz. 13, vgl. bereits EuGH v. 6.5.1980, Rs. 102/79 – Kommission/Belgien –, Slg. 1980, 1473 (1486), Tz. 10; ferner GA Mischo v. 17.6.1986, Rs. 168/85 – Kommission/Italien –, Slg. 1986, 2951 (2953). 210 v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (79); Pernice, EuR 29 (1994), 325 (333).
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schriften.211 Die italienische Regierung hatte angeführt, die fraglichen Richtlinien über Arzneispezialitäten seien überwiegend durch einen ministeriellen Erlaß und diverse Rundschreiben des Gesundheitsministeriums umgesetzt worden.212 Der Europäische Gerichtshof hatte diese Verwaltungsvorschriften zunächst deshalb nicht als ausreichende Durchführungsmaßnahmen gelten lassen, da sie die Richtlinien weder inhaltlich vollständig noch fristgerecht umsetzten.213 Entscheidend stellte er jedoch darauf ab, daß die einschlägigen Richtlinien durch gesetzliche Vorschriften hätten durchgeführt werden müssen, da das betreffende Sachgebiet in Italien bis dato auch gesetzlich geregelt gewesen sei.214 Insoweit könnten Runderlasse der Regierung215 an die zuständigen Behörden oder Verwaltungsanweisungen216 selbst dann keine gesetzliche Umsetzung der Richtlinie ersetzen, wenn die entsprechende Richtlinie „unmittelbar anwendbar“ sei. Denn dem Europäischen Gerichtshof zufolge ist die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinie lediglich eine „Mindestgarantie“, „die sich aus dem zwingenden Charakter der Verpflichtung ergibt, welche den Mitgliedstaaten nach Artikel 189 Absatz 3 durch die Richtlinien auferlegt ist, (die aber) keinem Mitgliedstaat als Rechtfertigung dafür dienen (kann), daß er es versäumt hat, rechtzeitig zur Erreichung des Ziels der jeweiligen Richtlinie geeignete Durchführungsmaßnahmen zu ergreifen“217.
Die dargelegte Spruchpraxis verdeutlicht ein tendenziell rechtsförmliches Verständnis des Europäischen Gerichtshofs von der Qualität der innerstaatlichen Umsetzungsakte: Maßnahmen zur Durchführung von Richtlinien werden grundsätzlich als unzureichend erkannt, sofern sie nicht in rechtlich verbindlicher Form erlassen werden.218
___________ 211
EuGH v. 15.3.1983, Rs. 145/82 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 711 (719). EuGH v. 15.3.1983, Rs. 145/82 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 711 (713, 715, 718). 213 EuGH v. 15.3.1983, Rs. 145/82 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 711 (718), Tz. 8. 214 Vgl. GA Reischl v. 2.2.1982, Rs. 145/82 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 711 (722 f.). 215 Vgl. den Fall bei EuGH v. 15.10.1986, Rs. 168/85 – Kommission/Italien –, Slg. 1986, 2945 (2956 ff.). 216 Vgl. den Fall bei EuGH v. 6.5.1980, Rs. 102/79 – Kommission/Belgien –, Slg. 1980, 1473 (1473 f.). 217 EuGH v. 6.5.1980, Rs. 102/79 – Kommission/Belgien –, Slg. 1980, 1473 (1487), Tz. 12; v. 15.10.1986, Rs. 168/85 – Kommission/Italien –, Slg. 1986, 2945 (2960), Tz. 11. 218 Vgl. nur EuGH v. 15.3.1990, Rs. C-339/87 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1990, I-851 (887), Tz. 36: „[…] müssen die Voraussetzungen […] in normativen Bestimmungen festgelegt werden [...].“ 212
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2. Urteil des Gerichtshofs vom 28. Februar 1991 zur Grundwasserschutzrichtlinie In seiner Entscheidung vom 28. Februar 1991219 über die Umsetzung der Grundwasserschutzrichtlinie220 verneinte der Europäische Gerichtshof die Eignung wasserrechtlicher Verwaltungsvorschriften, den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu genügen. In der Konsequenz sah sich die Bundesregierung gezwungen, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen. 221
a) Vorverfahren und schriftliches Verfahren In dem Verfahren erhob die Kommission den Vorwurf, die Bundesrepublik Deutschland habe die materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Grundwasserschutzrichtlinie nicht hinreichend in die inländische Rechtsordnung umgesetzt.222 Weder decke das WHG als ausfüllungsbedürftiges Rahmengesetz die Regelungen der Richtlinie voll ab noch würden die auf Landesebene ergangenen Maßnahmen formal oder, soweit es sich um veröffentlichte Verwaltungsvorschriften handele, inhaltlich den Anforderungen der Richtlinie gerecht.223 Die Bundesrepublik Deutschland entgegnete, daß das von der Kommission aufgeworfene Problem der Nichtumsetzung eher theoretischer Natur sei, da in der Praxis kein Verstoß gegen die Richtlinie vorgekommen sei. Die Richtlinie sei teilweise durch Gesetze des Bundes oder der Länder und teilweise durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften umgesetzt worden. Der Maßstab für die Umsetzung einer Richtlinie sei, ob das innerstaatliche Recht tatsächlich die vollständige Anwendung einer Richtlinie in bestimmter und klarer Weise gewährleiste; die Art der für die Umsetzung verwendeten Vorschriften sei ohne Bedeutung.224 ___________ 219 EuGH v. 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 ff. (Grundwasser). 220 Richtlinie 80/68/EWG des Rates v. 17.12.1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe, ABlEG 1980 Nr. L 20, S. 43 ff. 221 Vgl. den Umweltbericht 1998 – Bericht über die Umweltpolitik der 13. Legislaturperiode, BT-Drucks. 13/10735, S. 83 f. 222 Sitzungsbericht in der Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (828, 842), Tz. 12, 98. 223 Sitzungsbericht in der Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (829), Tz. 15. 224 Sitzungsbericht in der Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (831), Tz. 27.
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Die Kommission hob demgegenüber hervor, daß die Verwendung von Verwaltungsvorschriften den Anforderungen der Richtlinie nicht genüge und daß es gemäß dem Grundsatz der Parallelität einer Änderung der betreffenden Gesetze bedürfe: Gemäß der Richtlinie seien Maßnahmen des Gesetzgebers notwendig, durch die die von der Richtlinie geforderten Bedingungen rechtlich verbindlich gemacht würden. „Generelle Hinweise“ könnten diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Zudem seien die Rundschreiben in manchen Bundesländern nicht veröffentlicht, so daß selbst die Mindestvoraussetzung für die Anwendung der Richtlinie, die Veröffentlichung, nicht erfüllt sei.225 Die Bundesrepublik Deutschland räumte ein, daß die Vorschriften, die Dritte beträfen, Gegenstand eines Gesetzes sein müßten. Soweit es jedoch um die sonstigen Bestimmungen der Richtlinie gehe, handele es sich allein um verwaltungsinterne Regelungen, die ohne weiteres in Verwaltungsvorschriften niedergelegt werden könnten.226 Da die materiellen Vorschriften der Richtlinie zudem durch die gesetzlichen Vorschriften umgesetzt worden seien, sei es völlig ausreichend, den Verwaltungsbehörden den Inhalt der Richtlinie zur Kenntnis zu bringen und ihnen durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften verbindliche Hinweise zur Gesetzesausführung zu geben.227
b) Schlußanträge des Generalanwalts Generalanwalt W. van Gerven schlug daraufhin vor, der Klage der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang stattzugeben.228 Eine generelle Untauglichkeit von Verwaltungsvorschriften zur Verwirklichung der Ziele einer Richtlinie nahm er freilich nicht an. Verlangt werde allerdings, daß der in einem Mitgliedstaat bestehende „allgemeine rechtliche Rahmen“ die Umsetzung der Richtlinien in der Weise gewährleiste, daß „weder tatsächlich noch theoretisch die Gefahr einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung der in den betreffenden Richtlinien vorgesehenen Regelung besteht“.229 In diesem Zusammenhang habe der Gerichtshof entschieden, daß Richtlinien „durch Vorschriften mit derselben rechtlichen Bedeutung wie die zu ändernden Rechtsvor___________ 225 Sitzungsbericht in der Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (842 f.), Tz. 100. 226 Sitzungsbericht in der Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (843), Tz. 101. 227 Sitzungsbericht in der Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (829, 843), Tz. 16, 102. 228 GA van Gerven v. 25.9.1990, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-825 (864), Tz. 40. 229 GA van Gerven v. 25.9.1990, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-825 (850), Tz. 8.
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schriften“ in nationales Recht umgesetzt werden müßten. Ob die von der Bundesregierung angekündigte Verwaltungsvorschrift Vorrang vor den hier zu ändernden Gesetzesbestimmungen des WHG habe, sei aber zweifelhaft, so der Generalanwalt.230
c) Entscheidung des Gerichtshofs Der Europäische Gerichtshof folgte im wesentlichen dem Vorbringen der Kommission und verurteilte die Bundesrepublik Deutschland am 28. Februar 1991 wegen mangelhafter Umsetzung der Grundwasserschutzrichtlinie.231 Zur Begründung führte er aus, daß die Bestimmungen der Richtlinie „genaue und detaillierte Vorschriften“ enthielten, „die Rechte und Pflichten des einzelnen begründen sollen“. Deshalb müßten sich diese Bestimmungen in den deutschen Rechtsvorschriften „so genau und eindeutig wiederfinden, wie es notwendig ist, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit in vollem Umfang zu genügen“.232 Ob auch die von der Bundesregierung angeführten Verwaltungsvorschriften als wirksame Erfüllung dieser Umsetzungsverpflichtung betrachtet werden können, beantwortete der Gerichtshof wie folgt: „Insoweit ist hervorzuheben, daß zum einen § 21 WHG, nach dem der einzelne Überwachungsmaßnahmen dulden muß, selbst keine Verpflichtung aufstellt, die Einhaltung der in den Genehmigungen festgelegten Bedingungen zu überwachen, und daß zum anderen interne Erlasse oder Verwaltungsvorschriften, die naturgemäß abänderbar sind und nicht in angemessener Weise öffentlich bekanntgemacht werden, dem in [...] der Richtlinie aufgestellten Erfordernis nicht genügen können. Folglich ist festzustellen, daß die deutschen Rechtsvorschriften die Bestimmungen [...] der Richtlinie nicht so genau und eindeutig umgesetzt haben, wie es notwendig ist, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit in vollem Umfang zu genügen.“233
3. Urteile des Gerichtshofs vom 30. Mai 1991 zur Schwefeldioxidund Schwebestaubrichtlinie und zur Bleirichtlinie Die Skepsis des Europäischen Gerichtshofs gegenüber der weithin durch Verwaltungsvorschriften geprägten Umsetzungspraxis in Deutschland setzte ___________ 230 GA van Gerven v. 25.9.1990, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-825 (857), Tz. 22. 231 EuGH v. 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (865 ff.) (Grundwasser). 232 EuGH v. 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (878 f.), Tz. 61 (Grundwasser). 233 EuGH v. 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I825 (881), Tz. 72 f. (Grundwasser).
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sich in seinen beiden Urteilen vom 30. Mai 1991 fort.234 Aufgrund der heftigen Resonanz im Schrifttum sollen sie hier ausführlicher behandelt werden.
a) Vorverfahren und Vorbringen der Parteien Die Kommission hatte der Bundesrepublik Deutschland zur Last gelegt, sie habe die sich aus der Richtlinie über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub235 sowie der Richtlinie betreffend einen Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft236 ergebenden Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt.237 Insbesondere mangele es an einer „zwingenden Vorschrift“ im deutschen Recht, die das Überschreiten der in den Richtlinien festgelegten Grenzwerte auf dem gesamten Hoheitsgebiet ausdrücklich verbiete.238 Die Bundesrepublik verteidigte sich mit dem Hinweis auf die TA Luft, durch die sie die Grenzwerte in zwingende innerstaatliche Rechtsnormen umgesetzt habe. Zur Begründung verwies sie auf die Entscheidungen des OVG Lüneburg vom 28. Februar 1985 zum Kohlekraftwerk Buschhaus, des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1985 zum Kernkraftwerk Wyhl und des OVG Münster vom 9. Juli 1987, in denen der TA Luft bzw. der Verwaltungsvorschrift des Bundesinnenministers zu § 45 StrlSchVO eine Verbindlichkeit auch für die Gerichte zugesprochen wurde.239
___________ 234 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 ff. (Blei); v. 30.5.1991, Rs. -361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 ff. (Schwefeldioxid und Schwebestaub). 235 Richtlinie 80/779/EWG des Rates v. 15.7.1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub, ABlEG 1980 Nr. L 229, S. 30 ff. 236 Richtlinie 82/884/EWG des Rates v. 3.12.1982 betreffend einen Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft, ABlEG 1982 Nr. L 378, S. 15 ff. 237 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2569); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2610). 238 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2570). – Daneben rügte die Kommission, entgegen den Vorgaben der Richtlinien sei die von der Bundesrepublik angeführte TA Luft nur bei genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des § 4 BImSchG und bei bestimmten diese Anlagen betreffenden Handlungen anwendbar. Es fehle insofern ebenfalls an einer „allgemein geltenden Bestimmung“, wie sie von den Richtlinien gefordert würden. Da es sich hierbei um einen inhaltlich, mithin rechtsformunspezifischen Aspekt der Richtlinienumsetzung handelt, soll ihm im Folgenden nicht weiter nachgegangen werden. 239 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2571 f.); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2611 f.).
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Auch die Kommission stützte ihr Vorbringen, die TA Luft sei keine zwingende Vorschrift, auf die Rechtsprechung deutscher Gerichte. So würden die Grenzwerte der TA Luft nach dem Voerde-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 1978 „nicht als zwingende Vorschriften, sondern lediglich als eine ‚geeignete, wenn nicht optimale Erkenntnisquelle‘ angesehen“. In einem Urteil von 1986 zu einer Subventionsrichtlinie habe das Bundesverwaltungsgericht sogar ausgeführt, „Verwaltungsvorschriften – mit welcher faktischen Wirkung auch immer – sind keine Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 VwGO“. Ebenso deutlich habe das Bundesverfassungsgericht einer steuerrechtlichen Verwaltungsvorschrift die Qualität eines Gesetzes im Sinne der Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG abgesprochen.240 Daß Verwaltungsvorschriften somit regelmäßig nicht als Rechtsnormen anerkannt würden, werde im übrigen auch von Art. 80 Abs. 1 GG geboten. Diese Vorschrift mache den Erlaß von Rechtsnormen durch die Verwaltung von bestimmten Voraussetzungen abhängig, die die TA Luft nicht erfülle.241 Schließlich werde sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum eingeräumt, daß Verwaltungsvorschriften nicht zwingend eingehalten werden müßten, sofern ein atypischer Sachverhalt vorliege. In einem solchen Fall stehe es den Behörden frei, von der Verwaltungsvorschrift abzuweichen.242 Zwar bestünde bei einigen Autoren die Tendenz, Verwaltungsvorschriften, in die besonderer technischer Sachverstand der Verwaltung eingeflossen sei, Rechtsverbindlichkeit zuzuerkennen. Die TA Luft enthalte aber keine Beurteilung technisch komplexer Sachverhalte, sondern artikuliere nur eine politische Willensentscheidung der Exekutive.243 „Unter diesen Voraussetzungen“ müßten die Zweifel über die Rechtsverbindlichkeit der TA Luft zur Feststellung führen, daß diese Verwaltungsvorschrift keine korrekte Umsetzung der Richtlinien darstelle. Die Bundesrepublik Deutschland entgegnete, die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassenen Vorschriften seien keine gewöhnlichen Verwaltungsvorschriften. Da sie eine verbindliche Norm ausfüllten, seien sie ebenso verbind-
___________ 240 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2577); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2616). 241 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2577); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2617). 242 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2577 f.); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2616). 243 Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2617).
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lich wie diese.244 Jeder Bürger könne sich daher vor den Verwaltungsgerichten auf den in der TA Luft festgelegten Grenzwert berufen und die Einhaltung dieses Wertes verlangen.245 Der Einwand, daß die Verwaltung den in der TA Luft festgelegten Grenzwert in atypischen Fällen nicht einhalten müsse, sei haltlos. Trete ein atypischer Fall auf, könnten die Behörden die Anforderungen der TA Luft nur verschärfen. Keinesfalls sei eine Verminderung dieser Anforderungen dadurch zulässig, daß die Verwaltung eine Überschreitung des in der TA Luft festgesetzten Grenzwertes dulde.246 Darüber hinaus sei die TA Luft keine Regelung, die durch die Verwaltung beliebig geändert werden könne; ihr Inhalt unterliege der Sperrwirkung des Gemeinschaftsrechts.247 Im übrigen sei sie im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht worden, so daß den Bürgern die Möglichkeit der Kenntnisnahme von ihrem Inhalt eröffnet sei.248
b) Schlußanträge des Generalanwalts In seinem Schlußantrag vom 6. Februar 1991 bezog Generalanwalt J. Mischo zunächst zum Umfang der Umsetzungsverpflichtung im allgemeinen Stellung.249 Die Übereinstimmung einer Verwaltungspraxis mit den Vorschriften einer Richtlinie entbinde einen Mitgliedstaat nicht von seiner Verpflichtung, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der die Beachtung der Richtlinie auch rechtlich gewährleiste. Die alleinige Beachtung der in einer Richtlinie festgelegten Normen zu einem bestimmten Zeitpunkt stelle keine ausreichende Garantie dafür dar, daß dies in gleicher Weise auch zu einem anderen Zeitpunkt der Fall sein werde.250 Die ordnungsgemäße Umsetzung der in einer Richtlinie vorgegebenen Grenzwerte erfordere daher ___________ 244 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2581); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2611). 245 Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2620). 246 Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2620 f.). 247 Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2621). 248 Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2621). 249 GA Mischo v. 6.2.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2467 (2585 ff.). Die Schlußanträge des GA Mischo in den beiden Verfahren zur Umsetzung der Bleirichtlinie sowie der Schwefeldioxid- und Schwebestaubrichtlinie beruhen inhaltlich im wesentlichen auf den gleichen Erwägungen. 250 GA Mischo v. 6.2.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2588 f.), Tz. 17.
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„den Erlaß einer allgemeinen und verbindlichen Rechtsnorm [...], die auch rechtlich die Überschreitung dieser Werte verbietet und die damit zum einen für die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden, die für ihre Anwendung zuständig sind, und zum anderen für einzelne, die der Auffassung sind, daß die Regelungen in dieser Rechtsnorm nicht beachtet werden, als klare und bestimmte Rechtsgrundlage dient.“251
Die deutsche Rechtslage sei aber hinsichtlich der Verbindlichkeit der TA Luft keineswegs derart klar und bestimmt. Die Bundesregierung habe sich nicht auf eine für Verwaltungsvorschriften ohne Unterschied geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder der Verwaltungsgerichte berufen können, aus der mit Sicherheit hervorginge, daß die TA Luft Rechtsverbindlichkeit besitze. „Unter diesen Umständen“ könne nicht davon ausgegangen werden, „daß die erlassenen Maßnahmen eine Durchführung der beiden Richtlinien ‚mit der Eindeutigkeit und Klarheit darstellen, deren es bedarf, um den Erfordernissen der Rechtssicherheit voll zu genügen‘, oder daß sie geeignet sind, eine Lage zu schaffen, ‚die hinreichend bestimmt, klar und transparent wäre, um den [...] (einzelnen) die Kenntnis und die Durchsetzung ihrer Rechte zu ermöglichen‘.“252
Im Ergebnis müsse daher festgestellt werden, daß die Bundesrepublik Deutschland die beiden in Frage stehenden Richtlinien nicht vollständig in innerstaatliches Recht umgesetzt habe.253
c) Entscheidungen des Gerichtshofs Den Ausgangspunkt beider Urteile des Europäischen Gerichtshofs bildet die bereits bekannte Wendung, daß die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise eine förmliche und ausdrückliche Wiedergabe in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift verlange. Je nach dem Inhalt der Richtlinie könne auch „ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleiste, daß – soweit die Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll(e) – die Begünstigten in der Lage (seien), von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“.254 In diesem Zusammenhang sei die in ___________ 251 GA Mischo v. 6.2.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2591 f.), Tz. 24. 252 GA Mischo v. 6.2.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2593), Tz. 32. 253 GA Mischo v. 6.2.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2595), Tz. 42. 254 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2600 f.), Tz. 15 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2631), Tz. 18 (Blei).
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beiden Richtlinien enthaltene Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Erlaß bindender Grenzwerte „insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit“ geschaffen worden.255 Dies bedeutet dem Gerichtshof zufolge, „daß die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können. Im übrigen ist die Festlegung von Grenzwerten in einer Vorschrift, deren Verbindlichkeit unbestreitbar ist, auch deshalb geboten, damit all jene, deren Tätigkeiten Immissionen zur Folge haben können, genau wissen, welche Verpflichtungen sie haben.“256
Diesen Anforderungen werde vorliegend nicht Genüge getan. Denn es müsse festgestellt werden, „daß die Bundesrepublik Deutschland im konkreten Fall der TA Luft keine nationale Gerichtsentscheidung angeführt hat, mit der dieser Verwaltungsvorschrift über ihre Verbindlichkeit für die Verwaltung hinaus unmittelbare Wirkung gegenüber Dritten zuerkannt würde.“257
Weder könne also der einzelne Gewißheit über den Umfang seiner Rechte haben, um sie gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, noch würden diejenigen, deren Tätigkeiten geeignet sind, Immissionen zu verursachen, über den Umfang ihrer Verpflichtungen hinreichend unterrichtet.258 Weil somit nicht nachgewiesen sei, daß die Durchführung der Richtlinien mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und der erforderlichen Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit erfolgt sei, habe die Bundesrepublik Deutschland nicht alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die beiden Richtlinien voll umzusetzen.259
___________ 255
EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2601), Tz. 16 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2631), Tz. 19 (Blei). 256 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2601), Tz. 16 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2631), Tz. 19 (Blei). 257 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2602), Tz. 20 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2632), Tz. 23 (Blei). 258 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2602), Tz. 20 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/ Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2632), Tz. 23 (Blei). 259 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2602 f., 2605), Tz. 21, 32 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2632, 2635), Tz. 24, 36 (Blei).
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4. Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1991 zur Trinkwasserrichtlinie Zum gleichen Ergebnis kommt der Europäische Gerichtshof wenig später in seinem Urteil vom 17. Oktober 1991260 zur Nichtumsetzung zweier Richtlinien über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser zur Trinkwassergewinnung261. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland hatte sich auf verschiedene veröffentlichte Runderlasse und Verwaltungsvorschriften berufen, um die vollständige Durchführung der Richtlinien zu beweisen.262 Auch hier stellt der Gerichtshof zunächst auf den Zweck der Richtlinien ab, den er im „Schutz der Volksgesundheit“ sieht. Daraus folge die Notwendigkeit zwingender Umsetzungsvorschriften, auf die sich die Betroffenen berufen könnten, sofern ihre Gesundheit durch die mangelnde Befolgung der in den Richtlinien vorgeschriebenen Maßnahmen gefährdet sei. Zudem müßte der Inhalt der Richtlinien auch deshalb in einer rechtsverbindlichen Norm festgelegt werden, damit die Betreiber von Oberflächenwasserentnahmestellen eine genaue Kenntnis ihrer Verpflichtungen erhielten.263 Die Bundesrepublik Deutschland aber habe „nicht dargetan, daß die [...] angeführten Runderlasse und Verwaltungsvorschriften unmittelbare Außenwirkung hätten“.264 Folglich habe Deutschland die in Frage stehenden Richtlinienbestimmungen nicht mit unbestreitbarer Bindungswirkung und unter Wahrung des Erfordernisses der Rechtssicherheit umgesetzt.265
5. Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 zur Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge Ebenfalls in seinem, soweit ersichtlich, vorerst letzten Urteil zur Richtlinienumsetzung durch Verwaltungsvorschriften vom 11. August 1995 rückt der Eu___________ 260 EuGH v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I4983 ff. (Trinkwasser). 261 Richtlinie 75/440/EWG des Rates v. 16.6.1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten, ABlEG 1975 Nr. L 194, S. 34 ff.; Richtlinie 79/869/EWG des Rates v. 9.10.1979 über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probenahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten, ABlEG 1979 Nr. L 271, S. 44 ff. 262 Sitzungsbericht in der Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I4983 (4990, 4991). 263 EuGH v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I4983 (5023), Tz. 14. 264 EuGH v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I4983 (5023), Tz. 15. 265 EuGH v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I4983 (5024), Tz. 18.
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ropäische Gerichtshof nicht von seiner restriktiven Spruchpraxis ab.266 Entscheidend stellt er auch hier darauf ab, daß die in zwei Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge267 enthaltenen Bestimmungen „den Bieter vor Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen sollen“. Ein solcher Schutz könne nicht wirksam werden, „wenn der Bieter sich nicht gegenüber dem Auftraggeber auf diese Vorschriften berufen und gegebenenfalls deren Verletzung vor den nationalen Gerichten geltend machen“ könne.268 Die nur als „Verwaltungsanweisungen“ angewandten deutschen Verdingungsordnungen räumten dem einzelnen subjektive Rechte freilich nicht ein;269 zur Durchführung der fraglichen Richtlinien seien sie daher untauglich.
III. Stellungnahmen im Schrifttum Bis zum Erlaß der Urteile des Europäischen Gerichtshofs im Jahre 1991 war sich die überwiegende Auffassung im Schrifttum über die Geeignetheit der Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung von Richtlinien weitgehend einig.270 Entsprechend heftig waren die Reaktionen insbesondere auf die beiden Entscheidungen des Gerichtshofs über die Durchführung der Schwefeldioxid- und Schwebestaubrichtlinie und die Bleirichtlinie, in denen der Gerichtshof eine gegenteilige Ansicht vertrat. ___________ 266 EuGH v. 11.8.1995, Rs. 433/93 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1995, I2311 ff. 267 Richtlinie 88/295/EWG des Rates v. 22.3.1988 zur Änderung der Richtlinie 77/62/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge und zur Aufhebung einiger Bestimmungen der Richtlinie 80/767/EWG, ABlEG 1988 Nr. L 127, S. 1 ff.; Richtlinie 89/440/EWG des Rates v. 18.7.1989 zur Änderung der Richtlinie 71/305/EWG über die Koordination der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABlEG 1989 Nr. L 210, S. 1 ff. 268 EuGH v. 11.8.1995, Rs. 433/93 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1995, I-2311 (2317), Tz. 19. 269 EuGH v. 11.8.1995, Rs. 433/93 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1995, I-2311 (2318), Tz. 20. 270 Breuer, in: Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW, Das neue Wasserrecht und seine Herausforderungen für den Vollzug in den Ländern, 1990, S. 13 (25 f.); ders., WiVerw. 1990, 79 (100 f., 106-108); Henseler, Das Recht der Abwasserbeseitigung, 1983, S. 105-109; Lausch, Europäische Umweltpolitik auf dem Gebiet des Gewässerschutzes, 1986, S. 197; Salzwedel, in: Rengeling, Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, 1988, S. 77 (95-97); ders./ Viertel, ZAU 2 (1989), 131 (133, 137 und passim); Beyerlein, EuR 22 (1987), 126 (146148 und passim); M. Czychowski, ZfW 1982, 325 (334); ders., ZfW 1977, 18 (24) zu Bewirtschaftungsplänen gemäß § 36 b WHG; Zuleeg, ZfW 1975, 133 (141). – Anders Riegel, DVBl. 1979, 245 (250 f.); ders., DVBl. 1977, 82 (84 f.), der nur „rein gesetzesausfüllende Verwaltungsvorschriften“ ausreichen läßt, die auf einer speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen.
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Teile des Schrifttums warfen dem Gericht vor, es habe die besondere Qualität der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im deutschen Recht schlichtweg mißverstanden.271 Mit seiner Wyhl-Entscheidung272 habe das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift höchstrichterlich anerkannt. Ihre Funktion bestehe darin, die der Verwaltung vom Gesetzgeber eingeräumten Spielräume mit Bindungswirkung für die Gerichte auszufüllen. Klassisches Beispiel einer derartig außenverbindlichen Verwaltungsvorschrift sei die TA Luft. Sie unterscheide sich von „gewöhnlichen Verwaltungsvorschriften“ durch ihre ausdrückliche gesetzliche Legitimation durch § 48 BImSchG, der es wegen Art. 84 Abs. 2 GG gar nicht bedurft hätte. Zudem sei die TA Luft in einem besonderen Verfahren nach § 51 BImSchG erlassen und im Gemeinsamen Ministerialblatt auch gehörig bekanntgemacht worden.273 Andere begrüßten die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dagegen ausdrücklich. Zur Begründung verwiesen sie auf die bekannten verfassungsrechtlichen Einwände, die einer Außenverbindlichkeit der TA Luft als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift entgegenstünden.274 ___________ 271 Siehe etwa Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996, S. 263: „abenteuerlich“; Lübbe-Wolff, in: Behrens/H.-J. Koch, Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1991, S. 127 (141): „ein Stück der Sparte ‚Absurdes Theater‘“; v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (85): „methodische Chuzpe“; kritisch zu dieser „gegenüber einem hohen Gericht doch erstaunliche(n) Rüge“ Everling, NVwZ 1993, 209 (214 in Fn. 49); ähnlich Hoppe, in: J. Ipsen/Stüer, Öffentliche Verwaltung in Europa, 1999, S. 5 (10 in Fn. 18): „recht rüdes Vokabular“; Ossenbühl, DVBl. 1993, 753 (758): „Es kann ja nicht sein, daß durch pauschalierende Judikate aus Luxemburg die feinen Strukturen des Verwaltungsrechts, die das Bundesverwaltungsgericht herausgearbeitet hat und die ihren Sinn haben, zerstört werden.“; Reinhardt, DÖV 1992, 102 (106): „undifferenzierte(r) Gebrauch des Begriffes der Verwaltungsvorschrift“; Salzwedel/Reinhardt, NVwZ 1991, 946 (947): „rechtsmißbräuchliche und besatzungsrechtsähnliche Intervention in gewachsene und allein vollzugseffiziente Normstrukturen des nationalen Rechtes“; ferner Chr. Czychowski, ZAU 6 (1993), 340 (349): „orientiert sich zu wenig an den praktischen Bedürfnissen des Umweltschutzes“. 272 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 ff. – Wyhl. 273 Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996, S. 257-267, 267 f.; Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 99; Beyerlein, EuR 22 (1987), 126 (146 f.); ebenso v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (insb. 90-92); Gellermann/Szczekalla, NuR 1993, 54 (60 f.); vgl. ferner die Argumentation von Müllmann/Lohmann, UPR 1995, 168 (169) zur Einordnung der TASi als „qualifizierte“ Verwaltungsvorschrift. 274 Ausdrückliche Zustimmung zur Rechtsprechung des EuGH findet sich bei Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992, S. 114; ders., DVBl. 1992, 804 (810); Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 311; Everling, in: Behrens/H.-J. Koch, Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1991, S. 29 (35); Hoppe/Otting, NuR 1998, 61 (64); H.-J. Koch, DVBl. 1992, 124 (130); ders., ZUR 1993, 103 (108); ders., WUR 1991, 350 (351); Rupp, JZ 1991, 1034
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Unabhängig von der individuellen Bewertung der Spruchpraxis des Gerichtshofs hat sich jedoch seit 1991 im Schrifttum die Erkenntnis durchgesetzt, daß Verwaltungsvorschriften kein taugliches Instrument zur Umsetzung von EGRichtlinien seien. Dies gelte zumindest, sofern und soweit die Richtlinie dem einzelnen Bürger durchsetzbare subjektive Rechte verleihen wolle.275 In diesem Fall erfordere der Schutzzweck der Richtlinie regelmäßig die Durchführung durch einen mit „Außenwirkung“ versehenen Rechtssatz, also durch Parlamentsgesetz oder Rechtsverordnung.276 ___________ (1035); R. Schmidt, JZ 1993, 1086 (1088); Steiling, NVwZ 1992, 134 (137); Wegener, IUR 1992, 35 (37). 275 Bönker, Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, 1992, S. 117-122; ders., DVBl. 1992, 804 (810 f.); Delwing, Umsetzungsprobleme des EG-Wasserrechts, 1995, S. 137, 142; Faßbender, Die Umsetzung von Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft, 2001, passim; Hobe, Europarecht, 2002, Rn. 140 a. E. (S. 65); Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 53 f.; ders., JuS 1999, 105 (112); Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 313; Veh/Knopp, Gewässerschutz nach EG-Recht, 1995, S. 28 f.; Everling, in: Behrens/H.-J. Koch, Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1991, S. 29 (33-35); ders., UTR 17 (1992), 3 (insb. 13-17); ders., NVwZ 1993, 209 (213 f.); Gusy, in: H.-J. Koch/Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 1994, S. 185 (204); Hoppe, in: J. Ipsen/Stüer, Öffentliche Verwaltung in Europa, 1999, S. 5 (11-15); ders./Otting, NuR 1998, 61 (6366); Hoppe/Appold, DVBl. 1991, 1221 (1224); Chr. Czychowski, ZAU 6 (1993), 340 (insb. 347 f.); Dieckmann, IUR 1991, 153 f.; Doerfert, JA 1999, 949 (952); Erbguth/Stollmann, NuR 1993, 249 (252); Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (548); Giesberts/Hilf, UPR 1999, 168 (169 f.); Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (70 f.); Guttenberg, JuS 1993, 1006 (insb. 1011); Hansmann, UTR 17 (1992), 21 (27); Hendler, UTR 40 (1997), 55 (82); Himmelmann, DÖV 1996, 145 (149-151); Kahl, ThürVBl. 1994, 256 (258 f.); H.-J. Koch, DVBl. 1992, 124 (130 f.); ders., ZUR 1993, 103 (108); ders., WUR 1991, 350 (351); Langenfeld/Schlemmer-Schulte, EuZW 1991, 622 (627); Murswiek, JuS 1992, 428 (429); Pernice, EuR 29 (1994), 325 (338 f.); Rengeling/Gellermann, UTR 36 (1996), 1 (9); Rupp, JZ 1991, 1034 (1035); Spannowsky, NVwZ 1995, 845 (848); Stober, GewArch 1993, 136 (139); Vedder, EWS 1991, 293 (297 f., 299); A. Weber, UPR 1992, 5 (9); Wegener, IUR 1992, 35 (37 f.); Winkel, ZG 1997, 113 (116 f.); Zuleeg, NJW 1993, 31 (35 f.). – Eher deskriptiver Art sind die Stellungnahmen von Frenz, Europäisches Umweltrecht, 1997, Rn. 201 (S. 70); H. J. Wolff/Bachof/Stober, Allg. Verwaltungsrecht, Bd. 1, 11. Aufl., 1999, § 24 Rn. 32 (S. 333); Hilf, EuR 28 (1993), 1 (14 f.); Mayen, NVwZ 1996, 319 (326); J. Tiedemann, JuS 2000, 726 f.; vgl. ferner den Bericht von Dieckmann, DVBl. 1991, 936 (937); zur Geltung eines Gesetzesvorbehalts im Rahmen der Richtlinienumsetzung siehe auch Dreher, EuZW 1997, 522 ff. 276 Daß Verwaltungsvorschriften auch darüber hinaus niemals als zureichende Umsetzungsakte in Frage kommen, nehmen an Calliess (März 1997), in: Jarass/Ruchay/ Weidemann, KrW-/AbfG, 1997, B100 § 57 Rn. 4, 42; Scheuing, in: H.-J. Koch/Scheuing, GK-BImSchG, § 48 a Rn. 24; Schmidt-Preuss, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 235; Röthel/Hartmann, UTR 31 (1995), 71 (80, 82); Steiling, NVwZ 1992, 134 (136); wohl auch Nicolaysen, Europarecht I, 2. Aufl., 2002, S. 332 f.; R. Schmidt, JZ 1993, 1086 (1088); zurückhaltender Bleckmann, in: ders., Europarecht, 6. Aufl., 1997, Rn. 441 (S. 171), nach dem die Umsetzung durch Verwaltungsvorschriften „in der Regel“ ausgeschlossen ist.
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Ob der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber tatsächlich eine pauschale Absage an die Richtlinienumsetzung durch Verwaltungsvorschriften entnommen werden kann, erscheint mehr als fraglich. Die Argumentation des Gerichts läßt jedenfalls viele Fragen offen und ist alles andere als eindeutig, wie die folgende Bewertung der besonders streitigen Urteile vom 30. Mai 1991 zur TA Luft zeigen wird.
IV. Eigene Bewertung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Hervorzuheben ist zunächst die unterschiedliche Bestimmung des Begriffs der „Rechtssicherheit“ im Grundwasser-Urteil vom 28. Februar 1991 einerseits und in den beiden Entscheidungen zur TA Luft vom 30. Mai 1991 andererseits. Im Streit über die Umsetzung der Grundwasserschutzrichtlinie hatte der Gerichtshof noch die jederzeitige Abänderbarkeit und unzureichende Bekanntmachung von Verwaltungsvorschriften angeführt, um zu begründen, warum eine Richtlinienumsetzung durch Verwaltungsvorschriften mit dem „Erfordernis der Rechtssicherheit“ kollidiere.277 In den zwei Urteilen zur TA Luft wenige Monate später rügt er zwar erneut die Nichterfüllung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, erwähnt die beiden Kriterien dabei aber nicht mehr.278 Die Veröffentlichung der TA Luft im Gemeinsamen Ministerialblatt fällt demzufolge ebenso unter den Tisch wie die besonderen Verfahrensanforderungen, die § 48 in Verb. mit § 51 BImSchG an den Erlaß und die Änderung der TA Luft stellt. Infolge der insoweit gegebenen Vergleichbarkeit der TA Luft mit einer Rechtsverordnung wäre es dem Gerichtshof wohl auch schwergefallen, einen Verstoß gegen das Gebot der Rechtssicherheit auf verfahrensrechtliche Mängel zurückzuführen. Statt dessen stellt der Gerichtshof auf den fehlenden Nachweis der „unmittelbare(n) Wirkung“ der TA Luft gegenüber Dritten ab. Die Umsetzung der Richtlinienwerte in die TA Luft bewirke nicht, daß der einzelne Gewißheit über den Umfang seiner Rechte habe, „um sie gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend machen zu können“. Mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit sei dieser Mangel unvereinbar.279 Indes: Selbst bei einer wörtlichen Umsetzung der in den einschlägigen Richtlinien vorgesehenen Grenzwerte durch Gesetz ___________ 277
EuGH v. 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I865 (881), Tz. 72 f. 278 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2626 ff.) (Blei); v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2596 ff.) (Schwefeldioxid und Schwebestaub). 279 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2632), Tz. 23 f. (Blei); v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2602 f.), Tz. 20 f. (Schwefeldioxid und Schwebestaub).
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
oder Rechtsverordnung hätten die Betroffenen keine Gewißheit über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten erlangen können. Denn einerseits handelt es sich bei den Grenz- und Leitwerten der Richtlinien um jährliche und jahreszeitliche Mittelwerte.280 Zum anderen legen die Richtlinien lediglich Immissionsgrenzwerte fest, deren Überschreitung erst durch die Kumulation verschiedener Emissionen verursacht werden kann. Die Kriterien, von denen die zuständige Behörde nun in einer konkreten Situation die Erteilung einer Anlagengenehmigung oder die Ablehnung eines Antrags abhängig macht, könnten somit auch in einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung nur schwer mit der geforderten Bestimmtheit und Klarheit normiert werden.281 Ohnehin kann das Hauptargument des Europäischen Gerichtshofs gegen die Umsetzungsgeeignetheit der TA Luft kaum überzeugen. Die Bundesrepublik Deutschland hatte zum Nachweis der Außenverbindlichkeit dieser Verwaltungsvorschrift gegenüber Dritten die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wyhl-Urteil282 sowie zwei Urteile der Oberverwaltungsgerichte Lüneburg283 und Münster284 zitiert.285 Namentlich in den beiden letzten Urteilen wurde der TA Luft bekanntlich explizit eine Außenverbindlichkeit attestiert. Gleichwohl stellte der Europäische Gerichtshof fest, die Bundesrepublik Deutschland habe keine nationale Gerichtsentscheidung angeführt, „mit der dieser Verwaltungsvorschrift über ihre Verbindlichkeit für die Verwaltung hinaus unmittelbare Wirkung gegenüber Dritten zuerkannt würde“286. Die rechtskräftige Buschhaus-Entscheidung des OVG Lüneburg wurde somit ohne inhaltliche Auseinandersetzung schlichtweg ignoriert. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Sollte der Gerichtshof die Urteile der Oberverwaltungsgerichte aber deswegen nicht als „nationale Rechtsprechung“ anerkannt haben, weil sie von Landesgerichten erlassen wurden, suggerierte dies ein System der Präjudi___________ 280 Vgl. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 82/884/EWG betreffend einen Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft (ABlEG 1982 Nr. L 378, S. 16); Art. 2 Abs. 1 und Anhang I und II der Richtlinie 80/779/EWG über die Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub (ABlEG 1980 Nr. L 229, S. 31, 34-36). 281 Ähnlich v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (82 f.); Langenfeld/SchlemmerSchulte, EuZW 1991, 622 (625 f.). 282 BVerwG v. 19.12.1985, BVerwGE 72, 300 ff. – Wyhl. 283 OVG Lüneburg v. 28.2.1985, DVBl. 1985, 1322 ff. – Buschhaus. 284 OVG Münster v. 9.7.1987, DVBl. 1988, 152 ff. 285 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2571, 2575); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2611). – Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang das von keiner Partei berücksichtigte Urteil des OVG Koblenz v. 7.3.1989, NVwZ-RR 1989, 399 f., das die Haltung der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls zu stützen vermocht hätte. 286 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2632), Tz. 23 (Blei); v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2602), Tz. 20 (Schwefeldioxid und Schwebestaub).
