Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit: Rechtsgrund und Reichweite: Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung der Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber [1 ed.] 9783428522507, 9783428122509

Eine zentrale Frage des Altlastenrechts ist die Finanzierung der Sanierungskosten. Angesichts einer zunehmenden Kostenve

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Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit: Rechtsgrund und Reichweite: Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung der Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber [1 ed.]
 9783428522507, 9783428122509

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Schriften zum Umweltrecht Band 154

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit: Rechtsgrund und Reichweite Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung der Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

Von

Claus Tollmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CLAUS TOLLMANN

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit: Rechtsgrund und Reichweite

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 154

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit: Rechtsgrund und Reichweite Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung der Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

Von

Claus Tollmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 978-3-428-12250-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

„A law is valuable, not because it is a law, but because there is right in it.“ Henry Ward Beecher

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur zum deutschen Recht konnten für die Drucklegung bis zum Jahresende 2005 und zum Teil darüber hinaus berücksichtigt werden. Mit der Veröffentlichung gehen lange Jahre der Arbeit an diesem Werk zu Ende. So ist die rechte Zeit gekommen, all jenen Wegbegleitern Dank zu sagen, ohne deren Unterstützung und Förderung die Entstehung dieser Untersuchung nicht möglich gewesen wäre. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater Prof. Dr. Michael Brenner, der mich über lange Jahre betreut und nie einen Zweifel an der Fertigstellung gehegt hat. Prof. Dr. Martina Haedrich bin ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens verbunden. Für die Aufnahme der vorliegenden Arbeit in die Reihe „Schriften zum Umweltrecht“ gebührt Prof. Dr. Michael Kloepfer mein Dank. Die Erstellung dieser Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die mir auch die Teilnahme an dem Graduiertenkolleg „Möglichkeiten privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Steuerung im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ermöglicht hat. Hierfür bin ich sehr dankbar. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat das Erscheinen dieser Arbeit mit einem Druckkostenzuschuß gefördert. Auch hierfür möchte ich aufrichtig Dank sagen. Den Mühen des Korrekturlesens haben sich meine Freunde Dres. Ulrike Eube, Michael Köhler und Andreas Schmidt unterzogen. Hierfür danke ich ihnen ebenso herzlich wie für ihre Anregungen und Aufmunterungen. Der größte Dank gilt jedoch meiner Frau Dipl.-Ing. Ute Arnold-Tollmann, die diese Arbeit nicht nur „in Form“ gebracht und auch sonst allerlei technische

6

Vorwort

Hilfe geleistet hat, sondern daneben bei meiner berufsbegleitenden Fertigstellung dieser Arbeit auf so manchen Urlaub und so manches gemeinsam verbrachte Wochenende verzichtet hat. Ohne Dein Verständnis und Deine liebevolle Unterstützung wäre mir die Fertigstellung schwerlich gelungen. In Liebe und Dankbarkeit gewidmet ist dieses Buch meinen Eltern Erika und Fritz Tollmann.

Brüssel, im Dezember 2006

Claus Tollmann

Inhaltsübersicht Einleitung ....................................................................................................................... 47

A. B. C. D. E. F.

Erster Teil Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

53

1. Kapitel Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

53

Aufgabe des Gefahrenabwehrrechts .........................................................................53 Gefahrenabwehr im öffentlichen Interesse ...............................................................54 Aufgaben des Störerrechts........................................................................................56 Die rechtsstaatliche Bedeutung des Störerrechts ......................................................63 Die drei Arten gefahrenabwehrrechtlicher Verantwortlichkeit..................................64 Zusammenfassung ....................................................................................................66 2. Kapitel Die historische Entwicklung des Störerrechts

68

A. Das Störerrecht in der Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals ...................69 B. Das Störerrecht in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts .....................................................................................................................69 C. Das Störerrecht in der frühen Verwaltungsrechtslehre..............................................73 D. Das Störerrecht des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes ..................................77 E. Das Störerrecht nach dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes.........78 F. Zusammenfassung ....................................................................................................82 3. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen A. B. C. D. E.

83

Die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers.....................................................83 Die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft .......92 Die Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten.....................................93 Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten ................................................94 Zusammenfassung ....................................................................................................95

8

Inhaltsübersicht 4. Kapitel Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit

97

A. Die Zustandsverantwortlichkeit als strengstes Haftungsinstitut der Rechtsordnung.................................................................................................................... 97 B. Die Opferfälle ........................................................................................................ 100 C. Die verschiedenen Opferkonstellationen ............................................................... 101 D. Das Dilemma der Opferfälle .................................................................................. 103 E. Angeblicher Konflikt zwischen effektiver Gefahrenabwehr und gerechter Lastenverteilung .................................................................................................... 105 F. Zusammenfassung ................................................................................................. 108 5. Kapitel Die Zurechnung der Gefahr

110

A. B. C. D.

Einleitung ...............................................................................................................110 Verursachung als Ausgangspunkt der Zurechnung .................................................111 Zurechnung der Gefahr bei der Verhaltensverantwortlichkeit.................................115 Von der herrschenden Meinung vorgenommene Zurechnung der Gefahr bei der Zustandsverantwortlichkeit.................................................................................... 120 E. Eigener Lösungsansatz zur Zurechnung von Boden- und Gewässergefahren........ 123 F. Die Zurechnung bei Ausdehnung der Gefahr auf ein anderes Grundstück oder auf das Grundwasser.............................................................................................. 130 G. Zusammenfassung ................................................................................................. 132 6. Kapitel Die verfassungsrechtliche Einordnung der Zustandsverantwortlichkeit

135

A. Die Zustandsverantwortlichkeit als Inhalts- und Schrankenbestimmung............... 135 B. Zusammenfassung ................................................................................................. 138 7. Kapitel Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit A. B. C. D. E.

139

Tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft .......................................................... 140 Nutzen-Lasten-Verhältnis ...................................................................................... 143 Garantiehaftung für Risiken aus der Sphäre des Eigentümers ............................... 145 Eigener Lösungsansatz .......................................................................................... 148 Zusammenfassung ................................................................................................. 158 8. Kapitel Die Lösung der Opferfälle

161

A. Ausgangslage......................................................................................................... 161 B. Die drei Grundkonzeptionen.................................................................................. 162 C. Meinungsstand im Schrifttum................................................................................ 163

Inhaltsübersicht

9

D. Meinungsstand in der Rechtsprechung ...................................................................176 E. Eigener Lösungsansatz ...........................................................................................211 F. Zusammenfassung ..................................................................................................220 9. Kapitel Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht A. B. C. D. E.

224

Lastenverteilungsfunktion des Störerrechts ............................................................224 Zugrunde liegende Lastenverteilungsprinzipien .....................................................227 Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip ........................230 Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem zivilrechtlichen Haftungsrecht ......236 Zusammenfassung ..................................................................................................247 10. Kapitel Fortentwicklung der Zustandsverantwortlichkeit durch die Landesaltlastengesetze und die Entwürfe zu einem Umweltgesetzbuch

250

A. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers .............252 B. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft...................................................................................254 C. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers ...........................255 D. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft ........................................................................................................260 E. Verselbständigung der Duldungspflicht..................................................................261 F. Einführung einer Wertausgleichspflicht..................................................................261 G. Zusammenfassung ..................................................................................................265 11. Kapitel Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes A. B. C. D. E. F.

267

Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Sanierung....................................267 Wertausgleichspflicht gemäß § 25 BBodSchG .......................................................271 Kostentragung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG................................................271 Störerauswahl .........................................................................................................273 Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs. 2 BBodSchG...............................................298 Zusammenfassung ..................................................................................................320 12. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz

325

A. Die Sanierungsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers..............326 B. Die Sanierungsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt..............330

10

Inhaltsübersicht

C. Die Sanierungsverantwortlichkeit aufgrund handels- oder gesellschaftsrechtlicher Einstandspflicht ................................................................................... 333 D. Die Sanierungsverantwortlichkeit des Derelinquenten .......................................... 347 E. Die Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers....................... 352 F. Zusammenfassung ................................................................................................. 370 13. Kapitel Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG A. B. C. D. E. F. G. H. I. J. K. L. M. N. O. P.

373

Gesetzgebungsgeschichte ...................................................................................... 373 Ratio legis .............................................................................................................. 373 Vorbild des § 154 BauGB ...................................................................................... 374 Ausschluß der Wertausgleichspflicht ..................................................................... 375 Tatbestandsvoraussetzungen .................................................................................. 376 Gläubiger des Wertausgleichsanspruchs ................................................................ 378 Schuldner des Wertausgleichsanspruchs................................................................ 379 Berücksichtigung der Opferfälle............................................................................ 381 Keine Festsetzung bei unbilliger persönlicher Härte ............................................. 385 Keine Festsetzung bei entgegenstehendem öffentlichen Interesse ......................... 386 Entstehung, Fälligkeit und Erlöschen des Wertausgleichsanspruchs ..................... 387 Öffentliche Last ..................................................................................................... 387 Verhältnis der Wertausgleichs- zur Kostentragungspflicht..................................... 389 Wertausgleichspflicht in der Insolvenz .................................................................. 390 Stellungnahme ....................................................................................................... 391 Zusammenfassung ................................................................................................. 393 14. Kapitel Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

395

A. Mögliche Konstellationen einer umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber.......................................................................................... 396 B. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern ................................. 397 C. Die Zustandsverantwortlichkeit bei beweglichen Kreditsicherheiten .................... 406 D. Gestaltungsmöglichkeiten gesicherter Kreditgeber zur Vermeidung der Zustandsverantwortlichkeit.................................................................................... 410 E. Zusammenfassung ................................................................................................. 412 15. Kapitel Gang der weiteren Darstellung

414

Inhaltsübersicht

11

Zweiter Teil Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

415

1. Kapitel Die Entstehung des US-amerikanischen Altlastenrechts

415

2. Kapitel Die Rechtsgrundlagen für die Abwehr von Bodenund Gewässergefahren

417

A. Weitere Rechtsgrundlagen des Bundes ...................................................................417 B. Rechtsgrundlagen der Bundesstaaten .....................................................................418 3. Kapitel Die Abwehr von Boden- und Gewässergefahren nach CERCLA

419

A. Anwendungsbereich von CERCLA........................................................................419 B. Handlungsbefugnisse der Bundesumweltbehörde ..................................................420 C. Rückwirkung der Haftung ......................................................................................421 4. Kapitel Der Kreis der Störer A. B. C. D. E. F. G. H.

Die Zustandsverantwortlichkeit des current owner.................................................424 Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten ..............................................426 Die Zustandsverantwortlichkeit des past owner .....................................................426 Die Verantwortlichkeit des current operator ...........................................................427 Die Verantwortlichkeit des past operator ................................................................431 Die Verantwortlichkeit des generator......................................................................432 Die Verantwortlichkeit des transporter ...................................................................432 Zusammenfassung ..................................................................................................432 5. Kapitel Die Opferfälle

A. B. C. D.

423

434

Verursachungsunabhängigkeit der CERCLA-Haftung ...........................................434 Keine Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit ...............................................434 Verteidigungsmöglichkeiten gegen die CERCLA-Haftung ....................................435 Zusammenfassung ..................................................................................................448 6. Kapitel Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

451

A. Vorteilsziehung .......................................................................................................451 B. Mitwirkung an der Gefahrentstehung .....................................................................451 C. Stellungnahme ........................................................................................................452

12

A. B. C. D. E.

Inhaltsübersicht 7. Kapitel Die Verfassungsmäßigkeit der Zustandshaftung

453

8. Kapitel Die Absicherung des behördlichen Kostenerstattungsanspruchs durch ein gesetzliches Pfandrecht

454

Superfund lien........................................................................................................ 454 State liens............................................................................................................... 455 Rechtsgrund der gesetzlichen Grundpfandrechte................................................... 455 Kritik an dem Vorrang der gesetzlichen Grundpfandrechte ................................... 456 Zusammenfassung ................................................................................................. 457 9. Kapitel Keine Wertausgleichspflicht des Grundeigentümers

458

10. Kapitel Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

459

A. Einleitung .............................................................................................................. 459 B. Gesicherte Kreditgeber als owner .......................................................................... 460 C. Die Auslegung der secured creditor exemption bis zur EPA Lender Liability Rule ......................................................................................................... 461 D. Die EPA Lender Liability Rule .............................................................................. 471 E. Stellungnahme des Schrifttums zur Lender Liability Rule .................................... 475 F. Aufhebung der EPA Lender Liability Rule in Kelley v. EPA................................. 476 G. Der Asset Conservation Act ................................................................................... 476 H. Stellungnahme ....................................................................................................... 478 I. Zusammenfassung ................................................................................................. 480 11. Kapitel Zusammenfassung und Bewertung der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht A. B. C. D. E. F.

483

Der Kreis der Zustandsstörer ................................................................................. 483 Die Lösung der Opferfälle ..................................................................................... 483 Die Zurechnung der Gefahr ................................................................................... 484 Zu hohe Anforderungen an den Nachweis des gutgläubigen Erwerbs ................... 484 Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit......................................................... 485 Keine Privilegierung gesicherter Kreditgeber........................................................ 486

Inhaltsübersicht

13

Dritter Teil Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

487

1. Kapitel Einleitung

487

2. Kapitel Das Störerrecht vor Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes und der Wasserrechtsgesetz-Novelle vom 1.7.1990

489

3. Kapitel Das geltende Störerrecht

491

A. Das Störerinstrumentarium .....................................................................................491 B. Die Störernormen ...................................................................................................494 C. Einschränkende Auslegung der Zustandsverantwortlichkeit durch den Verfassungsgerichtshof...........................................................................................503 D. Vorrang des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer ..........................................505 E. Zusammenfassung ..................................................................................................507 4. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer A. B. C. D.

509

Die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers .................509 Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers ...........................514 Die Rechtsnachfolgerhaftung .................................................................................516 Zusammenfassung ..................................................................................................521 5. Kapitel Die Reichweite der Zustandsverantwortlichkeit

523

A. Keine Zurechnung bei Gefahrenquelle auf einem fremden Grundstück.................523 B. Die Zurechnung bei Ausdehnung der Gefahr auf ein fremdes Grundstück.............524 C. Zusammenfassung ..................................................................................................525 6. Kapitel Keine Wertausgleichspflicht

526

7. Kapitel Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

527

14

Inhaltsübersicht 8. Kapitel Zusammenfassende Bewertung der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit

A. B. C. D. E. F. G. H. I. J.

528

Die zwei Rechtsgründe der Zustandsverantwortlichkeit........................................ 528 Keine Haftungsbefreiung bei Vornahme zumutbarer Abwehrmaßnahmen ............ 529 Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust........................ 529 Ausweitung der Zustandsverantwortlichkeit auf Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und auf sonstige Berechtigte ......................................................... 529 Keine Begrenzung des Haftungsumfangs .............................................................. 530 Keine Haftungsprivilegierung bei Altlasten ........................................................... 531 Klärungsbedürftige Fragen bei der Rechtsnachfolgerhaftung................................ 532 Lösung der Opferfälle ohne Beeinträchtigung der effektiven Gefahrenabwehr..... 532 Ausrichtung der Zustandsverantwortlichkeit am Gebot der gerechten Lastenverteilung sowie am Verursacherprinzip ................................................................ 533 Finanzierung der Altlastensanierung über einen Altlastenfonds ............................ 533 Vierter Teil Rechtsvergleichung

535

1. Kapitel Einleitung

535

2. Kapitel Die Zurechnung von Gefahren

537

A. Zurechnung bei von einem nutzungsberechtigten Dritten verursachten Gefahren ................................................................................................................ 537 B. Zurechnung bei von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten verursachten Gefahren ................................................................................................................ 542 C. Zurechnung bei von Naturereignissen hervorgerufenen Gefahren......................... 544 D. Zurechnung bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks................................... 546 E. Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus ... 550 3. Kapitel Der Rechtsgrund der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit

552

A. Einleitung .............................................................................................................. 552 B. Befund ................................................................................................................... 552 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ............................................................ 553 4. Kapitel Die Verselbständigung der Duldungspflicht

554

Inhaltsübersicht

15

A. Einleitung ...............................................................................................................554 B. Befund ....................................................................................................................554 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.............................................................555 5. Kapitel Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit

556

A. Einleitung ...............................................................................................................556 B. Befund ....................................................................................................................556 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.............................................................558 6. Kapitel Der Wertausgleichsanspruch

560

A. Einleitung ...............................................................................................................560 B. Befund ....................................................................................................................560 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.............................................................561 7. Kapitel Die Finanzierung der Sanierungskosten bei fehlender Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Störern

562

A. Einleitung ...............................................................................................................562 B. Befund ....................................................................................................................562 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.............................................................563 8. Kapitel Die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit

564

A. Einleitung ...............................................................................................................564 B. Befund ....................................................................................................................564 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.............................................................565 9. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer A. B. C. D.

566

Die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers ..........................566 Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers ....................................568 Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten ..............................................570 Die Zustandsverantwortlichkeit von gegenwärtigen Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten .............................................................................572 E. Die Zustandsverantwortlichkeit von früheren Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten .............................................................................................574 F. Die Zustandsverantwortlichkeit des aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund Einstandspflichtigen ..........................................................................575

16

Inhaltsübersicht 10. Kapitel Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

576

A. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern ................................. 576 B. Die Zustandsverantwortlichkeit bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung................................................................................... 579 Fünfter Teil Zusammenfassende Thesen

581

Anhang .........................................................................................................................615 Literaturverzeichnis ......................................................................................................622 Sachregister ..................................................................................................................645

Inhaltsverzeichnis Einleitung ...................................................................................................................... 47

Erster Teil Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht 1. Kapitel Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

53

53

A. Aufgabe des Gefahrenabwehrrechts .....................................................................53 B. Gefahrenabwehr im öffentlichen Interesse...........................................................54 I. Öffentlicher Zweck der Gefahrenabwehr ...........................................................54 II. Konsequenzen des öffentlichen Zwecks der Gefahrenabwehr für die Verteilung der Aufgaben- und der Kostenlast...............................................55 C. Aufgaben des Störerrechts .....................................................................................56 I. Unterscheidung zwischen Störern und Nichtstörern ..........................................56 1. Der Nichtstörer als Teil der Allgemeinheit ..................................................56 2. Störerschaft kraft Zurechnung der Gefahr ...................................................57 II. Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen......................................59 III. Verpflichtung zur Kostentragung .......................................................................60 IV. Bestimmung des Umfangs der Aufgaben- und der Kostenlast ...........................61 V. Störerauswahl bei einer Mehrheit von Störern ...................................................62 VI. Störerausgleich bei einer Mehrheit von Störern .................................................63 D. Die rechtsstaatliche Bedeutung des Störerrechts .................................................63 E. Die drei Arten gefahrenabwehrrechtlicher Verantwortlichkeit ..........................64 I. Verhaltensverantwortlichkeit..............................................................................65 II. Zustandsverantwortlichkeit ................................................................................65 III. Anlageninhaber- und Anlagenbetreiberhaftung..................................................65 F. Zusammenfassung ..................................................................................................66 2. Kapitel Die historische Entwicklung des Störerrechts

68

A. Das Störerrecht in der Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals...........69 B. Das Störerrecht in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts .......................................................................................69

18

C.

D.

E.

F.

Inhaltsverzeichnis I. Verhaltensverantwortlichkeit............................................................................. 69 II. Zustandsverantwortlichkeit ............................................................................... 70 1. Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit .............................................. 71 2. Unabhängigkeit der Zustandsverantwortlichkeit von der Ursache der Gefahrentstehung ........................................................................................ 72 3. Die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft............................................................................................. 72 Das Störerrecht in der frühen Verwaltungsrechtslehre ...................................... 73 I. Herleitung der polizeilichen Verantwortlichkeit................................................ 73 II. Verhaltensverantwortlichkeit............................................................................. 74 III. Zustandsverantwortlichkeit ............................................................................... 75 1. Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit .............................................. 75 2. Unabhängigkeit der Zustandsverantwortlichkeit von der Ursache der Gefahrentstehung ........................................................................................ 75 3. Folgen des Verlustes der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft .... 76 4. Der Kreis der Zustandsstörer ...................................................................... 77 Das Störerrecht des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes ............................ 77 I. Die Verhaltensverantwortlichkeit nach § 19 Pr. PVG........................................ 77 II. Die Zustandsverantwortlichkeit nach § 20 Pr. PVG .......................................... 78 Das Störerrecht nach dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes ........................................................................................................ 78 I. Entwicklung des Störerrechts nach dem 2. Weltkrieg ....................................... 78 II. Neuerungen gegenüber § 20 Pr. PVG................................................................ 79 1. Erweiterung des Kreises der Zustandsstörer ............................................... 79 2. Einstandspflicht für Gefahren aufgrund der Lage der Sache im Raum ....... 80 III. Kontinuität der Zustandsverantwortlichkeit ...................................................... 81 Zusammenfassung ................................................................................................. 82 3. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen

83

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers .............................................. 83 I. Das Abstellen auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse .......................... 83 II. Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit mit Eigentumsübergang auf einen Dritten................................................................................................ 84 III. Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei einer sittenwidrigen Veräußerung an eine weitgehend vermögenslose Person .................................. 85 1. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.1996 .......... 85 2. Die Entscheidung des VGH Mannheim vom 20.1.1998 ............................. 86 3. Stellungnahme............................................................................................. 88 IV. Die Zustandsverantwortlichkeit des Miteigentümers, des Sicherungseigentümers und des Anwartschaftsberechtigten ............................. 89

Inhaltsverzeichnis

B. C. D. E.

19

1. Die Zustandsverantwortlichkeit des Miteigentümers...................................89 2. Die Zustandsverantwortlichkeit des Sicherungseigentümers .......................90 3. Die Zustandsverantwortlichkeit des Anwartschaftsberechtigten..................90 V. Der Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG .....................................................................................91 Die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft ........................................................................................................92 Die Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten...............................93 Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten...........................................94 Zusammenfassung ..................................................................................................95 4. Kapitel Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit

97

A. Die Zustandsverantwortlichkeit als strengstes Haftungsinstitut der Rechtsordnung ........................................................................................................97 B. Die Opferfälle........................................................................................................100 C. Die verschiedenen Opferkonstellationen ............................................................101 D. Das Dilemma der Opferfälle ................................................................................103 E. Angeblicher Konflikt zwischen effektiver Gefahrenabwehr und gerechter Lastenverteilung ...................................................................................................105 F. Zusammenfassung ................................................................................................108 5. Kapitel Die Zurechnung der Gefahr

110

A. Einleitung ..............................................................................................................110 B. Verursachung als Ausgangspunkt der Zurechnung ........................................... 111 I. Tatbestandliche Anknüpfung an eine Verursachung......................................... 111 II. Äquivalenztheorie ............................................................................................112 III. Adäquanztheorie ..............................................................................................113 IV. Schutzzweck der Norm ....................................................................................114 V. Erfordernis einer Wertung auch im Gefahrenabwehrrecht ...............................115 C. Zurechnung der Gefahr bei der Verhaltensverantwortlichkeit ........................115 I. Theorie der rechtswidrigen Verursachung........................................................116 II. Theorie der sozialadäquaten Verursachung ......................................................117 III. Theorie der unmittelbaren Verursachung .........................................................118 D. Von der herrschenden Meinung vorgenommene Zurechnung der Gefahr bei der Zustandsverantwortlichkeit .......................................................120 I. Zurechnung bei Kontaminationen des Bodens und von Oberflächengewässern .....................................................................................121 II. Zurechnung bei einer Kontamination des Grundwassers .................................122

20

Inhaltsverzeichnis

E. Eigener Lösungsansatz zur Zurechnung von Boden- und Gewässergefahren................................................................................................ 123 I. Fremdeinwirkungsfälle.................................................................................... 123 II. Gefahrentstehung bei Nutzung des Grundstücks............................................. 127 1. Nutzung des Grundstücks durch den Grundeigentümer............................ 127 2. Nutzung des Grundstücks durch einen nutzungsberechtigten Dritten....... 127 III. Erwerb einer gefährlichen Sache..................................................................... 129 F. Die Zurechnung bei Ausdehnung der Gefahr auf ein anderes Grundstück oder auf das Grundwasser .................................................................................. 130 G. Zusammenfassung ............................................................................................... 132 6. Kapitel Die verfassungsrechtliche Einordnung der Zustandsverantwortlichkeit

135

A. Die Zustandsverantwortlichkeit als Inhalts- und Schrankenbestimmung ...... 135 B. Zusammenfassung ............................................................................................... 138 7. Kapitel Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

139

A. Tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft ..................................................... 140 I. Darstellung der Ansicht................................................................................... 140 II. Stellungnahme................................................................................................. 141 B. Nutzen-Lasten-Verhältnis ................................................................................... 143 I. Darstellung der Ansicht................................................................................... 143 II. Stellungnahme................................................................................................. 144 C. Garantiehaftung für Risiken aus der Sphäre des Eigentümers........................ 145 I. Darstellung der Ansicht................................................................................... 145 II. Stellungnahme................................................................................................. 147 D. Eigener Lösungsansatz ........................................................................................ 148 I. Die Kategorisierung der Umweltschadensfälle ............................................... 148 1. Verwirklichung eines mit der Nutzung des Grundstücks verbundenen Risikos ...................................................................................................... 149 2. Bösgläubiger Erwerb eines kontaminierten Grundstücks.......................... 149 II. Die zwei Rechtsgründe der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit ............................................................................. 150 1. Mitwirkung an der Gefahrentstehung ....................................................... 150 a) Verhältnis von Nutzung und Risiko..................................................... 150 b) Kennenmüssen der Umweltrisiken...................................................... 151 c) Abgrenzung der Mitwirkung von der Verursachung ........................... 152 d) Nur Zurechnung der Risiken aus der konkreten Nutzung ................... 153 e) Zurechnung bei vertragswidriger Nutzung.......................................... 153

Inhaltsverzeichnis

21

2. Inkaufnahme einer Gefahr .........................................................................155 a) Wissentliche Risikoübernahme ............................................................155 b) Billigende Inkaufnahme von Risiken...................................................156 c) Vergleich mit dem Zivilrecht ...............................................................157 E. Zusammenfassung ................................................................................................158 8. Kapitel Die Lösung der Opferfälle

161

A. Ausgangslage.........................................................................................................161 B. Die drei Grundkonzeptionen ...............................................................................162 C. Meinungsstand im Schrifttum .............................................................................163 I. Ermessenslösung..............................................................................................163 II. Tatbestandslösung ............................................................................................165 III. Rechtsfolgenlösung..........................................................................................168 1. Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit .....................168 2. Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks ...............................................................................................171 3. Theorie der Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärebene..........173 D. Meinungsstand in der Rechtsprechung...............................................................176 I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ......................................176 1. Die Rechtsprechung bis 1990 ....................................................................176 2. Die Rechtsprechung seit 1990 ...................................................................176 3. Stellungnahme ...........................................................................................178 II. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000.........................179 1. Der Beschluß .............................................................................................179 a) Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit.......................................180 b) Begrenzung des Umfangs der Zustandsverantwortlichkeit ..................181 aa) Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert ................................................................................181 bb) Weitergehende Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit........182 cc) Über den Verkehrswert hinausgehende Zustandsverantwortlichkeit ..........................................................183 c) Verfassungskonforme Auslegung.........................................................184 2. Stellungnahme ...........................................................................................185 a) Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit.......................................186 b) Begrenzung des Umfangs der Zustandsverantwortlichkeit ..................187 c) Keine Entscheidung über die Opferfälle ..............................................192 d) Das Stufenmodell.................................................................................195 aa) Erste Stufe ....................................................................................196 bb) Zweite Stufe .................................................................................196 cc) Dritte Stufe...................................................................................200

22

Inhaltsverzeichnis

e) Privilegierung des Grundeigentums gegenüber dem Fahrniseigentum.................................................................................. 209 f) Zusammenfassung............................................................................... 210 E. Eigener Lösungsansatz .........................................................................................211 I. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers...........................................................211 II. Geringe Bedeutung des Effektivitätsgebots in den Umweltschadensfällen ..... 212 III. Verselbständigung der Duldungspflicht........................................................... 212 IV. Tatbestandliche Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit ......................... 213 V. Herleitung der Begrenzung aus dem allgemeinen Willkürverbot .................... 214 1. Keine Frage des Übermaßes, sondern der Belastung als solcher............... 214 2. Verankerung des allgemeinen Willkürverbots........................................... 215 a) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ........................................ 215 b) Auffassung im Schrifttum ................................................................... 216 3. Allgemeines Willkürverbot als subjektives Recht..................................... 217 4. Vorliegen von Willkür bei gesetzlichen Regelungen................................. 217 5. Opferfälle und Willkürverbot.................................................................... 218 F. Zusammenfassung ............................................................................................... 220 9. Kapitel Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

224

A. Lastenverteilungsfunktion des Störerrechts ...................................................... 224 B. Zugrunde liegende Lastenverteilungsprinzipien ............................................... 227 I. Lastenverteilungsprinzipien des zivilrechtlichen Haftungsrechts.................... 227 II. Derzeitige Lastenverteilung im Störerrecht..................................................... 227 III. Übertragung der zivilrechtlichen Lastenverteilungsprinzipien auf das Störerrecht................................................................................................. 229 C. Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip .............. 230 I. Das ökonomische Verursacherprinzip ............................................................. 230 II. Das Verursacherprinzip in der Rechtswissenschaft ......................................... 231 1. Verursacherprinzip als bloße rechtspolitische Maxime ............................. 232 2. Verursacherprinzip als Leerformel ............................................................ 232 3. Keine Gleichsetzung des Verursachers mit dem Haftenden ...................... 233 4. Der Zustandsstörer als Verursacher........................................................... 234 III. Zurechnung aufgrund der Verursachung externer Kosten ............................... 235 D. Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem zivilrechtlichen Haftungsrecht....................................................................................................... 236 I. Die Zurechnungskriterien des zivilrechtlichen Haftungsrechts ....................... 236 1. Zurechnungskriterien bei der Verschuldenshaftung .................................. 236 2. Zurechnungskriterien bei der Gefährdungshaftung................................... 237 3. Zurechnungskriterien bei der actio negatoria ............................................ 239 a) Pleyers Eigentumstheorie.................................................................... 240 b) Herrschende Meinung ......................................................................... 241

Inhaltsverzeichnis

23

c) Pickers Usurpationstheorie ..................................................................244 d) Zusammenfassung ...............................................................................245 II. Übertragung der Zurechnungskriterien in das Störerrecht ...............................246 1. Übertragbarkeit der Zurechnungskriterien .................................................246 2. Schlußfolgerungen für das Störerrecht.......................................................246 E. Zusammenfassung ................................................................................................247 10. Kapitel Fortentwicklung der Zustandsverantwortlichkeit durch die Landesaltlastengesetze und die Entwürfe zu einem Umweltgesetzbuch

250

A. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers.....252 I. Freistellung des gutgläubigen Erwerbers .........................................................252 II. Begrenzung des Umfangs der Zustandsverantwortlichkeit ..............................252 III. Stellungnahme..................................................................................................253 B. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft ........................................................254 C. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers...................255 I. Zustandsverantwortlichkeit bei Gefahrentstehung während des Eigentums ....255 II. Zustandsverantwortlichkeit bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks.....255 III. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen ......................256 1. Ausübung der Sachherrschaft gegen den Willen des Eigentümers ............256 2. Gutgläubige Veräußerung ..........................................................................257 3. Fehlende Mitwirkung an der Gefahrentstehung.........................................258 IV. Stellungnahme..................................................................................................258 D. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft ...............................................................................260 E. Verselbständigung der Duldungspflicht..............................................................261 F. Einführung einer Wertausgleichspflicht .............................................................261 I. Schuldner des Wertausgleichsanspruchs ..........................................................262 II. Gläubiger des Wertausgleichsanspruchs ..........................................................263 III. Begrenzung der Wertausgleichspflicht in den Opferfällen ...............................263 IV. Höhe der Wertausgleichspflicht .......................................................................264 V. Öffentliche Last ...............................................................................................264 VI. Stellungnahme..................................................................................................265 G. Zusammenfassung ................................................................................................265 11. Kapitel Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

267

A. Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Sanierung .............................267 I. Gefahrenabwehrpflicht gemäß § 4 Abs. 2 BBodSchG .....................................268 II. Sanierungsverantwortlichkeit gemäß § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG .................269

24

Inhaltsverzeichnis

B. Wertausgleichspflicht gemäß § 25 BBodSchG................................................... 271 C. Kostentragung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG............................................ 271 D. Störerauswahl....................................................................................................... 273 I. Bedeutung der Störerauswahl.......................................................................... 273 II. Ausgangslage .................................................................................................. 274 III. Faktische vorrangige Heranziehung von Zustandsstörern............................... 275 IV. Ausrichtung der Störerauswahl am Gebot der gerechten Lastenverteilung ..... 275 V. Störerauswahl nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz ..................................... 277 1. Störerauswahl zwischen Verhaltens- und Zustandsstörern ........................ 277 2. Störerauswahl unter Zustandsstörern ........................................................ 280 a) Berücksichtigung einer vertraglichen Lastenvereinbarung ................. 281 b) Abstellen auf die Nähe zur Gefahr ...................................................... 282 aa) Vorrangverhältnisse ..................................................................... 282 (1) Mitwirkung vor bösgläubigem Erwerb ................................ 282 (2) Unterschiedliche Mitwirkungsgrade .................................... 283 bb) Gleichrangverhältnisse ................................................................ 284 (1) Vom Eigentümer gebilligte Untervermietung zu einer gefährlichen Nutzung........................................................... 284 (2) Eintritt des gegenwärtigen Eigentümers in ein vom früheren Eigentümer geschlossenes Pachtverhältnis............ 284 (3) Kettenkaufverträge zwischen bösgläubigen Eigentümern ... 284 (4) Einstandspflicht nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG ..... 284 (5) Miteigentümer und Gesamthandseigentümer....................... 285 VI. Einschränkung des Vorrangs des Verhaltensstörers aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr ............................................................................. 286 1. Keine Anhaltspunkte für potentielle Verhaltensstörer ............................... 286 2. Schwierigkeiten beim Nachweis der Verursachung .................................. 287 a) Problematischer Nachweis des Verursachungsumfangs ...................... 287 b) Problematischer Nachweis der Verursachung ..................................... 288 aa) Durchführung von Verursachungsermittlungsmaßnahmen.......... 288 bb) Beweiserleichterungen für den Nachweis der Verursachung....... 289 3. Rechtliche Hindernisse bei der Inanspruchnahme eines vorrangigen Störers ....................................................................................................... 294 a) Legalisierungswirkung einer behördlichen Genehmigung .................. 294 b) Verwirkung.......................................................................................... 295 c) Der Verursacher existiert nicht mehr................................................... 295 d) Eingriff in Rechte des Eigentümers und sonstiger Berechtigter .......... 296 4. Fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit des Verhaltensstörers ................. 296 5. Faktische Hindernisse ............................................................................... 298 E. Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs. 2 BBodSchG .......................................... 298 I. Ausgangslage .................................................................................................. 298 II. Ratio legis ....................................................................................................... 299

Inhaltsverzeichnis

25

III. Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 BBodSchG.............................................299 1. Zeitlicher Anwendungsbereich ..................................................................299 a) Anwendung auf Altfälle .......................................................................299 b) Keine vorherige Kostentragung erforderlich........................................300 2. Persönlicher Anwendungsbereich ..............................................................301 a) Ausgleichsanspruch eines Zustandsstörers gegen einen Verhaltensstörer ...................................................................................301 b) Ausgleichsanspruch eines Verhaltensstörers gegen einen anderen Verhaltensstörer ...................................................................................302 c) Ausgleichsanspruch eines Zustandsstörers gegen einen anderen Zustandsstörer......................................................................................303 d) Ausgleichsanspruch eines Zustandsstörers, dessen Verantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht beschränkt ist.................305 e) Ausgleichsanspruch eines Verhaltensstörers gegen einen Zustandsstörer......................................................................................307 3. Sachlicher Anwendungsbereich .................................................................310 IV. Unabhängigkeit des Ausgleichsanspruchs von einer vorherigen behördlichen Inanspruchnahme .......................................................................310 V. Bestand und Umfang des Ausgleichsanspruchs ...............................................311 1. Vertraglich vereinbarte Lastenverteilung ...................................................311 a) Ausdrückliche Vereinbarungen ............................................................312 b) Konkludente Vereinbarungen...............................................................312 c) Parteien der Vereinbarung....................................................................313 2. Gesetzliche Lastenverteilung .....................................................................315 VI. Umfang des Ausgleichsanspruchs bei einer Mehrheit von Letztverantwortlichen ......................................................................................318 VII. Verjährung des Ausgleichsanspruchs ..............................................................320 F. Zusammenfassung ................................................................................................320 12. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz

325

A. Die Sanierungsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers......326 B. Die Sanierungsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt .....330 C. Die Sanierungsverantwortlichkeit aufgrund handels- oder gesellschaftsrechtlicher Einstandspflicht.................................................................................333 I. Ratio legis ........................................................................................................333 II. Konstitutive Bedeutung der Regelung .............................................................334 III. Tatbestandsvoraussetzungen ............................................................................334 1. Einstandspflicht für eine juristische Person ...............................................334 2. Eigentum der juristischen Person an dem kontaminierten Grundstück......335 IV. Rückwirkende Anwendung ..............................................................................337 V. Die einzelnen Anwendungsfälle.......................................................................338

26

Inhaltsverzeichnis

1. Gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht................................................... 338 a) Einstandspflicht bei Unterkapitalisierung ........................................... 338 b) Einstandspflicht bei Umwandlungen................................................... 340 c) Keine Einstandspflicht bei Sphärenvermischung ................................ 341 d) Keine Einstandspflicht bei Konzernabhängigkeit ............................... 342 2. Handelsrechtliche Einstandspflicht ........................................................... 344 a) Einstandspflicht bei Erwerb des gesamten Handelsgeschäfts ............. 345 b) Einstandspflicht bei Erwerb der wesentlichen Teile eines Handelsgeschäfts................................................................................. 345 VI. Stellungnahme ............................................................................................... 345 D. Die Sanierungsverantwortlichkeit des Derelinquenten..................................... 347 I. Die Gesetzgebungsgeschichte........................................................................ 347 II. Ratio legis ...................................................................................................... 347 III. Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück............................................... 348 IV. Eigentumsaufgabe seit dem 1.3.1999............................................................. 348 V. Fortbestand der Sanierungsverantwortlichkeit bei Aneignung durch den Staat............................................................................................... 349 VI. Stellungnahme ............................................................................................... 349 E. Die Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers............... 352 I. Gesetzgebungsgeschichte .............................................................................. 352 II. Ratio legis ...................................................................................................... 352 III. Aufgabe des Dogmas von der Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust ...................................................................................... 353 IV. Früherer Eigentümer ...................................................................................... 353 V. Eigentumsübertragung seit dem 1.3.1999 ...................................................... 356 VI. Umfang der Sanierungsverantwortlichkeit..................................................... 356 VII. Gutglaubensschutz ......................................................................................... 357 1. Gutgläubigkeit bei Eigentumsverlust ........................................................ 357 2. Gutgläubigkeit bei Eigentumserwerb........................................................ 359 3. Die Beweislastverteilung für den Nachweis der Gutgläubigkeit............... 362 VIII. Stellungnahme .............................................................................................. 363 F. Zusammenfassung ............................................................................................... 370 13. Kapitel Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG A. B. C. D. E. F. G.

373

Gesetzgebungsgeschichte..................................................................................... 373 Ratio legis ............................................................................................................. 373 Vorbild des § 154 BauGB .................................................................................... 374 Ausschluß der Wertausgleichspflicht ................................................................. 375 Tatbestandsvoraussetzungen............................................................................... 376 Gläubiger des Wertausgleichsanspruchs............................................................ 378 Schuldner des Wertausgleichsanspruchs ........................................................... 379

Inhaltsverzeichnis

27

H. Berücksichtigung der Opferfälle .........................................................................381 I. Schutz des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbers ............................................381 II. Schutz des gutgläubigen unentgeltlichen Erwerbers und des Opfers von Fremdeinwirkungen .........................................................................................384 I. Keine Festsetzung bei unbilliger persönlicher Härte .........................................385 J. Keine Festsetzung bei entgegenstehendem öffentlichen Interesse ....................386 K. Entstehung, Fälligkeit und Erlöschen des Wertausgleichsanspruchs...............387 L. Öffentliche Last ....................................................................................................387 M. Verhältnis der Wertausgleichs- zur Kostentragungspflicht...............................389 N. Wertausgleichspflicht in der Insolvenz ...............................................................390 O. Stellungnahme.......................................................................................................391 P. Zusammenfassung ................................................................................................393 14. Kapitel Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

395

A. Mögliche Konstellationen einer umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber........................................396 I. Umweltrisiken bei Grundpfandrechten ............................................................396 II. Umweltrisiken bei beweglichen Kreditsicherheiten.........................................397 B. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern...........................397 I. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern bei Gewässergefahren ......................................................................................397 1. Die Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten......................398 2. Die Zustandsverantwortlichkeit nach Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung..................................................400 3. Die Zustandsverantwortlichkeit in der Zwangsverwaltung........................401 II. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundpfandgläubigers bei Bodenkontaminationen ....................................................................................401 1. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern nach den Landesaltlastengesetzen.............................................................................402 a) Keine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten ............402 b) Die Zustandsverantwortlichkeit nach Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung ............................................402 c) Wertausgleichspflicht...........................................................................403 d) Die Vorteilsausgleichspflicht des Grundpfandgläubigers.....................403 2. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz........................................................................404 a) Keine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten ............404 b) Die Zustandsverantwortlichkeit nach Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung ............................................404 c) Wertausgleichspflicht...........................................................................405 d) Keine Vorteilsausgleichspflicht des Grundpfandgläubigers .................405

28

Inhaltsverzeichnis

e) Wirtschaftliche Beteiligung vorrangiger Grundpfandgläubiger an den Sanierungskosten ..................................................................... 405 C. Die Zustandsverantwortlichkeit bei beweglichen Kreditsicherheiten ............. 406 I. Die Zustandsverantwortlichkeit des Mobiliarpfandgläubigers ........................ 407 II. Die Zustandsverantwortlichkeit des Sicherungseigentümers .......................... 407 III. Die Zustandsverantwortlichkeit des Vorbehaltsverkäufers.............................. 409 D. Gestaltungsmöglichkeiten gesicherter Kreditgeber zur Vermeidung der Zustandsverantwortlichkeit ................................................................................ 410 I. Vermeidung der Zustandsverantwortlichkeit als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ........................................................................... 410 II. Vermeidung der Zustandsverantwortlichkeit durch Beendigung der Rechtsstellung ............................................................................................411 1. Beschränkung der Sicherungsübereignung auf ungefährliche Sachen .......411 2. Auflösend bedingte Sicherungsübereignung oder Grundpfandrechtsbestellung ......................................................................411 3. Verzicht auf das Grundpfandrecht............................................................. 412 E. Zusammenfassung ............................................................................................... 412 15. Kapitel Gang der weiteren Darstellung

414

Zweiter Teil Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

415

1. Kapitel Die Entstehung des US-amerikanischen Altlastenrechts

415

2. Kapitel Die Rechtsgrundlagen für die Abwehr von Bodenund Gewässergefahren

417

A. Weitere Rechtsgrundlagen des Bundes .............................................................. 417 I. Der Clean Water Act........................................................................................ 417 II. Der Resource Conservation and Recovery Act ............................................... 418 B. Rechtsgrundlagen der Bundesstaaten ................................................................ 418 3. Kapitel Die Abwehr von Boden- und Gewässergefahren nach CERCLA

419

A. Anwendungsbereich von CERCLA.................................................................... 419 B. Handlungsbefugnisse der Bundesumweltbehörde............................................. 420 C. Rückwirkung der Haftung .................................................................................. 421

Inhaltsverzeichnis

29

4. Kapitel Der Kreis der Störer

423

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des current owner ..........................................424 I. Der owner-Begriff............................................................................................424 II. Verursachungsunabhängigkeit der owner-Haftung...........................................425 III. Gesetzliche Haftungsfreistellungen..................................................................426 B. Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten.........................................426 C. Die Zustandsverantwortlichkeit des past owner ................................................426 D. Die Verantwortlichkeit des current operator .....................................................427 I. Keine eigenständige Anlagenbetreiberhaftung.................................................427 II. Operator-Begriff...............................................................................................428 1. Capacity to control-Test.............................................................................428 2. Actual control-Test ....................................................................................429 3. Die Entscheidung des Supreme Court in United States v. Bestfoods.........430 E. Die Verantwortlichkeit des past operator ...........................................................431 F. Die Verantwortlichkeit des generator .................................................................432 G. Die Verantwortlichkeit des transporter ..............................................................432 H. Zusammenfassung ................................................................................................432 5. Kapitel Die Opferfälle

434

A. Verursachungsunabhängigkeit der CERCLA-Haftung ....................................434 B. Keine Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit ........................................434 C. Verteidigungsmöglichkeiten gegen die CERCLA-Haftung ...............................435 I. Haftungsfreistellung in den Opferfällen...........................................................435 II. Die einzelnen Einreden ....................................................................................436 1. Act of God .................................................................................................436 2. Act of war ..................................................................................................437 3. Third party defense ....................................................................................437 a) Fremdeinwirkung.................................................................................438 b) Keine Haftungsfreistellung bei vertragswidriger Nutzung...................438 c) Obliegenheitspflichten .........................................................................439 4. Innocent landowner defense ......................................................................440 a) Haftungsfreistellung des gutgläubigen Erwerbers................................441 b) Nachweis der Gutgläubigkeit...............................................................441 aa) Phase I Site Assessment ...............................................................443 bb) Phase II Site Assessment ..............................................................445 c) Obliegenheitspflichten .........................................................................445 d) Keine Haftungsfreistellung bei unterlassener Aufklärung....................445 5. De minimis settlement ...............................................................................446 a) Voraussetzungen ..................................................................................446 b) Vorteile für den Eigentümer .................................................................447

30

Inhaltsverzeichnis

D. Zusammenfassung ............................................................................................... 448 6. Kapitel Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

451

A. Vorteilsziehung..................................................................................................... 451 B. Mitwirkung an der Gefahrentstehung ............................................................... 451 C. Stellungnahme ...................................................................................................... 452

A. B. C. D. E.

7. Kapitel Die Verfassungsmäßigkeit der Zustandshaftung

453

8. Kapitel Die Absicherung des behördlichen Kostenerstattungsanspruchs durch ein gesetzliches Pfandrecht

454

Superfund lien...................................................................................................... 454 State liens .............................................................................................................. 455 Rechtsgrund der gesetzlichen Grundpfandrechte............................................. 455 Kritik an dem Vorrang der gesetzlichen Grundpfandrechte............................ 456 Zusammenfassung ............................................................................................... 457 9. Kapitel Keine Wertausgleichspflicht des Grundeigentümers

458

10. Kapitel Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

459

A. Einleitung ............................................................................................................. 459 B. Gesicherte Kreditgeber als owner ...................................................................... 460 C. Die Auslegung der secured creditor exemption bis zur EPA Lender Liability Rule........................................................................................................ 461 I. Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung......... 461 1. United States v. Mirabile........................................................................... 461 2. United States v. Maryland Bank & Trust Company .................................. 462 3. Guidice v. BFG Electroplating and Mfg. Co., Inc..................................... 464 4. Zusammenfassung..................................................................................... 465 II. Mitwirkung am Management .......................................................................... 466 1. United States v. Mirabile........................................................................... 466 2. Guidice v. BFG Electroplating and Mfg. Co., Inc..................................... 467 3. United States v. Fleet Factors Corp. .......................................................... 467 4. In re Bergsoe Metal Corp.......................................................................... 470 D. Die EPA Lender Liability Rule ........................................................................... 471 I. Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung......... 472

Inhaltsverzeichnis

E. F. G.

H.

I.

II. Mitwirkung am Management...........................................................................473 1. Actual control-Test ....................................................................................473 2. Unbeachtliche Maßnahmen .......................................................................473 a) Lender’s pre-loan activities..................................................................474 b) Administering and managing the loan .................................................474 c) Participation in loan work out activities...............................................474 d) Foreclosure actions ..............................................................................474 Stellungnahme des Schrifttums zur Lender Liability Rule ...............................475 Aufhebung der EPA Lender Liability Rule in Kelley v. EPA ............................476 Der Asset Conservation Act .................................................................................476 I. Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung ............477 II. Mitwirkung am Management...........................................................................477 Stellungnahme.......................................................................................................478 I. Keine Haftungsfreistellung bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung ........................................................478 II. Keine Abgrenzung der operator-Haftung von der owner-Haftung ...................479 III. Ablehnung des capacity to control-Tests..........................................................480 Zusammenfassung ................................................................................................480 11. Kapitel Zusammenfassung und Bewertung der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

A. B. C. D. E. F.

31

483

Der Kreis der Zustandsstörer ..............................................................................483 Die Lösung der Opferfälle....................................................................................483 Die Zurechnung der Gefahr.................................................................................484 Zu hohe Anforderungen an den Nachweis des gutgläubigen Erwerbs.............484 Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit ...................................................485 Keine Privilegierung gesicherter Kreditgeber....................................................486 Dritter Teil Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

487

1. Kapitel Einleitung

487

2. Kapitel Das Störerrecht vor Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes und der Wasserrechtsgesetz-Novelle vom 1.7.1990

489

32

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Das geltende Störerrecht

491

A. Das Störerinstrumentarium ................................................................................ 491 I. Vorrang der Eigenvornahme............................................................................ 491 II. Kostentragung ................................................................................................. 492 III. Verselbständigung der Duldungspflicht........................................................... 493 B. Die Störernormen................................................................................................. 494 I. Die Störernormen des Wasserrechtsgesetzes ................................................... 494 1. Verhaltensverantwortlichkeit..................................................................... 494 a) Die Verhaltensverantwortlichkeit gemäß § 31 Abs. 2 und 3 WRG...... 494 b) Die Verhaltensverantwortlichkeit gemäß § 138 WRG......................... 495 2. Zustandsverantwortlichkeit ....................................................................... 495 a) Die Zustandsverantwortlichkeit für Neulasten .................................... 496 aa) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers gemäß § 31 Abs. 4 S. 1 WRG ................................................................. 496 (1) Mitwirkung an der Gefahrentstehung .................................. 496 (2) Unterlassen zumutbarer Abwehrmaßnahmen....................... 497 bb) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers gemäß § 31 Abs. 4 S. 2 WRG ................................................................. 498 cc) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers gemäß § 138 Abs. 4 S. 1 WRG ............................................................... 498 dd) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers gemäß § 138 Abs. 4 S. 2 WRG ............................................................... 498 b) Die Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten...................................... 499 aa) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers .............. 499 (1) Zustandshaftung nur bei entgeltlicher Nutzungsüberlassung ........................................................... 499 (2) Zustandshaftung nur mit dem sog. Übergenuß..................... 499 bb) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers .............. 500 II. Die Störernormen des Abfallwirtschaftsgesetzes ............................................ 502 1. Die Verhaltensverantwortlichkeit gemäß § 73 Abs. 4 AWG...................... 502 2. Die Zustandsverantwortlichkeit gemäß § 74 AWG ................................... 502 a) Die Zustandsverantwortlichkeit für Neulasten .................................... 502 aa) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers .............. 502 bb) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers .............. 503 b) Die Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten...................................... 503 C. Einschränkende Auslegung der Zustandsverantwortlichkeit durch den Verfassungsgerichtshof ........................................................................................ 503 D. Vorrang des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer .................................. 505 I. Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit .................................................. 505 II. Nichtfeststellbarkeit des Verhaltensstörers ...................................................... 505 III. Unmöglichkeit der Gefahrenabwehr durch den Verhaltensstörer .................... 505

Inhaltsverzeichnis

33

E. Zusammenfassung ................................................................................................507 4. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer

509

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers .........509 I. Mitwirkung an der Gefahrentstehung ..............................................................509 1. Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit......................................510 2. Das Konsenserfordernis.............................................................................510 a) Das Konsenserfordernis beim Anlagenbetrieb .....................................510 b) Das Konsenserfordernis bei sonstigen Maßnahmen.............................511 3. Ablagerung anderer als der vereinbarten Stoffe.........................................512 4. Nichteinhaltung vertraglich vereinbarter Umweltstandards.......................512 II. Unterlassen zumutbarer Abwehrmaßnahmen...................................................513 III. Erlaß der Sanierungsverfügung vor Verlust des Eigentums .............................513 B. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers...................514 C. Die Rechtsnachfolgerhaftung...............................................................................516 I. Rechtsgrund der Rechtsnachfolgerhaftung.......................................................516 II. Selbständigkeit der Rechtsnachfolgerhaftung ..................................................517 III. Anforderungen an das Kennenmüssen .............................................................518 1. Die Rechtsnachfolgerhaftung bei Erwerb eines Anlagengrundstücks........518 2. Die Rechtsnachfolgerhaftung bei umweltgefährdender Vornutzung..........519 IV. Die Zustandshaftung der mittelbaren Rechtsnachfolger...................................520 V. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des bösgläubigen Erwerbers über den Eigentumsverlust hinaus ..................................................520 D. Zusammenfassung ................................................................................................521 5. Kapitel Die Reichweite der Zustandsverantwortlichkeit

523

A. Keine Zurechnung bei Gefahrenquelle auf einem fremden Grundstück .........523 B. Die Zurechnung bei Ausdehnung der Gefahr auf ein fremdes Grundstück ....524 C. Zusammenfassung ................................................................................................525 6. Kapitel Keine Wertausgleichspflicht

526

7. Kapitel Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

527

8. Kapitel Zusammenfassende Bewertung der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit

528

34

Inhaltsverzeichnis

A. Die zwei Rechtsgründe der Zustandsverantwortlichkeit.................................. 528 I. Mitwirkung an der Gefahrentstehung.............................................................. 528 II. Inkaufnahme der Gefahr beim bösgläubigen Erwerb ...................................... 528 B. Keine Haftungsbefreiung bei Vornahme zumutbarer Abwehrmaßnahmen ............................................................................................ 529 C. Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust ............... 529 D. Ausweitung der Zustandsverantwortlichkeit auf Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und auf sonstige Berechtigte.............................. 529 E. Keine Begrenzung des Haftungsumfangs .......................................................... 530 F. Keine Haftungsprivilegierung bei Altlasten....................................................... 531 G. Klärungsbedürftige Fragen bei der Rechtsnachfolgerhaftung ........................ 532 H. Lösung der Opferfälle ohne Beeinträchtigung der effektiven Gefahrenabwehr .................................................................................................. 532 I. Ausrichtung der Zustandsverantwortlichkeit am Gebot der gerechten Lastenverteilung sowie am Verursacherprinzip ................................................ 533 J. Finanzierung der Altlastensanierung über einen Altlastenfonds ..................... 533 Vierter Teil Rechtsvergleichung

535

1. Kapitel Einleitung

535

2. Kapitel Die Zurechnung von Gefahren

537

A. Zurechnung bei von einem nutzungsberechtigten Dritten verursachten Gefahren ............................................................................................................... 537 I. Zurechnung bei vertragsgemäßer Nutzung des Grundstücks .......................... 537 1. Einleitung.................................................................................................. 537 2. Befund....................................................................................................... 538 3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ............................................... 539 II. Zurechnung bei vertragswidriger Nutzung des Grundstücks........................... 540 1. Einleitung.................................................................................................. 540 2. Befund....................................................................................................... 540 a) Keine Haftungsfreistellung bei Verstoß gegen vertraglich vereinbarte Umweltstandards.............................................................. 540 b) Haftungsfreistellung bei zweckwidriger Nutzung des Grundstücks.... 540 3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ............................................... 541 B. Zurechnung bei von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten verursachten Gefahren........................................................................................ 542 I. Einleitung........................................................................................................ 542

Inhaltsverzeichnis

35

II. Befund..............................................................................................................542 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ......................................................544 C. Zurechnung bei von Naturereignissen hervorgerufenen Gefahren ..................544 I. Einleitung.........................................................................................................544 II. Befund..............................................................................................................545 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ......................................................546 D. Zurechnung bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks............................546 I. Einleitung.........................................................................................................546 II. Befund..............................................................................................................546 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ......................................................548 E. Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus.....................................................................................................................550 I. Einleitung.........................................................................................................550 II. Befund..............................................................................................................550 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ......................................................551 3. Kapitel Der Rechtsgrund der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit

552

A. Einleitung ..............................................................................................................552 B. Befund ...................................................................................................................552 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.........................................................553 4. Kapitel Die Verselbständigung der Duldungspflicht

554

A. Einleitung ..............................................................................................................554 B. Befund ...................................................................................................................554 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.........................................................555 5. Kapitel Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit

556

A. Einleitung ..............................................................................................................556 B. Befund ...................................................................................................................556 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.........................................................558 6. Kapitel Der Wertausgleichsanspruch

560

A. Einleitung ..............................................................................................................560 B. Befund ...................................................................................................................560 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht.........................................................561

36

Inhaltsverzeichnis 7. Kapitel Die Finanzierung der Sanierungskosten bei fehlender Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Störern

562

A. Einleitung ............................................................................................................. 562 B. Befund................................................................................................................... 562 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht........................................................ 563 8. Kapitel Die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit

564

A. Einleitung ............................................................................................................. 564 B. Befund................................................................................................................... 564 C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht........................................................ 565 9. Kapitel Der Kreis der Zustandsstörer

566

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers................... 566 I. Einleitung........................................................................................................ 566 II. Befund............................................................................................................. 567 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ..................................................... 568 B. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers............................. 568 I. Einleitung........................................................................................................ 568 II. Befund............................................................................................................. 568 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ..................................................... 569 C. Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten........................................ 570 I. Einführung ...................................................................................................... 570 II. Befund............................................................................................................. 570 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ..................................................... 571 D. Die Zustandsverantwortlichkeit von gegenwärtigen Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten.................................................................. 572 I. Einführung ...................................................................................................... 572 II. Befund............................................................................................................. 572 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ..................................................... 573 E. Die Zustandsverantwortlichkeit von früheren Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten ......................................................................... 574 I. Einleitung........................................................................................................ 574 II. Befund............................................................................................................. 574 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ..................................................... 574 F. Die Zustandsverantwortlichkeit des aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund Einstandspflichtigen................................................. 575 I. Einleitung........................................................................................................ 575 II. Befund............................................................................................................. 575 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ..................................................... 575

Inhaltsverzeichnis

37

10. Kapitel Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

576

A. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern...........................576 I. Keine Zustandshaftung als Grundpfandgläubiger ............................................576 1. Einleitung ..................................................................................................576 2. Befund .......................................................................................................576 3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ................................................577 II. Die wirtschaftliche Beteiligung von Grundpfandgläubiger an den Sanierungskosten .............................................................................................578 1. Einleitung ..................................................................................................578 2. Befund .......................................................................................................578 3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ................................................579 B. Die Zustandsverantwortlichkeit bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung..........................................................579 I. Einleitung.........................................................................................................579 II. Befund..............................................................................................................580 III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht ......................................................580 Fünfter Teil Zusammenfassende Thesen

581

Anhang ........................................................................................................................ 615 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 622 Sachregister................................................................................................................. 645

Abkürzungsverzeichnis A.A., a.A. ABGB Abs. Abt. AcP a.F. AktG AlSAG Alt. a.M. Anm. Ann. AöR Ark. Art. ASTM AtG Aufl. AWG Bankr. BayAbfAltG BayPAG BayVBl. BayWG BB BbgAbfG BbgOBG BbgWG BBodSchG BGB BGBl. BGH BGHSt. BGHZ BImSchG

anderer Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Absatz Abteilung Archiv für die civilistische Praxis alter Fassung Aktiengesetz österreichisches Altlastensanierungsgesetz Alternative anderer Meinung Anmerkung(en) Annotated Archiv des öffentlichen Rechts Arkansas Artikel American Society for Testing & Materials Atomgesetz Auflage österreichisches Abfallwirtschaftsgesetz Bankruptcy Court Bayerisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz Bayerisches Polizeiaufgabengesetz Bayerische Verwaltungsblätter Bayerisches Wassergesetz Der Betriebs-Berater Brandenburgisches Abfallgesetz Brandenburgisches Ordnungsbehördengesetz Brandenburgisches Wassergesetz Bundes-Bodenschutzgesetz Bürgerliches Gesetzbuch deutsches bzw. österreichisches Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz

Abkürzungsverzeichnis BlgNR BlnASOG BlnBodSchG BlnWG BNA B.R. BremAGAbfG BremPolG BremWG BSeuchenG BSG BSHG BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BWBodSchG BWPolG BWVP BWWG bzw. C.A. Cal. C.D. CERCLA C.F.R. Ch. Ch. Div. Cir. Co. Cong. Cong.Rec. Conn. Corp. CWA DAR DB D.C. D.Colo. D.Del.

39

Belegnummer Berliner Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berliner Bodenschutzgesetz Berliner Wassergesetz Bureau of National Affairs Bankruptcy Reporter Bremisches Ausführungsgesetz zum Abfallbeseitigungsgesetz Bremisches Polizeigesetz Bremisches Wassergesetz Bundes-Seuchengesetz Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichs Bundesverwaltungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg Baden-Württembergisches Polizeigesetz Baden-Württembergische Verwaltungspraxis Baden-Württembergisches Wassergesetz beziehungsweise Court of Appeals California Central District Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act Code of Federal Regulations Chapter Chancery Division Circuit Company Congress Congressional Record Connecticut Corporation Clean Water Act Deutsches Autorecht Der Betrieb District of Columbia District of Colorado District of Delaware

40 DDR d.h. D.Idaho Diss. DJZ D.Kan. DM D.Mass. D.Md. D.Me. D.Minn. D.N.H. D.Nev. D.N.J. D.N.M. DÖV D.R.I. D.S.C. D.Utah DVBl. DVP D.Vt. ECRA E.D. Einf. v. Einl. Pr. ALR Envtl.Code. EPA EstG e.V. f. Fed.2d Fed.3d Fed.Reg. ff. Fn. F.Supp. Ga. GAB GbR Gen. Laws Gen.Stat.

Abkürzungsverzeichnis Deutsche Demokratische Republik das heißt District of Idaho Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung District of Kansas Deutsche Mark District of Massachusetts District of Maryland District of Maine District of Minnesota District of New Hampshire District of Nevada District of New Jersey District of New Mexico Die Öffentliche Verwaltung District of Rhode Island District of South Carolina District of Utah Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verwaltungspraxis District of Vermont Environmental Cleanup Responsibility Act Eastern District Einführung vor Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht Environmental Code Environmental Protection Agency Einkommensteuergesetz eingetragener Verein folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Register folgende Fußnote Federal Supplement Georgia Gesellschaft zur Altlastensanierung mbH Gesellschaft bürgerlichen Rechts General Laws General Statute

Abkürzungsverzeichnis GewArch GewO GG GmbH GmbHG GP GVBl. HAltlastG HGB HmbAbwG HmbAGAbfG HmbSOG HmbWG HPflG H.R. Hrsg. HS HSOG HWG IBA idF i.d.g.F. i.e.S. Ill. Inc. Ind. In re InsO ISRA i.V.m. JR JuS JZ Kap. Ken. KrW-/AbfG Lfg. LKV Ltd. m. Anm. mbH

41

Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Gesetzes- und Verordnungsblatt Hessisches Altlastengesetz deutsches bzw. österreichisches Handelsgesetzbuch Hamburgisches Abwassergesetz Hamburgisches Ausführungsgesetz zum Abfallgesetz Hamburgisches Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Hamburgisches Wassergesetz Haftpflichtgesetz House of Representatives Herausgeber Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung HessischesWassergesetz International Bar Association in der Fassung in der gültigen Fassung im engeren Sinne Illinois Incorporated Indiana In Sachen Insolvenzordnung Industrial Site Recovery Act in Verbindung mit Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristen-Zeitung Kapitel Kentucky Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Lieferung Landes- und Kommunalverwaltung Limited mit Anmerkungen mit beschränkter Haftung

42 Md. M.D. MDR MEPolG Mfg. Mich. Minn. Mio. Mo. MVSOG MVWG m.w.N. N.C. N.D. NdsAbfG NdsWG Neb. NGefAG NJW NJW-RR No. Nr. NRWAbfG NRWOBG NRWPolG NStZ NuR NVwZ NVwZ-RR NWVBl. N.Y. NZ NZM OAG ÖGZ ÖZW OGH Or. OSWER OVG

Abkürzungsverzeichnis Maryland Middle District Monatsschrift für Deutsches Recht Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder Manufactoring Michigan Minnesota Million(en) Missouri Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen North Carolina Northern District Niedersächsisches Abfallgesetz Niedersächsisches Wassergesetz Nebraska Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Number Nummer Abfallgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Ordnungsbehördengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Bundesstaat New York österreichische Notariats-Zeitung Neue Zeitschrift für Mietrecht Oberappelationsgericht Österreichische Gemeindezeitung Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht österreichischer Oberster Gerichtshof Oregon Office of Solid Waste and Emergency Response Oberverwaltungsgericht

Abkürzungsverzeichnis OVGE

Pa. PKW Pr. ALR Pr. OVG Pr. OVGE Pr. PVG Pr. VBl. Pub.L. RCRA RdU Rev.Stat. RGSt. RGZ RhPfAbfG RhPfPOG RhPfWG R.I. Rn. RV RZ S. SaarlAWG SaarlPolG SaarlWG SächsEGAB SächsPolG SächsVBl. SächsWG SAG SASOG SAWG S.D. Sess. SHLVwG SHWG sog. Sp.

43

Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg Pennsylvania Personenkraftwagen Preußisches Allgemeines Landrecht Preußisches Oberverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz Preußische Verwaltungsblätter Public Law Resource Conversation and Recovery Act Recht der Umwelt Revised Statute Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz des Landes Rheinland-Pfalz Polizeiorganisationsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz Wassergesetz des Landes Rheinland-Pfalz Rhode Island Randnummer Regierungsvorlage österreichische Richterzeitung Seite Saarländisches Abfallwirtschaftsgesetz Saarländisches Polizeigesetz Saarländisches Wassergesetz Erstes Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen Polizeigesetz des Freistaates Sachsen Sächsische Verwaltungsblätter Wassergesetz des Freistaates Sachsen österreichisches Sonderabfallgesetz Sachsen-anhaltinisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Sachsen-anhaltinisches Wassergesetz Southern District Session Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein Wassergesetz des Landes Schleswig-Holstein sogenannte (-r, -s) Spalte

44 stat. Stat. std. Rspr. StGB StVG SWDA SZ Tenn. ThürAbfAltG ThürOBG ThürPAG ThürWG ThVBl. TierseuchenG Tit. Tz. u.a. Überblick v. UGB-KomE UGB-ProfE UmwG UPR U.S.C. UTR v. Va. VBlBW VersR VerwArch VfGH VG VGH vgl. VIZ VR VVDStRL VwGH VwGO Wash.

Abkürzungsverzeichnis Statute Statute ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Straßenverkehrsgesetz Solid Waste Disposal Act Entscheidungen des (österreichischen) Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen Tennessee Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz Thüringer Ordnungsbehördengesetz Thüringer Polizeiaufgabengesetz Thüringer Wassergesetz Thüringer Verwaltungsblatt Tierseuchengesetz Title Teilziffer unter anderem Überblick vor Kommissionsentwurf zu einem Umweltgesetzbuch Professorenentwurf zu einem Umweltgesetzbuch Umwandlungsgesetz Umwelt- und Planungsrecht United States Code Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts versus Virginia Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Zeitschrift für Versicherungsrecht Verwaltungs-Archiv österreichischer Verfassungsgerichtshof Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht (seit 1997 Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht) Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer österreichischer Verwaltungsgerichtshof Verwaltungsgerichtsordnung Bundesstaat Washington

Abkürzungsverzeichnis WBl W.D. WHG Wis. WiVerw WM WRG Z ZAU z. B. ZEuP ZfW Ziff. ZIP ZMR ZPO ZUR ZVG

45

österreichische Wirtschaftsrechtliche Blätter (Beilage zu den Juristischen Blättern) Western District Wasserhaushaltsgesetz Wisconsin Wirtschaft und Verwaltung Wertpapier-Mitteilungen Teil IV – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht österreichisches Wasserrechtsgesetz Geschäftszahl Zeitschrift für angewandte Umweltforschung zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Wasserrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Umweltrecht Zwangsvollstreckungsgesetz

46

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung Nach Schätzungen des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen wird die Sanierung1 von Altlasten2 allein in Deutschland Kosten zwischen 100 und 500 Milliarden Euro verursachen.3 Nach jüngsten Zahlen waren im August 1997 bundesweit 190.000 zivile Altlastenverdachtsflächen erfaßt.4 Hinzu kommen 240.000 geschätzte zivile altlastenverdächtige Flächen sowie 3.240 Verdachtsstandorte von Rüstungsaltlasten. Diese Zahlen verdeutlichen die ökologische und ökonomische Dimension des Altlastenproblems. Angesichts der Höhe der geschätzten Kosten ist die öffentliche Hand – zumal in Zeiten leerer öffentlicher Kassen – mit der Finanzierung der Sanierung überfordert. Unter Berufung auf das Verursacherprinzip5 tritt sie seit langem dafür ein, daß die Sanierungskosten von dem Verursacher der Boden- und Gewässerkontamination zu tragen seien. Nur soweit die Inanspruchnahme privater Verursacher nicht in Betracht komme oder keinen Erfolg verspreche, könne die Sanierung nach dem Gemeinlastprinzip6 aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden.7 Zur Ermittlung des Verursachers der Verunreinigung griff die Verwaltung nach Bekanntwerden des Altlastenproblems in den 80er Jahren zunächst auf die Störerregelungen der Landespolizeigesetze zurück. Später wurden in den meisten Bundesländern eigenständige Altlastenregelungen geschaffen. Das am ___________ 1 Zum Sanierungsbegriff vgl. § 2 Abs. 7 BBodSchG sowie Sanden, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, 1998, § 2 Rn. 93 ff. 2 Zum Altlastenbegriff vgl. nunmehr § 2 Abs. 5 BBodSchG. 3 Vgl. die verschiedenen im Sondergutachten „Altlasten II“ des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen wiedergegebenen Kostenschätzungen, BT-Drucks. 13/380 vom 2.2.1995, Rn. 164 ff. 4 Umweltbericht der Bundesregierung 1998, BT-Drucks. 13/10735, S. 96. 5 Vgl. bereits das Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971, BT-Drucks. 6/2710, S. 6 (10). Zum Verursacherprinzip allgemein vgl. Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., 1995, S. 27 f.; Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1995, S. 442 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., 1998, § 4 Rn. 28 ff. 6 Zum Gemeinlastprinzip vgl. nur Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 28; Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 444; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 40 ff. 7 Zu alternativen Finanzierungsmodellen vgl. Breuer, NVwZ 1987, 751 (756 ff.); Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573 ff.; Papier, Jura, 1989, 505 (511 ff.).

48

Einleitung

1.3.1999 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz)8 hat das Bodenschutzrecht nunmehr bundesweit vereinheitlicht.9 Wie die Landesaltlastengesetze greift das Bundes-Bodenschutzgesetz zur Bestimmung des Verursachers der Bodenkontamination im wesentlichen auf das Störerinstrumentarium der Landespolizeigesetze zurück, erweitert dieses jedoch um neue Störer. Das Bundes-Bodenschutzgesetz sieht neben demjenigen, der durch sein Verhalten eine Bodenverunreinigung verursacht hat, auch den Eigentümer des kontaminierten Grundstücks sowie andere Zustandsstörer als sanierungsverantwortlich an. Die Verantwortlichkeit des Eigentümers besteht unabhängig davon, ob er die Kontamination verursacht oder verschuldet hat.10 Wie der wahre Verursacher hat der Grundeigentümer nach der gesetzlichen Regelung 11 mit seinem gesamten Vermögen für die Sanierungskosten einzustehen. Eine derart weitreichende Zustandsverantwortlichkeit wird überwiegend als unbillig angesehen, wenn der Eigentümer selbst Opfer der Kontamination ist.12 Der Eigentümer befindet sich in einer Opferposition, wenn die Verunreinigung durch das Verhalten eines nicht zur Nutzung des Grundstücks berechtigten Dritten verursacht worden ist oder wenn der Eigentümer ein Grundstück erworben hat, ohne die Bodenkontamination zu kennen oder kennen zu müssen. In der Praxis kommt insbesondere dem gutgläubigen Erwerb von als Bauland ausgewiesenen Altlasten erhebliche Bedeutung zu. Die Opferproblematik gehört zu den großen, ungelösten Fragen des Gefahrenabwehrrechts.13 Im Schrifttum sind wiederholt Versuche zur Lösung der ___________ 8

BGBl. I S. 502. Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (30 f.). 10 Vgl. BVerfGE102, 1 (19). 11 Das Bundesverfassungsgericht hat die unbegrenzte Einstandspflicht des Grundeigentümers allerdings in seinem Beschluß vom 16.2.2000 für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber insoweit zu einer Neuregelung aufgefordert; vgl. BVerfGE 102, 1 (19 ff.) sowie die eingehende Darstellung unter 8. Kap. D. II. 12 Kimmel, Eigentum und Polizei, Diss. München, 1967, S. 172 f.; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); derselbe, JZ 1994, 810 (817); Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, Diss. Würzburg, 1986, S. 27; Spannowsky, UPR 1988, 376 (377); DVBl. 1994, 560 (562); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, 1989, S. 52 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, 1991, S. 152; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, 1991, S. 41 ff.; Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schink, DÖV 1995, 213 (223). 13 Auch außerhalb der Altlastenfälle war es zuvor bereits zu Opferfällen gekommen, die Anlaß zu einer Diskussion um eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit gegeben haben; vgl. nur BVerwGE 10, 282 (283); BVerwG, DVBl. 1974, 297; OVG Münster, OVGE 5, 185 (188 ff.); dasselbe, DVBl. 1969, 594; OVG Lüneburg, JZ 1953, 167; OVG Koblenz, DÖV 1954, 316 ff.; Gieseke, ZfW 1964, 179 (189); Holtzmann, 9

Einleitung

49

Opferproblematik unternommen worden.14 „Trotzdem ist die juristische Begrenzung der polizei- und ordnungsrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit bisher eine unbewältigte Aufgabe geblieben“, wie Breuer15 zutreffend ausführte. Der Gesetzgeber hat aus fiskalpolitischen Erwägungen im BundesBodenschutzgesetz von einer Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit abgesehen.16 Durch die Erweiterung des Kreises der Zustandsstörer um den ehemaligen Eigentümer17 hat er zudem die Zustandsverantwortlichkeit weiter verschärft, weil sich der Grundeigentümer seiner Zustandsverantwortlichkeit nicht mehr durch Veräußerung seines Grundstücks entledigen kann. Die Regelungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes zur Zustandsverantwortlichkeit haben allerdings in ihrer ursprünglichen Fassung weniger als ein Jahr Bestand gehabt. Das Bundesverfassungsgericht18 hat in seinem grundlegenden Beschluß vom 16.2.2000 entschieden, daß die unbegrenzte Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers verfassungswidrig sei. Zugleich hat es den ___________ DVBl. 1965, 902; Czychowski, DVBl. 1970, 379 ff.; Friauf, in: Vogel/Tipke (Hrsg.), Festschrift für Wacke, 1972, S. 293 (294 f.); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 320. Auf die sog. Kriegstrümmer- und die Tankwagenfälle wird unter 4. Kap. C. noch näher einzugehen sein. Nicht zu verkennen ist allerdings, daß die wirtschaftliche Dimension der Altlasten die Diskussion der Opferproblematik erheblich beflügelt hat. 14 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 ff.; Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1995, S. 143 ff.; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (207 ff.); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 162; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff.; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, 1985, S. 48 ff.; DVBl. 1985, 873 ff.; NVwZ 1986, 256 ff.; Jura 1989, 505 ff.; NWVBl. 1989, 322 ff.; JZ 1994, 810 ff.; in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 511 ff., Stand: Mai 1994; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 54 ff.; Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, 1991, S. 29 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105 ff.; Oerder, DVBl. 1992, 691 (695); NVwZ 1992, 1031 (1037); in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstage (Hrsg.), Dokumentation zum 10. Deutschen Verwaltungsgerichtstag, 1993, S. 105 ff.; Pape, NJW 1992, 2661 (2666); Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 292 ff.; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1319 f.). 15 DVBl. 1994, 890 (894). 16 Die in § 26 Abs. 2 des Regierungsentwurf zum Bundes-Bodenschutzgesetz vorgesehene Begrenzung der Kostenlast des gutgläubigen Erwerbers auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks wurde im Vermittlungsausschuß ersatzlos gestrichen; vgl. BT-Drucks. 13/9637, S. 5 sowie die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 13/6701, S. 58 f. Der Bundesrat begründete seine Ablehnung maßgebend mit den finanziellen Lasten, die anderenfalls auf die öffentlichen Haushalte zukämen. 17 § 4 Abs. 6 BBodSchG sieht allerdings für den früheren Eigentümer eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen vor; vgl. hierzu unter 12. Kap. E. VII. 18 BVerfGE 102, 1 ff.

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Gesetzgeber zu einer Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit für Bodenkontaminationen aufgefordert. Für die Übergangszeit hat es der Verwaltung und den Gerichten Grundsätze für eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Zustandsverantwortlichkeit an die Hand gegeben. Bis zur gesetzlichen Neuregelung sei die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers im Regelfall auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks zu begrenzen.19 Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß offen gelassen, ob und inwieweit ein Grundeigentümer, der selbst Opfer der Bodenkontamination ist, zur Sanierung herangezogen werden kann.20 Zu den wesentlichen Aufgaben des Gesetzgebers bei der Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit21 nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz wird daher eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen gehören. Ziel dieser Untersuchung ist es, Kriterien für eine Zurechnung der Gefahr herauszuarbeiten. Diese sollen sicherstellen, daß ein Eigentümer nur dann sanierungsverantwortlich ist, wenn er der Bodenkontamination ähnlich nahe steht wie der Verursacher, jedenfalls aber näher als ein beliebiger Bürger.22 Taugliche Zurechnungskriterien lassen sich nur entwickeln, wenn zuvor Klarheit über den Rechtsgrund der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit geschaffen wird. Bei der Frage, weshalb es gerechtfertigt ist, den Eigentümer zur Gefahrenabwehr zu verpflichten, liegt allerdings noch vieles im Dunkeln. 23 Beye24 kritisierte bereits 1969, daß der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und von der frühen Verwaltungsrechtslehre entwickelte Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit niemals ernsthaft hinterfragt worden sei. Dieser Befund ist auch nach mehr als 30 Jahren noch richtig. Noch heute ist die herrschende Meinung25 dem historisch tradierten vermeintlichen Rechtsgrund der Zustands___________ 19

BVerfGE 102, 1 (20 ff.). BVerfGE 102, 1 (21). 21 Da es insoweit nicht lediglich um eine Begrenzung der Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 und 6, sondern auch um eine Einschränkung der Gefahrenabwehrpflicht nach § 4 Abs. 2 BBodSchG geht, wird in der Untersuchung an dem Begriff der Zustandsverantwortlichkeit festgehalten. Er ist auch zur Abgrenzung zur Verhaltensverantwortlichkeit unerläßlich. 22 Dies fordern auch Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (296) sowie jüngst Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, 1997, S. 118; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, 2002, S. 170. 23 Zustimmend Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, Diss. Mainz, 1969, S. 42; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 23; Dombert, NJW 2001, 927 (928); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 161. 24 So schon Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, S. 42; ähnlich Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293. 25 BVerwG, DVBl. 1986, 360 (361); NVwZ 1991, 475; 1997, 577 (578); VGH München, NVwZ 1986, 942 (944); OVG Bremen, DVBl. 1989, 1008; VGH Mannheim, GewArch 1998, 301 (303); OVG Münster, NWVBl. 1998, 64 (65); Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318 ff.; Denninger, in: Lisken/ 20

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verantwortlichkeit verhaftet, obwohl dessen Unzulänglichkeit angesichts der Opferfälle offen zutage tritt. Im Zentrum dieser Untersuchung steht daher die Ergründung des Rechtsgrundes der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit. Ist der Rechtsgrund bestimmt, so lassen sich hieraus Rückschlüsse auf den verfassungsrechtlich zulässigen Kreis der Zustandsstörer und den Umfang der Pflichten ziehen, die dem einzelnen Zustandsstörer auferlegt werden können. Untersuchungsgegenstand ist allein die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit. Hierunter wird die Verantwortlichkeit des Eigentümers sowie sonstiger Zustandsstörer für (drohende) Boden- und Gewässerkontaminationen durch Gefahrstoffe in den sog. Umweltschadensfällen verstanden.26 Diese soll medienübergreifend auf ihre Gemeinsamkeiten untersucht werden. Im Vordergrund steht – der praktischen Bedeutung entsprechend – die bodenschutzrechtliche Zustandsverantwortlichkeit. Nicht eingegangen wird auf die Zustandsverantwortlichkeit für nicht umweltrechtliche Gefahren. Grundsätze, die z. B. für das Abschleppen verbotswidrig abgestellter PKW richtig und angemessen sein mögen, lassen sich nicht ohne weiteres auf Boden- und Gewässerkontaminationen übertragen, deren Sanierung nicht selten mit Kosten von mehreren Millionen Euro verbunden ist. Ein Abschnitt dieser Untersuchung widmet sich der Frage, ob und inwieweit Kreditinstitute als gesicherte Kreditgeber nach deutschem Recht einer umweltrechtlichen Zustandshaftung ausgesetzt sein können. Brisanz erlangt diese Frage vor dem Hintergrund mehrer Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte, die eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber bejaht haben. Der Darstellung zum deutschen Recht im 1. Teil schließen sich im 2. Teil Ausführungen zur umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit nach USamerikanischem Recht und im 3. Teil zum österreichischen Recht an. Mit den USA und Österreich sind bewußt zwei im Hinblick auf die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit sehr unterschiedliche Referenzstaaten ausgewählt worden. Auf der einen Seite das sehr strenge US-amerikanische Haftungsregime und auf der anderen Seite die liberalen österreichischen Störerregelungen. Es erstaunt daher umso mehr, daß beide zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen und gerade bei der Lösung der Opferfälle ähnliche Wege einschlagen. Im 4. Teil wird die deutsche umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit mit der US-amerikanischen und der österreichischen verglichen. Untersucht wird insbesondere, welche Reformimpulse dem ausländischen Recht zur Begrenzung ___________ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., 1996, E., Rn. 91 ff.; Gallwas/Mößle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Aufl., 1996, Rn. 456. 26 Die Luft als drittes Umweltmedium entzieht sich hingegen als räumlich nicht abgrenzbares Gut einer (rechtlichen) Zuordnung. Eine Zustandsverantwortlichkeit für die Luft ist daher ausgeschlossen.

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Einleitung

der Zustandshaftung in den Opferfällen entnommen werden können und inwieweit der zum deutschen Recht entwickelte eigene Lösungsansatz im Einklang mit dem US-amerikanischen und dem österreichischen Recht steht.

Erster Teil

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht 1. Kapitel

Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr A. Aufgabe des Gefahrenabwehrrechts Aufgabe des Gefahrenabwehrrechts ist es, „von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit und Ordnung1 bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist“2. Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit sind die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Hoheitsträger, die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung sowie die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen.3 Auch die Umweltmedien Boden und Wasser gehören zu den Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit. Eine intakte Umwelt ist Voraussetzung menschlichen Lebens. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist nach Art. 20a GG ein Staatsziel des Grundgesetzes.4 Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen schließt den Schutz der Umweltmedien Boden und Wasser ein.5 Hieraus ergibt sich – wie noch darzulegen sein wird – eine Art Ökologiepflichtigkeit des Eigentums als besondere Ausprägung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums.6

___________ 1 Auf den Schutz der öffentlichen Ordnung wird nicht eingegangen, weil er für den Gegenstand der Untersuchung ohne Bedeutung ist. 2 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BWPolG. 3 Vgl. die Legaldefinitionen in § 2 Ziff. 2 BremPolG, § 3 Ziff. 1 SASOG und § 54 ThürOBG sowie statt aller Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., 1995, Rn. 89. 4 Vgl. nur Scholz, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, Art. 20a Rn. 36, Stand: Juni 2002. 5 Vgl. nur Schink, GewArch 1996, 50. 6 Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (153).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Grundwasserverunreinigungen stellen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, weil sie den Wasserhaushalt und die Trinkwasserversorgung beeinträchtigen. § 1 BBodSchG stellt nunmehr klar, daß auch der Boden ein eigenständiges Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist.7 Da der Boden sowie Oberflächengewässer8 Bestandteil des jeweiligen Grundstücks sind, ist durch eine (drohende) Verunreinigung zugleich das private Grundeigentum beeinträchtigt. Die Gefahrenabwehr dient daher auch dem Schutz eines subjektiven Rechtsgutes. Das Gefahrenabwehrrecht dient der Abwehr von Gefahren oder – wenn diese sich bereits verwirklicht haben – der Beseitigung von Störungen bzw. Schäden9. Eine Gefahr10 für den Boden oder für ein Gewässer besteht insbesondere dann, wenn ein Gefahrstoff (wie z. B. Öl oder eine Chemikalie) in das Erdreich oder in das Gewässer einzudringen droht. Aufgabe des Gefahrenabwehrrechts ist es, den Eintritt eines Schadens für das geschützte Rechtsgut zu verhindern. Ist der Schaden hingegen bereits eingetreten, weil z. B. ausgelaufenes Öl in das Erdreich eingedrungen ist und dort bereits Bodenfunktionen beeinträchtigt hat, so tritt die Schadenbeseitigung an die Stelle der Gefahrenabwehr im engeren Sinne. Nachfolgend werden die Begriffe „Gefahrenabwehr“ und „Gefahrenabwehrrecht“ allerdings im weiteren Sinne verwendet. Sie schließen auch die Schadenbeseitigung ein.

B. Gefahrenabwehr im öffentlichen Interesse I. Öffentlicher Zweck der Gefahrenabwehr Die Gefahrenabwehr erfolgt stets im öffentlichen Interesse. Dies gilt auch dann, wenn sie dem Schutz subjektiver Rechtsgüter dient.11 Ordnet die zustän___________ 7

Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 1 Rn. 4. Hingegen ist das Grundwasser nach dem sog. Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts dem privaten Eigentum entzogen und einer öffentlichrechtlichen Bewirtschaftung unterstellt; vgl. BVerfGE 58, 300 (328). 9 In den Polizeigesetzen der Länder sowie im Schrifttum werden die Begriffe „Störung“ und „Schaden“ als Synonyme verwendet; vgl. nur § 1 Abs. 1 S. 1 BWPolG (Störung) und § 2 Ziff. 1 lit. a) NGefAG (Schaden). 10 Vgl. nur § 2 Ziff. 1 lit. a) NGefAG. Dort wird eine Gefahr definiert als „eine konkrete Gefahr, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird“. 11 Gusy, DVBl. 1996, 722; Sailer, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., M., Rn. 8. 8

1. Kap.: Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

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dige Behörde12 an, daß von einem zu Wohnzwecken genutzten Grundstück der kontaminierte Boden abzutragen ist, um Gesundheitsgefahren für dessen Bewohner abzuwehren, so bezweckt die Anordnung den Schutz der Bewohner. Da die öffentliche Sicherheit den Schutz individueller Rechte einschließt, wird die Behörde allein im öffentlichen Interesse tätig.13 Das Tätigwerden im öffentlichen Interesse zeigt sich besonders deutlich, wenn das öffentliche Interesse und der Wille oder das Interesse des privaten Rechtsinhabers voneinander abweichen. So kann die Behörde im Beispielsfall die Abtragung des kontaminierten Erdreichs auch gegen den Willen der Bewohner anordnen und vollstrecken, um sie vor Gesundheitsgefahren zu schützen.

II. Konsequenzen des öffentlichen Zwecks der Gefahrenabwehr für die Verteilung der Aufgaben- und der Kostenlast Erfolgt die Gefahrenabwehr aber im öffentlichen Interesse, so muß die Behörde die Gefahr im Regelfall selbst abwehren und aus den allgemeinen Dekkungsmitteln des Staates finanzieren.14 Da die öffentliche Sicherheit als öffentliches Gut15 allen gleichermaßen zur Verfügung steht, hat grundsätzlich die Allgemeinheit über die zu entrichtenden Steuern für die Kosten der Gefahrenabwehr aufzukommen. Die Behörde trägt somit grundsätzlich die Aufgabenund Kostenlast. Aus dem öffentlichen Zweck der Gefahrenabwehr folgt jedoch nicht, daß die Behörde die Gefahr ausnahmslos selber abwehren muß. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Behörde einen Dritten zur Gefahrenabwehr verpflichten. Der öffentliche Zweck der Gefahrenabwehr und das allgemeine Willkürverbot16 verbieten es allerdings, die Aufgaben- und Kostenlast willkürlich einem Bürger aufzuerlegen.17 Eine Inanspruchnahme Dritter kommt in zwei Fällen in Betracht. So kann die Behörde stets einen Störer18 zur Gefahrenabwehr heranziehen. Kommt die ___________ 12 Auf Zuständigkeitsfragen wird in dieser Untersuchung nicht eingegangen. Der Begriff der „Behörde“ wird auch in den Fällen gebraucht, in denen die Polizei zuständig ist. 13 Gusy, DVBl. 1996, 722; Sailer, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., M., Rn. 8. 14 Ebendort. 15 Gusy, DVBl. 1996, 722. 16 Vgl. die eingehende Darstellung unter 8. Kap. E. V. 17 Vgl. Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 114; Ritgen, GewArch 1998, 393 (396); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 167 f. 18 Auf den Störerbegriff wird sogleich unter C. I. 2. einzugehen sein.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Verpflichtung eines Störers nicht in Betracht und kann die Behörde die Gefahr weder selbst noch durch einen Beauftragten rechtzeitig abwehren, so kann sie unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes19 einen Nichtstörer zur Gefahrenabwehr in Anspruch nehmen.

C. Aufgaben des Störerrechts Aufgabe des Störerrechts ist es in erster Linie, Kriterien zur Verfügung zu stellen, die eine Abgrenzung des Störers von der Allgemeinheit, und damit von der Gesamtheit der Nichtstörer, ermöglichen. Bei dieser Abgrenzung geht es darum, aus der Gesamtheit aller natürlichen und juristischen Personen sowie teilrechtsfähigen Personenvereinigungen diejenigen herauszufiltern, welche der Gefahr näher stehen als die Allgemeinheit.20

I. Unterscheidung zwischen Störern und Nichtstörern 1. Der Nichtstörer als Teil der Allgemeinheit Von dem Störer unterscheidet sich der Nichtstörer dadurch, daß ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden kann.21 Anders als der Störer ist der Nichtstörer Teil der Allgemeinheit, weil er der Gefahr nicht näher steht als jeder beliebige Bürger.22 Er wird nicht deshalb zur Gefahrenabwehr verpflichtet, weil er wie der Störer für die Gefahr verantwortlich ist, sondern weil seine Inanspruchnahme aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls aus übergeordneten Gemeinwohlinteressen geboten ist. Ein Nichtstörer kann nach § 6 Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (MEPolG) nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Ein polizeilicher Notstand liegt vor, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr weder durch die Heranziehung eines Störers noch durch die Behörde oder einen von ihr Beauftragten rechtzeitig abgewehrt werden kann. Selbst im polizeilichen Notstand treten die Belange des Nichtstörers nur dann hinter das Ge___________ 19

Vgl. nur § 8 Abs. 1 NGefAG sowie die nachfolgenden Ausführungen. OVG Koblenz, DVBl. 1998, 103 (104). 21 Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 92. 22 Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wird in der Untersuchung nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen sowie teilrechtsfähigen Personenvereinigungen unterschieden. 20

1. Kap.: Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

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meinwohlinteresse zurück, wenn seine Heranziehung verhältnismäßig ist. Dies wiederum setzt zweierlei voraus. Zum einen muß die Inanspruchnahme dem Nichtstörer persönlich zumutbar sein.23 Sie darf für den Nichtstörer nicht mit einer erheblichen eigenen Gefährdung oder mit einer Verletzung höherwertiger Pflichten verbunden sein.24 Zum anderen muß dem Nichtstörer gemäß § 45 MEPolG25 ein angemessener Ausgleich für den ihm entstandenen Schaden gewährt werden. Da dem Nichtstörer die Gefahr nicht zugerechnet werden kann, erbringt er ein Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit. 26 Ein Sonderopfer kann ihm jedoch nur gegen Aufopferungsentschädigung rechtmäßig auferlegt werden.27

2. Störerschaft kraft Zurechnung der Gefahr Demgegenüber erbringt der Störer mit der Gefahrenabwehr kein Sonderopfer für die Allgemeinheit, weil er sich die Gefahr zurechnen lassen muß – oder anders ausgedrückt – weil er für sie verantwortlich ist.28 Nach herkömmlichem Verständnis wird der Störer vielmehr durch das Störerrecht in die Schranken seiner Grundrechtsausübung verwiesen.29 Im Unterschied zum Nichtstörer hat der Störer die Gefahr regelmäßig auf eigene Kosten abzuwehren. In der älteren Rechtsprechung und in der frühen Verwaltungsrechtslehre wurde die Entschädigungslosigkeit des Störers „zum eisernen Bestand des deutschen Verwaltungsrechts“30 gezählt.31 Daß der Störer ___________ 23 Eingehend hierzu Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 332 ff. 24 Vgl. nur § 8 Abs. 1 Ziff. 4 NGefAG. 25 § 45 MEPolG geht auf § 75 Einl. Pr. ALR sowie auf § 70 Pr. PVG zurück. § 45 Abs. 1 S. 1 MEPolG lautet: „Erleidet jemand infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 6 einen Schaden, ist ihm ein angemessener Ausgleich zu gewähren“. Die Landespolizeigesetze enthalten inhaltsgleiche Regelungen. 26 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 293 und S. 649 ff.; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl., 1978, S. 73; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 429; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 148. 27 So bereits §§ 74 f. Einl. Pr. ALR; vgl. nunmehr § 45 MEPolG. 28 Hurst, AöR 83 (1958), 43 (45 ff.); Quaritsch, DVBl. 1959, 455 ff.; Papier, DVBl. 1975, 567 ff.; Scholler/Broß, DÖV 1976, 472; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 172 (202); Niemuth, DÖV 1988, 291 (295); Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 58 ff.; Spilok, Bodenschutzgesetz BadenWürttemberg, 1992, § 10 Rn. 3; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, 1996, S. 149. 29 Ebendort. 30 Quaritsch, DVBl. 1959, 455.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

die gesamten Kosten der Gefahrenabwehr zu tragen hat, galt damit als selbstverständlich. Zum Teil wird auch heute noch die Ansicht vertreten, der Störer unterscheide sich durch die endgültige Kostentragungspflicht vom Nichtstörer. Das gemeine Recht übernahm die endgültige Kostentragungspflicht des Störers aus dem italienischen Rechtskreis, in dem sie zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert entwickelt worden war.32 Auch heute noch gilt der Grundsatz der Entschädigungslosigkeit des Störers. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht mehr ausnahmslos.33 So sehen z. B. die §§ 49, 57 BSeuchenG, § 66 Ziff. 1 TierseuchenG und § 51 Abs. 1 S. 2 GewO Entschädigungsansprüche des Störers gegen die öffentliche Hand vor. Diese Ausnahmen sind rechtspolitisch motiviert. Der Gesetzgeber hat bei Tierseuchen eine Entschädigung des Eigentümers der zu tötenden Tiere zum einen aus Gerechtigkeitserwägungen eingeführt.34 Zum anderen dient die Entschädigung als Anreiz, Seuchenfälle umgehend zu melden und damit die Gefahrenabwehr zu erleichtern. Diese Ausnahmefälle zeigen, daß die endgültige Kostentragungspflicht des Störers kein Charakteristikum der polizeilichen Verantwortlichkeit ist. Es steht vielmehr im Ermessen des Gesetzgebers, auch für Störer Entschädigungsregelungen zu treffen oder ihn von der Kostentragung freizustellen. Hierauf wird im Zusammenhang mit der Lösung der Opferfälle noch einzugehen sein.35 Der Störer unterscheidet sich folglich allein dadurch vom Nichtstörer, daß ihm die Gefahr zugerechnet werden kann. Regelmäßig ist mit der Zurechnung eine Zuweisung der Aufgaben- und Kostenlast verbunden. Da die Sanierung kontaminierter Böden meist mit hohen Kosten verbunden ist, hat die Zurechnung für den Störer erhebliche wirtschaftliche Folgen. Dementsprechend ist die Zurechnung mit einem erheblichen Grundrechtseingriff36 verbunden. Die Zurechnung muß daher selbst verfassungskonform sein. Insbesondere darf sie nicht willkürlich sein.37 Angesichts der Opferfälle38 bestehen bei der Zustandsverantwortlichkeit allerdings Zweifel, ___________ 31 So bereits OAG Cassel, Neue Sammlung bemerkenswerter Entscheidungen des Ober-Appellationsgerichts zu Cassel, 3. Theil, 2. Abt. (1845), S. 132 (134); Preußisches Oberverwaltungsgericht, Pr. OVGE 8, 327 (329 ff.); Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl., 1924 (unveränderter Neudruck 1961), S. 222, Fn. 16; Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, 1933, S. 41 f. 32 Stödter, ebendort, S. 41. 33 Scholler/Broß, DÖV 1976, 472; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 673. 34 Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, Diss. Tübingen, 1983, S. 11. 35 Vgl. die Darstellung unter Kapitel 8. 36 Vgl. hierzu unter Kapitel 6. 37 Hierauf wird unter 8. Kap. E. V. noch ausführlich eingegangen. 38 Vgl. unter 4. Kap.

1. Kap.: Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

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ob die von der herrschenden Meinung zugrunde gelegten Zurechnungskriterien verfassungskonform sind.

II. Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen Das Störerrecht trifft jedoch nicht nur eine Entscheidung über die Person des zur Gefahrenabwehr Verpflichteten, sondern auch über den Inhalt seiner Pflicht. So heißt es beispielsweise in § 7 Abs. 1 S. 1 NGefAG: Geht von einem Tier oder einer Sache eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen diejenige Person zu richten, die die tatsächliche Gewalt innehat.

Je nach Einzelfall kann der Störer zu unterschiedlichen Maßnahmen verpflichtet werden. Bei der Verpflichtung zur Durchführung von Gefahrenabwehrmaßnahmen spricht man von der sog. Primärebene der Gefahrenabwehr. 39 Die Behörde kann den Störer zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen heranziehen. So kann die Behörde dem Störer auferlegen, das kontaminierte Erdreich auf seinem Grundstück bis zu einer bestimmten Tiefe abzutragen. Die Behörde kann den Störer statt dessen verpflichten, Abwehrmaßnahmen der Behörde, eines von ihr Beauftragten oder eines anderen Störers zu dulden. Schließlich kann die Behörde dem Störer die Vornahme bestimmter Handlungen untersagen. Gehen von einem kontaminierten Wohngrundstück Gefahren für die Gesundheit seiner Bewohner aus, so wird sie den Bewohnern bis zur Abwehr der Gefahr das Betreten des Grundstücks untersagen. Welche konkrete Maßnahmen die Behörde im Einzelfall anordnen kann, ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Ermächtigungsnorm und Verhältnismäßigkeitsprinzip. Das herkömmliche Störerrecht sieht alle Maßnahmen der Gefahrenabwehr als gleichwertig an und differenziert nicht nach der unterschiedlichen Intensität des Grundrechtseingriffs bei der Anordnung eines Tuns, Duldens oder Unterlassens. So stellt es das Tun dem Dulden gleich, obwohl die Vornahme von Gefahrenabwehrmaßnahmen notwendigerweise mit einem größeren Eingriff – und insbesondere mit einem größeren Kostenaufwand – verbunden ist als die Duldung derselben Maßnahme. Diese fehlende Differenzierung erschwert eine sachgerechte Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit. Unter Umständen kann sich nämlich wegen der unterschiedlichen Eingriffsintensität die Auferlegung einer Duldungspflicht noch als verfassungsgemäß, die Auferlegung einer Handlungspflicht hingegen als verfassungswidrig erweisen.

___________ 39 Zu dieser Terminologie vgl. Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 54 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105 ff.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

III. Verpflichtung zur Kostentragung Das Störerrecht bestimmt nicht allein, welche Person die Behörde zu einer Gefahrenabwehrmaßnahme verpflichten kann, sondern – von seltenen Ausnahmefällen40 abgesehen – auch, wer die damit verbundenen Kosten zu tragen hat. Der Störer hat die angeordnete Maßnahme auf eigene Kosten durchzuführen. Weigert sich der Störer, der Ordnungsverfügung Folge zu leisten, so kann die Behörde die Maßnahme, soweit es um eine vertretbare Handlung geht, im Wege der Ersatzvornahme selbst oder durch einen Beauftragten ausführen und von dem Störer die Kosten erstattet verlangen.41 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Störer der Behörde die Kosten zu erstatten hat, weil er sie ohnehin hätte tragen müssen, wenn er der Ordnungsverfügung pflichtgemäß nachgekommen wäre. Der Störer soll aus der Nichtbefolgung der Anordnung keinen finanziellen Vorteil ziehen und sich besser stehen als ein gesetzestreuer Störer.42 Die Behörde kann die Gefahr in Eilfällen auch ohne den vorherigen Erlaß eines Grundverwaltungsaktes abwehren. Je nach Bundesland kann sie die Gefahrenabwehrmaßnahme entweder unmittelbar ausführen oder die Ersatzvornahme sofort vollziehen.43 In beiden Fällen kann die Behörde die Kosten der Maßnahme von dem Störer ersetzt verlangen, weil die Behörde anstelle des Störers tätig geworden ist.44 Bei den Kostenerstattungsansprüchen der öffentlichen Hand gegen den Störer ist von der sog. Sekundärebene45 der Gefahrenabwehr die Rede. Die Landespolizeigesetze messen der Kostenverteilung nur eine untergeordnete Bedeutung bei, obwohl diese für den Bürger im Vordergrund steht, zumal bei der besonders kostspieligen Sanierung kontaminierter Böden.46 Zentrale Aufgabe der Landespolizeigesetze ist die Gefahrenabwehr. Nach herkömmli-

___________ 40 Vgl. §§ 49, 57 BSeuchenG, § 66 Ziff. 1 TierseuchenG und § 51 Abs. 1 S. 2 GewO sowie die obige Darstellung unter I. 2. 41 Vgl. nur § 66 Abs. 1 NGefAG. 42 Vgl. nur Gusy, DVBl. 1996, 722 (723). 43 Zur Unterscheidung zwischen der unmittelbaren Ausführung und dem Sofortvollzug der Ersatzvornahme vgl. nur Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 416 ff. 44 Soweit in einzelnen Landespolizeigesetzen eine Regelung der Kostenpflicht des Störers bei unmittelbarer Ausführung fehlt, wird die Kostentragungspflicht damit begründet, daß die Behörde eine Maßnahme ergriffen habe, zu deren Ausführung der Störer aufgrund seiner materiellen Polizeipflicht verpflichtet gewesen sei. 45 Zu dieser Terminologie vgl. Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 54 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105 ff. 46 Zustimmend Kloepfer, NuR 1987, 7 (21); Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, Fn. 7; Knopp, NVwZ 1991, 42 (45 f.).

1. Kap.: Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

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chem Verständnis ist die Kostentragung lediglich ein Surrogat47 oder ein Annex48 der Gefahrenabwehrpflicht. Dies bedeutet, daß die Pflicht zur Kostenerstattung durch die Nichterfüllung der Gefahrenabwehrpflicht bedingt ist. Die Ansprüche der Behörde gegen den Störer auf Kostenerstattung49 sind je nach Bundesland in den Polizeigesetzen, in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen oder in den Verwaltungskostengesetzen geregelt. Auch für die Kostenerstattung bei Maßnahmen nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz muß die Behörde weiterhin auf diese landesrechtlichen Kostenregelungen zurückgreifen. Das Bundes-Bodenschutzgesetz enthält aus kompetenzrechtlichen Gründen keine Ermächtigungsgrundlage zur Geltendmachung der Kosten.50

IV. Bestimmung des Umfangs der Aufgaben- und der Kostenlast Das Störerrecht legt nicht nur fest, daß eine bestimmte Person eine ihr durch Ordnungsverfügung aufgegebene Maßnahme auf eigene Kosten auszuführen hat. Im Zusammenspiel mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bestimmt es zudem, in welchem Umfang ein Störer zur Gefahrenabwehr und zur Kostentragung verpflichtet ist.51 So ist es z. B. Aufgabe des Störerrechts zu regeln, ob – wenn mehrere Personen eine Gefahr verursacht haben – jeder Verursacher zur Abwehr der gesamten Gefahr verpflichtet ist oder ob jeder Verursacher nur in Höhe seines Verursachungsanteils zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist. Darüber hinaus hat das Störerrecht darüber zu entscheiden, ob jeder Zustandsstörer verpflichtet ist, sein gesamtes Vermögen für die Abwehr der Gefahr einzusetzen oder ob seine Aufgaben- und Kostenlast begrenzt ist. Das Störerrecht gibt schließlich Auskunft, ob der Zustandsverantwortliche lediglich verpflichtet ist, die von seiner Sache ausgehende Gefahr abzuwehren, d.h. die Gefahrenquelle zu beseitigen, oder ob er darüber hinaus auch die an ___________ 47 VGH München, NVwZ-RR 1989, 299; Selmer, in: Selmer/Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Martens, 1987, 483 (492); Nikolaus Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, 1989, S. 92; Brandner, Gefahrerkennbarkeit und polizeirechtliche Verhaltensverantwortlichkeit, 1990, S. 40. 48 BVerwGE 10, 282 (285). 49 Insoweit handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Geldleistungsanspruch eigener Art und nicht um Abgaben oder Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 VwGO; vgl. Mertens, Die Kostentragung bei der Ersatzvornahme, 1976, S. 63; Götz, DVBl. 1984, 14 (14 f.). 50 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 8 ff. 51 Vgl. hierzu insbesondere den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000, BVerfGE 102, 1 ff., auf den unter 8. Kap. D. II. noch ausführlich einzugehen sein wird.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

einer anderen Sache eingetretenen Störungsfolgen zu beseitigen hat. Große praktische Bedeutung erlangt diese Frage bei Verunreinigungen, die von einem Grundstück – über den Boden oder über das Grundwasser – auf ein Nachbargrundstück übergreifen.52

V. Störerauswahl bei einer Mehrheit von Störern Da häufig mehrere Personen für eine Gefahr verantwortlich sind und es regelmäßig unzweckmäßig wäre, sämtliche Störer gemeinsam zur Gefahrenabwehr zu verpflichten, muß das Störerrecht der Behörde Kriterien für die Auswahl des vorrangig in Anspruch zu nehmenden Störers an die Hand geben. 53 Die Störerauswahl54 gestaltet sich schwierig, wenn das Interesse der Behörde an der Heranziehung eines leistungsfähigen55 Störers mit dem Gebot der gerechten Lastenverteilung56 in Konflikt gerät. Dies ist der Fall, wenn derjenige Störer, der in besonderer Weise zur Gefahrenabwehr und zur Kostentragung in der Lage ist (z. B. der Zustandsstörer), der Gefahr weniger nahe steht als ein anderer Störer (z. B. der Verhaltenstörer).57 Nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung sind die Belastungen so zu verteilen, daß jeder die Last trägt, die er gerechterweise zu tragen hat. 58 Hierbei geht es sowohl um eine gerechte Lastenverteilung im Verhältnis der Störer untereinander als auch im Verhältnis jedes einzelnen Störers zur Allgemeinheit.59 Aufgabe des Störerrechts ist es, für ___________ 52 Vgl. Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 ff.; Kniesel, BB 1997, 2009 (2100); Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 41 ff. sowie die Darstellung unter 5. Kap. C. III. 53 Hurst , AöR 83 (1958), 43 (45 f.); Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (202); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (458); Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 58 ff.; Oerder, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstage (Hrsg.), Dokumentation zum 10. Deutschen Verwaltungsgerichtstag, 105 (119); Schoch, JuS 1994, 849; Knies, BB 1997, 2010. 54 Vgl. die eingehende Darstellung unter 11. Kap. D. 55 Zur Leistungsfähigkeit vgl. nur OVG Münster, DVBl. 1973, 928; Kormann, UPR 1983, 787 (789); Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (47). 56 Vgl. nur Spannowsky, UPR 1988, 376; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, 1995, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f. Auf das Gebot der gerechten Lastenverteilung wird unter 4. Kap. D. noch näher eingegangen. 57 Hierauf wird unter 4. Kap. E. noch näher einzugehen sein. 58 Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 114. 59 OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16.

1. Kap.: Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

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einen Ausgleich zwischen dem Effektivitätsgebot und dem Gebot der gerechten Lastenverteilung zu sorgen.60

VI. Störerausgleich bei einer Mehrheit von Störern Nimmt die Behörde bei einer Mehrheit von Störern einen Störer zur Gefahrenabwehr in Anspruch und führt dieser die angeordnete Maßnahme auf eigene Kosten durch, so leistet er im Außenverhältnis häufig mehr, als er im Innenverhältnis zu den anderen Störern verpflichtet ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Zustandsstörer aufgrund seiner größeren finanziellen Leistungsfähigkeit anstelle eines Verhaltensstörers zur Gefahrenabwehr herangezogen wird. Dem in Anspruch genommenen Störer muß daher unter Umständen ein Ausgleichsanspruch61 gegen die anderen Störer zustehen.62 Das Störerrecht hat Auskunft darüber zu geben, nach welchen Kriterien die Lastenverteilung unter den Störern zu erfolgen hat. Der störerinterne Ausgleich wird auch als Tertiärebene63 der Gefahrenabwehr bezeichnet.

D. Die rechtsstaatliche Bedeutung des Störerrechts Das Störerrecht macht die Inanspruchnahme eines Störers zur Gefahrenabwehr davon abhängig, daß ihm die Gefahr zugerechnet werden kann. Indem das Störerrecht die Inanspruchnahme eines Bürgers zur Gefahrenabwehr rechtsstaatlichen Regeln unterwirft, verhindert es einen willkürlichen Eingriff in Grundrechte des Bürgers.64 Es bildet daher ein Kernstück rechtsstaatlichen ___________ 60

Vgl. nur Spannowsky, UPR 1988, 376; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f. 61 Vgl. nunmehr § 24 Abs. 2 BBodSchG. Hierzu eingehend 8. Kap. E. Einen Ausgleichsanspruch sahen bereits § 10 Abs. 3 S. 3 BWBodSchG; § 13 Abs. 3 S. 2 BremAGAbfG; § 12 Abs. 2 S. 4 HAltlastG, § 10 Abs. 5 S. 2 SächsEGAB und § 20 Abs. 1 S. 4 ThürAbfAltG vor. 62 So bereits vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes Kormann, UPR 1983, 281 (283); Schwabe, UPR 1983, 7 (10); Seibert, DÖV 1983, 964 (973 ff.); Spannowsky, UPR 1988, 376 (378); a.A. BGH, NJW 1981, 2457. 63 Zu dieser Terminologie vgl. Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 54 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105 ff. 64 Vgl. hierzu 8. Kap. E. V.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Gefahrenabwehrrechts.65 Das Störerrecht kann seiner rechtsstaatlichen Funktion jedoch nur gerecht werden, wenn es seinerseits verfassungsgemäß ist. Da jede Heranziehung als Störer in Grundrechte eingreift66, bedarf das Störerrecht der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.67 Dies gilt nicht nur für das Maß der Belastung und damit für die Verhältnismäßigkeitsprüfung, sondern in erster Linie für die Zulässigkeit der Belastung. Einem Eigentümer kann eine Gefahr nur zugerechnet werden, wenn hierfür ein Rechtsgrund besteht. 68 Anderenfalls ist die Auferlegung der Gefahrenabwehr- und Kostentragungspflicht willkürlich und der Eingriff in die Grundrechte des Eigentümers verfassungswidrig.

E. Die drei Arten gefahrenabwehrrechtlicher Verantwortlichkeit Das Polizeirecht kennt seit langem69 zwei Arten von Verantwortlichkeit: die Verhaltens- und die Zustandsverantwortlichkeit. Daneben hat sich im Besonderen Gefahrenabwehrrecht mit der Anlageninhaber- bzw. der Anlagenbetreiberhaftung in jüngerer Zeit eine weitere Verantwortlichkeit entwickelt.

___________ 65

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 190. Anders die früher herrschende Meinung, die einen Eingriff in die Eigentumsgarantie verneinte, weil nach ihrer Ansicht bei einer polizeiwidrigen Sache der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht eröffnet sei; vgl. Weber, NJW 1950, 401 ff.; Ipsen, VVDStRL 10 (1952), 74 (85 f.); Hurst, AöR 83 (1958), 43 (60); Quaritsch, DVBl. 1959, 455 (457). Sie geht davon aus, daß der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG durch das die Sozialbindung konkretisierende Störerrecht mitbestimmt werde. Nach heutigem Grundrechtsverständnis stellt das Störerrecht hingegen eine Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums dar; vgl. Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (206) m.w.N. Nach der heute herrschenden Meinung kommt dem Gemeinwohl kein absoluter Vorrang gegenüber der Privatnützigkeit zu; vgl. nur VGH Mannheim, DVBl. 1967, 385 (389); Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (301). 67 Vgl. nur Heintzen/Druschel, UTR 36 (1996), 361 (374); Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 24 sowie generell Brenner, DVBl. 1993, 291 (293). 68 Dem Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit widmet sich Kapitel 7. 69 Zur historischen Entwicklung des Störerrechts vgl. die ausführliche Darstellung unter 2. Kap. 66

1. Kap.: Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

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I. Verhaltensverantwortlichkeit Nach § 4 Abs. 1 MEPolG70 setzt die Verhaltensverantwortlichkeit voraus, daß eine Person durch ihr Verhalten eine Gefahr verursacht hat. Die Vorschrift lautet: Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen sie zu richten.

II. Zustandsverantwortlichkeit Die Zustandsverantwortlichkeit knüpft nach § 5 Abs. 1 MEPolG daran an, daß von einem Tier oder einer Sache eine Gefahr ausgeht. § 5 MEPolG71 hat folgenden Wortlaut: Geht von einer Sache eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Maßnahmen können auch gegen den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten gerichtet werden. Das gilt nicht, wenn der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese ohne den Willen des Eigentümers oder Berechtigten ausübt. Geht die Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, so können die Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.

III. Anlageninhaber- und Anlagenbetreiberhaftung Im Besonderen Gefahrenabwehrrecht wurde mit der Anlageninhaber- bzw. der Anlagenbetreiberhaftung eine dritte Störerkategorie entwickelt (vgl. nur § 36 Abs. 2 S. 1 KrW-/AbfG sowie § 5 Abs. 3 BImSchG). Diese enthält sowohl

___________ 70 Die Länder haben im wesentlichen inhaltsgleiche Regelungen getroffen; vgl. § 6 BWPolG, Art. 7 BayPAG, § 13 BlnASOG, § 16 BbgOBG, § 5 BremPolG, § 8 HmbSOG, § 6 HSOG, § 69 MVSOG, § 6 NGefAG, § 17 NRWOBG, § 4 NRWPolG, § 4 RhPfPOG, § 4 SaarlPolG, § 7 SASOG, § 4 SächsPolG, § 218 SHLVwG, § 10 ThürOBG und § 7 ThürPAG. 71 Vgl. auch § 7 BWPolG, Art. 8 BayPAG, § 17 BbgOBG, § 14 BlnASOG, § 6 BremPolG, § 9 HmbSOG, § 7 HSOG, § 70 MVSOG, § 7 NGefAG, § 18 NRWOBG, § 5 NRWPolG, § 5 RhPfPOG, § 5 SaarlPolG, § 8 SASOG, § 5 SächsPolG, § 219 SHLVwG, § 11 ThürOBG und § 8 ThürPAG.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Elemente der Verhaltens- als auch der Zustandsverantwortlichkeit.72 Der Anlageninhaber oder – was dasselbe73 ist – der Anlagenbetreiber ist für den Zustand einer Anlage verantwortlich, weil er die Verfügungsgewalt über die Anlage innehat und die Betriebsführung wahrnimmt.74 Da er für Gefahren verantwortlich ist, die durch den Betrieb der Anlage – und damit durch ein ihm zurechenbares Verhalten – hervorgerufen werden, dominieren die Elemente der Verhaltensverantwortlichkeit. Auf die Anlageninhaber- oder Anlagenbetreiberhaftung wird daher nicht weiter eingegangen.

F. Zusammenfassung Ordnet die Behörde die Abwehr oder die Beseitigung von Boden- oder Gewässerkontaminationen an, so erfolgt dies stets im öffentlichen Interesse. Dies gilt auch dann, wenn hierdurch zugleich subjektive Rechtsgüter – wie z. B. die Gesundheit der Bewohner – geschützt werden. Wegen des öffentlichen Zwecks der Gefahrenabwehr hat die Behörde die Gefahr im Regelfall selbst abzuwehren und dies aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren. Die Behörde kann jedoch einen Bürger zur Gefahrenabwehr verpflichten. Dabei darf die Inanspruchnahme nicht willkürlich sein.75 Eine Heranziehung als Störer ist nur dann nicht willkürlich, wenn ihm die Gefahr zugerechnet werden kann. Ist eine Zurechnung nicht möglich, so kommt nur eine Inanspruchnahme als Nichtstörer in Betracht. Hierfür müssen die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vorliegen. Die Maßnahme muß dem Nichtstörer zudem zumutbar sein. Dem Nichtstörer ist eine Aufopferungsentschädigung zu gewähren, weil er im Gemeinwohlinteresse ein Sonderopfer bringt. Wesentliche Aufgabe des Störerrechts ist es, den Störer vom Nichtstörer und damit von der Allgemeinheit abzugrenzen. Einziges Abgrenzungskriterium ist, daß dem Störer die Gefahr zugerechnet werden kann, dem Nichtstörer jedoch nicht. ___________ 72 So Fluck, BB 1991, 1797 (1800); Sellner, NVwZ, 1991, 305 (309); Hansmann, NVwZ 1993, 921 (923); Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 3. Aufl., 1995, § 5 Rn. 95 sowie Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, 1997, S. 162. 73 Vgl. nur BVerwG, Buchholz 451.221 Nr. 2 zu § 36 KrW-/AbfG; VGH München, UPR 2003, 236. 74 VGH München, NVwZ 1998, 1195; UPR 2003, 236; OVG Weimar, NuR 2002, 172. 75 Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (65); Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 189.

1. Kap.: Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr

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Das Störerrecht entscheidet mit der Zuweisung der Aufgabenlast zugleich über die Verteilung der Kostenlast, weil der Störer verpflichtet ist, die Gefahr auf eigene Kosten abzuwehren.76 Er hat hierbei nach herkömmlichem Verständnis notfalls sein nahezu gesamtes Vermögen einzusetzen.77 Sind mehre Störer vorhanden, so gibt das Störerrecht der Behörde Kriterien für eine Auswahl unter den Störern an die Hand. Hierbei kommt es häufig zu einem Konflikt, weil der leistungsfähigste Störer nicht notwendigerweise derjenige Störer ist, der nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung letztverantwortlich ist. Wird ein anderer als der letztverantwortliche Störer zur Gefahrenabwehr herangezogen, so stehen ihm Ausgleichsansprüche gegen die anderen Störer zu. Für die endgültige Lastenverteilung unter den Störern kommt es auf die Nähe zur Gefahr an.

___________ 76 Wie dargelegt, hat der Gesetzgeber jedoch in Sonderfällen eine Entschädigung des Störers vorgesehen, z. B. in §§ 49, 57 BSeuchenG, § 66 Ziff. 1 TierseuchenG und § 51 Abs. 1 S. 2 GewO. 77 Grenzen ergeben sich hier jedoch aus der Eigentumsgarantie, dem Sozialstaatsgebot und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip; vgl. BVerfGE 102, 1 (21).

2. Kapitel

Die historische Entwicklung des Störerrechts Das geltende Störerrecht hat sich im Laufe der letzten 150 Jahre entwickelt. Da es nur aus seiner historischen Entwicklung heraus verständlich ist, soll diese im folgenden nachgezeichnet werden. Zugleich soll nachgewiesen werden, daß die Opferfälle Folge des historisch geprägten Verständnisses vom Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit sind. Beye1 kritisierte bereits 1969 zu Recht, daß der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und von der frühen Verwaltungslehre entwickelte Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit niemals ernsthaft hinterfragt worden sei. Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 enthielt noch keine Störerregelungen. Die polizeiliche Generalklausel des § 10 II 17 Pr. ALR ermächtigte die Polizei zwar, „die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publiko oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen“. Erst 137 Jahre nach Inkrafttreten des Preußischen Allgemeinen Landrechts wurde mit dem Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz vom 1.6.1931 (vgl. §§ 18 ff. Pr. PVG) jedoch erstmals in Deutschland ein Störerrecht kodifiziert. Das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz griff allerdings auf maßgebende Vorarbeiten des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und anderer Verwaltungsgerichtshöfe und Oberverwaltungsgerichte sowie der Verwaltungsrechtslehre des frühen 20. Jahrhunderts zurück.2 Das geltende Störerrecht führt diese Tradition weitgehend unverändert fort.3 Im folgenden wird neben der Zustandsverantwortlichkeit auch auf die historische Entwicklung der Verhaltensverantwortlichkeit eingegangen, weil sich hieraus nützliche Rückschlüsse auf die maßgebenden Zurechnungskriterien ziehen lassen.

___________ 1

Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, Diss. Mainz, S. 42. Für die Polizeirechtsentwicklung bedeutsam waren ferner die Polizeistrafgesetzbücher Bayerns (1861), Badens (1863) und Württembergs (1871). 3 Zustimmend Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293. 2

2. Kap.: Die historische Entwicklung des Störerrechts

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A. Das Störerrecht in der Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals Das Preußische Obertribunal vertrat noch die Ansicht, die Polizei könne allein den Verursacher der Gefahr zu Abwehrmaßnahmen verpflichten. In einer Entscheidung aus dem Jahre 18604 verneinte es dementsprechend eine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers, der die Gefahr nicht verursacht habe.

B. Das Störerrecht in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Demgegenüber erkannte das Preußische Oberverwaltungsgericht von Anfang an neben der Verhaltens- als auch eine Zustandsverantwortlichkeit an.

I. Verhaltensverantwortlichkeit Das Preußische Oberverwaltungsgericht sah seit jeher den Verursacher einer Gefahr als polizeipflichtig an.5 Es bezeichnete den Verursacher als den Urheber des polizeiwidrigen Zustandes. Allerdings waren die zur Bestimmung der Urheberschaft herangezogenen Kriterien in der frühen Rechtsprechung noch vage und uneinheitlich. Sie nahmen erst im Laufe der Zeit feste Konturen an.6 Das Preußische Oberverwaltungsgericht hatte in frühen Entscheidungen darüber zu befinden, ob die Verhaltensverantwortlichkeit eine reine Erfolgs- oder eine Verschuldenshaftung ist. In einer Entscheidung aus dem Jahre 18997 sprach es sich dafür aus, daß auch derjenige verhaltensverantwortlich sei, der den polizeiwidrigen Zustand unverschuldet herbeigeführt habe. Demgegenüber vertrat das Preußische Oberverwaltungsgericht8 in einer Entscheidung aus dem Jahre 1903 die Ansicht, der Urheber müsse den polizeiwidrigen Zustand schuldhaft herbeigeführt haben. In dieser Entscheidung verneinte es die Verhaltensverantwortlichkeit eines Bergungsunternehmens, weil dieses kein Verschulden daran treffe, daß das gesunkene und von ihm zunächst geborgene ___________ 4

Entscheidungen des Preußischen Obertribunals, Band 43, 15. Pr. VBl. 16, 350; 18, 317 sowie Pr. OVGE 28, 274; 34, 434 (437). 6 Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, 1974, S. 18. 7 Pr. OVGE 34, 436 (438). 8 Pr. OVGE 44, 418. 5

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Schiff wegen dichten Nebels erneut auf Grund gelaufen sei. Später sprach sich das Preußische Oberverwaltungsgericht9 allerdings in ständiger Rechtsprechung für eine reine Erfolgshaftung aus. Schwierigkeiten bereitete ferner die Frage, wer Verursacher der Gefahr ist, wenn die Gefahr – wie im Regelfall – auf einer Vielzahl von Ursachen beruht. Das Preußische Oberverwaltungsgericht10 sprach sich für die von Jellinek11 entwickelte und an anderer Stelle12 noch näher darzustellende Theorie der unmittelbaren Verursachung aus. Danach ist derjenige Verursacher, der die letzte Ursache für die Entstehung der Gefahr gesetzt hat. Das Preußische Oberverwaltungsgericht erkannte allerdings in den Fällen der Zweckveranlassung eine Ausnahme von der Theorie der unmittelbaren Verursachung an. In diesen Fällen sprach sich das Gericht dafür aus, daß neben dem unmittelbaren Verursacher auch derjenige Verhaltensstörer sei, der das Verhalten des unmittelbaren Verursachers bezweckt habe. 13 Die Behörde könne daher nicht nur die Passanten, die in großer Zahl vor einem besonders attraktiv gestalteten Schaufenster verweilen und den Verkehr beeinträchtigen, zum Weitergehen auffordern, sondern auch den Kaufhausinhaber verpflichten, den „Zuschauermagnet“ zu entfernen. Der Kaufhausinhaber verursache die Verkehrsbeeinträchtigung zwar nicht unmittelbar. Da er mit der Gestaltung des Schaufensters jedoch die Bildung von Menschenansammlungen auf dem Gehsteig bezweckt habe, sei auch er polizeipflichtig.14

II. Zustandsverantwortlichkeit Anders als das Preußische Obertribunal15 sprach sich das Preußische Oberverwaltungsgericht für eine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers kraft seines Eigentums aus.

___________ 9

Pr. VBl. 36, 393; Pr. OVGE 67, 308; 94, 126. Zustimmend auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht, Jahrbuch des Sächsischen OVG 1, 204 ff; 14, 2 sowie das Thüringische Oberverwaltungsgericht, Jahrbuch des Thüringischen OVG 15, 146. 10 Pr. OVGE 31, 409; 78, 261; 80, 177; 82, 343; 89, 238 und 103, 139. 11 Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 305. 12 Zu verweisen ist auf 5. Kap. B. III. 13 Pr. OVGE 40, 216. 14 Ebendort. 15 Entscheidungen des Preußischen Obertribunals, Band 43, 15.

2. Kap.: Die historische Entwicklung des Störerrechts

71

1. Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit In seiner grundlegenden Entscheidung vom 10.11.188016 und nachfolgend in ständiger Rechtsprechung17 bejahte das Preußische Oberverwaltungsgericht eine unbeschränkte Verantwortlichkeit des Eigentümers für den polizeimäßigen Zustand seiner Sache „deshalb, weil er Eigenthümer des Grundstücks ist“.18 Jeden Eigentümer treffe die Pflicht, seine Sache in einem solchen Zustand zu erhalten, daß polizeilich zu schützende Interessen nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden. Befinde sich das Eigentum in einem polizeiwidrigen Zustand, so sei die Behörde berechtigt, den Eigentümer zur Wiederherstellung eines polizeimäßigen Zustandes anzuhalten. Das Preußische Oberverwaltungsgericht leitete die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers in seiner Entscheidung vom 10.11.188019 aus §§ 73, 74 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht (Einl. Pr. ALR) her. Diese hatten den folgenden Wortlaut: § 73 Ein jedes Mitglied des Staats ist, das Wohl und die Sicherheit des gemeinsamen Wesens, nach dem Verhaeltnisse seines Standes und Vermoegens zu unterstuetzen verpflichtet. § 74 Einzelne Rechte und Vortheile der Mitglieder des Staates muessen den Rechten und Pflichten zur Befoerderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch (Collision) eintritt, nachstehn.

Das Preußische Oberverwaltungsgericht begründete die Polizeipflicht des Eigentümers mit dessen tatsächlicher und rechtlicher Sachherrschaft, die es ihm ermögliche, den polizeiwidrigen Zustand seiner Sache zu beseitigen.20 Im Interesse des Gemeinwohls sei er daher verpflichtet, Gefahren, die von seiner Sache für die Allgemeinheit ausgehen, abzuwehren. In einer Entscheidung aus dem Jahre 188121 stützte das Preußische Oberverwaltungsgericht die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers ergänzend auf die baupolizeilichen Vorschriften der §§ 37 ff. I 8 Pr. ALR, die von einer Verantwortlichkeit des Eigentümers für sein Gebäude ausgehen. Die §§ 37 und 38 lauten: ___________ 16

Pr. OVGE 7, 348 (351 ff.). Pr. OVGE 8, 327 ff.; 10, 178 ff.; 12, 306 ff.; 13, 323 ff.; 18, 411 ff.; 36, 400 f.; 40, 391 ff.; 43, 383 ff.; 59, 269 ff.; 60, 309 ff.; 61, 280 ff.; 65, 369 ff.; 86, 258 ff. Vgl. auch Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, S. 40 ff. sowie Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 41 ff. 18 Pr. OVGE 7, 348 (351). 19 Ebendort. 20 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen Rechtsgrund der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft findet sich unter 7. Kap. A. II. 21 Pr. OVGE 8, 327 (330). 17

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht § 37 Dergleichen Gebäude muß der Eigenthümer, so weit es zur Erhaltung der Substanz und Verhütung alles Schadens und Nachtheils für das Publikum nothwendig ist, in baulichem Stande unterhalten. § 38 Vernachläßigt er diese Pflicht dergestalt, daß der Einsturz des ganzen Gebäudes, oder eine Gefahr für das Publikum zu besorgen ist, so muß die Obrigkeit ihn zur Veranstaltung der nothwendigen Reparatur, innerhalb der nach den Umständen zu bestimmenden billigen Frist, allenfalls durch Zwangsmittel anhalten.

2. Unabhängigkeit der Zustandsverantwortlichkeit von der Ursache der Gefahrentstehung Das Preußische Oberverwaltungsgericht sprach sich in ständiger Rechtsprechung22 dafür aus, daß der Eigentümer auch dann zustandsverantwortlich sei, wenn er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet habe. So sei der Eigentümer selbst dann zustandsverantwortlich, wenn die Gefahr „auf die Einwirkung eines Dritten oder auf einen Zufall zurückzuführen“ sei.23 Dies gelte selbst dann, wenn die Gefahr durch das rechtswidrige Verhalten eines Dritten verursacht worden sei. Die Polizei müsse sich in diesem Fall nicht an den Dritten wenden, sondern könne den Eigentümer zur Beseitigung der Gefahr verpflichten. Der Eigentümer könne dann bei dem Dritten Regreß nehmen. Damit gehen die Opferfälle, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen, auf das vom Preußischen Oberverwaltungsgericht geprägte weite Verständnis von der Zustandsverantwortlichkeit zurück, an dem auch die heute noch herrschende Meinung weiterhin festhält.

3. Die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft Das Preußische Oberverwaltungsgericht sah neben dem Eigentümer auch den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft als Zustandsstörer an, weil die Zustandsverantwortlichkeit aus der tatsächlichen oder der rechtlichen Herr___________ 22 Pr. OVGE 7, 348 (351); 36, 400 (401); 64, 476 (477); 87, 459 (461). In Pr. OVGE 30, 216 vertrat das Preußische Oberverwaltungsgesetz allerdings die Ansicht, daß der Eigentümer eines Felsgrundstücks nicht polizeipflichtig sei, wenn ein Felsblock abzustürzen drohe. Zu demselben Ergebnis gelangte der Württembergische Verwaltungsgerichtshof, Jahrbuch für württembergische Rechtspflege, Band 14, S. 114 in einem vergleichbaren Fall. 23 Pr. OVGE 7, 348 (351). Ebenso Pr. OVGE 36, 400 (401); 64, 476 (477); 87, 459 (461).

2. Kap.: Die historische Entwicklung des Störerrechts

73

schaft24 über die Sache folge. Es bejahte daher eine Zustandsverantwortlichkeit solcher Personen, die – wie der Nießbraucher, der Pächter oder der Verwalter – eine von dem Eigentümer abgeleitete Verfügungsgewalt über die Sache besitzen.25 Entscheidend sei, daß sie aufgrund ihrer tatsächlichen Sachherrschaft den polizeiwidrigen Zustand der Sache beseitigen können.

C. Das Störerrecht in der frühen Verwaltungsrechtslehre Die Verwaltungsrechtslehre des frühen 20. Jahrhunderts26 – namentlich Walter Jellinek27 – hat wesentliche Vorarbeiten für das heute geltende Störerrecht geleistet. Ihr gebührt das Verdienst, die wesentlichen Kriterien für eine Zurechnung der Gefahr entwickelt zu haben. Daneben bemühte sich die Wissenschaft um die Herausarbeitung des Rechtsgrundes der Verhaltens- und der Zustandsverantwortlichkeit.

I. Herleitung der polizeilichen Verantwortlichkeit Jellinek28 begründete die polizeiliche Verantwortlichkeit mit dem Gewaltverhältnis des Menschen über sich selbst und über seine Sachen. 29 So wie der Verhaltensstörer für sein Verhalten verantwortlich sei, weil er es beherrschen könne, sei auch der Eigentümer aufgrund seiner rechtlichen und tatsächlichen Sachherrschaft für den Zustand seiner Sachen verantwortlich. Wäre die Polizei völlig frei in ihrer Tätigkeit, so würde sie jeder Polizeiwidrigkeit dadurch vorbeugen, daß sie von Personen und Sachen Besitz ergriffe. Da sie dies aber nicht dürfe, müsse der Untertan innerhalb seiner Machtsphäre selbst dafür Sorge tragen, daß keine Polizeiwidrigkeit entstehe. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte Otto Mayer30. Mayer zufolge gehe die „Störung von demjenigen aus, dessen Lebenskreise sie entspringt“.31 Zu dem ___________ 24

Vgl. nur Pr. OVGE 8, 327 (331) sowie Pr. OVG, DJZ 1912, Sp. 638 f. Pr. OVG, DJZ 1912, Sp. 638 f. 26 Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 310 ff; derselbe, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 442 ff.; Wolzendorff, Der Polizeigedanke des modernen Staates, 1918, S. 191.; Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl., S. 221; Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 40. 27 Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 310 ff. sowie Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 442 ff. 28 Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 305. 29 Zustimmend Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 40. 30 Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl., S. 221. 25

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Lebenskreis einer Person rechnete er nicht nur das Verhalten der Person, sondern auch den Zustand ihrer Sachen. Wolzendorff32 begründete die Polizeipflichtigkeit hingegen mit der sozialen Verantwortlichkeit. Die Polizei könne die Beseitigung von Gefahren von demjenigen verlangen, von dem sie ausgehen, „sei es von seinem persönlichen Verhalten oder von seinem Eigentum, seinen Unternehmungen etc., wofür er sozial verantwortlich erscheint“. Drews33 zufolge überschreite derjenige, der einen polizeiwidrigen Zustand verursache oder Eigentümer einer polizeiwidrigen Sache sei, der Allgemeinheit gegenüber die Grenzen seiner Rechtssphäre. Die Polizei könne ihn daher in die Schranken seines Rechts zurückweisen.

II. Verhaltensverantwortlichkeit Das Schrifttum34 des frühen 20. Jahrhunderts war wie die auch heute noch ganz herrschende Meinung mehrheitlich der Ansicht, daß die Verhaltensverantwortlichkeit eine reine Erfolgshaftung sei. Die Behörde könne den Verursacher der Gefahr auch dann zur Gefahrenabwehr verpflichten, wenn diesen kein Verschulden an der Gefahrentstehung treffe. Die frühe Verwaltungsrechtslehre hat zudem einen wichtigen Beitrag bei der Bestimmung der polizeirelevanten Ursache aus einer Mehrzahl von Ursachen geleistet. Noch heute wendet die herrschende Meinung35 die auf Jellinek36 zu-

___________ 31

Ebendort. Der Polizeigedanke des modernen Staates, S. 191. 33 Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 40. 34 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl., S. 221; Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 41 f.; Drews/Lassar, Allgemeine und politische Polizei, in: von Brauchitsch (Hrsg.), Verwaltungsrecht für Preußen, Band 2.1, 1932, Anm. 2 zu § 19 Pr. PVG; a.A. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 312 ff.; derselbe, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 444; Stier-Somlo, Das Polizeiverwaltungsrecht, 1932, Anm. 1 zu § 19 PVG. Zum Teil geht auch Scholz-Forni, VerwArch 30 (1925), 11 ff. von einer Verschuldenshaftung aus. 35 OVG Münster, OVGE 5, 185; DVBl. 1964, 683; UPR 1984, 279; OVG Lüneburg, OVGE 14, 397; VGH Mannheim, VR 20, 426; VGH Kassel, MDR 1970, 791; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 313 m.w.N. 36 Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 310 f. und 317. 32

2. Kap.: Die historische Entwicklung des Störerrechts

75

rückgehende Theorie der unmittelbaren Verursachung an, auf die an anderer Stelle37 noch näher einzugehen sein wird.

III. Zustandsverantwortlichkeit 1. Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit Nach Auffassung des frühen Schrifttums sei die Zustandsverantwortlichkeit Ausfluß der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft über eine gefährliche Sache. 38 Unter einer gefährlichen Sache wurden zunächst nur Sachen verstanden, deren Gefährlichkeit aus ihrem Zustand herrührte (z. B. ein einsturzgefährdetes Haus). Drews39 wies 1927 als erster darauf hin, daß sich eine Gefahr auch aus der Lage der Sache im Raum ergeben könne. 40 So sei etwa ein Balken, der beim Transport von einem Wagen falle und einen öffentlichen Weg versperre, als solcher ungefährlich. Die Gefährlichkeit ergebe sich jedoch daraus, daß er auf dem Weg ein Verkehrshindernis darstelle.

2. Unabhängigkeit der Zustandsverantwortlichkeit von der Ursache der Gefahrentstehung Die frühe Verwaltungslehre41 sah den Eigentümer auch dann als zustandsverantwortlich an, wenn er die Gefahr nicht mitverursacht hat, weil die Zustandsverantwortlichkeit allein durch die Verfügungsgewalt über die gefährliche Sache begründet werde. Der Eigentümer sei daher selbst dann zur Gefahrenabwehr verpflichtet, wenn ein Dritter die Gefahr verursacht hat.42 In der frühen Verwaltungslehre war allerdings umstritten, ob der Eigentümer selbst

___________ 37

Vgl. die Darstellung unter 5. Kap. B. III. Ebendort, S. 309. 39 Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 45. 40 So die heute einhellige Meinung; vgl. nur Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (458); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., 1994, Rn. 256; Schoch, JuS 1994, 932 (936); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 141. 41 Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 312. Zustimmend Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 41 f. 42 Ebendort. 38

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

dann polizeipflichtig ist, wenn ein Naturereignis (wie z. B. ein Steinschlag) die Gefahr hervorruft. Die herrschende Lehre bejahte dies.43 Wie das Preußische Oberverwaltungsgericht ging die frühe Verwaltungslehre von einem weiten Verständnis der Zustandsverantwortlichkeit aus. Die Zustandsverantwortlichkeit war danach unmittelbare Folge des Eigentums oder der tatsächlichen Sachherrschaft. Die so verstandene rein sachbezogene Zurechnung unterscheidet sich wesentlich von der verhaltensbedingten und damit persönlichen Zurechnung der Gefahr bei der Verhaltensverantwortlichkeit. Die Opferfälle sind Folge dieses weiten Verständnisses von der Zustandsverantwortlichkeit, wie an anderer Stelle44 noch zu zeigen sein wird.

3. Folgen des Verlustes der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft Nach der Verwaltungsrechtslehre des frühen 20. Jahrhunderts endete die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Verlust des Eigentums, weil diese mit dem Verlust der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft verbunden ist. Veräußere der Eigentümer seine Sache, so gehe mit der tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft auch die Zustandsverantwortlichkeit von dem Veräußerer auf den Erwerber über.45 Jellinek46 sprach sich allerdings dafür aus, diesen Grundsatz bei der Eigentumsaufgabe zu durchbrechen. Da bei der Dereliktion kein neuer Eigentümer in die Zustandsverantwortlichkeit des Alteigentümers (Derelinquenten) eintrete, solle dieser auch über den Verlust seiner Sachherrschaft hinaus zustandsverantwortlich bleiben.

___________ 43

Ebendort. A.A. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl., S. 222 unter Berufung auf die Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, Pr. OVGE 30, 216 und des Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs, Jahrbuch für württembergische Rechtspflege Band 14, 114. 44 Vgl. hierzu unter 4. Kap. 45 Auf die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Verlust des Eigentums oder der tatsächlichen Sachherrschaft endet, wird unter 10. Kap. C. und 12. Kap. E. noch ausführlich eingegangen. 46 Ebendort. Zustimmend Drews/Lassar, Allgemeine und politische Polizei, in: von Brauchitsch (Hrsg.), Verwaltungsrecht für Preußen, Band 2.1, Anm. 2 zu § 20 Pr. PVG.

2. Kap.: Die historische Entwicklung des Störerrechts

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4. Der Kreis der Zustandsstörer Das Schrifttum47 sah neben dem Eigentümer auch alle anderen Personen, die eine tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft über die gefährliche Sache inne haben, als polizeipflichtig an. Hierzu gehören z. B. der Nießbraucher, der Pächter und der Verwalter.48 Keine Rolle spiele es, ob der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft die Sache rechtmäßig oder unrechtmäßig besitze.49

D. Das Störerrecht des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes Das Preußische Polizeiverwaltungsrecht vom 1.6.1931 enthielt in den §§ 18 ff. das erste kodifizierte Störerrecht in Deutschland.50 Dieses griff im wesentlichen auf die vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und von der früheren Verwaltungslehre entwickelten Grundsätze zurück.

I. Die Verhaltensverantwortlichkeit nach § 19 Pr. PVG § 19 Abs. 1 Pr. PVG berechtigte die Polizeibehörden, denjenigen zur Gefahrenabwehr heranziehen, der die Gefahr verursacht hat. Auf ein Verschulden kam es hierbei nicht an.51 Der Regelung ließ sich nicht entnehmen, wer als Verursacher anzusehen ist. Die herrschende Meinung52 nahm die Bestimmung des Verursachers anhand der Theorie der unmittelbaren Verursachung vor. Verursacher gemäß § 19 Abs. 1 Pr. PVG war demnach derjenige, der die letzte Ursache für die Entstehung der Gefahr gesetzt hat.

___________ 47

Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 308; Drews/Lassar, Allgemeine und politische Polizei, in: von Brauchitsch (Hrsg.), Verwaltungsrecht für Preußen, Band 2.1, Anm. 3 zu § 20 Pr. PVG; Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, Band 1, 1932; S. 248. 48 Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 308. 49 Ebendort, S. 307 f. 50 Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 2. Aufl., 1932, § 18 Rn. 1. 51 Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, Band 1, S. 236; Schäfer, Das Polizeiverwaltungsgesetz, 9. Aufl., 1941, S. 107; Scheer/Trubel, Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz, 6. Aufl., 1961, S. 51. 52 Ebendort.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

II. Die Zustandsverantwortlichkeit nach § 20 Pr. PVG Die Zustandsverantwortlichkeit war in § 20 Pr. PVG geregelt. Dessen Absätze 1 und 2 lauteten: Für den polizeimäßigen Zustand einer Sache ist deren Eigentümer verantwortlich. Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, ist für deren polizeimäßigen Zustand neben dem Eigentümer verantwortlich. Er ist hierfür an Stelle des Eigentümers verantwortlich, wenn er die tatsächliche Gewalt gegen den Willen des Eigentümers ausübt oder auf einen im Einverständnis mit dem Eigentümer schriftlich oder protokollarisch gestellten Antrag von der zuständigen Polizeibehörde als allein polizeiwidrig anerkannt ist.