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zienbindung, wie es dem deutschen Recht fremd ist.287 Der von der Kommission vorgebrachte Hinweis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 1988288 greift jedenfalls nicht.289 Dort hatte das Bundesverfassungsgericht einer Verwaltungsvorschrift, die die unbestimmten Rechtsbegriffe der „Notwendigkeit“ und „Angemessenheit“ in § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG näher konkretisierte, zwar die Qualität eines Gesetzes im Sinne der Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG abgesprochen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wyhl-Urteil allerdings wurde ausdrücklich nicht angetastet.290 Im übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile den drittschützenden Charakter der TA Luft gegenüber Dritten anerkannt und die Verbindlichkeit dieser Vorschrift für die Gerichte wiederholt herausgestrichen.291 Sieht der Europäische Gerichtshof bundesgerichtliche Entscheidungen demnach wirklich als Gewähr für eine bestimmte Rechtslage an, müßte er im Umkehrschluß die Umsetzungstauglichkeit der TA Luft heute anders beurteilen. Wie dem auch sei, eine gewisse Unsicherheit über die Rechtsprechung des Gerichtshofs ist angesichts ihres mehrdeutigen und mitunter anzweifelbaren Inhalts nicht wegzudiskutieren.292 Keinesfalls aber hat der Europäische Gerichtshof über die Eignung der Verwaltungsvorschriften zur Richtlinienumsetzung sakrosankt und über die streitgegenständliche Frage hinaus entschieden. Allein dieser Befund rechtfertigt, den Stellenwert der Verwaltungsvorschriften bei der Durchführung von EG-Richtlinien neu zu überdenken.
V. Tauglichkeit der Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung von Richtlinien Ausgangspunkt einer Betrachtung muß der EGV sein. In seinen Art. 94 und Art. 95 Abs. 1 Satz 2 ermächtigt er den Rat, Richtlinien für die „Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ zu erlassen, welche sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken oder die Errichtung und das Funktionieren des Bin___________ 287 Dazu auch Reinhardt, DÖV 1992, 102 (106); zur Präjudizienbindung im deutschen Recht ausführlich Herzog (1977), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 33-38. 288 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 ff. 289 Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2577); Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2616). 290 BVerfG v. 31.5.1988, BVerfGE 78, 214 (227). 291 Vgl. BVerwG v. 20.12.1999, BVerwGE 110, 216 (218); v. 28.10.1998, BVerwGE 107, 338 (340 f.); v. 21.3.1996, NuR 1996, 522 (523); v. 10.1.1995, NVwZ 1995, 994. 292 Ähnlich v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (86): „methodisch zweifelhafte(s) und inhaltlich vieldeutige(s) Urteil“; Leibrock, DVBl. 1991, 1118 (1119): „[...] – leider – nicht eindeutig entschieden.“; kritisch auch Paetow, NuR 1999, 199 (201).
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nenmarktes zum Gegenstand haben. Das Telos der beiden Vertragsbestimmungen besteht darin, solche mitgliedstaatlichen Normen, die wegen ihrer Unterschiedlichkeit die Entwicklung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes gefährden, im Wege der Rechtsangleichung vorbeugend zu „entschärfen“. Die Rechtsangleichung ist funktional zu verstehen. Sie ist kein Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck der Integration293 darauf gerichtet, die sich aus der Unterschiedlichkeit nationaler Vorschriften ergebenden Hindernisse aller Art zu beseitigen.294 Angeglichen werden können „Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“. Der Begriff der „Verwaltungsvorschriften“ in Art. 94, 95 EGV stimmt dabei mit der in der deutschen Staats- und Verwaltungsrechtslehre verwandten Terminologie überein: Es handelt sich um abstrakte Anweisungen, die eine vorgesetzte Behörde gegenüber einem nachgeordneten Funktionsträger erläßt.295 Als einziges Instrument für die Rechtsangleichung (der Verwaltungsvorschriften) nach Art. 94 EGV steht die Handlungsform der Richtlinie zur Verfügung. Wenn Verwaltungsvorschriften daher per se ungeeignet wären, Richtlinien in irgendeiner Weise umzusetzen, wäre unverständlich, warum Art. 94 EGV ausgerechnet Richtlinien als Mittel zur Angleichung bestimmter mitgliedstaatlicher Verwaltungsvorschriften benennt.296 Nicht ohne Grund findet sich deshalb in Richtlinien regelmäßig der an die Mitgliedstaaten adressierte Umsetzungsauftrag: „Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie [...] nachzukommen.“297 Auch der Europäische Gerichtshof erkennt die Bedeutung von Verwaltungsvorschriften für die Richtlinienumsetzung sehr wohl an. So enthält der Tenor zahlreicher Urteile die Formel, daß die Bundesrepublik Deutschland „dadurch“ gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, „daß sie nicht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um die Artikel [...] der Richtlinie [...] in den Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umzusetzen“.298 Dem entspricht die gebetsmühlenartig vorgetragene ___________ 293
Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. h) EGV. Ausführlich Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., 2002, Art. 94 EGV Rn. 2 mit weiteren Nachweisen. 295 Vgl. nur Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., 2002, Art. 94 EGV Rn. 6; Taschner, in: von der Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Bd. 2, 6. Aufl., 2003, Art. 94 EGV Rn. 29. 296 Insoweit zutreffend Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 98. 297 Vgl. exemplarisch Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie 91/680/EWG des Rates v. 16.12.1991 (ABlEG 1991 Nr. L 376, S. 1 [19]); Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie 92/111/EWG des Rates v. 14.12.1992 (ABlEG 1992 Nr. L 384, S. 47 [56]); Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 92/108/EWG des Rates v. 14.12.1992 (ABlEG 1992 Nr. L 390, S. 124 [126]); Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/43/EG der Kommission v. 20.7.1995 (ABlEG 1995 Nr. L 184, S. 21). – Hervorhebung durch den Verfasser. 298 Vgl. exemplarisch EuGH v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-4983 (5029) (Trinkwasser). – Hervorhebung durch den Verfasser. 294
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Wendung des Gerichtshofs, nach der die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendig eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Gesetzesvorschrift erfordert.299 Eindeutig verwehrt ist einem Mitgliedstaat insofern lediglich, sich auf das zu berufen, was der Gerichtshof „eine bloße Verwaltungspraxis“ bezeichnet.300 Daß Verwaltungsvorschriften nun keine beliebig änderbare Verwaltungspraxis darstellen, muß hier nicht weiter nachgewiesen werden. Entgegen einer Ansicht im Schrifttum301 reichen sie daher prinzipiell zur Umsetzung von Richtlinien aus. Generalanwalt F. G. Jacobs faßt diese Erkenntnis im Verfahren über die Umsetzung der Trinkwasserrichtlinie zutreffend zusammen: „Erstens sollte eine Unterscheidung zwischen Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraktiken getroffen werden. Es besteht ein Unterschied zwischen der Durchführung einer Richtlinie durch von einer nationalen Behörde erlassene bindende Vorschriften und der bloßen Berufung auf die ständigen Praktiken und Gewohnheiten von Beamten. Nur im ersteren Fall läßt sich sagen, daß Maßnahmen getroffen worden sind, die eine kontinuierliche Durchführung gewährleisten. Außerdem kann es [...] nicht entscheidend sein, daß die Verwaltungsvorschriften von der Verwaltung leicht geändert werden können, da das gleiche auch für Rechtsnormen zutreffen kann. In vielen Mitgliedstaaten werden bestimmte gesetzgeberische Befugnisse auf Verwaltungsbehörden übertragen, in manchen Fällen ohne daß eine weitere Genehmigung durch den Gesetzgeber erforderlich wäre. Unter derartigen Umständen kann es schwierig sein, eine Grenze zwischen delegierter Gesetzgebung und Verwaltungsregelung zu ziehen. Es ist klar, daß kein grundsätzlicher Einwand gegen die Durchführung z. B. im Wege einer ministeriellen Entscheidung oder Regelung besteht [...].“302
Zweifel können daher nur über die konkreten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen bestehen, die Verwaltungsvorschriften erfüllen müssen, wenn sie Richtlinien umsetzen sollen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäi___________ 299
Exemplarisch EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1995, I-2311 (2317), Tz. 18; v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-4983 (5023), Tz. 13 (Trinkwasser); v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2600 f.), Tz. 15 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2631), Tz. 18 (Blei); v. 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-825 (867), Tz. 6 (Grundwasser). 300 Vgl. z. B. EuGH v. 15.12.1982, Rs. 160/82 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1982, 4637 (4642), Tz. 4; sowie die oben in Fn. 299 aufgeführten Entscheidungen des EuGH. 301 Vgl. Calliess (März 1997), in: Jarass/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, 1997, B100 § 57 Rn. 4, 42; Scheuing, in: H.-J. Koch/Scheuing, GK-BImSchG, § 48 a Rn. 24; Schmidt-Preuss, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 235; Röthel/Hartmann, UTR 31 (1995), 71 (80, 82); Steiling, NVwZ 1992, 134 (136); ferner R. Schmidt, JZ 1993, 1086 (1088), die Verwaltungsvorschriften generell für unzureichend zur Richtlinienumsetzung halten. 302 GA Jacobs v. 8.5.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I4983 (5005 f.), Tz. 27 (Trinkwasser).
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schen Gerichtshofs und in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre lassen sich drei verschiedene Erfordernisse unterscheiden: Erstens: Es müssen Durchführungsvorschriften erlassen werden, die über eine bloße Verwaltungspraxis hinausreichen, indem sie das Verwaltungshandeln durch eine verbindliche Rechtsnorm regeln. Die Vorschriften müssen gewährleisten, daß die jeweiligen Entscheidungen von den verschiedenen örtlichen Behörden einheitlich und im Einklang mit den Erfordernissen der Richtlinie getroffen werden. Notwendig sind somit Vorschriften, die von einer höheren Behörde erlassen werden und für die zuständigen untergeordneten Verwaltungsinstanzen verbindlich sind.303 Verwaltungsvorschriften erfüllen diese Voraussetzung bereits per definitionem.304 Zweitens müssen die Umsetzungsmaßnahmen hinreichend bekanntgemacht werden, damit die Öffentlichkeit, zumindest aber der durch die Richtlinie berechtigte Personenkreis Kenntnis von der Rechtslage erlangen kann.305 In Deutschland gebieten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip die Veröffentlichung derjenigen Verwaltungsvorschriften, die nicht lediglich rein innerdienstliche Belange betreffen. In der heutigen Verwaltungspraxis des Bundes und der Länder wird diesem Verfassungspostulat regelmäßig Genüge getan.306 Auch insoweit ist daher keine Skepsis gegenüber der Umsetzungstauglichkeit von Verwaltungsvorschriften angebracht. Drittens muß – soweit die Richtlinie Rechte und Pflichten einzelner begründen soll – die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend bestimmter und klarer Weise gewährleistet sein. Daraus resultiert zunächst die bereits erörterte Bekanntgabe des Umsetzungsakts, um den Begünstigten die Kenntnisnahme von all ihren Rechten zu ermöglichen. Darüber hinaus aber müssen die Begünstigten in die Lage versetzt werden, diese Rechte „gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“.307 Genau diese Anforderung sah der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen zur Umsetzung der Schwefeldioxidund Schwebestaubrichtlinie sowie der Bleirichtlinie durch die TA Luft als nicht
___________ 303
Vgl. GA Jacobs v. 8.5.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-4983 (5007), Tz. 31 (Trinkwasser). 304 Siehe dazu oben 1. Teil § 1 A. I. 305 So bereits EuGH v. 15.3.1983, Rs. 145/82 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 711 (718), Tz. 10; v. 1.3.1983, Rs. 300/81 – Kommission/Italien –, Slg. 1983, 449 (456), Tz. 10; v. 25.5.1982, Rs. 96/81 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1982, 1791 (1804 f.), Tz. 12. 306 Siehe dazu ausführlich oben 4. Teil § 8 B. VII. 3. 307 EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1995, I2311 (2317), Tz. 18; v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-4983 (5023), Tz. 13 (Trinkwasser) und ständig.
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erfüllt an.308 Große Teile des Schrifttums verweigern Verwaltungsvorschriften deshalb die Anerkennung als taugliches Instrument zur Richtliniendurchführung, sofern und soweit es um die Umsetzung von in Richtlinien enthaltenen individualschützenden Vorgaben geht.309 Denn über die verwaltungsinterne Bindungswirkung hinaus komme Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis gegenüber den Gerichten oder den Bürgern gerade keine Verbindlichkeit zu. Nur wenn eine Richtlinie „eher technische“310 Regelungsgehalte aufweise, die die Rechtsposition einzelner nicht tangierten oder lediglich im öffentlichen Interesse erlassen würden, könne eine Verwaltungsvorschrift den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen.311 Zutreffend an dieser Ansicht ist lediglich die Anknüpfung an die mitgliedstaatliche Rechtsordnung. Denn ob eine innerstaatliche Handlungsform die europarechtlichen Umsetzungspostulate erfüllt, bestimmt sich ausschließlich nach innerstaatlichem Recht.312 Die Analyse der Rechtslage unter dem Grundgesetz hatte indes ergeben, daß Verwaltungsvorschriften sehr wohl Verbindlichkeit gegenüber den Gerichten entfalten. Ebenfalls können sie Dritten subjektive Rechte gewähren, sofern und soweit nur das „Wesentliche“ der jeweiligen Regelung vorab durch Gesetz bestimmt wird.313 Es wäre dennoch verfrüht, die Frage, ob Verwaltungsvorschriften auch zur Umsetzung individualschützender Richtlinien geeignet sind, bereits hier zu bejahen. Weitere Zweifel an ihrer Umsetzungstauglichkeit weckt nämlich die spezifische Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften, die ein Abweichen aus „triftigen Gründen“ erlaubt.314 Diese abgeschwächte Verbindlichkeit hatte die Kommission in den beiden Verfahren zur TA Luft als Grund dafür angeführt, daß Verwaltungsvorschriften keine „zwingenden Rechtsvorschriften“ seien, die „tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie durch die nationalen Behörden gewährleisten“.315 Der Europäische Gerichtshof hatte sich insoweit ___________ 308 EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2567 (2602), Tz. 20 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2607 (2632), Tz. 23 (Blei). 309 Siehe die oben in Fn. 275 aufgeführten Autoren. 310 Hoppe, in: J. Ipsen/Stüer, Öffentliche Verwaltung in Europa, 1999, S. 14 f. 311 Vgl. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Geltung des EG-Rechts, 1994, S. 53 f.; Pernice, EuR 29 (1994), 325 (338 f.); Rengeling/Gellermann, UTR 36 (1996), 1 (9); A. Weber, UPR 1992, 5 (9). 312 Vgl. Beyerlein, EuR 22 (1987), 126 (135); Breuer, WiVerw. 1990, 79 (99 f.). 313 Siehe dazu ausführlich oben 6. Teil § 11 B. III. 314 Siehe dazu oben 4. Teil § 8 C. 315 Sitzungsbericht in der Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2616); Sitzungsbericht in der Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2577 f.); auf die spezifische Bindungswirkung stützen sich ebenfalls Gusy, in: H.-J. Koch/Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 1994, S. 185 (204); Hoppe, in: J. Ipsen/Stüer, Öffentliche Verwaltung in Europa, 1999, S. 12 f.; Chr. Czychowski, ZAU 6 (1993), 340 (344); Everling, RIW 1992, 379 (383 f.); ders., NVwZ 1993, 209 (214); ders., UTR 17 (1992), 3 (14, 15); Guttenberg, JuS 1993, 1006 (1011); H.-J. Koch,
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
auffällig zurückgehalten.316 Th. v. Danwitz mißt dem Problem der Abweichungsmöglichkeit dagegen keine entscheidende Bedeutung zu, da eine Abweichung von den Regelungen in Verwaltungsvorschriften „immer nur zugunsten des Bürgers wirkt“317. So sehr ihm im Ergebnis zuzustimmen ist: Zu den „Bürgern“ in diesem Sinne gehören freilich nicht nur die durch die Richtlinie Begünstigten, sondern auch diejenigen, denen die Richtlinie Pflichten auferlegt. Eine Abweichung von den Regelungen einer Verwaltungsvorschrift zugunsten der erstgenannten Gruppe bedeutet daher zugleich eine Belastung der letztgenannten Personen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Richtlinienumsetzung durch „unbestreitbar“ verbindliche Vorschriften jedoch auch deshalb geboten, damit die durch die Richtlinie Verpflichteten „genau wissen, welche Verpflichtungen sie haben“.318 Eine – und sei es auch nur – einseitige Möglichkeit der Abweichung von einer Verwaltungsvorschrift steht dem diametral entgegen. Teile des Schrifttums versuchen daher, das Problem der drittschützenden Wirkung der Umsetzungsakte mit Hilfe des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung zu lösen.319 Vater des Gedankens ist offensichtlich das Rechtsinstitut der verfassungskonformen Auslegung, welches die Harmonisierung von Rechtsnormen mit dem Grundgesetz bezweckt.320 Ist eine Rechtsnorm in ver___________ WUR 1991, 350 (351), um die fehlende Geeignetheit der Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung von Richtlinien zu begründen. 316 Vgl. nur die beiden Urteile des EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2600, 2602), Tz. 13, 20 (Schwefeldioxid und Schwebestaub); v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I2607 (2629, 2632), Tz. 12, 23 (Blei). 317 v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), 73 (62 in Fn. 62). 318 Ausdrücklich EuGH v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2626 (2631), Tz. 19; v. 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Deutschland –, Slg. 1991, I-2567 (2601), Tz. 16. 319 Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts, 1993, S. 74-78; ders., in: Schmidt-Aßmann, Bes. Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1999, 5. Abschn. Rn. 148 (S. 558 f.); ders., WiVerw. 1990, 79 (98 f.); anders nunmehr ders., in: Schmidt-Aßmann, Bes. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2003, 5. Abschnitt Rn. 148 (S. 608); siehe ferner Birkenfeld, UR 1993, 271 (276 f.); Langenfeld/Schlemmer-Schulte, EuZW 1991, 622 (626); anders Salzwedel, UTR 7 (1989), 65 (66-74); ders., UPR 1989, 41 (44); ders./Viertel, ZAU 2 (1989), 131 (insb. 133-141), nach denen allein eine „imperative richtlinienkonforme Auslegung von Bundes- und Landesrecht“ ohne eines weiteren spezifizierten Vollzugsbefehls – etwa in Form von Verwaltungsvorschriften – ausreichen soll; zur Problematik auch Papier, DVBl. 1993, 809 (812). 320 So auch Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts, 1993, S. 74; Salzwedel, UTR 7 (1989), 65 (67); Bach, JZ 1990, 1108 (1112 f.); Langenfeld/Schlemmer-Schulte, EuZW 1991, 622 (626). Allgemein zum Rechtsinstitut der verfassungskonformen Auslegung Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rn. 440-451 (S. 308-316); Zippelius, in: Starck, BVerfG und GG, Bd. II, 1976, S. 108124; Simon, EuGRZ 1974, 85 ff.
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schiedener Weise auslegbar, aber nur eines der Auslegungsergebnisse mit dem Grundgesetz vereinbar, so ist die dahingehende Auslegung geboten. In Zweifelsfällen setzt sich somit der Inhalt der Verfassung durch. Gleichzeitig wird mit diesem Inhalt die Nichtigerklärung der niederrangigen Rechtsnorm vermieden. Ganz entsprechend hat der Europäische Gerichtshof ein Gebot der richtlinienkonformen Auslegung in ständiger Rechtsprechung anerkannt.321 Auf der Grundlage dieses Gebots hätte der Europäische Gerichtshof daher der TA Luft in seinen Entscheidungen über die Blei- und die Schwefeldioxidrichtlinie eine zwingende Verbindlichkeit zuerkennen müssen. Das gleiche gelte für die Beurteilung der weiteren und richtlinienkonform zu beantwortenden Frage nach der drittschützenden Wirkung dieser Verwaltungsvorschrift.322 Indes greift dieser Ansatz zu kurz. Voraussetzung der richtlinienkonformen Auslegung einer Rechtsnorm sind, wie dargetan, mindestens zwei verschiedene Auslegungsergebnisse, von denen nur eines mit der Richtlinie im Einklang steht. Auf eine Verwaltungsvorschrift gewendet: Erst wenn die Feststellung eines Sachverhalts und Auslegung einer Verwaltungsvorschrift die Annahme sowohl eines typischen Regelfalls als auch eines „triftigen Grundes“ in Gestalt eines atypischen Sonderfalls rechtfertigen, anders formuliert: sowohl die Anwendung der Verwaltungsvorschrift auf den konkreten Sachverhalt als auch die Nichtanwendung möglich ist, erst dann gelangt der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung zur Geltung. Erst dann gebietet er die erstgenannte Alternative. Die entscheidende und dem vorgelagerte Frage lautet aber: Kann es überhaupt einen atypischen Sonderfall geben, sofern und soweit eine Verwaltungsvorschrift eine EG-Richtlinie umsetzt? Das Problem zu erhellen erfordert eine Rückbesinnung auf die spezifische Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften.323 Ein ausnahmsweises Abweichen von der Verwaltungsvorschrift ist nur aus „triftigen Gründen“, also etwa in den sogenannten atypischen Sonderfällen möglich. Ihnen liegen Sachverhaltsgestaltungen zugrunde, die der Vorschriftengeber bei seiner typisierenden Betrachtungsweise entweder nicht regeln ___________ 321
EuGH v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 – Marleasing/La Comercial Internacional de Alimentación –, Slg. 1990, 4135 (4159), Tz. 8; v. 7.11.1989, Rs. 125/88 – Nijman –, Slg. 1989, 3533 (3546), Tz. 6; v. 20.9.1988, Rs. 31/87 – Gebroeders Beentjes/Niederländischer Staat –, Slg. 1988, 4635 (4662), Tz. 39; v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen –, Slg. 1987, 3969 (3986), Tz. 12; v. 15.5.1986, Rs. 222/84 – Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary –, Slg. 1986, 1651 (1690), Tz. 53; v. 10.4.1984, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann/Land NRW –, Slg. 1984, 1891 (1909), Tz. 26; zu dieser Rechtsprechung Everling, in: Festschrift für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (101); Bleckmann, RIW 1987, 929 (932 f.); Jarass, EuR 26 (1991), 211 ff.; kritisch dagegen Di Fabio. NJW 1990, 947 ff. 322 Ausdrücklich Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts, 1993, S. 76 f.; ders., WiVerw. 1990, 79 (98 f., 100 f.); ähnlicher Gedankengang bei Langenfeld/Schlemmer-Schulte, EuZW 1991, 622 (626). 323 Siehe dazu oben 4. Teil § 8 C. II.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
konnte oder nicht regeln wollte. Erläßt die vollziehende Gewalt aber Verwaltungsvorschriften, um einer Richtlinie nachzukommen, wird sie tätig, um alle von der Richtlinie vorgegebenen Fälle zu erfassen; sie beabsichtigt dies auch.324 Sachverhaltsgestaltungen, die der Verwaltungsvorschriftengeber nicht normieren wollte oder konnte, kann es daher nicht geben, soweit die Verwaltungsvorschrift der Umsetzung einer Richtlinie dient. Insoweit – und nur insoweit – ist ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift nicht möglich. Dies ist freilich keine methodische Frage der Auslegung, sondern eine konzeptionelle Frage der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften. Damit steht fest: Verwaltungsvorschriften sind „zwingende Vorschriften“ im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, auf die sich der einzelne berufen kann, um seine Rechte geltend zu machen. Als Instrument zur Umsetzung von Richtlinien sind sie daher auch dann geeignet, wenn außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten Gemeinschaftsrechte gewährt werden sollen.
B. Konkretisierung von EG-Verordnungen Weitaus problematischer erscheint dagegen die Durchführung von EGVerordnungen durch Verwaltungsvorschriften.325 Gemäß Art. 249 Abs. 2, 254 Abs. 2 EGV gelten Verordnungen unmittelbar in jedem Mitgliedstaat und wirken für und gegen die Bürger allein aufgrund ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Eine Umsetzung in nationales Recht ist nicht erforderlich.326 Dem Europäischen Gerichtshof zufolge sind deshalb nationale Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, die die unmittelbare Geltung der Gemeinschaftsverordnungen beeinträchtigen und dadurch ihre gleichzeitige und einheitliche Auslegung in der gesamten Gemeinschaft vereiteln.327 Dieses aus Art. 10 Abs. 2 EGV abzuleitende Verbot328 hatte der Ge-
___________ 324
Ähnlich Gellermann/Szczekalla, NuR 1993, 54 (62). So wird in der Bundesrepublik Deutschland etwa der Gemeinsame Zolltarif regelmäßig durch völkerrechtliche Erläuterungen, gemeinschaftsrechtliche Erläuterungen und deutsche Auslegungsrichtlinien angewandt. Näheres dazu bei Rogmann, Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, 1998, S. 93 f. 326 Allgemein zur Rechtswirkung von Verordnungen nach Art. 249 Abs. 2 EGV statt vieler W. Möller, Die Verordnung der Europäischen Gemeinschaften, 1967, passim; Rabe, Das Verordnungsrecht der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, passim. 327 EuGH v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission/Italien –, Slg. 1973, 101 (113), Tz. 17; ähnlich EuGH v. 31.1.1978, Rs. 94/77 – Zerbone/Amministrazione delle Finanze dello Stato –, Slg. 1978, 99 (115), Tz. 22/27. 328 Vgl. nur EuGH v. 14.1.1982, Rs. 64/81 – Corman/HZA Gronau –, Slg. 1982, 13 (24), Tz. 8. 325
§ 17 Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht
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richtshof bereits in seinem Putensterz-Urteil329 vom 18. Juni 1970 präzisiert. Danach ist es den Mitgliedstaaten „unbeschadet gegenteiliger Bestimmungen“ verwehrt, eigene Vorschriften zu erlassen, „welche die Tragweite der Verordnung selbst berühren“. Soweit die Mitgliedstaaten Rechtsetzungsbefugnisse auf die Gemeinschaft übertragen hätten, um ein Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten, seien sie nicht mehr befugt, in diesem Bereich autonome Bestimmungen zu erlassen.330 Zwar gesteht der Gerichtshof den mitgliedstaatlichen Verwaltungen im Falle von Auslegungsschwierigkeiten das Recht zu, Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung zu ergreifen und so entstandene Auslegungszweifel zu beseitigen. Die Befugnis der nationalen Behörden könne jedoch nur unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts wahrgenommen werden und schließe nicht den Erlaß verbindlicher Auslegungsregeln mit ein.331 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung drängt sich der Eindruck auf, Verwaltungsvorschriften – gleich welcher Art auch immer – seien zur Durchführung von Verordnungen grundsätzlich ungeeignet.332 Indes verpflichtet Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EGV die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, die zur Gewährleistung der vollständigen Anwendbarkeit einer Verordnung erforderlich sind.333 Die unmittelbare Geltung einer Verordnung steht Verwaltungsvorschriften demnach nicht entgegen, sofern die Verordnung ausdrücklich oder stillschweigend eine Verpflichtung zum ___________ 329 EuGH v. 18.2.1970, Rs. 40/69 – HZA Hamburg-Oberelbe/Bollmann –, Slg. 1970, 69 ff. (Putensterz). 330 EuGH v. 18.2.1970, Rs. 40/69 – HZA Hamburg-Oberelbe/Bollmann –, Slg. 1970, 69 (80), Tz. 4 f. (Putensterz); ferner EuGH v. 18.6.1970, Rs. 74/69 – HZA Bremen-Freihafen/Krohn –, Slg. 1970, 451 (459), Tz. 4 f. 331 Ständige Rechtsprechung; etwa EuGH v. 31.1.1978, Rs. 94/77 – Zerbone/Amministrazione delle Finanze dello Stato –, Slg. 1978, 99 (116), Tz. 22/27; vgl. ferner v. 2.2.1977, Rs. 50/76 – Amsterdam Bulb/Produktschap voor Siergewassen –, Slg. 1977, 137 (146 f.), Tz. 4/7; v. 30.1.1974, Rs. 159/73 – Hannoversche Zucker/HZA Hannover –, Slg. 1974, 121 (129), Tz. 4; v. 10.10.1973, Rs. 34/73 – Variola/Amministrazione italiana delle Finanze –, Slg. 1973, 981 (990), Tz. 9-11; v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission/Italien –, Slg. 1973, 101 (113), Tz. 15-18; v. 17.12.1970, Rs. 34/70 – Syndicat national du Commerce extérieur des céréales/ONIC –, Slg. 1970, 1233 (1242), Tz. 17; v. 18.6.1970, Rs. 74/69 – HZA Bremen-Freihafen/Krohn –, Slg. 1970, 451 (460), Tz. 10; v. 18.2.1970, Rs. 40/69 – HZA Hamburg-Oberelbe/Bollmann –, Slg. 1970, 69 (81), Tz. 9 (Putensterz). 332 Diese Schlußfolgerung zieht etwa Rengeling, in: Festschrift für H. U. Scupin, 1983, S. 475 (481), der die Verwaltung auf unverbindliche Hinweise und Erläuterungen verweist. – Anders Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 64; Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 316 bei Fn. 114; Scheuing, EuR 20 (1985), 229 (238 f.); A. Weber, EuR 21 (1986), 1 (23 f.), die zumindest norminterpretierende Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Verordnungen für zulässig halten. Grundlage dieser Ansicht ist das überholte Dogma von der Verwaltungsvorschrift als reines Verwaltungsinternum. 333 EuGH v. 20.3.1986, Rs. 72/85 – Kommission/Niederlande –, Slg. 1986, 1219 (1219 f., 1229), Leitsatz 2, Tz. 20.
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7. Teil: Ausgewählte Teilrechtsgebiete
Erlaß von Durchführungsakten vorsieht.334 Gleiches muß für organisatorische und verfahrenslenkende Verwaltungsvorschriften gelten. Sie sollen lediglich die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung schaffen, ohne deren materiellen Regelungsgehalt auch nur zu tangieren.335 Diesen Aspekt verallgemeinernd kann eine Verordnung den Erlaß von Verwaltungsvorschriften nicht ausschließen, sofern und soweit sie eine bestimmte Sachmaterie nicht oder nicht abschließend regelt.336
___________ 334 Ebenso Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 65; GA Warner v. 13.12.1977, Rs. 94/77 – Zerbone/Amministrazione delle Finanze dello Stato –, Slg. 1991, 118 (127); vgl. ferner EuGH v. 18.6.1970, Rs. 74/69 – HZA Bremen-Freihafen/Krohn –, Slg. 1970, 451 (459), Tz. 4: „unbeschadet gegenteiliger Bestimmungen“. 335 Vgl. das Vorbringen der Firma Zerbone in der Rs. 94/77 – Zerbone/Amministrazione delle Finanze dello Stato –, Slg. 1978, 104 (105). 336 Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 65; Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (70).
Schluß: Rückblick und Ausblick Die dargebotene Konturierung der Verwaltungsvorschrift erfolgt auf der Folie rechtstheoretischer, verfassungsrechtlicher, einfachgesetzlicher und gemeinschaftsrechtlicher Zusammenhänge. Sie findet darin zugleich ihre Abgrenzung gegenüber der traditionellen herrschenden Lehre. Diese begreift exekutivische Rechtsetzung als verfassungsrechtliche Ausnahme und erkennt sie im wesentlichen nur in Form von Rechtsverordnungen und Satzungen an. Der Verwaltungsvorschrift dagegen wird der Rang einer Rechtsnorm verweigert. Allenfalls wird sie in einen weiter verstandenen rechtstheoretischen Rechtssatzbegriff einbezogen, im übrigen aber zu einem besonderen „Innenrecht“, einem „Recht 2. Klasse“ degradiert. Aus dieser Perspektive kann der Verwaltungsvorschrift keine „Außenwirkung“ zukommen, kann sie eine Beachtlichkeit gegenüber den Gerichten und Bürgern bestenfalls aufgrund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung entfalten. Die historische Bedingtheit und Verankerung dieses Verständnisses in der Staatsrechtslehre des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Erinnerung zu rufen, war (auch) ein Anliegen der vorliegenden Arbeit. Überholt ist mit dem spätkonstitutionellen Verfassungsrecht freilich nicht nur der spätkonstitutionelle Rechtssatzbegriff, dessen Auswirkung die Aufspaltung des exekutivischen Handelns zuerst in ein rechtlich relevantes und rechtlich irrelevantes, dann in ein „inneres“ und „äußeres“ war. Überholt ist auch die Vorstellung von einer vollziehenden Gewalt, die ihre Legitimation nicht aus, sondern von außerhalb der Verfassung schöpft. Entschiedener noch als die Weimarer Reichsverfassung aber hat das Grundgesetz eine freiheitlich-parlamentarische Demokratie geschaffen. In ihr ist der demokratisch konstituierten und legitimierten Exekutive ein eigenständiger Funktionsbereich zugewiesen, der auch die Setzung „außenwirksamer“ Rechtsnormen umfaßt.1 Verwaltungsvorschriften sind Emanationen dieser Rechtsetzungsbefugnis der vollziehenden Gewalt. Ihre Verbannung aus dem
___________ 1 Vgl. bereits L. v. Stein, Verwaltungslehre, 1. Theil, 1. Abtheilung, 2. Aufl., 1869, S. 65: „Rechtsetzung ist ein unablösbarer Bestandteil der vollziehenden Gewalt.“ – Entgegen Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 345, bedarf es zur Verwirklichung dieser Einsicht allerdings keiner „künftigen Verfassungsgebung“ oder gar „Totalrevision des Grundgesetzes“. Mit der Konstituierung der vollziehenden Gewalt in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ist ihr Funktionsbereich vielmehr bereits de lege lata festgelegt.
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Schluß: Rückblick und Ausblick
Kreis der Rechtsquellen kann daher unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr bestehen. Sie gehört endgültig in die Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Grundlegende Voraussetzung jener Dogmatik der Verwaltungsvorschriften ist die im Demokratieprinzip wurzelnde Wesentlichkeitslehre. Indem sie die Funktionsbereiche von gesetzgebender und vollziehender Gewalt gegeneinander abgrenzt, konstituiert sie eine verfassungsunmittelbare exekutivische Rechtsetzungskompetenz. Erst mit dieser Einsicht kann es gelingen, das verfassungsrechtliche Zwielicht zu erhellen, in dem sich die Verwaltungsvorschriften nach der überkommenen Lehre befinden. Rechtsstaatliche Bedenken werden durch „außenverbindliche“ Verwaltungsvorschriften nicht geweckt; namentlich das Horrorszenario einer apokryphen Gesetzgebungskompetenz der Exekutive ist schlichtweg unhaltbar. Sofern Verwaltungsvorschriften Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes beachten, sind sie rechtsstaatlich unbedenklich. Zumal sie wie jede andere staatliche Rechtsetzung auch von den Verwaltungsgerichten auf Rechtsfehler – aber eben nicht nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten – überprüfbar sind. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Verwaltungsvorschriften fällt eine spezifisch rechtsstaatliche Aufgabe zu. Ihre flexible Bindungswirkung gewährleistet nicht nur die verfassungsrechtlich gebotene Unterscheidbarkeit von Rechtsverordnungen, sondern verwirklicht in besonderem Maße das Gebot der „Dynamisierung des Rechtsgüterschutzes“, wie es das Bundesverfassungsgericht in seiner Kalkar-Entscheidung vom 8. August 19782 hergeleitet hat. Darin, in ihrer flexiblen Verbindlichkeit für Gerichte und Bürger, in ihrer Eigenschaft als „Experimentalnormen“ (H.-H. Trute) liegt der rechtsstaatliche Vorzug der Verwaltungsvorschriften. Insgesamt wird damit als Ergebnis offenbar: Erst wenn Verwaltungsvorschriften als Produkt einer verfassungsgewollten und verfassungsnormalen originären Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive verstanden werden, erst dann können sie sachgerecht in das System der Rechtsquellen eingebaut werden. Erst dann kann das bewältigt werden, was das eigentliche Ziel dieser Arbeit war – die Divergenz zwischen Normbedeutung und Normbewertung der Verwaltungsvorschriften zu überwinden.
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BVerfG v. 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (139 f.) – Kalkar.