§ 20 Pr. PVG übernahm weitgehend die vom Preußischen Oberverwaltungsgericht53 und der Verwaltungslehre54 entwickelten Grundsätze.55 Anknüpfungspunkt der Zustandshaftung war, wie § 20 Abs. 1 und 2 Pr. PVG verdeutlichen, die rechtliche oder die tatsächliche Sachherrschaft. Eine Neuerung enthielt § 20 Abs. 2 S. 2 Pr. PVG, der die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers entfallen ließ, wenn der Besitzer die Gewalt gegen den Willen des Eigentümers ausübte.56 Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, daß dem Eigentümer die Einwirkung auf seine Sache unmöglich ist, wenn sich ein Dritter, wie z. B. ein Dieb, unberechtigt den Besitz verschafft hat.

E. Das Störerrecht nach dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes I. Entwicklung des Störerrechts nach dem 2. Weltkrieg Das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz prägte das deutsche Störerrecht auch über das Ende des 2. Weltkrieges hinaus nachhaltig. 57 In einem Teil der Besatzungszonen und der späteren Bundesländer galt es zunächst fort. In Berlin ___________ 53 Pr. OVGE 7, 348 (351 ff.); 8, 327 ff.; 10, 178 ff.; 12, 306 ff.; 13, 323 ff.; 18, 411 ff.; 36, 400 f.; 40, 391 ff.; 43, 383 ff.; 59, 269 ff.; 60, 309 ff.; 61, 280 ff.; 65, 369 ff.; 86, 258 ff. 54 Vgl. nur Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 308 f.; Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl.; Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 41 f. 55 Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, Band 1, S. 248. 56 Ebendort, S. 254. 57 Scheer/Trubel, Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz, 6. Aufl., S. 16 sprechen davon, daß das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz der Vater der Landespolizeigesetze sei.

2. Kap.: Die historische Entwicklung des Störerrechts

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und im Saarland wurde das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz erst in den 70er Jahren durch Landespolizeigesetze abgelöst.58 Die Polizeigesetze der Bundesländer bauten im wesentlichen auf die Störerregelungen der §§ 18 ff. Pr. PVG auf.59 Für eine weitere Vereinheitlichung der Störerregelungen sorgte der am 25.11.1977 verabschiedete Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (MEPolG).60 Auf dessen Grundlage schufen der Bund und die Länder in der Folgezeit einander angeglichene Polizeigesetze. Auch die neuen Bundesländer haben zu Beginn der 90er Jahre Polizeigesetze auf der Grundlage des Musterentwurfs erlassen. Da die Störerregelungen der 16 Landespolizeigesetze auf den §§ 4 ff. MEPolG61 beruhen, sollen letztere der Untersuchung zugrunde gelegt werden.

II. Neuerungen gegenüber § 20 Pr. PVG § 5 MEPolG lehnt sich an § 20 Pr. PVG an, enthält jedoch auch Neuerungen. Die für den Untersuchungsgegenstand bedeutsamen Änderungen werden im folgenden dargestellt.

1. Erweiterung des Kreises der Zustandsstörer § 5 MEPolG hat den Kreis der Zustandsstörer zum einen um den sonstigen Berechtigten und zum anderen um den Derelinquenten erweitert. Die Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten fügt sich nahtlos in die vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und der Verwaltungsrechtslehre des frühen 20. Jahrhunderts entwickelte Konzeption ein. Ihnenzufolge ist die Zustandsverantwortlichkeit Ausfluß der tatsächlichen und rechtlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache. Durch die Erweiterung um den sonstigen Berechtigten soll die Behörde die Möglichkeit erhalten, auch den mittelbaren Besitzer zur Gefahrenabwehr zu verpflichten. Neben Mietern, welche die Sache ___________ 58

Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 11, Fn. 4. Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, S. 40; Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 11, Fn. 54; Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293. 60 Vgl. hierzu Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978. 61 Die Störerregelungen der §§ 4 f. MEPolG sind wiedergegeben unter 1. Kap E. I. und II. 59

80

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

selbst nutzen, sollen auch solche Mieter zustandsverantwortlich sein, welche die Sache an einen Dritten untervermieten. Auch Untervermieter können rechtlich auf die Sache einwirken, indem sie Einfluß auf den Untermieter nehmen. Ihr Einfluß auf den Untermieter – und damit auf die Sache – ist regelmäßig sogar größer als der Einfluß der Eigentümer und Hauptvermieter. Demgegenüber läßt sich die Erweiterung um den Derelinquenten nicht mit der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und der frühen Verwaltungsrechtslehre entwickelten Zustandsverantwortlichkeit vereinbaren. Gibt der Eigentümer sein Eigentum auf, so verliert er sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über die Eigentumsaufgabe hinaus wird mit fiskalpolitischen Erwägungen begründet. Da kein neuer Eigentümer in die Zustandsverantwortlichkeit eintrete, bleibe der Derelinquent zustandsverantwortlich, weil anderenfalls die Allgemeinheit die Kosten der Gefahrenabwehr tragen müßte.62 Eine dogmatisch befriedigende Begründung der Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten ist bisher nicht geglückt.63

2. Einstandspflicht für Gefahren aufgrund der Lage der Sache im Raum Nach § 20 Pr. PVG war der Zustandsstörer nur für Gefahren verantwortlich, die durch den polizeiwidrigen Zustand der Sache hervorgerufen wurden. § 20 Abs. 1 Pr. PVG lautete: Für den polizeimäßigen Zustand einer Sache ist deren Eigentümer verantwortlich.

Die Einstandspflicht nach § 5 MEPolG ist demgegenüber weiter gefaßt. § 5 Abs. 1 MEPolG hat folgenden Wortlaut: Geht von einer Sache eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten.

§ 5 Abs. 1 MEPolG greift einen Vorschlag von Drews64 auf und erweitert die Zustandsverantwortlichkeit auf Gefahren, die sich aus der Lage der Sache ___________ 62 Vgl. OVG Bremen, DVBl. 1989, 1008; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., E., Rn. 92; Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (54). 63 Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten läßt sich jedoch dogmatisch überzeugend begründen; vgl. hierzu den eigenen Lösungsansatz unter 8. Kap. E. und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten unter 12. Kap. D. 64 Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 45.

2. Kap.: Die historische Entwicklung des Störerrechts

81

im Raum ergeben.65 So ist z. B. der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs zustandsverantwortlich, wenn es vor einer Feuerwehreinfahrt abgestellt worden ist und hierdurch etwaige Rettungsmaßnahmen behindert. § 5 MEPolG trägt damit dem Umstand Rechnung, daß keine Sache für sich allein genommen gefährlich ist. Gefährlich wird eine Sache erst dadurch, daß sie mit Menschen oder mit anderen Sachen zusammentrifft und auf diese einwirkt.66 So ist Öl ungefährlich, solange es ordnungsgemäß gelagert wird. Versickert Öl jedoch ins Erdreich und vermischt es sich mit dem Boden und mit dem Grundwasser, so wird es zur Gefahr für beide Umweltmedien.

III. Kontinuität der Zustandsverantwortlichkeit Von diesen Änderungen abgesehen, knüpft die Zustandsverantwortlichkeit in den Landespolizeigesetzen auch heute noch an die vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und von der Verwaltungslehre des frühen 20. Jahrhunderts entwickelten Störerregelungen an, auf denen § 20 Pr. PVG beruhte.67 Die herrschende Meinung68 leitet die Zustandsverantwortlichkeit weiterhin in erster Linie69 aus der tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft her. Der Eigentümer sei deshalb zur Gefahrenabwehr verpflichtet, weil er auf die Sache ___________ 65 VGH München, NJW 1979, 2631; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl., S. 67; Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., 1982, S. 205 ff.; von Mutius, Jura 1983, 298 (305); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (458); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318; Belz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, § 5 Rn. 2; Schoch, JuS 1994, 932 (936); Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 143; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., E, Rn. 89 S. 143; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 141. 66 Ähnlich Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 278, der davon spricht, daß von einer Sache dann eine Gefahr ausgehe, wenn die Sache auf ihre Umwelt ausstrahle sowie Becker, UPR 2004, 1 (3), bei dem es heißt, daß keine Sache aus sich heraus, ohne Zufuhr oder Entzug von Energie oder sonstige Veränderung ihres Zustandes von außen, einen Schaden autochthon herbeiführen könne. 67 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293. 68 BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627); NVwZ 1991, 475 f.; 1977, 577f.; OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Pietzcker, DVBl. 457 (462); Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, 1989, S. 53; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, 1990, S. 139; Leisner, UTR 12 (1990), 217 (227 f.); Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 31; Gallwas/Mößle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Aufl., Rn. 456; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 139. 69 Zusätzlich stellt die herrschende Meinung nunmehr darauf ab, daß der Zustandsstörer, weil er Nutzen aus der Sache ziehe, auch für deren Lasten einzustehen habe; vgl. die eingehende Darstellung unter 7. Kap. B.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

einwirken könne und es in der Hand habe, die Entstehung von Gefahren zu verhindern oder eingetretene Gefahren zu beseitigen. Diese Herleitung hat weitreichende praktische Folgen. Sie ermöglicht eine Inanspruchnahme des Eigentümers zur Abwehr sämtlicher Gefahren, die von der Sache ausgehen. Dabei ist es nach herrschender Meinung70 ohne Bedeutung, wie die Gefahr entstanden ist.

F. Zusammenfassung Das geltende Störerrecht geht im wesentlichen auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und die Verwaltungsrechtslehre des frühen 20. Jahrhunderts zurück. Das Preußische Oberverwaltungsgericht sprach sich erstmals in einer Entscheidung vom 10.11.1880 für eine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers aus. Der Eigentümer sei unabhängig von der Ursache der Gefahrentstehung für den polizeimäßigen Zustand seiner Sache verantwortlich. Dies gelte auch dann, wenn die Gefahr durch die rechtswidrige Einwirkung eines Dritten oder durch Zufall entstanden sei. In späteren Entscheidungen erstreckte das Preußische Oberverwaltungsgericht die Zustandsverantwortlichkeit auf den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft. Sowohl das Preußische Oberverwaltungsgericht als auch die frühe Verwaltungslehre leiteten die Zustandsverantwortlichkeit aus der tatsächlichen oder rechtlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache her. Das vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und der frühen Verwaltungsrechtslehre entwickelte Störerrecht wurde erstmals im Preußischen Polizeiverwaltungsrecht vom 1.6.1931 kodifiziert. Der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes und die auf seiner Grundlage entstandenen Landespolizeigesetze knüpfen im wesentlichen unverändert an das Störerrecht des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes an, so daß das tradierte Störerrecht bis heute fortgilt. Noch heute sieht die herrschende Meinung in erster Linie die tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft als den Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit an. Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre nie ernsthaft hinterfragt worden.

___________ 70 BVerwG, DVBl. 1986, 360 (361); NVwZ 1991, 475; VGH Mannheim, GewArch 1998, 301 (303); OVG Münster, NWVBl. 1998, 64 (65); Lehmann, Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, 1991, § 20 Rn. 7.

3. Kapitel

Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen § 5 MEPolG unterscheidet vier Gruppen von Zustandsstörern: 1. den Eigentümer, 2. den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, 3. den sonstigen Berechtigten und 4. den Eigentümer, der sein Eigentum an der gefährlichen Sache aufgegeben hat (Derelinquent). Mit Ausnahme Baden-Württembergs und Sachsens, die weder eine Verantwortlichkeit des Derelinquenten1 noch des sonstigen Berechtigten kennen, haben alle Länder diese vier Gruppen von Zustandsstörern in ihre Polizeigesetze aufgenommen.

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers I. Das Abstellen auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse In der Praxis am bedeutsamsten ist die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers der gefährlichen Sache2 nach § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG. Die herrschende Meinung3 stellt bei der Bestimmung des Eigentümers auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse ab. Die von Ossenbühl4 vertretene Ansicht, bei der Zustandsverantwortlichkeit sei auf einen eigenständigen polizeirechtlichen Eigentumsbegriff abzustellen, hat sich bisher nicht durchsetzen ___________ 1

Der VGH Mannheim hat sich in std. Rspr. gegen einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit nach Eigentumsaufgabe ausgesprochen; vgl. VGH Mannheim, DVBl. 1990, 1046; NJW 1997, 3259. 2 Die neueren Landespolizeigesetze nennen daneben auch explizit den Eigentümer eines Tieres; vgl. nur § 7 Abs. 1 NGefAG. 3 OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); DÖV 1996, 1057; VGH München, NVwZ 1986, 942 (946); Habermehl, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, 1984, Rn. 265; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Schwachheim, NVwZ 1989, 128 (129); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 113 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 13. Aufl., 1994, Art. 8 Rn. 7; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 96. 4 VVDStRL 35 (1977), 345 (346).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

können. Auf die Konsequenzen, die sich aus der Zugrundelegung des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffs für das Störerrecht ergeben, wird weiter unten im Zusammenhang mit der Zurechnung der Gefahr noch näher einzugehen sein.5 Im Rahmen dieser Untersuchung ist die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers von besonderer Bedeutung. Der Erwerb des Grundeigentums setzt gemäß §§ 873, 925 BGB eine wirksame Einigung und die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch voraus.6 Bis zur Eintragung des Erwerbers kann allein der Veräußerer als Eigentümer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden.7 Bei bereits erfolgter Besitzübergabe ist der Erwerber jedoch als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zustandsverantwortlich.8 Dem Eigentümer nicht gleichgestellt ist der Erbbauberechtigte.9 Der Erbbauberechtigte kann jedoch in der Regel als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft oder als sonstiger Berechtigter zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden.10

II. Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit mit Eigentumsübergang auf einen Dritten Nach § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG ist nur der gegenwärtige Eigentümer zustandsverantwortlich, so daß die Zustandshaftung endet, wenn der Eigentümer das Eigentum an einen Dritten überträgt11 oder sein Eigentum auf sonstige Weise verliert (z. B. durch Enteignung, Umlegung oder Gesamtrechtsnachfolge). Etwas anderes gilt jedoch gemäß § 5 Abs. 3 MEPolG für den Sonderfall der Eigentumsaufgabe. Hier besteht die Zustandsverantwortlichkeit fort.12 Gegenwärtiger Eigentümer im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG ist der Eigentümer im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung. Ein späterer Eigentumsverlust ist grundsätzlich unbeachtlich. Etwas anderes gilt nach § 79 ___________ 5

Vgl. die Darstellung unter 5. Kap. C. Vgl. BVerwG, NJW 1972, 701. 7 VGH Mannheim, VBlBW 1996, 351; Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 297. 8 Vgl. hierzu 3. Kap. B. 9 VGH Mannheim, NJW 1998, 624; Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, BundesBodenschutzgesetz, § 4 Rn. 36. 10 Vgl. unter 3. Kap. B. bzw. C. 11 Zu dem Sonderfall der sittenwidrigen Veräußerung vgl. die nachfolgende Darstellung unter III. 12 Zur Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten vgl. unter 3. Kap. D. 6

3. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen

85

Abs. 1 Ziff. 1 VwGO allerdings dann, wenn der Herangezogene gegen die Ordnungsverfügung Widerspruch einlegt und bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides die Sache an einen Dritten übereignet.13 Der Eigentümer einer gefährlichen Sache kann sich seiner Einstandspflicht daher entledigen, indem er vor dem Erlaß der Ordnungsverfügung bzw. des Widerspruchsbescheides sein Eigentum an einen Dritten überträgt.14

III. Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei einer sittenwidrigen Veräußerung an eine weitgehend vermögenslose Person Der Veräußerer bleibt hingegen dann zustandsverantwortlich, wenn die Einigung nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist. Die Rechtsprechung15 hat die Sittenwidrigkeit in Fällen bejaht, in denen der Eigentümer sein kontaminiertes Grundstück an eine weitgehend vermögenslose Person veräußert hat, sofern die Veräußerung zu dem alleinigen Zweck erfolgt, sich der Zustandsverantwortlichkeit zu entziehen. Die Rechtsprechung zur ökologischen Sittenwidrigkeit soll nachfolgend skizziert (vgl. hierzu 1. und 2.) und untersucht werden (vgl. unter 3.).16

1. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.1996 Das Bundesverwaltungsgericht17 hatte in einem Beschluß vom 14.11.1996 über die Nichtzulassungsbeschwerde eines Beschwerdeführers zu entscheiden, der 1975 ein als Mineralöllager genutztes Grundstück erworben hatte. 18 In dem ___________ 13 Vgl. nur OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016 (1017); VGH Mannheim, DVBl. 1990, 1046 (1047); GewArch 1998, 301; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 225; a.A. Cyzchowski, DVBl. 1970, 379 (384), der auf den Zeitpunkt der Gefahrentstehung abstellt. 14 BVerwGE 10, 282 (285); VGH München, BayVBl. 1970, 328 (329); OVG Münster, DVBl. 1977, 257; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27 f.; Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 328; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 118; Schoch, JuS 1994, 932 (934). 15 BVerfG, NVwZ 2001, 65 f.; BVerwG, NVwZ 1997, 577; VGH Mannheim, GewArch 1998, 301 ff.; NVwZ 1996, 1036 ff.; VG Freiburg, ZUR 1998, 42 ff.; VG Kassel, NVwZ-RR 1998, 648 ff. 16 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., 2001, § 138 Rn. 45; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 6 Rn. 234. 17 NVwZ 1997, 577. 18 Der Sachverhalt läßt sich dem Nichtzulassungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 24.8.2000 entnehmen; vgl. BVerfG, NVwZ 2001, 65 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Kaufvertrag waren die Gewährleistungsansprüche – insbesondere auch für unter der Erde lagernde Ölbehälter – ausgeschlossen worden. Nachdem Verunreinigungen des Bodens durch Mineralölrückstände festgestellt worden waren, wurde der Beschwerdeführer zu Maßnahmen der Grundwasserreinigung verpflichtet. Die Ersatzvornahme wurde angedroht. Die Kosten der Ersatzvornahme wurden auf 180.000 DM Investitionskosten sowie auf laufende Kosten von monatlich DM 18.000 veranschlagt. Der Beschwerdeführer veräußerte daraufhin das Altlastengrundstück an eine neu gegründete Grundstücks-VerwaltungsGmbH zu einem Kaufpreis von DM 400.000 unter Ausschluß der Gewährleistung für Altlasten. Der Käuferin wurde der Kaufpreis auf unbestimmte Zeit gestundet. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, daß die Veräußerung des kontaminierten Grundstücks an die beschränkt haftende Grundstücks-VerwaltungsGmbH sittenwidrig sei, weil der alleinige Geschäftszweck darin bestanden habe, die Kosten der Gefahrenbeseitigung auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Der Beschwerdeführer bleibe daher Eigentümer und könne als solcher zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Zur Begründung der Sittenwidrigkeit verwies das Bundesverwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach sind Rechtsgeschäfte sittenwidrig, wenn sie dazu dienen, Kostenlasten auf Dritte19 oder auf die Allgemeinheit20 abzuwälzen.21 Die gegen den Nichtzulassungsbeschluß des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.22

2. Die Entscheidung des VGH Mannheim vom 20.1.1998 In einem vom VGH Mannheim23 entschiedenen Fall hatte die Klägerin ein ehemaliges Fabrikgelände in Kenntnis der Bodenkontamination erworben. Nachdem die Behörde der Verursacherin der Verunreinigungen aus wirtschaftspolitischen Gründen zugesichert hatte, sie nicht zur Sanierung heranzuziehen, gründete die Klägerin eine nur mit dem gesetzlichen Mindestkapital ___________ 19

BGHZ 60, 102; BGH, NJW 1980, 991 und 1988, 902. BGHZ 86, 82. 21 Vgl. auch den alternativen Ansatz von Stöckle/Röckseisen, NJ 1993, 67 (68), die sich dafür aussprechen, die Zustandshaftung des Derelinquenten entsprechend dem Nutzen zu begrenzen, den der Derelinquent aus dem Grundstück gezogen habe. War er bei Erwerb des Grundstücks gutgläubig, so dürfte nach Stöckle/Röckseisen eine Inanspruchnahme des Derelinquenten zur Sanierung ausscheiden. 22 BVerfG, NVwZ 2001, 65 f. 23 VGH Mannheim, GewArch 1998, 301 ff. 20

3. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen

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ausgestattete Aktiengesellschaft in der Schweiz. Der alleinige Zweck dieser Gesellschaft bestand darin, das kontaminierte Grundstück von der Klägerin zu erwerben und zu halten. Die Klägerin veräußerte der Schweizer Aktiengesellschaft das kontaminierte Grundstück zu einem Kaufpreis von 8 Mio. DM, wobei sie ihr den Kaufpreis langfristig stundete und sich eine Grundschuld in Höhe von 5 Mio. DM eintragen ließ. Zugunsten einer Bank wurde eine weitere Grundschuld in Höhe von 7 Mio. DM eingetragen. Gegenüber der beklagten Behörde räumte die Klägerin ein, daß sie mit einer Zahlung des Kaufpreises nur rechne, wenn das Grundstück auf Kosten der Verursacherin oder der öffentlichen Hand saniert werde. Die Schweizer Aktiengesellschaft leistete keine Zahlungen auf den Kaufpreis. Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen eine Verfügung, in der sie zu Gefahrerforschungsmaßnahmen verpflichtet worden war. Die Klägerin berief sich darauf, daß sie bei Erlaß der Verfügung nicht mehr Eigentümerin des kontaminierten Grundstücks gewesen sei. Die Ordnungsverfügung sei daher rechtswidrig. Sowohl die Vorinstanz24 als auch der VGH Mannheim25 wiesen die Klage ab, weil die Übereignung an die weitgehend vermögenslose Gesellschaft sittenwidrig gewesen und die Klägerin daher Eigentümerin geblieben sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts aus der Absicht der Vertragsparteien ergeben, die Kostenlasten auf Dritte26 oder die Allgemeinheit27 abzuwälzen. Letzteres sei nach Ansicht des VGH Mannheim28 der Fall gewesen. Mit der Übertragung des Eigentums habe die Klägerin das Ziel verfolgt, die Sanierungskosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen.29 Die Klägerin, die über ein Vermögen von mehreren 100 Mio. DM verfüge, habe mit einer Sanierungsanordnung gerechnet. Sie habe eine weitgehend vermögenslose Kapitalgesellschaft gegründet und dieser das kontaminierte Grundstück übertragen, um sich ihrer eigenen Zustandsverantwortlichkeit zu entziehen. Sie wußte hierbei, daß die Schweizer Aktiengesellschaft die Kosten der Gefahrerforschungs- und Sanierungsmaßnahmen nicht würde tragen können. Auch wußte sie, daß eine Vollstreckung durch die Beklagte keinen Erfolg verspreche.30 Das Grundstück sei der einzige Vermögensgegenstand der Schweizer Aktiengesellschaft gewesen. Bei einer Vollstreckung in das sanierte Grundstück könne die Beklagte keine Befriedigung erlangen, ___________ 24

VG Freiburg, ZUR 1998, 42 ff. GewArch 1998, 301 ff. Anders noch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren VGH Mannheim, NVwZ 1996, 1036 ff. 26 BGHZ 60, 102 (104); NJW 1980, 991; 1988, 902. 27 BGHZ 86, 82 (88). 28 GewArch 1998, 301 (302). 29 So auch BVerwG, NVwZ 1997, 577. 30 VGH Mannheim, GewArch 1998, 301 (303). 25

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

weil die eingetragenen Grundschulden vorrangig zu bedienen seien. Die Klägerin habe nicht nur der Zustandshaftung entgehen, sondern durch die Bestellung der Grundschuld auch sicherstellen wollen, daß die öffentliche Hand mit der Sanierung dazu beitrage, daß die Klägerin den Kaufpreis realisieren könne.

3. Stellungnahme Zutreffend hat die Rechtsprechung in den genannten Entscheidungen die Wirksamkeit der Übereignung verneint und die Inanspruchnahme des Veräußerers zur Gefahrenabwehr bestätigt. Veräußert jemand ein kontaminiertes Grundstück an eine weitgehend vermögenslose Person, so ist die Sachlage mit einer Eigentumsaufgabe vergleichbar. Nach der ratio legis des § 5 Abs. 3 MEPolG kann sich der Eigentümer daher auch in diesen Fällen nicht seiner Zustandsverantwortlichkeit entledigen.31 Über die Veräußerung eines kontaminierten Grundstücks sind weitere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, mit denen der Eigentümer darauf zielt, sich seiner Zustandsverantwortlichkeit zu entledigen und die Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. So dürfte der im Schrifttum32 diskutierte Vorschlag der Teilung des Grundstücks in ein verunreinigtes und in ein sauberes Grundstück nicht zuletzt durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.200033 und die darin geforderte Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks34 Auftrieb erhalten haben.35 Für eine Grundstücksteilung bedarf es unter den Voraussetzungen des § 19 BauGB einer Genehmigung. Eine Versagung ist nach § 20 Abs. 1 BauGB jedoch nur aus bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Gründen zulässig. Erfolgt die Teilung erkennbar zu dem Zweck, sich (teilweise) den Sanierungs___________ 31

Zur Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten vgl. unter 3. Kap. D. Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (439 f.) m.w.N. 33 Vgl. BVerfGE 102,1 ff. sowie die ausführliche Darstellung unter 8. Kap. D. II. 34 Weniger problematisch dürften hingegen die Fälle sein, in denen das Bundesverfassungsgericht die Zustandshaftung über das kontaminierte Grundstück hinaus auf damit zusammenhängende Grundstücke sowie einen Betrieb bzw. ein Unternehmen erstreckt; vgl. hierzu unter 8. Kap. D. II. 1. b) cc). 35 Bedeutsam ist dies für den Grundeigentümer auch im Zusammenhang mit der Wertausgleichspflicht des § 25 BBodSchG, wenn die Teilung vor Festsetzung des Wertausgleichsanspruchs vollzogen ist; vgl. hierzu Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (439). Wegen der nach § 25 Abs. 6 BBodSchG auf dem sanierten Grundstück ruhenden öffentlichen Last dürften auch Grundpfandgläubiger, deren Sicherheit durch die vorrangige öffentliche Last entwertet wird, ein Interesse an einer Grundstücksteilung haben. Vgl. zum Wertausgleichsanspruch die eingehende Darstellung unter Kapitel 13. 32

3. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen

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kosten zu entledigen, so ist die Teilungserklärung36 auch dann nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn sie eine Unternehmenssanierung als Ziel verfolgt.37 Insoweit gelten die oben genannten Erwägungen entsprechend. Zur gebotenen Verhinderung der Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit genügt allerdings die Rechtsprechung zur ökologischen Sittenwidrigkeit allein nicht, weil eine Veräußerung nur unter besonderen Umständen als sittenwidrig anzusehen ist. Eine effektive Begrenzung der Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit läßt sich nur durch einen generellen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust erreichen. Hierauf wird an anderer Stelle noch näher einzugehen sein.38

IV. Die Zustandsverantwortlichkeit des Miteigentümers, des Sicherungseigentümers und des Anwartschaftsberechtigten 1. Die Zustandsverantwortlichkeit des Miteigentümers Nach herrschender Meinung39 ist es für die Zustandsverantwortlichkeit ohne Bedeutung, um welche Art von Eigentum es sich handelt. Neben dem Alleineigentümer ist auch der Miteigentümer zustandsverantwortlich. Der Miteigentümer haftet nicht nur in Höhe seines Miteigentumsanteils, sondern in vollem Umfang.40 Allerdings hat die Behörde bei Anordnungen gegenüber einem Miteigentümer folgende Besonderheiten zu beachten. Jeder Miteigentümer kann zwar unabhängig von den übrigen Miteigentümern zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Wird jedoch einem Miteigentümer gegenüber eine Maßnahme angeordnet, zu der dieser den anderen Miteigentümern gegenüber nicht berechtigt ist, so ist die Maßnahme nicht vollstreckbar, weil von dem Miteigentümer nichts rechtlich Unmögliches verlangt werden kann.41 Die Behörde kann das ___________ 36 Vgl. hierzu Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 890 Rn. 11. 37 A.A. Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (439 f.) m.w.N. Ansatzpunkt in derartigen Fällen kann allein der Abschluß eines Sanierungsvertrages sein, in dem die Behörde (teilweise) auf die Erstattung der Sanierungskosten verzichtet, um den Fortbestand des Unternehmens und den Erhalt von Arbeitsplätzen zu sichern. 38 Vgl. unter 12. Kap. E. VIII. 39 OVG Koblenz, OVGE 2, 22; OVG Münster, DÖV 1971, 643; von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389 (390); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326 f.; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 114. 40 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 327; Hipp/Rech/ Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 296. 41 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 327.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Vollstreckungshindernis jedoch beseitigen, indem sie auch die übrigen Miteigentümer zur Gefahrenabwehr heranzieht oder sie zur Duldung der Maßnahme verpflichtet.42

2. Die Zustandsverantwortlichkeit des Sicherungseigentümers Umstritten ist, ob der Sicherungseigentümer Eigentümer im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG ist. Eine Mindermeinung verneint dies, weil das Sicherungseigentum in der Kreditpraxis wie ein besitzloses Pfandrecht behandelt werde und der Sicherungsgeber wirtschaftlicher Eigentümer bleibe.43 Die herrschende Meinung44 bejaht hingegen die Zustandsverantwortlichkeit des Sicherungseigentümers als Eigentümer. Welche Ansicht vorzugswürdig ist, wird im Zusammenhang mit der Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber untersucht.45

3. Die Zustandsverantwortlichkeit des Anwartschaftsberechtigten Im Schrifttum wird zum Teil die Ansicht46 vertreten, der Anwartschaftsberechtigte sei analog § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG wie ein Eigentümer zustandsverantwortlich, weil das Anwartschaftsrecht ein wesensgleiches Minus zum Eigentum sei.47 Praktische Bedeutung erlangt diese Frage beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) sowie insbesondere beim Grunderwerb. Der Erwerber eines Grundstücks erlangt ein Anwartschaftsrecht, wenn er sich eine Vormerkung eintragen läßt oder wenn er den Antrag auf Eintragung ins Grundbuch gestellt hat.48 ___________ 42

Pr. OVGE 58, 408 (412); 69, 401 (402); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 327. 43 Prümm, DVP 1983, 269 (272). 44 BVerwG, DÖV 1969, 471; VGH Mannheim, BWVP 1978, 150; OVG Koblenz, NVwZ 1992, 480; Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 1982, § 5 MEPolG, Rn. 5; von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389 (390); Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 114; Belz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, § 5 Rn. 4. 45 Vgl. unten 14. Kap. D. II. 46 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326. 47 Vgl. nur BGHZ 28, 16 (21); 35, 85 (89). 48 Zur Entstehung eines Anwartschaftsrechts im Grundstücksverkehr vgl. nur Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 925 Rn. 25.

3. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen

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Eine Gleichstellung des Anwartschaftsberechtigten mit dem Eigentümer ist im Störerrecht abzulehnen. Für eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG fehlt es bereits an einer Regelungslücke. Soweit der Anwartschaftsberechtigte im unmittelbaren Besitz der Sache ist, kann er als Inhaber der tatsächlichen Gewalt zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. Im übrigen ist er als sonstiger Berechtigter zustandsverantwortlich.

V. Der Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG Nach § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG scheidet eine Heranziehung des Eigentümers zur Gefahrenabwehr dann aus, wenn der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft diese ohne den Willen des Eigentümers ausübt.49 Nicht erforderlich ist, daß er die Sachherrschaft gegen den Willen des Eigentümers ausübt. 50 Die Regelung ist insbesondere bedeutsam, wenn dem Eigentümer die gefährliche Sache gestohlen oder geraubt worden ist. Unbeachtlich ist, ob der Eigentümer Kenntnis von der Besitzentziehung hat. Der Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit wird überwiegend51 damit begründet, daß dem Eigentümer die Gefahrenabwehr unmöglich sei, weil er nicht mehr auf die Sache einwirken könne. Nach zutreffender Ansicht52 entfällt die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers hingegen, weil die von dem Unberechtigten geschaffenen Risiken nicht der Risikosphäre des Eigentümers zuzuordnen sind. Wie noch53 eingehend dargelegt wird, muß sich der Eigentümer die von dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft verursachten Gefahren nur dann zurechnen lassen, wenn er ihm die Sache zur Nutzung überlassen hat. Bemächtigt sich dieser hingegen eigenmächtig der Sache, so entstammen die Gefahren ausschließlich seiner Risikosphäre. Umstritten ist, ob die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers auflebt, wenn der unberechtigte Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft später aufgibt oder verliert. Diese Frage spielt insbesondere bei Verkehrsunfällen mit gestohlenen PKW eine Rolle, wenn der Dieb nach dem Unfall seine Sachherrschaft ___________ 49

Vgl. nur Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 328. Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 36. 51 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 328; Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 36; Schoch, JuS 1994, 932 (936). 52 Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 143. 53 Vgl. die Darstellung unter 5. Kap. C. II. 2. 50

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

aufgibt. Die herrschende Meinung54 bejaht ein Wiederaufleben der Zustandsverantwortlichkeit, weil der Eigentümer wieder auf die Sache einwirken könne. Diese Ansicht ist abzulehnen. Die Zustandsverantwortlichkeit setzt nicht nur voraus, daß der Eigentümer auf die Sache einwirken, sondern auch, daß dem Eigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann.55 Wie § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG zeigt, muß sich der Eigentümer die von einem Dritten verursachten Risiken nur dann zurechnen lassen, wenn er dem Dritten seine Sache freiwillig überlassen hat. Wirkt der Dritte hingegen unberechtigt auf die Sache ein, so ist die Gefahr allein Folge seines Verhaltens und gehört nicht zur Risikosphäre des Eigentümers.56

B. Die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft Neben dem Eigentümer ist nach § 5 Abs. 1 MEPolG der Inhaber der tatsächlichen Gewalt zustandsverantwortlich.57 In einigen Gesetzen wird er auch als Gewalthaber oder als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft bezeichnet. Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist, wem die tatsächliche, von einem Herrschaftswillen getragene Einwirkungsmöglichkeit auf die gefährliche Sache zusteht.58 Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft sind der Mieter, der Pächter, der Erbbauberechtigte und der Nießbraucher, sofern sie im unmittelbaren Besitz der Sache sind. Ohne Bedeutung ist, ob dem Gewalthaber ein Recht zum Besitz zusteht oder ob er die Sache unrechtmäßig besitzt.59 Auch ein Dieb kann daher Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft sein.

___________ 54 OVG Koblenz, DÖV 1989, 173 f.; OVG Hamburg, DÖV 1992, 269; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 328; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 209. 55 So auch VG Hannover, DAR 1976, 167 und wohl auch Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 143. 56 Jochum/Rühle, ebendort. 57 Vgl. insbesondere Heintzen/Druschel, UTR 36 (1996), 361 ff. 58 Vgl. nur Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., E., Rn. 92 sowie bereits Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 307 f. 59 Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 36; Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, S. 171; Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 329; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 230 f.; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279. Ebenso bereits Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 307 f.

3. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen

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Die tatsächliche Sachherrschaft ist nicht identisch mit dem zivilrechtlichen Besitz60. Sie ist zum einen weiter und zum anderen enger. So ist auch der Besitzdiener61 (§ 855 BGB) Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Hingegen sind weder der Erbschaftsbesitzer (§ 857 BGB) noch der mittelbare Besitzer (§ 868 BGB) Gewalthaber, weil sie nicht auf die Sache einwirken können. Nach § 5 Abs. 1 MEPolG ist nur der gegenwärtige Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zustandsverantwortlich, so daß die Zustandsverantwortlichkeit mit Aufgabe der tatsächlichen Gewalt endet.62 Hierfür genügt es, daß der Gewalthaber für Dritte erkennbar zum Ausdruck bringt, sich der Sache entledigen zu wollen. Anders als bei der Eigentumsaufgabe sehen die Landespolizeigesetze eine Fortdauer der Zustandsverantwortlichkeit nach Aufgabe der Sachherrschaft nicht vor.63 Zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist nur, wer im Zeitpunkt des Erlasses der behördlichen Verfügung oder – bei Durchführung eines Widerspruchsverfahrens – des Widerspruchsbescheids Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist.64

C. Die Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten Nach § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG ist ferner der sonstige Berechtigte für den Zustand einer gefährlichen Sache verantwortlich.65 Mit Ausnahme BadenWürttembergs und Sachsens haben alle Bundesländer eine Verantwortlichkeit sonstiger Berechtigter in ihre Polizeigesetze aufgenommen. Es gilt, drei Arten von sonstigen Berechtigten zu unterscheiden: 1. die dinglich Berechtigten, 2. die obligatorisch Berechtigten und 3. die Berechtigten kraft Amtes. ___________ 60 Zum zivilrechtlichen Besitz vgl. nur Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., Überblick v § 854 Rn. 1 ff. 61 OVG Münster, DVBl. 1977, 257; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 329; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 216; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., E., Rn. 91. 62 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 330; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 136 f.; Schoch, JuS 1994, 932 (935). Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 144, kritisieren insoweit die Ungleichbehandlung der Aufgabe des Eigentums und der tatsächlichen Sachherrschaft. 63 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 330; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 136 f.; Schoch, JuS 1994, 932 (935). 64 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 330. 65 Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 36.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Zu den dinglich Berechtigten gehören der Hypothekar, der Grundschuldinhaber, der Erbbauberechtigte, der Nießbraucher, der Pfandgläubiger, der Sicherungseigentümer und der Anwartschaftsberechtigte.66 Nach der amtlichen Begründung zu § 5 MEPolG67 soll für die Zustandsverantwortlichkeit auch eine obligatorische Berechtigung genügen, sofern sie eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache gewährleistet. Danach sind Mieter oder Pächter als sonstige Berechtigte Zustandsstörer, wenn sie die Sache untervermieten oder unterverpachten68 und deshalb eine Verantwortlichkeit als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ausscheidet. Zu der dritten Gruppe der sonstigen Berechtigten gehören die Berechtigten kraft Amtes. Dies sind der Insolvenz-, der Zwangs- und der Nachlaßverwalter sowie der Testamentsvollstrecker.69 Die Zustandsverantwortlichkeit sonstiger Berechtigter spielt in der Praxis keine nennenswerte Rolle. Das polizeirechtliche Schrifttum hat ihr dementsprechend nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet.70 Auf Einzelfragen wird im Zusammenhang mit der Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber noch näher einzugehen sein.71

D. Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten Wie dargelegt72, endet die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers grundsätzlich mit dem Verlust des Eigentums. Etwas anderes gilt nach § 5 Abs. 3 MEPolG jedoch dann, wenn der Eigentümer sein Eigentum aufgibt.73 ___________ 66 Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 133 f.; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 211; Jochum/Rühle, Polizeiund Ordnungsrecht, S. 145 f. 67 Abgedruckt bei Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 36. 68 OVG Münster, DVBl. 1977, 257; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 329; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 145; ablehnend hingegen Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279. 69 Zustimmend Prümm, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland- Pfalz, 2. Aufl., 1986, § 5 Rn. 15. 70 Vgl. Prümm, ebendort; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 133 f.; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 145 f. 71 Vgl. hierzu unter 14. Kap. B. I. 1. und 14. Kap. B. II. 1. sowie 2. 72 Vgl. 3. Kap. A. II. 73 Schmidt-Jortzig, in: Achterberg/Krawietz/Wyduckel (Hrsg.), Festschrift für Scupin, 1983, S. 819 f.; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 124 ff.; a.A. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27.

3. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen

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Mit Ausnahme Baden-Württembergs74 und Sachsens75 haben alle Bundesländer eine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten in ihre Landespolizeigesetze aufgenommen.76 Zur Aufgabe des Eigentums an einer beweglichen Sache genügt gemäß § 959 BGB, daß sich der Eigentümer nach außen erkennbar der Sache entledigt. Demgegenüber setzt die Dereliktion eines Grundstücks nach § 928 Abs. 1 BGB voraus, daß der Grundeigentümer den Verzicht gegenüber dem Grundbuchamt erklärt und der Verzicht im Grundbuch eingetragen wird. Durch die Dereliktion wird die Sache herrenlos. Sähe § 5 Abs. 3 MEPolG nicht den Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsaufgabe vor, so wäre kein Zustandsstörer vorhanden, den die Behörde zur Abwehr der von der herrenlosen Sache ausgehenden Gefahr verpflichten könnte. § 5 Abs. 3 MEPolG soll verhindern, daß sich ein Eigentümer durch Dereliktion seiner Zustandshaftung entledigt und die Kosten auf die Allgemeinheit abwälzt.77 Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten endet allerdings, wenn sich ein Dritter die Sache aneignet, weil § 5 Abs. 3 MEPolG ausdrücklich von einer herrenlosen Sache spricht. Der Aneignende tritt anstelle des Derelinquenten in die Zustandsverantwortlichkeit ein. Nach § 958 Abs. 1 BGB kann sich jeder eine herrenlose bewegliche Sache aneignen. Demgegenüber steht bei herrenlosen Grundstücken lediglich dem Staat gemäß § 928 Abs. 2 BGB ein Aneignungsrecht zu.

E. Zusammenfassung Die meisten Landespolizeigesetze kennen vier Arten von Zustandsstörern: 1. den gegenwärtigen Eigentümer, 2. den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, 3. den sonstigen Berechtigten und 4. den Derelinquenten. In der Praxis ___________ 74

Vgl. hierzu VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27 f. Vgl. nur Belz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, § 5 Rn. 7. 76 Zu der umstrittenen Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit auch in den Bundesländern trotz Eigentumsaufgabe fortbesteht, in denen eine Regelung zur Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten fehlt, vgl. nur Schmidt-Jortzig, in: Achterberg/ Krawietz/Wyduckel (Hrsg.), Festschrift für Scupin, S. 819 (822 f.). Schmidt-Jortzig zufolge könne die Dereliktionserklärung unter Umständen wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sein. 77 BVerwG, NJW 1999, 231; OVG Bremen, DVBl. 1989, 1008; VGH Mannheim, UPR 1998, 397; Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 37; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 328 sowie bereits Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 309. 75

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

am bedeutsamsten ist die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers. Nach den Landespolizeigesetzen endet die Zustandsverantwortlichkeit grundsätzlich mit dem Verlust des Eigentums oder der tatsächlichen Sachherrschaft. Etwas anderes gilt nur im Falle der Eigentumsaufgabe. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten wird überwiegend fiskalpolitisch damit begründet, daß der Eigentümer die Kosten anderenfalls durch Dereliktion auf die Allgemeinheit abwälzen könnte. Hingegen kann sich z. B. der Mieter jederzeit durch Aufgabe der Sachherrschaft seiner Zustandsverantwortlichkeit entziehen. Nach der Rechtsprechung kann sich der Eigentümer eines kontaminierten Grundstücks seiner Zustandshaftung allerdings nicht durch Veräußerung an eine vermögenslose Person entziehen, wenn diese dazu diente, die Sanierungskosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Unter diesen Umständen sei die Übereignung nach § 138 BGB sittenwidrig, so daß der Veräußerer weiterhin als Eigentümer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden könne.

4. Kapitel

Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit A. Die Zustandsverantwortlichkeit als strengstes Haftungsinstitut der Rechtsordnung Die Zustandsverantwortlichkeit ist das strengste Haftungsinstitut des deutschen Rechts.1 Die besondere Härte der Zustandshaftung ergibt sich zum einen aus der Weite des Tatbestands und zum anderen daraus, daß der Zustandsstörer nach noch herrschender Ansicht2 verpflichtet ist, zur Abwehr der Gefahr oder zur Beseitigung der Störung notfalls sein gesamtes Vermögen einzusetzen. Nach herkömmlichem Verständnis3 ist der Eigentümer allein wegen seiner Rechtsstellung und der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft allein wegen seiner faktischen Nähe zu der gefährlichen Sache zur Gefahrenabwehr und zur Kostentragung verpflichtet. Für die Zustandsverantwortlichkeit ist es nach herrschender Meinung4 ohne Bedeutung, wie die Gefahr entstanden ist. Der Zustandsstörer muß die Gefahr weder verursacht noch einen sonstigen Beitrag zu ihrer Entstehung geleistet haben.5 Der Eigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft seien daher auch für Gefahren verantwortlich, die ___________ 1

Vgl. auch Becker, UPR 2004, 1 (3). BVerwG, NVwZ 1992, 475; VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 f.; VGH München, NVwZ 1986, 942 (944); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 320; Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 302. Das Bundesverfassungsgericht hat sich allerdings durch Beschluß vom 16.2.2000 im Bodenschutzrecht für eine verfassungskonforme Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit ausgesprochen. Danach müsse der Grundeigentümer im Regelfall nur Sanierungskosten bis zur Höhe des Verkehrswertes des sanierten Grundstücks tragen; vgl. BVerfGE 102, 1 (20 ff.) sowie die eingehende Darstellung unter 8. Kap. D. II. 1. b) aa). 3 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 327; Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 296. 4 OVG Münster, MDR 1955, 762; OVGE 17, 185; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; Habermehl, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 187 f.; Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 320; Mehlich, BWVP 1991, 269; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 153. 5 OVG Koblenz, NJW 1998, 625 (626); Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 88. 2

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

durch Naturereignisse6, Zufall, höhere Gewalt oder durch das Verhalten eines Dritten entstanden sind. Ohne Bedeutung sei hierbei, ob der Eigentümer Einfluß auf das Verhalten des Dritten nehmen konnte. So soll der Grundeigentümer auch für Bodenkontaminationen zustandsverantwortlich sein, die durch Vandalismus7 verursacht worden sind. Nach herrschender Meinung8 sei der Eigentümer sogar zur Beseitigung von Verunreinigungen verpflichtet, die ihren Ursprung auf einem Nachbargrundstück haben und die über den Boden oder über das Grundwasser auf sein Grundstück gelangt sind. Zum Teil wird die Ansicht9 vertreten, der Eigentümer des kontaminierten Grundstücks hafte auch für Verunreinigungen auf dem Nachbargrundstück. Bei einer derart weit gefaßten Zustandsverantwortlichkeit wird der Eigentümer zu einem Garanten für sämtliche von seiner Sache ausgehende Gefahren, ohne daß ein sachlicher Grund für eine solch weite Garantenpflicht besteht.10 Die besondere Weite des Tatbestandes der Zustandsverantwortlichkeit zeigt sich, wenn man sie mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Verhaltensverantwortlichkeit und der zivilrechtlichen Haftung11 vergleicht. So ist ein Verhaltensstörer, obwohl er der Gefahr regelmäßig näher steht als der Zustandsstörer, nur zur Abwehr verpflichtet, wenn er sie unmittelbar verursacht12 hat. Im Unterschied hierzu soll die Zustandsverantwortlichkeit unabhängig von einer Mitverantwortung an der Gefahrentstehung sein. Im Zivilrecht13 setzt die Haftung grundsätzlich eine rechtswidrige und schuldhafte Verursachung voraus. Eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung kommt nur in Betracht, wenn der Eigentümer eine besondere Gefahrenlage geschaffen oder aufrechterhalten hat. Die Zustandsverantwortlichkeit setzt demgegenüber weder voraus, daß der Eigentümer eine besondere Gefahrenlage geschaffen noch daß er sie aufrechterhalten hat. Selbst der Eigentümer von Ackerland, der zufälliges Opfer eines ___________ 6 Vgl. nur BVerwG, NVwZ 1992, 1908; NJW 1999, 213; VGH München, BayVBl. 1996, 437; 1997, 502; OVG Koblenz, DVBl. 1998, 103; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 320. 7 Eine Zustandshaftung des Eigentümers für durch Vandalismus verursachte Gefahren bejaht der VGH Kassel, DÖV 1994, 172 f. 8 VGH Mannheim, NVwZ 1990, 784; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1320). 9 Zum Diskussionsstand vgl. Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (412). 10 Gallwas/Mößle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Aufl., Rn. 458. 11 Zu den Zurechnungskriterien des zivilrechtlichen Haftungsrechts vgl. unter 9. Kap. C. 3. 12 Auf den in den Umweltschadensfällen häufig besonders schweren Nachweis der Verursachung wird unter 11. Kap. D. noch einzugehen sein. 13 Eine eingehende Darstellung der zivilrechtlichen Zustandshaftung findet sich unter 9. Kap. D. 3.

4. Kap.: Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit

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Tankwagenunfalls ist, bei dem Öl auf den Acker läuft und in den Boden dringt, ist nach herkömmlichem Verständnis Zustandsstörer, obwohl sich hierin nicht einmal ein sachtypisches Risiko verwirklicht.14 Die Zustandsverantwortlichkeit ist daher, anders als von einigen Autoren15 behauptet, gerade keine Gefährdungshaftung. Sowohl die Landespolizeigesetze als auch das Bundes-Bodenschutzgesetz haben die Zustandsverantwortlichkeit bewußt weit gefaßt. Dies wird zumeist damit begründet, daß nur durch eine weite Zustandsverantwortlichkeit eine effektive Gefahrenabwehr gewährleistet sei.16 Hierdurch soll sichergestellt werden, daß die Gefahr auch dann abgewehrt werden kann, wenn der Verursacher nicht auffindbar ist, nicht mehr existiert17 oder insolvent ist. Wie noch zu zeigen sein wird, ist eine weite Zustandsverantwortlichkeit jedoch keinesfalls Voraussetzung für eine effektive Gefahrenabwehr.18 Mit dem Hinweis auf eine effektive Gefahrenabwehr wird vielfach der wahre Grund der weitgefaßten Zustandsverantwortlichkeit verschleiert. Dieser besteht darin, der öffentlichen Hand so weit wie möglich die Kostentragung zu ersparen.19 Die Zustandsverantwortlichkeit führt in bestimmten Fallkonstellationen zu unbilligen Ergebnissen, weil sie einer gerechten Lastenverteilung20 widerspricht.21 Spannowsky22 hat treffend ausgeführt, daß „eine Maßnahme, die ___________ 14

Vgl. die Darstellung unter 3. Kap. A. I. Vgl. Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 29 ff.; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 173. 16 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 305; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 44 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 71; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 75. 17 Bedeutsam ist dies insbesondere in Fällen, in denen eine juristische Person aufgelöst worden ist. 18 Vgl. die Darstellung unter 4. Kap. E. 19 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (302); Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257. 20 Vgl. nur Spannowsky, UPR 1988, 376; DVBl. 1994, 560 (561 ff.); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f. 21 Papier, DVBl. 1985, 873 (878); JZ 1994, 810 (817); Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, S. 27; Spannowsky, UPR 1988, 376 (377); DVBl. 1994, 560 (562); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 152; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 41 ff.; Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schink, DÖV 1995, 213 (223). 22 UPR 1988, 376 (377). 15

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

schnell und wirksam die Gefahr beseitigt, ... nicht gleichzeitig gerecht sein (muß)“. Das Gebot der gerechten Lastenverteilung ist eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes und des allgemeinen (rechtsstaatlichen) Gerechtigkeitsprinzips.23 Es besagt, daß die Lasten sowohl im Verhältnis zu anderen Störern als auch zur Allgemeinheit gerecht verteilt werden müssen.24 Dies setzt voraus, daß der Zustandsstörer der Gefahr ähnlich nahe wie ein Verhaltensstörer und näher als jeder beliebige Dritte stehen muß. Lastengerechtigkeit läßt sich nur herstellen, wenn die Zustandshaftung von einer besonderen Verantwortung für die Entstehung oder für die Übernahme der Gefahr abhängig gemacht wird.25 Der Eigentümer ist folglich nur dann Zustandsstörer, wenn ihm die Gefahr zugerechnet werden kann.26 Anderenfalls wird ihm ein Risiko der Allgemeinheit aufgebürdet.27

B. Die Opferfälle Angesichts der Schärfe der Haftung verwundert es nicht, daß die Zustandsverantwortlichkeit von vielen als unbillig angesehen wird, wenn sich der Eigentümer in einer Opferposition befindet.28 Die Rechtsprechung und das Schrifttum begnügen sich jedoch zumeist damit, die Unbilligkeit festzustellen. Den Grund der Unbilligkeit arbeiten sie hingegen nicht heraus.29 Der Eigentümer befindet sich in einer Opferposition, wenn die Gefahr durch einen Dritten verursacht worden ist und der Eigentümer hieran keine Mitverantwortung trägt. ___________ 23

Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 114; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 169. Für steuerliche Lasten vgl. auch BVerfGE 84, 239 (268 f.). 24 OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 114. 25 So bereits Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (296) sowie jüngst Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 118; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 170. 26 Auf die für die Zustandsverantwortlichkeit maßgebenden Zurechnungskriterien wird unter 5. Kap. C. II. näher eingegangen. 27 Ähnlich Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (296). 28 Papier, DVBl. 1985, 873 (878); derselbe, JZ 1994, 810 (817); Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, S. 27; Spannowsky, UPR 1988, 376 (377); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; DVBl. 1994, 560 (562); Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 152; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 41 ff.; Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schink, DÖV 1995, 213 (223). 29 Zustimmend Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 6, Fn. 34.

4. Kap.: Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit 101

Der Grundeigentümer hat die Gefahr zum einen dann mitzuverantworten, wenn er unterhalb der Schwelle der unmittelbaren Verursachung an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt30 hat.31 Dies ist der Fall, wenn der Eigentümer sein Grundstück einem Dritten zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung zur Verfügung gestellt hat.32 Hierdurch wird der Grundeigentümer zwar nicht zum Verhaltensstörer. Setzt er sein Grundstück aber in besonderem Maße Umweltrisiken aus, indem er es etwa an den Betreiber einer Abfalldeponie oder einer Tankstelle verpachtet, so billigt er das eingegangene Risiko.33 Er kann die Sanierungskosten dann nicht auf die Allgemeinheit abwälzen.34 Der Eigentümer trägt zum anderen dann eine Mitverantwortung für die Gefahr, wenn er das Grundstück in Kenntnis oder in grob fahrlässiger Unkenntnis der Bodenkontamination erworben hat.35 Weiß der Eigentümer um die eingegangenen Risiken oder nimmt er sie jedenfalls billigend in Kauf, so ist er nicht schutzwürdig.36

C. Die verschiedenen Opferkonstellationen Eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit ist in den vergangenen 50 Jahren wiederholt diskutiert worden. Anlaß hierfür boten die folgenden Konstellationen. Die unbeschränkte Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers wurde erstmals in den sog. Kriegstrümmerfällen in Frage gestellt.37 Bei ihnen ging es ___________ 30

Anerkannt ist, daß die Mitverursachung der Gefahr für die Verantwortlichkeit genügt; vgl. nur OVG Lüneburg, NJW 1998, 97 (98); VGH Mannheim, NuR 2001, 460. 31 Vgl. die ausführliche Darstellung unter 5. Kap. C. II. 2. 32 BVerwG, NVwZ 1992, 480; NJW 1998, 48; OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); OVG Lüneburg, NuR 1990, 480 (481); Schink, DVBl. 1986, 161 (170); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (44); NVwZ 1987, 7 (17); Mehlich, BWVP 1991, 269 (271); Spilok, Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg, § 10 Rn. 3. 33 Ebendort. 34 Zustimmend etwa Schwerdtner, NVwZ 1992, 141 (143); Papier, DVBl. 1985, 873 (878). 35 VGH Mannheim, NuR 1987, 320 (321); Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Breuer, NVwZ 1987, 751 (756). Vgl. die ausführliche Begründung unter 5. Kap. C. II. 3. 36 BVerwG, NVwZ 1991, 475; 1997, 577 f.; VGH Mannheim, VBlBW 1995, 488; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Breuer, JuS 1986, 359 (383); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, Diss. Köln, 1989, S. 99; Eckstein, BWVP 1994, 251 (252); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 303. 37 VGH Freiburg, JZ 1953, 238 ff. mit zustimmender Anm. von Hans Schneider; NJW 1956, 76 f.; OVG Koblenz, DÖV 1959, 216.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

darum, ob Grundeigentümer, deren Häuser im 2. Weltkrieg von Bomben getroffen worden waren und die einzustürzen drohten, zur Abwehr der Einsturzgefahr verpflichtet werden konnten. Die herrschende Meinung38 hielt auch in den Kriegstrümmerfällen an der unbeschränkten Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers fest. Demgegenüber lehnte eine Mindermeinung39 die Inanspruchnahme des Grundeigentümers als unzumutbar ab. Von praktischer Bedeutung ist noch heute die Frage, ob Grundeigentümer verpflichtet werden können, Kriegs- und Rüstungsaltlasten aus dem 2. Weltkrieg – wie Bomben und Munition – auf eigene Kosten zu beseitigen.40 In den 60er und 70er Jahren haben mehrere Unfälle von Tankwagen, durch die Öl auslief und in das Erdreich des am Unfallort angrenzenden Grundstücks sickerte, zu der Diskussion Anlaß gegeben, ob der Grundeigentümer zur Abtragung der ölverseuchten Erdschichten herangezogen werden kann.41 Die herrschende Meinung bejahte auch in den Tankwagenfällen eine unbeschränkte Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers.42 Den Tankwagenunfällen gleichzustellen sind andere Unfälle bei Gefahrguttransporten, Flugzeugabstürze oder Störfälle in einer benachbarten Industrieanlage, durch die Gefahrstoffe von außen auf das zufällig betroffene Grundstück einwirken. Sie werden nachfolgend als Fremdeinwirkungsfälle bezeichnet. Seit Mitte der 80er Jahre wird die Diskussion um eine Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit durch die Altlastenfälle beherrscht.43 Hierbei geht es insbesondere um Gefahren, die von stillgelegten Abfalldeponien und ehemaligen Industrieanlagen und Gewerbebetrieben durch Schadstoffrückstände im Boden ausgehen. Umstritten ist, ob der Erwerber eines kontaminierten Grund___________ 38 BVerwGE 10, 282; OVG Münster, OVGE 5, 185 ff.; OVG Lüneburg, JZ 1952, 437; OVG Berlin, DÖV 1954, 214 ff.; Lücke, Die (Un)-Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten, 1973, 23. 39 VGH Freiburg, JZ 1953, 238 mit zustimmender Anm. von Hans Schneider; NJW 1956, 76 f.; OVG Koblenz, DÖV 1959, 216. 40 Vgl. eingehend Peine, DVBl. 1990, 733 ff.; Schink, DÖV 1995, 213 (219). 41 BGH, DVBl. 1970, 499; BVerwG, DVBl. 1974, 297; OVG Münster, JZ 1964, 367; DVBl. 1969, 594; Gieseke, ZfW 1964, 179 (189); Holtzmann, DVBl. 1965, 902; Czychowski, DVBl. 1970, 379 ff.; Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 ff. 42 BVerwG, DVBl. 1974, 297; OVG Münster, JZ 1964, 367 (368); DVBl. 1969, 594; 1970, 392; 1971, 828 (829); Gieseke, ZfW 1964, 179 (189); Kimmel, Eigentum und Polizei, S. 173; Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 210. 43 Vgl. Papier, DVBl. 1985, 873 ff.; Breuer, JuS 1986, 359 ff.; Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (42 ff.); Schink, DVBl. 1986, 161 ff.; Henkel, Altlasten als Rechtsproblem, 1987; Nikolaus Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, 1989; S. 30 ff.; Dombert, Altlastensanierung in der Rechtspraxis, 1990; Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, 1992; Brandt, Altlastenrecht, 1993.

4. Kap.: Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit 103

stücks auch dann unbeschränkt zustandsverantwortlich ist, wenn er im Erwerbszeitpunkt die Bodenverunreinigung weder kannte noch kennen mußte.44 Praktisch bedeutsam sind die Fälle, in denen der Grundeigentümer ein als Bauland ausgewiesenes Grundstück in Unkenntnis seiner früheren Nutzung als Abfalldeponie oder als Industriestandort erworben hat. Allen drei Fallkonstellationen ist gemein, daß der Eigentümer selbst in keinerlei Weise an der Gefahrentstehung mitgewirkt45 hat, sondern Opfer des Verhaltens Dritter ist.

D. Das Dilemma der Opferfälle Das Dilemma der Opferfälle besteht darin, daß die Behörde dem Eigentümer eine Last auferlegt, die eigentlich der Verhaltensstörer und – wenn dieser nicht in Anspruch genommen werden kann oder soll (z. B. aus wirtschaftspolitischen Gründen46) – die Allgemeinheit zu tragen hätte. Dieses Dilemma läßt sich nicht dadurch auflösen, daß die Behörde nach Ansicht der Rechtsprechung47 und der herrschenden Lehre48 grundsätzlich verpflichtet ist, den Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu ___________ 44 BVerwG, NVwZ 1991, 475; NVwZ 1997, 577 f.; VGH Mannheim, VBlBW 1995, 488; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Breuer, JuS 1986, 359 (383); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 99; Eckstein, BWVP 1994, 251 (252); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 303. 45 Wenn in dieser Untersuchung von einer Mitwirkung des Grundeigentümers an der Gefahrentstehung die Rede ist, so ist hiermit keine die Verhaltensverantwortlichkeit auslösende unmittelbareVerursachung gemeint. Der Eigentümer wirkt vielmehr dadurch an der Gefahrentstehung mit, daß er dem späteren Verursacher der Gefahr sein Grundstück zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung überläßt, z. B. indem er es an den Betreiber einer Abfalldeponie oder einer Fabrik verpachtet. 46 Bedeutsam sind hier die Fälle, in denen die Behörde zum Erhalt von Arbeitsplätzen von der Heranziehung des verursachenden Unternehmens absieht, wenn dieses bei Tragung der Sanierungskosten in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriete. 47 OVG Hamburg, DVBl. 1953, 542; OVG Koblenz, VR 19, 849; OVG Münster, DVBl. 1964, 683 ff.; DVBl. 1971, 828; DVBl. 1973, 924; VGH München, BayVBl. 1974, 342; DVBl. 1986, 1283; VGH Kassel, UPR 1986, 437 (439); OVG Lüneburg, NuR 1988, 151 ff.; NVwZ 1990, 786 (787); OVG Koblenz, DÖV 1990, 844 (845); a.A. VGH Mannheim, DÖV 1990, 1046 f.; VBlBW 1995, 281. 48 Ossenbühl, DÖV 1976, 463; Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 210 f.; Hohmann, DVBl. 1984, 997 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 304 f. und 321; Schink, DVBl. 1986, 161 (168); Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, 1988, S. 131; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 37 ff.; Leisner, UTR 12 (1990), 217 (231); Becker, DVBl. 1999, 134 (137).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

nehmen. Dieser Grundsatz gilt nur als Faustregel und schützt den Eigentümer gerade in den Fällen nicht, in denen er am schutzbedürftigsten ist. So kann der Eigentümer nach ganz herrschender Meinung49 anstelle des Verursachers zur Gefahrenabwehr herangezogen werden, wenn allein der Eigentümer die Gewähr für eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr bietet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verhaltensstörer nicht oder nur schwer ermittelt werden kann, er nicht mehr existiert oder er weder zur Gefahrenabwehr noch zur Kostentragung in der Lage ist.50 Wird ein Eigentümer in diesen Fällen zur Gefahrenabwehr herangezogen, so wird er häufig keinen Ausgleich von anderen Störern erlangen können. Der Bundesgesetzgeber hat mit § 24 Abs. 2 BBodSchG zwar eine Anspruchsgrundlage für einen störerinternen Ausgleichsanspruch geschaffen.51 Danach kann der Eigentümer von dem Verhaltensstörer regelmäßig Ausgleich für die aufgewandten Sanierungskosten verlangen, weil nach § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG derjenige die endgültigen Lasten zu tragen hat, der die Bodenkontamination verursacht hat. Die Parteien können allerdings eine andere Lastenverteilung vereinbaren.52 Allerdings läßt sich der Ausgleichsanspruch vielfach nicht durchsetzen. Der ausgleichsberechtigte Eigentümer trägt das Risiko, daß ihm die Ermittlung des Verursachers und der Nachweis seines Verursachungsbeitrags mißlingt. Überdies läuft er Gefahr, den Anspruch wegen Zahlungsunfähigkeit des Verhaltensstörers nicht durchsetzen zu können. Der Ausgleichsanspruch kann daher nicht die Unbilligkeit beseitigen, die sich aus der ___________ 49 OVG Münster, DVBl. 1971, 828; VGH München, NJW 1984, 1196; VGH Kassel, DÖV 1987, 260 (261); OVG Koblenz, NJW 1987, 1369 (1370); DÖV 1990, 844 (845); OVG Lüneburg, NuR 1988, 151 ff.; NVwZ 1990, 786 (787); Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen, 1980, S. 64 ff.; Kormann, UPR, 1983, 281 (284); Seibert, DÖV 1983, 964 (971); Schwabe, UPR 1984, 7 ff.; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 65; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 305; Kloepfer, UTR 1 (1986), 47 f.; Papier, UTR 1 (1986), 79 f.; Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 130; Schwachheim, NVwZ 1988, 225 (227); Staupe, DVBl. 1988, 606 (609); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 37 ff.; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 70. 50 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 305. 51 Zum Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG vgl. unter 11. Kap. E. Vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes lehnte der Bundesgerichtshof einen Gesamtschuldnerausgleich unter Störern entsprechend § 426 Abs. 1 BGB in ständiger Rechtsprechung ab; vgl. BGH, NJW 1981, 2458 und 1996, 845. Demgegenüber bejahte die herrschende Lehre einen solchen Anspruch; vgl. Kormann, UPR 1983, 281 (283); Schwabe, UPR 1983, 7 (10); Seibert, DÖV 1983, 964 (973 ff.); Spannowsky, UPR 1988, 376 (380); Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 ff. 52 Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, 1998, § 24 Rn. 5; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes- Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 29; Bickel, Bundes- Bodenschutzgesetz, 1999, § 24 Rn. 12. Vgl. hierzu die eingehende Darstellung unter 11. Kap. E.

4. Kap.: Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit 105

Inanspruchnahme des Eigentümers in den Opferfällen ergibt.53 Sachgerechte Ergebnisse lassen sich nur erzielen, wenn entweder die Opferfälle tatbestandlich aus der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen werden oder wenn die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht begrenzt wird.54 Nur auf diese Weise kann verhindert werden, daß der Eigentümer mit Risiken belastet wird, denen er nicht näher steht als jeder beliebige Dritte.55

E. Angeblicher Konflikt zwischen effektiver Gefahrenabwehr und gerechter Lastenverteilung Gegen eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen wird im wesentlichen vorgebracht, daß dies die effektive Gefahrenabwehr beeinträchtigte.56 Die Vertreter dieser Ansicht überschätzen allerdings bei weitem die Bedeutung des Effektivitätsgebots im Gefahrenabwehrrecht. Das Effektivitätsgebot spielt nur bei der Heranziehung des Störers zur Gefahrenabwehr auf der Primärebene eine Rolle. 57 Hat die Behörde die Gefahr hingegen bereits beseitigt und verlangt sie auf der Sekundärebene von einem Störer Ersatz ihrer Kosten, so ist für Effektivitätsgesichtspunkte kein Platz. Da keine Gefahr mehr besteht, kann es auch nicht um eine effektive Gefahrenabwehr gehen.58 Die Inanspruchnahme zur Kostentragung ist allein eine Frage der gerechten Lastenverteilung.59 Die Behörde muß die Kosten dem letztverantwortlichen Störer auferlegen. Eine Kostentragung durch den Eigentümer schei___________ 53

A.A. Spannowsky, UPR 1988, 376 (378). Zustimmend Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 178 f. Die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit auf der Tatbestands- oder auf der Rechtsfolgenseite zu begrenzen ist, wird unter Kapitel 8 eingehend erörtert. 55 So bereits Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, 293 (303). 56 Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 41 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 90 ff.; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 290; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121 ff.; Spannowsky, UPR 1988, 376 (378); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (463); Di Fabio, NVwZ 1995, 1 (6) sowie jüngst Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 108 ff. und Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 169 ff. 57 Vgl. nur Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 57 ff.; Waechter, VerwArch 88 (1997), 298 (328 f.); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 172. 58 Zustimmend Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 57 ff.; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 172. 59 Spannowsky, UPR 1988, 376; DVBl. 1994, 560 (561 ff.); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f. 54

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

det aus, wenn sich dieser in einer Opferposition befindet, weil ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden kann.60 Aber auch auf der Primärebene wird die Bedeutung des Effektivitätsgebots in den Umweltschadensfällen, die Gegenstand dieser Untersuchung sind, überbewertet.61 Hierunter werden alle (drohenden) Verunreinigungen des Bodens und der Gewässer durch Gefahrstoffe verstanden. Schaut man sich die Umweltschadensfälle genauer an, so zeigt sich, daß in ihrer großen Mehrzahl eine persönliche Vornahme der Gefahrenabwehrmaßnahmen durch den Eigentümer nicht in Betracht kommt.62 Der Grundeigentümer wird regelmäßig nicht über das erforderliche fachliche und technische Know-how verfügen, um persönlich Maßnahmen der Gefahrerforschung, Sicherung, Dekontamination oder Überwachung ergreifen zu können.63 Der Eigentümer ist in den Umweltschadensfällen regelmäßig darauf angewiesen, einen Spezialisten mit der Abwehr der Gefahr zu beauftragen.64 Der persönliche Beitrag des Eigentümers an der Gefahrenabwehr besteht dann im wesentlichen in der Finanzierung des Spezialisten.65 Hinzu kommen untergeordnete Tätigkeiten, wie die Beauftragung und Überwachung des Spezialunternehmens.66 Beschränkt sich der Beitrag des Eigentümers aber bereits auf der Primärebene auf die Kostentragung, so dient seine Inanspruchnahme nicht der effektiven Gefahrenabwehr. Unter Effektivitätsgesichtspunkten ist es nämlich gleichgültig, ob der Eigentümer oder ob die Behörde das Spezialunternehmen mit den Gefahrenabwehrmaßnahmen beauftragt.67 Die entscheidende Frage ist, ob der Eigentümer oder die Allgemeinheit die finanziellen Lasten zu tragen hat.68 Dies ist jedoch einzig eine Frage der gerechten Lastenverteilung.69 Befindet sich der Eigentümer in einer Opferposi___________ 60

Vgl. die eingehende Darstellung unter 8. Kap. E. Zustimmend Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 113 sowie Becker, UPR 2004, 1 (2). 62 Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 291; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 113. 63 Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 113. 64 Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 12 ff. 65 Knopp, DÖV 2001, 441 (450). 66 A.A. Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 142, der hierin eine umfassende Organisationspflicht sieht. 67 Ebendort, S. 14. 68 Ebendort. 69 Spannowsky, UPR 1988, 376; DVBl. 1994, 560 (561 ff.); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f. 61

4. Kap.: Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit 107

tion, so widerspricht es dem Gebot der gerechten Lastenverteilung, wenn er gleichwohl zur Gefahrenabwehr verpflichtet wird. Gegen eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit kann auch nicht eingewandt werden, daß die Behörde bei der Sanierung darauf angewiesen ist, das Grundstück zu betreten. Gestattet der Grundeigentümer der Behörde nicht freiwillig den Zutritt und die Durchführung der Sanierungsarbeiten, so kann die Behörde ihn zur Duldung verpflichten.70 Sie kann eine Duldungsverfügung auch dann erlassen, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes nicht vorliegen. Wie noch darzulegen71 sein wird, ist die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht zu begrenzen.72 Das Bundes-Bodenschutzgesetz verdeutlicht, daß eine Person zwar duldungspflichtig sein kann, nicht aber zugleich sanierungsverantwortlich sein muß. §§ 9 Abs. 2 S. 3, 12 BBodSchG ermächtigen die Behörde, den Grundeigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Duldung von Gefahrenabwehrmaßnahmen zu verpflichten, soweit das Landesrecht eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß einer Duldungsverfügung bereit hält. Die Duldungspflicht besteht unabhängig davon, ob der Grundeigentümer sanierungsverantwortlich ist.73 Die überwiegende Mehrzahl der Landesaltlastengesetze74 sieht eine solche Duldungspflicht vor. In den übrigen Bundesländern bedarf es zum Erlaß einer Duldungsverfügung eines Rückgriffs auf die polizeiliche Generalklausel.75 Kann die Behörde in den Opferfällen keinen anderen Störer zur Gefahrenabwehr heranziehen, so muß sie die Gefahr abwehren oder einen Dritten (i.d.R. ein Spzialunternehmen) mit der Abwehr beauftragen. Die Finanzierung hat ___________ 70 Im Ergebnis zustimmend Baur, JZ 1964, 354 (356); Gieseke, ZfW 1964, 179 (189); Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (300 ff.); Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 210; Kimmel, Eigentum und Polizei, S. 189 ff.; Hohmann, DVBl. 1984, 997 ff.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 47 ff.; Seibert, DVBl. 1985, 328 f.; Schink, DVBl. 1986, 161 (169 f.); Kloepfer, NuR 1987, 7 (17); Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 11 f. 71 Vgl. die Darstellung unter 8. Kap. E. 72 Baur, JZ 1964, 354 (356); Gieseke, ZfW 1964, 179 (189); Kimmel, Eigentum und Polizei, S. 189 ff.; Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 210; Hohmann, DVBl. 1984, 997 ff.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 11 f.; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 47 ff.; Seibert, DVBl. 1985, 328 f.; Schink, DVBl. 1986, 161 (169 f.); Kloepfer, NuR 1987, 7 (17). 73 Vgl. Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes- Bodenschutzgesetz, § 9 Rn. 21 f. 74 § 7 Abs. 3 BWBodSchG, Art. 28 Abs. 2 BayAbfAltG, § 34 BbgAbfG, § 12 Abs. 2 BlnBodSchG, § 13 Abs. 2 BremAGAbfG, § 10 Abs. 2 HmbAGAbfG, § 6 Abs. 1 HAltlastG, § 19 Abs. 2 NdsAbfG, § 31a Abs. 1 NRWAbfG, § 37 Abs. 2 SaarlAWG, § 10 Abs. 4 SächsEGAB und § 17 Abs. 2 S. 3 ThürAbfAltG. 75 Vgl. Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 9 Rn. 21 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

dann aus dem Steueraufkommen zu erfolgen. Leere öffentliche Kassen rechtfertigen es nicht, eine Last der Allgemeinheit willkürlich einem Bürger aufzuerlegen.76 Einigen Autoren, die das Effektivitätsgebot im Munde führen, um eine Inanspruchnahme des Eigentümers auch in den Opferfällen zu rechtfertigen, geht es in Wirklichkeit allein darum, die Verlagerung der Kostenlast von den öffentlichen Haushalten auf den Eigentümer zu kaschieren. Am deutlichsten kommt dies bei Wacke77 zum Ausdruck, der davon spricht, daß die Härten der Zustandshaftung absichtlich dem Eigentümer auferlegt werden, um die Allgemeinheit hiervon freizuhalten.78 Zu Recht hat Friauf79 bereits vor mehr als 30 Jahren darauf hingewiesen, daß es in einem Rechtsstaat unerträglich wäre, aus angeblichen Gründen des Allgemeinwohls Kosten im Widerspruch zum Gebot der gerechten Lastenverteilung80 von der öffentlichen Hand auf einzelne Bürger abzuwälzen.

F. Zusammenfassung Die Zustandsverantwortlichkeit ist das strengste Haftungsinstitut des deutschen Rechts, weil der Eigentümer nach herkömmlichem Verständnis verpflichtet ist, die Gefahr unter Einsatz seines gesamten Vermögens abzuwehren. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Eigentümer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat oder ob er Opfer des Verhaltens eines Dritten ist. Demgegenüber setzt die zivilrechtliche Gefährdungshaftung voraus, daß der Eigentümer eine besondere Gefahrenlage geschaffen oder aufrechterhalten hat. Hieran fehlt es in den Opferfällen. Nach herrschender Meinung führt die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen zu unbilligen Ergebnissen. Grund hierfür ist, daß das geltende Störer___________ 76 Ritgen, GewArch 1998, 393 (396); Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (65); Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 189; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 167 f. 77 In: Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl., 1961, S. 324. 78 Auch Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 189 hat jüngst die Entlastung der öffentlichen Haushalte als Begründung für die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers angeführt. 79 In: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 298 (303). 80 Spannowsky, UPR 1988, 376; DVBl. 1994, 560 (561 ff.); Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f.

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recht den Eigentümer selbst dann als Zustandsstörer einstuft, wenn er der Gefahr nicht ähnlich nahe wie ein Verhaltensstörer oder zumindest näher als jeder beliebige Bürger steht. Eine sachgerechte Eingrenzung läßt sich nur erreichen, wenn man die Zustandsverantwortlichkeit von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung abhängig macht. Das Dilemma der Opferfälle ist auch nicht durch die Einführung des Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG aufgelöst worden. Ist der Eigentümer Opfer eines Tankwagenunfalls, so steht ihm zwar gegen den Verursacher des Unfalls ein Anspruch auf Ausgleich der aufgewandten Sanierungskosten zu. Dieser Anspruch ist jedoch dann wirtschaftlich wertlos und beseitigt die Opferposition des Eigentümers nicht, wenn der Verursacher nicht auffindbar oder nicht zahlungsfähig ist. Gegen eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit kann in den Umweltschadensfällen nicht eingewandt werden, daß die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Eigentümers aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr unverzichtbar sei.81 Kann nämlich der Eigentümer die Gefahr nicht persönlich abwehren – wie dies in den Umweltschadensfällen regelmäßig der Fall ist – so macht es unter Effektivitätsgesichtspunkten keinen Unterschied, ob der Eigentümer oder die Behörde ein Spezialunternehmen mit der Gefahrenabwehr beauftragt. In diesem Fall geht es einzig um die Verteilung der Kosten. Insoweit handelt es sich ausschließlich um eine Frage der gerechten Lastenverteilung.82 Der Hinweis auf die effektive Gefahrenabwehr wird vereinzelt dazu mißbraucht, um zu verschleiern, daß Kosten, die von der Allgemeinheit zu tragen sind, auf einzelne Grundeigentümer abgewälzt werden sollen.

___________ 81 A.A. Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105 f.; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 172. 82 Spannowsky, UPR 1988, 376; DVBl. 1994, 560 (561 ff.); Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f.

5. Kapitel

Die Zurechnung der Gefahr A. Einleitung Der Störer unterscheidet sich vom Nichtstörer dadurch, daß ihm die Gefahr zugerechnet werden kann.1 Die Zurechnung begründet die Ordnungspflicht, eine Gefahr auf eigene Kosten abzuwehren. Maßstab der Zurechnung ist im Gefahrenabwehrrecht die Nähe zur Gefahr. Aufgabe der Zurechnung ist es, aus dem Kreis sämtlicher Bürger den- oder diejenigen auszuscheiden, die der Gefahr näher stehen als ein beliebiger Dritter. Angesichts der Opferfälle ist jedoch zweifelhaft, ob eine allein durch die tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft2 begrenzte Zustandsverantwortlichkeit nicht zu weit gefaßt ist und ob es daher in den Opferfällen nicht an einem hinreichenden Zurechnungsgrund fehlt. Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Eigentümer eine Gefahr zugerechnet werden kann. Da die Zurechnungskriterien bei der Zustandsverantwortlichkeit nicht isoliert betrachtet werden können, ist auch auf den Zurechnungsgrund bei der Verhaltensverantwortlichkeit einzugehen. Wie sich zeigen wird, lassen sich aus den der Verhaltensverantwortlichkeit zugrundeliegenden Zurechnungskriterien Rückschlüsse für die Zustandsverantwortlichkeit ziehen. Bei der Verhaltensverantwortlichkeit haben sich Rechtsprechung und Schrifttum recht intensiv mit den maßgebenden Zurechnungskriterien auseinandergesetzt, auch wenn sich zeigen wird, daß die Diskussion noch nicht den wissenschaftlichen Stand des Zivilrechts erreicht hat.3 Demgegenüber sind bei der Zustandsverantwortlichkeit die Zurechnungskriterien nie ernsthaft unter-

___________ 1

Hurst, AöR 83 (1958), 43 (45 ff.); Quaritsch, DVBl. 1959, 455 ff.; Papier, DVBl. 1975, 567 ff.; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 172 (202); Scholler/Broß, DÖV 1976, 472; Niemuth, DÖV 1988, 291 (295); Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 58 ff.; Spilok, Bodenschutzgesetz BadenWürttemberg, § 10 Rn. 3; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 149. 2 Zumal die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten und des früheren Eigentümers gemäß § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. und Abs. 6 BBodSchG sich weder mit der tatsächlichen noch mit der rechtlichen Sachherrschaft begründen läßt. 3 Vgl. hierzu die nachfolgende Darstellung im Abschnitt B.

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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sucht worden.4 Insofern trifft Friaufs5 Feststellung aus dem Jahre 1971 auch heute noch zu, daß sich „das wissenschaftliche Interesse (...) ganz überwiegend den Problemen der Handlungshaftung zugewandt hat und Fragen der Zustandshaftung dabei in der Regel allenfalls beiläufig als ‚Abfallprodukt‘ mitbehandelt“ worden seien. Vor diesem Hintergrund soll zunächst anhand der Verhaltensverantwortlichkeit sowie unter Bezugnahme auf das Zivil- und Strafrecht gezeigt werden, daß die Verursachung zwar Ausgangspunkt der Zurechnung ist, daß daneben zur Eingrenzung der ansonsten uferlosen Weite jedoch eine wertende Betrachtung erforderlich ist (hierzu sogleich im Abschnitt B.). Im Anschluß hieran wird der Meinungsstand über die maßgebenden Zurechnungslehren bei der Verhaltensverantwortlichkeit dargestellt (vgl. Abschnitt C.). Im Abschnitt D. werden die von der Rechtsprechung und der Lehre bei der Zustandsverantwortlichkeit zugrundegelegten Zurechnungskriterien herausgearbeitet, bevor im Abschnitt E. ein eigener Lösungsvorschlag für die maßgebenden Zurechnungskriterien bei der Zustandsverantwortlichkeit präsentiert wird. Abschnitt F. schließlich geht der Frage nach, ob einem Zustandsverantwortlichen bei Boden- oder Gewässerkontaminationen auch Gefahren zugerechnet werden können, die von dem eigenen Grundstück ausgehen und ein fremdes Grundstück oder das Grundwasser infizieren.

B. Verursachung als Ausgangspunkt der Zurechnung I. Tatbestandliche Anknüpfung an eine Verursachung Anknüpfungspunkt sowohl der Verhaltens- als auch der Zustandsverantwortlichkeit ist die Verursachung einer Gefahr. Nach § 4 MEPolG6 setzt die Verhaltensverantwortlichkeit voraus, daß jemand durch sein Verhalten eine Gefahr verursacht. § 4 Abs. 1 MEPolG lautet: Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen sie zu richten.

___________ 4 So zutreffend Friauf, DVBl. 1971, 713 (716). Die unter VVDStRL 35 (1977), 345 ff. veröffentlichten Diskussionsansätze Ossenbühls (S. 345 ff.), Selmers (S. 347 f.) und Bachofs (S. 348 f.) wurden von den Autoren in der Folgezeit nicht aufgegriffen. 5 DVBl. 1971, 713 (716). 6 Die Länder haben im wesentlichen inhaltsgleiche Regelungen getroffen; vgl. § 6 BWPolG, Art. 7 Abs. 1 BayPAG, § 13 Abs. 1 BlnASOG, § 16 Abs. 1 BbgOBG, § 5 Abs. 1 BremPolG, § 8 Abs. 1 HmbSOG, § 6 Abs. 1 HSOG, § 69 Abs. 1 MVSOG, § 6 NGefAG, § 17 Abs. 1 NRWOBG, § 4 Abs. 1 NRWPolG, § 4 Abs. 1 RhPfPOG, § 4 Abs. 1 SaarlPolG, § 7 Abs. 1 SASOG, § 4 Abs. 1 SächsPolG, § 218 Abs. 1 SHLVwG, § 10 Abs. 1 ThürOBG und § 7 Abs. 1 ThürPAG.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Die Zustandsverantwortlichkeit knüpft nach § 5 Abs. 1 MEPolG daran an, daß von einem Tier oder einer Sache eine Gefahr ausgeht. 7 § 5 Abs. 1 MEPolG hat folgenden Wortlaut: Geht von einer Sache eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten.

Anknüpfungspunkt ist auch bei der Zustandsverantwortlichkeit eine Verursachung. Allerdings muß diese nicht notwendigerweise durch menschliches Verhalten hervorgerufen sein.8 Die Gefahr kann in seltenen Ausnahmefällen Folge von Naturereignissen (wie z. B. bei Steinschlag oder bei einem Hangrutsch) oder sonstiger höherer Gewalt sein. Regelmäßig wird eine Sachgefahr allerdings durch menschliches Verhalten verursacht.

II. Äquivalenztheorie Aufgabe des Störerrechts ist daher zunächst die Bestimmung der Ursachen der Gefahr. Wie das Zivilrecht9 und das Strafrecht10 nimmt das Störerrecht diese erste grobe Prüfung anhand der von Glaser begründeten und durch von Buri fortentwickelten Bedingungs- oder Äquivalenztheorie vor. Nach der Äquivalenztheorie ist jedes Verhalten kausal, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele (sog. conditio-sine-qua-non-Formel). Die Äquivalenztheorie unterscheidet nicht zwischen nahen und entfernten Ursachen, sondern geht von der Gleichwertigkeit aller Ursachen aus. Deshalb ist sie nach einhelliger Meinung11 allein nicht zur Bestimmung der maßgebenden ___________ 7

Vgl. in den Landespolizeigesetzen § 7 BWPolG, Art. 8 BayPAG, § 14 BlnASOG, § 17 BbgOBG, § 6 BremPolG, § 9 HmbSOG, § 7 HSOG, § 70 MVSOG, § 7 NGefAG, § 18 NRWOBG, § 5 NRWPolG, § 5 RhPfPOG, § 5 SaarlPolG, § 8 SASOG, § 5 SächsPolG, § 219 SHLVwG, § 11 ThürOBG und § 8 ThürPAG. 8 Das Gefahrenabwehrrecht hat sich der im Zivilrecht herrschenden Ansicht (vgl. nur Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (484)), daß die Verursachung stets ein menschliches Verhalten voraussetze, nicht angeschlossen. Vgl. nur Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 191 m.w.N. sowie für das Umweltrecht nur § 6 Abs. 2 UGB-KomE. Dort heißt es: „Werden erhebliche nachteilige Einwirkungen oder Gefahren für die Umwelt oder den Menschen durch den Zustand von Sachen verursacht, so sind auch Eigentümer und Besitzer dafür verantwortlich“. 9 Vgl. nur BGHZ 2, 141; 25, 84; Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., Vorbem v § 249 Rn. 57. 10 RGSt. 44, 244; BGHSt. 1, 332; 2, 24; 7, 114; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., 1996, § 28 II; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Aufl., 2001, Vor § 13 Rn. 73 ff. 11 OVG Lüneburg, OVGE 14, 396 (402); Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, S. 83; Löhnert, Der Begriff des Störers, Diss. Würzburg 1967, S. 8;

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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Ursache geeignet, wie folgendes Beispiel verdeutlicht. Bedroht ein Räuber sein Opfer mit einer Pistole, so ist die Herstellung der Waffe ebenso conditio sine qua non für die von dem Raubüberfall ausgehende Lebensgefahr wie die Drohung mit vorgehaltener Waffe. Es liegt jedoch auf der Hand, daß der Waffenhersteller nicht für die allein vom Willensentschluß des Räubers abhängige Drohung verantwortlich gemacht werden kann. Wie das Beispiel des Raubüberfalls zeigt, wird eine Gefahr regelmäßig durch mehrere Ursachen oder Ursachenketten hervorgerufen.12 Sind anhand der Äquivalenztheorie die in Frage kommenden Ursachen – und damit die Mindestkausalitätserfordernisse13 – bestimmt, so besteht die Aufgabe der Zurechnung nun darin, aus der Vielzahl der Ursachen oder Ursachenketten diejenige herauszufiltern, die maßgebend zu der Entstehung der Gefahr beigetragen hat.14 Wie im Zivil- und Strafrecht bedarf es hierzu auch im Gefahrenabwehrrecht Kriterien jenseits der Kausalität, weil die reine Kausalität nichts über die Wertigkeit der Ursachen aussagt. Die Zurechnung muß hierzu um eine wertende Betrachtung ergänzt werden.

III. Adäquanztheorie Das Zivilrecht15 nimmt eine weitere Eingrenzung in einem zweiten Prüfschritt anhand der Adäquanztheorie16 vor, um eine Zurechnung von Schäden auszuschließen, mit denen der Schädiger nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht rechnen mußte.17 Hierdurch werden gänzlich unwahrscheinliche Kausalverläufe ausgeschieden. Im Zivilrecht hat sich allerdings gezeigt, daß die Adäquanztheorie allein nicht geeignet ist, die Zurechnung sachgerecht zu begrenzen. Ihre dogmatische Schwäche liegt darin, daß sie den Kausalzusammenhang leugnet, wo aufgrund wertender Betrachtung nur dessen haftungsbegründende Relevanz zu verneinen ist. Sie verwechselt also Verursachung und ___________ Vollmuth, Die Bestimmung der polizeirechtlich relevanten Ursache, Diss. München 1972, S. 19; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 311. 12 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 311 (319); Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., E., Rn. 89; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 149; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (202); Pietzkker, DVBl. 1984, 457 (460); vgl. bereits Hurst, AöR 83 (1958), 43 (45 ff.). 13 Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., Vorbem v § 249 Rn. 57. 14 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 195. 15 Vgl. nur BGHZ 7, 204; 57, 141; BGH, NJW 1995, 127; 1998, 140. 16 Vgl. RGZ 50, 222; 69, 59; 152, 401; 158, 38; BGHZ 3, 266; 57, 255 sowie Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., Vorbem v § 249 Rn. 58 ff. 17 Heinrichs, ebendort.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Zurechnung.18 Im Gefahrenabwehrrecht hat die Adäquanztheorie keine Gefolgschaft gefunden, weil dies zu einer nicht hinnehmbaren Relativierung des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde.19 Hierdurch würde die Abwehr von Gefahren, die auf ungewöhnlichen Geschehensverläufen beruhen, erheblich erschwert. Da es dem Gefahrenabwehrrecht – anders als dem Schadenersatzrecht – nicht um die gerechte Kompensation20 bereits eingetretener Schäden, sondern um die Verhinderung künftiger Schäden geht, ist die Eingriffsschwelle im Gefahrenabwehrrecht niedriger als im Schadenersatzrecht.21 Dies bedeutet jedoch nicht, daß es im Gefahrenabwehrrecht keiner Eingrenzung durch wertende Betrachtung bedürfte.

IV. Schutzzweck der Norm Im Zivilrecht stellt die Adäquanztheorie nur einen groben Filter dar. Die eigentliche Eingrenzung der Ursachen findet im Zivilrecht22 regelmäßig erst im dritten Prüfschritt durch die Theorie vom Schutzzweck der Norm statt.23 Ihr geht es darum, die Zurechnung auf solche Ursachen zu begrenzen, die aus dem Bereich der Gefahr stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragespflicht übernommen worden ist. Hierbei wird durch Wertung ermittelt, ob ein innerer Zusammenhang zwischen der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage und dem eingetretenen Schaden besteht. Dies soll folgendes Beispiel aus der Gefährdungshaftung, die mit der gefahrenabwehrrechtlichen Verantwortlichkeit am ehesten vergleichbar24 ist, verdeutlichen. Springt ein Selbstmörder von einer Autobahnbrücke auf das Dach eines fahrenden Kraftfahrzeuges, so sind seine Verletzungen nicht Folge der besonderen Betriebsgefahr des Fahrzeuges, sondern seines eigenen Entschlusses. Eine Gefährdungshaftung des KfZ-Halters oder -Fahrers nach § 7 Abs. 1 bzw. § 18 StVG scheidet daher aus, weil der Unfall ein unabwendbares Ereignis gemäß ___________ 18

So zutreffend Wessels, Strafrecht Allgemeiner Teil, 18 Aufl., S. 51. von Mutius, Jura 1983, 298 (304); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 311; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., Rn. 247. 20 Daneben kommt Schadenersatznormen auch ein präventiver Zweck zu. 21 Auch im Zivilrecht ist anerkannt, daß die Beseitigung von Störungen an geringere Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft ist als der Ersatz für eingetretene Schäden; vgl. nur § 1004 Abs. 1 BGB und § 823 BGB. 22 Im Strafrecht hat sich der Bundesgerichtshof nur in Einzelentscheidungen auf die Lehre vom Schutzzweck der Norm gestützt; vgl. BGHSt 32, 262; BGH, NStZ 1985, 25. 23 Vgl. zum Zivilrecht BGHZ 27, 140; 35, 315; 57, 256; BGH NJW 1999, 3203 sowie Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., Vorbem v § 249 Rn. 62 ff. 24 Zu den der Gefährdungshaftung zugrundeliegenden Zurechnungskriterien vgl. die Darstellung unter 9. Kap. D. I. 2. 19

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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§ 7 Abs. 2 StVG darstellt und daher nicht dem Schutzzweck der genannten Normen unterfällt.

V. Erfordernis einer Wertung auch im Gefahrenabwehrrecht Auch im Gefahrenabwehrrecht kann die maßgebende Ursache nur durch Wertung ermittelt werden. Das gilt sowohl für die Verhaltens- als auch für die Zustandsverantwortlichkeit. Wie noch zu zeigen sein wird, kann hierbei zum Teil auf das von der Lehre vom Schutzzweck der Norm herausgearbeitete Kriterium – nämlich die Schaffung einer sich im eingetretenen Schaden realisierenden Risikos – zurückgegriffen werden. Bei der Wertung gilt es, das öffentliche Interesse an einer schnellen und effektiven Gefahrenabwehr einerseits und das individuelle Freiheitsinteresse sowie den allgemeinen Gleichheitssatz und das allgemeine Willkürverbot andererseits gegeneinander abzuwägen.25

C. Zurechnung der Gefahr bei der Verhaltensverantwortlichkeit Bei der Verhaltensverantwortlichkeit ist nach wie vor umstritten, wie – d.h. durch welche wertende Betrachtung – die relevante Ursache zu bestimmen ist. In der Diskussion werden die nachfolgend dargestellten drei Ansichten vertreten. Sowohl die herrschende Meinung in der Rechtsprechung26 als auch im Schrifttum27 hat sich für die zuletzt dargestellte Theorie der unmittelbaren Verursachung ausgesprochen.

___________ 25

Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 311. OVG Münster, OVGE 5, 185; 14, 265; UPR 1984, 279; OVG Lüneburg OVGE 14, 397; VGH Kassel, MDR 1970, 791; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016. 27 Paul Kirchhof, DÖV 1976, 453 ff.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 313 ff.; Schoch, JuS 1994, 932; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., Rn. 248. 26

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

I. Theorie der rechtswidrigen Verursachung Teile des Schrifttums28 stellen bei der gebotenen wertenden Betrachtung auf die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens ab. Sie sind der Ansicht, daß nur solche Gefahren zugerechnet werden können, die durch ein rechtswidriges Verhalten verursacht worden sind. Verhalte sich jemand rechtmäßig, so sei er nicht zur Beseitigung der Folgen seines Handelns verpflichtet. Erwirke z. B. ein Vermieter ein Räumungsurteil und lasse er dieses vollstrecken, so verursache er die hierdurch eintretende Obdachlosigkeit des Mieters. Gleichwohl könne dem Vermieter nach der von Scholz-Forni29 und von Schnur30 begründeten Theorie der rechtswidrigen Verursachung die Gefahr nicht zugerechnet werden, weil er sich nicht pflichtwidrig verhalte. Die Theorie der rechtswidrigen Verursachung hat sich zu Recht nicht durchgesetzt. Sie ermöglicht zwar in Sonderfällen, in denen der Eintritt einer Gefahr von der Rechtsordnung gebilligt wird, sachgerechte Ergebnisse.31 In der Mehrzahl der Fälle liefert sie hingegen keine brauchbaren Zurechnungskriterien, weil nicht jedes gefährliche Verhalten verboten ist.32 Verursacht etwa der Fahrer eines Tankwagens unverschuldet33 einen Unfall, durch den Öl aus dem Tank ausläuft und ins Erdreich versickert, so verstößt er hierdurch gegen keine Rechtsnorm, weil der Fahrer das Öl weder zweckgerichtet (§ 22 Abs. 1 WHG) noch fahrlässig (§ 324 Abs. 3 StGB) in das Grundwasser geleitet hat noch auf den Boden eingewirkt34 (§ 4 Abs. 1 BBodSchG). Gleichwohl muß es möglich sein, den Fahrer und den hinter ihm stehenden Geschäftsherrn zur Gefahrenabwehr zu verpflichten.

___________ 28 Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (203 ff.); Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 143 ff.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff.; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 268 ff. 29 VerwArch 30 (1925), 11 ff. und 24 ff. 30 DVBl. 1962, 1 ff. 31 Ausfluß der Theorie der rechtswidrigen Verursachung ist auch die sog. Legalisierungswirkung behördlicher Genehmigung, auf die an anderer Stelle noch einzugehen sein wird; vgl. hierzu Breuer, NVwZ 1987, 751 (755); Kloepfer, NuR 1987, 7 (13 f.); Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 ff.; Peine, JZ 1990, 201 ff.; Hilger, Die Legalisierungswirkung von Genehmigungen, 1996. 32 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 313. 33 Beispielsweise indem er einem unversehens auf die Straße gelaufenen Kind ausweicht. 34 Das Einwirken setzt nicht voraus, daß es dem Handelnden um eine Veränderung des Bodens geht. Erforderlich ist jedoch eine bewußte Handlung; vgl. Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 10.

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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Pietzcker35 behilft sich in Fällen, in denen das Verhalten nicht verboten ist, mit einem Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel. Er entnimmt ihr die Jedermannspflicht, sein Verhalten so einzurichten, daß hierdurch keine Gefahren entstehen können. Der Verstoß gegen diese Pflicht berechtige die Behörde zur Inanspruchnahme des Betreffenden als Störer.36 Pietzckers Ansatz ist abzulehnen, weil aus der Gefährlichkeit eines Verhaltens dessen Verbot hergeleitet wird, um wiederum mit dem Verbot die Zurechnung der Gefahr zu begründen.37 Pietzckers Ansatz beruht damit auf einem Zirkelschluß.

II. Theorie der sozialadäquaten Verursachung Ziel der von Hurst38 begründeten Theorie der sozialadäquaten Verursachung ist es, neben dem rechtlich zulässigen Verhalten auch gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten oder Zustände von der Polizeipflicht auszunehmen. Anders als die Rechtswidrigkeitslehre knüpft die Theorie der sozialadäquaten Verursachung nicht an Rechts-, sondern an Sozialnormen an.39 So sei der Grundeigentümer, der seinen an einer Straßenkreuzung gelegenen Garten in rechtlich zulässiger und sozialadäquater Weise bepflanzt hat, nicht verantwortlich, wenn die Bepflanzung die Einsehbarkeit der Straßenkreuzung beeinträchtige.40 Die Sozialadäquanztheorie hat in der Rechtsprechung zu Recht keine Gefolgschaft gefunden, weil sie die Zurechnung von Faktoren abhängig macht, die nicht dem Gefahrenabwehrrecht entstammen. Sozialnormen kommt kein (genereller) Vorrang gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu, weil die Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit sonst schutzlos wären. Die Entscheidung darüber, wann zum Schutz der öffentlichen Sicherheit ein Eingriff in private Rechtspositionen zulässig ist, hängt davon ab, ob die Gefahrenabwehr im Einzelfall einen Eingriff in das jeweilige Grundrecht rechtfertigt.

___________ 35

DVBl. 1984, 457 (459 ff.). Pietzcker stellt dabei wie die Theorie der unmittelbaren Verursachung auf das Überschreiten der Gefahrenschwelle ab; vgl. unter III. 37 So auch Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 269. 38 AöR 83 (1958), 43 (75 ff.). 39 Für eine Verknüpfung der Rechtswidrigkeitslehre mit der Theorie der sozialadäquaten Verursachung tritt Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 270 ein. Gusy zufolge ist derjenige Störer, der gegen eine Rechtsnorm verstößt oder der ein Rechtsgut gefährdet, ohne daß seine Handlung durch eine Rechtsnorm erlaubt ist. 40 OVG Lüneburg, OVGE 17, 447. Hierzu Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 270. 36

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

III. Theorie der unmittelbaren Verursachung Die Rechtsprechung41 und die herrschende Lehre42 greifen zur Bestimmung der relevanten Ursache auf die von Jellinek43 entwickelte Theorie der unmittelbaren Verursachung zurück, auf die sich bereits das Preußische Oberverwaltungsgericht44 gestützt hatte. Ihrem ursprünglichen Ansatz nach geht die Theorie der unmittelbaren Verursach sehr schematisch vor und schaut danach, wer die zeitlich letzte Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt hat, weil nur die letzte Ursache die Gefahr unmittelbar hervorrufe. Zünde etwa ein Brandstifter eine Lagerhalle an, die deren Eigentümer tags zuvor mit leicht entflammbaren Stoffen gefüllt hatte, so sei allein der Brandstifter Verursacher der aus dem Brand resultierenden Gefahren. Die herrschende Meinung wendet die Theorie der unmittelbaren Verursachung bei der Verhaltensverantwortlichkeit bereits seit längerem nicht mehr strikt in ihrer ursprünglichen Fassung an, sondern ersetzt die zeitliche Komponente der letzten Ursache zunehmend durch eine wertende Betrachtung. So hat die herrschende Meinung mit der latenten Gefahr45 und der Zweckveranlassung46 zwei Fallgruppen herausgearbeitet, in denen sie die Gefahr gerade nicht (oder nicht allein) demjenigen zurechnet, der die zeitlich letzte Ursache gesetzt hat. Von einer latenten Gefahr spricht man, wenn die Gefahr erst durch das Zusammenwirken zweier oder mehrerer Ursachen entsteht, wobei die letzte Ursache eine Gefahr auslöst, welche bereits in einem vorher bestehenden Zustand oder Verhalten angelegt war.47 Klassisches Beispiel für eine latente Gefahr ist der vom OVG Münster entschiedene Schweinemästerfall48, in dem die Behörde den Inhaber einer im Außenbereich gelegenen Schweinemästerei, nachdem die Wohnbebauung an seinen Betrieb herangerückt war, wegen der von der Schweinehaltung ausgehenden Gerüche zur Einstellung seines Betriebes ver___________ 41 OVG Münster, OVGE 5, 185; 14, 265; UPR 1984, 279; OVG Lüneburg OVGE 14, 397; VGH Kassel, MDR 1970, 791; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016. 42 Vgl. nur Paul Kirchhof, DÖV 1976, 453 ff.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 313 ff. m.w.N.; Schoch, JuS 1994, 932; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., Rn. 248. 43 Vgl. nur Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 311. 44 Pr. OVGE 78, 261 und 267; 80, 177; 82, 343 und 351; 89, 238; 103, 139. 45 Vgl. nur Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 234 ff. 46 Pr. OVGE, 85, 270; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 316. 47 Vgl. nur Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 234 ff. 48 Vgl. zum Schweinemästerfall OVG Münster, OVGE 11, 250; BGHZ 45, 27; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl., S. 68.

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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pflichtete. Nach Ansicht des OVG Münster49 seien nicht die Anwohner Störer, obwohl sie mit der Bebauung die letzte Ursache für die Geruchsbelästigung gesetzt haben. Vielmehr sei der Schweinemäster Störer, weil die Geruchsbelästigung Dritter bereits in dem Betrieb der Schweinemast angelegt war und daher gegenüber zeitlich späteren Ursachen überwiege. Ob es bei Nutzungskonflikten wie im Schweinemästerfall allerdings eines Rückgriffs auf die Rechtsfigur der latenten Gefahr bedarf, ist fraglich.50 Eine weitere Ausnahme von der Theorie der unmittelbaren Verursachung erkennt die herrschende Meinung51 bei der Rechtsfigur des Zweckveranlassers an. Neben dem unmittelbaren Verursacher sei auch der mittelbare Veranlasser Störer, wenn er das Verhalten des unmittelbaren Verursachers bezweckt52 habe. So wird z. B. der Kaufhausinhaber, der mit einer besonders ausgefallenen Schaufensterdekoration Passanten anlocken will und dabei in Kauf nimmt, daß es hierdurch zu Verkehrsbehinderungen kommt, als Zweckveranlasser angesehen.53 Sowohl die latente Gefahr als auch die Zweckveranlassung verdeutlichen, daß die herrschende Meinung bei der Verhaltensverantwortlichkeit nicht mehr durchgängig auf das Kriterium der unmittelbaren Verursachung abstellt, sondern zunehmend eine wertende Betrachtung der Gesamtumstände vornimmt. 54 Der Schweinemästerfall macht deutlich, daß ein reines Abstellen auf die chronologische Reihenfolge der Ursachen in die Irre führt, weil hierdurch der Blick für die Ursache und ihre Wirkung verschleiert wird. Ursache ist im Schweinemästerfall allein die Dauerstörung, die nach dem Heranrücken der Wohnbebau___________ 49

OVGE 11, 250. Zur Kritik an der Figur der latenten Gefahr vgl. nur Sendler, WiVerw 1977, 94 (96); Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 268 und Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 234 ff. Sie bemängeln, daß die Störereigenschaft – anders als sonst üblich – nicht nach den Umständen zur Zeit der Inanspruchnahme beurteilt wird, sondern daß auf frühere Umstände abgestellt wird, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Gefahr bestand. Die Konstellationen der latenten Gefahr beruhen auf Nutzungskonflikten, die Folge unzureichend koordinierter Planung waren. Hierfür enthalten heute die §§ 22, 25 Abs. 2 BImSchG eine Lösung bereit. 51 Pr. OVGE, 85, 270; Ule, DVBl. 1981, 709 (715); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 316. 52 Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, ob der Zweckveranlasser die Gefahr subjektiv bezweckt, d.h. beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommenen haben muß, oder ob es ausreicht, wenn die Gefahr objektiv „bezweckt“ worden ist, weil die Gefahr Folge des von ihm veranlaßten Verhaltens Dritter ist. Vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 202. 53 Pr. OVGE 85, 270. Zur Rechtsfigur des Zweckveranlassers vgl. auch OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 16 f.; VGH Mannheim, DÖV 1996, 83 f.; von Mutius, Jura 1983, 298 (305); Erbel, JuS 1985, 257 ff. und Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 268. 54 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 311; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 198. 50

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

ung in Form von Geruchsbelästigung von der Schweinemast ausgeht. Wirkungen erzielt diese in Form von Beeinträchtigungen der neuen Anwohner. Bei der Rechtsfigur der latenten Gefahr geht es um die Zurechnung von Dauergefahren, die sich erst durch das Hinzutreten einer – gefahrenabwehrrechtlich irrelevanten – weiteren Ursache verwirklichen. Zu einer Gefahr konnte es im Schweinemästerfall nur durch planerisches Fehlverhalten der Behörde kommen. Dieses sollte bei der behördlichen Ermessensentscheidung dahingehend berücksichtigt werden, daß der Schweinemäster nur gegen Entschädigung zu Maßnahmen verpflichtet werden kann, welche die Geruchsbelästigung mindern. Der Schaufensterfall verdeutlicht, daß es bei der Zweckveranlassung um die Zurechnung bei mittelbar verursachten Gefahren geht. Der mittelbare Störer schafft eine für sich allein genommen ungefährliche Lage. Erst durch das Anknüpfen der unmittelbaren Störer an diese Lage wird diese zur Gefahr. Aufgabe der Rechtsfigur des Zweckveranlassers ist es, zu beurteilen, wann dem mittelbaren Störer die Gefahr als eigene zugerechnet werden kann. Maßstab hierfür dürfte sein, ob er angesichts der von ihm geschaffenen Lage durch das Hinzutreten Dritter mit einer Gefahr rechnen mußte. Sowohl die latente Gefahr als auch die Zweckveranlassung zeigen, daß in schwierigeren Konstellationen die Bildung von Fallgruppen hilfreich ist. Sie schärfen den Blick dafür, anhand welcher wertenden Faktoren die Zurechnung vorgenommen wird.

D. Von der herrschenden Meinung vorgenommene Zurechnung der Gefahr bei der Zustandsverantwortlichkeit Auch bei der Zustandsverantwortlichkeit greift die herrschende Meinung55 für die Zurechnung von Gefahren auf die Theorie der unmittelbaren Verursachung zurück. Kommen demnach mehrere Sachen für die Verursachung einer Gefahr in Betracht, so gehe die Gefahr von der Sache aus, welche die zeitlich letzte Ursache für den Eintritt der Gefahr bildet. ___________ 55 VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); 1986, 325 (326); VGH Kassel, UPR 1986, 116; OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); NWVBl. 1993, 154 (155); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 329; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 54; Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 56 f.; Belz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, § 5 Rn. 6; Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 41a; Schoch, JuS 1994, 932 (935 ff.); Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 224; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., Rn. 256.

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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Der herrschenden Meinung in Rechtsprechung56 und Lehre57 zufolge ist der Grundeigentümer sowohl für Boden- als auch für Gewässerkontaminationen zustandsverantwortlich. Allerdings begründet sie die Zurechnung bei der Verunreinigung des Bodens und von Oberflächengewässern anders als bei Grundwasserkontaminationen.

I. Zurechnung bei Kontaminationen des Bodens und von Oberflächengewässern Bei Kontaminationen des Bodens und von Oberflächengewässern rechnet die herrschende Ansicht58 dem Grundeigentümer die Gefahr deshalb zu, weil er Eigentümer des kontaminierten Grundstücks ist. Verunglückt etwa ein Tankwagen und dringt das auslaufende Öl in das Erdreich des angrenzenden Grundstücks, so verursacht – naturwissenschaftlich betrachtet – allein das Öl die Gefahr für den Boden. Die herrschende Meinung59 stellt jedoch statt auf die naturwissenschaftliche Verursachung auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse ab. Da der Grundeigentümer durch die feste Verbindung des Öls mit dem Boden gemäß §§ 946, 93 f. BGB Eigentum an der verbundenen Sache, d.h. dem kontaminierten Grundstück, erwirbt und damit zivilrechtlich die Sachqualität des Öls endet, gehe die Gefahr der herrschenden Meinung zufolge von dem Grundstück aus.60 ___________ 56 OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); DÖV 1996, 1057; VGH München, NVwZ 1986, 942 (946). 57 Habermehl, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 265; Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Schwachheim, NVwZ 1989, 128 (129); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 113 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 13. Aufl., Art. 8 Rn. 7; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 96. 58 OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); DÖV 1996, 1057; VGH München, NVwZ 1986, 942 (946); Habermehl, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 265; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Schwachheim, NVwZ 1989, 128 (129); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 113 f. Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 13. Aufl., Art. 8 Rn. 7; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 96. Für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des Öleigentümers sprechen sich Czychowski, DVBl. 1970, 379 (384) und Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 150 aus. 59 Ebendort. 60 Nach § 9 Abs. 1 S. 3 HmbSOG ist auch derjenige zustandsverantwortlich, der sein Eigentum durch Verbindung, Vermischung oder Vermengung verliert. Folglich kann

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Dasselbe gelte bei Gefahren für ein Oberflächengewässer. Schüttet ein unbekannter Täter Altöl in einen See und gefährdet er hierdurch die Trinkwasserversorgung, so könne der Eigentümer des Seegrundstücks nach herrschender Meinung61 als Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Da der See wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, erlangt der Eigentümer durch die Verbindung von Wasser und Öl gemäß §§ 946, 93 f. BGB Eigentum an dem kontaminierten Wasser. Als Eigentümer der gefährlichen Sache sei er zur Gefahrenabwehr verpflichtet.

II. Zurechnung bei einer Kontamination des Grundwassers Mit einer anderen Begründung rechnet die herrschende Ansicht62 dem Grundeigentümer Gefahren für das Grundwasser zu, die von einer Bodenkontamination ausgehen. Gelangt Öl in den Boden und von dort in das Grundwasser, so müßte – wenn man auch hier auf die Eigentumsverhältnisse abstellte – der Eigentümer des Grundwassers zustandsverantwortlich sein, weil er durch die Vermischung von Öl und Grundwasser Eigentum an der vermischten Sache erlangt hat. Eigentümer des Grundwassers ist jedoch nicht der Grundeigentümer, sondern der Träger der öffentlich-rechtlichen Wasserbewirtschaftung.63 Gleichwohl bejaht die herrschende Meinung64 eine Zustandsverantwortlichkeit ___________ auch der frühere Eigentümer des Öls nach § 9 Abs. 1 S. 3 HmbSOG zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. 61 OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); DÖV 1996, 1057; VGH München, NVwZ 1986, 942 (946); Habermehl, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 265; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Schwachheim, NVwZ 1989, 128 (129); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 113 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 13. Aufl., Art. 8 Rn. 7; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 96. 62 VGH Kassel, UPR 1986, 116 ff.; VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 f.; OVG Münster, NVwZ 1989, 987 f.; NWVBl. 1993, 154 f.; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 54; Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 41a; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 224; Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (412); a.A. VGH Kassel, UPR 1986, 437 ff., der eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers bei Grundwasserkontaminationen ablehnt, weil sich weder sein Eigentum noch seine tatsächliche Sachherrschaft auf das Grundwasser erstrecke. 63 Vgl. den sog. Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 58, 300 (328). 64 VGH Kassel, UPR 1986, 116 ff.; VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 f.; OVG Münster, NVwZ 1989, 987 f.; NWVBl. 1993, 154 f.; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 54; Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 41a; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 224; Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (412). A.A. VGH Kassel, UPR 1986, 437 ff.

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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des Grundeigentümers, weil die Grundwasserverunreinigung von dem kontaminierten Boden verursacht werde.

E. Eigener Lösungsansatz zur Zurechnung von Boden- und Gewässergefahren Anders als bei der Verhaltensverantwortlichkeit ist bei der Zustandsverantwortlichkeit in den Umweltschadensfällen bisher keine zufriedenstellende Zurechnung der Gefahr geglückt. Die herrschende Meinung läßt sich bei der Zurechnung von Sachgefahren mehr von dem gewünschten Ergebnis als von Zurechnungskriterien leiten. Zu Unrecht geht sie davon aus, daß das kontaminierte Grundstück die Boden- oder die Grundwasserkontamination verursache. Die von ihr zur Begründung herangezogene Wertung des § 946 BGB läßt sich nicht auf das Gefahrenabwehrrecht übertragen. Das Abstellen auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse verdeckt den wahren Ursachenzusammenhang zwischen dem Gefahrstoff und dem gefährdeten Umweltmedium. Nachfolgend soll daher für Boden- und Grundwasserkontaminationen gemeinsam untersucht werden, von welcher Sache die Gefahr ausgeht. Bei der Zurechnung von Sachgefahren sind drei Konstellationen zu unterscheiden.

I. Fremdeinwirkungsfälle In der ersten Konstellation geht es um die Zurechnung von Gefahren, die durch ein von außen auf das Grundstück einwirkendes Ereignis verursacht werden, die sog. Fremdeinwirkungsfälle.65 Hierunter werden solche Sachverhalte verstanden, bei denen ein nicht im Eigentum des Grundeigentümers stehender Gefahrstoff (z. B. Öl oder Chemikalien) durch ein vom Grundeigentümer nicht beeinflußtes Verhalten (z. B. durch einen Störfall auf dem Nachbargrundstück oder durch einen Tankwagenunfall) in den Boden und/oder in das Grundwasser gelangt. Die Fremdeinwirkungsfälle werden am Beispiel eines Tankwagenunfalls untersucht, bei dem Öl ausläuft und in das Erdreich des an die Unfallstelle angrenzenden Grundstücks dringt. Bis zum Eindringen des Öls in das Erdreich ist unstreitig allein der Eigentümer des Öls zur Abwendung der drohenden Bodenkontamination verpflichtet. Danach ist er jedenfalls solange zustandsverantwortlich, bis das Öl und das ___________ 65 Auch das Bundesverfassungsgericht unterscheidet nunmehr zwischen Fremdeinwirkungen und Einwirkungen nutzungsberechtigter Dritter; vgl. BVerfGE 102, 1 (21) sowie die ausführliche Darstellung unter 8. Kap. D. II. 2. c).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Grundstück eine feste Verbindung eingegangen sind. Bis zu diesem Zeitpunkt folgt die rechtliche Zurechnung der naturwissenschaftlichen Verursachung der Gefahr. Zustandsstörer ist nach allgemeiner Meinung der Eigentümer des Gefahrstoffs (des Öls) und nicht der Eigentümer der gefährdeten Sache (des Grundstücks). Mit der festen Verbindung von Öl und Grundstück ändern sich die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse. Nach §§ 946, 93 f. BGB verliert das Öl seine rechtliche Eigenständigkeit (Sonderrechtsfähigkeit). Der Eigentümer des Öls verliert sein Eigentum und der Grundeigentümer erlangt Eigentum an der aus der Verbindung des Grundstücks mit dem Öl hervorgegangenen Gesamtsache, dem kontaminierten Grundstück. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung66 und Literatur67, die seit jeher68 für die Zustandsverantwortlichkeit auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse abstellt, überträgt die Wertung der §§ 946, 93 f. BGB auf das Gefahrenabwehrrecht. Sie ist der Ansicht, daß die Zustandsverantwortlichkeit des Öleigentümers mit dem Verlust seines Eigentums ende69 und daß der Grundeigentümer nunmehr zur Beseitigung der Bodenkontamination herangezogen werden könne.70 Die herrschende Meinung führt im Ergebnis dazu, daß bei der Verbindung einer gefährlichen und einer ungefährlichen Sache der Eigentümer der ungefährlichen Sache anstelle des Eigentümers der gefährlichen Sache zum Zustandsstörer wird. Dieses Ergebnis erstaunt um so mehr, als die ganz herrschende Meinung71 im Zivilrecht die Wertung der §§ 946, 93 f. BGB nicht auf die ___________ 66

OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); DÖV 1996, 1057; VGH München, NVwZ 1986, 942 (946). 67 Habermehl, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 265; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Schwachheim, NVwZ 1989, 128 (129); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 113 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 13. Aufl., Art. 8 Rn. 7; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 96; a.A. Ossenbühl, VVDStRL 35 (1977), 345 (346), der dafür eintritt, einen eigenständigen polizeirechtlichen Eigentumsbegriff zugrunde zu legen. Für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des Öleigentümers sprechen sich aus Czychowski, DVBl. 1970, 379 (384); Jochum/Rühle, Polizeiund Ordnungsrecht, S. 150; vgl. auch § 9 Abs. 1 S. 3 HmbSOG. 68 So bereits Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 2. Aufl., Anm. 3 zu § 20 Pr. PVG; Drews/Lassar, Allgemeine und politische Polizei, in: von Brauchitsch (Hrsg.), Verwaltungsrecht für Preußen, Band 2.1, Anm. 2 a) zu § 20 Pr. PVG. 69 BVerwG, NJW 1998, 1004; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 119 f. 70 Für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des Öleigentümers sprechen sich aus Czychowski, DVBl. 1970, 379 (384) und Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 150. 71 BGHZ 18, 253 (258); 41, 393 (397); 111, 158 (163); Baur, AcP 175 (1975), 177 (179); Elke Herrmann, JuS 1994, 273 (281); Medicus, in: Münchener Kommentar,

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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mit der polizeilichen Zustandsverantwortlichkeit vergleichbare Zustandshaftung nach § 1004 Abs. 1 BGB überträgt.72 So bejahte der Bundesgerichtshof73 in einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 einen Beseitigungsanspruch des Eigentümers eines kontaminierten Grundstücks gegen seinen Nachbarn aus § 1004 Abs. 1 BGB, weil die Bodenkontamination von Chemikalien verursacht worden war, die vom Nachbargrundstück auf sein Grundstück gedrungen waren. Dem stehe nicht entgegen, daß der Nachbar sein Eigentum an den Chemikalien nach §§ 946, 93 f. BGB verloren habe. Die Wertung der §§ 946 ff., 93 f. BGB läßt sich auch nicht auf das Gefahrenabwehrrecht übertragen.74 Den §§ 946 ff. BGB kommt die Aufgabe zu, die Eigentumsverhältnisse zu regeln, wenn zwei oder mehr Sachen miteinander verbunden, vermischt oder vermengt werden. Die durch die feste Verbindung entstandene wirtschaftliche Einheit soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht wieder getrennt werden, weil die verbundene Sache im Regelfall einen größeren Wert hat als die einzelnen Sachen nach erfolgter Trennung. 75 § 946 BGB liegt das gemeinrechtliche sog. Akzessionsprinzip (superficies solo credit) zugrunde.76 Die wirtschaftliche Einheit läßt sich rechtstechnisch jedoch nur dadurch erhalten, daß die Sonderrechtsfähigkeit der eingebrachten Sachen erlischt und beide Eigentümer der eingebrachten Sachen entweder Miteigentum77 oder ein Eigentümer Alleineigentum an der neuen Sache erwirbt. Bei Grundstücken sieht § 946 BGB vor, daß der Grundeigentümer stets Alleineigentum an der neuen Sache erwirbt. Dem liegt die Wertung zugrunde, daß der Eigentümer der ihrem Wert nach dominierenden Sache Alleineigentum an der neuen Sache erlangen soll, weil er am meisten in die neue Sache eingebracht hat.78 Der Eigentümer der beweglichen Sache kann von dem Grundeigentümer nach § 951 BGB Wertausgleich verlangen. Auf das Gefahrenabwehrrecht läßt sich die Wertung des § 946 BGB nicht unmittelbar übertragen, weil es ihm um die Zurechnung von Gefahren, nicht ___________ Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl., 1997, § 1004 Rn. 43a; a.A. Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, 1972, S. 113 ff. 72 Zu den Zurechnungskriterien bei der Zustandshaftung nach § 1004 BGB vgl. eingehend unter 9. Kap. D. I. 3. 73 NJW 1996, 845 (846 f.). 74 Im Ergebnis zustimmend Czychowski, DVBl. 1970, 379 (384); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 149 f. 75 Wiegand, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Auf., 1995, § 946 Rn. 1. 76 Ebendort. 77 Nach § 744 Abs. 1 BGB verwalten Miteigentümer die Sache gemeinschaftlich. Gemäß § 743 Abs. 2 BGB ist jeder Miteigentümer nur insoweit zum Gebrauch der Sache berechtigt, als hierdurch nicht der Mitgebrauch der anderen Miteigentümer beeinträchtigt wird. 78 Wiegand, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Auf., § 946 Rn. 1.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

aber um die wirtschaftlich sinnvolle Zuordnung von Eigentum geht. Greift man jedoch den hinter den §§ 946 ff. BGB stehenden Dominanzgedanken auf und überträgt ihn in gefahrenabwehrrechtliche Kategorien, so zeigt sich, daß die Gefahr dem ehemaligen Eigentümer des Öls zuzurechnen ist. Aus gefahrenabwehrrechtlicher Sicht dominiert nicht das Grundstück, sondern das Öl, weil nur dieses aufgrund seiner chemischen Eigenschaften die Bodenfunktion beeinträchtigt. Die Zurechnung der Gefahr zum Öleigentümer steht auch mit der Theorie der unmittelbaren Verursachung im Einklang. Die Gefahr geht naturwissenschaftlich allein von dem Öl aus. Ohne Bedeutung ist hierbei, daß der Eigentümer des Öls durch die Verbindung sein Eigentum verliert.79 Wie § 5 Abs. 3 MEPolG an der fortbestehenden Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten80 verdeutlicht, muß der Eigentumsverlust nicht notwendig die Zustandsverantwortlichkeit beenden.81 Das hamburgische Sicherheits- und Ordnungsgesetz sieht daher in § 9 Abs. 1 S. 3 vor, daß der Eigentümer, der sein Eigentum durch Verbindung, Vermischung oder Vermengung verliert, zustandsverantwortlich bleibt. Da die Störerregelungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes abschließend sind, kommt § 9 Abs. 1 S. 3 HmbgSOG allerdings im Bodenschutzrecht sowie bei durch Bodenkontaminationen verursachten Gewässerverunreinigungen nicht mehr zur Anwendung. Die Regelung ist de lege lata nur noch bei reinen Gewässergefahren von Bedeutung. Kann allein der (ehemalige) Eigentümer des Öls zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden, so beeinträchtigt dies nicht die schnelle und effektive Gefahrenabwehr. Im Regelfall werden weder der Grund- noch der Öleigentümer die Gefahr persönlich beseitigen können, sondern ein Spezialunternehmen mit der Gefahrenabwehr betrauen müssen. Der Grundeigentümer hat die Gefahrenabwehr allerdings zu dulden. Ist die Boden- oder Grundwasserkontamination – wie bei einem Tankwagenunfall – Folge eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Ereignisses, so kann die Gefahr nach hier vertretener Ansicht allein dem (ehemaligen) Eigentümer des Gefahrstoffs, nicht aber dem Grundeigentümer als Zustandsstörer zugerechnet werden. Unbeachtlich ist, daß der Eigentümer des Gefahrstoffs durch die Verbindung mit dem Grundstück sein Eigentum verliert. Das BundesBodenschutzgesetz sowie die Landeswassergesetze sollten daher um Regelun___________ 79

Für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des Öleigentümers sprechen sich aus Czychowski, DVBl. 1970, 379 (384); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 150. 80 Zur Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten vgl. 3. Kap. D. und 12. Kap. D. 81 Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 150 stellen darauf ab, daß der Eigentumsverlust nach §§ 946 ff. BGB mit der Dereliktion vergleichbar sei.

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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gen erweitert werden, die sich an § 9 Abs. 1 S. 3 HmbgSOG orientieren, der dies vorsieht.82

II. Gefahrentstehung bei Nutzung des Grundstücks Von den Gefahren, die Folge eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Schadenereignisses sind, sind solche Gefahren zu unterscheiden, die durch die Nutzung des Grundstücks entstehen. Eine Gefahr entsteht durch die Nutzung des Grundstücks, wenn entweder der Grundeigentümer oder ein Mieter, Pächter oder sonstiger Nutzungsberechtigter auf dem Grundstück Gefahrstoffe verwendet, die auslaufen und ins Erdreich dringen.

1. Nutzung des Grundstücks durch den Grundeigentümer Keine Schwierigkeiten bereitet die Zurechnung, wenn die Boden- oder Grundwasserkontamination Folge der Nutzung durch den Grundeigentümer ist. Betreibt etwa der Grundeigentümer eine Tankstelle, bei der wegen eines Defekts der Zapfsäule Benzin in größeren Mengen ausläuft und ins Erdreich versickert, so ist er wegen seines Eigentums am Gefahrstoff (Benzin) zustandsverantwortlich. Darauf, daß er zugleich Eigentümer des Grundstücks ist, kommt es nicht an. Der Tankstellenbetreiber ist auch dann Zustandsstörer, wenn er das Benzin unter Eigentumsvorbehalt erworben hat. Wie der Eigentümer muß er sich als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über den Gefahrstoff die Risiken zurechnen lassen, die aus dem Umgang mit dem Gefahrstoff erwachsen.

2. Nutzung des Grundstücks durch einen nutzungsberechtigten Dritten Überläßt der Grundeigentümer einem Dritten sein Grundstück zur Nutzung und entsteht hierbei eine Gefahr, so fragt sich, ob neben dem Dritten auch dem Grundeigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann. Verpachtet der Grundeigentümer die bisher von ihm betriebene Tankstelle, so ist der Pächter, wenn Benzin wegen eines Defekts der Zapfsäule ausläuft und in den Boden sickert, als Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Sachherr___________ 82 Vgl. auch Czychowski, DVBl. 1970, 379 (384); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 150.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

schaft am Benzin für die hierdurch hervorgerufenen Gefahren zustandsverantwortlich. Fraglich ist, ob auch der Grundeigentümer Zustandsstörer ist. Da der Grundeigentümer weder Eigentümer noch Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über das Benzin ist, kann sich eine Zustandsverantwortlichkeit nur aus seinem Eigentum am Grundstück ergeben. Wie unter I. ausgeführt, läßt sich eine Einstandspflicht des Grundeigentümers allerdings nicht damit begründen, daß er durch die Verbindung des Öls mit dem Grundstück Eigentum an der neuen Sache erlangt hat. Dem Grundeigentümer ist die von dem Gefahrstoff (Benzin) ausgehende Gefahr jedoch deshalb zuzurechnen, weil er sein Grundstück mit der Zustimmung zum Tankstellenbetrieb bewußt besonderen Umweltrisiken ausgesetzt hat.83 Betreibt der Grundeigentümer selbst die Tankstelle, so ist er für Gefahren verantwortlich, die von den auf seinem Grundstück gelagerten Kraftstoffen ausgehen. Er muß sich dann die von den Kraftstoffen ausgehenden Sachgefahren zurechnen lassen, weil er weiß, daß von ihnen ein erhöhtes Umweltrisiko ausgeht. Da er damit rechnen muß, daß die Kraftstoffe, wenn sie in den Boden und von dort in das Grundwasser gelangen, einen großen ökologischen Schaden verursachen, trifft ihn eine besondere Schutzpflicht für den Boden und das Grundwasser.84 Überläßt er sein Grundstück einem Tankstellenpächter, so setzt er sein Grundstück denselben Umweltrisiken aus wie beim eigenen Betrieb der Tankstelle. Er ist daher in gleicher Weise zum Schutz des Grundstücks verpflichtet. Da eine Gefahr nur entstehen kann, wenn der Kraftstoff auf den Boden einwirkt, sind sowohl der Pächter als auch der Grundeigentümer verpflichtet, eine Einwirkung zu verhindern oder die Folgen einer Einwirkung zu beseitigen. Der Grundeigentümer ist nicht Opfer der Bodenkontamination, weil er dieses Risiko bewußt eingegangen ist. Eine derartige Zurechnung widerspricht auch nicht der Theorie der unmittelbaren Verursachung. Zwar hat der Eigentümer mit der Gestattung des Tankstellenbetriebs nicht die letzte Ursache für die Entstehung der Gefahr gesetzt. Wie

___________ 83 Er wird hierdurch jedoch nicht wie bei der Zweckveranlassung zum mittelbaren Verursacher der Gefahr, weil er diese nicht verursacht, sondern nur ermöglicht. 84 Ähnlich auch Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 11, der von einer Art Garantenpflicht des Eigentümers oder des Nutzungsberechtigten für das Grundstück spricht. Schoeneck zufolge bestehe diese Garantenpflicht unabhängig davon, wie die Gefahr entstanden sei. Zur besonders intensiven Sozialgebundenheit des Grundeigentums vgl. allgemein BVerfGE 21, 73 (83); Brenner, DVBl. 1993, 291 (293).

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

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dargelegt, stellt die herrschende Meinung85 jedoch bei der Verhaltensverantwortlichkeit nicht allein auf die zeitliche Abfolge ab, sondern nimmt eine wertende Betrachtung vor. Dies verdeutlichen nicht zuletzt die Rechtsfiguren des Zweckveranlassers und der latenten Gefahr. Auch bei der Zustandsverantwortlichkeit kommt es nicht allein auf die zeitliche Abfolge an. Gestattet der Grundeigentümer dem späteren Verursacher der Gefahr die Nutzung des Grundstücks, so trägt er eine Mitverantwortung dafür, daß sich in der konkreten Nutzung angelegte Umweltrisiken verwirklichen.86 Dies rechtfertigt es, ihm die Gefahr zuzurechnen, weil er ihr näher steht als ein beliebiger Dritter.

III. Erwerb einer gefährlichen Sache Zu klären ist schließlich, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Erwerber eines kontaminierten Grundstücks die von diesem ausgehenden Gefahren zugerechnet werden können. Da die Gefahr bereits bestanden hat, als er das Eigentum erworben und die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat, kann eine Zurechnung nicht mit einer Verantwortlichkeit für die Gefahrentstehung begründet werden. Der Erwerber ist nach hier vertretener Ansicht aber auch nicht automatisch mit dem Eigentumserwerb zum Zustandsstörer geworden. Eine Zurechnung kommt vielmehr nur bei bewußter Übernahme einer gefährlichen Sache in Betracht. Erwirbt der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis der Bodenkontamination, so nimmt er die von dem Grundstück ausgehenden Gefahren bewußt in Kauf.87 So wie der Erwerber eines Gefahrstoffs zustandsverantwortlich ist, weil er mit den Vorteilen des Gefahrstoffes auch die von diesem ausgehenden Umweltrisiken übernimmt, so trägt auch der Erwerber eines Altlastengrundstücks, der um dessen Gefahren weiß, die Verantwortung hierfür. Erwirbt er das Grundstück in Kenntnis der Bodenkontamination, so wird er einen niedrigen Kaufpreis aushandeln oder den Veräußerer zur Sanierung oder zur Freistellung ___________ 85 Vgl. nur Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 311; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 198. 86 Zustimmend OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); OVG Lüneburg, NuR 1990, 480 (481); Schink, DVBl. 1986, 161 (170); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (44); NVwZ 1987, 7 (17); Mehlich, BWVP 1991, 269 (271) und Spilok, Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg, § 10 Rn. 3. 87 Ähnlich BVerwG, NVwZ 1991, 475; NVwZ 1997, 577 f.; VGH Mannheim, VBlBW 1995, 488; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 99; Eckstein, BWVP 1994, 251 (252); Hipp/ Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 303. Eine eingehende Erläuterung findet sich unter 5. Kap. C. II. 3.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

von den Sanierungskosten verpflichten. Es wäre daher unbillig, wenn die Allgemeinheit anstelle des Erwerbers die Kosten der Sanierung tragen müßte. Fraglich ist hingegen, ob dem Erwerber eines kontaminierten Grundstücks die hiervon ausgehenden Gefahren auch dann zugerechnet werden können, wenn er sie bei Erwerb zwar nicht kannte, er sie aber hätte kennen müssen. Weiß der Erwerber nicht, daß von dem Kaufgegenstand Gefahren ausgehen, so übernimmt er diese grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn er sie billigend in Kauf nimmt. Der Erwerber nimmt die Bodenkontamination billigend in Kauf, wenn er Anhaltspunkte für eine Gefahr kennt oder wenn er sich Anhaltspunkten grob fahrlässig verschließt. Weiß der Erwerber, daß das Grundstück als Altlastenverdachtsfläche im Altlastenregister eingetragen ist, so nimmt er billigend in Kauf, daß sich der Verdacht erhärtet. Er ist dann nicht als Unbeteiligter von der Gefahr betroffen. Auch ist er der Gefahr nicht schutzlos ausgesetzt. Er kann von dem Erwerb Abstand nehmen oder den Veräußerer zur Sanierung oder zur Freistellung von den Sanierungskosten verpflichten. Dem gleichzustellen ist derjenige Erwerber, der sich grob fahrlässig objektiv vorhandenen Anhaltspunkten für eine Bodenkontamination verschließt. Ein Risiko nimmt daher auch billigend in Kauf, wer keine Einsicht in das Altlastenregister nimmt oder das Grundstück nicht begeht, sofern er hierdurch Anhaltspunkte für eine Bodenkontamination hätte finden können. Dem Erwerber kann die Gefahr hingegen dann nicht zugerechnet werden, wenn er die Bodenkontamination infolge leichter Fahrlässigkeit nicht bemerkt. Wie der Käufer nach § 442 BGB nur dann seine Gewährleistungsrechte verliert, wenn er den Mangel des Kaufgegenstandes kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, muß sich der Erwerber im Gefahrenabwehrrecht die Gefahr nur zurechnen lassen, wenn er sie kennt oder wenn er sie grob fahrlässig nicht kennt.88 Bei einer lediglich leicht fahrlässigen Unkenntnis nimmt der Erwerber die Gefahr nämlich gerade nicht billigend in Kauf nimmt.

F. Die Zurechnung bei Ausdehnung der Gefahr auf ein anderes Grundstück oder auf das Grundwasser Kann dem Grundeigentümer unter den dargelegten Voraussetzungen die Boden- oder Grundwasserkontamination zugerechnet werden, so ist er verpflichtet, die von seinem Grundstück ausgehende Gefahr abzuwehren. Er muß daher, wenn von der Altlast Gesundheitsgefahren für die Bewohner des Grundstücks ___________ 88 Vgl. BGH, NJW 1989, 2050; Honsell, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., 1995, § 460 Rn. 1.

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

131

oder eine Beeinträchtigung des Grundwassers drohen, das verunreinigte Erdreich abtragen oder die Gefahrenquelle in sonstiger Weise beseitigen. Fraglich ist allerdings, ob der Grundeigentümer, wenn sich die Verunreinigung bereits von seinem Grundstück auf das Grundwasser oder auf ein anderes Grundstück ausgedehnt hat, verpflichtet ist, auch die dort eingetretenen Störungsfolgen zu beseitigen. In der Rechtsprechung89 und im Schrifttum90 wurde eine über das eigene Grundstück hinausgehende Zustandsverantwortlichkeit bereits vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes vereinzelt verneint. Eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf das eigene Grundstück wurde damit begründet, daß der Eigentümer nur über sein eigenes Grundstück Sachherrschaft habe, so daß er zwar die von seinem Grundstück ausgehende Gefahrenquelle, nicht aber die im Grundwasser oder auf dem Nachbargrundstück eingetretenen Verunreinigungen beseitigen könne.91 Zur Begründung dieser Ansicht berufen sich einige Autoren92 nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes nunmehr auf den Wortlaut des § 4 Abs. 2 BBodSchG. Darin heißt es, daß „der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet sind, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen“. Sie argumentieren, daß von einem Grundstück nur solange eine Gefahr drohe, wie von dem Grundstück Schadstoffe auf das Grundwasser oder auf ein anderes Grundstück überzugreifen drohen. Versiege die Gefahrenquelle, so ende die Verantwortlichkeit für das Grundwasser und für das benachbarte Grundstück. Eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf das eigene Grundstück ist mit der herrschenden Meinung93 abzulehnen. Die Gegenmeinung verkennt, daß das Gefahrenabwehrrecht nicht nur der Abwehr von Gefahren, sondern auch der Beseitigung von Störungen dient. Eine Störungsbeseitigung wäre jedoch nach der Gegenmeinung nur noch eingeschränkt möglich. Eine ___________ 89

Vgl. nur VGH Mannheim, VBlBW 1990, 232. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 147; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 47; DVBl. 1985, 873 (878); Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 144 ff. 91 Friauf, DVBl. 1971, 713 (717); Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 146 f.; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 157 ff. 92 Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 43. 93 VGH Kassel, UPR 1986, 116 ff.; VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 f.; OVG Münster, NVwZ 1989, 987 f.; NWVBl. 1993, 154 f.; VGH München, NVwZ-RR 1994, 314; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 54; Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 41a; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 224; Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (412). 90

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Sachgefahr muß sich, wenn sie sich zu einem Schaden ausweitet, stets auf einen Menschen, auf eine andere Sache oder auf einen anderen Bestandteil einer Sachgesamtheit auswirken. Würde man die Zustandsverantwortlichkeit auf die Beseitigung der Gefahrenquelle beschränken, so wäre eine effektive Gefahrenabwehr nicht mehr möglich. Der Eigentümer bräuchte nur solange zuzuwarten, bis aus der Gefahr ein Schaden an einer anderen Sache geworden ist und bis der Gefahrstoff vollständig sein Grundstück verlassen hat. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs94 und die herrschende Lehre95 zur parallel gelagerten zivilrechtlichen Zustandshaftung des Eigentümers nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB.96 Dies soll an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1.12.1995 verdeutlicht werden, der folgender Sachverhalt zugrunde lag.97 Von dem Grundstück des beklagten, seit einigen Jahren stillgelegten Unternehmens waren verschiedene Chemikalien in das Nachbargrundstück des Klägers gedrungen und hatten dieses erheblich verunreinigt. Der Kläger mußte für die Beseitigung der Verunreinigung Kosten von 2 Mio. DM aufwenden und verlangte hierfür Ersatz von der Beklagten. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs muß der Störer nach § 1004 Abs. 1 BGB sämtliche Störungen beseitigen, die von seinem Grundstück ausgegangen sind. Der Störer muß nicht nur das weitere Eindringen von Gefahrstoffen in das Nachbargrundstück unterbinden, sondern auch auf dem Nachbargrundstück bereits eingetretene Störungen beseitigen.

G. Zusammenfassung Sowohl die Verhaltens- als auch die Zustandsverantwortlichkeit knüpfen an die Verursachung der Gefahr an. Während bei der Verhaltensverantwortlichkeit inzwischen geklärt ist, nach welchen Kriterien dasjenige Verhalten aus der Menge der Ursachen und Ursachenketten herauszufiltern ist, das die Gefahr ___________ 94

BGHZ 49, 340; 135, 235; BGH, NJW 1996, 845 (846 f.); 1997, 2234. Baur, AcP 160 (1961), 465 (487 ff.); Elke Herrmann, JuS 1994, 273 (281); Schwab/Prütting, Sachenrecht, 25. Aufl., § 49 IV 3; Wieling, Sachenrecht, 2. Aufl., § 23 IV 1 b aa; Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 1004 Rn. 1; a.A. Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, 1972, S. 32 und 88; Gursky, JR 1989, 397. 96 Eine eingehende Darstellung der Zurechnungskriterien des zivilen Haftungsrechts findet sich unter 9. Kap. D. I. 97 BGH, NJW 1996, 845 ff. 95

5. Kap.: Die Zurechnung der Gefahr

133

maßgebend verursacht hat, liegt bei der Zurechnung von Sachgefahren noch vieles im Dunkeln. Bei der Verhaltensverantwortlichkeit ist anerkannt, daß die Kausalität allein kein hinreichendes Kriterium zur Bestimmung des Störers ist, weil nahezu jede Gefahr aus einer Vielzahl von Ursachen und Ursachenketten besteht. Das maßgebende Verhalten kann daher nur durch eine wertende Betrachtung ermittelt werden. Die herrschende Meinung greift für die Zurechnung auf die Theorie der unmittelbaren Verursachung zurück, nach der erst die zeitlich letzte Ursache die Gefahrenschwelle überschreite. Dabei erkennt die herrschende Meinung allerdings Ausnahmen vom Unmittelbarkeitskriterium an, wie insbesondere die Rechtsfiguren der latenten Gefahr und des Zweckveranlassers belegen. Das Abstellen auf die zeitlich letzte Ursache wird zunehmend durch eine wertende Betrachtung des Sachverhalts ersetzt. Demgegenüber soll nach herrschender Ansicht bei der Zustandsverantwortlichkeit die Gefahr ausnahmslos von der Sache ausgehen, welche die letzte Ursache für die Gefahrentstehung bildet. Dies führt bei Boden- und Gewässerkontaminationen dazu, daß die herrschende Meinung den Grundeigentümer anstelle des Eigentümers des Gefahrstoffs als Zustandsstörer ansieht. Da der ausgelaufene Gefahrstoff (z. B. Öl) durch die feste Verbindung mit dem Grundstück seine Sachqualität verliert und der Grundeigentümer nach §§ 946, 93 f. BGB Eigentum an dem kontaminierten Grundstück erlangt, gehe die Gefahr nach herrschender Meinung von dem Grundstück aus. Nach richtiger Ansicht kann dem Grundeigentümer die Gefahr jedoch nicht deshalb zugerechnet werden, weil er nach §§ 946, 93 f. BGB Eigentum an dem kontaminierten Grundstück erlangt hat. Die Wertung des § 946 BGB läßt sich nicht auf das Gefahrenabwehrrecht übertragen. Die Regelung geht davon aus, daß bei der Verbindung zweier Sachen der Eigentümer der wertmäßig dominierenden Sache Alleineigentümer der verbundenen Sache werden soll. Gefahrenabwehrrechtlich dominiert jedoch nicht das Grundstück, sondern der Gefahrstoff (z. B. das Öl), weil allein der Gefahrstoff aufgrund seiner chemischen Eigenschaften die Gefahr verursacht. Wird eine Bodenkontamination – wie bei einem Tankwagenunfall – durch ein von außen auf das Grundstück einwirkendes Ereignis hervorgerufen, so ist folglich allein der (ehemalige) Eigentümer des Gefahrstoffs, nicht aber der Grundeigentümer zustandsverantwortlich. Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn die Gefahr Folge der Nutzung des Grundstücks ist. Verwendet der Grundeigentümer auf seinem Grundstück Gefahrstoffe und gelangen diese ins Erdreich, so muß er sich die hiervon ausgehenden Gefahren aufgrund seiner Stellung als (ehemaliger) Eigentümer des Gefahrstoffs zurechnen lassen. Überläßt der Grundeigentümer sein Grundstück

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

einem Dritten zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung, so muß sich der Grundeigentümer die von der Nutzung ausgehenden Risiken für den Boden oder das Grundwasser zurechnen lassen. Erwirbt jemand ein bereits kontaminiertes Grundstück, so können ihm die hiervon ausgehenden Gefahren grundsätzlich nicht zugerechnet werden, weil er nicht an der Gefahrentstehung mitgewirkt hat. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn er bei Erwerb von der Bodenkontamination wußte oder grob fahrlässig vor ihr die Augen verschlossen hat. Nimmt der Erwerber die Gefahr (billigend) in Kauf, so ist er nicht schutzwürdig. Kann einem Grundeigentümer unter den genannten Voraussetzungen eine Gefahr zugerechnet werden, so ist er unter Umständen nicht nur zur Sanierung seines Grundstücks verpflichtet. Drohen Stoffeinträge von seinem Grundstück auf das Grundwasser oder ein benachbartes Grundstück überzugreifen, so hat er eine Ausweitung der Gefahr abzuwehren. Bereits eingetretene Störungen des Grundwassers oder des Bodens des benachbarten Grundstücks hat er auch dann zu beseitigen, wenn von seinem Grundstück keine weiteren Belastungen mehr ausgehen.