Zusammenfassung in Thesen Sämtliche Einzelergebnisse dieser Arbeit in Thesen aufzuführen, wäre nur schwer möglich. Die zahlreichen Detailresultate stünden einem solchen Unterfangen ebenso entgegen wie die Komplexität des Themas „Verwaltungsvorschriften“. Deshalb sollen an dieser Stelle nur die wichtigsten Kernresultate dargeboten werden, um so noch einmal abschließend die Gesamtproblematik der Verwaltungsvorschriften zu erhellen. 1) Verwaltungsvorschriften sind Rechtsnormen. Als Sätze des „Sollens“ sind sie intentional auf ein Verhalten anderer gerichtet, indem sie dieses Verhalten gebieten, es erlauben oder zu ihm ermächtigen. Verwaltungsvorschriften sind Emanationen der Ausübung vollziehender Gewalt; mithin lassen sie sich auf das Grundgesetz zurückführen und sind einer Rechtsordnung zugehörig. Zwar sprechen sie selbst keinen Zwang im Falle ihrer Zuwiderhandlung aus; werden sie aber durch die in den Dienstrechtsordnungen enthaltenen Sanktionen in Gestalt von Disziplinarmitteln ergänzt, ergeben sich „vollständige“ Rechtsnormen. 2) Die Einordnung der Verwaltungsvorschriften als Rechtsnormen ist unabhängig von ihrem formalen Adressatenkreis. Ob die durch eine Rechtsnorm verpflichteten Menschen Amtswalter oder Private sind, ist eine untergeordnete Frage des Rechtsinhalts einer Norm und ändert nichts an ihrem Rechtscharakter. 3) Rechtsnormen können durchaus eine abgestufte Intensität des Anspruchs auf inhaltliche Befolgung aufweisen. Eine strikte inhaltliche Verbindlichkeit gehört daher nicht zu den konstitutiven Merkmalen einer Rechtsnorm. Sie ist in der Konsequenz als Kriterium zur Ausgrenzung der Verwaltungsvorschriften aus dem Kreis der Rechtsnormen ungeeignet. 4) „Gesetz“ im Sinne von Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG ist nur das förmliche parlamentarische Gesetz. Über die Bindungswirkung untergesetzlicher Normen, namentlich der Verwaltungsvorschriften, trifft Art. 20 Abs. 3 GG dagegen keine Anordnung. Damit erweist sich die Unmöglichkeit, Verwaltungsvorschriften den Rechtsnormcharakter mit der Begründung abzusprechen, sie seien – im Gegensatz zu den traditionell zum Kreis der Rechtsnormen gerechneten Bestimmungen – nicht unter die Klausel „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG subsumierbar. 5) Verwaltungsvorschriften sind Ergebnis eines Rechtsetzungsakts und damit Emanation einer positivierenden Rechtsquelle. Da sie aber auch Erschei-
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Zusammenfassung in Thesen
nungsformen sind, in denen Rechtsnormen verbindliches Recht geworden sind, sind sie zugleich positivierte Rechtsquellen. Die grundsätzliche Anerkennung des Rechtsquellencharakters der Verwaltungsvorschriften impliziert indes keine Rückschlüsse auf ihre spezifischen Rechtswirkungen, namentlich ihre „Außenwirkung“. 6) Die „Außenwirkung“ der Verwaltungsvorschriften rechtsdogmatisch zu erfassen, erfordert einen Perspektivenwechsel: eine Analyse der Verwaltungsvorschriften aus der Handlungsperspektive der Exekutive anstelle der Kontrollperspektive der Judikative. Geboten ist deshalb eine Bestimmung des Funktionsbereichs der vollziehenden Gewalt, wie ihn das Gewaltenteilungsgefüge des Grundgesetzes konstituiert und legitimiert. 7) Nach dem populären Gewaltenteilungsverständnis bedeutet Gewaltenteilung die überschneidungsfreie Verteilung der drei Staatsfunktionen Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung auf drei verschiedene Organe. Der Erlaß „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften muß nach dieser Auffassung als die verfassungswidrige Wahrnehmung gesetzgeberischer Funktionen durch die vollziehende Gewalt erscheinen. Rechtsetzung und Rechtsanwendung lassen sich indes rechtstheoretisch nicht voneinander unterscheiden; sie sind folglich nicht geeignet, die Funktionsbereiche von gesetzgebender und vollziehender Gewalt abzugrenzen. Die überkommene Gewaltenteilungslehre vermag somit keine Antwort auf die Frage zu geben, ob sich der Erlaß außenwirksamer Verwaltungsvorschriften als Ausübung vollziehender Gewalt darstellt oder nicht. 8) Maßstab für die Bestimmung des Bereichs der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt sind nicht mehr apriorisch gewonnene Funktionenbegriffe, sondern das Kriterium der „funktionalen Eignung“ oder „funktionsgerechten Organstruktur“, anders: das „richtige“ Verhältnis von Aufgabenstellung einerseits und Organstruktur andererseits. 9) Die Antwort auf die Frage nach der inhaltlichen Richtigkeitsvorstellung, die das Grundgesetz davon hat, welches Organ für welche Aufgabenstellung zuständig ist, liefert die „Wesentlichkeitsformel“. Nach ihr sollen die grundlegenden normativen Angelegenheiten, die vom Grundgesetz offengelassen worden sind und die einer staatlichen Regelung zugänglich sind, möglichst demokratisch, mithin durch den Gesetzgeber entschieden werden. Wenn aber der Gesetzgeber nach der Wesentlichkeitslehre die „wesentlichen Entscheidungen“ selbst treffen muß, bedeutet dies nichts anderes als eine Definition der gesetzgebenden Staatsfunktion im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Wesentlichkeitslehre ist damit eine Funktionenlehre und keine Gesetzesvorbehaltslehre. 10) Erst mit der Erkenntnis, daß die Wesentlichkeitslehre eine Funktionenlehre ist, wird die funktionale Bestimmung der vollziehenden Gewalt möglich. Die (Mindest-)Funktion der Gesetzgebung ist nach der Wesentlichkeitsleh-
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re die Entscheidung der grundlegenden normativen, der „wesentlichen“ Angelegenheiten, die vom Grundgesetz offen gelassen worden sind und die einer staatlichen Regelung zugänglich sind. Umgekehrt ist der Exekutive die Funktion zur Regelung von nicht- oder unwesentlichen Sachfragen zugewiesen. Daraus resultiert eine verfassungsunmittelbare, nicht vom Gesetzgeber delegierte und abgeleitete Rechtsetzungsgewalt der Exekutive für nicht-wesentliche Materien. Der Erlaß „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften stellt sich als Emanation dieser exekutivischen Rechtsetzungsfunktion dar. 11) Die Fähigkeit der Exekutive zum Erlaß „außenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften verdichtet sich dann zur Befugnis, wenn ihr nicht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der vollziehenden Gewalt entgegensteht. Das heißt zunächst: Die Beachtung des Vorrangs des Gesetzes ist eine notwendige Bedingung für die exekutivische Befugnis zur Rechtsetzung durch Verwaltungsvorschriften. Vorläufig verwehrt ist der Exekutive der Erlaß von Verwaltungsvorschriften ferner, falls die zu normierende Sachmaterie einem Gesetzesvorbehalt unterfällt. In diesem Fall ist dem Verwaltungsvorschriftengeber die Regelung vorübergehend, mithin bis zur Verabschiedung eines Parlamentsgesetzes versperrt. Vorher darf die vollziehende Gewalt eine Verwaltungsvorschrift nicht erlassen, obwohl sie es ihrer Funktion nach könnte. Der Anwendungsbereich des Vorbehalts des Gesetzes erschöpft sich freilich nicht nur auf der Ebene des exekutiven „Dürfens“. Unterfällt eine Materie einem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, erfüllt sie gleichzeitig das Wesentlichkeitskriterium der „Grundrechtsrelevanz“, welches wiederum die Notwendigkeit parlamentsgesetzlicher Regelung im Sinne der Funktionenlehre begründet. Demgemäß kann die Exekutive das NichtWesentliche des Grundrechtsfalls sehr wohl in exekutive Rechtssätze fassen. Sie darf dies indes erst, wenn der Gesetzgeber seinerseits eine das Wesentliche enthaltende gesetzliche Grundlage geschaffen hat. Denn einer eigenmächtigen Regelung des Nicht-Wesentlichen durch Verwaltungsvorschriften steht in diesem Fall (vorläufig) der Gesetzesvorbehalt entgegen. 12) Art. 80 Abs. 1 GG ändert an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit „aussenwirksamer“ Verwaltungsvorschriften nichts. Die Bestimmung enthält selbst keinen Gesetzesvorbehalt für „außenwirksame“ Rechtsetzung, sondern vollzieht das Funktions- und Kompetenzgefüge der Verfassung nach, ohne es wieder in Frage zu stellen. Das von der Exekutive zu vollziehende Gesetz enthält materiellrechtlich somit keine Handlungsermächtigung, sondern eine Handlungsbeschränkung der Exekutive. Durchaus „ermächtigenden“ Charakter gewinnt die Vorschrift des Art. 80 Abs. 1 GG erst als verfahrensrechtliche Handlungsformermächtigung. Darin liegt das eigentliche Telos des Art. 80 Abs. 1 GG: in der Rückkopplung und Vermittlung des besonderen gesetzesgleichen Geltungsanspruchs der Rechtsverordnung an und durch das Parlamentsgesetz.
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13) Ein prozedurales Verständnis des Rechts ist ebenfalls Grundlage einer Bestimmung des Verbindlichkeitsmodus von Verwaltungsvorschriften. Rechtsnormsetzung und Verfahren stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem letzteren eine spezifische Aufgabe mit rechtsstaatlichem Gehalt übertragen wird. Daraus resultiert ein Verknüpfungszusammenhang zwischen Verfahrensform und Handlungsform. Die Verknüpfung vollzieht sich nach dem Gedanken der Proportionalität. Der Verbindlichkeitsmodus und der Verfahrensmodus müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. 14) Das Proportionalitätskriterium verbietet einerseits (negativ) eine rechtsverordnungsgleiche Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften. Die Verwaltungsvorschrift muß sich in ihrem Verbindlichkeitsmodus von der Rechtsverordnung unterscheiden, anderenfalls wäre es der Verwaltung möglich, verordnungsgleiches Recht ohne das Verfahren der Art. 80 bis 82 GG zu erlassen. 15) Andererseits gebietet das Proportionalitätskriterium (positiv) eine elastische Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften, indem sie an deren fehlender Rückbindung an das Parlamentsgesetz anknüpft. Diese fehlende Rückkoppelung der Verwaltungsvorschrift an eine parlamentsgesetzliche Handlungsformermächtigung bedingt und wird bedingt durch eine im Vergleich zu anderen Handlungsformen verringerte spezifische Bindungsintensität. Deren Charakteristik besteht in der Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift vorbehaltlich eines „triftigen Grundes“ im Einzelfall. Die Berufung auf einen „triftigen Grund“ erfordert eine Abwägung der Zweckmäßigkeit und Folgerichtigkeit der durch die Verwaltungsvorschrift angeordneten Rechtsfolge. 16) Von der staatsrechtlichen Charakterisierung der Verwaltungsvorschriften trennscharf zu unterscheiden ist ihre Bindungswirkung auf der beamtenrechtlichen Ebene. Für die einzelnen Verwaltungsbediensteten wird die Verbindlichkeit einer Verwaltungsvorschrift weder durch atypische Fälle noch durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik eingeschränkt. Jedenfalls nach erfolgloser Remonstration muß der jeweilige Amtswalter die Verwaltungsvorschrift ausführen, sofern nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG gegeben ist. 17) Ist die Intensität der Bindungswirkung das einzige materielle Abgrenzungskriterium zwischen Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, lassen sich beide Handlungsformen formell nur durch die äußere Form voneinander abgrenzen. Abzustellen ist insoweit auf die Bezeichnung des Rechtsakts, die Berufung auf eine gesetzliche Handlungsermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG sowie die Modalität der Ausfertigung und Verkündung der erlassenen Norm.
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18) Die Lösung des Problems der Gerichtsverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften hängt weniger von einer einfachgesetzlichen Ermächtigung der Exekutive als von der Reichweite der judikativen und exekutivischen Funktionsbereiche ab. Funktionsimmanentes Charakteristikum jeder Rechtsprechung im Sinne der Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 92 GG ist die Anerkennung des geltenden Rechts als Kontrollmaßstab. Die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte läuft daher auf die Prüfung hinaus, ob die Exekutive im Einzelfall das verfassungsmäßig gesetzte Recht richtig angewendet hat. Sind Verwaltungsvorschriften aber – wie Rechtsverordnungen und Satzungen – Emanationen derselben exekutiven Rechtsetzungsfunktion, sind sie – wie die übrigen von der Exekutive erlassenen Normen – Rechtssätze, dann darf hinsichtlich ihrer Gerichtsverbindlichkeit im Grundsatz kein Unterschied zu den Rechtsverordnungen und Satzungen bestehen. Verwaltungsvorschriften sind daher nicht nur Gegenstand, sondern auch Maßstab der richterlichen Kontrolle. 19) Eine gerichtliche Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften steht in Einklang mit der Regelung des Art. 97 Abs. 1 GG. Art. 97 Abs. 1 GG setzt die im Demokratieprinzip und in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive voraus, ohne sie selbst zu modifizieren. Der Vorschrift eine Aussage über die Wirkweise bestimmter exekutiver Rechtsnormen entnehmen zu wollen, würde ihren Normgehalt dagegen überdehnen. 20) Eine Koppelung der Gerichtsverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften an eine vorherige gesetzliche „Ermächtigung“ wird auch von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht geboten. Die Rechtsschutzgarantie setzt die Existenz rechtlicher Kontrollmaßstäbe voraus, sagt aber nichts über deren Zustandekommen. 21) Eine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren entfalten die Verwaltungsvorschriften freilich nur vorbehaltlich ihrer Wirksamkeit und vorbehaltlich ihrer Anwendbarkeit. Beide Aspekte hat der Richter zu überprüfen, bevor er die Verwaltungsvorschrift heranzieht. Die Kontrolle der Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift umfaßt das Erlaßverfahren, die Sachverhaltsermittlung, die Abwägung und die materielle Rechtmäßigkeit. Fehler im Erlaßverfahren führen zur Unbeachtlichkeit der Verwaltungsvorschrift, sofern die Verwaltungsvorschrift von einer unzuständigen Stelle erlassen wird, die erforderliche Beteiligung staatlicher Stellen nicht durchgeführt wird, die vorgeschriebene Anhörung außerstaatlicher Kreise gänzlich unterbleibt oder fehlerhaft erfolgt oder die Verwaltungsvorschrift nicht verkündet wird. Die gerichtliche Prüfung umfaßt zudem die Frage, welche Sachverhalte von der Verwaltungsvorschrift erfaßt werden und ob „triftige Gründe“ gegeben sind, die die Anwendbarkeit der Vorschrift ausschließen.
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22) Verwaltungsvorschriften allein vermögen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte nicht zu begrenzen. Sie bedürfen dazu eines Gesetzes, das die wesentlichen Fragen vorab regelt, und sind daher stets „gesetzesakzessorisch“. In Verbindung mit dem auszufüllenden Parlamentsgesetz können Verwaltungsvorschriften indes sehr wohl eingriffsgeeignet sein. Zwar erfüllen sie nicht die Voraussetzungen des traditionellen Eingriffsbegriffs. Wird eine Grundrechtsverletzung aber auch bei mittelbaren und faktischen Beeinträchtigungen der Grundrechte bejaht, vermögen Verwaltungsvorschriften in Grundrechte Dritter eingreifen. Dies gilt sowohl für Verwaltungsvorschriften, mit denen final etwa Wirtschafts- und Sozialstrukturen anstelle von Verboten und Geboten beeinflußt werden sollen, als auch für Verwaltungsvorschriften, bei deren Erlaß der Verwaltungsvorschriftengeber eine Grundrechtsbeeinträchtigung bewußt billigt. 23) Der Anwendungsbereich gemeindeadressierter Verwaltungsvorschriften im Rahmen der Landeseigenverwaltung nach Art. 84 GG hängt vom Maß der kommunalen Eigenverantwortlichkeit beim Vollzug von Bundesgesetzen ab. Soweit die Kommunen Bundesgesetze als Auftragsangelegenheit vollziehen, sind sie zur Befolgung der nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassenen Bundesverwaltungsvorschriften verpflichtet, ohne daß es einer vorherigen Transformation durch die Landesexekutive bedarf. Sofern der Landesgesetzgeber den Gemeinden den Vollzug von Bundesgesetzen als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung zuweist, entfalten nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassene Verwaltungsvorschriften unmittelbare Verbindlichkeit gegenüber den Kommunen freilich nur, soweit der Landesgesetzgeber die Weisungsrechte auch auf allgemeine Weisungen erstreckt. Beschränkt der Landesgesetzgeber die Weisungsbefugnisse auf Einzelweisungen, ist die entsprechende landesgesetzliche Regelung gemäß Art. 84 Abs. 2, 31 GG nichtig. 24) Im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung sind die Gemeinden unmittelbar an die allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG gebunden, sofern ihnen die Ausführung der Bundesgesetze als Auftragsangelegenheit zugewiesen ist. In den Bundesländern, in denen an die Stelle der staatlichen Auftragsangelegenheiten die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung treten, gilt im Ergebnis nichts anderes, wenn der Landesgesetzgeber die Weisungsrechte auch auf allgemeine Weisungen erstreckt. 25) Auch die Zuweisung des Vollzugs von Bundesgesetzen als Selbstverwaltungsangelegenheit schaltet eine Bindung der Gemeinden an Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG nicht aus. Entgegen der herrschenden Auffassung wird Art. 84 Abs. 2 GG nicht durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verdrängt. Zwar indiziert der Gesetzesvorbehalt in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die „Wesentlichkeit“ einer staatlichen Maßnahme, durch die die gemeindliche Selbstverwaltung tangiert wird. Die „Wesentlichkeit“ wiederum vermittelt die Regelung an den formellen Gesetzgeber. Doch auch die Exe-
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kutive kann Verwaltungsvorschriften erlassen, die die Selbstverwaltungsgarantie ausgestalten, solange sie sich nur auf das „Nicht-Wesentliche“ beschränkt. Sie darf dies, wenn ein Gesetz vorliegt, das das „Wesentliche“ seinerseits regelt und dem Gesetzesvorbehalt genügt. 26) Der begrenzte formale Adressatenkreis einer Verwaltungsvorschrift hindert sie nicht daran, ebenfalls etwaigen Nichtadressaten subjektive Rechte einzuräumen. Auch außerhalb der Verwaltung stehende private Dritte können daher die Einhaltung von behördenadressierten Verwaltungsvorschriften verlangen, sofern diese nicht nur einen öffentlichen, sondern auch einen individuellen Schutzzweck verfolgen. Die Gewährung subjektiver Rechte durch Verwaltungsvorschriften ist daher rechtstheoretisch möglich. In wesentlichen Bereichen kann Verwaltungsvorschriften dennoch lediglich eine „gesetzesakzessorische“ drittschützende Wirkung zukommen. Gewährt der Gesetzgeber drittschützende Rechtspositionen, sind auch die das Gesetz ausfüllenden Verwaltungsvorschriften drittschützend. Genau umgekehrt können Verwaltungsvorschriften keine subjektiven öffentlichen Rechte einräumen, wenn das zu konkretisierende Gesetz lediglich dem Schutz öffentlicher Interessen zu dienen bestimmt ist. Der Verwaltungsvorschriftengeber bewegt sich hier im Bereich des Gesetzesvorrangs. 27) Aus verwaltungsverfahrensrechtlicher Sicht ist § 46 VwVfG entgegen der überwiegenden Auffassung anwendbar, wenn die Verwaltung gegen Verfahrens- oder Zuständigkeitsbestimmungen in Verwaltungsvorschriften verstößt. Unerheblich ist dagegen ein Verstoß gegen organisatorische und verfahrensregelnde Verwaltungsvorschriften, wenn offensichtlich ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat. Auch eine Bindung der Ermessensausübung durch Ermessenrichtlinien kann einen Fall rechtlicher Alternativlosigkeit begründen, sofern kein atypischer Fall vorliegt, der eine Abweichung von der Verwaltungsvorschrift gebietet. 28) Verstößt ein Verwaltungsakt gegen eine Verwaltungsvorschrift, so führt dies grundsätzlich zu seiner Rechtswidrigkeit im Sinne des § 48 VwVfG. 29) Verwaltungsvorschriften zählen ebenfalls zu den „Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG. 30) Die Einhaltung interbehördlicher organisatorischer Verwaltungsvorschriften erlangt ferner Bedeutung für die Verbindlichkeit einer Zusicherung nach § 38 VwVfG. 31) Verwaltungsvorschriften sind „Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Sie sind deshalb statthafter Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, sofern ein Landesgesetz die Entscheidungskompetenz des Oberverwaltungsgerichts auf die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten „Rechtsvorschriften“ erstreckt. Prinzipaler Rechtsschutz kann demgegenüber nicht in Form einer allgemeinen Leistungsklage erlangt werden. Sowohl eine allgemeine Leistungsklage auf Aufhebung einer (nich-
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tigen) Verwaltungsvorschrift als auch eine allgemeine Leistungsklage auf Verurteilung der Behörde zur Feststellung der Nichtigkeit einer Verwaltungsvorschrift sind im Ergebnis unstatthaft. Ebenfalls unstatthaft ist eine Feststellungsklage, bei der die Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift nicht nur Vorfrage, sondern Streitgegenstand ist. Zulässig ist dagegen, die Gültigkeit einer Verwaltungsvorschrift im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO inzidenter (als Vorfrage) zu überprüfen. 32) § 44 a VwGO steht einem Rechtsbehelf gegen Verwaltungsvorschriften nicht entgegen, sofern die Verwaltungsvorschrift in Rechte eines außenstehenden Bürgers eingreift. 33) Vorbeugenden Rechtsschutz gegen Verwaltungsvorschriften kann ein Bürger zunächst in Gestalt einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen die durch eine Verwaltungsvorschrift initiierten Vollzugshandlungen erreichen. Rechtsschutz gegen den drohenden Erlaß einer Verwaltungsvorschrift ist dagegen in Form einer vorbeugenden Feststellungsklage statthaft, gerichtet auf die Feststellung, daß die Verwaltungsvorschrift nicht erlassen werden darf. 34) Greift der Kläger im Hauptsacheverfahren unmittelbar eine Verwaltungsvorschrift an, ist eine vorläufige Aussetzung des Vollzugs der Verwaltungsvorschrift im Wege vorläufigen Rechtsschutzes denkbar. Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens kann dies auf Antrag gemäß § 46 Abs. 6 VwGO geschehen. Ein Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung einer Verwaltungsvorschrift kann zudem an eine vorbeugende Unterlassungsklage gegen drohende Vollzugsakte gekoppelt werden; hierbei richtet sich der vorläufige Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO. 35) Verwaltungsvorschriften sind Rechtsnormen und deshalb von den Gerichten wie Rechtsnormen auszulegen. Sie unterliegen deshalb der revisionsgerichtlichen Überprüfung wie sonstige Sätze des Rechts auch. 36) Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Verwaltungsvorschriften kann sowohl im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG als auch einer Bund-Länder-Streitigkeit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3, 84 Abs. 4 Satz 2 GG gewährt werden. Soweit Verwaltungsvorschriften in rechtsverletzender Weise auf Bürgerpositionen einwirken, muß des weiteren eine Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG gegen sie statthaft sein. Namentlich Gemeinden können gegen Verwaltungsvorschriften im Wege der kommunalen Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG vorgehen. 37) Eine Verweisung in Straftatbeständen auf sogenannte blankettausfüllende Verwaltungsvorschriften ist kompetenzverfassungsrechtlich zulässig. Art. 103 Abs. 2 GG verbietet allerdings, durch Verwaltungsvorschriften die Strafbarkeit tatbestandlich zu begründen und den Strafrahmen selbständig festzulegen. Soweit sich Verwaltungsvorschriften jedoch im Rahmen zuläs-
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siger „Spezifizierungen“ eines Blankettstrafgesetzes halten, sind sie für den Strafrichter verbindlich. 38) Verwaltungsvorschriften sind taugliches Instrument zur Umsetzung von EG-Richtlinien. Sie gewährleisten die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend bestimmter und klarer Weise, auch soweit die Richtlinie Rechte und Pflichten einzelner begründen soll. Die grundsätzlich elastische Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrift steht diesem Befund nicht entgegen. Erläßt die vollziehende Gewalt Verwaltungsvorschriften, um eine Richtlinie umzusetzen, wird sie tätig, um alle von der Richtlinie vorgegebenen Fälle zu erfassen. Atypische Fälle kann es daher nicht geben, soweit die Verwaltungsvorschrift der Umsetzung der Richtlinie dient. Insoweit ist ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift nicht möglich. Verwaltungsvorschriften sind daher „zwingende Vorschriften“ im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, auf die der einzelne sich berufen kann, um seine Rechte aus der Richtlinie geltend zu machen. 39) Die unmittelbare Geltung einer EG-Verordnung steht ihrer Konkretisierung durch Verwaltungsvorschriften nicht entgegen, sofern die Verordnung ausdrücklich oder stillschweigend eine Verpflichtung zum Erlaß von Durchführungsakten vorsieht. Gleiches muß für organisatorische und verfahrenslenkende Verwaltungsvorschriften sowie in den Fällen gelten, in denen die Verordnung eine bestimmte Sachmaterie nicht oder nicht abschließend regelt.
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– Der Schutz der Grundrechte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit; in: Karl August Bettermann/Hans Carl Nipperdey/Ulrich Scheuner, Die Grundrechte. Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte. Dritter Band, 2. Halbband (Rechtspflege und Grundrechtsschutz); Berlin 1959; S. 779-908 (zitiert: Bettermann, in: ders./Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. III/2, 1959). – Rechtsgutachten zu den „Richtlinien für die Behandlung von Mehrfachtätern“; in: DAR 1962, 100-112. – Referat „Die Beweislast im Verwaltungsprozeß“; in: Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentages 1966, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Band II (Sitzungsberichte), München und Berlin 1967; S. E26-E41. – Die Anfechtung von Verwaltungsakten wegen Verfahrensfehlern; in: Rolf Stödter/ Werner Thieme (Hrsg.), Hamburg, Deutschland, Europa: Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht. Festschrift für Hans Peter Ipsen zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 1977; S. 271-297. – Beweiserhebung statt Normenkontrolle?; in: NJW 1978, 612-614. – Zuständigkeitsfragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verwaltungsverfahrensrecht; in: Otto Bachof/Ludwig Heigl/Konrad Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, München 1978; S. 61-75. – Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten; in: Recht als Prozess und Gefüge. Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, Bern 1981; S. 25-50. – Die verfassungskonforme Auslegung: Grenzen und Gefahren; Heidelberg 1986. – Die rechtsprechende Gewalt; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Das Handeln des Staates), 2. Aufl., Heidelberg 1996; § 73 (S. 775-813) (zitiert: Bettermann, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 73). Bettermann, Karl August / Nipperdey, Hans Carl / Scheuner, Ulrich (Hrsg.): Die Grundrechte. Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte. Dritter Band. 2. Halbband (Rechtspflege und Grundrechtsschutz); Berlin 1959 (zitiert: Bearbeiter, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III/2, 1959). Beyerlein, Ulrich: Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?; in: EuR 22 (1987), 126-148. Bickel, Heribert: Erfahrungen mit der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle – eine Zwischenbilanz; in: NJW 1985, 2441-2446. Bierling, Ernst Rudolf: Zur Kritik der juristischen Grundbegriffe, Band I; Gotha 1877. – Juristische Prinzipienlehre, Erster Band; Freiburg und Leipzig 1894. Binder, Julius: Der Adressat der Rechtsnorm und seine Verpflichtung; Leipzig 1927. Binz, Hans-Bert: Kritik an deutschen Wirtschaftsprüfern – ein Glaubwürdigkeitsproblem? Eine Profession im Spannungsfeld der Interessen; mit einem Vorwort von Prof. Dr. A. Zybon; 2. Aufl., Bergisch Gladbach und Köln 1985. Birkenfeld, Wolfram: Sachverhaltsermittlung und Rechtsanwendung bei der Lohnsteuer in- und ausländischer Arbeitnehmer; in: Grundfragen des Lohnsteuerrechts, hrsg. im Auftrag der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e. V. von Joachim N. Stolterfoht, Köln 1986; S. 245-376. – Verwaltungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht und Gemeinschaftsrecht; in: UR 1993, 271-278.
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Birkenstock, Heinrich / Gabriel, Heinz-Werner: Technische Regeln und Richtlinien auf dem Gebiet der Reaktorsicherheit; in: Drittes Deutsches Atomrechts-Symposium. 22./23. Oktober 1974 in Göttingen, veranstaltet vom Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und dem Deutschen Atomforum e. V., Referate und Diskussionsberichte hrsg. vom Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen und dem Bundesministerium des Innern; Köln et al. 1975; S. 117-128. Blanke, Hermann-Josef: Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht; Tübingen 2000. Blankenburg, Erhard: Recht als Kategorie sozialer Verhaltensregelmäßigkeiten; in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970), 227-234. Bleckmann, Albert: Probleme der Auslegung von EWG-Richtlinien; in: RIW 1987, 929935. – Europarecht: Das Recht der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaften; 6. Aufl., Köln et al. 1997 (zitiert: Bearbeiter, in: Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., 1997). – Staatsrecht II – Die Grundrechte; 4. Aufl., Köln et al. 1997. Bleckmann, Albert / Eckhoff, Rolf: Der „mittelbare Grundrechtseingriff; in: DVBl. 1988, 373-382. – Stellungnahme zur Erwiderung von Schwabe, DVBl. 1988, 1055 ff.; in: DVBl. 1988, 1057-1058. Bleibaum, Ernst: Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 2.3.1999 – 2 BvF 1/94 –; in: DVBl. 1999, 1265-1266. Blümel, Willi: Bundesstaatsrechtliche Aspekte der Verwaltungsvorschriften: Zur verfassungswidrigen Praxis im Bereich der Bundesauftragsverwaltung; in: AöR 93 (1968), 200-243. – Die Standortvorsorgeplanung für Kernkraftwerke und andere umweltrelevante Großvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland; in: DVBl. 1977, 301-322. – Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart (1. Bericht); in: VVDStRL 36 (1978), S. 171-275. – Die Rechtsgrundlagen der Tätigkeit der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften; in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Band 1 (Grundlagen); hrsg. in Verbindung mit den kommunalen Spitzenverbänden von Günter Püttner unter Mitarbeit von Michael Borchmann; 2. Aufl., Berlin et al. 1981; § 14 (S. 229-264) (zitiert: Blümel, in: Püttner, HkWP, Bd. 1, 2. Aufl., 1981). – Verwaltungszuständigkeit; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band IV (Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung), 2. Aufl., Heidelberg 1999; § 101 (S. 857-963) (zitiert: Blümel, in: HStR IV, 2. Aufl., 1999, § 101). Bluntschli, Johann Kaspar: Lehre vom modernen Staat, Band 2: Allgemeines Staatsrecht; 6. Aufl., Stuttgart 1885. Bock, Markus A.: Verwaltungsvorschriften; in: JA 2000, 390-394. Böckenförde, Christoph: Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze: Eine Untersuchung über Inhalt und Folgen der Rechtssatzkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; Berlin 1966.
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Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung. Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland; Berlin 1964 (zitiert: Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964). – Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs; in: Horst Ehmke/Carlo Schmid/ Hans Scharoun (Hrsg.), Festschrift für Adolf Arndt zum 65. Geburtstag, Frankfurt/M. 1969; S. 53-76. – Organ, Organisation, Juristische Person: Kritische Überlegungen zu Grundbegriffen und Konstruktionsbasis des staatlichen Organisationsrechts; in: Fortschritte des Verwaltungsrechts. Festschrift für Hans J. Wolff zum 75. Geburtstag; im Namen seiner Schüler hrsg. von Christian-Friedrich Menger, München 1973; S. 269-305. – Verfassungsfragen der Richterwahl: Dargestellt anhand der Gesetzentwürfe zur Einführung der Richterwahl in Nordrhein-Westfalen; Berlin 1974. – Gesetz und gesetzgebende Gewalt. Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus; 2. Aufl., Berlin 1981 (zitiert: Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981). – Demokratie als Verfassungsprinzip; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I (Grundlagen von Staat und Verfassung), 2. Aufl., Heidelberg 1995; § 22 (S. 887-952) (zitiert: Böckenförde, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 22). Böckenförde, Ernst-Wolfgang / Grawert, Rolf: Sonderverordnungen zur Regelung besonderer Gewaltverhältnisse; in: AöR 95 (1970), 1-37. Boehmer, Gustav: Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Erstes Buch (Das bürgerliche Recht als Teilgebiet der Gesamtrechtsordnung); Tübingen 1950. Bogdandy, Arnim von: Gubernative Rechtsetzung: eine Neubestimmung der Rechtsetzung und des Regierungssystems unter dem Grundgesetz in der Perspektive gemeineuropäischer Dogmatik; Tübingen 2000. Bogs, Walter: Die Einwirkung verfassungsrechtlicher Normen auf das Recht der sozialen Sicherheit; in: Verhandlungen des 43. Deutschen Juristentages (München 1960), Band II (Sitzungsberichte); Tübingen 1962; S. G5-G65. Boisserée, Klaus / Oels, Franz / Hansmann, Klaus: Immissionsschutzrecht: Kommentar zum Bundes-Immissionsschutzrecht und zum nordrhein-westfälischen Landes-Immissionsschutzgesetz sowie Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Gemeinschaft über den Schutz vor Luftverunreinigungen, Geräuschen und Erschütterungen mit Hinweisen und Anmerkungen, Band I; begr. von Klaus Boisserée und Franz Oels, fortgef. von Klaus Hansmann; 3. Aufl., Siegburg, Stand: 35. Lfg. (September 2002). Bönker, Christian: Die verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit von Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften; in: DVBl. 1992, 804-811. – Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften; Münster 1992. Borchardt, Klaus-Dieter: Der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Europäischen Gemeinschaftsrecht; Kehl et al. 1988. – Vertrauensschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsprechung des EuGH von Algera über CNTA bis Mulder und von Deetzen; in: EuGRZ 1988, 309315. Bornhak, Conrad: Preußisches Staatsrecht, Erster Band; 1. Aufl., Freiburg 1888; 2. Aufl., Breslau 1911. – Allgemeine Staatslehre; 2. Aufl., Berlin 1909.
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– Grundriß des Deutschen Staatsrechts; 5. Aufl., Leipzig und Erlangen 1920. Brand, Arthur: Das Beamtenrecht: Die Rechtsverhältnisse der preußischen Staats- und Kommunalbeamten; 3. Aufl., Berlin 1928. – Das Deutsche Beamtengesetz (DBG) vom 26.1.1937 mit den Änderungen durch die Gesetze vom 25.3.1939, 20.12.1940 und 21.10.1941, der amtlichen Begründung, den Durchführungs-, Ausführungs- und Ergänzungsvorschriften unter besonderer Berücksichtigung des Kriegs-Beamtenrechts und der für die Alpen- und Donaureichsgaue, den Reichsgau Sudetenland, das Protektorat Böhmen und Mähren und die eingegliederten Ostgebiete ergangenen beamtenrechtlichen Sondervorschriften; 4. Aufl., Berlin 1942. Brandner, Thilo: Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 – 8 C 16/96 –; in: NJ 1999, 437. Brandt, Hartwig: Von den Verfassungskämpfen der Stände zum modernen Konstitutionalismus. Das Beispiel Württemberg; in: Martin Kirsch/Pierangelo Schiera (Hrsg.), Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Berlin 1999; S. 99-108. Breitinger, Bernd: Die staatsrechtliche Stellung der Angehörigen der Bundeswehr, unter besonderer Berücksichtigung ihres Statusrechts; Diss. Würzburg 1967. Bremer, Heinz: Der Sachverständige. Seine Stellung im privaten und öffentlichen Recht; 2. Aufl., Heidelberg 1973. Brenner, Michael: Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union; Tübingen 1996. Breuer, Rüdiger: Direkte und indirekte Rezeption technischer Regeln durch die Rechtsordnung; in: AöR 101 (1976), 46-88. – Die Entwicklung des Immissionsschutzrechts 1974-1976; in: NJW 1977, 1025-1034. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 17.2.1978 – 1 C 102/76 –; in: DVBl. 1978, 598-601. – Die rechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG im Genehmigungsverfahren; in: DVBl. 1978, 28-37. – Strukturen und Tendenzen des Umweltschutzrechts; in: Der Staat 20 (1981), 393422. – Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des öffentlichen Rechts. Postulate, Kritik und Alternativen; in: DVBl. 1986, 849-859. – Konflikte zwischen Verwaltung und Strafverfolgung – Überlegungen zum Verhältnis zwischen Verwaltungsrecht und Ordnungswidrigkeiten- sowie Strafrecht –; in: DÖV 1987, 169-183. – Empfehlen sich Änderungen des strafrechtlichen Umweltschutzes insbesondere in Verbindung mit dem Verwaltungsrecht?; in: NJW 1988, 2072-2085. – Gerichtliche Kontrolle der Technik. Gegenpol zu privater Option und administrativer Standardisierung; in: NVwZ 1988, 104-115. – Die internationale Orientierung von Umwelt- und Technikstandards im deutschen und europäischen Recht; in: UTR 9 (1989), 43-116. – Anlagensicherheit und Störfälle – Vergleichende Risikobewertung im Atom- und Immissionsschutzrecht; in: NVwZ 1990, 211-222. – EG-Richtlinien und deutsches Wasserrecht; in: WiVerw. 1990, 79-117.
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– Entwicklungen des europäischen Umweltrechts – Ziele, Wege und Irrwege: Erweiterte Fassung eines Vortrages gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 27. Januar 1993; Berlin und New York 1993 (zitiert: Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts, 1993). Brinkmann, Werner: Rechtliche Aspekte der Bedeutung von technischen Normen für den Verbraucherschutz. Überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Rechtsgutachtens im Auftrage der Forschungsgruppe Verbraucherinteressen der Universität Gesamthochschule Duisburg 1984; Berlin und Köln 1984. Brohm, Winfried: Verwaltungsvorschriften und besonderes Gewaltverhältnis; in: DÖV 1964, 238-251. – Strukturen der Wirtschaftsverwaltung: Organisationsformen und Gestaltungsmöglichkeiten im Wirtschaftsverwaltungsrecht; Stuttgart et al. 1969. – Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung (2. Mitbericht); in: VVDStRL 30 (1972), S. 245-312. – Selbstverwaltung in wirtschafts- und berufsständischen Kammern; in: Albert von Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft. Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Christoph von Unruh, Heidelberg 1983; S. 777-807. – Verwaltungsvorschriften als administrative Rechtsquelle – ein ungelöstes Problem des Innenrechts; in: Winfried Brohm (Hrsg.), Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion: Das Innenrecht der Verwaltung. Hochschulverfassung und Hochschulverwaltung, Baden-Baden 1983; S. 11-36. – Zum Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit; in: NJW 1984, 8-14. – Die staatliche Verwaltung als eigenständige Gewalt und die Grenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit; in: DVBl. 1986, 321-331. – Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit als Steuerungsmechanismen in einem polyzentrischen System der Rechtserzeugung; in: DÖV 1987, 265-271. Bronnenmeyer, Helmut: Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 49 VwVfG; Berlin 1994. Brugger, Winfried: Rechtsprobleme der Verweisung im Hinblick auf Publikation, Demokratie und Rechtsstaat; in: VerwArch 78 (1987), 1-44. Bryde, Brun-Otto: Die Kontrolle von Schulnoten in verwaltungsrechtlicher Dogmatik und Praxis; in: DÖV 1981, 193-204. – Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem (1. Bericht); in: VVDStRL 46 (1988), S. 181-216. Bucher, Eugen: Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis; Tübingen 1965. Buchwald, Delf: Kritik der herkömmlichen Dogmatik des Verwaltungsakts. Ein normtheoretischer Neuansatz zur Abgrenzung von Rechtsnorm und Verwaltungsakt; in: Rechtstheorie 28 (1997), 85-107. Bühler, Ottmar: Anmerkung zu VG Stuttgart, Urteil vom 24.6.1949 – I 76/1949 –; in: DRZ 1950, 573. – Grundsätzliche Fragen der Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit – unter Ausblick auf die Regelungen in England und USA –. Vortrag gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe am 7. März 1958; Karlsruhe 1958. Bühler, Theodor: Rechtsquellenlehre, Band 3: Rechtserzeugung – Rechtserfragung – Legitimität der Rechtsquellen; Zürich 1985.
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Bull, Hans Peter: Maßstäbe und Verfahrensvorschriften für die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden nach dem Sozialgesetzbuch; in: VSSR 1977, 113-140. – Allgemeines Verwaltungsrecht. Ein Lehrbuch; 5. Aufl., Heidelberg 1998; 6. Aufl., Heidelberg 2000. Bullinger, Martin: Vertrag und Verwaltungsakt. Zu den Handlungsformen und Handlungsprinzipien der öffentlichen Verwaltung nach deutschem und englischem Recht; Stuttgart 1962. – Das Ermessen der öffentlichen Verwaltung – Entwicklung, Funktionen, Gerichtskontrolle –; in: JZ 1984, 1001-1009. Burckhardt, Walther: Vom Rechtszwang (1936); in: ders., Aufsätze und Vorträge 19101938: mit einer Einführung von Hans Huber; Bern 1970; S. 52-63. Burgdorf, Wolfgang: Die Ursprünge des Konstitutionalismus in Deutschland. Die Wahlkapitulationsdiskussion der 1790er Jahre – eine deutsche Verfassungsdiskussion im Zeitalter der Aufklärung; in: Martin Kirsch/Pierangelo Schiera (Hrsg.), Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Berlin 1999; S. 65-98. Burmeister, Günter Cornelius: Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Verwaltungsorganisationsrechts; Berlin 1991. Burmeister, Joachim: Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie; München 1977. Burmeister, Joachim / Lauer, Alfons: Die Bindung der Gemeinden an die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB); München 1989. Busch, Bernhard: Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt; Berlin 1992. Bydlinski, Franz: Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff; 1. Aufl., Wien und New York 1982; 2. Aufl., Wien und New York 1991. Calliess, Christian / Ruffert, Matthias: Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EUV/EGV –; 2. Aufl., Neuwied und Kriftel 2002 (zitiert: Bearbeiter, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., 2002). Christensen, Ralph J.: Das Problem des Richterrechts aus der Sicht der Strukturierenden Rechtslehre; in: ARSP LXXIII (1987), 75-92. Claussen, Hans Rudolf / Janzen, Werner: Bundesdisziplinarordnung: Handkommentar unter Berücksichtigung des materiellen Disziplinarrechts; 8. Aufl., Köln et al. 1996. Clemens, Thomas: Die Verweisung von einer Rechtsnorm auf andere Vorschriften – insbesondere ihre Verfassungsmäßigkeit –; in: AöR 111 (1986), 63-127. Coing, Helmut: Grundzüge der Rechtsphilosophie; 1. Aufl., Berlin 1950; 5. Aufl., Berlin und New York 1993. Conradi, Brigitte: Die Mitwirkung außerstaatlicher Stellen beim Erlaß von Rechtsverordnungen; Diss. Heidelberg 1962. Conradi, Peter: Deutscher Bundestag und Rechtsverordnungen; in: NVwZ 1994, 977978. Creutzig, Jürgen: Vertrieb von Kraftfahrzeugen. Zum Leitfaden der Kommission vom Oktober 1995; in: EuZW 1996, 197-201.
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Czajka, Dieter: Inhalt und Umfang der richterlichen Kontrolle im technischen Sicherheitsrecht; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1981, 537-542. – Der Stand von Wissenschaft und Technik als Gegenstand richterlicher Sachaufklärung; in: DÖV 1982, 99-108. Czermak, Fritz: Zur Lehre vom gerichtlichen Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden; in: JuS 1968, 399-404. Czychowski, Christian: Auswirkungen der Entscheidungen des EuGH zur Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften; in: ZAU 6 (1993), 340-350. Czychowski, Manfred: Rechtsprobleme des Entwurfs des sog. Chemie-Abkommens für den Rhein. Referat des 181. Kolloquiums des Instituts für das Recht der Wasserwirtschaft an der Universität Bonn am 9. Juli 1976; in: ZfW 1977, 18-25. – Die EG-Grundwasserschutzrichtlinie und ihre Auswirkungen auf das deutsche Recht; in: ZfW 1982, 325-338. Dahs, Hans: Zur strafrechtlichen Haftung des Gewässerschutzbeauftragten nach § 324 StGB; in: NStZ 1986, 97-103. – Der Überwachungswert im Strafrecht – ein untauglicher Versuch; in: NStZ 1987, 440-441. Dahs, Hans / Redeker, Konrad: Empfehlen sich Änderungen im strafrechtlichen Umweltschutz, insbesondere in Verbindung mit dem Verwaltungsrecht?; in: DVBl. 1988, 803-811. Danwitz, Thomas von: Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers: zur Kontrolldichte verordnungsgeberischer Entscheidungen; Berlin 1989. – Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften VerwArch 84 (1993), 73-96.
und
Gemeinschaftsrecht;
in:
– Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur. Verfassungsvorgaben für staatliche Entscheidungsstrukturen und ihre gerichtliche Kontrolle; in: Der Staat 35 (1996), 329-350. – Rechtliche Optimierungsgebote oder Rahmensetzungen für das Verwaltungshandeln?; in: DVBl. 1998, 928-941. – Kompetenzrechtliche Fragen bei der Umsetzung von Sicherheitsstandards; in: Fritz Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2000, Baden-Baden 2001; S. 81-99. Dauk, Werner: Entsorgung und Genehmigung. Bemerkungen zum Brokdorf-Urteil des VG Schleswig; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1980, 404-407. Degenhart, Christoph: Gerichtliche Kontrollbefugnisse und Drittklage im Kernenergierecht; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1981, 203-209. – Gesetzgebung im Rechtsstaat; in: DÖV 1981, 477-486. – Technischer Fortschritt und Grundgesetz: Friedliche Nutzung der Kernenergie; in: DVBl. 1983, 926-936. – Der Verwaltungsvorbehalt; in: NJW 1984, 2184-2190. – Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht; in: NJW 1989, 2435-2441. Delwing, Peter Moritz: Umsetzungsprobleme des EG-Wasserrechts: dargestellt für das Abwasserrecht der Bundesrepublik Deutschland; Baden-Baden 1995.
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Denninger, Erhard: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht. Unter Mitarbeit von Karl-Heinz Hohm [Im Auftrag des Umweltbundesamtes]; Baden-Baden 1990. Denninger, Erhard / Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schneider, Hans-Peter / Stein, Ekkehart (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Reihe Alternativkommentare; 1. Aufl., Neuwied und Kriftel 1984; 2. Aufl., Neuwied und Kriftel 1989; 3. Aufl., Neuwied und Kriftel, Stand: 2. Lfg. (August 2002) (zitiert: Bearbeiter, in: AK, GG). Depenbrock, Johannes: Zum Umfang des Weisungsrechts bei der Bundesauftragsverwaltung; in: DÖV 1970, 235-236. Depenheuer, Otto: Die „volle persönliche Verantwortung“ des Beamten für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen – Zum Spannungsverhältnis zwischen Eigenverantwortung und Verwaltungshierarchie –; in: DVBl. 1992, 404-413. Detterbeck, Steffen: Der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität der Rechtssatzverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG; in: DÖV 1990, 558-564. – Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG auch bei normativem Unterlassen?; in: DÖV 1990, 858-864. – Zum präventiven Rechtsschutz gegen ultra-vires-Handlungen öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände: Unter besonderer Berücksichtigung der Finanzierung sozial indizierter Schwangerschaftsabbrüche durch die gesetzliche Krankenversicherung; Frankfurt/M. et al. 1990. – Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht; in: VerwArch 85 (1994), 159-207. – Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht: Grundlagen des Verfahrens vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten und vor dem Bundesverfassungsgericht; Tübingen 1995. – Der praktische Fall – Öffentliches Recht: Das Bundespressesubventionsgesetz; in: JuS 1991, 670-674. – Artikel „Verwaltungsvorschrift“; in: Ergänzbares Lexikon des Rechts, Loseblattwerk, Ordner 4; Neuwied, Stand: 94. Lfg. (Juni 1998); Nr. 9/2030 (zitiert: Detterbeck, Art. „Verwaltungsvorschrift“, in: LdR 9/2030). – Haftung der Europäischen Gemeinschaft und gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch; in: AöR 125 (2000), 202-256. – Allgemeines Verwaltungsrecht; München 2002. – Drittgerichtete Amtspflichten einer verwaltungsintern beauftragten Behörde eines anderen Rechtsträgers – BGH, NVwZ 2001, 1074; in: JuS 2002, 127-131. – Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler. Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Europarecht mit Übungsfällen; 2. Aufl., München 2002. – Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes; in: Jura 2002, 235-241. Detterbeck, Steffen / Windthorst, Kay / Sproll, Hans-Dieter: Staatshaftungsrecht; München 2000. Deutsch, Erwin: Allgemeines Haftungsrecht; 2. Aufl., Köln et al. 1996. Deutscher Bundestag: Beratungen und Empfehlungen zur Verfassungsreform. Schlußbericht der Enquête-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages. Teil I: Parlament und Regierung. Zur Sache 3/76; Bonn 1976.
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Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.): Grundlagen der Normungsarbeit des DIN; 5. Aufl., Berlin, Köln 1987. Di Fabio, Udo: Verwaltungsvorschriften als ausgeübte Beurteilungsermächtigung – Plädoyer für eine Neubestimmung der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im System der Rechtsquellen –; in: DVBl. 1992, 1338-1346. – Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip? Überlegungen zum Einfluß des indirekten Gemeinschaftsrechts auf die nationale Rechtsordnung; in: NJW 1990, 947-954. – Risikoentscheidungen im Rechtsstaat: zum Wandel der Dogmatik im öffentlichen Recht, insbesondere am Beispiel der Arzneimittelüberwachung; Tübingen 1994. Dias, R. W. M.: Jurisprudence; 3. Aufl., London 1970. Dickersbach, Alfred: Die Rücknahme und der Widerruf von Zuwendungsbescheiden; in: GewArch 1993, 177-187. – Die Entwicklung des Subventionsrechts seit 1993; in: NVwZ 1996, 962-970. Dieckmann, Martin: Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland –; in: IUR 1991, 153-154. – Umweltschutz im Spannungsfeld zwischen nationalem Recht und europäischem Gemeinschaftsrecht – Bericht vom Symposium der Forschungsstelle Umweltrecht und des Europa-Kollegs der Universität Hamburg am 7. Juni 1991 –; in: DVBl. 1991, 936-938. Diederichsen, Uwe / Scholz, Andreas: Kausalitäts- und Beweisprobleme im zivilrechtlichen Umweltschutz; in: WiVerw. 1984, 23-46. Diefenbach, Ralf / Jungnickel, Sebastian: Ziffer 2.4 TA Siedlungsabfall – Mechanischbiologische Abfallbehandlung nur mit Ausnahmegenehmigung; in: SächsVBl. 1998, 25-29. Dierkes, Heinrich: Die TA Siedlungsabfall: eine zukunftsorientierte Verwaltungsvorschrift? Eine kritische Bewertung der Regelungsinhalte; in: NVwZ 1993, 951-954. Dietlein, Johannes: Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten; Berlin 1992. Dietze, Lutz: Verfassungsfragen lernzielorientierter Curricula; in: DVBl. 1975, 389-404. Doemming, Klaus-Berto von / Füsslein, Rudolf Werner / Matz, Werner: Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, im Auftrage der Abwicklungsstelle des Parlamentarischen Rates und des Bundesministers des Innern auf Grund der Verhandlungen des Parlamentarischen Rates; in: JöR N. F. 1 (1951), 1-941. Doerfert, Carsten: Der Europäische Gerichtshof, die TA Luft und das deutsche Verwaltungsrecht; in: JA 1999, 949-952. Dohna, Alexander Graf zu: Kernprobleme der Rechtsphilosophie. Mit Nachwort von Erik Wolf; Berlin und Wien 1940. Dolde, Klaus: Die Entwicklung des öffentlichen Baurechts 1982 und 1983; in: NJW 1984, 1713-1730. Dolde, Klaus-Peter / Vetter, Andrea: Ausnahmen von der TA Siedlungsabfall für die Ablagerung mechanisch-biologisch vorbehandelter Abfälle; in: NVwZ 1998, 217221. Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz; gegründet 1950; Heidelberg, Stand: 109. Lieferung (Dezember 2003) (zitiert: Bearbeiter, in: BK, GG).
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Dommach, Hermann A.: Neuregelung der Rückforderung von Zuwendungen des Bundes; in: DÖV 1981, 122-127. Dowie, Wolfgang: Grundrechte, Pflichtenkreis und Privatsphäre im militärischen Statusverhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate; Diss. Freiburg 1971. Drath, Martin: Die Gewaltenteilung im heutigen deutschen Staatsrecht; in: Heinz Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung; Darmstadt 1969; S. 21-77. Dreher, Meinrad: Richtlinienumsetzung durch Exekutive und Judikative? Der Fall des vergaberechtlichen Rechtsschutzes de lege ferenda; in: EuZW 1997, 522-525. Dreier, Horst: Vorbeugender Verwaltungsrechtsschutz; in: JA 1987, 415-428. – Präventive Klagen gegen hoheitliches Handeln im Gewerberecht; in: NVwZ 1988, 1073-1078. – Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts; in: JZ 1990, 310-321. – Zur „Eigenständigkeit“ der Verwaltung; in: Die Verwaltung 25 (1992), 137-156. – Grundgesetz: Kommentar, hrsg. von Horst Dreier; Band II (Artikel 20-82), Tübingen 1998; Band III (Artikel 83-146), Tübingen 2000 (zitiert: Bearbeiter, in: Dreier, GG). Dreier, Ralf: Probleme der Rechtsquellenlehre: Zugleich Bemerkungen zur Rechtsphilosophie Leonhard Nelsons; in: Christian-Friedrich Menger (Hrsg.), Fortschritte des Verwaltungsrechts. Festschrift für Hans J. Wolff zum 75. Geburtstag, München 1973; S. 3-36. Drews, Bill / Wacke, Gerhard / Vogel, Klaus / Martens, Wolfgang: Gefahrenabwehr: Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder; begr. unter dem Titel „Preußisches Polizeirecht“ von Bill Drews; fortgef. unter dem Titel „Allgemeines Polizeirecht“ von Gerhard Wacke; 9. Aufl. von Klaus Vogel und Wolfgang Martens, Köln et al. 1986. Duken, Hajo: Normerlaßklage und fortgesetzte Normerlaßklage; in: NVwZ 1993, 546548. Dury, Walter: Von Sportanlagen ausgehender Lärm – Auswirkungen der Änderung von § 906 Abs. 1 BGB für die Praxis; in: SpuRt 1995, 102. Dütz, Wilhelm: Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht: Zum sachlichen Umfang der Zivilgerichtsbarkeit; Homburg v. d. H. 1970. Dux, Günter: Bundesrat und Bundesaufsicht; Berlin 1963. Eberle, Carl-Eugen: Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt – Erkenntnisse und Folgerungen aus der jüngeren Verfassungsrechtsprechung –; in: DVBl. 1984, 485-493. Ebsen, Ingwer: Das Bundesverfassungsgericht als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung. Eine pluralistische Theorie der Verfassungsgerichtsbarkeit im demokratischen Verfassungsstaat; Berlin 1985. Eckhoff, Rolf: Der Grundrechtseingriff; Köln et al. 1992. Ehlers, Dirk: Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht; in: DVBl. 1991, 605-613. Ehrlich, Eugen: Beiträge zur Theorie der Rechtsquellen. Erster Theil. Das ius civile, ius publicum, ius privatum; Neudruck der Ausgabe Berlin 1902; Aalen 1970.
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Eichberger, Michael: Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen. Ein Beitrag zur Dogmatik, Auslegung und Verfassungsmäßigkeit des § 44 a VwGO; Berlin 1986. Eiselt, Gerhard: Richtlinien für Unterricht und Erziehung im Schulwesen als administrativ gesetztes Recht; in: DÖV 1980, 405-409. Ellwein, Thomas: Politische Verhaltenslehre; 7. Aufl., Stuttgart et al. 1972. Emde, Ernst Thomas: Die demokratische Legitimation der funktionellen Selbstverwaltung: Eine verfassungsrechtliche Studie anhand der Kommunen, der Sozialversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit; Berlin 1991. Engelhardt, Olaf-Roman Baron von: Der Rechtsschutz gegen Rechtsnormen: Eine konkurrenzdogmatische Untersuchung aus der Sicht des Verhältnisses von Anfechtungsklage (§§ 42, 113 VwGO) und verwaltungsgerichtlicher prinzipaler Normenkontrolle (§ 47 VwGO); Berlin 1971. Engisch, Karl: Logische Studien zur Gesetzesanwendung; 3. Aufl., Heidelberg 1963. – Auf der Suche nach Gerechtigkeit: Hauptthemen der Rechtsphilosophie; München 1971. – Einführung in das juristische Denken; hrsg. und bearb. von Thomas Würtenberger und Dirk Otto; 9. Aufl., Stuttgart et al. 1997. Ennuschat, Jörg: Der Verwaltungsakt und seine Rechtsgrundlagen; in: JuS 1998, 905910. Ensenbach, Hans-Peter: Probleme der Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht. Dargestellt an den Straftatbeständen der Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung und Lärmverursachung; Frankfurt/M. et al. 1989. Enste, Rainer: Der Umfang des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Beamtenverhältnis; in: JA 1979, 423-427. Erbguth, Wilfried / Mahlburg, Stefan: Alternativen zur Müllverbrennung? – Rechtliche Anforderungen an Ausnahmen nach Ziffer 2.4 TA Siedlungsabfall –; in: UPR 1997, 224-229. Erbguth, Wilfried: Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Rechtsdogmatische Grundlagen einer originären Rechtserzeugung durch die Exekutive; in: DVBl. 1989, 473-487. – Anmerkungen zum administrativen Entscheidungsspielraum – Am Beispiel der Planfeststellung –; in: DVBl. 1992, 398-404. – Die nordrhein-westfälische Braunkohlenplanung und der Parlamentsvorbehalt; in: VerwArch 86 (1995), 327-358. Erbguth, Wilfried / Stollmann, Frank: Zur Zulässigkeit von Regelungen über die Bauleitplanung in einer UVP-Verwaltungsvorschrift; in: NuR 1993, 249-252. Erichsen, Hans-Uwe: Grundrechtseingriffe im besonderen Gewaltverhältnis; in: VerwArch 63 (1972), 441-446. – Besonderes Gewaltverhältnis und Sonderverordnung. Rückschau und Ausblick; in: Christian-Friedrich Menger, Fortschritte des Verwaltungsrechts. Festschrift für Hans J. Wolff zum 75. Geburtstag, München 1973; S. 219-246. – Die selbständige Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen; in: VerwArch 66 (1975), 299-311.
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– Der gerichtliche Geschäftsverteilungsplan – Rechtsnatur und Rechtsschutz – Normenkontrolle durch Feststellungsklage; in: VerwArch 68 (1977), 179-187. – Rechtsfragen der Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten durch die Verwaltung nach Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder; in: VerwArch 69 (1978), 303-312. – Zum staatlich-schulischen Erziehungsauftrag und zur Lehre vom Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt; in: VerwArch 69 (1978), 387-396. – Art. 3 Abs. 1 GG als Grundlage von Ansprüchen des Bürgers gegen die Verwaltung; in: VerwArch 71 (1980), 289-298. – Die Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Verwaltung (Schluß); in: Jura 1981, 590-596. – Die Umsetzung von Beamten – Anmerkungen zu BVerwG, DVBl. 1980, 882, BVerwGE 60, 144, und BVerwG, DVBl. 1981, 495 –; in: DVBl. 1982, 95-100. – Die sog. unbestimmten Rechtsbegriffe als Steuerungs- und Kontrollmaßgaben im Verhältnis von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung; in: DVBl. 1985, 2229. – Die Allgemeine Leistungsklage; in: Jura 1992, 384-387. – Zur Umsetzung der Richtlinie des Rates über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt; Forschungsbericht 101 06 049 UBA-FB91-151, im Auftrag des Umweltbundesamtes, unter Mitarbeit von Arno Scherzberg; Berlin 1992. – Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes; in: Jura 1995, 550-554. Erichsen, Hans-Uwe / Ehlers, Dirk (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht; 12. Aufl., Berlin 2002 (zitiert: Bearbeiter, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002). Erichsen, Hans-Uwe / Klüsche, Charlotte: Verwaltungsvorschriften; in: Jura 2000, 540548. Erlenkämper, Friedel: Entwicklungen im Kommunalrecht; in: NVwZ 1996, 534-549. Erman, Walter: Bürgerliches Gesetzbuch: Handkommentar mit AGBG, EGBGB, ErbbauVO, HausratsVO, HausTWG, ProdHaftG, SachenRBerG, SchuldRAnpG, VerbrKrG. Hrsg. von Harm Peter Westermann. Bearb. von Lutz Aderhold et al., Band II; 10. Aufl., Münster, Köln 2000 (zitiert: Bearbeiter, in: Erman, BGB, 10. Aufl., 2000). Esser, Josef: Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts; 3. Aufl., Tübingen 1974. – Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts. Rechtsvergleichende Beiträge zur Rechtsquellen- und Interpretationslehre; 4. Aufl., Tübingen 1990. Esser, Josef / Schmidt, Eike: Schuldrecht: ein Lehrbuch. Band I (Allgemeiner Teil), Teilband 2 (Durchführungshindernisse und Vertragshaftung, Schadensausgleich und Mehrseitigkeit beim Schuldverhältnis); 8. Aufl., Heidelberg 2000. Esser, Josef / Weyers, Hans-Leo: Schuldrecht: ein Lehrbuch. Band II (Besonderer Teil), Teilband 2 (Gesetzliche Schuldverhältnisse); 8. Aufl., Heidelberg 2000.
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Everling, Ulrich: Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze; in: Bodo Börner/Hermann Jahrreiß/Klaus Stern (Hrsg.), Einigkeit und Recht und Freiheit. Festschrift für Karl Carstens zum 70. Geburtstag am 14. Dezember 1984, Band 1 (Europarecht. Völkerrecht), Köln et al. 1984; S. 95-113. – Zum Vorrang des EG-Rechts vor nationalem Recht; in: DVBl. 1985, 1201-1206. – Umweltschutz durch Gemeinschaftsrecht in der Rechtsprechung des EuGH; in: Peter Behrens/Hans-Joachim Koch (Hrsg.), Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft: Spannungsfelder zwischen nationalem und europäischem Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden 1991; S. 29-45. – Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Zur jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes; in: UTR 17 (1992), 3-20. – Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen. Zur jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes; in: RIW 1992, 379-385. – Durchführung und Umsetzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bereich des Umweltschutzes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH; in: NVwZ 1993, 209-216. Evers, Hans-Ulrich: Das besondere Gewaltverhältnis: gegenwärtige Gestalt und Entwicklungstendenzen; Frankfurt/M. 1972. – Gesetzesvorbehalt im Schulrecht – VGH Kassel, NJW 1976, 1856; in: JuS 1977, 804-808. Eyermann, Erich / Fröhler, Ludwig: Verwaltungsgerichtsgesetz: Kommentar; unter Mitarbeit von Mar Hofmann; 2. Aufl., München und Berlin 1954. – Verwaltungsgerichtsordnung: Kommentar; begründet von Erich Eyermann und Ludwig Fröhler; 9. Aufl., München 1988; 11. Aufl. von Harald Geiger et al., München 2000 (zitiert: Bearbeiter, in: Eyermann/Fröhler, VwGO). Faber, Heiko: Verwaltungsrecht; 4. Aufl., Tübingen 1995. Falckenberg, Dieter: Zum Vorbehalt des Gesetzes im Schulverhältnis; in: BayVBl. 1978, 166-170. Faßbender, Kurt: Die Umsetzung von Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft; Köln et al. 2001. – Neues zur Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften – zugleich eine Anmerkung zu BVerwG, UPR 2001, 448 –; in: UPR 2002, 15-19. Fees, K.: Das Beteiligungsrecht der Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften; in: ZBR 1963, 135-140. Fehr, Hans: Deutsche Rechtsgeschichte; 6. Aufl., Berlin 1962. Feldhaus, Gerhard: Anmerkung zu OVG Münster, Urteil vom 19.12.1972 – VII A 623/71 –; in: DÖV 1973, 720-721. – Zum Inhalt und zur Anwendung des Standes der Technik im Immissionsschutzrecht; in: DVBl. 1981, 165-173. – Entwicklung und Rechtsnatur von Umweltstandards; in: UPR 1982, 137-147. – Einführung in die TA Lärm 1998; in: UPR 1999, 1-7.
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– Bundesimmissionsschutzrecht. Band 1, Teil II (BImSchG §§ 22-74); Kommentar, unter Mitarbeit von Dieter Czajka et al.; 2. Aufl., Heidelberg, Stand: 116. Lfg. (Oktober 2003). Felix, Dagmar: Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz des Beamten; Köln et al. 1993. Fellner, Michael: Die Bereinigung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften; in: DVBl. 1955, 244-245. Feuchte, Paul: Prognose, Vorsorge und Planung bei der Genehmigung industrieller Anlagen. Gesichtspunkte zum Beurteilungsspielraum der Exekutive; in: Die Verwaltung 10 (1977), 291-311. Fiedler, Wilfried: Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 –; in: JZ 1979, 184-186. – Beurteilungsspielraum „aus Sachnähe“? Zur Wissenschaftsabhängigkeit bei der Genehmigung von Kernkraftanlagen; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1982, 580584. Finkelnburg, Klaus / Ortloff, Karsten-Michael: Öffentliches Baurecht, Band I: Bauplanungsrecht; 5. Aufl., München 1998. Fischbach, Oskar G.: Deutsches Beamtengesetz unter Berücksichtigung des in sonstigen Gesetzen, Verordnungen und Erlassen enthaltenen deutschen Beamtenrechts. Teil I (§§ 1-78); 2. Aufl., Berlin 1940. Fischer, Precht: Umweltschutz durch technische Regelungen: Zur Bedeutung der Grenzwertfestsetzungen und Verfahrensbeschreibungen des Immissions- und Atomrechts; Berlin 1989. Fleiner, Fritz: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts; 8. Aufl., Tübingen 1928. Fleury, Roland: Verfassungsprozeßrecht; 4. Aufl., Neuwied und Kriftel 2001. Fliedner, Ortlieb: Die Richtlinie der Bundesregierung zur Gestaltung, Ordnung und Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Bundes vom 20. Dezember 1989; in: Hermann Hill, Verwaltungsvorschriften. Dogmatik und Praxis, Heidelberg 1991; S. 31-43. Flockermann, Paul G.: Zur Umsetzung von Steuergesetzen im Bund-Länder-Verhältnis; in: Steuervereinfachung. Festschrift für Dietrich Meyding zum 65. Geburtstag, hrsg. von Wilhelm Bühler, Paul Kirchhof und Franz Klein, Heidelberg 1994; S. 105-115. – Nachruf auf die klassische Oberfinanzdirektion; in: DStZ 1999, 679-682. Flume, Werner: Anmerkung zu OLG Bremen, Beschluß vom 13.11.1952 – 1 W 244/ 52 –; in: NJW 1953, 585-586. – Die Billigkeitsmaßnahmen des § 131 AO nach neuem Recht; in: SteuerberaterJahrbuch 1953/54, 81-126. Foerstemann, Friedhelm: Vorsitz und Verfahren in der kommunalen Vertretungskörperschaft; in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Band 2 (Kommunalverfassung), hrsg. in Verbindung mit den kommunalen Spitzenverbänden von Günter Püttner unter Mitarbeit von Michael Borchmann; 2. Aufl., Berlin et al. 1982; § 28 (S. 90-175) (zitiert: Foerstemann, in: Püttner, HkWP, Bd. 2, 2. Aufl., 1982). Forsthoff, Ernst: Die unmittelbare Reichsaufsicht; in: AöR 58 (1930), 61-82. – Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 13 (1955), S. 161-162.
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– Lehrbuch des Verwaltungsrechts. Erster Band (Allgemeiner Teil); 10. Aufl., München 1973. Frank, Manfred: Das Sagbare und das Unsagbare. Studien zur deutsch-französischen Hermeneutik und Texttheorie; erweiterte Neuausgabe Frankfurt/M. 1990. Franßen, Everhardt: (Un)bestimmtes zum unbestimmten Rechtsbegriff; in: Walther Fürst/Roman Herzog/Dieter C. Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, Band 1, Berlin, New York 1987; S. 429-454. Franzheim, Horst: Strafrechtliche Konsequenzen von Betriebsstörungen in abwassertechnischen Anlagen; in: ZfW 1985, 145-151. Frenz, Walter: Kommunale Selbstverwaltung und europäische Integration; in: Markus Hoffmann/Christian Kromberg/Verena Roth/Bodo Wiegand (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung im Spiegel von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht: 35. Tagung der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtung „Öffentliches Recht“ Rostock 1995; Stuttgart et al. 1996; S. 9-28. – Europäisches Umweltrecht; München 1997. Friauf, Karl Heinrich: Bemerkungen zur verfassungsrechtlichen Problematik des Subventionswesens; in: DVBl. 1966, 729-738. – Grundlagen der heutigen Verwaltungsrechtslehre; in: Der Staat 9 (1970), 223-240. – Zur Rolle der Grundrechte im Interventions- und Leistungsrecht; in: DVBl. 1971, 674-682. Friauf, Karl Heinrich / Höfling, Wolfram (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz; Berlin, Stand: 9. Lfg. (Dezember 2003) (zitiert: Bearbeiter, in: Berliner Kommentar, GG). Friesenhahn, Ernst: Über Begriff und Arten der Rechtsprechung: unter besonderer Berücksichtigung der Staatsgerichtsbarkeit nach dem Grundgesetz und den westdeutschen Landesverfassungen; in: Festschrift Richard Thoma zum 75. Geburtstag am 19. Dezember 1949, dargebracht von Freunden, Schülern und Fachgenossen; Tübingen 1950; S. 21-69. Fröhlich, Werner: Illegale Abfallentsorgungsanlagen – Anmerkungen zum Spannungsverhältnis zwischen Abfallverwaltungsrecht und Abfallstrafrecht –; in: DÖV 1989, 1029-1037. Frohn, Hansgeorg: Aktuelle Probleme des Gesetzesvorbehalts; in: ZG 5 (1990), 117134. Frotscher, Werner / Pieroth, Bodo: Verfassungsgeschichte; 3. Aufl., München 2002. Frowein, Jochen: Die selbständige Bundesaufsicht nach dem Grundgesetz; Bonn 1961. Führen, Karl-Heinz: Umweltstrafrecht – Damoklesschwert über Amtsträgern?; in: VR 1987, 401-407. Fürst, Walther (Hrsg.): Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht. Band I (Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Richterrecht und Soldatenrecht). Teil 2a (Allgemeines Beamtenrecht I, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Abschnitt I ff.), Loseblatt-Ausgabe; Berlin, Stand: Lfg. 9/02 (Oktober 2002) (zitiert: Bearbeiter, in: Fürst, GKÖD I). Fuß, Ernst-Werner: Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts; in: DVBl. 1965, 378-384. – Personale Kontaktverhältnisse zwischen Verwaltung und Bürger; in: DÖV 1972, 765-774.
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– Der Schutz des Vertrauens auf Rechtskontinuität im deutschen Verfassungsrecht und europäischen Gemeinschaftsrecht; in: Wilhelm G. Grewe/Hans Heinrich Rupp/Hans Schneider (Hrsg.), Europäische Gerichtsbarkeit und nationale Verfassungsgerichtsbarkeit. Festschrift zum 70. Geburtstag von Hans Kutscher, Baden-Baden 1981; S. 201-214. Gallwas, Hans-Ullrich: Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte. Ein Beitrag zum Begriff der Nebenwirkungen; Berlin 1970. – Verfassungsrechtliche Kompetenzregelungen – ungelöste Probleme des Vergaberechts; in: VergabeR 1 (2001), 1-10. Ganten, Reinhard H. / Lemke, Michael: Haftungsprobleme im Umweltbereich; in: UPR 1989, 1-14. Gaßner, Hartmut / Willand, Achim: Perspektiven der Abfallwirtschaftsplanung am Beispiel der Umsetzung der TA Siedlungsabfall; in: ZUR 1999, 28-33. Gebhard, Ludwig: Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919; München et al. 1932. Gebhardt, M.: Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches nebst wichtigen Nebengesetzen; Berlin 1912. Geiger, Harald: Zur Verfassungsmäßigkeit von Art. 5 Satz 2 AGVwGO; in: BayVBl. 1995, 363-365. Geiger, Theodor: Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts; 4. Aufl. (durchgesehen und herausgegeben von Manfred Rehbinder), Berlin 1987. Geitmann, Roland: Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen. Zur Bindung des Gesetzgebers an Bestimmtheitserfordernisse; Berlin 1971. Gellermann, Martin: Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG: dargestellt am Beispiel des europäischen Umweltrechts; Köln et al. 1994. Gellermann, Martin / Szczekalla, Peter: Gemeinschaftskonforme Umsetzung von Umweltrichtlinien der EG; NuR 1993, 54-62. Gelzer: Echte und unechte Selbstverwaltung; in: DVBl. 1958, 87-89. Gelzer, Konrad / Bracher, Christian-Dietrich / Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht; begründet von Konrad Gelzer. In 6. Aufl. fortgef. von Christian-Dietrich Bracher und Olaf Reidt; 6. Aufl., Köln 2001 (zitiert: Bearbeiter, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 6. Aufl., 2001). Gerber, Carl Friedrich: Ueber öffentliche Rechte; unveränderter Nachdruck der 1852 erschienenen 1. Aufl.; Tübingen 1913. Gerhardt, Michael: Aus der neueren Rechtsprechung zum Atom-, Immissionsschutzund Abfallrecht; in: DVBl. 1989, 125-139. – Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften; in: NJW 1989, 2233-2240. Gern, Alfons: Deutsches Kommunalrecht; 2. Aufl., Baden-Baden 1997. Gern, Alfons / Berger, Martin: Die Rechtsnatur kommunaler Geschäftsordnungen; in: VBlBW 1983, 165-166. Giacometti, Zaccaria: Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts (Allgemeines Verwaltungsrecht des Rechtsstaates), 1. Band; Zürich 1960. Gierke, Otto von: Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft; in: Schmollers Jahrbuch n. F. Bd. VII (1883), 1097-1195; unveränderter Nachdruck, 2. Aufl., Darmstadt 1961.
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– Deutsches Privatrecht, Erster Band (Allgemeiner Teil und Personenrecht); Leipzig 1895. – Die Grundbegriffe des Staatsrechts und die neuesten Staatsrechtstheorien; unveränderter Abdruck der in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1874 Heft 1 und 2 erschienenen Abhandlung, Tübingen 1915 (zitiert: v. Gierke, Die Grundbegriffe des Staatsrechts, 1915). Giesberts, Ludger / Hilf, Juliane: EG-rechtliche und verfassungsrechtliche Zulässigkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften: Die LAGA-Abfalliste auf dem Prüfstand; in: UPR 1999, 168-172. Giese, Friedrich: Die Verfassung des Deutschen Reiches: Taschenausgabe für Studium und Praxis; 8. Aufl., Berlin 1931. – Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949; 4. Aufl., Frankfurt/M. 1955. Gneist, Rudolf: Soll der Richter auch über die Frage zu befinden haben, ob ein Gesetz verfassungsmäßig zu Stande gekommen? (1863); in: Gerd Roellecke (Hrsg.), Zur Problematik der höchstrichterlichen Entscheidung; Darmstadt 1982; S. 24-55. Görg, Hubert: Bundesauftragsangelegenheiten der Gemeinden und Gemeindeverbände und ihre Pflichtaufgaben nach Weisung; in: DÖV 1961, 41-46. Görisch, Christoph: Die Inhalte des Rechtsstaatsprinzips; in: JuS 1997, 988-992. Gornig, Gilbert: Die sachbezogene hoheitliche Maßnahme. Auch ein Beitrag zur Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG; Berlin 1985. Götz, Heinrich: Der Wirkungsgrad verfassungswidriger Gesetze; in: NJW 1960, 117118. Götz, Volkmar: Das Grundrecht auf Rechtsanwendungsgleichheit und der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz; in: DVBl. 1968, 93-97. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 26.4.1979 – 3 C 111.79 –; in: DVBl. 1979, 882-883. – Der allgemeine Gleichheitssatz und die Rechtsanwendung im Verwaltungsrecht; in: NJW 1979, 1478-1483. Grabitz, Eberhard: Freiheit und Verfassungsrecht. Kritische Untersuchungen zur Dogmatik und Theorie der Freiheitsrechte; Tübingen 1976. Grabitz, Eberhard / Hilf, Meinhard: Das Recht der Europäischen Union, Band I (EUV/EGV), Band II (EUV/EGV); München, Stand: 22. Erg.-Lfg. (August 2003) (zitiert: Bearbeiter, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU). Grafe, Walter: Die kommunale Selbstverwaltung und das Bundesverfassungsgericht; in: Der Städtetag 1951, 125-127. Gramlich, Ludwig: Abschied vom „vorverfassungsmäßigen Gesamtbild“; in: DVBl. 1980, 531-538. Grewe, Wilhelm: Inwieweit läßt Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes eine Reform des Beamtenrechts zu?; in: Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages (Stuttgart 1951), hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages; Tübingen 1952; S. D3-D32. Grimm, Dieter: Aktuelle Tendenzen in der Aufteilung gesetzgeberischer Funktionen zwischen Parlament und Regierung; in: ZParl 1 (1970), 448-466.
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– Die Aufgabenverteilung zwischen Justiz und Verwaltung bei der Genehmigung kerntechnischer Anlagen; in: Shirley van Buiren/Eike Ballerstedt/Dieter Grimm, Richterliches Handeln und technisches Risiko: Studie des Fachbereichs „Mensch und Technik“, Battelle-Institut e. V. Frankfurt am Main im Auftrag des Bundesministers des Innern; Baden-Baden 1982; S. 25-62. Groeben, Hans von der / Schwarze, Jürgen (Hrsg.): Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft; Band 1 (Art. 1-53 EUV, Art. 1-80 EGV), 6. Aufl., Baden-Baden 2003; Band 2 (Art. 81-97 EGV), 6. Aufl., Baden-Baden 2003; Band 4 (Art. 189-314 EGV), 6. Aufl., BadenBaden 2004 (zitiert: Bearbeiter, in: von der Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag). Gronefeld, Volker: Preisgabe und Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals; Berlin 1972. Gröschner, Rolf: Dialogik und Jurisprudenz. Die Philosophie des Dialogs als Philosophie der Rechtspraxis; Tübingen 1982. Groß, Gerhard: Inzidente Normenkontrolle durch die Exekutive?; Diss. München 1967. Groß, Rolf: Die Rechtsqualität der Sonderverordnungen für besondere Gewaltverhältnisse und der Organisationsbestimmungen; in: NJW 1969, 2186-2187. – Zur originären Rechtsetzung der Exekutive; in: DÖV 1971, 186-190. Grossrau, Eberhard: Ist die Strafgewalt und die Bußgeldkompetenz von Verwaltungsbehörden mit Art. 92 GG vereinbar?; in: NJW 1958, 929-932. Grünwald, Gerald: Bedeutung und Begründung des Satzes „nulla poena sind lege“; in: ZStW 76 (1964), 1-18. Guckelberger, Annette: Zum methodischen Umgang mit Verwaltungsvorschriften; in: Die Verwaltung 35 (2002), 61-89. Günther, Hellmuth: Folgepflicht, Remonstration und Verantwortlichkeit des Beamten – Eine Skizze zur fachlichen Weisung –; ZBR 1988, 297-317. Gusy, Christoph: Der Vorrang des Gesetzes; in: JuS 1983, 189-194. – Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht; Berlin 1985. – „Antizipierte Sachverständigengutachten“ im Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren; in: NuR 1987, 156-165. – Administrativer Vollzugsauftrag und justizielle Kontrolldichte im Recht der Technik; in: DVBl. 1987, 497-505. – Leistungen und Grenzen technischer Regeln – am Beispiel der Technischen Baunormen –; in: VerwArch 79 (1988), 68-84. – Die untergesetzliche Rechtsetzung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz aus verfassungsrechtlicher Sicht; in: Hans-Joachim Koch/Rainer Lechelt (Hrsg.), Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, Baden-Baden 1994; S. 185-216. – Probleme der Verrechtlichung technischer Standards; in: NVwZ 1995, 105-112. Guttenberg, Ulrich: Unmittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften? – EuGH, NVwZ 1991, 866 und 868; in: JuS 1993, 1006-1011. Gwyn, W. B.: The Meaning of the Separation of Powers. An Analysis of the Doctrine from its Origin to the Adoption of the United States Constitution; New Orleans und The Hague 1965. Häberle, Peter: Grundrechte im Leistungsstaat (2. Mitbericht); in: VVDStRL 30 (1972), S. 43-131.
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Habscheid, Walther J.: Die Zivilrechtspflege im Spannungsfeld verfassungsrechtlicher Grundsätze; in: JR 1958, 361-367. Haenel, Albert: Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne; Leipzig 1888. – Deutsches Staatsrecht. Erster Band (Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt); Leipzig 1892. Hager, Günter: Umweltschäden – ein Prüfstein für die Wandlungs- und Leistungsfähigkeit des Deliktsrechts; in: NJW 1986, 1961-1971. Hailbronner, Kay: Der Nachzug ausländischer Familienangehöriger und die Schutzpflicht für Ehe und Familie; in: JZ 1983, 574-585. Hainmüller, Dietmar: Der Anscheinsbeweis und die Fahrlässigkeitstat im heutigen deutschen Schadensersatzprozeß; Tübingen 1966. Hakenberg, Waltraud: Grundzüge des Europäischen Gemeinschaftsrechts; 3. Aufl., München 2003. Hallier, Hans Joachim: Die Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen und Verordnungen in der Bundesrepublik Deutschland; in: AöR 85 (1960), 391-422. Hamann, Andreas: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949: Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis; 1. Aufl., Berlin et al. 1956. Hamann jr., Andreas: Rechtsfragen zu ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften; in: VerwArch 73 (1982), 28-36. Hamann jr., Andreas / Lenz, Helmut: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949: Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis; begr. von Andreas Hamann, fortgef. von Andreas Hamann jr. und Helmut Lenz; 3. Aufl., Neuwied und Berlin 1970 (zitiert: Bearbeiter, in: Hamann jr./Lenz, GG, 3. Aufl., 1970). Hammer, Wilhelm: Technische „Normen“ in der Rechtsordnung; in: MDR 1966, 977981. Hanning, August: Umweltschutz und überbetriebliche Normung; Köln et al. 1976. Hansen, Hans-Jürgen: Fachliche Weisung und materielles Gesetz: Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Gewaltenteilung, zum Gesetzmäßigkeitsprinzip und zum Vorbehalt des (formellen) Gesetzes; Hamburg 1971. Hansmann, Klaus: Verwaltungshandeln und Strafverfolgung – konkurrierende Instrumente des Umweltrechts?; in: Dokumentation zum 9. Deutschen Verwaltungsrichtertag 1989, hrsg. vom Bund Deutscher Verwaltungsrichter, Stuttgart et al. 1989; S. 217-231. – Verwaltungshandeln und Strafverfolgung – konkurrierende Instrumente des Umweltrechts?; in: NVwZ 1989, 913-918. – Die Umsetzung von EG-Umweltschutzrichtlinien durch Verwaltungsvorschriften – Probleme und Alternativen im Anschluß an die Entscheidungen des EuGH zu den Richtlinien über die Grenzwerte für Schwefeldioxid/Blei; in: UTR 17 (1992), 21-33. – TA Luft 2002; in: NVwZ 2002, 1208-1209. – Die neue TA Luft; in: NVwZ 2003, 266-274. Hantke, Heike: Bundesstaatliche Fragen des Energierechts unter besonderer Berücksichtigung des hessischen Energiespargesetzes; Stuttgart et al. 1990. Hartung, Fritz: Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart; 9. Aufl., Stuttgart 1969.
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Hauber, Rudolf: Umweltstrafrecht und Umweltkriminalität – Eine Einführung; in: VR 1989, 109-116. Hauck: Die rechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen; in: NJW 1957, 809-812. Haug, Rüdiger: Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bei mittelbarer Verletzung eines Grundrechts; Diss. Würzburg 1971. Haug, Volker: Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen; Berlin 1994. Haun, Diether: Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten; Frankfurt/M. 1972. Hausen, Heinz von: Nochmals: Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers aus Art. 84 und 85 GG; in: DÖV 1960, 1-6. – Zur Diskussion über die Bundeszuständigkeit aus Art. 84 und 85 GG; in: DÖV 1960, 441-444. Haverkate, Görg: Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem (2. Mitbericht); in: VVDStRL 46 (1988), S. 217-258. – Verfassungslehre: Verfassung als Gegenseitigkeitsordnung; München 1992. Heck, Philipp: Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz; Tübingen 1914. Hegel, Georg W. Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts (Berlin 1821); in: Sämtliche Werke, hrsg. von Johannes Hoffmeister, Band XII; 4. Aufl., Hamburg 1955. Hegenbarth, Rainer: Juristische Hermeneutik und linguistische Pragmatik: dargestellt am Beispiel der Lehre vom Wortlaut als Grenze der Auslegung; Königstein/Ts. 1982. Heine, Günter / Meinberg, Volker: Das Umweltstrafrecht – Grundlagen und Perspektiven einer erneuten Reform; in: GA 1990, 1-33. Heintzen, Markus: Das Rangverhältnis von Rechtsverordnung und Satzung; in: Die Verwaltung 29 (1996), 17-45. Heinz, Wolfgang: Probleme des Umweltstrafrechts im Spiegel der Literatur; in: NStZ 1981, 253-257. Heinze, Christian: Gesetzesähnliche Wirkung von Verwaltungsvorschriften?; in: BB 1976, 772. Heitsch, Christian: Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder; Tübingen 2001. Held, Kurt: Der autonome Verwaltungsstil der Länder und das Bundesratsveto nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes; in: AöR 80 (1955/56), 50-80. Heller, Hermann: Der Begriff des Gesetzes in der Reichsverfassung (1. Bericht); in: VVDStRL 4 (1928), S. 98-135. Hellingman, Kees: State Participation as State Aid under Article 92 of the EEC Treaty: The Commission’s Guidelines; in: CMLR 23 (1986), 111-133. Helmers, Dieter: Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 17.2.1972 – VIII C 66/70 –; in: NJW 1972, 2012-2013. Hendler, Reinhard: Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung technischer Standards im Umweltrecht; in: UTR 40 (1997), 55-82.