6. Kapitel

Die verfassungsrechtliche Einordnung der Zustandsverantwortlichkeit Nachdem im vorausgegangenen Abschnitt die Kriterien für eine Zurechnung der Gefahr bei der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit herausgearbeitet worden sind, soll im nächsten Abschnitt der Frage nachgegangen werden, welcher Rechtsgrund dieser Zurechnung zugrunde liegt. Dies setzt jedoch zunächst eine Beschäftigung mit der Frage voraus, wie die Zustandsverantwortlichkeit verfassungsrechtlich einzuordnen ist, weil sich der Rechtsgrund erst aus dem grundrechtlichen Kontext der Zustandsverantwortlichkeit erschließt.

A. Die Zustandsverantwortlichkeit als Inhaltsund Schrankenbestimmung Jede behördliche Inanspruchnahme des Eigentümers oder eines anderen Zustandsstörers und schon jede Auferlegung einer abstrakten Polizeipflicht ist mit einem Grundrechtseingriff verbunden, weil sie jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit des Störers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG eingreift.1 Die früher vertretene Ansicht2, wonach die Heranziehung eines Störers keinen Grundrechtseingriff bewirke, weil der Störer lediglich in die Grenzen seiner Rechte verwiesen werde, läßt sich mit dem heutigen Grundrechtsverständnis nicht vereinbaren. Nach Art. 1 Abs. 3 GG ist es dem Gesetzgeber und der Verwaltung verwehrt, in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition des Bürgers einzugreifen, es sei denn, der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Anforderungen unterscheiden sich je nach dem betroffenen Grundrecht. Der Bestimmung des Grundrechts, in das eingegriffen wird, kommt daher nicht unbeträchtliche Bedeutung zu.

___________ 1 Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 24 und 26; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 109. 2 Vgl. die eingehende Darstellung bei Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 70 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 55 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Nach ganz herrschender Meinung3 greife die Zustandsverantwortlichkeit über die allgemeine Handlungsfreiheit hinaus in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ein, weil die Gefahrenabwehrpflicht und – im Falle ihrer Nichterfüllung – die Kostentragungspflicht an das Eigentum, die tatsächliche Sachherrschaft oder eine sonstige Berechtigung anknüpfen. 4 Neben dem zivilrechtlichen Eigentum sind auch dingliche oder obligatorische Berechtigungen sowie der berechtigte und unberechtigte Besitz als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.5 Als spezielleres Grundrecht geht die Eigentumsfreiheit der allgemeinen Handlungsfreiheit vor. Die Zustandsverantwortlichkeit ist daher an Art. 14 GG zu messen. Nach heutigem Verfassungsverständnis stellen die Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit Inhalts- und Schrankenbestimmungen6 des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar.7 Die Zustandsverantwortlichkeit bewirke auch bei der Verpflichtung zur Sanierung von Bodenkontaminationen – unabhängig von der Schwere des Eingriffs – keine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG, weil sie dem Eigentümer den konkreten Eigentumsgegenstand weder vollständig noch teilweise zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe entzieht und ihn einem Dritten überträgt.8 Dies gelte nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts selbst dann, wenn die Auferlegung der Gefahrenabwehr- oder der Kostentragungspflicht das Eigentum wirtschaftlich vollständig entwerte.9 ___________ 3

Vgl. nur BVerfGE 102, 1 (14 ff.); Kobes, NVwZ 1998, 786 (790); Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1011 f.); Riedel, ZIP 1999, 94 (98 f.); Müggenborg, NVwZ 2000, 50; Dombert, NJW 2001, 927 (928); Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (723); a.A. Lepsius, JZ 2001, 22 (23), der lediglich einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG bejaht. 4 Dasselbe gilt für die Duldungspflicht. 5 Vgl. nur BVerfGE, 83, 201 (208 f.); 102, 1 (14 ff.); BVerfG, NJW 1993, 2035; Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, S. 171; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 230 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 199 f., Stand: Mai 1994; Kimminich, in: Mangold/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 4. Aufl., 1999, Art. 14 Rn. 33; zweifelnd Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 209. 6 Allgemein zum grundrechtlichen Inhalts- und Schrankensystem Brenner, DÖV 1995, 60 (61). 7 BVerfGE 102, 1 (16 f.); Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 511, Stand: Mai 1994. Demgegenüber herrschte früher die Ansicht vor, daß das polizeiwidrige Eigentum nicht durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sei. Der Eigentümer werde durch die Zustandsverantwortlichkeit lediglich in die Schranken seines Rechts verwiesen; vgl. nur Weber, NJW 1950, 401 ff.; Ipsen, VVDStRL 10 (1952), 74 (85 f.); Hurst, AöR 83 (1958), 43 (60); Quaritsch, DVBl. 1959, 455 (457). 8 BVerfGE 102, 1 (15 f.) m.w.N. 9 Ebendort. Vgl. hierzu auch die Darstellung unter 8. Kap. D. II. 1. a).

6. Kap.: Die verfassungsrechtliche Einordnung der Zustandsverantwortlichkeit 137

Bei der Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums ist der Gesetzgeber nicht vollkommen frei, sondern muß sich in den durch Art. 14 Abs. 2 GG vorgegebenen Grenzen halten. Der Gesetzgeber darf dem Privateigentum nur soweit Schranken setzen, als die Sozialbindung des Eigentums dies erfordert.10 Der Gesetzgeber hat hierbei „ein Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben“ 11 Er muß folglich einen Ausgleich zwischen den Interessen des Eigentümers an einer privatnützigen Verwendung und den Gemeinschaftsinteressen herstellen12 und sich darüber hinaus im Einklang mit den übrigen Verfassungsnormen halten.13 Bei der Festlegung von Inhalt und Schranken des Eigentums sind dem Gesetzgeber einerseits insbesondere Grenzen durch die Privatnützigkeit sowie durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip14 und andererseits durch das vergleichspaarbezogene und das allgemeine Willkürverbot gesetzt.15 Hieraus können sich Grenzen für das Maß der zulässigen Belastung ergeben. Darüber hinaus kann jedoch unter besonderen Umständen auch die Auferlegung einer Gefahrenabwehr- und Kostentragungspflicht als solche unzulässig sein. Angesichts des Umfangs der Aufgabenund der Kostenlast bei Boden- und Gewässersanierungen stellt sich die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit als solche oder jedenfalls die mit ihr nach herkömmlichem Verständnis verbundene Einstandspflicht mit dem gesamten Vermögen16 gegen die Eigentumsgarantie verstößt. Dies ist insbesondere dann zweifelhaft, wenn der Eigentümer Opfer der Boden- oder Gewässerkontamination ist.17

___________ 10 BVerfGE 25, 112 (118); 50, 290 (340 f.); 100, 226 (241); 102, 1 (17); Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (301); Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 520, Stand: Mai 1994. 11 BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29). 12 BVerfGE 100, 226 (240); BVerfGE 102, 1 (17). 13 BVerfGE 102, 1 (19 f.). 14 Vgl. BVerfGE 50, 339; 102, 1 (19 f.) sowie Brenner, DVBl. 1993, 291 (299). 15 Vgl. die eingehende Darstellung unter 8. Kap. E. V. 16 Auf die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000, BVerfGE 102, 1 (1 ff.), geforderte Begrenzung der Kostentragungspflicht wird ausführlich unter 8. Kap. D. II. 1. b) eingegangen. 17 Vgl. die eingehende Darstellung unter Kapitel 8.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

B. Zusammenfassung Die Verpflichtung des Zustandsstörers zur Gefahrenabwehr greift in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ein. Bei den Regelungen zur Zustandsverantwortlichkeit handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums einen Ausgleich zwischen den Interessen des Eigentümers an einer privatnützigen Verwendung und den Belangen des Gemeinwohls herbeizuführen; insbesondere darf die Zustandsverantwortlichkeit nicht unverhältnismäßig sein.18

___________ 18

Vgl. Brenner, DÖV 1995, 60 (61 f.).

7. Kapitel

Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit Nachdem unter Kapitel 5 dargelegt worden ist, wann einem Grundeigentümer in den Umweltschadensfällen die Gefahr zugerechnet werden kann, soll in diesem Abschnitt geklärt werden, warum ihm die Gefahr zugerechnet werden kann. Es stellt sich somit die Frage nach dem Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit. Fehlt der Zustandsverantwortlichkeit ein rechtfertigender Grund, so ist die Inanspruchnahme des Eigentümers willkürlich und verstößt damit – wie an anderer Stelle1 noch auszuführen sein wird – gegen das allgemeine Willkürverbot2.3 In diesem Fall muß die Regelungen zur Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform reduziert werden.4 Die Herausarbeitung des Rechtsgrundes ist somit Voraussetzung, um die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit bestimmen zu können.5 Der Lehre und der Rechtsprechung ist es bisher nicht gelungen, die Zustandsverantwortlichkeit auf eine dogmatisch tragfähige Grundlage zu stellen.

___________ 1

Vgl. die Darstellung unter 8. Kap. E. Ähnlich Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 114; Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1013); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 167 f.; ähnlich Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (65); Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 189. 3 Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nach allgemeiner Meinung ein vergleichspaarbezogenes Willkürverbot, wesentlich Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich und Ungleiches nicht ohne sachlichen Grund gleich zu behandeln; vgl. nur BVerfGE 3, 58 (135 f.); Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., 1994, S. 364. Ob Art. 3 Abs. 1 GG darüber hinaus ein allgemeines Willkürverbot zu entnehmen ist, ist umstritten; bejahend BVerfGE 42, 64 (74 ff.); 57, 39 (42); verneinend Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., S. 364. Diese Frage kann an dieser Stelle zunächst dahinstehen, weil sich im Störerrecht immer Vergleichspaare bilden lassen. So stellt sich bei Zustandsstörern stets die Frage, ob eine sachwidrige Gleichbehandlung mit Verhaltensstörern bzw. eine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber Nichtstörern erfolgt; ähnlich Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 114. Auf die Begrenzung der Zustandshaftung nach dem allgemeinen Willkürverbot wird unter 8. Kap. E. V. näher eingegangen. 4 Diesen Weg hat jüngst das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000 beschritten, sich hierbei jedoch auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip statt auf das allgemeine Willkürverbot gestützt; vgl. BVerfGE 102, 1 (18 ff.) sowie die eingehende Darstellung unter 8. Kap. D. II. 1. c). 5 So auch Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 16 f. 2

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit liegt nach wie vor im Dunkeln.6 Die herrschende Meinung7 hat den vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und von der frühen Verwaltungsrechtslehre entwickelten Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit niemals ernsthaft hinterfragt.8 So kommt es, daß die Zustandsverantwortlichkeit statt mit Zurechnungskriterien zumeist mit inhaltslosen, floskelhafte Formulierungen „begründet“ wird. In den Abschnitten A. bis C. sollen zunächst die vertretenen Ansätze zum Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit dargestellt und kritisch hinterfragt werden. Im Abschnitt D. wird sodann ein eigener Lösungsvorschlag präsentiert.

A. Tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft I. Darstellung der Ansicht Das Preußische Oberverwaltungsgericht 9 und die frühe Verwaltungsrechtslehre10 begründeten die Zustandsverantwortlichkeit mit der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft. Auch die heute herrschende Meinung in Rechtsprechung11 und Lehre12 leitet die Zustandsverantwortlichkeit in erster Linie13 aus ___________ 6 So bereits Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, S. 42. Beyes Aussage aus dem Jahre 1969 hat auch heute noch Gültigkeit; zustimmend Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 23; Dombert, NJW 2001, 927 (928); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 161. 7 BVerwG, DVBl. 1986, 360 ff.; NVwZ 1991, 475; 1997, 577; OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 53; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 139 ff.; Leisner, UTR 12 (1990), 227 f.; Gallwas/Mößle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Aufl., Rn. 456. 8 So schon Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, S. 42. 9 Pr. OVGE 7, 348 (351 ff); 8, 327 ff.; 10, 178 ff.; 12, 306 ff.; 13, 323 ff.; 18, 411 ff.; 36, 400 f.; 40, 391 ff.; 43, 383 ff.; 59, 269 ff.; 60, 309 ff.; 61, 280 ff.; 65, 369 ff.; 86, 258 ff. 10 Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 305; Wolzendorff, Der Polizeigedanke des modernen Staates, S. 191; Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl., S. 221; Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, S. 40. 11 BVerwG, DVBl. 1986, 360 (361); NVwZ, 1991, 475; OVG Münster, OVGE 5, 185 (188); DÖV 1977, 352; NJW 1980, 956; OVG Berlin, DÖV 1954, 214; VGH München, BayVBl. 1968, 252; NJW 1979, 1631; OVG Lüneburg, NJW 1979, 735; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1017; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295). 12 Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in NordrheinWestfalen, 2. Aufl., 1972, § 18 Rn. 5; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl., S. 67; von Mutius, Jura 1983, 298 (306 f.); Götz, NVwZ 1984, 211 (215); Hohmann,

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

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der tatsächlichen oder rechtlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache her. Seine Herrschaftsmacht über den Gefahrenherd versetze den Zustandsstörer in die Lage, die Entstehung von Gefahren zu verhindern oder entstandene Gefahren zu beseitigen.14 Dies verpflichte ihn, im Interesse der Allgemeinheit Gefahren abzuwehren und eingetretene Schäden zu beseitigen. Für die Zustandsverantwortlichkeit sei es ohne Bedeutung, wie es zu der Gefahr gekommen sei und ob der Zustandsstörer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt habe.15 Ein Eigentümer sei auch dann zustandsverantwortlich, wenn die Gefahr Folge eines Naturereignisses sei oder wenn ein Dritter sie verursacht habe.16 Dies gelte selbst dann, wenn der Eigentümer Opfer des Verhaltens eines Dritten ist.17 So sei ein Grundeigentümer auch dann Zustandsstörer, wenn ein Tanklastwagen bei einem Verkehrsunfall umkippe, hierdurch Öl auslaufe und in den Boden des Grundeigentümers versickere.18

II. Stellungnahme Die Zustandsverantwortlichkeit läßt sich nicht mit der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft begründen.19 Friauf20 hat zu Recht darauf hingewie___________ DVBl. 1984, 997; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318 ff.; Fabry, Private Unternehmen als Umwelt-Störer, 1993, S. 34. 13 Zu dem zweiten Rechtsgrund, auf den die herrschende Meinung sich stützt, vgl. sogleich im Abschnitt B. 14 von Mutius, Jura 1983, 298 (306 f.); Hohmann, DVBl. 1984, 997; Schink, DVBl. 1986, 161 (170); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318 f.; Fabry, Private Unternehmen als Umwelt-Störer, S. 34; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 256. 15 Vgl. nur OVG Münster, OVGE 5, 185 (188); NJW 1980, 956; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl., S. 67. 16 BVerwG, NVwZ 1992, 1908; NJW 1999, 213; VGH München, BayVBl. 1996, 437; 1997, 502; OVG Koblenz, DVBl. 1998, 103; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 320 m.w.N. 17 BVerwG, DVBl. 1974, 297; OVG Münster, DVBl. 1969, 594; 1970, 392; 1971, 828 (829); VGH München, NVwZ 1986, 942 (944); OVG Koblenz, NVwZ 1993, 499 (500); VGH Kassel, DÖV 1994, 172 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 320; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 154 f.; Gallwas/Mößle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Aufl., Rn. 456. 18 BVerwG, DVBl. 1974, 297; OVG Münster, DVBl. 1969, 594; 1970, 392; 1971, 828 (829); Gieseke, ZfW 1964, 179 (189); Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 210. 19 Zustimmend Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 29; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 60; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 21; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 167 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

sen, daß die Sachherrschaft Tatbestandsvoraussetzung, nicht aber Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist. Die Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache ist Voraussetzung für die Erfüllbarkeit der Gefahrenabwehrpflicht, sagt jedoch nichts darüber aus, ob eine derartige Pflicht besteht.21 Die Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache ist zudem kein hinreichendes Kriterium, um den Störer von einem Nichtstörer abzugrenzen.22 Grund für die Inanspruchnahme des Nichtstörers im polizeilichen Notstand ist gerade, daß der Nichtstörer zur Gefahrenabwehr in der Lage ist, weil er auf die Sache einwirken kann. Einem Nichtstörer wird die Gefahr jedoch nicht schon deshalb zugerechnet, weil er zur Gefahrenabwehr geeignet ist. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dies beim Eigentümer oder beim Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft anders sein sollte. Hinzu kommt, daß in den Umweltschadensfällen, die Gegenstand dieser Untersuchung sind, der Eigentümer regelmäßig nicht in der Lage ist, die Gefahr persönlich abzuwehren. Boden- und Gewässerkontaminationen können im Normalfall nur von mit besonderem Know-how ausgestatteten Spezialunternehmen saniert werden. Muß der Eigentümer aber einen Spezialisten mit der Durchführung der Gefahrenabwehrmaßnahme beauftragen, so ist seine Einwirkungsmöglichkeit nicht größer als die eines beliebigen Dritten. Die Zustandsverantwortlichkeit läßt sich in den Opferfällen auch nicht damit begründen, daß der Eigentümer den Eintritt der Gefahr oder des Schadens hätte verhindern können. Im Tanklastwagenfall oder in anderen Fremdeinwirkungsfällen steht der Grundeigentümer der von außen auf sein Grundstück eindringenden Gefahr so wehrlos gegenüber wie jeder beliebige Bürger.23 Da er gegen derartige Unfälle keine Schutzmaßnahmen ergreifen kann, lassen sich hieraus keine Handlungspflichten herleiten. Anderenfalls würde von dem Eigentümer etwas Unmögliches verlangt.24 Daß die Zurechnung der Gefahr nicht damit begründet werden kann, der Eigentümer hätte die Gefahr verhindern können, zeigen im übrigen besonders deutlich die Fälle, in denen der Eigentümer ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben hat.

___________ 20

In: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (298). Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, S. 163 ff.; Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 33; Griesbeck, Die materielle Polizeipflichtigkeit des Zustandsstörers, S. 79; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 21; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 167 f. 22 Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168. 23 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (296); Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 118; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 170. 24 Lücke, Die (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten, S. 1 ff. und 22 ff. 21

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

143

B. Nutzen-Lasten-Verhältnis I. Darstellung der Ansicht Friauf25 sieht als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit an, daß der Eigentümer Vorteile aus der Sache ziehen könne. Dies rechtfertige es, ihm auch die mit der Sache verbundenen Nachteile und Lasten aufzuerlegen (sog. Korrelationsgedanke).26 Zu diesen Lasten gehören die Kosten der Gefahrenabwehr. Es wäre sozialwidrig, wenn der Eigentümer zwar die Vorteile der Sache genießen, die Nachteile aber auf die Allgemeinheit abwälzen könnte. Mache sich der Eigentümer ein Grundstück als Teil der Natur dienstbar, so müsse er Friauf27 zufolge auch für das Risiko einstehen, daß Naturgewalten auf das Grundstück einwirken und Gefahren hervorrufen. Friaufs Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis ist sowohl in der Rechtsprechung28 als auch im Schrifttum29 auf Zustimmung gestoßen. Die heute herrschende Meinung30 verbindet die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis mit der im Abschnitt A. dargestellten Lehre von der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft. Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2. 2000 angeschlossen.31

___________ 25

In: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (301). Vgl. hierzu auch Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (155). 27 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (301). 28 BVerwG, DÖV 1986, 287 ff.; NVwZ 1991, 475; NJW 1999, 231; VGH München, NVwZ 1986, 942 (944); OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; OVG Koblenz, NJW 1998, 625 (626). 29 Zustimmend Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 210 f.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Oerder, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstage (Hrsg.), Dokumentation zum 10. Deutschen Verwaltungsgerichtstag, S. 105 (119); Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schoch, JuS 1994, 932 (935); Gallwas/Mößle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Aufl., Rn. 456; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 139; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 172. 30 BVerwG, DÖV 1986, 287 ff.; NVwZ 1991, 475; OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; VGH Mannheim, GewArch 1998, 301 (303); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 53; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 139 ff.; Leisner, UTR 12 (1990), 217 (227 f.); Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 31; Oerder, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstage (Hrsg.), Dokumentation zum 10. Deutschen Verwaltungsgerichtstag, 105 (109); Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schoch, JuS 1994, 932 (935); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 139; Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (66). 31 BVerfGE 102, 1 (18 f.). 26

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

II. Stellungnahme Weder die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis noch deren Kombination mit der Lehre von der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft vermögen die Zustandsverantwortlichkeit zu begründen. Beide Lehren laufen im Ergebnis darauf hinaus, daß dem Eigentümer allein aufgrund seiner Rechtsstellung oder seines faktischen Näheverhältnisses alle Gefahren zugerechnet werden, von denen die Sache betroffen sein kann. Nach der grobmaschig angelegten Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis wird jede Gefahr als Korrelat der aus der Sache gezogenen Vorteile angesehen, ohne daß dargelegt würde, welche Nachteile und Vorteile einander entsprechen sollen. Die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis bleibt daher inhaltslos. Dies dürfte jedoch – ähnlich wie bei der Lehre von der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft – nicht zuletzt der Grund dafür sein, weshalb sie so breite Anhängerschaft gefunden hat, läßt sich damit doch eine uferlose Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers begründen. Die Nutzen-Lasten-Lehre führt lediglich in den Fällen zu sachgerechten Ergebnissen, in denen die Gefahr Folge der konkreten Nutzung des Grundstücks ist. Verpachtet ein Eigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer Chemiefabrik und gelangen bei einem Störfall Chemikalien in das Erdreich, so hat der Eigentümer für die sich aus der gefährlichen Nutzung resultierenden Gefahren einzustehen. Grund hierfür ist jedoch nicht das Verhältnis von Nutzen und Lasten. Für die Zurechnung einer Gefahr kommt es nicht darauf an, ob der Eigentümer der gefährlichen Sache Vorteile aus der Sache gezogen hat oder hätte ziehen können, sondern ob er sie selbst oder durch Nutzungsüberlassung an einen Dritten in einer umweltgefährdenden Weise nutzt. Überläßt der Eigentümer im Beispielsfall sein Grundstück dem Betreiber einer Chemiefabrik, so ist es für die Zurechnung der Gefahr ohne Bedeutung, ob er hierfür ein Nutzungsentgelt erhält, d.h. einen Vorteil aus der Nutzung zieht, oder ob die Gebrauchsüberlassung unentgeltlich erfolgt. Entscheidend ist allein, daß der Eigentümer sein Grundstück durch die Gestattung des Betriebs einer Chemiefabrik Umweltrisiken aussetzt.32 In allen verbleibenden Fällen, in denen die Gefahr nicht Folge der Nutzungsüberlassung an den Verursacher ist, fragt sich im übrigen, warum der Eigentümer, nur weil er seine Sache nutzen und daraus Vorteile ziehen kann, für Gefahren einstehen soll, die mit der Nutzung der Sache und den von ihm gezogenen Vorteilen in keinerlei Beziehung stehen.33 Verunglückt ein Tankwa___________ 32

Vgl. die ausführliche Begründung im Abschnitt D. So auch Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftung, S. 26 f.; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 173. 33

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

145

gen34 und läuft hierbei Öl auf das am Unfallort belegene Grundstück, so stehen die hierdurch entstandenen Bodenkontaminationen in keiner Beziehung zu den Vorteilen, die das Grundstück seinem Eigentümer gewährt hat. Der Grundeigentümer ist vielmehr Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten, der von außen auf das Grundstück einwirkt. Er steht der Gefahr nicht näher als jeder beliebige Bürger.35 Der Grundeigentümer kann sein Grundstück seit 30 Jahren oder seit einem Tag besessen haben, er kann es sehr profitabel oder mit hohem Verlust genutzt haben, in keinem Fall besteht jedoch eine Beziehung zwischen seinen Vorteilen und der eingetretenen Gefahr. Die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis vermag auch nicht zu erklären, weshalb der Erwerber eines kontaminierten Grundstücks zustandsverantwortlich sein soll. Die Bodenkontamination ist allenfalls Korrelat einer Nutzung, deren Vorteile dem Alteigentümer zugeflossen sind. Das kontaminierte Grundstück ist regelmäßig wirtschaftlich wertlos. Hat der Eigentümer das Grundstück seinerzeit in Unkenntnis der Kontamination erworben, so wird der Wert des unsanierten Grundstücks regelmäßig um ein Vielfaches niedriger sein als der gezahlte Kaufpreis. In einem solchen Fall davon zu sprechen, der Eigentümer habe Vorteile aus dem Grundstück gezogen und müsse auch die Lasten tragen, wäre geradezu zynisch.

C. Garantiehaftung für Risiken aus der Sphäre des Eigentümers I. Darstellung der Ansicht Demgegenüber leitet Binder36 die Zustandsverantwortlichkeit aus der Nutzung der Sache her. Der Eigentümer, der seine Sache nutze, um sie für sich fruchtbar zu machen, verändere durch die Nutzung die Sache und ihre Beziehung zu Dritten oder zu anderen Sachen. Hierdurch seien Beeinträchtigungen Dritter vorprogrammiert. Die Eigentumsgarantie könne dem Eigentümer nur gewährt werden, wenn er seinerseits dafür Sorge trage, daß aus seiner Nutzung keine Gefährdungen Dritter oder der Allgemeinheit resultieren. Die Eigentums___________ 34 Zu Gefahren, die von verunglückten Tankwagen hervorgerufen werden, vgl. nur BVerwG, DVBl. 1974, 297; OVG Münster, DVBl. 1969, 594; 1970, 392; 1971, 828 (829); VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294; Gieseke, ZfW 1964, 179 (189); Cyzchowski, DVBl. 1970, 379 ff.; Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 393 ff. 35 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (296); zustimmend Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 118; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 170. 36 Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 29 ff.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

garantie gehe daher mit einer Garantiehaftung des Eigentümers einher.37 Die Zustandsverantwortlichkeit sei mit der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung und der Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vergleichbar. Wie diese knüpfe sie an die Schaffung oder die Aufrechterhaltung einer Gefahrenquelle an.38 Der Eigentümer habe die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, daß von der Sache keine Gefahren ausgehen. Anders als nach der Lehre von der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft oder vom Nutzen-Lasten-Verhältnis können dem Eigentümer Binder zufolge nicht alle Gefahren zugerechnet werden, die von der Sache ausgehen. Der Eigentümer sei vielmehr nur für solche Gefahren verantwortlich, in denen sich ein spezifisches, aus dem Gefahrenbereich der Sache stammendes Risiko verwirkliche.39 Welche Risiken der Eigentümer sich zurechnen lassen müsse, ergebe sich aus der konkreten Nutzung der Sache, weil von einem Betrieb einer chemischen Fabrik andere Risiken ausgehen als von einer Nutzung als Ackerland. So sei der Eigentümer eines Ackers nicht zustandsverantwortlich, wenn unbekannte Täter auf dem Acker Giftfässer abladen, weil sich hierin keine mit der Nutzung als Ackerland verbundene Gefahr verwirkliche.40 Hingegen müsse sich der Grundstückseigentümer Gefahren durch rechtswidrige Eingriffe Dritter dann zurechnen lassen, wenn sich hierin eine sachtypische Gefahr verwirkliche.41 Laut Binder sei der Eigentümer eines Industriegrundstücks für sämtliche Gefahren verantwortlich, die von auf seinem Grundstück gelagerten Öl ausgehen. Dies gelte selbst dann, wenn das Öl durch Vandalismus ausgelaufen sei. Überlasse der Eigentümer einem Dritten sein Grundstück zur Nutzung, so müsse er sich alle aus der konkreten Nutzung resultierenden Gefahren zurechnen lassen, weil er sich der unmittelbaren Einwirkung auf die Sache begeben habe. Von der Zurechnung ausgenommen seien allerdings solche Gefahren, die durch das Überschreiten der vertragsgemäßen Nutzung entstanden seien. 42 ___________ 37 Markus Binder, ebendort, S. 30 f.; ähnlich, Quaritsch, DVBl. 1959, 455 (459); Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 95; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 95. 38 Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 31 f. 39 Ebendort, S. 79; vgl. auch Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 173. 40 Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 92; zustimmend Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 84. 41 Zustimmend Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 173. 42 Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftungstatbestand, S. 97, Fn. 387.

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

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Der Erwerber eines kontaminierten Grundstücks sei nur dann zustandsverantwortlich, wenn er bei Erwerb positive Kenntnis von der risikoreichen Vornutzung, z. B. als Deponie oder als Industriestandort hatte. Grob fahrlässige Unkenntnis der Gefahrenumstände begründe hingegen keine Haftung. 43 Wußte der Erwerber um die Vornutzung, so habe er dies in seinen Nutzungswillen aufgenommen. Er habe dann statt eines Wohngrundstücks ein ehemaliges Deponiegelände mit den damit einhergehenden Risiken erworben.

II. Stellungnahme Binder geht zutreffend davon aus, daß die Zurechnung der Gefahr an die Nutzung der Sache anknüpft und daß der Eigentümer nur für solche Gefahren einzustehen hat, die seiner Risikosphäre entstammen. So hat Binder zu Recht hervorgehoben, daß von der Nutzung eines Grundstücks als Ackerland oder zum Betrieb einer Chemiefabrik unterschiedliche Risiken ausgehen und daß sich der Eigentümer nur die mit der konkreten Nutzung verbundenen Risiken zurechnen lassen müsse. Jedoch überzeugt die von Binder vorgenommene Einteilung der Risikosphären nicht. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dem Grundeigentümer Gefahren zugerechnet werden sollten, die durch Vandalismus entstanden sind. Der Umstand allein, daß auf einem Industriegrundstück Öl auslaufen kann, rechtfertigt es nicht, dem Eigentümer atypische Gefahren zuzurechnen, die nicht in der gefährlichen Nutzung, sondern in dem mutwilligen Verhalten Dritter ihren Grund haben. Zutreffend beschränkt Binder die Zustandshaftung des Eigentümers, wenn dieser die Sache nicht selbst nutzt, sondern sie einem Dritten zur Nutzung überläßt, auf die Risiken, die sich aus der konkreten Nutzung durch den Dritten ergeben. Dies läßt sich allerdings nicht damit begründen, daß der Eigentümer sich hierdurch seiner Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache begebe. Mit dieser Begründung unvereinbar ist eine Begrenzung der Zustandshaftung auf Gefahren, die Folge der vertragsgemäßen Nutzung des Grundstücks sind. Daß Binder dem Eigentümer die Gefahr nicht bei vertragswidriger Nutzung zurechnet, zeigt, daß der Verlust der Einwirkungsmöglichkeit nicht Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist. Auch die Begründung für die Zurechnung der Gefahr beim Erwerb eines kontaminierten Grundstücks überzeugt nicht. Binder hat zwar zutreffend erkannt, daß der Erwerber, der um die risikoreiche Vornutzung weiß, bewußt das Risiko von Bodenkontaminationen in Kauf nimmt. Dies bedeutet jedoch nicht, daß er dieses Risiko in seinen Nutzungswillen aufnimmt. ___________ 43

Ebendort, S. 106 ff.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

D. Eigener Lösungsansatz Die Opferfälle sind das Symptom einer zu weit gefaßten Zustandsverantwortlichkeit. An ihnen zeigt sich, daß die historisch gewachsene Zustandsverantwortlichkeit44 auch Sachverhalte erfaßt, bei denen dem Eigentümer die Gefahr nicht zugerechnet werden kann. Wie dargelegt, setzt die Zurechnung der Gefahr voraus, daß der Eigentümer der Gefahr ähnlich nahe steht wie ein Verhaltensstörer, jedenfalls aber näher als ein beliebiger Bürger.45 An einem solchen Näheverhältnis fehlt es, wenn der Eigentümer zufälliges Opfer der Gefahr ist, weil an seiner Stelle jeder beliebige Dritte Opfer der Gefahr hätte werden können. Dies ist bei der Bestimmung des Rechtsgrundes zu berücksichtigen. Den bisherigen Ansätzen zur Bestimmung des Rechtsgrundes der Zustandsverantwortlichkeit ist gemein, daß sie die lege lata bestehende Zustandsverantwortlichkeit zu rechtfertigen suchen. Die herrschende Meinung46 erkennt zwar an, daß in den Opferfällen eine Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit geboten ist. Sie weigert sich jedoch, die sich hieraus ergebenden Schlüsse für den Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit zu ziehen. Statt dessen meint sie, die Zustandsverantwortlichkeit im Einzelfall auf das nach dem Übermaßverbot noch zumutbare Maß begrenzen zu müssen. Sie verkennt dabei, daß das Problem der Opferfälle nicht in ungerechten Einzelfällen, sondern in einer zu weit gefaßten Zustandsverantwortlichkeit als solcher besteht. Grund der Opferfälle ist nicht ein Übermaß der Belastung auf der Rechtsfolgenseite, sondern eine zu weite Zurechnung von Gefahren auf der Tatbestandsseite. Eine Lösung der Opferfälle kann daher nur gelingen, wenn die Opferfälle aus der zu weit gefaßten Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen werden.

I. Die Kategorisierung der Umweltschadensfälle Wie in Kapitel 5 dargelegt, kann dem Grundeigentümer in den Opferfällen die Gefahr nicht zugerechnet werden. Damit fehlt in den Opferfällen ein Rechtsgrund für die Zustandsverantwortlichkeit. Zur Bestimmung des Rechts___________ 44

Zur historischen Entwicklung vgl. die obige Darstellung unter 2. Kap. OVG Koblenz, DVBl. 1998, 103 (104); Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (302); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 54 f. 46 BVerwG, NVwZ 1991, 475; 1997, 577; Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (300 ff.); Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 210; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 11 f.; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 47 ff.; Kloepfer, NuR 1987, 7 (17). 45

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

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grundes sind daher die Umweltschadensfälle, in denen dem Eigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann, zu kategorisieren. Jede Kategorie ist sodann auf Anknüpfungspunkte für eine Zustandshaftung zu untersuchen. Außerhalb der Opferfälle lassen sich zwei Grundkonstellationen unterscheiden, in denen eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers in Betracht kommt.47

1. Verwirklichung eines mit der Nutzung des Grundstücks verbundenen Risikos Der Grundeigentümer muß sich eine Boden- oder Gewässerkontamination zum einen dann zurechnen lassen, wenn sie durch ein mit der Nutzung des Grundstücks verbundenes Risiko entstanden ist. Dies ist der Fall, wenn der Eigentümer sein Grundstück einem Dritten zur Nutzung überlassen hat und bei der Nutzung Gefahrstoffe (wie insbesondere Öl oder Chemikalien) in den Boden oder in ein Gewässer dringen.48 Verpachtet der Grundeigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer Tankstelle, einer chemischen Reinigung, einer Chemiefabrik oder einer Abfalldeponie, so muß er sich – wie dargelegt49 – die von der konkreten Nutzung für den Boden oder ein Gewässer ausgehenden Gefahren zurechnen lassen.

2. Bösgläubiger Erwerb eines kontaminierten Grundstücks Der Eigentümer muß sich die Gefahr zum anderen zurechnen lassen, wenn er ein Grundstück erwirbt und hierbei weiß oder grob fahrlässig verkennt, daß es kontaminiert ist.50

___________ 47

Vgl. hierzu unter 5. Kap. C. II. 1. und 3. Zustimmend OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); OVG Lüneburg, NuR 1990, 480 (481); Schink, DVBl. 1986, 161 (170); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (44); NVwZ 1987, 7 (17); Mehlich, BWVP 1991, 269 (271); Spilok, Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg, § 10 Rn. 3. 49 Vgl. eingehend unter 5. Kap. C. II. 2. b). 50 Vgl. 5. Kap. C. II. 3. 48

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

II. Die zwei Rechtsgründe der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit In einem zweiten Schritt sind nunmehr beide genannten Kategorien von Umweltschadensfällen darauf zu untersuchen, weshalb bei ihnen dem Eigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann.

1. Mitwirkung an der Gefahrentstehung a) Verhältnis von Nutzung und Risiko Die erste Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß der Eigentümer sein Grundstück mit der Nutzungsüberlassung an einen Dritten Risiken aussetzt. Der Eigentümer muß sich alle Gefahren zurechnen lassen, bei denen sich das Risiko der bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks verwirklicht.51 Nutzung und Risiko lassen sich nicht voneinander trennen, sondern sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Verpachtet der Grundeigentümer sein Grundstück, auf dem er zuvor eine Tankstelle betrieben hat, und führt der Pächter den Tankstellenbetrieb fort, so setzt der Eigentümer sein Grundstück denselben Umweltrisiken aus wie beim vorherigen eigenen Tankstellenbetrieb. In beiden Fällen muß der Grundeigentümer damit rechnen, daß Kraftstoffe – z. B. bei der Befüllung der unterirdischen Tanks oder bei nicht ordnungsgemäßer Bedienung der Zapfsäulen – auslaufen und den Boden bzw. das Grundwasser verunreinigen. Werden die Tanks nicht ordnungsgemäß befüllt und sickert daraufhin Benzin in das Erdreich, so steht der Eigentümer der Gefahr näher als ein beliebiger Dritter. Er wußte oder hätte wissen müssen, daß er sein Grundstück durch die Nutzung des Grundstücks als Tankstelle erhöhten Umweltrisiken aussetzt. Der Grundeigentümer kann nicht einerseits sein Grundstück besonderen Umweltrisiken aussetzen und hieraus im Regelfall wirtschaftliche Vorteile ziehen und andererseits erwarten, daß die Allgemeinheit die Kosten der Gefahrenabwehr trägt, wenn sich diese Risiken verwirklichen.

___________ 51 Im Ergebnis zustimmend BVerfGE 102, 1 (21 f.); OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); OVG Lüneburg, NuR 1990, 480 (481); Kimmel, Eigentum und Polizei, S. 172; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (44); NuR 1987, 7 (17); Schink, DVBl. 1986, 161 (170); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 97; Mehlich, BWVP 1991, 269 (272); Spilok, Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg, § 10 Rn. 3; vgl. auch § 348 Abs. 4 S. 1 UGB-KomE, auf den unter 10. Kap. C. III. 3. noch einzugehen sein wird.

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

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b) Kennenmüssen der Umweltrisiken Stellt der Grundeigentümer einem Dritten sein Grundstück zur Nutzung zur Verfügung, so sind ihm die mit der konkreten Nutzung verbundenen Risiken nicht nur dann zuzurechnen, wenn der Eigentümer sie kennt, sondern auch, wenn er sie kennen muß. Diese Risiken müssen bei Nutzungsüberlassung erkennbar gewesen sein.52 Mußte der Grundeigentümer sie – z. B. aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse – erst im Laufe des Vertragsverhältnisses erkennen, so ist er zustandsverantwortlich, wenn er die Nutzung nicht zum nächstmöglichen Kündigungstermin beendet. Für die Zurechnung kann es jedoch nicht ausreichen, daß sich die Nutzung aufgrund nachträglicher Erkenntnisse nach Einstellung der Nutzung als umweltgefährdend herausstellt. Aufgrund des heute wesentlich höheren Umweltbewußtseins in der Bevölkerung sind bei aktuellen Nutzungsüberlasungen höhere Maßstäbe anzusetzen als in Altfällen. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Nutzung des Pächters durch eine behördliche Genehmigung gedeckt ist. Hat die Behörde im Laufe des Genehmigungsverfahrens auch die Umweltauswirkungen der Nutzung geprüft oder hätte sie diese bei pflichtgemäßem Handeln prüfen müssen, so muß sich der Eigentümer auf die umweltrechtliche Unbedenklichkeit, die in der Genehmigung zum Ausdruck kommt, verlassen können. Gleichwohl bestehende Risiken gehören dann zur Risikosphäre der öffentlichen Hand und nicht zu derjenigen des Eigentümers.53 Andernfalls würden an den Eigentümer höhere Anforderungen als an die Fachbehörde sowie an den Verursacher gestellt, der sich nach herrschender Meinung54 auf eine sog. Legalisierungswirkung der Genehmigung berufen kann. Dies würde zu Wertungswidersprüchen führen, weil der Verursacher der Gefahr stets näher steht als der Eigentümer.55 Ein Eigentümer kann sich folglich dadurch absichern, daß er seinem Pächter eine möglicherweise umweltgefährdende Nutzung nur bei Vorliegen einer entsprechenden behördlichen Genehmigung gestattet.

___________ 52

So auch BVerfGE 102, 1 (22). Zustimmend VG Freiburg, Urteil vom 14.11.2002, Az. 6 K 1763/01 (unveröffentlicht). 54 Breuer, NVwZ 1987, 751 (755); Kloepfer, NuR 1987, 7 (13 f.); Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 ff.; Peine, JZ 1990, 201 ff.; Hilger, Die Legalisierungswirkung von Genehmigungen, 1996. 55 Zustimmend Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (44). 53

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

c) Abgrenzung der Mitwirkung von der Verursachung Dem Grundeigentümer wird die Gefahr zugerechnet, weil er an ihrer Entstehung mitgewirkt hat. Bei dieser Mitwirkung handelt es sich um keine die Verhaltensverantwortlichkeit auslösende unmittelbare Verursachung der Gefahr. Der Eigentümer wird durch die Nutzungsüberlassung auch nicht zum Zweckveranlasser, weil er den Eintritt der Gefahr weder subjektiv56 bezweckt hat noch im Regelfall davon ausgegangen ist, daß die Überlassung des Grundstücks zu der konkreten Nutzung höchstwahrscheinlich zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen werde.57 Die Verantwortlichkeit des Eigentümers knüpft auch nicht unmittelbar an das Verhalten des Pächters an, das die Gefahr verursacht. Der Eigentümer hat vielmehr dafür einzustehen, daß er den Boden seines Grundstücks Umweltrisiken aussetzt. Seine Schutzpflicht ergibt sich aus seiner besonderen Verantwortung für das Umweltmedium Boden.58 Der Boden unterliegt wegen seiner Bedeutung für das gesamte Ökosystem in besonderer Weise der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG.59 Die Bedeutung der Umweltmedien für das Ökosystem hat der Gesetzgeber beim Wasser zum Anlaß genommen, es dem Wirtschaftsverkehr zu entziehen und es einer öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftung nach dem Wasserhaushaltsgesetz zu unterstellen. 60 Da der Boden nicht dem Wirtschaftsverkehr und der privaten Nutzung entzogen werden kann, haben der Grundeigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft dafür Sorge zu tragen, daß der Boden nicht durch die Nutzung des Grundstücks verunreinigt wird.61 Diese aus der Sozialbindung des Eigentums hergeleitete ___________ 56 Umstritten ist ob der Zweckveranlasser die Gefahr subjektiv bezweckt, d.h. beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommenen haben muß, oder ob es ausreicht, wenn die Gefahr objektiv „bezweckt“ worden ist, weil die Gefahr Folge des von ihm veranlaßten Verhaltens Dritter ist. Vgl. zum Meinungsstandes Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 202. 57 Vgl. zur Frage der Verhaltensverantwortlichkeit durch Überlassung einer Mietsache VGH Kassel, NVwZ 1992, 111; NVwZ-RR 1992, 622; VGH Mannheim, DVBl. 1996, 564; OVG Lüneburg, NVwZ 1997, 622; VG Schleswig, GewArch 1997, 262. Nach hier vertretener Ansicht kann die Überlassung eines Grundstücks zu einer Tätigkeit, die sich als umweltgefährdend erweist, unter keinen Umständen eine Verhaltensverantwortlichkeit begründen, weil dem Zustandsverantwortlichen die Gefahr überhaupt nur aufgrund dieser Mitwirkung an der Gefahrentstehung zugerechnet werden kann. Diese Mitwirkung ist der eigentlichen Verursachung der Gefahr durch den Mieter/Pächter jedoch keinesfalls gleichwertig, sondern stellt – bei Verwendung der aus dem Strafrecht bekannten Terminologie – lediglich eine Beihilfe dar. 58 Ähnlich Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 11. Zur besonders intensiven Sozialgebundenheit des Grundeigentums vgl. BVerfGE 21, 73 (83); Brenner, DVBl. 1993, 291 (293). 59 Ebendort. 60 Vgl. den sog. Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 58, 300 (328). 61 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 11.

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

153

Schutzpflicht62 für den Boden hat der Gesetzgeber inzwischen in § 4 Abs. 2 BBodSchG einfachgesetzlich verankert.63

d) Nur Zurechnung der Risiken aus der konkreten Nutzung Für die Zurechnung der Gefahr von entscheidender Bedeutung ist, zu welcher Nutzung der Grundeigentümer dem Dritten sein Grundstück überläßt, weil jede Nutzung mit unterschiedlichen Risiken verbunden ist. Verpachtet der Grundeigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer Tankstelle, so gehen hiervon andere Risiken aus als bei der Verpachtung an einen Landwirt. Bei der Verpachtung an einen Landwirt, der auf dem Grundstück Getreide anbaut, muß sich der Eigentümer z. B. die Gefahren zurechnen lassen, die Folge einer Überdüngung sind. Demgegenüber muß der Grundeigentümer, der sein Grundstück an den Betreiber einer Tankstelle verpachtet, für Gefahren einstehen, die durch das Auslaufen von Kraftstoffen (z. B. beim Befüllen der unterirdischen Tanks oder bei falscher Bedienung der Zapfsäulen) hervorgerufen werden. Ist der Grundeigentümer nicht bereit, die Verantwortung für eine besonders risikoreiche Nutzung zu tragen, so kann er sein Grundstück in einer mit weniger Umweltrisiken verbundenen Weise nutzen. Geht er das erhöhte Risiko ein, so kann er dafür Sorge tragen, daß die Risiken so gering wie möglich gehalten werden. Er kann seinen Pächter zu der Beachtung bestimmter Umweltstandards verpflichten und deren Einhaltung überwachen. Daneben steht ihm die Möglichkeit offen, sich gegen die Folgen von Umweltgefahren abzusichern. Er kann den Pachtzins mit einem Risikozuschlag versehen oder von dem Pächter Sicherheitsleistungen bzw. die Abgabe einer Freistellungsverpflichtung verlangen.

e) Zurechnung bei vertragswidriger Nutzung Fraglich ist, ob der Eigentümer nur für Gefahren einzustehen hat, die aus der vertragsgemäßen Nutzung des Grundstücks resultieren oder ob er auch dann zustandsverantwortlich ist, wenn die Gefahr durch eine vertragswidrige Nutzung verursacht worden ist. Die Problematik soll anhand folgender Beispiele verdeutlicht werden. ___________ 62 Von einer Stellung des Eigentümers oder Gewalthabers als Sicherungsgarant spricht – wenngleich auf einer anderen dogmatischen Grundlage – Bickel, NVwZ 2004, 1210 (1211). 63 Ebendort.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Beispiel 1 a) Der Eigentümer E vermietet sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu Wohnzwecken an M. M betreibt – für E nicht erkennbar – in der Garage eine Autoreparaturwerkstatt. Er führt u.a. Ölwechsel und Lackierarbeiten durch. Hierbei dringen Öl und Lacke in den Boden.

Beispiel 1 b) Wie Beispiel 1 a), nur daß E im Laufe der Mietzeit durch eine Zeitungsannonce des M davon Kenntnis erlangt, daß dieser auf dem Grundstück Ölwechsel und Lackierarbeiten durchführt.

Beispiel 2 Eigentümer E bestellte dem EB im Jahre 1990 auf 99 Jahre ein Erbbaurecht an seinem Grundstück, damit dieser hierauf eine metallverarbeitende Fabrik errichten und betreiben kann. Bei der Bestellung des Erbbaurechts verpflichtete sich EB u.a., die geltenden Umweltvorschriften einzuhalten und sämtliche Anlagen nach dem Stand der Technik zu betreiben. Im Jahre 2003 kommt es bei Galvanisationsarbeiten zu einem Störfall, bei dem Chemikalien auslaufen und in den Boden sowie in das Grundwasser gelangen. Es stellt sich heraus, daß die Anlage nicht dem derzeitigen Stand der Technik entsprach. Der Störfall wäre nicht eingetreten, wenn die Anlage dem Stand der Technik entsprochen hätte. Im Beispielsfall 2 hat EB vertragliche Vereinbarungen über die Einhaltung von Umweltstandards verletzt, das Grundstück jedoch zu dem vertraglich vereinbarten Zweck der Metallverarbeitung genutzt. Es liegt daher keine vertragswidrige Nutzung vor, weil sich in der von EB verursachten Gefahr gerade die Risiken verwirklicht haben, die mit einem metallverarbeitenden Betrieb verbunden sind. Die Zurechnung der Gefahr entfällt nicht schon deshalb, weil E den EB zur Einhaltung der Umweltvorschriften und zum Betrieb der Anlagen nach dem Stand der Technik verpflichtet hat. Da EB bereits nach dem Gesetz zur Einhaltung des Standes der Technik verpflichtet war, hat die Vereinbarung zu keiner Verringerung der Risiken geführt. Demgegenüber nutzt M in den Beispielsfällen 1 a) und 1 b) das zu Wohnzwecken überlassene Grundstück zu einem vertragswidrigen Zweck. Im Beispielsfall 1 a) kann E die Gefahr nicht zugerechnet werden, weil er nicht an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat. Überläßt E dem M sein Grundstück zu Wohnzwecken und nutzt M es für E nicht erkennbar zu vertragswidrigen Zwecken, so sind die hieraus resultierenden Gefahren nicht auf E zurückzufüh-

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

155

ren. Der Kausalverlauf ist vielmehr durch das eigenmächtige Verhalten des M unterbrochen worden. Im Unterschied hierzu muß sich E im Beispielsfall 1 b) die Gefahren zurechnen lassen, die entstanden sind, nachdem er von der vertragswidrigen Nutzung Kenntnis erlangt hat. Erlangt E Kenntnis von einer mit Umweltrisiken verbundenen vertragswidrigen Nutzung und leitet er nicht umgehend Maßnahmen ein, um diese zu unterbinden, so duldet er die vertragswidrige Nutzung. Er nimmt dann die betreffenden Risiken in seinen Nutzungswillen auf. Hat der Eigentümer hingegen keine Kenntnis von der vertragswidrigen Nutzung, so können ihm die damit einhergehenden Risiken auch dann nicht zugerechnet werden, wenn er sie hätte erkennen können. Der Vermieter ist nicht zur Überwachung des Mieters verpflichtet. An ihn können keine höheren Sorgfaltsanforderungen gestellt werden als an die zuständige Behörde.

2. Inkaufnahme einer Gefahr Nach herrschender Meinung64 befindet sich ein Eigentümer in einer Opferposition, wenn er bei Erwerb des Grundstücks weder von der Bodenkontamination wußte noch von ihr wissen mußte. Unter diesen Umständen steht er der Gefahr nicht näher als jeder beliebige Dritte. Demgegenüber wird demjenigen, der das Grundstück in Kenntnis der Verunreinigung erworben oder der Anhaltspunkte für eine Kontamination ignoriert hat, die Gefahr nach allgemeiner Meinung65 zugerechnet. Maßgebendes Zurechnungskriterium dieser Fallkonstellation ist folglich die Kenntnis oder die (grob) fahrlässige Unkenntnis der Bodenkontamination.

a) Wissentliche Risikoübernahme Weiß der Erwerber, daß er eine gefährliche Sache erwirbt, so übernimmt er die mit der Sache verbundenen Risiken. Dies zeigt sich besonders deutlich beim Erwerb von Sachen oder Tieren, die dauerhaft gefährlich sind. Erwirbt ein Zirkusdirektor einen Tiger, so weiß er, daß von diesem andere Gefahren ausgehen als von einem Schimpansen. Der Zirkusdirektor muß alle erforderlichen ___________ 64 Vgl. nur Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 48 ff.; NVwZ 1986, 256 (261); Schink, DVBl. 1986, 161 (169 f.); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756). 65 BVerwG, NVwZ 1991, 475 f.; 1997, 577 f.; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 48 ff.; NVwZ 1986, 256 (261); Schink, DVBl. 1986, 161 (169 f.); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 45 ff.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Maßnahmen ergreifen, um die Zirkusbesucher ausreichend vor dem Tiger zu schützen. Er muß dafür Sorge tragen, daß die Zirkusbesucher durch ein Gitter zwischen Manege und Tribüne vor Angriffen des Tigers geschützt sind. Der Zirkusdirektor kann sich nicht darauf berufen, daß es Sache der Allgemeinheit ist, Personen vor dem Tiger zu schützen. Ist er nicht bereit, die Kosten für Schutzmaßnahmen zu ergreifen, so muß er von dem Erwerb eines Tigers Abstand nehmen. Dies gilt nicht nur bei dauerhaft gefährlichen Sachen, sondern auch bei solchen Sachen, die nur unter besonderen Umständen gefährlich sind. Der Eigentümer, der bei Erwerb weiß, daß das Grundstück kontaminiert ist, übernimmt mit dem Grundstück die untrennbar mit ihm verbundenen Gefahren.66 Ist er nicht zur Übernahme der Risiken bereit, so muß er von dem Erwerb Abstand nehmen.67 Der Erwerber ist nicht schutzbedürftig, weil er den Erwerb davon abhängig machen kann, daß der Veräußerer das Grundstück zuvor saniert. Ist der Veräußerer hierzu nicht bereit, so kann sich der Erwerber dadurch angemessen wirtschaftlich absichern, daß er einen um die voraussichtlichen Sanierungskosten verminderten Kaufpreis vereinbart oder eine Freistellungserklärung des Veräußerers verlangt.

b) Billigende Inkaufnahme von Risiken Der Erwerber einer gefährlichen Sache muß sich jedoch nicht nur die Gefahren zurechnen lassen, die er positiv kennt, sondern auch solche Gefahren, die er grob fahrlässig billigend in Kauf nimmt.68 Er nimmt die Bodenkontamination billigend in Kauf, wenn er Anhaltspunkte für eine Gefahr kennt oder wenn er sich Anhaltspunkten für eine Gefahr grob fahrlässig verschließt. Weiß der Erwerber, daß das Grundstück als Altlastenverdachtsfläche im Altlastenregister eingetragen ist, so nimmt er billigend in Kauf, daß sich der Verdacht erhärtet. Erwirbt er gleichwohl das Grundstück, so übernimmt er die mögliche Gefahr. ___________ 66 Zustimmend BVerfGE 102, 1 (21 f.); VGH Mannheim, DÖV 1986, 249 (250); Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Breuer, JuS 1986, 359 (363); NVwZ 1987, 751 (756); Fehn, VR 1987, 267 (268); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 99; Eckstein, BWVP 1994, 251 (252). 67 Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 99. 68 BVerwG, NVwZ 1991, 475; NVwZ 1997, 577 f.; VGH Mannheim, VBlBW 1995, 488; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Breuer, JuS 1986, 359 (383); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 99; Eckstein, BWVP 1994, 251 (252); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 303.

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

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Er muß sich dann so behandeln lassen, als ob er das Grundstück in Kenntnis der Altlast erworben hat. Dem gleichzustellen ist der Erwerber, der sich vorhandenen Anhaltspunkten für eine Bodenkontamination grob fahrlässig verschließt.69 Grob fahrlässig handelt z. B., wer vor Erwerb des Grundstücks keine Einsicht in das Altlastenkataster oder in die Bauleitplanung nimmt bzw. keine entsprechende Anfrage beim altlastenkatasterführenden Amt stellt und das Grundstück nicht begeht.70 Indizien für eine grobe Fahrlässigkeit können sich auch aus dem Kaufvertrag ergeben. Ein geringer Kaufpreis kann darauf hindeuten, daß der Käufer von der Kontamination wußte oder mit ihr rechnete. Jedoch kann nicht allein aus einer Altlastenfreizeichnungsklausel auf grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers geschlossen werden.71 Derartige Klauseln gehören mittlerweile zum vertragsrechtlichen Standard bei Grundstückskaufverträgen. Sie dienen dem Verkäufer vielfach dazu, sich für den Fall abzusichern, daß wider Erwarten nach Abschluß des Kaufvertrages Altlasten entdeckt werden. Unter den aufgezeigten Umständen steht der Erwerber der Gefahr näher als ein beliebiger Dritter. Da er die ihm zumutbaren Sorgfaltsanforderungen in grobem Maße außer acht gelassen hat, verdient er keinen Schutz.72 Hingegen muß sich der Erwerber solche Gefahren nicht zurechnen lassen, die ihm ohne grobe Fahrlässigkeit verborgen geblieben sind. Übernimmt der Erwerber die Gefahr nicht wissentlich oder nimmt er sie nicht wenigstens billigend in Kauf, so steht er der Gefahr nicht näher als ein beliebiger Dritter.

c) Vergleich mit dem Zivilrecht Das Zivilrecht kennt mit der Gefährdungshaftung ebenfalls eine Einstandspflicht desjenigen, der eine besondere Gefahrenquelle geschaffen hat oder auf___________ 69 Ähnlich BVerfGE 102, 1 (21 f.); VGH Mannheim, DÖV 1986, 249 (250); Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Breuer, JuS 1986, 359 (363); NVwZ 1987, 751 (756); Fehn, VR 1987, 267 (268); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 99; Eckstein, BWVP 1994, 251 (252). 70 Mohr, NVwZ 2003, 686 (688). A.A. hinsichtlich der Besichtigung Lwowski/ Tetzlaff, WM 2001, 385 (397). 71 A.A. VG Frankfurt a.M., NVwZ 2000, 107 ff.; Hipp/Rech/Turian, Das BundesBodenschutzgesetz, Rn. 304; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 73; Mohr, NVwZ 2003, 686 (688). 72 Ablehnend Ladeur, UPR 1995, 1 (7); Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1324); Kniesel, BB 1997, 2009 (2012); Lepsius, JZ 2001, 22 (27). Sie halten das Abstellen auf subjektive Elemente im Gefahrenabwehrrecht für systemwidrig.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

rechterhält.73 Die Gefährdungshaftung beruht darauf, daß derjenige, der ein besonderes Risiko eingeht, für die Folgen der Verwirklichung dieses Risikos einzustehen hat. Auch im Gefahrenabwehrrecht geht die Übernahme einer gefährlichen Sache mit einer besonderen Verantwortung des Eigentümers einher. Auch im Gewährleistungsrecht des Käufers findet sich eine ähnliche Wertung. So verliert der Käufer einer mangelhaften Sache gemäß § 442 BGB dann seine Gewährleistungsrechte, wenn er bei Vertragsschluß von dem Mangel wußte oder ihm der Mangel aufgrund grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben ist. Hinter § 442 BGB steht das allgemeine Rechtsmißbrauchsverbot des venire contra factum proprium.74 Kauft jemand eine Sache, obwohl er ihre Mangelhaftigkeit kennt, so erweckt er den Eindruck, als lege er auf die Mangelfreiheit der Sache keinen Wert.75 Dasselbe gelte, wenn er sich grob fahrlässig Anhaltspunkten für eine Mangelhaftigkeit verschließt. Das Verbot des venire contra factum proprium gilt über das Zivilrecht hinaus auch im öffentlichen Recht.76 Es kann auch im vorliegenden Zusammenhang herangezogen werden.

E. Zusammenfassung Die de lege lata geltende Zustandsverantwortlichkeit geht im wesentlichen unverändert auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und die Verwaltungsrechtslehre des frühen 20. Jahrhunderts zurück. Die heute herrschende Meinung hat den Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit niemals ernsthaft hinterfragt. Wie schon das Preußische Oberverwaltungsgericht und die frühe Verwaltungsrechtslehre sieht die derzeit noch herrschende Meinung in erster Linie die tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit an. Ein Eigentümer sei für Gefahren, die von seiner Sache ausgehen, verantwortlich, weil er auf seine Sache einwirken und hierdurch die Entstehung der Gefahr verhindern oder jedenfalls die Gefahr abwehren könne. Unbeachtlich sei, wie die Gefahr entstanden sei. ___________ 73

Eingehend hierzu unter 9. Kap. D. I. 2. BGH, NJW 1989, 2050; Richardi, AcP 169 (1969), 385 (390); Honsell, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 460 Rn. 1; a.A. Köhler, JZ 1989, 761, demzufolge die ratio legis in der Minimierung der Kosten und Risiken von Sachmängelprozessen bestehe. 75 Vgl. nur Honsell, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 460 Rn. 1. 76 Gallwas, Der Mißbrauch von Grundrechten, 1967, S. 84; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 79. 74

7. Kap.: Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit

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Die Zustandsverantwortlichkeit läßt sich nicht mit der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft begründen. Diese ist lediglich Voraussetzung für die Erfüllbarkeit der Gefahrenabwehrpflicht, nicht jedoch ihr Rechtsgrund. Auch ein Nichtstörer kann im polizeilichen Notstand zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden, weil er auf die Sache einwirken kann, ohne daß er hierdurch zum Störer würde. Die herrschende Meinung sieht als weiteren Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit an, daß der Eigentümer Vorteile aus seiner Sache ziehe und daher auch die mit ihr verbundenen Nachteile zu tragen habe. Die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis führt im Ergebnis dazu, daß sich der Eigentümer sämtliche Gefahren zurechnen lassen muß, die von der Sache ausgehen, selbst wenn sie Folge des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind. Auch die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis vermag die Zustandsverantwortlichkeit nicht sachgerecht zu begründen, weil sie jede Gefahr als Korrelat der aus der Sache gezogenen Vorteile ansieht, ohne darzulegen, welche Vorund Nachteile einander entsprechen. So ist nicht ersichtlich, weshalb eine Gefahr, die – wie bei einem Tankwagenunfall – durch das Verhalten eines nicht nutzungsberechtigten Dritten verursacht worden ist, mit der Nutzung des Grundstücks im Zusammenhang stehen soll. Ebensowenig vermag die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis zu erklären, weshalb der Erwerber eines kontaminierten Grundstücks zustandsverantwortlich sein soll, weil die Verunreinigung allenfalls Folge der Nutzung durch den früheren Eigentümer ist. Die Lehre versagt auch dort, wo der Eigentümer seine Sache dem späteren Verursacher der Gefahr unentgeltlich zur Nutzung überlassen hat. Binder leitet die Zustandsverantwortlichkeit aus der konkreten Nutzung der Sache her. Den Eigentümer treffe eine Garantiehaftung für Risiken aus seiner Sphäre, weil er eine Gefahrenquelle schaffe und aufrechterhalte. Überlasse er sein Grundstück einem Dritten, so müsse er sich alle sich hieraus ergebenden Risiken zurechnen lassen, weil er sich der unmittelbaren Einwirkung auf das Grundstück begeben habe. Der Erwerber eines kontaminierten Grundstücks sei laut Binder nur zustandsverantwortlich, wenn er die Bodenkontamination kannte oder jedenfalls positive Kenntnis von der risikoreichen Vornutzung hatte. Nur dann nehme er die Bodenkontamination in seinen Nutzungswillen auf. Binder rechnet dem Eigentümer im Grundsatz zutreffend solche Gefahren zu, die Folge der konkreten Nutzung der Sache sind. Nicht zu überzeugen vermag jedoch, weshalb der Eigentümer auch für Vandalismusfolgen haften soll, weil diese mit der konkreten Nutzung des Grundstücks in keinem Zusammenhang stehen. Seine Begründung, der Eigentümer begebe sich seiner Einwirkungsmöglichkeit, wenn er die Sache einem Dritten zur Nutzung überlasse, kann nicht erklären, warum der Eigentümer nur für Gefahren einstehen soll, die aus der konkreten Nutzung durch den Dritten resultieren. Ebensowenig läßt

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

sich die Einstandspflicht des Erwerbers eines kontaminierten Grundstücks damit erklären, daß er die Gefahr in seinen Nutzungswillen aufgenommen habe. Die Zustandsverantwortlichkeit läßt sich nur zufriedenstellend begründen, wenn man dem Eigentümer allein solche Gefahren zurechnet, denen er ähnlich nahe wie ein Verhaltensstörer, jedenfalls aber näher als ein beliebiger Dritter steht. In den Opferfällen steht der Eigentümer der Gefahr gerade nicht näher als ein beliebiger Dritter, so daß es insoweit an einem Rechtsgrund für die Zustandsverantwortlichkeit fehlt. Es gibt zwei Rechtsgründe für die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit. Rechtsgrund ist zum einen die Mitwirkung an der Gefahrentstehung. Der Eigentümer wirkt an der Entstehung der Gefahr mit, wenn er die Sache selbst oder durch Überlassung an einen Dritten nutzt und damit den Risiken der konkreten Nutzung aussetzt. Unbeachtlich ist, ob er aus dieser Nutzung einen wirtschaftlichen Vorteil zieht oder nicht. Die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers resultiert daraus, daß ihn wegen der Bedeutung des Bodens für das Ökosystem eine besondere Schutzpflicht für den Boden trifft.77 Allerdings dürfen an den Eigentümer keine höheren Sorgfaltsanforderungen gestellt werden als an die Fachbehörde oder den Verursacher der Gefahr. Hat der Verursacher für die umweltgefährdende Tätigkeit eine behördliche Genehmigung eingeholt und entfällt durch die hiervon ausgehende Legalisierungswirkung nach herrschender Meinung die Verhaltensverantwortlichkeit, so scheidet auch eine Inanspruchnahme des Eigentümers aus. Nur so lassen sich Wertungswidersprüche vermeiden, weil der Verursacher der Gefahr stets näher steht als der Eigentümer. Nicht zurechnen lassen muß sich der Eigentümer solche Gefahren, die Folge des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind. Rechtsgrund ist zum anderen die (billigende) Inkaufnahme einer Gefahr. Hat der Eigentümer ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben und wußte er hierbei von der Verunreinigung oder ignoriert er diese grob fahrlässig, so nimmt er die Gefahr (billigend) in Kauf. Der bösgläubige Eigentümer ist nicht schutzwürdig. Nach dem allgemeinen Rechtsmißbrauchsverbot des venire contra factum proprium kann er nicht von der Allgemeinheit die Abwehr der Gefahr verlangen.

___________ 77 Zur besonders intensiven Sozialgebundenheit des Grundeigentums vgl. BVerfGE 21, 73 (83); Brenner, DVBl. 1993, 291 (293).

8. Kapitel

Die Lösung der Opferfälle A. Ausgangslage Die unbeschränkte Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen wird heute nach einhelliger Meinung1 als unbillig empfunden. Friauf2 hat bereits vor mehr als 30 Jahren in seinem grundlegenden Festschriftenbeitrag für Wacke eine Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen angemahnt, doch ist bis heute eine befriedigende Lösung nicht gefunden worden. Betrafen die Opferfälle, wie Friauf3 sie 1972 vor Augen hatte, noch seltene Einzelfälle, wie Tankwagenunfälle oder Flugzeugabstürze, so sind sie seit Bekanntwerden der Altlastenproblematik Mitte der 80er Jahre zu einem Massenphänomen geworden. In der Mehrzahl der Opferfälle geht es heute darum, ob der Eigentümer, der ein (überplantes) Altlastengrundstück erworben hat, auch dann unbeschränkt zur Sanierung und zur Kostentragung verpflichtet werden kann, wenn er bei Erwerb keine Kenntnis von der Bodenkontamination hatte. Angesichts der hohen Sanierungskosten hat eine unbeschränkte Inanspruchnahme in vielen Fällen den wirtschaftlichen Ruin des Grundeigentümers zur Folge. Vor diesem Hintergrund bedarf die soziale Sprengkraft der Opferfälle keiner weiteren Erläuterung. Der Gesetzgeber ist im Bundes-Bodenschutzgesetz einer Lösung der Opferproblematik ausgewichen. Zwar sah der Regierungsentwurf in § 26 Abs 2 eine Begrenzung der Sanierungskosten auf den Wert des Grundstücks vor, wenn der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks die Bodenkontamination weder kannte noch kennen mußte.4 Diese Regelung ist jedoch am Widerstand des Bundesra-

___________ 1 Papier, DVBl. 1985, 873 (878); JZ 1994, 810 (817); Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, S. 27; Spannowsky, UPR 1988, 376 (377); DVBl. 1994, 560 (562); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 152; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 41 ff.; Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schink, DÖV 1995, 213 (223). 2 In: Vogel/Tipke (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Wacke, 293 ff. 3 Ebendort, S. 296. 4 BT-Drucks. 13/6701, S. 14 und 64; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, BundesBodenschutzgesetz, § 24 Rn. 12 m.w.N.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

tes gescheitert.5 Unter Hinweis auf die finanziellen Auswirkungen einer solchen Haftungsbeschränkung für die öffentlichen Haushalte wurde die Vorschrift im Vermittlungsausschuß ersatzlos gestrichen.6 Der Gesetzgeber hat damit vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts7 die Herausarbeitung der Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit bewußt der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen.8 In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist nach wie vor umstritten, in welcher Weise die Opferfälle gelöst werden können. Uneinigkeit herrscht darüber, ob und in welchem Umfang die Aufgaben- und die Kostenlast zu beschränken sind. Keine abschließende Klärung der Streitfragen hat der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.20009 gebracht, auch wenn er den Behörden und den Gerichten Grundsätze für eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Störernormen an die Hand gibt.10 Das Bundesverfassungsgericht11 hat darin den Gesetzgeber ausdrücklich zu einer Neuregelung der Zustandshaftung aufgefordert und klargestellt, daß die von ihm aufgestellten Grundsätze nur für die Zeit bis zur gesetzlichen Neuregelung gelten.

B. Die drei Grundkonzeptionen Zur Lösung der Opferfälle werden drei Ansätze vertreten: die Ermessens-, die Rechtsfolgen- und die Tatbestandslösung. Die Vertreter der Tatbestandslösung sind der Ansicht, daß die Opferfälle Folge einer tatbestandlich zu weit gefaßten Zustandsverantwortlichkeit seien. Die Zustandsverantwortlichkeit müsse daher in den Opferfällen verfassungskonform reduziert und der Eigentümer als Nichtstörer behandelt werden. Nach dieser Ansicht kann der Eigentümer, der sich in einer Opferposition befindet, weder zur Gefahrenabwehr noch zur Kostentragung verpflichtet werden. Auch zur Duldung der Gefahren___________ 5

Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/6701, S. 58 f. sowie Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 12 m.w.N. 6 BT-Drucks. 13/9637, S. 5. 7 Vgl. die eingehende Darstellung hierzu unter 8. Kap. D. I. 2. 8 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 13. Abzulehnen ist die vom VGH München in seinem Beschluß vom 7.11.2002, NZM 2003, 651 f., vertretene Ansicht, der Gesetzgeber habe in § 4 Abs. 6 BBodSchG für den früheren Grundeigentümer eine abschließende Regelung zur Haftungsfreistellung wegen gutgläubigen Erwerbs getroffen, so daß ein gutgläubiger gegenwärtiger Eigentümer unbeschränkt zustandsverantwortlich sei. 9 BVerfGE 102, 1 (23). 10 Vgl. hierzu eingehend unter 8. Kap. D. II. 2. c). 11 BVerfGE 102, 1 (23).

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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abwehr könne er nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes und nur gegen Entschädigung verpflichtet werden. Im Unterschied hierzu sehen die Vertreter der Rechtsfolgenlösung den Eigentümer auch in den Opferfällen als Zustandsstörer an. Er könne jedoch nur eingeschränkt zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, daß er nur zur Duldung der Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet werden könne. Nach überwiegender Ansicht könne er jedoch auch zur Sanierung in Anspruch genommen werden. Insoweit seien allerdings finanzielle Obergrenzen zu beachten. Nach der Ermessenslösung schließlich bleibe der Eigentümer in den Opferfällen Störer. Die Behörde könne ihn unbeschränkt zur Gefahrenabwehr verpflichten. Allerdings sei die Opferposition bei der Störerauswahl zu berücksichtigen. Die Behörde habe grundsätzlich den Verhaltens- vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen. Sei der Verhaltensstörer nicht auffindbar oder zur Abwehr der Gefahr nicht in der Lage, so könne die Behörde den Eigentümer heranziehen. Im Einzelfall könne sie jedoch von einer Inanspruchnahme des Eigentümers absehen, wenn diese unverhältnismäßig sei.

C. Meinungsstand im Schrifttum I. Ermessenslösung Die früher herrschende Ermessenslösung12 lehnt eine generelle Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen ab. Eine Inanspruchnahme des Eigentümers überschreite auch in den Opferfällen grundsätzlich nicht die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. Es komme lediglich im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen, wenn die Heranziehung das Maß des dem Eigentümer Zumutbaren überschreite. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Verpflichtung des Eigentümers zur Gefahrenabwehr dessen wirtschaftlichen Ruin bedeute.13 Die Behörde habe ihre Ermessensentscheidung über die Inanspruchnahme des Eigentümers am Verhältnismäßigkeitsprinzip auszurichten. Sie habe bereits bei der Störerauswahl das Übermaßverbot zu ___________ 12 VGH Mannheim, DÖV 1986, 249 (250); VGH München, BayVBl. 1986, 590 (593); OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 320 f.; Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip? S. 123; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 174 f. 13 Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (207 ff.); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 162; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 321.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

beachten.14 Dieses gebiete, bei der Störerauswahl die jeweiligen Verursachungsbeiträge, etwaige zivilrechtliche Ausgleichspflichten15 sowie das Maß der individuellen Belastung zu berücksichtigen. Die Inanspruchnahme stelle für den Störer den geringsten Eingriff dar, der im Innenverhältnis für die Beseitigung der Gefahr verantwortlich sei. In den Opferfällen sei dies der Verhaltensstörer. Allerdings dürfe hierdurch die effektive Gefahrenabwehr nicht beeinträchtigt werden. Könne der Verhaltensstörer nicht ermittelt werden oder sei er nicht zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung in der Lage, so könne der Zustandsstörer grundsätzlich unbegrenzt herangezogen werden. Die Behörde müsse allerdings von einer Inanspruchnahme absehen, wenn diese den Eigentümer unzumutbar belaste. 16 Die Zumutbarkeitsgrenze werde jedoch erst überschritten, wenn der Eigentümer durch die Gefahrenabwehr in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werde. Die Ermessenslösung ist nicht geeignet, die Opferproblematik zu entschärfen, weil sie nicht auf die Opferposition als solche, sondern auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit im Einzelfall abstellt.17 Soweit sie bei der Störerauswahl ansetzt, versagt sie in den problematischen Fällen, in denen eine Inanspruchnahme des Verhaltensstörers aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist.18 Wie dargelegt19, ist eine Inanspruchnahme des Opfers auch unter diesen Umständen nicht zur der effektiven Gefahrenabwehr erforderlich. Die Entscheidung über die Verpflichtung eines Eigentümers, der sich in einer Opferposition befindet, ist allein eine Frage der gerechten Lastenverteilung20 zwischen der Allgemeinheit und dem Eigentümer. Eine solche nimmt die Ermessenslösung nicht vor. Die ungerechte Lastenverteilung folgt nicht aus der wirtschaftlichen ___________ 14 Vgl. BVerwGE 38, 68 ff.; 50, 265 (274 f.); Lücke, Die (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten, S. 22 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 321. 15 Ausgleichspflichten ergeben sich nunmehr aus § 24 Abs. 2 BBodSchG. Die herrschende Lehre hatte sich allerdings bereits vor Inkrafttreten des BundesBodenschutzgesetzes für einen Störerausgleich ausgesprochen; vgl. Kormann, UPR 1983, 281 (283); Schwabe, UPR 1983, 7 (10); Seibert, DÖV 1983, 964 (973 ff.); Spannowsky, UPR 1988, 376 (380); Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 ff.; a.A. BGH, NJW 1981, 2457. 16 So hat die Behörde z. B. bei Altlastenwohngrundstücken in Bielefeld-Brake (BGHZ 106, 323 ff.) und Dortmund-Dorstfeld (BGHZ 109, 380 ff.; OVG Münster, NVwZ 1985, 355) von der Heranziehung der Zustandsstörer zur Sanierung abgesehen. 17 Papier, Jura 1989, 505 (509). 18 Ebendort. 19 Vgl. die obige Darstellung unter 4. Kap. E. 20 Spannowsky, UPR 1988, 376; DVBl. 1994, 560 (561 ff.); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f.

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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Überforderung des Eigentümers im Einzelfall, sondern daraus, daß der Eigentümer für eine Gefahr verantwortlich gemacht wird, die ihm nicht zugerechnet werden kann.21 Bei einem Tankwagenunfall22 macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem Opfer um einen finanzstarken oder einen finanzschwachen Grundeigentümer handelt. Unbillig ist vielmehr, daß der Eigentümer, obwohl er ein zufälliges Opfer des Verhaltens eines Dritten ist, zur Gefahrenabwehr herangezogen wird. Die finanzielle Leistungsfähigkeit gibt allein Aufschluß über die Erfüllbarkeit einer Gefahrenabwehrpflicht. Sie sagt jedoch nichts darüber aus, ob eine Gefahrenabwehrpflicht besteht.

II. Tatbestandslösung Von den Vertretern der Tatbestandslösung wird der Eigentümer in den Opferfällen als Nichtstörer angesehen.23 Diese Ansicht basiert auf einer Zurechnung von Gefahren nach Risikosphären. Die Zustandsverantwortlichkeit setze voraus, daß die Gefahr der Risikosphäre des Eigentümers entstamme. Da dies in den Opferfällen nicht der Fall sei, sei die Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform zu reduzieren.24 Die Tatbestandslösung wird in verschiedenen Varianten vertreten, auf die hier nicht sämtlich eingegangen werden kann. Sie geht auf Friauf25 zurück, der darlegt, daß es bei der Zustandsverantwortlichkeit um eine Risikoverteilung zwischen dem einzelnen Eigentümer und der Gesamtheit der Steuerzahler gehe.26 In den Opferfällen stelle sich die Gefahr für den betroffenen Grundeigentümer als ein rein zufälliges Ereignis dar. An seiner Stelle hätte die Gefahr genauso gut einen Nachbarn oder jeden beliebigen anderen Steuerzahler treffen

___________ 21

Gegen eine Haftungsbegrenzung aufgrund von Billigkeitserwägungen auch Hohmann, DVBl. 1984, 997. 22 Zu Gefahren, die von verunglückten Tankwagen ausgehen, vgl. nur BVerwG, ZfW 1974, 296; OVG Münster, OVGE 19, 101; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294. 23 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (303); Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 143 ff., Rn. 86 ff; Ossenbühl, DÖV 1976, 463 (470); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff.; Bielfeldt, DÖV 1989, 441 (447); Nikolaus Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 93; Spießhofer, Der Störer im allgemeinen und im Sonderpolizeirecht, S. 190. 24 Ebendort. 25 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 ff.; VVDStRL 35 (1977), S. 350 f.; Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 143 ff. 26 Zustimmend OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

können.27 Friauf ist der Ansicht, daß derartige Zufallsschäden der Risikosphäre der Allgemeinheit zuzurechnen seien.28 Friauf sieht den Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit in der Sozialbindung des Eigentums.29 Art. 14 Abs. 2 GG untersage zwar einen schrankenlosen Individualgebrauch, ordne den Eigentümer jedoch nicht willkürlich beliebigen Kollektivinteressen unter. Eine Inanspruchnahme des Eigentümers zur Gefahrenabwehr komme nur in Betracht, wenn die Gefahr in Beziehung zu seiner Sachherrschaft stehe und daher seiner Risikosphäre entstamme. Hieran fehle es in den Opferfällen. Der Gesetzgeber habe den Tatbestand der Zustandsverantwortlichkeit bewußt weit gefaßt, um die finanziellen Lasten von der Allgemeinheit auf die betroffenen Eigentümer abzuwälzen.30 Hierdurch werde die Sozialbindung in verfassungswidriger Weise überspannt, so daß der Tatbestand der Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform zu reduzieren sei. Die Zustandsverantwortlichkeit dürfe sich bereits tatbestandlich nicht auf solche Gefahren erstrecken, die der Risikosphäre der Allgemeinheit entstammen.31 Bei Gefahren aus der Risikosphäre der Allgemeinheit sei der Eigentümer Nichtstörer, der nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes zur Duldung der Gefahrenabwehrmaßnahme verpflichten werden könne. Friauf hat mit seiner Risikosphärentheorie einen entscheidenden Anstoß zur Lösung der Opferfälle gegeben. Er hat wegweisend darauf hingewiesen, daß dem Eigentümer nicht jede von seiner Sache ausgehende Gefahr zugerechnet werden kann und daß es für die Zurechnung darauf ankommt, wessen Risikosphäre die Gefahr entspringt. Zutreffend geht Friauf davon aus, daß dem Eigentümer die Gefahr dann nicht zugerechnet werden könne, wenn er ihr nicht näher stehe als jeder andere Steuerzahler. Unter diesen Umständen sei die Gefahr willkürlich und verfassungswidrig. Abzulehnen ist allerdings Friaufs Einteilung der Risikosphären. Er unterscheidet zwischen der Risikosphäre des Eigentümers und derjenigen der Allgemeinheit. Bei den Opferfällen handelt es sich jedoch weder um Risiken aus der Sphäre der Allgemeinheit noch aus der Sphäre des Eigentümers.32 Die Ge___________ 27

Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (296); ähnlich jüngst Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 118; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 170. 28 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (296). 29 Ebendort, S. 299 f. Zum Verhältnis der polizeilichen Zustandsverantwortlichkeit zur Sozialgebundenheit des Eigentums siehe auch BVerfGE 20, 351 (357) sowie die Darstellung unter 5. Kap. A. 30 Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (303). 31 Zustimmend Czychowski, DVBl. 1970, 379 (384). 32 Zustimmend Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (463).

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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fahr entstammt ausschließlich der Risikosphäre des Verhaltensstörers.33 Der Allgemeinheit können Gefahren nur zugerechnet werden, wenn Organe des Staates die Gefahr durch ihr Verhalten verursacht haben oder die öffentliche Hand Zustandsstörer ist. Diese Voraussetzungen liegen in den Opferfällen regelmäßig nicht vor. Die von Friauf vorgenommene Zweiteilung der Risikosphären verstellt den Blick für die entscheidende Frage. In den Opferfällen geht es einzig um die Frage, ob der Eigentümer oder die Allgemeinheit das Risiko zu tragen hat, wenn der Verhaltensstörer ausfällt, weil er nicht auffindbar oder nicht leistungsfähig ist. Wie dargelegt, kann der Eigentümer nur dann zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden, wenn ihm die Gefahr zuzurechnen ist.34 Anderenfalls muß die Allgemeinheit die Aufgaben- und die Kostenlast tragen, weil die Gefahrenabwehr im öffentlichen Interesse erfolgt. Zu Unrecht rechnet Friauf dem Eigentümer alle Gefahren zu, die nicht der Risikosphäre der Allgemeinheit entspringen. Die Zurechnung erfordert vielmehr eine positive Begründung, weshalb die Gefahr dieser Person zugerechnet werden kann. Abzulehnen ist ferner Friaufs Ansicht, daß der Eigentümer in den Opferfällen Nichtstörer sei. Die Tatbestandslösung verkennt, daß die Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen mit unterschiedlich starken Eingriffen in die Eigentumsfreiheit verbunden ist.35 Der Eigentümer wird durch eine Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr regelmäßig stärker belastet als bei der Verpflichtung zur Duldung von Gefahrenabwehrmaßnahmen. Mit der Intensität des Grundrechtseingriffs erhöht sich der Rechtfertigungsbedarf. Kann von einem Eigentümer in den Opferfällen nicht verlangt werden, daß er die Gefahr auf eigene Kosten abwehrt, so bedeutet dies nicht, daß er nicht als Störer zur Duldung fremder Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet werden kann. Wie dargelegt, ist zwar eine Inanspruchnahme des Eigentümers zur Gefahrenabwehr in den Umweltschadensfällen regelmäßig nicht zur effektiven Gefahrenabwehr erforderlich. Die Behörde muß den Eigentümer jedoch auch außerhalb des polizeilichen Notstandes zur Duldung von Gefahrenmaßnahmen verpflichten können. Da die Gefahrenabwehr ohne aktive Mitwirkung des Eigentümers, nicht aber ohne Duldung seitens des Eigentümers möglich ist, unterliegt die Duldungspflicht in stärkerem Maße als die Gefahrenabwehrpflicht der Sozialbindung des Eigentums. Wegen der geringeren Eingriffsintensität und der stärkeren Sozial___________ 33 Etwas anderes gilt allerdings bei durch Naturereignisse ausgelösten Gefahren. Hier stellt sich die Frage, ob die Gefahr der Risikosphäre des Eigentümers entspringt. Ist dies nicht der Fall, so muß die Allgemeinheit die Aufgaben- und Kostenlast tragen. 34 Vgl. oben unter 1. Kap. C. I. 2. 35 Vgl. eingehend unter 10. Kap. E.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

bindung muß der Eigentümer die Gefahr in den Opferfällen als Störer entschädigungslos dulden.36 Aus denselben Gründen kann er auch entschädigungslos verpflichtet werden, alles zu unterlassen, was die Abwehr der Gefahr erschwert.

III. Rechtsfolgenlösung Die Vertreter der Rechtsfolgenlösung sind der Ansicht, daß der Eigentümer auch in den Opferfällen Störer sei. Seiner Opferposition sei dadurch Rechnung zu tragen, daß er nur eingeschränkt verpflichtet werden könne. Die Rechtsfolgenlösung wird in unterschiedlichen Schattierungen vertreten. Uneinigkeit herrscht sowohl hinsichtlich der dogmatischen Herleitung als auch hinsichtlich des Umfangs der gebotenen Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit. Nachfolgend soll auf die drei wesentlichen Ansätze eingegangen werden.

1. Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit Die Rechtsfolgenlösung ist maßgebend von Papier37 geprägt worden. Papier leitet die Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit aus Art. 14 GG her.38 Die Zustandsverantwortlichkeit sei eine Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.39 Aufgabe der Zustandsverantwortlichkeit sei es, dafür Sorge zu tragen, daß der privatnützige Gebrauch des Eigentums die Grenzen der Gemeinwohlverträglichkeit nicht überschreite. Befinde sich eine Sache in einem ordnungswidrigen Zustand, so könne ihr Eigentümer in die Schranken seines Eigentums verwiesen werden.40 Allerdings sei der Gesetzgeber bei der Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums nicht vollkommen frei, sondern habe sich von der Regelungsdirektive des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG leiten zu lassen. Gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG diene der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit. Hieraus folge nicht nur eine Ein___________ 36

Hierauf wird unter 10. Kap. E. noch näher einzugehen sein. Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 48 ff.; DVBl. 1985, 873 ff.; NVwZ 1986, 256 ff.; Jura 1989, 505 ff.; NWVBl. 1989, 322 ff.; JZ 1994, 810 ff.; in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 511 ff., Stand: Mai 1994. 38 Zustimmend BGHZ 126, 279 (282); Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (380); Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 46; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, 1996, S. 123 f.; Schwemer, VR 1996, 147 (153). 39 DVBl. 1985, 873 (878). 40 Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 50. 37

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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griffslegitimation, sondern auch eine Eingriffsbegrenzung.41 Sozialbindung und Privatnützigkeit42 seien in einen gerechten Ausgleich zu bringen.43 Dem Eigentümer dürfe nicht jede substantielle privatnützige Verwendung genommen werden. In den Altlastenfällen sei die Privatnützigkeit unterbrochen oder gestört, wenn das Grundstück wegen der Kontamination wertlos sei. Habe der Eigentümer die Gefahr nicht (mit-)verursacht, so sei er Opfer der Gefahrenlage, wenn er sein Eigentum nicht länger privatnützig verwenden könne.44 Dies sei z. B. dann der Fall, wenn der Eigentümer das erworbene Bauland wegen der von der Altlast ausgehenden Gesundheitsgefahr nicht bebauen oder das bereits bebaute Grundstück nicht vermieten könne.45 Eine uneingeschränkte Inanspruchnahme des Eigentümers führe unter diesen Umständen nicht zur Eindämmung einer ausufernden Privatnützigkeit, sondern zur Potenzierung und Perpetuierung des bereits eingetretenen Verlustes der privatnützigen Verwendbarkeit. Der Eigentümer sei zum Verkauf des Grundstücks gezwungen, wenn er die Sanierungskosten nicht aus den laufenden Erträgen des Grundstücks finanzieren könne.46 Sei die Privatnützigkeit infolge Fremdeinwirkung unterbrochen oder gestört, so müsse die Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform auf eine Duldungspflicht reduziert werden. Die von Papier geforderte Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht in den Opferfällen ist im Ergebnis zu begrüßen. Abzulehnen ist allerdings Papiers dogmatische Herleitung.47 Die Theorie von der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit ist im Ansatz verfehlt, weil sie die Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit nicht mit der fehlenden Zurechnung der Gefahr begründet, sondern zusätzlich auf das Maß der kontaminationsbedingten Wertminderung abstellt. Ein Eigentümer, der Opfer eines Tankwagenunfalls ist, sei laut Papier unbeschränkt zur Gefahrenabwehr verpflichtet, wenn das Grundstück hierdurch nicht wertlos geworden sei. Versickert das bei ___________ 41

Zustimmend Brenner, DVBl. 1993, 291 (297). Zum Begriff der „Privatnützigkeit“ vgl. nur Brenner, DVBl. 1993, 291 (293). 43 Papier, DVBl. 1985, 873 (878); in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 520, Stand: Mai 1994; zustimmend Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (380); Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 123 f.; Schwemer, VR 1996, 147 (153). 44 Papier, DVBl. 1985, 873 (878). 45 Papier, Jura 1989, 505 (509); in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 527, Stand: Mai 1994. 46 Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 51 sowie in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 522; Stand: Mai 1994. 47 Papiers Theorie von der unterbrochenen oder der gestörten Privatnützigkeit ist im Ansatz vergleichbar mit der von Picker zu § 1004 BGB entwickelten Usurpationstheorie; vgl. zu dieser 9. Kap. D. I. 3. c). 42

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

einem Tankwagenunfall ausgelaufene Öl in das Erdreich, so habe dies keinen Einfluß auf die Möglichkeit des Eigentümers, sein Grundstück zu nutzen. Die Privatnützigkeit sei daher weder unterbrochen noch gestört. Die Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit ist zudem gefahrenabwehrrechtlich kontraproduktiv. Eine Heranziehung des Eigentümers zur Gefahrenabwehr scheidet je eher aus, desto größer der Schaden an dem Grundstück ist. Sie nimmt dem Eigentümer den Anreiz, sich frühzeitig um eine Einschränkung der Kontamination zu bemühen und so die Wertminderung gering zu halten. Unklar bleibt, worin die Potenzierung oder Perpetuierung des Verlusts der Privatnützigkeit48 durch die behördliche Inanspruchnahme bestehen soll, mit der Papier die Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit begründet. Die Privatnützigkeit ist allein durch die Bodenkontamination gestört, nicht aber durch die Sanierungsanordnung.49 Saniert der Eigentümer das Grundstück, so erhöht er dessen Wert und führt ihn seiner ursprünglichen Nutzung zu. Von einer Vertiefung des Verlusts der Privatnützigkeit kann daher keine Rede sein. Bei Lichte betrachtet geht es Papier auch nicht – wie von ihm behauptet – um den Verlust der privatnützigen Verwendung des Grundstücks als eines konkreten Eigentumsgegenstandes. Die Ordnungsverfügung hat keinen Einfluß auf die Macht des Eigentümers, das Grundstück zu behalten, zu nutzen, zu veräußern oder in sonstiger Weise mit ihm zu verfahren (§ 903 BGB).50 Indem die Behörde den Eigentümer verpflichtet, das Grundstück auf eigene Kosten zu sanieren, greift sie vielmehr in das Vermögen des Eigentümers ein. Das Vermögen als solches unterfällt jedoch nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG.51 Ein Eingriff in einen konkreten Eigentumsgegenstand liegt selbst dann nicht vor, wenn der Eigentümer zur Finanzierung der Sanierung gezwungen ist, sein Grundstück zu veräußern. Bei der Finanzierung steht es ihm frei, welche Bestandteile seines Vermögens er verwendet. Veräußert der Eigentümer sein Grundstück, um die Kosten aufbringen zu können, so stellt dies gerade eine Form der privatnützigen Verwendung dar.52 Der Eigentümer erlangt mit dem Kaufpreis ein Surrogat für das Grundstück und führt es seinem Vermögen zu. 53 ___________ 48

Zum Begriff der „Privatnützigkeit“ vgl. nur Brenner, DVBl. 1993, 291 (293). Lepsius, JZ 2001, 22 (23). 50 Zu der Schutzwirkung der Eigentumsgarantie vgl. Brenner, DVBl. 1993, 291 (292). 51 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 4, 7 (17); vgl. aus jüngerer Zeit BVerfGE 74, 129 (148); 91, 207 (220); 95, 267 (300). Etwas anderes gilt allerdings bei der sog. konfiskatorischen Besteuerung; vgl. BVerfGE 14, 221 (241). 52 Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (725). 53 Ebendort. 49

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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Die Theorie von der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit ist nach alledem nicht zur Lösung der Opferproblematik geeignet.

2. Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks Einige Autoren54 treten für eine Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks im sanierten Zustand ein. Pape55 und Oerder56 leiten die Begrenzung aus Art. 14 GG und dem Übermaßverbot her. Durch die behördliche Inanspruchnahme dürfe die Privatnützigkeit nicht ausgeschlossen werden. Die Heranziehung des Eigentümers über den Wert des Grundstücks bewirke – wenn auch nicht rechtlich, so doch faktisch – eine Enteignung des Grundeigentümers. Dies führe in den Opferfällen zu unbilligen Ergebnissen. Die Zustandsverantwortlichkeit sei daher auf eine Inanspruchnahme bis zum Verkehrswert des sanierten Grundstücks zu beschränken. Darüber hinaus habe der Grundeigentümer die Gefahrenabwehrmaßnahmen lediglich zu dulden. Andere Autoren57 sprechen sich auch außerhalb der Opferfälle für eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks aus. Sparwasser/Geißler leiten dies aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG her. Der Eigentümer habe nur den konkreten Eigentumsgegenstand in seiner jeweiligen Gestalt, nicht aber sein gesamtes Vermögen zur Gefahrenabwehr einzusetzen.58 Die Zustandsverantwortlichkeit basiere auf der Möglichkeit des Eigentümers, auf den Gefahrenherd einzuwirken. Die Verantwortlichkeit finde dort ihre Grenzen, wo die Einwirkungsmöglichkeit des Eigentümers ende. Der Eigentümer könne jedoch nur auf seine eigene Sache einwirken.59 ___________ 54 Oerder, DVBl. 1992, 691 (695); NVwZ 1992, 1031 (1037); in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstage (Hrsg.), Dokumentation zum 10. Deutschen Verwaltungsgerichtstag, S. 105 ff.; in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, 1999, § 4 Rn. 56; Pape, NJW 1992, 2661 (2666); Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 292 ff.; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1319 f.); Kniesel, BB 1997, 2009 (2012 f.). 55 NJW 1992, 2661 (2666). 56 DVBl. 1992, 691 (695); NVwZ 1992, 1031 (1037); in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstage (Hrsg.), Dokumentation zum 10. Deutschen Verwaltungsgerichtstag, 105 ff.; in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 56. 57 Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 292 ff.; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1319 f.); Kniesel, BB 1997, 2009 (2012 f.). 58 Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1319). So auch Kniesel, BB 1997, 2009 (2013). 59 Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1320).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Die Theorie der Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks ist abzulehnen, weil sie nicht zur Lösung der Opferfälle geeignet ist. Sie macht die Zustandsverantwortlichkeit nicht von einer Zurechnung der Gefahr abhängig und differenziert nicht danach, ob der Eigentümer – wie z. B. durch die Verpachtung des Grundstücks an den Betreiber einer Abfalldeponie – an der Gefahrentstehung mitgewirkt60 hat oder ob er – wie etwa in den Tankwagenfällen – Opfer einer Fremdeinwirkung ist. Muß sich der Eigentümer die Gefahr zurechnen lassen, weil er an ihrer Entstehung mitgewirkt hat, so wäre es unbillig, wenn er die den Verkehrswert des Grundstücks übersteigenden Kosten auf die Allgemeinheit abwälzen könnte, zumal wenn er aus der Verpachtung wirtschaftliche Vorteile gezogen hat. Kann ihm die Gefahr hingegen nicht zugerechnet werden, weil sie von außen auf sein Grundstück einwirkt, so wäre es unbillig, wenn er gleichwohl bis zum Verkehrswert des Grundstücks für die Sanierungskosten einstehen müßte. Verfehlt ist die Vorstellung, in der Zustandsverantwortlichkeit eine Haftung nur mit dem konkreten Eigentumsgegenstand zu sehen. Gegenstand der Ordnungsverfügung ist nicht der Entzug des Grundstücks, sondern eine Handlungsoder eine Geldleistungspflicht. Wie der Verhaltensstörer kann der Zustandsstörer seiner Handlungs- oder seiner Kostentragungspflicht nur nachkommen, wenn er hierfür eigenes Vermögen einsetzt. Ohne Belang ist, welche Bestandteile seines Vermögens er hierzu verwendet. Unklar ist, ob und inwieweit sich diese Theorie auf die Zustandshaftung des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft übertragen läßt. Hat A Ackerland gepachtet und wird er Opfer eines Tankwagenunfalls, so kann er, wenn er von der Behörde zur Gefahrenabwehr herangezogen wird, die Sanierungskosten nicht durch Veräußerung des Grundstücks finanzieren. Mit einer Beschränkung der Inanspruchnahme auf den Verkehrswert des Grundstücks ist ihm daher nicht geholfen. Eine Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert würde schließlich die Heranziehung des Eigentümers zur Gefahrenabwehr praktisch undurchführbar machen. Der Eigentümer könnte in den Fällen, in denen die zu erwartenden Sanierungskosten den Verkehrswert übersteigen, nicht mehr zur Sanierung verpflichtet werden. Statt dessen müßte die Behörde die Gefahr selbst abwehren und könnte den Eigentümer anschließend bis zur Höhe des geschätzten Verkehrswertes zu den Kosten heranziehen.

___________ 60 Anerkannt ist, daß die Mitverursachung der Gefahr für die Verantwortlichkeit genügt; vgl. nur OVG Lüneburg, NJW 1998, 97 (98); VGH Mannheim, NuR 2001, 460.

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

173

3. Theorie der Differenzierung zwischen Primärund Sekundärebene Nach der von Giesberts61 und Griesbeck62 begründeten Theorie der Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärebene kann der Eigentümer auch in den Opferfällen zur Abwehr der Gefahr verpflichtet werden, wenn dies aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr geboten sei. 63 Dem Eigentümer stehe jedoch in den Opferfällen wie einem Nichtstörer ein Anspruch auf Aufopferungsentschädigung zu.64 Giesberts und Griesbeck begründen die unterschiedliche Behandlung der Primär- und der Sekundärebene mit dem angeblichen65 Spannungsverhältnis66 zwischen dem Effektivitätsgebot und dem Gebot der gerechten Lastenverteilung. Die Primärebene werde von dem Gebot der schnellen und effektiven Gefahrenabwehr geprägt. Eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr wäre häufig nicht möglich, wenn man die Zustandsverantwortlichkeit von einer Zurechnung der Gefahr abhängig machte.67 Bei einer Störermehrheit sei daher derjenige Störer zur Gefahrenabwehr in Anspruch zu nehmen, der am ehesten die Gewähr für eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr biete.68 In vielen Fällen führe dies dazu, daß der Eigentümer und nicht der Verhaltensstörer heranzuziehen sei, obwohl der Verhaltensstörer nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung vorrangig vor dem Eigentümer verpflichtet werden müßte. 69 Nur wenn Effektivitätsgesichtspunkte dem nicht entgegenstehen, könne die Behörde die Störerauswahl an dem Gebot der gerechten Lastenverteilung aus___________ 61

Die gerechte Lastenverteilung, S. 54 ff. Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105 ff. 63 Zustimmend Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 168 f.; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 ff. 64 Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 221 ff.; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 146 ff.; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 291; Schwachheim, NVwZ 1988, 225 (227); Spannowsky, DVBl. 1994, 560 (562 f.); Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 165 f.; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 177 ff.; Jochum, NVwZ 2003, 526 (528 ff.). 65 Vgl. die eingehende Darstellung zum angeblichen Spannungsverhältnis unter 4. Kap. E. 66 Schink, DVBl. 1986, 161 (168); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 163 ff. 67 Ebenfalls von einer fehlenden Eignung des Störerrechts für eine Kostenzurechnung gehen Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, Fn. 7; Knopp, NVwZ 1991, 42 (45) und Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, 1991, S. 109 aus. 68 Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 75 f. 69 Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 54 ff. 62

174

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

richten (sog. Gebot der frühzeitigen gerechten Lastenverteilung).70 Hierfür sei z. B. Raum, wenn die Gefahrenintensität kein schnelles Handeln erfordere oder wenn der Gefahrenabwehr eine längere Planung vorausgehen müsse, so daß die Behörde ermitteln könne, welcher der Störer der Gefahr am nächsten stehe. Anders als auf der Primärebene könne die Behörde die Kostenentscheidung stets ohne zeitlichen Druck treffen, weil die Gefahr bereits beseitigt worden ist. Für Effektivitätsgesichtspunkte sei daher kein Raum. Die Behörde müsse ihre Kostenentscheidung uneingeschränkt am Gebot der gerechten Lastenverteilung ausrichten. Die Kriterien für eine gerechte Kostenverteilung leitet Griesbeck71 aus dem Gebührenrecht her. Dieses setze voraus, daß dem Gebührenschuldner eine öffentliche Leistung individuell zugerechnet werden könne.72 Durch die individuelle Zurechenbarkeit der öffentlichen Leistung unterscheide sich die Gebühr von der Steuer. Während die Gebühr73 ein Entgelt für eine im individuellen Interesse erbrachte öffentliche Leistung darstelle (Entgeltlichkeitsprinzip)74, diene die Steuer der Finanzierung von Leistungen, welche der Allgemeinheit zugute kommen. Voraussetzung der Gebührenerhebung sei eine besondere Beziehung zwischen der öffentlichen Leistung und dem Gebührenschuldner. Fehle es hieran, so sei die Gebühr mangels Finanzierungsverantwortlichkeit unzulässig, weil sie willkürlich und unter Verletzung des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Gebots der abgabenrechtlichen Lastengerechtigkeit erhoben werde.75 Dem Gebührenschuldner kann die öffentliche Leistung nach herrschender Meinung76 dann zugerechnet werden, wenn er sie veranlaßt hat, wenn sie in seinem Interesse erfolgt oder wenn ihm ein Vorteil aus der Leistung zufließt. ___________ 70

Ebendort, S. 56. Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 127 ff. 72 BVerfGE, 50, 217 (226); Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 86 ff. 73 Klarstellend sei darauf hingewiesen, daß es sich bei der Abgabe um den Oberbegriff für alle öffentlichen Lasten handelt. Abgabenarten sind die Steuern, die Gebühren, die Beiträge und die Sonderabgaben. Die Gebühr und die Auslage werden auch als Kosten bezeichnet; vgl. nur Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, 1993, S. 8 ff. 74 BVerfGE 50, 217 (226); BVerwGE, 18, 392 (396); 20, 257 (269); vgl. auch Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 86 ff.; Ferdinand Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, 1981, S. 16 ff.; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 18. 75 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 202 ff., Vogel, in: Faller (Hrsg.), Festschrift für Geiger, 1989, S. 518 (528 ff.); Paul Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 4, 1990, § 88 Rn. 194; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 27. 76 Vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 83 ff.; von Mutius, VerwArch 66 (1975), 75 (80 f.); Vogel, in: Faller (Hrsg.), Festschrift für Geiger, S. 518 (530 ff.). 71

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

175

Griesbeck spricht sich dafür aus, dem Eigentümer alle sachtypischen Gefahren zuzurechnen, sofern die Allgemeinheit kein größeres Interesse an ihrer Beseitigung habe als der Eigentümer.77 Da der Eigentümer die Vorteile aus der Sache ziehe, müsse er auch für ihre Lasten aufkommen. Der Eigentümer müsse sich die Gefahren zurechnen lassen, wenn er dem späteren Verhaltensstörer sein Grundstück zur Nutzung überlassen und hieraus finanzielle Vorteile gezogen habe. Das gleiche gelte, wenn er bei Erwerb des Grundstücks von der Bodenbelastung wußte oder wissen mußte oder wenn die Gefahrenabwehr überwiegend in seinem Interesse – etwa zum Schutz vor Gesundheitsgefahren – erfolgte.78 Die Theorie der Differenzierung nach Primär- und Sekundärebene überzeugt nicht. Sie beruht auf einer Überbewertung des Effektivitätsgebots. Wie dargelegt79, ist jedenfalls in den Umweltschadensfällen eine effektive Gefahrenabwehr nicht beeinträchtigt, wenn die Behörde bereits ihre Entscheidung über die Heranziehung zur Gefahrenabwehr am Gebot der gerechten Lastenverteilung ausrichtet. In den Umweltschadensfällen kommt es regelmäßig nicht auf individuelle Fähigkeiten des Eigentümers an, die ihn in besonderer Weise zur Gefahrenabwehr qualifizieren. Im Vordergrund steht vielmehr die Verteilung der Kostenlast. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Eigentümer die Bodenkontamination zunächst auf eigene Kosten beseitigen soll, um hierfür später vom Staat Entschädigung verlangen zu können, zumal ihn die Sanierung häufig finanziell überfordert. Nicht nachvollziehen läßt sich Griesbecks Begründung der Zurechnung mit dem gebührenrechtlichen Vorteilsgedanken. Dieser besagt, daß derjenige, der an einer öffentlichen Leistung ein besonderes Interesse hat, für die Kosten der öffentlichen Leistung aufzukommen hat. Im Gefahrenabwehrrecht ließe sich hieraus allenfalls ableiten, daß derjenige, der aus der behördlichen Gefahrenabwehr als öffentlicher Leistung einen Vorteil gezogen hat, auch deren Kosten zu tragen hat. Keinesfalls können dem Eigentümer jedoch unter Berufung auf das Gebührenrecht Gefahren zugerechnet werden, weil er – vor der Entstehung der Gefahr – von der Nutzung der Sache profitiert hat. Selbst wenn die Sanierung dem Eigentümer nützlich sein sollte, sagt dies nichts darüber aus, ob er zur Vornahme dieser Maßnahme verpflichtet werden kann. In vielen Fällen zieht der Grundeigentümer im übrigen keinen Vorteil aus der behördlichen Sanierung. Gehen von einer Bodenkontamination keine Gesundheitsgefahren aus und ___________ 77 Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 134 f. sowie S. 140 ff.; zustimmend Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 173. 78 Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 140 ff. Im Ergebnis übereinstimmend Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 102 ff. 79 Vgl. unter 4. Kap. E.

176

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

mindert sie nicht die Nutzbarkeit des Grundstücks, so erfolgt die Sanierung allein im Interesse der Allgemeinheit.

D. Meinungsstand in der Rechtsprechung I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 1. Die Rechtsprechung bis 1990 Das Bundesverwaltungsgericht80 hielt – unter Zustimmung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung81 – bis 1990 an der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht82 entwickelten unbeschränkten Zustandsverantwortlichkeit fest. In den Opferfällen schloß sich das Bundesverwaltungsgericht der Ermessenslösung an.83 Es vertrat die Ansicht, die Behörde sei auch in den Opferfällen grundsätzlich zur unbeschränkten Inanspruchnahme des Eigentümers berechtigt.84 Die Behörde müsse jedoch den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen und von der Heranziehung des Zustandsstörers absehen, wenn eine Inanspruchnahme für den Eigentümer (wirtschaftlich) unzumutbar sei.85

2. Die Rechtsprechung seit 1990 In den 90er Jahren hatte sich das Bundesverwaltungsgericht in zwei altlastenrechtlichen86, einer polizeirechtlichen87 sowie einer abfallrechtlichen88 ___________ 80

BVerwG, UPR 1983, 157 (158); NJW 1986, 1626. OVG Lüneburg, JZ 1952, 437 ff.; OVG Berlin, DÖV 1954, 214; OVG Münster, MDR 1954, 527; MDR 1955, 762 f.; NJW 1980, 956; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1096; VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 (326); VGH München, NVwZ 1986, 942 (944); OVG Koblenz, NVwZ 1992, 499 (500). 82 Pr. OVGE 7, 348 (351 ff); 8, 327 ff.; 10, 178 ff.; 12, 306 ff.; 13, 323 ff.; 18, 411 ff.; 36, 400 f.; 40, 391 ff.; 43, 383 ff.; 59, 269 ff.; 60, 309 ff.; 61, 280 ff.; 65, 369 ff.; 86, 258 ff; vgl. auch die eingehende Darstellung unter 2. Kap. C. II. 83 BVerwGE 10, 282 (283). 84 Vgl. auch OVG Münster, DVBl. 1964, 683 (684); NWVBl. 1998, 64 (65); VGH Mannheim, NuR 1992, 427 (428). 85 BVerwGE 10, 282 (283); OVG Münster, MDR 1955, 762 f.; NWVBl. 1998, 64 (65); VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 (326); München, NVwZ 1986, 942 (944). 86 BVerwG, NVwZ 1991, 475 f.; 1997, 577 f. 87 BVerwG, NJW 1999, 231 f. 88 BVerwG, NJW 1998, 1004 ff. 81

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

177

Entscheidung mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwieweit Art. 14 GG eine Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen gebietet. Es mußte sich allerdings in keiner der Entscheidungen festlegen, weil sich die Eigentümer nicht in einer Opferposition befanden. In einem Beschluß vom 14.12.199089 deutete das Bundesverwaltungsgericht allerdings an, daß es einer Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit zuneige, wenn das Grundstück allein durch Fremdeinwirkung kontaminiert worden sei. In diesem Fall könne die Heranziehung zur Gefahrenbeseitigung und insbesondere die Belastung mit den Kosten verfassungswidrig sein, wenn der privatnützige Gebrauch der Sache ausgeschlossen sei.90 Eine Opferposition bestehe jedoch nicht, wenn der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks von dem ordnungswidrigen Zustand des Grundstücks gewußt oder zumindest Tatsachen gekannt habe, die auf das Vorhandensein einer Kontamination schließen lassen.91 Da der Erwerber sich bewußt einem Risiko ausgesetzt habe, sei er nicht schutzwürdig. In seinen Beschlüssen vom 14.11.199692 und vom 31.7.199893 sowie in seinem Urteil vom 11.12.199794 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht diese Grundsätze, die in der Folgezeit auch weitgehend95 von den Instanzgerichten zugrunde gelegt wurden. 96

___________ 89

BVerwG, NVwZ 1991, 475 f. Ebendort. 91 Ebendort. 92 BVerwG, NVwZ 1997, 577 f. 93 BVerwG, NJW 1998, 231 f. 94 BVerwG, NJW 1998, 1004 ff. 95 In Widerspruch hierzu sowie zu dem nachfolgend unter II. 1. dargestellten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 steht allerdings der Beschluß des VGH München vom 7.11.2002, NZM 2003, 651 f. Der VGH München zieht aus der Gutglaubensregelung des § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG beim Erwerb des Grundstücks durch den (inzwischen) früheren Grundeigentümer den Umkehrschluß, daß der Gesetzgeber damit zum Ausdruck habe bringen wollen, daß beim gegenwärtigen Eigentümer ein Ausschluß der Sanierungsverantwortlichkeit wegen gutgläubigen Erwerbs nicht in Betracht komme. Diese Auffassung ist schon deshalb abzulehnen, weil der Gesetzgeber angesichts der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Lösung der Opferfälle beim gutgläubigen Erwerb bewußt der Rechtsprechung überlassen und keinesfalls dahinter zurückbleiben wollte; vgl. hierzu die Darstellung unter 8. Kap. A. 96 Vgl. nur VGH Mannheim, NuR 1994, 352 (353); NVwZ-RR 1996, 13; VBlBW 2002, 491; OVG Münster, NVwZ 1997, 804 (806); OVG Hamburg, NVwZ 2001, 215; VG Weimar, ThürVBl 1999, 291; VG Frankfurt a.M., NVwZ 2000, 107. 90

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

3. Stellungnahme In seiner Entscheidung vom 14.12.1990 sowie in den Folgeentscheidungen deutete das Bundesverwaltungsgericht an, daß es in den Opferfällen nicht länger an der Ermessenslösung festhalte. Statt dessen gab das Bundesverwaltungsgericht zu erkennen, daß es der von Papier entwickelten Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit zuneige. Zur dogmatischen Kritik kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.97 Die Bedeutung der genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beruht allerdings weniger auf ihren knapp gehaltenen dogmatischen Ausführungen zur Reduzierung der Zustandsverantwortlichkeit. Das Bundesverwaltungsgericht verneinte eine Opferposition, wenn der Erwerber des Altlastengrundstücks die Kontamination bei Erwerb kannte oder kennen mußte. Im Ergebnis geht das Bundesverwaltungsgericht zutreffend davon aus, daß der bösgläubige Erwerber nicht schutzwürdig sei und daher unbeschränkt zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden könne. Ohne Begründung bricht das Bundesverwaltungsgericht mit dem gefahrenabwehrrechtlichen Dogma98, wonach subjektive Kriterien für die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit keine Rolle spielen. Das Bundesverwaltungsgericht hat es nicht vermocht, den Schutz des gutgläubigen Erwerbers in ein tragfähiges dogmatisches Konzept einzubauen. Es hätte erkennen müssen, daß subjektive Kriterien sich nicht mit der von ihm als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit angesehenen tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft, welche die Nutzung der Sache mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ermöglicht99, vereinbaren lassen. Weder für die Einwirkungsmöglichkeit noch für die Nutzenziehung ist es von Bedeutung, ob der Eigentümer bei Erwerb des kontaminierten Grundstücks gut- oder bösgläubig war.

___________ 97

Vgl. die Darstellung unter 8. Kap. C. III. 1. Vgl. nur VGH Mannheim, NVwZ 1996, 387 (389); Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 294; Schink, DÖV 1995, 213 (224); Bickel, BundesBodenschutzgesetz, § 4 Rn. 47; Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (69); Klüppel, Jura 2001, 26 (28); Lepsius, JZ 2001, 22 (27). 99 BVerwG, NVwZ 1991, 475. 98

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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II. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 1. Der Beschluß Das Bundesverfassungsgericht100 setzte sich in seinem Beschluß vom 16.2.2000 im Rahmen zweier zur gemeinsamen Entscheidung verbundener Verfassungsbeschwerden erstmals mit den verfassungsrechtlichen Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers eines Altlastengrundstücks auseinander. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung inzwischen durch zwei weitere Beschlüsse101 bestätigt.102 Auch wenn der Beschluß vom 16.2.2000 nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes ergangen ist, hatte er Sanierungsanordnungen zum Gegenstand, die nach den betreffenden Landespolizeigesetzen erlassen worden waren. Den Verfassungsbeschwerden lagen folgende Sachverhalte103 zugrunde: Die erste Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen den soeben104 dargestellten Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.1990.105 Die Beschwerdeführerin hatte 1982 ein an ihr eigenes Grundstück angrenzendes Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben. Dieses Grundstück diente bis 1981 als Standort eines Unternehmens, das Hutstoffe aus Kaninchenfellen herstellte und dabei chlorierte Kohlenwasserstoffe verwendete, wie die Beschwerdeführerin wußte. Ihr war zudem bekannt, daß der Brunnen auf dem Grundstück stark nach Lösungsmitteln roch. Nachdem Verunreinigungen des Bodens und des Grundwassers festgestellt worden waren, wurden der Beschwerdeführerin Erkundungs- sowie Sanierungsmaßnahmen aufgegeben, weil eine Inanspruchnahme des Unternehmens, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, bzw. des Konkursverwalters keinen Erfolg versprach. Die Beschwerdeführerin wandte nach eigenen Angaben für die angeordneten Maßnahmen 1,1 Mio. DM auf. Der Verkehrswert des Grundstücks vor Eintritt der Verunreinigungen habe rund 350.000 DM betragen.

___________ 100

BVerfGE 102, 1 ff. Vgl. auch die Besprechungen von Bickel, NJW 2000, 2562 f.; Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, 2001, Rn. 149 ff. und Müggenborg, NVwZ 2001, 39 ff. 101 Nichtannahmebeschluß vom 17.7.2000 – 1 BvR 248/91 – (unveröffentlicht) sowie BVerfG, NVwZ 2001, 65. 102 Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 hat mittlerweile auch seinen Niederschlag in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung gefunden; vgl. nur VGH Mannheim, VBlBW 2002, 491 und NVwZ 2003, 363. 103 Vgl. BVerfGE 102, 1 ff. 104 Vgl. unter 8. Kap. D. I. 2. 105 BVerwG, NVwZ 1991, 475 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Die Beschwerdeführer des zweiten Verfahrens106 sind Eigentümer mehrerer forstwirtschaftlicher Flächen. 1970 verpachteten sie eine Fläche an einen Verein, der hierauf eine Tontaubenschießanlage betrieb. Der Verein zahlte einen jährlichen Pachtzins von 12.792 DM. Nachdem der Schießbetrieb eingestellt worden war, lösten die Beteiligten den Pachtvertrag auf. Eine spätere wasserwirtschaftliche Überprüfung ergab, daß eine Bleimenge von 200 bis 300 Tonnen auf dem Schießplatzgelände verschossen worden war und daß das Blei die oberste Bodenschicht belaste. Da über das Vermögen des Vereins das Konkursverfahren eröffnet worden war, erließ die Behörde gegen die Beschwerdeführer eine Sanierungsanordnung. Die Beschwerdeführer wandten 5,9 Millionen DM für die Sanierung auf. Dem standen über die Jahre verteilte Pachteinnahmen von insgesamt 160.000 DM gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht gab beiden Verfassungsbeschwerden statt, weil die Sanierungsanordnungen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verletzen.

a) Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sei eine allein an die Rechtsstellung als Eigentümer anknüpfende Zustandsverantwortlichkeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.107 Art. 14 GG gebiete nicht, den Eigentümer, der die Gefahr weder verursacht noch verschuldet habe, als Nichtstörer zu qualifizieren. Die Zustandsverantwortlichkeit finde in der durch die Sachherrschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrverursachende Sache ihren legitimen Grund und sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Eigentümer die Möglichkeit108 habe, die Sache wirtschaftlich zu nutzen und zu verwerten.109 Da dem Eigentümer die Vorteile der Sache auch ohne sein Zutun zufließen, müsse er die Lasten auch dann tragen, wenn er die Gefahr nicht verursacht habe.110 Im übrigen liege die Altlastensanierung vielfach auch im Interesse des ___________ 106 Dieses vom Bundesverfassungsgericht an das VG Ansbach zurückverwiesene Verfahren endete inzwischen durch Vergleich; vgl. VG Ansbach, Beschluß vom 18.11.2003 – AN 13 K 00.00 986. Danach verpflichtete sich der beklagte Freistaat Bayern, den Klägern außergerichtliche und gerichtliche Kosten von insgesamt 2,3 Mio. EUR zu erstatten. Dies entspreche laut Numberger, NVwZ 2005, 529 (530 f.), 75 % der aufgewendeten reinen Sanierungskosten. 107 BVerfGE 102, 1 (19). 108 Nicht erforderlich sei, daß er die Sache auch tatsächlich nutze; vgl. Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 173. 109 BVerwG, NJW 1986, 1626. 110 BVerfGE 102, 1 (18 f.).

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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Eigentümers. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Altlast die Nutzung des Grundstücks beeinträchtige. Schließlich führe die Sanierung regelmäßig zu einer erheblichen Erhöhung des Verkehrswertes des Grundstücks.

b) Begrenzung des Umfangs der Zustandsverantwortlichkeit Auch wenn die Zustandsverantwortlichkeit nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, könne das Ausmaß dessen, was dem Eigentümer abverlangt werden dürfe, verfassungsrechtlichen Restriktionen unterliegen.111 Eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit könne sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Bei der Abwägung zwischen dem Gemeinwohl und den Eigentümerinteressen sei zu berücksichtigen, daß die Sanierung regelmäßig mit hohen Kosten verbunden sei.112

aa) Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert Die Grenze des zulässigerweise Hinnehmbaren sei im Regelfall überschritten, wenn die Sanierungskosten den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigen, weil hierdurch das Interesse des Eigentümers an einer künftigen privatnützigen Verwendung entfalle.113 Der Eigentümer könne dann nicht einmal die Sanierungskosten durch Veräußerung des Grundstücks finanzieren. Der Verkehrswert des sanierten Grundstücks stelle jedoch keine feste Zumutbarkeitsgrenze dar. Die Zumutbarkeitsschwelle könne unter Umständen bereits bei einer geringeren Belastung überschritten sein.114 In anderen Sach-

___________ 111

BVerfGE 102, 1 (19). Für eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit wegen Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle hatte sich zuvor bereits der österreichische Verfassungsgerichtshof ausgesprochen; vgl. RdU 1994, 62 sowie 1997, 29 f. sowie die eingehende Darstellung unter 3. Teil 3. Kap. C. sowie unter 4. Teil. 5. Kap. B. Da die genannten Entscheidungen allerdings noch zum alten Recht ergangen sind und der österreichische Gesetzgeber die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit inzwischen sehr weitgehend eingeschränkt hat, dürften die Entscheidungen wohl überholt sein. 113 So bereits VG Frankfurt a.M., NuR 1999, 711 (713); dasselbe, NuR 2000, 107 (109). 114 BVerfGE 102, 1 (21). 112

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

verhaltskonstellationen komme hingegen auch eine Inanspruchnahme des Eigentümers über den Verkehrswert hinaus in Betracht.115

bb) Weitergehende Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sei eine weitergehende Begrenzung der Zustandshaftung erforderlich, wenn das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bilde und die Grundlage seiner privaten Lebensführung darstelle. Werde ein Eigentümer unter diesen Umständen mit Sanierungskosten bis zum Verkehrswert des sanierten Grundstücks belastet, so könne das Eigentum nicht seine Aufgabe erfüllen, dem Eigentümer einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu gewährleisten.116 Der Eigentümer dürfe daher nur mit Kosten belastet werde, welche die Vorteile aus der weiteren Nutzung des Grundstücks nicht übersteigen. Bei dem Eigentümer eines Eigenheims sei die Zumutbarkeitsgrenze überschritten, wenn er durch die Sanierung zur Veräußerung des Grundstücks gezwungen sei.117 Das Bundesverfassungsgericht ließ offen, ob eine weitergehende Begrenzung der Zustandshaftung auch dann geboten sei, wenn die Gefahr aus Naturereignissen, Risiken der Allgemeinheit oder von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrührt, weil es im Rahmen der Verfassungsbeschwerden insoweit keiner Entscheidung bedurfte.118 Das Bundesverfassungsgericht führte allerdings aus, daß eine unbegrenzte Inanspruchnahme dem Eigentümer unter solchen Umständen im Übermaß Risiken aufbürde, die losgelöst von der Sachherrschaft seien und jenseits seiner Verantwortlichkeitssphäre liegen.119

___________ 115

Ebendort, S. 21 ff. So das Bundesverfassungsgericht in std. Rspr; vgl. nur BVerfGE 83, 201 (208); 97, 350 (370 f.); 100, 226 (241); vgl. auch Brenner, DVBl. 1993, 291 (292). 117 BVerfGE 102, 1 (21). 118 Ebendort. Der Bundesgerichtshof und die herrschende Meinung gehen bei der zivilrechtlichen Parallelfigur der actio negatoria (§ 1004 BGB) davon aus, daß der Eigentümer nicht zur Beseitigung von durch Naturgewalten verursachten Störungen, sondern nur zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet ist; vgl. BGH, NJW 1985, 1773 (1774); 1995, 2633 (2634) sowie Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (497). 119 Ebendort. 116

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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cc) Über den Verkehrswert hinausgehende Zustandsverantwortlichkeit Eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks scheide hingegen aus, wenn der Eigentümer die Gefahr bewußt in Kauf genommen habe.120 Gehe jemand freiwillig ein Risiko ein, so mindere dies seine Schutzwürdigkeit. Dies sei der Fall, wenn der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis der Altlast erworben habe oder wenn er es zulasse, daß das Grundstück in risikoreicher Weise – z. B. zum Betrieb einer Deponie oder zur Auskiesung mit anschließender Verfüllung – genutzt werde. Ähnliches gelte, wenn der Erwerber in fahrlässiger Weise die Augen vor erkennbaren Risiken verschließe. Allerdings könne die fahrlässige Unkenntnis der positiven Kenntnis nicht gleichgestellt werden. Ob der Eigentümer trotz fahrlässiger Unkenntnis der Risiken schutzwürdig sei, hänge vom Grad der Fahrlässigkeit sowie davon ab, ob der Eigentümer Vorteile aus der Risikoübernahme – etwa durch einen reduzierten Kaufpreis oder erhöhte Pachtzinszahlungen – gezogen habe. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts müsse der Eigentümer jedoch auch in den Fällen der erweiterten Haftung nicht mit seinem gesamten Vermögen einstehen. Dem Eigentümer könne nicht zugemutet werden, solche Teile seines Vermögens zur Sanierung einzusetzen, die keinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem kontaminierten Grundstück aufweisen. Die Eigentumsgarantie diene dem Schutz des konkreten Bestands des Eigentums in der Hand des Eigentümers. Eine unverhältnismäßige Beschränkung der Privatnützigkeit an einem konkreten Eigentumsgegenstand werde aber nicht dadurch verhältnismäßig, daß der Eigentümer sie aufgrund seines sonstigen Vermögens ausgleichen könne. Neben dem Grundstück müsse der Eigentümer daher nur solches Vermögen für die Sanierung aufwenden, das mit dem Grundstück eine funktionale Einheit bilde, z. B. weil es Bestandteil eines Unternehmens oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes sei, zu dem das kontaminierte Grundstück gehöre.121 Durch die Auferlegung der Sanierungskosten dürfe allerdings die Fortführung des Unternehmens oder des

___________ 120

Ebendort. BVerfGE 102, 1 (23). Eine solche Fallkonstellation lag der Entscheidung des VGH Mannheim, VBlBW 2002, 491 zugrunde. Der als Zustandsstörer in Anspruch Genommene hatte das Grundstück in Kenntnis der seinerzeitigen Produktion und der hierbei eingesetzten Chemikalien erworben. Wegen der billigenden Inkaufnahme einer Bodenkontamination sei es gerechtfertigt, den Zustandsstörer über den Verkehrswert des konkreten Grundstücks hinaus zu Kosten in Höhe des Gesamtverkehrswertes der Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu sanierenden als ein Areal genutzt werden und einheitlich bebaut sind. 121

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Betriebes nicht gefährdet werden, weil dies faktisch einer Enteignung gleichkäme.122

c) Verfassungskonforme Auslegung Das Bundesverfassungsgericht forderte den Gesetzgeber zur Neuregelung der bodenschutzrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit auf.123 Dem ist der Bundesgesetzgeber auch sechs Jahre nach Verkündung des Beschlusses und trotz einer hierauf gerichteten Entschließung des Bundesrates124 bisher nicht nachgekommen. Papier125 hat daher die Frage aufgeworfen, „ob der Bundesgesetzgeber seinem Auftrag aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gerecht geworden ist, wenn er zwar mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz einen spezifischen Gefahrenbereich regelt, die verfassungsrechtlich gebotene Reduktion der Zustandshaftung dann aber den rechtsanwendenden Organen der zweiten und dritten Gewalt überläßt“. Huber/Unger126 haben diese Frage zu Recht verneint. Bis zur Neuregelung seien die Behörden und Gerichte verpflichtet, die Vorschriften zur Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform auszulegen, so daß die Belastung das zulässige Maß nicht überschreite. Sei eine Belastung des Eigentümers mit den gesamten Sanierungskosten unzumutbar, so habe die Verwaltung in der Sanierungsanordnung eine Entscheidung über die Begrenzung der Kostenlast zu treffen. Halte ein Eigentümer die Sanierungsanordnung wegen der Kostenlast für unzumutbar, so müsse er sie anfechten.127 Nach Eintritt der Bestandskraft der Sanierungsanordnung könne er keine Begrenzung der Sanierungskosten verlangen. Könne die Verwaltung bei Erlaß der Sanierungsanordnung über eine etwaige wirtschaftliche Unzumutbarkeit nicht abschließend entscheiden, so müsse sie die Sanierungsanordnung unter dem Vorbehalt einer gesonderten Kostenentscheidung erlassen, weil die Rechtmäßigkeit der Sanierungs-

___________ 122

Vgl. BVerfGE 83, 201 (212 f.). BVerfGE 102, 1 (23). Dort heißt es: „Solange der Gesetzgeber, dem es nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG obliegt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nicht ausdrücklich regelt ...“. In diesem Sinne auch Numberger, NVwZ 2005, 529 (531). 124 Vgl. BR-Drucks. 587/03. In der Entschließung fordert der Bundesrat die Bundesregierung dazu auf, die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit im Bundes-Bodenschutzgesetz umzusetzen, um für den Bürger Rechtssicherheit zu schaffen. 125 In: Geis/Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, 2001, S. 255 (267). 126 VerwArch 96 (2005), 139 (171). 127 So bereits BVerfGE 100, 226 (241). 123

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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anordnung nur überprüft werden könne, wenn die Kostenbelastung des Eigentümers feststehe.128

2. Stellungnahme Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur verfassungskonformen Auslegung und Anwendung der Zustandsverantwortlichkeit gestalten die Zustandsverantwortlichkeit grundlegend um. Auch wenn die Entscheidung noch zur Zustandsverantwortlichkeit nach dem badenwürttembergischen und dem bayerischen Polizeirecht ergangen ist, beansprucht sie in gleicher Weise auch für das Bundes-Bodenschutzgesetz Geltung, weil dieses die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers unverändert aus dem Polizeirecht übernommen hat.129 Über den gegenwärtigen Eigentümer hinaus finden die Grundsätze auch auf die anderen Zustandsstörer Anwendung, soweit sie sich übertragen lassen.130 Die Regelungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes zur Zustandsverantwortlichkeit haben somit weniger als ein Jahr Bestand gehabt. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit sind im Schrifttum131 überwiegend begrüßt und nur vereinzelt132 kritisiert worden. Der Beschluß ist als Meilenstein auf dem Weg zur Klärung der grundlegenden Fragen des Bodenschutz- und Altlastenrechts bezeichnet worden.133 Dem kann nur eingeschränkt zugestimmt werden. Zu begrüßen ist, daß sich das Bundesverfassungsgericht für eine verfassungskonforme Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers ausgesprochen hat. Nicht zu überzeugen vermag jedoch, wie die Zustandsverantwortlichkeit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts reduziert werden soll. ___________ 128

Ebendort, S. 246. Knopp, DÖV 2001, 441 (448); Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (258); Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (170); a.A. Bickel, NJW 2000, 2562 (2563). 130 BVerfG, NVwZ 2001, 65; VGH München, NVwZ 2001, 821; Knopp, DÖV 2001, 441 (448); Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (258); Ginzky, DVBl. 2003, 169 (171); Schäling, NVwZ 2004, 543 (545); eingehend hierzu unter 12. Kap. B. 131 Klüppel, Jura 2001, 26 ff.; Knopp, DÖV 2001, 441 (450); Reiner Schmidt, JZ 2001, 1165 (1166); Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (258 ff.); Ginzky, DVBl. 2003, 169 (170 ff.). 132 Bickel, NJW 2000, 2562 ff.; Numberger, NVwZ 2005, 529 (530). Kritik an der verfassungsrechtlichen Herleitung der Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit seitens des Bundesverfassungsgerichts übt Lepsius, JZ 2001, 22 (24 ff.). 133 BVerfG, BB 2000, 1371 ff. m. Anm. von Knopp. 129

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

a) Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit Das Bundesverfassungsgericht sprach sich für eine verfassungskonforme Reduzierung der Zustandsverantwortlichkeit auf der Rechtsfolgenseite aus. Es knüpfte damit an seine Entscheidung zum Denkmalschutzrecht vom 14.12.1999 an.134 Das Gericht hält eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf Tatbestandsseite für verfassungsrechtlich nicht geboten. Mit der herrschenden Meinung135 begründet es die Zustandsverantwortlichkeit mit der Sachherrschaft sowie mit der Möglichkeit, aus der Sache Nutzen zu ziehen. Ohne Bedeutung sei, wie es zu der Gefahr gekommen sei, weil die Behörde den Grundeigentümer aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr auch dann zur Gefahrenabwehr verpflichten können müsse, wenn er sie weder verursacht noch verschuldet habe. Das Bundesverfassungsgericht schlägt damit bereits einen grundsätzlich falschen Weg ein. Es verkennt, daß die Auferlegung der Sanierungsverantwortlichkeit willkürlich und damit verfassungswidrig ist, wenn sie dem Eigentümer in den Opferfällen nicht zugerechnet werden kann. In diesen Fällen ist kein sachlicher Grund für eine Gleichbehandlung des Eigentümers mit dem Verhaltensstörer bzw. für eine Ungleichbehandlung gegenüber der Allgemeinheit ersichtlich. Das Bundesverfassungsgericht hätte besser daran getan, die Zustandsverantwortlichkeit konsequent von einer Zurechnung der Gefahr abhängig zu machen. Statt dessen hat es in seinem Beschluß einen halbherzigen Weg eingeschlagen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sei nicht die Zustandsverantwortlichkeit als solche, sondern allein der Umfang der Handlungs- und Kostentragungspflicht von Zurechnungskriterien – wie der Nähe zur Gefahr und der Schutzwürdigkeit – abhängig. 136 Es genügt jedoch nicht, die maßgebenden Zurechnungskriterien anzuerkennen, wenn hieraus nicht die gebotenen Schlüsse gezogen werden. Es steht zu befürchten, daß der Gesetzgeber – sollte er der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts zu einer Neuregelung der Störerregelungen nachkommen – angesichts der angespannten öffentlichen Haushalte erneut einer Lösung der Opferfälle aus dem Weg gehen wird. Soweit das Bundesverfassungsgericht meint, der Eigentümer müsse aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr stets herangezogen werden können, differenziert es nicht, wie dies erforderlich gewesen wäre, zwischen der Gefah___________ 134

BVerfGE 100, 226 ff. BVerwG, DVBl. 1986, 360 (361); NVwZ 1991, 475; 1997, 577 f.; VGH Mannheim, GewArch 1998, 301 (303); OVG Münster, NWVBl. 1998, 64 (65); Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318 ff.; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1320); Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (66). 136 Bickel, NJW 2000, 2562 und Lepsius, JZ 2001, 22 (26) lehnen subjektive Kriterien im Gefahrenabwehrrecht ab, weil diese systemwidrig seien. 135

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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renabwehr, der Duldung der Gefahrenabwehr und der Kostentragung. Bei genauerer Betrachtung hätte das Gericht erkennen müssen, daß eine effektive Gefahrenabwehr auch dann möglich ist, wenn die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht begrenzt wird, weil Bodenkontaminationen regelmäßig nicht von dem Eigentümer persönlich saniert werden können, sondern von Spezialunternehmen saniert werden müssen.137

b) Begrenzung des Umfangs der Zustandsverantwortlichkeit Einen fundamentalen Bruch mit der herkömmlichen Zustandsverantwortlichkeit vollzieht das Bundesverfassungsgericht auf der Rechtsfolgenseite, indem es den Umfang sowohl der Sanierungsverantwortlichkeit als auch der Kostentragungspflicht begrenzt und die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen wohl auf eine Duldungspflicht reduziert.138 Die unbeschränkte Einstandspflicht des Grundeigentümers mit seinem gesamten Vermögen, wie sie im Polizeirecht seit jeher139 vertreten wird, sieht das Bundesverfassungsgericht bei Bodenkontaminationen als verfassungswidrig an und ersetzt sie durch ein Stufenmodell. Hierbei knüpft es an § 26 Abs. 2 des Regierungsentwurfs zum Bundes-Bodenschutzgesetz140 an, der die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf den Verkehrswert des Grundstücks begrenzen wollte. Diese Regelung ist jedoch im Vermittlungsausschuß gestrichen worden.141 Das Bundesverfassungsgericht beschränkt die Zustandsverantwortlichkeit allerdings nicht nur in den Opferfällen. Auch außerhalb der Opferfälle müsse der Eigentümer nicht sein gesamtes Vermögen einsetzen. Über den Verkehrswert des kontaminierten Grundstücks hinaus müsse er nur insoweit eigenes Vermögen einsetzen, als dieses mit dem Grundstück in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehe. Umgekehrt könne sich aus der besonderen Schutzwürdigkeit des Eigentümers in bestimmten Konstellationen eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit unterhalb des Verkehrswertes ergeben. ___________ 137

Vgl. die obige Darstellung unter 4. Kap. E. Abzulehnen ist die von Bickel, NVwZ 2004, 1219 (1211), vertretene Ansicht, das Bundesverfassungsgericht habe nicht die Sanierungsverantwortlichkeit, sondern nur ihre behördliche Durchsetzbarkeit begrenzt. Bickel verkennt, daß das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Störerregelungen als solche und nicht lediglich einzelne darauf beruhende behördliche Anordnungen als verfassungswidrig angesehen und daher den Gesetzgeber zu einer Neuregelung aufgefordert hat. 139 Vgl. 4. Kap. A. 140 BT-Drucks. 13/6701, S. 14 und 46. 141 Oldiges, in: Oldiges (Hrsg.), Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz, 1996, S. 84 f. 138

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Das Bundesverfassungsgericht begründet142 sein Stufenmodell143 weitgehend mit der von Papier144 entwickelten Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit, obwohl bei Papier von einer Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert keine Rede ist.145 Wie ausgeführt, spricht sich Papier in den Opferfällen für eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht aus.146 Das Bundesverfassungsgericht schließt sich Papiers Prämisse an, daß das Eigentum durch die Altlastenhaftung nicht völlig in seiner Substanz ausgehöhlt werden dürfe. Der Eigentümer dürfe durch die Sanierungsanordnung nicht faktisch zur Veräußerung seines Grundstücks gezwungen werden. Hieraus leitet das Bundesverfassungsgericht unter Rückgriff auf das Übermaßverbot eine Beschränkung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks ab. Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts vollzieht damit eine dogmatische Kehrtwende.147 In seiner bisherigen Rechtsprechung148 sah er durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nur das konkrete Eigentum in seinem Bestand geschützt, nicht aber den in der Sache verkörperten Geldwert.149 In seinem Beschluß vom 16.2.2000 ersetzt der erste Senat die Bestandsgarantie150 durch eine Wertgarantie151. Die Sanierungsordnung greift nicht in den Bestand des Eigentums ein, weil sie dem Grundeigentümer weder sein Eigentum noch seine Nutzungsrechte entzieht.152 Lediglich die faktische Nutzbarkeit ist betroffen, wenn der Grundeigentümer im Hinblick auf die hohen Sanierungskosten zur Veräußerung des Grundstücks gezwungen ist. Die faktische Nutzbarkeit ist jedoch nicht grundrechtlich geschützt.153 Das Bundesverfassungsgericht154 knüpft ___________ 142

BVerfGE 102, 1 (20). Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (260). 144 Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 48 ff.; DVBl. 1985, 873 ff.; NVwZ 1986, 256 ff.; Jura 1989, 505 ff.; NWVBl. 1989, 322 ff.; JZ 1994, 810 ff.; in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 511 ff., Stand: Mai 1994. 145 Ebendort. 146 Ebendort. 147 Zustimmend Lepsius, JZ 2001, 22 (24 ff.). 148 BVerfGE 24, 367 (405); 38, 175 (184); 45, 63 (76); a.A. das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung seit BVerwGE 5, 143 ff. 149 Brenner, DVBl. 1993, 291 (292); Lepsius, JZ 2001, 22 (24). 150 Zur Bestandsgarantie vgl. Brenner, DVBl. 1993, 291 (292). 151 Lepsius, JZ 2001, 22 (24 ff.); Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (259); Mohr, NVwZ 2003, 686 (688); Huber/Unger, VerwArch 2005, 96 (2005), 139 (144 f. und 151); Numberger, NVwZ 2005, 529 (530). 152 BVerfGE 102,1 (20). 153 Lepsius, JZ 2001, 22 (24 ff.); Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (259); Mohr, NVwZ 2003, 686 (688); Numberger, NVwZ 2005, 529 (530). 154 BVerfGE 100, 226 ff. 143

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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damit an seine Entscheidung zum Denkmalschutzrecht vom 14.12.1999 an. In dieser hatte es sich einen wirtschaftlichen Eigentumsbegriff zu eigen gemacht und die Zumutbarkeitsschwelle bei Beschränkungen des Eigentums auch dann für überschritten angesehen, wenn die Rechtsposition weiterbesteht, aber nicht mehr den Namen „Eigentum“ verdient.155 Das Bundesverfassungsgericht will dem Eigentümer durch die Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert156 die Möglichkeit eröffnen, die Sanierung durch die spätere Veräußerung des sanierten Grundstücks zu finanzieren. Der Grundeigentümer soll über den konkreten Eigentumsgegenstand hinaus kein weiteres Vermögen für die Sanierung aufwenden müssen. Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts ist verfehlt, weil die Zustandsverantwortlichkeit von dem Eigentümer verlangt, daß er seine Arbeitskraft zur Beseitigung der Gefahr einsetzt. Ist ihm dies zu mühsam oder ist er hierzu nicht in der Lage, so kann er einen Dritten mit der Ausführung der erforderlichen Maßnahme beauftragen. In dem einen wie in dem anderen Fall wendet der Eigentümer Teile seines Vermögens für die Gefahrenabwehr auf. Jede Auferlegung einer Handlungspflicht zwingt den Verpflichteten – weil sich so gut wie jede gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme kommerzialisieren läßt – zum Einsatz seines Vermögens.157 Weder seine Arbeitskraft noch das Geld, das er der ausführenden Firma zahlt, stehen in irgendeinem Bezug zu dem konkreten Eigentumsgegenstand. Es ist Sache des Eigentümers, die Sanierung aus seinem Vermögen zu finanzieren. Welche Bestandteile seines Vermögens er hierzu verwendet, bleibt ihm überlassen. Darüber hinaus läßt sich das vom Bundesverfassungsgericht verfolgte Ziel nicht erreichen, dem Grundeigentümer auch künftig den privatnützigen Gebrauch des Grundstücks zu ermöglichen. Der Eigentümer kann die Sanierung vielfach nur finanzieren, indem er das Grundstück veräußert. Veräußert der Eigentümer sein Grundstück nicht, so muß er die Sanierungskosten aus seinem sonstigen Vermögen bestreiten. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Eigentümer – z. B. durch Miet- oder Pachteinnahmen – künftige Erträge aus dem Grundstück ziehen kann. Derartige Erträge kann der Eigentümer jedoch erst im Laufe der Jahre erwirtschaften, während er die Sanierungskosten sofort begleichen muß. Der Eigentümer muß daher für die Sanierung Vermögen aufwenden, das mit den Grundstückserträgen in keinem Zusammenhang steht. Das vom Bundesverfassungsgericht verfolgte Ziel, dem Eigentümer einen künftigen ___________ 155

Ebendort, S. 243. Zur Berechnung des Verkehrswertes vgl. nur Ginzky, DVBl. 2003, 169 (172). 157 Zustimmend Lepsius, JZ 2001, 22 (23). 156

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

privatnützigen Gebrauch zu ermöglichen, läßt sich nur durch eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht erreichen. Die vom Bundesverfassungsgericht158 propagierte Bindung der Zustandsverantwortlichkeit an den Verkehrswert des sanierten Grundstücks läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß die Sanierung häufig im Interesse des Eigentümers liege und den Verkehrswert des Grundstücks erhöhe. Das dem Gebührenrecht entlehnte Interessenprinzip taugt nicht für die Begründung einer Handlungspflicht.159 Daraus, daß eine Maßnahme dem Bürger nützlich ist, kann nicht gefolgert werden, daß er gegen seinen Willen zu ihr gezwungen werden kann. Überdies decken sich das öffentliche und das private Interesse nur in seltenen Fällen. Die Verkehrswerterhöhung vermag allenfalls eine Abschöpfung des sanierungsbedingten Wertzuwachses zu rechtfertigen. 160 Die Fokussierung auf den Verkehrswert des Grundstücks führt schließlich zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen, weil der Umfang der Einstandspflicht von zufälligen Faktoren und nicht von der Nähe zur Gefahr abhängig gemacht wird.161 So müßte der Eigentümer einer kleinen Parzelle, selbst wenn er sie in Kenntnis der Kontamination erworben hat, weniger Sanierungskosten aufwenden als der Eigentümer eines großen, wertvolleren Grundstücks, der Opfer eines Tankwagenunfalls ist. Letzterer muß unter Umständen höhere Sanierungskosten aufwenden als der Eigentümer, der sein kleines Grundstück einem Dritten zu einer gefährlichen Nutzung – wie etwa zum Betrieb einer chemischen Reinigung – überlassen hat. Für den Umfang der Zustandshaftung kommt es nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts maßgebend auf wertbestimmende Faktoren. Danach macht es einen wesentlichen Unterschied, ob es sich bei dem kontaminierten Grundstück um günstiges Ackerland oder um teures Bauland handelt oder ob das Bauland auf dem Land oder in einem städtischen Ballungsgebiet liegt. Diese Faktoren sind dem Gefahrenabwehrrecht wesensfremd. Ebensowenig lassen sie sich verfassungsrechtlich legitimieren. Das Bundesverfassungsgericht hat im übrigen offen gelassen, wie der Verkehrswert des Grundstücks zu bestimmen ist. Fraglich ist hierbei, ob, wie von Huber/Unger162 vertreten, von dem eigentlichen Verkehrswert Belastungen des Grundstücks durch Grundpfandrechte in Höhe der noch vorhandenen Valutierung abzuziehen sind. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Unter dem Verkehrswert ist vielmehr der am Markt beim Verkauf des Grundstücks erzielbare Preis ___________ 158

BVerfGE 102, 1 (19). Zur Herleitung von Haftungsgrundsätzen aus dem Gebührenrecht vgl. Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 127 ff. 160 Zu verweisen ist auf die eingehende Darstellung zur Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG unter Kapitel 13. 161 So auch Lepsius, JZ 2001, 22 (25). 162 VerwArch 96 (2005), 139 (160 f.). 159

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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zu verstehen. Anderenfalls würden Eigentümer, die ihr Grundstück (überwiegend) mit Eigenkapital finanziert haben und deshalb nur über ein geringes sonstiges Vermögen verfügen massiv gegenüber fremdfinanzierenden Eigentümern benachteiligt. Die Begrenzung der Kostenbelastung führt die Zustandsverantwortlichkeit dann nicht auf das verfassungsrechtlich zulässige Maß zurück, wenn sie als solche – wie in den Opferfällen – willkürlich163 ist. Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts erweist sich als sozialpolitische Kosmetik, welche die Opferposition nicht aufhebt und statt dessen demjenigen zugute kommt, der nicht schutzwürdig ist. Auffallend ist, daß sich das Bundesverfassungsgericht bei der abstrakten Bestimmung des Maßes der zumutbaren Belastung von dem Eigentum löst und darauf abstellt, ob der Eigentümer seine Sache durch sein Verhalten einer Gefahr ausgesetzt hat – z. B. durch Verpachtung an den Betreiber einer Deponie – oder bei Erwerb des Grundstücks bewußt ein Risiko in Kauf genommen hat. Bei der Bestimmung der konkret zumutbaren Belastung bleibt das Bundesverfassungsgericht hingegen der hergebrachten Vorstellung von der Zustandsverantwortlichkeit kraft Eigentums verhaftet, indem es auf den Verkehrswert des Grundstücks abstellt. Es zieht damit aus einem richtigen Ansatz die falschen Schlüsse. Das Bundesverfassungsgericht hätte die Zurechnung der Gefahr konsequent von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung bzw. einer Inkaufnahme des Risikos abhängig machen müssen. Eine Begrenzung der Gefahrenabwehrpflicht auf den Verkehrswert des Grundstücks, wie sie das Bundesverfassungsgericht der Verwaltung im Regelfall vorgeschrieben hat, wird der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten.164 Eine Inanspruchnahme des Grundeigentümers zur Sanierung dürfte nur noch in Betracht kommen, wenn bereits bei Erlaß der Sanierungsanordnung feststeht, daß die zu erwartenden Sanierungskosten unterhalb der zumutbaren Kostenbelastung liegen werden. Nur dann wird die bisher übliche Vorgehensweise gangbar sein, den Zustandsstörer zur Vornahme bestimmter Gefahrenabwehrmaßnahmen unter Beauftragung eines Spezialunternehmens zu verpflichten. ___________ 163 Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nach allgemeiner Meinung ein vergleichspaarbezogenes Willkürverbot, wesentlich Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich und Ungleiches nicht ohne sachlichen Grund gleich zu behandeln; vgl. nur BVerfGE 3, 58 (135 f.); Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., 1994, S. 364. Ob Art. 3 Abs. 1 GG darüber hinaus ein allgemeines Willkürverbot zu entnehmen ist, ist umstritten; bejahend BVerfGE 42, 64 (74 ff.); 57, 39 (42); verneinend Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., S. 364. Diese Frage kann an dieser Stelle zunächst dahinstehen, weil sich im Störerrecht immer Vergleichspaare bilden lassen. So stellt sich bei Zustandsstörern stets die Frage, ob eine sachwidrige Gleichbehandlung mit Verhaltensstörern bzw. eine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber Nichtstörern erfolgt; ähnlich Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 114. Auf die Begrenzung der Zustandshaftung nach dem allgemeinen Willkürverbot wird unter 8. Kap. E. V. näher eingegangen. 164 Numberger, NVwZ 2005, 529 (531).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Aber auch dann steht der Grundeigentümer vor der Schwierigkeit, daß ihm das Spezialunternehmen ihre Zahlungsansprüche nicht bis zur endgültigen behördlichen Kostenentscheidung stunden wird.165 Übersteigen die veranschlagten Sanierungskosten aber das vielfach erst nach der Sanierung ermittelbare Maß der zumutbaren Belastung, so scheidet eine Verpflichtung des Zustandsverantwortlichen zur Durchführung der Sanierungsarbeiten aus. Der geschuldete Erfolg – d.h. die Dekontamination oder die Sicherung – läßt sich dann nicht mit dem zumutbaren Vermögenseinsatz erzielen. Der Zustandsstörer kann dann insbesondere nicht verpflichtet werden, ein Spezialunternehmen zu beauftragen, weil dessen Vergütungsanspruch das Maß der zumutbaren Belastung übersteigt. Der Verwaltung stehen daher praktisch nur zwei gangbare Wege zur Verfügung. Sie kann zum einen die Sanierung selbst oder durch einen Beauftragten durchführen und anschließend den Zustandsstörer in Höhe der zumutbaren Belastung zu den Kosten heranziehen. Zum anderen kann sie gemeinsam mit dem Zustandsstörer ein Spezialunternehmen mit der Sanierung beauftragen. Die Behörde muß sich dann allerdings insoweit zur Übernahme des Vergütungsanspruchs verpflichten, als dieser das Maß der zumutbaren Belastung des Zustandsstörers übersteigt. In der Praxis dürfte die Behörde regelmäßig den ersten Weg einschlagen und den Grundeigentümer erst im Wege der Ersatzvornahme zu den Kosten heranziehen.166 Im Ergebnis laufen beide Wege darauf hinaus, daß die Sanierungsverantwortlichkeit im wesentlichen auf eine anteilige Kostentragung begrenzt wird, weil von dem Zustandsstörer nicht mehr die vollständige Sanierung des Grundstücks verlangt werden kann.

c) Keine Entscheidung über die Opferfälle Da sich keiner der Beschwerdeführer in einer Opferposition befunden hat, mußte das Bundesverfassungsgericht in casu keine Entscheidung über die Lösung der Opferfälle treffen.167 Die Beschwerdeführerin des ersten Verfahrens ist bei Erwerb des kontaminierten Grundstücks bösgläubig gewesen. Sie wußte, daß auf dem erworbenen Grundstück Chemikalien zur Entfettung von Kaninchenfellen verwendet worden waren und daß der Brunnen stark nach Lösungsmitteln roch. In Anbetracht dieser Umstände mußte sie mit einer Verunreinigung rechnen. Die Beschwerdeführer des zweiten Verfahrens waren keine Opfer, weil sie ihr Grundstück dem späteren Verursacher der Gefahr zu einer ___________ 165

Ebendort. Zustimmend Numberger, NVwZ 2005, 529 (531), der davon ausgeht, daß Grundeigentümer in Kenntnis des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 einer Sanierungsanordnung ohnehin nicht freiwillig Folge leisten werden. 167 BVerfGE 102, 1 (21). 166

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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risikoreichen Nutzung – dem Betrieb einer Tontaubenschießanlage – überlassen hatten. Auch nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ist damit die im Bodenschutzrecht vordringlichste Frage weiterhin unbeantwortet, in welchem Umfang die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers zu begrenzen ist, der sich in einer Opferposition befindet. Auf Seite 21 des Beschlusses heißt es unter B. II. 2. c) cc) allerdings, daß eine „diese Grenzen (sic. den Verkehrswert des sanierten Grundstücks) überschreitende Belastung insbesondere dann unzumutbar sein [kann], wenn die Gefahr, die von dem Grundstück ausgeht, aus Naturereignissen, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrührt. In diesen Fällen darf die Sanierungsverantwortlichkeit nicht unbegrenzt dem alle Sicherungspflichten einhaltenden Eigentümer zur Last fallen. Anderenfalls würden ihm im Übermaß Risiken aufgebürdet, die auf Umständen beruhen, die losgelöst von der Sachherrschaft über das Grundstück sind und jenseits seiner Verantwortungssphäre liegen. Ob in diesen Fällen weitergehende Grenzen der Belastung aus anderen Gründen, etwa aus dem Sozialstaatsgebot, zu beachten sind, bedarf hier keiner Entscheidung.“ Offen bleibt, ob eine Beschränkung unterhalb des Verkehrswertes des Grundstücks vorzunehmen ist. Allerdings verfängt sich das Bundesverfassungsgericht in einem logischen Widerspruch, wenn es im unmittelbaren Anschluß unter B. II. 2. c) dd) ausführt, daß „die Belastung des Zustandsverantwortlichen mit Sanierungskosten bis zur Höhe des Verkehrswertes f e r n e r in Fällen unzumutbar sein [kann], in denen das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bildet“.168 Das Gericht spricht sich insoweit für eine weitergehende Beschränkung unterhalb des Verkehrswertes aus. Unklar ist, was das Bundesverfassungsgericht mit dem Wort „ferner“ im Sinn hatte, weil es weder im vorhergehenden Gliederungspunkt noch an anderer Stelle eine weitere Beschränkung unterhalb des Verkehrswertes gefordert hat. Den Ausführungen an anderer Stelle des Beschlusses läßt sich entnehmen, daß das Bundesverfassungsgericht eine tatbestandliche Reduktion der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen ablehnend gegenübersteht. So heißt es auf Seite 17 des Beschlusses: „Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht geboten, den Eigentümer in den Fällen, in denen er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet hat, als Nichtstörer im Sinne der sicherheitsrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren, dem in jedem Fall eine Entschädigung wegen eingriffsbedingter Nachteile zu gewähren wäre“.169 ___________ 168 169

BVerfGE 102, 1 (21). Hervorhebung durch den Verfasser. Ebendort, S. 17.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Im Schrifttum herrscht angesichts dieser widersprüchlichen Ausführungen Uneinigkeit darüber, welche Schlußfolgerungen für die Opferfälle aus dem Beschluß zu ziehen sind. Von einigen Autoren170 wird die Ansicht vertreten, der Eigentümer könne in den Opferfällen stets bis zum Verkehrswert des sanierten Grundstücks zur Sanierung verpflichtet werden. Andere sprechen sich für eine weitergehende Begrenzung aus.171 So sei Spieth/von Oppen172 zufolge in den Opferfällen eine Reduzierung der Zumutbarkeitsgrenze „auf Null“ geboten. Zuzustimmen ist der zweiten Ansicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 16.2.2000 zwar für die Opferfälle nicht ausdrücklich klargestellt, wie eine weitergehende Beschränkung über den Verkehrswert hinaus auszusehen hat. Es hat jedoch anklingen lassen, daß es eine weitergehende Beschränkung für erforderlich hält. Hierfür spricht nicht nur der Gebrauch des Wortes „ferner“ unter B. II. 2. c) dd) der Entscheidung173, sondern auch der Umstand, daß eine Auseinandersetzung mit den Opferfällen und insbesondere die Klarstellung, daß dem Eigentümer anderenfalls „im Übermaß Risiken aufgebürdet [würden], die auf Umständen beruhen, die losgelöst von der Sachherrschaft über das Grundstück sind und jenseits seiner Verantwortungssphäre liegen“, überflüssig gewesen wäre. Hätte sich das Bundesverfassungsgericht auch in den Opferfällen lediglich für eine Beschränkung auf den Verkehrswert des Grundstücks aussprechen wollen, so hätte es das Gericht bei seinen Ausführungen unter B. II. 2. c) bb) bewenden lassen können, in denen es die Begrenzung auf den Verkehrswert darlegt. 174 Die Gegenansicht verkennt im übrigen, daß das Bundesverfassungsgericht mit dem Verkehrswert lediglich einen Anhaltspunkt175, nicht aber ein von den Besonderheiten der Sachverhaltskonstellation losgelöstes, feststehendes Kriterium herausgearbeitet hat. So wie nach B. II. 2. c) dd) der bösgläubige Erwerber und der Eigentümer, welcher sein Grundstück besonderen Risiken aussetzt, wegen ihrer Nähe zur Gefahr einer weitergehenden Zustandshaftung unterliegen, ist in den Opferfällen Raum für eine weitergehende Beschränkung. ___________ 170 Hager, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 783 (793); Rehbinder, in: Lühr/Savidis/Franzius/Bachmann (Hrsg.), Boden- und Altlastensymposion 2001, 2001, S. 19 (20). 171 Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (260); Huber/Unger, VerwArch 2005, 96 (2005), 139 (142 f.). 172 ZUR 2002, 257 (260). 173 BVerfGE 102, 1 (21). 174 Dies verkennen Huber/Unger, VerwArch 2005, 96 (2005), 139 (142 f.), die von den Opferfällen im Rahmen der Sanierungsverantwortlichkeit von dem Normalfall sprechen. 175 BVerfGE 102, 1 (20) unter B. II. 2. c) bb).