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– Umweltrechtliche Grenzwerte in der Gerichts- und Verwaltungspraxis; in: DÖV 1998, 481-491. Henke, Wilhelm: Das subjektive öffentliche Recht; Tübingen 1958. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25.2.1972 – VII C 20.71 –; in: JZ 1972, 626628. – Recht und Staat. Grundlagen der Jurisprudenz; Tübingen 1988. Henkel, Heinrich: Das Problem der Rechtsgeltung; in: Dimensionen des Rechts. Gedächtnisschrift für René Marcic, Erster Band; hrsg. von Michael Fischer, Raimund Jakob, Erhard Mock, Helmut Schreiner; Berlin 1974; S. 63-87. – Einführung in die Rechtsphilosophie: Grundlagen des Rechts; 2. Aufl, München 1977. Hennecke, Frank: Anmerkung zu HessVGH, Beschluß vom 18.8.1976 – VI TG 368/76 –; in: DÖV 1977, 214-215. – Anmerkung zu BayVerfGH, Entscheidung vom 27.5.1981 – Vf. 15-VII-80 u. a. –; in: DÖV 1982, 696-697. Henning, Siegward: Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; Diss. Göttingen 1981. Henselder, Ruth: Vorschriften zur Reinhaltung der Luft – TA Luft – Fassung vom 27. Februar 1986; Bonn 1986. Henseler, Paul: Das Recht der Abwasserbeseitigung; Köln et al. 1983. Herberger, Maximilian / Simon, Dieter: Wissenschaftstheorie für Juristen: Logik – Semiotik – Erfahrungswissenschaften; Frankfurt/M. 1980. Herdegen, Matthias: Europarecht; 5. Aufl., München 2003. Herschel, Wilhelm: Regeln der Technik; in: NJW 1968, 617-623. – Rechtsfragen der Technischen Überwachung; 2. Aufl., Heidelberg 1980. Herzog, Roman: Allgemeine Staatslehre; Frankfurt/M. 1971. Hesse, Konrad: Der Rechtsstaat im Verfassungssystem des Grundgesetzes; in: Konrad Hesse/Siegfried Reicke/Ulrich Scheuner (Hrsg.), Staatsverfassung und Kirchenordnung. Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag am 15. Januar 1962, Tübingen 1962; S. 71-95. – Bedeutung der Grundrechte; in: Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland; 2. Aufl. unter Mitwirkung von Konrad Hesse und Wolfgang Heyde, Berlin und New York 1994; § 5 (S. 127-160) (zitiert: Hesse, in: HdbVerf, 2. Aufl., 1994, § 5). – Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland; Neudruck der 20. Aufl., Heidelberg 1999. Heun, Werner: Staatshaushalt und Staatsleitung: Das Haushaltsrecht im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes; Baden-Baden 1989. Heusler, Andreas: Institutionen des Deutschen Privatrechts, Erster Band; Leipzig 1885. Heußner, Hermann: Folgen der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes ohne Nichtigerklärung; in: NJW 1982, 257-263.
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Heyde, Wolfgang: Rechtsprechung; in: Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel unter Mitwirkung von Konrad Hesse/Wolfgang Heyde; 2. Aufl., Berlin und New York 1994; § 33 (S. 1579-1636). Heydt, Volker: Zum Verkündungswesen im demokratischen Rechtsstaat; in: Demokratie und Verwaltung. 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer; Berlin 1972; S. 463-482. Hilf, Meinhard: Die Richtlinie der EG – ohne Richtung, ohne Linie? Hans Peter Ipsen zum 85. Geburtstag; in: EuR 28 (1993), 1-22. Hill, Hermann: Einführung in die Gesetzgebungslehre; Heidelberg 1982. – Zur Dogmatik sog. Heilungsvorschriften im Kommunalverfassungsrecht; in: DVBl. 1983, 1-7. – Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen (§ 44 a VwGO); in: Jura 1985, 61-66. – Verfahrensermessen der Verwaltung; in: NVwZ 1985, 449-456. – Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht; Heidelberg 1986. – Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften; in: NVwZ 1989, 401-410. Himmelmann, Steffen: Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die Umsetzung von EGRecht – Zu den Auswirkungen des neuesten Rechtsprechung von EuGH und Bundesverwaltungsgericht auf die nationale Umsetzungspraxis –; in: DÖV 1996, 145151. Hobe, Stephan: Europarecht; Köln et al. 2002. Hoerster, Norbert: Die rechtsphilosophische Lehre vom Rechtsbegriff; in: JuS 1987, 181-188. Hoffmann, Gerhard: Die Verwaltung und das verfassungswidrige Gesetz; in: JZ 1961, 193-205. – Verfassungsbezogenes Richterrecht und Verfassungsrichterrecht; in: Dietrich Bikkel/Walther Hadding/Volker Jahnke/Gerhard Lüke (Hrsg.), Recht und Rechtserkenntnis. Festschrift für Ernst Wolf zum 70. Geburtstag, Köln et al. 1985; S. 183221. Hoffmann-Riem, Wolfgang: Selbstbindungen VVDStRL 40 (1982), S. 187-239.
der Verwaltung (2. Bericht);
in:
Hofmann, Max / Grabherr, Edwin: Luftverkehrsgesetz: Kommentar; 2. Aufl., München, Stand: 4. Lfg. (20. November 1997). Hofmann, Rainer: Rechtsstaatsprinzip und Europäisches Gemeinschaftsrecht; in: Rainer Hofmann/Joseph Marko/Franz Merli/Ewald Wiederin, Rechtsstaatlichkeit in Europa; Heidelberg 1996; S. 321-336. Holleben, Horst von: Der Standort industrieller Anlagen unter dem Gesichtspunkt des § 5 Nr. 1 BImSchG – Bemerkung zum Voerde-Urteil des OVG Münster –; in: GewArch 1977, 45-49. Hömig, Dieter: Mitentscheidungsrechte des Bundestages beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften des Bundes?; in: DVBl. 1976, 858-863. Honnacker, Heinz / Grimm, Gottfried: Geschäftsordnung der Bundesregierung: Kommentar; München 1969.
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Schrifttumsverzeichnis
Hoppe, Werner: Umsetzungen von Richtlinien der EU durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften? – Die Technische Anleitung Siedlungsabfall auf dem europarechtlichen Prüfstand; in: Jörn Ipsen/Bernhard Stüer (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung in Europa: Symposium aus Anlaß des 60. Geburtstages von Professor Dr. Hans-Werner Rengeling, 6. März 1998, Köln et al. 1999; S. 5-24. Hoppe, Werner / Appold, Wolfgang: Umweltverträglichkeitsprüfung – Bewertung und Standards aus rechtlicher Sicht; in: DVBl. 1991, 1221-1225. Hoppe, Werner / Beckmann, Martin / Kauch, Petra: Umweltrecht. Juristisches Kurzlehrbuch für Studium und Praxis; 2. Aufl., München 2000. Hoppe, Werner / Otting, Olaf: Verwaltungsvorschriften als ausreichende Umsetzung von rechtlichen und technischen Vorgaben der Europäischen Union?; in: NuR 1998, 61-69. Horn, Dieter: Rechtssprache und Kommunikation. Grundlegung einer semantischen Kommunikationstheorie; Berlin 1966. Horn, Eckhard: Umweltschutz durch Strafrecht; in: NuR 1988, 63-67. Horn, Hans-Detlef: Experimentelle Gesetzgebung unter dem Grundgesetz; Berlin 1989. – Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung. Zur Dogmatik des Verhältnisses zwischen Gesetz, Verwaltung und Individuum unter dem Grundgesetz; Tübingen 1999. – Über den Grundsatz der Gewaltenteilung in Deutschland und Europa; in: JöR N. F. 49 (2001), 287-298. – Gewaltenteilige Demokratie, demokratische Gewaltenteilung – Überlegungen zu einer Organisationsmaxime des Verfassungsstaates –; in: AöR 127 (2002), 427-459. Horn, Hans-Rudolf: Rechtsstaat und Elektrizität – Zum Kraftwerkverbot des OVG Münster –; in: DVBl. 1977, 13-19. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 17.2.1978 – 1 C 102/76 –; in: NJW 1978, 24092410. Huber, Bertold: Die Entwicklung des Ausländer- und Arbeitserlaubnisrechts im Jahre 1983; in: NJW 1984, 2008-2016. – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz in Kraft getreten; in: NVwZ 2000, 1386-1388. Huber, Ernst Rudolf (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1 (Deutsche Verfassungsdokumente 1803-1850); 3. Aufl., Stuttgart et al. 1978. – Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789; Band I (Reform und Restauration 1789 bis 1830), 2. Aufl., Stuttgart et al. 1967; Band II (Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850), 2. Aufl., Stuttgart et al. 1968; Band III (Bismarck und das Reich), 3. Aufl., Stuttgart et al. 1988. Huber, Hans: Die Ausführung von Bundesgesetzen durch Gemeinden und Gemeindeverbände; Diss. München 1965. Huber, Konrad: Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz. Eine Studie zum rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff; Berlin 1963. Huber, Peter M.: Der Immissionsschutz im Brennpunkt modernen Verwaltungsrechts. Fünfzehn Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz; in: AöR 114 (1989), 252-307. – Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht: Schutzanspruch und Rechtsschutz bei Lenkungs- und Verteilungsentscheidungen der öffentlichen Verwaltung; Tübingen 1991.
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– Zur Notwendigkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften. Grundsätzliche Überlegungen am Beispiel des Mietspiegels; in: ZMR 1992, 469-478. – Die Verwaltungsgerichte und der Mietspiegel; in: JZ 1996, 893-900. – Die TA Siedlungsabfall und ihre Bindungswirkung – Zulässigkeit, Voraussetzungen und Umfang einer Ablagerung nicht TASi-gerechter Abfälle zur Beseitigung über das Jahr 2005 hinaus; Köln et al. 2000. Hubrich, Eduard: Das demokratische Verfassungsrecht des deutschen Reiches: ein Lehrbuch; Greifswald 1921. Hübschmann, Walter / Hepp, Ernst / Spitaler, Armin: Abgabenordnung. Finanzgerichtsordnung: Kommentar; bearb. von Hartmut Söhn et al.; 10. Aufl., Köln 1995 (zitiert: Bearbeiter, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO [FGO], 10. Aufl., 1995). Hufen, Friedhelm: Heilung und Unbeachtlichkeit grundrechtsrelevanter Verfahrensfehler? Zur verfassungskonformen Auslegung der §§ 45 und 46 VwVfG; in: NJW 1982, 2160-2169. – Verwaltungsprozessrecht; 5. Aufl., München 2003 (zitiert: Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl., 2003). – Fehler im Verwaltungsverfahren: Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis; 4. Aufl., Baden-Baden 2002 (zitiert: Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., 2002). Husen, Paulus van: Die Entfesselung der Dritten Gewalt; in: AöR 78 (1952/53), 49-62. Imboden, Max: Montesquieu und die Lehre der Gewaltentrennung. Vortrag gehalten vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 27. Mai 1959; Berlin 1959. Ipsen, Hans Peter: Öffentliche Subventionierung Privater; in: DVBl. 1956, 461-469. – Richtlinien-Ergebnisse; in: Walter Hallstein/Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Zur Integration Europas. Festschrift für Carl Friedrich Ophüls aus Anlaß seines siebzigsten Geburtstages, Karlsruhe 1965; S. 67-84. – Verwaltung durch Subventionen (1. Bericht); in: VVDStRL 25 (1967), S. 257-307. – Europäisches Gemeinschaftsrecht; Tübingen 1972. Ipsen, Jörn: Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt; BadenBaden 1980. – Staatsrecht II (Grundrechte); 4. Aufl., Neuwied und Kriftel 2001. – Allgemeines Verwaltungsrecht; 3. Aufl., Köln et al. 2003. Isensee, Josef: Der Beamte zwischen Parteifreiheit und Verfassungstreue: Zur Vereinbarkeit der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei mit dem Beamtenstatus; in: JuS 1973, 265-272. – Verwaltungsraison gegen Verwaltungsrecht. Antinomien der Massenverwaltung in der typisierenden Betrachtungsweise des Steuerrechts; in: StuW 1973, 199-206. – Die typisierende Verwaltung. Gesetzesvollzug im Massenverfahren am Beispiel der typisierenden Betrachtungsweise des Steuerrechts; Berlin 1976. – Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht; in: Josef Isensee/ Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), Heidelberg 1992; § 111 (S. 143-241) (zitiert: Isensee, in: HStR V, 1992, § 111).
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– Öffentlicher Dienst; in: Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel unter Mitwirkung von Konrad Hesse; 2. Aufl., Berlin und New York 1994; § 32 (S. 15271577) (zitiert: Isensee, in: HdbVerf, 2. Aufl., 1994, § 32). – Rechtsstaat – Vorgabe und Aufgabe der Einigung Deutschlands; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band IX (Die Einheit Deutschlands – Festigung und Übergang), Heidelberg 1997; § 202 (S. 3-128) (zitiert: Isensee, in: HStR IX, 1997, § 202). – Staatsziel Quäntchen. Die Rechtschreibung und die Verfassung; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 207 vom 6.9.1997, S. 33. Jachmann, Monika: Die Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften: Anmerkungen zu einer Rechtsetzungsfunktion der rechtsanwendenden Verwaltung aus methodologischer sowie verfassungsrechtlicher Sicht; in: Die Verwaltung 28 (1995), 17-31. – Zur Anwendung typisierender Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht. Zugleich eine Anmerkung zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28.6.1993 – 1 BvR 390/89; in: StuW 1994, 347-353. – Zur Rechtsnatur der Beihilfevorschriften; in: ZBR 1997, 342-350. Jacobi, Erwin: Das Verordnungsrecht im Reiche seit dem November 1918; in: AöR 39 (1920), 273-361. Jaehnike, Götz: Die Bindung der Finanzgerichte an Verwaltungsvorschriften; in: StuW 1979, 293-304. Jaenke, Günter: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht – Die Bedeutung der Richtlinien –; Düsseldorf 1959. Jamrath, Thomas: Normenkontrolle der Verwaltung und Europäisches Gemeinschaftsrecht; Starnberg-Percha 1993. Janz, Norbert: Das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 GG: Inhalt, Grenzen und haftungsrechtliche Dimensionen; Berlin 2003. Jarass, Hans D.: Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung; München 1975. – Schädliche Umwelteinwirkungen – Inhalt und Grenzen eines Kernbegriffs des Immissionsschutzrechts –; in: DVBl. 1983, 725-732. – Der rechtliche Stellenwert technischer und wissenschaftlicher Standards. Probleme und Lösungen am Beispiel der Umweltstandards; in: NJW 1987, 1225-1231. – Das untergesetzliche Regelwerk im Bereich des Atom- und Strahlenschutzrechts; in: Rudolf Lukes (Hrsg.), Reformüberlegungen zum Atomrecht; Köln et al. 1991; S. 367-454. – Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien; in: NJW 1991, 2665-2669. – Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts; in: EuR 26 (1991), 211-223. – Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht (2. Bericht); in: VVDStRL 50 (1991), S. 238-274. – Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts: die Vorgaben des Rechts der Europäischen Gemeinschaft für die nationale Rechtsanwendung und die nationale Rechtsetzung nach Maastricht; Köln et al. 1994.
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– Wirtschaftsverwaltungsrecht: mit Wirtschaftsverfassungsrecht; mitbearb. von Matthias Locher, Olaf Reidt und Christian Tünnesen-Harms; 3. Aufl., Neuwied et al. 1997. – Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften; in: JuS 1999, 105-112. – Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Kommentar; 3. Aufl., München 1995; 4. Aufl., München 1999; 5. Aufl., München 2002. – Inhalte und Wirkungen der TA Siedlungsabfall. Zugleich ein Beitrag zu den rechtlichen Wirkungen der Verwaltungsvorschriften; Berlin 1999. Jarass, Hans D. / Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Kommentar; 6. Aufl., München 2002 (zitiert: Bearbeiter, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002). Jarass, Hans D. / Ruchay, Dietrich / Weidemann, Clemens (Hrsg.): Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz (KrW-/AbfG): Kommentar, Loseblatt-Ausgabe, Band III (Kommentierungen der §§ 40-64 KrW-/AbfG, Einführung in das Abfallverbringungsrecht, Rechtsprechung); München Stand: 13. Lfg. (1. September 2003). Jeglin, Brigitte: Der Sonderstatus des Beamten in der parlamentarischen Demokratie; Diss. Hamburg 1962. Jekewitz, Jürgen: Die politische Sachherrschaft bei Rechtsverordnungen und der Bundesrat; in: Recht und Politik 29 (1993), 72-79. – Deutscher Bundestag und Rechtsverordnungen; in: NVwZ 1994, 956-960. Jellinek, Georg: Gesetz und Verordnung. Staatsrechtliche Untersuchungen auf rechtsgeschichtlicher und rechtsvergleichender Grundlage; Freiburg 1887. – Rezension zu Gerhard Anschütz, Die gegenwärtigen Theorieen über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt und den Umfang des königlichen Verordnungsrechts nach preußischem Staatsrecht, 2. Auf., 1901; in: VerwArch 12 (1904), 264-268. – System der subjektiven öffentlichen Rechte; 2. Aufl., Tübingen 1905. – Allgemeine Staatslehre; 4. Aufl., Berlin 1922. Jellinek, Hansjörg: Ermessensausübung durch Verwaltungsvorschriften. Bericht über die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates vom 11.3.1980; in: ZRP 1981, 68-70. – Veröffentlichung von verwaltungsinternen Ermessensrichtlinien; in: NJW 1981, 2235. Jellinek, Walter: Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung. Zugleich ein System der Ungültigkeitsgründe von Polizeiverordnungen und -verfügungen. Eine staats- und verwaltungsrechtliche Abhandlung; Tübingen 1913. – Verfassung und Verwaltung des Reichs und der Länder; Leipzig und Berlin 1925. – Verwaltungsrecht; 3. Aufl., Berlin 1931. Jesch, Dietrich: Unbestimmter Rechtsbegriff und Ermessen in rechtstheoretischer und verfassungsrechtlicher Sicht; in: AöR 82 (1957), 163-249. – Anmerkung zu BFH, Urteil vom 14.8.1958 – I 39/57 U –; in: JZ 1960, 282-285. – Rechtsstellung und Rechtsschutz der Gemeinden bei der Wahrnehmung „staatlicher Aufgaben“; in: DÖV 1960, 739-746. – Gesetz und Verwaltung. Eine Problemstudie zum Wandel des Gesetzmäßigkeitsprinzips; 2. Aufl., Tübingen 1968.
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Jescheck, Hans-Heinrich / Ruß, Wolfgang / Willms, Günther (Hrsg.): Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. Großkommentar, Erster Band (Einleitung, §§ 1 bis 31); 10. Aufl., Berlin und New York 1985 (zitiert: Bearbeiter, in: LK, StGB, 10. Aufl.). Jessnitzer, Kurt / Ulrich, Jürgen: Der gerichtliche Sachverständige: Ein Handbuch für die Praxis; begr. von Kurt Jessnitzer, fortgef. von Günter Frieling, bearb. von Jürgen Ulrich; 11. Aufl., Köln et al. 2001. Jestaedt, Matthias: Demokratieprinzip und Kondominalverwaltung: Entscheidungsteilhabe Privater an der öffentlichen Verwaltung auf dem Prüfstand des Verfassungsprinzips Demokratie; Berlin 1993. Jestaedt, Thomas / Häsemeyer, Ulrike: Die Bindungswirkung von Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien im EG-Beihilfenrecht; in: EuZW 1995, 787-792. Jestaedt, Thomas / Miehle, Andreas: Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten; in: EuZW 1995, 659-664. Jobs, A. Thorsten: Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 8.4.1997 – 3 C 6.95 –; in: JA 1998, 545-548. Jobst, Heinz: Die Eigenständigkeit der Gemeinde; in: BayVBl. 1960, 201-205. Joerges, Rudolf: Zur Philosophie der Rechtsquellen; in: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie XVII (1923/24), 431-448. Johlen, Markus: Die Beeinflussung privater Immissionsabwehransprüche durch das öffentliche Recht; München 2001. Juchum, Gerhard: Verwaltungsvorschriften im Einkommenssteuerrecht. Ein kritischer Bericht aus der Praxis; in: ZG 6 (1991), 56-72. Kadelbach, Stefan: Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß; Tübingen 1999. Kägi, Oskar Werner: Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte und Verfassungslehre; Zürich 1937. Kahl, Wolfgang: Der EuGH als „Motor des europäischen Umweltschutzes“?; in: ThürVBl. 1994, 256-261. Kalisch, Werner: Grundrechte und Berufsbeamtentum nach dem Bonner Grundgesetz; in: AöR 78 (1952/53), 334-354. Kalmbach, Siegfried / Schmölling, Jürgen: Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft: TA Luft mit Erläuterungen; Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen; Verordnung über Großfeuerungsanlagen; Verordnung über Abfallverbrennungsanlagen; 4. Aufl., Berlin 1994. Kämmerer, Jörn Axel: Europäisierung des öffentlichen Dienstrechts; in: EuR 36 (2001), 27-48. Kampe, Georg: Verwaltungsvorschriften und Steuerprozeß: Eine Untersuchung über die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften und ihre Bedeutung für den Rechtsschutz im Steuerrecht; Diss. Göttingen 1965. Kant, Immanuel: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (Königsberg 1793); in: Werke in zehn Bänden, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Band 9; Darmstadt 1975; S. 125-172. – Die Metaphysik der Sitten, Erster Theil: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (2. Aufl., Königsberg 1798); in: Werke in zehn Bänden, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Band 7; Darmstadt 1975; S. 305-499.
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Kanzler, Hans-Joachim: Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 31.5.1988 – 1 BvR 520/83 –; in: FR 1988, 677-678. Karpen, Hans-Ulrich: Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik; Berlin 1970. – Zum gegenwärtigen Stand der Gesetzgebungslehre in der Bundesrepublik Deutschland; in: ZG 1 (1986), 5-32. Kaster, Georg: Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis: Ein Beitrag zur Problematik paralleler Gestattungsverfahren und Umweltstandards setzender normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften; Berlin 1996. Kaufmann, Arthur: Freirechtsbewegung – lebendig oder tot? Ein Beitrag zur Rechtstheorie und Methodenlehre; in: JuS 1965, 1-9. – Durch Naturrecht und Rechtspositivismus zur juristischen Hermeneutik; in: JZ 1975, 337-341. – Rechtsphilosophie; 2. Aufl., München 1997. Kaufmann, Erich: Artikel „Verwaltung, Verwaltungsrecht“; in: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Dritter Band; begr. von Professor Dr. Karl Freiherrn von Stengel, hrsg. von Prof. Dr. Max Fleischmann; 2. Aufl., Tübingen 1914; S. 688-718. Kautz, Steffen: Verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften und ihre unterschiedliche Bindungswirkung; in: GewArch 2000, 230-239. Keller, Rolf: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Amtsträgers für fehlerhafte Genehmigungen im Umweltrecht; in: Heinz Eyrich/Walter Odersky/Franz Jürgen Säkker (Hrsg.), Festschrift für Kurt Rebmann zum 65. Geburtstag, München 1989; S. 241-257. Kellermann, Otto-August: Struktur und Zustandekommen sicherheitsrelevanter Bestimmungen in technischen Regelwerken für kerntechnische Anlagen; in: Fritz Nicklisch/ Dieter Schottelius/Hellmut Wagner (Hrsg.), Die Rolle des wissenschaftlich-technischen Sachverstands bei der Genehmigung chemischer und kerntechnischer Anlagen, Heidelberg 1982; S. 51-65. Kellner, Hugo: Zum Beurteilungsspielraum. Zugleich ein Beitrag zu den Verhandlungen der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Deutschen Juristentages 1962 über Zusagen in der öffentlichen Verwaltung; in: DÖV 1962, 572-583. Kelsen, Hans: Hauptprobleme der Staatsrechtslehre. Entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze; 2. Aufl., Tübingen 1923. – Allgemeine Staatslehre; Berlin 1925; Nachdruck Bad Homburg v. d. H. 1966. – Reine Rechtslehre. Mit einem Anhang: Das Problem der Gerechtigkeit; 2. Aufl., Wien 1960. – Zum Begriff der Norm; in: Rolf Dietz/Heinz Hübner, Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 70. Geburtstag: 21. Januar 1965, Band I, München und Berlin 1965; S. 57-70 (zitiert: Kelsen, in: Festschrift für H. C. Nipperdey, 1965). Kempf, Eberhard: Grundrechte im besonderen Gewaltverhältnis – BVerfG, NJW 1972, 811; in: JuS 1972, 701-706. Ketteler, Gerd: Veröffentlichungspflicht und Anspruch auf Bekanntgabe von Verwaltungsvorschriften; in: VR 1983, 174-180.
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Kimminich, Otto: Die Rückwirkung von Gesetzen. Zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.1961; in: JZ 1962, 518-524. – Die Verbindlichkeit mündlicher Zusagen im Verwaltungsrecht – BVerwGE 1, 254; in: JuS 1963, 268-273. – Deutsche Verfassungsgeschichte; 2. Aufl., Baden-Baden 1987. Kind, Hansgeorg: Ist die gesetzliche Verpflichtung der Exekutive zur (letztverbindlichen) Auslegung eines „unbestimmten Rechtsbegriffes“ durch Allgemeine Verwaltungsvorschriften verfassungswidrig? – Probleme der Neuregelung des § 7 a WHG? –; in: DÖV 1988, 679-685. Kirchhof, Paul: Rechtsquellen und Grundgesetz; in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Zweiter Band (Verfassungsauslegung); hrsg. von Christian Starck in Gemeinschaft mit Martin Drath, Ernst Friesenhahn, Wilhelm Karl Geck, Gerhard Leibholz, Gerd Roellecke, Hans F. Zacher und Konrad Zweigert, Tübingen 1976; S. 50107. – Die Bestimmtheit und Offenheit der Rechtssprache. Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 29. April 1987; Berlin und York 1987. Kisker, Gunter: Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1. Bericht); in: VVDStRL 32 (1974), S. 149-199. – Diskussionsbeitrag; in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages 1976, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Band II (Sitzungsberichte), München 1976; S. M82-M83. – Neue Aspekte im Streit um den Vorbehalt des Gesetzes; in: NJW 1977, 1313-1320. Kissel, Otto Rudolf: Gerichtsverfassungsgesetz. Kommentar; 3. Aufl., München 2001. Klein, Eckart: Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 15.7.1969 – 2 BvF 1/64 –, in: DVBl. 1970, 109-111. Klein, Eckhart: Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten; in: Der Staat 33 (1994), 39-57. Klein, Franz: Gleichheitssatz und Steuerrecht: Eine Studie über Gleichheit und Gerechtigkeit der Besteuerung im System des Grundgesetzes; Köln-Marienburg 1966. – Die Zuständigkeiten in der Steuergesetzgebung und der Steuerverwaltung nach der Finanzreform; in: BB 1969, 1321-1324. Klein, Hans H.: Rechtsqualität und Rechtswirkung von Verwaltungsnormen; in: Karl Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, München 1967; S. 163-187. – Demokratie und Selbstverwaltung; in: Roman Schnur (Hrsg.), Festschrift für Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag, 2. Aufl., München 1974; S. 165-185. – Zur Revision des Grundgesetzes: Erwägungen der Enquête-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages zu einer Neufassung des Art. 80 GG; in: DÖV 1975, 523-526.
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– Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Zweiter Band (Verfassungsauslegung); hrsg. von Christian Starck in Gemeinschaft mit Martin Drath, Ernst Friesenhahn, Wilhelm Karl Geck, Gerhard Leibholz, Gerd Roellecke, Hans F. Zacher und Konrad Zweigert, Tübingen 1976; S. 277-299 (zitiert: H. H. Klein, in: BVerfG und GG, Bd. II, 1976). Klein, Harald / Kleiner, Ulrich: Deutscher Verwaltungsrichtertag 1986; in: NJW 1986, 2814-2815. Kleindienst, Bernhard: Der privatrechtliche Immissionsschutz nach § 906 BGB; Tübingen 1964. Kleine-Cosack, Michael: Antiquierte Standesrichtlinien – Reformbedürftigkeit des Standesrechts der rechtsberatenden Berufe; in: AnwBl. 1986, 505-512. – Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde; Bonn 2001. Klindt, Thomas: Die Zulässigkeit dynamischer Verweisungen auf EG-Recht aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht; in: DVBl. 1998, 373-380. Klinger, Hans: Verwaltungsgerichtsordnung: Kommentar; 2. Aufl., Göttingen 1964. Klingmüller, Ernst: Technischer Fortschritt in rechtlicher Würdigung; in: Max Keller (Hrsg.), Revolution der Technik. Evolutionen des Rechts. Festgabe zum 60. Geburtstag von Karl Oftinger, Zürich 1969; S. 121-131. Klöck, Oliver: Die Bedeutung des Grundsatzes der Entsorgungsautarkie und des Prinzips der Nähe für die Umsetzung der Technischen Anleitung Siedlungsabfall; in: NuR 1998, 180-185. – Thermische Behandlung und/oder energetische Verwertung: Rechtsfragen der Abfallverbrennung; Baden-Baden 1998. Kloepfer, Michael: Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel; in: JZ 1984, 685-695. – Rechtsschutz im Umweltschutz; in: VerwArch 76 (1985), 371-397. – Wesentlichkeitstheorie als Begründung oder Grenze des Gesetzesvorbehalts?; in: Hermann Hill (Hrsg.), Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung: Vorträge und Diskussionsbeiträge der 56. Staatswissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung 1988 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1989; S. 187215. – Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 50 (1991), S. 305-308. – Verfassungsänderung statt Verfassungsreform. Zur Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission; unter Mitarbeit von Matthias Lang; Berlin und Baden-Baden 1995. – Umweltschutz. Textsammlung des Umweltrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band II; hrsg. von Michael Kloepfer unter Mitarbeit von Dirk Uwer; München, Stand: 1. März 2001. Kloepfer, Michael / Brandner, Thilo: Rechtsprobleme der Grenzwerte für Abwassereinleitungen. Verfassungs-, abgaben- und strafrechtliche Aspekte der Novellierungen von WHG und AbwAG; in: ZfW 1989, 1-25. Kloepfer, Michael / Rehbinder, Eckard / Schmidt-Aßmann, Eberhard: Umweltgegenstand – Allgemeiner Teil –; Forschungsbericht 101 060 28/01-03 UBA-FB 90-085, unter Mitwirkung von Philip Kunig, im Auftrag des Umweltbundesamtes; 2. Aufl., Berlin 1991.
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Kloock, Josef: Unvereinbare Tätigkeiten für Wirtschaftsprüfer; in: Handwörterbuch der Revision; hrsg. von Adolf G. Coenenberg und Klaus von Wysocki unter Mitarbeit von zahlreichen Fachgelehrten und Experten aus Wissenschaft und Praxis; 2. Aufl., Stuttgart 1992; Sp. 2013-2018. Kluxen, Kurt: Die Herkunft der Lehre von der Gewaltentrennung; in: Heinz Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung; Darmstadt 1969; S. 131152. Knack, Hans Joachim (Hrsg.): Verwaltungsverfahrensgesetz: Kommentar. Begründet von Hans Joachim Knack. Bearbeitet von Jost-Dietrich Busch, Wolfgang Clausen, Hansjochen Dürr, Hans-Günter Henneke, Hubert Meyer; 5. Aufl., Köln et al. 1996; 8. Aufl., Köln et al. 2004 (zitiert: Bearbeiter, in: Knack, VwVfG). Knemeyer, Franz-Ludwig: Polizei- und Ordnungsrecht. Lehr- und Arbeitsbuch mit Anleitungen für die Klausur; 9. Aufl., München 2002. Ko, Young-Hoon: Verwaltungsvorschriften als Außenrecht?; Baden-Baden 1991. Koch, Hans-Joachim (Hrsg.): Seminar „Die juristische Methode im Staatsrecht“: Über Grenzen von Verfassungs- und Gesetzesbindung; Frankfurt/M. 1977. – Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensermächtigungen im Verwaltungsrecht. Eine logische und semantische Studie zur Gesetzesbindung; Frankfurt/M. 1979. – Das Abwägungsgebot im Planungsrecht – Einige Bemerkungen zur Intensität verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, veranlaßt durch BVerwG, Urteil vom 21.8.1981 –; in: DVBl. 1983, 1125-1133. – Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 30.5.1991 – Rs. C 361/88 und 59/89 –; in: WUR 1991, 350-351. – Luftreinhalterecht in der Europäischen Gemeinschaft; in: DVBl. 1992, 124-131. – Die gerichtliche Kontrolle technischer Regelwerke im Umweltrecht – Ein Plädoyer gegen die Ausdehnung administrativer Letztentscheidungskompetenzen –; in: ZUR 1993, 103-108. Koch, Hans-Joachim / Rüßmann, Helmut: Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in Grundprobleme der Rechtswissenschaft; München 1982. Koch, Hans-Joachim / Scheuing, Dieter H. (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz. Loseblatt-Ausgabe; hrsg. von Hans-Joachim Koch und Dieter H. Scheuing; bearb. von Alexander Blankenagel et al.; Düsseldorf, Stand: 13. Lfg. (November 2003) (zitiert: Bearbeiter, in: Koch/Scheuing, GK-BImSchG). Koch, Thorsten: Der Erlaß von Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 Satz 1 GG; in: Jura 2000, 179-186. Kodal, Kurt / Krämer, Helmut: Straßenrecht: Systematische Darstellung des Rechts der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze in der Bundesrepublik Deutschland; begr. von Kurt Kodal; 6. Aufl., bearb. von Helmut Krämer et al., München 1999 (zitiert: Bearbeiter, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., 1999). Ködderitzsch, Lorenz: Die Rolle der Verwaltungsvorschriften im japanischen Verwaltungsrecht; Baden-Baden 1995. Koenig, Christian / Haratsch, Andreas: Europarecht; 4. Aufl. unter Mitarbeit von Friederike Meurer und Christiane Busch, Tübingen 2003. Köhler, Heinz / Ratz, Günter: BDO: Bundesdisziplinarordnung und materielles Disziplinarrecht. Kommentar für die Praxis; 2. Aufl., Köln 1994.
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Köhler, Heinz: Gehorsamspflicht gegenüber verfassungswidrigen Weisungen?; in: PersR 11 (1994), 12-14. Köhling, Paul Ernst: Rechtsprechende und verwaltende Funktionen des Strafrichters; Diss. München 1969. Kokemüller, Manfred: Die Verwaltung und das verfassungswidrige Gesetz; Diss. Würzburg 1967. Köndgen, Johannes: Überlegungen zur Fortbildung des Umwelthaftpflichtrechts; in: UPR 1983, 345-356. König, Hans-Günther: Die Prüfung des Normenkontrollantrags nach § 47 VwGO vor dem Oberverwaltungsgericht (VGH); in: DVBl. 1963, 81-86. König, Klaus: Gesetzgebungsvorhaben im Verfahren der Ministerialverwaltung; in: Willi Blümel/Detlef Merten/Helmut Quaritsch (Hrsg.), Verwaltung im Rechtsstaat. Festschrift für Carl Hermann Ule zum 80. Geburtstag am 26. Februar 1987, Köln et al. 1987; S. 121-141. Konrad, Horst: Verwaltungsrechtsschutz im Nachbarschaftsverhältnis; in: BayVBl. 1984, 33-37. Konzak, Olaf: Die Änderungsvorbehaltsverordnung als neue Mitwirkungsform des Bundestages beim Erlaß von Rechtsverordnungen; in: DVBl. 1994, 1107-1112. Kopp, Ferdinand O.: Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht. Eine Untersuchung über die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Verwaltungsverfahrens in der Bundesrepublik und die Bedeutung der Grundentscheidungen der Verfassung für die Feststellung, Auslegung und Anwendung des geltenden Verwaltungsverfahrensrechts; München 1971. – Zum Rechtsschutz des Bürgers gegenüber innerdienstlichen Weisungen durch die Gerichte und im Verwaltungsverfahren; in: BayVBl. 1976, 719-721. Kopp, Ferdinand O. / Ramsauer, Ulrich: Verwaltungsverfahrensgesetz: Kommentar; 8. Aufl., München 2003. Kopp, Ferdinand O. / Schenke, Wolf-Rüdiger: Verwaltungsgerichtsordnung; 13. Aufl., München 2003. Kopp, Hans W.: Inhalt und Form der Gesetze als ein Problem der Rechtstheorie, mit vergleichender Berücksichtigung der Schweiz, Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens und der USA. Band II; Zürich 1958. Korbmacher, Günther: Ermessen – unbestimmter Rechtsbegriff – Beurteilungsspielraum; in: DÖV 1965, 696-704. Kornblum, Udo: Zur Anfechtbarkeit gerichtlicher Geschäftsverteilungspläne; in: NJW 1977, 666-667. Körner, Stephan: Erfahrung und Theorie. Ein wissenschaftstheoretischer Versuch; Frankfurt/M. 1970. Köttgen, Arnold: Die Organisationsgewalt (1. Bericht); in: VVDStRL 16 (1958), S. 154-190. – Fondsverwaltung in der Bundesrepublik. Zur Rolle des Haushalts in einem Verwaltungsstaat; Stuttgart et al. 1965. Krahmer, Utz: Müssen Ermessensrichtlinien veröffentlicht werden?; in: Zeitschrift für das Fürsorgewesen 1981, 73-75.
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Kratzer, Jakob: Über die Zuständigkeit zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften des Bundes; in: DÖV 1953, 172-173. Krebs, Walter: Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte. Vergleich des traditionellen Eingriffsvorbehalts mit den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes; Berlin 1975. – Zum aktuellen Stand der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes; in: Jura 1979, 304-312. – Zur Rechtsetzung der Exekutive durch Verwaltungsvorschriften; in: VerwArch 70 (1979), 259-273. – Grundfragen des verwaltungsrechtlichen Organstreits; in: Jura 1981, 569-580. – Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen. Ein Beitrag zur rechtlichen Analyse von gerichtlichen, parlamentarischen und Rechnungshof-Kontrollen; Heidelberg 1984. – Verwaltungskontrolle durch Verwaltungsgerichte? Zu den Grenzen der Verwendung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als Instrument der Verwaltungskontrolle; in: VerwArch 21 (1988), 155-173. Krebsbach, August: Bundesauftragsangelegenheiten und Gemeinden; in: Der Städtetag 1961, 7-10. Krey, Volker: Parallelitäten und Divergenzen zwischen strafrechtlichem und öffentlichrechtlichem Gesetzesvorbehalt; in: Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag am 18. Dezember 1985, hrsg. von Hans-Dieter Schwind in Verbindung mit Ulrich Berz, Gerd Geilen, Rolf Dietrich Herzberg und Günter Warda, Berlin und New York 1985; S. 123-150. Krieger, Stephan: Normkonkretisierung im Recht der wassergefährdenden Stoffe: Rechtlicher Regelungsbedarf unterhalb der Verordnungsebene – zugleich eine erläuternde Einführung in die Muster-VAws; Berlin 1992. Kriele, Martin: Theorie der Rechtsgewinnung: entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation; 2. Aufl., Berlin 1976. – Recht und praktische Vernunft; Göttingen 1979. Kromer, Michael: Rechtlicher Rahmen der Restabfallbehandlung: Zur Bindungswirkung der TA Siedlungsabfall; in: NVwZ 1995, 975-977. Krüger, Herbert: Rechtsverordnung und Verwaltungsanweisung; in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag. 15. Januar 1952. Dargebracht von Freunden, Schülern und Kollegen, Göttingen 1952; S. 211-241. – Der Verwaltungsrechtsschutz im besonderen Gewaltverhältnis; in: NJW 1953, 13691373. – Das besondere Gewaltverhältnis (1. Bericht); in: VVDStRL 15 (1957), S. 109-132. – Kartellamt, Amtsrecht und Gewaltenteilung; in: DÖV 1957, 686-692. – Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien; Frankfurt/M. und Berlin 1965. Krüger, Uwe: Der Adressat des Rechtsgesetzes: ein Beitrag zur Gesetzgebungslehre; Berlin 1969. Kuchinke, Kurt: Grenzen der Nachprüfbarkeit tatrichterlicher Würdigung und Feststellungen in der Revisionsinstanz. Ein Beitrag zum Problem von Rechts- und Tatfrage; Bielefeld 1964.
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– Anmerkung zu LG Würzburg, Urteil vom 30.12.1965 – 3 S 142/65 –; in: NJW 1966, 1031-1032. Kühl, Kristian: Probleme der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts, insbesondere im Umweltstrafrecht; in: Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag am 18. Februar 1987, hrsg. von Wilfried Küper, in Verbindung mit Ingeborg Puppe und Jörg Tenckhoff, Berlin, New York 1987; S. 815-861. Kuhlen, Lothar: Der Handlungserfolg der strafbaren Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB); in: GA 1986, 389-408. Kühnreich, Mathias: Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Berücksichtigung des Hauptstadtbeschlusses; Berlin 1997. Kunert, Franz-Josef: Alte und neue Probleme beim Lärmschutz; in: NuR 1999, 430-434. – Normkonkretisierung im Umweltrecht; in: NVwZ 1989, 1018-1022. Kunert, Karl Heinz: Zur Rückwirkung des milderen Steuerstrafgesetzes – Nicht nur ein Beitrag zur Parteispendenaffäre –; in: NStZ 1982, 276-280. Kunig, Philip: Das Rechtsstaatsprinzip: Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland; Tübingen 1986. Kunig, Philipp / Paetow, Stefan / Versteyl, Ludger-Anselm: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG): Kommentar; 2. Aufl., München 2003 (zitiert: Bearbeiter, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., 2003). Küpper, Georg: Begriff und Grund der Rechtsgeltung in der aktuellen Diskussion; in: Rechtstheorie 22 (1991), 71-86. Kurz, Volker: Zur Bindung der Finanzgerichte an Verwaltungsanweisungen unter besonderer Berücksichtigung von Beurteilungsspielräumen; in: DStZ 1982, 26-34. Küster, Otto: Das Gewaltenproblem im modernen Staat; in: Heinz Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung; Darmstadt 1969; S. 1-20. Kutscheidt, Ernst: Die Änderung der TA Luft aus der Sicht der Rechtsprechung; in: NVwZ 1983, 581-585. – Rechtsprobleme bei der Bewertung von Geräuschimmissionen; in: NVwZ 1989, 193199. – Eine neue TA Lärm? – Zur Bindung der Länder an Verwaltungsvorschriften des Bundes; in: NWVBl. 1994, 281-287. Laband, Paul: Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der Preussischen VerfassungsUrkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes; Berlin 1871. – Das Staatsrecht des Deutschen Reiches; Band I, 1. Aufl., Tübingen 1876, 2. Aufl., Freiburg 1888; Band II, 4. Aufl., Tübingen und Leipzig 1901, 5. Aufl., Tübingen 1911. Lackner, Karl / Kühl, Kristian: Strafgesetzbuch mit Erläuterungen; 24. Aufl., München 2001 (zitiert: Bearbeiter, in: Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., 2001). Ladeur, Karl-Heinz: Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften als Recht privatöffentlicher Kooperationsverhältnisse – Das Beispiel der gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten und die Perspektiven des Verwaltungsrechts der Informationsgesellschaft –; in: DÖV 2000, 217-227. Lamb, Irene: Kooperative Gesetzeskonkretisierung. Verfahren zur Erarbeitung von Umwelt- und Technikstandards; Baden-Baden 1995.
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Landmann, Robert von / Rohmer, Gustav: Umweltrecht. Band I (Bundes-Immissionsschutzgesetz); Kommentar; begr. von Robert von Landmann und Gustav Rohmer, hrsg. von Klaus Hansmann, bearb. von Torsten Bartsch et al.; Stand: 41. Erg.-Lfg. (1. Oktober 2003), München 2004 (zitiert: Bearbeiter, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I). Lang, Joachim: Die Einkünfte des Arbeitnehmers – Steuerrechtssystematische Grundlegung –; in: Grundfragen des Lohnsteuerrechts, hrsg. im Auftrag der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e. V. von Joachim N. Stolterfoht, Köln 1986; S. 15-83. Lange, Klaus: Probleme des Vertrauensschutzes im Verwaltungsrecht; in: WiVerw. 1979, 15-36. – Das Weisungsrecht des Bundes in der atomrechtlichen Auftragsverwaltung; BadenBaden 1990. – Die Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke: Rechtscharakter und Bindungswirkung; Baden-Baden 1990. – Ermessens- und Beurteilungsspielräume als Transformatoren von Innen- und Außenrecht; in: NJW 1992, 1193-1197. – Innenrecht und Außenrecht; in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts: Grundfragen, Baden-Baden 1993; S. 307-331. Lange, Ulrich: Teilung und Trennung der Gewalten bei Montesquieu; in: Der Staat 19 (1980), 213-234. Langenfeld, Christine / Schlemmer-Schulte, Sabine: Die TA Luft – kein geeignetes Instrument zur Umsetzung von EG-Richtlinien; in: EuZW 1991, 622-627. Larenz, Karl: Methodenlehre der Rechtswissenschaft; 4. Aufl., Berlin et al. 1979; 5. Aufl., Berlin et al. 1983; 6. Aufl., Berlin et al. 1991. – Lehrbuch des Schuldrechts. Erster Band (Allgemeiner Teil); 14. Aufl., München 1987. Larenz, Karl / Canaris, Claus-Wilhelm: Lehrbuch des Schuldrechts. Zweiter Band (Besonderer Teil), 2. Halbband; 13. Aufl., München 1994. Larenz, Karl / Wolf, Manfred: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts; 8. Aufl., München 1997. Laubinger, Hans-Werner: Heilung und Folgen von Verfahrens- und Formfehlern – §§ 45 und 46 VwVfG sowie §§ 126 und 127 AO 1977 in der Rechtsprechung –; in: VerwArch 72 (1981), 333-351. Laufhütte, Heinrich Wilhelm: Überlegungen zur Änderung des Umweltstrafrechts; in: DRiZ 1989, 337-340. Lausch, Hannelore: Europäische Umweltpolitik auf dem Gebiet des Gewässerschutzes. Rechtsgrundlagen der Europäischen Gemeinschaften zum Erlaß von Gewässerschutzvorschriften und Durchführung im innerstaatlichen Bereich am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland; Steinbach (Taunus) 1986. Lecheler, Helmut: Neuere Rechtsprechung zum Recht des öffentlichen Dienstes; in: JZ 1987, 448-453. Lechner, Hans / Zuck, Rüdiger: Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Kommentar von Hans Lechner, fortgeführt von Rüdiger Zuck; 4. Aufl., München 1996. Leibholz, Gerhard / Rupprecht, Reinhard: Bundesverfassungsgerichtsgesetz: Rechtsprechungskommentar; Köln 1968.
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Leibrock, Gero: Die Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht; in: DVBl. 1991, 11181120. Leinius, Robert: Zur Gehorsamspflicht und Verantwortlichkeit der Beamten, Soldaten und Ersatzdienstleistenden; in: ZBR 1974, 182-183. Leisner, Anna: Verwaltungsgesetzgebung durch Erlasse; in: JZ 2002, 219-231. – Verwaltungsvorschriften im Beamtenrecht. Ein Beitrag zum Regelungsmonopol des Gesetzgebers; in: Öffentliches Dienstrecht im Wandel. Festschrift für Walther Fürst Präsident des Bundesverwaltungsgerichts a. D. zum 90. Geburtstag am 10. Februar 2002, hrsg. von Ingeborg Franke, Rudolf Summer, Hans-Dietrich Weiß, Berlin 2002; S. 185-203. Leisner, Walter: Die schutzwürdigen Rechte im Besonderen Gewaltverhältnis; in: DVBl. 1960, 617-626. – Effizienz als Rechtsprinzip; Tübingen 1971. – Verwaltungsvorschriften als „Nebengesetze“ im Steuerrecht?; Köln 1982. Lenckner, Theodor: Wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht und der Satz „nullum crimen sine lege“; in: JuS 1968, 249-257. Lenz, Karl-Heinz: Das Vertrauensschutz-Prinzip. Zugleich eine notwendige Besinnung auf die Grundlagen unserer Rechtsordnung; Berlin 1968. Lerche, Peter: Grundrechtsbegrenzungen „durch Gesetz“ im Wandel des Verfassungsbildes; in: DVBl. 1958, 524-534. – Rechtsprobleme der wirtschaftslenkenden Verwaltung; in: DÖV 1961, 486-492. – Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt. Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Bundessozialhilfegesetzes vom 30. Juni 1961 (BGBl. I S. 815) und des Bundesgesetzes vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1193/1206) zur Änderung und Ergänzung des Reichsjugendwohlfahrtgesetzes; Berlin 1963. – Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung und Grundrechtseingriff; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), Heidelberg 1992; § 121 (S. 739-773) (zitiert: Lerche, in: HStR V, 1992, § 121). Lersner, Heinrich Freiherr von: Verfahrensvorschläge für umweltrechtliche Grenzwerte; in: NuR 1990, 193-197. Leusser, Claus / Gerner, Erich / Kruis, Konrad: Bayerisches Beamtengesetz: Handkommentar; begr. von Claus Leusser und Erich Gerner; 2. Aufl. von Erich Gerner, Konrad Kruis unter Mitarbeit von Walter Seitz, München 1970. Limberger, Gerhard: Die Kompetenzen des Bundesrates und ihre Inanspruchnahme: eine empirische Untersuchung; Berlin 1982. Lindgen, Erich: Handbuch des Disziplinarrechts für Beamte und Richter in Bund und Ländern. Erster Band (Allgemeine Lehren – Materielles Disziplinarrecht); Berlin 1966. Lipphardt, Hanns-Rudolf: Grundrechte und Rechtsstaat; in: EuGRZ 1986, 149-162. Lippold, Rainer: Geltung, Wirksamkeit und Verbindlichkeit von Rechtsnormen; in: Rechtstheorie 19 (1988), 463-489. – Gilt im deutschen Recht ein Fehlerkalkül für Gesetze? Eine Untersuchung des Problems des verfassungswidrigen Gesetzes auf der Grundlage der Reinen Rechtslehre; in: Der Staat 29 (1990), 185-208.
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– Erlaß von Verordnungen durch das Parlament und Wahrnehmung des Parlamentsvorbehalts durch Schweigen?; in: ZRP 1991, 254-257. Lipps, Wolfgang: Herstellerhaftung beim Verstoß gegen „Regeln der Technik“?; in: NJW 1968, 279-283. Lisken, Hans: Polizeibefugnis zum Töten?; in: DRiZ 1989, 401-404. Lisken, Hans / Denninger, Erhard (Hrsg.): Handbuch des Polizeirechts; bearb. von Helmut Däumler et al.; 3. Aufl., München 2001 (zitiert: Bearbeiter, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., 2001). List, Heinrich: Die Rechtsquellen des modernen Steuerrechts; in: Steuerkongreß-Report 13 (1975), 139-167. Liver, Peter: Privatrechtliche Abhandlungen. Festgabe zum 70. Geburtstag des Verfassers am 21. August 1972. Herausgegeben von Hans Merz; Bern 1972. Llewellyn, Karl N.: Eine realistische Rechtswissenschaft – Der nächste Schritt; in: Ernst E. Hirsch/Manfred Rehbinder (Hrsg.), Studien und Materialien zur Rechtssoziologie; Köln und Opladen 1967; S. 54-86. Locke, John: Two Treatises of Government, Book II: Of Civil Government; in: The Works of John Locke. A new Edition, corrected. In ten volumes. Vol. V; London 1823; Reprinted Aalen 1963; S. 338-485. Lorenz, Dieter: Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie; München 1973. Loschelder, Friedrich: Die Durchsetzbarkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung; Frankfurt/Main et al. 1998. Loschelder, Wolfgang: Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderbindung. Zur Institutionalisierung der engeren Staat/Bürger-Beziehungen; Köln et al. 1982. – Grundrechte im Sonderstatus; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), Heidelberg 1992; § 123 (S. 805-836) (zitiert: W. Loschelder, in: HStR V, 1992, § 123). – Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Das Handeln des Staates), 2. Aufl., Heidelberg 1996; § 68 (S. 521566) (zitiert: W. Loschelder, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 68). Lotz, Klaus Werner: Zum Vertrauensschutz im öffentlichen Recht; in: WiVerw. 1979, 1-15. Löwer, Wolfgang: Neuere Entwicklungslinien im Subventionsrecht; in: JA 1977, 319-325. – Rechtspolitische und verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dem Ersten Wirtschaftskriminalitätsgesetz; in: JZ 1979, 621-631. Lübbe-Wolff, Gertrude: Der Anspruch auf Information über den Inhalt ermessensbindender Verwaltungsvorschriften; in: DÖV 1980, 594-600. – Konstitution und Konkretisierung außenwirksamer Standards durch Verwaltungsvorschriften – Probleme der Neuregelung des § 7 a WHG –; in: DÖV 1987, 896-903. – Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte. Struktur und Reichweite der Eingriffsdogmatik im Bereich staatlicher Leistungen; Baden-Baden 1988.
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– Neuordnung der Abwasserverwaltungsvorschriften nach § 7 a WassHG; in: NVwZ 1990, 240-243. – Die Bedeutung des EG-Rechts für den Grundwasserschutz. Überlegungen anläßlich des EuGH-Urteils im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland; in: Peter Behrens/Hans-Joachim Koch (Hrsg.), Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft: Spannungsfelder zwischen nationalem und europäischem Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden 1991; S. 127-156. – Verfassungsrechtliche Fragen der Normsetzung und Normkonkretisierung im Umweltrecht; in: ZG 6 (1991), 219-248. Lüdemann, Christian: Gesetzgebung als Entscheidungsprozeß. Zur Normgenese der strafrechtlichen Regelung zur Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe; Opladen 1986. Lüderssen, Klaus: Die Parteispendenproblematik im Steuerrecht und Steuerstrafrecht – Vorsatz und Irrtum; in: wistra 1983, 223-231. Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren; 3. Aufl., Darmstadt und Neuwied 1978. Lüke, Wolfgang: Zivilprozessrecht: Erkenntnisverfahren, Zwangsvollstreckung; begr. von Peter Arens; 8. Aufl. bearb. von Wolfgang Lüke, München 2003. Lukes, Rudolf: Überbetriebliche technische Normen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen; in: Wettbewerb als Aufgabe der Industriegesellschaft. Nach zehn Jahren Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen; Bad Homburg v. d. H. et al. 1968; S. 147-186. – Die Bedeutung der sog. Regeln der Technik für die Schadensersatzpflicht von Versorgungsunternehmen; in: Bodo Börner (Hrsg.), Regeln der Technik und Schadensersatz. Vorträge und Diskussionsbericht der 6. Vortragsveranstaltung des Instituts für Energierecht an der Universität zu Köln vom 21. und 22. März 1968; Düsseldorf 1969; S. 22-46. Luthe, Ernst-Wilhelm: Besonderes Gewaltverhältnis und „Sachstrukturen“ – Ein Beitrag zur Theorie des besonderen Gewaltverhältnisses; in: DVBl. 1986, 440-451. Maetzel, Wolf Bogumil: Beweislast und Beweiserhebung im Verwaltungsprozeß; in: DVBl. 1966, 520-528. – Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 14.3.1972 – 2 BvR 41/71 –; in: DÖV 1972, 563. Magiera, Siegfried: Allgemeine Regelungsgewalt („Rechtsetzung“) zwischen Parlament und Regierung. Zur Auslegung und zur Reform des Art. 80 GG; in: Der Staat 13 (1974), 1-26. Mahrenholz, Ernst Gottfried: Justiz – eine unabhängige Staatsgewalt? Festvortrag beim Deutschen Richtertag; in: DRiZ 1991, 432-437. Maihofer, Werner: Rechtsstaat und menschliche Würde; Frankfurt/M. 1968. Mainka, Johannes: Vertrauensschutz im öffentlichen Recht; Bonn 1963. Mangoldt, Hermann von: Das Bonner Grundgesetz; 1. Aufl., Berlin und Frankfurt/M. 1953. Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich: Das Bonner Grundgesetz; Band I, 2. Aufl., unveränderter Nachdruck Berlin und Frankfurt/M. 1966; Band II, 2. Aufl., unveränderter Nachdruck Berlin und Frankfurt/M. 1966; Band III, 2. Aufl., München 1974.
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Mangoldt, Hermann von / Klein, Friederich / Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz. Kommentar; begr. von Hermann von Mangoldt, fortgef. von Friedrich Klein, hrsg. von Christian Starck; Band 1: Präambel, Artikel 1 bis 19, 4. Aufl., München 1999; Band 3: Artikel 79 bis 146, 4. Aufl., München 2001 (zitiert: Bearbeiter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG). Manke, Klaus: BMF-Schreiben = allgemeine Weisungen; basta? Betrachtungen zu einem eigenartigen Gebilde; in: DStZ 2002, 70-72. Marburger, Peter: Die Regeln der Technik im Recht; Köln et al. 1979. – Atomrechtliche Schadensvorsorge. Möglichkeiten und Grenzen einer normativen Konkretisierung; Köln et al. 1983. – Die haftungs- und versicherungsrechtliche Bedeutung technischer Regeln; in: VersR 1983, 597-608. – Überlegungen zur Konkretisierung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge im Atomrecht; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 209-217. – Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts. Gutachten C für den 56. Deutschen Juristentag; in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages Berlin 1986; hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages; Band I (Gutachten); München 1986; S. C1C125. – Zur Reform des § 906 BGB; in: Max Dietrich Kley/Eckart Sünner/Arnold Willemsen (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Ritter zum 70. Geburtstag: Steuerrecht, Steuer- und Rechtspolitik, Wirtschaftsrecht und Unternehmensverfassung, Umweltrecht, Köln 1997; S. 901-921. Marburger, Peter / Herrmann, Heinrich: Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Haftung für Umweltschäden – BGHZ 92, 143; in: JuS 1986, 354-359. Markull, Fritz (Hrsg.): Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 24. Januar 1950; Göttingen 1950. Marschall, Ernst A. / Schroeter, H. Wolfgang / Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz; 4. Aufl. erl. von Ernst A. Marschall, H. Wolfgang Schroeter und Fritz Kastner, Köln et al. 1977; 5. Aufl. begr. von Ernst A. Marschall, bearb. von Fritz Kastner, Klaus Grupp, Michael Ronellenfitsch und Friedrich Schlosser unter Mitarbeit von Andreas Krüger, Köln et al. 1998. Martens, Joachim: Rechtsanwendung und Rechtsetzung durch Verwaltungsvorschriften; in: Klaus Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, Köln 1982; S. 165-208. Martens, Wolfgang: Öffentlich als Rechtsbegriff; Bad Homburg v. d. H. et al. 1969. Masson, Christoph: Normenkontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof; in: BayVBl. 1957, 233-237. Maunz, Theodor: Bund und Gemeinden; in: BayVBl. 1960, 205-206. – Land und Gemeinden; in: BayVBl. 1960, 303-304. Maunz, Theodor / Dürig, Günter et al.: Grundgesetz. Kommentar; München 1958 ff., Stand: 42. Lfg. (Februar 2003) (zitiert: Bearbeiter, in: Maunz/Dürig, GG).
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Maunz, Theodor / Obermayer, Klaus / Berg, Wilfried / Knemeyer, Franz-Ludwig: Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern; 5. Aufl., Stuttgart, et al. 1988 (zitiert: Bearbeiter, in: Maunz/Obermayer/Berg/Knemeyer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 5. Aufl., 1988). Maunz, Theodor / Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz / Bethge, Herbert (Hrsg.): Bundesverfassungsgerichtsgesetz: Kommentar; begründet von Theodor Maunz; fortgeführt von Bruno Schmidt-Bleibtreu, Franz Klein, Gerhard Ulsamer, Herbert Bethge, Karin Grasshof, Jochen Rozek; 3. Aufl., München, Stand: 22. Lfg. (September 2003) (zitiert: Bearbeiter, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG). Maurer, Hartmut: Rechtsschutz gegen Rechtsnormen; in: Tübinger Festschrift für Eduard Kern, hrsg. von der Rechtswissenschaftlichen Abteilung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, Tübingen 1968; S. 275312. – Bestandskraft von Satzungen?; in: Festschrift für Otto Bachof zum 70. Geburtstag am 6. März 1984; hrsg. von Günter Püttner in Verbindung mit Detlef Göldner, Gunter Kisker, Jost Pietzcker, Hans Heinrich Rupp, Dieter Scheuing, München 1984; S. 215-243. – Der Verwaltungsvorbehalt (1. Bericht); in: VVDStRL 43 (1985), S. 135-171. – Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Das Handeln des Staates), 2. Aufl., Heidelberg 1996; § 60 (S. 211-279). – Allgemeines Verwaltungsrecht; 14. Aufl., München 2002. – Staatsrecht I: Grundlagen, Verfassungsorgane, Staatsfunktionen; 3. Aufl., München 2003. Mayen, Thomas: Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-Gesetz und der UVP-Verwaltungsvorschrift; in: NVwZ 1996, 319-326. Mayer, Elmar / Brodersen, Kilian: Strafbarkeit von Amtsträgern im Umweltstrafrecht; in: BayVBl. 1989, 257-261. Mayer, Franz: Allgemeines Verwaltungsrecht: Eine Einführung; 3. Aufl., Stuttgart et al. 1972; 4. Aufl., Stuttgart et al. 1977. Mayer, Franz / Kopp, Ferdinand: Allgemeines Verwaltungsrecht; 5. Aufl., Stuttgart et al. 1985. Mayer, Otto: Zur Lehre vom öffentlichrechtlichen Vertrage; in: AöR 3 (1888), 1-86. – Deutsches Verwaltungsrecht; Erster Band, 1. Aufl., Leipzig 1895, 3. Aufl., München und Leipzig 1924; Zweiter Band, 2. Aufl., München und Leipzig 1917, 3. Aufl., München und Leipzig 1924. Medicus, Dieter: Zivilrecht und Umweltschutz; in: JZ 1986, 778-785. – Allgemeiner Teil des BGB: ein Lehrbuch; 8. Aufl., Heidelberg 2002. Meinberg, Volker / Möhrenschlager, Manfred / Link, Wolfgang (Hrsg.): Umweltstrafrecht: gesetzliche Grundlagen, verwaltungsrechtliche Zusammenhänge und praktische Anwendung; Düsseldorf 1989. Meiser, F.: Die Rechtsbereinigung in Bayern; in: DRiZ 1958, 13-15.
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Melchior, Manfred: Verfassungsreform im Regierungsbereich?; in: Klaus Borgmann/ Max-Emanuel Geis/Martin Hermann/Gabriele Liegmann/Jörg Liegmann/Gerrit Manssen (Hrsg.),Verfassungsreform und Grundgesetz: 32. Tagung der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtung „Öffentliches Recht“, Regensburg 1992; Stuttgart et al. 1992; S. 31-50. Menger, Christian-Friedrich: Das Gesetz als Norm und Maßnahme (1. Bericht); in: VVDStRL 15 (1957), S. 3-34. – Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht; in: VerwArch 51 (1960), 64-78. – Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht; in: VerwArch 53 (1962), 390-402. – Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit: Eine Einführung in die Grundlagen; 8. Aufl., Heidelberg 1993. Merkl, Adolf: Allgemeines Verwaltungsrecht; Wien und Berlin 1927. – Gesammelte Schriften, Erster Band (Grundlagen des Rechts), Erster Teilband; hrsg. von Dorothea Mayer-Maly, Herbert Schambeck und Wolf-Dietrich Grussmann; Berlin 1993. Merten, Detlef: Das System der Rechtsquellen (Teil I, II); in: Jura 1981, 169-182, 236-247. – Anmerkung zu VerfGH Rh.-Pfalz, Urteil vom 1.6.1982 – VGH 2/81 –; in: DÖV 1983, 117-118. Messerer: Zum Begriff „Rechtsprechung“ und „Richter“; in: DRiZ 1954, 209-210. Meurer, Dieter: Umweltschutz durch Umweltstrafrecht?; in: NJW 1988, 2065-2071. Meyer, Georg / Anschütz, Gerhard: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts; bearb. von Gerhard Anschütz; Erster Teil, 7. Aufl., München und Leipzig 1914; Zweiter Teil, 7. Aufl., München und Leipzig 1917. Meyer, Klaus: Zur Problematik der unbestimmten Begriffe in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte; in: DÖV 1954, 368-370. – Die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle (II): Die Normenkontrolle in der Praxis und in rechtspolitischer Sicht; in: Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung: Bewährung und Reform. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 38. Staatswissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1970; Berlin 1970; S. 161-178. Meyer-Abich, Jann: Anmerkung zu OVG Münster, Urteil vom 7.7.1976 – VII A 1804/75 –; in: NJW 1976, 2365-2366. Meyer-Arndt, Hartwin: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 Abs. 1 AO und ihre Übertragung nach § 131 Abs. 3 AO; in: DÖV 1968, 118-122. Meyer-Cording, Ulrich: Die Rechtsnormen; Tübingen 1971. Mittenzwei, Ingo: Umweltverträglichkeit statt Ortsüblichkeit als Tatbestandsvoraussetzung des privatrechtlichen Immissionsschutzes; in: MDR 1971, 99-105. Mögele, Rudolf: Neuere Entwicklungen im Recht der Europäischen Gemeinschaften; in: BayVBl. 1993, 129-140. Möhrenschlager, Manfred: Neuere Entwicklungen im Umweltstrafrecht des Strafgesetzbuches. Anwendung und Auslegung; in: NuR 1983, 209-218.
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Möller, Wolfdietrich: Die Verordnung der Europäischen Gemeinschaften; Göttingen 1967. Möllinger, Otto: Gerichtsbarkeit bei Steuerdelikten; in: AöR 80 (1955/56), 276-306. Montesquieu, Charles des Secondat Baron de la Brède et de: De l’Esprit des Lois; Introduction, chronologie, bibliographie, relevé de variantes et notes par Robert Derathé; Tome I (Livres I-XIX); Paris 1973. Morstein Marx, Fritz: Beiträge zum Problem des parlamentarischen Minderheitenschutzes; Hamburg 1924. Mößle, Wilhelm: Inhalt, Zweck und Ausmaß. Zur Verfassungsgeschichte der Verordnungsermächtigung; Berlin 1990. Mühlenbruch, Ferdinand: Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“. Verbindliche administrative Rechtsetzung am Beispiel der TA Abfall; Baden-Baden 1992. Müller, Christopher: Die TA-Lärm als Rechtsproblem; Berlin 2001. Müller, Friedrich: Strukturierende Rechtslehre; Berlin 1984. – ‚Richterrecht‘: Elemente einer Verfassungstheorie IV; Berlin 1986. Müller, Klaus: Die dienstliche Verantwortung des Beamten. Eine praktische Exegese des § 38 BRRG; in: RiA 1969, 81-84. – Der Sachverständige im gerichtlichen Verfahren: Handbuch des Sachverständigenbeweises; 3. Aufl., Heidelberg 1988. Müller, Lothar / Zeitler, Franz-Christoph: Zuständigkeit bei der Verwaltung der Finanzen durch den Bund und die Länder; in: DStZ (A) 1975, 467-474. Müller, Mechthild: Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht; Frankfurt/M. et al. 1986. Müller, Paul: Kann der von einer Geschäftsverteilungsmaßnahme betroffene Richter diese Maßnahme gerichtlich anfechten?; in: MDR 1977, 975-978. Müller-Dietz, Heinz: Verfassung und Strafvollzugsgesetz; in: NJW 1972, 1161-1167. Müller-Foell, Martina: Die Bedeutung technischer Normen für die Konkretisierung von Rechtsvorschriften; Heidelberg 1987. Müller-Tochtermann: Freiwillige Gerichtsbarkeit zwischen Verwaltung und Rechtsprechung; in: DRiZ 1956, 4-7. Müller-Volbehr, Jörg: Rechtsschutz gegen verwaltungsinterne Weisungen mit Drittwirkung; in: DVBl. 1976, 57-64. Müllmann, Christoph / Lohmann, Hartmut: Die TA Siedlungsabfall – eine „lex Müllverbrennung“?; in: UPR 1989, 168-173. Münch, Ingo von: Freie Meinungsäußerung und besonderes Gewaltverhältnis; Diss. Frankfurt/M. 1957. – Besonderes Verwaltungsrecht; hrsg. von Ingo von Münch; bearb. von Peter Badura et al.; 4. Aufl., Berlin und New York 1976 (zitiert: Bearbeiter, in: v. Münch, Bes. Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1976). Münch, Ingo von / Kunig, Philip (Hrsg.): Grundgesetz-Kommentar; begr. von Ingo von Münch, hrsg. von Philip Kunig, bearb. von Brun-Otto Bryde et al.; Band 1 (Präambel bis Art. 19), 5. Aufl., München 2000; Band 2 (Art. 20 bis Art. 69), 4./5. Aufl., München 2001; Band 3 (Art. 70 bis Art. 146 und Gesamtregister), 3. Aufl., München 1996, 4./5. Aufl., München 2003 (zitiert: Bearbeiter, in: v. Münch/Kunig, GG).
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Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch; Band 5: Schuldrecht. Besonderer Teil III (§§ 705-853), Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, Produkthaftungsgesetz; Band 6: Sachenrecht (§§ 854-1296), WEG, ErbbauVO, SachenRBerG, SchuldRÄndG; 4. Aufl., München 2004 (zitiert: Bearbeiter, in: MünchKomm, BGB, 4. Aufl., 2004). Murswiek, Dietrich: Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik: verfassungsrechtliche Grundlagen und immissionsschutzrechtliche Ausformung; Berlin 1985. – Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 30.5.1991, Rs. C-361/88 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland –, Urteil vom 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland –, Urteil vom 28.2.1991, Rs. C-131/88 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland –; in: JuS 1992, 428-431. – Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), Heidelberg 1992; § 112 (S. 243-289) (zitiert: Murswiek, in: HStR V, 1992, § 112). – Anmerkung zu BVerwG, Beschluß vom 8.11.1994 – 7 B 73/94 –; in: JuS 1995, 1138-1139. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 20.12.1999 – 7 C 15/98 –; in: JuS 2000, 927-929. Mußgnug, Reinhard: Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung im Leistungsrecht (1. Bericht); in: VVDStRL 47 (1989), S. 113-141. Mutius, Albert von: Rechtsnorm und Verwaltungsakt. Zu Möglichkeiten und Grenzen rechtsdogmatischer Differenzierungen im Bereich des Verwaltungshandelns; in: Christian-Friedrich Menger (Hrsg.), Fortschritte des Verwaltungsrechts. Festschrift für Hans J. Wolff zum 75. Geburtstag, München 1973; S. 167-218. – Die abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht; in: Jura 1987, 534-543. – Kommunalrecht. Ein Lehr- und Lernbuch anhand von Fällen; München 1996. Mutius, Albert von / Schoch, Friedrich: Kommunale Selbstverwaltung und Stellenobergrenzen; in: DVBl. 1981, 1077-1089. Mutschler, U.: Abstrakter Auslegungsschutz für Kernenergieanlagen gegen Einwirkungen von außen – Rechtliche Aspekte (3. Referat); in: Erster Deutsches AtomrechtsSymposium. 7./8. Dezember 1972 in Münster/Westfalen, veranstaltet von Rudolf Lukes gemeinsam mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und dem Deutschen Atomforum e. V., Referate und Diskussionsberichte hrsg. von Rudolf Lukes, veröffentlicht unter Förderung durch das Bundesministerium des Innern; Köln et al. 1973; S. 95-108. Nawiasky, Hans: Allgemeine Rechtslehre als System der rechtlichen Grundbegriffe; 2. Aufl., Einsiedeln et al. 1948. Neuner, Jörg: Die Rechtsfindung contra legem; München 1992. Nevermann, Knut: Lehrplanrevision und Vergesetzlichung – Verfassungsrechtliche Grenzen der Parlamentarisierung curricularer Entscheidungen –; in: VerwArch 71 (1980), 241-264. Nick, Thomas: Die Beweislastverteilung im zivilrechtlichen Umweltschutz: Zugleich eine Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 18.9.1984 „Kupolofen“; in: AgrarR 1985, 343-348.
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Nicklisch, Fritz: Konkretisierung wissenschaftlich-technischer Standards bei der Genehmigung komplexer Großanlagen; in: BB 1981, 505-512. – Funktion und Bedeutung technischer Standards in der Rechtsordnung; in: BB 1983, 261-269. – Technische Regelwerke – Sachverständigengutachten im Rechtssinne?; in: NJW 1983, 841-850. Nicolaysen, Gert: Europarecht I. Die Europäische Integrationsverfassung; 2. Aufl., Baden-Baden 2002. Niederstadt, Frank: Anmerkung zu VG Koblenz, Urteil vom 14.1.1997 – 9 K 1670/ 96 –; in: ZUR 1997, 211-213. Niehues, Norbert: Der Vorbehalt des Gesetzes im Schulwesen – Eine Zwischenbilanz –; in: DVBl. 1980, 465-471. Niere, Ulrich: Allgemeine Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG und vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 VwGO. Zugleich eine Anmerkung zum Beschluß des OVG Hamburg vom 23.10.1974; in: DVBl. 1975, 172-175. Nierhaus, Michael: Zur gerichtlichen Kontrolle von Prognoseentscheidungen der Verwaltung; in: DVBl. 1977, 19-26. Nipperdey, Hans Carl: Rechtswidrigkeit, Sozialadäquanz, Fahrlässigkeit, Schuld im Zivilrecht; in: NJW 1957, 1777-1782. – Tatbestandsaufbau und Systematik des deliktischen Grundtatbestände; in: NJW 1967, 1985-1994. Nolte, Paul: Konstitutionalismus und Kommunalverfassung. Zusammenhänge und Wechselwirkungen in Preußen und Süddeutschland in der Reformzeit; in: Martin Kirsch/Pierangelo Schiera (Hrsg.), Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Berlin 1999; S. 109-124. Nolte, Rüdiger: Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kernanlagen. Zur Konkretisierung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG; Berlin 1984. Oberländer, Stefanie: Gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften? Zur Bindung der Gerichte an die auf der Grundlage der §§ 33 und 46 RStV erlassenen Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten; in: ZUM 2001, 487-500. Obermayer, Klaus: Anmerkung zu BayVGH, Urteil vom 20.1.1956 – Nr. 76 IV 52 und 77 IV 52 –; in: BayVBl. 1956, 123. – Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt; Stuttgart et al. 1956. – Anmerkung zu BGH, Urteil vom 10.3.1958 – III ZR 194/56 –; in: DÖV 1958, 629-632. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 23.2.1961 – II C 75.58 –; in: JZ 1962, 64-66. – Die Beurteilungsfreiheit der Verwaltung; in: BayVBl. 1975, 257-263. – Das Dilemma der Regelung eines Einzelfalles nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz; in: NJW 1980, 2386-2390. – Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz. Begründet von Dr. Klaus Obermayer, hrsg. von Dr. Roland Fritz, bearbeitet von Dr. Erwin Allesch et al.; 3. Aufl., Neuwied und Kriftel 1999 (zitiert: Bearbeiter, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., 1999).
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Odersky, Walter: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Gewässerverunreinigungen; in: Hans-Heinrich Jescheck/Theo Vogler (Hrsg.), Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag am 24. August 1989, Berlin und New York 1989; S. 291-304. Oebbecke, Janbernd: Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung; Köln 1986. Oeter, Stefan: Die Finanzverwaltung im System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung. Entstehungsgeschichte, Regelungsgehalt und Praxis des Art. 108 GG; in: ThürVBl. 1997, 1-5, 28-32. Oldekop, Dieter: Die Richtlinien der EWG; Göttingen 1968. Oldiges, Martin: Die Bundesregierung als Kollegium: Eine Studie zur Regierungsorganisation nach dem Grundgesetz; Hamburg 1983. – Richtlinien als Ordnungsrahmen der Subventionsverwaltung; in: NJW 1984, 19271936. – Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 43 (1985), S. 214-216. Olshausen, Henning von: Die (Rechts-)Quellen des Verwaltungsrechts; in: JA 1983, 177-187. Oppermann, Thomas: Nach welchen rechtlichen Grundsätzen sind das öffentliche Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen? Gutachten C für den 51. Deutschen Juristentag; in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages 1976, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten), München 1976; S. C1-C108. – Diskussionsbeitrag; in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages 1976, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Band II (Sitzungsberichte), München 1976; S. M115-M117. – Europarecht: ein Studienbuch; 2. Aufl., München 1999. Orlopp, Gerd L.: Auftragsverwaltung im Steuerrecht: Der Streit um das Weisungsrecht des Bundesministers der Finanzen und seine pragmatische Beilegung; in: Paul Kirchhof/Klaus Offerhaus/Horst Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht – Verfassungsrecht – Finanzpolitik. Festschrift für Franz Klein, Köln 1994; S. 597-610. Ossenbühl, Fritz: Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik; in: DVBl. 1967, 401-408. – Die Verwaltungsvorschriften in der verwaltungsgerichtlichen Praxis; in: AöR 92 (1967), 1-33. – Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz; Bad Homburg v. d. H. et al. 1968. – Ministerialerlasse als Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle; in: DVBl. 1969, 526-529. – Vertrauensschutz im sozialen Rechtsstaat; in: DÖV 1972, 25-36. – Vom unbestimmten Rechtsbegriff zur letztverbindlichen Verwaltungsentscheidung; in: DVBl. 1974, 309-313. – Zur Erziehungskompetenz des Staates; in: Walther J. Habscheid/Hans Friedhelm Gaul/Paul Mikat (Hrsg.), Festschrift für Friedhelm Bosch zum 65. Geburtstag am 2. Dezember 1976, Bielefeld 1976; S. 751-761.
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– Zur Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften; in: Otto Bachof/Ludwig Heigl/ Konrad Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, München 1978; S. 433-450. – Die Handlungsformen der Verwaltung; in: JuS 1979, 681-687. – Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung; in: DÖV 1980, 545-553. – Selbstbindungen der Verwaltung; in: DVBl. 1981, 857-865. – Die Bewertung technischer Risiken bei der Rechtsetzung; in: DÖV 1982, 833-842. – Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag; in: NVwZ 1982, 465-472. – Rechtsanspruch auf Erteilung atomrechtlicher Genehmigungen und Versagungsermessen; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 33 (1983), 665-676. – Eine Fehlerlehre für untergesetzliche Normen; in: NJW 1986, 2805-2812. – Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen; Köln et al. 1986. – Informelles Hoheitshandeln im Gesundheits- und Umweltschutz; in: UTR 3 (1987), 27-48. – Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften als Neben- oder Ersatzgesetzgebung?; in: Hermann Hill (Hrsg.), Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 56. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1988 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1989; S. 99112. – Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht; in: DVBl. 1990, 963-973. – Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 50 (1991), S. 300-302. – Novellierung des Atomgesetzes und Bundesauftragsverwaltung; in: Rudolf Lukes (Hrsg.), Reformüberlegungen zum Atomrecht; Köln et al. 1991; S. 27-109. – Staatshaftungsrecht; 5. Aufl., München 1998. – 40 Jahre Bundesverwaltungsgericht: Bewahrung und Fortentwicklung des Rechtsstaates; in: DVBl. 1993, 753-762. – Autonome Rechtsetzung der Verwaltung; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Das Handeln des Staates), 2. Aufl., Heidelberg 1996; § 65 (S. 425-462) (zitiert: Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 65). – Rechtsverordnung; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Das Handeln des Staates), 2. Aufl., Heidelberg 1996; § 64 (S. 387-424) (zitiert: Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 64). – Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Das Handeln des Staates), 2. Aufl., Heidelberg 1996; § 62 (S. 315-349) (zitiert: Ossenbühl, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 62). – Gesetz und Verordnung im gegenwärtigen Staatsrecht; in: ZG 12 (1997), 305-320. – Richtlinien im Vertragsarztrecht; in: NSZ 1997, 497-503. – Der verfassungsrechtliche Rahmen offener Gesetzgebung und konkretisierender Rechtsetzung; in: DVBl. 1999, 1-7.
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Ossig, Ulrich: Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung – Grenzen ihrer Bindungswirkung für die Gerichte. Zugleich ein Beitrag zum Vorbehalt des Gesetzes; Diss. Erlangen-Nürnberg 1985. Osterloh, Lerke: Erfordernis gesetzlicher Ermächtigung für Verwaltungshandeln in der Form des Verwaltungsakts?; in: JuS 1983, 280-285. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 – 7 C 10/81 –; in: JuS 1986, 162163. – Typisierende Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht – BVerfGE 78, 214; in: JuS 1990, 100-103. – Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze; Baden-Baden 1992. – Aktuelle Fragen zur „offensichtlich unzutreffenden Besteuerung“ durch typisierende Verwaltung und Gesetzgebung; in: StuW 1993, 342-353. – Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 28.6.1993 – 1 BvR 390/89 –; in: JuS 1994, 806-807. Otto, Franz: Gesetzesänderung: Duldung und Abwehr von Immissionen aus der Nachbarschaft; in: ZMR 1995, 147-149. Paefgen, Thomas Christian: Gerichtliche Kontrolle administrativer Prognoseentscheidungen (Teil I, II); in: BayVBl. 1986, 513-522, 551-556. Paetow, Stefan: Rechtsformen der untergesetzlichen Konkretisierung von Umweltanforderungen; in: NuR 1999, 199-203. Paetzold, Hartmut Oskar W.: Die Abgrenzung von allgemeinem und besonderem Gewaltverhältnis; Diss. Hamburg 1972. Pagenkopf, Hans: Kommunalrecht, Band 1 (Verfassungsrecht); 2. Aufl., Köln et al. 1975. – Verringerung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen?; in: NJW 1979, 2382-2383. – Zum Einfluß des Gemeinschaftsrechts auf nationales Wirtschaftsverwaltungsrecht – Versuch einer praktischen Einführung; in: NVwZ 1993, 216-225. Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz (Auszug), Unterlassungsklagengesetz, Produkthaftungsgesetz, Erbbaurechtsverordnung, Wohneigentumsgesetz, Hausratsverordnung, Lebenspartnerschaftsgesetz, Gewaltschutzgesetz (Auszug); 62. Aufl., München 2003 (zitiert: Bearbeiter, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., 2003). Papier, Hans-Jürgen: Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den Rechtsformen der Grundrechtseingriffe; Berlin 1973. – Anmerkung zu OVG Berlin, Urteil vom 17.7.1978 – OVG I B 157.25 –; in: DVBl. 1979, 162-164. – Die Stellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im demokratischen Rechtsstaat: Vortrag gehalten vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 29. November 1978; Berlin und New York 1979. – Rechtskontrolle technischer Großprojekte; in: Bitburger Gespräche 1981, 81-99.