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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Vieles spricht dafür, daß das Bundesverfassungsgericht in den Opferfällen zu einer Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht tendiert.176 Es führt zutreffend aus, daß es sich in den Opferfällen um Gefahren handelt, die in keinem Zusammenhang mit der Sachherrschaft des Eigentümers stehen und außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegen.177 Greift damit der vom Bundesverfassungsgericht herangezogene Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit nicht, so machte eine Inanspruchnahme des Eigentümers auch dann keinen Sinn, wenn die Kostenlast unterhalb des Verkehrswertes herabgesetzt würde. Bedenklich ist in den Opferfällen nämlich nicht, daß dem Eigentümer im Übermaß Risiken aufgebürdet werden, sondern daß er überhaupt zur Gefahrenabwehr herangezogen wird, obwohl ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden kann. Nur durch eine Begrenzung auf eine Duldungspflicht kann die Opferposition angemessen berücksichtigt werden.178

d) Das Stufenmodell Mit seinem Stufenmodell hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht eine Abstufung der Zustandsverantwortlichkeit nach der Nähe zur Gefahr und der Schutzwürdigkeit vorgenommen.179 Auch wenn die Rechtsfolgen, für die das Bundesverfassungsgericht sich ausgesprochen hat, keine Zustimmung verdienen, ist anzuerkennen, daß es die drei Sachverhaltskonstellationen herausgearbeitet hat, die es bei der Zustandsverantwortlichkeit zu unterscheiden gilt.180 Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet drei gefahrenabwehrrechtliche Stufen und eine sozialpolitische Stufe. Stellt man sich dieses Stufenmodell als Haus vor, so bildet die Hauptstufe das Erdgeschoß; sie stellt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts den Regelfall dar. Alle anderen Stufen orientieren sich an ihr – sei es mit einem Mehr oder mit einem Weniger an Belastung. ___________ 176 Auch der Bundesgerichtshof und die herrschende Meinung gehen bei der zivilrechtlichen Parallelfigur der actio negatoria (§ 1004 BGB) davon aus, daß der Eigentümer nicht zur Beseitigung von durch Naturgewalten verursachten Störungen, sondern nur zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet ist; vgl. BGH, NJW 1985, 1773 (1774); 1995, 2633 (2634) und Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (497) sowie die Darstellung unter 9. Kap. D. I. 3. 177 BVerfGE 102, 1 (21). Der Bundesgerichtshof spricht im Rahmen der zivilrechtlichen actio negatoria davon, daß sich bei von Naturgewalten ausgelösten Störungen für den gestörten Eigentümer ein allgemeines Lebensrisiko verwirkliche; vgl. nur BGH, NJW 1995, 2633 (2634). 178 Im Ergebnis zustimmend Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257 (260). 179 Zustimmend Knopp, DÖV 2001, 941 (951); ablehnend Bickel, NJW 2000, 2562; Lepsius, JZ 2001, 22 (26). 180 Vgl. auch die obige Darstellung unter 5. Kap. B. II. und 7. Kap. D. I.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

aa) Erste Stufe Auf der ersten Stufe ist die Inanspruchnahme des Eigentümers grundsätzlich auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks beschränkt. Hat das Grundstück allerdings für den Eigentümer ein über den Verkehrswert hinausgehendes Interesse, so ist dieses maßgebend. Aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts unter B. II. 2. c) bb) ergibt sich nicht unmittelbar, welche Sachverhaltskonstellationen der ersten Stufe unterfallen. Aufschluß hierüber gibt erst die Abgrenzung, die das Gericht zu der zweiten und dritten Stufe vornimmt. Zu der ersten Stufe gehören Eigentümer, die ihr Grundstück einem Dritten zu einer nicht mit besonderen Risiken verbundenen Nutzung überlassen haben. Hierunter fallen z. B. Eigentümer von Mietshäusern oder von verpachtetem Ackerland.

bb) Zweite Stufe Die zweite Stufe gliedert sich in zwei Untergruppen. Zu der einen Untergruppe gehören die Opferfälle und zu anderen die sog. Eigenheimfälle181. Von Eigenheimfällen ist dann die Rede, wenn das Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Eigentümers bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung darstellt.182 Hierzu muß das kontaminierte Grundstück nicht der einzige Vermögenswert des Eigentümers sein. Laut Huber/Unger183 muß das Grundstück hierzu mehr als zwei Drittel seines Vermögens184 ausmachen. Dies wird häufig bei Eigentümern von Eigenheimen der Fall sein. Auf der zweiten Stufe hat sich das Bundesverfassungsgericht als schlechter Architekt erwiesen. Während es das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß bereits dezidiert geplant hat, steht für die zweite Stufe lediglich fest, daß sie sich unter der Erdoberfläche befindet. Da sich das Gericht zu den Rechtsfolgen in den Opferfällen nicht abschließend geäußert hat, bleibt unklar, ob die zweite Stufe insgesamt als Keller gedacht ist oder ob das Bundesverfassungsgericht die Eigenheimfälle ins Souterrain und die Opferfälle in den Keller anzusiedeln gedenkt. Der Beschluß legt letzteres nahe. ___________ 181

Auf diese verkürzende Begrifflichkeit wird sogleich näher eingegangen. BVerfGE 102, 1 (21). 183 Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (161). 184 Huber/Unger, ebendort, S. 162, zufolge sind bei der Berechnung des Vermögens künftige Einkünfte aus einer Beschäftigung sowie einer Rente oder andere künftige obligatorische Ansprüche (z. B. Zinsen) außer Betracht zu lassen, weil Art. 14 Abs. 1 GG nur das bereits Erworbene, nicht aber den künftigen Erwerb schützt. 182

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts werde in den Eigenheimfällen die Sozialbindung von der Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Eigentümer einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, überlagert.185 Der Eigentümer eines Eigenheims solle davor bewahrt werden, sein Grundstück zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen veräußern zu müssen. In den Eigenheimfällen dürfe der Eigentümer daher nicht bis zur Höhe des Verkehrswertes, sondern nur insoweit zur Sanierung verpflichtet werden, als er Vorteile aus der künftigen Nutzung des Grundstücks ziehen könne. Das Bundesverfassungsgericht läßt offen, was unter den Vorteilen aus der künftigen Nutzung zu verstehen ist. Nach hier vertretener Ansicht darf der Eigentümer in den Eigenheimfällen nur bis zur Höhe der Mietzinszahlungen belastet werden, die er – hochgerechnet auf seine zu erwartende Restnutzungsdauer – dadurch spart, daß er sein Eigenheim anstelle eines vergleichbaren Mietshauses nutzen kann. Der Verkehrswert des sanierten Grundstücks bildet jedoch stets die Obergrenze. Es erscheint vertretbar, die Restnutzungsdauer nach Maßgabe der durchschnittlichen Lebenserwartung zu berechnen. Da der Restnutzungswert je nach Alter, Größe und Lage des Eigenheims beträchtlich sein kann, wird der Eigentümer die Sanierungskosten häufig nicht auf einmal aufbringen können. Da ein Verkauf des Eigenheims jedoch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts186 vermieden werden soll, muß die Behörde dem Eigentümer eine angemessene Ratenzahlungsmöglichkeit eröffnen. Demgegenüber haben sich Huber/Unger187 jüngst dafür ausgesprochen, daß dem Eigentümer in dieser Fallgruppe das Existenzminimum freigestellt werden müsse. Danach komme eine Kostentragung nur insoweit in Betracht, als die Erträge aus dem Grundstück nach Durchführung der Sanierung, also der erzielbare Mietzins, auf der Grundlage einer Prognoseentscheidung der Behörde über dem steuerlichen Existenzminimum188 gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 EStG liegen, wobei Grundpfandrechte mit ihrem Zinsanteil in Abzug zu bringen, Gehaltsansprüche und sonstige künftige Ansprüche jedoch zu berücksichtigen seien. Dieser Ansatz überzeugt nicht. Huber/Unger gehen zwar zutreffend davon aus, daß dem Grundeigentümer ein angemessener Eigenbehalt verbleiben ___________ 185 Vgl. nur BVerfGE 83, 201 (208); 102, 1 (21) sowie Brenner, DVBl. 1993, 291 (292). 186 BVerfGE 102, 1 (21). 187 Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (158 sowie 161 ff.). 188 Dies beträgt derzeit 7235 EUR für Ledige und 14470 EUR für zusammen veranlagte Ehegatten. Dieser Betrag erhöht sich gemäß § 32 Abs. 1 bis 6 EStG für jedes unterhaltsberechtigte Kind um den Kinderfreibetrag von 1824 EUR sowie um den Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung von 1080 EUR.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

muß. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb Gehaltsansprüche einerseits bei der Bestimmung der Fallgruppe außer Betracht bleiben, nun jedoch bei der Berechnung der zulässigen Kostenlast einbezogen werden sollen. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag das Abstellen auf die erzielbaren Mietzinsen, weil dieser Fallgruppe regelmäßig eine Eigennutzung des Grundstücks zugrunde liegt. Maßstab sollte dann aber nicht die von einem Dritten erzielbare Miete, sondern die eigenen ersparten Mietaufwendungen sein. Dies ist jedoch nur möglich, was von Huber/Unger übersehen wurde, wenn ein zeitlicher Rahmen für die Restnutzung durch den Eigentümer festgelegt wird. Die Ermittlung der Vorteile aus der künftigen Nutzung wird der Verwaltung erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Die Inanspruchnahme des Eigentümers eines Eigenheimes dürfte praktisch nur noch in Betracht kommen, wenn die Sanierungskosten nicht vollständig von anderen Störer getragen werden können. Da der Beschluß von den „Vorteile[n] aus der weiteren N u t z u n g“189 spricht, ist eine Abschöpfung der sanierungsbedingten Verkehrswerterhöhung, wie sie § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG vorsieht, ausgeschlossen.190 Dies führt zu dem vom Bundesverfassungsgericht offenbar nicht bedachten unerwünschten Ergebnis, daß ein Eigentümer, der sein Eigenheim in der Folgezeit veräußert, auf Kosten der Allgemeinheit von dem sanierungsbedingten Wertzuwachs profitiert. Dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts läßt sich nicht eindeutig entnehmen, in welchem Umfang der Eigentümer eines Eigenheims zur Sanierung verpflichtet werden kann, wenn er bei Erwerb des Grundstücks bösgläubig war. Offen bleibt, ob die Regelungen zu den Eigenheimfällen oder zum bösgläubigen Erwerb anwendbar sind. Wer sein Eigenheim in Kenntnis oder bei grob fahrlässiger Unkenntnis der Bodenkontamination erwirbt, geht bewußt ein Risiko ein und ist daher genauso wenig schutzwürdig wie jeder andere bösgläubige Erwerber. Nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts unterfällt er folglich der weitergehenden Zustandshaftung. Zur zweiten Stufe gehören zudem die Eigentümer, die Opfer der Bodenkontamination sind. Das Bundesverfassungsgericht versteht unter den Opferfällen Gefahrenlagen, die von einem Naturereignis, einer der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursache oder von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten herrühren.191 Allen drei Fallgruppen ist gemein, daß sie „auf Umständen beruhen, die losgelöst von der Sachherrschaft über das Grundstück sind und jenseits seiner [sic. des Eigentümers] Verantwortungssphäre liegen“. ___________ 189

BVerfGE 102, 1 (21); Hervorhebung durch den Verfasser. Zu den Auswirkungen des Beschlusses auf die Wertausgleichspflicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG vgl. unter 13. Kap. N. 191 BVerfGE 102, 1 (21). 190

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Naturereignisse wie Überschwemmungen oder Erosionen können zur Bodenkontamination führen, wenn hierdurch Gefahrstoffe (z. B. Öl oder Chemikalien) auf das Grundstück getragen werden. Der Grundeigentümer ist dann zufälliges Opfer eines von außen auf sein Grundstück einwirkenden Ereignisses. Kein Opferfall liegt allerdings vor, wenn das Naturereignis lediglich bewirkt, daß ein bereits auf dem Grundstück gelagerter Gefahrstoff ins Erdreich gelangt. Dringt Hochwasser des angrenzenden Flusses in einen chemischen Betrieb und gelangen hierdurch Chemikalien in das Erdreich, so verwirklicht sich eine Gefahr, deren Ursache in der risikoreichen Nutzung des Grundstücks angelegt war. Da der Grundeigentümer der Gefahr näher steht als jeder beliebige Bürger, sind keine Gründe für eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit ersichtlich. Unter den der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen dürften Gefahrenlagen zu verstehen sein, wie sie durch Tankwagenunfälle, Flugzeugabstürze und Kriegsschäden entstehen. Wie bereits ausgeführt192, ist der Begriff der Risikosphäre der Allgemeinheit irreführend, weil die Gefahr in diesen Fällen der Risikosphäre des Verhaltensstörers entspringt. Die maßgebende Frage ist, ob der Eigentümer oder die Allgemeinheit das Ausfallrisiko des Verhaltensstörers zu tragen hat.193 Bei derartigen Gefahrenlagen handelt es sich ausnahmslos um Gefahren, die von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten herrühren (sog. Fremdeinwirkungsfälle), so daß die zweite mit der dritten Gruppe identisch ist. Von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten geht eine Gefahr aus, wenn sie von außen auf das Grundstück einwirkt. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Eigentümer dem Verhaltensstörer die Vornahme der mit Umweltrisiken verbundenen Handlung weder gestattet noch sie geduldet hat. Hierunter fallen insbesondere Gefahren durch Vandalismus oder durch die Ablagerung wilden Mülls. Auch Gefahren, die über den Boden oder über das Grundwasser auf das Grundstück gelangt sind, gehören hierzu. Dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts läßt sich allerdings nicht entnehmen, ob auch Gefahren, die durch einen „Nicht-So-Berechtigten“ verursacht worden sind, als Opferfall zu behandeln sind. Vermietet der Eigentümer sein Grundstück zu Wohnzwecken und nimmt der Mieter in der Garage vertragswidrig Ölwechsel und Lackierarbeiten vor, so fragt sich, ob der Eigentümer hinsichtlich der hierdurch verursachten Gefahren als Opfer anzusehen ist. Das Zusammenspiel der Gliederungspunkte B. II. 2. c) bb) und cc) legt nahe, daß dies zu verneinen ist. Wie bereits dargelegt, kann dem Eigentümer keine weitergehende Kontrollpflicht über das Umweltverhalten seines Mieters aufgebürdet werden als der Fachbehörde. Der Eigentümer ist nach hier vertretener Ansicht dann Opfer, wenn er die vertrags___________ 192 193

Vgl. unter 7. Kap. B. Zustimmend Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 178 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

widrige Nutzung nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht.

cc) Dritte Stufe Zur dritten Stufe gehören all jene Eigentümer, die das Risiko einer Bodenkontamination bewußt in Kauf genommen haben. Hierunter fallen Eigentümer, die bei Erwerb des Grundstücks bösgläubig waren oder die ihr Grundstück einem Dritten zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung überlassen haben. Auf der dritten Stufe, die das Dachgeschoß des Hauses bildet, hat der Eigentümer über den Verkehrswert des sanierten Grundstücks hinaus mit dem damit rechtlich oder wirtschaftlich zusammenhängenden Vermögen einzustehen.194 Die dritte Stufe ist tatbestandlich sowohl von der ersten als auch von der zweiten Stufe abzugrenzen. Geht die Gefahr von der Nutzung des Grundstücks durch einen Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzer aus, so ist zunächst zu prüfen, ob die Gefahr Folge einer vertragswidrigen Nutzung ist. Ist dies zu bejahen, so fällt die Gefahr nur dann unter die dritte Stufe, wenn der Eigentümer die vertragswidrige Nutzung geduldet hat. Anderenfalls unterfällt sie der zweiten Stufe. Ist die Gefahr bei der vertragsgemäßen Nutzung des Grundstücks durch einen Dritten entstanden, so muß die dritte von der ersten Stufe abgegrenzt werden. Zur dritten Stufe gehört die Gefahr nur dann, wenn der Eigentümer dem Dritten eine risikoreiche Nutzung des Grundstücks gestattet oder sie geduldet hat. Als Beispiele für eine risikoreiche Nutzung nennt das Bundesverfassungsgericht die Überlassung zum Betrieb einer Deponie oder zur Auskiesung mit anschließender Verfüllung.195 Allgemein dürften hierunter Nutzungen fallen, die typischerweise mit erhöhten Umweltrisiken verbunden sind. Dies ist insbesondere bei dem Betrieb einer chemischen Reinigung, einer Tankstelle, einer Fabrik oder eines sonstigen Unternehmens, zu dessen Geschäftstätigkeit der Umgang mit gefährlichen Chemikalien gehört, der Fall. Im Einzelfall kann eine Abgrenzung der risikoreichen zur sonstigen Nutzung schwierig sein. Die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen risikoreichen und risikolosen Nutzungen ist verfehlt, weil es risikolose Nutzungen nicht gibt. Von nahezu jeder Nutzung können Risiken für den Boden oder für ein Gewässer ausgehen. Verpachtet der Eigentümer Ackerland an ___________ 194 195

BVerfGE 102, 1 (22 f.). Ebendort, S. 21.

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einen Landwirt, so dürfte dies nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts keine risikoreiche Nutzung darstellen. Gleichwohl ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Eigentümer nur eingeschränkt für Bodenkontaminationen einstehen soll, die durch Überdüngung entstanden sind. Hierin verwirklicht sich ein typisches, mit der konkreten Nutzung verbundenes Risiko, welches der Eigentümer mit der Verpachtung an einen Landwirt bewußt in Kauf genommen hat. Auch in diesem Fall steht der Eigentümer der Gefahr näher als jeder beliebige Bürger. Die Kostenlast darf daher – auch nicht teilweise – auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Vorzugswürdig ist es, dem Eigentümer uneingeschränkt sämtliche Gefahren zuzurechnen, die durch die konkrete Nutzung des Grundstücks hervorgerufen werden. Der Grundeigentümer hat es dann in der Hand, durch die Auswahl der Nutzungsart und die Überwachung der ordnungsgemäßen Nutzung die Risiken zu minimieren. Gegen die verbleibenden Risiken kann er sich durch einen Risikozuschlag auf den Pacht- oder Mietzins sowie durch Sicherheitsleistungen oder Freistellungsklauseln absichern. Zutreffend stellt das Bundesverfassungsgericht nicht darauf ab, ob der Eigentümer bei der Nutzungsüberlassung positive Kenntnis von den mit der Nutzung verbundenen Risiken hatte.196 Der Eigentümer haftet bereits dann, wenn die mit der konkreten Nutzung verbundenen Risiken erkennbar waren. Allerdings dürfen an den Eigentümer keine höheren Sorgfaltsanforderungen gestellt werden, als an die Fachbehörde und an den Verursacher der Gefahr. Kann sich der Verursacher wegen einer behördlichen Genehmigung auf eine Legalisierungswirkung197 berufen, weil die Zulassungsbehörde das Risikopotential nicht erkannt hat, so muß mit der Verantwortlichkeit des Verursachers auch die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers entfallen. Anderenfalls würde der Eigentümer gegenüber dem Verursacher benachteiligt, obwohl letzterer der Gefahr näher steht. Zur dritten Stufe gehören ferner die Eigentümer, die bei Erwerb des bereits kontaminierten Grundstücks das Risiko einer Inanspruchnahme in Kauf genommen hat. Hierunter fallen zunächst alle Eigentümer, welche die Bodenkontamination bei Erwerb des Grundstücks kannten. Unklar ist hingegen, ob und in welchem Umfang Eigentümer zustandsverantwortlich sind, wenn sie bei Erwerb des Grundstücks fahrlässig keine Kenntnis von der Kontamination hatten. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts stehe die fahrlässige Unkenntnis insoweit der positiven Kenntnis gleich.198 Das Bundesverfassungsge___________ 196

BVerfGE 102, 1 (22). Zur Legalisierungswirkung von Genehmigungen vgl. nur Kloepfer, NuR 1987, 7 (13 f.); Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 139 ff.; Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 ff.; Peine, JZ 1990, 201 ff. 198 BVerwG, NVwZ 1991, 475; 1997, 577 (578); vgl. auch die obige Darstellung unter 8. Kap. D. I. 2. 197

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

richt lehnt hingegen eine Gleichsetzung von fahrlässiger Unkenntnis und positiver Kenntnis ab.199 Zutreffend hebt es hervor, daß der fahrlässige Erwerber unter Umständen schutzwürdiger sei als der vorsätzliche.200 Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze komme es auf den Grad der Fahrlässigkeit201 an. Für unnötige Rechtsunsicherheit hat das Bundesverfassungsgericht allerdings dadurch gesorgt, daß es die Grenze der zumutbaren Belastung nicht im einzelnen festgelegt hat. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts läßt zwei Auslegungsmöglichkeiten offen. So hat sich Mohr202 für ein gestuftes Haftungssystem ausgesprochen. Danach soll der vorsätzliche Erwerber mit 100 %, der grob fahrlässige Erwerber mit 75 %, der einfach fahrlässige Erwerber mit 50 % und der leicht fahrlässige Erwerber mit 25 % des Verkehrswertes für die Sanierungskosten aufkommen. Nach zutreffender Ansicht unterliegen hingegen lediglich der vorsätzliche und der grob fahrlässige Erwerber der weitergehenden Haftung, und zwar beide in demselben Umfang. Nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ist der Erwerber nicht schutzwürdig. Wie dargelegt, kann hingegen bei einfacher Fahrlässigkeit nicht davon die Rede sein, daß der Erwerber das Risiko einer Bodenkontamination in Kauf genommen hat. Auch das Zivilrecht geht in § 442 BGB bei einer vergleichbaren Interessenlage davon aus, daß nur der Käufer, dem der Sachmangel grob fahrlässig verborgen geblieben ist, wie der Käufer, der den Sachmangel positiv kennt, keine Gewährleistungsrechte geltend machen kann.203 Ist dem Erwerber die Bodenkontamination aufgrund einfacher Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so kann ihm mangels Inkaufnahme des Risikos die Gefahr nicht zugerechnet werden.204 Er ist vielmehr Opfer der Gefahr. An ihn dürfen keine höheren Sorgfaltsanforderungen gestellt werden als an den Verursacher. Aufgabe der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung wird es sein, einen Katalog der Sorgfaltsanforderungen aufzustellen, deren Einhaltung den Eigentümer von dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit befreit. Bei der Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen zu berücksichtigen ist, daß an den Grundeigentü___________ 199

BVerfGE 102, 1 (22). Zustimmend Scherer-Leydecker, EWiR 2000, 655 (656). 201 Zu den Fahrlässigkeitsgraden vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 276 Rn. 14 ff. Heinrichs unterscheidet die einfache und die grobe Fahrlässigkeit. Andere Autoren differenzieren ohne Ertrag für den vorliegenden Zusammenhang weitergehend zwischen einfacher und leichter Fahrlässigkeit; vgl. nur Mohr, NVwZ 2003, 686 (688). 202 NVwZ 2003, 686 (688). 203 BGH, NJW 1989, 2050; Honsell, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 460 Rn. 1. 204 Eingehend hierzu unter 5. Kap. C. II. 3. 200

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mer keinesfalls höhere Anforderungen an das Erkennen umweltgefährdender Risiken gestellt werden dürfen als an die fachkundige Behörde, die ungeachtet der erst später als gefährlich erkannten Nutzung eine erforderliche Genehmigung erteilt hat oder nicht eingeschritten ist.205 Von besonderer Bedeutung ist hierbei der jeweilige Erwerbszeitpunkt. An Eigentümer, die etwa 1980 ein kontaminiertes Grundstück erworben haben, dürfen nicht dieselben Sorgfaltsanforderungen gestellt werden als bei einem heutigem Erwerber, weil sich mit dem größeren Fachwissen über Boden- und Gewässerverunreinigungen und ihre Ursachen auch das Umweltbewußtsein der Bevölkerung erheblich erweitert hat. Von einer grob fahrlässigen Unkenntnis wird man nur dann sprechen können, wenn im Erwerbszeitpunkt tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bodenkontamination vorgelegen haben, die der Erwerber ohne weiteres hätte erkennen müssen. Ein heutiger Erwerber handelt jedenfalls dann grob fahrlässig, wenn er es unterläßt, in das Altlastenkataster oder in den Bauleitplan Einsicht zu nehmen bzw. beim zuständigen Amt eine Anfrage zu stellen, sofern das Grundstück darin im Erwerbszeitpunkt als Altlast oder als Altlastenverdachtsfläche gekennzeichnet war.206 In dem Altlastenkataster werden Daten über Größe, Zustand und Lage der Altablagerungen und Altstandorte erfaßt.207 Ist ein Grundstück in einem Altlastenkataster verzeichnet, so ist eine Bodenkontamination sehr wahrscheinlich.208 Grobe Fahrlässigkeit liegt weiterhin dann vor, wenn er das Grundstück nicht vor dem Erwerb begeht, sofern er hierbei Anzeichen für eine Bodenkontamination hätte erkennen können.209 Dies ist z. B. bei großen Öllachen, bei Verfärbung des Erdreichs oder bei auf dem Grundstück lagernden korrosiven Fässern mit Öl oder Chemikalien möglich. Besondere Sorgfaltsanforderungen treffen denjenigen Erwerber, der um die mit erhöhten Umweltrisiken verbundene Vornutzung des Grundstücks (z. B. als Abfalldeponie, Fabrik, chemische Reinigung oder Tankstelle) weiß oder grob fahrlässig Anhaltspunkten hierfür nicht nachgeht.210 Legt etwa das Grundbuch eine entsprechende Vornutzung nahe, so ist der Erwerber nur schutzwürdig, wenn er das Grundstück auf Bodenkontaminationen untersuchen läßt. Auf der dritten Stufe muß der Eigentümer mit dem Verkehrswert des Grundstücks sowie mit demjenigen Vermögen einstehen, das mit diesem rechtlich oder wirtschaftlich zusammenhängt.211 Wenn das Grundstück Teil eines land___________ 205

Numberger, NVwZ 2005, 529 (531). Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 304. 207 Pohl, NJW 1995, 1645 (1646); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 73. 208 Kohls, ebendort. 209 A.A. Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (397). 210 Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1986, 326; VBlBW 1998, 312; 1998, 468. 211 BVerfGE 102, 1 (22 f.). 206

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oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder eines Unternehmens ist, besteht eine funktionale Einheit mit dem Betriebs- oder Unternehmensvermögen und insbesondere mit anderen Grundstücken des Betriebs- oder Unternehmensvermögens.212 Dahinter dürfte die Erwägung stehen, daß der Betrieb bzw. das Unternehmen von der mit Risiken verbundenen Nutzung des Grundstücks profitiert hat.213 Die Inanspruchnahme des Eigentümers dürfe allerdings nicht zur Folge haben, daß die Fortführung des Betriebes oder Unternehmens gefährdet werde, weil sich die Sanierungsanordnung anderenfalls faktisch wie eine Enteignung ohne angemessene Entschädigung auswirke.214 Unklar ist jedoch, wo hier die Grenzen zu ziehen sind. Huber/Unger215 schlagen vor, bei juristischen Personen auf eine Überschuldung des Unternehmens (§ 19 InsO) und bei Personengesellschaften oder Einzelkaufleuten auf die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) abzustellen. Damit ist die Belastungsgrenze jedoch zu hoch angelegt. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 92 Abs. 2 S. 2 AktG) oder die Geschäftsführer einer GmbH (§ 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG) wären dann nämlich bereits bei Geltendmachung der Sanierungskosten zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet. Unklar ist, unter welchen Voraussetzungen ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem kontaminierten Grundstück und dem Betriebs- oder Unternehmensvermögen besteht. Vöneky216 hat zu Recht darauf hingewiesen, daß hiermit keine Einstandspflicht mit dem gesamten Betriebsoder Unternehmensvermögen gemeint sein kann.217 Anderenfalls ließe sich die Intention des Bundesverfassungsgerichts, den Eigentümer vor einer Haftung mit seinem gesamten Vermögen zu bewahren, nicht verwirklichen. Ist der Eigentümer eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, so sind das Betriebs- oder Unternehmensvermögen und das Gesellschaftsvermögen regelmäßig218 identisch. Ein rechtlicher Zusammenhang besteht nur zwischen dem Grundstück und den Nutzungen des Grundstücks, wie § 446 Abs. 1 BGB verdeutlicht. Gemäß § 100 BGB gehören zu den Nutzungen des Grundstücks dessen Früchte und Gebrauchsvorteile. Bei einer Nutzung des Grundstücks zum Bergbau oder Kiesabbau sind die Kohle oder der Kies und bei einer Verpachtung oder Ver___________ 212

Ebendort, S. 23. Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (166 f.). Vgl. auch VGH Mannheim, VBlBW 2002, 491 und VGH München, NVwZ 2003, 363 (364). 214 Vgl. nur BVerfGE 83, 201 (212 f.). 215 Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (167 f.). 216 DÖV 2003, 400 (402). 217 A.A. Müggenborg, NVwZ 2001, 39 (41) sowie offenbar Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (167 f.). 218 Auf konzernrechtliche Besonderheiten kann hier nicht eingegangen werden. 213

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mietung die Pacht- und Mietzinsen Nutzungen des Grundstücks. Betreibt der Eigentümer auf dem Grundstück ein Gewerbe oder ein Unternehmen, so stellt auch der um den Unternehmerlohn geminderte Gewinn eine Nutzung des Grundstücks dar.219 Demgegenüber stehen Gebäude und Anlagen, sofern sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind, nicht in rechtlichem Zusammenhang zu dem Grundstück, sondern sind gemäß §§ 93 f. BGB bereits Teil des Grundstücks. Ihr Wert fließt daher unmittelbar in den Verkehrswert220 des Grundstücks ein.221 Müggenborg222 zufolge stehe das gesamte Betriebs- oder Unternehmensvermögen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem kontaminierten Grundstück. Demgegenüber lehnt Vöneky223 eine Erstreckung der Haftung auf das gesamte Betriebs- oder Unternehmensvermögen ab, weil der Eigentümer anderenfalls – entgegen der Intention des Bundesverfassungsgerichts – mit seinem gesamten Vermögen einzustehen hätte. Vöneky224 spricht sich dafür aus, die Einstandspflicht auf das Grundstückszubehör sowie das operative Betriebs- oder Unternehmensvermögen aus demselben Geschäfts- oder Produktionsbereich zu begrenzen. Bei den Zubehörstücken leuchtet dies ohne weiteres ein, weil diese gemäß § 97 Abs. 1 BGB „dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind“. Der Eigentümer eines Unternehmens hat folglich den Wert sämtlicher Anlagen, Maschinen und Gerätschaften, die auf dem Grundstück zum Einsatz kommen, für die Sanierung einzusetzen.225 Die Begrenzung auf Vermögensgegenstände des operativen Geschäfts bezweckt die Herausnahme von Vermögensgegenständen, mit denen entweder keine Gewinnerzielung beabsichtigt wird oder die zu betriebsfremden Zwecken genutzt werden.226 Ersteres ist etwa bei Wohnungen für Betriebsangehörige und andere Sozialeinrichtungen wie Kindertagesstätten der Fall. Eine betriebsfremde Nutzung liegt z. B. dann vor, wenn ein Chemieunternehmen nicht mehr benötigte Grundstücke an ein konzernfremdes Unternehmen vermietet. Bei Unternehmen, die in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind, besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang nur zu dem Vermögen des Geschäfts___________ 219

BGH, NJW 1978, 1578. Diese Fallkonstellation kommt in Betracht, wenn der Eigentümer in bösem Glauben ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben hat und hierauf ein Gewerbe oder ein Unternehmen betreibt. 220 Ginzky, DVBl. 2003, 169 (172). 221 A.A. Vöneky, DÖV 2003, 400 (403). 222 Müggenborg, NVwZ 2001, 39 (41). 223 Vöneky, DÖV 2003, 400 (404 ff.). 224 DÖV 2003, 400 (404 ff.). 225 Zum Zubehörbegriff vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 97 Rn. 2 ff. 226 Vgl. Vöneky, DÖV 2003, 400 (404 ff.).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

bereichs, dem das kontaminierte Grundstück zugeordnet ist.227 Ist ein Unternehmen sowohl als Energieversorger als auch als Umweltdienstleister tätig, so ist die Einstandspflicht auf den Umweltdienstleistungsbereich begrenzt, wenn das Grundstück in diesem Geschäftsfeld genutzt worden ist. Zur Bestimmung des Haftungsumfangs genügt es indes nicht, diejenigen Vermögensbestandteile zu ermitteln, die in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem Grundstück stehen. Bei den Nutzungen des Grundstücks handelt es sich um Einnahmen, die in der Vergangenheit dem Unternehmensvermögen zugeflossen sind und ihm voraussichtlich in der Zukunft zufließen werden. Auch das Zubehör und das operative Betriebs- oder Unternehmensvermögen sind nicht statisch, sondern unterliegen einem ständigen Wandel. Es fragt sich daher, ob ein Rückgriff in die Vergangenheit und inwieweit ein Vorgriff in die Zukunft zulässig ist oder ob allein der bei Erlaß der Sanierungsanordnung vorhandene Vermögensbestand maßgebend ist. Letzteres dürfte zu verneinen sein. Bei einem Start-Up-Unternehmen mit guten Geschäftsaussichten, aber einem negativen aktuellen Vermögen würde dies im Ergebnis zu einer offenkundig unangemessenen Haftungsfreistellung und damit zu einer Verlagerung der Kosten auf die Allgemeinheit führen. Da bereits gezogene Nutzungen aus dem Grundstück in das Betriebs- oder Unternehmensvermögen einfließen, bedarf deren Anrechenbarkeit keiner Erörterung. Das gegenwärtige operative Vermögen ist nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts zur Sanierung einzusetzen, sofern hierdurch nicht der Fortbestand des Betriebes oder des Unternehmens gefährdet wird. Nichts anderes hat für die künftigen Nutzungen und Betriebs- oder Unternehmenseinnahmen zu gelten. Hat der Eigentümer eines Eigenheimes228 die künftigen Nutzungen für die Sanierung einzusetzen, so muß dies erst recht für die weitergehende Haftung eines Betriebes oder Unternehmens gelten. Die Auslegung des Begriffs des „rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs“ und die Ermittlung des Haftungsumfangs stellen die Praxis vor erhebliche Schwierigkeiten.229 Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, daß in Zukunft deutlich weniger Grundeigentümer zur Sanierung oder zur Kostentragung herangezogen werden. Erschwerend kommt hinzu, daß für eine Begrenzung der Zustandshaftung auf das mit dem kontaminierten Grundstück rechtlich oder wirtschaftlich zusammenhängende Vermögen kein sachlicher Grund ersichtlich ist. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts erweist sich insoweit als untauglicher Versuch, als er die Zustandshaftung auf einen konkreten Eigentumsgegenstand ___________ 227

So bereits Vöneky, ebendort. Vgl. BVerfGE 102, 1 (21.) sowie die Darstellung unter 8. Kap. D. III. 1. b) bb). 229 Zustimmend Knopp, DÖV 2001, 441 (452). 228

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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begrenzt. Die Zustandsverantwortlichkeit ist jedoch keine Einstandspflicht mit einer konkreten Sache, sondern – wie jede andere Haftung auch – eine Einstandspflicht mit dem Vermögen.230 Das Fehlen eines sachlichen Grundes veranschaulichen die nachfolgenden Beispiele.

1. Beispielsfall Der Bankier E, der über ein Privatvermögen von mehren Millionen Euro verfügt, das sich überwiegend aus Aktien, Kunstgegenständen und edlen Rennpferden zusammensetzt, verpachtet im Jahre 2001 ein geerbtes Gewerbegrundstück an den Betreiber P eines metallverarbeitenden Betriebes. Bei Galvanisationsarbeiten laufen fortwährend Chemikalien in den Boden und verunreinigen diesen hochgradig. Im Jahre 2004 wird E zur Sanierung des Grundstücks verpflichtet, nachdem Grundwasserverunreinigungen festgestellt worden waren. Der Wert des sanierten Grundstücks beträgt 1 Mio. Euro. E hat von P seit 2001 Pachtzinsen in Höhe von 150.000 Euro erlangt; mit weiteren 50.000 Euro befindet sich der inzwischen insolvente P im Zahlungsrückstand. Die Sanierungskosten werden auf 6 Mio. Euro geschätzt. E hat dem P das Grundstück zu einer risikoreichen Nutzung überlassen, so daß sich die Zustandshaftung des E nach der dritten Stufe des Stufenmodells des Bundesverfassungsgerichts richtet. Da das Grundstück nicht Teil eines Betriebs- oder Unternehmensvermögen ist, kommt nur eine Einstandspflicht mit dem Privatvermögen des E in Betracht. Das übrige Privatvermögen weist jedoch weder einen rechtlichen noch einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem kontaminierten Grundstück auf. Ein solcher Zusammenhang bestünde nur, wenn P weitere Grundstücke zu gewerblichen Zwecken vermietete oder verpachtete. P muß daher nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts Sanierungsarbeiten bis zum Höchstbetrag von 1,15 Mio. Euro durchführen lassen. Dieser Betrag setzt sich aus dem Verkehrswert des sanierten Grundstücks (1 Mio. Euro) sowie den gezogenen Nutzungen (150.000 Euro) zusammen. Die restlichen 4,85 Mio. Euro sind aus Steuermitteln zu finanzieren, da wegen der Insolvenz des P kein anderer Störer in Anspruch genommen werden kann.

___________ 230

Vgl. die Ausführungen unter 8. Kap. D. II. 2. b).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

2. Beispielsfall Die Bauherrengemeinschaft B GbR erwirbt fortlaufend Grundstücke, bebaut diese und veräußert oder vermietet sie anschließend zu Wohnzwecken. Ende 2002 erwirbt sie für 100.000 Euro ein kontaminiertes ehemaliges Gewerbegrundstück, wobei sie grob fahrlässig die Kontamination nicht erkennt. Nachdem die Kontamination im Jahre 2003 bei Erdaushubarbeiten entdeckt wird, verpflichtet die zuständige Behörde die B GbR zur Sanierung des Grundstücks. Dessen Wert im sanierten Zustand gibt die Behörde mit 100.000 Euro an. Die Sanierungskosten werden auf 2 Mio. Euro geschätzt. Da das Immobilienvermögen der B GbR einen Wert von 3 Mio. Euro hat, erachtet die Behörde eine Belastung mit Sanierungskosten in Höhe von 2 Mio. Euro für zumutbar. Da die B GbR bei Erwerb des kontaminierten Grundstücks bösgläubig war, haftet sie nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts in Höhe des Wertes des sanierten Grundstücks (100.000 Euro) sowie des damit rechtlich oder wirtschaftlich zusammenhängenden Vermögens. Der Gesellschaftszweck der B GbR besteht in dem Erwerb, der Bebauung, der Veräußerung und der Vermietung von Immobilien. Folglich muß die B GbR ihr sämtliches Immobilienvermögen zur Sanierung einsetzen, weil das kontaminierte Grundstück Teil eines gleichartigen Immobilienbesitzes ist. Nur wenn die B GbR darlegen kann, daß die Fortführung ihres Unternehmens gefährdet ist, kommt eine Herabsetzung der Kostenlast in Betracht. Die Beispielsfälle zeigen, daß der Umfang der Zustandshaftung nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen maßgebend davon abhängt, ob das Grundstück Teil eines Unternehmens ist oder ob es in ähnlicher Weise genutzt wird wie andere Grundstücke desselben Eigentümers. Gewerbliche Immobilieneigentümer werden hierdurch massiv gegenüber Eigentümern mit diversifiziertem Vermögen benachteiligt. Nicht die Nähe zur Gefahr, sondern zufällige Vermögensstrukturen entscheiden über den Umfang der Haftung. Im Beispielsfall 1 hat Eigentümer E sein Grundstück mit der Verpachtung an einen metallverarbeitenden Betrieb besonders hohen Umweltrisiken ausgesetzt. Diese besondere Nähe zur Gefahr schlägt sich nicht in dem Umfang seiner Sanierungsverantwortlichkeit nieder. Im Ergebnis haftet E so, als wenn er sein Grundstück dem P zu einer typischerweise mit geringen Umweltrisiken verbundenen Nutzung – wie etwa zu Wohnzwecken – zur Verfügung gestellt hätte. Da E um die Risiken wissen mußte, die von Galvanisationsarbeiten ausgehen, konnte er sich durch einen Risikoaufschlag auf den Pachtzins, durch Sicherheitsleistungen und durch Freistellungsklauseln wirtschaftlich gegen Umweltrisiken absichern. Durch regelmäßige Überwachung der Sicherheitsvorschriften hätte er zudem die fortwährende Bodenverunreinigung unterbinden können. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb die Sanierung im wesentlichen aus Steuermitteln finanziert werden muß.

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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Im Beispielsfall 2 steht die B GbR der Gefahr nicht ebenso nahe wie E im Beispielsfall 1, weil sie nicht an der Entstehung einer noch zu verhindernden neuen Gefahr mitgewirkt, sondern grob fahrlässig das Eigentum an einem bereits kontaminierten Grundstück erworben hat. Gleichwohl wird von ihr – anders als von E – der Einsatz ihres nahezu gesamten Vermögens verlangt. Wie diese Beispiele verdeutlichen, ist der Gesetzgeber gut beraten, eine Haftungsbeschränkung, wie sie das Bundesverfassungsgericht für die dritte Stufe vorgeschlagen hat, bei einer Neuregelung des Störerrechts nicht zu übernehmen. Rechnet man dem Eigentümer die Gefahr wegen der Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder der Inkaufnahme eines Risikos zu, so hat er grundsätzlich mit seinem gesamten Vermögen für die Sanierungskosten aufzukommen. Eine Kostenbegrenzung kann sich allenfalls aus dem öffentlichen Interesse am Fortbestand des Unternehmens und damit am Erhalt von Arbeitsplätzen ergeben.

e) Privilegierung des Grundeigentums gegenüber dem Fahrniseigentum Das Bundesverfassungsgericht hat seien Beschluß ausdrücklich auf die Zustandshaftung für Gefahren beschränkt, die von einem Grundstück ausgehen. 231 Der Beschluß läßt die Zustandsverantwortlichkeit für bewegliche Sachen unberührt, die nunmehr anderen Regeln folgt als die Zustandsverantwortlichkeit für Grundstücke. Verursacht der Fahrer eines Mietwagens einen Verkehrsunfall, bei dem der Wagen einen Totalschaden erleidet, so kann der Eigentümer des Mietwagens ohne Begrenzung auf den Restwert des Wagens zum Abschleppen und zur Verschrottung verpflichtet werden. Da die Abwehr von Gefahren, die von beweglichen Sachen ausgehen, regelmäßig nicht mit vergleichbar hohen Kosten verbunden ist, kommt eine Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert, für die sich das Bundesverfassungsgericht bei Grundstücken ausgesprochen hat, nicht in Betracht.232 Der Eigentümer der beweglichen Sache muß die Kosten der Gefahrenabwehr vollständig tragen.233 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führt daher zu einer im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bedenklichen Privilegierung des Grundeigentümers.234 Die Privilegierung des Immobiliareigentums gegenüber dem Mobiliareigentum überrascht um so mehr, als Grundstücke wegen der ___________ 231

BVerfGE 102, 1 (2 f.). So auch Bickel, NJW 2000, 2562. Im Ergebnis zustimmend Lepsius, JZ 2001, 22 (25). So schon Knorr, VBlBW 1996, 447 (449). 233 Knorr, ebendort. 234 Lepsius, JZ 2001, 22 (25). 232

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Bedeutung der Umweltmedien Boden und Wasser nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts235 einer besonders intensiven Sozialbindung unterliegen.

f) Zusammenfassung Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht bis zu einer gesetzlichen Neuregelung den Gerichten und den Behörden an die Hand gegeben hat, werden – was im Ergebnis zu begrüßen ist – die Zahl der Sanierungsanordnungen gegenüber Grundeigentümer verringern. Hauptgrund hierfür dürfte allerdings sein, daß sich die Kriterien zur Bestimmung des Haftungsumfangs nur schwer handhaben lassen und mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden sind. Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts, den Umfang der Zustandsverantwortlichkeit an den Verkehrswert des sanierten Grundstücks zu binden, ist dogmatisch verfehlt. Der Bestandsschutz der Eigentumsgarantie wird ohne sachlichen Grund um einen Wertschutz erweitert. Die Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit wird mit Verhältnismäßigkeitserwägungen begründet, die in den Opferfällen die Ursache der unbilligen Ergebnisse und damit die fehlende Zurechenbarkeit der Gefahr nicht beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Gelegenheit verpaßt, die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht zu beschränken. Hierzu hätte es mit dem hergebrachten Verständnis, die Zustandsverantwortlichkeit beruhe darauf, daß der Eigentümer aufgrund seiner Sachherrschaft auf die Sache einwirken und sie nutzen könne, brechen müssen. Diesen Schritt hat das Gericht bei der Frage nach dem Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit nicht getan. Erst im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung stellt das Bundesverfassungsgericht auf Zurechnungskriterien wie die Nähe zur Gefahr und die Inkaufnahme von Risiken ab. Eine Lösung der Opferfälle kann mit diesem Ansatz nicht gelingen. Das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Stufensystem ist im Ansatz zu begrüßen, weist in der Ausgestaltung jedoch Schwächen auf. Es nimmt zutreffend – wenn auch an falscher Stelle – eine Differenzierung nach der Nähe zur Gefahr, der Inkaufnahme von Risiken und der Schutzwürdigkeit vor. Nicht zu überzeugen vermag jedoch die Einteilung der Stufen. Es besteht kein Grund, in den Fällen, in denen der Eigentümer sein Grundstück einem Dritten zur Nutzung überlassen hat, zwischen einer vermeintlich risikoarmen (ersten Stufe) und einer risikoreichen Nutzung (dritten Stufe) zu differenzieren. Da annähernd jede Nutzung mit Umweltrisiken verbunden ist, sollte jeder Eigentümer für die Gefahren einstehen müssen, die durch die konkrete Nutzung des Grundstücks ___________ 235

BVerfGE 21, 73 (82 f.); 52, 1 (32 f.); 53, 257 (292); 100, 226 (242).

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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hervorgerufen worden sind. Der Eigentümer hat es bei der Auswahl des Pächters in der Hand, mit der Nutzung Einfluß auf die von ihm eingegangenen Risiken zu nehmen. Im übrigen führt das Stufenmodell den gutgläubigen Erwerber zu Unrecht nicht als Opfer der Bodenkontamination auf. Keiner eigenen Stufe bedarf es für Eigentümer von Eigenheimen. Erwirbt jemand gutgläubig ein kontaminiertes Grundstück, so ist seine Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht begrenzt. Unbeachtlich ist, ob es sich hierbei um ein Eigenheimgrundstück handelt. Der bösgläubige Eigenheimerwerber haftet wie jeder andere bösgläubige Erwerber unbeschränkt. Der Gesetzgeber sollte bei der Neugestaltung der Zustandsverantwortlichkeit das Dreistufenmodell des Bundesverfassungsgerichts durch ein Zweistufenmodell ersetzen, dessen erste Stufe an der uneingeschränkten Zustandsverantwortlichkeit festhält und auf dessen zweiter Stufe die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht beschränkt ist. Ein solches Zweistufenmodell läßt sich – anders als das Dreistufenmodell des Bundesverfassungsgerichts – ohne Friktionen auf den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und auf andere Zustandsstörer übertragen. Es vermeidet im übrigen Wertungswidersprüche gegenüber der Zustandsverantwortlichkeit bei beweglichen Sachen.

E. Eigener Lösungsansatz I. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber in seinem Beschluß vom 16.2.2000 nicht nur zur Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit im Bundes-Bodenschutzgesetz aufgefordert, sondern für die Übergangszeit bis zur Neuregelung Grundsätze für eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG aufgestellt. Huber/Unger236 folgern aus der Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen gemäß § 31 BVerfGG, daß dem Bundesgesetzgeber bei der Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben kein wesentlicher Gestaltungsspielraum zustehe und er die vom Bundesverfassungsgericht aufgrund gesetzgeberischer Untätigkeit aufgestellten Grenzen der Zustandsstörerhaftung nicht durch eine Gesetzesänderung verschieben könne. Diese Ansicht geht zu weit. Das Bundesverfassungsgericht 237 hat ausdrücklich nur Grundsätze für eine verfassungskonforme Auslegung des ___________ 236

VerwArch 96 (2005), 139 (170). BVerfGE 102, 1 (23). Dort heißt es: „Solange der Gesetzgeber, dem es nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG obliegt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nicht ausdrücklich regelt ...“. 237

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Gesetzes für die Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung aufgestellt, nicht aber eine bestehende gesetzliche Regelung für mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt und Vorgaben für eine Neuregelung aufgestellt. Bliebe dem Gesetzgeber bei einer Neuregelung nur eine Eins-Zu-EinsUmsetzung der verfassungsgerichtlichen Grundsätze, so bedürfte es der Gesetzesänderung nicht. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum offen, wie er den mit der Zustandsverantwortlichkeit verbundenen Eingriff in die Eigentumsfreiheit in seiner Belastungswirkung auf ein verfassungskonformes Maß beschränkt. Er ist insbesondere nicht gehindert, den Eigentümer in den Opferfällen von einer Sanierungs- und Kostentragungspflicht freizustellen. Seine Gestaltungsfreiheit geht jedoch nicht so weit, daß er das Rad zurückdrehen und das Ob der verfassungskonformen Beschränkung der Zustandshaftung in Frage stellen kann.

II. Geringe Bedeutung des Effektivitätsgebots in den Umweltschadensfällen Eine sachgerechte Lösung der Opferfälle kann nur gelingen, wenn zwei auf den ersten Blick unversöhnliche Interessen – das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Gefahrenabwehr und das Interesse des Eigentümers an einer gerechten Lastenverteilung – miteinander versöhnt werden.238 Wie an anderer Stelle239 eingehend dargelegt, bedarf es in den Umweltschadensfällen zur effektiven Gefahrenabwehr keiner Verpflichtung des Eigentümers zur Vornahme von Gefahrenabwehrmaßnahmen, weil diese ohnehin nur durch Spezialunternehmen beseitigt werden können. Zur effektiven Gefahrenabwehr ist es daher ausreichend, daß der Eigentümer die Gefahrenabwehrmaßnahmen eines Spezialunternehmens duldet.

III. Verselbständigung der Duldungspflicht Ausgehend von diesem Befund sollte die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen nach hier vertretener Ansicht auf eine Duldungspflicht begrenzt ___________ 238 Spannowsky, UPR 1988, 376; DVBl. 1994, 560 (561 ff.); Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 52 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 184 und 289; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 8 und 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 168 f. 239 Vgl. die ausführliche Darstellung unter 4. Kap. E.

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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werden. Im Bodenschutzrecht sollte der Bundesgesetzgeber240 bei der Neuregelung des Störerrechts die Duldungs- und die Unterlassungspflicht von der Sanierungsverantwortlichkeit lösen und verselbständigen. Er kann sich hierbei an § 350 UGB-KomE sowie an vergleichbaren Regelungen in den Landesaltlastengesetzen241 orientieren. Diese haben mit der Vorstellung gebrochen, daß das Tun, Dulden oder Unterlassen gleichwertige Pflichten sind, die dem Zustandsverantwortlichen unter denselben Voraussetzungen auferlegt werden können. Die Landesaltlastengesetze verpflichten den Grundeigentümer sowie sonstige Berechtigte (wie z. B. den Gewalthaber, den Nießbraucher oder den Erbbauberechtigten), das Betreten des Grundstücks durch die Behörde und die Durchführung von Gefahrerforschungs- oder Sanierungsmaßnahmen zu dulden.242 Nach § 6 Abs. 1 HAltlastG, § 34 BbgAbfG und § 350 UGB-KomE ist der Grundeigentümer und der sonstige Berechtigte243 darüber hinaus auch zur Duldung von Sanierungsmaßnahmen des Verhaltensstörers oder anderer Sanierungsverantwortlicher verpflichtet. Die Duldungspflicht besteht unabhängig davon, ob der Grundeigentümer oder der sonstige Berechtigte zur Sanierung verpflichtet werden kann.244

IV. Tatbestandliche Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit Ist aber durch eine Verselbständigung der Duldungspflicht des Eigentümers eine effektive Gefahrenabwehr sichergestellt, so besteht weder unter sachlichen noch unter dogmatischen Gesichtspunkten eine Notwendigkeit, dem Eigentümer in den den Opferfällen zugrundeliegenden Fallkonstellationen die Gefahr zuzurechnen. Der Eigentümer ist in den Opferfällen bei verfassungskonformer Auslegung bereits tatbestandlich kein Zustandsstörer. Wie das Bundesverfas___________ 240

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 folgt unmittelbar, daß die Störerregeln des Bundes-Bodenschutzgesetzes neugefaßt werden müssen. Gefordert sind darüber hinaus aber auch die Landesgesetzgeber, weil sich der Beschluß auf die Zustandsverantwortlichkeit nach den Landeswassergesetzen übertragen läßt. 241 Vgl. § 7 Abs. 3 BWBodSchG, Art. 28 Abs. 2 BayAbfAltG, § 12 Abs. 2 BlnBodSchG, § 34 Abs. 1 BbgAbfG, § 13 Abs. 2 BremAGAbfG, § 10 Abs. 2 HmbAGAbfG, § 6 HAltlastG, § 19 Abs. 2 NdsAbfG, § 31a Abs. 1 NRWAbfG, § 37 Abs. 2 SaarlAWG, § 10 Abs. 4 SächsEGAB und § 17 Abs. 2 S. 3 ThürAbfAltG. 242 Vgl. § 7 Abs. 3 BWBodSchG, Art. 28 Abs. 2 BayAbfAltG, § 12 Abs. 2 BlnBodSchG, § 13 Abs. 2 BremAGAbfG, § 10 Abs. 2 HmbAGAbfG, § 19 Abs. 2 NdsAbfG, § 31 a Abs. 1 NRWAbfG, § 37 Abs. 2 SaarlAWG, § 10 Abs. 4 SächsEGAB und § 17 Abs. 2 S. 3 ThürAbfAltG. 243 § 350 UGB-KomE sieht hingegen nur eine Duldungspflicht des Grundeigentümers und des Besitzers vor. 244 So ausdrücklich § 350 S. 1 UGB-KomE.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

sungsgericht245 in seinem Beschluß vom 16.2.2000 zutreffend ausgeführt hat, gehören Gefahren, die aus Naturereignissen oder von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrühren, nicht zur Risikosphäre des Eigentümers. Dasselbe gilt dann, wenn der Eigentümer gutgläubig ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben hat. Derartige Gefahren entstammen deshalb nicht der Risikosphäre des Eigentümers, weil sie ihn als zufälliges Opfer treffen oder anders gewendet, weil der Eigentümer der Gefahr nicht näher steht als ein beliebiger Dritter. Daß eine (unbeschränkte) Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen allgemein als unbillig empfunden wird, folgt daraus, daß der Eigentümer auf der Rechtsfolgenseite wie ein Verursacher der Gefahr behandelt wird, obwohl er auf der Tatbestandsseite einem beliebigen Dritten gleichsteht, der von der Behörde nicht zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden darf. 246

V. Herleitung der Begrenzung aus dem allgemeinen Willkürverbot 1. Keine Frage des Übermaßes, sondern der Belastung als solcher Aus diesem Grund ist der vom Bundesverfassungsgericht247 verfolgte Ansatz, die Zustandsverantwortlichkeit beim Maß der zumutbaren Belastung zu begrenzen, weder zur Lösung der Opferfälle geeignet noch dogmatisch überzeugend. Die Unbilligkeit der Opferfälle resultiert nicht erst aus dem Übermaß der (Kosten-)Belastung, sondern aus der Belastung als solcher.248 Richtiger Ansatzpunkt für eine verfassungskonforme Begrenzung ist daher nicht die Privatnützigkeit des Eigentums in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, sondern das allgemeine Willkürverbot, weil in den Opferfällen ein sachlicher Grund für die Zurechnung der Gefahr fehlt. Wie an anderer Stelle 249 eingehend dargelegt, kann dem Eigentümer eine Gefahr nicht zugerechnet werden, die Folge von Naturereignissen oder der Fremdeinwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist oder wenn der Eigentümer ein bereits kontaminiertes Grundstück gutgläubig erworben hat. In den genannten Fallgruppen ___________ 245

BVerfGE 102, 1 (21). Ein Nichtstörer kann nur in dem seltenen Fall des polizeilichen Notstandes zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Er kann dann jedoch von der Behörde Ausgleich der ihm entstandenen Kosten verlangen und trägt daher nicht die finanziellen Lasten; vgl. hierzu 1. Kap. C. I. 247 BVerfGE 102, 1 (19 ff.). 248 Dies verkennen Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (153 ff.). Der Gesetzgeber muß sich bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums innerhalb der verfassungsrechtlichen Vorgaben halten. Zu diesen gehört jedoch nicht nur das Verhältnismäßigkeitsprinzip, sondern auch das allgemeine Willkürverbot. 249 Vgl. 5. Kap. E. 246

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

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fehlt ein Rechtsgrund für die Zurechnung. Ein Störer unterscheidet sich jedoch allein dadurch vom Nichtstörer, daß ihm die Gefahr zugerechnet werden kann.250 Wird ihm gleichwohl die Verpflichtung auferlegt, die Gefahr auf eigene Kosten zu beseitigen, so verstößt dies gegen das allgemeine Willkürverbot und ist verfassungswidrig. Eine verfassungskonforme Auslegung gebietet daher, die Opferfälle tatbestandlich aus der Zustandsverantwortlichkeit auszunehmen. De lege ferenda sollten die Opferfälle entweder explizit aus § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG ausgenommen oder die Norm von vorneherein so gefaßt werden, daß einem Eigentümer nur Gefahren außerhalb der Opferfälle zugerechnet werden.

2. Verankerung des allgemeinen Willkürverbots Die herrschende Meinung geht davon aus, daß das Grundgesetz neben dem vergleichspaarbezogenen Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG noch ein allgemeines Willkürverbot enthält.251 Im Gegensatz zum vergleichspaarbezogenen ist das allgemeine Willkürverbot bisher kaum erforscht. Es verwundert daher nicht, daß bei ihm noch vieles im Dunkeln liegt und daß es bisher keine größere Bedeutung erlangt hat. Umstritten ist, woraus sich das allgemeine Willkürverbot herleitet.

a) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat den allgemeinen Gleichheitssatz in Anknüpfung an Leibholz252 lange Zeit als Ausfluß des Willkürverbots interpretiert und daraus gefolgert, daß weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt werden dürfe.253 Seit seiner sog. neuen Formel charakterisiert das Bundesverfassungsgericht254 Art. 3 Abs. 1 GG jedoch nicht mehr als Willkürverbot, sondern leitet aus ihm ein ___________ 250

Vgl. hierzu die eingehende Darstellung unter 1. Kap. C. I. 2. BayVerfGHE 25, 129 (138); BayVerfGH, NJW 1986, 1096 (1097 f.); Zuck, MDR 186, 723; derselbe, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. Aufl., 1988, Rn. 331; Stern, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1496; Paul Kirchhof, in: Faller/Kirchhof/Träger, Festschrift für Willi Geiger, S. 82; Bleckmann, Staatsrecht, Band 2, 4. Aufl., 1997, S. 702 f. 252 Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl., 1959. 253 Vgl. zur früheren Willkürformel des Bundesverfassungsgerichts nur BVerfGE 4, 144 (155). 254 Seit BVerfGE 55, 72 (88). 251

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Rechtfertigungsgebot her.255 Das Bundesverfassungsgericht stellt nunmehr darauf ab, ob eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.256 Hierbei wird vom Gesetzgeber die Darlegung der Rechtfertigung gefordert.257 Zudem reiche nicht mehr ein irgendwie gearteter sachlicher Grund, sondern nur ein rechtfertigender Grund. Art. 3 Abs. 1 GG enthalte jedoch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts258 neben dem vergleichspaarbezogenen Willkürverbot auch ein allgemeines Willkürverbot.259

b) Auffassung im Schrifttum Die wohl noch überwiegende Lehre260 sieht in dem allgemeinen Willkürverbot sowohl eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes als auch des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG). Eine im Vordringen befindliche Ansicht im Schrifttum geht hingegen davon aus, daß das allgemeine Willkürverbot Ausfluß der Wertentscheidungen der Grundrechte und sonstiger fundamentaler Ordnungsprinzipien des Grundgesetzes sei.261 Wie Paul Kirchhof262 zutreffend dargelegt hat, erschöpft sich das Willkürverbot nicht im Verbot der vergleichspaarbezogenen Willkür.263 Bei dem allgemeinen Gleichheitssatz gehe es allein um die Prüfung von Vorrechten oder Minderrechten im Verhältnis zu anderen Rechtssubjekten. Sachlich nicht gerechtfertigte (Un-)Gleichbehandlungen können hier im Vergleich zu einem anderen willkürlich sein (relative Willkür). Daneben könne aber auch das Staatshandeln willkürlich sein, das nur ___________ 255

Vgl. nur Zuck, MDR 1986, 723 (724). So die nunmehr std. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts; vgl. nur BVerfGE 64, 229 (239); 65, 104 (112 f.); 66, 234 (242); 67, 231 (236); 70, 230 (240). 257 Vgl. Zuck, MDR 1986, 723 (724); Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3 Rn. 19 und 29. 258 BVerfGE 4, 1 (6); 62, 189 (192) m.w.N.; abweichend allerdings BVerfGE 62, 354 (370). 259 So auch die Rechtsprechung des BayVerfGH, der das Willkürverbot aus dem Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BayVerf. herleitet; vgl. BayVerfGHE 25, 129 (138 f.); 26, 144 (153); 28, 88 (94 f.); 34, 64 (72); 36, 162 (166). 260 Vgl. Zuck, MDR 1986, 723; derselbe, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. Aufl., Rn. 331; Stern, Staatsrecht, Band III/1, S. 1496. 261 Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., S. 251; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band 1, 1996, Art. 3 Rn. 29; Bleckmann, Staatsrecht, Band 2, 4. Aufl., S. 702 f.; Paul Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 5, 2. Aufl., 2000, § 124, Rn. 244. 262 In: Faller/Kirchhof/Träger, Festschrift für Willi Geiger, S. 82. 263 Zustimmend Zuck, MDR 1986, 723 (724). 256

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

217

einmalig (d.h. ohne Vergleichspaar) den einzelnen in einer Sondersituation belastet oder in der Belastungswirkung das Maß des Gerechten schlechthin verfehlt (absolute Willkür). Das allgemeine Willkürverbot besteht aus einem materiellen und aus einem prozessualen Willkürverbot.264 Das vorliegend allein interessierende materielle Willkürverbot soll dem Bürger die Möglichkeit geben, Maßnahmen einer der drei Staatsgewalten abzuwehren.

3. Allgemeines Willkürverbot als subjektives Recht Die ganz herrschende Meinung mißt dem allgemeinen Willkürverbot nicht nur eine objektive Dimension bei. Der Bürger könne sich vielmehr zur Abwehr willkürlicher Behandlung durch eine der drei Staatsgewalten auch auf ein subjektives (Grund-)Recht berufen.265

4. Vorliegen von Willkür bei gesetzlichen Regelungen Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts266 ist eine gesetzliche Regelung nicht schon dann willkürlich, wenn der Gesetzgeber „unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat“.267 Eine gesetzliche Regelung könne vielmehr „nur dann als willkürlich verworfen werden, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden läßt; dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d.h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand“.268 Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ende nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts269 erst dort, wo „ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt“. Das Bundesverfassungsgericht fordert hierbei in ständiger Rechtsprechung270, daß die ___________ 264 Vgl. nur Zuck, MDR 1986, 723 sowie derselbe, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. Aufl., Rn. 331. 265 Vgl. nur BVerfGE 2, 266 (281); BayVerfGHE 25, 129 (138); BayverfGH, NJW 1986, 1096 (1096 f.); Paul Kirchhof, in: Faller/Kirchhof/Träger, Festschrift für Willi Geiger, S. 82 (86 f.). 266 BVerfGE 52, 277 (281); 55, 72 (90); 65, 141 (148); 66, 84 (95). 267 Zustimmend Paul Kirchhof, in: Faller/Kirchhof/Träger, Festschrift für Willi Geiger, S. 82. 268 BVerfGE 4, 144 (155); 36, 174 (187); 55, 72 (90). Ähnlich auch BayVerfGH, NJW 1986, 1096 (1097). 269 Vgl. BVerfGE nur 9, 334 (337); 55, 72 (90). 270 BVerfGE 12, 326 (333); 23, 135 (143); 55, 72 (90).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Unsachlichkeit der gesetzlichen Bestimmung evident sein müsse. Das Bundesverfassungsgericht legt damit hohe Maßstäbe an. Dahinter steht, daß das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt. Der Gesetzgeber könne im Rahmen der vom Grundgesetz vorgegebenen Grenzen nach eigenem Ermessen entscheiden, in welcher Weise dem allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen sei.271 Damit will das Bundesverfassungsgericht verhindern, daß es sich selbst an die Stelle des Gesetzgebers setzt und trägt damit der sich aus dem Demokratieprinzip ergebenden besonders hohen Legitimität des Gesetzgebers Rechnung.272 Bleckmann273 und Paul Kirchhof274 vergleichen diesen Gestaltungsspielraum mit den von der Verwaltungsrechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Ermessensfehlgebrauch. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Willkür einer gesetzlichen Bestimmung sind im Schrifttum weitgehend auf Zustimmung gestoßen.275 Heun276 spricht allerdings zutreffend davon, daß das Bundesverfassungsgericht damit lediglich Minimalstandards festgelegt hat. Er weist zudem zu Recht darauf hin, daß die Anforderungen an den rechtfertigenden Grund steigen, je stärker sich die Ungleichbehandlung nachteilig auf grundrechtlich geschützte Freiheiten auswirken kann.277 Bleckmann278 legt zum Verhältnis des allgemeinen Willkürverbots und des Art 14 Abs. 1 GG dar, daß das Bundesverfassungsgericht bei der Festlegung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu prüfen habe, ob der Eingriff auf sachlichen Erwägungen beruhe.

5. Opferfälle und Willkürverbot In den Opferfällen sind sowohl die vom Bundesverfassungsgericht als auch die vom Schrifttum gestellten Anforderungen für einen Verstoß gegen das ___________ 271

Vgl. hierzu BayVerfGH, NJW 1986, 1096 (1097). Bleckmann, Staatsrecht, Band 2, 4. Aufl., S. 708 ff. 273 Ebendort. 274 In: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 5, 2. Aufl., § 124 Rn. 237. 275 Vgl. nur Paul Kirchhof, in: Faller/Kirchhof/Träger, Festschrift für Willi Geiger, S. 82 (108) m.w.N. 276 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rn. 29 m.w.N. 277 So auch BVerfGE 88, 87 (96); 91, 346 (363). Restriktiver hingegen Paul Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 5, 2. Aufl., § 124 Rn. 236, der offenbar unabhängig von der Schwere des Eingriffs einen besonderen Grad der Fehlerhaftigkeit fordert. 278 Staatsrecht, Band 2, 4. Aufl., S. 707, Fn. 210 unter Hinweis auf BVerfGE 31, 229 (240 ff.); 31, 275 (284 ff.); 36, 281 (292). 272

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

219

allgemeine Willkürverbot erfüllt. Da dieses ein subjektives Abwehrrecht gegen willkürliche Grundrechtseingriffe begründet, ist die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen bei verfassungskonformer Auslegung auf eine Duldungspflicht zu begrenzen. Anders als in den übrigen Fallgruppen läßt sich die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen – wie dargelegt279 – nicht mit der Sozialgebundenheit des Eigentums rechtfertigen.280 In den Fremdeinwirkungsfällen und bei Gefahren, die allein durch Naturereignisse (wie z. B. einem Erdrutsch vom Nachbargrundstück) hervorgerufen werden, geht die Gefahr gerade nicht vom Grundstück oder seinem Eigentümer aus, sondern wirkt von außen auf das Grundstück ein. In diesen Fällen die Zustandsverantwortlichkeit mit der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft oder damit zu begründen, daß derjenige, der die Nutzen aus dem Grundstück ziehe, auch deren Lasten zu tragen habe, wäre willkürlich. Denn beide Begründungen führen dazu, daß einem Eigentümer die Gefahr stets kraft seines Eigentums zugerechnet wird, ohne daß ernsthaft geprüft würde, ob ihm die Gefahr zugerechnet werden kann.281 Letzteres ist nur möglich, wenn ein Grund dafür vorhanden ist, der den Eigentümer aus der Gruppe der Nichtstörer heraushebt und ihn dem Verhaltensstörer (annähernd) gleich stellt. Hieran fehlt es jedoch in den Opferfällen, weil der Eigentümer zufälliges Opfer einer von ihm nicht zu verhindernden Gefahr ist, wie die Tanklastwagenfälle besonders plastisch verdeutlichen. Die tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft kann – wie dargelegt – allenfalls Voraussetzung für die Erfüllbarkeit der Gefahrenabwehrpflicht sein, kann diese jedoch nicht begründen, zumal wenn die Sachherrschaft es dem Eigentümer – wie im Tanklastwagenfall – nicht ermöglicht, die Entstehung der Gefahr zu verhindern. Die Nutzen-Lasten-Theorie krankt daran, daß sie willkürlich beliebige Lasten als Korrelat unterstellter Nutzen aus dem Grundstück ansieht. Sie versagt besonders augenfällig beim gutgläubigen Erwerb eines kontaminierten Grundstücks und in den Fremdeinwirkungsfällen. So kann der gutgläubige Erwerber eines Altlastengrundstücks überhaupt keinen (nennenswerten) Nutzen aus dem Grundstück ziehen. Der von einem Tankwagenunfall betroffene Grundeigentümer konnte zwar vor dem Unfall Nutzen aus dem Grundstück ziehen. Diese stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den Lasten einer ihm auferlegten Zustandsverantwortlichkeit, weil letztere nicht Folge seiner Nutzung ist, sondern ihn zufällig trifft. Die Zurechnung einer Gefahr ist nur dann nicht willkürlich, wenn sie auf einem hinreichenden Rechtsgrund beruht. Wie unter ___________ 279

Vgl. die Darstellung im 5. Kap.und 7. Kap. A.A. offenbar Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (155), die jedoch nicht auf die Opferfälle eingehen und bei denen es lediglich lapidar heißt: „Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß die Eigentümerstellung bzw. die Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft über eine sanierungspflichtige Sache ein solcher Grund sein kann“. 281 Vgl. die eingehende Darstellung unter 5. Kap. C. 280

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Kapitel 5 und 6 eingehend dargelegt, fehlt in den Opferfällen jedoch ein die Zurechnung begründender Rechtsgrund.

F. Zusammenfassung Zur Lösung der Opferfälle werden im Schrifttum drei verschiedene Ansätze vertreten, nämlich die Ermessens-, die Tatbestands- und die Rechtsfolgenlösung. Nach der Ermessenslösung ist der Eigentümer auch in den Opferfällen Zustandsstörer. Die Behörde hat grundsätzlich den Verhaltens- vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen. Ist der Verhaltensstörer nicht greifbar oder ist nur der Eigentümer zur effektiven Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung in der Lage, so könne er trotz seiner Opferposition verpflichtet werden. Die Behörde könne allerdings von einer Heranziehung des Eigentümers absehen, wenn sie ihm unzumutbar sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Inanspruchnahme den Eigentümer wirtschaftlich überfordere. Die Ermessenslösung kann die Opferfälle nicht sachgerecht lösen, weil sie nicht auf die objektive Opferposition, sondern auf die subjektive (wirtschaftliche) Unzumutbarkeit im Einzelfall abstellt. Die Faustregel, daß der Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen ist, schützt den Eigentümer dann nicht, wenn der Verhaltensstörer nicht auffindbar ist, nicht mehr existiert oder nicht leistungsfähig ist. Die Ermessenslösung bürdet dem Eigentümer das Risiko eines Ausfalls des Verhaltensstörers auf, obwohl dieses Risiko in den Opferfällen von der Allgemeinheit zu tragen ist. Die Vertreter der Tatbestandslösung sehen den Eigentümer in den Opferfällen als Nichtstörer an. Die Zustandsverantwortlichkeit sei auf Tatbestandsseite verfassungskonform zu reduzieren, weil die Gefahr nicht aus der Risikosphäre des Eigentümers stamme. In den Opferfällen können Eigentümer nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes und nur gegen Entschädigung zur Duldung der Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet werden. Hierdurch wird eine effektive Gefahrenabwehr beeinträchtigt, weil die Duldung durch den Eigentümer Voraussetzung dafür ist, daß die Behörde, ein herangezogener Störer oder ein beauftragtes Spezialunternehmen das Grundstück betreten und die Sanierung durchführen kann. Die Tatbestandslösung verkennt, daß die Verpflichtung zur Sanierung oder zur Duldung der Sanierung in unterschiedlich starkem Maße in die Eigentumsgarantie eingreift. Dies hat zur Folge, daß nach hier vertretener Ansicht der Eigentümer in den Opferfällen zwar nicht zur Sanierung, aber zur Duldung der Sanierung verpflichtet werden kann, ohne daß die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme als Nichtstörer vorliegen müssen und ohne daß dem Eigentümer eine Entschädigung zu zahlen ist.

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

221

Die Rechtsfolgenlösung wird in mehreren Variationen vertreten. Nach der von Papier begründeten Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit ist die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht zu beschränken. Sei das Grundstück infolge der Bodenkontamination wertlos, so sei die privatnützige Verwendung gestört. Die Verpflichtung des Eigentümers zur Sanierung bewirke in den Opferfällen nicht, daß eine ausufernde privatnützige Verwendung eingedämmt werde. Vielmehr werde der Verlust der privatnützigen Verwendbarkeit potenziert, wenn der Eigentümer durch die Auferlegung der Sanierungskosten wirtschaftlich zur Veräußerung des Grundstücks gezwungen werde. Papiers Theorie ist im Ergebnis zu begrüßen. Ihre dogmatische Herleitung vermag allerdings nicht zu überzeugen, weil sie nicht bei der Opferposition, sondern bei dem Maß der kontaminationsbedingten Wertminderung ansetzt. Unklar bleibt, worin die von Papier beschworene Potenzierung und Perpetuierung des Verlustes an Privatnützigkeit bestehen soll. Die Sanierungsordnung entzieht dem Eigentümer nicht sein Eigentum, sondern verpflichtet ihn zum Einsatz seines Vermögens. Muß der Eigentümer zur Finanzierung der Sanierung sein Grundstück veräußern, so setzt er nicht sein Eigentum, sondern mit dem Kaufpreis einen Teil seines Vermögens ein. Das Vermögen ist nicht durch die Eigentumsgarantie geschützt. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG enthält auch keine Wertgarantie. Veräußert der Eigentümer sein Grundstück, so stellt dies gerade eine Form der privatnützigen Verwendung dar, weil das Eigentum den Eigentümer berechtigt, die Sache zu behalten, zu nutzen, zu veräußern oder in sonstiger Weise mit ihr zu verfahren (§ 903 BGB).282 Andere Vertreter der Rechtsfolgenlösung sprechen sich in den Opferfällen – und zunehmend auch darüber hinaus – für eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks aus. Die Vertreter dieser Ansicht führen zur Begründung die angebliche Wertgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG an. Eine Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks ist abzulehnen, weil sie lediglich das Maß der Belastung begrenzt. Die Opferposition ergibt sich jedoch nicht aus dem Übermaß der Belastung, sondern aus der Belastung als solcher, weil die Zurechnung der Gefahr mangels Rechtsgrunds willkürlich ist. Eine Begrenzung der Zustandshaftung auf den konkreten Eigentumsgegenstand ist nicht geboten, weil jede Haftung den Einsatz von Vermögen und nicht etwa eines konkreten Eigentumsgegenstandes erfordert. ___________ 282 Zu der Schutzwirkung der Eigentumsgarantie sowie zur Privatnützigkeit vgl. Brenner, DVBl. 1993, 291 (292 f.).

222

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Für eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf der Rechtsfolgenseite treten auch die Vertreter der Theorie der Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärebene ein. Sie sind der Ansicht, daß ein Eigentümer aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr auch dann herangezogen werden könne, wenn er selbst Opfer der Gefahr ist. In diesem Fall könne der Eigentümer allerdings wie ein Nichtstörer Ersatz der aufgewandten Sanierungskosten verlangen. Die Theorie der Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärebene ist in den Umweltschadensfällen schon deshalb abzulehnen, weil sie die Bedeutung des Eigentümers für eine effektive Gefahrenabwehr überbewertet. Da Bodenund Gewässerkontaminationen regelmäßig nur von einem Spezialisten saniert werden können, ist eine Inanspruchnahme des Eigentümers zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich. Bereits die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Störers ist daher an dem Gebot der gerechten Lastenverteilung auszurichten. Das Bundesverwaltungsgericht mußte bisher nicht entscheiden, ob die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen zu begrenzen ist. Es deutete allerdings in ständiger Rechtsprechung an, daß in den Opferfällen eine verfassungskonforme Reduzierung geboten sei, wenn dem Eigentümer anderenfalls kein Rest an privatnütziger Verwendung seines Eigentums verbleibe. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 16.2.2000 keine (abschließende) Stellung zu den Opferfällen genommen. Es trat allerdings dafür ein, die Zustandsverantwortlichkeit aufgrund des Übermaßverbots im Regelfall auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks zu beschränken. Das Bundesverfassungsgericht sprach sich damit für eine eigentumsrechtliche Wertgarantie aus. Eigentümer von Eigenheimen dürfen angesichts der Bedeutung des Eigentums bei der Sicherung eines Freiheitsraums im vermögensrechtlichen Bereich283 nur in Höhe der Vorteile herangezogen werden, die sie aus der Nutzung des Grundstücks ziehen. Das Bundesverfassungsgericht deutete an, daß es auch in den Opferfällen eine Begrenzung unterhalb des Verkehrswertes für geboten halte. Einiges spricht dafür, daß es in den Opferfällen einer Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht zuneigt. In den Fällen, in denen der Eigentümer sein Grundstück einem Dritten zu einer mit besonderen Umweltrisiken verbundenen Nutzung zur Verfügung gestellt hat oder bei Erwerb des Grundstücks eine Verunreinigung bewußt in Kauf genommen hat, müsse der Eigentümer nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts über den Verkehrswert des Grundstücks hinaus mit dem Vermögen einstehen, das eine funktionale Einheit mit dem Grundstück bilde. ___________ 283

Ebendort, S. 292.

8. Kap.: Die Lösung der Opferfälle

223

Die Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des Grundstücks ist, wie bereits dargelegt, nicht zur Lösung der Opferfälle geeignet. Die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts bilden daher keine geeignete Grundlage für die geforderte Neuordnung der Zustandsverantwortlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgebenden Kriterien für die Zurechnung der Gefahr erkannt, ohne hieraus die erforderlichen Schlüsse zu ziehen. Eine Lösung kann nach hier vertretener Ansicht nur gelingen, wenn dem Eigentümer nicht willkürlich Gefahren zugerechnet werden, an deren Entstehung er nicht mitgewirkt und die er auch nicht billigend in Kauf genommen hat. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers ist in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht zu beschränken. De lege ferenda sollte die Duldungspflicht des Grundeigentümers nach dem Vorbild des § 350 UGB-KomE verselbständigt werden. Da in den Opferfällen ein Rechtsgrund für die Zurechnung der Gefahr fehlt, verstößt die Auferlegung der Sanierungsverantwortlichkeit nach hier vertretener Ansicht gegen das allgemeine Willkürverbot. Dieses begründet ein subjektives Abwehrrecht gegen gesetzliche Bestimmungen, denen kein hinreichender sachlicher Grund zugrunde liegt. § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß der Eigentümer und sonstige Zustandsstörer in den Opferfällen nur zur Duldung der Sanierung verpflichtet werden können.

9. Kapitel

Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht In dem vorausgegangenen Abschnitt wurden die bisher vertretenen Ansätze zur Lösung der Opferfälle dargestellt und verworfen. Zudem wurde aufbauend auf die Darstellungen zur Zurechnung von Gefahren (unter Kapitel 6) und zum Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit (unter Kapitel 7) der eigene Lösungsansatz vorgestellt. In diesem und den folgenden Abschnitten soll der eigene Lösungsansatz überprüft werden. Hierzu wird in diesem Abschnitt zunächst gezeigt, daß es sich beim Störerrecht um ein öffentlich-rechtliches Haftungsrecht handelt, dem es um die Verteilung von Lasten geht. Anschließend werden die dem zivilrechtlichen Haftungsrecht zugrunde liegenden Lastenverteilungsprinzipien denjenigen des Störerrechts gegenüber gestellt. Hierbei geht es insbesondere um die Frage, wer das Risiko zu tragen hat, daß der Verursacher des Schadens bzw. der Gefahr nicht ermittelt werden kann, ihm die Verursachung nicht nachgewiesen werden kann oder er nicht leistungsfähig ist. Nachdem die – noch recht groben – Lastenverteilungsprinzipien offengelegt worden sind, widmen wir uns dann der Feinjustierung und damit der Zurechnung. Hierbei werden zunächst Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip und aus dem zivilrechtlichen Haftungsrecht hergeleitet. Sodann wird überprüft, ob sich diese Zurechnungskriterien auf das Störerrecht übertragen lassen. Abschließend wird aufgezeigt, welche Schlußfolgerungen sich hieraus für das Störerrecht und namentlich die Zustandsverantwortlichkeit ergeben.

A. Lastenverteilungsfunktion des Störerrechts Das Störerrecht des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ist in der Rechtsprechung und Literatur jahrzehntelang nahezu ausschließlich aus gefahrenabwehrrechtlichem Blickwinkel betrachtet worden. Als seine vordringliche Funktion wurde es angesehen, zu einer schnellen und effektiven Gefahrenabwehr beizutragen. Zu diesem Zweck hat es den Kreis der Störer weit gezogen und sieht eine umfassende Einstandspflicht eines jeden Störers mit seinem

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

225

gesamten Vermögen vor. Das Bundes-Bodenschutzgesetz knüpft an diese Tradition an und hat den Kreis der Zustandsstörer sogar noch erweitert.1 Durch die einseitige Fokussierung auf die Effektivität der Gefahrenabwehr gerät die lastenverteilende Funktion des Störerrechts vielfach aus den Augen. Die untergeordnete Bedeutung, die der Kostenzuweisung beigemessen wird, zeigt sich schon daran, daß das Störerrecht keine Regelungen über die Kostentragung enthält. Nach den Landespolizeigesetzen ist die Kostenpflicht als Surrogat2 oder als Annex3 der Gefahrenabwehrpflicht ausgestaltet. Kommt der Störer seiner Handlungspflicht nicht nach, so kann die Behörde die Maßnahme entweder unmittelbar ausführen oder durch Ersatzvornahme zwangsweise durchsetzen. Die Kosten der unmittelbaren Ausführung oder der Ersatzvornahme kann die Behörde von dem Störer ersetzt verlangen. Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat hieran nichts geändert. Kostenregelungen für die unmittelbare Ausführung oder für die Ersatzvornahme enthält das Gesetz nicht. Ihren Kostenanspruch muß die Behörde weiterhin nach den landesrechtlichen Bestimmungen über die unmittelbare Ausführung oder über die Ersatzvornahme geltend machen.4 Gerade die Boden- und Gewässerkontaminationen verdeutlichen im besonderen Maße, daß die Fokussierung des Gesetzgebers auf die Gefahrenabwehrfunktion des Störerrechts den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Wie ausgeführt, kann die Sanierung in den Umweltschadensfällen nur in seltenen Ausnahmefällen von dem Störer persönlich durchgeführt werden, weil der Störer regelmäßig nicht über das erforderliche Fachwissen und die erforderlichen technischen Geräte verfügt.5 Die Aufgabe des Störerrechts besteht darin zu entscheiden, wer zur Beauftragung und Bezahlung des Spezialunternehmens verpflichtet ist. Hierbei geht es nicht selten um die Zuweisung von Sanierungskosten in Höhe mehrerer Millionen Euro. In den Umweltschadensfällen kommt dem Störerrecht in erster Linie eine lastenverteilende Funktion zu. Es muß die Lasten der Gefahrenabwehr sowohl im Verhältnis zwischen dem Störer und der Allgemeinheit als auch im Verhältnis der Störer untereinander verteilen.6 ___________ 1

Vgl. eingehend unter 11. Kap. A. II. sowie unter 12. Kap. VGH München, NVwZ-RR 1989, 299; Selmer, in: Selmer/Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Martens, 1987, 483 (492); Nikolaus Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, S. 92; Brandner, Gefahrerkennbarkeit und polizeirechtliche Verhaltensverantwortlichkeit, S. 40. 3 BVerwGE 10, 282 (285). 4 VG Freiburg, Urteil vom 14.11.2002, Az. 6 K 1763/01 (unveröffentlicht); Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 2. 5 Vgl. unter 4. Kap. E. 6 Vgl. etwa OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftung, S. 12 ff.; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 183 ff. 2

226

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Die dem Störerrecht innewohnende Lastenverteilungsfunktion rechtfertigt es, das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht zu bezeichnen7. Die gegen den Begriff der Haftung vorgebrachte Kritik8, die Polizeipflichtigkeit sei allein Mitwirkungsverantwortung und nicht Haftung, geht von einem falschen Verständnis des Haftungsrechts aus. Das zivilrechtliche Haftungsrecht geht gemäß § 249 S. 1 BGB von dem Grundsatz der Naturalrestitution aus. Der Schädiger kann Geldersatz nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 251 BGB leisten. Die Einordnung des Störerrechts als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht hat erkenntnistheoretischen Wert, weil sich ein Vergleich mit den Lastenverteilungsprinzipien und den Zurechnungskriterien des zivilrechtlichen Haftungsrechts geradezu aufdrängt. Nachfolgend sollen daher die Lastenverteilungsprinzipien des zivilrechtlichen Haftungsrechts dargestellt und daraufhin untersucht werden, welche Rückschlüsse sich hieraus für das öffentlich-rechtliche Haftungsrecht ziehen lassen. Nach Offenlegung der maßgebenden Lastenverteilungsprinzipien ist mit der die Ermittlung der Zurechnungskriterien eine Feinjustierung vorzunehmen. Hierzu werden zunächst das Verursacherprinzip und sodann das zivilrechtliche Haftungsrecht auf taugliche Zurechnungskriterien untersucht.

___________ 7 OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Kimmel, Eigentum und Polizei, S. 172; Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293; Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 143; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (202); Papier, DVBl. 1985, 873 (877); NVwZ 1986, 256 (261); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 290; Schink, DVBl. 1986, 161 (169 f.); Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungstatbestand, S. 15; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 183; a.A. Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 195; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 24; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 77; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 188. 8 Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 195; Selmer, in: Selmer/von Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Martens, S. 483 (498); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 24; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 77; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 188.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

227

B. Zugrunde liegende Lastenverteilungsprinzipien I. Lastenverteilungsprinzipien des zivilrechtlichen Haftungsrechts Dem zivilrechtlichen Haftungsrecht9 geht es um die Verteilung der Lasten zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten. Es wird durch den römischrechtlichen Grundsatz „casum sentit dominus“10 geprägt. Dieser besagt, daß grundsätzlich der Geschädigte den Schaden zu tragen hat (Geschädigtenprinzip). Ein anderer hat ausnahmsweise dann für den Schaden einzustehen, wenn besondere Gründe eine Zurechnung des Schadens rechtfertigen. 11 Hieraus folgt, daß der Geschädigte das Risiko von Naturereignissen sowie dafür trägt, daß er den Schädiger nicht ermitteln kann, der Nachweis der Schädigung mißlingt oder sich der Anspruch wegen Insolvenz des Schädigers nicht durchsetzen läßt. Der Geschädigte bleibt in diesen Fällen auf seinem Schaden sitzen.12

II. Derzeitige Lastenverteilung im Störerrecht Auch wenn sich im Gefahrenabwehrrecht zunehmend die Erkenntnis13 durchsetzt, daß das Störerrecht öffentlich-rechtliches Haftungsrecht ist, wird der Frage einer angemessenen Lastenverteilung zwischen dem Verursacher der ___________ 9 Lorenz, Die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB, 1992, S. 41 definiert das zivilrechtliche Haftungsrecht wie folgt: „Das Haftungsrecht regelt die gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche aufgrund unfreiwilliger Vermögenseinbußen (Schäden), die sich aus Pflicht- oder Rechtsgutsverletzungen ergeben. Die Vermögensminderung bleibt nicht beim Geschädigten, sondern wird durch Rechtsansprüche auf das Vermögen des Verantwortlichen verlagert. Sie soll letztlich denjenigen treffen, in dessen Verantwortungsbereich das schädigende Ereignis seinen Ursprung hat“. 10 Ebendort. 11 Ebendort. 12 Allerdings kann der Geschädigte ggf. eine Versicherung zur Absicherung des Ausfallrisikos abschließen. Hingegen sind die meisten Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit überwiegend nicht versicherbar. 13 OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Kimmel, Eigentum und Polizei, S. 172; Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293; Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 143; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (202); Papier, DVBl. 1985, 873 (877); NVwZ 1986, 256 (261); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318; Schink, DVBl. 1986, 161 (169 f.); Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; a.A. Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 195; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 24; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 77; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 188.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Gefahr, dem Eigentümer und der Allgemeinheit nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet.14 Die zugrundeliegenden Lastenverteilungsprinzipien sind bisher wenig erforscht, obwohl das geltende Störerrecht schon wegen der in den Opferfällen zu Tage tretenden Unzulänglichkeiten ausreichenden Anlaß hierzu böte. Der Diskussion um eine Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit täte es gut, wenn die dem Störerrecht zugrundeliegenden Lastenverteilungsprinzipien transparent gemacht würden. Sie schwingen bisher allenfalls im Verborgenen mit, obwohl sie Ausgangspunkt der Diskussion sein müßten. Die derzeitige Diskussion ist durch eine Fixierung auf den de lege lata bestehenden gesetzlichen Tatbestand und das tradierte Verständnis der Zustandsverantwortlichkeit gekennzeichnet. Beide verstellen den Blick auf die maßgebenden Lastenverteilungsprinzipien mehr als daß sie ihn freigeben. Nach § 5 Abs 2 S. 1 MEPolG ist der Eigentümer allein aufgrund seiner Rechtsstellung zustandsverantwortlich. Der Behörde stehen mit dem Verhaltens- und dem Zustandsstörer zwei nach herkömmlichem Verständnis gleichwertige Störer zur Gefahrenabwehr zur Verfügung, von denen sie einen nach pflichtgemäßem Ermessen zur Gefahrenabwehr verpflichten kann. Scheidet eine Inanspruchnahme des Verhaltensstörers aus, so kann die Behörde den Zustandsstörer verpflichten. Zu einer Lastentragung durch die Allgemeinheit kommt es demnach nur, wenn weder der Verhaltens- noch der Zustandsstörer herangezogen werden können oder sie aus sonstigen Gründen verschont bleiben sollen. Die Lastentragung durch die Allgemeinheit stellt somit nach herkömmlichem Verständnis15 die Ausnahme von der Regel dar. Dem Eigentümer wird hierdurch – auch in den Opferfällen – das Risiko aufgebürdet, im Falle seiner Inanspruchnahme mit Regreßansprüchen16 gegen den letztverantwortlichen Verursacher auszufallen. Die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers wird nicht selten unter Hinweis auf den zivilrechtlichen Grundsatz des „casum sentit dominus“ begründet.17 Die Vertreter dieser Ansicht verkennen allerdings dessen Bedeutungsgehalt. Der Grundsatz besagt lediglich, daß der Eigentümer den Schaden an seinen Rechtsgütern – z. B. den kontaminationsbedingten Wertverlust des ___________ 14 Spannowsky, DVBl. 1994, 560 (562); Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1321); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 169 f. 15 Vgl. nur Kloepfer, NuR 1987, 7 (12); Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, S. 125 f.; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl. S. 28; a.A. Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 170. 16 Das Bundes-Bodenschutzgesetz sieht nunmehr in § 24 Abs. 2 einen Regreßanspruch vor; vgl. die Darstellung unter 11. Kap. E. 17 Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, Band 1, S. 248; Pietzkker, DVBl. 1984, 457 (463); Bott, Die Verantwortlichkeit wegen des Verhaltens Dritter, S. 175 f. sowie jüngst Lepsius, JZ 2001, 22 (26 f.) und Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (155).

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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Grundstücks – hinnehmen muß, wenn er nicht von einem Dritten Schadenersatz erlangen kann. Er besagt hingegen nicht, daß der Eigentümer Maßnahmen ergreifen und Kosten aufwenden muß, um den Schaden zu beseitigen. Der Eigentümer wird im Gefahrenabwehrrecht zudem vielfach fälschlich als Geschädigter bezeichnet, der den Schaden hinnehmen müsse. Ist ein Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit gefährdet, so ist jedoch nicht der Eigentümer der polizeiwidrigen Sache, sondern die Allgemeinheit geschädigt.18 Selbst in den Fällen, in denen die Gefahrenabwehr dem Schutz privater Rechtsgüter dient oder in denen sie sich auf diese positiv auswirkt, erfolgt sie ausschließlich im öffentlichen Interesse. Dies zeigt sich schon daran, daß die Behörde die Gefahr auch gegen den Willen des Eigentümers abwehren kann. Geschädigter ist daher nicht der Eigentümer, sondern die Allgemeinheit.

III. Übertragung der zivilrechtlichen Lastenverteilungsprinzipien auf das Störerrecht Das zivilrechtliche Geschädigtenprinzip läßt sich als ein die Rechtsordnung prägendes Rechtsprinzip auf das gefahrenabwehrrechtliche Störerrecht übertragen. Die Allgemeinheit als Geschädigte hat demnach Gefahren für die öffentliche Sicherheit grundsätzlich auf eigene Kosten abzuwehren. Dem Eigentümer kann eine Last nur zugewiesen werden, wenn ihm die Gefahr zugerechnet werden kann. Im öffentlichen Recht stellt das Geschädigtenprinzip eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips dar. Wie der Geschädigte im Zivilrecht nachweisen muß, daß sein Anspruchsgegner der Schädiger ist und daß die Tatbestandsvoraussetzungen der Haftungsnorm erfüllt sind, so obliegt es dem Staat, wenn er einen Eigentümer zur Gefahrenabwehr verpflichten und damit in dessen Eigentumsfreiheit eingreifen will, den Eingriff verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Dies setzt voraus, daß dem Eigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann und daß die Zurechnungskriterien nicht willkürlich sind.19 Die Lösung der Opferfälle hat bei dieser Erkenntnis anzusetzen. Die dogmatisch entscheidende Frage lautet daher nicht, wie eine zu weite Zustandsverantwortlichkeit eingeschränkt werden kann. Es ist vielmehr genau umgekehrt zu fragen, ob dem Eigentümer die Gefahr in den Opferfällen zugerechnet werden kann. Kann ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden, so hat die Allge___________ 18 Sailer, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., M., Rn. 2. Wird die Behörde tätig, um Gefahren für ein privates Rechtsgut abzuwehren, wie etwa bei Gefahren für das Leben, so tut sie auch dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit. 19 Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 167 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

meinheit die Last zu tragen, wenn eine Inanspruchnahme anderer Störer nicht möglich ist. Demgegenüber zäumen die herkömmlichen Ansätze das Pferd vom Schwanz auf, indem sie dem Eigentümer zunächst alle Gefahren zurechnen und sich anschließend um eine Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit bemühen.

C. Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip Für die Verteilung der Aufgaben- und der Kostenlast kommt es daher entscheidend auf die maßgebenden Zurechnungskriterien an. Zur Bestimmung der Zurechnungskriterien wird vielfach auf das Verursacherprinzip verwiesen. 20 Unklar ist allerdings, ob und wenn ja, welche Rückschlüsse sich aus dem Verursacherprinzip für das Störerrecht ziehen lassen.

I. Das ökonomische Verursacherprinzip Das Verursacherprinzip ist seit den 70er Jahren zu einer der Leitmaximen in der umweltpolitischen Diskussion geworden. Das Verursacherprinzip entstammt der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie. Seine Aufgabe besteht darin, Wohlfahrtsverluste der Volkswirtschaft zu verhindern oder auszugleichen, die dadurch entstehen, daß Kosten aus der Nutzung von Gütern nicht von dem Verursacher getragen, sondern der Allgemeinheit aufgebürdet werden. 21 Zu einer Belastung der Allgemeinheit und damit zu sog. externen oder sozialen Kosten kommt es, wenn Güter – wie z. B. die Luft – kostenlos oder zu einem unangemessen niedrigen Preis in Anspruch genommen werden können, weil sie keinen (angemessenen) Marktpreis haben. Grund hierfür ist, daß z. B. das Umweltgut Luft nach der Rechtsordnung für jedermann frei verfügbar ist, so daß sich sein Wert nicht, wie es aufgrund der Knappheit des Gutes eigentlich sein müßte, im Preis für die Inanspruchnahme des Gutes niederschlägt. In den Altlastenfällen entstehen externe Kosten, wenn der Verursacher der Altlast nicht für ___________ 20 Zum Verursacherprinzip vgl. Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971, BT-Drucks. 6/2710, S. 11; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 24; Kloepfer, NuR 1987, 7 (12); Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, S. 123 ff.; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 27 f.; Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 442 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 28 ff. 21 Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 90 ff.; Bender/ Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 27 f.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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die Sanierung und für etwaige Folgekosten, wie z. B. für kontaminationsbedingte Erkrankungen der Bewohner, aufkommt. Diese Kosten müssen dann von der Allgemeinheit – sei es aus dem Steueraufkommen oder aus den Sozialkassen – bezahlt werden.22 Externe Kosten führen aus ökonomischer Sicht zu einer suboptimalen Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen und damit zu Wohlfahrtsverlusten. Eine optimale Allokation der Ressourcen setzt hingegen voraus, daß jeder die Kosten trägt, die er verursacht.23 Aufgabe des Verursacherprinzips ist es daher, dem Verursacher die externen Kosten zuzuweisen, d.h. sie zu internalisieren. Daneben sollen Verursacher durch ökonomische Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten veranlaßt werden.

II. Das Verursacherprinzip in der Rechtswissenschaft Die Rechtswissenschaft hat das Verursacherprinzip in den 70er Jahren rezipiert.24 Bereits das Umweltprogramm der Bundesregierung von 197125 zählte es zu den grundlegenden Prinzipien des Umweltschutzes. Darin heißt es, daß „jeder, der die Umwelt belastet oder schädigt, (...) für die Kosten dieser Belastung oder Schädigung aufkommen (soll)“. Kloepfer26 weist zu Recht darauf hin, daß das Verursacherprinzip auf allgemeine Gerechtigkeitserwägungen zurückgreift, wie sie im Schadenersatzrecht oder im polizeilichen Störerrecht ihren Niederschlag gefunden haben.27 Diesen gehe es wie dem Verursacherprinzip um die Zurechnung von Schäden oder Gefahren.

___________ 22 Auf den Aspekt der Vorbeugung von Umweltgefahren, den das Verursacherprinzip gleichermaßen intendiert, kann hier nur hingewiesen werden. 23 Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 27. 24 Rupp, JZ 1971, 401 ff.; Rehbinder, Politische und rechtliche Probleme des Verursacherprinzips, 1973, Poppe, Verursacherprinzip und Umweltschutz, Diss. Marburg 1975; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip; Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, 1988; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 27 f.; Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonders Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 442 ff.; Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, 1997; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 28 ff. 25 BT-Drucks. 6/2710, S. 6 und 10. 26 Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 28. 27 Für das Polizeirecht zustimmend Rupp, JZ 1971, 401 f.; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 27 f.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

1. Verursacherprinzip als bloße rechtspolitische Maxime Die rechtswissenschaftliche Literatur28 faßt das Verursacherprinzip überwiegend als bloße rechtspolitische Maxime auf. Nach Ansicht einiger Autoren bestehe die Funktion des Verursacherprinzips darin, dem Staat vor Augen zu führen, daß Umweltgefahren und Umweltschäden grundsätzlich nicht auf Kosten der Allgemeinheit, sondern auf Kosten des Verursachers abzuwehren oder zu beseitigen sind.29 Ein so verstandenes Verursacherprinzip wäre für die Herleitung von Zurechnungskriterien unbrauchbar. Zudem droht das Geschädigtenprinzip als maßgebendes Lastenverteilungsprinzip aus dem Blickfeld zu geraten. Das als bloße rechtspolitische Maxime verstandene Verursacherprinzip wird vielfach als „Fiskusprivileg“ mißbraucht30, mit dessen Hilfe finanzielle Lasten von der öffentlichen Hand ferngehalten werden sollen. Aufgabe des Verursacherprinzips ist es – wie dargelegt – jedoch nicht, die Lasten zwischen der Allgemeinheit und einzelnen Bürgern zu verteilen. Seine Funktion besteht vielmehr darin, der Gesetzgebung und der Verwaltung Kriterien für die Zurechnung von Gefahren an die Hand zu geben, um diese in Haftungs- und Störernormen umzusetzen.

2. Verursacherprinzip als Leerformel Eine Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip ist bisher nicht gelungen. Dies hat seinen Grund darin, daß die bisherigen Definitionsversuche zu vage geblieben sind und sich in einer Abstraktheit verlieren, die für die Lösung von Einzelfällen ungeeignet ist.31 Besonders anschaulich wird dies an Rehbinders32 vielzitierter Definition: „Das Verursacherprinzip besagt demnach nur, daß die Verantwortlichkeit für die Vermeidung oder Beseitigung einer Umweltbelastung und die Tragung der damit verbundenen Kosten das ___________ 28 Rehbinder, Politische und rechtliche Probleme des Verursacherprinzips, S. 33 ff.; Frenz, Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 244; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 36. 29 Rehbinder, ebendort; Staupe/Diekmann, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten: Bewertung, Sanierung, Finanzierung, 3. Aufl., S. 154 (155); Frenz, ebendort; Kloepfer, ebendort. 30 Kritisch auch Schwachheim, Unternehmenshaftung für Altlasten, S. 125 und Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 32. 31 Deutsch zufolge sei das Verursacherprinzip „als Beschränkung des Einstehens der öffentlichen Hand auf der einen Seite und als Einflußnahme auf die Person des möglicherweise Kausalen auf der anderen Seite“ zu verstehen; vgl. NJW 1992, 73 ff. 32 Politische und rechtliche Probleme des Verursacherprinzips, S. 33.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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aus Herstellern und Abnehmern usw. bestehende Subsystem, nicht jedoch das gesamtgesellschaftliche System, d.h. die Masse der Steuerzahler, trifft“. Derartige Definitionsversuche sind zu Recht auf Kritik gestoßen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen bezeichnet ein so verstandenes Verursacherprinzip als „Leerformel mit Alibicharakter“.33 Steffen34 hält derartige Definitionen für „blind“, Adams spricht gar von „Begriffsmüll“.35

3. Keine Gleichsetzung des Verursachers mit dem Haftenden Das Verursacherprinzip kann seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn sich aus ihm brauchbare Zurechnungskriterien für die Lösung des Einzelfalles herleiten lassen.36 Teile des Schrifttums lehnen jedoch die Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip ab.37 Ihrer Ansicht nach müsse dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungsspielraum zustehen, wen er in einer konkreten Haftungs- oder Störernorm als Verursacher einstufe.38 Frenz39 zufolge komme es allein darauf an, daß der Gesetzgeber den Verursacher anhand vertretbarer Kriterien bestimme, wobei er auch auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte abstellen könne. Ein so verstandenes Verursacherprinzip führt im Ergebnis dazu, daß Verursacher ist, wen der Gesetzgeber als Verursacher einstuft.40 Damit wird der Haftende mit dem Verursacher gleichgesetzt. Das Verursacherprinzip wäre dann allerdings wertlos. Daß jemand nach einer Norm haftbar gemacht werden kann, bedeutet nur, daß er Haftender ist, nicht aber, daß er auch Verursacher ist. Vor ___________ 33

Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1978, BT-Drucks. 8/1938, Rn. 1703. 34 NJW 1990, 1817 (1818). 35 JZ 1989, 787 (789); vgl. auch, Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 188, der ein solchermaßen verstandenes Verursacherprinzip als nichtssagend bezeichnet. 36 Für die Ableitung materieller Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip haben sich ausgesprochen Rehbinder, Politische und rechtliche Probleme des Verursacherprinzips, S. 34 ff.; Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 92; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 27 f.; Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 442 f. 37 Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, 1986, S. 94 f.; Frenz, Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 244; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 36. 38 Frenz, ebendort; Kloepfer, ebendort. 39 Ebendort, S. 244 ff. 40 Frenz, Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 244 ff.; Nawrath, Die Haftung für Schäden durch Umweltchemikalien, 1982, S. 89 ff.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

einer Gleichsetzung des Verursachers mit dem Haftenden ist schon deshalb Vorsicht geboten, weil sich der Gesetzgeber bei der Schaffung von Haftungsund Störernormen in Zeiten knapper öffentlicher Kassen zunehmend von finanziellem Eigeninteresse der öffentlichen Hand leiten läßt. Besonders deutlich hat sich dies im Gesetzgebungsverfahren zum Bundes-Bodenschutzgesetz gezeigt. So lehnte der Bundesrat eine Begrenzung der Kostenlast in den Opferfällen, wie sie § 26 Abs. 2 des Regierungsentwurfs vorsah, unter Hinweis auf die angespannte Haushaltslage der Länder und Kommunen ab.41

4. Der Zustandsstörer als Verursacher In der Literatur42 wird die Ansicht vertreten, das Verursacherprinzip habe bereits bei den Störerregelungen des Polizeirechts seinen Niederschlag gefunden. Frenz43 und Schink44 zufolge sei selbst der Eigentümer, der die Gefahr nicht verursacht habe, Verursacher im Sinne des Verursacherprinzips.45 Diese Ansicht ist zu Recht kritisiert worden.46 Frenz47 räumt zwar ein, daß es beim Zustandsstörer an dem für eine Verursachung erforderlichen menschlichen Verhalten fehle. Die Zustandsverantwortlichkeit sei seiner Ansicht nach gleichwohl eine Ausprägung des Verursacherprinzips, weil „kostenintensive Verhaltens- und Zahlungspflichten auch den Zustandsverantwortlichen zu verstärkter Aufsicht und insoweit zu einer Verhaltensänderung an[regen], wie es dem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund des Verursacherprinzips entspricht“. Frenz begründet damit jedoch nicht, weshalb der Zustandsstörer Verursacher ___________ 41

Vgl. BT-Drucks. 13/6701, S. 59. Rupp, JZ 1971, 401; Schäfer, Umwelt 1972, 4 ff.; Schink, VIZ 1992, 6 (7); Schoch, JuS 1994, 932 (937); Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 27 f.; Frenz, Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 253 und wohl auch Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 65 f. 43 Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 253. 44 VIZ 1992, 6 (7). 45 Zustimmend VGH München, NVwZ 1986, 942 (944); Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S. 186 f. 46 Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 189 f.; Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Allgemeiner Teil, 1991, S. 46; Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (38), Fn. 53. 47 Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 253. Ebenso Schoch, JuS 1994, 932 (937) und wohl auch Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 65 f. Gegen eine Einordnung des Zustandsstörers als Verursacher im Sinne des Verursacherprinzips sprechen sich aus Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 139 und Staupe/Dieckmann, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten: Bewertung, Sanierung, Finanzierung, S. 154 (155) unter Hinweis auf das Erfordernis eines eigenen Verhaltens. 42

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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sein soll, sondern allein, weshalb die Zustandsverantwortlichkeit steuernde Wirkung entfalten kann. Er rückt die Zustandsverantwortlichkeit in die Nähe einer unterlassenen Aufsichtspflicht, ohne allerdings darzulegen, woraus sich die Garantenpflicht des Eigentümers ergeben soll.

III. Zurechnung aufgrund der Verursachung externer Kosten Der umweltrechtlichen Diskussion um eine Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem Verursacherprinzip würde es gut tun, wenn sie sich von den bestehenden Störerregelungen lösen und ihr Augenmerk stärker dem wirtschaftswissenschaftlichen Verursacherprinzip zuwenden würde. Aus diesem lassen sich sehr wohl Zurechnungskriterien für das Störerrecht herleiten. Nach wirtschaftswissenschaftlichem Verständnis führt eine Haftungsregelung nur zu einer optimalen Allokation, wenn sie den materiell Verantwortlichen zur Tragung der vom ihm verursachten Kosten verpflichtet. Nur dann werden externe Kosten internalisiert und wird ein zielgenauer Anreiz geschaffen, die Entstehung externer Kosten zu vermeiden. Eine sinnvolle Umsetzung des Verursacherprinzips muß daher bei der Verursachung externer Kosten ansetzen. Externe Kosten können nur durch ein menschliches Verhalten verursacht werden, wie auch Frenz48 einräumt.49 Nur wer wilden Müll ablagert, verursacht externe Kosten. Der Eigentümer, auf dessen Grundstück der Müll zufällig abgelagert wird, verursacht keine externen Kosten. Wird der Eigentümer zur Abwehr der von dem wilden Müll ausgehenden Gefahren verpflichtet, so werden hierdurch nicht die von dem Verhaltensstörer verursachten externen Kosten internalisiert, sondern lediglich die öffentlichen Haushalte entlastet. Eine verhaltenssteuernde Wirkung für den Eigentümer geht hiervon nicht aus. Nur solche Haftungs- oder Störernormen, die auf die Mitursächlichkeit50 des Eigentümers an der Entstehung der Gefahr oder des Schadens abstellen, kommt eine verhaltenssteuernde Wirkung zu. Mitursächlichkeit meint, daß der Eigentümer durch ein willentlich gesteuertes Verhalten an der Entstehung des Risikos, aus dem heraus sich die Gefahr verwirklicht hat, mitgewirkt hat. Eine solche Mitwirkung liegt insbesondere vor, wenn der Eigentümer dem späteren Verursacher der Gefahr seine Sache zur Nutzung überlassen hat. Eine andere Frage ist allerdings, ob der mitursächliche Eigentümer dem Verhaltensstörer gleichgestellt werden kann oder ob er nur subsidiär haftet, wenn der Verhal___________ 48

Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 253. Zustimmend Staupe/Dieckmann, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten: Bewertung, Sanierung, Finanzierung, 3. Aufl., S. 154 (155). 50 Anerkannt ist, daß die Mitverursachung der Gefahr für die Verantwortlichkeit genügt; vgl. nur OVG Lüneburg, NJW 1998, 97 (98); VGH Mannheim, NuR 2001, 460. 49

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

tensstörer nicht herangezogen werden kann. Ist der Eigentümer hingegen Opfer des Verhaltens Dritter, so hat er die Gefahr nicht mitverursacht. Nach dem Verursacherprinzip kann ihm die Gefahr daher nicht zugerechnet werden. Nicht aus dem Verursacherprinzip herleiten läßt sich eine Einstandspflicht des Eigentümers für Gefahren, die bereits bei Erwerb der Sache bestanden haben. Erwirbt jemand ein kontaminiertes Grundstück, so hat er an der Entstehung der Gefahr nicht mitgewirkt. Ohne Bedeutung ist, ob er bei Erwerb von der Kontamination wußte oder wissen mußte. Durch seine Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr werden keine externen Kosten internalisiert. Kann einem Eigentümer eine Gefahr nicht nach dem Verursacherprinzip zugerechnet werden, so besagt dies allerdings nicht, daß sie ihm nicht aus anderen Gründen zugerechnet werden kann. Das Verursacherprinzip beruht auf Kausalitätserwägungen. Die Zurechnung als wertender Vorgang kann über die Kausalität hinaus jedoch auch an andere Faktoren anknüpfen. Im folgenden sollen daher die Zurechnungskriterien des zivilrechtlichen Haftungsrechts dargestellt und daraufhin untersucht werden, ob sich aus ihnen Zurechnungskriterien für das Gefahrenabwehrrecht herleiten lassen. Im Rahmen dieser Untersuchung wird unter dem zivilrechtlichen Haftungsrecht das Deliktsrecht sowie die actio negatoria gemäß § 1004 BGB verstanden. Beide sind zur Lösung vergleichbarer Problemlagen berufen wie das gefahrenabwehrrechtliche Störerrecht.

D. Herleitung von Zurechnungskriterien aus dem zivilrechtlichen Haftungsrecht I. Die Zurechnungskriterien des zivilrechtlichen Haftungsrechts Das zivilrechtliche Haftungsrecht ist dreigeteilt. Im Regelfall geht es von einer Verschuldenshaftung aus. Nur unter besonderen Umständen sieht das Gesetz eine Gefährdungshaftung vor. Eine Mittelstellung zwischen beiden nimmt die actio negatoria gemäß § 1004 BGB ein.

1. Zurechnungskriterien bei der Verschuldenshaftung Die deliktische Haftung ist überwiegend als Verschuldenshaftung konzipiert.51 Die Verschuldenshaftung ist eine um Elemente der objektiven und sub___________ 51 Zur Geschichte der Verschuldenshaftung vgl. Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 3. Aufl., 1995, Rn. 6.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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jektiven Vorwerfbarkeit angereicherte Kausalhaftung. Für einen Schaden soll derjenige einstehen, der ihn selbst oder durch Personen, deren Verhalten er sich zurechnen52 lassen muß, rechtswidrig und schuldhaft verursacht53 hat. Anknüpfungspunkt der Haftung ist die Verursachung eines Schadens durch ein menschliches Verhalten.54 Schäden, die unabhängig von einem menschlichen Verhalten durch Naturereignisse hervorgerufen werden, begründen keine Haftung.55 Eine Einstandspflicht für das Verhalten oder für den Zustand eines Tieres oder einer Sache kommt nach dem Verschuldenshaftung nur in Betracht, wenn der Schaden auf das sorgfaltswidrige Tun oder Unterlassen eines Menschen zurückzuführen ist. Nicht das Verhalten des Tieres oder der Zustand der Sache, sondern das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen ist Anknüpfungspunkt der Haftung. So setzt die Tierhalterhaftung für Nutztiere gemäß § 833 S. 2 BGB voraus, daß der von dem Tier verursachte Schaden Folge einer sorgfaltswidrigen Beaufsichtigung durch den Tierhalter ist.56 Ebenso erfordert die Haftung des Grundstücksbesitzers für Schäden durch ein einstürzendes Gebäude gemäß § 836 Abs. 1 S. 1 BGB, daß der Einsturz Folge einer mangelhaften Errichtung oder Unterhaltung des Gebäudes ist. Eine Einstandspflicht allein aufgrund der Rechtsstellung als Eigentümer kommt bei der Verschuldenshaftung nicht in Betracht.

2. Zurechnungskriterien bei der Gefährdungshaftung Der Gesetzgeber hat schon früh erkannt, daß sich mit einer Verschuldenshaftung nicht alle Schadensfälle interessengerecht lösen lassen. Bereits 1838 wurde in Preußen erstmals eine verschuldensunabhängige Haftung (Gefährdungshaftung57) für von Eisenbahnen ausgehende Personengefahren geschaffen. 58 ___________ 52

Zurechnungsnormen für das Verhalten Dritter finden sich etwa in § 31 und § 278 BGB. 53 Zur Einschränkung der weiten Kausalität bedarf es wertender Kriterien wie die Adäquanz oder den Schutzzweck der Norm; vgl. Lorenz, Die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB, S. 42. 54 Lorenz, ebendort; Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 3. Aufl., Rn. 2 f. 55 Deutsch, ebendort, Rn. 3. 56 Thomas, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 833 Rn. 19. 57 Der Begriff geht zurück auf Rümelins Schrift, Die Gründe der Schadenszurechnung und die Stellung des Deutschen BGB zur Schadensersatzpflicht, aus dem Jahre 1896. 58 § 25 Preußisches Eisenbahngesetz vom 3.11.1838; vgl. Lorenz, Die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB, S. 36; Kötz, Deliktsrecht, 7. Aufl., 1996, Rn. 336.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Die Gefährdungshaftung59 bildet mittlerweile die zweite Säule des Deliktsrechts. Gefährdungshaftungstatbestände enthalten z. B. § 833 S. 1 BGB für den Tierhalter60, § 7 Abs. 1 und § 18 StVG für den KfZ-Halter bzw. -Fahrer, § 1 HPflG für den Eisenbahnunternehmer und § 25 AtG für den Inhaber eines Atomkraftwerks. Die Literatur61 hat im wesentlichen62 zwei Rechtsgründe der Gefährdungshaftung herausgearbeitet. Sie wird zum einen damit gerechtfertigt, daß der Verantwortliche eine vom Gesetzgeber als besonders gefährlich eingeschätzte Gefahr schaffe oder aufrechterhalte, so daß mit besonders hohen Schäden oder mit außergewöhnlich häufigen Schadenseintritten zu rechnen sei.63 Gehe der Verantwortliche dieses Risiko ein, so müsse er auch für die daraus resultierenden Schäden einstehen.64 Zum anderen wird die Gefährdungshaftung darauf zurückgeführt, daß der Verantwortliche die Gefahrenquelle zu eigenem Nutzen schaffe, unterhalte oder kontrolliere.65 Derjenige, der den Nutzen aus einer gefährlichen Tätigkeit ziehe, habe auch die damit einhergehenden Lasten zu tragen.66 Der Gesetzgeber lasse die gefährliche Aktivität nur zu, wenn der Handelnde den Geschädigten den aus der Gefahrverwirklichung resultierenden Schaden abnehme.67 Nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung ist Schadenersatz jedoch nur zu leisten, wenn sich in dem Schaden gerade die Gefahr verwirklicht, die Grund der strengen Haftung ist.68 Eine Haftung für Naturereignisse oder für Fremdeinwirkungen Dritter bestehe nicht, weil diese nicht auf die besondere Gefährlichkeit der Sache zurückzuführen seien.69 Springe ein Selbstmörder auf ___________ 59 Auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten kann in dieser Untersuchung nicht eingegangen werden. Zu verweisen ist auf von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 112 sowie Kindermann, Verkehrssicherungspflichten, 1984, S. 13 ff. Anzumerken ist lediglich, daß den Verkehrssicherungspflichten im wesentlichen dieselben Zurechnungskriterien zugrunde liegen wie der Gefährdungshaftung. 60 Eine Gefährdungshaftung besteht nur, wenn der Schaden nicht von einem Nutztier verursacht worden ist. Zur Verschuldenshaftung des Tierhalters für Nutztiere vgl.1. 61 Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, 1993, S. 45 ff.; Deutsch, Unerlaubte Handlung, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 3. Aufl., Rn. 7; Kötz, Deliktsrecht, 7. Aufl., Rn. 340 ff. 62 Zu weiteren Rechtsgründen vgl. nur Blaschczok, ebendort. 63 Ebendort, S. 53, Fn. 210 m.w.N.; Kötz, Deliktsrecht, 7. Aufl., Rn. 333. 64 Blaschczok, ebendort, S. 66. 65 Ebendort, S. 60, Fn. 239 m.w.N.; Deutsch, Unerlaubte Handlung,, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 3. Aufl., Rn. 7. 66 Ebendort, S. 60. 67 Deutsch, Unerlaubte Handlung, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 3. Aufl., Rn. 355; Kötz, Deliktsrecht, 7. Aufl., Rn. 341. 68 Deutsch, ebendort, Rn. 356; Kötz, ebendort, Rn. 359. 69 Deutsch, ebendort, Rn. 356 und 361.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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das Dach eines fahrenden Kraftfahrzeuges, so seien seine Verletzungen nicht Folge der besonderen Betriebsgefahr des Fahrzeuges, sondern seines eigenen Entschlusses. Eine Gefährdungshaftung des KfZ-Halters oder -Fahrers nach § 7 Abs. 1 bzw. § 18 StVG scheidet daher aus, weil der Unfall ein unabwendbares Ereignis gemäß § 7 Abs. 2 StVG darstellt.

3. Zurechnungskriterien bei der actio negatoria Die actio negatoria ist die zivilrechtliche „Parallelfigur“ zum gefahrenabwehrrechtlichen Störerrecht, weil beide zur Lösung vergleichbarer70 Problemlagen berufen sind. Es überrascht daher, wie wenig Aufmerksamkeit das gefahrenabwehrrechtliche Schrifttum dem § 1004 BGB gewidmet hat. Auch im zivilrechtlichen Schrifttum bildet die Beschäftigung mit dem gefahrenabwehrrechtlichen Störerrecht die Ausnahme.71 Nach § 1004 BGB kann ein Eigentümer die Beseitigung von Beeinträchtigungen oder Störungen, die nicht auf dem Entzug des Besitzes beruhen, oder die Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen, sofern er nicht zu ihrer Duldung verpflichtet ist. Die actio negatoria hat insbesondere bei Nachbarstreitigkeiten Bedeutung.72 Sie spielt zunehmend bei von einem benachbarten Grundstück ausgehenden Boden- oder Gewässerkontaminationen eine Rolle.73 Auch im Rahmen der actio negatoria bereitet die Frage, von wem der gestörte Eigentümer die Beseitigung von Beeinträchtigungen oder Störungen verlangen kann, erhebliche Schwierigkeiten. § 1004 BGB selbst gibt keinen Aufschluß darüber, nach welchen Kriterien der Störer zu bestimmen ist. In den Motiven zur actio negatoria heißt es lediglich, daß als Anspruchsverpflichteter derjenige anzusehen sei, durch dessen Willen die Eigentumsverletzung aufrechterhalten wird. Zudem betonen die Motive, daß das Verhalten des Störers weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruhen müsse.74 Die herrschende Meinung75 greift bei § 1004 BGB auf die polizeirechtlichen Begriffe ___________ 70 Besteht die polizeiliche Gefahr gerade in der Verletzung fremden Eigentums, so geht es um die Lösung desselben Problems. 71 Vgl. jedoch Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 ff; Hager, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 783 ff. 72 Klassische Beispiele sind hier umgestürzte Bäume (vgl. nur BGHZ 122, 283 ff.), in Rohrleitungen eindringende Baumwurzeln (BGH, NJW 1986, 2640; 1989, 1032; 1991, 2826; 1995, 395) oder Steinschlag (vgl. nur BGH, MDR 1996, 579). 73 Vgl. nur BGH, JZ 1996, 682 m. Anm. von Gursky. 74 Mugdan, Motive, Band 3, S. 237 f. 75 Baur/Stürner, Sachenrecht, 16. Aufl., 1992, § 12 III; Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 1004 Rn. 16 ff. Abweichend hiervon unterscheidet Me-

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

des Handlungs- und des Zustandsstörers zurück. Doch nur bei der Handlungshaftung kommen beide Rechtsgebiete zu ähnlichen Ergebnissen.76 Hingegen weist die actio negatoria bei der Zustandshaftung – wie sogleich zu zeigen sein wird – nur wenige Gemeinsamkeiten mit der gefahrenabwehrrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit auf. Gemeinsam ist beiden jedoch, daß hinsichtlich der Zurechnungskriterien noch vieles im Dunkeln liegt.77 Im Rahmen des § 1004 BGB ist umstritten, ob der Eigentümer einer störenden Sache schon allein aufgrund der Sachgefahr Zustandsstörer ist oder ob eine Zurechnung eine Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten des Eigentümers voraussetzt, nämlich daß er die Beeinträchtigung durch Willensbetätigung wenigstens mittelbar verursacht hat.78 Wie bei der gefahrenabwehrrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit bereiten der Erwerb einer bereits störenden Sache sowie die durch Naturereignisse (wie z. B. das Umstürzen von Bäumen bei einem Sturm) ausgelösten Störungen Schwierigkeiten. Bei der Zurechnung von Beeinträchtigungen, die von einer Sache ausgehen, werden bei der actio negatoria im wesentlichen die folgenden drei Ansichten vertreten.79

a) Pleyers Eigentumstheorie Eng an die gefahrenabwehrrechtliche Zustandsverantwortlichkeit angelehnt ist die von Pleyer80 vertretene Eigentumstheorie. Pleyer spricht sich für eine unmittelbare Herleitung der Zustandsverantwortlichkeit aus dem Eigentum aus (sog. Eigentumstheorie).81 Die Verantwortlichkeit des Eigentümers sieht Pleyer als Ausfluß der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG an. ___________ dicus, in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl., § 1004 Rn. 36 ff. den Tätigkeits- und den Untätigkeitsstörer. 76 Vgl. nur BGH, NJW 1996, 845; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (458). 77 So für die actio negatoria Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (463) m.w.N. und für die gefahrenabwehrrechtliche Zustandsverantwortlichkeit Beye, Zur Dogmatik polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, S. 42; Lindner, Die verfassungsrechtliche Dimension, S. 23; Dombert, NJW 2001, 927 (928); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 161. 78 Vgl. zum ganzen Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (487 ff.). 79 Zu weiteren Ansätzen vgl. Stickelbrock, ebendort. 80 AcP 156 (1957), 291 (299 und 302); JZ 1959, 305 (307). Zustimmend Kübler, AcP 159 (1960), 236 (279 f.); Schwab/Prütting, Sachenrecht, 25. Aufl., § 49 III 2 sowie Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (493 ff.). 81 Ähnlich auch Gursky, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 1004 Rn. 100 ff., der die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers aus seiner Sachherrschaft herleitet.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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Der Eigentümer hafte allerdings nur, wenn sich eine der Sache innewohnende Gefahr verwirkliche. Er sei daher nicht beseitigungspflichtig, wenn die Störung Folge des Verhaltens eines Dritten sei. Demgegenüber müsse der Eigentümer Störungen, die durch Naturereignisse hervorgerufen worden sind, beseitigen, weil sich in ihnen eine dem Grundstück innewohnende Gefahr verwirkliche. Folge der an das Eigentum anknüpfenden Zurechnung ist, daß die Zustandshaftung bei Aufgabe des Eigentums an der störenden Sache erlischt. Pleyers Herleitung der negatorischen Beseitigungspflicht aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums widerspricht der heutigen Grundrechtsdogmatik, weil sie von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auch gegenüber privaten Rechtssubjekten ausgeht. Die herrschende Meinung82 lehnt eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte grundsätzlich ab. Ansatzpunkte für eine mittelbare Drittwirkung des Art. 14 GG bei der Auslegung von § 1004 BGB sind nicht ersichtlich. Im übrigen hat Picker83 zu Recht eingewandt, daß aus der Sozialgebundenheit ebenso auch eine Duldungspflicht des gestörten Eigentümers folgen könne.84

b) Herrschende Meinung Wie schon das Reichsgericht85 faßt der Bundesgerichtshof86 die Zustandsverantwortlichkeit nach § 1004 Abs. 1 BGB als willensgetragene Kausalhaftung auf. Dem hat sich die herrschende Lehre87 angeschlossen. Die Beeinträchtigung des fremden Eigentums muß auf den Willen des Eigentümers der

___________ 82

Vgl. nur BVerfGE 7, 198 (205 f.); 73, 261 (269). Picker, in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift für Gernhuber, S. 315 (324 f.). Bereits das Reichsgericht hatte klargestellt, daß die Entscheidung, wer von zwei Nachbarn das Wirken von Naturkräften abzuwenden habe, nicht unter dem Gesichtspunkt eines gemeinwohlwidrigen Eigentumsgebrauchs getroffen werden könne; vgl. RGZ 149, 205 (212 f.). 84 Picker, in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift für Gernhuber, S. 315 (324 f.). 85 Vgl. RGZ 92, 22 (24 f.); 103, 174 (175); 134, 231 (234); 149, 205 (210 f.); 159, 129 (136). 86 BGHZ 19, 126 (129); 28, 110 (111); 41, 393 (397); 90, 255 (266); BGH, NJW 1959, 936 (938); 1966, 1360 (1361); 1985, 1773 f.; 1993, 1855. 87 Mühl, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., 1990, § 1004 Rn. 80 und 87; Hefermehl, in: Erman/Hefermehl/Werner, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., 2000, § 1004 Rn. 14; Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 1004 Rn. 18 und 21. 83

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

störenden Sache zurückzuführen sein.88 Zwischen seiner Willensbetätigung und der Beeinträchtigung muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Anders als bei der Handlungsverantwortlichkeit sei jedoch kein unmittelbarer, d.h. durch eine Handlung begründeter Zusammenhang erforderlich. Ausreichend sei ein mittelbarer Ursachenzusammenhang.89 Ein solcher fehle, wenn der Eigentümer keinen Einfluß auf die Entstehung der Gefahr nehmen könne, weil sie durch ein ihm nicht zurechenbares Verhalten Dritter oder durch bloße Natureinwirkungen90 hervorgerufen werde. Die erstgenannte Konstellation liegt etwa in dem Tanklastwagenfall oder dann vor, wenn Umweltkriminelle Giftfässer auf einem fremden Grundstück ablagern.91 Im Hinblick auf Naturgewalten verneinte der Bundesgerichtshof92 z. B. die Zustandshaftung eines Grundeigentümers für auf seinem Grundstück stehende, bei einem heftigen Sturm auf ein Nachbargrundstück gestürzte Bäume. Der Eigentümer soll in derartigen Fällen nur zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet sein.93 Demgegenüber bejaht der Bundesgerichtshof94 die Zustandsverantwortlichkeit, wenn neben der Natureinwirkung menschliches Verhalten mitursächlich geworden ist. So sei der Eigentümer eines Steinbruchs beseitigungspflichtig, wenn es zu einem Steinschlag komme und hierbei Steine auf das Nachbargrundstück gelangen, wenn dies erst durch den Steinabbau, und damit durch menschliches Verhalten, möglich geworden sei.95 Dann nämlich treffe den Eigentümer des gestörten Nachbargrundstücks kein naturbedingtes allgemeines Lebensrisiko, sondern er sei Opfer der wirtschaftlichen Aktivität des Betreibers des Steinbruchs.96 In Abgrenzung hierzu hat der Bundesgerichtshof97 eine Beseitigungspflicht in einem anderen Fall verneint, indem die Steinschlaggefahr ausschließlich aus dem Wirken der Naturkräfte resultierte.