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– Der Vorbehalt des Gesetzes und seine Grenzen; in: Volkmar Götz/Hans Hugo Klein/Christian Starck (Hrsg.), Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle. Göttinger Symposion, München 1985; S. 36-67. – Zur Disharmonie zwischen verwaltungs- und strafrechtlichen Bewertungsmaßstäben im Gewässerstrafrecht; in: NuR 1986, 1-8. – Zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte; in: DÖV 1986, 621-628. – Umweltschutz durch Strafrecht? Problematisiert am Beispiel des Gewässerschutzes; in: UTR 3 (1987), 65-81. – Bedeutung der Verwaltungsvorschriften im Recht der Technik; in: Herbert Leßmann/Bernhard Großfeld/Lothar Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes zum 65. Geburtstag, Köln et al. 1989; S. 159-168. – Strafrechtliche Probleme des Gewässerschutzes; in: Walter Krebs/Martin Oldiges/ Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Gewässerschutzes, Köln et al. 1990; S. 61-82. – Direkte Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und Technikrecht – Verwaltungsverfahrensrechtliche Probleme des nationalen Vollzuges –, in: DVBl. 1993, 809-814. Parlamentarischer Rat: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949; Akten und Protokolle; hrsg. vom Deutschen Bundestag und vom Bundesarchiv unter Leitung von Kurt G. Wernicke und Hans Booms; Band 2 (Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee), bearb. von Peter Bucher, Boppard am Rhein 1981; Band 3 (Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung), bearb. von Wolfram Werner, Boppard am Rhein 1986; Band 7 (Entwürfe zum Grundgesetz), bearb. von Michael Hollmann, Boppard am Rhein 1995. Pauly, Walter: Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung; Berlin 1989. Peine, Franz-Joseph: Vorbeugender Rechtsschutz im Verwaltungsprozeß; in: Jura 1983, 285-297. – Allgemeines Verwaltungsrecht; 6. Aufl., Heidelberg 2002. Pernice, Ingolf: Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes auf das Umweltrecht – Gemeinschafts(verfassungs-)rechtliche Grundlagen; in: NVwZ 1990, 201-211. – Kriterien der normativen Umsetzung von Umweltrichtlinien der EG im Lichte der Rechtsprechung des EuGH; in: EuR 29 (1994), 325-341. Pestalozza, Christian: Verfassungsprozeßrecht: Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder mit einem Anhang zum Internationalen Rechtsschutz; 3. Aufl., München 1991. Peters, Hans: Verwaltung ohne gesetzliche Ermächtigung?; in: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit: Festschrift für Hans Huber zum 60. Geburtstag 24. Mai 1961, dargebracht von Freunden, Kollegen, Schülern und dem Verlag, Bern 1961; S. 206-221. – Rezension von „Wilhelm Loschelder/Jürgen Salzwedel, Verfassungs- und Veraltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen. Eine systematische Darstellung unter Mitarbeit zahlreicher namhafter Wissenschaftler und Praktiker, mit einem Geleitwort von Dr. Franz Meyers, Ministerpräsident. Grote’sche Verlagsbuchhandlung 1964“; in: DÖV 1964, 754-755. – Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung; bearb. von Jürgen Salzwedel und Günter Erbel; Berlin et al. 1969.
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Petersen, Volkert: Die Bindung Privater an Verwaltungsrichtlinien über die Vergabe von Finanzhilfen; Diss. Göttingen 1980. Philipp, Renate: Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht; Köln et al. 1989. Pieper, Ulrich: Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft – Zum Stand der Entwicklung –, in: DVBl. 1990, 684-688. Pieroth, Bodo: Rechtsnormen der Exekutive; in: JuS 1994, L89-L92. Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard: Grundrechte – Staatsrecht II; 17. Aufl., Heidelberg 2001. Pieske, Eckart: Gesetzesvorbehalt im schulrechtlichen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der pädagogischen Freiheit; in: DVBl. 1979, 329-334. Pietzcker, Jost: Zur Inzidentverwerfung untergesetzlicher Rechtsnormen durch die vollziehende Gewalt; in: AöR 101 (1976), 374-399. – Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes; in: JuS 1979, 710-715. – Selbstbindungen der Verwaltung; in: NJW 1981, 2087-2093. – Der Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag (2. Mitbericht); in: VVDStRL 41 (1983), S. 193-231. – Drittwirkung – Schutzpflicht – Eingriff; in: Das akzeptierte Grundgesetz. Festschrift für Günter Dürig zum 70. Geburtstag; hrsg. von Hartmut Maurer in Verbindung mit Peter Häberle, Walter Schmitt Glaeser und Wolfgang Graf Vitzthum, München 1990; S. 345-363. – Zur Nichtanwendung europarechtswidriger Gesetze seitens der Verwaltung; in: Ole Due/Marcus Lutter/Jürgen Schwarze (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Everling, Band II, Baden-Baden 1995; S. 1095-1111. Pikart, Heinz: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Nachbarrecht; in: WM 1969, 82-90. Pipkorn, Jörn: Auskunftspflichten der daseinsvorsorgenden Verwaltungsbehörden; Diss. München 1968. Pitschas, Rainer: Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren – Strukturprobleme, Funktionsbedingungen und Entwicklungsperspektiven eines konsensualen Verwaltungsrechts –; München 1990. Plog, Ernst / Wiedow, Alexander / Lemhöfer, Bernt / Bayer, Detlef: Kommentar zum Bundesbeamtengesetz: mit Beamtenversorgungsgesetz, Loseblatt-Ausgabe; begr. von Ernst Plog und Alexander Wiedow, fortgef. von Gerhard Beck, hrsg. und bearb. von Bernt Lemhöfer und Detlef Bayer; Neuwied, Stand: 245. Lfg. (November 2003). Poetzsch-Heffter, Fritz: Handkommentar der Reichsverfassung vom 11. August 1919. Ein Handbuch für Verfassungsrecht und Verfassungspolitik; 3. Aufl., Berlin 1928. Preu, Peter: Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes; Berlin 1992. Puppe, Ingeborg: Tatirrtum, Rechtsirrtum, Subsumtionsirrtum; in: GA 1990, 145-182. Püttner, Günter: Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (2. Mitbericht); in: VVDStRL 32 (1974), S. 200-227. – Anmerkung zu VerfGH NW, Urteil vom 9.2.1979 – VerfGH 13/77, 7/78, 9/78 –; in: DVBl. 1979, 670.
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Rabe, Hans-Jürgen: Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft; Hamburg 1963. Ramsauer, Ulrich: Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums; Berlin 1980. – Die Rolle der Grundrechte im System der subjektiven öffentlichen Rechte; in: AöR 111 (1986), 501-536. Randelzhofer, Albrecht: Gleichbehandlung im Unrecht? Zur Problematik eines Anspruchs auf Beibehaltung rechtswidrigen Verwaltungshandelns; in: JZ 1973, 536544. Ranft, Otfried: Die Rechtsprechung zum sog. Subventionsbetrug (§ 264 StGB). Eine kritische Bestandsaufnahme; in: NJW 1986, 3163-3174. Rasch, Ernst: Die staatliche Verwaltungsorganisation: Allgemeines – Rechtliche Grundlagen – Aufbau; Köln et al. 1967. – Organisationsrechtliche Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit; in: VerwArch 60 (1969), 1-34. Rasch, Ernst / Patzig, Werner: Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren; Köln et al. 1962. Raschauer, Bernhard: Selbstbindungen der Verwaltung (3. Bericht); in: VVDStRL 40 (1982), S. 240-272. Rasenack, Christian A. L.: Zur Typisierung im Steuerrecht: Das Beispiel der berufstätigen alleinstehenden Mutter; in: DB 1974, 937-943. Rau, Eberhard: Kontrolle nachkonstitutioneller Bundesgesetze durch die Exekutive; Diss. Tübingen 1974. Rauschning, Dietrich: Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht; Band Homburg v. d. H. et al. 1969. Redeker, Konrad: Kann gemäß Art. 84 Abs. 2 GG auch der einzelne Fachminister allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates erlassen?; in: DÖV 1952, 235-237. – Staatliche Planung im Rechtsstaat; in: JZ 1968, 537-542. – Grundrechtliche Rechte auf Verfahrensteilhabe. Bemerkungen zu einem status activus processualis; in: NJW 1980, 1593-1598. Redeker, Konrad / Oertzen, Hans-Joachim von: Verwaltungsgerichtsordnung: Kommentar; 12. Aufl., erl. von Konrad Redeker, Hans-Joachim von Oertzen, Martin Redeker, Stuttgart et al. 1997 (zitiert: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl., 1997); 13. Aufl., erl. von Konrad Redeker, Hans-Joachim von Oertzen, Martin Redeker, Peter Kothe, Stuttgart et al. 2000 (zitiert: Bearbeiter, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000). Rehm, Hermann: Allgemeine Staatslehre; Leipzig und Tübingen 1899. Reich, Norbert: Informations-, Aufklärungs- und Warnpflichten beim Anlagengeschäft unter besonderer Berücksichtigung des „execution-only-business“ (EOB); in: WM 1997, 1601-1609. Reifenberg, Gerhard Alois: Die Bundesverfassungsorgane und ihre Geschäftsordnungen; Diss. Göttingen 1958. Reinhardt, Michael: Abschied von der Verwaltungsvorschrift im Wasserrecht? – Zu den Auswirkungen der neueren Rechtsprechung des EuGH auf den wasserrechtlichen Vollzug in der Bundesrepublik Deutschland –; in: DÖV 1992, 102-110.
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Schrifttumsverzeichnis
– Konsistente Jurisdiktion. Grundlegung einer verfassungsrechtlichen Theorie der rechtsgestaltenden Rechtsprechung; Tübingen 1997. Reinke, Bernhard: Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 – 7 C 10.81 –; in: ArchPF 1985, 264. Renck, Ludwig: Die Normerlaßklage – VGH München, BayVBl 1980, 209; in: JuS 1982, 338-343. – Geschäftsverteilungsplan und Normenkontrolle; in: NJW 1984, 2928-2929. Rengeling, Hans-Werner: Fragen zum allgemeinen Verwaltungsrecht in der Europäischen Gemeinschaft; in: Norbert Achterberg/Werner Krawietz/Dieter Wyduckel (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel: Festschrift für Hans Ulrich Scupin zum 80. Geburtstag, Berlin 1983; S. 475-487. – Der Stand der Technik bei der Genehmigung umweltgefährdender Anlagen. Zur Bekämpfung der Luftverunreinigung im Recht der EG-Mitgliedstaaten und im Europäischen Gemeinschaftsrecht; Köln et al. 1985. – Anlagenbegriff, Schadensvorsorge und Verfahrensstufung im Atomrecht – Bemerkungen zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.1985 betreffend das Kernkraftwerk Wyhl –; in: DVBl. 1986, 265-271. – Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht – wechselseitige Einwirkungen (2. Bericht); in: VVDStRL 53 (1994), S. 202-239. Rengeling, Hans-Werner / Gellermann, Martin: Gestaltung des europäischen Umweltschutzes und seine Implementation im deutschen Rechtsraum; in: UTR 36 (1996), 132. Rengier, Rudolf: Die öffentlich-rechtliche Genehmigung im Strafrecht; in: ZStW 101 (1989), 874-907. RGRK: Das Bürgerliche Gesetzbuch: mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes; Kommentar hrsg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes; Band II, 5. Teil (§§ 812-831, Anhang nach § 823: I. Verletzung des Persönlichkeitsrechts, II. Arzthaftungsrecht), 12. Aufl., Berlin und New York 1989; Band II, 6. Teil (§§ 832-853), 12. Aufl., Berlin und New York 1989; Band III, 1. Teil (§§ 854-1011), 12. Aufl., Berlin und New York 1979 (zitiert: Bearbeiter, in: BGB-RGRK). Riegel, Reinhard: Umweltschutzaktivitäten der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiete des Wasserrechts und deren Bedeutung für das innerstaatliche Recht; in: DVBl. 1977, 82-89. – Gliedstaatkompetenzen im Bundesstaat und Europäisches Gemeinschaftsrecht; in: DVBl. 1979, 245-251. Riese, Christoph: Der Maßgabebeschluß des Bundesrates bei zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnungen; Diss. Bonn 1992. Rietdorf, Fritz: Die Grundsätze des neuen Nordrhein-Westfälischen Ordnungsbehördengesetzes. Zugleich ein Beitrag zur Fortentwicklung des allgemeinen Verwaltungsrechts; in: DÖV 1957, 7-16. – Gedanken zum nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetz. Eine Entgegnung zu den Ausführungen von Scheerbarth DVBl. 1958 S. 83; in: DVBl. 1958, 344-347. – Die Bereinigung von Verwaltungsvorschriften in Nordrhein-Westfalen. Neue Wege zur Erfüllung alter Forderungen; in: DÖV 1960, 576-580.
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Rindtorff, Ermbrecht: Die TASi auf dem Weg zum Papiertiger? – Gleichzeitig eine Erwiderung auf Erbguth, UPR 97, 227 –; in: UPR 1997, 450-451. Rinken, Alfred: Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem: dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände; Berlin 1971. Riotte, W. / Waldecker, K.: Zur Einordnung der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung in den Zuständigkeitskatalog des § 73 Abs. 1 VwGO; in: NWVBl. 1995, 401-405. Risken, Arno: Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst; Berlin 1969. Rittstieg, Andreas: Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht; Köln et al. 1982. – Das „antizipierte Sachverständigengutachten“ – eine falsa demonstratio?; in: NJW 1983, 1098-1100. Rittstieg, Helmut: Die Weisungsunterworfenheit des Beamten; in: ZBR 1970, 72-81. – Einbürgerung als eigene Angelegenheit der Bundesländer; in: InfAuslR 1989, 307310. Robbers, Gerhard: Anspruch auf Normerlaß – OVG Koblenz, NJW 1988, 1684; in: JuS 1988, 949-953. – Verfassungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Arbeit; München 1996. Roellecke, Gerd: Politik und Verfassungsgerichtsbarkeit. Über immanente Grenzen der richterlichen Gewalt des Bundesverfassungsgerichts; Heidelberg 1961. – Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz; Mainz 1969. – Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Grenzbereich zur Gesetzgebung; in: NJW 1978, 1776-1781. Roethe, Eberhard: Die Ausführungsverordnung im heutigen Staatsrecht; in: AöR 59 (1931), 194-270. Rogmann, Achim: Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften. Zur Rechtslage insbesondere im Wirtschafts-, Umwelt- und Steuerrecht; Köln et al. 1998. Röhling, Eike: Überbetriebliche technische Normen als nichttarifäre Handelshemmnisse im Gemeinsamen Markt; Köln et al. 1972. Ronellenfitsch, Michael: Das besondere Gewaltverhältnis – ein zu früh totgesagtes Rechtsinstitut; in: DÖV 1981, 933-941. – Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung zum besonderen Gewaltverhältnis; in: VerwArch 73 (1982), 245-257. – Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren; Berlin 1983. – Das besondere Gewaltverhältnis im Verwaltungsrecht; in: DÖV 1984, 781-788. Röper, Erich: Nichtigkeit und Teilnichtigkeit kommunaler Beschlüsse und Normen; in: NVwZ 1982, 298-299. Rosenberg, Leo / Schwab, Karl Heinz / Gottwald, Peter: Zivilprozeßrecht; 15. Aufl., München 1993.
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Roser, Thomas: Abstrakter Auslegungsschutz für Kernenergieanlagen gegen Einwirkungen von außen (5. Referat); in: Erster Deutsches Atomrechts-Symposium. 7./8. Dezember 1972 in Münster/Westfalen, veranstaltet von Rudolf Lukes gemeinsam mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und dem Deutschen Atomforum e. V., Referate und Diskussionsberichte hrsg. von Rudolf Lukes, veröffentlicht unter Förderung durch das Bundesministerium des Innern; Köln et al. 1973; S. 115-118. – Zur Stellung der KTA-Regeln im Atomrecht; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 627-629. Ross, Alf: Theorie der Rechtsquellen. Ein Beitrag zur Theorie des positiven Rechts auf Grundlage dogmenhistorischer Untersuchungen; Leipzig und Wien 1929. Roth, Andreas: Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt; Berlin 1991. Roth, Herbert: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 5.2.1993 – V ZR 62/91 –; in: JR 1994, 64-65. – Anmerkung zu BGH, Urteil vom 6.7.2001 – V ZR 246/00 –; in: JZ 2002, 245-247. Rothe, Karl-Heinz: Rechtsnatur und strittige Regelungen der Geschäftsordnungen kommunaler Vertretungskörperschaften; in: DÖV 1991, 486-494. Röthel, Anne / Hartmann, Kerstin: Europarechtliche und verfassungsrechtliche Impulse für die Normkonkretisierung im Umweltrecht; in: UTR 31 (1995), 71-100. Rottmann, Frank: Grundrechte und Rechtsschutz im Beamtenverhältnis; in: ZBR 1983, 77-92. Rudisile, Richard: Verwaltungsvorschriften in der Rechtsprechung von Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht; Diss. Freiburg 1987. Rudolphi, Hans-Joachim: Schutzgut und Rechtfertigungsprobleme der Gewässerverunreinigung i. S. des § 324 StGB; in: ZfW 1982, 197-211. – Primat des Strafrechts im Umweltschutz? (1. und 2. Teil); in: NStZ 1984, 193-199, 248-254. Rudolphi, Hans-Joachim / Horn, Eckhard / Samson, Erich / Günther, Hans-Ludwig / Hoyer, Andreas: Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1: Allgemeiner Teil (§§ 1 bis 79 b); Gesamtredaktion: Hans-Joachim Rudolphi; 8. Aufl., Neuwied und Kriftel, Stand: 36. Lfg. (April 2001) (zitiert: Bearbeiter, in: SK-StGB, Stand: April 2001). Ruland, Franz: Verfassungsrecht und Beamtenrecht. Dargestellt am Beispiel aktueller Schwierigkeiten des Beamtenrechts mit Lehrern; in: ZRP 1983, 278-284. Rupp, Hans Heinrich: Verfassungsgerichtliche Überprüfung des Haushaltsgesetzes im Wege der „abstrakten Normenkontrolle“?; in: NJW 1966, 1097-1099. – Die „Verwaltungsvorschriften“ im grundgesetzlichen Normensystem. Zum Wandel einer verfassungsrechtlichen Institution; in: JuS 1975, 609-617. – Vom Wandel der Grundrechte; in: AöR 101 (1976), 161-201. – Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland –; in: JZ 1991, 1034-1035. – Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 50 (1991), S. 292-294. – Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre: Verwaltungsnorm und Verwaltungsrechtsverhältnis; 2. Aufl., Tübingen 1991. – Rechtsverordnungsbefugnis des Deutschen Bundestages?; in: NVwZ 1993, 756-759.
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Russell, Bertrand: Vagueness; in: The Australasian Journal of Psychology and Philosophy 1 (1923), 84-92. Rux, Johannes: Zu den Voraussetzungen für die Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen; in: DÖV 2002, 985-991. Sachs, Michael: Die Gesetzesvorbehalte; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band III/2 (Allgemeine Lehren der Grundrechte: Grundrechtstatbestand, Grundrechtsbeeinträchtigungen und Grundrechtsbegrenzungen, Grundrechtsverluste und Grundpflichten, Schutz der Grundrechte, Grundrechtskonkurrenzen, Grundrechtssystem); München 1994; § 80 (S. 369-492). – Die verfassungsunmittelbaren Begrenzungen; in: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band III/2 (Allgemeine Lehren der Grundrechte: Grundrechtstatbestand, Grundrechtsbeeinträchtigungen und Grundrechtsbegrenzungen, Grundrechtsverluste und Grundpflichten, Schutz der Grundrechte, Grundrechtskonkurrenzen, Grundrechtssystem); München 1994; § 81 (S. 493-602). – Das parlamentarische Regierungssystem und der Bundesrat – Entwicklungsstand und Reformbedarf (2. Bericht); in: VVDStRL 58 (1999), S. 39-80. – Grundgesetz: Kommentar; hrsg. von Michael Sachs; 2. Aufl., München 1999; 3. Aufl., München 2003 (zitiert: Bearbeiter, in: Sachs, GG). – Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 2.3.1999 – 2 BvF 1/94 –; in: JuS 2000, 601602. Salger, Hanns-Christian (Hrsg.): Handbuch der europäischen Rechts- und Wirtschaftspraxis; Herne, Berlin 1996. Salzwedel, Jürgen: Risiko im Umweltrecht – Zuständigkeit, Verfahren und Maßstäbe der Bewertung; in: NVwZ 1987, 276-279. – Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des Gewässerschutzes und neue Entwicklungen im deutschen Recht; in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik. Referate und Diskussionsberichte der Tagung des Arbeitskreises Europäische Integration e. V. in Osnabrück vom 5. bis 7. Februar 1987, Köln et al. 1988; S. 77-97. – Probleme der Umsetzung europäischen Gemeinschaftsrechts in das Umwelt- und Technikrecht der Mitgliedstaaten – Das Beispiel des Gewässerschutzes –; in: UPR 1989, 41-49. – Probleme der Umsetzung europäischen Gemeinschaftsrechts in das Umwelt- und Technikrecht der Mitgliedstaaten – Das Beispiel des Gewässerschutzes –; in: UTR 7 (1989), 65-83. Salzwedel, Jürgen / Reinhardt, Michael: Neuere Tendenzen im Wasserrecht; in: NVwZ 1991, 946-952. Salzwedel, Jürgen / Viertel, Berthold: Umsetzung und Verwirklichung europäischen Umweltrechts in den Mitgliedstaaten – Lösungsansätze zur Konfliktvermeidung –; in: ZAU 2 (1989), 131-144. Samson, Erich: Gewässerstrafrecht und wasserrechtliche Grenzwerte; in: ZfW 1988, 201-209. – Konflikte zwischen öffentlichem und strafrechtlichem Umweltschutz; in: JZ 1988, 800-805. Schachtschneider, Karl Albrecht: Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 50 (1991), S. 325326.
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Schaefgen, Heinz: Von den Grundrechten des Staatsbürgers in Uniform; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B48/1980, S. 3-12. Schäfer, Hans: Bundesaufsicht und Bundeszwang; in: AöR 78 (1952/53), 1-49. – Die Bundesauftragsverwaltung; in: DÖV 1960, 641-649. Schäfer, Karl-Wilhelm: Das Recht der Regeln der Technik; Diss. Köln 1965. Schäfer, Ludwig: Die Justizgewährungspflicht. Zur Anfechtung von justizverweigernden Beschlüssen der Gerichtspräsidien; in: BayVBl. 1974, 325-331. Schall, Hero: Umweltschutz durch Strafrecht: Anspruch und Wirklichkeit; in: NJW 1990, 1263-1273. Scharnhoop, Hermann: Die Haftung für Zulassungskontrollen technischer Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. Ein Beitrag zur Lösung des Problems der Beseitigung technischer Handelshemmnisse in der EG; Köln et al. 1975. Scheffler, Hans Hermann: Wachsende Bedeutung der Verwaltungsvorschriften; in: DÖV 1980, 236-244. Schenke, Wolf-Rüdiger: Gesetzgebung durch Verwaltungsvorschriften? Bemerkungen zu BVerfGE 40, 237 = DÖV 1976, 50; in: DÖV 1977, 27-33. – Subventionen und Gesetzesvorbehalt; in: GewArch 1977, 313-321. – Der Rechtsschutz des Bürgers gegen Verwaltungsvorschriften; in: DÖV 1979, 622632. – Die verfassungsrechtliche Problematik dynamischer Verweisungen; in: NJW 1980, 743-749. – Rechtsschutz gegen Normen; in: JuS 1981, 81-88. – Organisatorische Regelungen mit Außenwirkung durch Verwaltungsvorschriften? – Bemerkungen zum Beschluß des HessVGH vom 1.4.1985 – 2 TH 1805/84 –; in: DÖV 1986, 190-194. – Verwaltungsprozeßrecht; 8. Aufl., Heidelberg 2002. Scherer, Werner / Alff, Richard: Soldatengesetz: Kommentar; 6. Aufl., München 1988. Scherzberg, Arno: Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“. Das Ausmaß individueller Grundrechtsbetroffenheit als materiellrechtliche und kompetenzielle Determinante der verfassungsgerichtlichen Kontrolle der Fachgerichtsbarkeit im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde; Berlin 1989. Scheuing, Dieter H.: Selbstbindungen der Verwaltung (1. Bericht); in: VVDStRL 40 (1982), S. 153-186. – Rechtsprobleme bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland; in: EuR 20 (1985), 229-272. – Europarechtliche Impulse für innovative Ansätze im deutschen Verwaltungsrecht; in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns; Baden-Baden 1994; S. 289-354. Scheuner, Ulrich: Der Bereich der Regierung; in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag. 15. Januar 1952. Dargebracht von Freunden, Schülern und Kollegen, Göttingen 1952; S. 253-301. – Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 16 (1958), S. 122-126. – Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung; in: DÖV 1969, 585-593.
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Schiera, Pierangelo: Konstitutionalismus, Verfassung und Geschichte des europäischen politischen Denkens. Überlegungen am Rande einer Tagung; in: Martin Kirsch/Pierangelo Schiera (Hrsg.), Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Berlin 1999; S. 23-31. Schilken, Eberhard: Zivilprozessrecht; 4. Aufl., Köln et al. 2002. – Gerichtsverfassungsrecht; 3. Aufl., Köln et al. 2003. Schilling, Theodor: Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen; Berlin 1994. Schindler, Peter: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1983 bis 1991. Mit Anhang: Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. Eine Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Verfaßt und bearb. von Peter Schindler; Baden-Baden 1994. Schink, Alexander: Bedeutung der TA Siedlungsabfall für die Entsorgung von Siedlungsabfällen; in: NuR 1998, 20-28. Schlaich, Klaus / Korioth, Stefan: Das Bundesverfassungsgericht: Stellung, Verfahren, Entscheidungen; 6. Aufl., München 2004. Schlicht, Johannes: Bundes-Immissionsschutzgesetz: Kommentar; begr. von Hanns Engelhardt, fortgef. von Johannes Schlicht; 4. Aufl., Köln et al. 1997 (zitiert: Schlicht/Engelhardt, BImSchG, 4. Aufl., 1997). Schlink, Bernhard: Freiheit und Eingriffsabwehr – Rekonstruktion der klassischen Grundrechtsfunktion; in: EuGRZ 1984, 457-468. Schlüter, Wilfried: Das obiter dictum. Die Grenzen höchstrichterlicher Entscheidungsbegründung, dargestellt an Beispielen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; München 1973. Schmidhäuser, Eberhard: Strafrecht. Allgemeiner Teil: Studienbuch; unter Mitarbeit von Heiner Alwart; 2. Aufl., Tübingen 1984. Schmidt, Christoph: Der Ausstieg des Bundesverwaltungsgerichts aus der atomrechtlichen Kontrolle: Anmerkungen zum KKW-Wyhl-Urteil des BVerwG; in: KJ 1986, 470-480. Schmidt, Karl: Die Vertrauensschutzrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts; in: DÖV 1972, 36-41. Schmidt, Reiner: Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zum Umweltrecht; in: JZ 1993, 1086-1096. Schmidt, Rolf: Die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen; in: JuS 1999, 861-867. Schmidt, Walter: Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung. Untersuchungen zu den Verwaltungsvorschriften und zur „Selbstbindung der Verwaltung“; Bad Homburg v. d. H. et al. 1969. – Die Gleichheitsbindung an Verwaltungsvorschriften – BVerwGE 34, 278; in: JuS 1971, 184-188. – „Vertrauensschutz“ im öffentlichen Recht. Randpositionen des Eigentums im spätbürgerlichen Rechtsstaat; in: JuS 1973, 529-537. – Gerichtlicher Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren. Zur Auslegung des § 44 a VwGO; in: JuS 1982, 745-748.
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Schmidt-Aßmann, Eberhard: Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit (2. Mitbericht); in: VVDStRL 34 (1976), S. 221-274. – Unzulässige Sanktionierungen von Verfahrensfehlern beim Erlaß von Satzungen; in: VR 1978, 85-89. – Der Verfahrensgedanke in der Dogmatik des öffentlichen Rechts; in: Peter Lerche/Walter Schmitt Glaeser/Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verfahren als staatsund verwaltungsrechtliche Kategorie, Heidelberg 1984; S. 1-34. – Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit; in: Hans-Uwe Erichsen/Werner Hoppe/Albert von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes: Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, Köln et al. 1985; S. 107-123. – Die Lehre von den Rechtsformen des Verwaltungshandelns – Ihre Bedeutung im System des Verwaltungsrechts und für das verwaltungsrechtliche Denken der Gegenwart –; in: DVBl. 1989, 533-541. – Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“ – Funktion und Dogmatik des Art. 28 Abs. 2 GG in der neueren Rechtsprechung –; in: Everhardt Franßen/Konrad Redeker/Otto Schlichter/Dieter Wilke, Bürger – Richter – Staat: Festschrift für Horst Sendler, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, zum Abschied aus seinem Amt, München 1991; S. 127-138. – Verfassungslegitimation als Rechtsbegriff; in: AöR 116 (1991), 329-390. – Der Rechtsstaat; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I (Grundlagen von Staat und Verfassung), 2. Aufl., Heidelberg 1995; § 24 (S. 987-1043) (zitiert: Schmidt-Aßmann, in: HStR I, 2. Aufl., 1995, § 24). – Verwaltungsverfahren; in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Das Handeln des Staates), 2. Aufl., Heidelberg 1996; § 70 (S. 623-651) (zitiert: Schmidt-Aßmann, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, § 70). – Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee: Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung; Berlin et al. 1998. – Besonderes Verwaltungsrecht; hrsg. von Eberhard Schmidt-Aßmann, bearb. von Peter Badura et al.; 11. Aufl., Berlin und New York 1999; 12. Aufl., Berlin und New York 2003 (zitiert: Bearbeiter, in: Schmidt-Aßmann, Bes. Verwaltungsrecht). – Die Rechtsverordnung in ihrem Verhältnis zu Gesetz und Verwaltungsvorschrift; in: Paul Kirchhof/Moris Lehner/Arndt Raupach/Michael Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern. Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2000; S. 477494. Schmidt-Bleibtreu, Bruno: Zum verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen die GNOFÄ; in: DB 1978, 2193-2195. Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz; unter Mitarbeit von Hans Bernhard Brockmeyer, Christoph Kannengießer und Rüdiger Sannwald; 9. Aufl., Neuwied und Kriftel 1999 (zitiert: Bearbeiter, in: Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, GG, 9. Aufl., 1999). Schmidt-Eichstaedt, Gerd: Der Konkretisierungsauftrag der Verwaltung beim Vollzug öffentlich-rechtlicher Normen; in: DVBl. 1985, 645-651.
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Schmidt-Preuss, Matthias: Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht: Das subjektive öffentliche Recht im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis; Berlin 1992. Schmitt, Carl: Die Diktatur des Reichspräsidenten nach Art. 48 der Reichsverfassung (1. Bericht); in: VVDStRL 1 (1924), S. 63-104. – Verfassungslehre; 3. Aufl., Berlin 1928. – Legalität und Legitimität; München und Leipzig 1932. Schmitt Glaeser, Walter: Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1. Teil); in: AöR 97 (1972), 60-123. – Partizipation an Verwaltungsentscheidungen (2. Mitbericht); in: VVDStRL 31 (1973), S. 179-265. – Planende Behörden, protestierende Bürger und überforderte Richter: Rechtliche Aspekte zur Genehmigung von Kernkraftwerken; in: Der Landkreis 1976, 442-451. – Anspruch, Hoffnung und Erfüllung: Das Verwaltungsverfahren und sein Gesetz – eine einleitende Bemerkung; in: Walter Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Richard Boorberg Verlags, Stuttgart et al. 1977; S. 1-45. Schmitt Glaeser, Walter / Horn, Hans-Detlef: Verwaltungsprozeßrecht; 15. Aufl., Stuttgart et al. 2000. Schnapp, Friedrich E.:Amtsrecht und Beamtenrecht. Eine Untersuchung über normative Strukturen des staatlichen Innenbereichs; Berlin 1977. – Zu Dogmatik und Funktion des staatlichen Organisationsrechts; in: Rechtstheorie 9 (1978), 275-300. – Der Verwaltungsvorbehalt (2. Bericht); in: VVDStRL 43 (1985), S. 172-201. Schnapp, Friedrich E. / Henkenötter, Sandra: Wann ist ein Verwaltungsakt fehlerhaft?; in: JuS 1998, 624-630. Schneider, Hans: Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat (1. Bericht); in: VVDStRL 19 (1961), S. 1-85. – Gesetzgebung: ein Lehr- und Handbuch; 3. Aufl., Heidelberg 2002. Schneider, Hans-Peter: Die Gesetzmäßigkeit der Rechtsprechung: Zur Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung; in: DÖV 1975, 443-452. Schneider, Hans-Peter / Zeh, Wolfgang: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland; 1989. Schneider, Peter: Zur Problematik der Gewaltenteilung im Rechtsstaat der Gegenwart; in: AöR 82 (1957), 1-27. Schoch, Friedrich: Die Europäisierung des Allgemeinen Verwaltungsrechts; in: JZ 1995, 109-123. Schoch, Friedrich / Schmidt-Aßmann, Eberhard / Pietzner, Rainer (Hrsg.): Verwaltungsgerichtsordnung: Kommentar, Loseblatt-Ausgabe, Band I; München, Stand: 6. Lfg. (Januar 2001) (zitiert: Bearbeiter, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO). Schoch, Friedrich / Wieland, Joachim: Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlaßte kommunale Aufgaben; Baden-Baden 1995. Schöck, Thomas A. H.: Innerstaatliche Kooperation beim Vollzug von Steuergesetzen in der Bundesrepublik Deutschland; in: StuW 1977, 22-30.
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Schrifttumsverzeichnis
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Schütterle, Peter: Die Beihilfenkontrollpraxis der Europäischen Kommission im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik; in: EuZW 1995, 391-396. – Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. C-135/93 (Spanien/Kommission) –, EuZW 1995, 579; in: EuZW 1995, 581-583. Schütz, Erwin: Beamtenrecht des Bundes und der Länder; 5. Aufl., Heidelberg 1973, Stand: 165. Lfg. (April 1999) (zitiert: Bearbeiter, in: Schütz, Beamtenrecht). Schwabe, Jürgen: Innenrecht und Außenrecht; in: JA 1975, 45-52. – Verwaltungszuständigkeiten und Gesetzesvorbehalt; in: JA 1975, 113-118. – Rechtswegerschwerung durch Verwaltungsvorschriften? – BVerfGE 40, 237; in: JuS 1977, 661-664. – Nochmals: „Der ›mittelbare‹ Grundrechtseingriff“. Erwiderung auf die Abhandlung von Bleckmann/Eckhoff, DVBl. 1988, 373 ff.; in: DVBl. 1988, 1055-1057. Schwarze, Jürgen: Europäisches Verwaltungsrecht: Entstehung und Entwicklung im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, Band 2; Baden-Baden 1988. Schwarzer, Wolfgang / Eichner, Wolfgang: Der Kerntechnische Ausschuß (KTA) – Auftrag, Arbeitsweise, Arbeitsergebnisse –; in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 34 (1984), 377-379. Schweer, Dieter: Die Pflichtaufgaben nach Weisung nach der Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen; in: DVBl. 1956, 703-708. Schwerdtfeger, Gunther: Die lenkende Veröffentlichung von Subventionsrichtlinien – Auslobung und Vertrauensschutz; in: NVwZ 1984, 486-489. – Pluralistische Arzneimittelbeurteilung (Organotherapeutika): Zu den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bildung und Zusammensetzung der Aufbereitungskommissionen nach § 25 VII AMG sowie zur prozessualen Durchsetzbarkeit dieser Anforderungen; Baden-Baden 1988. Seeger, Siegbert: Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand bei Dienst- und Geschäftsreisen und doppelter Haushaltsführung; in: BB 1984, 51-55. Seelmann, Kurt: Atypische Zurechnungsstrukturen im Umweltstrafrecht; in: NJW 1990, 1257-1262. Seidel, Martin: Die Direkt- oder Drittwirkung von Richtlinien des Gemeinschaftsrechts; in: NJW 1985, 517-522. Seifert, Karl-Heinz / Hömig, Dieter: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Taschenkommentar, hrsg. von Dieter Hömig, mitbegr. von Karl-Heinz Seifert, erl. von Michael Antoni et al.; 6. Aufl., Baden-Baden 1999 (zitiert: Bearbeiter, in: Seifert/Hömig, GG, 6. Aufl., 1999). Seiler, Christian: Der einheitliche Parlamentsvorbehalt; Berlin 2000. Seiler, Hansjörg: Gewaltenteilung. Allgemeine Grundlagen und schweizerische Ausgestaltung; Bern 1994. Seithel, Rolf: Die rechtsstaatliche Problematik der Rechtsprechung des BFH zur Anwendung begünstigender Verwaltungsanweisungen durch die Steuergerichte; in: FR 1958, 314-316. Seligmann, Ernst: Der Begriff des Gesetzes im materiellen und formellen Sinne; Berlin und Leipzig 1886. Sellner, Dieter: Kontrolle immissionsrechtlicher und atomrechtlicher Entscheidungen im Verwaltungsgerichtsprozeß; in: BauR 1980, 391-406.
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Söhn, Hartmut: Die abstrakte Normenkontrolle; in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Erster Band (Verfassungsgerichtsbarkeit); hrsg. von Christian Starck in Gemeinschaft mit Martin Drath, Ernst Friesenhahn, Wilhelm Karl Geck, Gerhard Leibholz, Gerd Roellecke, Hans F. Zacher und Konrad Zweigert, Tübingen 1976; S. 292-322. Somló, Felix: Juristische Grundlehre; Leipzig 1917. Sonnenberger, Hans Jürgen: Verkehrssitten im Schuldvertrag: Rechtsvergleichender Beitrag zur Vertragsauslegung und zur Rechtsquellenlehre; München 1970. Spannowsky, Willy: Die Grenzwertkonzeption im Wandel; in: NVwZ 1995, 845-851. Sparwasser, Reinhard / v. Komorowski, Alexis: Die neue TA Lärm in der Anwendung; in: VBlBW 2000, 348-355. Spetzler, Eugen: Die Kollision des Europäischen Gemeinschaftsrechts mit nationalem Recht und deren Lösung; in: RIW 1990, 286-290. Stahl, Friedrich Julius: Staatslehre; 3. Aufl., Berlin 1856; im Auszug neu hrsg. Berlin 1910. Starck, Christian: Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes; Baden-Baden 1970. – Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 14.3.1972 – 2 BvR 41/71 –; in: JZ 1972, 360-362. – Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung (2. Mitbericht); in: VVDStRL 34 (1976), S. 43-93. – Organisation des öffentlichen Schulwesens; in: NJW 1976, 1375-1380. – Staatliche Schulhoheit, pädagogische Freiheit und Elternrecht; in: DÖV 1979, 269-275. – Wer ist eigentlich für den Erlaß der AfA-Tabellen zuständig?; in: JZ 2001, 132-133. Staudinger, Julius von (Begr.): J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen; Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 823-825), 13. Bearb. von Johannes Hager, Red. Norbert Horn, Berlin 1999; Drittes Buch: Sachenrecht (§§ 903-924, Anhang zu § 906: Umwelthaftungsrecht), 13. Bearb. von Jürgen Kohler, Herbert Roth, Hans Hermann Seiler, Red. Karl-Heinz Gursky, Berlin 1996; Buch 3: Sachenrecht (§§ 903-924), Neubearb. 2002 von Herbert Roth, Hans Hermann Seiler, Red. Karl-Heinz Gursky, Berlin 2002 (zitiert: Bearbeiter, in: Staudinger, BGB). Staupe, Jürgen: Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis: Zur „Wesentlichkeitstheorie“ und zur Reichweite legislativer Regelungskompetenz, insbesondere im Schulrecht; Berlin 1986. Steiling, Ronald: Mangelnde Umsetzung von EG-Richtlinien durch den Erlaß und die Anwendung der TA Luft; in: NVwZ 1992, 134-137. Stein, Ekkehart: Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts; Tübingen 1965. Stein, Ekkehart / Frank, Götz: Staatsrecht; 18. Aufl., Tübingen 2002. Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Erster Theil: Die vollziehende Gewalt, Erste Abtheilung; 2. Aufl., Stuttgart 1869. Steinberg, Rudolf: Handlungs- und Entscheidungsspielräume des Landes bei der Bundesauftragsverwaltung unter besonderer Berücksichtigung der Ausführung des Atomgesetzes; in: AöR 110 (1985), 419-446.