___________ 88 Vgl. nur BGHZ 19, 126 (129); 28, 110 (111); 90, 255 (266) sowie BGH, NJW 1985, 1773 f.; BGH, JuS 1993, 966 sowie Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (458). 89 So bereits RGZ 149, 205 (210). 90 Zum Ausschluß bei Beeinträchtigungen, die allein auf Naturkräfte beruhen, vgl. BGH, NJW 1992, 1855. 91 Vgl. nur Hager, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 783 (787). 92 BGH, JuS 1993, 966 f. m. Anm. von Karsten Schmidt. 93 Vgl. BGH, NJW 1985, 1773 (1774). 94 NJW-RR 1996, 656. 95 Ebendort. 96 Vgl. nur BGH, NJW 1995, 2633 (2634); Baur, AcP 160 (1961), 465 (479). 97 NJW 1985, 1773 (1774).

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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Da die Beseitigungspflicht nicht lediglich Folge der Sachgefahr sei, sondern auf einer willensgetragenen Verursachung – und damit auf einer persönlichen Zurechnung98 – beruhe, könne sich der störende Eigentümer nach herrschender Meinung99 auch nicht durch Dereliktion seiner Beseitigungspflicht entledigen. Dogmatische Schwierigkeiten bereitet die Theorie der willensgetragenen Kausalhaftung allerdings in Fällen, in denen die Beeinträchtigung nicht durch ein Verhalten des gegenwärtigen Eigentümers, sondern durch ein Verhalten eines früheren Eigentümers verursacht worden ist. In dem genannten Steinschlagfall stellt sich daher die Frage, ob ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB gegen den gegenwärtigen Eigentümer auch dann besteht, wenn er das Grundstück erst nach Einstellung des Steinbruchs erworben hat. Der Bundesgerichtshof bejaht die Zustandshaftung des gegenwärtigen Eigentümers auch dann, wenn ein Rechtsvorgänger die Sache in den gefährlichen Zustand versetzt hat, sofern der gegenwärtige Eigentümer die Beeinträchtigung aufrechterhält (sog. Aufrechterhaltungstheorie).100 Er stützt sich dabei auf die Motive.101 Die fehlende Mitursächlichkeit werde durch die Aufrechterhaltung der Gefahr kompensiert. Der Bundesgerichtshof sieht daher einen Eigentümer als Zustandsstörer an, wenn dieser ein bereits störendes Grundstück erworben habe und die Beeinträchtigung aufrechterhalte.102 Nach herrschender Meinung103 nicht erforderlich sei, daß dem gegenwärtigen Eigentümer bei Erwerb das vorausgegangene gefährliche Tun seines Rechtvorgängers oder der potentiell gefährliche Zustand des Grundstücks bekannt oder auch nur erkennbar gewesen sei.104 Von Teilen des Schrifttums105 wird die Aufrechterhaltungstheorie mit guten Gründen abgelehnt, weil sie sich nicht mit der vom Bundesgerichtshof im übrigen vertretenen Theorie der willensgetragenen Kausalhaftung vereinbaren lasse. Das bloße Aufrechterhalten der Gefahrenlage stelle lediglich ein Unterlassen der Beseitigung dar, ohne daß aufgrund einer willensgetragenen Verur___________ 98

Zustimmend Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (489). BGH, NJW 1990, 2058 (2059); Schwab/Prütting, Sachenrecht, 25. Aufl., § 49, III 2 m.w.N. 100 BGH, NJW-RR 1996, 659; OLG Köln, NJW-RR 1996, 1104. 101 Mugdan, Motive, Band 3, S. 237 f. 102 BGH, NJW-RR 1996, 659. 103 Vgl. nur Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (491). 104 Demgegenüber spricht sich Hager, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 783 (793 f.), für eine Differenzierung danach aus, ob der Erwerber gut- oder bösgläubig war. 105 Gursky, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 1004 Rn. 124; Picker, in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift für Gernhuber, 1993, S. 315 (324); Medicus, in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl., § 1004 Rn. 41; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (490 f.). 99

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

sachung eine Rechtspflicht zum Handeln bestehe. Im Ergebnis führt dies nach herrschender Meinung dazu, daß bei dem Eintritt eines Erwerbers in eine Gefahrenlage auf eine persönliche Zurechnung verzichtet wird. Auch dann knüpft die Beseitigungspflicht jedoch nicht an die bloße Sachgefahr an, sondern setzt voraus, daß ein Rechtsvorgänger durch sein Verhalten die Gefahrenlage (zumindest) mitverursacht hat.

c) Pickers Usurpationstheorie Einen anderen Ansatz verfolgt Pickers Usurpationstheorie.106 Danach stehe dem gestörten Eigentümer der negatorische Beseitigungsanspruch nicht wegen der Beeinträchtigung als solcher zu. Haftungsauslösend sei vielmehr, daß der störende Eigentümer durch sein Handeln oder den Zustand seiner Sache in die Rechtssphäre des gestörten Eigentümers eingreife und dadurch fremdes Eigentum usurpiere.107 Picker lehnt die herrschende willensgetragene Kausalhaftung ab, weil sie zu einem auf das Verschulden verzichtenden Tatbestand der unerlaubten Handlung und damit zu einem „Deliktsrecht zweiten Grades“108 führe. Hierdurch werde die Verschuldenshaftung nach § 823 BGB in unzulässiger Weise unterlaufen.109 Picker zufolge stehe § 1004 BGB der Vindikation nahe. Aufgabe sowohl des § 985 BGB als auch des § 1004 BGB sei es, für die unbeeinträchtigte Ausübung des Eigentumsrechts zu sorgen, unabhängig davon, ob die Störung durch ein objektiv rechtswidriges Verhalten des Anspruchsgegners oder auf andere Weise verursacht werde.110 Im Ergebnis läuft Pickers Usurpationstheorie ebenso wie Pleyers Eigentumstheorie auf eine Zustandshaftung kraft Eigentums hinaus.111 Picker zufolge sei dem Eigentümer eine derart weitreichende Verantwortlichkeit auch zumutbar, weil er sich – anders als von der

___________ 106

Der negatorische Beseitigungsanspruch sowie in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift für Gernhuber, S. 315 (331 ff.) m.w.N. 107 Picker, in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift für Gernhuber, S. 315 (332). 108 Baur, AcP 160 (1961), 464 (466). 109 Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 31. 110 Gursky, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 1004 BGB Rn. 96 weist darauf hin, daß es für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB unbeachtlich sei, wie der unberechtigte Besitzer in den Besitz gelangt sei. 111 Ebendort, Rn. 100 ff.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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herrschenden Meinung112 vertreten – seiner Haftung durch Aufgabe des Eigentums entledigen könne.113 Eine Usurpation entfalle dann. Pickers Usurpationstheorie ist abzulehnen, weil sie dogmatisch verfehlt ist und zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Sie hat zur Folge, daß die Beseitigungspflicht des Handlungsstörers in dem Moment entfiele, in dem er die störende Handlung beendet.114 Hierdurch wird die Verantwortlichkeit in unzumutbarer Weise von dem Verursacher auf den Eigentümer verschoben. Stelle ein Dieb einen gestohlenen PKW auf einem fremden Grundstück ab, so sei der Dieb nach dem Verlassen des PKW Picker115 zufolge nicht mehr zur Entfernung des PKW verpflichtet. Störer sei nunmehr allein der Eigentümer des PKW, weil sein Eigentum unberechtigt auf fremdem Boden parke. Picker verkennt hierbei, daß es für den Beseitigungsanspruch ausreicht, daß die Beeinträchtigung (d.h. die Wirkung) fortdauert. Unbeachtlich ist hingegen, ob auch das die Beeinträchtigung verursachende Verhalten (d.h. die Ursache) andauert.116

d) Zusammenfassung Ähnlich wie im gefahrenabwehrrechtlichen Störerrecht stehen sich bei der actio negatoria im wesentlichen zwei im Ansatz und im praktischen Ergebnis verschiedene Positionen gegenüber, wobei die Mehrheitsverhältnisse jedoch genau umgekehrt verteilt sind. Der herrschenden Meinung zufolge sei der negatorische Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB von einer Mitursächlichkeit des Eigentümers der störenden Sache an der Gefahrentstehung abhängig. Darüber hinaus sei derjenige beseitigungspflichtig, der eine störende Sache erwerbe und die Störung aufrechterhalte. Demgegenüber sei der Eigentümer nach der Mindermeinung bereits aufgrund seiner Rechtsstellung zustandsverantwortlich, weil er ein Recht des Gestörten usurpiere bzw. weil er hierzu aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums verpflichtet sei.

___________ 112 BGHZ 18, 253, (258); 41, 393 (397); BGH, NJW 1964, 1365; Mühl, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 1004 BGB Rn. 29; Medicus, in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl., § 1004 BGB Rn. 43 a. 113 Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 113 ff.; Gursky, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 1004 Rn. 107 m.w.N. 114 Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 130; Gursky, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., § 1004 Rn. 97. 115 Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 130. 116 Vgl. Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 (471).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

II. Übertragung der Zurechnungskriterien in das Störerrecht 1. Übertragbarkeit der Zurechnungskriterien Die Zurechnungskriterien des zivilrechtlichen Haftungsrechts sind das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen des Geschädigten und des Eigentümers, von dessen Sache die Störung oder der Schaden ausgeht. Sie enthalten damit sowohl rechtsgebietsübergreifende Gerechtigkeitserwägungen als auch zivilrechtliche Charakteristika. Eine Übertragung der zivilrechtlichen Zurechnungskriterien auf das gefahrenabwehrrechtliche Störerrecht setzt voraus, daß ihr keine Besonderheiten des Gefahrenabwehrrechts entgegenstehen, die zu einem anderen Abwägungsergebnis zwischen den Interessen der Allgemeinheit und des Eigentümers der gefährlichen Sache führen. Derartige rechtsgebietstypische Besonderheiten sind vorliegend nicht ersichtlich. In den Umweltschadensfällen gebietet insbesondere das Effektivitätsgebot keine andere Interessenabwägung.117 Die Zurechnungskriterien des zivilrechtlichen Haftungsrechts lassen sich daher wie folgend in das Störerrecht übertragen.

2. Schlußfolgerungen für das Störerrecht Wie das zivilrechtliche Haftungsrecht zeigt, können einem Eigentümer nicht sämtliche Gefahren zugerechnet werden, die von seiner Sache ausgehen. Die rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft stellt keinen hinreichenden Grund für die Zurechnung einer Gefahr dar. Die Zurechnung einer Gefahr setzt auch im Gefahrenabwehrrecht grundsätzlich voraus, daß der Eigentümer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat. Der Eigentümer ist dann mitursächlich an der Gefahrentstehung, wenn er – wie nach §§ 833 S. 2, 836 Abs. 1 BGB – gebotene Sicherungsmaßnahmen zum Schutz einer erkennbar gefährlichen Sache unterlassen hat. Seine Mitursächlichkeit118 ergibt sich daneben daraus, daß er – wie bei der Gefährdungshaftung – seine Sache in einer Weise nutzt, die mit besonderen Risiken für die öffentliche Sicherheit verbunden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er sein Grundstück dem Betreiber einer Abfalldeponie oder einer Fabrik zur Nutzung überläßt. Auch dann können dem Eigentümer allerdings nur Gefahren zugerechnet werden, die aus der bestimmungsgemäßen Nutzung der Sache resultieren. Der Eigentümer haftet hingegen ___________ 117

Vgl. die eingehende Darstellung unter 4. Kap. E. Anerkannt ist, daß die Mitverursachung der Gefahr genügt, um die Verantwortlichkeit zu begründen; vgl. nur OVG Lüneburg, NJW 1998, 97 (98); VGH Mannheim, NuR 2001, 460. 118

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

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nicht für Gefahren, die Folge von Naturereignissen oder des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind. Derartige Gefahren entstammen nicht der Risikosphäre des Eigentümers. Die zivilrechtlichen Zurechnungskriterien decken sich insoweit mit den aus dem Verursacherprinzip abgeleiteten Zurechnungskriterien. Anders als aus dem Verursacherprinzip läßt sich aus dem zivilrechtlichen Haftungsrecht eine Einstandspflicht des Erwerbers einer gefährlichen Sache herleiten. Dem zivilrechtlichen Haftungsrecht lassen sich allerdings keine geeigneten Kriterien dafür entnehmen, wann dem Erwerber eines kontaminierten Grundstücks die Gefahr zugerechnet werden kann. Die herrschende Meinung begründet die Zustandshaftung des Erwerbers gemäß § 1004 Abs. 1 BGB damit, daß er die gefährliche Sache übernehme und aufrechterhalte. Diese Ansicht geht im Ansatz zutreffend davon aus, daß derjenige, der eine Sache in Kenntnis ihrer Gefährlichkeit erwerbe oder die Gefahr billigend in Kauf nehme, sich die Gefahr zurechnen lassen muß. Sie ist allerdings verfehlt, soweit sie auch dem gutgläubigen Erwerber die Gefahr schon deshalb zurechnet, weil er die vorhandene Störung aufrechterhält. Aus dem Unterlassen der Beseitigung der Gefahr kann nicht auf eine Pflicht zur Gefahrenabwehr geschlossen werden. Die Zurechnung im zivilrechtlichen Haftungsrecht entfällt nicht dadurch, daß der Eigentümer sein Eigentum an der störenden Sache aufgibt oder an einen anderen überträgt. Wird die Zurechnung im Gefahrenabwehrrecht mit einer Mitursächlichkeit an der Gefahrentstehung begründet, so läßt der Eigentumsverlust den Zurechnungszusammenhang nicht entfallen, weil der Eigentümer sein risikoerhöhendes Verhalten hierdurch nicht ungeschehen machen kann.

E. Zusammenfassung Das gefahrenabwehrrechtliche Störerrecht wird nahezu ausschließlich unter dem Blickwinkel des Gefahrenabwehrrechts betrachtet. Seine Funktion läßt sich jedoch nicht darauf beschränken, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen. Dem Störerrecht kommt zugleich eine lastenverteilende Aufgabe zu. Das Störerrecht ist daher (auch) öffentliches Haftungsrecht. Das zivilrechtliche Haftungsrecht geht von dem Geschädigtenprinzip als maßgebendem Lastenverteilungsprinzip aus. Nach dem römisch-rechtlichen Grundsatz „casum sentit dominus“ hat grundsätzlich der Eigentümer einen an seiner Sache entstandenen Schaden zu tragen. Der Geschädigte kann nur dann Ersatz verlangen, wenn der Schaden einem Dritten zugerechnet werden kann. Er trägt das Risiko, daß er seinen Anspruch bei Insolvenz des Schädigers nicht

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

vollumfänglich durchsetzen kann. Keinen Schadenersatz kann er verlangen, wenn der Schaden durch ein Naturereignis hervorgerufen worden ist. Im Gefahrenabwehrrecht ist nicht der Eigentümer des kontaminierten Grundstücks, sondern die Allgemeinheit Geschädigte, weil die Gefahrenabwehr dem Schutz der öffentlichen Sicherheit dient. Der Eigentümer kann daher nicht unter Berufung auf das Geschädigtenprinzip zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Vielmehr ist es grundsätzlich Aufgabe der Allgemeinheit, die Gefahr abzuwehren. Eine Heranziehung des Eigentümers kommt nur in Betracht, wenn diesem die Gefahr zugerechnet werden kann. Angesichts der Opferfälle kann es nicht darum gehen, die zu weite Zustandsverantwortlichkeit aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einzuschränken. Es geht vielmehr darum, ob dem Eigentümer, der selbst Opfer der Gefahr ist, die Gefahr zugerechnet werden kann. Zurechnungskriterien lassen sich sowohl aus dem Verursacherprinzip als aus dem zivilrechtlichen Haftungsrecht herleiten. Das Verursacherprinzip wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum zum Teil als bloße rechtspolitische Maxime mißverstanden und als „Fiskusprivileg“ mißbraucht, weil es häufig dazu instrumentalisiert wird, finanzielle Lasten von der öffentlichen Hand fernzuhalten. Anderen Autoren zufolge müsse sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Haftungs- und Störernormen zwar vom Verursacherprinzip leiten lassen. Dem Gesetzgeber stehe jedoch ein weiter Einschätzungsspielraum zu, wen er als Verursacher einstufe. Diese Ansicht führt im Ergebnis dazu, daß der Haftende mit dem Verursacher gleichgesetzt wird. Ein so verstandenes Verursacherprinzip kann seine Funktion nicht erfüllen, dem Gesetzgeber Kriterien für die Zurechnung an die Hand zu geben. Besonders in Zeiten knapper öffentlicher Kassen besteht die Gefahr, daß der Gesetzgeber den Kreis der vermeintlichen Verursacher weit zieht, um die öffentlichen Haushalte zu schonen. Das Verursacherprinzip kann seine Funktion, Zurechnungskriterien zur Verfügung zu stellen, nur erfüllen, wenn man ihm – entsprechend seinem wirtschaftswissenschaftlichen Ursprung – die Aufgabe zuweist, externe Kosten zu internalisieren. Externe Kosten können nur durch ein menschliches Verhalten verursacht werden. Ein Eigentümer ist daher nur Verursacher im Sinne des Verursacherprinzips, wenn er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat. Eine Mitwirkung ist darin zu sehen, daß er sein Grundstück dem späteren Verursacher der Gefahr zur Nutzung überläßt. Ist der Eigentümer hingegen selbst Opfer der Gefahr, so kann sie ihm nicht nach dem Verursacherprinzip zugerechnet werden. Hat der Eigentümer ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben, so hat er nicht an der Gefahrentstehung mitgewirkt und ist daher kein Verursacher im Sinne des Verursacherprinzips.

9. Kap.: Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht

249

Das zivilrechtliche Haftungsrecht beruht auf verschiedenen Zurechnungskriterien. Die deliktische Haftung ist überwiegend eine um Elemente der objektiven und subjektiven Vorwerfbarkeit angereicherte Kausalhaftung. Der Halter eines Tieres oder der Eigentümer einer Sache haftet nach §§ 823, 833 S. 2, 836 Abs. 1 BGB nicht wegen seiner Sachherrschaft, sondern weil er es schuldhaft unterlassen hat, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Auch die actio negatoria setzt nach herrschender Meinung regelmäßig voraus, daß der Eigentümer durch sein Verhalten die Störung mitverursacht hat. Für Störungen, die ausschließlich durch ein Naturereignis oder durch das Verhalten eines Dritten verursacht worden sind, haftet der Eigentümer nicht. Der Eigentümer ist allerdings dann beseitigungspflichtig, wenn er eine bereits störende Sache erworben hat und die Störung aufrechterhält. Bei der Gefährdungshaftung weist der Gesetzgeber dem Eigentümer besonders gefährlicher Sachen die Verantwortlichkeit für Schäden zu, die aus dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache resultieren. Der Eigentümer haftet daher weder für Naturereignisse noch für Schäden, die durch das Verhalten eines Dritten verursacht worden sind. Die Gefährdungshaftung wird damit begründet, daß der Eigentümer im eigenen Interesse ein besonders hohes Risiko eingehe. Der Gesetzgeber lasse dieses Risiko nur zu, wenn der Eigentümer für hierdurch hervorgerufene Schäden einstehe. Wie gezeigt, setzt das zivilrechtliche Haftungsrecht für eine Zurechnung voraus, daß der Eigentümer durch ein Verhalten an der Entstehung der Gefahr bzw. des Schadens mitgewirkt hat. Der Eigentümer muß sich hingegen keine Gefahren zurechnen lassen, die durch das Verhalten eines Dritten verursacht worden sind. Bei der actio negatoria ist darüber hinaus anerkannt, daß der Erwerber einer gefährlichen Sache die Gefahr zugerechnet werden könne, wenn er sie übernehme. Das zivilrechtliche Haftungsrecht basiert damit auf den in dieser Untersuchung auch für das Störerrecht herausgearbeiteten Zurechnungskriterien der Mitwirkung an der Gefahrentstehung und der Übernahme der Gefahr.

10. Kapitel

Fortentwicklung der Zustandsverantwortlichkeit durch die Landesaltlastengesetze und die Entwürfe zu einem Umweltgesetzbuch Angesichts des mit dem herkömmlichen polizei- und ordnungsrechtlichen Instrumentarium nicht lösbaren Altlastenproblems erließen nahezu alle Bundesländer1 in den 80er und 90er Jahren eigenständige Altlastenregelungen. Die Mehrzahl der Bundesländer nahm zu diesem Zweck altlastenspezifische Vorschriften in die Landesabfallgesetze auf. Baden-Württemberg2, Sachsen3 und Berlin4 schufen Bodenschutzgesetze. Nur wenige dieser Gesetze enthielten eigenständige Störerregelungen. In der großen Mehrzahl der Bundesländer richtete sich die Zustandsverantwortlichkeit auch nach Inkrafttreten der Landesaltlastengesetze weiterhin nach dem Polizei- und Ordnungsrecht.5 Von § 5 ___________ 1 Bayerisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz vom 27.2.1991, GVBl. S. 64; Brandenburgisches Landesabfallvorschaltgesetz vom 20.1.1992, GVBl. 16; Bremisches Ausführungsgesetz zum Abfallgesetz vom 15.9.1988, GVBl. S. 241; Hamburgisches Ausführungsgesetz zum Abfallbeseitigungsgesetz vom 6.2.1974, GVBl. S. 72; Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz für Mecklenburg-Vorpommern vom 4.8.1992, GVBl. S. 450; Niedersächsisches Abfallgesetz vom 21.3.1990, GVBl. S. 91; Landesabfallgesetz Nordrhein-Westfalen vom 21.6.1988, GVBl. S. 250; Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetz Rheinland-Pfalz vom 8.4.1991, GVBl. S. 126; Saarländisches Abfallwirtschaftsgesetz vom 30.12.1997, GVBl. S. 1352; Abfallgesetz des Landes SachsenAnhalt vom 14.11.1991, GVBl. S. 422; Landesabfallwirtschaftsgesetz SchleswigHolstein vom 18.10.1999, GVBl. 26; Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz vom 31.7.1991, GVBl. S. 273; vgl. auch Lehmann, Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz; Kothe, DÖV 1994, 716 ff.; LKV 1994, 312 ff.; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern; Pohl, NJW 1995, 1645 ff.; Erbguth/Stollmann, UPR 1996, 281 ff. 2 Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg vom 24.6.1991, GVBl. S. 434; vgl. hierzu Peters, VBlBW 1991, 49 ff.; Spilok, Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg; Schlabach, VBlBW 1993, 121 ff. 3 Erstes Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen vom 1.9.1991, GVBl. S. 306; vgl. hierzu auch Knopp, LKV 1992, 215 ff.; Erbguth/ Stollmann, SächsVBl. 1995, 49 ff. 4 Berliner Bodenschutzgesetz vom 10.10.1995, GVBl. S. 646; siehe auch Körner/ Vierhaus, LKV 1996, 345 ff. 5 Die Landesaltlastengesetze übernahmen überwiegend die herkömmlichen Störerregelungen. Soweit sie keine Störerregelungen enthielten, bestimmte sich die Verantwortlichkeit nach dem Polizei- und Ordnungsrecht.

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

251

MEPolG abweichende Störerregelungen im herkömmlichen Sinne fanden sich lediglich im Hessischen Altlastengesetz6, im Thüringer Abfall- und Altlastengesetz7 und im Berliner Bodenschutzgesetz8. Allerdings führten sieben Bundesländer9 mit der Wertausgleichspflicht10 eine neuartige Form der Zustandsverantwortlichkeit ein. Weitere bedeutende Reformimpulse gingen von den bodenschutzrechtlichen Vorschlägen des Professoren-11 und des Kommissionsentwurfs12 zu einem Umweltgesetzbuch aus den Jahren 1994 bzw. 1998 aus. Diese im Auftrag des Umweltbundesamtes bzw. des Bundesumweltministeriums erstellten Entwürfe enthalten Vorarbeiten für ein künftiges Umweltgesetzbuch. Mit Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes am 1.3.1999 sind sämtliche bodenschutzrechtlichen Störerregelungen der Länder außer Kraft getreten.13 Eine Erweiterung des Kreises der Störer unter Rückgriff auf das Landesrecht scheidet damit aus.14 Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat nur einen (geringen) Teil der Reformansätze aufgegriffen. Nachfolgend sollen die Reformansätze der Landesaltlastengesetze sowie des Professoren-15 und des Kommissionsentwurfs16 zu einem Umweltgesetzbuch dargestellt und daraufhin untersucht werden, ob sie bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit fruchtbar gemacht werden können. Hierbei wird sich zeigen, daß die genannten Regelungen bereits einen Teil der unter 8. Kap. E. dargestellten eigenen Lösungsvorschläge umgesetzt haben. Sodann wird – aufbauend auf den eigenen Lösungsansatz – dargestellt, wo weiterer Reformbedarf besteht. ___________ 6 Vom 20.12.1994, GVBl. 1. Teil, S. 764 ff. Vorher existierte bereits das Hessische Abfall- und Altlastengesetz vom 26.2.1991, GVBl. 1. Teil, S. 106 ff. 7 Vom 31. 7.1991, GVBl. S. 273 ff. 8 Vom 10.10.1995, GVBl. S. 646 ff. 9 Art. 68 a BayWG, § 18 BlnBodSchG, § 13 Abs. 4 BremAGAbfG, § 16 HAltlastG, § 19 d NdsAbfG, § 33 NRWAbfG, § 32 RhPfAbfG und § 22 ThürAbfAltG. 10 Vgl. die eingehende Darstellung im Abschnitt F. sowie unter Kapitel 13. 11 Jarass/Kloepfer/Kunig/Papier/Peine/Rehbinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Besonderer Teil, 1994. 12 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission, 1998. 13 BVerwG, NVwZ 2000, 1179 sowie Kügel, NJW 2004, 1570 (1571). 14 VGH Kassel, NVwZ 2000, 828; Kügel, NJW 2004, 1570 (1571). Nicht ausgeschlossen ist hingegen eine Inanspruchnahme eines Nichtstörers nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen über den polizeilichen Notstand. 15 Jarass/Kloepfer/Kunig/Papier/Peine/Rehbinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Besonderer Teil. 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

A. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG, § 303 Abs. 5 UGB-ProfE und § 348 Abs. 5 UGB-KomE griffen eine zentrale Forderung des Schrifttums17 auf, indem sie die Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers eines kontaminierten Grundstücks begrenzten. Hinsichtlich des Umfangs der Begrenzung schlugen § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG und § 303 Abs. 5 UGB-ProfE auf der einen Seite und § 348 Abs. 5 UGB-KomE auf der anderen Seite unterschiedliche Wege ein.

I. Freistellung des gutgläubigen Erwerbers § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG stellte den Grundeigentümer dann von der Zustandsverantwortlichkeit frei, wenn er bei Erwerb des Grundstücks die Bodenkontamination weder kannte noch kennen mußte. Hierdurch sollten insbesondere Eigentümern von Eigenheimen geschützt werden, deren als Bauland ausgewiesene Grundstücke früher als Industriestandort oder als Abfalldeponie gedient hatten. Eine dem § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG vergleichbare Regelung schlägt § 303 Abs. 5 UGB-ProfE vor.

II. Begrenzung des Umfangs der Zustandsverantwortlichkeit Nach § 348 Abs. 5 UGB-KomE soll der gutgläubige Erwerber nicht von der Zustandsverantwortlichkeit freigestellt werden. Allerdings soll die Belastung auf ein (vermeintlich) zumutbares Maß beschränkt werden. Laut Kommissionsentwurf liege eine unzumutbare Belastung nur vor, wenn durch die Inanspruchnahme des gutgläubigen Erwerbers der privatnützige Gebrauch des Grundstücks ausgeschlossen werde. Ein Ausschluß der privatnützigen Verwendung sei in der Regel anzunehmen, wenn die Sanierungskosten den Verkehrswert des Grundstücks im sanierten Zustand übersteigen. Der Eigentümer könne dann nur bis zu dieser Grenze zur Sanierung und zur Kostentagung verpflichtet werden. Die Zustandshaftung des gutgläubigen Erwerbers soll auf diese Weise auf den

___________ 17 Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Breuer, JuS 1986, 359 (362); NVwZ 1987, 751 (756); vgl. auch BVerwG, NVwZ 1991, 475 f.; 1997, 577 f.

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

253

konkreten Eigentumsgegenstand beschränkt werden.18 Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluß vom 16.2.2000 diesen Ansatz zu eigen gemacht.

III. Stellungnahme Mit der Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers haben sich das Hessische Altlastengesetz sowie der Professoren- und der Kommissionsentwurf der Lösung des vordringlichsten Problems der Zustandsverantwortlichkeit angenommen. Der gutgläubige Erwerb stellt in der Praxis die mit Abstand bedeutsamste Untergruppe der Opferfälle dar. § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG und § 303 Abs. 5 UGB-ProfE erkennen implizit an, daß einem gutgläubigen Erwerber die Gefahr nicht zugerechnet werden kann, weil er weder an der Gefahrentstehung mitgewirkt noch eine Gefahr bewußt in Kauf genommen hat. Mit der Freistellung des gutgläubigen Erwerbers von der Zustandsverantwortlichkeit schlagen sie den richtigen Weg ein. Hingegen ist eine bloße Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks, für die § 348 Abs. 5 UGB-KomE eintritt, aus den dargelegten Gründen abzulehnen.19 Die Regelungen sehen hingegen keine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit bei Gefahren vor, die durch das Verhalten eines nicht nutzungsberechtigten Dritten verursacht worden sind (sog. Fremdeinwirkungsfälle). Der Grundeigentümer, der Opfer eines Tankwagenunfalls ist, habe demnach weiterhin sein gesamtes Vermögen für die Abwehr von Boden- und Gewässergefahren einzusetzen. Dies führt zu Wertungswidersprüchen, weil die Schutzwürdigkeit des Eigentümers in den Fremdeinwirkungsfällen größer ist als beim gutgläubigen Erwerb. Anders als der Erwerber, der das Grundstück auf Bodenkontaminationen untersuchen kann, kann sich ein Eigentümer nicht gegen die Folgen von Tankwagenunfällen und anderen Fremdeinwirkungsfällen schützen. Bei einer gesetzlichen Neuregelung sollte der Grundeigentümer daher auch in den Fremdeinwirkungsfällen von der Zustandsverantwortlichkeit freigestellt werden.

___________ 18 Vgl. die Begründung zu § 348 Abs. 5 UBG-KomE, in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission, S. 1037. 19 Vgl. unter 8. Kap. D. II. 2. b).

254

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

B. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft Der Professoren- und der Kommissionsentwurf schränken neben der Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers auch diejenige des gutgläubigen Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft ein. Sie tragen damit dem Umstand Rechnung, daß derjenige, der gutgläubig den Besitz an einem kontaminierten Grundstück erlangt, ebenso schutzbedürftig ist wie der gutgläubige Grundstückserwerber. Auch der gutgläubige Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist Opfer einer unerkannten, vor der Begründung seines Besitzes abgeschlossenen Bodenkontamination. Wie beim gutgläubigen Eigentümer soll nach § 303 Abs. 5 S. 2 UGB-ProfE auch bei der gutgläubigen Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft die Zustandsverantwortlichkeit entfallen. Demgegenüber soll der gutgläubige Gewalthaber nach § 348 Abs. 5 UGBKomE grundsätzlich zustandsverantwortlich bleiben. Er soll jedoch nur insoweit zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet werden können, als die Sanierungskosten nicht den Gebrauchswert des Grundstücks für die verbleibende Nutzungsdauer übersteigen. Der gutgläubige Gewalthaber soll nicht über die Höhe seines Interesses am Grundstück hinaus haften. Unklar ist allerdings, wonach sich der Gebrauchswert bemißt. Maßstab könnte entweder das vereinbarte Nutzungsentgelt oder der individuell gezogene Nutzen sein. Im letztgenannten Fall würde der Mieter, der auf dem Grundstück ein Gewerbe betreibt, für die verbleibende Nutzungsdauer mit sämtlichen aufgrund der Nutzung erzielten Gewinnen haften. In beiden Fällen hat es der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft allerdings in der Hand, durch eine zeitnahe Kündigung des Nutzungsvertrages seine Zustandshaftung weitergehend zu beschränken. Sowohl der Professoren- als auch der Kommissionsentwurf gehen zu Recht davon aus, daß sich auch der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, der gutgläubig ein kontaminiertes Grundstück in Besitz genommen hat, in einer Opferposition befindet. Er ist daher wie ein gutgläubiger Erwerber von der Zustandshaftung freizustellen. Bei einer gesetzlichen Neuregelung sollten darüber hinaus diejenigen Besitzer von einer Sanierungsverantwortlichkeit ausgenommen werden, die – wie in den Tankwagenfällen – Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind.

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

255

C. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers Von den Landesaltlastengesetzen und den beiden Entwürfen zu einem Umweltgesetzbuch gingen jedoch nicht nur Reformimpulse für eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit aus. Sie sehen auch eine Erweiterung des Kreises der Zustandsverantwortlichen um den ehemaligen Grundeigentümer vor. Dahinter steht die Überlegung, daß sich der Eigentümer seiner einmal begründeten Verantwortlichkeit nicht durch Übertragung seines Eigentums an einen Dritten entledigen können soll. Im einzelnen unterscheiden sich die Regelungen zur Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers allerdings beträchtlich.

I. Zustandsverantwortlichkeit bei Gefahrentstehung während des Eigentums Nach § 13 Abs. 4 BlnBodSchG, § 303 Abs. 3 UGB-ProfE und § 348 Abs. 1 Ziff. 4 UGB-KomE ist ein ehemaliger Grundeigentümer nur zustandsverantwortlich, wenn die Gefahr während seines Eigentums entstanden war. Laut Professorenentwurf soll hingegen bereits eine mutmaßliche Entstehung in dieser Zeit ausreichen.20 Nach der Begründung zum Kommissionsentwurf21 soll hierdurch verhindert werden, daß ein Eigentümer, der die Gefahrentstehung durch Überlassung des Grundstücks zu einer risikoreichen Nutzung mitverursacht hat, sich durch Veräußerung des Grundstücks seiner Verantwortlichkeit entledigen kann.

II. Zustandsverantwortlichkeit bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks Nach § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG und § 20 Abs. 1 Ziff. 5 ThürAbfAltG hing die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers hingegen nicht davon ab, daß die Bodenkontamination während seines Eigentums entstanden

___________ 20 Vgl. Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Besonderer Teil, S. 624. 21 Vgl. die Begründung zu § 348 Abs. 1 Ziff. 4 UBG-KomE, in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission, S. 1034.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

war.22 Der frühere Eigentümer haftete auch dann, wenn er seinerzeit ein kontaminiertes Grundstück erworben hatte. Nach § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG galt dies allerdings nur, wenn er bei Erwerb bösgläubig gewesen ist. Anders als die unter Kapitel 9 dargestellten Regelungen knüpfen die § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG und § 20 Abs. 1 Ziff. 5 ThürAbfAltG nicht allein an die Gefahrentstehung an. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit sollte vielmehr verhindern, daß sich der Eigentümer seiner Zustandsverantwortlichkeit durch Übertragung seines Eigentums entzieht.

III. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen Das Berliner Bodenschutzgesetz, das Hessische Altlastengesetz und das Thüringische Abfall- und Altlastengesetz sowie der Kommissionsentwurf schränkten die Zustandsverantwortlichkeit ein, wenn sich der ehemalige Grundstückseigentümer in einer Opferposition befand. Sie schlugen hierbei allerdings verschiedene Wege ein.

1. Ausübung der Sachherrschaft gegen den Willen des Eigentümers Nach § 20 Abs. 1 Ziff. 5 ThürAbfAltG entfiel die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers, wenn der Gewalthaber die Sachherrschaft im Zeitpunkt der Gefahrentstehung gegen den Willen des Grundeigentümers ausgeübt hat (vgl. auch § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG). Der thüringische Gesetzgeber wollte hierdurch ehemalige Grundeigentümer von der Zustandshaftung freistellen, deren Grundstücke in der DDR gegen ihren Willen vom Staat genutzt worden waren.23 Praktische Bedeutung erlangte diese Regelung bei faktischen

___________ 22 Kothe, DÖV 1994, 716 (724); Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 73; Bickel, Hessisches Altlastengesetz, 2. Aufl., 1996, § 12 Rn. 30. Demgegenüber tritt Lehmann, Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, § 20 Rn. 6 für eine einschränkende Auslegung ein. Maßgebend sei ihrzufolge, ob die Bodenkontaminationen während des Eigentums entstanden sei. 23 Vgl. VG Gera, NuR 1998, 501 (502); Lehmann, Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, § 20 Rn. 7.

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

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Enteignungen im Zusammenhang mit der Einbringung in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften.24

2. Gutgläubige Veräußerung § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG und § 13 Abs. 4 BlnBodSchG stellten den ehemaligen Grundeigentümer von der Zustandsverantwortlichkeit frei, wenn ihm die Bodenverunreinigung zur Zeit seines Eigentums weder bekannt war noch bekannt sein mußte. Die Freistellung wurde damit begründet, daß sich ein Grundeigentümer, der bei Veräußerung des kontaminierten Grundstücks gutgläubig sei, nicht der Zustandshaftung entziehen wolle. Dasselbe Ziel verfolgt § 348 Abs. 6 S. 3 UGB-KomE. Danach soll die Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus nur fortbestehen, wenn der Alteigentümer bei der Veräußerung von der Bodenkontamination wußte oder wissen mußte und er das Grundstück einem Erwerber überträgt, der erkennbar nicht zur Tragung der Sanierungskosten in der Lage ist. Seine Bösgläubigkeit wird unwiderlegbar vermutet, wenn er das Grundstück nach einer mit öffentlichen Mitteln erfolgten Sanierung zurückerwirbt. Anders als § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG und § 13 Abs. 4 BlnBodSchG will § 348 Abs. 6 S. 3 UGB-KomE nicht die Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit als solche vereiteln, weil mit dem Erwerber grundsätzlich ein neuer Zustandsstörer zur Sanierung verpflichtet werden könne. Ziel des § 348 Abs. 6 S. 3 UGB-KomE ist es vielmehr, die rechtsmißbräuchliche Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit durch Veräußerung des kontaminierten Grundstücks an eine weitgehend vermögenslose Person zu verhindern, weil die Sanierungskosten hierdurch auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.25 Erwirbt der Alteigentümer das Grundstück nach einer mit öffentlichen Mitteln durchgeführten Sanierung zurück, so kann er zu den Sanierungskosten herangezogen werden, weil die Veräußerung ein rechtsmißbräuchliches Strohmann-Geschäft gewesen sei.

___________ 24

Vgl. Lehmann, ebendort. Vgl. die Begründung zu § 348 Abs. 6 in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission, S. 1038. 25

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

3. Fehlende Mitwirkung an der Gefahrentstehung Eine weitere Haftungsfreistellung sieht der Kommissionsentwurf in § 348 Abs. 4 UGB- KomE vor. Danach soll die Zustandshaftung des ehemaligen Grundeigentümers entfallen, wenn eine Mitverursachung der Bodenverunreinigung ausgeschlossen ist. Erstmals wird damit die Zustandsverantwortlichkeit von einer Mitwirkung26 an der Gefahrentstehung abhängig gemacht.27 Nach der Entwurfsbegründung28 ist unter einer Mitverursachung keine die Verhaltensverantwortlichkeit auslösende unmittelbare Verursachung, sondern eine Mitwirkung unterhalb der Schwelle der unmittelbaren Verursachung zu verstehen. Der Kommissionsentwurf hat hierbei Fälle vor Augen, in denen der Grundeigentümer sein Grundstück vermietet oder verpachtet und dabei duldet, daß der Mieter oder der Pächter das Grundstück durch die Nutzung als Deponie, Fabrik oder Tankstelle Umweltrisiken aussetzt.29 Setze der Eigentümer sein Grundstück Umweltrisiken aus, so könne er die Kosten der Gefahrenabwehr nicht auf die Allgemeinheit abwälzen.30 § 348 Abs. 4 UGB-KomE stellt den ehemaligen Grundeigentümer dann von der Zustandsverantwortlichkeit frei, wenn sich in der Bodenkontamination keine mit der konkreten Nutzung des Grundstücks verbundene Gefahr verwirklicht hat. Der frühere Grundeigentümer soll insbesondere bei Tankwagenunfällen und anderen Gefahren, die von außen auf das Grundstück einwirken, nicht zur Sanierung verpflichtet werden können.

IV. Stellungnahme Die Einführung einer Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers ist zu begrüßen. Die Zustandsverantwortlichkeit knüpft nach hier vertretener Ansicht an die Mitwirkung bei der Gefahrentstehung bzw. an die Inkaufnahme der Gefahr bei Erwerb des Grundstücks an, so daß die Zurechnung nicht mit ___________ 26 Anerkannt ist, daß die Mitverursachung der Gefahr genügt, um die Verantwortlichkeit zu begründen; vgl. nur OVG Lüneburg, NJW 1998, 97 (98); VGH Mannheim, NuR 2001, 460. 27 Vgl. eingehend unter 7. Kap. D. II. 1. 28 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission, S. 1034. 29 Ebendort. 30 Zustimmend OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); OVG Lüneburg, NuR 1990, 480 (481); Schink, DVBl. 1986, 161 (170); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Kloepfer, UTR 1 (1986), 17 (44); NVwZ 1987, 7 (17); Mehlich, BWVP 1991, 269 (271); Spilok, Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg, § 10 Rn. 3.

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

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dem Verlust des Eigentums entfällt.31 § 348 Abs. 6 S. 3 UGB-KomE macht die Zustandsverantwortlichkeit des ehemaligen Eigentümers zu Recht von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung abhängig. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum der Kommissionsentwurf nicht auch beim gegenwärtigen Grundeigentümer für die Zurechnung voraussetzt, daß er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat. Erkennt man eine Zustandsverantwortlichkeit des ehemaligen Eigentümers an, so läßt sich das hergebrachte Verständnis von der Zustandshaftung als Ausfluß der Einwirkungs- und Nutzungsmöglichkeit nicht mehr aufrechterhalten, weil diese mit dem Eigentumsverlust entfallen. Die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers muß daher auf eine andere Grundlage gestellt werden. Hiervor scheuten allerdings sowohl die Landesaltlastengesetze als auch die Entwürfe zu einem Umweltgesetzbuch zurück. Dies führt zu dogmatischen Brüchen, weil die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers nicht als Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus verstanden wird. Auch für die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers lassen diese Regelungen kein dogmatisch tragfähiges Konzept erkennen. Abzulehnen ist der Ansatz, die Einstandspflicht des früheren Eigentümers mit der Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit zu begründen. Der Umstand, daß der ehemalige Eigentümer bei Veräußerung des Grundstücks von der Bodenkontamination wußte oder wissen mußte, stellt keinen hinreichenden Zurechnungsgrund dar. Die Zurechnung einer Gefahr kann – wie dargelegt32 – nicht damit begründet werden, daß anderenfalls die Allgemeinheit die Kosten tragen müßte. Die Zurechnung kann nur mit einer persönlichen Verantwortung für die Gefahrentstehung oder mit einer bewußten Inkaufnahme der Kontamination begründet werden. Fehlt es hieran – wie in den Fremdeinwirkungsfällen oder beim gutgläubigen Erwerb – so kann keine Rede davon sein, daß sich der Eigentümer durch die Veräußerung des kontaminierten Grundstücks rechtsmißbräuchlich seiner Verantwortlichkeit entzieht. Rechnet man hingegen dem gegenwärtigen Eigentümer nach dem hier vertretenen Ansatz die Gefahr persönlich zu – sei es wegen einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder einer Inkaufnahme des Risikos – so ergibt sich hieraus ohne weiteres, daß die Zustandsverantwortlichkeit auch bei Eigentumsaufgabe oder sonstigem Eigentumsverlust (insbesondere einer Veräußerung) fortbesteht. Die Zustandsverantwortlichkeit knüpft dann nämlich nur bei ihrer Entstehung, nicht aber für ihren Fortbestand an die Rechtsstellung als Eigentümer bzw. Erwerber an. Eigentlicher Zurechnungsgrund ist dann vielmehr ein ___________ 31 32

Vgl. die eingehende Darstellung unter 12. Kap. E. VIII. Vgl. die Darstellung unter 7. Kap. B.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

mit der Eigentümerstellung bzw. dem Eigentumserwerb verbundenes persönliches Verhalten, nämlich die Überlassung des Grundstücks zu einer umweltgefährdenden Tätigkeit bzw. dem bösgläubigen Erwerb eines kontaminierten Grundstücks. So wie die Verhaltensverantwortlichkeit eines sog. Doppelstörers nicht endet, weil dieser das Eigentum an der Sache verliert, so endet auch die beschriebene persönliche Zurechnung beim Zustandsstörer nicht durch Eigentumsverlust.

D. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft § 13 Abs. 4 BlnBodSchG sah neben der Zustandsverantwortlichkeit des ehemaligen Grundeigentümers auch eine Einstandspflicht des ehemaligen Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft vor, sofern die Bodenbelastung in der Zeit seines Besitzes entstanden war. Eine entsprechende Regelung schlägt § 348 Abs. 1 Ziff. 3 UGB-KomE vor. § 13 Abs. 4 BlnBodSchG nahm den ehemaligen Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft allerdings dann von der Zustandsverantwortlichkeit aus, wenn ihm die Bodenverunreinigung zur Zeit seines Besitzes weder bekannt war noch bekannt sein mußte. In diesem Fall sei die Aufgabe des Besitzes nicht als rechtsmißbräuchlich anzusehen. Ein anderer Ansatz liegt der Haftungsfreistellung nach § 348 Abs. 4 UGBKomE zugrunde. Danach müsse sich der ehemalige Gewalthaber nur solche Bodenbelastungen zurechnen lassen, die er mitverursacht habe. Seine Zustandshaftung entfalle, wenn er den Nachweis erbringe, nicht durch ein Tun, Dulden oder Unterlassen an der Entstehung der Bodenkontamination mitgewirkt zu haben. Keine Zustandsverantwortlichkeit besteht daher bei von außen auf das Grundstück einwirkenden Schadensereignissen, durch die der Gewalthaber – wie in den Tankwagenfällen33 – zufälliges Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten geworden sei. Der Kommissionsentwurf rechnet dem früheren Gewalthaber hingegen solche Gefahren zu, deren Entstehung er geduldet habe, weil er einem Dritten z. B. die Ablagerung von Abfällen gestattet habe.34

___________ 33 Zu Gefahren, die von verunglückten Tankwagen ausgehen, vgl. nur BVerwG, ZfW 1974, 296; OVG Münster, OVGE 19, 101; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294. 34 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch: Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission, S. 1036.

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

261

Die Erweiterung des Kreises der Zustandsstörer um den ehemaligen Gewalthaber ist zu begrüßen. Da die Zurechnung an ein Verhalten des Gewalthabers anknüpft, entfällt sie nicht mit der Aufgabe des Besitzes. § 348 Abs. 4 UGBKomE macht den Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit zu Recht von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung abhängig. Hat er als Pächter einem Dritten die Ablagerung von Müll auf dem Grundstück gestattet, so hat er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt. Ihm kann die Gefahr daher ebenso wie einem früheren Eigentümer zugerechnet werden.

E. Verselbständigung der Duldungspflicht Sämtliche Landesaltlastengesetze35 sowie § 350 UGB-KomE verselbständigen die Duldungspflicht des Grundeigentümers und sonstiger Berechtigter (wie z. B. des Gewalthabers, des Nießbrauchers oder des Erbbauberechtigten). Diese müssen auch dann das Betreten des Grundstücks sowie die Vornahme von Gefahrerforschungs- und Sanierungsmaßnahmen dulden, wenn sie – etwa weil sie das Grundstück gutgläubig erworben haben – nicht als Zustandsstörer zur Sanierung herangezogen werden können. Die Verselbständigung der Duldungspflicht ist aus den bereits dargelegten Gründen zu begrüßen.36 Zu bedauern ist allerdings, daß mit der Duldungspflicht nicht auch die Unterlassungspflicht verselbständigt worden ist. Auch sie belastet den Eigentümer regelmäßig weniger als eine Sanierungspflicht.

F. Einführung einer Wertausgleichspflicht Die Landesaltlastengesetze haben mit der Wertausgleichspflicht die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit um eine neue Rechtsfigur bereichert.37 Etwa die Hälfte der Landesaltlastengesetze sah eine Wertausgleichspflicht ___________ 35 Vgl. § 7 Abs. 3 BWBodSchG, Art. 28 Abs. 2 BayAbfAltG, § 12 Abs. 2 BlnBodSchG, § 34 Abs. 1 BbgAbfG, § 13 Abs. 2 BremAGAbfG, § 10 Abs. 2 HmbAGAbfG, § 6 HAltlastG, § 19 Abs. 2 NdsAbfG, § 31 a Abs. 1 NRWAbfG, § 37 Abs. 2 SaarlAWG, § 10 Abs. 4 SächsEGAB und § 17 Abs. 2 S. 3 ThürAbfAltG. Diese Regelungen sind nicht durch das Bundes-Bodenschutzgesetz verdrängt worden; vgl. § 9 Abs. 2 S. 3 BBodSchG sowie Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 9 Rn. 22. 36 Vgl. unter 4. Kap. E. 37 Pape, NJW 1992, 2661 (2666); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 156.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

vor.38 Auch § 353 UGB-KomE befürwortet sie. Der Wertausgleichspflicht liegt die Überlegung zugrunde, daß jede nicht von dem Grundeigentümer finanzierte Sanierung den Grundeigentümer bereichert, weil sie den Verkehrswert des Grundstücks erhöht.39 Die Wertausgleichspflicht soll eine Abschöpfung der Bereicherung ermöglichen.40 Im einzelnen wichen die Regelungen zur Wertausgleichspflicht nicht unerheblich voneinander ab.

I. Schuldner des Wertausgleichsanspruchs Nach der Mehrzahl der Landesaltlastengesetze41 sowie nach § 353 UGBKomE war allein der Grundeigentümer zur Zahlung des Wertausgleichs verpflichtet. Nach Art. 68 a Abs. 4 BayWG konnten allerdings neben dem Grundeigentümer auch sonstige dinglich Berechtigte zum Ausgleich ihres sanierungsbedingten Vorteils herangezogen werden. 42 Gedacht war hierbei insbesondere an Grundschuldinhaber und an Hypothekare, deren zunächst wertlose Sicherheiten durch die Sanierung wieder werthaltig wurden.43 § 32 RhPfAbfG zog den Kreis der Schuldner noch weiter. Ausgleichspflichtig waren danach sämtliche Personen, die aus der mit fremden Mitteln erfolgten Sanierung einen Vorteil gezogen haben. Neben dem Grundeigentümer und anderen dinglich Berechtigten (wie z. B. Erbbauberechtigten, Nießbrauchern, Grundschuldinhabern und Hypothekaren) konnte auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt zum Wertausgleich verpflichtet werden. Der Vorteil des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft bemaß sich nach dem Wertzuwachs, den sein Nutzungsrecht durch die Sanierung erfahren hat. ___________ 38 Art. 68 a BayWG, § 18 BlnBodSchG, § 13 Abs. 4 BremAGAbfG, § 16 HAltastG, § 19 d NdsAbfG, § 33 NRWAbfG, § 32 RhPfAbfG, § 22 ThürAbfAltG sowie § 353 UGB-KomE. 39 Knopp/Manner, in: Drost (Hrsg.), Das Wasserrecht in Bayern, Art. 68 a BayWG Rn. 41, Stand: März 1995. 40 Vgl. generell zur Vereinbarkeit der Abschöpfung von Wertsteigerungen des Grundstücks mit Art. 14 GG Brenner, DVBl. 1993, 291 (297). 41 §18 BlnBodSchG, § 35 BbgAbfG, § 13 Abs. 4 BremAGAbfG, § 16 HAltlastG, § 19 d NdsAbfG, § 33 Abs. 2 NRWAbfG und § 22 ThürAbfAltG. 42 Vgl. im einzelnen Knopp/Manner, in: Drost (Hrsg.), Das Wasserrecht in Bayern, Art. 68 a BayWG Rn. 41 ff., Stand: März 1995 und Dahme, in: Seidler/Zeitler/ Dahme/Knopp/Gössl, Bayerisches Wassergesetz, Band 1, Art. 68 a Rn. 47, Stand: August 1995. Für nicht durch Bodenkontaminationen verursachte Gewässerverunreinigungen ist Art. 68 a Abs. 4 BayWG auch nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes anwendbar. 43 Vgl. Dahme, in: Siedler/Zeitler/Dahme/Knopp/Gössl, Bayerisches Wassergesetz, Band 1, Art. 68a Rn. 47, Stand: August 1995.

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

263

II. Gläubiger des Wertausgleichsanspruchs Nach den meisten Landesaltlastengesetzen44 konnte allein die öffentliche Hand oder der für sie handelnde Sanierungsträger 45 einen Wertausgleich verlangen. Demgegenüber sahen § 18 BlnBodSchG, § 22 ThürAbfAltG und § 353 UGB-KomE vor, daß jeder, der durch Sanierungsmaßnahmen den Wert des Grundstücks erhöht hat, einen Wertausgleich fordern konnte, so daß auch andere Störer Gläubiger des Wertausgleichsanspruchs sein konnten. Nach § 18 Abs. 1 S. 3 2. HS BlnBodSchG war der Wertausgleich allerdings ausgeschlossen, wenn der Sanierende dem Eigentümer gegenüber zur Sanierung verpflichtet war. Hierdurch sollte verhindert werden, daß der Verursacher die Sanierung auf Kosten des Grundeigentümers durchführt.

III. Begrenzung der Wertausgleichspflicht in den Opferfällen Das Niedersächsische Abfallgesetz schränkte die Wertausgleichspflicht ein, wenn der Eigentümer seinerzeit ein bereits kontaminiertes Grundstück gutgläubig erworben hatte. Nach § 19d Abs. 3 NdsAbfG sollte der Ausgleichsbetrag in diesem Fall um denjenigen Betrag gekürzt werden, den der Erwerber im Vertrauen auf die Altlastenfreiheit für den Erwerb des Grundstücks aufgewandt hatte. Von dem Wertzuwachs waren daher der gezahlte Kaufpreis sowie Nebenkosten (wie z. B. Maklergebühren) abzuziehen. Im Regelfall kam dies einer Haftungsfreistellung gleich, weil der Kaufpreis Indiz für den Verkehrswert des Grundstücks ist.46 Eine (weitergehende) Berücksichtigung der Opferposition war darüber hinaus nach § 19d Abs. 4 NdsAbfG sowie nach § 16 Abs. 3 HAltlastG möglich. Danach konnte die Behörde im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten von der Festsetzung des Wertausgleichs absehen. 47 Eine un___________ 44 Art. 68 a BayWG, § 35 BbgAbfG, § 13 Abs. 4 BremAGAbfG, § 16 Abs. 1 HAltlastG, § 19 d Abs. 1 NdsAbfG, § 33 NRWAbfG und § 32 RhPfAbfG. 45 Wie die Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern GmbH, deren Gesellschafter zu je 50 Prozent der Freistaat Bayern und die Gemeinschaftseinrichtung zur Altlastensanierung in Bayern e.V. sind. Letzterer setzt sich aus Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft zusammen; vgl. Knopp/Manner, in: Drost (Hrsg.), Das Wasserrecht in Bayern, Art. 68 a BayWG Rn. 39 und 41, Stand: März 1995. 46 Da durch den Wertausgleich nur sanierungsbedingte Wertsteigerungen abgeschöpft werden sollten, blieben sonstige Werterhöhungen unberücksichtigt. Dies betraf insbesondere erschließungs- und inflationsbedingte Werterhöhungen. 47 In § 35 BbgAbfG und § 22 ThürAbfAltG war ein Absehen von der Ausgleichspflicht zwar nicht ausdrücklich geregelt. Da die Festsetzung jedoch im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde stand, konnte sie den Grundeigentümer, der sich in einer Opfer-

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

billige Härte lag insbesondere dann vor, wenn der Grundeigentümer Opfer eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Schadensereignisses – wie z. B. bei Tankwagenunfällen – war.48

IV. Höhe der Wertausgleichspflicht Die Wertausgleichspflicht berechnete sich nach der Differenz zwischen dem Bodenwert des unsanierten Grundstücks (Anfangswert) und dem Bodenwert, der sich aufgrund der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeiten nach erfolgter Sanierung ergibt (Endwert). Außer Betracht blieben dabei Werterhöhungen, die nicht Folge der Sanierung sind, sondern z. B. auf einer Erhöhung der Grundstückspreise beruhen. Nach § 19d Abs. 1 NdsAbfG war die Wertausgleichspflicht auf die Höhe der tatsächlich aufgewandten Kosten begrenzt, weil der Sanierende aus der Sanierung keinen unberechtigten Vorteil ziehen soll.49

V. Öffentliche Last Mehr als der Hälfte der landesrechtlichen Wertausgleichsregelungen50 sahen vor, daß der Wertausgleichsanspruch als öffentliche Last51 auf dem Grundstück ruht. Bei einer öffentlichen Last handelt es sich um eine dingliche Sicherheit, die gemäß §§ 10 Abs. 1 Ziff. 3 und 7, 156 Abs. 1 ZVG allen anderen Grundstücksrechten im Rang vorgeht.52 Die öffentliche Last stellte damit sicher, daß sich die öffentliche Hand bei einer Zwangsversteigerung vorrangig vor anderen Grundpfandgläubigern aus dem Grundstück befriedigen konnte. Keine Absicherung durch eine öffentliche Last sahen § 35 BbgAbfG, § 13 Abs. 4 BremAGAbfG, § 33 NRWAbfG und § 32 RhPfAbfG vor. ___________ position befand, zur Vermeidung unbilliger Härten von der Wertausgleichspflicht freistellen; vgl. zu § 22 ThürAbfAltG Lehmann, Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, § 22 Rn. 1. 48 Lehmann, Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, § 22 Rn. 1. 49 Demgegenüber stellte § 13 Abs. 4 BremAGAbfG ausdrücklich klar, daß der Sanierende über die aufgewandten Kosten hinaus zum Ausgleich des Wertzuwachses verpflichtet sei. 50 Art. 68 a Abs. 4 S. 3 BayWG, § 18 Abs. 1 S. 4 BlnBodSchG, § 16 Abs. 4 S. 2 HAltlastG, § 19 d Abs. 5 NdsAbfG und § 22 S. 3 ThürAbfAltG; vgl. auch von Wilmowsky, JZ 1997, 817 (819 ff.). 51 von Wilmowsky, JZ 1997, 817 (820 f.); Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., 2001, Einf v § 854 Rn. 18. Eingehend hierzu unter 13. Kap. L. 52 Knopp/Manner, in: Drost (Hrsg.), Das Wasserrecht in Bayern, Band 1, Art. 68 a Rn. 48, Stand: März 1995; von Wilmowsky, JZ 1997, 817 (820 f.).

10. Kap.: Fortentwicklung in den Landesaltlastengesetzen

265

VI. Stellungnahme Die Wertausgleichspflicht geht über das herkömmliche Störerrecht hinaus. Sie dient nicht der Abwehr einer Gefahr, sondern der Refinanzierung der Sanierungskosten. Als Finanzierungsinstrument muß sich die Wertausgleichspflicht an gebührenrechtlichen Grundsätzen messen lassen. Auf die Vereinbarkeit der Wertausgleichspflicht mit dem Gebührenrecht ist weiter unten im Zusammenhang mit der Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG einzugehen.53 Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

G. Zusammenfassung Das Störerrecht der Polizeigesetze ist in den 80er und 90er Jahren durch die Landesaltlastengesetze fortentwickelt worden. Reformimpulse gehen auch von dem Professoren- und dem Kommissionsentwurf zu einem Umweltgesetzbuch aus. Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat nur einen Teil der Reformansätze aufgegriffen. § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG stellte den gutgläubigen Erwerber eines kontaminierten Grundstücks zu Recht von der Zustandsverantwortlichkeit frei, weil dieser die Gefahr nicht (billigend) in Kauf genommen hat. Keine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit sahen die Landesaltlastengesetze vor, wenn der Eigentümer Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist. Die Opferfälle lassen sich jedoch nur lösen, wenn auch insoweit eine Haftungsfreistellung erfolgt. Einige Landesaltlastengesetze sowie die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch haben die Zustandsverantwortlichkeit auf den früheren Eigentümer ausgedehnt. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit ist zu begrüßen, weil die Zurechnung der Gefahr nicht mit dem Verlust des Eigentums entfällt, wenn sie auf einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder einer Inkaufnahme der Gefahr beruht. Sämtliche Landesaltlastengesetze sowie § 350 UGB-KomE haben die Duldungspflicht verselbständigt. Dies hat zur Folge, daß ein Eigentümer auch dann zur Duldung der Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden kann, wenn er – wie in den Opferfällen – nicht zur Sanierung herangezogen werden kann.

___________ 53

Vgl. die eingehende Darstellung unter 13. Kap. N.

266

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Eine Reihe von Landesaltlastengesetzen hat das Störerrecht mit der Wertausgleichspflicht um eine neue Rechtsfigur bereichert. Die Wertausgleichspflicht beruht auf der Überlegung, daß der Eigentümer bereichert wird, wenn Dritte das Grundstück sanieren und hierdurch den Verkehrswert erhöhen. Mit der Wertausgleichspflicht soll diese Bereicherung abgeschöpft werden.

11. Kapitel

Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes Seit Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes am 1.3.1999 sind sämtliche Gefahren und Störungen des Bodens und des Grundwassers, die von einem Grundstück ausgehen, nach diesem Gesetz abzuwehren oder zu beseitigen. Das Herz des Bundes-Bodenschutzgesetzes bildet dessen Störerrecht.1 Dieses knüpft an die Störerregelungen der Landespolizeigesetze sowie der Landesaltlastengesetze an, geht jedoch zum Teil weiter und bleibt zum Teil dahinter zurück. Bevor in Kapitel 12 der Kreis der Zustandsstörer bzw. in Kapitel 13 die Wertausgleichspflicht eingehend untersucht werden, soll zunächst das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes dargestellt werden.

A. Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Sanierung Das Bundes-Bodenschutzgesetz differenziert zwischen der Gefahrenabwehrpflicht nach § 4 Abs. 2 und der Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 und 6. Eine Gefahrenabwehrpflicht besteht, wenn eine schädliche Bodenveränderung, eine Altlast oder eine hierdurch verursachte Verunreinigung eines Gewässers droht. Sind diese bereits eingetreten, so ist von einer Sanierungsverantwortlichkeit die Rede. Beide Pflichten bestehen kraft Gesetzes, ohne daß es einer behördlichen Anordnung bedarf.2 Der Gesetzgeber hat sich somit im Bundes-Bodenschutzgesetz für eine materielle Polizeipflicht entschieden.3

___________ 1 Zustimmend Martens, Der Syndikus 1998, 5 (6); Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 57; Riedel, ZIP 1999, 94 (97). 2 Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 3; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 3; Schink, DÖV 1999, 797 (798); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 2 Rn. 3. 3 Demgegenüber ist im Polizeirecht umstritten, ob die Gefahrenabwehrpflicht kraft Gesetzes (materielle Polizeipflicht) oder erst aufgrund einer polizeilichen Verfügung (formelle Polizeipflicht) entsteht. Vgl. nur Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 293; Oldiges, in: Oldiges (Hrsg.), Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz, S. 73 f.

268

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Ein Kerntopos des Bundes-Bodenschutzgesetzes ist der Begriff der „schädlichen Bodenveränderung“.4 Unter einer schädlichen Bodenveränderung sind nach § 2 Abs. 3 BBodSchG Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen zu verstehen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit werden die Begriffe „Bodenkontamination“ und „Bodenverunreinigung“ nachfolgend – der bisher gängigen Terminologie entsprechend – als Synonyme für den Terminus „schädliche Bodenveränderung“ verwendet. Wie Kohls5 zutreffend hervorgehoben hat, ist das Bundes-Bodenschutzgesetz in erster Linie ein Recht der Sanierung schädlicher Bodenveränderungen.6 Der Sanierung bereits eingetretener schädlicher Bodenveränderungen kommt in der Praxis aus zwei Gründen eine größere Bedeutung zu als der Abwehr drohender schädlicher Bodenveränderungen. Zum einen übersteigt die Zahl der Altlasten die der Neulasten. Zum anderen ist die Mehrzahl der Bodengefahren dadurch gekennzeichnet, daß sie innerhalb kürzester Zeit in eine Störung umschlagen. Dies gilt insbesondere bei Gefahren, die von flüssigen Gefahrstoffen (z. B. von Öl oder von Chemikalien) ausgehen. Sobald sie ins Erdreich eindringen, wird aus der Gefahr eine Störung.

I. Gefahrenabwehrpflicht gemäß § 4 Abs. 2 BBodSchG Nach § 4 Abs. 2 BBodSchG sind der Grundeigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt verpflichtet, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen. Dies setzt eine Sachlage voraus, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit durch das Grundstück eine schädliche Bodenveränderung hervorgerufen wird.7 Die Gefahrenabwehrpflicht besteht nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig davon, wie die Gefahr entstanden ist. Nicht erforderlich ist, daß der Grundeigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt die Gefahr verursacht oder verschuldet hat. Der Eigentümer oder der Gewalthaber sind auch dann zur Abwehr der Gefahr verpflichtet, wenn sie durch Naturereignisse oder Fremdeinwirkung Dritter verursacht worden ist. ___________ 4

Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 51. Ebendort, S. 51. 6 Zustimmend Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 20. 7 Vgl. nur die Definition einer konkreten Gefahr in § 2 Ziff. 1 lit. a) NGefAG. 5

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

269

Eine wesentliche Einschränkung erfährt § 4 Abs. 2 BBodSchG dadurch, daß die Gefahr von dem Grundstück ausgehen muß. Damit wird die überwiegende Zahl der drohenden Gefahren aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen. Nicht von dem Grundstück gehen solche Gefahren aus, die von einer beweglichen Sache herrühren.8 § 4 Abs. 2 BBodSchG erfaßt daher keine Gefahren, die von Gefahrstoffen wie Öl oder Chemikalien ausgehen. Gehen etwa von auf dem Grundstück gelagerten Chemikalien Gefahren für den Boden aus, weil sie in das Erdreich einzudringen drohen, so muß die Behörde ihre Verfügung auf die polizeiliche Generalklausel stützen. Unmittelbar von einem Grundstück gehen Gefahren durch Erosion oder durch Steinschlag aus.9 In der Praxis bedeutsamer sind allerdings Gefahren durch Gebäude oder Anlagen, die mit dem Grundstück fest verbunden sind. Da sie als wesentliche Bestandteile gemäß §§ 93 f. BGB Teil des Grundstücks im Rechtssinne sind, handelt es sich nach herrschender Meinung10 um von dem Grundstück ausgehende Gefahren. Der Grundeigentümer ist nach § 4 Abs. 2 BBodSchG etwa dann zur Gefahrenabwehr verpflichtet, wenn aus einer korrosiven Rohrleitung Gefahrstoffe in den Boden auszulaufen drohen.11 Der Eigentümer ist in diesem Fall verpflichtet, die korrosive Rohrleitung zu reparieren oder durch eine neue zu ersetzen. Bis dahin hat er die Durchleitung von Gefahrstoffen zu unterlassen.

II. Sanierungsverantwortlichkeit gemäß § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG Die Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG hat in der Praxis eine weit größere Bedeutung als die Gefahrenabwehrpflicht. Sie entsteht, wenn bereits eine schädliche Bodenveränderung, eine Altlast 12 oder eine hierdurch verursachte Gewässerverunreinigung13 eingetreten ist.14 Ziel der ___________ 8 Widersprüchlich insoweit die Kommentierung bei Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 2 Rn. 16 einerseits und Rn. 70 andererseits. 9 Ebendort, § 4 Abs. 2 Rn. 4. 10 Vgl. nur Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 86; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 2 Rn. 5. 11 Vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/6701, S. 34 sowie Hilger, ebendort, § 4 Rn. 86; Kobes, NVwZ 1998, 786 (789); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 2 Rn. 4. 12 Nach § 2 Abs. 5 BBodSchG handelt es sich bei Altlasten um Altablagerungen und Altstandorte, durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. 13 § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG regelt allein das „Ob“ der Grundwassersanierung. Die Maßstäbe für die Sanierung sind hingegen gemäß § 4 Abs. 4 S. 3 BBodSchG dem Landeswasserrecht zu entnehmen, weil der Bund nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 Ziff. 4 GG für den

270

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Sanierung ist die Verhinderung oder die Beseitigung von dauerhaften Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen und die Allgemeinheit. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 7 BBodSchG sind zur Sanierung je nach den Umständen des Einzelfalles Dekontaminations-, Sicherungs- oder sonstige Maßnahmen zur Beseitigung oder Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens zu ergreifen.15 Sanierungsverantwortlich gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG sind als Verhaltensstörer der Verursacher sowie sein Gesamtrechtsnachfolger. Zustandsverantwortlich sind nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG der gegenwärtige und der frühere Grundeigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, der Derelinquent sowie der nach Handels- oder Gesellschaftsrecht Einstandspflichtige. Auf die Zustandsstörer wird im folgenden Abschnitt ausführlich eingegangen. § 4 Abs. 3 BBodSchG knüpft an die im Polizeirecht entwickelte Zustandsverantwortlichkeit an. Für die Zustandshaftung ist ohne Bedeutung, wie der gefährliche Zustand des Grundstücks entstanden ist. Die Zustandsstörer haben nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG auch für Gefahren einzustehen, die durch Naturereignisse oder Fremdeinwirkungen hervorgerufen worden sind. Ansätze zur Lösung der Opferfälle finden sich allein in § 4 Abs. 6 BBodSchG für den früheren Grundeigentümer. 16 Demgegenüber sah § 26 Abs. 2 des Regierungsentwurfs zum Bundes-Bodenschutzgesetz eine Begrenzung der Kostenlast des gutgläubigen Erwerbers vor.17 Grundeigentümer, welche die Bodenkontamination weder verursacht haben noch bei Erwerb Kenntnis von ihr hatten oder haben konnten, sollten danach insoweit von den Sanierungskosten freigestellt werden, als die Kosten die Nutzung des Grundstücks mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ausschließen.18 Diese Haftungsfreistellung ist allerdings im Vermittlungsausschuß ersatzlos gestrichen worden.19 Wie sich den Gesetzesmaterialien20 entnehmen läßt, hat der ___________ Wasserhaushalt nur Rahmenvorschriften erlassen kann; vgl. Hilger, in: Holzwarth/ Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 118; Oerder, in: Oerder/Numberger/ Schönfeld, § 4 Rn. 36 und 46; Schink, DÖV 1999, 797 (806). 14 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 1. 15 Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. die Kommentierungen von Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 120 ff. und von Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 23 ff. 16 Vgl. die Darstellung unter 12. Kap. E. VII. 17 BT-Drucks. 13/6701, S. 46. 18 Ähnlich lautete auch die Empfehlung des Vermittlungsausschusses; vgl. BTDrucks. 13/9637. 19 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 2 Rn. 25. 20 So verweist die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 13/6701, S. 46, ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.1990, NVwZ

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Gesetzgeber es der Rechtsprechung und der Literatur überlassen, die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit zu bestimmen.21

B. Wertausgleichspflicht gemäß § 25 BBodSchG Nach dem Vorbild einiger Landesaltlastengesetze22 hat das BundesBodenschutzgesetz in § 25 BBodSchG eine Wertausgleichspflicht eingeführt und damit das Störerrecht bundesweit um ein neues Rechtsinstitut erweitert. Saniert die öffentliche Hand ein kontaminiertes Grundstück mit öffentlichen Mitteln, so kann sie bei dem Grundeigentümer, der hiervon profitiert, den sanierungsbedingten Wertzuwachs abschöpfen. Die Wertausgleichspflicht wird im Abschnitt M eingehend untersucht.

C. Kostentragung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG stellt klar, daß die Sanierungsverantwortlichen die Kosten der angeordneten Maßnahmen23 zu tragen. Der Anwendungsbereich der Norm ist allerdings von vornherein auf Sanierungsmaßnahmen begrenzt, die aufgrund einer behördlichen Anordnung durchgeführt werden.24 Saniert ein Sanierungsverantwortlicher sein Grundstück ohne vorherige Sanierungsverfügung, so hat er die Kosten schon deshalb zu tragen, weil ihm das Gesetz keine Rückgriffsmöglichkeiten gegen den Staat eröffnet.25 Ihm stehen jedoch unter Umständen Regreßansprüche gegen andere Störer zu.26 Bedeutung erlangt § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG in Fällen, in denen die Behörde von einem Sanierungsverantwortlichen nach unmittelbarer Ausführung oder Ersatzvornahme Erstat-

___________ 1991, 475, in dem das Gericht eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers für möglich erachtet; vgl. die Darstellung der Entscheidung unter 8. Kap. D. I. 2. 21 Zustimmend Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 2 Rn. 25. 22 § 18 BlnBodSchG, § 35 BbgAbfG, § 13 Abs. 4 BremAGAbfG, § 16 Abs. 3 HAltlastG, § 33 NRWAbfG, § 32 RhPfAbfG und § 22 S. 1 ThürAbfAltG. 23 Zu den in Betracht kommenden Maßnahmen vgl. nur Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 3. 24 Ebendort, § 24 Rn. 4. 25 Auch die Landespolizeigesetze räumen nur dem Nichtstörer Entschädigungsansprüche nach dem Vorbild des § 45 MEPolG ein. 26 Vgl. hierzu die eingehende Darstellung im Abschnitt E.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

tung der Kosten verlangt.27 Allerdings wird von Teilen des Schrifttums28 bestritten, daß § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG der Behörde überhaupt einen Kostenerstattungsanspruch bei unmittelbarer Ausführung oder einer Ersatzvornahme einräumen könne, weil im Bundes-Bodenschutzgesetz eine Ermächtigungsgrundlage für die unmittelbare Ausführung und für die Ersatzvornahme fehle.29 Diese müssen nach wie vor auf die jeweilige landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden.30 Folglich könne die Behörde auch die Kosten nur nach dem maßgebenden Polizei-, Vollstreckungs- oder Kostenrecht des Landes erstattet verlangen. § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG komme nach dieser Ansicht somit allein deklaratorische Bedeutung zu.31 Diese Argumentation überzeugt nicht. Aus dem Umstand, daß die Behörde eine Ersatzvornahme nur auf der Grundlage des Landesrechts vornehmen kann, folgt nicht zwingend, daß sich die Kostenerstattung ebenfalls nach dem Landesrecht richten müsse. Nach richtiger Ansicht32 kann die Behörde die Kosten somit bundeseinheitlich nach § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG erstattet verlangen. Die Frage, ob eine Kostenerstattung nach unmittelbarer Ausführung oder Ersatzvornahme auf § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG oder auf das Landesrecht gestützt werden muß, hat nicht nur akademische Bedeutung. Denn während nach dem Landesrecht der Adressat der angedrohten Ersatzvornahme Kostenschuldner ist, bestimmt § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG, daß die Kosten von dem zur Durchführung der Maßnahme Verpflichteten zu tragen sind. Als Kostenschuldner kommen damit sämtliche Sanierungsverantwortliche gemäß § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG in Betracht, weil sich die Verpflichtung – wie an anderer Stelle dargelegt33 – unabhängig von einer behördlichen Verfügung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.34 Das VG Schleswig35 hat daher zu Recht darauf hingewie___________ 27

Leistet der Sanierungsverantwortliche hingegen der Sanierungsanordnung Folge, so ist selbstverständlich kein Raum für einen Kostenanspruch der Behörde. 28 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 8; Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 1; Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 2; Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (414). 29 Nach § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG kann die Behörde zwar gegenüber einem Sanierungsverantwortlichen eine Sanierungsanordnung erlassen. Eine Ermächtigungsgrundlage für Vollstreckungsmaßnahmen (d.h. für eine Ersatzvornahme) fehlt im BundesBodenschutzgesetz jedoch. 30 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 8. 31 Zustimmend Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 1. 32 Queitsch, Bundes-Bodenschutzgesetz, 2. Aufl., 1999, Rn. 170; Frenz, BundesBodenschutzgesetz, § 25, Rn. 16. Offengelassen von VGH München, Beschluß vom 14.8.2003 – 22 ZB 03.161 und VG Schleswig, Urteil vom 14.6.2004, Az. 14 A 344/02 (jeweils unveröffentlicht). 33 Vgl. die Darstellung im Abschnitt A. 34 VG Schleswig, Urteil vom 14.6.2004, Az. 14 A 344/02 (unveröffentlicht); Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 1.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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sen, daß der Adressat der durch Ersatzvornahme vollstreckten Verfügung nicht notwendigerweise von der Behörde zur Kostenerstattung herangezogen werden muß. Die Behörde kann selbst dann einen anderen Sanierungsverantwortlichen zu den Kosten heranziehen, wenn diesem die Ersatzvornahme nicht vorher angedroht worden sei.36 Der wesentliche Unterschied zu den landesrechtlichen Bestimmungen besteht jedoch darin, daß die Behörde nach erfolgter Ersatzvornahme eine erneute Ermessensentscheidung über die Inanspruchnahme eines Sanierungsverantwortlichen zu den Kosten treffen muß.37 Da es hierbei im Unterschied zur Gefahrenabwehrmaßnahme allein um die Kostenverteilung geht, hat die Behörde ihre Entscheidung am Verursacherprinzip sowie am Gebot der gerechten Lastenverteilung auszurichten. Da die Behörde bei ihrer Kostenentscheidung nicht unter Zeitdruck steht, hat sie ggf. den Sachverhalt weiter aufzuklären und hierbei insbesondere der Frage nachzugehen, ob anstelle des Eigentümers Verhaltensstörer zu den Kosten herangezogen werden können. Geht die Behörde Anhaltspunkten für das Vorhandensein eines Verhaltensstörers oder die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen diesen nicht nach, so erweist sich die Verpflichtung eines Zustandsstörers zu den Kosten wegen Ermessensnichtgebrauchs als rechtswidrig.38

D. Störerauswahl I. Bedeutung der Störerauswahl Neben dem vom Gesetzgeber festgelegten Kreis der Sanierungsverantwortlichen und den sich bei verfassungskonformer Auslegung ergebenden Grenzen der Inanspruchnahme von Zustandsstörern stellt die von der Verwaltungspraxis gehandhabte und von der Rechtsprechung gebilligte Störerauswahl die dritte bedeutsame Weichenstellung für die Frage dar, inwieweit das Störerrecht den Anforderungen des Verursacherprinzips und des Gebots der gerechten Lasten-

___________ 35

Urteil vom 14.6.2004, Az. 14 A 344/02 (unveröffentlicht). Ist ein Zustandsstörer Adressat des Kostenbescheids, so hat die Behörde die Höhe der festgesetzten Kosten nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000, BVerfGE 102, 1 (23) auf das individuell zumutbare Maß zu beschränken. 37 So zu Recht VG Schleswig, Urteil vom 14.6.2004, Az. 14 A 344/02 (unveröffentlicht). 38 Ebendort. 36

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

verteilung auf der einen Seite und des Gebots der effektiven Gefahrenabwehr auf der anderen Seite gerecht wird.39

II. Ausgangslage Im Zuge der Sanierung von Boden- oder Gewässerkontaminationen hat die Behörde in verschiedenen Verfahrensstadien wiederholt Entscheidungen über die Auswahl eines oder mehrerer Störer zu treffen. So wird die Behörde nach § 9 Abs. 2 BBodSchG beim Verdacht einer Bodenkontamination regelmäßig einen (potentiellen) Sanierungsverantwortlichen nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG zur Durchführung von Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung (sog. Bodenuntersuchungen) verpflichten. Ziel einer Bodenuntersuchung ist die Ermittlung, ob und in welchem Umfang eine Gefährdung besteht, um hieraus Rückschlüsse für etwaige zu ergreifende Maßnahmen zu ziehen. Einer ersten Untersuchung können dann weitere Detailuntersuchungen folgen. Bei festgestellten Grundwasserverunreinigungen werden vielfach Probebohrungen auf mehreren Grundstücken erforderlich sein, um überhaupt zu ermitteln, von welchem Grundstück die Kontamination ausgeht. Steht ein Grundstück als Kontaminationsquelle fest, so muß bei mehreren in Betracht kommenden Verursachungsherden (z. B. verschiedenen Anlagen auf einem Grundstück), untersucht werden, wovon die Gefahr ausgeht bzw. welcher von mehreren (z. B. zeitlich gestaffelten) Nutzern die Gefahr verursacht hat. Erst nach Abschluß all dieser Ermittlungen kommt, wenn nicht bei Gefahr in Verzug ein schnelleres Handeln geboten ist, eine Entscheidung der Behörde über die Heranziehung eines Störers zur Sanierung in Betracht. Bei all diesen Anordnungen auf der Primärebene hat die Behörde bei Vorliegen einer Störermehrheit Entscheidungen über die Auswahl eines Störers zu treffen. Kommt der herangezogene Störer der Anordnung nicht nach und vollstreckt die Behörde eine der genannten Anordnungen im Wege der Ersatzvornahme, so hat die Behörde – wie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt – für ihre jeweilige Kostenentscheidung nach § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG auf der Sekundärebene eine erneute, selbständige Störerauswahlentscheidung zu treffen.40 Bei der Störerauswahl hat die Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen, die gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann. ___________ 39

Zum Konkurrenzverhältnis des Gebots der effektiven Gefahrenabwehr und des Gebots der gerechten Lastenverteilung und dazu, wie ein Ausgleich zwischen beiden herzustellen ist, vgl. die Darstellung unter 4. Kap. E. 40 Vgl. hierzu VG Schleswig, Urteil vom 14.6.2004, Az. 14 A 344/02 (unveröffentlicht).

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Stellt die Behörde bei einem konkreten Störfall (z. B. einem Tankwagenunfall) Bodenverunreinigungen fest, so wird sie regelmäßig den Verursacher ermitteln können. Hingegen bereitet die Ermittlung des oder der Verursacher bei Altlasten häufig erhebliche Probleme. Altlastenfälle sind oft dadurch gekennzeichnet, daß ein kontaminiertes Grundstück über mehrere Jahrzehnte hintereinander von verschiedenen Personen – sei es den damaligen Eigentümern oder den Pächtern – zu Tätigkeiten genutzt worden ist, von denen die Kontamination ausgegangen sein könnte. Besonders schwierig erweist sich der Nachweis einer Verursachung, wenn mehrere Personen das Grundstück hintereinander in derselben Weise (z. B. als Tankstelle) genutzt haben.

III. Faktische vorrangige Heranziehung von Zustandsstörern Da die Behörde den Eigentümer eines kontaminierten Grundstücks ohne weiteres feststellen kann, die Ermittlung des Verursachers und der Nachweis seines Verursachungsbeitrags jedoch oftmals schwierig und aufwendig sind, kommt es in der Praxis häufig zu einer Inanspruchnahme des Zustandsstörers sowohl auf Primär- als auch auf Sekundärebene.41 Diese wird mit den vermeintlichen42 Erfordernissen einer effektiven Gefahrenabwehr begründet. Der Zustandsstörer wird darauf verwiesen, von dem letztverantwortlichen Verhaltensstörer nach § 24 Abs. 2 BBodSchG einen Ausgleich seiner Sanierungskosten zu verlangen.43 Damit wird dem Zustandsstörer aus vermeintlichen Gründen der effektiven Gefahrenabwehr das Risiko aufgebürdet, den Verursacher auch tatsächlich zu ermitteln und ihm die Verursachung nachzuweisen. Zugleich trägt er das finanzielle Risiko, daß von dem Verhaltensstörer überhaupt Ausgleich zu erlangen ist.

IV. Ausrichtung der Störerauswahl am Gebot der gerechten Lastenverteilung Die geschilderte Praxis widerspricht in eklatanter Weise den dem Störerrecht zugrunde liegenden Lastenverteilungsregelungen. Wie an anderer Stelle44 ein___________ 41 Vgl. aus der Rechtsprechung nur VGH Mannheim, NuR 2000, 333; VGH München, NVwZ 2001, 821 (822); BayVBl. 2002, 470; NVwZ-RR 2005, 466 (467); OVG Bremen, NuR 2004, 182 (183); VG Minden, AbfallR 2005, 89 sowie die Nachweise bei Becker, UPR 2004, 1 ff. und Schmitt/Leitzke, UPR 2006, 78 ff. 42 Vgl. hierzu die eingehende Darstellung unter 4. Kap. E. 43 Kritik hieran übt auch Becker, UPR 1 (3), Fn. 30. 44 Vgl. 4. Kap. E.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

gehend dargelegt, kommt dem Gebot der effektiven Gefahrenabwehr in den Umweltschadensfällen nur eine geringe Bedeutung zu.45 Daher kann die Behörde die Kostenentscheidung nie am Gebot der effektiven Gefahrenabwehr, sondern ausschließlich am Gebot der gerechten Lastenverteilung ausrichten. Dies gilt in den Umweltschadensfällen auch für die Inanspruchnahme auf der Primärebene, wenn der Herangezogene der Anordnung – wie dies regelmäßig der Fall ist – nicht selbst, sondern nur durch Beauftragung eines Spezialunternehmens Folge leisten kann, weil ihm das erforderliche Wissen oder die Gerätschaften fehlen. Dann geht es auch auf der Primärebene im Kern um eine Kostenentscheidung und gerade nicht um eine effektive Gefahrenabwehr. Die Beauftragung des Spezialunternehmens und dessen Überwachung stellen dann nur Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung dar. Bereitet die Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers tatsächliche Schwierigkeiten, z. B. weil ein Verursacher erst noch festgestellt oder sein Verursachungsbeitrag noch nachgewiesen werden muß, so kann die Behörde jederzeit selbst ein Spezialunternehmen mit der Maßnahme beauftragen und so für eine effektive Gefahrenabwehr sorgen. Für die anschließende Kostenfestsetzung bleibt der Behörde ausreichend Zeit, um den Sachverhalt hinreichend aufzuklären und dabei Anhaltspunkten für das Vorhandensein von Verhaltensstörern auf den Grund zu gehen.46 Einen Zustandsstörer vor Abschluß der hinreichenden Sachverhaltsaufklärung in Anspruch zu nehmen, heißt, ihm entgegen dem Amtsermittlungsgrundsatz die Nachweispflicht für das Vorhandensein vorrangig heranzuziehender Verhaltensstörer aufzubürden, wenn er einen Ausgleich nach § 24 Abs. 2 BBodSchG geltend machen möchte. Die Inanspruchnahme eines Zustandsstörers mit dem Hinweis auf das Erfordernis einer effektiven Gefahrenabwehr erweist sich daher in vielen Fällen als Bemühen, die öffentliche Hand von Kosten und aufwendigen Sachverhaltsermittlungen freizuhalten.47

___________ 45

Zustimmend Becker, UPR 2004, 1 (2). So jüngst auch VG Schleswig, Urteil vom 14.6.2004, Az. 14 A 344/02 (unveröffentlicht). 47 Vgl. hierzu etwa VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht), wo es heißt: Der Regelung des § 4 Abs. 3 BBodSchG „geht es vielmehr um einen schnellen und wirksamen Bodenschutz möglichst unter Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten. Im Sinne eines effektiven Bodenschutzes hat die Behörde Zugriff auf eine ohne große Schwierigkeiten ausfindig zu machende und leistungsfähige Person zu nehmen. Dies ist in der Regel der Grundstückseigentümer als Zustandsverantwortlicher“. 46

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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V. Störerauswahl nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz 1. Störerauswahl zwischen Verhaltens- und Zustandsstörern Der Gesetzgeber hat es versäumt, im Bundes-Bodenschutzgesetz eine ausdrückliche Regelung über die Auswahl des Sanierungsverantwortlichen bei einer Störermehrheit aufzunehmen. Dieses Versäumnis hat dazu geführt, daß die Störerauswahl zu einem der umstrittensten Problembereiche des gesamten Gesetzes geworden ist und daß die vom Gesetzgeber intendierte grundsätzliche vorrangige Inanspruchnahme des Verhaltensstörers von der inzwischen herrschenden Meinung ignoriert wird. Damit besteht die Gefahr, daß das ursprüngliche Anliegen des Gesetzes, bei der Störerauswahl die Stellung des Zustandsstörers gegenüber dem Verhaltensstörer zu verbessern, leerläuft bzw. gar in ihr Gegenteil verkehrt wird. 48 Die historische Auslegung ergibt, daß der Gesetzgeber sich grundsätzlich für eine vorrangige Inanspruchnahme des Verhaltensstörers ausgesprochen hat. So heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs: „Die in Absatz 3 festgelegte Reihenfolge der Verantwortlichen bestimmt im Regelfall auch die Rangfolge der Verantwortung“.49 § 4 Abs. 3 nennt den Verursacher und seinen Gesamtrechtsnachfolger vor den Zustandsstörern. Der Gesetzgeber hat damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er sich für einen grundsätzlichen Vorrang des Verhaltens- vor dem Zustandsverantwortlichen50 ausspricht.51 Allerdings gilt dieses Rangverhältnis nach dem Willen des Gesetzgebers nicht ausnahmslos. Ein Zustandsstörer kann ausweislich der Regierungsbegründung52 anstelle eines Verhaltensstörers zur Sanierung verpflichtet werden, wenn Gründe der effektiven Gefahrenabwehr dies erfordern. Wie an anderer Stelle53 eingehend dargelegt, ist diese Ausnahme eng auszulegen, weil die Abwehr oder Beseitigung von Boden- oder Gewässerverunreinigungen regelmäßig nur durch ein Spezialunternehmen möglich ist. Bei der Störerauswahl geht es dann letztlich nur um die Frage, welcher Störer die Kosten der Gefahrenabwehr zu tragen hat. Für diese Frage ist jedoch allein das Gebot der gerechten Lastenverteilung maßgebend. ___________ 48

Vgl. BT-Drucks. 13/6701, S. 35. BT-Drucks. 13/6701, S. 35. 50 Ist die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers auf eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht begrenzt, so ist er bei der Auswahl des Sanierungsverantwortlichen nicht zu berücksichtigen. 51 Zustimmend Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 9. 52 BT-Drucks. 13/6701, S. 35. 53 Vgl. unter 4. Kap. 49

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Der Gesetzgeber hat im Bundes-Bodenschutzgesetz erkennbar an die für die Störerauswahl im Allgemeinen Gefahrenabwehrrecht geltenden Grundsätze54 anknüpfen wollen, die von einer vorrangigen Verantwortlichkeit des Verhaltensstörers ausgehen, sofern eine Inanspruchnahme des Zustandsstörers nicht aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr geboten ist. 55 Dieser grundsätzliche Vorrang des Verhaltensstörers ist nicht nur Folge des Verursacherprinzips, sondern auch des Gebots der gerechten Lastenverteilung. 56 Die Rechtsprechung57 sowie die herrschende Meinung im Schrifttum58 folgen dem nicht, sondern sprechen sich für eine generelle Gleichrangigkeit des Verhaltens- und des Zustandsstörers im Bundes-Bodenschutzgesetz aus. Dies wird überwiegend damit begründet, daß nur so eine effektive Gefahrenabwehr möglich sei. Zum Teil wird auch darauf verwiesen, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.200059 keine vorrangige Inanspruchnahme des Verhaltensstörers gefordert habe. Hierbei wird jedoch verkannt, daß sich der grundsätzliche Vorrang des Verhaltensstörers bereits aus einfachem Recht ergibt, während sich die Aussage des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben bezieht. Ergänzend wird vereinzelt60 die Ansicht vertreten, eines Vorrangs des Verhaltensvor dem Zustandsstörer bedürfe es nach Einführung eines Ausgleichsanspruchs in § 24 Abs. 2 BBodSchG nicht mehr, weil der Zustandsstörer beim Verhal___________ 54 Vgl. hierzu OVG Hamburg, DVBl. 1953, 542; OVG Münster, JZ 1964, 367; DVBl. 1971, 828; 1973, 924; VGH Kassel, NJW 1984, 1368; OVG Lüneburg, NuR 1988, 151; NVwZ 1990, 786 (787); Ossenbühl, DÖV 1976, 463; Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 210 f.; Hohmann, DVBl. 1984, 997 (998); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 304 und S. 321; Leisner, UTR 12 (1990), 217 (231) sowie jüngst eingehend Becker, UPR 2004, 1 (1 f.). 55 Zustimmend Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 9. 56 Vgl. 4. Kap. A. und E. 57 Vgl. VGH München, NVwZ 2001, 821 (822); BayVBl. 2002, 470; NVwZ-RR 2005, 466 (467); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2003, 103; OVG Bremen, NuR 2004, 182 (183); VG Minden, AbfallR 2005, 89. 58 Vierhaus, NJW 1998, 1262; Erbguth/Stollmann, NuR 1999, 127 (131); Oerder, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 29 ff.; Riedel, ZIP 1999, 94 (99); Schink, DÖV 1999, 797 (801); Buck, NVwZ 2001, 51; Dombert, NJW 2001, 927 ff. a.A. Becker, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4, Rn. 34 ff.; derselbe, UPR 2004, 1 (2 f.). 59 BVerfGE 102, 1 ff. 60 OVG Bremen, NuR 2004, 182; VGH München, Beschluß vom 13.10.2004, Az. 22 CS 04.2489 (unveröffentlicht); VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht); Oerder, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, BundesBodenschutzgesetz, § 4 Rn. 33 unter Berufung auf die Entscheidung des VGH Kassel, NVwZ 1992, 1101; Knoche, GewArch 2000, 448 (454).

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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tensstörer Regreß nehmen könne.61 Dieser Ansicht ist entgegenzutreten.62 Sie hätte zur Folge, daß der Wille des Gesetzgebers, über den Ausgleichsanspruch die Stellung des Zustandsverantwortlichen zu stärken, in ihr Gegenteil verkehrt würde. Zustandsstörer könnten dann noch häufiger als bisher schon anstelle der letztverantwortlichen Verhaltenstörers zur Sanierung und Kostentragung verpflichtet werden. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs63 soll die Behörde jedoch im Regelfall den Verhaltensstörer vorrangig heranziehen. Nur in dem seltenen Ausnahmefall, daß eine Inanspruchnahme des Zustandsstörers aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr geboten ist, ist für den Ausgleichsanspruch Raum. Dann nämlich soll die Regreßmöglichkeit sicherstellen, daß der letztverantwortliche Verhaltensstörer am Ende die Kosten trägt. Würde hingegen aus einem Vorrang des Verhaltensstörers unter Verweis auf § 24 Abs. 2 BBodSchG ein Gleichrang oder gar ein faktischer Vorrang des Zustandsstörers, so könnte sich die Behörde auf elegante Weise ihrer Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts entledigen. Der Amtsermittlungsgrundsatz würde so in sein Gegenteil verkehrt. Denn statt der Behörde müßte nun der Zustandsstörer den Verursacher ermitteln und vor dem Zivilgericht die Tatbestandsvoraussetzung der Haftungsnorm darlegen und beweisen.64 Hierzu wird er häufig nicht in der Lage sein. Die vom Gesetzgeber geschaffene Regreßmöglichkeit für den Ausnahmefall einer Inanspruchnahme des Zustandsstörers würde so zum Regreßrisiko im Regelfall.65 Die Behörde hat daher bereits die Störerauswahl am Gebot der gerechten Lastenverteilung auszurichten, soweit ___________ 61 Der Ausgleichsanspruch wird sogleich im Abschnitt E. dargestellt. Nach § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG hängt der Ausgleichsanspruch vom jeweiligen Grad der Verursachung ab, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Dies führt dazu, daß der Zustandsstörer von dem Verhaltensstörer stets einen Ausgleich der Sanierungskosten verlangen kann. 62 Im Ergebnis zustimmend Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, BundesBodenschutzgesetz, § 24 Rn. 9; Wagner, BB 2000, 417 (426 f.); Jochum, NVwZ 2003, 526 (527). 63 BT-Drucks. 13/6701, S. 35. 64 Zustimmend Jochum, NVwZ 2003, 526 (527). Dies verkennt das VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht), wenn es ausführt: „Ungerechtigkeiten, die durch die Inanspruchnahme nur eines Verpflichteten gegebenenfalls entstehen können, sollen somit erst auf der Tertiärebene beseitigt werden. Die dadurch eingeräumte Regreßmöglichkeit mildert durch eine Inanspruchnahme auf der Primärebene etwa entstehende Härten dergestalt ab, daß die Heranziehung eines von mehreren zur Auswahl stehenden Pflichtigen wohl nur in besonders gelagerten Fällen nicht ermessensgerecht sein dürfte“. 65 Jochum, NVwZ 2003, 526 (527 f.), die allerdings verkennt, daß der Zustandsstörer stets das Ausfallrisiko des Verhaltensstörers trägt. Soweit der Verhaltensstörer nicht zur Tragung der finanziellen Lasten in der Lage ist, kann die Behörde subsidiär den Zustandsstörer in Anspruch nehmen, sofern dessen Verantwortlichkeit nicht auf eine Duldungspflicht beschränkt ist.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Effektivitätsgesichtspunkte dem nicht entgegenstehen.66 Ist die Verantwortlichkeit des Zustandsstörers in den Opferfällen auf eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht begrenzt, so muß die Behörde – wenn ein anderer Störer nicht herangezogen werden kann – die Sanierung selbst oder durch einen Beauftragten durchführen. Nichts anderes gilt auch beim Erlaß von Bodenuntersuchungen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG. Die in der Rechtsprechung67 vertretene Ansicht, daß bei Bodenuntersuchungen geringere Anforderungen an die Ermessensausübung bei der Störerauswahl gelten und die Behörde sich bei der Störerauswahl auf den Kreis der präsenten Störer beschränken könne, ist abzulehnen. Das Verursacherprinzip und das Gebot der gerechten Lastenverteilung werden nicht dadurch außer Kraft gesetzt, daß es sich bei Bodenuntersuchungen um bloße Aufklärungsmaßnahmen handelt, bei denen regelmäßig deutlich geringere Kosten entstehen als bei der Sanierung. Dies verkennt auch Frenz68, der sich bei Bodenuntersuchungen gar für eine vorrangige Inanspruchnahme des Grundeigentümers ausspricht.

2. Störerauswahl unter Zustandsstörern Aus der Reihenfolge, in der § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG die Störer aufzählt, läßt sich nur ein Rangverhältnis zwischen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichen entnehmen. Eine Rangfolge unter den Zustandsstörern ergibt sich hieraus nicht. Die Störerauswahl ist dann, wenn Erfordernisse der effektiven Gefahrenabwehr nicht ausnahmsweise etwas anderes gebieten, wie im Allgemeinen Gefahrenabwehrrecht am Gebot der gerechten Lastenverteilung auszurichten.

___________ 66

Nicht zu folgen ist der von Jochum, ebendort, vorgeschlagenen Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärebene; vgl. hierzu die eingehenden Ausführungen unter 4. Kap. E. sowie unter 8. Kap. C. III. 3. 67 VGH Mannheim, NuR 2003, 29; OVG Bremen, NuR 2004, 182 (183); VGH München, Beschluß vom 13.10.2004, Az. 22 CS 04.2489 (unveröffentlicht). 68 Bundes-Bodenschutzgesetz, § 9 Rn. 56.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

281

a) Berücksichtigung einer vertraglichen Lastenvereinbarung Bei der Störerauswahl zwischen Zustandsstörern ist in erster Linie auf eine vertraglich vereinbarte Lastenverteilung Rücksicht zu nehmen.69 Dies entspricht sowohl dem Gebot der gerechten Lastenverteilung als auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil durch die Heranziehung des zivilrechtlich Letztverantwortlichen die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG entbehrlich ist und damit der schonendste Grundrechtseingriff vorliegt.70 In seltenen Ausnahmefällen, in denen die effektive Gefahrenabwehr dies gebietet, kann die Behörde bei der Inanspruchnahme auf der Primärebene71 zivilrechtliche Vereinbarungen zur Lastenverteilung unberücksichtigt lassen.72

Beispielsfall 1: E hat sein Grundstück an P verpachtet, der eine Tankstelle errichtet hat und betreibt. Der Pachtvertrag sieht für den Fall von Umweltgefahren oder -schäden infolge des Tankstellenbetriebs eine Freistellung des E durch P vor. P verpachtet den Tankstellenbetrieb altersbedingt an U unter. E und P vereinbaren, daß die Freistellungsverpflichtung auch für Umweltgefahren oder -schäden aus dem nunmehrigen Betrieb durch U gilt. Anfang 2006 werden Ölverunreinigungen des Bodens festgestellt. Untersuchungen ergeben, daß Öl aus einem von U neu eingebauten Tank ausgetreten ist. Hierzu konnte es kommen, weil U den Tank nicht ordnungsgemäß gewartet hat. Kann die Behörde E oder P zur Sanierung heranziehen, wenn U sich mit unbekanntem Aufenthalt ins Ausland abgesetzt hat?

___________ 69 VGH Mannheim, NVwZ 2002, 1260, der ausführt, daß es zwar keinen allgemeinen Rechtssatz gebe, wonach bei der Störerauswahl immer sicherzustellen sei, daß bei zwei gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeigneten Störern der Eingriff in die Zivilrechtsordnung so gering wie möglich zu halten sei. Allerdings sei die Störerauswahl dann ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lasse. A.A. VGH München, NVwZ 2000, 450; 2001, 458. 70 Vgl. den Rechtsgedanken des § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG sowie die Darstellung im nachfolgenden Abschnitt E. 71 Nur bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr, nicht jedoch bei der Kostentragung ist Raum für Effektivitätserfordernisse. Um solche handelt es sich allerdings nur, wenn die Behörde die Gefahr, wenn Eile geboten ist, nicht auch selbst oder durch Beauftragung eines Dritten abwehren kann. 72 Zu weitgehend VGH München, NVwZ 2000, 450; 2001, 458; OVG Bremen, NuR 2004, 182, die das Erfordernis der effektiven Gefahrenabwehr überspannen.

282

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

In Beispielsfall 1 kommt es auf die jeweilige Nähe zur Gefahr nicht an, weil E und P eine Lastenvereinbarung für den Fall von Bodenkontaminationen getroffen haben, die vorsieht, daß P im Innenverhältnis die Lasten zu tragen hat. Die Behörde hat daher vorrangig P heranzuziehen, wenn nicht ausnahmsweise Erfordernisse der effektiven Gefahrenabwehr eine Inanspruchnahme des E gebieten.

b) Abstellen auf die Nähe zur Gefahr Fehlen Vereinbarungen über die Lastenvereinbarung, so kommt es auf die Nähe zur Gefahr an. Diese kann nur für jeden Einzelfall gesondert untersucht werden. Generelle Aussagen etwa des Inhalts, daß der gegenwärtige Eigentümer vor dem früheren heranzuziehen wäre, verbieten sich. Maßgebend ist vielmehr der jeweilige Grad der Mitwirkung an der Entstehung der Gefahr.73

aa) Vorrangverhältnisse (1) Mitwirkung vor bösgläubigem Erwerb Hat ein Zustandsstörer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt und ein anderer das kontaminierte Grundstück bösgläubig erworben, so ist ersterer vorrangig in Anspruch zu nehmen. Beispielsfall 2: A ist Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem größeren Haus bebaut ist. Das Erdgeschoß hatte er von Ende 1999 bis Mitte 2003 an eine chemische Reinigung und anschließend an ein Fitneßstudio vermietet. Im Jahre 2005 übereignete A das Grundstück an B, dem die frühere Vermietung an eine chemische Reinigung bekannt war. Anfang 2006 werden Bodenkontaminationen festgestellt, die von der chemischen Reinigung verursacht worden sind. Der Inhaber der chemischen Reinigung war 2003 verstorben, Seine Erben haben die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses ausgeschlagen. Hat die Behörde A oder B zu verpflichten? In Beispielsfall 2 hat A das Grundstück durch die Vermietung an den Betreiber einer chemischen Reinigung Umweltrisiken ausgesetzt, während B weder ___________ 73 Vgl. hierzu den entsprechend anzuwendenden allgemeinen Rechtsgedanken des § 24 Abs. 2 S. 2 2. Satzteil BBodSchG sowie die Darstellung hierzu im Abschnitt E.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

283

an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt noch hieraus einen Nutzen gezogen hat. B kann die Gefahr nur deshalb zugerechnet werden, weil er bei Erwerb von der umweltgefährdenden Vornutzung wußte. Durch die Inkaufnahme möglicher Umweltrisiken steht er der Gefahr jedoch nicht gleich nahe wie A, der durch eigenes Verhalten die Gefährung seines Bodens ermöglicht hat. Die Behörde hat daher A zur Sanierung heranzuziehen.

(2) Unterschiedliche Mitwirkungsgrade Beispielsfall 3: Der nicht am Ort ansässige E verpachtet dem P eine Waldfläche. P gestattet ohne Wissen oder Zustimmung des E Dritten die illegale Entsorgung von Müll auf einer am Waldrand gelegenen Fläche. Als E hiervon nach Jahren erfährt, unterläßt er es, P zur Beseitigung der entstandenen Müllhalde und zur Unterbindung künftiger Müllentsorgung aufzufordern. Ende 2005 wird die Behörde auf die Müllkippe aufmerksam und stellt eine hiervon ausgehende Kontamination des Bodens und des Grundwassers fest. Nicht mehr klären läßt sich, wessen Müll die Verunreinigungen hervorgerufen hat. Kann die Behörde wahlweise E oder P zur Sanierung verpflichten? In Beispielsfall 3 hat P einen größeren Mitwirkungsbeitrag an der Entstehung der Gefahr geleistet als E, weil er Dritten die illegale Entsorgung von Müll auf dem Pachtgrundstück gestattet hat, ohne hierfür die erforderliche Genehmigung zu besitzen und ohne Vorkehrungen gegen eine Kontamination zu treffen.74 Demgegenüber kann E die Gefahr nur deshalb zugerechnet werden, weil er das für sein Grundstück mit erheblichen Umweltrisiken verbundene Verhalten des P nach späterer Kenntniserlangung geduldet und hierdurch mittelbar an der Entstehung von Gefahren mitgewirkt hat. Die Behörde hat daher vorrangig P zur Sanierung heranzuziehen.75

___________ 74

Es kann hier dahinstehen, ob P durch die bloße Duldung illegaler Müllentsorgungen bereits zum Inhaber einer Deponie geworden ist und daher schon als Verhaltensstörer zu betrachten ist. 75 P kann sich jedoch in Beispielsfall 3 de lege lata durch Kündigung des Pachtvertrages seiner Zustandsverantwortlichkeit entledigen. Zu Reformvorschlägen vgl. 12. Kap. E. VIII

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

bb) Gleichrangverhältnisse (1) Vom Eigentümer gebilligte Untervermietung zu einer gefährlichen Nutzung Hingegen dürfte regelmäßig ein Gleichrang anzunehmen sein, wenn der Mieter das Grundstück mit Zustimmung des Eigentümers an den Betreiber der umweltgefährdenden Anlage untervermietet hat.

(2) Eintritt des gegenwärtigen Eigentümers in ein vom früheren Eigentümer geschlossenes Pachtverhältnis Hat der frühere Eigentümer auf dem Grundstück eine umweltgefährdende Anlage (z. B. eine Tankstelle) errichtet und diese verpachtet, so kann er, wenn er das bereits kontaminierte Grundstück nach dem 1.3.1999 an den gegenwärtigen Eigentümer übereignet hat und dieser in das Pachtverhältnis eintritt, gleichrangig mit dem gegenwärtigen Eigentümer herangezogen werden.76

(3) Kettenkaufverträge zwischen bösgläubigen Eigentümern Ein Gleichrang dürfte ferner bei einem Kettenkaufvertrag vorliegen, bei dem ein bösgläubiger Eigentümer das kontaminierte Grundstück nach dem 1.3.1999 an einen anderen bösgläubigen Eigentümer übertragen hat.

(4) Einstandspflicht nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG Von einem Gleichrangverhältnis ist auch bei einer juristischen Person und dem nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. für sie Einstandspflichtigen auszugehen. 77 Hierfür sprechen der Wortlaut („auch verpflichtet“), die Systematik (gemein___________ 76 Im Ergebnis zustimmend VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht). Ein Vorrang des früheren Eigentümers kann sich allerdings daraus ergeben, daß der frühere Eigentümer das Grundstück lange Zeit verpachtet hatte, während der gegenwärtige Eigentümer nur kurze Zeit Nutzen aus der Verpachtung gezogen hat, sei es, daß er das Grundstück erst vor kurzem erworben hat oder das Pachtverhältnis kurze Zeit nach seinem Eigentumserwerb endete. 77 Buck, NVwZ 2001, 51 (52); Versteyl, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 88; a.A. Tiedemann, NVwZ 2003, 1477 ff.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

285

same Regelung mit dem Derelinquenten) und der Sinn und Zweck der Regelung zu verhindern, daß sich jemand durch (mißbräuchliche) gesellschaftsrechtliche Gestaltungen der Zustandsverantwortlichkeit entledigen kann. Wird etwa eine Spaltung dazu genutzt, die werthaltigen Vermögenswerte auf einen neuen Rechtsträger zu überführen und verbleibt der juristischen Person nur das kontaminierte Grundstück, so muß die Behörde nicht zunächst die juristische Person in Anspruch nehmen, sondern kann unmittelbar den nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG einstandspflichtigen neuen Rechtsträger heranziehen.78

(5) Miteigentümer und Gesamthandseigentümer Im gleichen Rang stehen schließlich grundsätzlich auch Miteigentümer und Gesamthandseigentümer. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn einer der Mitoder der Gesamthandseigentümer der Gefahr näher steht als die anderen. Beispielsfall 4: A ist Eigentümer eines Grundstücks, welches er von 1990 bis 2003 an den Betreiber einer Tankstelle verpachtet hatte. Die Tankstelle wurde im Jahre 2003 stillgelegt und abgerissen, nachdem über das Vermögen des P das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.Im Jahre 2004 errichtete A auf dem Grundstück ein Mehrfamilienhaus. Drei der vier Wohneinheiten verkaufte er als Eigentumswohnungen, die vierte bezieht er selbst. In den notariellen Kaufverträgen ist jeweils eine Klausel enthalten, in der die Käufer bestätigen, daß sie von der Vornutzung als Tankstelle Kenntnis haben. Anfang 2006 stellt sich heraus, daß sich im Erdreich ein seinerzeit von P nicht ordnungsgemäß stillgelegter, inzwischen korrosiver Tank befindet, aus dem größere Mengen Benzin ins Erdreich gesickert sind. Eine Inanspruchnahme des Verursachers P kommt wegen dessen Insolvenz allenfalls in Höhe der Insolvenzquote in Betracht. Fraglich ist, ob zwischen A und den drei übrigen Miteigentümern ein Rangverhältnis besteht. In Beispielsfall 4 ist A vorrangig vor den drei anderen Miteigentümern in Anspruch zu nehmen, weil A durch die Verpachtung an P an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, während die drei übrigen Miteigentümer hieran unbeteiligt waren und ihren Miteigentumsanteil erst nach Beendigung der umweltgefährdenden Nutzung bösgläubig erworben haben. Durch die Mitwir-

___________ 78

Vgl. hierzu die Darstellung unter 12. Kap. C. V. 1. b).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

kung an der Gefahrentstehung steht A der Gefahr näher als ein bösgläubiger Erwerber.79

VI. Einschränkung des Vorrangs des Verhaltensstörers aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr Betrachtet man die zur Auswahl von Sanierungsverantwortlichen nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG veröffentlichten Gerichtsentscheidungen80, in denen die Heranziehung eines Zustandsstörers anstelle eines Verhaltensstörers als ermessensfehlerfrei angesehen wurde, so zeigt sich, daß dies stets mit Erfordernissen der effektiven Gefahrenabwehr begründet wurde. Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob die von der Rechtsprechung genannten Gründe tatsächlich aufgrund von Effektivitätserfordernissen eine Durchbrechung des Vorrangs des Verhaltensstörers rechtfertigen.

1. Keine Anhaltspunkte für potentielle Verhaltensstörer Abgesehen von Naturkatastrophen (wie z. B. einem Erdrutsch) und sonstigen Fällen höherer Gewalt, in denen die Zustandsverantwortlichkeit nach hier vertretener Ansicht auf eine Duldungspflicht begrenzt ist, sind keine Fälle denkbar, in denen eine Bodenkontamination nicht auf ein menschliches Verhalten zurückzuführen ist. In allen übrigen Fällen muß es immer mindestens einen Verhaltensstörer geben, der die Gefahr verursacht hat.81 Während jedoch bei Bodenkontaminationen immer ein durch Einsichtnahme in das Grundbuch leicht feststellbarer Grundeigentümer82 vorhanden ist, erweist sich die Ermittlung des (potentiellen) Verhaltensstörers bzw. der (potentiellen) Verhaltensstörer oftmals als schwierig und nicht selten als unmöglich. Hat die Behörde den ___________ 79

Zum Rangverhältnis zwischen einem Zustandsstörer, der an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, und einem anderen Zustandsstörer, der das Grundstück bösgläubig erworben hat, vgl. Beispielsfall 2. 80 Vgl. nur VGH Mannheim, NuR 2000, 333; VGH München, NVwZ 2001, 821 (822); BayVBl. 2002, 470; NVwZ-RR 2005, 466 (467); OVG Bremen, NuR 2004, 182 (183); VG Minden, AbfallR 2005, 89. 81 Häufig wird einer der Zustandsstörer zugleich Verhaltensstörer sein. Auf die Problematik des sog. Doppelstörers wird hier nicht näher eingegangen, weil die Zustandsverantworlichkeit dann hinter die Verhaltensverantwortlichkeit zurücktritt. 82 In dem Sonderfall der Eigentumsaufgabe läßt sich der nach § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG sanierungsverantwortliche Derelinquent ebenfalls aus dem Grundbuch entnehmen (vgl. § 928 Abs. 1 BGB). Auf andere Sonderfälle, wie z. B. die Unrichtigkeit des Grundbuchs oder ungeklärte Erbschaften, kann hier nicht eingegangen werden.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Sachverhalt unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes ordnungsgemäß aufgeklärt und ist sie dabei allen nicht ganz fernliegenden Indizien83 nachgegangen, ohne daß Anhaltspunkte für potentielle Verhaltensstörer bestehen, so kann sie den Zustandsstörer ermessensfehlerfrei in Anspruch nehmen, sofern diesem die Gefahr zugerechnet werden kann.84

2. Schwierigkeiten beim Nachweis der Verursachung In der Praxis weit häufiger anzutreffen sind die Fälle, in denen zwar (potentielle) Verursacher ermittelt werden können, in denen jedoch der Nachweis der Verursachung Schwierigkeiten bereitet. Hier gilt es, die beiden nachfolgenden Fallgruppen auseinanderzuhalten.

a) Problematischer Nachweis des Verursachungsumfangs Bodenkontaminationen sind in vielen Fällen nicht von einem Verhaltensstörer allein, sondern von mehreren gemeinsam oder nebeneinander 85 verursacht worden.86 Befinden sich auf einem Grundstück zwei gleichartige Anlagen, die von zwei unterschiedlichen Pächtern betrieben werden, und verursachen beide nachweislich eine Bodenkontamination, so ist jeder Pächter auch dann vorrangig vor dem Grundeigentümer heranzuziehen, wenn sich nicht klären läßt, in welchem Umfang die Kontamination von dem einen oder dem anderen verursacht worden ist.87 Zwar ist jeder Verhaltensstörer grundsätzlich nur für den auf ___________ 83 Die Behörde hat hierbei auch Hinweisen des Zustandsstörers auf (potentielle) Verursacher nachzugehen. Unterläßt sie dies, so kann die Störerauswahl wegen Ermessensnichtgebrauch rechtswidrig sein; vgl. VG Schleswig, Urteil vom 14. Juni 2004, Az. 14 A 344/02 (unveröffentlicht). 84 In der Praxis dürften diese Fallgruppen kaum vorkommen. Hat nämlich der Eigentümer durch Nutzungsüberlassung an den Verursacher an der Gefahr mitgewirkt oder war er bei Erwerb bösgläubig, so lassen sich (potentielle) Verursacher regelmäßig ermitteln. Eine andere, nicht unter diese Fallgruppe fallende Frage ist, ob der Nachweis der Verursachung gelingt. 85 Vgl. hierzu auch die Lösungsansätze des § 830 BGB im Zivilrecht. 86 Unbeachtlich ist, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Verursachungsbeiträge zueinander stehen, sofern feststeht, daß die Kontamination von beiden Verhaltensstörern kumulativ verursacht worden ist; vgl. nur Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 303; Becker, UPR 2004, 1 (5). 87 Vgl. OVG Münster, UPR 1984, 279 (280); VGH Kassel, NVwZ 1992, 1101 (1102); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, 565; Becker, UPR 2004, 1 (5); Jochum, NVwZ 2003, 526.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

ihn zurückführbaren (Teil-)Schaden verantwortlich. Lassen sich die individuellen Verursachungsbeiträge jedoch nicht isolieren oder kann der Schadenserfolg nur integral beseitigt werden, so kann jeder Verursacher zur Beseitigung des gesamten Schadens in Anspruch genommen werden.88 Das gilt nach zutreffender Auffassung des VGH Mannheim89 auch für den Verursacher, der den möglicherweise geringeren Verursachungsbeitrag geleistet hat, vorausgesetzt sein Anteil ist nicht unerheblich und hätte daher auch für sich betrachtet ein Einschreiten der Behörde gerechtfertigt. Unbeachtlich sei, ob sich der jeweilige Umfang der Beiträge beider Verursacher rekonstruieren lasse. Für das gefundene Ergebnis spricht auch der Rechtsgedanke des § 24 Abs. 2 S. 2 2. Satzteil BBodSchG, weil nach dem darin zum Ausdruck kommenden Verursacherprinzip und dem Gebot der gerechten Lastenverteilung jeder Verhaltensstörer im Verhältnis zu einem Zustandsstörer allein für den Schaden verantwortlich ist.

b) Problematischer Nachweis der Verursachung Hiervon zu unterscheiden ist die 2. Fallgruppe, bei der nicht nur der Nachweis des Umfangs, sondern schon des Obs der Verursachung Schwierigkeiten bereitet. Dieser Fallgruppe liegt häufig folgende Konstellation zugrunde. Ein Grundstück ist über mehrere Jahrzehnte hintereinander von verschiedenen Pächtern in derselben Weise (z. B. als Tankstelle) genutzt worden. Die Pächter bestreiten eine Verursachung und behaupten, daß Grundstück sei erst von einem nachfolgenden Pächter bzw. umgekehrt bereits von einem früheren Pächter kontaminiert worden.

aa) Durchführung von Verursachungsermittlungsmaßnahmen Die Behörde kann bei einer solchen Ausgangslage jederzeit eine Sanierung mit öffentlichen Mitteln durchführen. Will sie statt dessen einen Störer in Anspruch nehmen, so kommt sie nicht umhin, gemäß § 9 Abs. 1 oder 2 BBodSchG Verursachungsermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Das Bestreiten der Verursachung durch die (potentiellen) Verursacher sowie erwartete Nachweisschwierigkeiten der Verursachung und damit einhergehende etwaige Pro___________ 88 Vgl. nur Becker, UPR 2004, 1 (5); Jochum, NVwZ 2003, 526, die insoweit vom Nicht-So-Störer spricht. 89 NVwZ-RR 1994, 565.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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zeßrisiken stellen unter Effektivitätsgesichtspunkten keinen legitimen Grund für eine dem Gebot der gerechten Lastenverteilung zuwiderlaufende Heranziehung des Zustandsstörers dar.90 Ist ein schnelles Handeln geboten, so kann die Behörde die Untersuchungs- oder Gefahrenabwehrmaßnahme jederzeit selbst vornehmen bzw. ein Spezialunternehmen hiermit beauftragen. Die Kosten kann sie anschließend ohne Zeitdruck gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG gegenüber dem letztverantwortlichen Störer festsetzen. Die Behörde handelt nach hier vertretener Ansicht bereits dann ermessensfehlerhaft, wenn sie einen Zustandsstörer heranzieht, ohne zuvor den Sachverhalt ordnungsgemäß aufgeklärt und dabei allen nicht ganz fernliegenden Indizien91 nachgegangen zu sein. Eine Begründung der Inanspruchnahme des Zustandsstörers mit der bloßen Berufung auf eine tatsächlich ungeklärte oder rechtlich ungesicherte Verhaltensverantwortlichkeit92 genügt dem nicht. Ebensowenig kann die Behörde – wie zum Teil in der Rechtsprechung93 vertreten – dem Zustandsstörer die materielle Beweislast für eine Pflicht zur vorrangigen Inanspruchnahme des Verhaltensstörers auferlegen. Begründet die Behörde die Inanspruchnahme eines Zustandsstörers damit, daß keinem (potentiellen) Verhaltensstörer eine Verursachung nachgewiesen werden konnte, so hat sie im einzelnen darzulegen, welche (potentiellen) Verhaltensstörer sie in ihre Erwägungen einbezogen hat, woraus sich die Nachweisschwierigkeiten ergeben, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um gleichwohl einen Verursachungsnachweis zu führen und woran letztlich der Nachweis gescheitert ist.

bb) Beweiserleichterungen für den Nachweis der Verursachung Auch wenn die Behörde den genannten Anforderungen Rechnung getragen hat, wird ihr häufig ein positiver Nachweis der Verursachung nicht gelingen. Bei Grundstücken, die über längere Zeit von verschiedenen Pächtern in derselben Weise (d.h. unter Einsatz derselben Gefahrstoffe) genutzt worden sind, erweist sich der Nachweis, in wessen Pachtzeit die Kontamination verursacht ___________ 90

A.A. VGH München, NVwZ 1986, 942; NJW 2004, 2768; VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht). 91 Die Behörde hat hierbei auch Hinweisen des Zustandsstörers auf (potentielle) Verursacher nachzugehen. Unterläßt sie dies, so kann die Störerauswahl wegen Ermessensnichtgebrauch rechtswidrig sein; vgl. VG Schleswig, Urteil vom 14. Juni 2004, Az. 14 A 344/02 (unveröffentlicht). 92 Dies verkennen OVG Bremen, NuR 2004, 182 (183); VGH München, NVwZ-RR 2005, 466 (467); VG Minden, Urteil vom 2.2.2005, Az. 11 K 7572/03, nur redaktioneller Leitsatz veröffentlicht in AbfallR 2005, 89. 93 VGH München, NVwZ 1986, 942 (944 ff.); VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

worden ist, oftmals als technisch unmöglich oder als finanziell so aufwendig, daß dies außer Verhältnis zu der zu ergreifenden Maßnahme stünde. 94 Müßte die Behörde auch bei einer solchen Ausgangslage dem (potentiellen) Verhaltensstörer seine Verursachung positiv nachweisen, so liefe dies im Ergebnis vielfach entgegen der Intention des Gesetzgebers95 auf einen (faktischen) Vorrang des Zustandsstörers hinaus.96 Vor dem Hintergrund der vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 2.4.200497 im Rahmen des Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG befürworteten Beweiserleichterungen für den Nachweis der Verursachung stellt sich auch im Rahmen der Störerauswahl die Frage, wann ein Nachweis erbracht ist oder als erbracht gilt bzw. ab wann die Behörde von einer Unerfüllbarkeit des Nachweises ausgehen und daraufhin einen Zustandsstörer ermessensfehlerfrei heranziehen kann. Nicht nur unter dem Blickwinkel der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sprechen gute Gründe dafür, die vom Bundesgerichtshof98 und der herrschenden Meinung99 in der Literatur im Grundsatz100 befürworteten Beweiserleichterungen auch im Rahmen der Störerauswahl anzuwenden. Da der Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs. 2 BBodSchG die Lastenverteilung unter den Störern abschließend regeln soll, wäre es widersinnig, wenn bei der die Lastenverteilung nur vorläufig regelnden Störerauswahl höhere Anforderungen an den Nachweis der Verursachung gelten würden. 101 Hinzu kommt im Anschluß an Schmitt/Leitzke102 folgendes. Die Behörde kann nach § 9 Abs. 2 BBodSchG ___________ 94 Vgl. hierzu VGH Mannheim, NVwZ 2003, 103 (105); OVG Hamburg, GewArch 1990, 223 ff. 95 Vgl. die oben zitierte Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 13/6701, S. 35. 96 So auch VGH Mannheim, NVwZ 2003, 103 (105); Schmitt/Leitzke, ZUR 2006, 78. 97 BGHZ 158, 354 (370 f.); vgl. hierzu die nachfolgende Darstellung unter E. V. 2. 98 BGHZ 158, 354 (370 f.). 99 Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 15; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 26; Landel, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 31; v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932); Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (67 f.); Wagner, BB 2000, 417 (423); Sondermann/Henke, in: Versteyl/ Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 25. 100 Wie nachfolgend unter E. V. 2. dargelegt, ist die Frage, welche Beweiserleichterungen im Rahmen des § 24 Abs. 2 BBodSchG im einzelnen gelten sollten, allerdings noch nicht abschließend geklärt. 101 Keiner weiteren Erläuterung bedarf, daß es ermessensfehlerhaft, weil mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang zu bringen ist, wenn die Behörde die (vermeintlichen) Anforderungen an den Nachweis der Verursachung deshalb so hoch schraubt, um unter Hinweis auf die Unerfüllbarkeit umso leichter einen Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr verpflichten zu können. 102 ZUR 2006, 78 (80).

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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zur Klärung der Verursachung der Gefahr einen Anscheinsstörer zu einer Detailuntersuchung verpflichten, wenn aus der behördlichen ex-ante Perspektive hinreichende Anhaltspunkte bestanden, die nach dem Urteil eines fähigen, besonnenen Amtswalters die Annahme einer möglichen Verursachung rechtfertigen.103 Für die Bejahung einer Anscheinsstörerschaft genügt es, daß der (potentielle) Verursacher auf dem Grundstück eine mit besonderen Umweltrisiken verbundene Tätigkeit ausgeübt hat und dabei mit Gefahrstoffen umgegangen ist, welche die Kontamination vermutlich hervorgerufen haben. 104 Dies gelte auch für denjenigen, der bei gleichbleibender Grundstücksnutzung die entsprechende Tätigkeit als letzter ausgeübt habe und dabei mit Schadstoffen umgegangen sei, die das Grundstück verunreinigt haben. 105 Für die von dem Anscheinsstörer vorzunehmende Detailuntersuchung gilt folgende implizite Beweislastumkehr. Widerlegt die Detailuntersuchung nicht die Anhaltspunkte, die eine Anscheinsstörerschaft des in Anspruch Genommenen begründet haben, so kann dieser zu Sanierungsmaßnahmen herangezogen werden.106 Widerlegt er die Anhaltspunkte, so steht ihm gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 BBodSchG ein Ausgleich zu. Aus dem Gesagten folgt, daß es eines positiven Nachweises der Verursachung für die Heranziehung eines Verhaltensstörers nicht bedarf, wenn dieser nicht erbracht werden kann.107 Nachfolgend noch zu klären ist allerdings, unter welchen Voraussetzungen Beweiserleichterungen in Betracht kommen und wie diese im einzelnen aussehen sollten. Zutreffend hat der VGH Mannheim108 ausgeführt, daß die Inanspruchnahme eines (potentiellen) Verhaltensstörers zu Sanierungsmaßnahmen109 nicht auf spekulative Erwägungen und bloße Mutmaßungen gestützt werden kann. Auf der anderen Seite dürfen die Anforderungen an den Nachweis der Verursa___________ 103 Vgl. VGH Mannheim, DÖV 1985, 587; NVwZ-RR 1991, 24 (25) sowie Schmitt/Leitzke, UPR 2006, 78 (80). 104 Vgl. VGH München, NVwZ-RR 1997, 617; Schmitt/Leitzke, ZUR 2006, 78 (80). 105 Ebendort. Fraglich ist allerdings, ob die Annahme einer Anscheinsstörerschaft in den hier problematischen Fällen möglich ist, in denen eine zeitliche Zuordnung der Verunreinigungen unsicher ist. Daher läßt sich nach hier vertretener Ansicht diese Fallkonstellation nicht über die Figur des Anscheinsstörers lösen. Es geht vorliegend allein darum zu zeigen, daß das Gefahrenabwehrrecht de facto bereits eine Beweislastumkehr beim Nachweis der Verursachung kennt. 106 Schmitt/Leitzke, ZUR 2006, 78 (80). 107 Zustimmend OVG Lüneburg, NJW 1998, 97 (97 f.); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2003, 103 (105 f.); Schmitt/Leitzke, ZUR 2006, 78 ff.: a.A. OVG Hamburg, GewArch 1990, 223; OVG Schleswig, UPR 1996, 194. 108 NVwZ-RR 2003, 103 (106). 109 Anders zu beurteilen sein dürfte die Heranziehung zu Detailuntersuchungen als Anscheinsstörer; vgl. hierzu die obigen Ausführungen.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

chung auch nicht überspannt werden, weil dies der Nachweisproblematik in Altlastenfällen nicht gerecht würde.110 Ein Nachweis wäre dann regelmäßig unmöglich. Dies hätte zur Folge, daß die Behörde trotz Vorrangs des Verhaltensstörers den Zustandsstörer heranziehen würde. Damit würden die Lasten im Widerspruch zum Verursacherprinzip und zum Gebot der gerechten Lastenverteilung dem Zustandsstörer aufgebürdet. Vor diesem Hintergrund spricht sich der VGH Mannheim111 zu Recht dafür aus, daß es für eine Heranziehung eines Verhaltensstörers zur Sanierung einer Bodenkontamination ausreiche, wenn objektive Faktoren als tragfähige Indizien den Schluß zulassen, daß zwischen dem Verhalten der Person und der eingetretenen Gefahr ein gesicherter Ursachenzusammenhang besteht.112 Der VGH München113 hat das Vorliegen solcher tragfähiger Indizien in einem Fall bejaht, in dem der Herangezogene auf dem kontaminierten Grundstück eine Tankstelle betrieben hat und die Bodenverunreinigung offensichtlich auf Überfüllschäden bei der Befüllung von Tanks zurückzuführen war. Das OLG Lüneburg114 bejahte dies bei räumlicher Nähe zwischen einer Betriebsstätte und einer Verunreinigung. Indizwirkung kann auch die lange Dauer des Betriebs einer umweltgefährdenden Anlage haben. 115 Ergänzend empfiehlt es sich, auf von der Zivilrechtsprechung für die Umwelthaftung entwickelte Beweiserleichterungen zurückzugreifen. So hat sich der Bundesgerichtshof116 für eine analoge Anwendung der Ursachenvermutung des § 6 UmweltHG ausgesprochen. Ergänzend tritt er in ständiger Rechsprechung117 bei einer festgestellten Überschreitung der durch Verwaltungsvorschriften festgelegten Emissions- oder Immissionswerte von einer widerlegbaren Ursachenvermutung aus. Allerdings lassen sich die bei Altlasten besonders problematischen Fälle der bestrittenen Verursachung bei einer jahrzehntelangen gleichartigen Nutzung des Grundstücks durch zeitlich gestaffelte Pächter durch die genanten Ursachenvermutungen nicht lösen. Hier hilft auch der vom Bundesgerichtshof in dem bereits erwähnten Urteil vom 2.4.2004118 befürwortete Anscheinsbeweis für eine Verursachung, wenn feststeht, daß das Grundstück bei Beginn der Nutzungszeit noch nicht kontaminiert war, regelmäßig nicht weiter, weil sich die Verursachungszeitpunkte häufig nicht nach___________ 110

VGH Mannheim, NVwZ-RR 200, 103 (106). Ebendort. 112 Hierbei dürfte es im Kern um eine Beurteilung nach der allgemeinen Lebenserfahrung gehen; vgl. hierzu im Rahmen des § 24 Abs. 2 BBodSchG OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (380). 113 NVwZ 2000, 450 (452); ähnlich auch OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (380). 114 NJW 1998, 97. 115 VGH Mannheim, NVwZ-RR 2003, 103 (106). 116 BGHZ 158, 354 (370 f.); vgl. hierzu E. V. 2. 117 BGHZ 92, 143 (146); NJW 1997, 1748; NJW 2004, 1317 (1318 f.). 118 BGHZ 158, 354 (371); vgl. auch BGH, NJW 1994, 1880 (1880 f.). 111

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weisen lassen. Dieses Problem läßt sich nur durch eine entsprechende Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB sachgerecht lösen.119 Bei einer Mehrheit wahrscheinlicher Verursacher ist analog § 830 Abs. 1 S. 2 BGB von einer Mitverursachung eines jeden auszugehen, wenn das Verhalten jedes Beteiligten geeignet war, die Gefahr oder den Schaden (mit-)zu verursachen.120 § 830 Abs. 1 S. 2 BGB hat die Überwindung von Beweisschwierigkeiten des Geschädigten zum Ziel, dessen Ersatzanspruch nicht daran scheitern soll, daß nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren potentiellen Verursachern, deren Handlungen jede für sich geeignet war, den Schaden zu verursachen, ihn konkret verursacht hat.121 Die Vorschrift dient damit der Überwindung von Urheberzweifeln.122 Hinter ihr steht die gesetzliche Wertung, daß in derartigen Fällen eine Haftung auch ohne konkreten Verursachungsnachweis gerechter ist, als den Geschädigten leer ausgehen zu lassen.123 Der Bundesgerichtshof124 hat § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auch im Rahmen der Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB herangezogen und dabei ausgeführt, daß ein menschliches Verhalten nicht Haftungsvoraussetzung im Sinne des § 830 Abs. 1 S. 1 BGB sei. Eine analoge Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BBodSchG im Rahmen der behördlichen Störerauswahl ermöglicht eine sachgerechte Lösung der bei Altlasten typischen Nachweisschwierigkeiten, ohne daß bei einer Nutzung durch mehrere Pächter hintereinander feststehen müßte, in wessen Nutzungszeit die Kontamination verursacht worden ist.125

___________ 119 So auch OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (381), der im Rahmen des Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG darauf verweist, daß § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auch auf die der Sanierungsverantwortlichkeit vergleichbare Gefährdungshaftung entsprechend anwendbar sei; so zuvor bereits BGHZ 55, 96 (98 f.); 101, 106 (111); BGH, NJW 1999, 3633 (3635). Zustimmend auch Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 15; vgl. ferner Thomas, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 830 Rn. 6 ff. 120 Vgl. für das Zivilrecht nur BGHZ 57, 257 (262); BGH, NJW 3633 (3625). 121 Vgl. BGHZ 55, 96 (98). Dies führt im Ergebnis zu einer abstrakten Gefährdungshaftung. 122 Hierbei entspricht die bei Altlasten typische zeitlich gestaffelte Nutzung des Grundstücks durch mehrere Pächter einer Beteiligung gemäß § 830 Abs. 1 S. 2 BGB; vgl. hierzu BGH, NJW 1999, 3633 (3635) bei zeitlich gestaffelten Inhabern einer Öltankanlage. Dies belegen ferner die von Thomas, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 830 Rn. 13 genannten weiteren Fälle. Altlasten liegen typischerweise keine Fälle der klassischen Nebentäterschaft zugrunde, auf die § 830 BGB nicht anwendbar ist. 123 Vgl. nur BGHZ 55, 96 (99). 124 BGHZ 55, 96 (98 f.). 125 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.7.1999, NJW 1999, 3633 steht dem nicht entgegen, wie das Gericht auf Seite 3635 selbst ausgeführt hat. Der Bundes-

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

3. Rechtliche Hindernisse bei der Inanspruchnahme eines vorrangigen Störers a) Legalisierungswirkung einer behördlichen Genehmigung Wie an anderer Stelle126 dargelegt, kann der Verursacher einer Kontamination nach herrschender Meinung127 dann nicht zur Gefahrenabwehr herangezogen werden, wenn er sich auf eine sog. Legalisierungswirkung einer ihm erteilten behördlichen Genehmigung berufen kann. Dahinter steht die Erwägung, daß an das Unternehmen keine höheren Anforderungen an die Erkennbarkeit der von einem Anlagenbetrieb ausgehenden Risiken gestellt werden können als an die Zulassungsbehörde, sofern diese im Genehmigungsverfahren die umweltrechtliche Unbedenklichkeit mitzuprüfen hat. Hierdurch werden – nicht zuletzt, um die wirtschaftliche Betätigung nicht zu beeinträchtigen – Risiken aus der Sphäre des Verursachers von der Allgemeinheit übernommen. Verzichtet der Staat auf die Durchsetzung des Verursacherprinzips, so darf dies nicht unter Verletzung des Gebots der gerechten Lastenverteilung dazu führen, daß anstelle des verschonten Verursachers dem nur subsidiär verantwortlichen Zustandsstörer die Lasten aufgebürdet werden. Vielmehr muß dann auch die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers entfallen. Anderenfalls würde der Verursacher auf Kosten des nachrangig haftenden Eigentümers privilegiert. Es wäre willkürlich, den Pächter (und Verursacher) wegen der Nichterkennbarkeit der Risiken freizustellen, hingegen den Verpächter, der lediglich mittelbar durch die Nutzungsüberlassung an der Gefahrentstehung mitgewirkt hat, für den Schaden haften zu lassen. Nach zutreffender Ansicht hat die Behörde daher in derartigen Fällen die Gefahr mit öffentlichen Mitteln abzuwehren.

___________ gerichtshof verneinte eine Anwendung des § 830 S. 2 BGB vielmehr deshalb, weil unklar war, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Norm (§ 22 Abs. 2 WHG) in Form des Einwirkens auf ein Gewässer erfüllt waren. 126 7. Kap. D. II. 1. 127 Zur Legalisierungswirkung von Genehmigungen vgl. nur Kloepfer, NuR 1987, 7 (13 f.); Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, S. 139 ff.; Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 ff.; Peine, JZ 1990, 201 ff.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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b) Verwirkung Im Schrifttum128 wird die Frage erörtert, ob eine Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers dann ausgeschlossen ist, wenn die Verursachung mehrere Jahrzehnte zurückliegt. Diskutiert wird hierbei eine Verjährung oder Verwirkung der Verhaltensverantwortlichkeit.129 Im Rahmen dieser Untersuchung kann auf die eher zweifelhafte und mit dem Verursacherprinzip kaum in Einklang zu bringende Berechtigung eines solchen Ansatzes nicht eingegangen werden. Hinzuweisen ist jedoch auf folgenden Mißstand in der Diskussion. Die Befürworter einer Freistellung des Verhaltensstörers gehen regelmäßig ohne Erörterung davon aus, daß in derartigen Fällen statt dessen der Eigentümer oder ein anderer Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden kann. 130 Sie verkennen dabei, daß jede Freistellung des nach dem Verursacherprinzip und dem Gebot der gerechten Lastenverteilung vorrangig in Anspruch zu nehmenden Verhaltensstörers zu Lasten des Zustandsstörers wirkt. Wie die gesetzliche Lastenverteilungsregel des § 24 Abs. 2 S. 2 2. Satzteil BBodSchG zum Ausdruck bringt, steht der Verursacher jedoch – unabhängig davon, ob sein Verhalten schon längere Zeit zurückliegt – der Gefahr stets näher als der bösgläubige Erwerber eines kontaminierten Grundstücks, weil letzterer keinen Beitrag zur Entstehung der Gefahr geleistet hat.131 Sollte ein Verursacher wegen Verwirkung von der Sanierungsverantwortlichkeit freigestellt werden, so folgt hieraus zwingend, daß auch der Zustandsstörer nicht herangezogen werden darf.

c) Der Verursacher existiert nicht mehr Schwierigkeiten können sich auch daraus ergeben, daß der Verursacher nicht mehr existiert. Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat hier jedoch in den allermei___________ 128 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 25; Trurnit, NVwZ 2001, 1126; Versteyl, in; Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 101; vgl. auch VG Minden, AbfallR 2005, 89. 129 VG Minden, AbfallR 2005, 89. Der VGH München, NVwZ 2001, 821 (821 f.) hatte über einen umgekehrten Fall zu entscheiden, in dem ein Zustandsstörers gegen seine Heranziehung den Einwand der Verwirkung erhoben hatte. Die Behörde hatte zunächst einen Verhaltensstörer herangezogen. Dieser habe jedoch – so die Behauptung des Zustandsstörers – aufgrund der jahrelangen Säumigkeit der Behörde untertauchen können. 130 Vgl. nur VG Minden, AbfallR 2005, 89. 131 Vollkommen abwegig erschiene eine Freistellung des Verursachers bei gleichzeitiger Heranziehung des Grundeigentümers, der seinerzeit dem Verursacher das Grundstück zu einer mit Umweltgefahren verbundenen Nutzung überlassen hat.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

sten Fällen für Abhilfe gesorgt. Nach § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG ist anstelle eines nicht mehr existenten Verursachers dessen Gesamtrechtsnachfolger sanierungsverantwortlich. Das sind beim Tod einer natürlichen Person dessen Erben. Bei einer juristischen Person kann es z. B. durch eine Umwandlung ebenfalls zu einer Gesamtrechtsnachfolge kommen. Kein Gesamtrechtsnachfolger ist allerdings im Falle der Liquidation einer juristischen Person bzw. einer Personengesellschaft vorhanden. Hier kommen vielfach Organe oder leitende Angestellte als Verhaltensstörer in Betracht. Die Behörde kann einen Zustandsstörer nur dann unter Hinweis darauf, daß der Verursacher nicht mehr existiere, ermessensfehlerfrei in Anspruch nehmen, wenn sie darlegt, welche Maßnahmen sie ergriffen habe, um einen Gesamtrechtsnachfolger oder sonstige Verhaltensstörer zu ermitteln und weshalb deren Inanspruchnahme ausscheidet.

d) Eingriff in Rechte des Eigentümers und sonstiger Berechtigter Führt der Verhaltensstörer auf einem fremden Grundstück Untersuchungsoder Sanierungsmaßnahmen durch, so müssen die Mitarbeiter der von ihm beauftragten Sanierungsfirma das Grundstück betreten und Veränderungen am Grundstück vornehmen können (wie z. B. Auskofferungen). All dies ist mit Eingriffen in Rechte des Eigentümers sowie der dinglich oder schuldrechtlich Berechtigten verbunden. Hieraus ergeben sich jedoch keine der Inanspruchnahme des Verhaltensstörers entgegenstehenden rechtlichen Hindernisse. Denn regelmäßig werden die Berechtigten ihr Einverständnis zur Vornahme der Maßnahmen erteilen. In allen übrigen Fällen kann die Behörde die Berechtigten zur Duldung verpflichten (vgl. § 9 Abs. 2 S. 3 BBodSchG).

4. Fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit des Verhaltensstörers Die Behörde begründet die Inanspruchnahme eines Zustandsstörers zu einer Maßnahme nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz häufig damit, daß eine Heranziehung des Verhaltensstörers wegen dessen Insolvenz nicht in Betracht komme.132 Zum Teil sieht sie bereits unter Hinweis auf die unsichere finanzielle Leistungsfähigkeit von einer Verpflichtung des Verhaltensstörers ab. Da der Zustandsstörer immer dann zur Gefahrenabwehr herangezogen werden kann, wenn eine Inanspruchnahme des an sich vorrangigen Verhaltensstörers nicht möglich ist, trägt der Zustandsstörer grundsätzlich das wirtschaftliche Risiko ___________ 132

Vgl. nur OVG Bremen, NuR 2004, 182 (183).

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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eines Ausfalls des Verhaltensstörers.133 Das bedeutet jedoch nicht, daß der Zustandsstörer bereits das Risiko eines möglichen finanziellen Ausfalls des Verhaltensstörers trägt. Die Behörde handelt daher ermessensfehlerhaft, wenn sie einen Zustandsstörer heranzieht, ohne zuvor die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verhaltensstörers eingehend geprüft zu haben. Hierdurch wird auch nicht die effektive Gefahrenabwehr beeinträchtigt, weil die Behörde die Gefahr jederzeit selbst oder durch Beauftragung eines Sanierungsunternehmens abwehren kann. Wie Becker134 zutreffend dargelegt hat, betätigt die Behörde ihr Ermessen nur dann fehlerfrei, wenn sie – auch bei Zweifeln an der finanziellen Leistungsfähigkeit – den Kostenbescheid gegenüber dem Verhaltensstörer festsetzt und erforderlichenfalls Vollstreckungsmaßnahmen ergreift.135 Der Verursacher ist dann bis zur (annähernden) Erschöpfung seiner Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Reicht dies zur Erstattung der angefallenen Kosten nicht aus, so kann der Zustandsstörer zur Tragung der noch nicht erstatteten Kosten verpflichtet werden.136 Erforderlich ist jedoch, daß die Behörde im einzelnen darlegt, welche Verhaltensstörer sie bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt hat, gegen wen sie einen Leistungsbescheid gerichtet habe, welche finanziellen Hindernisse ihrer Heranziehung entgegenstehen, welche Maßnahmen die Behörde zur Beitreibung ergriffen hat und in welcher Höhe Kosten noch nicht erstattet sind. Die Behörde kann die Inanspruchnahme eines Zustandsstörers nicht schon damit begründen, daß über das Vermögen des Verhaltensstörers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Behörde hat vielmehr auch in einem solchen Fall die Gefahr zunächst selbst abzuwehren, anschließend die Kosten gegenüber dem Verhaltensstörer festzusetzen und – soweit noch möglich – die Insolvenzforderung geltend zu machen.137 Der Zustandsstörer kann auch hier nur in Höhe des nicht einbringlichen Teils zu den Kosten herangezogen werden.

___________ 133

Abzulehnen ist der Vorschlag Beckers, UPR 2004, 1 (4), daß der Zustandsstörer bei Ausfall des Verhaltensstörers freizustellen ist und die Sanierungskosten von der Allgemeinheit zu tragen sind. Kann dem Zustandsverantwortlichen die Gefahr zugerechnet werden, so handelt es sich um ein Risiko aus seiner Sphäre, so daß kein Grund für eine Kostentragung durch die öffentliche Hand ersichtlich ist. 134 UPR 2004, 1 (4). 135 Vgl. den Rechtsgedanken der Vorausklage und der Vollstreckungs- und Verwertungspflicht im Bürgschaftsrecht gemäß §§ 771 f. BGB. 136 VGH Kassel, NVwZ 1998, 747; Becker, UPR 2004, 1 (4). 137 Zustimmend Becker, ebendort.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

5. Faktische Hindernisse Wie dargelegt138, kann das Gebot der effektiven Gefahrenabwehr in seltenen Ausnahmefällen eine Heranziehung des Zustandsstörers anstelle des Verhaltensstörers gebieten. Dies setzt allerdings voraus, daß Eile geboten ist und nur der Zustandsstörer, nicht aber der Verhaltensstörer, die Behörde oder ein von ihr kurzfristig zu beauftragender Dritter zur Gefahrenabwehr in der Lage ist. Solche Fallgestaltungen dürften in der Praxis kaum vorkommen. Die Behörde handelt daher in den typischen Fallgestaltungen, in denen die Maßnahme ohnehin nur von einem Spezialisten durchgeführt werden kann, nur dann ermessensfehlerfrei, wenn sie den Verursacher heranzieht, die Ersatzvornahme androht und entweder selbst oder durch einen beauftragten Dritten vollzieht.139 Die Behörde kann dann die Kosten gegenüber dem Verursacher festsetzen und erforderlichenfalls vollstrecken.

E. Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs. 2 BBodSchG I. Ausgangslage Mit § 24 Abs. 2 BBodSchG hat der Gesetzgeber erstmals einen bundesweiten140 störerinternen Ausgleichsanspruch geschaffen. Er zog damit für das Bodenschutzrecht einen Schlußstrich unter die langjährige Diskussion um einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch.141 Während die ganz herrschende Meinung im Schrifttum142 einen störerinternen Ausgleichsanspruch analog § 426 Abs. 1 BGB bejahte, lehnte der Bundesgerichtshof einen solchen in ständiger Rechtsprechung ab.143 Der Bundesgerichtshof begründete dies damit, daß die Behörde nicht – wie § 421 Abs. 1 S. 2 BGB dies für eine Gesamtschuldnerschaft voraussetzt – beliebig den einen oder den anderen Störer auswählen könne. Vielmehr habe die Behörde die Störerauswahl nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kam nach bisheri___________ 138

Vgl. 4. Kap. E. So auch Becker, UPR 2004, 1 (4). 140 Zu landesrechtlichen Ausgleichsansprüchen und zu der Frage, ob diese gegen Art. 72 und 74 Ziff. 1 GG verstießen, vgl. nur Oerder, NVwZ 1992, 1031 (1038); Körner/Vierhaus, LKV 1996, 345 (349 f.). 141 Vgl. die obige Darstellung unter 4. Kap. D. 142 Vgl. Schwabe, UPR 1983, 7 (10); Seibert, DÖV 1983, 964 (973 ff.); Spannowsky, UPR 1988, 376 (380); Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 ff.; Haller, ZUR 1996, 21 (25 f.); Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 98 ff. 143 BGH, NJW 1981, 2458 und 1996, 845. 139

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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ger Rechtslage allenfalls ein Anspruch des Eigentümers gegen den Verursacher auf Erstattung von Sanierungskosten nach den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht.144

II. Ratio legis Nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG haben mehrere Verpflichtete unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch. Der Ausgleichsanspruch soll dem Zustandsstörer die Inregreßnahme des Verursachers ermöglichen, wenn er von der Behörde ausnahmsweise aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr145 anstelle des grundsätzlich vorrangigen Verhaltensstörers zur Sanierung herangezogen wird.146 Der Ausgleichsanspruch ist damit sowohl Ausfluß des Verursacherprinzips147 als auch des Gebots der gerechten Lastenverteilung.148

III. Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 BBodSchG 1. Zeitlicher Anwendungsbereich a) Anwendung auf Altfälle Der Gesetzgeber hat keine Regelung darüber getroffen, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG auch für Altfälle vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes am 1.3.1999 bestehen kann. Hierbei geht es darum, ob die Bodenkontamination erst nach diesem Datum entstanden, eine etwaige149 Sanierungsanordnung erst danach erlassen und eine Sanierungsmaßnahme erst danach abgeschlossen ___________ 144

BGHZ 98, 235 (242 f.); 110, 313 (315). Wie soeben im Abschnitt D. dargelegt, ist es jedoch nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen und auch nur auf der Primärebene ermessensfehlerfrei, daß die Behörde aus Effektivitätsgründen den Zustandsstörer statt des Verhaltensstörers heranzieht. 146 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/6701, S. 46 sowie Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 29; Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1267); Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1139); Frenz, BundesBodenschutzgesetz, § 24 Rn. 15. 147 Eingehend hierzu unter 9. Kap. C. 148 BGHZ 158, 354 (361); Schoeneck, ebendort, § 24 Rn. 1. 149 Wie nachfolgend dargelegt, ist der Erlaß einer behördlichen Sanierungsanordnung nicht Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch. 145

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

worden sein darf. Da der Anwendungsbereich des Bundes-Bodenschutzgesetzes nicht auf Bodenkontaminationen beschränkt ist, die nach seinem Inkrafttreten entstanden sind, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber auch die Altfälle miteinbeziehen wollte.150 Eine Grenze für die Einbeziehung von Altfällen bestünde nur, wenn es andernfalls zu einer verfassungswidrigen Rückwirkung käme. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil vom 2.4.2004151 zu § 24 Abs. 2 BBodSchG zutreffend entschieden hat, liegt keine verfassungswidrige Rückwirkung vor, wenn der Schuldner des Ausgleichsanspruchs die Bodenkontamination vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes verursacht hat, weil die Gefahr bzw. der Schaden weiter andauere und der Sachverhalt daher nicht abgeschlossen sei.152 In diesem Fall liege lediglich eine zulässige unechte Rückwirkung153 vor. Bestand die Gefahr bzw. der Schaden auch noch nach dem 1.3.1999, so ist es ohne Belang, ob zuvor bereits eine behördliche Sanierungsanordnung zuvor erlassen worden ist. Denn sowohl die Sanierungsverantwortlichkeit als auch die Ausgleichspflicht154 bestehen kraft Gesetzes und sind von einer behördlichen Verfügung unabhängig. Eine andere – vom Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil nicht behandelte – Frage ist, ob ein Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG auch dann besteht, wenn der Zustandsstörer die Sanierungsmaßnahme bereits vollständig vor dem 1.3.1999 abgeschlossen hatte. In einem solchen Fall dürfte der zeitliche Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG nicht eröffnet sein, weil der Sachverhalt (Bodenkontamination und Sanierungsverantwortlichkeit) bereits vor dem Inkrafttreten der Regelung abgeschlossen war und damit eine unzulässige echte Rückwirkung vorläge. 155 Der Zustandsstörer kann seine Sanierungskosten dann nur im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 670 BGB von dem Verursacher ersetzt verlangen.156

b) Keine vorherige Kostentragung erforderlich Der Ausgleichsanspruch setzt nicht voraus, daß der Ausgleichsberechtigte bereits Sanierungsmaßnahmen durchgeführt oder Kosten getragen hat. Der ___________ 150

So auch der Bundesgerichtshof, BGHZ 158, 354 (358). BGHZ 158, 354 (358 ff). 152 Zustimmend Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (52 ff.); Wagner, BB 2000, 417 (424 und 427). 153 Eine unechte Rückwirkung ist nur in bestimmten, hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen verfassungswidrig; vgl. BVerfGE 30, 392 (402 f.); 95, 64 (86). 154 Vgl. hierzu die nachfolgende Darstellung. 155 Zustimmend LG Hamburg, NZM 2001, 339. 156 Vgl. hierzu BGHZ 98, 235 (242 f.); 110, 313 (315). 151

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Ausgleichsberechtigte kann daher, wenn er von der Behörde zur Sanierung oder zur Kostentragung verpflichtet wird, von dem Ausgleichspflichtigen Freistellung verlangen.157 Damit soll verhindert werden, daß der Ausgleichsberechtigte angesichts der zumeist hohen Sanierungskosten in wirtschaftliche Schwierigkeiten getrieben wird. Ein späterer (ggf. nach mehrjährigem Rechtstreit) erstrittener Ausgleich käme dann häufig zu spät. Allerdings bewahrt § 24 Abs. 2 BBodSchG den Ausgleichsberechtigten nur eingeschränkt vor einer Vorleistungspflicht, weil er ihm kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber der Behörde einräumt, er also die Sanierungskosten auch dann innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist zahlen muß, wenn der Ausgleichspflichtige seiner Freistellungspflicht nicht freiwillig nachkommt und hierzu ein Rechtstreit angestrengt werden muß. Hinzu kommt, daß der Ausgleichsberechtigte von dem Ausgleichspflichtigen nicht die Durchführung der Maßnahmen verlangen kann, weil der Ausgleichsanspruch nur auf eine Freistellung oder eine Geldzahlung gerichtet ist.

2. Persönlicher Anwendungsbereich a) Ausgleichsanspruch eines Zustandsstörers gegen einen Verhaltensstörer § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG soll – wie oben158 dargelegt – dem Zustandsstörer einen Rückgriff gegen den im Innenverhältnis letztverantwortlichen Verursacher ermöglichen. Hieraus folgt, daß Gläubiger des Anspruchs im Regelfall der Eigentümer oder ein sonstiger Zustandsverantwortlicher und Schuldner ein Verursacher oder sein Gesamtrechtsnachfolger ist. Dies verdeutlicht auch § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG. Danach hängen der Bestand und der Umfang des Ausgleichsanspruchs grundsätzlich von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen des Anspruchsstellers und des Anspruchsgegners ab. Da ein Zustandsstörer allenfalls an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, indem er sein Grundstück dem Verursacher zu einer mit Umweltgefahren verbundenen Nutzung überlassen hat, der Verursacher die Gefahr jedoch unmittelbar verursacht hat und damit letztverantwortlich ist, kann der Zustandsstörer von dem Verursacher regelmäßig seine vollen Sanierungskosten ersetzt verlangen.159 Etwas anderes gilt gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG ausnahmsweise dann, wenn der ___________ 157

Riedel, ZIP 1999, 94 (100). Vgl. die Darstellung unter II. 159 Dasselbe gilt erst recht, wenn die Sanierungsverantwortlichkeit auf einem bösgläubigen Erwerb beruht, weil der bösgläubige Erwerber nicht einmal an der Gefahrentstehung mitgewirkt hat. 158

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Zustandsstörer und der Verhaltensstörer eine andere Kostenverteilung vereinbart haben.160 Unklar ist, ob dem Eigentümer auch dann ein Ausgleichsanspruch gegen seinen Pächter zusteht, wenn dieser – gedeckt durch eine behördliche Genehmigung – eine Anlage betreibt und es durch den Anlagenbetrieb zu einer Verunreinigung des Bodens kommt. Die herrschende Meinung161 verneint in derartigen Fällen eine Verhaltensverantwortlichkeit des Pächters aufgrund einer Legalisierungswirkung der behördlichen Genehmigung. Wie dargelegt162, darf dies nicht dazu führen, daß in solchen Fällen der Eigentümer von der Behörde zur Sanierung herangezogen wird, weil an ihn keine höheren Sorgfaltsanforderungen bei der Prüfung der Umweltbedenklichkeit einer bestimmten Nutzung gestellt werden dürfen als an die Fachbehörde und weil der Verursacher der Gefahr näher steht. Die Zustandsverantwortlichkeit ist dann nach hier vertretener Ansicht auf eine Duldungspflicht zu beschränken. Saniert der Eigentümer gleichwohl das Grundstück – z. B. weil es anderenfalls unverkäuflich ist – so entspricht es sowohl dem Verursacherprinzip als auch dem Gebot der gerechten Lastenverteilung, daß er die Sanierungskosten von dem Pächter ersetzt verlangen kann. Da jedoch weder der Pächter noch der Eigentümer in derartigen Fällen sanierungsverantwortlich sind, scheidet nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 BBodSchG ein Ausgleichsanspruch mangels beidseitiger Verpflichtung zur Sanierung aus. § 24 Abs. 2 BBodSchG ist in derartigen Fällen jedoch entsprechend anwendbar, weil nur so dem Gebot der gerechten Lastenverteilung Rechnung getragen werden kann.

b) Ausgleichsanspruch eines Verhaltensstörers gegen einen anderen Verhaltensstörer Der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 BBodSchG ist daneben auch im Verhältnis zwischen mehreren Verhaltensstörern eröffnet.163 Haben verschiedene Pächter hintereinander über mehrere Jahrzehnte auf einem Grundstück eine Tankstelle betrieben und wurde das Grundstück durch Tropfverluste beim Betanken über die Jahre fortlaufend kontaminiert, so kann der von der Behörde zur Sanierung in Anspruch genommene gegenwärtige Pächter von den übrigen Verursachern Ausgleich verlangen. Dies steht sowohl im Einklang mit dem ___________ 160

Hierauf wird im folgenden noch näher eingegangen. Breuer, NVwZ 1987, 751 (755); Kloepfer, NuR 1987, 7 (13 f.); Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 ff.; Peine, JZ 1990, 201 ff.; Hilger, Die Legalisierungswirkung von Genehmigungen, 1996. 162 Vgl. 8. Kap. D. II. 2. d) cc). 163 So schon Pützenbacher/Görgen, NJW 2001, 490 (491). 161

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Verursacherprinzip als auch mit dem Gebot der gerechten Lastenverteilung. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs bemißt sich nach dem Verhältnis der jeweiligen Verursachungsbeiträge164.

c) Ausgleichsanspruch eines Zustandsstörers gegen einen anderen Zustandsstörer Umstritten ist, ob ein Zustandsstörer nach § 24 Abs. 2 BBodSchG von anderen Zustandsstörern Ausgleich verlangen kann. Hiergegen wird eingewandt, § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG setze einen Verursachungsbeitrag des Ausgleichspflichtigen voraus. Keiner der Zustandsstörer habe jedoch die Gefahr verursacht. 165 Die Gegenmeinung erkennt gleichwohl einen Ausgleichsanspruch unter Zustandsstörern an, zum Teil jedoch nur unter der Einschränkung, daß kein Verhaltensstörer greifbar sei und die alleinige Sanierung den betreffenden Zustandsstandsstörer überfordere.166 Der letztgenannten Ansicht ist – allerdings ohne die genannte Einschränkung – zuzustimmen. Dem steht § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG nicht entgegen. Dieser besagt gerade nicht, daß der Schuldner die Gefahr stets durch sein Verhalten verursacht haben muß. Vielmehr hängen Bestand und Umfang des Anspruchs vom Verhältnis der jeweiligen Verursachungsbeiträge ab, sofern nicht eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Die hier vertretene Ansicht soll an den beiden nachfolgenden Beispielen veranschaulicht werden. Beispielsfall 1: Eigentümer A verpachtete am 1.7.1994 sein Grundstück an den Betreiber einer Abfalldeponie. Nachdem die Behörde wegen des Verdachts von Bodenund Grundwasserverunreinigungen am 15.4.2004 den Deponiebetreiber zu Probebohrungen und A zu deren Duldung verpflichtet hatte, veräußerte A das Grundstück am 1.7.2004 an B, der zwar von der Nutzung als Deponie, nicht jedoch von dem Verdacht einer Boden- und Grundwasserkontamination Kennt___________ 164 Auf die in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten, bei einer Mehrheit von potentiellen Verursachern die Verursachung und deren Umfang am Gesamtschaden nachzuweisen, wird weiter unten eingegangen. 165 Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 13; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Pützenbacher/Görgen, NJW 2001, 490 (491). 166 Becker, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 7; derselbe, UPR 2004, 1 (6); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 23.

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nis hatte und hierüber auch nicht von A aufgeklärt wurde. B tritt noch am selben Tag in den Pachtvertrag ein. Am 1.10.2004 wird B als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Am 15.10.2004 bestätigt sich der Verdacht. Die Untersuchungen belegen ferner, daß von der Deponie weiterhin Gefahrstoffe in den Boden sickern. Da der Deponiebetreiber inzwischen insolvent ist, verpflichtet die Behörde am 15.11.2004 den B zur Sanierung des Grundstücks. B kommt dem bis zum Jahresende 2004 nach. Nach Abschluß der Sanierung veräußert er das Grundstück, um die Sanierungskosten refinanzieren zu können. In Beispielsfall 1 wäre es unbillig, wenn der von der Behörde zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommene gegenwärtige Eigentümer B allein für die Kosten aufkommen müßte. Wegen der Insolvenz des Verursachers kann er von diesem allenfalls in Höhe der Insolvenzquote, und damit voraussichtlich nur zu einem geringen Teil, Ausgleich seiner Sanierungskosten erlangen. Aus dem Gebot der gerechten Lastenverteilung folgt, daß auch im Verhältnis der Zustandsstörer untereinander ein Ausgleich möglich sein muß, weil die Behörde, wenn Effektivitätsgründe dies gebieten, nicht notwendigerweise den im Verhältnis der Zustandsverantwortlichen Allein- bzw. Letztverantwortlichen heranziehen muß.167 Dem steht auch § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG nicht entgegen, weil dieser – wie ausgeführt – gerade keine Verursachung der Gefahr durch ein Verhalten voraussetzt. Für Bestand und Umfang des Ausgleichsanspruchs kommt es – mangels abweichender Vereinbarung – vielmehr auf das Verhältnis der Verursachungsbeiträge168 von A und B an. Selbst wenn man hierunter mit der h.M.169 nur Beiträge eines Verhaltensstörers versteht, würde dies einen Ausgleichsanspruch vorliegend nicht ausschließen. Da A und B danach beide keinen Verursachungsbeitrag geleistet haben, ihre Verursachungsbeiträge also gleich sind, könnte B von A einen Ausgleich seiner hälftigen Sanierungskosten verlangen.170 Eine solche Lastenverteilung entspräche ___________ 167

Stehen dem nicht ausnahmsweise Effektivitätsgründe entgegen, so hat die Behörde jedoch nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung auch bei einer Auswahl unter mehreren Zustandsverantwortlichen denjenigen in Anspruch zu nehmen, welcher der Gefahr am nächsten steht; vgl. hierzu Abschnitt D. 168 Die herrschende Meinung versteht unter einer Verursachung im Sinne des § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG nur eine Verursachung durch ein Verhalten; vgl. nur Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 13; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Pützenbacher/Görgen, NJW 2001, 490 (491). Diese Auslegung ist jedoch keinesfalls zwingend, weil z. B. auch der Eigentümer nach herrschender Meinung durch die Verunreinigung seines Grundstücks eine Gefahr für das Grundwasser verursacht; vgl. hierzu eingehend 5. Kap. C. 169 Vgl. Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 13; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Pützenbacher/Görgen, NJW 2001, 490 (491). 170 Dabei ist ggf. der vom Deponiebetreiber erlangte Ausgleich in Abzug zu bringen. Eine vorherige Inanspruchnahme des Deponiebetreibers ist jedoch keine Voraussetzung für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs gegen A, weil § 24 Abs. 2 S. 1

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jedoch nicht dem Gebot der gerechten Lastenverteilung, weil A dem B den Kontaminationsverdacht arglistig verschwiegen hat und er zehn Jahre mit dem Pachtzins Nutzen aus dem umweltgefährdenden Deponiebetrieb gezogen hat, B hingegen noch nicht einmal ein halbes Jahr. Nach hier vertretener Ansicht sollte der Begriff der Verursachung in § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG in einem weiten Sinne ausgelegt werden. Im Verhältnis zwischen Zustandsstörern sollte sich der Umfang des Ausgleichsanspruchs nach der Nähe zur Gefahr richten. Haben beide Zustandsstörer – wie im Beispielsfall 1 – durch die Nutzungsüberlassung an den Betreiber der umweltgefährdenden Deponie an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt, so kommt es auf das Verhältnis der jeweiligen Mitwirkungsbeiträge zueinander an. Das dürfte vorliegend zu dem Ergebnis führen, daß B von A einen Ausgleich in Höhe von 95 % seiner Sanierungskosten verlangen kann. Eine gleiche Nähe zur Gefahr dürfte anzunehmen sein, wenn keiner der beiden Zustandsstörer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, sondern sowohl der frühere als auch der gegenwärtige Eigentümer beim Erwerb bösgläubig waren. Dann dürfte regelmäßig ein hälftiger Ausgleich sachgerecht sein, soweit nicht eine andere Lastenverteilung vereinbart wurde. Steht das kontaminierte Grundstück im Miteigentum mehrerer und saniert einer von ihnen das Grundstück, so richtet sich sein Ausgleichsanspruch nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zueinander, soweit die Miteigentümer der Gefahr gleich nahe stehen.

d) Ausgleichsanspruch eines Zustandsstörers, dessen Verantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht beschränkt ist § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG spricht davon, daß mehrere Verpflichtete untereinander einen Ausgleichsanspruch haben. Der Wortlaut legt nahe, daß unter einem Verpflichteten ein nach § 4 Abs. 3 oder 6 BBodSchG Sanierungsverantwortlicher, d.h. ein kraft Gesetzes zur Sanierung und Kostentragung Verpflichteter zu verstehen ist.171 Unklar ist jedoch, ob auch ein Zustandsstörer, dessen Verantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht172 beschränkt ist, von einem Ver___________ BBodSchG allein die Herstellung von Lastengerechtigkeit im Verhältnis von Anspruchsteller und Anspruchgegner zum Ziel hat. 171 Hipp, in: Hipp/Rech/Turian, Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 562; Niewerth, NuR 1999, 558 (559); Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Wagner, BB 2000, 417 (420); Fluck/Kirsch, UPR 2001, 253. 172 Dies ist nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 sowie nach hier vertretener Ansicht dann der Fall, wenn der Eigentümer in einem Fremdeinwirkungsfall nicht an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt oder ein bereits konta-

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

haltensstörer oder einem unbeschränkt haftenden Zustandsstörer Ausgleich verlangen kann. Hiergegen könnte sprechen, daß das Bundes-Bodenschutzgesetz keine Duldungspflicht kraft Gesetzes kennt. §§ 9 Abs. 2 S. 3, 12 BBodSchG ermächtigen die Behörde lediglich, den Grundeigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Duldung von Gefahrenabwehrmaßnahmen zu verpflichten, soweit das Landesrecht eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß einer Duldungsverfügung bereit hält.173 Für einen solchen Ausgleichsanspruch sprechen jedoch das Gebot der gerechten Lastenverteilung und der Wille des Gesetzgebers. Mit § 24 Abs. 2 BBodSchG soll erreicht werden, daß wenigstens im Innenverhältnis der letztverantwortliche Störer die Sanierungskosten zu tragen hat. Hieraus folgt, daß auch ein auf eine Duldungspflicht beschränkter Eigentümer Gläubiger eines Ausgleichsanspruchs sein kann, wie das nachfolgende Beispiele verdeutlicht. Beispielsfall 2: E erwirbt 1987 ein seit längerem ungenutztes Grundstück, um hierauf später für seinen Sohn ein Einfamilienhaus zu errichten. Der Bebauungsplan aus dem Jahre 1981 weist den Ortsteil als reines Wohngebiet aus. Als E Mitte 1999 mit den Erdaushubarbeiten beginnt, stellt sich heraus, daß das Erdreich mit Ölen kontaminiert ist. Die Behörde verpflichtet E, das kontaminierte Erdreich entsorgen zu lassen. Sein hiergegen erhobener Widerspruch wird am 15.12.1999 abgewiesen. E läßt das Erdreich daher entsorgen. Klage erhebt E auf Anraten seines Rechtsanwalts nicht. Mitte 2000 findet E heraus, daß die Kontamination von T verursacht worden sein muß, der auf dem Grundstück von 1970 bis 1972 eine Tankstelle betrieben hat. Kann E von T Ausgleich seiner Kosten verlangen? In Beispielsfall 2 kann E von T seine aufgewandten Kosten in voller Höhe ersetzt verlangen, weil T die Gefahr allein verursacht hat. Ohne Bedeutung ist hierbei, daß E als gutgläubiger Erwerber von der Behörde rechtswidrig zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommen worden ist und E hiergegen nicht gerichtlich vorgegangen ist. Da selbst ein bösgläubiger Erwerber von dem Verursacher seine vollen Sanierungskosten nach § 24 Abs. 2 BBodSchG ersetzt verlangen kann, muß dies erst recht beim gutgläubigen Erwerber gelten.

___________ miniertes Grundstück gutgläubig erworben hat; vgl. eingehend hierzu 7. Kap. D., 8. Kap. D. II. und E. 173 Zu dem Vorschlag, das Bundes-Bodenschutzgesetz de lege ferenda um eine von der Sanierungsverantwortlichkeit losgelöste und kraft Gesetzes geltende Duldungspflicht zu erweitern, vgl. die Darstellung unter 8. Kap. E.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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e) Ausgleichsanspruch eines Verhaltensstörers gegen einen Zustandsstörer Der Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG ist vom Gesetzgeber insbesondere geschaffen worden, um entsprechend dem Verursacherprinzip und dem Gebot der gerechten Lastenverteilung dem Zustandsstörer einen Rückgriff beim Verhaltensstörer zu ermöglichen.174 Es fragt sich, ob in besonders gelagerten Fällen auch ein Verhaltensstörer vom reinen Zustandsstörer Ausgleich verlangen kann. Hierzu folgender Beispielsfall. Beispielsfall 3: A hat auf seinem in einem Gewerbegebiet gelegenen Grundstück seit 1980 eine chemische Reinigung betrieben, diese jedoch zum 31.12.2004 aus Altersgründen eingestellt. Anfang 2005 werden im Gewerbegebiet Grundwasserverunreinigungen festgestellt. Probebohrungen ergeben, daß diese von den von A eingesetzten Chemikalien herrühren. A überträgt das Eigentum an seinem Grundstück an B. B verpflichtet sich, A von der Sanierung freizustellen. Im Gegenzug gewährt A ihm einen Kaufpreisnachlaß in Höhe der erwarteten Sanierungskosten auf der Grundlage eines von B eingeholten Kostenvoranschlags eines Sanierungsunternehmens. Die Behörde nimmt A trotz dessen Hinweis auf die mit B getroffene Freistellungsvereinbarung in Anspruch. Kann A von B nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG Ausgleich der von ihm aufgewandten Sanierungskosten verlangen? Die Frage, ob ein Verhaltensstörer unter besonderen Umständen von einem Zustandsstörer einen Ausgleich nach § 24 Abs. 2 BBodSchG verlangen kann, gehört zu den umstrittensten Fragen des Bundes-Bodenschutzgesetzes.175 Unter Verweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs176 geht die ganz herrschende Lehre177 davon aus, daß ein bloßer Zustandsverantwortlicher nicht als Schuldner, sondern nur als Gläubiger des Ausgleichsanspruchs in Frage komme. Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch, wenngleich ohne nähere Begrün___________ 174

Vgl. die Begründung des Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/6701, S. 46. Zum Diskussionsstand vgl. nur BGHZ 158, 354 (362 f.); Fluck/Kirsch, UPR 2001, 253 (255 ff.) und Pützenbacher/Görgen, NJW 2001, 490 (491), insbesondere Fn. 6, jeweils m.w.N. 176 Vgl. BT-Drucks. 13/6701, S. 46. 177 Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 29; Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 18 f.; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (54); Wagner, BB 2000, 417 (423); v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932); Pützenbacher/Görgen, NJW 2001, 490 (491). 175

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

dung, der Bundesgerichtshof178 angeschlossen. Die Gegenansicht wird im Schrifttum nur vereinzelt vertreten.179 Für einen Ausgleichsanspruch gegen einen reinen Zustandsstörer spricht, daß in § 24 Abs. 1 S. 1 von einem Verpflichteten, d.h. von einem Sanierungsverantwortlichen im Sinne des § 4 Abs. 3 oder 6 BBodSchG, die Rede ist. Hierzu gehören auch die Zustandsstörer. Allerdings könnte ein solcher Anspruch nach § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS. BBodSchG ausgeschlossen sein, der besagt, daß die Verpflichtung zum Ausgleich, soweit nichts anderes vereinbart worden ist, von dem jeweiligen Grad der Verursachung der Gefahr oder des Schadens abhängt. Hieraus leitet die herrschende Meinung ab, daß der Schuldner des Ausgleichsanspruchs die Gefahr stets durch sein Verhalten verursacht haben muß. Die herrschende Meinung180 ist abzulehnen, weil sie im Widerspruch zum Wortlaut des § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG steht. Danach geht das Gesetz zwar in Ermanglung einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung davon aus, daß eine Verpflichtung zum Ausgleich von einem Verursachungsbeitrag abhängt. Die herrschende Meinung übersieht jedoch, daß es den Verpflichteten frei steht, sowohl hinsichtlich des Ob als auch des Umfangs des Ausgleichsanspruchs eine hiervon abweichende Vereinbarung zu treffen. Das Verursacherprinzip181, demzufolge der Verursacher grundsätzlich die sachliche und finanzielle Verantwortung für den Umweltschutz trägt182, tritt in einem solchen Fall hinter das Gebot der gerechten Lastenverteilung zurück, wobei sich letzteres an der von den Parteien vertraglich vereinbarten Lastenverteilung orientiert. Beispielsfall 3 verdeutlicht, daß hierfür auch ein praktisches Bedürfnis besteht, wenn der Zustandsstörer von dem Verursacher ein kontaminiertes Grundstück erworben hat und sich hierbei gegen einen die erwartenden Sanierungskosten deckenden Preisnachlaß zu dessen Freistellung verpflichtet. Nach zutreffender Ansicht können daher auch Zustandsstörer Schuldner eines Ausgleichsanspruchs sein. Dies gilt aus den unter d) dargelegten Gründen selbst dann, wenn der Zustandsstörer nur zur Duldung der Sanierung verpflichtet werden kann, wie das nachfolgende Beispiel veranschaulicht.

___________ 178

BGHZ 158, 354 (362 f.). Zuvor bereits LG Hannover, UPR 2003, 395 (396). Vierhaus, in: Fluck, Bodenschutzrecht, § 24 Rn. 86. 180 BGHZ 158, 354 (362 f.); LG Hannover, UPR 2003, 395 (396); Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 29; Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24, Rn. 18 f.; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (54); Wagner, BB 2000, 417 (423); v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932); Pützenbacher/Görgen, NJW 2001, 490 (491). 181 Vgl. die eingehende Darstellung unter 9. Kap. C. 182 Vgl. nur Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 29. 179

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Beispielsfall 4: A betreibt auf seinem Grundstück eine Chemiefabrik. Bei einem Störfall laufen giftige Chemikalien aus und gelangen in das Erdreich des angrenzenden Grundstücks des B. A und B schließen in der Folge einen Vergleich, indem sich B zur Beseitigung der Umweltgefahren verpflichtet. Wie in dem Vergleich vereinbart, zahlt A dem B eine Entschädigung in Höhe der beiderseits erwarteten Sanierungskosten. B kommt seiner Verpflichtung zur Sanierung nicht nach. Daraufhin zieht die Behörde den A zur Sanierung heran. Beispielsfall 4 verdeutlicht, daß es in Fällen einer vertraglich vereinbarten Lastenverteilung für den Ausgleichsanspruch allein auf diese, nicht aber auf den Grad der bodenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit ankommt. Dies ist Konsequenz des dispositiven Charakters des § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG und zugleich Folge des unter dem Einfluß der Vertragsautonomie der Parteien stehenden Gebots der gerechten Lastenverteilung. Hieran wird deutlich, daß es sich bei § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG um einen zivilrechtlichen183 Anspruch handelt, so daß bei Streitigkeiten gemäß § 24 Abs. 2 S. 6 BBodSchG der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten eröffnet ist. Ein Zustandsstörer kann jedoch nur in den skizzierten Fällen einer mit dem Verursacher vereinbarten Lastenverteilung Schuldner eines Ausgleichsanspruchs sein. Nicht zu folgen ist der von Schlette184 vertretenen Ansicht, daß in Fällen, in denen die schädigende Handlung lange zurückliegt und der Verursacher im Zeitpunkt ihrer Vornahme gutgläubig bezüglich ihrer Unbedenklichkeit war, während der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks von der Kontamination wußte oder hätte wissen müssen, der Verursacher von dem Eigentümer einen Ausgleich nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG verlangen kann. Da die Verhaltensverantwortlichkeit verschuldensunabhängig ist, ist es entgegen Schlette ohne Belang, ob der Verursacher im Zeitpunkt der schädigenden Handlung die Gefährlichkeit seines Tuns kannte.185 Da er die Gefahr verursacht hat, steht er ihr stets näher als ein Erwerber, der an der Gefahrentstehung unbeteiligt war, gleichgültig ob dieser gutgläubig oder bösgläubig war.

___________ 183 Hierfür spricht, daß Gläubiger und Schuldner des Anspruchs regelmäßig keine Träger öffentlicher Hoheitsgewalt sind. Zustimmend Sondermann/Henke, in: Versteyl/ Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 16; Landel, in: Landel/Vogg/ Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 16 und 30; Niewerth, NuR 1999, 558 (560); Heßler/Janssen, NuR 2004, 719; a.A. Schönfeld, in: Oerder/Numberger/ Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 17, der einen öffentlich-rechtlichen Anspruch annimmt. 184 VerwArch 91 (2000), 41 (56). 185 Zustimmend Fluck/Kirsch, UPR 2001, 253 (256).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

3. Sachlicher Anwendungsbereich Nach § 24 Abs. 2 BBodSchG sind die (erforderlichen) Aufwendungen auszugleichen, die einem Verpflichteten186 im Zuge einer Sanierung sowie der anderen in § 24 Abs. 1 BBodSchG genannten Maßnahmen, wie insbesondere einer Untersuchung zur Gefährdungsabschätzung oder der Erstellung eines Sanierungsplans, entstanden sind. Dem § 24 Abs. 2 BBodSchG läßt sich jedoch nicht ohne weiteres entnehmen, ob der Grundeigentümer, der von der Behörde nach § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG zum Wertausgleich187 verpflichtet worden ist, auch diese Kosten von dem Verursacher erstattet verlangen kann. Gegen einen Ausgleich auch der beim Wertausgleich getragenen Kosten könnte die systematische Stellung des § 24 Abs. 2 BBodSchG sprechen. Der Gesetzgeber hat den Ausgleichsanspruch im Anschluß an die Kostenregelung des § 24 Abs. 1 BBodSchG und noch vor dem Wertausgleich in § 25 BBodSchG geregelt. Gleichwohl ergibt die teleologische Auslegung, daß auch die dem Grundeigentümer entstandenen Kosten im Rahmen des Wertausgleichs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG ausgleichspflichtig sind.188 Da der Wertausgleich dem öffentlichen Kostenträger zur Finanzierung der behördlichen Sanierungsmaßnahme dient und die Behörde – wie an anderer Stelle189 dargelegt – frei darüber entscheiden kann, ob sie den Grundeigentümer zur Kostentragung nach Ersatzvornahme oder nach unmittelbarer Ausführung oder aber zum Wertausgleich verpflichtet, müssen auch diese Kosten nach § 24 Abs. 2 BBodSchG ausgeglichen werden können.

IV. Unabhängigkeit des Ausgleichsanspruchs von einer vorherigen behördlichen Inanspruchnahme § 24 Abs. 2 BBodSchG läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob ein Ausgleichsanspruch nur dann besteht, wenn der Gläubiger vor Geltendmachung des Anspruchs von der Behörde zur Durchführung von Maßnahmen verpflichtet worden ist. In § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG ist lediglich davon die Rede, daß der Ausgleichsanspruch zwischen Verpflichteten unabhängig von einer (beidseitigen) behördlichen Heranziehung ist. In der Rechtsprechung190 und im Schrift___________ 186

Siehe hierzu die obige Darstellung unter 2. Vgl. die eingehende Darstellung unter Kapitel 13. 188 Zustimmend Hilger, in: Holzwarth/Hilger/Radtke, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 7; Riedel, ZIP 1999, 94 (100). 189 Vgl. 13. Kap. M. 190 LG Hamburg, NZM 2001, 339. 187

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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tum191 wird vereinzelt eine vorherige behördliche Inanspruchnahme des Gläubigers gefordert und dies mit der systematischen Stellung des § 24 Abs. 2 BBodSchG innerhalb des § 24 BBodSchG begründet, dessen Absatz 1 die Kostentragung für behördlich angeordnete Maßnahmen zum Gegenstand hat. Die herrschende Lehre192 hat sich dieser Ansicht zu Recht nicht angeschlossen. § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG spricht von einem Ausgleich unter mehreren Verpflichteten. Wie an anderer Stelle193 dargelegt, folgt die Verpflichtung (d.h. die Sanierungsverantwortlichkeit) unmittelbar aus dem Gesetz194, ohne daß es einer behördlichen Anordnung bedarf. Hinzu kommt, daß § 24 Abs. 2 BBodSchG generell das Ziel verfolgt, im Innenverhältnis dem Gebot der gerechten Lastenverteilung – und soweit nicht hierdurch verdrängt195 – dem Verursacherprinzip Geltung zu verschaffen. Dann muß aber erst recht der Eigentümer, der wegen der Säumigkeit des letztverantwortlichen Verursachers die Sanierung durchführt, von diesem einen Ausgleich verlangen können.

V. Bestand und Umfang des Ausgleichsanspruchs Aus § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG folgt, daß sowohl der Bestand als auch der Umfang des Ausgleichsanspruchs in erster Linie von einer zwischen dem Anspruchsberechtigten und dem Anspruchsverpflichteten getroffenen Vereinbarung abhängen (vgl. hierzu unter 1.).196 Nur soweit eine solche Vereinbarung fehlt, richten sich Bestand und Umfang des Anspruchs nach der gesetzlichen Lastenverteilungsregel (§ 24 Abs. 2 S. 2 2. Satzteil BBodSchG), die sich am Verursacherprinzip orientiert und auf das Verhältnis der beiderseitigen Verursachungsbeiträge abstellt (vgl. hierzu unter 2.).

1. Vertraglich vereinbarte Lastenverteilung Der Anspruchsteller und der Anspruchsgegner werden voraussichtlich nur in Ausnahmefällen den Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG aus___________ 191

Knoche, NVwZ 1999, 1198 ff.; derselbe, GewArch 2000, 448 (454 f.). Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 4; Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1267); Niewerth, NuR 558 (560); Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (70 f.); Schönfeld, NVwZ 2000, 648 (649 f.); Wagner, BB 2000, 417 (422); Pützenbacher/Görgen, NVwZ 2001, 490 (491). 193 Vgl. oben unter 11. Kap. A. 194 Es handelt sich somit um eine abstrakte „Polizeipflicht“. 195 Vgl. hierzu die obige Darstellung unter III. 2. e). 196 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen unter III. 2. e). 192

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

drücklich ausschließen oder eine vom gesetzlichen Leitbild abweichende Verteilung der Lasten für den Sanierungsfall vereinbaren. Nach herrschender Meinung197 ist dies auch nicht erforderlich, weil auch eine konkludente Vereinbarung zur Abbedingung der gesetzlichen Lastenverteilung ausreiche.198 Letztere dürften in der Praxis häufiger sein.

a) Ausdrückliche Vereinbarungen Ein ausdrücklicher Ausschluß des Ausgleichsanspruchs bzw. eine Modifizierung der gesetzlichen Lastenverteilungsregel in § 24 Abs. 2 S. 2 2. Satzteil BBodSchG kommt in erster Linie bei Abschluß eines notariellen Kaufvertrages über ein kontaminiertes Grundstück in Betracht. Dies ist dann sinnvoll, wenn sich der Veräußerer und der Erwerber darauf verständigt haben, daß der Erwerber im Innenverhältnis die Sanierungskosten ganz oder zum Teil tragen soll, obwohl der Veräußerer im Außenverhältnis vollständig oder überwiegend verantwortlich ist.

b) Konkludente Vereinbarungen Schwieriger zu beantworten ist, wann die Parteien die gesetzliche Lastenverteilungsregel des § 24 Abs. 2 S. 2 2. Satzteil BBodSchG konkludent abbedungen haben. Erforderlich hierfür ist, daß die Parteien den Willen zum Ausdruck gebracht haben, daß eine Seite im Innenverhältnis die mit einer Sanierung verbundenen Kosten ganz oder zum Teil tragen soll. Der Bundesgerichtshof 199 bejaht dies dann, wenn der Veräußerer (als Verursacher) dem Erwerber (als reinem Zustandsstörer) einen Preisnachlaß gewährt und der Erwerber im Gegenzug das Sanierungsrisiko für eine vorhandene oder befürchtete Kontamination übernimmt. Könnte der Erwerber in einem solchen Fall Ausgleich der Sanierungskosten vom Veräußerer verlangen, so würde hierdurch das vertragliche Äquivalenzverhältnis unterlaufen.

___________ 197

BGHZ 158, 354 (366); Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 24; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1141); Fluck/Kirsch, UPR 2001, 253 (254). 198 A.A. Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 16; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 32; Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (65 f.). 199 BGHZ 158, 354 (368).

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Bundes-Bodenschutzgesetz200 nennt daneben den Fall, daß der Verkäufer seine Gewährleistungsrechte für die Beschaffenheit des Grundstücks ausgeschlossen hat.201 Demgegenüber ist der Bundesgerichtshof202 der Auffassung, daß gemäß §§ 133, 157 BGB im Zweifel nicht auf den Willen der Parteien geschlossen werden könne, eine vom Verursacherprinzip abweichende Vereinbarung über die Lastenverteilung zu treffen. Er begründet dies damit, daß Freizeichnungsklauseln als Ausnahme von der Regel grundsätzlich eng auszulegen seien. Der Käufer müsse bei einem Gewährleistungsausschluß allein damit rechnen, daß die kaufvertraglichen Ansprüche bei Sachmängeln (wie Minderung, Rücktritt und Schadenersatz) ausgeschlossen sein sollen, nicht aber sämtliche zivilrechtlichen Regreßansprüche. Hierzu sei jedenfalls bei nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes abgeschlossenen Verträgen regelmäßig ein ausdrücklicher Ausschluß erforderlich. Etwas anderes könne nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 203 allerdings dann gelten, wenn der Erwerber bei Abschluß des notariellen Kaufvertrages und des darin enthaltenen Gewährleistungsausschlusses positive Kenntnis von der Bodenkontamination habe. In einem solchen Fall könne der Erwerber möglicherweise204 nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs gehindert sein.

c) Parteien der Vereinbarung Es fragt sich, ob eine abweichende Vereinbarung den Ausgleichsanspruch nur dann wirksam modifiziert, wenn die Vereinbarung unmittelbar zwischen dem Anspruchsteller und dem Anspruchsgegner getroffen worden ist oder ob es bei Kettenkaufverträgen ausreicht, wenn eine lückenlose Kette von Vereinbarungen vorliegt. Beispielsfall: V hat auf seinem Grundstück eine Lackfabrik betrieben. Durch auslaufende Lacke wurde der Boden über die Jahre erheblich kontaminiert. Im Jahre 2000 veräußert er sein Grundstück an A. A stellte V gegen einen Preisnachlaß von ___________ 200

BT-Drucks. 13/6701, S. 46. Zustimmend Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1141); Fluck/Kirsch, UPR 2001, 253 (254). 202 BGHZ 158, 354 (366). Zustimmend Wagner, BB 2000, 417 (424). Ablehnend hingegen die Urteilsanmerkung von Grziwotz, EWiR 2004, 1065 (1066). 203 BGHZ 158, 354 (369). Hingegen reiche das Kennenmüssen nicht; a.A. Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (55 f.). 204 Der Bundesgerichtshof konnte dies in casu offenlassen. 201

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

den Kosten einer Sanierung frei. A veräußerte das Grundstück im Jahre 2003 an B weiter und ließ sich seinerseits gegen einen Preisnachlaß von B freistellen. Die Behörde nimmt B zur Sanierung in Anspruch. Kann B von V einen Ausgleich seiner Sanierungskosten verlangen? Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom 2.4.2004205 dafür ausgesprochen, daß eine Vereinbarung grundsätzlich nur dann zum Ausschluß oder zu einer Einschränkung des Ausgleichsanspruchs führen kann, wenn sie zwischen Anspruchsgläubiger und -schuldner getroffen worden ist.206 Fraglich ist, ob die zwischen A und B getroffene Vereinbarung – ggf. im Verbund mit der Vereinbarung zwischen V und A – gleichwohl zur Folge hat, daß der Ausgleichsanspruch des B gegen V abbedungen wurde. Dann müßte entweder die Vereinbarung zwischen V und A zu Lasten des B oder die Vereinbarung zwischen A und B zugunsten des V wirken. Ersteres ist ausgeschlossen, da ein Vertrag zu Lasten Dritter unwirksam ist.207 Ebenso kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden, daß B mit A neben der Freistellung des A auch eine Freistellung des V vereinbaren wollte. In der Literatur 208 wird in derartigen Fällen teilweise eine entsprechende Anwendung der Regeln des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs erwogen. Dies hat der Bundesgerichtshof209 unter Hinweis darauf, daß er vorab vereinbarten Haftungsfreistellungen für das Innenverhältnis der Gesamtschuldner bislang keine Wirkung beigelegt hat und die Sanierungsverantwortlichen seines Erachtens keine Gesamtschuldner seien, abgelehnt. Der Bundesgerichtshof hat jedoch angedeutet, daß dem sanierungsverantwortlichen Grundeigentümer bei solchen Kettenkaufverträgen die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs nach § 242 BGB verwehrt sein kann, wenn er bei Abschluß des Kaufvertrages Kenntnis von der Kontamination hatte.210 Bei Grundstückskaufverträgen empfiehlt es sich daher zum einen, eine Vereinbarung über die Lastenverteilung bei Kontaminationen aufzunehmen und hierbei explizit den Ausgleichsanspruch mitzuregeln. Da dies bei Veräußerungsketten leerzulaufen droht, sollte der notarielle Kaufvertrag zum anderen eine schadenersatz- oder strafbewährte Verpflichtung des Käufers enthalten, daß dieser im Falle des Weiterverkaufs seinen Käufer ebenfalls zur Freistellung des Erstverkäufers, d.h. zugunsten Dritter, zu verpflichten hat (sog. Weiterga-

___________ 205

BGHZ 158, 354 (363 ff.). Zustimmend Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (64); Wagner, BB 2000, 417 (424). 207 BGHZ 158, 354 (363). 208 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 10; Wagner, BB 2000, 417 (423). 209 BGHZ 158, 354 (364). 210 Ebendort, S. 369. Das Kennenmüssen stehe dem nicht gleich. 206

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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beverpflichtung).211 Steht bereits beim Erstverkauf fest, daß das Grundstück kontaminiert ist, so sollte die Weitergabeverpflichtung zudem eine Verpflichtung des späteren Verkäufers enthalten, einen Käufer ausdrücklich über das Vorhandensein einer Kontamination aufzuklären.

2. Gesetzliche Lastenverteilung Haben der Anspruchsgläubiger und der -schuldner keine abweichende Vereinbarung getroffen, so richten sich Bestand und Umfang des Ausgleichsanspruchs nach dem Verhältnis der beiderseitigen Verursachungsbeiträge. In Ermanglung einer dispositiven Regelung geht das Gesetz in § 24 Abs. 2 S. 2 2. Satzteil BBodSchG somit zutreffend davon aus, daß Maßstab für eine gerechte Lastenverteilung das Verursacherprinzip ist. Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig dazu führen, daß ein reiner Zustandsstörer von einem Verhaltensstörer212 die erforderlichen Sanierungskosten in voller Höhe ersetzt verlangen kann.213 In der Praxis bereiten dem Zustandsstörer allerdings das Auffinden eines Verursachers sowie insbesondere der gerichtsfeste Nachweis einer Verursachung erhebliche Schwierigkeiten. Als besonders problematisch erwiesen haben sich hierbei Fälle, in denen ein Grundstück über mehrere Jahrzehnte hintereinander von mehreren Pächtern in derselben Weise (z. B. als Tankstelle) genutzt worden ist.214 Ein in Anspruch genommener Pächter wird dann häufig seine Verursachung bestreiten und behaupten, die Kontamination sei ausschließlich von früheren bzw. späteren Pächtern verursacht worden. Bei einem ___________ 211 Ferner muß sichergestellt werden, daß der Zweitkäufer den Drittkäufer und dieser seinen Käufer usw. ebenfalls zur Freistellung des Erstverkäufers verpflichtet. Daneben kann die Weitergabeverpflichtung vorsehen, daß aus der Verletzung der Weitergabeverpflichtung entstehende Ansprüche an den Verursacher abgetreten werden. Zu Weitergabeverpflichtungen vgl. auch die Urteilsanmerkung von Grziwotz, EWiR 2004, S. 1065 (1066). 212 Auf die Frage, ob ein Zustandsstörer auch dann von dem in Anspruch genommenen Verhaltensstörer seine gesamten Sanierungskosten verlangen kann, wenn die Kontamination von weiteren Verhaltensstörern mitverursacht worden ist, wird unter VI. eingegangen. 213 Vgl. die Regierungsbegründung zum Bundes-Bodenschutzgesetz, BT-Drucks. 13/6701, S. 46 sowie BGHZ 158, 354 (362 f.); LG Hannover, UPR 2003, 395 (396); Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 29; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (54); Wagner, BB 2000, 417 (423); v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932). 214 Ein solcher, typischer Sachverhalt lag den Entscheidungen des LG Hannover, UPR 2003, 395 ff. sowie des OLG Celle, NVwZ 2004, 379 ff. als Berufungsinstanz zugrunde.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

über mehrere Jahrzehnte hintereinander von verschiedenen Pächtern derselben Branche genutzten Grundstück wird dem gegenwärtigen Eigentümer ein Nachweis der individuellen Verursachung bzw. des jeweiligen Verursachungsbeitrages regelmäßig nicht gelingen.215 Würde man dem Eigentümer in derartigen Fällen die volle Darlegungs- und Beweislast auferlegen und ihm einen Ausgleichsanspruch nur bei positivem Nachweis der Verursachung durch einen konkreten Verursacher zusprechen, so könnte § 24 Abs. 2 BBodSchG seinem Ziel216 nicht gerecht werden, daß letztlich der Verursacher die Sanierungskosten zu tragen hat.217 Das Rangverhältnis zwischen Verhaltens- und Zustandsstörer würde durch die Kraft des Faktischen in ihr Gegenteil verkehrt. Der Ausgleichsanspruch liefe dann häufig ins Leere.218 In der Rechtsprechung219 und im Schrifttum220 herrscht daher inzwischen Einigkeit, daß die Nachweispflicht für die Verursachung nicht überspannt werden dürfe und der Eigentümer daher keinen positiven Nachweis der Verursachung erbringen müsse. Im einzelnen umstritten ist jedoch, in welcher Weise dem Anspruchsgläubiger eine Beweiserleichterung zugute kommt. So spricht sich Frenz221 für eine Beweislastumkehr aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Verursachereigenschaft sprechen. In diesem Fall obliege es dem Anspruchsgegner, die Vermutung zu entkräften. Andere Autoren222 gehen dann, wenn die Kontamination typischerweise auf die ___________ 215 So auch OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (381); Heßler/Janssen, NuR 2004, 719 (720). 216 Vgl. die Ausführungen unter II. 217 Dieses Problem ist nach hier vertretener Ansicht jedoch bereits weitgehend m Rahmen der behördlichen Störerauswahl zu lösen; vgl. hierzu Abschnitt D. Von seltenen Ausnahmefällen abgesehen hat die Behörde einen Verhaltensstörer vorrangig vor einem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen. Hierbei obliegt es der Behörde im Rahmen der Amtsermittlung, dem Verursacher die Verursachung nachzuweisen. Die Behörde kann sich dem regelmäßig nicht durch eine Heranziehung des Zustandsstörers entziehen und diesem hierdurch den Nachweis der Verursachung aufbürden. Dieser Nachweis ist dem Bürger viel schwieriger, weil er weder über die sachlichen und personellen Kapazitäten der Behörde noch über deren hoheitlichen Eingriffsrechte verfügt; vgl. hierzu Keßler/Janssen, NuR 2004, 719 (720). 218 Zustimmend Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 26. 219 BGHZ 158, 354 (370 f.); OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (381); LG Hannover, UPR 395 ff. 220 Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140); Schönfeld, in: Oerder/Numberger/ Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 15; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 26; Landel, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 31; v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932); Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (67 f.); Wagner, BB 2000, 417 (423); Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 25. 221 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 26. 222 Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140 f.); v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932); Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 25.

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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jeweilige Nutzung zurückzuführen ist, von einem Anscheinsbeweis aus, daß der Nutzer die Kontamination verursacht hat. Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 2.4.2004223 für eine analoge Anwendung der Ursachenvermutung aus § 6 UmweltHG ausgesprochen. Allerdings muß bezweifelt werden, daß hierdurch die Beweissituation des Anspruchstellers wesentlich verbessert wird. Wie der Bundesgerichtshof selbst ausführt, greift die Ursachenvermutung nach § 6 Abs. 2 UmweltHG in dem wichtigsten Anwendungsfall, dem bestimmungsgemäßen Betrieb, nicht. Bodenkontaminationen sind jedoch regelmäßig Folge des Normalbetriebs. Zudem ist die Ursachenvermutung nach § 7 UmweltHG ausgeschlossen, wenn eine andere Anlage oder ein anderer Umstand ebenfalls geeignet ist, den Schaden verursacht zu haben. Damit kann der Anspruchsgegner die Ursachenvermutung bereits dadurch widerlegen, daß er nachweist, daß auch ein anderer Pächter die Kontamination durch eine frühere oder spätere Anlage habe verursachen können. Greife die Ursachenvermutung des § 6 UmweltHG nicht, so kommen dem Anspruchsteller nach Ansicht des Bundesgerichtshofs224 andere Beweiserleichterungen zugute. So komme bei festgestellter Überschreitung der durch Verwaltungsvorschriften festgelegten Emissions- und Immissionswerte für die Kausalitätsfrage eine Beweiserleichterung in Betracht. 225 Im übrigen gelte ein Anscheinsbeweis für die Verursachung, wenn etwa feststehe, daß das Grundstück bei Beginn der Nutzung noch nicht kontaminiert war.226 Ein solcher Nachweis wird jedoch bei einem über mehrere Jahrzehnte gewerblich genutzten Grundstück nur selten möglich sein.227 Vorzugswürdig ist daher die in der Literatur228 befürwortete Beweislastumkehr in Fällen, in denen tatsächliche Anhaltspunkte mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Verursachereigenschaft

___________ 223

BGHZ 158, 354 (370 f.). Da der Anspruchsteller regelmäßig mit dem Kausalitätsnachweis zu scheitern drohe, weil ihm hierfür die erforderlichen Kenntnisse über die zurückliegenden Vorgänge auf dem Grundstück fehlen, das Bundes-Bodenschutzgesetz aber keine Ursachenvermutung enthalte, nimmt der Bundesgerichtshof eine planwidrige Regelungslücke an und bejaht die Vergleichbarkeit mit dem Anlagenbetrieb. So zuvor bereits Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (68). Ablehnend äußern sich hingegen Heßler/Janssen, NuR 2004, 719 (722 f.). 224 BGHZ 158, 354 (371). 225 Vgl. hierzu BGHZ 92, 143 (146 f.); BGH, NJW 1997, 1748; 2004, 1317 (1318 f.). 226 Vgl. hierzu BGH, NJW 1994, 1880 f. 227 Zustimmend Heßler/Janssen, NuR 2004, 719 (722). 228 Pützenbacher, NJW 1999, 1137 (1140 f.); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 26; v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932); Sondermann/Henke, in: Versteyl/ Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 25.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

sprechen.229 Hierfür muß es ausreichen, daß die Kontamination typischerweise auf die jeweilige Nutzung zurückzuführen ist. So ist z. B. bei Ölkontaminationen im Bereich des Tanks auf einem Tankstellengrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, daß sie aus Tropfverlusten oder einem Überfüllen beruhen.230 Bei einer Mehrheit wahrscheinlicher Verursacher ist analog § 830 Abs. 1 S. 2 BGB von einer Mitverursachung eines jeden auszugehen, weil die Bestimmung gerade bei Urheberzweifeln im Rahmen der Nebentäterschaft anwendbar ist.231

VI. Umfang des Ausgleichsanspruchs bei einer Mehrheit von Letztverantwortlichen § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG hat, wie dargelegt, nur die Herstellung einer gerechten Lastenverteilung im Verhältnis von Anspruchsteller zum Anspruchsgegner im Blick. Es fragt sich daher, ob ein Eigentümer bei einer von mehreren Verursachern – sei es in Mittäter- oder in Nebentäterschaft – herbeigeführten Bodenkontamination jeden Verursacher nur in Höhe seines Verursachungsbeitrags in Anspruch nehmen kann oder ob jeder Verursacher dem Zustandsstörer gegenüber zum vollen Ausgleich verpflichtet ist. Die ganz herrschende Meinung232 hat sich zu Recht dafür ausgesprochen, daß der Zustandsstörer von dem in Anspruch genommenen Verursacher den vollen Ausgleich seiner Kosten verlangen kann. Es ist dann Sache des Anspruchsgegners, andere Verursacher in Regreß zu nehmen. Hierbei trägt der Anspruchsgegner das Risiko, daß es ihm gelingt, andere Verursacher zu ermitteln, ihnen die Verursachung und den Verursachungsumfang nachzuweisen und den Anspruch durchzusetzen233 Diese ___________ 229 Dahinter steht die Überlegung, daß sowohl im Allgemeinen Gefahrenabwehrrecht als auch im Bundes-Bodenschutzgesetz (vgl. nur § 9 Abs. 2 S. 1) bei Anscheins- und Verdachtslagen der mutmaßliche Verursacher als Verantwortlicher herangezogen werden kann. Widerlegt dieser die Verursachungsvermutung, so kann er gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 BBodSchG von der Behörde die Kosten erstattet verlangen. 230 Vgl. OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (381). 231 So auch OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (381) unter Verweis darauf, daß § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auch auf die Gefährdungshaftung anwendbar sei. Der Bundesgerichtshof hat § 830 Abs. 1 S. 2 BGB z. B. angewandt bei einem früheren und einem späteren Inhaber eines Öltanks bei Ölaustritt; vgl. BGHZ 55, 96 sowie BGH, NJW 1999, 3633; vgl. ferner Thomas, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 830 Rn. 6 ff. 232 OLG Celle, NVwZ 2004, 379 (381); Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 15; Wagner, BB 2000, 417 (423); v. Westerholt, NJW 2000, 931 (932); Heßler/Janssen, NuR 2004, 719 (722). 233 Der Ausgleichspflichtige kann bei Inanspruchnahme durch den Ausgleichsberechtigten aber von anderen Verursachern Freistellung insoweit verlangen, als sie im Verhältnis der jeweiligen Verursachungsbeiträge zueinander ihrerseits zum Ausgleich

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Risikotragung durch den Verursacher ist als Ausfluß des Verursacherprinzips und des Gebots der gerechten Lastenverteilung auch sachgerecht, weil der Verursacher der Gefahr näher steht als der Zustandsstörer. Umstritten ist die dogmatische Herleitung des von der herrschenden Meinung vertretenen Ergebnisses. Zum Teil wird die volle Ausgleichspflicht des Verursachers mit dem Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses begründet.234 Diese Ansicht ist jedoch – wie auch der Bundesgerichtshof235 jüngst ausgeführt hat – abzulehnen, weil § 24 Abs. 2 S. 2 2. HS. BBodSchG nur § 426 Abs. 1 S. 2, nicht aber die zivilrechtlichen Bestimmungen über Gesamtschuldverhältnisse gemäß §§ 421 ff. BGB insgesamt für anwendbar erkläre.236 Das OLG Celle237 stützt sich daher auf § 830 Abs. 1 BGB sowie § 840 Abs. 1 BGB, die bei einer mittäterschaftlichen bzw. einer nebentäterschaftlichen Begehung einer unerlaubten Handlung eine Gesamtschuld anordnen. Eines solchen Rückgriffs bedarf es jedoch nicht, weil § 24 Abs. 2 BBodSchG selbst die Lösung bereit hält.238 Der Ausgleichsanspruch hat nur das Verhältnis des Zustandsstörers zu dem konkret in Anspruch genommenen Verhaltensstörer im Blick. Der Umfang des Ausgleichsanspruchs richtet sich dann nach dem Verhältnis der beiderseitigen Verursachungsbeiträge. Im Verhältnis zum Zustandsstörer hat jedoch der Verhaltensstörer die Gefahr allein verursacht und ist daher zum vollständigen Ausgleich verpflichtet. Der Zustandsstörer kann sich daher einen beliebigen Verhaltensstörer herausgreifen und von diesem seine sämtlichen Sanierungskosten ersetzt verlangen. In diesem Sinne ist auch der Verweis auf § 426 Abs. 1 S. 2 BGB zu verstehen, wonach bei Ausfall eines Gesamtschuldners alle übrigen Gesamtschuldner den Ausfall zu tragen haben.

___________ verpflichtet sind. Problematisch ist insoweit allerdings, daß es der Gesetzgeber versäumt hat, bei mehr als zwei Verursachern zu regeln, daß es nicht auf das bilaterale Verhältnis eines Verursachers zu dem zufällig in Anspruch genommenen anderen Verursacher, sondern auf die Verantwortung eines jeden beteiligten Verursachers ankommen muß, weil sonst der zuerst klagende Verursacher gegenüber dem beklagten Verursacher privilegiert würde. Dasselbe Problem stellt sich, wenn bei mehr als zwei Zustandsstörern ein Zustandsstörer von einem anderen Ausgleich verlangt. 234 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 26; Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1266); Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 10. 235 BGHZ 158, 354 (370). 236 Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 14; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 34; Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 24; Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (49). 237 NVwZ 2004, 379 (381). Zustimmend Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 15. 238 Zustimmend Heßler/Janssen, NuR 2004, 719 (722).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

VII. Verjährung des Ausgleichsanspruchs Nach § 24 Abs. 2 S. 3 BBodSchG verjährt der Ausgleichsanspruch nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt im Falle der Durchführung der Maßnahme durch die Behörde im Zeitpunkt der Kostenfestsetzung. In allen anderen Fällen beginnt sie nach Beendigung der Maßnahme durch den Anspruchsberechtigten zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verpflichtete von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, spätestens jedoch 30 Jahre nach Beendigung der Maßnahme. In der ersten Zeit nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes hat sich die Verjährung als ein wesentliches Hindernis für die Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs herausgestellt.239 Entgegen der ganz herrschenden Meinung in der Literatur240 haben drei erstinstanzliche Gerichte241 die Klagen von Grundeigentümern gegen ihre Mieter als Verursacher einer Bodenkontamination auf Ausgleich ihrer Sanierungskosten abgewiesen, weil die Ansprüche nach Ansicht dieser Gerichte aufgrund des Vorrangs des § 548 BGB bereits sechs Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses verjährt seien. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung jedoch bereits reagiert und mit dem neuen § 24 Abs. 2 S. 3 2. HS BBodSchG klargestellt, daß die kurzen Verjährungsfristen der §§ 438, 548 und 606 BGB keine Anwendung finden.

F. Zusammenfassung Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes unterscheidet zwischen der Gefahrenabwehrpflicht nach § 4 Abs. 2 und der Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG. Droht eine Kontamination durch Gefahrstoffe wie Öl oder Chemikalien, so muß die Behörde ihre Ordnungsverfügung nach dem jeweiligen Landespolizeigesetz erlassen. Der Grundeigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt sind nach § 4 Abs. 2 BBodSchG nur zur Abwehr der von dem Grundstück drohenden Gefahren verpflichtet. Hierbei geht es vornehmlich um Gefahren, die von Gebäuden, Rohrleitungen oder anderen wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks ausgehen. ___________ 239

Vgl. hierzu Heßler/Janssen, NuR 2004, 719 (720). Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 19; Vierhaus, in: Fluck, Bodenschutzrecht, § 24, Rn. 142; Schlette, VerwArch 91 (2000), 41 (63 f.); Wagner, BB 2000, 417 (425 f.); Sondermann/Henke, in: Versteyl/ Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 31. 241 LG Hamburg, ZMR 2001, 196 ff.; LG Frankenthal, NVwZ 2003, 507 ff.; LG Ravensburg, Urt. v. 13.2.2003 – 2 O 212/02 (unveröffentlicht). 240

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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Wesentlich größere praktische Bedeutung kommt der Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG zu. Als Verhaltensstörer sanierungsverantwortlich sind der Verursacher sowie sein Gesamtrechtsnachfolger. Zustandsverantwortlich sind der gegenwärtige und der frühere Grundeigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, der Derelinquent und der nach Handels- oder Gesellschaftsrecht Einstandspflichtige. Die Sanierungsverantwortlichen haben die Sanierungskosten in voller Höhe zu tragen. Die Zustandsverantwortlichkeit besteht nach der gesetzlichen Regelung unabhängig von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung. Einen Haftungsausschluß bei gutgläubigem Erwerb eines kontaminierten Grundstücks sieht § 4 Abs. 6 BBodSchG nur für den früheren Eigentümer vor. Der Grundeigentümer kann, wenn die Behörde die Sanierung mit öffentlichen Mitteln durchführt, nach § 25 BBodSchG zum Ausgleich der sanierungsbedingten Werterhöhung verpflichtet werden. Das Bundes-Bodenschutzgesetz enthält weder Ermächtigungsgrundlagen für eine unmittelbare Ausführung bzw. Ersatzvornahme noch für die Heranziehung zu den von der Behörde dabei aufgewandten Kosten. Der Gesetzgeber hat im Bundes-Bodenschutzgesetz keine explizite Regelung zum Rangverhältnis zwischen Verhaltens- und Zustandsstörer aufgenommen. Hieraus folgt jedoch – anders als von der wohl herrschenden Meinung vertreten – kein Gleichrang. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich vielmehr, daß die Behörde im Regelfall den Verhaltens- vor dem Zustandsstörer zur Sanierung verpflichten muß. Die grundsätzliche Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit gegenüber der Verhaltensverantwortlichkeit ist sowohl Folge des Verursacherprinzips als auch des Gebots der gerechten Lastentragung. Die Behörde kann jedoch ausnahmsweise den Zustandsstörer anstelle des Verhaltensstörers zur Sanierung heranziehen, wenn der Zustandsstörer sich gegenüber dem Verhaltensstörer zur Sanierung verpflichtet hat, etwa im Gegenzug für einen Kaufpreisnachlaß. Dann entspricht die Inanspruchnahme des Zustandsstörers dem Gebot der gerechten Lastenverteilung. Daneben kann in seltenen Fällen die effektive Gefahrenabwehr eine Heranziehung des Zustandsverantwortlichen gebieten, wenn nur dieser zur Gefahrenabwehr in der Lage ist. Da jedoch im Regelfall keiner der Störer über das erforderliche Know-how verfügt, muß die Sanierung meist von einem Sanierungsunternehmen durchgeführt werden. Es ist dann keine Frage der effektiven Gefahrenabwehr, sondern der gerechten Lastenverteilung, ob der Verhaltens- oder der Zustandsstörer das Sanierungsunternehmen beauftragen muß. Es hat sich gezeigt, daß die Praxis vielfach den Anforderungen an die Ermittlung des vorrangigen Verhaltensstörers nicht gerecht wird. Insbesondere wird häufig das Gebot der effektiven Gefahrenabwehr überdehnt. Eine Inanspruchnahme des Eigentümers anstelle des Verursachers läßt sich nicht damit

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

begründen, daß der Eigentümer finanziell leistungsfähiger als der Verursacher ist oder schneller ermittelt werden kann. Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Verursachers dürfen nicht ohne weiteres zu einem faktischen Vorrang des Zustandsstörers führen. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Zustandsstörer gemäß § 24 Abs. 2 BBodSchG regelmäßig den Verhaltensstörer in Regreß nehmen kann, weil der Zustandsstörer weit schlechter als die Behörde zum Nachweis der Verursachung in der Lage ist und weil der Ausgleichsanspruch die Lage des Zustandsstörers verbessern und nicht verschlechtern soll. Gerade bei lange zurückliegenden Verunreinigungen bereitet häufig der Nachweis der Verursachung Schwierigkeiten. Seltener sind hierbei die Fälle, in denen die Ermittlung potentieller Verursacher scheitert. Die Inanspruchnahme eines Zustandsstörers ist in derartigen Fällen nur dann ermessensfehlerfrei, wenn die Behörde den Sachverhalt unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes aufgeklärt und dabei auch Verursachungsermittlungsmaßnahmen durchgeführt hat sowie allen nicht ganz fernliegenden Indizien nach potentiellen Verursachern nachgegangen ist, ohne daß ein potentieller Verursacher ermittelt werden konnte. Wesentlich häufiger sind die Fälle, in denen zwar potentielle Verursacher ermittelt werden können, jedoch der Nachweis der Verursachung oder des Umfangs der Verursachung nicht gelingt, insbesondere wenn das Grundstück hintereinander von mehreren Pächtern in gleichartiger Weise genutzt worden ist. Hat die Behörde ermittelt, daß A und B die Gefahr verursacht haben, so steht der Inanspruchnahme des A oder des B als Verhaltensstörer nicht entgegen, daß sich der Umfang der Verursachungsbeiträge nicht klären läßt. A oder B sind vorrangig vor einem Zustandsstörer heranzuziehen. Schwieriger gestalten sich die Fälle, in denen trotz pflichtgemäßer Amtsermittlung keinem potentiellen Verursacher die Verursachung nachgewiesen werden kann. In derartigen Fällen greifen nach zutreffender Ansicht Beweiserleichterungen, weil man sonst der schwierigen Nachweisproblematik in Altlastenfällen nicht gerecht würde. Es muß dann ausreichen, daß tragfähige Indizien für eine Verursachung sprechen. Eine solche Indizwirkung ist z. B. zu bejahen, wenn in dem Boden Gefahrstoffe festgestellt werden, mit denen der potentielle Verursacher auf dem Grundstück umgegangen ist. Wurde das Grundstück zeitlich gestaffelt von mehreren Nutzern in gleichartiger Weise genutzt, so wird entsprechend § 830 Abs. 1 S. 2 BGB eine Mitverursachung eines jeden vermutet, wenn das Verhalten jedes Beteiligten geeignet war, den Schaden zu verursachen. Sieht die Behörde von der Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers ab, weil sich dieser auf die Legalisierungswirkung einer behördlichen Genehmigung berufen kann oder weil die Verursachung mehrere Jahrzehnte zurückliegt und daher nach Auffassung der Behörde eine Verwirkung eingetreten sei, so schei-

11. Kap.: Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes

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det eine Inanspruchnahme von Zustandsstörern aus. Verzichtet der Staat auf die Durchsetzung des Verursacherprinzips, so darf dies nicht zu Lasten des nur subsidiär haftenden Zustandsstörers gehen. Überdies käme es zu Wertungswidersprüchen. Auch finanzielle Schwierigkeiten des Verursachers berechtigen die Behörde nicht ohne weiteres zur Heranziehung des Zustandsstörers. Vielmehr hat die Behörde die Gefahr selbst oder durch einen Beauftragten abzuwehren, die Kosten gegenüber dem Verursacher festzusetzen und erforderlichenfalls Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn zu ergreifen. In der Insolvenz muß die Behörde die Kosten als Insolvenzforderung geltend machen. Der Zustandsstörer kann nur in Höhe der nachweisbar nicht einbringlichen Kosten herangezogen werden. Für eine vorrangige Inanspruchnahme des Zustandsstörers aus Effektivitätsgründen bleibt in den Umweltschadensfällen nur ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich. Es sind dies die (wohl nur theoretisch denkbaren) Fälle, in denen der Zustandsstörer im Unterschied zum Verhaltensstörer über die nötigen Gerätschaften und das nötige Know-how verfügt und wegen Gefahr in Verzug eine Beauftragung eines Sanierungsunternehmens durch den Verhaltensstörer nicht abgewartet werden kann. Mit § 24 Abs. 2 BBodSchG hat der Gesetzgeber erstmals einen bundesweiten Ausgleichanspruch unter Störern geschaffen. Dieser soll insbesondere Zustandsstörern die Inregreßnahme des Verursachers ermöglichen. Der Ausgleichanspruch setzt keine behördliche Inanspruchnahme des Gläubigers voraus. Er besteht daher z. B. auch bei freiwilliger Sanierung. Der Ausgleichsberechtigte muß nicht mit den Sanierungskosten in Vorleistung treten, sondern kann von dem Ausgleichsverpflichteten Freistellung verlangen. § 24 Abs. 2 BBodSchG ist sowohl Ausfluß des Verursacherprinzips als auch des Gebots der gerechten Lastentragung. Sein Ziel ist es, dafür zu sorgen, daß die Kosten von dem letztverantwortlichen Störer getragen werden. Aus § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG folgt, daß die Kosten im Verhältnis zwischen einem Verhaltens- und einem Zustandsstörern grundsätzlich von dem Verhaltensstörer zu tragen sind. Nach § 24 Abs. 2 BBodSchG kann der Zustandsstörer daher regelmäßig von dem Verursacher Ausgleich seiner Sanierungskosten sowie des Wertausgleichs nach § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG verlangen. Das gilt erst recht, wenn die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht begrenzt ist, auch wenn dann nicht von einem Ausgleich unter Verpflichteten die Rede sein kann. Jeder Verursacher ist unabhängig von seinem Verursachungsanteil dem Zustandsstörer gegenüber zum Ausgleich der gesamten Sanierungskosten verpflichtet.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Wie bereits im Rahmen der Störerauswahl dargelegt, ist der Nachweis der Verursachung häufig nicht möglich. In der Rechtsprechung und im Schrifttum herrscht daher Einigkeit, daß die Anforderungen an den Nachweis nicht überspannt werden dürfen und daß dem Anspruchsberechtigten Beweiserleichterungen zugute kommen. Es reicht daher aus, wenn die Kontamination nach allgemeiner Lebenserfahrung Folge der konkreten Nutzung des Grundstücks ist. Wurde das Grundstück hintereinander von mehreren Pächtern in gleichartiger Weise genutzt und war die Nutzung zur Kontamination geeignet, so ist analog § 830 Abs. 1 S. 2 BGB von einer Mitverursachung eines jeden auszugehen. Dem Zustandsstörer steht allerdings gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG dann kein Ausgleichsanspruch gegen den Verhaltensstörer zu, wenn beide eine andere Kostenverteilung vereinbart haben, insbesondere wenn sie den Ausgleichsanspruch ausdrücklich ausgeschlossen haben. Daneben kommt ein konkludenter Ausschluß in Betracht, wenn der Verkäufer dem Käufer das kontaminierte Grundstück im Hinblick auf die erwarteten Sanierungskosten zu einem reduzierten Kaufpreis verkauft hat. In einem solchen Fall tritt das Verursacherprinzip hinter die von den Parteien privatautonom vereinbarte Lastenverteilung zurück. Der bloße Ausschluß der Gewährleistungsrechte beinhaltet, wie der Bundesgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, entgegen der Gesetzesbegründung regelmäßig keinen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG. Kann der Eigentümer seinen Ausgleichsanspruch gegen den Verursacher nicht durchsetzen, so kann er von anderen Zustandsstörern nach Maßgabe des Gebotes der gerechten Lastenverteilung Ausgleich verlangen. Dem steht nicht entgegen, daß keiner von beiden die Gefahr verursacht hat, will § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG eine Verursachung nicht voraussetzt, sondern auf das Verhältnis der Verursachungsbeiträge abstellt. Dies hat zur Folge, daß Zustandsstörer grundsätzlich gleichrangig zur Gefahrenabwehr verpflichtet sind. Etwas anderes gilt dann, wenn sie der Gefahr unterschiedlich nahe stehen. Überläßt ein Eigentümer dem späteren Verursacher der Gefahr sein Grundstück zu einer umweltgefährdenden Nutzung, so steht er der Gefahr wegen seines Mitwirkungsbeitrags näher als ein bösgläubiger Erwerber. Nach hier vertretener Ansicht kann ein Verhaltensstörer entgegen der wohl herrschenden Meinung ausnahmsweise dann von einem Zustandsstörer Ausgleich verlangen, wenn zwischen beiden eine Lastentragung durch den Zustandsstörer vereinbart worden war. In der Praxis bedeutsam ist dies in Fällen des Verkaufs eines kontaminierten Grundstücks gegen Preisnachlaß. Die privatautonome Lastenverteilung gebietet hier eine Ausnahme vom Verursacherprinzip.

12. Kapitel

Der Kreis der Zustandsstörer nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat den Kreis der Zustandsverantwortlichen gegenüber dem herkömmlichen1 Gefahrenabwehrrecht erheblich erweitert. Die Neuerungen gehen auf Vorschläge des Bundesrates2 zurück, der sich durch eine weitergehende Inanspruchnahme Privater eine Schonung der öffentlichen Haushalte versprach.3 Das Bundes-Bodenschutzgesetz ist damit ein beredtes Beispiel dafür, wie stark sich die Gesetzgebung zunehmend von fiskalpolitischen Erwägungen leiten läßt.4 Wie nach § 5 Abs. 1 und 2 MEPolG sind gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt zustandspflichtig. Darüber hinaus hält das Bundes-Bodenschutzgesetz an der in § 5 Abs. 3 MEPolG und in nahezu allen Landespolizeigesetzen5 verankerten Regelung fest, wonach die Zustandsverantwortlichkeit über die Eigentumsaufgabe hinaus fortbestehe.6 Eine Neuerung auf Bundesebene7 enthält § 4 Abs. 6 BBodSchG, wonach nunmehr auch der frühere Eigentümer, der sein Eigentum an einen Dritten übertragen hat, sanierungsverantwortlich ist. Ebenfalls als Zustandsstörer neu ___________ 1 Vergleichsmaßstab sollen im folgenden die auf § 5 MEPolG zurückgehenden Regelungen der Landespolizeigesetze und nicht die unter Kapitel 10 dargestellten Fortentwicklungen in einigen Landesaltlastengesetzen sein. 2 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf; BT-Drucks. 13/6701, S. 51 f. 3 Spieth/von Oppen, ZUR 2002, 257; Ginzky, DVBl. 2003, 169 (170). 4 Zur Kritik an dem fiskalpolitischen Diktat vgl. nur Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (78). 5 Keine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten kennen die Polizeigesetze Baden-Württembergs und Sachsens. 6 Vgl. vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes Schmidt-Jortzig, in: Achterberg/Krawietz/Wyduckel (Hrsg.), Festschrift für Scupin, S. 819 f.; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 124 ff.; a.A. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27. 7 Eine Zustandsverantwortlichkeit früherer Eigentümer sahen bereits § 13 Abs. 4 BlnBodSchG, § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG und § 20 Abs. 1 Ziff. 5 ThürAbfAltG vor; vgl. hierzu die Darstellung unter 10. Kap. C.

326

1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

hinzugekommen ist derjenige, der aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein kontaminiertes Grundstück gehört. Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat hingegen die Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten, wie § 5 Abs. 2 MEPolG und die meisten Landespolizeigesetze8 sie vorsehen, nicht übernommen.9 Wegen der abschließenden Regelung des Kreises der Störer in § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG ist eine Heranziehung sonstiger Berechtigter zur Beseitigung schädlicher Bodenveränderungen oder Altlasten auch nicht unter Rückgriff auf das jeweilige Landespolizeigesetz möglich.10 In den folgenden fünf Abschnitten A bis E werden zunächst die im BundesBodenschutzgesetz verankerten Zustandsstörer sowie die bestehenden Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme eingehend dargestellt. Danach wird in jedem Abschnitt geprüft, welcher Änderungsbedarf sich de lege ferenda aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 ergibt. Schließlich wird der Frage nachgegangen, wie § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG zur Umsetzung des eigenen Lösungsansatzes geändert werden müßten.

A. Die Sanierungsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers Nach § 4 Abs. 3 BBodSchG ist in erster Linie der gegenwärtige11 Grundstückseigentümer zustandsverantwortlich. Wie im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht12 stellt die herrschende Meinung hierbei auf die zivilrechtlichen ___________ 8

Eine Ausnahme bilden wiederum die Polizeigesetze Baden-Württembergs und Sachsens. 9 Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (408). 10 Vgl. zum abschließenden Charakter der Störerregelungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes nur VGH Kassel, NVwZ 2000, 828; Kügel, NJW 2000, 1570 (1571); a.A. offenbar Bickel, NVwZ 2004, 1210, der eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu den bodenschutzrechtlichen Störerregelungen bestreitet. 11 Maßgebend sind die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der behördlichen Sanierungsverfügung oder – sofern gegen diese Widerspruch erhoben worden ist – des Erlasses des Widerspruchsbescheides; vgl. VGH Mannheim, DVBl. 1990, 1046 (1047); Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 225. 12 OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); DÖV 1996, 1057; VGH München, NVwZ 1986, 942 (946); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Schwachheim, NVwZ 1989, 128 (129); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 113 f.; Baumann, Der Störer im Umweltrecht, S. 150; Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 13. Aufl., Art. 8 Rn. 7; Gusy, Polizeirecht, 2. Aufl., Rn. 279; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, S. 96; a.A. Ossenbühl, VVDStRL 35 (1977), 345 (346), der für einen eigenstän-

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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Eigentumsverhältnisse ab.13 Maßgebend ist das Eigentum im Rechtssinne, so daß auch Treuhänder oder Strohmänner als Eigentümer zustandsverantwortlich sind, auch wenn der Treugeber wirtschaftlicher Eigentümer ist.14 Diese formale Betrachtungsweise hat den Vorteil, daß der Zustandsverantwortliche regelmäßig15 durch einen Blick in das Grundbuch ermittelt werden kann. Der Veräußerer eines kontaminierten Grundstücks kann bis zur Eintragung des Erwerbers im Grundbuch als gegenwärtiger Grundeigentümer zur Sanierung verpflichtet werden.16 Der Erwerber kann bis zur Eintragung im Grundbuch nicht als Eigentümer, sondern allenfalls als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft herangezogen werden, sofern der Besitz bereits auf ihn übergegangen ist. Der Erbbauberechtigte ist dem Grundeigentümer nicht gleichgestellt.17 Er ist allenfalls als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zustandsverantwortlich, wenn er das Grundstück selbst nutzt. Hat der Erbbauberechtigte das Grundstück einem Dritten zur Nutzung überlassen, so scheidet eine Sanierungsverantwortlichkeit aus, weil das Bundes-Bodenschutzgesetz eine Sanierungsverantwortlichkeit sonstiger Berechtigter nicht kennt. Hierdurch wird der Erbbauberechtigte, der das Grundstück einem Dritten zur Nutzung überlassen hat, ohne sachlichen Grund privilegiert.18 Für die Sanierungsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers kommt es nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 BBodSchG nicht darauf an, wie die Bodenkontamination entstanden ist.19 Nicht erforderlich ist danach, daß der Grundeigentümer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat. Der Grundeigentümer ist nach der gesetzlichen Regelung auch für Verunreinigungen verantwortlich, die auf Naturereignisse oder Fremdeinwirkungen Dritter – wie z. B. in den Tankwagenfällen – zurückgehen. Ansätze zur Lösung der Opferfälle hält das Gesetz – im Unterschied zum Regierungsentwurf – für den gegen___________ digen polizeirechtlichen Eigentumsbegriff eintritt. Vgl. auch die Herleitung der abweichenden eigenen Meinung unter 5. Kap. C. II. 13 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 16; Oerder, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 19. 14 Schoeneck, ebendort; Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (408); Müggenborg, NVwZ 2001, 39; Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, Rn. 146. 15 Nicht zustandsverantwortlich ist allerdings der sog. Bucheigentümer, d.h. derjenige, der zu Unrecht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. 16 Becker, DVBl. 2000, 595 (598) bildet den Fall, daß der Käufer den Grundstückskaufvertrag wandelt und vor Löschung aus dem Grundbuch in Anspruch genommen wird. 17 Porsch, Der Syndikus 1999, 58 (59); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 297; Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 36. 18 Ebendort. 19 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 16.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

wärtigen Eigentümer nicht bereit. Der Regierungsentwurf sah hingegen in § 26 Abs. 2 eine Begrenzung der Sanierungskosten auf den Wert des Grundstücks vor, wenn der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks die Bodenkontamination weder kannte noch kennen mußte.20 Diese Regelung ist jedoch am Widerstand des Bundesrates gescheitert.21 Unter Hinweis auf die finanziellen Auswirkungen einer solchen Haftungsbeschränkung für die öffentlichen Haushalte wurde die Vorschrift im Vermittlungsausschuß ersatzlos gestrichen.22 Hieraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß sich der Gesetzgeber – vom früheren Grundeigentümer abgesehen (§ 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG) – gegen eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen ausgesprochen habe.23 Der Gesetzgeber hat vielmehr vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts24 zu den Opferfällen die Herausarbeitung der Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit bewußt der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen.25 Abweichend von § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG entfällt die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers nicht, wenn der Inhaber der tatsächlichen Gewalt sie gegen den Willen des Eigentümers ausübt. Der Grundeigentümer ist daher auch dann sanierungsverantwortlich, wenn sein Pächter der Aufforderung zur Räumung des Grundstücks nach Ablauf des Pachtverhältnisses nicht nachkommt. Der Gesetzgeber hat sich bewußt gegen einen Haftungsausschluß nach dem Vorbild des § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG entschieden.26 Anders als bei Mobilien, wo – wie insbesondere bei Diebstahl – häufig unklar ist, wer sich ihren Besitz angemaßt hat und wo sich die Sache befindet, ist die Sachlage bei Grundstücken stets eindeutig. In dem Beispielsfall kann der Eigentümer den Pächter auf Räumung verklagen und das Räumungsurteil nötigenfalls vollstrekken lassen, um die Besitzanmaßung zu beenden. Die Behörde hat allerdings den Umstand, daß der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft die Gewalt gegen

___________ 20 BT-Drucks. 13/6701, S. 14 und 64; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, BundesBodenschutzgesetz, § 24 Rn. 12 m.w.N. 21 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/6701, S. 58 f. sowie Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 12 m.w.N. 22 BT-Drucks. 13/9637, S. 5. 23 Diese Ansicht vertritt jedoch der VGH München in seinem Beschluß vom 7.11.2002, NZM 2003, 651 f. 24 Vgl. die eingehende Darstellung hierzu unter 8. Kap. D. I. 2. 25 Vgl. nur Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 24 Rn. 13. 26 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 17; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 19; Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, Rn. 147.

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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den Willen des Eigentümers ausübt, bei der Störerauswahl zu berücksichtigen und vorrangig den Pächter in Anspruch zu nehmen.27 Die Störernormen des Bundes-Bodenschutzgesetzes haben sich bereits ein knappes Jahr nach ihrem Inkrafttreten als Makulatur erwiesen.28 In seinem Beschluß vom 16.2.200029 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber zu einer Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit aufgefordert und den Behörden und den Gerichten für die Übergangszeit Grundsätze zur verfassungskonformen Auslegung und Anwendung an die Hand gegeben.30 Damit ist der Versuch des Gesetzgebers gescheitert, im Bundes-Bodenschutzgesetz einer Entscheidung über eine Begrenzung der Zustandshaftung auszuweichen.31 Bei der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Neuregelung sollte der Gesetzgeber die Gelegenheit zu einer grundlegenden Umstrukturierung der Zustandsverantwortlichkeit nutzen. Hierbei sollte er sich nicht auf die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beschränken. Die Zustandsverantwortlichkeit sollte sowohl in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs als auch in den Fremdeinwirkungsfällen auf eine Duldungs- und Unterlassungspflicht reduziert werden. In allen übrigen Fällen sollte an der unbegrenzten Zustandsverantwortlichkeit festgehalten werden. Eine am Verkehrswert des sanierten Grundstücks orientierte Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit – für die sich das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen hat – ist weder verfassungsrechtlich geboten noch gefahrenabwehrrechtlich sinnvoll. Sieht man die Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder die Inkaufnahme der Gefahr als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit an, so besteht kein Grund für eine derartige Begrenzung. Verpachtet der Eigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer Chemiefabrik und setzt er damit sein Grundstück besonderen Umweltrisiken aus, so würden bei einer am Verkehrswert des sanierten Grundstücks oder dem Betriebsvermögen des Eigentümers orientierten Begrenzung der Zustandshaftung Sanierungskosten auf die Allgemeinheit abgewälzt, obwohl der Eigentümer der Gefahr näher steht als andere Bürger. ___________ 27

Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, Rn. 147. Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (76), bezeichnet das Bundes-Bodenschutzgesetz wegen der fehlenden Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit zu Recht als lex imperfecta sowie als Provisorium. 29 BVerfGE 102, 1 ff. 30 BVerfGE 102, 1 (20 ff.) sowie die obige Darstellung unter 8. Kap. D. II. 1. c). 31 Kobes, NVwZ 1998, 786 (796); Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, BundesBodenschutzgesetz, § 24 Rn. 12; Erbguth/Stollmann, GewArch 1999, 223 (230); Oerder, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 56; Schönfeld, ebendort, § 24 Rn. 5; Riedel, ZIP 1999, 94 (98); Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (415); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 2, Rn. 25 und wohl auch Rengeling, UTR 53 (2000), 43 (69). 28

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

B. Die Sanierungsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt Neben dem Grundeigentümer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück sanierungsverantwortlich. Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist, wer die Rechtsmacht hat, über den Zustand des Grundstücks – und sei es auch nur im Rahmen der vertraglich vereinbarten Nutzung – zu bestimmen.32 Von praktischer Bedeutung ist insbesondere die Zustandsverantwortlichkeit von Pächtern, Mietern, Erbbauberechtigten und Nießbrauchern. In vielen Fällen wird die Bodenkontamination auf ein Verhalten des Gewalthabers zurückzuführen sein, so daß die Zustandsverantwortlichkeit hinter seine Verhaltensverantwortlichkeit zurücktritt. Zu einer reinen Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft kann es nur in besonders gelagerten Fällen kommen. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 BBodSchG ist der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft auch dann sanierungsverantwortlich, wenn er ein bereits kontaminiertes Grundstück in Besitz nimmt oder wenn das Grundstück durch Naturereignisse oder die Fremdeinwirkung eines (nicht) nutzungsberechtigten Dritten verunreinigt wird. Anders als beim Grundeigentümer, dessen Sanierungsverantwortlichkeit fortbesteht, wenn er das Grundstück vermietet, endet die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft de lege lata, wenn er sich des unmittelbaren Besitzes begibt. Übergibt z. B. der Mieter dem Untermieter den unmittelbaren Besitz, so ist allein der Untermieter als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft sanierungsverantwortlich. Der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft kann sich im Unterschied zum Eigentümer durch Aufgabe der Sachherrschaft seiner Sanierungsverantwortung entziehen, weil die Bestimmungen zum Fortbestand bei Dereliktion (§ 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG) bzw. bei rechtsgeschäftlichem Eigentumsverlust (§ 4 Abs. 6 BBodSchG) nicht entsprechend anwendbar sind.33 Seine Sanierungsverantwortlichkeit dürfte daher nur geringe praktische Bedeutung erlangen, weil die Aufgabe der Sachherrschaft regelmäßig mit geringeren Kosten verbunden sein dürfte als die Sanierung. Auch wenn der Gewalthaber von dieser Möglichkeit der Flucht aus der Sanierungsverantwortlichkeit keinen Gebrauch machen sollte, droht ihm nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen keine Einstandspflicht mit dem gesamten Vermögen. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 bezieht sich seinem Wortlaut nach zwar allein auf die ___________ 32 33

A.A. Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 37. Mohr, ZMR 2003, 86 (88).

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers, ist jedoch auf den Inhaber der tatsächlichen Gewalt entsprechend anwendbar.34 Eine unmittelbare Anwendung scheitert daran, daß die vom Bundesverfassungsgericht für den Grundeigentümer vorgenommene grundsätzliche Begrenzung der Einstandspflicht auf den Verkehrswert für den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft regelmäßig35 kein geeignetes Kriterium ist, weil das Grundstück gerade nicht Teil seines Vermögens ist, sondern ihm nur ein Nutzungsrecht zusteht. Doch auch der Besitz als vermögenswerte Rechtsposition unterfällt der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Dies gilt selbst dann, wenn dem Besitzer kein Recht zum Besitz zusteht.36 Denn auch dem unberechtigten Besitzer stehen die possessorischen Besitzschutzrechte (§§ 858 ff. BGB) als geschützte Rechtsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen ist daher auch die Sanierungsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft verfassungskonform zu begrenzen, um nicht zu einer übermäßigen Belastung zu führen. 37 Die vom Bundesverfassungsgericht für den Eigentümer geforderte Begrenzung auf den Verkehrswert bzw. das Betriebsvermögen läßt sich nicht auf den Gewalthaber übertragen, weil das Grundstück nicht zu seinem Vermögen gehört und er die Sanierung nicht durch den Verkauf des Grundstücks finanzieren kann.38 Deshalb sind beim Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig engere Grenzen als beim Eigentümer zu ziehen.39 In der Literatur ist statt dessen eine Begrenzung der Einstandspflicht auf den künftigen Gebrauchswert – wie § 348 Abs. 5 UGB-KomE40 sie vorsieht – vorgeschlagen worden.41 Unklar ist dabei, wie der Gebrauchswert zu berechnen ist.42 ___________ 34 Zustimmend Schäling, NVwZ 2004, 543 (545); Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (169). 35 Jedoch dürfte der Erbbauberechtigte, der sein Grundstück einem Dritten zur Nutzung überlassen hat, wie ein Eigentümer zu behandeln sein, weil das Grundstück für die Laufzeit des Erbbaurechts Teil seines Vermögens ist; hingegen nach der Laufzeit des Erbbaurechts differenzierend Schäling, NVwZ 2004, 543 (547). 36 Papier, ebendort, Art. 14 Rn. 200. 37 Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 Rn. 199 f., Stand: Mai 1994; Lepsius, JZ 2001, 22 (23). 38 So auch Ginzky, DVBl. 2003, 169 (174). 39 VGH München, NVwZ 2003, 363 (365); Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (169). 40 Eingehend hierzu unter 10. Kap. B. 41 Rehbinder, in: Lühr/Savidis/Franzius/Bachmann (Hrsg.), Boden- und Altlastensymposium 2001, S. 15; Ginzky, DVBl. 2003, 169 (174); Schäling, NVwZ 2004, 543 (546). Der VGH München, NVwZ 2003, 363, hat dies offengelassen. 42 Vgl. hierzu die Vorschläge Schälings, NVwZ 2004, 543 (546).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil dieser Ansatz nach hier vertretener Ansicht nicht zu sachgerechten Ergebnissen führt. Ebensowenig wie der Verkehrswert beim Grundeigentümer stehen die Nutzungsvorteile in einer Relation zu dem Verantwortungsgrad des Gewalthabers. Bei Sanierungskosten von mehreren Millionen Euro wird es für den Gewalthaber häufig ökonomisch vorteilhaft sein, den Miet- oder Pachtvertrag zeitnah zu kündigen. Hierdurch kann er seine künftigen Nutzungen auf ein Minimum reduzieren. Der Einstandspflicht mit seinem Betriebsvermögen kann er sich dadurch entziehen, daß er dieses weitgehend einer (anderen) Kapitalgesellschaft überträgt.43 Hieran zeigt sich, daß das hinter der Begrenzung auf den Verkehrswert bzw. auf den Gebrauchsvorteil stehende Interessenprinzip kein geeignetes Kriterium für die Begrenzung der Zustandshaftung darstellt, weil es auf Faktoren abstellt, die in keiner Beziehung zu der Gefahr stehen. Wie schon beim Eigentümer ist auch beim Gewalthaber außerhalb der Opferfälle an der unbegrenzten Zustandsverantwortlichkeit mit dem gesamten Vermögen festzuhalten. In den Opferfällen sieht sich die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft hingegen derselben Kritik ausgesetzt wie die unbegrenzte Sanierungsverantwortlichkeit des Eigentümers. Auch insoweit hat es der Gesetzgeber versäumt, die Zurechnung der Gefahr von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder einer bewußten Inkaufnahme von Gefahren abhängig zu machen. Hierdurch sind Opferfälle vorprogrammiert, wenn der Gewalthaber das kontaminierte Grundstück gutgläubig in Besitz genommen hat oder wenn die Bodenkontamination während seines Besitzes durch die Fremdeinwirkung eines nicht nutzungsberechtigten hervorgerufen wird. Da dem Gewalthaber die Gefahr in den Opferfällen nicht zugerechnet werden kann, ist seine Zustandsverantwortlichkeit nach der hier vertretenen Ansicht auf eine Duldungs- und Unterlassungspflicht zu reduzieren. Hat der Gewalthaber die Bodenkontamination hingegen bewußt in Kauf genommen, z. B. indem er bösgläubig ein kontaminiertes Grundstück in Besitz genommen hat, so ist seine Zustandsverantwortlichkeit nach der hier vertretenen Ansicht unbegrenzt. Da die Zurechnung der Gefahr u.a. darauf beruht, daß der Zustandsstörer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, indem er das Grundstück einem Dritten zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung überlassen hat, erweist sich eine tatbestandliche Anknüpfung an die tatsächliche Sachherrschaft in den Fällen der Untervermietung oder -verpachtung als zu eng. 44 Pachtet der A ein zuvor von Eigentümer E als Tankstelle betriebenes Grundstück, um es ___________ 43

Dies begründet auch keine Einstandspflicht aus gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund, weil § 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG voraussetzt, daß die Gesellschaft Eigentümerin des Grundstücks ist; vgl. hierzu 12. Kap. C. III. 2. 44 Dasselbe gilt, wenn der Erbbauberechtigte einem Dritten das Grundstück zur Nutzung überläßt.

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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anschließend an B unterzuverpachten, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb neben dem E nicht auch der A für Gefahren zustandsverantwortlich sein soll, die durch den Tankstellenbetrieb verursacht werden. Sowohl E als auch A haben im Rahmen der privatnützigen Verwendung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt. Da allein A mit B in Vertragsbeziehungen steht, kann A in stärkerem Maße für die Einhaltung der Sicherheitsstandards Sorge tragen. De lege ferenda erscheint daher eine Sanierungsverantwortlichkeit des mittelbaren Besitzers geboten.

C. Die Sanierungsverantwortlichkeit aufgrund handels- oder gesellschaftsrechtlicher Einstandspflicht I. Ratio legis § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG erweitert das Störerrecht um einen neuen Störer. Sanierungspflichtig ist danach, wer aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der das kontaminierte Grundstück gehört. Die auf Betreiben des Bundesrates45 aufgenommene Regelung46 soll eine mißbräuchliche Abwälzung der Sanierungskosten auf die Allgemeinheit verhindern, wie sie das Handels- und das Gesellschaftsrecht ermöglichen.47 Eine Einstandspflicht im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG kommt in erster Linie bei einer Durchgriffshaftung, bei (qualifiziert) faktischer Konzernabhängigkeit oder bei Erwerb und Fortführung eines Handelsgeschäfts in Betracht. Das Bodenschutzrecht greift insoweit auf im Privatrecht entwickelte Zurechnungsregeln für die Haftung Dritter zurück.48 Die Verwaltungsbehörden werden dabei vor die Schwierigkeit gestellt, von der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur entwickelte und noch im Fluß befindliche Haftungsregeln anwenden zu müssen. Angesichts der Höhe der Kosten, die bei Sanierungen anfallen und die anderenfalls von der Allgemeinheit aufzubringen wären, kann von der Verwaltung eine Einarbeitung in die damit verbundenen Rechtsfragen jedoch durchaus erwartet werden. ___________ 45 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/6701, S. 51 f., sowie den Änderungsantrag im Vermittlungsausschuß, BT-Drucks. 13/9637, S. 2. 46 BT-Drucks. 13/6701, S. 51 f. 47 Droese, UPR 1999, 86 (87). 48 Schmitz-Rode/Bank, BB 2000, 417.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

II. Konstitutive Bedeutung der Regelung Das Bundessozialgericht49 hat bereits mehrfach im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Zahlungsansprüchen außerhalb des Gefahrenabwehrrechts einen Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter einer unterkapitalisierten GmbH nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen bejaht. Vierhaus50 ist daher der Ansicht, § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt BBodSchG habe lediglich deklaratorischen Charakter, weil bereits das Gesellschaftsrecht einen Haftungsdurchgriff ermögliche.51 Er verkennt hierbei, daß die Auferlegung einer öffentlichrechtlichen Sanierungsverantwortlichkeit einen wesentlichen Grundrechtseingriff darstellt, der aufgrund des Gesetzesvorbehalts und der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts52 einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Eine solche ist durch § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG geschaffen worden.

III. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Einstandspflicht für eine juristische Person Die Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG setzt zunächst voraus, daß einer juristischen Person ein Grundstück gehört, das mit einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast belastet ist. Neben juristischen Personen des Privatrechts sind hiermit auch juristische Personen des öffentlichen Rechts gemeint.53 Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, d.h. Körperschaften, Stiftungen und rechtsfähigen Anstalten, wird es jedoch regelmäßig an einer handels- oder gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht fehlen. Juristische Personen des Privatrechts sind insbesondere die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Kommanditgesellschaft

___________ 49

BSG, NJW 1984, 2117; NJW-RR 1997, 94. NJW 1998, 1262 (1265). 51 Zustimmend Droese, UPR 1999, 86 (87) und Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (48). 52 Nach BVerfGE 61, 260 (275) muß der Gesetzgeber „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst (...) treffen“. 53 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 41; Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 108. 50

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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auf Aktien, der eingetragene Verein54 und die eingetragene Genossenschaft. Frenz55 will die Einstandspflicht auf offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und unternehmerisch tätige Gesellschaften bürgerlichen Rechts ausdehnen, weil das Gesellschaftsrecht auch diesen Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand gebe, um sich der Zustandsverantwortlichkeit zu entziehen. Dem steht jedoch der eindeutige Wortlaut des § 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG entgegen, weil es sich bei diesen Gesellschaften um keine juristischen Personen handelt.56

2. Eigentum der juristischen Person an dem kontaminierten Grundstück Der juristischen Person muß das kontaminierte Grundstück im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Einstandspflichtigen gehören. Im Schrifttum ist umstritten, ob das „Gehören“ mit der herrschenden Meinung57 voraussetzt, daß die juristische Person Eigentümerin des kontaminierten Grundstücks ist, oder ob es, wie von einer Mindermeinung58 vertreten, genügt, daß sie Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft ist. Die Mindermeinung beruft sich für die Einbeziehung der tatsächlichen Sachherrschaft auf die Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesmaterialien neben dem Eigentum auch den Besitz erfassen.59 Die Mindermeinung ist abzulehnen, weil es schon an einem praktischen Bedürfnis für die Einbeziehung der tatsächlichen Sachherrschaft fehlt. Durch die Einführung des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG wollte der Gesetzgeber Miß___________ 54 Eine Einbeziehung des eingetragenen Vereins bejahen Schoeneck, in: Sanden/ Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 41; Becker, DVBl. 1999, 134 (137); zweifelnd Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 75. 55 Frenz, ebendort, § 4 Abs. 3 Rn. 76 f. 56 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 41; Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 109; Kobes, NVwZ 1998, 786 (790); Turiaux/Knigge, BB 1999, 377 (378). 57 Knopp/Albrecht, BB 1998, 1853 (1856); Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1265); Droese, UPR 1999, 86 (87); Giesberts, in: Fluck, Bodenschutzrecht, 20. Lfg., § 4 Rn. 279; Knopp, ZUR 1999, 210 (213); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (357); Giesberts/Frank, DB 2000, 505 (508); Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (49); Müggenborg, SächsVBl. 2000, 108. 58 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 40; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 78. 59 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 51. In dieser heißt es: „Geregelt wird zum einen die Sanierungsverantwortlichkeit im Falle einer Einstandspflicht für eine juristische Person, die Eigentümerin eines kontaminierten Grundstücks oder Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über ein solches Grundstück ist“.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

bräuche verhindern.60 Da die Sanierungsverantwortlichkeit nach geltender Rechtslage61 mit der Aufgabe der Sachherrschaft endet, während sie bei der Eigentumsaufgabe62 fortbesteht, kann sich die juristische Person oder der hinter ihr stehende Gesellschafter ohne weiteres durch Besitzaufgabe der Sanierungsverantwortlichkeit entziehen. In diesem Fall bedarf es folglich keiner handelsoder gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, um der Zustandshaftung zu entgehen. Im übrigen bezeichnet der Begriff „Gehören“ nach allgemeinem Sprachgebrauch das Eigentum einer Person. Da der juristischen Person das kontaminierte Grundstück nach dem eindeutigen Wortlaut gehören muß, endet die Zustandsverantwortlichkeit des Einstandspflichtigen mit dem Eigentumsverlust der juristischen Person.63 Hingegen bleibt die juristische Person über den Eigentumsverlust hinaus sanierungsverantwortlich. Dem Mißbrauch wird hierdurch Tür und Tor geöffnet. Erwirbt z. B. eine vermögenslose Gesellschaft durch Ausgliederung das Eigentum an dem kontaminierten Grundstück, so ist die ausgliedernde Gesellschaft aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht64 sanierungsverantwortlich. Übereignet nun die vermögenslose Gesellschaft das kontaminierte Grundstück an einen Dritten oder gibt sie ihr Eigentum auf65, so bleibt sie zustandsverantwortlich, während die ausgliedernde Gesellschaft, wie von vornherein beabsichtigt, von ihrer Zustandshaftung frei wird. Die Sanierungsverantwortlichkeit des Einstandspflichtigen sollte daher de lege ferenda nicht an das Eigentum der juristischen Person, sondern an deren Sanierungsverantwortlichkeit gekoppelt werden.

___________ 60

Vgl. BT-Drucks. 13/6701, S. 51 f. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 330; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 136 f.; Reich, Ordnungsverfügungen im Rahmen der Bewältigung des Altlastenproblems, Diss. Münster 1990, S. 131; Schoch, JuS 1994, 932 (935). Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 144 kritisieren die Ungleichbehandlung des Eigentümers und des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft. Zu Reformvorschlägen vgl. die Darstellung unter 10. Kap. D. 62 Zur Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten vgl. sogleich im Abschnitt D. 63 Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 111; Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (357); Müggenborg, SächsVBl. 2000, 108. 64 Vgl. die nachfolgende Darstellung unter V. 1. b). 65 Da die Eigentumsaufgabe die Sanierungsverantwortlichkeit der vermögenslosen Gesellschaft nicht beendet, ist die Dereliktion nicht sittenwidrig; vgl. die Darstellung unter C. A. III. 61

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

337

IV. Rückwirkende Anwendung Umstritten ist, ob eine Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG auch dann besteht, wenn der handels- oder gesellschaftsrechtliche Rechtsgrund bereits vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes bestanden hat. Für eine rückwirkende Anwendung spricht, daß die Vorschrift, anders als § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG, gerade keine Übergangsfrist enthält. Eine Anwendung auf Altfälle könnte allerdings gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoßen. Danach liegt eine unzulässige echte Rückwirkung vor, wenn das Gesetz an bereits abgeschlossene Sachverhalte66 anknüpft und keine zwingenden Gründe für eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots vorliegen. Ein Teil des Schrifttums67 hält die rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG generell für verfassungswidrig. Müggenborg68 schlägt daher eine verfassungskonforme Auslegung vor. § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG solle nur gelten, wenn die Einstandspflicht nach dem 1.3.1999 entstanden sei. Demgegenüber ist Frenz69 der Ansicht, es liege lediglich eine verfassungsrechtlich zulässige unechte Rückwirkung vor, weil der die Sanierungsverantwortlichkeit begründende Rechtsgrund fortbestehe. Nach richtiger Ansicht ist bei der Frage, ob § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG eine echte oder eine unechte Rückwirkung herbeiführt, nach dem jeweiligen Rechtsgrund der Einstandspflicht zu differenzieren.70 § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG ist nur auf solche Rechtsgründe anwendbar, die nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes am 1.3.1999 fortbestanden haben. Dies ist etwa bei Erwerb eines Handelsgeschäfts unter Fortführung der Firma (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB) und bei der fortbestehenden Konzernabhängigkeit der Fall. Etwas anderes gilt hingegen für statische Rechtsgründe, die bereits vor dem 1.3.1999 beendet waren. Wurde eine Unternehmensspaltung bereits vor dem 1.3.1999 gemäß § 131 UmwG durch Eintragung in das Register des übertragenden Rechtsträgers vollzogen, so führte die Anwendung des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung. § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG ist folglich dahingehend verfassungs___________ 66 Zur verfassungswidrigen echten Rückwirkung vgl. nur BVerfGE, 72, 200 (242); 92, 277 (324) und 97, 76 (78 f). 67 Müggenborg, SächsVBl 2000, 108 (109); vgl. auch Giesberts/Frank, DB 2000, 505 (510), die allerdings nicht an die Entstehung der Einstandspflicht, sondern an die Entstehung der Bodenveränderung anknüpfen. 68 Müggenborg, SächsVBl 2000, 108 (109). 69 Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 113. 70 Vgl. BVerfGE, 7, 89; 14, 288.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

konform auszulegen, daß die Einstandspflicht nach Inkrafttreten des BundesBodenschutzgesetzes neu entstanden sein oder fortbestehen muß.

V. Die einzelnen Anwendungsfälle 1. Gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht Eine gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht der Gesellschafter einer juristischen Person kommt nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen71 in Betracht, weil anderenfalls das aus der eigenen Rechtspersönlichkeit der juristischen Person folgende Trennungsprinzip72 (vgl. nur §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG) umgangen würde. Ein Haftungsdurchgriff setzt voraus, daß besondere Umstände eine Zurechnung nicht nur zu der Gesellschaft, sondern auch zu den dahinter stehenden Gesellschaftern gebieten. Ein Durchgriff kommt in Betracht, wenn die Gesellschafter von der Gesellschaftsform oder von den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in rechtsmißbräuchlicher Weise Gebrauch machen. Ein Haftungsdurchgriff ist möglich bei der mißbräuchlichen Unterkapitalisierung und bei der Unternehmensspaltung.73 Hingegen führen weder die Sphärenvermischung noch Abhängigkeitsverhältnisse im Konzern zu einer Einstandspflicht, so daß sie entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht74 keine Sanierungsverantwortlichkeit des Gesellschafters bzw. des herrschenden Unternehmens nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG begründen.

a) Einstandspflicht bei Unterkapitalisierung Ein Haftungsdurchgriff kommt bei einer Unterkapitalisierung der juristischen Person in Betracht.75 Hierzu reicht es allerdings nicht aus, daß das kontaminierte Grundstück Eigentum einer im wesentlichen vermögenslosen ___________ 71 Das hebt auch der Bundesgerichtshof in std. Rspr. hervor; vgl. BGHZ 20, 4 (11); 26, 31 (37); 54, 222 (224); 61, 380 (383); 78, 333; 102, 95 (103). 72 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 4 I 2 b; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 225. 73 Vgl. Becker, DVBl. 1999, 134 (138 ff.); Droese, UPR 1999, 86 (87); SchmitzRode/Bank, DB 1999, 417 (418); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (358). 74 Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 109; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 86 und 101. 75 Frenz, ebendort, § 4 Abs. 3 Rn. 82. Vgl. hierzu den Beispielsfall bei Lwowski/ Tetzlaff, WM 2001, 385 (387 f.).

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

339

Kapitalgesellschaft ist. Da die Gesellschafter grundsätzlich nicht verpflichtet sind, die Gesellschaft mit einem über das gesetzliche Mindestkapital (§§ 7 AktG, 5 GmbHG) hinausgehenden, ihrem Gesellschaftszweck angemessenen Haftungskapital auszustatten und eine gesetzliche Nachschußpflicht nicht besteht, kommt ein Haftungsdurchgriff nur bei einer rechtsmißbräuchlichen Unterkapitalisierung in Betracht.76 Ein Haftungsdurchgriff ist z. B. möglich, wenn die Kapitalgesellschaft zu dem alleinigen Zweck gegründet worden ist, das Eigentum an dem kontaminierten Grundstück zu übernehmen und wenn ihr Haftkapital im krassen Widerspruch zu den zu erwartenden Sanierungskosten steht.77 Gleiches gilt dann, wenn das Gesellschaftskapital nach Bekanntwerden der Kontamination herabgesetzt wird. Unter Umständen ist ein Durchgriff auf die Gesellschafter auch dann möglich, wenn das Gesellschaftskapital nach Bekanntwerden der Bodenkontamination nicht entsprechend dem Sanierungsbedarf heraufgesetzt wird78, weil das haftende Kapital nicht ganz ohne Rücksicht auf das für den satzungsgemäßen Gesellschaftszweck benötigte Kapital festgesetzt werden darf.79 Umstritten ist, ob es für einen Haftungsdurchgriff genügt, daß die Unterkapitalisierung objektiv rechtsmißbräuchlich ist80 oder ob die Gesellschafter darüber hinaus in rechtsmißbräuchlicher Absicht gehandelt haben müssen.81 Der Bundesgerichtshof leitet einen Haftungsdurchgriff in ständiger Rechtsprechung 82 aus § 826 BGB her und fordert demgemäß einen vorsätzlichen Mißbrauch, wobei bedingter Vorsatz ausreichen soll.83 Nichts anderes gilt bei § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG.84 Bei § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG handelt es sich – wie der Wortlaut85 verdeutlicht – um eine Rechtsgrundverweisung. Verwiesen wird – da gesetzliche Regelungen fehlen – auf den von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsdurchgriff wegen rechtsmißbräuchlicher Unterkapitalisierung nach § 826 BGB. Eine Haftung der Gesellschafter nach § 4 Abs. 3 S. 4 ___________ 76

Vgl. nur Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 247 ff. und S. 1147 ff. Hierbei geht es um Fälle, in denen das Eigentum vor dem 1.3.1999 auf die Gesellschaft übertragen worden ist. Anderenfalls haftet der übertragende Alteigentümer nach § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG. 78 Knopp/Albrecht, BB 1998, 1853 (1856); Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1265); Knopp, ZUR 1999, 210 (214). 79 Vgl. BGHZ 31, 258 (268); BSG, NJW 1984, 2117 (2118); OLG Hamburg, BB 1973, 1231. 80 BSG; NJW 1984, 2117; Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (358). 81 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 97. 82 BGHZ 31, 258 (270 f.); BGH, NJW 1979, 2104; NJW-RR 1988, 1181 f. 83 BGH, NJW 1979, 2104 f. 84 Zustimmend Giesberts/Frank, DB 2000, 505 (509). 85 Dort heißt es: „Zur Sanierung ist auch verpflichtet, wer aus (...) gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat“. 77

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

BBodSchG setzt somit voraus, daß sie das Grundstück in Kenntnis der Kontamination auf die unterkapitalisierte Gesellschaft übertragen oder der Gesellschaft im Wissen hierum Kapital entzogen haben. Eine Mißbrauchsabsicht wird jedenfalls dann vermutet, wenn das Vermögen der Gesellschaft allein aus dem kontaminierten Grundstück besteht.86 Nach Ansicht einiger Autoren87 liege wegen der Herleitung des Haftungsdurchgriffs aus § 826 BGB – und damit aus einer Anspruchsnorm des bürgerlichen Rechts – kein gesellschaftsrechtlicher Rechtsgrund im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG vor. Diese Ansicht ist abzulehnen.88 Sie verkennt, daß das Gesellschaftsrecht sedes materie für Einstandspflichten der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist. Die Problematik des Haftungsdurchgriffs wird seit jeher dem Gesellschaftsrecht zugeordnet.89

b) Einstandspflicht bei Umwandlungen Bis zum Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes konnte sich eine Gesellschaft durch umwandlungsrechtliche Gestaltungen ihrer Zustandshaftung für ein kontaminiertes Grundstück entledigen und damit die Sanierungskosten (weitgehend) auf die Allgemeinheit abwälzen. Eine Gesellschaft konnte nach bisherigem Recht das kontaminierte Grundstück durch Unternehmensspaltung gemäß §§ 123, 131 UmwG auf eine (vermögenslose) Gesellschaft übertragen, um der Zustandsverantwortlichkeit zu entgehen. Der übertragende Rechtsträger konnte statt dessen auch das werthaltige Gesellschaftsvermögen auf einen anderen Rechtsträger übertragen, so daß allein das kontaminierte Grundstück in seinem Eigentum verblieb.90 § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG vereitelt nunmehr die Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit. Zum Schutz der Gläubiger unterwirft § 133 UmwG alle beteiligten Rechtsträger einer gesamtschuldnerischen Haftung. § 133 Abs. 1 und 3 UmwG stellt klar, daß es sich hierbei um eine Einstandspflicht des ___________ 86 Knopp/Albrecht, BB 1998, 1853 (1857); Droese, UPR 1999, 86 (88); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 94. 87 Riedel, ZIP 1999, 94 (98); Giesberts/Frank, DB 2000, 505 (509 f.); Müggenborg, SächsVBl. 2000, 108 (109). 88 Zustimmend Knopp/Albrecht, BB 1998, 1853 (1857); Trunit, VBlBW 2000, 261 (266). 89 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 226 und 247 ff. Auf Seite 226 heißt es: „Die Durchgriffsproblematik gehört zu den schwierigsten und umstrittensten Problemkreisen des Gesellschaftsrechts“. 90 Hinsichtlich der Einzelheiten ist auf das gesellschaftsrechtliche Schrifttum zu verweisen; vgl. nur Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 400 ff.

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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übernehmenden Rechtsträgers für Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers bzw. des übertragenden Rechtsträgers für Verbindlichkeiten des übernehmenden Rechtsträgers handelt. Nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG ist neben der Gesellschaft, die Eigentümerin des kontaminierten Grundstücks ist, auch die andere an der Spaltung beteiligte Gesellschaft sanierungsverantwortlich.91

c) Keine Einstandspflicht bei Sphärenvermischung Im Schrifttum92 wird zum Teil die Ansicht vertreten, ein Gesellschafter könne auch bei einer Sphärenvermischung93 sanierungsverantwortlich sein. Zu unterscheiden sind die gegenständliche und die haftungsbegründende Sphärenvermischung94, wobei im vorliegenden Zusammenhang allein die gegenständliche Sphärenvermischung von Bedeutung ist. Von einer gegenständlichen Sphärenvermischung spricht man, wenn Vermögensgegenstände nicht eindeutig dem Gesellschafts- oder dem Privatvermögen eines Gesellschafters zugeordnet werden können, insbesondere weil die Buchführung undurchsichtig ist.95 Gesellschafter, welche die Trennung von Privat- und Gesellschaftsvermögen nicht wahren, verhalten sich widersprüchlich, wenn sie sich bei einem Haftungszugriff auf (vermeintliches) Privatvermögen auf die Trennung von Privatund Gesellschaftsvermögen berufen. Widersprüchlich verhalten sich jedoch nur solche Gesellschafter, die für die fehlende Trennung der Vermögensmassen verantwortlich sind.96 Der Gesellschafter muß daher Kenntnis von der fehlenden Vermögenstrennung haben. Nicht zwingend erforderlich ist, daß er sie selbst herbeigeführt hat.97 Ein Rückgriff auf die gegenständliche Sphärenvermischung kommt in Betracht, wenn die Sanierung des Grundstücks an der vermeintlichen Vermögenslosigkeit der Kapitalgesellschaft zu scheitern droht und undurchsichtig ist, ob vorhandene Vermögensgegenstände, in die vollstreckt werden könnte, zum Gesellschaftsvermögen oder zum Privatvermögen einzelner Gesellschafter gehören. Zweifelhaft ist allerdings, ob es sich bei der gegenständlichen Sphä___________ 91

Vgl. Becker, DVBl. 1999, 134 (139). Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 86. 93 Zur Sphärenvermischung vgl. nur Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 242 ff. 94 Ebendort. 95 BGHZ 95, 330 und 125, 366. 96 BGHZ 125, 366; zustimmend Schmitz-Rode, BB 2000, 417 (418). 97 BGHZ 125, 366. 92

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

renvermischung um eine Einstandspflicht des Gesellschafters für die Gesellschaft handelt, wie § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG dies fordert. Das gesellschaftsrechtliche Schrifttum faßt die gegenständliche Sphärenvermischung nicht als Einstandspflicht auf, sondern verweigert dem betreffenden Gesellschafter im Rahmen der Zwangsvollstreckung lediglich die Berufung darauf, daß es sich bei dem betreffenden Vermögensgegenstand um sein Privatvermögen handele.98 Der Bundesgerichtshof hat zu der dogmatischen Einordnung der gegenständlichen Sphärenvermischung bisher nicht eindeutig Stellung bezogen.99 Die besseren Gründe sprechen gegen einen Haftungsdurchgriff, weil die Sphärenvermischung kein rechtsmißbräuchliches Verhalten voraussetzt, wie der Bundesgerichtshof dies für eine Einstandspflicht nach § 826 BGB fordert. Die gegenständliche Sphärenvermischung führt nicht zu einer Einstandspflicht des Gesellschafters für Verpflichtungen der Gesellschaft. Im Ergebnis wird lediglich die Haftungsmasse der juristischen Person erweitert, indem dem Gesellschafter im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO die Berufung auf sein Eigentum abgeschnitten wird.100 Die Behörde kann daher einen Gesellschafter nicht wegen einer gegenständlichen Sphärenvermischung zur Sanierung des im Eigentum der Gesellschaft stehenden kontaminierten Grundstücks verpflichten. Hat die Behörde jedoch die Gesellschaft per Kostenbescheid zur Kostentragung herangezogen und vollstreckt sie in vermeintliches Privatvermögen eines Gesellschafters, so ist diesem, wenn er für die Sphärenvermischung verantwortlich ist, der Einwand abgeschnitten, es handele sich hierbei um sein Privatvermögen.

d) Keine Einstandspflicht bei Konzernabhängigkeit Die Gesetzesmaterialien101 zu § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt BBodSchG nennen schließlich die qualifizierte Konzernabhängigkeit102 als weiteren Fall der gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht. Sind mehrere Unternehmen in einem Konzern dergestalt miteinander verbunden, daß das herrschende Unternehmen seine Interessen ohne Rücksicht auf die Interessen des beherrschten Unterneh___________ 98

Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 242 f. m.w.N. So hat sich der Bundesgerichtshof in BGHZ 95, 330 für und in BB 1985, 77 gegen eine Einstandspflicht ausgesprochen. 100 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 243. 101 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 51. 102 Zur qualifiziert faktischen Konzernabhängigkeit vgl. nur Hirte, Der qualifizierte faktische Konzern, 1992, S. 5 ff. 99

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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mens ausüben kann, so sollen Gläubiger vor einer Minderung des Vermögens des beherrschten Unternehmens geschützt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Herrschaftsmacht rechtlicher oder tatsächlicher Art ist.103 Das Aktiengesetz enthält Regelungen für eine durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag begründete Konzernabhängigkeit (§§ 291 ff. bzw. 308 ff. AktG) sowie bei Beherrschung ohne vertragliche Grundlage für den sog. faktischen Konzern (§§ 311 ff. AktG). Demgegenüber fehlen im GmbH-Gesetz konzernrechtliche Regelungen. Diese Lücke wird durch entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen oder, soweit diese nicht analogiefähig sind, durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen.104 Die Konzernabhängigkeit hat jedoch keine Einstandspflicht des herrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten des beherrschten Unternehmens im Außenverhältnis zur Folge. Existiert ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so ist das herrschende Unternehmen nach § 302 AktG lediglich konzernintern dem beherrschten Unternehmen zum Verlustausgleich verpflichtet. Für den faktischen Konzern sieht § 317 Abs. 1 S. 1 AktG eine Schadenersatzpflicht des herrschenden gegenüber dem beherrschten Unternehmen vor, wenn es ihm Nachteile zufügt und sie nicht ausgleicht.105 Wegen der fehlenden Einstandspflicht im Außenverhältnis ist im bodenschutzrechtlichen Schrifttum umstritten, ob die Konzernabhängigkeitsverhältnisse eine Sanierungsverantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG begründen. Die wohl herrschende Meinung106 lehnt dies ab, weil sie den Wortlaut des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG („Zur Sanierung ist auch verpflichtet, wer aus ... gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat“) dahingehend auslegt, daß eine Einstandspflicht im Außenverhältnis bestehen müsse. Einer Mindermeinung107 zufolge soll das herrschende Unternehmen gleichwohl unter den konzernrechtlichen Voraussetzungen sanierungsverantwortlich sein. Für die Mindermeinung spricht, daß der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG ausweislich der Gesetzesmaterialien108 an die Rechtspre___________ 103

Vgl. BGH, ZIP 1993, 589; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 951. Vgl. nur Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, 4. Aufl., 1991, S. 369 ff. 105 Ebendort, S. 358. 106 Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (357); Müggenborg, SächsVBl. 2000, 108 (109); NVwZ 2001, 1114 (1116); Trurnit, VBlBW 2000, 261 (266). 107 Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 109; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 101. 108 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 51 sowie die Begründung des Bundesrates zur Anrufung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks. 13/8282, S. 3. 104

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

chung des Bundesgerichtshofs zur Konzernabhängigkeit anknüpfen wollte. Der Bundesgerichtshof109 spricht bei §§ 302, 303 AktG von einem „Einstehen“.110 Auch das gesellschaftsrechtliche Schrifttum verwendet die Begriffe „Verlustausgleich“ und „Haftung“ nicht als Antonyme. So ist etwa bei Karsten Schmidt111 von einer „Verlustausgleichshaftung“ die Rede. Die herrschende Meinung lehnt die Anwendung des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG auf Konzernabhängigkeitsverhältnisse gleichwohl zu Recht ab, weil die im Bundes-Bodenschutzgesetz vorgesehene umfassende Sanierungsverantwortlichkeit über die konzernrechtliche Verlustausgleichs- oder Schadensersatzpflicht hinausgeht. Die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zum Verlustausgleich oder zum Schadenersatz bedeutet gerade nicht, daß es für sämtliche Verbindlichkeiten des beherrschten Unternehmens wie für eine eigne Verbindlichkeit einzustehen hat, wie § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG dies voraussetzt. Die Behörde kann daher nur das beherrschte Unternehmen zur Sanierung oder zur Kostentragung verpflichten, nicht aber das herrschende Unternehmen. Kommt das beherrschte Unternehmen seiner Kostentragungspflicht nicht nach, so kann die Behörde allerdings – wie jeder andere Gläubiger auch – in den Verlustausgleichs- oder Schadenersatzanspruch des beherrschten gegen das herrschende Unternehmen vollstrecken. Eine eigene Forderung gegen das herrschende Unternehmen steht der Behörde hingegen nicht zu.

2. Handelsrechtliche Einstandspflicht Eine Sanierungsverantwortlichkeit kann sich ferner aus einer handelsrechtlichen Einstandspflicht für die juristische Person ergeben, welche Eigentümerin des kontaminierten Grundstücks ist.112 Der Anwendungsbereich hierfür ist allerdings begrenzt. Eine handelsrechtliche Einstandspflicht sieht § 25 Abs. 1 S. 1 HGB beim Erwerb eines Handelsgeschäfts unter Fortführung seiner Firma vor.113 Nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB haftet der Erwerber für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten. War das kontaminierte Grundstück Teil des Handelsgeschäfts, so gehört auch die Sanierungsverantwortlichkeit ___________ 109

BGHZ 122, 123. Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 109. 111 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 1226, insbesondere S. 1229. 112 Becker, DVBl. 1999, 134 (140). 113 Daneben kann sich eine handelsrechtliche Einstandspflicht auch aus § 27 Abs. 1 HGB bei Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Erben ergeben. Im vorliegenden Zusammenhang dürfte § 27 Abs. 1 HGB jedoch kaum Bedeutung zukommen, weil der Erbe bereits als Eigentümer sanierungsverantwortlich ist. 110

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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des früheren Inhabers zu den Altverbindlichkeiten im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB.

a) Einstandspflicht bei Erwerb des gesamten Handelsgeschäfts Allerdings ist § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG bei Erwerb des gesamten Handelsgeschäfts nur von untergeordneter Bedeutung. Der Erwerber ist nämlich ab Eintragung im Grundbuch bereits als Eigentümer sanierungsverantwortlich.114 § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG begründet eine Sanierungsverantwortlichkeit freilich dann, wenn der Erwerber das Handelsgeschäft bereits vor Umschreibung des Grundbuchs unter der bisherigen Firma fortführt.115

b) Einstandspflicht bei Erwerb der wesentlichen Teile eines Handelsgeschäfts Daneben begründet § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG dann eine Sanierungsverantwortlichkeit des Erwerbers, wenn dieser zwar den wesentlichen Teil des Handelsgeschäfts, nicht jedoch das kontaminierte Grundstück erwirbt.116 Im handelsrechtlichen Schrifttum117 ist zu Recht anerkannt, daß § 25 HGB über die Vollveräußerung des Handelsgeschäfts hinaus auch dann anwendbar ist, wenn wesentliche Teile des Handelsgeschäfts von dem Erwerber unter der bisherigen Firma fortgeführt werden. Anderenfalls könnte der von § 25 HGB intendierte Schutz der Altgläubiger dadurch unterlaufen werden, daß unwesentliche Teile des Handelsgeschäfts beim bisherigen Firmeninhaber verbleiben.

VI. Stellungnahme Die Erweiterung des Kreises der Zustandsstörer um die handels- oder gesellschaftsrechtlich Einstandspflichtigen ist zu begrüßen. Im Zusammenspiel mit der Zustandshaftung des Derelinquenten (§ 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG) ___________ 114 Mit dem Eigentumserwerb entfällt zugleich die Basis für eine Einstandspflicht, weil die juristische Person ihr Eigentum an dem kontaminierten Grundstück verliert. 115 Regelmäßig ist der Erwerber dann jedoch bereits als Inhaber der tatsächlichen Gewalt sanierungsverantwortlich. 116 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 109. 117 Vgl. nur Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., 1995, § 25 Rn. 3 m.w.N.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

und des früheren Eigentümers (§ 4 Abs. 6 BBodSchG) schneidet sie dem Eigentümer Fluchtmöglichkeiten aus der Sanierungsverantwortlichkeit ab. Die gesetzliche Ausgestaltung weist allerdings einen gravierenden Mangel auf, der es juristischen Personen weiterhin ermöglicht, sich durch handels- oder gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Zustandshaftung zu entziehen. Nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG entfällt die Sanierungsverantwortlichkeit des Einstandspflichtigen, wenn die juristische Person das Eigentum an dem Grundstück aufgibt oder es an einen Dritten überträgt.118 Überträgt eine finanzkräftige Gesellschaft (übertragende Gesellschaft) das kontaminierte Grundstück durch Spaltung an eine nur mit dem gesetzlichen Mindestkapital ausgestattete Kapitalgesellschaft (übernehmende Gesellschaft) und gibt diese später das Eigentum an dem Grundstück auf, so entfällt die Einstandspflicht der übertragenden Gesellschaft, weil der übernehmenden Gesellschaft das kontaminierte Grundstück nicht länger gehört. Die Dereliktion der übernehmenden Gesellschaft ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam, weil sie sich ihrer Zustandsverantwortlichkeit gerade nicht entzieht. Auf die Mißbrauchsabsicht der übertragenden Gesellschaft kommt es nicht an, weil dieses nicht an der Eigentumsaufgabe beteiligt ist. Nur wenn der übertragenden Gesellschaft ein beherrschender Einfluß auf die übernehmende Gesellschaft nachgewiesen werden kann, kann die Behörde die herrschende Gesellschaft wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligen, indem sie in den Verlustausgleichs- oder Schadensersatzanspruch der beherrschten gegen die herrschende Gesellschaft vollstreckt. Der fehlende Gleichklang zwischen der Zustandsverantwortlichkeit der juristischen Person und des Einstandspflichtigen führt nicht nur zu unbilligen Ergebnissen, sondern ist auch dogmatisch verfehlt. Die handels- und gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht bezweckt gerade, einen Gleichklang zwischen der Haftung der juristischen Person und des Einstandspflichtigen herzustellen. Muß sich die juristische Person über den Eigentumsverlust hinaus die Gefahr zurechnen lassen, so muß dies auch für den Einstandspflichtigen gelten.

___________ 118

Vgl. die obige Darstellung unter III. 2.

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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D. Die Sanierungsverantwortlichkeit des Derelinquenten I. Die Gesetzgebungsgeschichte Wie § 5 Abs. 3 MEPolG und nahezu119 alle Landespolizeigesetze120 läßt § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG die Zustandsverantwortlichkeit desjenigen fortbestehen, der sein Eigentum an dem kontaminierten Grundstück aufgegeben hat.121 Der Regierungsentwurf122 zum Bundes-Bodenschutzgesetz sah keine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten vor. Sie ist erst auf Betreiben des Bundesrates123 in das Gesetz aufgenommen worden.

II. Ratio legis Dem Eigentümer eines kontaminierten Grundstücks soll durch den Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über die Eigentumsaufgabe hinaus die Möglichkeit genommen werden, sich durch Dereliktion seiner Verantwortlichkeit zu entziehen und die finanziellen Lasten auf die Allgemeinheit abzuwälzen.124 Die Sanierungsverantwortlichkeit des Derelinquenten besteht unabhängig davon, welche Ziele dieser mit der Eigentumsaufgabe verfolgt. Ihm muß keine Mißbrauchsabsicht nachgewiesen werden. Nicht erforderlich ist, daß die Eigentumsaufgabe im Zusammenhang mit einer (bevorstehenden) behördlichen Inanspruchnahme erfolgt.125 Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten wurde vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes mit der Lückenlosigkeit der Zustandsverantwortlichkeit begründet.126 Da bei der Dereliktion – anders als bei der Eigentumsübertragung – kein neuer Eigentümer in die Zustandsverantwortlichkeit ___________ 119 Eine Ausnahme machen lediglich die Polizeigesetze Baden-Württembergs und Sachsens. 120 Vgl. hierzu nur Schmidt-Jortzig, in: Achterberg/Krawietz/Wyduckel (Hrsg.), Festschrift für Scupin, S. 819 f.; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 124 ff.; a.A. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27. 121 Ablehnend Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 10, der eine Einstandspflicht mit dem gesamten Vermögen für verfassungswidrig hält, wenn sich der Eigentümer ihr nicht durch Dereliktion entziehen kann. 122 BT-Drucks. 13/6701, S. 9. 123 Ebendort, S. 2. 124 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3, Rn. 114. 125 Droese UPR 1999, 86 (89); Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, Rn. 163. 126 Vgl. nur OVG Bremen, DVBl. 1989, 1008; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1323), Fn. 48.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

eintrete, solle die Zustandsverantwortlichkeit trotz Eigentumsaufgabe fortbestehen. Anderenfalls könne jeder Eigentümer die Aufgaben- und Kostenlast auf die Allgemeinheit abwälzen. Das Schrifttum hält auch nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes überwiegend an dieser Begründung fest.127

III. Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück Zur Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück ist nach § 928 Abs. 1 BGB erforderlich, daß der Eigentümer den Verzicht gegenüber dem Grundbuchamt erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird. Mit der Eigentumsaufgabe wird das Grundstück herrenlos. Nach § 928 Abs. 2 BGB steht dem Fiskus des betreffenden Bundeslandes das ausschließliche Aneignungsrecht an dem Grundstück zu. Das Bundesland ist allerdings nicht verpflichtet, sich das Grundstück anzueignen.

IV. Eigentumsaufgabe seit dem 1.3.1999 In § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG heißt es, daß zur Sanierung verpflichtet ist, „wer das Eigentum an einem solchen Grundstück a u f g i b t“.128 Der Gebrauch des Präsens spricht dafür, daß eine Sanierungsverantwortlichkeit des Derelinquenten nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz nur besteht, wenn der Grundeigentümer sein Eigentum nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1.3.1999 aufgegeben hat.129 Der Gesetzgeber wollte hierdurch eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung130 vermeiden, zu der es in Baden-Württemberg und Sachsen gekommen wäre, weil deren Polizeigesetze eine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten nicht kennen. Hat der Grundeigentümer sein Eigentum vor dem 1.3.1999 aufgegeben, so kann er außerhalb Baden-Württembergs und Sachsens nach dem jeweiligen Landesaltlasten- oder -polizeigesetz zur Sanierung verpflichtet werden.131

___________ 127 Vgl. nur Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 12 Rn. 77; Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (54); a.A. Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 159 ff. 128 Hervorhebungen durch den Verfasser. 129 Droese, UPR 1999, 86 (89); Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (49); a.A. Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 119. 130 Vgl. nur BVerfGE 72, 200 (242); 92, 277 (324); 97, 76 (78 f.). 131 A.A. Droese UPR 1999, 86 (90).

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

349

V. Fortbestand der Sanierungsverantwortlichkeit bei Aneignung durch den Staat Nach § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG ist derjenige sanierungsverantwortlich, der das Eigentum an einem kontaminierten Grundstück aufgegeben hat. Demgegenüber setzt § 5 Abs. 3 MEPolG voraus, daß die Gefahr von einer herrenlosen Sache ausgeht. Es fragt sich daher, ob die Sanierungsverantwortlichkeit des Derelinquenten – wie nach § 5 Abs. 3 MEPolG – mit der Aneignung des herrenlosen Grundstücks durch den Staat endet oder ob sie darüber hinaus fortbesteht. Gegen einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten über die Aneignung hinaus spricht, daß der Gesetzgeber132 im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gebracht hat, an die Bestimmungen der Landespolizeigesetze anknüpfen zu wollen.133 Diese einschränkende Auslegung ist jedoch abzulehnen.134 Dem Derelinquent wird die Gefahr nicht zugerechnet, weil er das Eigentum an dem Grundstück aufgegeben hat. Denn hierdurch hat er die Gefahr nicht erhöht. Der Eigentümer kann sich allerdings dann nicht durch Dereliktion seiner Sanierungsverantwortlichkeit entziehen, wenn ihm die Gefahr persönlich zugerechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt oder die Gefahr bewußt in Kauf genommen hat. Wie beim früheren Eigentümer besteht seine Zustandsverantwortlichkeit auch nach dem Eigentumserwerb durch einen Dritten fort. Es ließe sich dogmatisch nicht begründen, weshalb eine einmal begründete Zustandsverantwortlichkeit über die Eigentumsaufgabe hinaus zunächst fortbestehen, mit Aneignung durch den Staat aber erlöschen soll.135

VI. Stellungnahme Die bundeseinheitliche Einführung einer über die Dereliktion hinausgehenden Zustandsverantwortlichkeit ist im Grundsatz zu begrüßen. Sie ist jedoch – wie noch auszuführen sein wird – verfassungskonform zu reduzieren.