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Streit, Christian / Häcker, R.: Ein Vierteljahrhundert Bundesbeamtengesetz – Kernstükke des Beamtenrechts; in: ZBR 1978, 285-292. Strohal, E. (Hrsg.): Planck’s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Nebengesetzen, II. Band, 1. Hälfte: Recht der Schuldverhältnisse (Allgemeiner Teil) §§ 241432; bisher hrsg. von Dr. E. Strohal, bearb. von Dr. F. André et al.; 4. Aufl., Berlin 1914 (zitiert: Bearbeiter, in: Planck, BGB, Bd. II/1, 4. Aufl., 1914). Studenroth, Stefan: Einflußnahme des Bundestages auf Erlaß, Inhalt und Bestand von Rechtsverordnungen; in: DÖV 1995, 525-537. Summer, Rudolf: Dokumente zur Geschichte des Beamtenrechts. Zusammengestellt und mit einer Kurzdarstellung der Geschichte des deutschen Beamtenrechts als Einleitung versehen; Bonn 1986. Taupitz, Jochen: Die Standesordnungen der freien Berufe: Geschichtliche Entwicklung, Funktionen, Stellung im Rechtssystem; Berlin, New York 1991. Tegeder, Klaus: Die TA Lärm 1998: technische Grundlagen der Lärmbewertung; in: UPR 2000, 99-103. Tettinger, Peter J.: Überlegungen zu einem administrativem „Prognosespielraum“; in: DVBl. 1982, 421-433. Thiele, Willi: Rechte und Pflichten der Beamten; in: DÖD 1988, 273-279. Thieme, Werner: Der öffentliche Dienst in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes (Art. 33 GG); Göttingen 1961. Thoma, Richard: Der Polizeibefehl im Badischen Recht. Dargestellt auf rechtsvergleichender Grundlage. Erster Teil; Tübingen 1906. – Der Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht; in: Festgabe für Otto Mayer. Zum siebzigsten Geburtstag dargebracht von Freunden, Verehrern und Schülern. 29. März 1916, Tübingen 1916; S. 165-221. Thon, August: Rechtsnorm und subjektives Recht. Untersuchungen zur Allgemeinen Rechtslehre; Neudruck der Ausgabe Weimar 1878; Aalen 1964. Tiedemann, Jens: Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften (zu Jarass, Jus 1999, 105 ff.); in: JuS 2000, 726-727. Tiedemann, Klaus: Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht: Untersuchungen zu einem rechtsstaatlichen Tatbestandsbegriff, entwickelt am Problem des Wirtschaftsstrafrechts; Tübingen 1969. Tiedemann, Klaus / Kindhäuser, Urs: Umweltstrafrecht – Bewährung oder Reform?; in: NStZ 1988, 337-346. Tietz, E.: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 28.1.1954 – III ZR 51/53 –; in: NJW 1954, 1081-1082. Tipke, Klaus: Rechtsetzung durch Steuergerichte und Steuerverwaltungsbehörden? Zum Thema der Mainzer Tagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft; in: StuW 1981, 189-200. Tipke, Klaus / Kruse, Heinrich Wilhelm: Abgabenordnung. Finanzgerichtsordnung: Kommentar zur AO und FGO (ohne Steuerstrafrecht), unter Mitarbeit von Roman Seer, Peter Brandis, Klaus-Dieter Drüen und Matthias Loose; Loseblattwerk; Köln Stand: 102. Lfg. (November 2003). Tipke, Klaus / Lang, Joachim: Steuerrecht; 17. Aufl., Köln 2002.
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Trabandt, H.: Die Regeln der Elektrotechnik; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 36 vom 12.2.1960, S. 6. Triepel, Heinrich: Die Reichsaufsicht: Untersuchungen zum Staatsrecht des Deutschen Reiches; Berlin 1917. – Der Weg der Gesetzgebung nach der neuen Reichsverfassung; in: AöR 39 (1920), 456-546. – Empfiehlt es sich, in die Reichsverfassung neue Vorschriften über die Grenzen zwischen Gesetz und Rechtsverordnung aufzunehmen?; in: Verhandlungen des 32. Deutschen Juristentages (Bamberg 1921), Band II (Sitzungsberichte), hrsg. von dem Schriftführer-Amt der Ständigen Deputation; Berlin und Leipzig 1922; S. 111-35. – Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern: Beiträge zur Auslegung des Artikels 19 der Weimarer Reichverfassung; in: Festgabe der Berliner Juristischen Fakultät für Wilhelm Kahl zum Doktorjubiläum am 19. April 1923, Tübingen 1923; Beitrag II (S. 1-118) (zitiert: Triepel, in: Festgabe für W. Kahl, 1923). Tröndle, Herbert: Verwaltungshandeln und Strafverfolgung – konkurrierende Instrumente des Umweltrechts?; in: Dokumentation zum 9. Deutschen Verwaltungsrichtertag 1989, hrsg. vom Bund Deutscher Verwaltungsrichter, Stuttgart et al. 1989; S. 232-253. – Verwaltungshandeln und Strafverfolgung – Konkurrierende Instrumente des Umweltrechts?; in: NVwZ 1989, 918-927. Trute, Hans-Heinrich: Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im Bundesimmissionsschutzgesetz; Heidelberg 1989. – Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung: Das Wissenschaftsrecht als Recht kooperativer Verwaltungsvorgänge; Tübingen 1994. Trzaskalik, Christoph: Steuerverwaltungsvorschriften aus der Sicht des Rechtsschutzes; in: Klaus Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, Köln 1982; S. 315-338. Tsatsos, Themistokles: Zur Geschichte und Kritik der Lehre von der Gewaltenteilung; Heidelberg 1968. Tschentscher, Axel: Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 2.3.1999 – 2 BvF 1/94 –, in: JZ 1999, 993-996. Tschentscher, Thomas: Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung; Baden-Baden 1992. Uelner, Adalbert: Die Finanzminister im System der sogenannten Gewaltenteilung; in: Staat. Wirtschaft. Steuern: Festschrift für Karl Heinrich Friauf zum 65. Geburtstag, hrsg. von Rudolf Wendt, Wolfram Höfling, Ulrich Karpen, Martin Oldiges, Heidelberg 1996; S. 217-231. Uerpmann, Robert: Kooperatives Verwaltungshandeln im Gemeinschaftsrecht: die Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen; in: EuZW 1998, 331-335. Ule, Carl Hermann: Verwaltungsgerichte überstaatlicher und internationaler Organisationen; in: DVBl. 1953, 491-497. – Zur Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Verwaltungsrecht; in: Otto Bachof/Martin Drath/Otto Gönnenwein/Ernst Walz (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Walter Jellinek (12. Juli 1885 - 9. Juni 1955), München 1955; S. 309-330. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 19.2.1957 – II C 72.57 –; in: JZ 1958, 628-630.
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– Verwaltungsgerichtsbarkeit; 2. Aufl., Köln et al. 1962. – Welche Rechtsfolgen hat das Fehlen der Beteiligung der Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften und der Mitwirkung der Personalausschüsse bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse?; in: ZBR 1962, 171-174. – Unbestimmte Begriffe und Ermessen im Umweltschutzrecht; in: DVBl. 1973, 756-763. – Die Bindung der Verwaltungsgerichte an die Immissionswerte der TA Luft; in: BB 1976, 446-447. – Bundes-Immissionsschutzgesetz und Vertretbarkeitslehre – Zum Urteil des OVG Münster vom 6./7. Juli 1976 im Fall Voerde –; in: WiVerw. 1977, 80-94. – Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gesammelte Aufsätze und Vorträge 1949-1979; Köln et al. 1979. – Rechtsstaat und Verwaltung; in: VerwArch 76 (1985), 1-23. – Verwaltungsprozeßrecht. Ein Studienbuch; 9. Aufl., München 1987. – Verwaltungsverfahrensrecht: ein Lehrbuch für Studium und Praxis. Von Carl Hermann Ule und Hans-Werner Laubinger; 4. Aufl., Köln et al. 1995 (zitiert: Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995). Ule, Carl Hermann / Laubinger, Hans-Werner: Bundes-Immissionsschutzgesetz: Kommentar. Rechtsvorschriften. Rechtsprechung, Teil I: Kommentar; begr. von Carl Hermann Ule, fortgef. von Hans-Werner Laubinger, bearb. von Jürgen Fluck, HansWerner Laubinger und Ulrich Storost; Neuwied et al., Stand: 131. Erg.-Lfg. (Dezember 2003) (zitiert: Bearbeiter, in: Ule/Laubinger, BImSchG). Ullmann, Wolfgang: Grundrechtsbeschränkungen des Soldaten durch die Wehrverfassung; Diss. München 1968. Umbach, Dieter C.: Das Wesentliche an der Wesentlichkeitstheorie; in: Wolfgang Zeidler/Theodor Maunz/Gerd Roellecke (Hrsg.), Festschrift für Hans Joachim Faller; Redaktion: Dieter C. Umbach/Bernd-Dieter Bode/Jürgen Kohl, München 1984; S. 111131. Umbach, Dieter C. / Clemens, Thomas (Hrsg.): Bundesverfassungsgerichtsgesetz: Mitarbeiterkommentar und Handbuch; Heidelberg 1992 (zitiert: Bearbeiter, in: Umbach/ Clemens, BVerfGG, 1992). Unverhau, Thassilo: Die Beihilfe im Sog der Gesundheitsreform; in: ZBR 1990, 33-38. Vallendar, Willi: Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 17.2.1978 – I C 102.76 –; in: DÖV 1978, 564-566. – Ermittlung und Beurteilung von Immissionen nach der TA Luft – Statistische Methoden als Problem des Untersuchungsgrundsatzes –; in: GewArch 1981, 281-287. Vedder, Christoph: Die TA Luft vor dem EuGH. Richtliniendurchführung durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften?; in: EWS 1991, 293-299. Veh, Gerhard M. / Knopp, Günther-Michael: Gewässerschutz nach EG-Recht. Textausgabe mit systematischer Darstellung; Stuttgart et al. 1995. Versmann, Andreas: Spielräume und Bindungswirkung der TA-Siedlungsabfall zur thermischen und biologisch-mechanischen Abfallbehandlung; in: Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft e. V. (Hrsg.), Novellierung der TA Siedlungsabfall? Bisherige Erfahrungen – künftige Anforderungen; Berlin 1996; S. 148-167.
592
Schrifttumsverzeichnis
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Schrifttumsverzeichnis
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Wallerath, Maximilian: Die Selbstbindung der Verwaltung. Freiheit und Gebundenheit durch den Gleichheitssatz; Berlin 1968. – Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften; in: NWVBl. 1989, 153-162. Walter, Gerhard: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 16.12.1977 – V ZR 91/75 –; in: NJW 1978, 1158-1159. – Freie Beweiswürdigung: Eine Untersuchung zu Bedeutung, Bedingungen und Grenzen der freien richterlichen Überzeugung; Tübingen 1979. Walter, Robert: Partizipation an Verwaltungsentscheidungen (1. Bericht); in: VVDStRL 31 (1973), S. 147-178. Waltner, Georg: Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen im Rahmen des sogenannten Beurteilungsspielraums; Diss. München 1968. Wank, Rolf: Die juristische Begriffsbildung; München 1985. Warmke, Reinhard: Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde; Berlin 1993. Wax, Hermann: Die Gehorsamspflicht des Bayerischen Beamten; München 1961. Weber, Albrecht: Verwaltungskollisionsrecht der Europäischen Gemeinschaften im Lichte neuerer Rechtsentwicklungen; in: EuR 21 (1986), 1-28. – Zur Umsetzung von EG-Richtlinien im Umweltrecht – Zugleich eine Anmerkung zu den Urteilen des EuGH vom 30.5.1991 (TA-Luft) und vom 28.2.1991 (Grundwasser) –; in: UPR 1992, 5-9. Weber, Hubert / Weber, Christine: Immissionsschutz und Sachenrechtsänderungsgesetz; in: VersR 1995, 20-21. Weber, Karl-Heinz: Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht; Baden-Baden 1984. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie; 5. Aufl., Tübingen 1985. Weber, Werner: Die Verkündung von Rechtsvorschriften; Stuttgart und Berlin 1942. – Die Teilung der Gewalten als Gegenwartsproblem; in: Hans Barion/Ernst Forsthoff/ Werner Weber (Hrsg.), Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag, dargebracht von Freunden und Schülern, Berlin 1959; S. 253-272. Weber-Dürler, Beatrice: Vertrauensschutz im öffentlichen Recht; Basel und Frankfurt/M. 1983. – Der Grundrechtseingriff (2. Bericht); in: VVDStRL 57 (1998), S. 57-99. Wedel, Hasso von: Außenwirkung der Verwaltungsverordnung: Ein Beitrag zur Lehre vom staatsrechtlichen Rechtssatzbegriff; Diss. Hamburg 1933. Wegener, Bernhard: Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland –; in: IUR 1992, 35-38. Wehr, Matthias: Inzidente Normverwerfung durch die Exekutive: zum kompetentiellen Verhältnis von Normsetzung und Normanwendung; Berlin 1998. Wehrhahn, Herbert: Das Gesetz als Norm und Maßnahme (2. Mitbericht); in: VVDStRL 15 (1957), S. 35-65. Weidemann, Clemens: Regionale Raumordnungspläne als Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle – Zur Rechtsnatur regionalplanerischer Ziele –; in: DVBl. 1984, 767-772. Weidenbach, Peter: Die verfassungsrechtliche Problematik der Blankettstrafgesetze; Diss. Tübingen 1965.
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Winkel, Klaus: Die Umsetzung von EG-Richtlinien in deutsches Recht unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen in der Praxis; in: ZG 12 (1997), 113-126. Winkelbauer, Wolfgang: Zur Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts; Berlin 1985. – Die strafrechtliche Verantwortung von Amtsträgern im Umweltstrafrecht; in: NStZ 1986, 149-153. – Die Verwaltungsabhängigkeit des Umweltstrafrechts; in: DÖV 1988, 723-731. Winter, Gerd: Die Angst des Richters bei der Technikbewertung; in: ZRP 1987, 425-431. – Direktwirkung von EG-Richtlinien; in: DVBl. 1991, 657-666. Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen; Neudruck der 3. Aufl., Oxford 1968. Wittling, Almut: Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften; Baden-Baden 1991. Wolf, Joachim: Die Kompetenz der Verwaltung zur „Normsetzung“ durch Verwaltungsvorschriften; in: DÖV 1992, 849-860. Wolf, Manfred: Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige: ein Studienbuch; 6. Aufl. des Eduard Kern begründeten Werkes, München 1987. Wolff, Bernhard: Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach dem Grundgesetz; in: AöR 78 (1952/53), 194-227. Wolff, Hans J.: Organschaft und juristische Person. Untersuchungen zur Rechtstheorie und zum öffentlichen Recht, Zweiter Band: Theorie der Vertretung; Berlin 1934. – Verwaltungsrecht I: Ein Studienbuch; 1. Aufl., München und Berlin 1956. Wolff, Hans J. / Bachof, Otto / Stober, Rolf: Verwaltungsrecht, Band 1: ein Studienbuch; 11. Aufl., München 1999. Wolff, Hans-Jürgen: Pflicht der Verwaltung zur Einhaltung von Bestimmungen in EGRichtlinien?; in: VR 1991, 77-84. Wolfram, Klaus: Die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 VwGO; Diss. München 1967. Wolst, Dieter: Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform; Bonn-Bad Godesberg 1974. Wülfing, Thomas: Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken; Berlin 1981. Würtenberger, Thomas: Die Normenerlaßklage als funktionsgerechte Fortbildung verwaltungsprozessualen Rechtsschutzes; in: AöR 105 (1980), 370-399. Wurzel, Gabriele / Dette-Koch, Elisabeth: Maßnahmen der („alten“) Länder zur Verbesserung von Verwaltungsvorschriften; in: Hermann Hill, Verwaltungsvorschriften. Dogmatik und Praxis, Heidelberg 1991; S. 45-55. Zachariä, Heinrich Albert: Deutsches Staats- und Bundesrecht, Zweiter Theil: Das Regierungsrecht der Bundesstaaten und das Bundesrecht; 3. Aufl., Göttingen 1867. Zacher, Hans F.: Diskussionsbeitrag; in: VVDStRL 24 (1966), S. 234-238. – Verwaltung durch Subventionen (2. Bericht); in: VVDStRL 25 (1967), S. 308-400. – Freiheitliche Demokratie; München und Wien 1969.
596
Schrifttumsverzeichnis
Zech, Jochen: Zuständigkeiten bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen durch die Länder und Gemeinden; in: DVBl. 1987, 1089-1095. Zeidler, Karl: Maßnahmegesetz und „klassisches Gesetz“; Karlsruhe 1961. Zeidler, Wolfgang: Die Verwaltungsrechtsprechung in den Spannungsfeldern unserer Gesellschaft; in: DVBl. 1971, 565-572. – Gedanken zur Rolle der dritten Gewalt im Verfassungssystem; in: Richterliche Rechtsfortbildung. Erscheinungsformen, Auftrag und Grenzen: Festschrift der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, hrsg. von den Hochschullehrern der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg, Heidelberg 1986; S. 645-652. Zeise, Maximilian: Haftung der Länder gegenüber dem Bund bei fehlerhafter Ausführung von Bundesrecht; Göttingen 1963. Zimmer, Gerhard: Funktion – Kompetenz – Legitimation: Gewaltenteilung in der Ordnung des Grundgesetzes. Staatsfunktionen als gegliederte Wirk- und Verantwortungsbereiche – Zu einer verfassungsgemäßen Funktions- und Interpretationslehre; Berlin 1979. Zippelius; Reinhold: Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen; in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Zweiter Band (Verfassungsauslegung), hrsg. von Christian Starck in Gemeinschaft mit Martin Drath, Ernst Friesenhahn, Wilhelm Karl Geck, Gerhard Leibholz, Gerd Roellecke, Hans F. Zacher und Konrad Zweigert, Tübingen 1976; S. 108-124. – Das Wesen des Rechts: eine Einführung in die Rechtsphilosophie; 5. Aufl., München 1997. – Rechtsphilosophie: ein Studienbuch; 4. Aufl., München 2003. – Juristische Methodenlehre; 8. Aufl., München 2003. Zitelmann, Ernst: Irrtum und Rechtsgeschäft. Eine psychologisch-juristische Untersuchung; Leipzig 1879. Zöller, Thomas: Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 7.11.1994 – 2 BvR 11171119/94 –; in: JA 1995, 930-932. Zuck, Rüdiger: Das Recht der Verfassungsbeschwerde; 2. Aufl., München 1988. Zuleeg, Manfred: EG-Richtlinien auf dem Gebiete des Wasserrechts und ihre innerstaatlichen Auswirkungen; in: ZfW 1975, 133-147. – Hat das subjektive öffentliche Recht noch eine Daseinsberechtigung?; in: DVBl. 1976, 509-521. – Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien; in: ZGR 1980, 466-485. – Die Anwendungsbereiche des öffentlichen Rechts und des Privatrechts; in: VerwArch 73 (1982), 384-404. – Umweltschutz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs; in: NJW 1993, 31-38. – Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht – wechselseitige Einwirkungen (1. Bericht); in: VVDStRL 53 (1994), S. 154-201. Zweigert, Konrad: Die Verfassungsbeschwerde; in: JZ 1952, 321-328.
Sachwortverzeichnis Abgrenzung der Verwaltungsvorschriften 46, 62
– durch Gemeinden 184
Abstrakte Normenkontrolle 435
Auslegung von Verwaltungsvorschriften 196, 387, 433
Abstraktheit von schriften 41
Verwaltungsvor-
– landeseigene 150
Auslobung gemäß §§ 657 ff. BGB 208
Adressaten – von Rechtsnormen 88
Außengerichtetheit von Rechtsnormen 85
– von Verwaltungsvorschriften 41
Außenrecht 84
Allgemeine Leistungsklage 424
Außerkrafttreten von Verwaltungsvorschriften 350
Allgemeine Verwaltungsvorschriften – im Sinne des Art. 84 Abs. 2 GG 150 – im Sinne des Art. 85 Abs. 2 GG 174 – im Sinne des Art. 86 Satz 1 GG 102 Allgemeines Gewaltverhältnis 47 Amtshaftung und schriften 442
Verwaltungsvor-
Begründung der Verwaltungsvorschriften 335 Beihilferichtlinien 403 Besonderes Gewaltverhältnis 40, 46, 293 Bestimmtheitsgrundsatz
Amtspflichten 442 Amtspflichtwidrigkeit und Rechtswidrigkeit 443 Anerkennungstheorie 79 Anfechtungsklage 417 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft 400 Anhörung beteiligter Kreise (siehe auch Verfahren der Entstehung von Verwaltungsvorschriften) 331 Anwendungsvorrang schaftsrechts 131
Begriff der Verwaltungsvorschriften (siehe auch Terminologie) 38
des
Gemein-
Atypischer Fall (siehe auch Bindungsintensität von Verwaltungsvorschriften) 145 Ausführung von Bundesgesetzen – Bundesauftragsverwaltung 174
– im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG 447 – im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG 268 – Verhältnis zur Wesentlichkeitslehre 310 Beurteilungen, beamtenrechtliche 247 Beurteilungsermächtigung 247 Beurteilungsspielraum 244 – Einwände gegen Anwendbarkeit auf Verwaltungsvorschriften 247 – kraft exekutiven Sachverstands 253 – methodische Einwände 246 – rechtliche Begründung 244 Beweisrechtliche Einordnung von Verwaltungsvorschriften
598
Sachwortverzeichnis
– Anhaltspunkt 212
Divergenz von Verwaltungsvorschriften
– Anscheinsbeweis 221 – antizipiertes Sachverständigengutachten 214 – Beweisanzeichen 211 – Markierungen 212
einer
Bandbreite
– des Bundes und Landesrecht 168 – und anderen Verwaltungsvorschriften 143 – und Einzelweisungen 137 – und förmlichen Gesetzen 109
Bewertungsrichtlinien 66
– und Gemeinschaftsrecht 130
Bezeichnung der schriften 44
– und Verfassungsrecht (siehe auch verfassungswidrige Verwaltungsvorschriften) 123
Verwaltungsvor-
Bindungsintensität von Verwaltungsvorschriften 352, 355
– und Verwaltungspraxis 143, 196
– Grenzen der 144 Blankettstrafgesetze 445
Effektivität des Gemeinschaftsrechts, Grundsatz der 134
BMF-Schreiben 182 Brokdorf-Urteil des VG Schleswig 234 Bundesaufsicht
Eingriff (siehe auch Grundrechtseingriff) 392
– Maßstab der 171 – Mittel der 173
Einzelweisungen 41, 152, 194
Bundesauftragsverwaltung 174, 187 Bundesfernstraßenverwaltung 188 Bundesregierung – im Sinne des Art. 84 Abs. 2 GG 156 – im Sinne des Art. 85 Abs. 2 GG 174 – im Sinne des Art. 86 Satz 1 GG 103 Bund-Länder-Streitigkeit 438 Buschhaus-Entscheidung Lüneburg 237
Effizienz staatlichen Handelns (siehe auch funktionsgerechte Organstruktur) 291
des
– im Sinne des Art. 84 Abs. 5 GG 174 Entscheidungen des sungsgerichts
Bundesverfas-
– Entscheidung EGGVG 231
§ 24
zu
Abs. 2
– Entscheidung zu steuerrechtlichen Verwaltungsvorschriften 241 – Kalkar-Entscheidung 233 – Rastede-Entscheidung 402
OVG
Demokratische Legitimation 259 Deontische Sätze 77 Deutsches Institut für Normung e. V. 58 Dienstgewalt 101 Dienstliche Anordnungen im Sinne des § 56 BBG 113
– Sasbach-Entscheidung 235 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts – Entscheidung zur Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift 242 – Glykolwein-Entscheidung 396 – Strafgefangenen-Entscheidung 49 – Transparenzlisten-Entscheidung 396 – Wyhl-Entscheidung 238, 497 Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs
Sachwortverzeichnis – zur 487
Grundwasserschutzrichtlinie
– zur Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge 495 – zur Schwefeldioxid- und Schwebestaubrichtlinie 489
599
– als Auftragsangelegenheit 184 – als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung 186 – als Selbstverwaltungsangelegenheit 398
– zur Trinkwasserrichtlinie 495
– im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung 187
Erkennbarkeit im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG 120
– im Rahmen der landeseigenen Verwaltung 184, 399
Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik (siehe auch Bindungsintensität von Verwaltungsvorschriften 147
Gemeinschaftsrecht
Ermessensausübung 192, 249 Ermessensrichtlinien 65, 249 Ermessensspielraum 249
– als Grund der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften 273 – Konkretisierung von EG-Verordnungen durch Verwaltungsvorschriften 508
– Aufklärungsermessen 250
– Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften 481
Experimentalnormen 512
Gemischte Staatsform 277
Extension eines Begriffes 225
Gerichtliche Kontrolldichte 222, 244 Gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsvorschriften
Faktische Bedeutung der Verwaltungsvorschriften 29
– Anwendbarkeit der Verwaltungsvorschriften 387
Feststellungsklage 426 Finanzverwaltung 179
– Einhaltung der materiellrechtlichen Rahmenbedingungen 386
Funktionenteilung 285
– Fehler im Erlaßverfahren 376
Funktionentrennung 277
– Fehlerhafte Abwägung 385
Funktionsbereich
– Fehlerhafte Sachverhaltsermittlung 384
– der Exekutive 260, 263, 276, 300 – der Judikative 364 – der Legislative 297 Funktionsgerechte Organstruktur 291
Geschäftsleitung, Geschäftsleitungsgewalt 101 Geschäftsordnungen – Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien 52
Gehorsamspflicht 101
– gerichtliche 54
Geltungsanspruch einer Rechtsnorm 89
– kommunale 53
Gemeindeadressierte Bundesverwaltungsvorschriften 183 Gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie 399 Gemeindlicher Vollzug von Bundesgesetzen
– verfassungsrechtlicher Kollegialorgane 50 Gesetzesakzessorische vorschriften 64
Verwaltungs-
Gesetzesbegriff 72 – Allgemeinheit des 297 – formeller 298
600
Sachwortverzeichnis
– im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG 448 – im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG 299 – im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG 90 – im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG 370 – inhaltliche Entleerung des 297 Gesetzesbestimmtheit – im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG (siehe auch Bestimmtheitsgrundsatz) 447
– soziale 282 – überkommenes Verständnis 284
276,
Gleichheitssatz 192, 347 – Gebot der Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs 270 – Pflicht zu programmgeleitetem Handeln 265 – Selbstbindung der Verwaltung (siehe auch Selbstbindung der Verwaltung) 192 Grundrechtseingriff
Gesetzesbindung der Gerichte gemäß Art. 97 Abs. 1 GG 370
– erweiterter Eingriffsbegriff 394
Gesetzesergänzende Verwaltungsvorschriften 67
– klassischer Eingriffsbegriff 392
Gesetzesvertretende schriften 68
Grundrechtsrelevanz 310
Verwaltungsvor-
Gesetzesvollzug durch Typisierung (siehe auch Typisierung) 271 Gesetzesvorbehalt 73, 167, 232, 261, 263, 294, 295 – und gemeindliche Selbstverwaltung 401 – und Kompetenzverteilung 307
– Finalität des Eingriffs 395 – mittelbarer 394
Hierarchie der Verwaltung 102 Historisch-konventioneller Rechtsnormbegriff (siehe auch Rechtsnormen) 71 – Freiheits- und Eigentumsformel 73 – Schrankenziehungsformel 73
– und Wesentlichkeitslehre 310 Gesetzesvorrang 91, 167, 305 Gesetzeswidrige schriften 109
Verwaltungsvor-
Gesetzgebung 257, 276 – delegierte 263, 314 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (siehe auch Gesetzesvorbehalt und Gesetzesvorrang) 90, 271, 305 Gewaltenhemmung 280 Gewaltenmonismus 259, 288 Gewaltenteilung 257, 261, 267 – funktionale Eignung als Zuweisungskriterium der 291
Impermeabilitätstheorie 72, 84 Inkrafttreten von schriften 350
Verwaltungsvor-
Innenwirkung von Verwaltungsvorschriften 42, 100 Intension eines Begriffes 225 Interbehördliche schriften
Verwaltungsvor-
– Begriff 69 – Erlaßbefugnis 102 – intersubjektive 68 – intrasubjektive 68
– in der konstitutionellen Epoche 283
Intersubjektive Verwaltungsvorschriften
– nach John Locke 278
– Begriff 68
– nach Montesquieu 279
Sachwortverzeichnis – zwischen Bund und Gemeinden 183, 398
601
– Anhörung beteiligter Kreise 331
– zwischen Bund und Ländern 150
– Anhörung sachverständiger Gremien 334
Intrabehördliche schriften
– grundrechtlicher Anspruch auf Mitwirkung 329
Verwaltungsvor-
– Begriff 69
– Mitwirkung durch Verbände 335
– Erlaßbefugnis 101
Monarchisches Prinzip 27
Intrasubjektive Verwaltungsvorschriften – Begriff 68
Negatorische Abwehransprüche und Verwaltungsvorschriften 455
– Bindungsgrund 101
– Beweisführung 463
Inzidentkontrolle 430
– Ortsüblichkeit von Beeinträchtigungen 461
Kernbereich, funktioneller 289
– Wesentlichkeit von Beeinträchtigungen 456
Kerntechnischer Ausschuß 58 Kommunalverfassungsbeschwerde 441
– Wirtschaftliche Zumutbarkeit von Schutzvorkehrungen 462
Konkrete Normenkontrolle 437
Normative Ermächtigungslehre 255
Konstitutionelle Epoche 295
Normerlaßwillen 43
– Gewaltenteilung 283
– und Selbstbindung der Verwaltung (siehe auch Selbstbindung der Verwaltung) 195
– monopolares Staatsmodell 258 – Verfassung 283
230,
Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften 64
Länderausschuß für Atomkernenergie 55, 56
Normkonkretisierende vorschriften 65
Letztentscheidungsrechte, 230
Notkompetenz der Verwaltung 270
exekutive
Luftverunreinigung im Sinne des § 325 StGB 453
Verwaltungs-
Organisationsgewalt 101 Organisatorische Verwaltungsvorschriften 63, 232
Maßgabebeschlüsse des Bundesrates 165
Organstreitverfahren 435
Mischverfassung (siehe auch gemischte Staatsform) 277
Pauschalierung 66
Mitentscheidungsrechte beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften 107, 327
Pflicht zu programmgeleitetem Handeln (siehe auch Gleichheitssatz) 265
Mitwirkungsrechte beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften
Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung 185
– Anhörung bestimmter Einzelsachverständiger 334
Prinzipaler Rechtsschutz 417
602
Sachwortverzeichnis
Proportionalität von Verfahren und Verbindlichkeit 353
– Feststellungsklage 426
Publikation von Verwaltungsvorschriften (siehe auch Verkündung) 205
– Kommunalverfassungsbeschwerde 441
– demokratische Ursprünge Publikationspflicht 345
– konkrete Normenkontrolle 437
einer
– Organstreitverfahren 435
– in der Rechtspraxis 349 – rechtsstaatliche Ursprünge Publikationspflicht 343
– inzidenter 430
einer
– Umfang 347 – und Gleichheitssatz 347
Rangordnung der Rechtsnormen (siehe auch Stufenbau der Rechtsordnung) 93 Reaktor-Sicherheitskommission 57 Rechtsetzungkompetenz der Exekutive 305 Rechtsetzungsfunktion der Exekutive (siehe auch Funktionsbereich der Exekutive) 276, 304 Rechtsetzungsprärogative des Parlaments 257 Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften 70
– prinzipaler 417 – Revisibilität der Verwaltungsvorschriften 433 – Verfassungsbeschwerde 438 – Verpflichtungsklage 423 – verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle 419 – vorbeugende 431, 432
Feststellungsklage
– vorbeugende 430
Unterlassungsklage
– vorbeugender 430 – vorläufiger 432 Rechtsschutzgarantie Abs. 4 GG 373
des
Art. 19
– als Grund der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften 272 Rechtsstaatsprinzip 128
Rechtsnormbegriff
Rechtstheoretischer Rechtsnormbegriff
– dogmengeschichtliche Entwicklung 71
– Begriff der Norm 76
– rechtstheoretische Voraussetzungen 76
Rechtsverordnungsermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 GG
Rechtsnormen 71
– als formelle Handlungsformermächtigung 315
Rechtsquelle 94 – Begriffsinterpretationen 95 – juristisch-dualistischer Rechtsquellenbegriff 97 Rechtsschutz gegen Verfahrenshandlungen 427
– Begriff der Rechtsnorm 78
– als materielle Handlungsbeschränkung 312 Regelungscharakter der Verwaltungsvorschriften 39 Regelwerke sachverständiger Gremien
Rechtsschutz gegen Verwaltungsvorschriften
– Empfehlungen der Reaktor-Sicherheitskommission 57
– abstrakte Normenkontrolle 435
– Empfehlungen der Strahlenschutzkommission 57
– allgemeine Leistungsklage 424 – Anfechtungsklage 417 – Bund-Länder-Streitigkeit 438
– Leitlinien der Reaktor-Sicherheitskommission 57
Sachwortverzeichnis – Leitlinien der Strahlenschutzkommission 57
– Neutralität 218
– Normen des Deutschen Instituts für Normung e. V. 58
– Tatsachengehalt 219
– Regeln des Kerntechnischen Ausschusses 57 – Richtlinien des Bundesinnenministers 56 – Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure e. V. 59 – Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke 55
603
– Sachkompetenz 217 Schadensersatzansprüche und Verwaltungsvorschriften 466 – Aufopferungshaftung 471 – Kausalität zwischen Immission und Schaden 466 – Verschuldenshaftung 474 Schaffung neuer Behörden 166
Reine Rechtslehre 78
Schätzungen im Sinne des § 162 AO 1977 251
Remonstrationsverfahren
Schutzpflichten 220, 469
– Anwendbarkeit auf Verwaltungsvorschriften 113
Selbständiges Verordnungsrecht der Exekutive 315
– bei einzelweisungswidrigen Verwaltungsvorschriften 137
Selbstbindung der Verwaltung 191
– bei formell gesetzeswidrigen Verwaltungsvorschriften 121
– antizipierte Verwaltungspraxis als Bindungsgrund 195 – Begriff 191
– bei gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungsvorschriften 130
– Bindungsintensität 193
– bei materiell gesetzeswidrigen Verwaltungsvorschriften 117
– rechtliche Einwände gegen die 194
– durch Willensakt 195
– bei verfassungswidrigen Verwaltungsvorschriften 123
– Verwaltungspraxis als Bindungsgrund 192
– bei verwaltungsvorschriftswidrigen Verwaltungsvorschriften 143
Selbstbindung durch Ermessensausübung (siehe auch Selbstbindung der Verwaltung) 192
– Gegenstand 115
Sonderverordnungen 40, 46
– Zweck 115
Staatshaftungsrecht und Verwaltungsvorschriften 442
Ressortprinzip 103 Revisibilität von schriften 433
Verwaltungsvor-
Richterliche Unabhängigkeit 371 Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft 273, 481 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts 413
Sachverhaltsermittlung, Verwaltungsvorschriften zur 66, 250 Sachverständigenbeweis, Anforderungen an den 216
Staatsmodell – monopolares 258 – polypolares 258 Standardisierungsermächtigung 240 Standardisierungsspielraum 255 Strafbarkeit im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 BBG 118 Strafblankettausfüllende Verwaltungsvorschriften 446 Strafrecht und Verwaltungsvorschriften 444 Strahlenschutzkommission 57
604
Sachwortverzeichnis
Stufenbau der Rechtsordnung 287
264,
– internes 323
Vorbereitungsverfahren
Subjektiv-öffentliches Recht 403
– Verkündung 338
– rechtstheoretische Voraussetzungen 407
– Zuständigkeit 322
– verfassungsrechtliche zungen 409
Vorausset-
Subventionsbetrug im Sinne des § 264 StGB 451 Subventionsrichtlinien 68, 82
Terminologie der schriften 38, 44
Verwaltungsvor-
Totalvorbehalt 315 Triftiger Grund (siehe auch Bindungsintensität von Verwaltungsvorschriften) 355 Typisierung, Verwaltung durch 271 Typologie der Verwaltungsvorschriften (siehe auch Abgrenzung der Verwaltungsvorschriften) 62
Unbestimmter Rechtsbegriff 209, 222, 223, 255
Verfahrens- und Formfehler im Sinne des § 46 VwVfG 410 Verfahrensvorschriften 168 Verfassungsbeschwerde 438 Verfassungswidrige schriften
Verwaltungsvor-
– Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip 128 – Verstoß gegen die Menschenwürde 123 – Verstoß gegen Grundrechte des Beamten 127 – Verstoß gegen Grundrechte eines Dritten 126 Verhaltenslenkende schriften 64
Verwaltungsvor-
Verkündung von Verwaltungsvorschriften 205, 343, 345, 347, 349 Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft 273, 508 Verpflichtungsklage 423 Vertrauensschutz 198
Vagheit eines Rechtsbegriffs (siehe auch unbestimmter Rechtsbegriff) 224 Verbindlichkeit von Rechtsnormen 88 Verein Deutscher Ingenieure e. V. 59 Verfahren der Entstehung von Verwaltungsvorschriften – Ausfertigung 338
– analog § 176 Abs. 2 AO 1977 200 – im Gemeinschaftsrecht 61 – nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen 201 Vertretbarkeitslehre 228 Verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle 419
– Begründung 335
Verwaltungsinterne Vorschriften auf Gemeinschaftsebene 60
– Beteiligung außerstaatlicher Kreise 327
Verwaltungspraxis 143
– Beteiligung des Bundesrates 324 – Beteiligung des Bundestages 324 – Beteiligung sonstiger Verwaltungseinheiten 326 – Inkrafttreten 350
– antizipierte 195 Verwaltungsvorschriften – Adressaten 41 – allgemeine 102, 150, 174 – als Grundlage subjektiv-öffentlicher Rechte 403
Sachwortverzeichnis
605
– Ausfertigung 338
Vorbeugende Unterlassungsklage 430
– Außerkrafttreten 350
Vorbeugender Rechtsschutz 430
– Bedeutung in der Rechtspraxis 29
Vorläufiger Rechtsschutz 432
– Begründung 335
Vorsorgepflichten 219, 470
– Beteiligung außerstaatlicher Kreise beim Erlaß 327 – Beteiligung innerstaatlicher Stellen beim Erlaß 324 – Bewertungsrichtlinien 66 – drittschützender Charakter 403 – Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß 101, 102, 151, 174, 179 – formelle Unterscheidbarkeit Rechtsverordnungen 357
von
– gerichtliche Kontrolle 375 – im Rahmen des Gemeinschaftsrechts 481 – im Rahmen des Staatshaftungsrechts 442 – im Rahmen des Strafrechts 444 – im Rahmen des Zivilrechts 454 – Inkrafttreten 350
– im Sinne des Art. 108 Abs. 3 GG 180 – im Sinne des Art. 85 Abs. 3 GG 175 Weisungsrecht 101 Wesentlichkeitslehre 167, 292 – als Funktionenlehre 295 – dogmengeschichtliche Entwicklung 293 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts 415 Wiener Rechtstheoretische Schule 78, 264 Wortsemantik (siehe auch unbestimmter Rechtsbegriff) – Konzeption 223
– Innenwirkung 42, 100 – normkonkretisierende 255, 497
Weisungen
239, 242,
– Rechtsnatur 70
– Kritik 226
– strafblankettausfüllende 446
Zivilrecht und Verwaltungsvorschriften 454
– Vereinfachungsanweisungen 66
Zusage, generell-abstrakte 208
– Verfahren beim Erlaß 322 – Verkündung 338
Zusicherung im VwVfG 416
– zur Sachverhaltsermittlung 66
Zuständigkeitsvorschriften 168
– Zuständigkeit zum Erlaß 322
Zustimmung des Bundesrates 378
Volkssouveränität 284, 295
– gemäß Art. 84 Abs. 2 GG 163
Vorbehalt anderweitiger gesetzlicher Regelung in Art. 86 Satz 1 GG 106
– gemäß Art. 85 Abs. 2 GG 174
Vorbeugende Feststellungsklage 431, 432
Sinne
– Verzichtbarkeit der 163
des
§ 38