___________ 132

Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 52. Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 3 Rn. 117. 134 Ebenso Droese, UPR 1999, 86 (90). 135 A.A. Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (54). 133

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten läßt sich – anders als von der herrschenden Meinung136 vertreten – nicht mit der Aufrechterhaltung einer lückenlosen Zustandsverantwortlichkeit begründen.137 Der Umstand, daß anderenfalls die Allgemeinheit die Kosten der Gefahrenabwehr tragen müßte, stellt keinen verfassungsrechtlich legitimen Zurechnungsgrund dar.138 Die Eigentumsaufgabe als solche kann die Zurechnung nicht begründen, weil sie die Gefahr nicht erhöht und daher gefahrenabwehrrechtlich irrelevant ist. Da der Derelinquent nicht mehr Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist, läßt sich der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit auch nicht mit der effektiven Gefahrenabwehr begründen. Eine Zurechnung läßt sich folglich nur begründen, wenn die Gefahr dem Eigentümer persönlich zugerechnet werden kann. In diesem Fall entfällt die Zurechnung nicht mit dem Verlust des Eigentums. Einem Eigentümer kann die Gefahr persönlich zugerechnet werden, wenn er an ihrer Entstehung mitgewirkt oder sie bewußt in Kauf genommen hat.139 Bei einer so verstandenen persönlichen Zurechnung der Gefahr ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zustandsverantwortlichkeit mit der Aufgabe des Eigentums enden sollte. Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten kann jedoch nicht weiter reichen als die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers, weil – wie ausgeführt – nicht die Eigentumsaufgabe die Zurechnung begründet, sondern vielmehr die Zustandsverantwortlichkeit unabhängig vom Fortbestand der Eigentümerstellung nachwirkt. Ist der Derelinquent Opfer der Gefahr, so kann sie ihm ebensowenig zugerechnet werden wie dem gegenwärtigen Eigentümer. Der Derelinquent ist daher nach hier vertretener Ansicht weder sanierungs- noch kostentragungspflichtig, wenn er das kontaminierte Grundstück seinerzeit gutgläubig erworben hat oder wenn die Bodenverunreinigung Folge eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Ereignisses ist.140 Da der Derelinquent weder Eigentümer noch Besitzer des Grundstücks ist, kann das Grundstück auch ohne seine Duldung saniert werden. Ebensowenig ist der ___________ 136

OVG Bremen, DVBl. 1989, 1008; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1323), Fn. 48; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 12 Rn. 77; Kahl, ebendort. 137 Kahl, ebendort; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 159 ff. 138 Kohls, ebendort, S. 159. 139 Vgl. unter 5. Kap. C. II. 140 Demgegenüber hat das VG Freiburg in seinem Urteil vom 14.11.2002, Az. 6 K 1763/01 (unveröffentlicht), eine Haftungsfreistellung des Derelinquenten wegen seinerzeitigen gutgläubigen Erwerbs unter Hinweis auf die auf den früheren Eigentümer beschränkte Gutglaubensregelung des § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG abgelehnt. Diese Ansicht ist abzulehnen, weil der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzgebungsgeschichte und angesichts der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hierzu die Lösung der Opferfälle der Rechtsprechung und Lehre überlassen und mit § 4 Abs. 6 BBodSchG gerade keine abschließende Regelung treffen wollte; vgl. hierzu die Darstellung unter 8. Kap. A.

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

351

Erlaß einer Unterlassungsverfügung erforderlich. In den Opferfällen entfällt daher die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten nach hier vertretener Auffassung insgesamt. Hierfür dürften auch die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu den Opferfällen in seinem Beschluß vom 16.2.2000 sprechen.141 Unklar ist hingegen, welche Konsequenzen für den Derelinquenten aus den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000142 aufgestellten Grundsätzen außerhalb der Opferfälle zu ziehen sind. Das VG Freiburg hat hierzu in einem unveröffentlichten Urteil vom 14.11.2002143, dem allerdings ein gutgläubiger Erwerb zugrunde lag, die Auffassung vertreten, daß beim Derelinquenten eine Begrenzung der Einstandspflicht unterhalb des Verkehrswertes geboten sei. Zur Begründung führte es aus, daß der Derelinquent anders als ein Verkäufer gerade keinen Veräußerungserlös erzielt habe und daher der Verkehrswert nicht mehr Teil seines Vermögens sei.144 Im zu entscheidenden Fall hatte sich vielmehr das Land das herrenlose Grundstück angeeignet. Hierdurch habe der Derelinquent – so das Gericht – bereits einen erheblichen indirekten Kostenbeitrag geleistet. Ihm könne daher nur eine Kostenlast unterhalb des Verkehrswertes zugemutet werden. Die Ansicht des VG Freiburg ist aus den oben145 eingehend dargestellten dogmatischen Erwägungen gegen die vom Bundesverfassungsgericht geforderte grundsätzliche Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des Gründstücks abzulehnen. Eine Lösung sollte nicht über (fragwürdige) Zumutbarkeitserwägungen, sondern allein über eine Zurechnung anhand der oben genannten Kriterien erfolgen. Dabei kann es sowohl aus dogmatischen als auch aus praktischen Erwägungen für die Zustandsverantwortlichkeit keine Rolle spielen, ob der in Anspruch Genommene im maßgebenden Zeitpunkt Eigentümer ist oder ob er sein Eigentum durch Dereliktion oder in sonstiger Weise verloren hat. Anderenfalls hätte er es in der Hand, seine Zustandshaftung durch entsprechende Gestaltung zu Lasten der öffentlichen Hand zu begrenzen.

___________ 141

Vgl. hierzu eingehend 8. Kap. D. II. 2. c). Vgl. die eingehende Darstellung unter 8. Kap. D. II. 143 Az. 6 K 1763/01. 144 Bei kontaminierten Grundstücken ist der Verkehrswert jedoch ohnehin regelmäßig gering, so daß auch der Verkäufer keinen hohen Kaufpreis erzielen kann. 145 Vgl. 8. Kap. D. II. 2. 142

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

E. Die Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers § 4 Abs. 6 BBodSchG nimmt den früheren Eigentümer, der sein Eigentum an einen Dritten übertragen hat, neu in den Kreis der Zustandsverantwortlichen auf. Die Sanierungsverantwortlichkeit endet im Regelfall folglich nicht mehr mit dem Verlust des Eigentums.146

I. Gesetzgebungsgeschichte § 4 Abs. 6 ist erst auf Vorschlag des Bundesrates in das Bundes-Bodenschutzgesetz aufgenommen worden.147 Als Vorbild diente die Regelung des § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG.148

II. Ratio legis Mit § 4 Abs. 6 BBodSchG erhoffte sich der Gesetzgeber ausweislich der Stellungnahme des Bundesrates149, Spekulations- und Umgehungsgeschäften zu begegnen. Durch den Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit soll Eigentümern die Möglichkeit genommen werden, sich durch die Veräußerung des Grundstücks der Zustandsverantwortlichkeit zu entziehen.150 Allerdings setzt § 4 Abs. 6 BBodSchG nach seinem eindeutigen Wortlaut kein mißbräuchliches Handeln voraus.151 Nicht erforderlich ist, daß der Alteigentümer sein Eigentum ___________ 146 Das Umweltrecht enthält auch im Abfall- sowie im Immissionsschutzrecht Pflichten, die über den Verlust des Eigentums bzw. der Inhaberschaft über eine Anlage hinausgehen; vgl. nur § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG sowie § 5 Abs. 3 BImSchG. Eingehend hierzu Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 27 ff. 147 Vgl. einerseits die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 51 und andererseits die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/6701, S. 63. 148 BT-Drucks. 13/6701, S. 51; Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (55). Eine ausführliche Darstellung des § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG findet sich unter 10. Kap. C. II. 149 So die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 51; vgl. auch Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, Rn. 166 und Kohls, ZUR 2001, 183. 150 Trurnit, VBlBW 2000, 261 (267); Zur Flucht aus der Zustandshaftung vgl. BVerfG, NVwZ 2001, 65 f.; VGH Mannheim, DÖV 1996, 40 ff.; DÖV 1996, 1057 ff.; GewArch 1998, 301 ff.; VG Freiburg, ZUR 1998, 42 ff.; Guldi, BWVP 1996, 10 ff. 151 Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 132 f.; ablehnend daher Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1013); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356); Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (62 f.).

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

353

wegen der Bodenkontamination überträgt oder daß er beabsichtigt, das mit öffentlichen Mitteln sanierte Grundstück zurückzuerwerben.

III. Aufgabe des Dogmas von der Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust § 4 Abs. 6 BBodSchG bricht mit dem gefahrenabwehrrechtlichen Dogma152, demzufolge die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Eigentumsverlust endet.153 Dieses Dogma galt allerdings auch zuvor nur eingeschränkt, weil nahezu alle Bundesländer eine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten kennen.

IV. Früherer Eigentümer Die Sanierungsverantwortlichkeit setzt nach § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG voraus, daß der frühere Eigentümer154 sein Grundstück durch Rechtsgeschäft an einen Dritten übertragen hat. Damit scheiden die Fälle des nichtrechtsgeschäftlichen155 Eigentumsübergangs ebenso aus dem Anwendungsbereich aus wie die Eigentumsaufgabe (vgl. hierzu § 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG). Nicht sanierungsverantwortlich sind etwa solche Eigentümer, die ihr Eigentum durch staatlichen Hoheitsakt – wie z. B. durch Enteignung oder durch einen Zuschlag bei der Zwangsversteigerung – verloren haben.156 Hauptanwendungsfall des § 4 Abs. 6 BBodSchG ist die Veräußerung. Für die Sanierungsverantwortlichkeit ist allerdings ohne Bedeutung, auf welchem Rechtsgrund die rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung beruht. Früherer Grundeigentümer ist daher z. B. auch ein ___________ 152 Die ganz herrschende Meinung ging wie selbstverständlich davon aus, daß die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Eigentumsverlust ende; vgl. nur BVerwGE 10, 282 (285); VGH München, BayVBl. 1970, 328 (329); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 328; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 118; Schoch, JuS 1994, 932 (936); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 149. 153 Droese, UPR 1999, 86; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 1. 154 Wie schon beim gegenwärtigen Eigentümer knüpft § 4 Abs. 6 BBodSchG auch beim früheren Eigentümer an den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff an; vgl. nur VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht); Frenz, BundesBodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 9 ff. 155 Kein Fall des § 4 Abs. 6 BBodSchG liegt somit vor bei Übergang des Eigentums durch Universalsukzession, wie insbesondere durch Erbschaft. Hier tritt der Erbe vielmehr als gegenwärtiger Eigentümer an die Stelle des Erblassers. 156 Bei der Eigentumsaufgabe folgt die Sanierungsverantwortlichkeit aus § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Schenker oder ein Gesellschafter, der das Grundstück als Sacheinlage in eine Gesellschaft einbringt.157 Sogar eine rechtsgrundlose Übertragung löst die Folgen des § 4 Abs. 6 BBodSchG aus. Die Ermittlung der früheren Eigentümer ist regelmäßig ohne großen Aufwand durch Einsichtnahme in das Grundbuch möglich. Allerdings folgt aus einer inzwischen gelöschten Eintragung als seinerzeitiger Eigentümer keine gesetzliche Vermutung des früheren Eigentums. Die gesetzliche Vermutung gemäß § 891 Abs. 1 BGB gilt lediglich für nicht gelöschte Rechte. § 891 Abs. 2 BGB enthält allein die gesetzliche Vermutung, daß gelöschte Rechte nicht bestehen, nicht aber, daß sie früher bestanden haben, weil Grund der Löschung gerade auch die Berichtigung einer unrichtigen Eintragung sein kann.158 War der Adressat der Sanierungsverfügung im Zeitpunkt des Erlasses der Sanierungsanordnung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, wurde die Eintragung jedoch vor dem Erlaß des Widerspruchsbescheides gelöscht, so kann er nur als früherer Eigentümer herangezogen werden. Eine gesetzliche Vermutung des früheren Eigentums besteht aus den genannten Gründen auch in diesem Fall dann nicht.159 Eine (frühere) Eintragung als Eigentümer im Grundbuch stellt jedoch ein wesentliches Indiz für die Stellung eines früheren Eigentümers dar. Ergibt die Befragung des vermeintlichen früheren Eigentümers keinen Zweifel160 an dessen ehemaligem Eigentum, so kann die Behörde ihn unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG als Sanierungsverantwortlichen heranziehen. Bestehen allerdings Anhaltspunkte dafür, daß die frühere Eintragung als Eigentümer zu Unrecht erfolgt ist, so hat die Behörde diesen aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nachzugehen, soweit es sich nicht erkennbar um reine Schutzbehauptungen handelt.161 Solche Anhaltspunkte können z. B. eine behauptete Anfechtung der seinerzeitigen Auflassung wegen arglistiger Täuschung über die Kontaminationsfreiheit oder ein Berichtigungsverlangen nach § 894 BGB sein. Die Behörde hat dem vermeintlichen früheren Eigentümer die Gelegenheit zu geben darzulegen, weshalb seine frühere Eintragung als Eigentümer unrichtig war. Da die Behörde jedoch die Tatbestandsvoraussetzung des früheren Eigentums nachzuweisen hat, kann sie von dem vermeintlichen früheren Eigentümer nicht den Nachweis des Gegenteils, z. B. durch ___________ 157 Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 183 m.w.N. 158 Vgl. zum ganzen Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 891 Rn. 5 ff. 159 Dies verkennt das VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht). 160 Die Behörde braucht hierbei unsubstantiierten Behauptungen nicht nachzugehen. 161 Einen solchen Fall hatte das VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht) zu entscheiden.

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

355

Vorlage eines rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils, verlangen.162 Auch eine Inanspruchnahme als Anscheinsstörer ist der Behörde dann verwehrt. 163 Eine Eigentumsübertragung erfolgt gemäß §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB durch Auflassung und Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Die Auflassung allein macht den Grundeigentümer nicht zum früheren Eigentümer.164 Bis zur Vollendung beider Erwerbsvorgänge kann der Übertragende vielmehr weiterhin als gegenwärtiger Eigentümer zur Sanierung verpflichtet werden.165 Unbeachtlich ist, daß zwischen Auflassung und Eintragung eine nicht unbedeutende Zeit vergehen kann und der Übertragende nach Stellung des Eintragungsantrags keinen Einfluß darauf hat, wann das Grundbuchamt den Erwerber einträgt. Umstritten ist, ob mit dem Begriff des früheren Eigentümers – wie von Teilen des Schrifttums166 vertreten – nur der Vorgänger des gegenwärtigen Grundeigentümers gemeint ist oder ob hierunter mit der herrschenden Meinung167 sämtliche früheren Eigentümer fallen. Droese168 leitet die Beschränkung auf den unmittelbaren Rechtsvorgänger aus dem Gebrauch des Singulars [d]er frühere Eigentümer ab. Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht, weil der Gesetzgeber sämtliche Störer in § 4 BBodSchG im Singular bezeichnet hat.169 Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber gerade nicht den Begriff des „vorigen Eigentümers“ gewählt hat. Schließlich spricht auch die ratio legis zu verhindern, daß der Grundeigentümer sich durch Übertragung des Eigentums der Zustandshaftung entledigt, für die weite Auslegung der herrschenden Meinung. Anderenfalls könnte sich ein Grundeigentü___________ 162 Dies verkennt das VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht), dessen Entscheidung allerdings besondere Sachverhaltsumstände zugrunde lagen. 163 A.A, VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht). 164 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 49; Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1266). 165 Nur eine Inanspruchnahme als früherer Grundeigentümer kommt hingegen in Betracht, wenn die Behörde zwar bereits während seiner Eigentümerstellung einen Dritten – etwa im Wege der unmittelbaren Ausführung – mit der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen beauftragt hat, sie den Kostenbescheid jedoch erst nach Eigentumsverlust festsetzt; vgl. OVG Hamburg, NVwZ 2001, 215; Kügel. NJW 2004, 1570 (1573). 166 Droese, UPR 1999, 86 (91). 167 VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005, Az. 6 K 2235/01 (unveröffentlicht); Becker, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 74; Giesberts, in: Fluck, Bodenschutzrecht, 20. Lfg., § 4 Rn. 370; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 8; Giesberts/Frank, DB 2000, 505 (510); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 321; Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51). 168 UPR 1999, 86 (91). 169 Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 321.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

mer durch eine Veräußerungskette der Zustandsverantwortlichkeit entledigen.170 Mit der herrschenden Meinung171 sind daher über den vorigen Eigentümer hinaus auch dessen Rechtsvorgänger als frühere Eigentümer sanierungsverantwortlich.

V. Eigentumsübertragung seit dem 1.3.1999 Zur Vermeidung einer verfassungswidrigen echten Rückwirkung172 setzt § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG eine Eigentumsübertragung nach Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes am 1.3.1999 voraus.173 Zur Begründung der Sanierungsverantwortlichkeit ist es allerdings nicht erforderlich, daß sowohl die Auflassung als auch die Eintragung des Erwerbers nach dem 1.3.1999 erfolgt sind.174 Da das Eigentum erst mit Auflassung und Eintragung übertragen wird, müssen nicht beide Erwerbstatbestände nach dem 1.3.1999 verwirklicht werden.175 Unbeachtlich ist, ob der Eintragungsantrag vor dem 1.3.1999 gestellt worden ist, wenn die Eintragung erst danach erfolgt ist, weil das Gesetz eindeutig auf den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung abstellt.176

VI. Umfang der Sanierungsverantwortlichkeit Der frühere Grundeigentümer ist grundsätzlich in demselben Umfang sanierungsverantwortlich wie der gegenwärtige Grundeigentümer. Er hat allerdings nur für solche schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten einzustehen, die ___________ 170

Ebendort. Becker, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 74; Giesberts, in: Fluck, Bodenschutzrecht, 20. Lfg., § 4, Rn. 370; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 8; Giesberts/Frank, DB 2000, 505 (510); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 321; Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51). 172 Vgl. nur BVerfGE 72, 200 (242); 92, 277 (324); 97, 76 (78 f.). 173 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 47; Becker, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 63; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs.6 Rn. 10; Rengeling, UTR 53 (2000), 43 (69 f.). 174 Zustimmend Schoeneck, ebendort; Becker, ebendort; Frenz, ebendort; Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 178; a.A. Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1266); Knopp, DVBl. 1999, 1010, (1011). 175 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 47; Becker, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 63; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 10. 176 A.A. Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 178. 171

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

357

im Zeitpunkt seines Eigentumsverlustes vorhanden177 oder dem Grunde nach angelegt178 waren. Für nach seinem Eigentumsverlust eintretende Neulasten haftet er nicht.179 Bei Bodenkontaminationen, die teils vor und teils nach der Eigentumsübertragung entstanden sind, ist die Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers auf Verunreinigungen beschränkt, die vor seinem Eigentumsverlust entstanden oder angelegt waren. Die Behörde ist hierfür beweispflichtig.180

VII. Gutglaubensschutz Anders als bei den anderen Zustandsstörern sieht § 4 Abs. 6 BBodSchG für den früheren Eigentümer einen Gutglaubensschutz vor.181 Der frühere Eigentümer ist nur sanierungsverantwortlich, wenn er bei Erwerb oder bei Verlust des Eigentums nicht gutgläubig war.

1. Gutgläubigkeit bei Eigentumsverlust Nach § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG sind nur solche Alteigentümer sanierungsverantwortlich, die bei der Eigentumsübertragung Kenntnis von der schädlichen Bodenveränderung hatten oder haben mußten.182 Diese Haftungsfreistellung wurde im Gesetzgebungsverfahren damit begründet, daß sich ein gutgläubiger Eigentümer durch die Eigentumsübertragung nicht seiner Zustandsverantwortlichkeit zu entziehen suche.183 ___________ 177

Ebendort, § 4 Rn. 184. Maßgebend ist, ob vor Verlust des Eigentums bereits die Gefahr einer Boden- oder Gewässerkontamination bestand. 179 Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 184. 180 Ebendort. 181 Hieraus kann jedoch nicht – wie vom VGH München in seinem Beschluß vom 7.11.2002, NZM 2003, 651 f. – der Umkehrschluß gezogen werden, daß § 4 Abs. 6 BBodSchG eine abschließende Regelung der Opferfälle enthalte und insbesondere eine Haftungsfreistellung wegen gutgläubigen Erwerbs beim gegenwärtigen Grundeigentümer ausscheide. Der Gesetzgeber hat die Lösung der Opferfälle vielmehr bewußt der Rechtsprechung überlassen. vgl. die Darstellung unter 8. Kap. A. Im übrigen fordert auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000 implizit die Freistellung des gutgläubigen Erwerbers von der Sanierungsverantwortlichkeit; vgl. hierzu 8. Kap. D. II. 2. c). 182 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 13. 183 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 51. 178

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Für die Gutgläubigkeit kommt es auf den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs an.184 War der Eigentümer bei der Auflassung gutgläubig, bei der Eintragung des Neueigentümers jedoch bösgläubig, so scheidet eine Haftungsfreistellung aus.185 Der Zeitpunkt der Auflassung ist selbst dann nichtmaßgebend, wenn die Auflassung nach § 873 Abs. 2 BGB bindend erklärt worden ist. 186 Der frühere Eigentümer war gutgläubig, wenn er die schädliche Bodenveränderung oder Altlast im Zeitpunkt seines Eigentumsverlustes weder kannte noch kennen mußte. Kenntnis erfordert positives Wissen um die Kontamination.187 Das Vorliegen positiver Kenntnis wird in der Praxis schwer nachzuweisen sein. Dieser Nachweis dürfte nur gelingen, wenn vor der Veräußerung bereits eine Sanierungsanordnung erlassen worden war, wenn der Alteigentümer die Kontaminationen selbst verursacht hat oder wenn sich aus dem Kaufvertrag Anhaltspunkte hierfür ergeben – sei es, daß der Vertrag auf ein Bodengutachten verweist oder sei es, daß er die Haftung für vorhandene Altlasten ausdrücklich regelt. In der Praxis bedeutsamer sind die Fälle, in denen die Behörde dem früheren Eigentümer nachweist, daß er die Kontamination hätte kennen müssen. Umstritten ist allerdings, welcher Fahrlässigkeitsgrad hierfür erforderlich ist. Von Teilen des Schrifttums wird die Ansicht188 vertreten, daß bereits leichte Fahrlässigkeit genüge, weil § 122 Abs. 2 BGB unter dem Kennenmüssen jede fahrlässige Unkenntnis verstehe. Nach anderer Ansicht189 sei grob fahrlässige Unkenntnis der Bodenkontamination erforderlich. Die letztgenannte Ansicht ist aus den oben190 eingehend dargelegten Gründen vorzugswürdig. Nur bei grob fahrlässiger Unkenntnis kann der ehemalige Eigentümer als nicht schutzwürdig angesehen werden. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn der Alteigentümer vor einer möglichen Bodenkontamination die Augen verschließt. Liegen Anhaltspunkte vor, die auf eine Bodenverunreinigung hindeuten – wie z. B. eine ___________ 184

Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 61; vgl. auch Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1324). 185 War das Grundstück jedoch bereits beim seinerzeitigen Erwerb kontaminiert, so kommt dem Alteigentümer der Gutglaubenschutz nach § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG zu gute; vgl. hierzu sogleich unter 2. 186 A.A. Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 27. 187 Becker, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 65; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 16. 188 Becker, ebendort, § 4 Rn. 66; Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 51; Frenz, ebendort, § 4 Abs. 6 Rn. 17; Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 324; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 69. 189 Droese, UPR 1999, 86 (91); Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 179. 190 Vgl. nur 5. Kap. C. II. 3.

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Veränderung der Vegetation, eine Verfärbung des Erdreichs oder auffällige Krankheiten der Bewohner – oder hat er Kenntnis von einer mit besonderen Umweltrisiken verbundenen (Vor-)Nutzung des Grundstücks, so besteht eine Obliegenheit191 nachzuforschen, ob der Boden kontaminiert ist. Dies gilt erst recht, wenn er selbst das Grundstück einem Dritten zu einer mit besonderen Umweltrisiken verbundenen Nutzung überlassen hat.192 Liegen derartige Anhaltspunkte vor, so wird er seiner Obliegenheit regelmäßig nur genügen, wenn er einen Spezialisten mit der Untersuchung des Bodens beauftragt. Gelangt dieser fälschlich zu dem Ergebnis, daß der Boden nicht kontaminiert ist, so handelt der Grundeigentümer nicht grob fahrlässig, wenn er auf die Aussage des Spezialisten vertraut.193

2. Gutgläubigkeit bei Eigentumserwerb War der frühere Eigentümer zwar bei Verlust seines Eigentums bösgläubig, hat er das kontaminierte Grundstück seinerzeit jedoch gutgläubig erworben, so ist er gemäß § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG dann nicht sanierungsverantwortlich, wenn er nach den Umständen des Einzelfalls auf die Kontaminationsfreiheit vertrauen durfte.194 Diese Haftungsfreistellung wird im Schrifttum mit Billigkeitserwägungen begründet.195 Nach zutreffender Ansicht entfällt die Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers jedoch deshalb, weil ihm mangels bewußter Inkaufnahme des Risikos von Bodenkontaminationen die Gefahr bereits nicht zugerechnet werden kann.196 Ein gutgläubiger Erwerb im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne ist nicht nur bei einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung möglich. Der Eigentümer kann das Grundstück auch durch Zuschlag im Rahmen einer Zwangsversteige___________ 191 Terminologisch ungenau von einer Nachforschungspflicht sprechen Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1266); Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 51 und Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 17, weil Pflichten nur im Verhältnis zu Dritten bestehen können; vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., Einl. v § 241 Rn. 16. 192 Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (409); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 73. 193 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 17 f. 194 A.A. Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 182, der contra legem einen Gutglaubensschutz nur bejaht, wenn der frühere Eigentümer vom Erwerb bis zum Verlust seines Eigentums gutgläubig war. 195 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 23. 196 Vgl. die eingehende Darstellung unter 8. Kap. E.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

rung oder durch Zuteilung nach einer Flurbereinigung197 gutgläubig erworben haben. Auch in diesen Fällen kann der Erwerber erkennbare Risiken in Kauf nehmen. Kein gutgläubiger Erwerb ist hingegen bei der Gesamtrechtsnachfolge, wie sie insbesondere durch Erbschaft eintritt, möglich. Da der Erbe mit dem Erbfall in die Rechtsposition des Erblassers eintritt, muß er sich dessen Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis zurechnen lassen.198 Abzulehnen ist die von Kohls199 vertretene Ansicht, wonach es auf die Gutgläubigkeit des oder der Erben im Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) ankommen soll. Dies hätte eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung des Erben gegenüber sonstigen Eigentümern zur Folge. Beim Erben würde eine ursprüngliche Bösgläubigkeit des Erblassers ausgeblendet, obwohl der Erbe kraft Universalsukzession in die Stellung des Erblassers eintritt und sich daher nach den auch hier maßgebenden erbrechtlichen Grundsätzen dessen Wissen zurechnen lassen muß.200 Der Erbe bedarf keines besonderen Schutzes, weil ihn bereits das Erbrecht ausreichend schützt. Er kann zum einen die Erbschaft ausschlagen, wenn er innerhalb der sechswöchigen Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB Zweifel an der Kontaminationsfreiheit des Grundstücks bekommt. Zum anderen kann er seine Zustandshaftung gemäß §§ 1975 ff. BGB auf den Nachlaß beschränken und so sein eigenes Vermögen vor dem Zugriff des Staates schützen.201 Ein gutgläubiger Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG setzt zum einen voraus, daß der Alteigentümer bei dem Erwerb des Grundstücks auf das Fehlen von Bodenkontaminationen vertraut hat und zum anderen, daß sein Vertrauen schutzwürdig ist. Auf das Nichtvorhandensein von Bodenverunreinigungen vertraut ein Erwerber nur dann, wenn er sie nicht positiv kennt. Schutzwürdig ist sein Vertrauen, wenn er die Bodenverunreinigungen ohne grobe Fahrlässigkeit nicht erkannt hat.202 Bei der Bestimmung der hierbei anzulegenden Sorgfaltsanforderungen zu berücksichtigen ist, daß an den Grundeigentümer keinesfalls höhere Anforderungen an das Erkennen umweltgefährdender Risiken gestellt werden dürfen als an die fachkundige Behörde, die ungeachtet der erst später als gefährlich erkannten Nutzung eine erforderliche Genehmigung erteilt hat oder nicht eingeschritten ist.203 Von besonderer Bedeutung ist hierbei der jeweilige Erwerbs___________ 197

Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 59. Ebendort, Rn. 61; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 26. 199 ZUR 2001, 183 (185 ff.). 200 Vgl. hierzu Kohls, ZUR 2001, 183 (185) m.w.N. 201 Ebendort, S. 188. 202 Vgl. nur Wüterich, in: Landel/Vogg/Wüterich, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 182. 203 Numberger, NVwZ 2005, 529 (531). 198

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zeitpunkt. An Eigentümer, die 1980 ein kontaminiertes Grundstück erworben haben, dürfen nicht gleich hohe Sorgfaltsanforderungen gestellt werden wie an heutige Erwerber, weil mit dem größeren Fachwissen über Boden- und Gewässerverunreinigungen und ihre Ursachen auch das Umweltbewußtsein der Bevölkerung erheblich gestiegen ist. Von einer grob fahrlässigen Unkenntnis wird man nur dann sprechen können, wenn im Erwerbszeitpunkt tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bodenkontamination vorgelegen haben, die der Erwerber ohne weiteres hätte erkennen müssen. Ein heutiger Erwerber handelt jedenfalls dann grob fahrlässig, wenn er es unterläßt, in das Altlastenkataster oder in den Bauleitplan Einsicht zu nehmen, sofern das Grundstück darin im Erwerbszeitpunkt als Altlast oder als Altlastenverdachtsfläche gekennzeichnet war.204 Dasselbe gilt, wenn das Grundstück in den Bauleitplänen als Altlast oder als Altlastenverdachtsfläche gekennzeichnet ist.205 Dem Erwerber ist es zumutbar, Einsicht in das Altlastenkataster und in die Bauleitpläne zu nehmen.206 Nach § 4 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz ist er zur Einsichtnahme berechtigt.207 Findet sich kein Eintrag im Altlastenkataster, so begründet dies allein keine Gutgläubigkeit. Der Erwerber muß das Grundstück zumindest auf eine gefahrenträchtige Vornutzung überprüfen, es begehen und hierbei auf tatsächliche Anhaltspunkte für Bodenkontaminationen achten.208 Finden sich Anhaltspunkte für eine mögliche Bodenkontamination, so handelt der Erwerber nur dann nicht sorgfaltswidrig, wenn er eine Bodenuntersuchung durch einen Spezialisten veranlaßt und diese den Verdacht nicht bestätigt.209 Nicht ausreichend ist es, wenn der Erwerber eigene Nachforschungen unterläßt und auf Äußerungen des Verkäufers vertraut, der Boden sei nicht kontaminiert.210 Ohne Bedeutung ist dabei, daß sich der Verkäufer bei arglistiger Täuschung schadensersatzpflichtig macht.211 Da der Verkäufer gegenläufige Interessen verfolgt, ist der Erwerber nicht schutzwürdig, wenn er hierauf vertraut. Hingegen muß sich der Erwerber auf ihm vorgelegte behördliche Dokumente verlassen können, aus denen sich ergibt, daß das Grundstück nicht kontaminiert oder eine Altlast vollständig ___________ 204

Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 304. Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 304. 206 Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 72 f. 207 Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (70). 208 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 29 ff. Vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes bereits OVG Münster, NVwZ 1993, 1000; Knopp, DÖV 1990, 683 (686). 209 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 57. 210 Ebendort. 211 A.A. Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 29. 205

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

saniert worden sei.212 Darüber hinaus kann der Erwerber auf alle behördlichen Genehmigungen und Entscheidungen vertrauen, bei denen die Frage der Verunreinigung des Grundstücks Prüfungsgegenstand war oder hätte sein müssen. 213 Dies betrifft insbesondere Bau- und Anlagengenehmigungen sowie die Ausweisung eines Gebietes als Wohngebiet.214 An den Erwerber können nämlich keine höheren Sorgfaltsanforderungen gestellt werden als an die Fachbehörde.215 Ehemalige Eigentümer von Wohngrundstücken auf überplanten Altlasten sind daher, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, nicht zustandsverantwortlich. An einer hinreichenden Vertrauensgrundlage fehlt es allerdings dann, wenn der Erwerber Kenntnis von Umständen hat, die nach Abschluß der behördlichen Entscheidung eingetreten sind und aus denen sich Anhaltspunkte für eine Bodenkontamination ergeben. Indizien für eine grobe Fahrlässigkeit können sich schließlich aus dem Kaufvertrag ergeben. Ein geringer Kaufpreis kann darauf hindeuten, daß der Käufer von der Kontamination wußte oder zumindest mit ihr rechnete. Nicht ohne weiteres auf grob fahrlässige Unkenntnis kann aus einer Altlastenfreizeichnungsklausel geschlossen werden.216 Derartige Klauseln gehören mittlerweile zum vertragsrechtlichen Standard bei Grundstückskaufverträgen. Der Verkäufer hat nämlich ein berechtigtes Interesse an einer Freizeichnung, wenn wider Erwarten zu einem späteren Zeitpunkt Altlasten entdeckt werden.

3. Die Beweislastverteilung für den Nachweis der Gutgläubigkeit Nach § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG ist der ehemalige Eigentümer nur dann sanierungsverantwortlich, wenn er die schädliche Bodenveränderung oder die Altlast bei Übertragung des Eigentums weder kannte noch kennen mußte. Der Gesetzgeber hat damit erstmals eine Opferposition nicht als Ausschlußgrund für die Zustandsverantwortlichkeit konzipiert, sondern umgekehrt die Zustandshaftung von dem Fehlen einer Opferposition abhängig gemacht. Da die Behörde zu beweisen hat, daß die Tatbestandsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des ehemaligen Eigentümers vorliegen, trägt sie die Beweislast ___________ 212 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 57; Frenz, ebendort; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 73. 213 Turiaux/Knigge, BB 1999, 377 (383); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 325; Müggenborg, NVwZ 2000, 50. 214 Müggenborg, ebendort. 215 Numberger, NVwZ 2005, 529 (531). 216 A.A. VG Frankfurt a.M., NVwZ 2000, 107; Hipp/Rech/Turian, Das BundesBodenschutzgesetz, Rn. 304; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 73; Mohr, NVwZ 2003, 686 (688).

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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für die Bösgläubigkeit des Alteigentümers zum Zeitpunkt seines Eigentumsverlustes.217 Weist die Behörde die Bösgläubigkeit des Alteigentümers bei der Eigentumsübertragung nach, so kann der Alteigentümer geltend machen, daß er bei Erwerb des Grundstücks in schutzwürdiger Weise auf die Kontaminationsfreiheit vertraut hat. Hierfür trägt der frühere Eigentümer die Beweislast.

VIII. Stellungnahme Die Erweiterung der Zustandsverantwortlichkeit um den früheren Eigentümer ist in der Literatur auf heftige Kritik gestoßen.218 Einzelne Autoren219 halten die auf Bundesebene neuartige Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers für verfassungswidrig. Dem hat sich die herrschende Meinung220 – wie noch näher darzulegen sein wird – zu Recht nicht angeschlossen. Ungeachtet der Kritik ist die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers zu begrüßen. Sie ist die zwingende Folge einer Zustandsverantwortlichkeit, die auf einer persönlichen Zurechnung der Gefahr beruht, wie sie hier vertreten wird. 221 Wird dem gegenwärtigen Eigentümer eine Gefahr zugerechnet, weil er an ihrer Entstehung mitgewirkt oder weil er sie bei Erwerb des Eigentums bewußt in Kauf genommen hat, so entfällt die Zurechnung nicht mit dem Verlust des Eigentums. Vielmehr besteht seine Verantwortlichkeit auch nach Verlust der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft fort. Die tatsächliche oder rechtli___________ 217

Droese, UPR 1999, 86 (91). Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51). Zum Landesaltlastenrecht vgl. bereits Knopp, DÖV 1990, 683 (687); Enders, DVBl. 1993, 82 (88); Kothe, DÖV 1994, 716 (724 ff.); LKV 1994, 312 (315 f.); Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 74 f.; Bickel, Hessisches Altlastengesetz, 2. Aufl., § 12, Rn. 27 ff. 219 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 27; Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1012 f.); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356 f.); Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (62 ff.); Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51); Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (441 f.). Lwowski/Tetzlaff begründen dies insbesondere damit, daß dem Veräußerer keine Absicherungsstrategien zur Verfügung stünden und daß er das Insolvenzrisiko des Erwerbers tragen müsse, obwohl er bereits einen wegen der Kontamination geringeren Kaufpreis erzielen konnte. Sie verkennen dabei, daß § 4 Abs. 6 BBodSchG ohnehin nur eine Sanierungsverantwortlichkeit des bösgläubigen Eigentümers vorsieht und daß die sicherste Absicherungsstrategie darin besteht, das Grundstück vor Veräußerung zu sanieren. 220 Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 111 f.; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 49; Giesberts, in: Fluck, Bodenschutzrecht, 20. Lfg., § 4 Rn. 382 ff.; Doerfert, VR 1999, 229 (231); Schink, DÖV 1999, 797 (805); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6, Rn. 4; Rengeling, UTR 53 (2000), 43 (69 f.). 221 Vgl. die eingehende Herleitung unter 7. Kap. D. II. und 8. Kap. E. 218

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

che Sachherrschaft sind dann nur Anknüpfungspunkt der Sanierungsverantwortlichkeit, nicht jedoch ihr eigentlicher Grund. Die Sanierungsverantwortlichkeit beruht in den Mitwirkungsfällen vielmehr darauf, daß der damals gegenwärtige Eigentümer seine Schutzpflicht gegenüber dem Boden verletzt hat. Wie die Verhaltensverantwortlichkeit des Doppelstörers besteht auch die Verantwortlichkeit des Eigentümers aufgrund der Schutzpflichtverletzung über den Verlust des Eigentums hinaus fort.222 Anders gelagert ist die Situation im Falle des bösgläubigen Erwerbs eines kontaminierten Grundstücks, weil hier der Erwerber keinen Beitrag an der Entstehung der Kontamination geleistet hat. Ihm wird die Gefahr vielmehr deshalb zugerechnet, weil er das Risiko einer Bodenkontamination billigend in Kauf genommen hat. Hat er z. B. ein Altlastengrundstück gegen Preisnachlaß und/oder eine Freistellungsverpflichtung erworben, so ist es sachgerecht, wenn er es anstelle des veräußernden Verursachers sanieren muß. Veräußert er es seinerseits weiter, so kann er – zumindest im Innenverhältnis223 zum Erwerber – sicherstellen, daß dieser das Grundstück sanieren muß, indem er diesen zur Freistellung verpflichtet. Der von Kohls224 im Zusammenhang mit der Sanierungsverantwortlichkeit des Derelinquenten und des früheren Grundeigentümers nach § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. und Abs. 6 BBodSchG geprägte Begriff der nachwirkenden Zustandsverantwortlichkeit bringt treffend zum Ausdruck, daß die Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus fortwirkt. Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten bzw. des früheren Eigentümers ist insoweit nachwirkend, als der ursprüngliche Anknüpfungspunkt – das Eigentum – weggefallen ist. Sie ist strukturell vergleichbar mit der nachwirkenden Verantwortlichkeit des Anlagenbetreibers im Immissionsschutz- und im Abfallrecht, bei der die Nachsorgepflicht ebenfalls trotz Wegfalls des ursprünglichen Anknüpfungspunktes – d.h. nach Einstellung des Anlagenbetriebs – fortbesteht. So ist ___________ 222 Wie unter 7. Kap. D. II. 1. eingehend dargelegt, wird die Zustandsverantwortlichkeit hierdurch jedoch nicht zu einer Verhaltensverantwortlichkeit, weil der Mitwirkungsbeitrag unterhalb der Schwelle der verhaltensbedingten Gefahrenverursachung liegt. Das Verhalten des Verursachers kann in derartigen Konstellationen nämlich nicht hinweggedacht werden, ohne daß der Eintritt der Gefahr bzw. des Schadens entfiele. 223 Nach richtiger Ansicht hat die Behörde derartige zivilrechtliche Vereinbarungen bei der Störerauswahl zu berücksichtigen, sofern nicht zwingende Erfordernisse der effektiven Gefahrenabwehr ein Abweichen hiervon gebieten; vgl. unter 11. Kap. D. Kann die Behörde den Veräußerer unter diesen Voraussetzungen ausnahmsweise ermessensfehlerfrei in Anspruch nehmen, so kann dieser den Erwerber nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG in Regreß nehmen, weil letzterer die Kosten im Innenverhältnis tragen sollte. Zur Absicherung dieses Ausgleichsanspruchs kann der Veräußerer vom Erwerber bereits bei Abschluß des notariellen Kaufvertrages eine Sicherheitsleistung verlangen. 224 Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 25 ff. sowie zuvor bereits in: ZUR 2001, 183 ff.

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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z. B. ein (ehemaliger) Betreiber einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage auch nach Einstellung des Anlagenbetriebs gemäß § 5 Abs. 3 BImSchG verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß weder von der Anlage noch von dem Anlagengrundstück Gefahren ausgehen, die ihren Ursprung im Anlagenbetrieb225 haben (sog. Nachsorgepflicht).226 Beispielsweise dürfen von der Anlage keine Gefahren für den Boden oder für das Grundwasser ausgehen. Anknüpfungspunkt dieser Nachsorgepflicht ist jedoch allein die Stellung als (ehemaliger) Anlagenbetreiber. Die Anlagenbetreiberhaftung stellt – wie an anderer Stelle227 dargelegt – eine Mischform aus Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit dar, wobei die Elemente der Verhaltensverantwortlichkeit dominieren. Dies ist auch bei der Nachsorgepflicht des § 5 Abs. 3 BImSchG der Fall.228 Die Nachsorgepflicht des § 5 Abs. 3 BImSchG setzt daher nicht voraus, daß der Anlagenbetreiber Eigentümer des Anlagengrundstücks war oder im Zeitpunkt der Inanspruchnahme noch ist, so daß nicht von einer nachwirkenden Zustandsverantwortlichkeit gesprochen werden kann.229 Gleiches gilt für den (ehemaligen) Deponieinhaber nach § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über die Eigentumsübertragung hinaus ist auch nicht verfassungswidrig.230 Die Auferlegung einer Sanierungsverantwortlichkeit gegenüber einem ehemaligen Eigentümer stellt zwar einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG dar.231 Dem ___________ 225 So die herrschende Meinung; vgl. nur Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 33 ff. m.w.N. A.A. Hansmann, NVwZ 1993, 921 (923), demzufolge der letzte Betreiber für sämtliche Grundstücksgefahren, d.h. auch solche, die nicht aus dem Anlagenbetrieb resultieren, verantwortlich sein soll. Praktisch bedeutsam wird dieser Meinungsstreit bei einem Grundstück, das nur auf einer Teilfläche zum Anlagenbetrieb genutzt worden ist. 226 Vgl. hierzu Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 27 ff. m.w.N. 227 Vgl. 1. Kap. E. III. 228 Fluck, BB 1991, 1797 (1800); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 37 f. 229 So schon Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 37. 230 Zustimmend Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 111 f.; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 49; Giesberts, in: Fluck, Bodenschutzrecht, 20. Lfg. § 4 Rn. 382 ff.; Doerfert, VR 1999, 229 (231); Schink, DÖV 1999, 797 (805); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 4; Rengeling, UTR 53 (2000), 43 (69 f.); a.A. Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 27; Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1012 f.); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356 f.); Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (62 ff.); Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51). 231 Kobes, NVwZ 1998, 786 (790); Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, BundesBodenschutzgesetz, § 4 Rn. 47; Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1011 f.); Riedel, ZIP 1999, 94 (98 f.); Müggenborg, NVwZ 2000, 50; Dombert, NJW 2001, 927 (928); Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (723). Auf einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG stellen hingegen Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356) und Lepsius, JZ 2001, 22 (23) ab. Demgegenüber geht Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 120 ff., zum Teil von

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

steht nicht entgegen, daß der frühere Eigentümer keine Eigentümerposition mehr inne hat.232 Da § 4 Abs. 6 BBodSchG die an das Eigentum anknüpfende Zustandshaftung des gegenwärtigen Eigentümers über den Eigentumsverlust hinaus fortschreibt, wirkt wegen des Anknüpfungspunktes Eigentum auch die Eigentumsgarantie fort.233 Ein solches Anknüpfen an das Eigentum steht auch im Einklang mit der Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes. So ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bei öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten dann eröffnet ist, wenn diese an den Bestand, die Nutzung oder die Verfügung über ein konkretes Eigentum anknüpfen234, während öffentlichrechtliche Geldleistungspflichten ohne eine solche Anknüpfung nicht in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fallen235, weil das Vermögen als solches nicht durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt ist. Der frühere Eigentümer muß sich wie ein gegenwärtiger Eigentümer auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berufen können, wenn seine Inanspruchnahme mit seinem (früheren) Eigentum bzw. dem Erwerb des (früheren) Eigentums begründet wird. Der Eingriff in die Eigentumsgarantie ist entgegen weitverbreiteter Ansicht236 grundsätzlich nicht willkürlich237 und hält einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.238 Zwar läßt sich die Sanierungsverantwortlichkeit des früheren ___________ einem Eingriff in die Eigentumsgarantie und zum Teil in die allgemeine Handlungsfreiheit aus. 232 Abzulehnen ist der von Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (723) vertretene Ansatz, die Sanierungsverantwortlichkeit entstehe durch die Übertragung und knüpfe damit an das gegenwärtige Eigentum an. Grzeszick verkennt, daß die Eigentumsübertragung weder eine Gefahr verursacht noch erhöht und daher gefahrenabwehrrechtlich irrelevant ist. Überdies hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 6 BBodSchG bewußt nicht auf die Fälle einer „mißbräuchlichen Flucht aus dem Eigentum“ begrenzt. 233 Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (58); Dombert, NJW 2001, 927 (928). Abzulehnen ist aus dem genannten Grund der von Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 114 ff., vertretene Ansatz, nicht der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1, sondern nur des Art. 2 Abs. 1 GG sei eröffnet. 234 Vgl. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 6. Aufl., Art. 14 Rn. 16 m.w.N. 235 Etwas anderes gilt nur, wenn von ihnen eine erdrosselnde Wirkung ausgeht; vgl. nur Jarass, ebendort. 236 Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1012 f.); Schlabach/Heck, VBlBW 1999, 406 (410); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356 f.); Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51 f.); Dombert, NJW 2001, 927 (930 f.). 237 Zustimmend Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 111 f.; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 49; Giesberts, in: Fluck, Bodenschutzrecht, 20 Lfg., § 4 Rn. 382 ff.; Schink, DÖV 1999, 797 (805); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 4; Trurnit, VBlBW 2000, 261 (267) 238 Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 111 f.; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 49; Giesberts, in: Fluck, Bodenschutzrecht, 20. Lfg., § 4 Rn. 382 ff.; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Abs. 6 Rn. 4; Schink, DÖV 1999, 797 (805).

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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Eigentümers nicht mit der tatsächlichen oder mit der rechtlichen Sachherrschaft und der sich hieraus ergebenden Nutzungsmöglichkeit begründen, welche herkömmlich239 als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit angesehen werden. Denn mit seinem Eigentum verliert der Eigentümer zugleich seine Sachherrschaft und die Nutzungsmöglichkeit.240 Allerdings ignoriert die herrschende Meinung241, daß auch die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten trotz Eigentumsverlustes fortbesteht.242 Das Dogma von der Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit mit dem Verlust des Eigentums läßt sich schon seit Einführung der Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten in der großen Mehrzahl der Landespolizeigesetze vor mehr als 20 Jahren nicht mehr aufrechterhalten. Dasselbe gilt für die von der herrschenden Meinung als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit herangezogene tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft. Die Autoren243, die eine Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers für willkürlich halten, verkennen, daß mit § 4 Abs. 6 BBodSchG keine neue Störerkategorie geschaffen worden ist. Die Norm schreibt vielmehr die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers über die Eigentumsübertragung hinaus fort.244 Durch die Eigentumsübertragung entsteht keine neue Zustandsverantwortlichkeit, weil sie die Gefahr nicht erhöht.245 Ebensowenig begründet die Bösgläubigkeit des früheren Eigentümers bei der Eigentumsübertragung die Zustandsverantwortlichkeit.246 Der frühere Eigentümer ist vielmehr deshalb verantwortlich, weil er sich der während seines Eigentums begründeten Zu___________ 239 BVerfGE 102, 1 (18 f.); BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627); NVwZ 1991, 475; OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 139 ff.; Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schoch, JuS 1994, 932 (935); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 139; Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51). 240 Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1012 f.); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356); Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51). 241 BVerfGE 102, 1 (18 f.); BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627); NVwZ 1991, 475; OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 139 ff.; Breuer, DVBl. 1994, 890 (894); Schoch, JuS 1994, 932 (935); Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 139; Müggenborg, NVwZ 2000, 50 (51). 242 Zur Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten vgl. die eingehende Darstellung unter 12. Kap. D. 243 Droese, UPR 1999, 86 (90 ff.); Riedel, ZIP 1999, 94 (98 f.); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356 ff.); Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (723). Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (65 ff.), hält die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers insoweit für willkürlich, als sie auch nicht-abusive Geschäfte einschließe. 244 Vgl. nur 12. Kap. D. VI. 245 A.A. Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (723 ff.). 246 Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (69).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

rechnung weder durch Dereliktion noch durch Eigentumsübertragung entziehen kann. Die Fortdauer der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus ist dann nicht willkürlich, wenn die Gefahr dem Eigentümer persönlich zugerechnet werden kann. Der Eigentümer muß sich die Gefahr dann zurechnen lassen, wenn er unterhalb der Schwelle der unmittelbaren Verursachung an der Entstehung der Bodenkontamination mitgewirkt hat. Der Eigentümer wird hierdurch zwar nicht zum Verhaltensstörer, steht der Gefahr jedoch näher als die Allgemeinheit. Wie bei einem Verhaltensstörer führt die Mitwirkung an der Gefahrentstehung zu einer persönlichen Haftung des Eigentümers, die unabhängig von der Eigentümerstellung fortbesteht. Hat etwa der Eigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer Abfalldeponie verpachtet, so muß er sich die von der Abfalldeponie für sein Grundstück ausgehenden Risiken zurechnen lassen, weil er an dem risikoerhöhenden Handeln mitgewirkt hat. Die Zurechnung der Gefahr entfällt nicht dadurch, daß er das Eigentum an einen Dritten überträgt. Der Eigentumsverlust beseitigt weder seine Mitwirkung an der Gefahrentstehung noch führt er dazu, daß die aus der risikoreichen Nutzung gezogenen Vorteile aus seinem Vermögen ausscheiden.247 Einen ähnlichen Lösungsansatz verfolgt § 348 Abs. 4 UGB-KomE, der dem früheren Eigentümer die Bodenkontamination dann zurechnet, wenn er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat.248 Der Eigentümer muß sich darüber hinaus diejenigen Gefahren zurechnen lassen, die er bei Erwerb des Grundstücks billigend in Kauf genommen hat, weil er wußte, daß er ein kontaminiertes Grundstück erwirbt oder weil er hiervor die Augen verschlossen hat.249 Die Auferlegung einer Sanierungsverantwortlichkeit ist allerdings dann willkürlich und verfassungswidrig, wenn dem früheren Eigentümer die Bodenkontamination nicht zugerechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn er Opfer der Gefahr ist, weil er das bereits kontaminierte Grundstück seinerzeit gutgläubig erworben hatte oder weil die Verunreinigung Folge der Einwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist.250 Dann nämlich steht der frühere Eigentümer der Gefahr nicht näher als ein beliebiger Dritter. § 4 Abs. 6 S. 2 ___________ 247

Im Ergebnis zustimmend Droese, UPR 1999, 86 (87). Vgl. die ausführliche Darstellung unter 10. Kap. C. III. 3. 249 BVerwG, NVwZ 1991, 475; 1997, 577 f.; VGH Mannheim, VBlBW 1995, 488; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, S. 23 und 48; Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Breuer, JuS 1986, 359 (363); Siegbert Schneider, Altlastensanierung zwischen Verursacher- und Gemeinlastprinzip, S. 99; Eckstein, BWVP 1994, 251 (252); Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz, Rn. 303. 250 Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 253; a.A. Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (728 f.). 248

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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BBodSchG nimmt den früheren Eigentümer, der seinerzeit bei Erwerb des kontaminierten Grundstücks gutgläubig war, von der Sanierungsverantwortlichkeit aus. Keine Haftungsfreistellung ist hingegen für die Fremdeinwirkungsfälle vorgesehen. Insoweit ist die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers verfassungskonform zu reduzieren. Da es dem früheren Eigentümer gegenüber weder einer Duldungs- noch einer Unterlassungsverfügung bedarf, entfällt seine Zustandsverantwortlichkeit in vollem Umfang. Verfehlt ist der Gutglaubensschutz nach § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG. Für die Zurechnung der Gefahr ist es ohne Belang, ob der Eigentümer bei der Übertragung seines Eigentums an einen Dritten gutgläubig war. Ist die Bodenkontamination darauf zurückzuführen, daß der Eigentümer einem Dritten sein Grundstück zu einer umweltgefährdenden Nutzung überlassen hat, so entfällt die Zurechnung – wie dargelegt – nicht mit dem Verlust des Eigentums oder dadurch, daß der Eigentümer bei der Veräußerung seines Grundstücks gutgläubig war. § 4 Abs. 6 BBodSchG ist auch verhältnismäßig. Eine über die Verhinderung von Mißbräuchen hinausgehende Regelung ist erforderlich. Wie ausgeführt251, besteht das Ziel der Regelung nicht allein darin, wie von einigen Autoren252 vertreten, die Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit durch Veräußerung des kontaminierten Grundstücks an eine vermögenslose Person zu verhindern.253 Weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzesmaterialien254 läßt sich ein derart eingeschränkter Regelungszweck entnehmen.255 Auch § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG, der dem Gesetzgeber als Vorbild diente, enthielt keine Beschränkung auf Mißbrauchsfälle.256 Die Fortdauer der Zustandshaftung über den Eigentumsverlust hinaus beeinträchtigt den früheren Eigentümer schließlich nicht unangemessen. Seinen Interessen stehen mit der Schutzpflicht des Staates für Leib und Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG257 sowie dem Staatsziel der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG258 hochrangige Gemeinwohlinteressen im ___________ 251

Vgl. unter 12. Kap. E. II. Knopp, DVBl. 1999, 1010 (1013); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (356); Müggenborg, SächsVBl. 2000, 108 (110); NVwZ 2000, 50 (51). 253 Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (724). 254 BT-Drucks. 13/6701, S. 51. 255 Grzeszick, NVwZ 2001, 721 (724); Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, S. 186 ff. 256 Bickel, Hessisches Altlastengesetz, 2. Aufl., § 12 Rn. 27. 257 Vgl. nur BVerfGE 39, 1 ff.; 46, 160 ff.; 49, 24 ff. 258 Scholz, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, Art. 20 a Rn. 36, Stand: Juni 2002. 252

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG gegenüber.259 Da der frühere Eigentümer nach § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG nur sanierungsverantwortlich ist, wenn er bei Erwerb des Eigentums bösgläubig war, treten seine Interessen hinter das Gemeinwohl zurück. Ein Recht, sich durch Eigentumsübertragung der Zustandsverantwortlichkeit zu entledigen, besteht ebensowenig wie bei der Dereliktion.

F. Zusammenfassung Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat den Kreis der Zustandsstörer gegenüber dem herkömmlichen Gefahrenabwehrrecht erheblich erweitert. Wie schon nach bisherigem Recht sind der Grundeigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und der Derelinquenten zustandsverantwortlich. Neu hinzugekommen ist die Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers und des nach Handels- oder Gesellschaftsrecht Einstandspflichtigen. Hingegen kennt das Bundes-Bodenschutzgesetz, anders als § 5 Abs. 2 MEPolG, keine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten. Die Sanierungsverantwortlichkeit des aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person Einstandspflichtigen soll Mißbrauchs- und Umgehungsgeschäfte vereiteln. § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG in seiner geltenden Fassung eröffnet Eigentümern kontaminierter Grundstücke allerdings auch weiterhin die Möglichkeit zur Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit. Eine rechtsmißbräuchliche Flucht kann nur ausgeschlossen werden, wenn die Sanierungsverantwortlichkeit des Einstands-pflichtigen über den Eigentumsverlust der juristischen Person hinaus fortbesteht. Anderenfalls kann der Einstandspflichtige seiner Zustandshaftung dadurch entgehen, daß die juristische Person nach Abschluß der gesellschafts- oder handelsrechtlichen Transaktion das Eigentum an dem kontaminierten Grundstück vereinbarungsgemäß aufgibt. Eine Sanierungsverantwortlichkeit aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht kommt nur bei Unterkapitalisierung und bei Unternehmensspaltungen in Betracht. Hingegen begründen die Sphärenvermischung und die Konzernabhängigkeit keine gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht und damit auch keine Sanierungsverantwortlichkeit. Bei der gegenständlichen Sphärenvermischung kann sich der Gesellschafter im Falle einer Vollstreckung wegen einer Forderung gegen die juristische Person nicht darauf berufen, daß der gepfändete Gegenstand zu seinem Privatvermögen gehört. Bei Konzernabhängigkeit hat die herrschende Gesellschaft nicht im Außenverhältnis für Verbind___________ 259 Zum Optimierungsgebot des Art. 20 a GG vgl. Brenner, UTR 40 (1997), 141 (144); Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139 (153).

12. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer nach dem BBodSchG

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lichkeit der beherrschten Gesellschaft einzustehen. Sie ist der beherrschten Gesellschaft vielmehr zum Verlustausgleich oder zum Schadenersatz verpflichtet. Eine Sanierungsverantwortlichkeit aus handelsrechtlichem Rechtsgrund entsteht zum einen, wenn jemand das gesamte Handelsgeschäft der juristischen Person einschließlich des kontaminierten Grundstücks erwirbt und unter seiner Firma fortführt. In diesem Fall endet die Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG allerdings mit Eintragung des Erwerbers im Grundbuch, weil der juristischen Person das Grundstück nicht mehr gehört. Der Erwerber ist mit Eigentumserwerb als gegenwärtiger Eigentümer sanierungsverantwortlich. Eine Sanierungsverantwortlichkeit entsteht zum anderen dann, wenn jemand den wesentlichen Teil des Handelsgeschäfts der juristischen Person erwirbt und unter seiner Firma fortführt, das kontaminierte Grundstück jedoch im Eigentum der juristischen Person verbleibt. Mit der Einführung der Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers hat der Gesetzgeber endgültig mit dem gefahrenabwehrrechtlichen Dogma gebrochen, demzufolge die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Verlust des Eigentums endet. Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG besteht die Zustandsverantwortlichkeit fort, wenn der Eigentümer das kontaminierte Grundstück rechtsgeschäftlich an einen Dritten überträgt. Nicht erforderlich ist, daß er hierbei in Mißbrauchsabsicht handelt. Frühere Eigentümer sind neben dem Rechtsvorgänger des gegenwärtigen Eigentümers alle ehemaligen Eigentümer seit Entstehung der Bodenkontamination, sofern sie das Grundstück nach dem 1.3.1999 an einen Dritten übertragen haben. Frühere Eigentümer sind zur Sanierung derjenigen Bodenkontaminationen verpflichtet, die bis zum Verlust ihres Eigentums entstanden waren. Eine Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers entsteht allerdings dann nicht, wenn er bei Veräußerung des Grundstücks die Bodenkontamination nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Dasselbe gilt, wenn er zwar bei der Veräußerung bösgläubig, beim seinerzeitigen Erwerb jedoch gutgläubig war. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers ist entgegen weitverbreiteter Ansicht nicht verfassungswidrig, insbesondere nicht willkürlich. Wie die Dereliktion läßt sie sich allerdings weder mit der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft noch mit der Nutzungsmöglichkeit rechtfertigen, die von der herrschenden Meinung zu Unrecht als Rechtsgründe der Zustandsverantwortlichkeit angesehen werden. § 4 Abs. 6 BBodSchG hat keine neue Störerkategorie geschaffen, sondern schreibt die Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust fort. Der Gesetzgeber trägt damit dem Umstand Rechnung, daß eine durch Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder Inkaufnahme der Gefahr begründete Zustandsverantwortlichkeit auf einer persönlichen Zurechnung der Gefahr beruht. Der Verlust der Rechtsstellung läßt die Sanierungsverantwortlichkeit nicht entfallen. Zu Recht ist der frühere Eigentümer

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

daher nach § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG nicht sanierungsverantwortlich, wenn er seinerzeit das bereits kontaminierte Grundstück gutgläubig erworben hat. In den Fällen, in denen der frühere Eigentümer Opfer der Einwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist, ist seine Sanierungsverantwortlichkeit verfassungskonform zu reduzieren. Systemwidrig und nicht erforderlich ist hingegen der Gutglaubensschutz nach § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG. Die persönliche Zurechnung der Gefahr entfällt nicht dadurch, daß der frühere Eigentümer bei seinem Eigentumsverlust gutgläubig war.

13. Kapitel

Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG A. Gesetzgebungsgeschichte Der Regierungsentwurf zum Bundes-Bodenschutzgesetz sah eine Wertausgleichspflicht nicht vor. Sie ist erst auf Initiative des Bundesrates in das Gesetz aufgenommen worden, um die finanziellen Interessen der Allgemeinheit zu wahren, wie es in der Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf heißt.1

B. Ratio legis § 25 BBodSchG beruht auf der Überlegung, daß der Grundeigentümer auf Kosten der Allgemeinheit bereichert2 wird, wenn sein Grundstück mit öffentlichen Mitteln saniert und hierdurch der Verkehrswert des Grundstücks erhöht wird.3 Die öffentliche Hand soll den sanierungsbedingten Wertzuwachs abschöpfen können.4 Der Anspruch auf Wertausgleich ist allerdings begrenzt durch die Höhe der eingesetzten öffentlichen Mittel. Er reduziert sich ferner um Zahlungen, welche die öffentliche Hand von dem Grundeigentümer oder von anderen Sanierungsverantwortlichen auf die Sanierungskosten erlangt hat. § 25 BBodSchG soll der öffentlichen Hand eine Refinanzierung ihrer Sanierungskosten ermöglichen, wenn eine Inanspruchnahme des Grundeigentümers nach unmittelbarer Ausführung oder nach Ersatzvornahme keinen Erfolg ver___________ 1 Vgl. BT-Drucks. 13/6701, S. 59 f. Eingehend zur Entstehungsgeschichte Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, 2002, § 25 Rn. 4 ff. 2 Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB wird hingegen in vielen Fällen nicht bestehen, wenn sich der Grundeigentümer darauf berufen kann, daß ihm die Bereicherung aufgedrängt wurde; vgl. zur aufgedrängten Bereicherung nur Medicus, Bürgerliches Recht, 16. Aufl., 1993, Rn. 899. 3 Zur Abschöpfung des Wertzuwachses vgl. bereits Enders, DVBl. 1993, 82 (90); Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 126. 4 Vgl. allgemein zur Vereinbarkeit der Abschöpfung eines „unverdienten“ Wertzuwachses des Grundstücks mit Art. 14 GG Brenner, DVBl. 1993, 291 (297 ff.).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

spricht, weil der Grundeigentümer nicht zahlungsfähig ist.5 Von zentraler Bedeutung ist hierbei, daß der Anspruch auf Wertausgleich gemäß § 25 Abs. 6 S. 1 BBodSchG als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht.6 Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZVG kann sich die öffentliche Hand dank der öffentlichen Last vorrangig vor anderen Grundpfandgläubigern aus dem Grundstück befriedigen. Durch diese vorrangige Sicherheit ist die öffentliche Hand bestmöglich abgesichert, wenn sie die Sanierungskosten nicht von einem Sanierungsverantwortlichen beitreiben kann.7 Verspricht eine Inanspruchnahme des Grundeigentümers zu den Sanierungskosten hingegen Erfolg, so wird die Behörde den Grundeigentümer vorrangig nach den kostenrechtlichen Bestimmungen zur unmittelbaren Ausführung oder zur Ersatzvornahme heranziehen, weil sie hiernach ihre gesamten erforderlichen Sanierungskosten unabhängig von einer sanierungsbedingten Wertsteigerung des Grundstücks ersetzt verlangen kann.

C. Vorbild des § 154 BauGB Die Wertausgleichspflicht orientiert sich am Vorbild des § 154 BauGB, der es der Gemeinde ermöglicht, von dem Eigentümer eines in einem Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks die sanierungsbedingte Erhöhung des Verkehrswertes abzuschöpfen.8 Für § 154 BauGB geht die herrschende Meinung9 davon aus, daß es sich bei der Wertausgleichspflicht um eine beitragsähnliche Leistung handelt. Dem ist auch für § 25 BBodSchG zuzustimmen.10 Widerspruch und Klage gegen die durch Verwaltungsakt11 festgesetzte Wertausgleichspflicht haben daher nach § 80 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung. ___________ 5 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 1; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 3. Hieraus folgt jedoch kein Vorrang der Kostenerstattung gegenüber dem Wertausgleich. Vgl. die ausführliche Darstellung unter 13. Kap. M. 6 BT-Drucks. 13/6701, S. 60; von Wilmowsky, JZ 1997, 817 (819); Knopp, ZUR 1999, 210 (215); Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (395). 7 Vgl. hierzu näher unter L. 8 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 60. 9 BVerwG, DVBl. 1993, 441 ff; OVG Lüneburg, NJW 1983, 2462 (2464); OVG Berlin, NVwZ 1987, 61; OVG Koblenz, NVwZ 1987, 983; OVG Bremen, NVwZ 1988, 752; OVG Hamburg, UPR 1991, 35 f.; a.A. OVG Münster, NVwZ 1988, 751 (752). 10 So auch Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 1; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 5; Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 3. 11 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 22.

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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D. Ausschluß der Wertausgleichspflicht Die Wertausgleichspflicht ist in zwei Fällen ausgeschlossen. So kann die öffentliche Hand bei in den neuen Bundesländern belegenen Grundstücken gemäß § 25 Abs. 1 S. 3 BBodSchG dann keinen Wertausgleich verlangen, wenn für die schädliche Bodenveränderung oder Altlast eine Haftungsfreistellung nach Art. 1 § 4 Abs. 3 S. 1 des Umweltrahmengesetzes12 vom 29.6.1990 erfolgt ist. Anderenfalls würde die Freistellung, die Investitionen fördern soll, in Frage gestellt und das schutzwürdige Vertrauen des Investors verletzt.13 § 25 Abs. 1 S. 3 BBodSchG hindert die Behörde jedoch nicht daran, einen Freistellungsbescheid nach Art. 1 § 4 Abs. 3 S. 1 des Umweltrahmengesetzes mit einer sog. Mehrerlösabschöpfungsklausel14 als Nebenbestimmung zu versehen.15 Danach ist der Freigestellte verpflichtet, im Falle des Verkaufs des freigestellten Grundstücks einen eventuell erzielten Mehrerlös an das Land auszukehren, soweit dieser auf mit öffentlichen Mitteln finanzierten Sanierungsmaßnahmen beruht. Damit will die Behörde sicherstellen, daß der Eigentümer die durch die Freistellung und anschließende Sanierung aus öffentlichen Mitteln erfolgte Subvention zurückzuzahlen hat, wenn der Eigentümer entgegen dem Förderungszweck sein Eigentum an einen Dritten überträgt. Hinter § 25 Abs. 1 S. 3 BBodSchG steht ein anderer Regelungszweck. Die Behörde kann nach § 25 BBodSchG – unabhängig von einem Verkaufsfall (und damit vom Wegfall des Förderungszwecks) – generell die durch eine Sanierung aus öffentlichen Mitteln bewirkte Werterhöhung abschöpfen. § 25 Abs. 1 S. 3 BBodSchG stellt sicher, daß hierdurch das freigestellte Investitionsvorhaben nicht durch die Behörde in Frage gestellt wird. Er greift nach teleologisch einschränkender Auslegung jedoch nicht, wenn der Eigentümer das Investitionsvorhaben – durch Verkauf des Grundstücks – selbst in Frage stellt. Andernfalls wäre der mißbräuchlichen Erzielung von Gewinnen auf Kosten der öffentlichen Hand Tür und Tor geöffnet. Der (vermeintliche) Investor könnte ein freigestelltes, kontaminiertes Grundstück preisgünstig erwerben, um es nach der Sanierung aus öffentlichen Mittel mit erheblichem Gewinn zu veräußern.16 Die zweite Ausnahme betrifft bodenschutzbezogene Sanierungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit baulichen Sanierungsmaßnahmen in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder Entwicklungsbereich als Ord___________ 12

Zur Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz vgl. Rehbinder, DVBl. 1991, 421 ff.; Brandt, Altlastenrecht, S. 159 ff.; Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 22 f. 13 Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1268). 14 Auch Wertabschöpfungsklausel genannt; vgl. Kügel, NJW 2004, 1570 (1576). 15 Zustimmend VG Halle, LKV 2003, 885; Körner, NVwZ 2004, 699 f. m.w.N. 16 Ebendort.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

nungsmaßnahme von der Gemeinde durchgeführt worden sind.17 Da sich die jeweiligen Wertsteigerungen schwerlich gesondert berechnen ließen, sieht § 25 Abs. 1 S. 4 BBodSchG vor, daß der Wertausgleich innerhalb des Ausgleichsbetrages nach § 154 BauGB festgesetzt wird.

E. Tatbestandsvoraussetzungen Ein Anspruch auf Wertausgleich nach § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG entsteht, wenn durch den Einsatz öffentlicher Mittel bei Sanierungsmaßnahmen der Verkehrswert des Grundstücks nicht nur unwesentlich erhöht wird und der Eigentümer die Kosten hierfür nicht oder nicht vollständig getragen hat. Der Anspruch ist der Höhe nach auf die eingesetzten öffentlichen Mittel begrenzt, weil er die von dem öffentlichen Kostenträger aufgewandten Sanierungskosten refinanzieren, diesen jedoch nicht bereichern soll. 18 Ob der Verkehrswert des Grundstücks sanierungsbedingt erhöht worden ist, ergibt sich gemäß § 25 Abs. 2 BBodSchG aus einem Vergleich zwischen dem Wert des Grundstücks im unsanierten und im sanierten Zustand.19 Unklar ist allerdings, ob es, wie bei § 154 BauGB20, allein auf die Erhöhung des reinen Bodenwertes ankommt 21 oder ob auch der Wert der Bebauung und des Bewuchses in die Berechnung einfließt. Letzteres ist zu bejahen, weil § 25 BBodSchG von einer Erhöhung des Verkehrswertes statt von einer Erhöhung des Bodenwertes spricht. Konnte z. B. ein mit einem Mietshaus bebautes Grundstück wegen der von der Bodenkontamination ausgehenden Gesundheitsgefahr nicht genutzt werden, so eröffnet § 25 BBodSchG der öffentlichen Hand nach der Sanierung die Möglichkeit, auch die Mieterträge abzuschöpfen. Der Verkehrswert eines Grundstücks wird wesentlich durch dessen Mieterträge beeinflußt. Bei der Berechnung des Wertzuwachses unberücksichtigt bleiben hingegen die allgemeine Wertsteigerung22 sowie die Erhöhung des Bodenwertes durch

___________ 17 Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 24. 18 Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 5; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 23. 19 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 14; Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1267). 20 Vgl. hierzu VG Berlin, NVwZ 1999, 568 (569). 21 So Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 33. 22 Ebendort, Rn. 35.

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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bauleitplanerische Maßnahmen23. Beide Werterhöhungen sind gerade nicht Folge der Sanierung. Eine Wertausgleichspflicht besteht nicht, wenn der Verkehrswert des Grundstücks durch die Sanierung nur unwesentlich erhöht worden ist.24 Hintergrund hierfür ist, daß sich der Verkehrswert von Grundstücken nur schwer schätzen läßt. Die öffentliche Hand soll keinen Vorteil aus der Schätzungenauigkeit ziehen.25 Ob sich der Verkehrswert nur unwesentlich erhöht hat, bemißt sich nicht nach dem absoluten Betrag der Wertsteigerung, sondern nach dem prozentualen Verhältnis zwischen Anfangs- und Endwert.26 Von einer wesentlichen Werterhöhung dürfte bei einem Wertzuwachs von mehr als 10 Prozent die Rede sein.27 Der Anspruch auf Wertausgleich setzt ferner voraus, daß die Werterhöhung durch den Einsatz öffentlicher Mittel bewirkt worden ist. Der Anspruch ist folglich insoweit ausgeschlossen, als der Eigentümer die Sanierungskosten getragen hat. Aus demselben Grund schreibt § 25 Abs. 4 S. 1 1. Alt. BBodSchG vor, daß – wenn sowohl der Eigentümer als auch die öffentliche Hand Sanierungsmaßnahmen ergriffen haben – von dem Wertausgleich die Aufwendungen des Eigentümers für seine Sanierungsmaßnahmen28 abzuziehen sind.29 Zwar sind die aufgewandten Kosten nicht deckungsgleich mit der erzielten Werterhöhung. Da sich jedoch kaum bestimmen ließe, inwieweit die öffentliche Hand oder der Eigentümer die Wertsteigerung verursacht hat, vereinfacht § 25 Abs. 4 BBodSchG die Berechnung.30 ___________ 23 Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 3. 24 Eingehend zur Berechnung der Verkehrswerterhöhung vgl. Frenz, BundesBodenschutzgesetz, § 25 Rn. 34 ff. 25 Ebendort, Rn. 6. 26 Ebendort. 27 Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 2; Landel, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 4. 28 Daneben dürften auch die Kosten von Erkundungsmaßnahmen abzuziehen sein, weil § 25 Abs. 2 BBodSchG davon ausgeht, daß auch diese den Verkehrswert erhöhen. Die Nichterwähnung der Erkundungsmaßnahmen in § 25 Abs. 4 S. 1 BBodSchG beruht auf einem Redaktionsversehen; zustimmend Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1122) sowie im Ergebnis auch Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 16. 29 Insoweit enthält § 25 BBodSchG einen logischen Widerspruch. Da § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG bereits fordert, daß die Werterhöhung durch die öffentlichen Mittel eingetreten ist („soweit“), kann der Wertausgleich keine von dem Eigentümer verursachte Werterhöhungen enthalten. § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG erleichtert der Behörde jedoch die Berechnung des Wertausgleichs. 30 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 49.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Die Wertausgleichspflicht entfällt, soweit der öffentlichen Hand Sanierungskosten von einem anderen Sanierungsverantwortlichen erstattet werden. Zieht die Behörde z. B. den Verursacher zu den Sanierungskosten heran und erstattet dieser teilweise oder vollständig die Kosten, so muß die Behörde gemäß § 25 Abs. 5 S. 2 BBodSchG insoweit von der Festsetzung eines Wertausgleichs absehen. Die Sanierung ist in diesem Fall gerade nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert worden.31 Hatte die Behörde zuvor bereits einen Ausgleichsbetrag gegenüber dem Grundeigentümer festgesetzt, so ist der festgesetzte Ausgleichsbetrag zu erlassen und sind bereits erbrachte Zahlungen dem Grundeigentümer zu erstatten. Der Anspruch auf Wertausgleich setzt nicht voraus, daß die öffentliche Hand die Sanierung selbst durchgeführt hat. Erforderlich ist lediglich, daß die Sanierung mit öffentlichen Mitteln finanziert worden ist. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Grundeigentümer die Kontamination unter Einsatz staatlicher Subventionen beseitigt hat, weil eine Abschöpfung der Vorteile im Widerspruch zu dem Zweck der Subvention stünde. Sinn der Subvention ist es gerade, daß die geldwerten Vorteile bei zweckgerichteter Mittelverwendung im Vermögen des Zuwendungsempfängers verbleiben. § 25 BBodSchG ist insoweit teleologisch zu reduzieren.32

F. Gläubiger des Wertausgleichsanspruchs Inhaber des Anspruchs ist der öffentliche Kostenträger, d.h. die öffentliche Stelle, aus deren Hauhalt die Mittel bereitgestellt worden sind.33 Öffentliche Kostenträger können insbesondere die Länder, die Landkreise und die Kommunen sein. Darüber hinaus kommen jedoch auch Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts, die im Auftrag der öffentlichen Hand Mittel zur Finanzierung der Sanierung bereitstellen, wie z. B. der Abfallentsorgungs- und Altlastensanierungsverband34 in Nordrhein-Westfalen, als öffentliche Kostenträger in Betracht.35 Unschädlich ist, wenn die für den öffentlichen Kostenträ-

___________ 31

Im Ergebnis zustimmend Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 71. Zustimmend Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 6; Vierhaus, NJW 1998, 1262 (1267); Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 11 f.; Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 9. 33 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 4. 34 Vgl. Brandt, Altlastenrecht, S. 230 ff. 35 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 5. 32

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

379

ger handelnde Behörde ein privatrechtliches Unternehmen mit der Durchführung der Sanierung beauftragt hat.36 Fraglich ist hingegen, ob juristische Personen des Privatrechts selbst Inhaber des Anspruchs auf Wertausgleich sein können, wenn sie nach dem jeweiligen Landesrecht mit der Altlastensanierung betraut sind.37 Praktische Bedeutung erlangt diese Frage in Bayern. Dort ist die Gesellschaft zur Altlastensanierung mbH (GAB) mit der Altlastensanierung betraut worden. An der GAB sind je zur Hälfte der Freistaat Bayern und ein Verein beteiligt, dessen Mitglieder sich aus bayerischen Industrieunternehmen zusammensetzen38. Da die GAB als juristische Person des Privatrechts kein öffentlicher Kostenträger ist, kann sie nach dem eindeutigen Wortlaut des § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG nicht Inhaberin des Anspruchs auf Wertausgleich sein.39

G. Schuldner des Wertausgleichsanspruchs Schuldner des Anspruchs ist der Grundeigentümer. Nicht ausgleichspflichtig sind sonstige dinglich Berechtigte, wie der Erbbauberechtigte, der Grundschuldinhaber und der Hypothekar, obwohl auch sie von der Sanierung profitieren.40 Als Grundeigentümer können neben Personen des Privatrechts auch Personen des öffentlichen Rechts ausgleichspflichtig sein, sofern die zur Sanierung verwandten Mittel nicht aus ihrem Haushalt stammen.41 Anerkannt ist, daß Personen des öffentlichen Rechts ebenso wie Personen des Privatrechts polizeipflichtig sein können42, wenn sie hierdurch nicht in der ihnen übertragenen hoheitlichen Tätigkeit beeinträchtigt werden.43 ___________ 36

Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 4. Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1121). 38 Vgl. Knopp/Manner, in: Drost (Hrsg.), Das Wasserrecht in Bayern, Band 1, Art. 68 a BayWG Rn. 39, Stand: März 1995. 39 A.A. Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 5 sowie Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 4. Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1121) plädiert unter Verweis auf § 353 Abs. 1 UGB-KomE dafür, den Wertausgleichsanspruch auf private Rechtssubjekte auszudehnen, die Sanierungskosten aufgewandt haben. 40 Vgl. nur BT-Drucks. 13/6701, S. 60 sowie Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 13. 41 Ebenso Frenz, ebendort, § 25 Rn. 15; Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 15. 42 Vgl. BGHZ 54, 21 (24 ff.). 43 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 15. 37

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Steht das mit öffentlichen Mitteln sanierte Grundstück im Miteigentum mehrerer, so sollte die Behörde nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung gegen jeden Miteigentümer einen Wertausgleichsbetrag entsprechend seinem Miteigentumsanteil festsetzen.44 Kommt ein Miteigentümer der Wertausgleichspflicht nicht freiwillig nach, so kann die Behörde von den anderen einen anteiligen Ausgleich des Ausfalls verlangen, ohne zuvor in das Grundstück vollstrecken zu müssen.45 Soweit gegenüber einzelnen Miteigentümern eine Festsetzung eines Wertausgleichsbetrags nicht in Betracht kommt, weil sie Opfer der Gefahr sind, sind die übrigen Miteigentümer zur Zahlung des gesamten Wertausgleichsbetrags verpflichtet. Dem Wortlaut des § 25 BBodSchG läßt sich nicht entnehmen, welcher Eigentümer ausgleichspflichtig ist, wenn das Eigentum zwischen dem Beginn und dem Abschluß der mit öffentlichen Mitteln finanzierten Sanierungsmaßnahmen wechselt. Nach der ratio legis soll die öffentliche Hand die Wertsteigerung bei dem Eigentümer abschöpfen, der wirtschaftlich von der Sanierung profitiert hat.46 Schuldner des Anspruchs ist daher der Eigentümer, der bei Eintritt der Werterhöhung Eigentümer war. Wechselt zwischen dem Beginn und dem Abschluß der Sanierungsmaßnahmen das Eigentum, so wird sich regelmäßig nur schwer feststellen lassen, wann und in welcher Höhe es zu einer Werterhöhung gekommen ist und welcher Eigentümer hiervon profitiert hat. Es fragt sich daher, ob der Alt- oder der Neueigentümer oder beide gemeinsam ausgleichspflichtig sind. Frenz47 ist darin zuzustimmen, daß eine Werterhöhung regelmäßig erst mit Abschluß der Sanierungsmaßnahmen eintreten wird, so daß im Zweifel der Neueigentümer Schuldner des Anspruchs auf Wertausgleich ist. Allerdings steht dem Neueigentümer die Möglichkeit offen darzulegen, daß dem Alteigentümer die Werterhöhung in bestimmter Höhe zugeflossen ist. Zu diesem Zweck kann der Neueigentümer darauf verweisen, daß die Erhöhung des Verkehrswertes bereits bei der Bildung des Kaufpreises berücksichtigt worden sei. Die einmal entstandene Wertausgleichspflicht besteht als persönliche Haftung auch dann fort, wenn der Eigentümer sein Grundstück veräußert oder sein Eigentum auf sonstige Weise verliert.48 Anders als nach § 818 Abs. 3 BGB kann sich der Schuldner nicht auf eine Entreicherung berufen. Da der Anspruch zugleich als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, kann der öffentliche ___________ 44 Vgl. Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 15. 45 Hierbei gilt § 426 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend. 46 So auch Frenz, ebendort, § 25 Rn. 14. 47 Ebendort. 48 Zustimmend Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 14; vgl. zu § 154 BauGB auch Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl., 1999, § 154 Rn. 19.

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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Kostenträger nach einem Eigentümerwechsel wahlweise den Alteigentümer in Anspruch nehmen oder die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben. Bei seiner Ermessensentscheidung hat der öffentliche Kostenträger allerdings das Verursacherprinzip und das Gebot der gerechten Lastenverteilung zu beachten. In entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG hat der öffentliche Kostenträger demgemäß zu berücksichtigen, ob der Alteigentümer oder der Neueigentümer im Innenverhältnis zum Ausgleich verpflichtet ist. Aufschluß hierüber werden insbesondere Vereinbarungen über die Lastenverteilung geben.

H. Berücksichtigung der Opferfälle Die Behörde hat bei der Festsetzung des Ausgleichsbetrages zu berücksichtigen, ob sich der Eigentümer in einer Opferposition befindet. Hat der Eigentümer das Grundstück seinerzeit gutgläubig erworben oder ist er Opfer eines von außen auf sein Grundstück einwirkenden Ereignisses, so hat die Behörde (regelmäßig) von einer Festsetzung abzusehen, es sei denn, der Eigentümer kann von einem Dritten Ersatz erlangen.

I. Schutz des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbers § 25 Abs. 4 S. 1 2. Alt. BBodSchG stellt den gutgläubigen Erwerber zwar nicht von der Ausgleichspflicht frei. Allerdings ist der Wertausgleich um diejenigen Kosten zu vermindern, die der Eigentümer für den Erwerb des Grundstücks im berechtigten Vertrauen dafür verwendet hat, daß keine schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten vorhanden sind. Auf diese Weise soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß der Käufer bereits durch die Zahlung eines den Verkehrswert des kontaminierten Grundstücks übersteigenden Kaufpreises einen Verlust erlitten hat.49 Der gutgläubige Erwerber soll denselben Verlust nicht nochmals tragen. Bei einem gutgläubigen Erwerber sind daher die Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks von dem rechnerischen Ausgleichsbetrag abzuziehen. In vielen Fällen entfällt hierdurch die Ausgleichspflicht, weil mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, daß der von dem Erwerber gezahlte Kaufpreis dem Verkehrswert des Grundstücks bei Kontaminationsfreiheit entspricht. Da sanierungsfremde Erhöhungen des Verkehrswertes, wie die zwischenzeitliche Wertentwicklung oder der Einfluß von Bauleitmaßnahmen, bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages unberücksich___________ 49

Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 17.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

tigt bleiben50, werden die abzugsfähigen Aufwendungen regelmäßig höher sein als der nach § 25 Abs. 2 BBodSchG berechnete Ausgleichsbetrag. Anderes kann sich die Lage allerdings dann darstellen, wenn der Erwerber das Grundstück bebaut hat und sich der Wert seiner Investition durch die spätere Feststellung der Bodenkontamination mindert. Errichtet er auf dem erworbenen Bauland ein Wohngebäude und kann er dieses wegen der später festgestellten Bodenkontaminationen und der hiervon ausgehenden Gesundheitsgefahren nicht vermieten, so entsteht dem Erwerber in Höhe der Mietausfälle ein weiterer Schaden. Saniert die öffentliche Hand das Grundstück, und kann der Erwerber nunmehr das Wohngebäude vermieten, so kann der öffentliche Kostenträger auch die durch die wiedererlangte Vermietbarkeit hervorgerufene Verkehrswerterhöhung abschöpfen. Voraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb ist, daß der Erwerber seinerzeit auf die Kontaminationsfreiheit vertraut hat und daß sein Vertrauen schutzwürdig gewesen ist. Der Erwerber konnte hierauf nur vertrauen, wenn er die Bodenverunreinigung nicht positiv kannte. Schutzwürdig ist seine fehlende Kenntnis, wenn ihm die Bodenverunreinigung nicht infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Er mußte die Bodenkontamination kennen, wenn das Grundstück im Altlastenkataster oder in den Bauleitplänen als Altlast oder altlastenverdächtige Fläche verzeichnet war. Das gleiche gilt, wenn der Erwerber Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung entdeckt hat oder durch zumutbare Maßnahmen hätte feststellen können und er sie nicht zum Anlaß für weitere Nachforschungen genommen hat. Anhaltspunkte für eine Verunreinigung können sich bei einer Grundstücksbegehung – z. B. aufgrund einer auffälligen Veränderung der Vegetation51 – ergeben. Der Erwerber handelt bereits dann grob fahrlässig, wenn er – wie an anderer Stelle52 eingehend dargelegt – von einer Einsichtnahme in das Altlastenkataster bzw. einer entsprechenden Anfrage beim altlastenkatasterführenden Amt absieht und das Grundstück auch nicht besichtigt.53 Sind in der Nachbarschaft Altlasten festgestellt worden, so kann auch dies einen Kontaminationsverdacht begründen. Indizien für eine Bodenverunreinigung können ferner eine typischerweise mit Umweltrisiken verbundene Vornutzung des Grundstücks54 oder ein ungewöhnlich niedriger Kaufpreis sein. Um sich auf den Gutglaubensschutz gemäß § 25 Abs. 5 S. 1 2. Alt. BBodSchG berufen zu können, muß der Erwerber das Grundstück daher mindestens begangen und sich über dessen Vornutzung informiert haben. Im Verdachtsfall muß der Erwerber einen Spezialisten mit der ___________ 50

Vgl. eingehend hierzu unter 13. Kap. E. Zustimmend VG Frankfurt a.M., NuR 1999, 711 (714); NuR 2000, 107 (109). 52 Vgl. 7. Kap. D. II. 2. 53 A.A. hinsichtlich der Besichtigung Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (397). 54 VG Frankfurt a.M., NuR 1999, 711 (714); NuR 2000, 107 (109). 51

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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Untersuchung des Grundstücks beauftragt haben. Gelangt dieser in seiner Untersuchung allerdings irrtümlich zu dem Ergebnis, daß keine Kontamination vorliege, so kann der Erwerber hierauf vertrauen. Umstritten ist, welche Kosten bei einem gutgläubigen Käufer in Abzug zu bringen sind. Frenz55 zählt zu den Erwerbskosten auch Notar- und Maklerkosten sowie Hypothekenzinsen. Die Berücksichtigung solcher Nebenkosten ist jedoch abzulehnen, weil sie für die Ermittlung des Verkehrswertes keine Rolle spielen und auch sonst in keinem Zusammenhang zu den Sanierungskosten stehen. § 25 Abs. 4 S. 1 2. Alt. BBodSchG will aber nicht, wie von Frenz56 behauptet, das Vertrauen des Erwerbers schützen, weil die öffentliche Hand keinen Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Zweck der Regelung ist es vielmehr, den gutgläubigen Erwerber aus Billigkeitsgründen (teilweise) von der Wertausgleichspflicht freizustellen.57 Da der gutgläubige Käufer bereits in Höhe des Differenzbetrages zwischen Verkehrswert und gezahltem Kaufpreis einen altlastenbedingten Verlust erlitten hat, soll er nicht mit weiteren Kosten belastet werden. Abzugsfähig ist daher allein der gezahlte Kaufpreis oder bei einem Tausch der Wert des Tauschobjektes.58 Der gutgläubige entgeltliche Erwerber kann seine Erwerbskosten nach § 25 Abs. 4 S. 2 BBodSchG jedoch nur soweit in Abzug bringen, als er von Dritten keinen Ersatz erlangen kann.59 Hierdurch soll verhindert werden, daß die Behörde endgültig die Sanierungskosten tragen muß, obwohl der Eigentümer von dem Verursacher der Bodenkontamination oder dem Verkäufer Mittel für die Sanierung zur Verfügung gestellt bekommen hat. Ohne Bedeutung ist, ob die Behörde den Dritten zu den Sanierungskosten heranziehen kann. Nur soweit ihr von dem Dritten Sanierungskosten erstattet werden, hat die Behörde dies gemäß § 25 Abs. 5 S. 2 BBodSchG bei der Festsetzung des Ausgleichsbetrages zu berücksichtigen. Bei den Ersatzansprüchen des Eigentümers ist an Ausgleichsansprüche nach § 24 Abs. 2 BBodSchG60 sowie an vertragliche oder deliktische Ansprüche ___________ 55

Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 51. Ebendort. 57 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 17. 58 Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 6. 59 Wenn im Gesetz davon die Rede ist, daß Ersatzansprüche zu berücksichtigen seien, so bedeutet dies nicht, daß der Behörde hinsichtlich der Minderung des Wertausgleichsanspruchs ein Ermessen eingeräumt wird; a.A. wohl Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 57. 60 Ein Ausgleichsanspruch entsteht nicht nur, wenn der Grundeigentümer die Sanierung auf eigene Kosten durchführt, sondern auch, wenn die Behörde einen Wertausgleichsanspruch geltend macht; vgl. hierzu unter 11. Kap. E. 56

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

gegen den Verursacher beziehungsweise gegen den Verkäufer zu denken. 61 Die Ansprüche müssen auf Ersatz des kontaminationsbedingten Minderwertes des Grundstücks gerichtet sein. Unbeachtlich ist, ob dem Eigentümer weitergehende Ansprüche, z. B. aus entgangenem Gewinn zustehen. Hat der Eigentümer vollständig Ersatz erlangt, so muß die Behörde einen ungekürzten Ausgleichsbetrag festsetzen. Selbst wenn der Dritte noch keine Zahlung geleistet hat, hat die Behörde einen Ausgleichsbetrag festzusetzen, wenn der Eigentümer Ersatz erlangt kann. Nicht ausreichend ist, daß dem Eigentümer ein Ersatzanspruch zusteht.62 Die Verwendung des Verbs „erlangen“ statt „verlangen“ bringt zum Ausdruck, daß der Anspruch wirtschaftlich durchsetzbar sein muß. Ist der Anspruch aller Voraussicht nach vollständig realisierbar, so kann die Behörde ihn in voller Höhe berücksichtigen. Ist der Dritte hingegen zahlungsunfähig63 oder ist der Ersatzanspruch bereits verjährt, so kann der Eigentümer seine Erwerbskosten ungekürzt in Abzug bringen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Grundeigentümer einen durchsetzbaren Anspruch bewußt nicht geltend macht oder verjähren lassen hat, obwohl der Anspruch objektiv durchsetzbar gewesen wäre.64 Die Behörde kann den Realisierungsgrad aufgrund der Gewaltenteilung nur schätzen, nicht jedoch über ihn befinden. Wegen der Schätzungenauigkeiten schlägt Schönfeld65 vor, daß sich die Behörde den auf Ausgleich des kontaminationsbedingten Minderwertes gerichteten Ersatzanspruch abtreten läßt und die Erwerbskosten im Gegenzug vollständig in Abzug bringt. Ist der Eigentümer zur Abtretung seines Ersatzanspruchs bereit, so stellt dies einen gangbaren Weg dar.

II. Schutz des gutgläubigen unentgeltlichen Erwerbers und des Opfers von Fremdeinwirkungen Die geschilderte Regelung des § 25 Abs. 4 S. 1 2. Alt. BBodSchG ist allein zum Schutz des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbers geeignet. Der gutgläubi___________ 61

Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 53. Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 19; Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 9; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 54; a.A. Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 6; Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1123). 63 Dies dürfte häufig vorkommen, weil die Behörde anderenfalls bereits den Verursacher zur Kostentragung verpflichtet hätte; vgl. Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 9. 64 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 19; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 55. 65 In: Oerder/Numberger/Schönfeld, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 6. 62

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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ge unentgeltliche Erwerber und der Eigentümer, der Opfer eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Ereignisses ist, sind hingegen nach § 25 Abs. 5 S. 1 2. Alt. BBodSchG geschützt. Danach kann die Behörde im Einzelfall ganz oder teilweise von der Festsetzung des Ausgleichsbetrages absehen, wenn dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte geboten ist. Eine unbillige Härte kann sich entweder aus den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen des Eigentümers ergeben oder auf sachlichen Gründen beruhen.66 Die Festsetzung eines Ausgleichsbetrages ist sachlich unbillig, wenn durch sie die von Art. 14 Abs. 2 GG gezogene Opfergrenze überschritten wird.67 Dies ist – wie dargelegt68 – sowohl beim gutgläubigen Erwerb als auch dann der Fall, wenn der Eigentümer Opfer eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Ereignisses ist. Auch wenn das Gesetz davon spricht, daß von der Festsetzung abgesehen werden „kann“, muß die Behörde in den Opferfällen von der Festsetzung eines Ausgleichsbetrages absehen. Wie bei §§ 135 Abs. 5 S. 1, 155 Abs. 4 S. 1 BauGB ist bei § 25 Abs. 5 S. 1 BBodSchG von einem sog. intendierten Ermessen auszugehen. Bei Vorliegen von Billigkeitsgründen kann die Behörde daher nur in atypischen Fällen ermessensfehlerfrei einen Ausgleichsanspruch festsetzen.69 Wie ein Vergleich mit § 25 Abs. 4 S. 2 BBodSchG zeigt, dürfte eine unbillige Härte allerdings dann nicht vorliegen, wenn der Eigentümer von einem Dritten Ersatz erlangt hat oder erlangen kann. Erlangt der gutgläubige unentgeltliche Erwerber oder der Erwerber, der Opfer von Fremdeinwirkungen ist, von einem Dritten Ersatz für den kontaminationsbedingten Minderwert, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Sanierung (vollständig) aus öffentlichen Mitteln finanziert werden sollte.

I. Keine Festsetzung bei unbilliger persönlicher Härte Die Behörde kann nach § 25 Abs. 5 S. 1 2. Alt. BBodSchG ferner von der Festsetzung des Ausgleichsbetrages absehen, um eine unbillige persönliche Härte zu vermeiden. Im Schrifttum70 wird die Ansicht vertreten, eine unbillige ___________ 66

Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 61. Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 20; Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 61 ff.; Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1123). 68 Vgl. oben unter 8. Kap. E. 69 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 67 f. und wohl auch Bickel, BundesBodenschutzgesetz, § 25 Rn. 10. 70 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 20; Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1123). 67

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

persönliche Härte läge dann vor, wenn der Grundeigentümer anderenfalls gezwungen wäre, sein von ihm selbst bewohntes angemessenes Hausgrundstück zu veräußern. Dies wird damit begründet, daß der Eigentümer durch den Anspruch auf Wertausgleich nicht schlechter gestellt werden dürfe als ein Sozialhilfeberechtigter, der nach § 88 Abs. 2 Ziff. 7 BSHG nicht verpflichtet ist, sein von ihm selbst bewohntes angemessenes Hausgrundstück zu veräußern. Dieser Ansicht kann nur unter Einschränkungen zugestimmt werden. Wie das Bundesverfassungsgericht71 in seinem Beschluß vom 16.2.2000 ausgeführt hat, ist die Sozialbindung des Eigentums grundsätzlich überschritten, wenn der Eigentümer eines Eigenheimes aufgrund der Zustandsverantwortlichkeit verpflichtet ist, sein Eigenheim zu veräußern. Das Bundesverfassungsgericht hat dies jedoch unter den Vorbehalt gestellt, daß der Eigentümer nicht an der Entstehung der Bodenverunreinigung mitgewirkt oder bei dem Erwerb des Grundstücks bewußt das Risiko einer Kontamination übernommen hat.72

J. Keine Festsetzung bei entgegenstehendem öffentlichen Interesse Über die Berücksichtigung der Opferfälle hinaus eröffnet § 25 Abs. 5 S. 1 1. Alt. BBodSchG der Behörde die Möglichkeit, im Einzelfall von der Festsetzung des Ausgleichsbetrages abzusehen, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Ein öffentliches Interesse besteht den Gesetzesmaterialien73 zufolge etwa dann, wenn der Verwaltungsaufwand zur Ermittlung des Verkehrsaufwandes in keinem angemessenen Verhältnis zu dem voraussichtlichen Wertausgleich stünde oder wenn andere gewichtige öffentliche Belange der Festsetzung entgegenstehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Unternehmen wegen der Wertausgleichspflicht gezwungen wäre, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Zur Rettung von Arbeitsplätzen kann in solchen Fällen ganz oder teilweise von der Festsetzung des Ausgleichsbetrages abgesehen werden.

___________ 71

BVerfGE 102, 1 (21). Weitergehend offenbar Knoche, GewArch 2000, 448 (455). 73 Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/6701, S. 60. So ausdrücklich auch § 155 Abs. 3 Ziff. 2 BauGB. 72

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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K. Entstehung, Fälligkeit und Erlöschen des Wertausgleichsanspruchs Der Anspruch auf Wertausgleich entsteht mit Abschluß der werterhöhenden Sanierungsmaßnahmen. Diese sind abgeschlossen, wenn der von § 4 Abs. 3 BBodSchG geforderte Zustand erreicht ist, d.h. wenn dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.74 Nach § 25 Abs. 3 S. 1 BBodSchG wird der Anspruch mit seiner Festsetzung durch die zuständige Behörde fällig. Nicht zur Festsetzung berechtigt ist der öffentliche Kostenträger als Gläubiger des Anspruchs. Die Festsetzung erfolgt durch Verwaltungsakt.75 Der Anspruch erlischt gemäß § 25 Abs. 3 S. 2 BBodSchG, wenn die zuständige Behörde ihn nicht bis zum Ende des vierten Jahres nach Abschluß der Sanierungsmaßnahme festsetzt. Das Erlöschen des Anspruchs ist von Amts wegen zu berücksichtigen.76

L. Öffentliche Last Nach § 25 Abs. 6 S. 1 BBodSchG ruht der Ausgleichsbetrag als öffentliche Last77 zugunsten des öffentlichen Kostenträgers78 auf dem Grundstück. Die öffentliche Last tritt als dingliche Sicherheit neben die persönliche Haftung des Grundeigentümers.79 Sie entsteht mit Festsetzung des Ausgleichsbetrages durch die zuständige Behörde, ohne daß sie im Grundbuch eingetragen werden muß. Die Behörde soll jedoch einen Hinweis auf die öffentliche Last im Grundbuch eintragen lassen.80 Gemäß § 93b der Grundbuchverfügung hat die Eintragung ___________ 74 Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 42; a.A. Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 7, der auf die hervorgerufene Wertsteigerung abstellt. Da jedoch einzelne Maßnahmen jeweils eine nur schwer zu ermittelnde Werterhöhung bewirken, ist im Interesse der Vereinfachung auf den Abschluß der Sanierungsmaßnahmen abzustellen. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 25 Abs. 3 S. 1 BBodSchG. 75 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 22. 76 Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 7. 77 Zur öffentlichen Last vgl. nur von Wilmowsky, JZ 1997, 817 (820 f.); Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., Einf. v. § 854 Rn. 18. 78 Da Sanierungsgesellschaften in privater Rechtsform kein Anspruch auf Wertausgleich zusteht, stellt sich die Frage nicht, ob zu ihren Gunsten überhaupt eine öffentliche Last entstehen kann; a.A. Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1125). 79 Vgl. nur BGH, NJW 1981, 2127. 80 Landel, in: Landel/Vogg/Wüterich, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 17.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

folgenden Wortlaut: „Bodenschutzlast. Auf dem Grundstück ruht ein Ausgleichsbetrag nach § 25 des Bundes-Bodenschutzgesetzes als öffentliche Last“.81 Das mögliche Bestehen einer öffentlichen Last nach § 25 Abs. 6 BBodSchG beeinträchtigt die Verkehrsfähigkeit von Grundstücken erheblich. Grund hierfür ist zum einen, daß die Eintragung im Grundbuch nicht konstitutiv für die Entstehung der öffentlichen Last ist. Zum anderen ist selbst bei Eintragung eines Bodenschutzlastvermerks die Höhe des Wertausgleichsanspruchs nicht aus dem Grundbuch ersichtlich. Es besteht daher die Gefahr, daß der Eigentümer das sanierte Grundstück bis zum Erlöschen der öffentlichen Last nicht als Sicherheit nutzen kann.82 Um den Interessen des Eigentümers an einer Nutzung des Grundstücks als Sicherheit Rechnung zu tragen, sollte die Behörde die Wertausgleichspflicht möglichst schnell abrechnen sowie den Kreditgebern des Eigentümers unbürokratisch Auskunft über die Höhe des Ausgleichsbetrages gewähren.83 Im Versteigerungstermin muß das Gericht den Ausgleichsbetrag von Amts wegen berücksichtigen und darf gemäß § 44 Abs. 1 ZVG nur ein solches Gebot zulassen, das den Ausgleichsbetrag abdeckt.84 Veräußert der Grundeigentümer das sanierte Grundstück, so haftet nur der Veräußerer, nicht jedoch der Erwerber persönlich. Der Erwerber ist jedoch aufgrund der öffentlichen Last zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verpflichtet. Kommt der Grundeigentümer seiner Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrages nicht freiwillig nach, so kommt der öffentlichen Last eine herausragende Bedeutung zur Durchsetzung des Anspruchs zu. Eine öffentliche Last zeichnet sich gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZVG dadurch aus, daß die durch sie gesicherten Ansprüche, soweit sie nicht länger als vier Jahre zurückreichen, allen anderen Grundpfandrechten im Rang vorgehen, unabhängig davon, ob die öffentliche Last vor oder nach diesen entstanden ist.85 Der öffentliche Kostenträger erlangt auf diese Weise die größtmögliche Gewähr dafür, sich auch bei Insolvenz des Grundeigentümers und einer den Verkehrswert übersteigenden Besicherung des Grundstücks durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück befriedigen zu ___________ 81 Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 44; Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (400). 82 Zustimmend Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (400). 83 Vgl. hierzu Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (400), insbesondere Fn. 157, unter Hinweis auf ein hierauf gerichtetes Schreiben des Bundesumweltministeriums an die Landesbehörden. 84 Ebendort, Rn. 43. 85 Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1125); Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (396).

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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können.86 Die anderen Grundpfandgläubiger werden dann zwar nicht rechtlich, jedoch wirtschaftlich an der Finanzierung der Sanierung beteiligt.87 Hierdurch können vorhandene Grundpfandrechte wirtschaftlich vollständig entwertet werden, weil der erwartete Erlös aus der Zwangsversteigerung häufig den Wertausgleichsbetrag nicht übersteigen wird.88

M. Verhältnis der Wertausgleichs- zur Kostentragungspflicht Dem Bundes-Bodenschutzgesetz läßt sich nicht entnehmen, in welchem Verhältnis die Wertausgleichspflicht und die Kostentragungspflicht nach Ersatzvornahme oder nach unmittelbarer Ausführung zueinander stehen. Es fragt sich insbesondere, ob eine Heranziehung zu den Sanierungskosten zulässig ist, wenn ein Anspruch auf Wertausgleich – wie z. B. bei Unbilligkeit gemäß § 25 Abs. 5 S. 1 BBodSchG – ausgeschlossen ist. Von Teilen des Schrifttums89 wird die Ansicht vertreten, § 25 BBodSchG komme gegenüber der Kostentragungspflicht ein Anwendungsvorrang zu, weil § 25 BBodSchG die Rechtsstellung des Grundeigentümers insbesondere in den Opferfällen verbessere. Dabei wird jedoch übersehen, daß § 25 BBodSchG und die landesrechtlichen Kostenregelungen verschiedene Regelungsgegenstände haben. Der Grundeigentümer ist nach § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen verpflichtet. Kommt er seiner Verpflichtung nicht freiwillig nach, so kann die Behörde von ihm die Erstattung ihrer Sanierungskosten verlangen. Die Zahlungspflicht tritt an die Stelle der Sanierungsverantwortlichkeit. Demgegenüber besteht die Ausgleichspflicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG unabhängig davon, ob der Grundeigentümer sanierungsverantwortlich ist. Der Grundeigentümer ist folglich nicht zum Wertausgleich verpflichtet, weil er seiner Sanierungsverantwortlichkeit nicht nachgekommen ist, sondern weil er durch die Sanierung bereichert worden ist. Der unterschiedliche Ansatz beider Rechtsinstitute zeigt sich auch in der häufig unterschiedlichen Höhe beider Ansprüche. Darüber hinaus ist weder aus § 25 noch aus § 4 Abs. 3 BBodSchG ersichtlich, daß die Sanierungspflicht, und mit ihr die Kostentragungspflicht, zugunsten der Wertausgleichspflicht entfallen sollen. § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG geht vielmehr davon aus, daß die Kostentragungspflicht neben der Wertausgleichspflicht bestehen bleibt. Ansonsten wäre unverständlich, weshalb ein ___________ 86 Sondermann/Henke, in: Versteyl/Sondermann, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 43. 87 Vgl. eingehend unter 14. Kap. B. II. 2. d). 88 Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (396 f.). 89 Hilger, in: Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 6; Albrecht, NVwZ 2001, 1120 (1121).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Anspruch auf Wertausgleich nur soweit bestehen soll, wie der Eigentümer die Sanierungskosten nicht oder nicht vollständig getragen hat. Die Behörde kann den Eigentümer auch dann zu den Sanierungskosten heranziehen, wenn dem öffentlichen Kostenträger ein Anspruch auf Wertausgleich zusteht.90 Die öffentliche Hand kann wählen, ob sie den regelmäßig höheren Kostenerstattungsanspruch oder den Anspruch auf Wertausgleich geltend macht. Dieser Weg bietet sich an, wenn die Behörde damit rechnen muß, nur durch Vollstreckung in das sanierte Grundstück Befriedigung zu erlangen. Der Umstand, daß der Gesetzgeber der Behörde gemäß § 25 BBodSchG, nicht jedoch nach § 4 Abs. 3 BBodSchG die Möglichkeit eröffnet hat, in den Opferfällen von einer Inanspruchnahme des Eigentümers abzusehen, steht der Anwendung des § 4 Abs. 3 BBodSchG nicht entgegen. Allerdings ist die Sanierungsverantwortlichkeit in den Opferfällen, wie ausgeführt91, verfassungskonform zu reduzieren, so daß vielfach dasselbe Ergebnis erzielt wird.

N. Wertausgleichspflicht in der Insolvenz Lwowski/Tetzlaff92 haben zutreffend darauf hingewiesen, daß die Wertausgleichs-pflicht insbesondere in der Insolvenz des Grundeigentümers Bedeutung erlangen dürfte. In der Praxis ist zu beobachten, daß die Behörde oftmals jahrelang vom Erlaß einer Sanierungsanordnung absieht, um das Unternehmen als Eigentümer des kontaminierten Grundstücks nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen.93 Ist die Insolvenz absehbar oder das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, so dürfte die Behörde ihre Zurückhaltung aufgeben, um nicht selbst auf den Sanierungskosten sitzen zu bleiben. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts94 kann die Behörde in der Insolvenz des Störers bevorzugte Befriedigung ihrer Ersatzvornahmekosten verlangen.95 Dies allein wird jedoch häufig nicht ausreichen, um die hohen Sanierungskosten aus der Insolvenzmasse zu decken. In diesem Zusammenhang gewinnt die Wertausgleichspflicht des § 25 BBodSchG, namentlich die Sicherung der Behörde durch eine öffentliche Last, erhebliche Bedeutung. Die Behörde kann nämlich zusätzlich zur bevorzugten Befriedigung aus der Insolvenzmasse vor allen ___________ 90

Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, § 25 Rn. 1. Vgl. 8. Kap. E. 92 WM 2001, 385 (395). 93 Vgl. nur OVG Lüneburg, NJW 1998, 398 (398 ff.), bestätigt durch BVerwG, WM 1999, 339 (339 ff.). 94 WM 1999, 339 (339 ff.). 95 Diese Frage war zuvor in Rechtsprechung und Literatur sehr kontrovers diskutiert worden; vgl. nur Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (395) m.w.N. 91

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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Grundpfandgläubigern abgesonderte Befriedigung aus dem sanierten Grundstück in Höhe des sanierungsbedingten Wertzuwachses verlangen.96 Fraglich ist allerdings, ob dies auch dann gilt, wenn die Behörde den Wertausgleichsanspruch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens festsetzt.97 Da die öffentliche Last erst mit der behördlichen Festsetzung des Wertausgleichsanspruchs entsteht, bestehen Zweifel, ob die Behörde noch im Insolvenzverfahren ein Recht zur abgesonderten Befriedigung in das sanierte Grundstück erlangt.98

O. Stellungnahme Mit dem Anspruch auf Wertausgleich hat der Gesetzgeber ein von der herkömmlichen Zustandsverantwortlichkeit losgelöstes Finanzierungsinstrument eingeführt. Die Wertausgleichspflicht hängt nicht davon ab, ob der Grundeigentümer zur Sanierung des Grundstücks herangezogen worden ist oder werden kann. Auch bemißt sich der Anspruch nicht unmittelbar nach den aufgewandten Sanierungskosten. Seine Höhe bestimmt sich vielmehr nach dem sanierungsbedingten Wertzuwachs des Grundstücks. Allerdings ist der Anspruch begrenzt durch die tatsächlich aufgewandten Sanierungskosten. Als Finanzierungsinstrument ist die Wertausgleichspflicht von janusköpfiger Gestalt. Sie ist sowohl Gebühr als auch Teil der gefahrenabwehrrechtlichen Kostentragung. Sie kann daher – anders als die Sanierungsverantwortlichkeit – nicht allein an gefahrenabwehrrechtlichen Kriterien gemessen werden, sondern muß auch mit den Maßstäben des Gebührenrechts im Einklang stehen. Das Gebührenrecht setzt voraus, daß dem Gebührenschuldner eine öffentliche Leistung individuell zugerechnet werden kann.99 Hierzu muß zwischen der öffentlichen Leistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung bestehen. Fehlt es an dieser, so ist die Gebühr mangels Finanzierungsverantwortlichkeit unzulässig.100 Eine solche Gebühr wäre willkürlich und verstieße ___________ 96

Damit wird die der Behörde zugängliche „Haftungsmasse“ faktisch um das sanierte Grundstück erweitert, das ansonsten den Grundpfandgläubigern zur abgesonderten Befriedigung gedient hätte. 97 Näher hierzu Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (438) m.w.N. 98 Bejahend Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (438), die auch auf die Frage der Behandlung des Wertausgleichsanspruchs bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit eingehen. 99 BVerfGE, 50, 217 (226); Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 86 ff. 100 Paul Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 4, § 88 Rn. 194; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 27.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Gebot der abgabenrechtlichen Lastengerechtigkeit sowie gegen das allgemeine Willkürverbot.101 Eine Zurechnung der öffentlichen Leistung ist möglich, wenn der Gebührenschuldner die öffentliche Leistung veranlaßt hat, sie in seinem Interesse erfolgt ist oder der Gebührenschuldner aus ihr einen Vorteil zieht.102 Dem Grundeigentümer fließt aus der mit öffentlichen Mitteln finanzierten Sanierung ein wirtschaftlicher Vorteil zu, weil sie den Verkehrswert seines Grundstücks erhöht. Gleichwohl ist fraglich, ob ihm die öffentliche Leistung zugerechnet werden kann, weil die Behörde mit der Sanierung nicht das Ziel verfolgt hat, den Grundeigentümer zu begünstigen. Die Behörde hat die Sanierung allein zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit durchgeführt.103 Es ist daher zu klären, ob eine gebührenrechtliche Zurechnung auch dann möglich ist, wenn die öffentliche Hand mit der Leistung lediglich einen öffentlichen Zweck verfolgt und dem Bürger hierdurch als Nebenfolge ein Vorteil zufließt. Nach der herrschenden Lehre104 scheitere eine individuelle Zurechnung nicht daran, daß neben dem Bürger auch die Allgemeinheit von der hoheitlichen Leistung profitiere. Die Verfolgung eines ausschließlich privaten Interesses müsse nicht Ziel des staatlichen Handelns sein. Das Bundesverwaltungsgericht105 geht gar davon aus, daß eine individuelle Zurechnung selbst bei überwiegendem öffentlichen Interesse möglich sei. In diesem Fall stehe es im Ermessen des Gesetzgebers, ob er von einer Gebührenerhebung absehe. 106 Zwingend sei dies nicht. Nach der weiten Gebührendefinition des Bundesverwaltungsgerichts und der herrschenden Lehre muß sich der Grundeigentümer folglich die sanierungsbedingte Verkehrswerterhöhung als öffentliche Leistung zurechnen lassen. Werden in den Opferfällen die aufgezeigten Grenzen beachtet, so kann der Anspruch auf Wertausgleich einen Beitrag zur sachgerechten Verteilung der Sanierungskosten leisten. Die Absicherung des Anspruchs durch eine öffentliche Last ermöglicht es der öffentlichen Hand, sich vorrangig vor anderen Grundpfandgläubigern aus dem Grundstück zu befriedigen. Auf diese Weise kann der öffentliche Kostenträger die Bereicherung des Eigentümers abschöp___________ 101

Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 202 ff., Vogel, in: Faller (Hrsg.), Festschrift für Geiger, S. 518 (528 ff.). 102 Vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 83 ff.; von Mutius, VerwArch 66 (1975), 75 (80 f.); Vogel, in: Faller (Hrsg.), Festschrift für Geiger, S. 518 (530 ff.). 103 BVerwGE 13, 214 (219); Gusy, DVBl. 1996, 722; Sailer, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., M., Rn. 8. 104 Vgl. nur Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 86 ff.; Vogel, in: Faller (Hrsg.), Festschrift für Geiger, S. 518 (531). 105 BVerwGE 8, 93 (95); 12, 162 (164) und 13, 214 (219). 106 BVerwGE 13, 214 (219).

13. Kap.: Die Wertausgleichspflicht nach § 25 BBodSchG

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fen. Zugleich beteiligt er andere Grundpfandgläubiger, deren Sicherheiten durch die Sanierung im Wert gestiegen sind, wirtschaftlich an den Sanierungskosten. Auf diese Weise schöpft er wirtschaftlich auch bei diesen die sanierungsbedingte Bereicherung ab. Die Handhabung des § 25 BBodSchG ist allerdings durch die Kompliziertheit der Regelung erschwert. Da die Feststellung des sanierungsbedingten Wertzuwachses zudem mit unerheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist, wird der Anspruch auf Wertausgleich vermutlich nur Bedeutung erlangen, wenn die Inanspruchnahme von Sanierungsverantwortlichen keinen Erfolg verspricht. In diesem Fall kann sich die öffentliche Hand durch die Vollstrekkung in das sanierte Grundstück zumindest zum Teil befriedigen. Die de lege lata bestehende Wertausgleichspflicht ist nur dann verfassungskonform, wenn die aufgezeigten Modifikationen bei der Auslegung und Anwendung der Vorschrift beachtet werden. Im Zuge der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz sollte der Gesetzgeber dem Rechnung tragen und auch den § 25 BBodSchG auf der Grundlage des eigenen Lösungsvorschlages (vgl. 8. Kap. E.) überarbeiten. Für die Übergangszeit haben die Behörden auch im Rahmen des § 25 BBodSchG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten. In den Opferfällen ist daher – wie aufgezeigt – von einer Festsetzung der Wertausgleichspflicht abzusehen bzw. diese zu begrenzen.

P. Zusammenfassung Die Wertausgleichspflicht ist ein neuartiges Instrument zur Finanzierung von Altlastensanierungen. Sie orientiert sich am Vorbild des § 154 BauGB. Die Wertausgleichspflicht soll es der öffentlichen Hand ermöglichen, die Bereicherung des Grundeigentümers abzuschöpfen, wenn sein kontaminiertes Grundstück mit öffentlichen Mitteln saniert und sein Verkehrswert erhöht worden ist. Allerdings ist der Anspruch auf die tatsächlich aufgewandten Sanierungskosten begrenzt. Zum Wertausgleich verpflichtet ist allein der Grundeigentümer, dem die sanierungsbedingte Verkehrswerterhöhung zugute gekommen ist. Nicht ausgleichspflichtig sind sonstige dinglich Berechtigte, wie z. B. der Erbbauberechtigte, der Grundschuldinhaber oder der Hypothekar, obwohl auch sie von der Werterhöhung profitieren. In den Opferfällen hat die Behörde regelmäßig von einer Festsetzung des Ausgleichsbetrages abzusehen. Etwas anderes gilt allerdings dann, soweit der

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Eigentümer Ersatz für den kontaminationsbedingten Minderwert des Grundstücks erlangt hat oder erlangen kann, weil er in diesem Fall durch die sanierungsbedingte Verkehrswerterhöhung bereichert ist. Hat der Eigentümer seinerzeit das bereits kontaminierte Grundstück gutgläubig entgeltlich erworben, so kann er nach § 25 Abs. 4 S. 1 2. Alt. BBodSchG von dem Ausgleichsbetrag den Kaufpreis für das Grundstück abziehen. Da der Kaufpreis sich meist mit dem Verkehrswert decken wird, entfällt im Regelfall die Wertausgleichspflicht. Der gutgläubige unentgeltliche Erwerber und das Opfer einer Fremdeinwirkung sind durch § 25 Abs. 5 S. 1 2. Alt. BBodSchG geschützt, weil die Festsetzung eines Ausgleichsbetrages wegen der Überschreitung der durch Art. 14 Abs. 2 GG gezogenen Opfergrenze sachlich unbillig wäre. Die Wertausgleichspflicht ruht gemäß § 25 Abs. 6 S. 1 BBodSchG als öffentliche Last auf dem Grundstück. Hierdurch erlangt die öffentliche Hand die größtmögliche Gewähr dafür, daß sie sich bei Zahlungsunfähigkeit des Eigentümers aus dem Grundstück befriedigen kann, weil die öffentliche Last allen anderen Grundpfandrechten im Rang vorgeht. Auf diese Weise werden die anderen Grundpfandgläubiger wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligt.

14. Kapitel

Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber In den vergangenen zehn Jahren haben mehrere Entscheidungen USamerikanischer Gerichte in Bankenkreisen für erhebliche Unruhe gesorgt.1 Die Gerichtsentscheidungen sprachen der Umweltbehörde das Recht zu, Kreditgeber aufgrund ihrer Stellung als Inhaber dinglicher Sicherheiten zur Sanierung kontaminierter Grundstücke heranzuziehen. Das deutsche Schrifttum hat diese Entwicklung aufmerksam verfolgt.2 Angesichts leerer öffentlicher Kassen erscheint es auch hierzulande verlockend, gesicherte Kreditgeber an den Kosten der Altlastensanierung zu beteiligen, zumal es sich bei diesen zumeist um finanzkräftige Kreditinstitute handelt. Jenseits aller fiskalpolitischen Erwägungen könnte von einer Umwelthaftung gesicherter Kreditgeber eine positive Lenkungswirkung ausgehen, weil Kreditgeber durch die drohende Haftung veranlaßt würden, Einfluß auf das Umweltverhalten ihrer Kreditnehmer auszuüben. 3 Hinzu kommt, daß durch die Sanierung des kontaminierten Grundstücks mit öffentlichen Mitteln der Verkehrswert des Grundstücks erhöht wird. Hierdurch erhöht sich mittelbar auch der Wert des Grundpfandrechts, so daß der gesicherte Kreditgeber bei einer Zwangsvollstreckung in weit größerem Umfang Befriedigung erlangen kann als vor der Sanierung. Im folgenden soll untersucht werden, ob nach deutschem Recht eine gefahrenabwehrrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber für

___________ 1 Vgl. die ausführliche Darstellung zum US-amerikanischen Recht unter 2. Teil 10. Kap. 2 Aus dem deutschen Schrifttum vgl. Schneider/Eichholz, ZIP 1990, 18 ff.; Hirte/Ott, ZG 1991, 175 (183 f.); 1992, 165 (175 ff.); 1993, 62 (71 ff.); 1994, 157 (166 ff.); VersR 1994, 1387 (1390 ff.); ZG 1995, 261 (270 ff.); VersR 1996, 274 (276 ff.); 1997, 153 (156 ff.); Janke, RIW 1991, 281 ff.; Brandt, Altlastenrecht, S. 401 ff.; Brüssel, Die Altlastenproblematik im Kreditgeschäft, 1993, S. 48; Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, 1994, S. 20 ff.; Mörsdorf-Schulte, RIW 1994, 292 ff.; Höche, WM 1996, 1852 ff; Sanden, in: Franzius/Wolf/Brandt, Handbuch der Altlastensanierung, Ordner 3, 2. Aufl., 1996, Rn. 25; Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (443 ff.). 3 Sanden, in: Franzius/Wolf/Brandt, Handbuch der Altlastensanierung, Ordner 3, 2. Aufl., Rn. 25.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Boden- und Gewässerkontaminationen besteht.4 Soweit dies zu bejahen ist, stellt sich anschließend die Frage nach deren (verfassungsrechtlichen) Grenzen. Hierbei wird auf die Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 einzugehen sein. Daran schließt sich die Prüfung an, welcher Änderungsbedarf vor dem Hintergrund des eigenen Lösungsansatzes (vgl. 8. Kap. E.) besteht.

A. Mögliche Konstellationen einer umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber Kreditinstitute können in vielfältiger Weise durch Umweltgefahren betroffen sein. Die Aufmerksamkeit des Kreditgewerbes richtet sich in erster Linie auf das Kreditausfallrisiko, wenn das besicherte Grundstück kontaminiert und damit eine Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erschwert ist.5 Die Umweltrisiken des gesicherten Kreditgebers können sich potenzieren, wenn neben dem Ausfall- ein Haftungsrisiko besteht. Eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber ist in den folgenden Konstellationen denkbar.

I. Umweltrisiken bei Grundpfandrechten Den größten Umweltrisiken ausgesetzt sind grundpfandrechtlich gesicherte Kreditgeber. Sie laufen Gefahr, daß das Grundstück bereits bei der Bestellung der Grundschuld bzw. der Hypothek kontaminiert war oder daß es im Laufe des Kreditverhältnisses verunreinigt wird. Das Kontaminationsrisiko ist besonders hoch bei Grundstücken, die industriell oder gewerblich genutzt werden/wurden oder als Abfalldeponien dienen/dienten. Das Kreditinstitut kann das Grundstück vor der Bestellung der Sicherheit auf vorhandene Bodenkontaminationen untersuchen und auf diese Weise das Altlastenrisiko minimieren. Weniger Schutzmöglichkeiten stehen ihm gegen die Entstehung von Neulasten zur Verfügung, die nach der Bestellung der Sicherheit entstehen. Allerdings kann das Kreditinstitut auch insoweit das Kontaminationsrisiko begrenzen, indem es die Bestellung von Grundpfandrechten vermeidet, wenn das besicherte Grundstück in einer mit besonderen Umweltri___________ 4 Zu darüber hinausgehenden zivilrechtlichen Haftungsrisiken vgl. Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 64 ff. 5 Zu den Auswirkungen von Altlasten für das Kreditgewerbe vgl. nur Sanden, ebendort, Rn. 14 ff.

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

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siken verbundenen Weise genutzt wird. Werden gleichwohl Sicherheiten an einem Industriegrundstück bestellt, so kann der Kreditgeber den Grundeigentümer zur Einhaltung bestimmter Umweltstandards verpflichten und dies laufend überwachen. Das Kreditinstitut wird den Grundeigentümer schließlich zum Abschluß von Versicherungen gegen Kontaminationsschäden verpflichten.

II. Umweltrisiken bei beweglichen Kreditsicherheiten Auch bewegliche Kreditsicherheiten können für gesicherte Kreditgeber mit Umweltrisiken verbunden sein. Läßt sich ein Kreditinstitut z. B. das Warenlager eines Fabrikanten zur Sicherheit übereignen und gehören zu diesem Gefahrstoffe (wie z. B. Lösungsmittel, Farben, Öle oder Chemikalien), so muß das Kreditinstitut damit rechnen, daß die Gefahrstoffe bei unsachgemäßer Lagerung oder bei unsachgemäßem Umgang den Boden oder ein Gewässer kontaminieren.

B. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern Bei der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit grundpfandrechtlich gesicherter Kreditgeber ist zwischen Bodenkontaminationen und Gewässerverunreinigungen, die durch Bodenkontaminationen verursacht worden sind, auf der einen (nachfolgend „Bodenkontaminationen“) und reinen Gewässerkontaminationen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Beide sind unterschiedlichen Störerregelungen unterworfen. Während die Verantwortlichkeit für Bodenkontaminationen abschließend6 im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelt ist (vgl. hierzu unter II.), ergibt sich die Zustandshaftung bei reinen Gewässerverunreinigungen aus den Landeswassergesetzen (hierzu sogleich unter I.).

I. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern bei Gewässergefahren Hat sich ein Kreditgeber eine Grundschuld oder eine Hypothek an einem Grundstück bestellen lassen, auf dem sich ein See, ein Teich oder ein sonstiges Oberflächengewässer befindet, so fragt sich, ob der Kreditgeber zustandsverantwortlich ist, wenn das Oberflächengewässer verunreinigt wird. Zu einer ___________ 6

Kahl, Die Verwaltung 33 (2000), 29 (30).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

reinen Gewässerkontamination kann es z. B. dadurch kommen, daß Öl aus einem Boot ausläuft oder daß Gefahrstoffe in einen See geleitet werden. Die Behörde kann Maßnahmen zur Abwehr drohender oder bereits eingetretener Gewässerverunreinigungen auf die Generalklausel des Landeswassergesetzes stützen.7 Da die Landeswassergesetze mit Ausnahme des Bayerischen Wassergesetzes8 keine eigenständigen Störerregelungen enthalten, bestimmt sich die Verantwortlichkeit nach den Polizei- und Ordnungsgesetzen.9 Abweichend hiervon verweist das Berliner Wassergesetz auf die Verantwortlichkeit nach dem Berliner Bodenschutzgesetz.10 Bei Gewässergefahren kommt eine Zustandsverantwortlichkeit des gesicherten Kreditgebers als Eigentümer, als Gewalthaber und in den meisten Ländern11 auch als sonstiger Berechtigter in Betracht. Nach § 23 BlnWG i.V.m. § 13 Abs. 4 BlnBodSchG sind darüber hinaus der frühere Eigentümer und der frühere Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zustandsverantwortlich, wenn die Gewässergefahr während seines Eigentums oder seiner Sachherrschaft entstanden ist. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn er die Kontamination während seines Eigentums oder während seiner Sachherrschaft weder kannte noch kennen mußte.

1. Die Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten Als Grundschuldinhaber oder Hypothekar ist der gesicherte Kreditgeber weder Eigentümer noch Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über das Grundstück. Grundschuldinhaber oder Hypothekare können daher allenfalls in den Bundesländern für Gewässergefahren zustandsverantwortlich sein, die eine Verantwortlichkeit sonstiger Berechtigter kennen. Nach der amtlichen Begründung zu § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG12 sollen unter sonstigen Berechtigten in erster Linie dingliche Verfügungsberechtigte zu verstehen sein. ___________ 7 Art. 68 Abs. 3 BayWG, § 82 BWWG, § 154 BremWG, § 17 Abs. 1 HmbAbwG und § 64 HmbWG, § 74 HWG, § 90 Abs. 2 MVWG, § 169 NdsWG, § 93 Abs. 3 RhPfWG, § 83 Abs. 3 SaarlWG, § 94 Abs. 3 SächsWG, § 171 SAWG, § 110 Abs. 1 SHWG und § 84 ThürWG. Hingegen verweisen § 103 Abs. 2 BbgWG und § 67 S. 1 BlnWG auf die polizeiliche Generalklausel. In Nordrhein-Westfalen gilt die Generalklausel des Polizeiund Ordnungsrechts unmittelbar, weil eine Regelung im Wassergesetz fehlt. 8 Vgl. Art. 68 a Abs. 1 S. 2 BayWG, der als Zustandsstörer den Grundeigentümer sowie den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück nennt. 9 Kotulla, Rechtliche Instrumente des Grundwasserschutzes, 1999, S. 308 f. 10 Vgl. § 23 a Abs. 1 S. 2 BlnWG i.V.m. § 13 BlnBodSchG. 11 Keine Zustandsverantwortlichkeit sonstiger Berechtigter kennen die Polizeigesetze Baden-Württembergs, Hamburgs, Sachsens und Schleswig-Holsteins. 12 Abgedruckt bei Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 36.

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

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Es fragt sich jedoch, ob die bloße Innehabung eines Grundpfandrechts, das weder mit der Sachherrschaft verbunden ist noch zur Nutzung des Grundstücks berechtigt, eine umfassende Haftung für Gewässergefahren rechtfertigt. Grundschuldinhaber und Hypothekare sind lediglich berechtigt, bei Pfandreife von dem Eigentümer die Duldung der Zwangsvollstreckung zu verlangen (§§ 1192 Abs. 1, 1147 BGB). Darüber hinaus können sie, wenn der Eigentümer oder ein Dritter auf das Grundstück einwirkt und hierdurch eine Verschlechterung der Sicherheit zu befürchten ist, den Einwirkenden auf Unterlassung verklagen (§ 1134 Abs. 1 BGB) oder dem Eigentümer nach § 1133 BGB eine angemessene Frist zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen setzen. Nach fruchtlosem Fristablauf können sie vor Pfandreife in das Grundstück vollstrecken. Die herrschende Meinung13 lehnt eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundpfandgläubigers als sonstiger Berechtigter ab. Brüssel14 begründet dies damit, daß Grundpfandgläubigern kein Nutzungsrecht an dem Grundstück zustehe. Bigalke15 zufolge komme eine Zustandsverantwortlichkeit deshalb nicht in Betracht, weil der Grundpfandgläubiger nicht in ausreichendem Umfang auf das Grundstück einwirken könne. Keine dieser Begründungen überzeugt. Entgegen der herrschenden Meinung ist eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundpfandgläubigers als sonstiger Berechtigter – wenngleich in eng umrissenen Grenzen – möglich.16 Ein Grundschuldinhaber oder ein Hypothekar ist dann Zustandsstörer, wenn er das besicherte Grundstück unter Inkaufnahme von Umweltrisiken nutzt. Läßt sich ein Kreditgeber eine Grundschuld an einem industriell genutzten Grundstück bestellen, so erstreckt sich der Haftungsverband der Grundschuld gemäß §§ 1120 ff. BGB auf das Grundstück, seine Gebäude sowie auf sämtliche Zubehörstücke, d.h. auf den gesamten Anlagenbetrieb. Ist das Grundstück an einen industriellen Nutzer vermietet oder verpachtet, so kann sich der Grundpfandgläubiger nach § 1123 Abs. 1 BGB auch aus den Miet- oder Pachtzinsen befriedigen. Durch die Bebauung des Grundstücks mit Gebäuden und Anlagen hat es einen wesentlich größeren Verkehrswert als im unbebauten Zustand. Es bietet ihm eine größere Sicherheit als dasselbe Grundstück im unbebauten Zustand. Macht sich der Kreditgeber aber den nutzungsbedingten Mehrwert zu nutze und fördert er dadurch mittelbar ___________ 13 Schneider/Eichholz, ZIP 1990, 18 (22); Voß, in: Handelskammer Hamburg (Hrsg.), Grundstücke mit Altlasten und ihre Rechtsprobleme, 1991, S. 97 (98); Brüssel, Die Altlastenproblematik im Kreditgeschäft, S. 48; Keidel, Die Prüfung von Umweltrisiken in der Kreditwürdigkeitsprüfung, 1993, S. 49; Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 154; Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, 1997, S. 230; a.A. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 211; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 145. 14 Die Altlastenproblematik im Kreditgeschäft, S. 48. 15 Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 154. 16 Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 145.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

die mit Umweltrisiken verbundene Nutzung, so kann er nicht so gestellt werden, als hätte er sich mit einem weniger risikoreichen und dafür geringwertigeren Grundstück als Sicherungsobjekt zufrieden gegeben. Besondere Umweltrisiken gehen von Deponiegrundstücken sowie von Industrie- und Gewerbegrundstücken aus, zu deren bestimmungsgemäßer Nutzung der Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen gehört. Anders als der Grundeigentümer ist der Grundpfandgläubiger hingegen nicht zustandsverantwortlich, wenn er bei der Bestellung des Grundpfandrechts die Bodenkontamination kannte oder grob fahrlässig die Augen vor ihr verschlossen hat. Da allein der Grundeigentümer die Kontrolle über die Sache ausübt, kann nur ihm eine Gefahr zugerechnet werden, die er in Kauf genommen hat.

2. Die Zustandsverantwortlichkeit nach Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung Erwirbt der gesicherte Kreditgeber das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung (sog. Rettungserwerb), so ist er wie jeder andere Eigentümer zustandsverantwortlich.17 Einen besonderen Schutz des Rettungserwerbs sieht das deutsche Recht zu Recht nicht vor, weil die Motivation für den Erwerb gefahrenabwehrrechtlich unbeachtlich ist und kein Grund für eine Privilegierung des gesicherten Kreditgebers gegenüber anderen Erwerbern besteht. 18 Regelmäßig wird der gesicherte Kreditgeber das Grundstück mit dem Ziel der Weiterveräußerung erwerben. Anders als vor Inkrafttreten des BundesBodenschutzgesetzes beendet eine nach dem 1.3.1999 erfolgte Weiterveräußerung die Zustandsverantwortlichkeit nicht, soweit die Voraussetzungen für eine Sanierungsverantwortlichkeit als früherer Eigentümer19 gemäß § 4 Abs. 6 BBodSchG vorliegen.20 Die Zustandsverantwortlichkeit des gesicherten Kreditgebers ist allerdings wie bei jedem Grundeigentümer auf eine Duldungsoder Unterlassungspflicht beschränkt, wenn er bei dem Rettungserwerb gut___________ 17 Schneider/Eichholz, ZIP 1990, 18 (22 f.); Voß, in: Handelskammer Hamburg (Hrsg.), Grundstücke mit Altlasten und ihre Rechtsprobleme, S. 97 (99); Brandt, Altlastenrecht, S. 404 f.; Brüssel, Die Altlastenproblematik im Kreditgeschäft, S. 49; Feess, Die Haftung gesicherter Kreditgeber, S. 74; Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 237. 18 Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 170; Neumann, ebendort, S. 238. Zu der abweichenden Rechtslage in den Vereinigten Staaten; vgl. unter 2. Teil 10. Kap. C. I. 19 Zur Sanierungsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers vgl. eingehend 12. Kap. E. 20 Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (386).

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

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gläubig war oder wenn er später Opfer der Einwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten geworden ist.

3. Die Zustandsverantwortlichkeit in der Zwangsverwaltung Wird auf Betreiben des Kreditgebers die Zwangsverwaltung (§§ 146 ff. ZVG) des kontaminierten Grundstücks angeordnet, so erlischt die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers. An seiner Stelle ist nunmehr der Verwalter zustandsverantwortlich, weil er die tatsächliche Sachherrschaft ohne den Willen des Eigentümers ausübt (§ 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG). Fraglich ist, ob dies im Falle der sog. Institutszwangsverwaltung zu einer persönlichen Haftung des Kreditgebers führen kann. Unter einer Institutszwangsverwaltung versteht man eine von einer Hypothekenbank betriebene Zwangsverwaltung, bei der das Gericht gemäß § 150a ZVG auf Vorschlag der Hypothekenbank einen Angestellten der Hypothekenbank zum Verwalter bestellt. Eine Institutszwangsverwaltung setzt gemäß § 150a Abs. 2 ZVG voraus, daß die Hypothekenbank die Haftung des Verwalters übernimmt. Die Institutszwangsverwaltung führt indes nicht zu einer persönlichen Zustandshaftung des Kreditgebers.21 Da der Zwangsverwalter als Partei kraft Amtes22 nicht persönlich zustandsverantwortlich ist, sondern nur mit den Erträgen des Grundstücks einzustehen hat, ist auch die Haftung der Hypothekenbank hierauf beschränkt.

II. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundpfandgläubigers bei Bodenkontaminationen Die Verantwortlichkeit für Bodenkontaminationen und für hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen23 ist seit dem 1.3.1999 abschließend im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelt.24 Bevor die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz untersucht wird (vgl. hierzu 2.), soll zunächst die durch die Landesaltlastengesetze eingeleitete ___________ 21

So auch Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 239 f. Stober, Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, 7. Aufl., 1999, § 152 ZVG Rn. 2.2 m.w.N. 23 Regelmäßig geht es hierbei um Grundwasserkontaminationen. 24 Vgl. nur BVerwG, NuR 1999, 509; 2000, 689 (690 f.); VGH Kassel, NuR 2000, 286 f.; VG Frankfurt a.M., NuR 1999, 711 (713); Kotulla, Rechtliche Instrumente des Grundwasserschutzes, S. 308 f. 22

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Rechtsentwicklung nachgezeichnet werden (vgl. sogleich unter 1.), weil diese zum Teil auf Grundpfandgläubiger zugeschnittene Regelungen enthielt.

1. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern nach den Landesaltlastengesetzen Als Reaktion auf die Altlastenproblematik haben die meisten Bundesländer in den 90er Jahren Landesaltlastengesetze erlassen. Die meisten Landesaltlastengesetze enthielten allerdings keine Störernormen, sondern verwiesen insoweit auf die Polizeigesetze. Nur das Berliner Bodenschutzgesetz, das Hessische Altlastengesetz und das Thüringischen Abfall- und Altlastengesetz sahen eigenständige, von den Polizeigesetzen abweichende Störerregelungen vor.25 Für Grundpfandgläubiger bedeutsame Regelungen enthielten ferner Art. 68a Abs. 4 BayWG26 und § 32 RhPfAbfG.

a) Keine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten Das Berliner Bodenschutzgesetz, das Hessische Altlastengesetz und das Thüringischen Abfall- und Altlastengesetz sahen keine Zustandsverantwortlichkeit sonstiger Berechtigter vor. In Berlin, Hessen und Thüringen konnten daher Grundpfandgläubiger nicht zur Sanierung von Bodenkontaminationen verpflichtet werden.

b) Die Zustandsverantwortlichkeit nach Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung Erwarb ein Grundpfandgläubiger ein kontaminiertes Grundstück in der Zwangsversteigerung, so war er nach allen Landesaltlastengesetzen als Eigentümer zustandsverantwortlich. Nach § 13 Abs. 4 BlnBodSchG, § 12 Abs. 1 Ziff. 6 HAltlastG sowie § 20 Abs. 1 Ziff. 5 ThAbfAG endete die Zustandsverantwortlichkeit – anders als in den übrigen Bundesländern – grundsätzlich nicht bei Weiterveräußerung des kontaminierten Grundstücks. Etwas anderes galt nur ___________ 25

Vgl. die eingehende Darstellung unter Kapitel 10. Art. 68 a Abs. 5 BayWG erstreckte sich insbesondere auf Bodenbelastungen und hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen, so daß die Regelung im Zusammenhang mit Bodenkontaminationen dargestellt wird. 26

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

403

dann, wenn er bei Verlust des Eigentums gutgläubig war oder wenn die Bodenkontamination bereits vor seinem Eigentumserwerb entstanden war.

c) Wertausgleichspflicht Wie dargestellt27, enthielt eine Mehrzahl der Landesaltlastengesetze28 eine Wertausgleichspflicht der Grundeigentümer, die durch die Sanierung des Grundstücks mit öffentlichen Mitteln ungerechtfertigt bereichert sind. Auch gesicherte Kreditgeber, die das kontaminierte Grundstück im Rahmen der Zwangsversteigerung erwarben, konnten zum Wertausgleich verpflichtet werden.

d) Die Vorteilsausgleichspflicht des Grundpfandgläubigers Über die Wertausgleichspflicht des Grundeigentümers hinaus verpflichteten Art. 68a Abs. 4 BayWG und § 32 RhPfAbfG Grundschuldinhaber und Hypothekare zum Ausgleich ihres sanierungsbedingten Vorteils.29 Dies hatte folgenden Hintergrund. Saniert die Behörde das Grundstück, so erhöht sie nicht nur den Wert des Grundstücks, sondern auch des Grundpfandrechts. Bei einer Zwangsversteigerung nach Sanierung kann der gesicherte Kreditgeber mit einer deutlich höheren Befriedigungsquote rechnen. Hierdurch wird der Grundpfandgläubiger auf Kosten der Allgemeinheit bereichert. Ziel der Art. 68a Abs. 4 BayWG und § 32 RhPfAbfG war es, diesen Vorteil abzuschöpfen.30Allerdings läßt sich der Wert der sanierungsbedingten Vorteile nur schwer ermitteln, weil unklar ist, ob es zur Versteigerung des sanierten Grundstücks kommt und welchen Mehrerlös der gesicherte Kreditgeber aufgrund der Sanierung erzielen kann. Ist nicht absehbar, ob der Grundpfandgläubiger oder ein anderer Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben wird, so kann der sanierungsbedingte Vorteil nur anhand der Ausfallwahrscheinlichkeit geschätzt werden. Die Vorteilsausgleichspflicht war daher in der Praxis kaum handhabbar. Soweit ersichtlich, sind weder in Bayern noch in Rheinland-Pfalz Grund___________ 27

Vgl. die Darstellung unter 10. Kap. F. Art. 68 a BayWG, § 18 BlnBodSchG, § 13 Abs. 4 BremAGAbfG, § 16 HAltlastG, § 38 NdsAbfG, § 33 NRWAbfG, § 32 RhPfAbfG und 22 ThürAbfAltG. 29 Sanden, in: Franzius/Wolf/Brandt, Handbuch der Altlastensanierung, Ordner 3, 2. Aufl., Rn. 34; Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 243. 30 Vgl. nur die Gesetzesbegründung zu Art. 68 a BayWG, Senats-Drucks. 256/93, S. 70 f. 28

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

schuldinhaber oder Hypothekare zum Vorteilsausgleich verpflichtet worden.31 Lwowski/Tetzlaff32 berichten davon, daß das zuständige Staatsministerium in Bayern den Banken aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken eine informelle Nichtanwendungszusage gemacht habe.

2. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz a) Keine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat die in den meisten Polizeigesetzen vorgesehene Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten nicht übernommen. Grundschuldinhaber und Hypothekare sind nunmehr bundesweit von einer Zustandshaftung ausgenommen.

b) Die Zustandsverantwortlichkeit nach Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung Eine Sanierungsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber kommt daher nur beim Rettungserwerb in Betracht. Erwirbt ein gesicherter Kreditgeber das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung, so ist er als gegenwärtiger Eigentümer nach § 4 Abs. 3 BBodSchG unbeschränkt zustandsverantwortlich. Nur in den Opferfällen ist seine Verantwortlichkeit auf eine Duldungs- und Unterlassungspflicht begrenzt. Der gesicherte Kreditgeber kann sich seiner Verantwortung nicht durch Eigentumsaufgabe (§ 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG) entziehen. Hat er das kontaminierte Grundstück nach dem 1.3.1999 weiterveräußert, so bleibt er unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG ebenfalls sanierungsverantwortlich.33 Er haftet allerdings dann nicht als früherer Eigentümer, wenn er bei Erwerb oder bei Veräußerung des kontaminierten Grundstücks gutgläubig war.34

___________ 31

Neumann, ebendort, S. 244, Fn. 1011. WM 2001, 385 (394). 33 Vgl. 12. Kap. E. 34 Vgl. 12. Kap. E. VII. 32

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

405

c) Wertausgleichspflicht Hat der Grundpfandgläubiger das Grundstück durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben, so ist er – wie jeder andere Grundeigentümer auch – nach § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG zum Wertausgleich verpflichtet, wenn das Grundstück in der Folgezeit mit öffentlichen Mitteln saniert wird. War die Sanierung hingegen vor dem Zuschlag abgeschlossen, so ist die sanierungsbedingte Verkehrswerterhöhung dem Alteigentümer zugute gekommen. In diesem Fall ist der Alteigentümer und nicht der gesicherte Kreditgeber zum Wertausgleich verpflichtet. Allerdings ruht die Wertausgleichspflicht als öffentliche Last auf dem Grundstück, so daß sich die öffentliche Hand durch Vollstreckung in das Grundstück befriedigen kann, wenn der Alteigentümer die Wertausgleichspflicht noch nicht (vollständig) erfüllt hat.

d) Keine Vorteilsausgleichspflicht des Grundpfandgläubigers Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat auch die Vorteilsausgleichspflicht, wie Art. 68a Abs. 4 BayWG und § 32 RhPfAbfG sie vorsahen, nicht übernommen.35 Nach § 25 Abs. 1 S. 1 BBodSchG kann die öffentliche Hand lediglich vom Grundeigentümer den sanierungsbedingten Wertzuwachs abschöpfen. Hingegen sind Grundschuldinhaber und Hypothekare nicht zur Erstattung ihrer sanierungsbedingten Vorteile verpflichtet.

e) Wirtschaftliche Beteiligung vorrangiger Grundpfandgläubiger an den Sanierungskosten Gleichwohl kann die öffentliche Hand Grundschuldinhaber und Hypothekare wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligen. Da der Anspruch auf Wertausgleich gemäß § 25 Abs. 6 S. 1 BBodSchG als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht und diese nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZVG allen anderen Grundpfandrechten im Rang vorgeht, schöpft die öffentliche Hand bei einer Zwangsversteigerung mittelbar auch die sanierungsbedingten Vorteile anderer ___________ 35 Im Vermittlungsausschuß war zunächst eine Regelung nach dem Vorbild des Art. 68 a Abs. 4 BayWG gefordert worden. Von einem direkten Zahlungsanspruch gegen die Grundpfandgläubiger wurde dann jedoch Abstand genommen; vgl. die Empfehlungen des Vermittlungsausschusses, BR-Drucks. 422/1/97, S. 23 sowie Lwowski/ Tetzlaff, WM 2001, 385 (395).

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Grundpfandgläubiger ab.36 Auf diese Weise können Grundpfandgläubiger wesentlich einfacher als durch eine Vorteilsausgleichspflicht wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligt werden.37 Es fragt sich, ob die Regelung des § 25 Abs. 6 S. 1 BBodSchG, wonach die Wertausgleichspflicht als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, in verfassungswidriger Weise in die Eigentumsfreiheit zeitlich früherer Grundpfandgläubiger eingreift. Daß die öffentliche Hand gegenüber dem Eigentümer im aufgezeigten Umfang zur Abschöpfung des sanierungsbedingten Wertzuwachses berechtigt ist, bedeutet nicht ohne weiteres, daß sie anderen Grundpfandgläubiger die Werthaltigkeit ihrer Sicherheit entziehen darf. Ein rechtfertigender Grund für den Eingriff in die Eigentumsfreiheit ergibt sich aus dem Vorteil, den der Grundpfandgläubiger aus der Sanierung mit öffentlichen Mitteln zieht.38 Die öffentliche Hand erhöht durch die Sanierung nicht nur den Wert des Grundstücks, sondern auch des Grundpfandrechts. Hierdurch wird der Grundpfandgläubiger auf Kosten der Allgemeinheit ungerechtfertigt bereichert. Die öffentliche Hand ist daher berechtigt, von dem Grundpfandgläubiger die sanierungsbedingten Vorteile abzuschöpfen.

C. Die Zustandsverantwortlichkeit bei beweglichen Kreditsicherheiten Auch von beweglichen Kreditsicherheiten können Gefahren für den Boden und für Gewässer ausgehen, so daß gesicherte Kreditgeber auch insoweit einer Zustandshaftung ausgesetzt sein können. Die Zustandsverantwortlichkeit für bewegliche Sachen richtet sich sowohl bei Boden- als auch bei Gewässergefahren nach den Polizeigesetzen der Länder. Diese kennen eine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers, des Gewalthabers sowie in den meisten Ländern39 auch des sonstigen Berechtigten.

___________ 36 Vgl. hierzu den Beispielsfall bei Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385 (387) sowie deren Darstellung auf S. 394 ff. 37 So schon von Wilmowsky, JZ 1997, 817 (820 f.). 38 Ebendort. 39 Keine Zustandsverantwortlichkeit sonstiger Berechtigter kennen hingegen die Polizeigesetze Baden-Württembergs, Hamburgs, Sachsens und Schleswig-Holsteins.

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

407

I. Die Zustandsverantwortlichkeit des Mobiliarpfandgläubigers Das Mobiliarpfandrecht spielt in der Kreditpraxis nur eine untergeordnete Rolle. Überwiegend ist es durch das Sicherungseigentum verdrängt worden, welches dem Sicherungsgeber den Vorteil bietet, das Sicherungsobjekt weiter nutzen zu können. Hat sich der Kreditgeber gleichwohl ein Mobiliarpfandrecht (z. B. an Ölfässern) bestellen und nach § 1205 Abs. 1 BGB übergeben lassen, so ist er als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft Zustandsstörer, wenn von der Kreditsicherheit Gefahren ausgehen. Hatte der Sicherungsgeber die Ölfässer hingegen einem Dritten überlassen, und vereinbart er mit dem Kreditgeber gemäß § 1205 Abs. 2 BGB, daß die Übergabe durch die Übertragung des mittelbaren Besitzes ersetzt werde, so erlangt der gesicherte Kreditgeber nicht die tatsächliche Sachherrschaft. In Betracht kommt dann allein eine Zustandsverantwortlichkeit des Kreditgebers als sonstiger Berechtigter. Läßt sich der gesicherte Kreditgeber ein Pfandrecht an einer Sache bestellen, von der Risiken für die Umwelt ausgehen, so muß er sich die hieraus resultierenden Gefahren zurechnen lassen.40

II. Die Zustandsverantwortlichkeit des Sicherungseigentümers Neben Grundschulden und Hypotheken kommt dem Sicherungseigentum eine große Bedeutung als Kreditsicherheit zu. In der Praxis ist die Sicherungsübereignung an Produktionsanlagen, Warenlagern und sonstigen mobilen Wirtschaftsgütern weit verbreitet.41 Gegenüber dem Mobiliarpfandrecht (§ 1204 BGB) hat das Sicherungseigentum den Vorteil, daß der Sicherungsgeber im Besitz der Sache bleiben und diese weiterhin nutzen kann. Nicht durchgesetzt hat sich hingegen das Sicherungseigentum an Grundstücken, weil mit der Grundschuld und der Hypothek kostengünstigere Sicherungsmittel zur Verfügung stehen.42 Übereignet ein Fabrikant Fässer mit Chemikalien zur Sicherheit an seine Bank und drohen die Chemikalien wegen des schlechten Zustandes der Fässer auszulaufen, so fragt sich, ob neben dem Fabrikanten als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft auch die Bank als Sicherungseigentümerin Zustandsstöre___________ 40 Im Ergebnis zustimmend Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 154 f. 41 Ebendort, S. 156. 42 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band 2, 2. Aufl., 1986, S. 18 ff. verweist darauf, daß nach § 925 Abs. 2 BGB eine Sicherungsübereignung unter einer auflösenden Bedingung unwirksam ist.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

rin ist. Die Bank könnte entweder als Eigentümerin oder als sonstige Berechtigte zustandsverantwortlich sein. Die herrschende Meinung43 sieht auch Sicherungseigentümer als Eigentümern im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 MEPolG an. Das Bundesverwaltungsgericht44 begründete dies in einem Urteil aus dem Jahre 1968 damit, daß die Landespolizeigesetze nicht zwischen dem Voll- und dem Sicherungseigentum unterscheiden. Prümm45 und in jüngerer Zeit Lwowski/Tetzlaff46 vertreten hingegen die Ansicht, daß der Sicherungseigentümer nicht als Eigentümer zur Gefahrenabwehr herangezogen werden könne, weil er zwar juristischer, nicht aber wirtschaftlicher Eigentümer der Sache sei. Das Sicherungseigentum stehe dem Pfandrecht näher als dem Volleigentum. Dies zeige die Behandlung des Sicherungseigentums in der Insolvenz. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs47 stehe dem Sicherungseigentümer in der Insolvenz, anders als dem Volleigentümer, kein Aussonderungsrechts zu. Der Sicherungseigentümer könne lediglich wie ein Pfandgläubiger abgesonderte Befriedigung verlangen. Gleichwohl ist der herrschenden Meinung zuzustimmen. Die Landesgesetzgeber haben den Sicherungseigentümer bei der Novellierung ihrer Polizeigesetze nicht von der Zustandsverantwortlichkeit als Eigentümer ausgenommen, obwohl ihnen die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts48 aus dem Jahre 1968 bekannt war. Läßt sich der Kreditgeber eine Sache zur Sicherheit übereignen, damit der Sicherungsgeber diese weiterhin nutzen kann, so muß er sich die mit der vereinbarten Nutzung verbundenen Umweltrisiken zurechnen lassen, weil er sie dem Sicherungsgeber gerade zu diesem ___________ 43 BVerwG, DÖV 1969, 471 Nr. 164; VGH Mannheim, BWVP 1978, 150; Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., § 5 MEPolG Rn. 5; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 114; Schneider/Eichholz, ZIP 1990, 18 (23); Belz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, § 5 Rn. 4; Keidel, Die Prüfung von Umweltrisiken in der Kreditwürdigkeitsprüfung, S. 49 f.; Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 156; Sanden, in: Franzius/Wolf/ Brandt, Handbuch der Altlastensanierung, Ordner 3, 2. Aufl., Rn. 32 44 BVerwG, DÖV 1969, 471 Nr. 164. 45 DVP 1983, 269 (272); Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., § 5 Rn. 14. 46 WM 2001, 437 (442). Sie stellen auf die fehlende tatsächliche Sachherrschaft des Sicherungseigentümers ab, verkennen dabei jedoch, daß bereits die rechtliche Sachherrschaft und damit das Recht, auf die Sache einzuwirken, nach der Konzeption der Zustandsverantwortlichkeit ausreicht. 47 BGHZ 72, 146; BGH, NJW 1962, 46; 1978, 632; 1980, 227. Nach BGHZ 41, 393 sei der Sicherungseigentümer nicht Zustandsstörer im Sinne des § 1004 BGB. Etwas anders gelte nur, wenn er unmittelbarer Besitzer sei. 48 DÖV 1969, 471 Nr. 164.

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

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Zweck belassen hat. Der Sicherungseigentümer muß sich wie jeder andere Eigentümer behandeln lassen, der seine Sache einem Dritten zur Nutzung überlassen hat. Eine andere Frage ist, ob der gesicherte Kreditgeber auch für solche Gefahren einzustehen hat, die durch eine vertragswidrige Nutzung des Sicherungsgegenstandes entstanden sind. In der Praxis geht es insbesondere darum, ob ein Sicherungseigentümer auch dann zustandsverantwortlich ist, wenn der Sicherungsgeber der Sicherungsabrede zuwider gesetzliche Umweltvorschriften nicht einhält. Neumann49 will den Sicherungseigentümer entsprechend § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG von der Zustandshaftung ausnehmen, weil die vertragswidrige Nutzung des Sicherungsobjektes einer Verwendung gegen den Willen des Sicherungseigentümers gleich stehe, wenn der Sicherungseigentümer von der Vertragsverletzung keine Kenntnis habe oder haben müsse. Diese Ansicht wird von der herrschenden Lehre50 zu Recht abgelehnt. Nach seiner ratio legis51 nimmt § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG Eigentümer, die ihre Sachherrschaft ohne ihren Willen – insbesondere durch Diebstahl – verloren haben, von der Zustandsverantwortlichkeit aus, weil sie nicht mehr auf die Sache einwirken können.52 Hingegen kann der Sicherungseigentümer aufgrund seiner rechtlichen Sachherrschaft auf den Sicherungsgeber und über diesen auf die Sache einwirken.

III. Die Zustandsverantwortlichkeit des Vorbehaltsverkäufers Gewährt der Verkäufer dem Käufer in der Weise Kredit, daß er ihm das Eigentum gemäß § 449 Abs. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung überträgt (Eigentumsvorbehalt), so bleibt er bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung Eigentümer. Als solcher ist er wie jeder andere Eigentümer nach § 5 Abs. 2 S. 1 MEPolG zustandsverantwortlich.53

___________ 49

Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 232. Ähnlich Schneider/Eichholz, ZIP 1990, 18 (23). 51 Vgl. Riegel/Heise, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., S. 36. 52 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 209. 53 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 326; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 115; Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber, S. 159. 50

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

Neben dem Vorbehaltsverkäufer ist der Vorbehaltskäufer als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zustandsverantwortlich.54

D. Gestaltungsmöglichkeiten gesicherter Kreditgeber zur Vermeidung der Zustandsverantwortlichkeit Die Sicherheit dient dem Kreditgeber zur Absicherung des Insolvenzrisikos des Darlehensnehmers. Gehen von dem Sicherungsgut Umweltgefahren aus und muß der Kreditgeber damit rechnen, zur Gefahrenabwehr verpflichtet zu werden, so entfällt regelmäßig sein Interesse an der Kreditsicherheit. Sein Sicherungsinteresse tritt hinter das Interesse an einer Vermeidung der Zustandshaftung zurück. Es fragt sich, ob sich der gesicherte Kreditgeber der Zustandsverantwortlichkeit entziehen kann.

I. Vermeidung der Zustandsverantwortlichkeit als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft Ist der gesicherte Kreditgeber, z. B. als Mobiliarpfandgläubiger, Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, so ist er solange zustandsverantwortlich, wie er sich im unmittelbaren Besitz der Sache befindet. Nach geltendem Recht kann er seine Zustandsverantwortlichkeit daher durch Aufgabe des Besitzes beenden.55 De lege ferenda sollte die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft wie beim Eigentumsverlust über den Besitzverlust hinaus fortbestehen. Beruht die Zustandsverantwortlichkeit auf einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung, so beendet die Aufgabe der Sachherrschaft nicht den Zurechnungszusammenhang.56

___________ 54

Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber, S. 159, Fn. 672. 55 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 330; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 136 f.; Schoch, JuS 1994, 932 (935). 56 Ähnlich Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 144.

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

411

II. Vermeidung der Zustandsverantwortlichkeit durch Beendigung der Rechtsstellung Als Eigentümer oder als Grundpfandgläubiger kann sich der gesicherte Kreditgeber unter Umständen durch Beendigung der Rechtsstellung seiner Zustandshaftung entziehen.

1. Beschränkung der Sicherungsübereignung auf ungefährliche Sachen Ein Kreditgeber kann sich allerdings nicht dadurch seiner Zustandsverantwortlichkeit entziehen, daß er sich das Warenlager des Kreditnehmers nur insoweit zur Sicherheit übereignen läßt, als von den Waren keine Umweltgefahren ausgehen.57 Eine solche Einigung wäre wegen Verstoßes gegen das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot unwirksam.

2. Auflösend bedingte Sicherungsübereignung oder Grundpfandrechtsbestellung Der Sicherungseigentümer58 kann sich die Sache jedoch unter der auflösenden Bedingung des Eintritts einer Umweltgefahr übereignen lassen.59 Tritt die in der Sicherungsabrede näher bezeichnete Umweltgefahr ein, so verliert der Kreditgeber gemäß § 158 Abs. 2 BGB sein Eigentum. Auch Grundschulden oder Hypotheken können unter der auflösenden Bedingung des Eintritts einer Bodenkontamination bestellt werden.60 Fraglich ist allerdings, ob die Zustandsverantwortlichkeit nicht trotz Eintritts der auflösenden Bedingung fortbesteht. Die herrschende Meinung61 sieht in der Vereinbarung einer derartigen auflösenden Bedingung eine rechtsmißbräuchliche Umgehung der Zustandshaftung. Wie § 5 Abs. 3 MEPolG bei der Dereliktion zeige, sei es dem Eigentümer verwehrt, sich durch rechtsgestaltende Maßnahmen der Zustandsverantwortlichkeit ___________ 57 Schneider/Eichholz, ZIP 1990, 18 (24); Brandt, Altlastenrecht, S. 407; Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 232 f. 58 Ausgegangen wird von dem Regelfall, daß der Sicherungsgeber unmittelbarer Besitzer der Sache bleibt. 59 Bigalke, Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 159. 60 Vgl. nur Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 1113 Rn. 9. 61 So Schneider/Eichholz, ZIP 1990, 18 (24); Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 233.

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1. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht

zu entledigen. Die Zustandsverantwortlichkeit bestehe daher auch nach Eintritt der auflösenden Bedingung fort. Demgegenüber ist Bigalke62 der Ansicht, daß eine aufschiebend bedingte Übereignung nicht mit einer Eigentumsaufgabe vergleichbar sei. Durch die Eigentumsaufgabe werde die Sache herrenlos, so daß die Kosten der Gefahrenabwehr von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Demgegenüber könne nach Eintritt der auflösenden Bedingung der Sicherungsgeber als Zustandsstörer herangezogen werden. Der herrschenden Meinung ist im Ergebnis zuzustimmen. Beruht die Zustandsverantwortlichkeit auf einer persönlichen Zurechnung der Gefahr, so entfällt sie nicht mit Verlust der Rechtsstellung, wie § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. (für den Derelinquenten) und § 4 Abs. 6 BBodSchG (für den früheren Eigentümer) belegen. Auf ein rechtsmißbräuchliches Verhalten kommt es daher nicht an.

3. Verzicht auf das Grundpfandrecht Aus demselben Grund kann sich ein Grundpfandgläubiger nicht durch Verzicht auf die Grundschuld oder Hypothek der Zustandsverantwortlichkeit entziehen.

E. Zusammenfassung Gesicherte Kreditgeber können nach geltendem Recht nur in seltenen Ausnahmefällen als Zustandsstörer zur Abwehr von Boden- und Gewässerkontaminationen verpflichtet werden. Seit Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes am 1.3.1999 können Grundschuldinhaber und Hypothekare nicht mehr zur Sanierung von Bodenkontaminationen herangezogen werden, weil das Gesetz auf eine Zustandsverantwortlichkeit sonstiger Berechtigter verzichtet hat. Auch vorher hatte die Zustandshaftung sonstiger Berechtigter in der Praxis keine Bedeutung erlangt. Eine Inanspruchnahme gesicherter Kreditgeber zur Gefahrenabwehr kommt praktisch nur beim Rettungserwerb oder beim Sicherungseigentum in Betracht. Erwirbt ein gesicherter Kreditgeber das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung oder läßt er sich eine Sache zur Sicherung übereignen, so ist er wie jeder andere Eigentümer zustandsverantwortlich. Es ist gefahrenab___________ 62

Die umweltrechtliche Verantwortlichkeit von gesicherten Kreditgebern, S. 159.

14. Kap.: Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

413

wehrrechtlich ohne Bedeutung, daß der Eigentumserwerb zur Sicherung des Kredites erfolgt. Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat keine Vorteilsausgleichspflicht von Grundschuldinhabern und Hypothekaren eingeführt, wie Art. 68a Abs. 4 BayWG und § 32 RhPfAbfG sie vorsahen. Allerdings können Grundpfandgläubiger wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligt werden, wenn die öffentliche Hand zur Befriedigung des Wertausgleichsanspruchs in das Grundstück vollstreckt. Da der Wertausgleichsanspruch als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht und diese anderen Grundpfandrechten in der Zwangsversteigerung vorgeht, kann die öffentliche Hand die sanierungsbedingten Vorteile der anderen Grundpfandgläubiger abschöpfen.

15. Kapitel

Gang der weiteren Darstellung An die Darstellung der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit in Deutschland im 1. Teil schließen sich nun Untersuchungen zum US-amerikanischen (2. Teil) und österreichischen Recht (3. Teil) an. Ziel der folgenden Untersuchungen ist es, Rückschlüsse für das deutsche Recht und die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelungen zu ziehen. Das Hauptaugenmerk wird hierbei auf den Kreis der Zustandsstörer, das Verhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit, die Zurechung der Gefahr und den Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit sowie insbesondere die Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen gelegt. Dabei wird der eigene Lösungsansatz überprüft, indem ihm die Ansätze zur Lösung der Opferfälle im US-amerikanischen und österreichischen Recht gegenübergestellt werden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse fließen in den rechtsvergleichenden 4. Teil ein.

Zweiter Teil

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht 1. Kapitel

Die Entstehung des US-amerikanischen Altlastenrechts Weit früher als der deutsche hat sich der US-amerikanische Gesetzgeber dem Altlastenproblem1 angenommen. Bereits 1980 wurde mit dem Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (CERCLA)2 – der auch als Superfund-Gesetz bekannt ist – ein eigenes „Altlastengesetz“ auf Bundesebene3 geschaffen. In deutscher Übersetzung bedeutet CERCLA: Gesetz zur umfassenden Antwort auf Umweltprobleme, Schadensausgleich und Haftung.4 CERCLA wurde als Reaktion auf die Love-Canal-Katastrophe verabschiedet5. Im Jahre 1977 traten aus der im Bundesstaat New York gelegenen früheren Deponie Love Canal größere Mengen Dioxin aus, das bei Anwohnern zu schweren Gesundheitsschäden und in der Folgezeit zu einer großen Zahl von Fehlgeburten und Mißbildungen bei Säuglingen führte.6 Das Gelände des Kanalbetts war zunächst als Mülldeponie – in den Vierziger und Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts sogar als Giftmülldeponie – genutzt worden. Später verfüllte man das Kanalbett und errichtete auf ihm eine Wohnsiedlung. Die LoveCanal-Katastrophe wurde zum Synonym für den grob fahrlässigen Umgang mit ehemaligen Deponien und Industriestandorten. Sie führte einer breiten Öffent___________ 1

Den Begriff der Altlast gibt es im amerikanischen Recht nicht. Vielmehr ist in den einschlägigen amerikanischen Gesetzen von hazardous waste und hazardous substances die Rede. Unter hazardous waste ist Giftmüll in Form fester Abfallstoffe zu verstehen; vgl. Solid Waste Disposal Act (SWDA) 42 U.S.C. § 6904 (5), während hazardous substances als Oberbegriff für alle umweltschädlichen Substanzen verwendet wird; vgl. Leinemann, Die Haftung für Altlasten, 1991, S. 3. Der Übersichtlichkeit halber ist in dieser Untersuchung gleichwohl von Altlasten die Rede. 2 42 U.S.C. §§ 9601-9175. 3 Zu den daneben bestehenden Regelungen der Bundesstaaten vgl. die nachfolgende Darstellung unter 2. Kap. B. 4 In Anlehnung an die Übersetzung von Schenkel, in: Thomas, Der Städtetag, 1985, 218 f. sowie Thimet, Die Sanierung von Altlasten, 1993, S. 47. 5 Näher hierzu Moelis, 12 Cardozo Law Review, 213 Fn. 2 (1990). 6 Breuer, NVwZ 1987, 751; Leinemann, Haftung für Altlasten, S. 5 f.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

lichkeit die Versäumnisse der bisherigen Industrie- und Umweltpolitik vor Augen. An der Love-Canal-Katastrophe zeigte sich, daß der Verwaltung keine geeigneten gesetzlichen Grundlagen zur Verfügung standen, um bei durch stillgelegte Mülldeponien und industrielle Altstandorte hervorgerufenen Boden- oder Gewässerkontaminationen Sofortmaßnahmen ergreifen und längerfristige Sanierungskonzepte erstellen zu können.7 In der Love-Canal-Katastrophe konnte die Behörde erst tätig werden, nachdem der Notstand verhängt worden war.8

___________ 7 Barr, 45 The Business Lawyer, 923 (926), (1990); Madden, 59 Fordham Law Review, 135 (1990). 8 Thimet, Die Sanierung von Altlasten, S. 48.

2. Kapitel

Die Rechtsgrundlagen für die Abwehr von Boden- und Gewässergefahren CERCLA kommt in den USA eine überragende Bedeutung für die Sanierung von Altlasten zu. Daneben spielen jedoch auch andere Gesetze des Bundes und der Einzelstaaten eine Rolle bei der Bekämpfung von Boden- und Gewässerkontaminationen.1

A. Weitere Rechtsgrundlagen des Bundes Auf Bundesebene sind ferner der Clean Water Act (CWA)2 und der Resource Conservation and Recovery Act (RCRA)3 für die Sanierung von Bodenund Gewässerverunreinigungen von Bedeutung.

I. Der Clean Water Act Der Clean Water Act dient dem Schutz vor drohenden sowie der Sanierung eingetretener Gewässerkontaminationen, wenn Öl oder andere gefährliche Substanzen in ein Gewässer gelangt sind.4 Der CWA hält allerdings keine Rechtsgrundlagen zur Abwehr von Gefahren für den Boden bereit.

___________ 1 Vgl. die Darstellung bei Jacoby/Eremich, in: IBA Section on Business Law (Hrsg.), Environmental Liability, 1991, S. 63 (68 ff.); Radig, Altlastengerechtigkeit im Vergleich, 2002, S. 24 ff. 2 33 U.S.C. §§ 1251-1387. 3 42 U.S.C. §§ 6901-6987. Der RCRA ist der Hauptteil des Federal Solid Waste Disposal Act. Zum RCRA vgl. Owen Smith, Environmental Lender Liability, 1991, S. 313 ff.; O’Reilly, U.S. Environmental Liability Risks, 1995, S. 37; Airst, How To Avoid Environmental Liability, 1996, S. 203 ff. 4 Vgl. § 1321 (b)(6)(A).

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

II. Der Resource Conservation and Recovery Act Rechtsgrundlagen für die Abwehr von Boden- und Gewässergefahren finden sich hingegen im Resource Conservation and Recovery Act, bei dem es sich in erster Linie um ein Abfallgesetz handelt. Sein vorrangiges Ziel ist es, durch eine umweltschonende Müllentsorgung die Entstehung von Neulasten zu verhindern.5 Daneben enthält der RCRA Regelungen zum Schutz vor auslaufendem Öl aus undichten unterirdischen Tanks.6 Der RCRA ist auf noch betriebene Anlagen, insbesondere Abfallentsorgungsanlagen (active waste management units) anwendbar. Boden- und Gewässergefahren, die von einer noch betriebenen Anlage hervorgerufen worden sind, sind auf der Grundlage des RCRA abzuwehren. Gehen hingegen von stillgelegten Anlagen Gefahren aus, so kommen allein Gefahrenabwehr- und Sanierungsmaßnahmen nach CERCLA in Betracht.7

B. Rechtsgrundlagen der Bundesstaaten Neben dem „Altlastenrecht“ des Bundes existieren in den meisten Bundesstaaten8 Altlastenregelungen. Diese orientieren sich weitgehend an CERCLA. CERCLA ist nur auf Altlastengrundstücke anwendbar, die in der National Priority List aufgelistet sind. Wegen der begrenzten finanziellen Mittel des Superfunds werden hierin nur die am stärksten kontaminierten Flächen aufgenommen. Für die Mehrzahl der Altlastengrundstücke ist daher einzelstaatliches Recht anwendbar. Da eine Darstellung der einzelstaatlichen „Altlastengesetze“9 den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde, kann auf sie nachfolgend nur eingegangen werden, um wesentliche Unterschiede zu CERCLA aufzuzeigen.

___________ 5

Chambers/Gray, 4 Natural Resources and Environment, 7 (11) (1989). Vgl. Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 307 ff. 7 Zur Abgrenzung der Maßnahmen vgl. Curry/Hamula/Rallison, 23 Arizona State Law Journal, 359 (369 ff.) (1991). 8 1991 hatten bereits 44 Bundesstaaten eigene Gesetze erlassen; vgl. Jensen, 32 South Texas Law Review, 447 (468) (1991). 9 Weiterführend Hodas, 16 Ecology Law Quarterly, 883 ff. (1989); Powell, 21 Real Estate Law Journal, 182 ff. (1992); Brown/Hansen, 21 Ecology Law Quarterly, 643 ff. (1994). 6

3. Kapitel

Die Abwehr von Boden- und Gewässergefahren nach CERCLA A. Anwendungsbereich von CERCLA Nach § 9604 kann die Umweltbehörde Gefahrenabwehrmaßnahmen ergreifen, wenn eine gefährliche Substanz in die Umwelt eindringt oder einzudringen droht1 und hiervon Gefahren2 für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgehen.3 Nach der Legaldefinition des § 9601 (14) ist der Begriff der gefährlichen Substanz weit gefaßt. Nach der sog. petroleum exclusion clause4 in § 9601 (14) sind allerdings sämtliche Gefahren, die durch Öl oder durch Gas hervorgerufen werden, ausgenommen.5 Die petroleum exclusion clause ist ein Musterbeispiel erfolgreicher Lobbyarbeit der Öl- und Gasindustrie.6 Wie bereits ausgeführt, kann die Umweltbehörde Gefahrenabwehrmaßnahmen nur dann auf CERCLA stützen, wenn das Grundstück aufgrund seines besonderen Verschmutzungsgrades in die National Priority List aufgenommen worden ist.7 Altlasten, die nicht in der National Priority List verzeichnet sind, sind nach den Altlastengesetzen der Einzelstaaten zu sanieren.

___________ 1

Vgl. United States v. Reilly Tar and Chemical Co., 546 F.Supp. 1100 (D.Minn. 1982). 2 City of El Paso v. Reynolds, 507 F.Supp. 694 (700) (D.N.M. 1984). 3 Vgl. hierzu die Ausführungen von Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 32 f. 4 Zur petroleum exclusion clause vgl. Baller, 43 Southwestern Law Journal, 915 (1990). 5 In Betracht kommt allerdings eine Haftung nach anderen Gesetzen; vgl. hierzu unter 2. Kap. A. 6 Allerdings finanziert sich der Superfund nicht unwesentlich aus Abgaben der Ölund der Gasindustrie. 7 Zu den Einzelheiten vgl. Thimet, Die Sanierung von Altlasten, S. 136 ff.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

B. Handlungsbefugnisse der Bundesumweltbehörde Die Bundesumweltbehörde, die Environmental Protection Agency (EPA)8, kann zur Abwehr von Boden- und Gewässergefahren gemäß § 9604 entweder Sofortmaßnahmen (removal actions) oder längerfristige Sanierungsmaßnahmen (remedial actions) ergreifen.9 Im Regelfall wird sie einen oder mehrere Verantwortliche zu der Durchführung von Maßnahmen verpflichten (sog. abatement action). Nur wenn kein Verantwortlicher greifbar oder zur Gefahrenabwehr in der Lage ist, läßt die Behörde die Sanierung durch einen Beauftragten ausführen. Führt die Behörde Gefahrenabwehrmaßnahmen durch, so kann sie den Verantwortlichen nach § 9607 zum Ersatz der entstandenen Kosten heranziehen (cost recovery action). Mißlingt ihr der Rückgriff, so werden die Maßnahmen gemäß § 9611 aus Mitteln des Superfunds finanziert.10 Der Fonds finanziert sich aus Abgaben der Öl-, Gas- und Chemieindustrie, aus allgemeinen Steuermitteln sowie aus Entschädigungszahlungen und aus Geldstrafen der Verantwortlichen.11 § 9606 unterscheidet zwei Formen der Inanspruchnahme des Verantwortlichen: die Verwaltungsverfügung (administrative order) und die gerichtliche Anordnung (injunctive relief). Der injunctive relief hat zwar den Vorteil, daß er der Behörde einen Titel verschafft und ihr damit die zwangsweise Durchsetzung der Anordnung ermöglicht. Gleichwohl kommt ihm in der Praxis nur eine geringe Bedeutung zu, weil er mit einem großen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist und eine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als die administrative order. Die EPA erläßt daher im Regelfall eine administrative order. Kommt der Verpflichtete der administrative order nicht nach, so muß die EPA, um die administrative order vollstrecken zu können, vor einem Bundesbezirksgericht einen Vollstreckungsbefehl (enforcement order) erwirken. Die EPA kann das kontaminierte Grundstück statt dessen auch aus Mitteln des Superfunds sanieren und anschließend gemäß § 9607 (c)(3) von dem Verantwortlichen die Erstattung der aufgewandten Kosten sowie Schadenersatz mit Strafsanktion (punitive damages) bis zum Dreifachen der entstandenen Kosten ___________ 8

Zur EPA vgl. Thimet, Die Sanierung von Altlasten, S. 33 ff. In CERCLA ist von den Handlungsbefugnissen des US-Präsidenten die Rede. Dieser hat seine Befugnisse jedoch gemäß Executive Order No. 12,580, 52 Fed. Reg. 2923 vom 23.1.1987 auf die EPA übertragen. 10 Der Fonds hatte im Haushaltsjahr 1992 ein Volumen von 2,5 Milliarden USDollar; vgl. Thimet, Die Sanierung von Altlasten, S. 147 f. 11 Pollock, 68 Cornell Law Review, 706 (1983); Cohen, 19 Uniform Commercial Code Law Journal, 99 (101) (1986). 9

3. Kap.: Die Abwehr von Boden- und Gewässergefahren nach CERCLA

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verlangen.12 Die drohenden punitive damages sollen den Verantwortlichen zur freiwilligen Befolgung der Sanierungsverfügung veranlassen.13 Statt den Verantwortlichen durch Verfügung zur Sanierung zu verpflichten, kann die Umweltbehörde mit ihm auch ein settlement agreement gemäß § 9622 schließen. Derartigen öffentlich-rechtlichen Verträgen kommt in der Praxis eine große Bedeutung zu.14 Die EPA spart hierdurch Rechtsverfolgungskosten und kann die knappen Fondsmittel zur Sanierung anderer Altlastengrundstück verwenden. Aber auch für den Verantwortlichen erweisen sich settlement agreements häufig als vorteilhaft. Ein Verursacher kann in dem öffentlichrechtlichen Vertrag seine Haftung in der Regel auf den eigenen Verursachungsanteil begrenzen, während er nach § 9607 unabhängig von seinem Verursachungsbeitrag für die gesamten Sanierungskosten einzustehen hat. Nach § 9613 (f)(2) kann der Verantwortliche schließlich mit der Umweltbehörde vereinbaren, daß Regreßansprüche Dritter ausgeschlossen sind.15 Der Gesetzgeber wollte hierdurch einen Anreiz zum Vertragsschluß schaffen.

C. Rückwirkung der Haftung Dem Gesetz läßt sich nicht entnehmen, ob die CERCLA-Haftung auf Verunreinigungen beschränkt ist, die nach Inkrafttreten des Gesetzes am 11.12.1980 verursacht worden sind, oder ob sie auch rückwirkend gilt. Da das USamerikanische Recht nach herrschender Meinung16 kein verfassungsrechtliches Rückwirkungsverbot kennt, stehen einer rückwirkenden Anwendung der Haftungsnormen keine verfassungsrechtlichen Hindernisse entgegen. Angesichts der Entstehungsgeschichte und der Zielsetzung des Gesetzgebers, Maßnahmen gegen Umweltverschmutzungen zu ermöglichen, die durch bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits stillgelegte Abfalldeponien oder Industrieanlagen verursacht worden sind, hat sich die ganz herrschende Meinung17 für eine rückwirkende ___________ 12 United States v. Parsons, 936 F.2d 526 (C.A.11 1991); Aminoil, Inc. v. EPA, 599 F.Supp. 69 (73) (C.D.Cal. 1984). 13 Mulcahy, 99 Harvard Law Review, 1458 (1494) (1986). 14 Zu den Einzelheiten vgl. Kornhauser/Revesz, 68 New York University Law Review, 427 ff. (1993). 15 Vgl. hierzu unter 4. Kap. C. II. 5. 16 Vgl. nur Hitt, 18 Real Estate Law Journal, 3 (9 f.) (1989); Barr, 45 The Business Lawyer, 923 (982) (1990); a.A. Freeman, 42 The Business Lawyer, 215 (228 ff.) (1986). 17 United States v. South Carolina Recycling & Disposal, Inc., 14 Environmental Law Reporter, 20272 (20277) (D.S.C. 1984); United States v. Wade, 14 Environmental Law Reporter, 20437 (20438) (E.D.Pa. 1984); United States v. North Eastern Pharmaceutical & Chemical Co., 579 F.Supp. 823 (839) (W.D. Mo. 1984); United States v. Amtreco,

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Haftung ausgesprochen. Demnach sind auch solche Eigentümer verantwortlich, die ihr Grundstück vor dem 11.12.1980 erworben haben. Selbst Alteigentümer, die das kontaminierte Grundstück vor dem 11.12.1980 veräußert hatten, sind als past owner verantwortlich.18

___________ Inc., 809 F.Supp. 959 (M.D. Ga. 1992); HRW Systems, Inc. v. Washington Gas Light Co., 823 F.Supp. 318 (D.Md. 1993). Gegen eine rückwirkende Anwendung spricht sich das Gericht in Nunn v. Chemical Waste Management, Inc., 22 Environmental Reporter of Cases, (D.Kan. 1985) aus. 18 Vgl. hierzu unter 4. Kap. C.

4. Kapitel

Der Kreis der Störer Der Kreis der Verantwortlichen gemäß § 9607 (a)(1) – (4) ist weit gezogen. Bei Reed1 heißt es deshalb: „Liability for hazardous substance cleanups, like the flu, eventually seems to get around to everyone with any contact with the infected site“. § 9607 (a) unterscheidet sechs Gruppen von Verantwortlichen. Neben dem Entsorger (generator) und dem Anlieferer von Abfällen (transporter), die aufgrund ihres Verhaltens verantwortlich sind, nennt das Gesetz vier Gruppen von Personen, deren Haftung ganz oder zum Teil auf ihrer Beziehung zu einer Sache beruht. Einer reinen Zustandshaftung unterliegen der current und der past owner2 of a vessel or facility. Dem current owner ist nach § 9601 (A)(20)(iii) derjenige gleichgestellt, der sein Eigentum an dem kontaminierten Grundstück aufgegeben hat. Einer Mischung aus Verhaltens- und Zustandshaftung unterliegen der current und der past operator of a vessel or facility. Zentrale Begriffe des Gesetzes sind das vessel (Schiff) und die facility. Da die Verantwortlichkeit für Gefahren, die von einem Schiff ausgehen, für die vorliegende Untersuchung von untergeordneter Bedeutung ist, wird hierauf nicht näher eingegangen. Einer Erläuterung bedarf jedoch der Begriff der facility. Übersetzt bedeutet er Anlage. Der in § 9601 (9) definierte facility-Begriff ist weiter als der deutsche Anlagenbegriff. Er schließt neben Anlagen i.e.S. auch Gebäude, Mülldeponien3, Rohrleitungen, Container sowie das kontaminierte Grundstück ein.

___________ 1

16 Environmental Law Reporter, 10165 (1986). Zum owner-Begriff vgl. sogleich unter A. I. 3 Rhodes v. County of Darlington, 833 F.Supp. 1163 (D.S.C. 1992); City of North Miami, Florida v. Berger, 828 F.Supp. 401 (E.D.Va. 1993); Acme Printing Ink Co. v. Menard, Inc., 870 F. Supp. 1465 (E.D.Wis. 1994). 2

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des current owner I. Der owner-Begriff Als Zustandsstörer ist in erster Linie der current owner4 für das kontaminierte Grundstück verantwortlich. Nach der inhaltsleeren Legaldefinition des § 9601 (20)(A) ist unter einem owner „any person owning ... [the] facility“ zu verstehen. Der owner-Begriff nach CERCLA ist weiter als die wörtliche Übersetzung als Eigentümer vermuten läßt. Owner sind der Grundeigentümer sowie die Eigentümer einzelner Anlagen auf dem Grundstück. Daneben sind nach ganz herrschender Ansicht5 auch solche Personen owner, welche die Verwendung des Grundstücks bestimmen können, ohne Eigentümer zu sein. Verantwortlich sind daher auch der lessor (Vermieter, Verpächter oder Leasinggeber) und der lessee (Mieter, Pächter oder Leasingnehmer).6 Die Haftung des lessee setzt voraus, daß er die Kontrolle über das Grundstück ausübt. Ist nur ein Teil des Grundstücks kontaminiert, so muß sich seine Kontrolle gerade auf den kontaminierten Teil des Grundstücks erstrecken.7 Die Verantwortlichkeit des lessee findet dort ihre Grenzen, wo seine Sachherrschaft endet.8

___________ 4 In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird häufig nicht zwischen der Haftung als owner und als operator unterschieden, sondern von einer owner or operator-liability gesprochen. Zunächst war umstritten, ob mit „the owner and operator“ in § 9607 (a) (1) nur derjenige gemeint sei, der sowohl Eigentümer als auch Anlagenbetreiber ist; vgl. Rodgers, Environmental Law, Band 4, 1992, S. 667. Die Rechtsprechung hat sich dieser Auslegung jedoch nicht angeschlossen; vgl. nur United States v. Maryland Bank & Trust Co., 632 F.Supp. 573 (578) („... by no means does Congress always follow the rules of grammar when enacting the laws of this nation“). 5 Lincoln Properties, Ltd. v. Higgins, 823 F.Supp. 1528 (E.D.Cal. 1992); Mulcahy, 99 Harvard Law Review, 1458 (1514) (1986); Helms/Jefferies, 41 South Carolina Law Review, 815 ff. (1990); Jensen, 32 South Texas Law Review, 447 ff. (1991); Ruzzo, 20 Real Estate Law Journal, 211 (213 f.) (1992). 6 Jensen, 32 South Texas Law Review, 447 (453 f.) (1991); Ruzzo, 20 Real Estate Law Journal, 211 (213 f.) (1992). 7 Ruzzo, 20 Real Estate Law Journal, 211 (214 f.) (1992). 8 In Nurad, Inc. v. William E. Hooper & Sons Co., 966 F.2d 837 (C.A.4 (Md)) wurde die Haftung des Pächters für einen undichten unterirdischen Vorratstank verneint, weil er nach dem Pachtvertrag keine Sachherrschaft über den Tank hatte. Laut United States v. TIC Inv. Corp., 866 F.Supp. 1173 (N.D. Iowa 1994) sei entscheidend, ob der lessee die Aktivität hätte kontrollieren können, die zum Schadenseintritt geführt hat.

4. Kap.: Der Kreis der Störer

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II. Verursachungsunabhängigkeit der owner-Haftung Hat der Grundeigentümer sein Grundstück vermietet, so ist er auch dann als owner neben dem lessee verantwortlich, wenn er selbst keinen Beitrag zur Verunreinigung des Bodens geleistet hat. Auch der lessee haftet grundsätzlich unabhängig davon, ob er die Kontamination verursacht hat.9 Die Haftung des Grundeigentümers setzt einzig die Eigentümerstellung zur Zeit der Inanspruchnahme voraus.10 Nicht erforderlich ist, daß der Eigentümer durch sein Verhalten zu der Entstehung der Gefahr beigetragen hat.11 Der gegenwärtige Grundeigentümer ist sowohl für Gefahren verantwortlich, die während seines Eigentums entstehen, als auch für Gefahren, die bereits bei Erwerb des Grundstücks vorhanden waren. Nach § 9607 (a) spielt es keine Rolle, ob der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks Kenntnis12 von der Kontamination hatte. Tritt die Verunreinigung während seines Eigentums ein, so ist es ohne Bedeutung, ob der Eigentümer Kontrolle13 über die Tätigkeit hatte, welche die Gefahr herbeigeführt hat, oder ob er in irgendeiner Weise von dem Umgang mit gefährlichen Stoffen profitiert hat.14

___________ 9 United States v. Argent Corp., 14 Environmental Law Reporter, 2616 (2617) (1984). Sowohl der lessee als auch der Grundeigentümer können sich aber auf die third party defense berufen und eine Haftungsfreistellung verlangen, wenn ein Dritter die Umweltverschmutzung verursacht hat. Vgl. die Darstellung zur third party defense unter 5. Kap. C. II. 3. 10 Bei Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (10) (1991) heißt es prägnant: „Liability (...) for current or former owners arises merely as a result of the owners’ status, rather than the acts of those owners“. 11 State of New York v. Shore Realty Corp., 759 F.2d 1032 (1044) (2d Cir. 1985); United States v. Monsanto Co., 858 F.2d 160 (C.A.4 (S.C.) 1988); Farmland Industries, Inc. v. Morrison-Quirk Grain Corp., 987 F.2d 1335 (C.A.8 (Neb.) 1993); United States v. Alcan Aluminum Corp., 990 F.2d 711 (C.A.2 (N.Y.) 1993); Westfarm Associates Ltd. Partnership v. International Fabricare Institute, 846 F.Supp. 422 (D.Md. 1993); City of Philadelphia v. Stephan Chem. Co., 18 Environmental Law Reporter, 20133 (E.D. Pa. 1987); United States v. Springfellow, 661 F.Supp. 1053 (1063) (C.D.Cal. 1987). 12 United States v. Cauffman, 21 Environmental Reporter of Cases, 2167 (2168) (C.D.Cal. 1984). 13 United States v. Iron Mountain Mines, Inc., 812 F.Supp. 1528 (E.D.Cal. 1992); United States v. Witco Corp., 865 F.Supp. 243 (E.D.Pa. 1994); Elf Atochem North America, Inc. v. United States, 868 F.Supp. 707 (E.D.Pa. 1994). 14 United States v. Tyson, Environmental Reporter of Cases, 1897 (1905 f.) (E.D.Pa. 1986); Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 ff. (1987).

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

III. Gesetzliche Haftungsfreistellungen §9601 (20)(A) nimmt allerdings den Staat von der Verantwortlichkeit aus, wenn er das Eigentum durch Insolvenz, Zwangsvollstreckung, Aufgabe oder in sonstiger Weise erlangt hat (sog. Fiskusprivileg).15

B. Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten Nach § 9601 (20)(A)(iii) gilt auch derjenige als gegenwärtiger Eigentümer, der sein Eigentum an dem kontaminierten Grundstück aufgegeben hat. Dem Grundeigentümer soll auf diese Weise die Möglichkeit genommen werden, sich durch Eigentumsaufgabe der Zustandshaftung zu entledigen und die Kostenlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen.16

C. Die Zustandsverantwortlichkeit des past owner Neben dem current owner ist nach § 9607 (a)(2) unter bestimmten Voraussetzungen auch der past owner zustandsverantwortlich. Die Einstandspflicht des früheren Eigentümers oder Besitzers setzt allerdings – anders als die Verantwortlichkeit des current owner und des Derelinquenten – voraus, daß die Verunreinigungdurch eine Ablagerung (disposal) in der Zeit seines Eigentums oder Besitzes eingetreten ist.17 § 9601 (29) nimmt auf den Ablagerungsbegriff des § 6903 (3) „Solid Waste Disposal Act Bezug. Dort wird eine Ablagerung wie folgt definiert: The term disposal means the discharge, deposit, injection, dumping, spilling, leaking, or placing ... so that ... any hazardous waste ... may enter the environment or be emitted into the air or discharged into any waters, including ground waters.“ Eine Ablagerung setzt nach herrschender Meinung nicht voraus, daß der Gefahrstoff durch ein willensgetragenes menschliches

___________ 15 In diesem Fall besteht die Eigentümerhaftung des Rechtsvorgängers gemäß § 9601 (20) (A) fort. 16 Zu der Frage, ob der Insolvenzverwalter das Eigentum an einem kontaminierten Grundstück aufgeben kann und welche haftungsrechtlichen Folgen dies nach sich zieht, vgl. In re T.P. Long Chemical, Inc., 45 B.R. 278 (Bankr. N.D.Ohio 1985) sowie Sachs, 13 Ecology Law Quarterly, 555 ff. (1986). 17 Ecodyne Corp. v. Shah, 718 F.Supp. 1454 (1457) (N.D.Cal. 1989) stellt klar, daß eine Verantwortlichkeit nur besteht, wenn die Ablagerung zur Zeit der Eigentümerstellung erfolgte.

4. Kap.: Der Kreis der Störer

427

Verhalten in das Erdreich gelangt ist.18 Der Begriff ist weit auszulegen und umfaßt z. B. auch das Auslaufen giftiger Substanzen aus korrosiven Fässern, Tanks oder Rohrleitungen (sog. passive disposal).19 Die Haftung wird allein dadurch ausgelöst, daß es zu einem disposal während der Stellung als owner kommt.20 Ohne Bedeutung ist, ob der owner für die Ablagerung mitverantwortlich ist oder ob er von ihr wußte oder wissen konnte.21 Einer einmal begründeten Verantwortlichkeit kann sich der owner nicht dadurch entledigen, daß er sein Eigentum überträgt oder aufgibt.22

D. Die Verantwortlichkeit des current operator I. Keine eigenständige Anlagenbetreiberhaftung Verantwortlich ist ferner der current operator, d.h. der gegenwärtige Anlagenbetreiber.23 Im US-amerikanischen Recht hat sich allerdings bisher keine eigenständige Anlagenbetreiberhaftung herausgebildet. Die Rechtsprechung und Literatur haben es nicht vermocht, den operator-Begriff zu definieren. Viele Gerichte begründen die Haftung von Unternehmen, die sowohl Eigentümer des Grundstücks als auch Betreiber der Anlage sind, undifferenziert mit der Stellung als owner or operator. Der Mehrzahl der Entscheidungen zur reinen operator-Haftung liegen Fälle zu Grunde, in denen der operator weder Eigentümer des Grundstücks noch der Anlage ist. Hierbei geht es vor allem um die Haftung von Muttergesellschaften oder von einzelnen Gesellschaftern. ___________ 18

Nurad, Inc. v. William E. Hooper & Sons Co., 966 F.2d 837 (C.A.4 (Md.) 1992); In re Hemingway Transport, Inc., 108 B.R. 378 (381 f.) (D.Mass. 1989); Stanley Works v. Syndergeneral Corp., 781 F.Supp. 659 (660 ff.) (E.D.Cal. 1990); CPC International v. Aerojet-General Corp., 759 F.Supp. 1269 (1278) (W.D.Mich. 1991); HRW Systems, Inc. v. Washington Gas Light Co., 823 F.Supp. 318 (D.Md. 1993); Bronston, 93 Michigan Law Review, 609 (610 f.) (1994). A.A. Ecodyne Corp. v. Shah, 718 F.Supp. 1454 (1456 ff.) (N.D.Cal. 1989); Snediker Developpers Ltd. Partnership v. Evans, 773 F.Supp. 984 (989) (E.D.Mich. 1991); United States v. Petersen Sand & Gravel, Inc., 806 F.Supp. 1346 (1350 ff.) (N.D.Ill. 1992). 19 Reading Co. v. City of Philadelphia, 155 B.R. 890 (E.D.Pa 1993). Eingehend zu der Frage, ob auch ein sog. passive disposal die CERCLA- Haftung auslöst, vgl. Bronston, 93 Michigan Law Review, 609 ff. (1994). Bronston tritt für eine Beschränkung der Haftung auf Fälle des sog. active disposal ein. 20 Zu dem Verteidigungsmittel der third party defense siehe unter 5. Kap. C. II. 3. 21 Vgl. nur United States v. Monsanto Co., F.2d 160 (166) (4th Cir. 1988). 22 AM Intern., Inc. v. International Forging Equipment, 743 F.Supp. 525 (N.D.Ohio 1990). 23 Vgl. die Darstellung bei Rodgers, Environmental Law, Band 4, S. 670 f. und Wallace/Stapleton, Environmental Litigation, 1994, S. 19 ff.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Auch im Schrifttum fehlt bisher eine systematische Durchdringung des operator-Begriffs. Wie die Rechtsprechung befaßt sich die Literatur allein mit Einzelaspekten, wie z. B. mit der Haftung von Muttergesellschaften als operator.

II. Operator-Begriff In der Rechtsprechung und im Schrifttum war lange Zeit umstritten, welches Maß an Kontrolle erforderlich ist, um eine operator- Haftung auszulösen. Allerdings hat der Supreme Court in der Entscheidung United States v. Bestfoods24 aus dem Jahre 1998 inzwischen für eine Klärung der Streitfrage gesorgt. Umstritten war insbesondere, unter welchen Voraussetzungen eine Muttergesellschaft bzw. eine kreditgebende Bank25 als operator anzusehen ist.

1. Capacity to control-Test Ein Teil der Rechtsprechung26 vertrat die Ansicht, operator sei bereits, wer die Möglichkeit habe, Kontrolle über das Umweltverhalten des Anlageneigentümers auszuüben. Nicht erforderlich sei, daß er von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch mache (capacity to control-Test). Der capacity to controlTest hat zur Folge, daß die Muttergesellschaft oder ein Mehrheitsgesellschafter allein wegen ihrer Rechtsstellung operator wären, weil sie ihm die Möglichkeit zur Einflußnahme eröffnet.27

___________ 24

524 U.S. 51 (1998); vgl. die ausführliche Darstellung unter 4. Kap. D. II. 3. Vgl. die ausführliche Darstellung zur Haftung gesicherter Kreditgeber unter Kapitel 10. 26 Für Gesellschafter vgl. Robertshaw Controls Co. v. Watts Regulator Co., 807 F.Supp. 144 (D.Me. 1992), wobei das Gericht darauf abstellt, ob der Gesellschafter Präventionsmaßnahmen gegen die konkrete Umweltverschmutzung hätte ergreifen können. Für Muttergesellschaften vgl. Idaho v. Bunker Hill Co., 635 F.Supp. 665 (D.Idaho 1986). Hierbei stellt das Gericht darauf ab, daß die Muttergesellschaft „... had capacity to make timely discovery of discharges, had power to direct activities of persons who controlled mechanisms causing pollution, and had capacity to prevent and abate damage“. Ähnlich auch Colorado v. Idarado Mining Co., 18 Environmental Law Reporter, 20578 (D.Colo. 1987.); Vermont v. Staco, Inc., 684 F.Supp. 822 (D.Vt. 1988) sowie United States v. Nicolet, Inc., 712 F.Supp 1193 (E.D.Pa 1989). 27 Snook, 68 Conneticut Business Journal, 422 (1994) sowie Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 79. 25

4. Kap.: Der Kreis der Störer

429

2. Actual control-Test Die herrschende Meinung forderte hingegen, daß der operator die tatsächliche Kontrolle ausüben müsse (actual control-Test).28 Umstritten war allerdings, worauf sich die Kontrolle beziehen müsse.29 In der Rechtsprechung30 wurde zum Teil die Ansicht vertreten, der operator müsse den Umweltbereich des Unternehmens kontrollieren. Die herrschende Meinung sprach sich hingegen dafür aus, daß der operator die day-to-day operation der Anlage kontrollieren31 und damit die umfassende Kontrolle über die (Tochter-)Gesellschaft ausüben müsse (actual pervasive control).32

___________ 28

Zur operator-Haftung von Gesellschaftern vgl. Riverside Market Development Corp. v. International Building Products, 931 F.2d 327 (5th Cir. 1990); CBS, Inc. v. Hekin, 803 F.Supp. 1426 (N.D.Ind. 1992) sowie United States v. Amtreco, Inc. 809 F.Supp. 959 (M.D. Ga. 1992). Für Muttergesellschaften vgl. United States v. KayserRoth Corp., 910 F.2d 24 (1st Cir. 1990); Rockwell International Corp. v. IU International Corp., 702 F.Supp. 1384 (N.D.Ill. 1988); United States v. McGraw-Edison Co., 718 F.Supp. 154 (W.D.N.Y. 1989); New York v. Exxon Corp., 112 B.R. 540 (Bankr. S.D.N.Y. 1990). 29 Siehe hierzu Blankenship/Mandel, 4 Tulane Environmental Law Journal, 213 ff. (1990). 30 Riverside Market Development Corp. v. International Building Products, 931 F.2d 327 (5th Cir. 1990); City of North Miami v. Berger, 828 F.Supp. 401 (E.D.Va. 1993); Nutra Sweet Co. v. X-L Engineering Corp., 933 F.Supp. 1409 (N.D.Ill. 1996). 31 United States v. Consolidated Rail Corp., 729 F.Supp. 1461 (D.Del. 1990); Redland Soccer Club, Inc. v. Department of Army of U.S., 801 F.Supp. 1432 (M.D.Pa. 1992); United States v. Vertac Chemical Corp., 841 F.Supp. 884 (E.D.Ark. 1993); Rospatch Jessco Corp. v. Chrysler Corp., 962 F.Supp. 998 (W.D.Mich. 1995); Lentz v. Mason, 961 F.Supp. 709 (D.N.J. 1997). Für Gesellschafter siehe Levin Metals Corp. v. Parr-Richmand Terminal Co., 781 F.Supp. 1454 (N.D.Cal. 1991); United States v. Amtreco, Inc. 809 F.Supp. 959 (M.D.Ga. 1992); CBS, Inc. v. Hekin, 803 F.Supp. 1426 (N.D.Ind. 1992); Kelley ex. rel. State of Michigan v. Kysor Indus. Corp., 826 F.Supp. 1089 (W.D.Mich. 1993). Für Muttergesellschaften vgl. Lansford-Coaldale Joint Water Authority v. Tonolli Corp., 4 F.3d 1209 (3d Cir. 1993); United States v. TIC Inv. Corp., 68 F.3d 1082 (8th Cir. 1995); Rockwell International Corp. v. IU International Corp., 702 F.Supp. 1384 (N.D.Ill. 1988); United States v. McGraw-Edison Co., 718 F.Supp. 154 (W.D.N.Y. 1989); New York v. Exxon Corp., 112 B.R. 540 (Bankr. S.D.N.Y. 1990); Jacksonville Elec. Auth. v. Eppinger & Russell Co., 776 F.Supp. 1542 (M.D.Fla. 1991). 32 United States v. Kayser-Roth Corp., 910 F.2d 24 (1st Cir. 1990). Maßgebend war nach Ansicht des Gerichts insbesondere, daß die Muttergesellschaft umfassende Kontrolle über die Finanzangelegenheiten der Tochtergesellschaft hatte, sie die Tochter verpflichtete, bestimmte Aufträge an die Mutter abzugeben, die Mutter Geschäfte über 5000 US-Dollar genehmigen mußte und die Direktoren- und Geschäftsführerpositionen mit Angestellten der Muttergesellschaft besetzt worden waren. Vgl. auch FMC Corp. v. U.S. Department of Commerce, 29 F.3d 833 (3rd Cir. 1994); John Boyd Co. v. Boston

430

2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

3. Die Entscheidung des Supreme Court in United States v. Bestfoods In der Entscheidung United States v. Bestfoods33 vom 8.6.1998 schloß sich der Supreme Court dem actual control-Test der herrschenden Meinung an. Eine Muttergesellschaft sei dann als operator verantwortlich, wenn sie den Anlagenbetrieb der Tochtergesellschaft kontrolliere. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde. Ott I nahm 1957 den Betrieb einer Chemiefabrik auf. Durch Giftmüllablagerungen wurden der Boden und das Grundwasser erheblich verunreinigt. 1965 erwarb Ott II, eine 100%ige Tochter von CPC, die Anlage. Der Anlagenbetrieb führte zu weiteren Umweltverschmutzungen. Der Gründer, Präsident und Mehrheitsaktionär von Ott I, Arnold Ott, wurde zum Vorstandsmitglied bei CPC und Ott II bestellt und wurde für beide Gesellschaften tätig. CPC’s Abteilungsleiter für Umweltschutz, Williams, nahm zeitweilig die Kontrolle über die Umweltschutzbelange von Ott II wahr, ohne allerdings eine Funktion bei Ott II zu bekleiden. Nachdem die Umweltbehörde tausende von korrosiven Giftfässern auf dem Grundstück entdeckt und festgestellt hatte, daß das Erdreich und das Grundwasser stark verunreinigt waren, verklagte sie u.a. CPC, die sich im Laufe des Verfahrens in Bestfoods umbenannte. Die EPA begehrte festzustellen, daß CPC (Bestfoods) ihr als operator zur Erstattung der Sanierungskosten verpflichtet sei. Das Bezirksgericht34 bejahte – gestützt auf den actual pervasive controlTest – eine Haftung von CPC als operator, weil diese zur Zeit der Umweltverschmutzung als Muttergesellschaft aktiv an dem Geschäft ihrer Tochtergesellschaft mitgewirkt und Kontrolle ausgeübt habe. So habe CPC den Vorstand von Ott II mit eigenen Leuten besetzt. Ferner habe der CPC-Abteilungsleiter Williams bei Ott II die Aufgaben des Umweltschutzes wahrgenommen.

___________ Gas Co., 775 F.Supp. 435 (D.Mass. 1991); Kleen Laundry & Dry Cleaning Services, Inc. v. Total Waste Management, Inc., 867 F.Supp. 1136 (D.N.H. 1994); Idylwoods Associates v. Mader Capital, Inc., 915 F.Supp. 1290 (W.D.N.Y. 1996). Restriktiver hingegen CPC International, Inc. v. Aerojet-General Corp., 777 F.Supp. 549 (573) (W.D.Mich. 1991), wonach die Muttergesellschaft während der Zeit der Umweltverschmutzung am Geschäft der Tochter mitgewirkt oder dieses tatsächlich kontrolliert haben müsse. Vgl. auch United States v. Cordova Chemical Co. of Michigan, 113 F.3d 572 (6th Cir. 1997). 33 524 U.S. 51 (1998). 34 CPC International, Inc. v. Aerojet-General Corp., 777 F.Supp. 549 (W.D.Mich. 1991).

4. Kap.: Der Kreis der Störer

431

Demgegenüber lehnte das Berufungsgericht35 eine operator-Haftung von CPC ab. Eine Haftung von Muttergesellschaften als operator komme nur in Betracht, wenn diese in einem solch starken Maß die Kontrolle über die Tochtergesellschaft ausgeübt habe, daß darin ein Mißbrauch des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips zu sehen sei. Dies sei bei CPC nicht der Fall gewesen. Der Supreme Court verwarf sowohl den vom Bezirksgericht zugrunde gelegten actual pervasive control-Test als auch die vom Berufungsgericht geforderte Haftung nach den Grundsätzen der Durchgriffshaftung. Er stellte klar, daß es für die Stellung als operator nicht auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft ankomme. Maßgebend sei allein das Verhältnis der Muttergesellschaft zum Anlagenbetrieb.36 Eine Muttergesellschaft sei wie jeder andere dann operator, wenn sie entsprechend dem Wortsinn die Arbeiten der Anlage leite. Der operator müsse gerade die Angelegenheiten wahrgenommen haben, die zu der Umweltverschmutzung geführt haben. Nicht ausreichend sei es, wenn die Muttergesellschaft zwar das Geschäft der Tochtergesellschaft, nicht aber deren Anlagenbetrieb kontrolliert habe. Eine Muttergesellschaft kontrolliere den Anlagenbetrieb ihrer Tochtergesellschaft, wenn ihre Angestellten wesentliche Aufgaben des Anlagenbetriebs der Tochtergesellschaft wahrnehmen. Werden Personen sowohl für die Mutter- als auch für die Tochtergesellschaft tätig, so könne hieraus noch nicht geschlossen werden, daß die Muttergesellschaft die Anlage betrieben habe. Es werde vielmehr vermutet, daß die Personen in ihrer Funktion für die Tochtergesellschaft tätig geworden seien. Diese Vermutung greife allerdings dann nicht, wenn ihre Handlungen die Tochtergesellschaft schädigen und der Muttergesellschaft nützen. Die bloße Tätigkeit von Arnold Ott sowohl im Vorstand von Ott II als auch von CPC lasse daher nicht den Schluß zu, CPC habe die Anlage betrieben. Anders könne jedoch das Verhalten von Williams zu beurteilen sein. Da das Bezirksgericht zu den Aktivitäten von Williams keine hinreichenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen hatte, hob der Supreme Court die Entscheidung auf und verwies sie an das Bezirksgericht zurück.

E. Die Verantwortlichkeit des past operator Neben dem current operator ist auch der past operator verantwortlich, sofern die Ablagerung zu der Zeit seines Anlagenbetriebes erfolgte. Ein Anlagen-

___________ 35 36

United States v. Cordova/Michigan, 113 F.3d 572 (6th Cir. 1997). So bereits Kupin, 19 Real Estate Law Journal, 191 (209) (1991).

432

2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

betreiber kann sich seiner Haftung folglich nicht durch Einstellung des Anlagenbetriebs entziehen.37

F. Die Verantwortlichkeit des generator Verantwortlich ist ferner der generator oder arranger, d.h. der Entsorgende. § 9607 (a)(3) versteht hierunter „any person who ... arranged for disposal or treatment ... of hazardous substances“. Die Verantwortlichkeit knüpft somit an die Veranlassung der Entsorgung an.38 Der Begriff des Entsorgenden wird weit ausgelegt. Hierunter fallen alle Personen, welche die Entsorgung eigener oder fremder Gefahrstoffe durchführen oder organisieren. Generator ist, wer als Entsorgungsunternehmen Gefahrstoff auf einer eigenen oder fremden Mülldeponie ablagert.39 Generator kann aber auch sein, wer Gefahrstoffe an einen Dritten veräußert, um sich ihrer zu entledigen.40

G. Die Verantwortlichkeit des transporter Nach § 9607 (a)(4) ist schließlich der transporter, d.h. der Abfallanlieferer verantwortlich. Er haftet bereits dann, wenn er die giftige Substanz zu der Anlage gebracht hat. Ziel der transporter-Haftung ist es, den Abfallanlieferer von einer illegalen Ablagerung des Mülls außerhalb einer Abfallentsorgungsanlage abzuhalten.41

H. Zusammenfassung CERCLA unterscheidet sechs Gruppen von Verantwortlichen: den current und den past owner, den Derelinquenten, den current und den past operator, den generator und den transporter. ___________ 37 AM Intern., Inc. v. International Forging Equipment, 743 F.Supp. 525 (N.D.Ohio 1990). 38 Mulcahy, 99 Harvard Law Review, 1458 (1516) (1986); Miller, 21 The University of Toledo Law Review, 985 (994 ff.) (1990). 39 Vgl. hierzu United States v. Bliss, 667 F.Supp. 1298 (1303 ff.) (E.D.Mo. 1987). 40 Vgl. Gaba, 44 Southwestern Law Journal, 1313 (1323) (1991). 41 United States v. Bliss, 667 F.Supp. 1298,1303 (1307) (E.D.Mo. 1987). Vgl. zur transporter-Haftung allgemein Mulcahy, 99 Harvard Law Review, 1458 (1514) (1986).

4. Kap.: Der Kreis der Störer

433

Als owner zustandsverantwortlich ist zum einen der Eigentümer des kontaminierten Grundstücks. Über den Wortsinn hinaus sind zum anderen sämtliche Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (wie z. B. Mieter und Pächter) als owner verantwortlich. Von der owner-Haftung ausgenommen ist allerdings der Staat, wenn er das Eigentum an dem Grundstück durch Insolvenz, Zwangsvollstreckung oder Dereliktion erlangt hat. Der Grundeigentümer kann sich seiner Verantwortlichkeit für das kontaminierte Grundstück nicht durch Aufgabe des Eigentums entziehen. Verliert der Grundeigentümer sein Eigentum in anderer Weise als durch Dereliktion, so ist er als past owner verantwortlich, wenn die Kontamination zur Zeit seines Eigentums oder seiner tatsächlichen Sachherrschaft eingetreten ist. Unbeachtlich ist, wie es zu der Verunreinigung gekommen ist. Die Voraussetzungen der operator-Haftung waren lange Zeit umstritten. Unklar war, welches Maß an Kontrolle erforderlich ist, um eine Anlagenbetreiberhaftung auszulösen. In der Rechtsprechung wurde zum Teil die Ansicht vertreten, daß bereits die Möglichkeit genüge, das Umweltverhalten des Anlagenbetreibers zu kontrollieren. Die herrschende Meinung sprach sich demgegenüber dafür aus, daß ein operator die tatsächliche Kontrolle über den Anlagenbetrieb bzw. über das Umweltverhalten ausgeübt haben müsse. Der Supreme Court hat diese Streitfragen inzwischen in der Entscheidung United States v. Bestfoods aus dem Jahre 1998 geklärt und sich für den actual controlTest ausgesprochen. Der operator müsse den Anlagenbetrieb kontrolliert und dabei auch auf das Umweltverhalten Einfluß genommen haben.

5. Kapitel

Die Opferfälle A. Verursachungsunabhängigkeit der CERCLA-Haftung Die CERCLA-Haftung des owner und in bestimmten Fällen auch des operator beruht allein auf ihrer (rechtlichen) Beziehung zu der gefährlichen Sache. Die Haftung ist verursachungs- und verschuldensunabhängig.1 Sie geht damit über denjenigen Personenkreis hinaus, für die sie eigentlich2 gedacht war. Der Gesetzgeber wollte die Haftung auf Personen beschränken, die an der Ablagerung von Gefahrstoffen mitgewirkt oder von ihr profitiert haben.3 § 9607 sieht hingegen auch eine Verantwortlichkeit von Eigentümern und Besitzern vor, die selbst Opfer der Verunreinigung sind. Von besonderer praktischer Bedeutung ist dies in Fällen, in denen der Eigentümer gutgläubig ein kontaminiertes Grundstück erworben hat oder in denen die Gefahr Folge eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Ereignisses – z. B. eines Tankwagenunfalls – ist. In diesen Fällen wird die Haftung des Eigentümers oder Besitzers im Schrifttum vielfach als unbillig empfundenen.4 Barr5 bezeichnet die CERCLA-Haftung als „the harshest liability scheme around“.

B. Keine Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit Die Schärfe der Haftung wird dadurch verstärkt, daß die EPA nach allgemeiner Ansicht6 frei darüber entscheiden kann, welchen Verantwortlichen sie ___________ 1 Adhesives Research, Inc. v. American Inks & Coatings Corp., 931 F.Supp. 1231 (M.D.Pa. 1996). 2 Laut Baker/Barooly, 22 St. Mary’s Law Journal, 115 (116) (1990) habe der Gesetzgeber eine Haftung des Eigentümers unabhängig von einem eigenen Verursachungsbeitrag oder von einer Kenntnis der Kontamination nicht beabsichtigt. 3 Ebendort. 4 Vgl. nur Barr, 45 The Business Lawyer, 923 (924) (1990); Howard, 42 Baylor Law Review, 53 (55) (1990). 5 Ebendort. 6 Vgl. nur Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (774 f.) (1987); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 27.

5. Kap.: Die Opferfälle

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bei einer Störermehrheit zur Sanierung heranzieht. Rechtliche Vorgaben für die Störerauswahl gibt es nicht. Die Behörde muß keine Gerechtigkeitserwägungen anstellen und insbesondere nicht den Verursacher vorrangig vor dem Zustandsstörer in Anspruch nehmen.7 In der Praxis ist die Leistungsfähigkeit der Verantwortlichen ein wesentliches Kriterium bei der Störerauswahl. Im Schrifttum ist daher vielfach von der „Suche nach tiefen Taschen“ die Rede.8 Allerdings hat die EPA 1991 in einer Richtlinie angekündigt, daß sie Hauseigentümer dann nicht heranziehen werde, wenn sie die Kontamination nicht wenigstens mitverursacht haben.9

C. Verteidigungsmöglichkeiten gegen die CERCLA-Haftung I. Haftungsfreistellung in den Opferfällen Nach § 9607 (a) gehören Eigentümer auch dann zu den potentiell verantwortlichen Parteien, wenn sie sich in einer Opferposition befinden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie die Sanierung tatsächlich durchführen müssen. Nach § 9607 (b) können potentiell verantwortliche Parteien die dort genannten Einreden gegen die CERCLA-Haftung erheben. Beruft sich ein Eigentümer auf eine der zugelassenen Einreden und weist er deren Tatbestandsvoraussetzungen nach, so entfällt seine CERCLA-Haftung.10 § 9607 (a) stellt klar, daß ein potentiell Verantwortlicher sich gegen eine Heranziehung nur mit den in § 9607 (b) genannten Einreden (defenses) verteidigen kann.11 Es sind dies 1. an act of God (höhere Gewalt), 2. an act of war ___________ 7

Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 ff. (774) (1987). 8 Colorado v. Asacro, Inc., 608 F.Supp. 1484 (1491) (D.Colo. 1985). Vollmann, 16 Real Estate Law Journal, 3 (5) (1987) spricht davon, daß „... typically the one with the deepest pockets can be sued for the entire costs“. Ähnlich Bass, 41 University of Miami Law Review, 879 (882) (1987); Moelis, 12 Cardozo Law Review, 213 (1990); Malloy, Columbia Journal of Environmental Law, 63 (66) (1990); Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (6) (1991). 9 Policy Towards Owners of Residential Property at Superfund Sites, OSWER Directive No. 9834.6 vom 3.7.1991. 10 Nach § 9607 (b) muß das Verteidigungsmittel von der potentiell verantwortlichen Partei vorgebracht und bewiesen werden; vgl. Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 61. 11 Zum abschließenden Charakter der genannten Einreden vgl. United States v. Alcan Aluminum Corp., 990 F.2d 711 (C.A.2 (N.Y.) 1993); Thaler v. PRB Metal Products, Inc., 815 F.Supp. 99, (E.D. N.Y. 1993); United States v. Allied-Signal, Inc., 820 F.Supp.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

(Kriegseinwirkungen), 3. die third party defense (Fremdeinwirkungseinrede), 4. die innocent landowner defense (Einrede des gutgläubigen Erwerbes) sowie 5. die secured creditor exemption12 (Haftungsausschluß des gesicherten Kreditgebers). Ausgeschlossen sind hingegen die equitable defenses13 des common law.

II. Die einzelnen Einreden Während die Einreden der höheren Gewalt und der Kriegseinwirkung in der Praxis bisher kaum eine Rolle gespielt haben14, sind die third party defense und insbesondere die innocent landowner defense von großer Bedeutung. Im folgenden sollen die vier genannten Einreden näher erläutert werden.15

1. Act of God Nach § 9607 (b) ist die CERCLA-Haftung ausgeschlossen, wenn der potentiell Verantwortliche nachweist, daß die Kontamination Folge höherer Gewalt ist. Nach der Legaldefinition des § 9601(1) liegt höhere Gewalt bei unvorhergesehenen Naturkatastrophen oder Naturphänomen von außergewöhnlicher und unvermeidbarer Art vor, deren Folgen nicht durch Anwendung der erforderlichen Sorgfalt oder Vorausschau hätten vermieden oder verhindert werden können.16 Die Haftung ist nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn die Kontamination Folge eines Naturereignisses – wie z. B. von starkem Regen – ist. Hinzukommen muß, daß der potentiell Verantwortliche sie auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können, indem er z. B. bei einem in der Nähe eines Flusses gelegenen Grundstück Vorkehrungen gegen Hochwasser trifft oder Gefahrstoffe rechtzeitig vor dem Eintreffen der Flutwelle an einen sicheren Ort transportiert. ___________ 1120 (S.D. Ind. 1993); United States v. Smuggler-Durant Min. Corp., 823 F.Supp. 873 (D.Colo. 1993) sowie Malloy, Columbia Journal of Environmental Law 1990, 63 (66). 12 Auf die secured creditor exemption wird ausführlich im Zusammenhang mit der Kreditgeberhaftung einzugehen sein; vgl. hierzu unter Kapitel 10. 13 Rodgers, Environmental Law, Band 4, S. 693 f. 14 So auch Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 46. 15 Auf die fünfte Einrede, die secured creditor exemption, wird im Zusammenhang mit der Kreditgeberhaftung eingegangen; vgl. unter Kapitel 10. 16 Die Legaldefinition des § 9601 (1) lautet wörtlich: „... unanticipated grave natural disaster or other natural phenomenon of an exceptional, inevitable, and irresistible character, the effects of which could not have been prevented or avoided by the exercise of due care or foresight“.

5. Kap.: Die Opferfälle

437

Soweit ersichtlich hat die Rechtsprechung17 einen Haftungsausschluß wegen höherer Gewalt bisher nur in einem Fall bejaht, in dem ein Kaufhaus infolge eines Blitzschlages niederbrannte, wodurch Gefahrstoffe freigesetzt wurden.18 Höhere Gewalt wurde hingegen abgelehnt bei besonders starken Regenfällen, wenn diese unter den klimatischen Bedingungen vorhersehbar waren und die Folgen des Regens durch eine Drainage hätten verhindert werden können. 19

2. Act of war Die Haftung ist auch ausgeschlossen, wenn die Bodenkontamination Folge einer Kriegseinwirkung, z. B. einer Bombe, ist. Die Einrede der Kriegseinwirkung ist bisher, soweit ersichtlich, nicht mit Erfolg erhoben worden. In United States v. Shell Oil Co.20 hatte sich die Beklagte ohne Erfolg darauf berufen, daß die Gefahrstoffe bei der Herstellung von Flugzeugtreibstoffen im 2. Weltkrieg ausgelaufen seien.

3. Third party defense Ein potentiell Verantwortlicher haftet gemäß § 9607 (b)(3) ferner dann nicht, wenn er nachweist, daß die Kontamination ausschließlich Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Dritten ist, sofern der potentiell Verantwortliche die erforderliche Sorgfalt obwalten lassen und Vorsichtsmaßnahmen gegen vorhersehbare Handlungen oder Unterlassungen Dritter unternommen hat (third party defense).

___________ 17

Wagner Seed Co. v. Bush, 709 F.Supp. 249 (250) (C.D.Cal. 1987). Vgl. die Darstellung bei Rodgers, Environmental Law, Band 4, S. 696 f. 19 United States v. Springfellow, 661 F.Supp. 1053 (C.D.Cal. 1987). Höhere Gewalt wurde ebenfalls verneint bei Verunreinigungen durch Sturm; vgl. United States v. M/V Santa Clara I, 887 F.Supp. 825 (D.S.C. 1995); United States v. Poly-Carb, Inc., 951 F.Supp. 1518 (D.Nev. 1996) und durch Löschwasser zur Bekämpfung eines Brandes; vgl. Wagner Seed Co. v. Daggett, 800 F.2d 310 (2nd Cir. 1986). 20 841 F.Supp. 962 (S.D.Cal. 1993). 18

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

a) Fremdeinwirkung Die third party defense setzt zunächst voraus, daß die Gefahr allein21 durch das Verhalten eines Dritten verursacht worden ist. Ist der Eigentümer hingegen, und sei es nur mit einem kleinen Beitrag, an der Gefahrentstehung beteiligt gewesen, so ist die third party defense nicht einschlägig.22 Dritter im Sinne der third party defense ist, wer weder der Sphäre des owner zuzurechnen ist, noch in einer sonstigen vertraglichen Beziehung zu ihm steht (wholly unrelated person). Wesentliches Kriterium der third party defense23 ist das Fehlen einer vertraglichen Beziehung zwischen dem owner und dem Dritten, der die Kontamination verursacht hat. Eine Berufung auf die third party defense hat demnach keinen Erfolg, wenn der Eigentümer dem Dritten sein Grundstück zur Nutzung überlassen hat und wenn der Dritte später den Boden kontaminiert. So greift die Einrede insbesondere nicht, wenn der Eigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer Fabrik oder einer Abfalldeponie vermietet oder verpachtet hat, von der die Gefahr ausgeht.24

b) Keine Haftungsfreistellung bei vertragswidriger Nutzung Umstritten ist, ob eine Berufung auf die third party defense nur dann ausgeschlossen ist, wenn bereits der Vertrag in irgendeiner Weise auf einen Umgang mit gefährlichen Stoffen hindeutet25 – wie etwa bei der Verpachtung an einen Tankstellenbetreiber – oder ob dies selbst dann gilt, wenn das Vertragsverhältnis dies nicht nahelegt und der Dritte das Grundstück vertragswidrig in umweltgefährdender Weise nutzt.

___________ 21

Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 60. Bei einem nur geringfügigen Verursachungsbeitrag kommt allerdings ein de minimis settlement in Betracht. Hierauf wird näher unter 5. Kap. C. II. 5. eingegangen. 23 Vgl. Wallace/Stapleton, Environmental Litigation, S. 27 ff. 24 Wilsdon, 38 The Hastings Law Journal, 1261 (1291) (1987). 25 In diesem Sinne Westwood Pharmaceuticals, Inc. v. National Fuel Gas Distribution Corp., 964 F.2d 85 (C.A.2 (N.Y.) 1992); Lincoln Properties, Ltd. v. Higgins, 823 F.Supp. 1528 (E.D.Cal. 1992). Beide Entscheidungen lehnen eine Haftung ab, weil der Vertrag mit dem Verursacher keinen Bezug zu gefährlichen Substanzen aufwies. In United States v. A & N Cleaners and Launderers, Inc., 788 F.Supp. 1317 (S.D.N.Y. 1992) wird die Haftung hingegen bejaht, weil der lease contract gerade eine Nutzung als Reinigung vorsah. So auch United States v. Maryland Bank & Trust Co., 632 F.Supp. 573 (581) (D.Md. 1986) und United States v. Tyson, 25 Environmental Reporter of Cases (BNA), 1897 (1906) (E.D. Pa. 1986). 22

5. Kap.: Die Opferfälle

439

Die herrschende Meinung hat sich der letztgenannten Ansicht angeschlossen. Sie verweist zur Begründung auf § 9601 (35), der selbst Grundstückskaufverträge als Vertragsbeziehung im Sinne des § 9607 (b)(3) anführt.26 Der Eigentümer ist nach herrschender Ansicht für alle Verunreinigungen verantwortlich, die während der Zeit seines Eigentums durch seinen gegenwärtigen oder ehemaligen Pächter, Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten verursacht worden sind. Der Eigentümer muß sich folglich auch solche Risiken zurechnen lassen, die auf einer vertragswidrigen Nutzung des Grundstücks beruhen. Der Eigentümer kann sein Haftungsrisiko einschränken, indem er dem Dritten den Umgang mit bestimmten Stoffen und die Vornahme bestimmter Handlungen untersagt und die Einhaltung des Verbots in angemessenen Abständen kontrolliert.27 Der Grundeigentümer kann sich hingegen dann mit Erfolg auf die third party defense berufen, wenn die Kontamination Folge von Vandalismus, der Ablagerung wilden Mülls oder von Unfällen ist, in deren Verlauf Gefahrstoffe von außen auf das Grundstück einwirken, wie z. B. bei Tankwagenunfällen oder bei Störfällen auf dem Nachbargrundstück.28

c) Obliegenheitspflichten Die Berufung auf die third party defense hat auch in diesen Fällen nur Erfolg, wenn der Eigentümer nachweist, daß er vor Eintritt der Gefahr Maßnahmen gegen vorhersehbare Akte Dritter und die hieraus resultierenden Schäden ergriffen hat. Erlangt der Eigentümer z. B. Kenntnis davon, daß auf seinem Grundstück wiederholt wilder Müll abgelagert worden ist, so hat er unter Umständen das Grundstück zu umzäunen, um künftige Ablagerungen zu unterbinden.29 In der Rechtsprechung und Literatur ist allerdings noch ungeklärt, welche Anstrengungen der Eigentümer unternehmen muß, um den Eintritt einer Gefahr zu verhindern.

___________ 26 Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (785 f.) (1987) m.w.N. 27 Ruzzo, 20 Real Estate Law Journal, 211 (216 f.) (1992). 28 Strock, in: Motiuk, Environmental Risk in Real Estate Transactions, 1989, 6 (8); Rodgers, Environmental Law, Band 4, S. 697. Bei Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 59 heißt es, daß die „third-party defense is intended as a protection against the ,midnight dumper‘, a third party that dumps hazardous materials on property, either intentionally or accidentally“. 29 Idylwoods Associates v. Mader Capital, Inc., 915 F.Supp. 1290 (W.D.N.Y. 1996); Foster v. United States, 922 F.Supp. 642 (D.C. 1996).

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Den Eigentümer treffen aber auch nach Entdeckung der (drohenden) Kontamination erhöhte Sorgfaltsanforderungen, wenn er sich die Fremdeinwirkungseinrede erhalten will. So muß er beim Umgang mit den Gefahrstoffen die erforderliche Sorgfalt obwalten lassen (exercise of due care). Hierdurch soll verhindert werden, daß der Eigentümer durch sein Verhalten die Gefahr vergrößert.30 Werden bei Bauarbeiten Verunreinigungen entdeckt, so hat der Grundeigentümer einstweilen alle weiteren Baumaßnahmen einzustellen, welche die Ausbreitung der Kontamination, insbesondere ein Einsickern in tiefere Erdschichten und ins Grundwasser, verursachen können. Der Eigentümer ist nach Feststellung der Verunreinigung ggf. verpflichtet, den Anlagenbetrieb vorläufig einzustellen, um eine Ausbreitung der Gefahrstoffe zu verhindern.31 Der Eigentümer muß der Behörde schließlich unverzüglich die Kontamination melden und mit dieser bei der Sanierung kooperieren, wenn er sich erfolgreich auf die third party defense berufen will.

4. Innocent landowner defense Von größerer praktischer Bedeutung als die third party defense ist die innocent landowner defense.32 Sie wurde 1986 durch den Superfund Amendments and Reauthorization Act (SARA)33 eingeführt. Gesetzestechnisch ist die innocent landowner defense als Unterfall der third party defense ausgestaltet. Vor dieser CERCLA-Novelle war umstritten, ob sich ein gutgläubiger Erwerber auf die third party defense berufen könne, oder ob dies ausgeschlossen sei, weil der Kaufvertrag eine vertragliche Beziehung darstelle.34 Diese Rechtsunsicherheit hat zu einer großen Verunsicherung des Immobiliemarktes geführt. 35

___________ 30 BCW Associates, Ltd. v. Occidental Chemical Corp., Civ. No. 86-5947 (E.D.Pa. 1988); United States v. Sharon Steel Corp., Civ. No. 86-C-0924J. (D.Utah 1988). 31 Idylwoods Associates v. Mader Capital, Inc., 915 F.Supp. 1290 (W.D.N.Y. 1996). 32 Siehe nur Washington v. Time Oil Co., 687 F.Supp. 529 (530) (W.D.Wash. 1988); United States v. Pacific Hide & Fur Depot, Inc., 716 F.Supp. 1341 (1346) (D.Idaho 1989). 33 Pub. L. 99-499, 100 stat. 1614 (1986). 34 Bejahend Gaba, in: Norton/Auerback/Gaba, Environmental Liability For Banks, 1995, 13 (26 und 37); verneinend Cadillac Fairview/California, Inc. v. Dow Chemicals Co., 840 F.2d 691 (697) (9th Cir. 1988); Baker/Baroody, 22 St. Mary’s Law Journal, 115 (120) (1990). 35 Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 47.

5. Kap.: Die Opferfälle

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a) Haftungsfreistellung des gutgläubigen Erwerbers Der Gesetzgeber stellte mit dem Superfund Amendments and Reauthorization Act in § 9601 (35)(A) klar, daß der Begriff „contractual relationship“ auch Grundstücksverträge einschließt, es sei denn, daß der Eigentums- oder Besitzerwerb36 nach der Ablagerung erfolgte und daß der owner bei Erwerb keine Kenntnis von der Ablagerung des Gefahrstoffes hatte oder haben mußte.37 Der Haftungsausschluß wird mit der Schutzwürdigkeit des gutgläubigen Erwerbers begründet, der die Kontamination weder mitverursacht hat noch von ihr wußte oder wissen mußte.38

b) Nachweis der Gutgläubigkeit Das Gesetz stellt jedoch hohe Anforderungen an den Nachweis39 der Gutgläubigkeit.40 Der Erwerber muß nach § 9601 (35)(B) beweisen, daß er das Grundstück vor dem Erwerb in angemessener Weise auf Kontaminationen untersucht hat. Die innocent landowner defense will damit einen Anreiz zur Durchführung von due diligence-Prüfungen im Grundstücksverkehr schaffen. Der Veräußerer, der mit Untersuchungen rechnen muß, soll auf diesem Wege zu einem umweltfreundlicheren Verhalten veranlaßt werden.41 ___________ 36

Vgl. Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 62. Auf die innocent landowner defense können sich zudem Erben und Vermächtnisnehmer (vgl. hierzu Soo Line R. Co. v. B.J. Carney & Co., 797 F.Supp. 1472 (D.Minn. 1992) sowie der Staat berufen, wenn er das Grundstück durch Enteignung erworben hat. Diese Fälle spielen in der Praxis jedoch eine untergeordnete Rolle; vgl. Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 64 f. Setzt der Erbe oder der Vermächtnisnehmer den Anlagenbetrieb fort und kommt es dadurch zu weiteren Ablagerungen, so ist er kein innocent landowner; vgl. Steego Corp. v. Ravenal, 830 F.Supp. 42 (52) (D.Mass. 1993). 38 State of New York v. Shore Realty Corp., 759 F.2d 1032 (1044) (2nd Cir. 1985); United States v. Tyson, 25 Environmental Reporter of Cases (BNA), 1897, 1905 (E.D.Pa. 1986); Jersey City Redevelopment Auth. v. PPG Industries, 655 F.Supp. 1257 (1261) (D.N.J. 1987); Cross, 23 Real Estate Law Journal, 332 (1995). 39 Die Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Einrede beruft; vgl. Washington v. Time Oil, Inc., 687 F.Supp. 529 (531) (W.D.Wash. 1988) sowie Jager Smith, 18 Columbia Journal Of Environmental Law 155 (159) (1993). 40 Reardon v. United States, 947 F.2d 1509 (1529) (1st Cir. 1991); Cross, 23 Real Estate Law Journal, 332 (1995). 41 Eine noch größere Bedeutung kommt dem Präventionsaspekt nach dem SuperfundGesetz von New Jersey zu. Der Environmental Cleanup Responsibility Act (ECRA) sah vor, daß der Grundeigentümer bzw. der Anlageninhaber vor Schließung oder Übereignung der Anlage die Umweltbehörde informieren und eine umweltrechtliche due diligence-Prüfung durchführen mußte. Wurden hierbei Kontaminationen entdeckt, so war der Eigentümer bzw. der Anlageninhaber zur Sanierung verpflichtet. Eine wirksame 37

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Angemessen ist eine Untersuchung nach § 9601 (35)(B), wenn sie der good commercial or customary practice entspricht und in dem Bemühen erfolgt, die Haftung zu minimieren. Zu erwarten ist, daß mit der technischen Fortentwicklung die anzulegenden Maßstäbe steigen werden.42 Die Frage, wann der Erwerber eine angemessene Untersuchung durchgeführt hat, gehört zu den umstrittensten Fragen des Gesetzes. Weder der Gesetzgeber noch die EPA haben es vermocht, geeignete Standards herauszuarbeiten. Alle bisher eingebrachten Gesetzesvorschläge43 zur Konkretisierung des Begriffs „angemessene Untersuchung“ sind im Sande verlaufen. Sowohl die EPA44 als auch die Rechtsprechung45 gehen davon aus, daß die Prüfungsmaßstäbe nur anhand der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden können. Der Gesetzgebungsgeschichte46 zufolge sind bei kommerziellen Grundstückserwerbern strengere Maßstäbe anzulegen als bei nichtkommerziellen Erwerbern von Einfamilienhäusern.47 Wegen des Fehlens gesetzlicher Vorgaben greift die Praxis weitgehend auf die von der American Society for Testing & Materials (ASTM)48 entwickelten Standards der good commercial and customary practice zurück.49 Ihnen kommt ___________ Übereignung konnte erst nach Abschluß der Sanierung erfolgen. Der ECRA ist 1993 durch den Industrial Site Recovery Act (ISRA) modifiziert worden. Ausführlich zu ECRA vgl. Bart, 15 Real Estate Law Journal, 260 ff. (1987) sowie zu ECRA und ISRA vgl. Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 191 ff. 42 Joint Explanatory Statements of the Committee of Conference, H.R. Conference Report No. 962, 99th Congress, 2nd Session, 187088 (1986), S. 187 sowie EPA De Minimis Landowner Settlement Guidelines, 54 Fed. Reg. 34,235 (34,238). 43 Nach dem Vorschlag des Abgeordneten im Repräsentantenhaus Weldon, H.R. 2787, 101st Congress, 1st Session, 135 Cong. Rec. E2367-01 (1989) sollte widerleglich vermutet werden, daß der Erwerber eine angemessene Untersuchung durchgeführt hat, wenn er ein sog. Phase I Audit von einem professionellen Auditor durchführen lassen hat. In dem Vorschlag sind die Anforderungen an das Audit im einzelnen aufgeführt. Einen ähnlichen Vorschlag hat der Abgeordnete des Repräsentantenhauses Owens, H.R. 5927, 101st Congress, 2nd Session, 136 Cong. Rec. H11767-02 (1990) eingebracht. Vgl. zum ganzen Jager Smith, 18 Columbia Journal Of Environmental Law, 155 (171 ff.) (1993). 44 Guidance 54 Fed. Reg. 34,235 (238) (1989). 45 Vgl. nur International Clinical Laboratories, Inc. v. Stevens, 710 F.Supp. 466 (E.D.N.Y. 1990). Eingehend zur Rechtsprechung Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 50. 46 Joint Explanatory Statements of the Committee of Conference, H.R. Conference Report No. 962, 99th Congress, 2nd Session, 187088 (1986), S. 187. 47 Foster v. United States, 922 F.Supp. 642 (D.C. 1996); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 51. 48 Insbesondere ASTM E 1527 und 1528 von 1993. 49 Vgl. eingehend hierzu Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 55 ff.; O’Reilly, U.S. Environmental Liability Risks, S. 38 ff.; Missimer, A Lender’s Guide To Environmental Liability Management, 1996, S. 48 ff. Zu den Standards anderer Gesell-

5. Kap.: Die Opferfälle

443

daher faktisch gesetzesvertretende Wirkung zu.50 Die ASTM site assessment standards sehen bei kommerziellen51 Grundstücksgeschäften zwei Arten von Untersuchungen vor: ein Phase I und ein Phase II Site Assessment. Aufgabe des Phase I Site Assessment52 ist es, anhand vorhandener Dokumente und einer Besichtigung des Grundstücks zu erforschen, ob Umweltschäden zu besorgen sind. Ist dies zu bejahen, so schließt sich ein Phase II Site Assessment an. In diesem wird dem Verdacht durch Grundwasser- und Bodentests nachgegangen.53 Bei nichtkommerziellen Grundstücksverkäufen verlangt die Rechtsprechung regelmäßig die Vornahme eines Phase I Site Assessment zum Nachweis der Gutgläubigkeit. Bei kommerziellen Grundstücksverträgen hat sich auch des Phase II Site Assessment als good commercial or customary practice etabliert.54 Die Berufung auf die innocent landowner defense hat von vornherein keine Aussicht auf Erfolg, wenn der Erwerber das Grundstück nicht wenigstens begangen hat.55

aa) Phase I Site Assessment Ein Phase I Site Assessment sieht folgendermaßen aus. Zunächst wird die frühere Nutzung des Grundstücks erforscht, um hieraus Rückschlüsse auf mögliche Umweltschäden zu ziehen.56 Hierzu wird in einem ersten Schritt anhand von Dokumenten – wie insbesondere des Grundbuchs – die Kette der früheren Eigentümer ermittelt. Ein Kontaminationsverdacht besteht, wenn der frühere ___________ schaften und Vereinigungen vgl. Ward, Lenders Guide To Developing An Environmental Risk Programm, 1995, S. 177 ff. 50 Sheridan, New York Lawyer, April 1994, 32 ff. Dabei besteht jedoch die Gefahr, daß derartige Organisationen sehr hohe Anforderungen aufstellen, um Umweltauditoren ein weites Betätigungsfeld zu sichern. 51 Bei Grundstückskaufverträgen, die zur Bebauung mit Eigenheimen abgeschlossen werden, gelten niedrigere Standards. 52 Nach O’Reilly, U.S. Environmental Liability Risks, S. 38 ff. ist bei einem Phase I Site Assessment gewöhnlich mit Kosten von 15.000 bis 20.000 US-Dollar zu rechnen. 53 Gaba, in: Norton/Auerback/Gaba, Environmental Liability For Banks, 13 (35 f.). 54 O’Reilly, U.S. Environmental Liability Risks, S. 38 ff. 55 In re Sterling Steel v. Becker, 94 B.R. 924 (Bankr. E.D.Mich. 1988); United States v. Louis Serafini, 791 F.Supp. 107 (M.D.Pa. 1990); Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (788) (1987) sowie Gaba, in: Norton/ Auerback/Gaba, Environmental Liability For Banks, 13 (38 f.). Bei Gaba heißt es: „At a minimum, the innocent landowner defense requires that you look before you leap“. 56 Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (775 ff.) (1987); Baker/Barooly, 22 St. Mary’s Law Journal, 115 (123 f.) (1990); Jacoby/ Eremich, in: IBA Section on Business Law (Hrsg.), Environmental Liability, S. 63 (77 ff.).

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Eigentümer mit gefährlichen Stoffen umgegangen ist, weil er z. B. eine Fabrik, eine chemische Reinigung oder eine Tankstelle betrieben hat.57 Hieran schließt sich die Durchsicht etwaiger Luftaufnahmen, geologisch-topologischer Karten sowie sonstiger Karten und Untersuchungen an, aus denen sich Anhaltspunkte für die frühere Nutzung und für etwaige Umweltschäden ergeben können. Sollten andere Informationsquellen nicht zur Verfügung stehen, so können (frühere) Eigentümer, Pächter, Angestellte, Nachbarn, Zulieferer und Versicherer über die Vornutzung des Grundstücks befragt werden. Gesondert untersucht werden sollte, ob sich Tanks im Boden befinden, was sie enthalten, wie groß und wie alt sie sind und welchen Sicherheitsstandard sie aufweisen. Daneben empfiehlt es sich nachzuforschen, wie mit Abfällen umgegangen wurde, ob sich eine stillgelegte (fabrikseigene) Mülldeponie auf dem Grundstück befindet, ob Chemikalien auf dem Grundstück gelagert oder ob Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt worden sind. Kontrolliert werden sollte ferner, ob behördliche (Umwelt-)Genehmigungen eingehalten worden sind, ob die Umweltbehörde gegen den gegenwärtigen oder frühere Eigentümer oder Anlageninhaber Anordnungen erlassen hat oder ob diese zivilrechtlich für Umweltschäden zur Verantwortung gezogen worden sind.58 Mehrere Einzelstaaten verpflichten den Veräußerer eines Grundstücks, der Behörde eine (beeidigte) Erklärung über das Vorhandensein von Gefahrstoffen oder von Mülldeponien auf dem Grundstück abzugeben.59 Auch diese Erklärungen stellen eine wertvolle Informationsquelle dar.60 An diese Untersuchungen schließt sich eine Begehung des Grundstücks an. Hierbei ist insbesondere auf Verfärbungen des Bodens, Auffälligkeiten bei der Vegetation (geringe oder keine Vegetation), das Vorhandensein von Fässern, verschmutztes und verfärbtes Wasser, ungewöhnliche Gerüche, Anzeichen für unterirdische Tanks, Rohrleitungen oder (frühere) Müllhalden zu achten.61 Besteht nach der Phase I-Untersuchung kein Kontaminationsverdacht, so kann sich der gutgläubige Erwerber auf die innocent landowner defense beru___________ 57 Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (775 ff.) (1987); Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 75. 58 Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (775) (1987); Baker/Barooly, 22 St. Mary’s Law Journal, 115 (123 f.) (1990); Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 75 ff.; Cross, 23 Real Estate Law, 332 (342 f.) (1995). Aus technischer Sicht vgl. Missimer, A Lender’s Guide To Environmental Liability Management, S. 61 ff.; Ward, Lenders Guide To Developing An Environmental Risk Programm, S. 111 ff. 59 Vgl. nur Minnesota Statutes Annotated § 115B.16 und Pennsylvania Statutes Annotated § 6018.405. 60 Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (775) (1987). 61 Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 80 f.

5. Kap.: Die Opferfälle

445

fen. Erweist sich das Grundstück jedoch nicht als offensichtlich „sauber“, so ist ein Phase II Site Assessment durchzuführen.

bb) Phase II Site Assessment Bei einem Phase II Site Assessment sollen Boden-, Grund- und Oberflächenwasserproben entnommen, der Inhalt von underground storage tanks untersucht, Bodenpfade auf ausgelaufene Chemikalien erforscht und Gebäude auf Asbest untersucht werden.62 Während Teile des Phase I Site Assessment, insbesondere die Durchsicht der Dokumente, von dem Erwerber selbst vorgenommen werden können, ist das Phase II Site Assessment im ganzen von Umweltauditoren durchzuführen.63

c) Obliegenheitspflichten Wie die third party defense setzt die innocent landowner defense schließlich voraus, daß der gutgläubige Erwerber nachweist, nach Entdeckung der Kontamination sorgsam mit den Gefahrstoffen umgegangen zu sein. So hat das Gericht in United States v. CDMG Realty Co.64 die Voraussetzungen der innocent landowner defense verneint, weil der Erwerber die Bodenuntersuchung sorgfaltswidrig durchgeführt und dadurch die Kontamination ausgeweitet habe.65 Der Erwerber handelt ferner sorgfaltswidrig, wenn er der Behörde die Kontamination nicht unverzüglich nach Entdeckung anzeigt und mit ihr bei der Sanierung zusammenarbeitet.66

d) Keine Haftungsfreistellung bei unterlassener Aufklärung Auch wenn alle genannten Voraussetzungen vorliegen, kann sich ein gutgläubiger Erwerber gemäß § 9601 (35)(C) dann nicht auf die innocent landow___________ 62 Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 104 f.; O’Reilly, U.S. Environmental Liability Risks, S. 38 ff. 63 Cross, 23 Real Estate Law Journal, 332 (342 f.) (1995). 64 96 F.3d 706 (C.A.3 (N.J.) 1996). 65 Vgl. auch La Salle National Trust, N.A. v. Schaffner, Westlaw 499742 (N.D.Ill. 1993). 66 Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (788) (1987).

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

ner defense berufen, wenn er während seines Eigentums von der Kontamination Kenntnis erlangt und das Grundstück weiterveräußert, ohne den Käufer über die Verunreinigung aufzuklären.67 Hierdurch soll verhindert werden, daß der gutgläubige Erwerber das kontaminierte Grundstück in betrügerischer Absicht einem Dritten überträgt. Dieser Ausschluß von der Haftungsfreistellung vermag gefahrenabwehrrechtlich nicht zu überzeugen. Der Verkäufer ist allein im Innenverhältnis zum Käufer zur Aufklärung über die Kontamination verpflichtet. Dem Käufer bleibt es unbenommen, den Kaufvertrag wegen der unterlassenen Aufklärung anzufechten oder Schadenersatzansprüche geltend zu machen, so daß er ausreichend geschützt ist. Der Verkäufer macht sich darüber hinaus ggf. wegen Betruges strafbar. Ein Grund für eine Haftung des Veräußerers im Außenverhältnis besteht daher nicht, zumal von ihr keine zusätzlichen Präventionsanreize ausgehen.

5. De minimis settlement Über die genannten Einreden hinaus ermöglicht das de minimis settlement68 Zustandsstörern nach § 9622 (g) unter Umständen eine Begrenzung ihrer Haftung. Das de minimis settlement steht hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Wirkungen der innocent landowner defense nahe. Nach § 9622 (g) kann die Behörde mit dem sog. „almost innocent landowner“69 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen, in dem die Parteien vereinbaren, daß der Eigentümer nicht oder nur eingeschränkt zu den Sanierungskosten herangezogen wird, sog. covenant not to sue gemäß § 9622 (g)(2). Im Gegenzug sichert der Eigentümer seine Kooperation bei der Sanierung zu und gewährt den Sanierenden Zutrittsrechte.

a) Voraussetzungen Ein de minimis settlement setzt voraus, daß der Eigentümer allenfalls in geringem Umfang für die Kontamination verantwortlich ist. Ziel des öffentlich___________ 67

Ebendort. Die internen Verwaltungsvorschriften der EPA über de minimis settlements vom 6.6.1989 sind abgedruckt bei Schoenbaum/Rosenberg, Environmental Policy Law, 2. Aufl., 1991, S. 445 f. 69 Vgl. Hitt, 18 Real Estate Law Journal, 3 (16 f.) (1989). 68

5. Kap.: Die Opferfälle

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rechtlichen Vertrages ist es, die Kosten70, den Zeitverlust und den Arbeitsaufwand der Behörde im Vergleich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu begrenzen. Die Behörde soll mit vollem Einsatz gegen die Hauptverantwortlichen vorgehen können.71. Ein de minimis settlement kann zum einen geschlossen werden, wenn der Eigentümer die Kontamination mitverursacht hat, sein Verursachungsanteil aber gering ist. In United States v. Rohm & Haas Co.72 hat die EPA zum Ausdruck gebracht, daß sie eine geringfügige Verursachung nur annimmt, wenn der Verursachungsanteil unter einem Prozent liegt. Ein de minimis settlement kommt zum anderen in Betracht, wenn der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks die bereits vorhandene Kontamination weder kannte noch kennen mußte und während seiner Zeit als Eigentümer keine weiteren Verschmutzungen verursacht hat. Der Sinn dieser zweiten Konstellation erschließt sich nicht auf Anhieb, weil damit im wesentlichen die Voraussetzungen der innocent landowner defense umschrieben werden.73 Unterschiede werden erst beim näheren Hinsehen erkennbar. So ist die EPA bereits zum Abschluß eines de minimis settlement bereit, wenn sie von der „Unschuld“ des Eigentümers überzeugt ist, ohne daß dieser seinen guten Glauben nachzuweisen braucht.74 Die Bereitschaft der Behörde zum Vertragsschluß ist allerdings um so größer, je höher die Wahrscheinlichkeit ist, daß der potentiell Verantwortliche die Voraussetzungen der innocent landowner defense darlegen kann.

b) Vorteile für den Eigentümer Aus Sicht des potentiell verantwortlichen Eigentümers empfiehlt sich ein de minimis settlement, wenn der Nachweis der Voraussetzungen der innocent landowner defense Schwierigkeiten bereitet oder wenn die zu erwartenden

___________ 70 Die Verfahrenskosten machen zum Teil über 50 Prozent der gesamten Sanierungskosten aus; vgl. Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 62. 71 Ebendort. 72 721 F.Supp. 666 (672) (D.N.J. 1989). Vgl. hierzu Jager Smith, 18 Columbia Journal Of Environmental Law, 155 (175) (1993). 73 Vgl. die EPA De Minimis Landowner Settlement Guidelines, 54 Fed. Reg. 34,235 sowie Newton, 51 University of Pittsburgh Law Review, 727 (745) (1990); Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 65 und 357 ff.; Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 60 ff. 74 Hitt, 18 Real Estate Law Journal, 3 (16 f.) (1989); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 62 f.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Verfahrenskosten75 im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung voraussichtlich höher sind als die im Vertrag vereinbarten Sanierungskosten. 76 Ein wesentlicher Anreiz für einen Vertragsschluß besteht nach § 9622 (g)(5) i.V.m. § 9613 (f)(2)77 darin, daß der Verantwortliche vor Regreßansprüchen Dritter geschützt ist, soweit der Vertrag über die betreffende Haftungsfrage eine abschließende Regelung trifft.78

D. Zusammenfassung Die CERCLA-Haftung des owner ist verursachungsunabhängig, so daß auch Eigentümer und Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, die nicht an der Gefahrentstehung mitgewirkt oder ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben haben, verantwortlich sind. In diesen Fällen sind sie Opfer der Verunreinigung. Die CERCLA-Haftung wird noch dadurch verstärkt, daß die Umweltbehörde nach allgemeiner Meinung bei einer Störermehrheit berechtigt ist, den leistungsstärksten Störer heranzuziehen. Sie ist nicht verpflichtet, Kriterien der gerechten Lastenverteilung zu beachten. Die Umweltbehörde hat in einer Richtlinie aus dem Jahre 1991 allerdings angekündigt, die Eigentümer von Wohnhäusern nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn sie die Kontamination (mit-) verursacht haben. Die potentiell verantwortlichen Parteien können sich allerdings in den Opferfällen auf die Einreden gemäß § 9607 (b) berufen. Gelingt es ihnen, deren Tatbestandsvoraussetzungen nachzuweisen, so entfällt ihre Haftung. Folgende ___________ 75 Eine Senatsanhörung im Jahre 1985 ergab, daß die durchschnittlichen Gerichtskosten einer CERCLA-Klage pro Grundstück zwischen zwei und vier Millionen US-Dollar betrugen. Bei durchschnittlich 25 Verantwortlichen pro Grundstück kamen die Beteiligten auf Gerichtskosten zwischen 80.000 und 160.000 US-Dollar. In einem Fall hatte eine Beklagte nach eigenen Angaben Gerichtskosten in Höhe von 30 Millionen US-Dollar zu zahlen; vgl. Insurance Issues and Superfund: Hearing Before the Senate Committee on Environment and Public Works, S. Hrg. 61, 99th Congress, 1st Session 118 (1985), wiedergegeben bei Jager Smith, 18 Columbia Journal Of Environmental Law, 155 (176 f., Fn. 117) (1993). 76 Jager Smith, ebendort, 155 (176) (1993). 77 „A person who has resolved its liability to the United States or a State in an administrative or judicially approved settlement shall not be liable for claims for contribution regarding matters addressed in the settlement. Such settlement does not discharge any of the other potentially liable persons unless the terms so provide, but it reduces the potential liability of the others by the amount of the settlement.“ 78 Dravo Corporation v. Zuba, 13 F.3d 1222 (8th Cir. 1994); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 63.

5. Kap.: Die Opferfälle

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Einreden kommen in Betracht: an act of God (höhere Gewalt), an act of war (Kriegseinwirkungen), die third party defense (Fremdeinwirkungseinrede) und die innocent landowner defense (Einrede des gutgläubigen Erwerbs). Insbesondere die innocent landowner defense hat große praktische Bedeutung erlangt. Höhere Gewalt gemäß § 9607 (b) liegt nicht schon vor, wenn die Gefahr Folge eines Naturereignisses ist. Die Gefahr darf für den Eigentümer weder vorhersehbar noch abwendbar gewesen sein. Diese Voraussetzungen werden nur in seltenen Fällen erfüllt sein. Ein Eigentümer kann sich mit Erfolg auf die third party defense berufen, wenn die Gefahr durch einen Dritten verursacht worden ist, mit dem er in keiner vertraglichen Beziehung steht. Sie greift daher nicht, wenn der Eigentümer sein Grundstück dem späteren Verursacher der Gefahr zur Nutzung überlassen hat. Dies gilt nach herrschender Meinung auch dann, wenn der Dritte das Grundstück vertragswidrig besonderen Umweltrisiken ausgesetzt hat. Eine Fremdeinwirkung liegt etwa bei Vandalismus, bei der Ablagerung wilden Mülls und bei Tankwagenunfällen vor. Auch in diesen Fällen wird der Eigentümer allerdings nur dann von der Haftung freigestellt, wenn er Maßnahmen gegen vorhersehbare, gefahrenverursachende Handlungen Dritter ergreift, die Kontamination unverzüglich nach Entdeckung der Behörde anzeigt und die Gefahr nicht sorgfaltswidrig vergrößert. War das Grundstück bereits kontaminiert, als der Eigentümer es erworben hat, so wird er nach der innocent landowner defense dann von der Zustandshaftung freigestellt, wenn er bei Erwerb die Kontamination weder kannte noch sie kennen mußte. Der Nachweis des guten Glaubens ist an hohe Anforderungen geknüpft. Der Erwerber muß nachweisen, daß er die good commercial or customary practice beachtet hat. Diese erfordern bei nichtkommerziellen Grundstücksgeschäften regelmäßig, daß der Erwerber das Grundstück begangen und ein Phase I Site Assessment durchgeführt hat. Bei einem Grundstückserwerb zu kommerziellen Zwecken ist darüber hinaus ein Phase II Site Assessment durchzuführen, sofern ein Kontaminationsverdacht nach dem Phase I Site Assessment nicht auszuschließen ist. Bei einem Phase I Site Assessment wird u.a. anhand der vorhandenen Dokumente die Vornutzung des Grundstücks ermittelt und überprüft, ob diese einen Kontaminationsverdacht nahe legt. Zu untersuchen ist ferner, ob die Umweltbehörde umweltrechtliche Anordnungen gegen frühere Eigentümer oder Anlagenbetreiber erlassen hat. Bei der Begehung des Grundstücks ist auf das Vorhandensein von Fässern, Rohrleitung und Müllhalden sowie auf Verfärbungen des Bodens zu achten. Kann danach ein Kontaminationsverdacht nicht ausgeschlossen werden, so ist ein Umweltauditor mit der Durchführung eines Phase II Site Assessment zu

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

beauftragen. Dieser hat Boden-, Grund- und Oberflächenwasserproben zu entnehmen und Gebäude auf Asbest zu untersuchen. Auch wenn dem Erwerber der Nachweis seiner Gutgläubigkeit gelingt, wird er nur dann von der Haftung freigestellt, wenn er der Behörde die Kontamination unverzüglich nach Entdeckung anzeigt und Maßnahmen unterläßt, durch welche die Verunreinigung ausgeweitet wird. Die Haftungsfreistellung entfällt ferner, wenn der gutgläubige Erwerber, der das Grundstück nach der Entdekkung der Kontamination weiterveräußert, den Dritterwerber nicht hierüber aufklärt. Angesichts dieser hohen Anforderungen hat das sog. de minimis settlement große praktische Bedeutung erlangt. Hierbei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Umweltbehörde und einer potentiell verantwortlichen Partei. Die EPA kann mit einem sog. „almost innocent landowner“ vereinbaren, daß dieser keinen oder nur einen geringen Anteil an den Sanierungskosten zu tragen hat. Im Gegenzug sichert der Eigentümer ihr Zutrittsrechte zu und verpflichtet sich zur Zusammenarbeit. Der Abschluß eines de minimis settlement kommt zum einen in Betracht, wenn der owner nur in geringem Umfang für die Kontamination verantwortlich ist. Zum anderen kann ein de minimis settlement dann geschlossen werden, wenn der Erwerber mit hoher Wahrscheinlichkeit gutgläubig war, der Nachweis jedoch Schwierigkeiten bereitet oder mit hohen Kosten verbunden ist. Ein zusätzlicher Anreiz besteht darin, daß der potentiell Verantwortliche vor Regreßansprüchen Dritter geschützt ist, soweit der öffentlich-rechtliche Vertrag hierüber eine abschließende Regelung trifft.

6. Kapitel

Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit Die Frage, weshalb Eigentümer und Besitzer für Kontaminationen verantwortlich sein sollen, an deren Entstehung sie nicht mitgewirkt haben, wird in der Rechtsprechung und in der Lehre nur vereinzelt gestellt.1

A. Vorteilsziehung Moskowitz2 sieht als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit an, daß der Eigentümer aus der sanierungsbedingten Verkehrswerterhöhung des Grundstücks einen Vorteil zieht. Hiermit läßt sich die Zustandshaftung allerdings nicht überzeugend begründen. Anderenfalls käme eine Haftung nur dort und in dem Umfang in Betracht, wo der Eigentümer oder Besitzer einen Vorteil aus der Sanierung zieht. Die Verantwortlichen haben die Sanierungskosten jedoch unabhängig von den ihnen zugeflossenen Vorteilen in voller Höhe zu tragen. Da die Sanierungskosten häufig den Wert des Grundstücks im sanierten Zustand übersteigen, kann bei der Zustandshaftung nicht von einem Vorteilsausgleich die Rede sein. Unklar ist im übrigen, welchen Vorteil der Besitzer und der frühere Eigentümer ziehen, weil sie nicht von der Verkehrswerterhöhung profitieren.

B. Mitwirkung an der Gefahrentstehung Einen anderen Ansatz zur Begründung der Zustandsverantwortlichkeit wählt Purviance.3 Er sieht als Rechtsgrund der owner-Haftung die Mitwirkung des Eigentümers an der Gefahrentstehung an. Die bloße Eigentümerstellung könne die Haftung nicht begründen, weil dies anderenfalls zu einer verfassungswidri___________ 1 International Clinical Laboratories, Inc. v. Stevens, 710 F.Supp. 466 (E.D.N.Y. 1990); Purviance, 17 Pacific Law Journal, 185 (191 f.) (1985); Moskowitz, Environmental Liability And Real Property Transactions, 2. Aufl., 1995, S. 70. 2 Ebendort. 3 17, Pacific Law Journal, 185 (191 f.) (1985).

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

gen Enteignung führte. Allerdings legt Purviance nicht näher dar, welcher Mitwirkungsbeitrag für die Begründung der Zustandshaftung erforderlich sein soll.

C. Stellungnahme Der Ansatz von Purviance deckt sich mit der gesetzlichen Konstruktion der owner-Haftung, wie sie sich aus dem Zusammenspiel von Haftungsnorm und Einreden ergibt. Der Eigentümer sowie der Besitzer haften dann nicht, wenn die Umweltschädigung Folge höherer Gewalt, einer Kriegseinwirkung oder des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist. Der Gesetzgeber rechnet dem Eigentümer die Gefahr hingegen dann zu, wenn er sein Grundstück dem späteren Verursacher der Kontamination zur Nutzung überlassen hat, weil er es hierdurch Umweltrisiken aussetzt. Weder mit dem von Moskowitz noch dem von Purviance vertretenen Ansatz läßt sich allerdings erklären, weshalb der bösgläubige Erwerber für bereits vorhandene Bodenkontaminationen einstehen soll. Die Zustandsverantwortlichkeit des bösgläubigen Erwerbers läßt sich nur mit seiner fehlenden Schutzwürdigkeit begründen. Überprüft der Erwerber das Grundstück vor Erwerb nicht ausreichend auf Umweltgefahren, so nimmt er eine Kontamination (billigend) in Kauf.

7. Kapitel

Die Verfassungsmäßigkeit der Zustandshaftung Die Verfassungsmäßigkeit der CERCLA-Haftung ist im Schrifttum nur vereinzelt in Frage gestellt worden. Soweit ersichtlich, hält allein Purviance1 die Haftung von Eigentümern oder von Besitzern, die in keiner Weise an der Entstehung der Kontamination mitgewirkt haben, für verfassungswidrig. Purviance wendet sich in einem 1985 veröffentlichten Aufsatz – und damit vor Einführung der innocent landowner defense im Jahre 1986 – gegen eine Verantwortlichkeit kraft Eigentums, weil diese zu unzumutbaren Härten führe, wenn der Eigentümer oder der Besitzer mit der Entstehung der Kontamination nichts zu tun habe.2 Ziel der gesetzlichen Regelung sei allein, möglichst viele Geldquellen für die Sanierung kontaminierter Flächen zu erschließen. Könne dem Eigentümer die Gefahr jedoch nicht zugerechnet werden, weil er nicht an ihrer Entstehung mitgewirkt habe, so verstoße die CERCLA-Haftung Purviance zufolge gegen das Fifth Amendment der amerikanischen Verfassung3 und stelle eine verfassungswidrige Enteignung dar. In dem Fifth Amendment heißt es: „... nor shall private property be taken for public use without just compensation.“ Purviance stützt sich im wesentlichen auf die Entscheidung des Supreme Court in Nashville, C. & St. L. Ry. v. Walters4, wonach die Auferlegung einer Geldleistungspflicht eine verfassungswidrige Enteignung darstelle, wenn die verpflichtete Partei die Umstände nicht verursacht habe, um deren Beseitigung es dem Staat gehe.5 Die Haftung könne nicht schon mit der Rechtsstellung als Eigentümer begründet werden.6 Dem Eigentümer könne die Gefahr nur zugerechnet werden, wenn die Kontamination durch sein Verhalten mitverursacht worden sei. Anderenfalls sei er Opfer der Gefahr.7

___________ 1

17 Pacific Law Journal, 185 ff. (1985). Ebendort, S. 185. 3 Ebendort, S. 186. 4 294 U.S. 405 (1934). 5 Ebendort, S. 429. 6 Purviance, 17 Pacific Law Journal, 185 (192) (1985). 7 Ebendort, S. 208. 2

8. Kapitel

Die Absicherung des behördlichen Kostenerstattungsanspruchs durch ein gesetzliches Pfandrecht Saniert die Behörde das Grundstück mit öffentlichen Mitteln, so kann sie von dem Grundeigentümer und anderen verantwortlichen Parteien Ersatz ihrer Kosten verlangen, sofern sich diese nicht mit Erfolg auf eine der zugelassenen Einreden berufen können. Der Kostenerstattungsanspruch gegen den Grundeigentümer ist sowohl nach CERCLA als auch nach den meisten einzelstaatlichen Altlastengesetzen durch ein gesetzliches Pfandrecht (lien) abgesichert. In ihrer Ausgestaltung weichen die gesetzlichen Grundpfandrechte jedoch erheblich voneinander ab.

A. Superfund lien Nach § 9607 (l)(1) sind alle Kostenerstattungsansprüche der Behörde gegen den gegenwärtigen Grundeigentümer durch ein gesetzliches Grundpfandrecht an dem sanierten Grundstück gesichert. Das Superfund lien soll den Anspruch des Staates in der Insolvenz des Grundeigentümers sichern. Die Rangstellung des Superfund lien bestimmt sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem die EPA die Eintragung bei der zuständigen einzelstaatlichen Behörde beantragt. Ist der Grundstückswert allerdings bereits durch vorrangige Grundpfandrechte Dritter ausgeschöpft, so geht das Superfund lien nach dem federal priority statute anderen Grundpfandrechten vor.1 Auf diese Weise ist sichergestellt, daß sich die EPA mindestens in Höhe des Versteigerungserlöses befriedigen kann.2

___________ 1

Vgl. 31 U.S.C. § 3713 sowie Moskowitz, Environmental Liability And Real Property Transactions, 2. Aufl., S. 91 f. 2 Eine ähnliche Vorrangregelung findet sich in neun Bundesstaaten; vgl. Arkansas, Stat. Ann. Section 8-7-516; Connecticut, Conn. Gen. Stat. Ann. Section 22a-452a; Illinois, Ill. Stat. Ann. Section 1021.3; New Hampshire, N.H. Rev. Stat. Ann. Section 147B: 10-b; New Jersey, N.J. Stat. Ann. Section 58: 10- 23.11f(f); Maine, Me. Rev. Stat.

8. Kap.: Absicherung des Kostenerstattungsanspruchs durch ein Pfandrecht

455

B. State liens Auch die Altlastengesetze der meisten Bundesstaaten sehen eine Absicherung der behördlichen Kostenerstattungsansprüche durch gesetzliche Grundpfandrechte vor. Im folgenden kann nur auf die wesentlichen Unterschiede einiger einzelstaatlicher Regelungen zum Superfund lien hingewiesen werden. In Iowa und Minnesota erstreckt sich das gesetzliche Grundpfandrecht nicht nur auf das kontaminierte, sondern auch auf alle anderen Grundstücke des Eigentümers.3 In Kentucky, Maryland und Oregon ist die Behörde über das Grundpfandrecht hinaus durch Pfandrechte an den beweglichen Sachen des Eigentümers gesichert.4 Wegen der über das sanierte Grundstück hinausgehenden Sicherung werden die Pfandrechte dieser Bundesstaaten auch als sog. spreaching liens bezeichnet.5

C. Rechtsgrund der gesetzlichen Grundpfandrechte Die gesetzlichen Grundpfandrechte und ihr Vorrang gegenüber anderen Grundpfandrechten werden zum einen damit begründet, daß andere Grundpfandgläubiger nicht auf Kosten der Allgemeinheit von der Sanierung mit öffentlichen Mitteln und der dadurch bewirkten Werterhöhung ihrer Sicherheit profitieren sollen.6 Zum anderen soll von den gesetzlichen Grundpfandrechten eine Steuerungsfunktion ausgehen. Sie sollen Kreditgeber zur Durchführung einer due diligence-Prüfung veranlassen und hierdurch ein umweltbewußtes Verhalten des Grundeigentümers fördern.7 Der Steuerungseffekt dürfte jedoch gering sein, weil der Kreditgeber eine due diligence-Prüfung häufig schon deshalb durchführen wird, um einen Kreditausfall zu verhindern.

___________ Ann. Tit., 38 Section 1371, Massachusetts, Mass. Gen. Laws Ann. Ch. 21E, Section 13; Tennessee, Tenn. Code Ann. Section 68-46-209; Texas, Tex. RCS art. 4477-7, § 13(g). 3 Vgl. nur Iowa Code Ann. Section 455B.396; Minn. Stat. Ann. Section 514.672. 4 Ken. Rev. Stat. Ann. Section 224.887 (7); Md. Envtl. Code. Ann. Section 7-266 (b) (5); Or. Rev. Stat. Section 466.205. 5 Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 162 f.; Gaba, in: Norton/ Auerback/Gaba, Environmental Liability For Banks, S. 13 (44); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 163. 6 Kessler v. Tarrats, 466 A.2d 581 (1984). 7 Vgl. nur Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 155 ff.

456

2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

D. Kritik an dem Vorrang der gesetzlichen Grundpfandrechte Der Vorrang des Superfund liens und der einzelstaatlichen Pfandrechte gegenüber anderen Grundpfandrechten ist in der Rechtsprechung und Lehre zum Teil auf Kritik gestoßen. Diese richtet sich zum einen gegen die Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes bei der Grundpfandrechtsbestellung.8 In einer Entscheidung zu der Superliens-Regelung in New Jersey heißt es: „It is probably an understatement that the financial health of a great portion of our economy depends on the simple fact that anyone wishing to invest in real estate is able to go to the property officer and be assured of the posture of the title, saving only forgery ... into this arena of crystal clarity [the superlien statute] introduces doubt.“9 Die Kritiker stellen zum anderen die Verfassungsmäßigkeit des Vorrangs der gesetzlichen Grundpfandrechte in Frage.10 In Reardon v. United States11 sah das Bundesberufungsgericht des ersten Bezirks das Superfund lien für verfassungswidrig an, weil es gegen die due process clause des Fifth Amendment12 der Bundesverfassung verstoße. Zur Begründung führte das Gericht aus, daß das gesetzliche Grundpfandrecht in das Grundbuch eingetragen werde, ohne daß die in ihren Rechten betroffenen Grundpfandgläubiger gehört werden. Hierdurch werde die due process clause verletzt, weil die Betroffenen nicht über das gesetzliche Grundpfandrecht informiert werden und keine Gelegenheit erhalten, Einwände vorzubringen.13 Offen bleibt allerdings, welche Einwände überhaupt in Betracht kommen sollen.

___________ 8 Simon v. Oldmans Tp., 203 N.J. Super. 365, 374 Ch. Div. 1985, 497 A 2d 204 (209); Owen Smith, Environmental Lender Liability, S. 156. 9 Simon v. Oldmans Tp., 203 N.J. Super. 365, 374 Ch. Div. 1985, 497 A 2d 204 (209). 10 Moskowitz, Environmental Liability and Real Property Transactions, 2. Aufl., S. 92 f. sowie Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 163. 11 947 F.2d 1509 (1st Cir. 1991). 12 „No person ... shall be deprived of life, liberty, or property, without due process of law.“ 13 Vgl. zu der Entscheidung auch Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 163.

8. Kap.: Absicherung des Kostenerstattungsanspruchs durch ein Pfandrecht

457

Moskowitz14 wirft die Frage auf, ob das gesetzliche Grundpfandrecht den an sich vorrangigen Grundpfandgläubiger verfassungswidrig enteigne.15 Er läßt jedoch offen, ob er die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig hält.

E. Zusammenfassung Saniert die Behörde das kontaminierte Grundstück mit öffentlichen Mitteln, so kann sie von dem Grundeigentümer ihre Kosten ersetzt verlangen, sofern dieser sich nicht mit Erfolg auf eine Einrede berufen kann. Der Kostenerstattungsanspruch der Behörde gegen den Grundeigentümer ist durch ein gesetzliches Grundpfandrecht abgesichert. Das Superfund lien geht nach dem federal priority statute anderen Grundpfandrechten im Rang vor, wenn der Versteigerungserlös nicht zur Befriedigung aller Grundpfandgläubiger ausreicht. Auf diese Weise ist die EPA bei Insolvenz des Grundeigentümers bestmöglich abgesichert. Auch nach den Altlastengesetzen der meisten Bundesstaaten ist der behördliche Kostenerstattungsanspruch durch ein gesetzliches Grundpfandrecht gesichert. In einigen Einzelstaaten erstreckt sich dieses neben dem sanierten Grundstück auf alle anderen Grundstücke des Eigentümers. In anderen Bundesstaaten erfaßt das Pfandrecht auch das bewegliche Eigentum. Das gesetzliche Grundpfandrecht wird zum einen damit begründet, daß andere Grundpfandgläubiger durch die Sanierung mit öffentlichen Mitteln nicht auf Kosten der Allgemeinheit bereichert werden sollen. Zum anderen soll es Kreditgeber veranlassen, das Grundstück auf Kontaminationen zu untersuchen. Hierdurch sollen Grundeigentümer zu einem umweltbewußteren Verhalten angeregt werden. Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums halten den Vorrang des gesetzlichen Grundpfandrechts gegenüber rechtsgeschäftlichen Pfandrechten für verfassungswidrig.

___________ 14 Moskowitz, Environmental Liability And Real Property Transactions, 2. Aufl., S. 92 f. 15 In Amendment XIV heißt es: „... nor shall any State deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law“. Für Bundesrecht ist hingegen Amendment V einschlägig. Dieses lautet: „... nor shall private property be taken for public use without just compensation“.

9. Kapitel

Keine Wertausgleichspflicht des Grundeigentümers Der Grundeigentümer ist nach CERCLA nicht zum Wertausgleich verpflichtet, wenn die öffentliche Hand das Grundstück saniert und hierdurch den Verkehrswert erhöht. Da der Anspruch der Behörde gegen den Grundeigentümer auf Kostenerstattung nach § 9607 (l) bereits durch das Superfund lien gesichert ist, bedarf es grundsätzlich keiner Wertausgleichspflicht. Die Behörde kann sich durch Zwangsvollstreckung in das sanierte Grundstück befriedigen. Etwas anderes mag gelten, wenn der Grundeigentümer nicht zustandsverantwortlich ist und die Behörde ihn daher nicht zur Tragung der Sanierungskosten verpflichten kann. Ist der Grundeigentümer allerdings Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten oder war er bei Erwerb des bereits kontaminierten Grundstücks gutgläubig, so erlangt er allenfalls dann einen unberechtigten Vorteil, wenn er von dem Schädiger Ersatz für die Wertminderung des Grundstücks erlangt. Lediglich in diesem Fall besteht Bedarf für eine Wertausgleichspflicht.

10. Kapitel

Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber A. Einleitung Zu den umstrittensten Fragen des gesamten Gesetzes gehört die Haftung gesicherter Kreditgeber, die sog. secured creditor oder lender liability1. Zu einer Haftung gesicherter Kreditgeber kann es nach § 9607 (a) kommen, wenn dieser owner ist oder zur Zeit der Entstehung der Gefahr war. Allerdings schließt die sog. secured creditor exemption gemäß § 9601 (20)(A) die Haftung des gesicherten Kreditgebers unter bestimmten Voraussetzungen aus. Die secured creditor exemption ist das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit der Kreditwirtschaft. Die secured creditor exemption2 ist gesetzestechnisch nicht als Haftungsausschluß konzipiert, sondern stellt den gesicherten Kreditgeber so als wäre er weder owner noch operator. Der gesicherte Kreditgeber ist nicht als owner oder operator anzusehen, wenn er „... without participating in the management of a vessel or facility, holds indicia of ownership primarily to protect his security interest in the vessel or facility.“3 Gesicherte Kreditgeber können sich mit Erfolg auf die secured creditor exemption berufen, wenn sie ihre Eigentümerstellung vorrangig innehaben, um ihre Kreditsicherheit zu schützen. Dies setzt voraus, daß sie nicht am Management der Anlage mitgewirkt haben. Die Voraussetzungen der secured creditor exemption waren ein Jahrzehnt lang in Rechtsprechung und Literatur umstritten, bis der Gesetzgeber 1996 durch den Asset Conservation Act4 für eine Klärung der Streitfragen gesorgt hat. Diese Kontroverse soll im folgenden nachgezeichnet und systematisiert werden, bevor auf die Rechtslage nach dem Asset Conservation Act eingegangen wird. Zuvor wird jedoch im Abschnitt B. erläutert, wann ein gesicherter Kreditgeber owner im Sinne des § 9607 (a) sein kann. ___________ 1

Eine Legaldefinition des Begriffs „lender“ findet sich in § 9601 (20)(G)(iv). Vgl. nur Schmall/Tellier, 25 Real Property, Probate And Trust Journal, 771 (774 ff.) (1991). 3 Übersetzen lassen sich die Voraussetzungen sinngemäß wie folgt: „wer, ohne am Management des Schiffes oder der Anlage mitzuwirken, Eigentumsrechte vorrangig innehat, um seine Kreditsicherheit an dem Schiff oder an der Anlage zu schützen“. 4 Asset Conservation, Lender Liability and Deposit Insurance Protection Act, 110 Stat. 3009-462 (1996). 2

460

2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

B. Gesicherte Kreditgeber als owner Eine owner-Haftung gesicherter Kreditgeber kommt zum einen in Betracht, wenn diese ein kontaminiertes Grundstück in der Zwangsvollstreckung erworben haben. Der gesicherte Kreditgeber kann zum anderen bereits aufgrund seiner Stellung als Grundpfandgläubiger als owner zustandsverantwortlich sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Grundpfandrecht nach einzelstaatlichem Recht als Eigentum oder als beschränktes dingliches Recht ausgestaltet ist. In einem Teil der Bundesstaaten – den sog. title states5 – werden Sicherheiten in der Weise bestellt, daß der Sicherungsgeber sie dem Sicherungsnehmer übereignet. Anders als beim deutschen Sicherungseigentum erlangt der Sicherungsnehmer hierdurch jedoch kein Volleigentum. Er ist zwar im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber Eigentümer (sog. legal owner). Im Außenverhältnis bleibt jedoch der Sicherungsgeber Eigentümer (sog. owner in substance). Die Mehrzahl der Bundesstaaten folgt allerdings der lien theory6, nach der der Grundeigentümer dem Grundpfandgläubiger wie im deutschen Recht lediglich ein beschränktes dingliches Recht an dem Grundstück bestellt.7 Der Sicherungsgeber bleibt in den lien states sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis Eigentümer. Nach herrschender Meinung8 ist ein Grundpfandgläubiger sowohl in den title states als auch in den lien states owner im Sinne der secured creditor ex___________ 5 Vgl. Mühl, in: Hadding/Schneider, Recht der Kreditsicherheiten in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1985, S. 18 f., Fn. 2. 6 Ebendort. 7 Zu Zwischenformen der title und der lien theory vgl. Mühl, in: Hadding/Schneider, ebendort. 8 Zustimmend Schmall/Tellier, 25 Real Property, Probate And Trust Journal, 771 (775 und 788) (1991). Vgl. auch den bei Owen Smith, Environmental Lender Liability, auf S. 327 ff. abgedruckten Richtlinienentwurf der EPA. Darin unterscheidet die EPA ausdrücklich nicht zwischen Sicherheiten in title und lien states. Auf Seite 334 heißt es: „... evidence of interests in real or personal property held as a security for a loan or other obligation, including title to the real or personal property acquired incident to foreclosure and its equivalents. T h e n a t u r e o f t h e o w n e r s h i p i n t e r e s t may vary under the laws of different states and by the t y p e o f s e c u r e d l o a n t r a n s a c t i o n s“. (Hervorhebung durch den Verfasser). Allerdings findet sich der letzte Satz in der Richtlinie nicht wieder. Statt dessen ist in der amtlichen Kommentierung der Richtlinie in 57 Fed. Reg. 18,344 (18,351) davon die Rede, daß die secured creditor exemption auch auf Sicherheiten in Bundesstaaten Anwendung finde, die nicht der title theory folgen. „However, EPA disagrees that the rule does not apply to protect holders from incurring liability in non-title theory jurisdictions. EPA believes that the purpose of the exemption was to treat holders in all jurisdictions – whether title theory or lien theory – in a similar manner“.

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

461

emption.9 Die secured creditor exemption geht, wie die Formulierung „indicia of ownership“ zeigt, von einem haftungsrechtlichen Gleichrang zwischen gesicherten Kreditgebern in title und lien states aus. Andernfalls wäre unverständlich, warum der Gesetzgeber anstelle des eindeutigen Begriffs des owner den unscharfen Begriff „indicia of ownership“ eingeführt hat.

C. Die Auslegung der secured creditor exemption bis zur EPA Lender Liability Rule Die Auslegung der secured creditor exemption war lange Zeit umstritten. Hierbei wurden im wesentlichen zwei Fragen kontrovers diskutiert. Zum einen war unklar, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Grundpfandgläubiger, der das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben hat, sich mit Erfolg auf die secured creditor exemption berufen kann (vgl. hierzu unter I.). Zum anderen war umstritten, welches Maß an Kontrolle der gesicherte Kreditgeber über den Anlagenbetrieb des Sicherungsgebers ausüben muß, um am Management mitzuwirken und hierdurch den Schutz der Einrede zu verlieren (vgl. hierzu unter II.).

I. Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung 1. United States v. Mirabile Im Jahre 1985 hatte sich das erstinstanzliche Bundesgericht des Bezirks Ostpennsylvania in dem Rechtsstreit United States v. Mirabile10 als eines der er___________ 9 Hiervon gehen jedoch United States v. Maryland Bank & Trust, 632 F.Supp. 573 (579 f.) (D.Md. 1986); Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (104, Fn. 55) (1993) und Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 186 und 189 ff aus. Laut Nation bestehe die Aufgabe der secured creditor exemption darin, den an sich als Eigentümer haftenden Kreditgeber in den title states dem nicht haftenden Kreditgeber in den lien states gleichzustellen. 10 15 Environmental Law Reporter, 20992 (20994) (E.D.Pa. 1985). Vgl. auch Cohen, 19 Uniform Commercial Code Law Journal, 99 (112 ff.) (1986); Bass, 41 University of Miami Law Review, 879 (889 ff.) (1987); Rashby, 14 Ecology Law Quarterly, 569 (580 ff.) (1987); Vollmann, 16 Real Estate Law Journal, 3 (7 f.) (1987); Wilsdon, 38 The Hastings Law Journal, 1261 (1275 ff.) (1987); Moelis, 12 Cardozo Law Review, 213 (228 f.) (1990); Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (12 ff.) (1991); Kupin, 19 Real Estate Law Journal, 191 (193 ff.) (1991); Shanker, 111 Banking Law Journal, 540

462

2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

sten11 Gerichte mit Fragen der secured creditor exemption auseinanderzusetzen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde. Das Ehepaar Mirabile war Inhaber des Farbenherstellers Turco Coatings, Inc. (Turco). American Bank and Trust Company (ABT), Mellon Bank (Mellon) und Small Business Administration (SBA) hatten Turco Kredite gewährt. ABT hatte sich hierfür ein Grundpfandrecht an dem Betriebsgrundstück, Mellon dingliche Sicherheiten am Inventar und dem sonstigen Betriebsvermögen und SBA zweitrangige Sicherheiten an Maschinen, am Zubehör, am Inventar, an Forderungen sowie an dem Betriebsgrundstück bestellen lassen. Turco geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten, stellte den Betrieb ein und beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nachdem das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt hatte, betrieb ABT die Zwangsversteigerung des Grundstücks und erhielt den Zuschlag. Unmittelbar nach dem Erwerb nahm ABT Verhandlungen mit Kaufinteressenten auf und veräußerte das Grundstück bereits vier Monate später an die Mirabiles. Später entdeckte die EPA Bodenkontaminationen, sanierte das Grundstück und nahm schließlich die Mirabiles auf Kostenerstattung in Anspruch. Die Mirabiles verkündeten ABT und Mellon den Streit. Diese verkündeten ihrerseits der SBA den Streit. ABT, Mellon und SBA beriefen sich auf die secured creditor exemption. Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob neben den Mirabiles auch die drei Kreditgeber sanierungsverantwortlich sind. Hierzu hatte es u.a. zu klären, ob eine Berufung von ABT auf die secured creditor exemption ausgeschlossen ist, weil ABT durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung Volleigentum an dem Grundstück erworben hatte. Das Gericht entschied, daß ABT sich weiterhin auf die secured creditor exemption berufen könne, weil es ABT allein darum gegangen sei, mit dem Erwerb des Grundstücks und dessen umgehender Weiterveräußerung die Kreditsicherheit zu schützen.

2. United States v. Maryland Bank & Trust Company Auch in der Entscheidung United States v. Maryland Bank & Trust Co.12 aus dem Jahre 1986 hatte sich das erstinstanzliche Bundesbezirksgericht mit der ___________ (543 f.) (1994); Gibbens, 48 Oklahoma Law Review, 131 (134 f.) (1995); Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 194 ff. 11 Vgl. auch die zuvor ergangene Entscheidung In re T.P. Long Chemical, 45 B.R. 278 (Bankr. N.D.Ohio, 1985) sowie die Besprechungen bei Cohen, 19 Uniform Commercial Code Law Journal, 99 (110 ff.) (1986); Wilsdon, 38 The Hastings Law Journal, 1261 (1274 f.) (1987) und Moelis, 12 Cardozo Law Review, 213 ff. (1990).

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

463

Frage auseinanderzusetzen, ob der Erwerb des Grundstücks in der Zwangsversteigerung die Berufung auf die secured creditor exemption ausschließt. Das Ehepaar McLeod war Eigentümer eines Grundstücks, auf dem Herr McLeod seit 1972 eine Abfalldeponie betrieb. 1980 kaufte der Sohn der Mc Leods, Marc Wayne McLeod, das Grundstück. Den Kauf finanzierte er über einen Kredit der Maryland Bank & Trust Co. (MB & T) in Höhe von 335.000 US-Dollar, für den diese sich ein Grundpfandrecht an dem Deponiegrundstück bestellen ließ. MB & T wußte bei der Kreditvergabe von der Nutzung des Grundstücks als Abfalldeponie. Als Marc Wayne McLeod mit der Rückzahlung in Verzug geriet, betrieb MB & T die Zwangsvollstreckung in das Grundstück. Bei der anschließenden Versteigerung erhielt MB & T den Zuschlag. Seit Erwerb des Grundstücks am 15.5.1982 bis zur Entscheidung am 9.4.1986 stand das Grundstück ununterbrochen im Eigentum von MB & T. 1983 informierte Marc Wayne McLeod die EPA über die Abfallablagerung. Nach eingehender Untersuchung forderte die EPA MB & T zur Sanierung auf, was diese jedoch ablehnte. Daraufhin sanierte die EPA das Grundstück und verklagte MB & T auf Ersatz der ihr entstandenen Sanierungskosten in Höhe von ca. 550.000 USDollar. Im Unterschied zu United States v. Mirabile13 entschied das Gericht, daß sich MB & T nicht auf die secured creditor exemption berufen könne.14 Es vertrat die Ansicht, daß ein Kreditgeber die secured creditor exemption nur dann geltend machen könne, wenn er zum Zeitpunkt der Sanierung noch Inhaber des Grundpfandrechts sei. MB & T sei damals jedoch bereits Volleigentümerin gewesen.15 Das Bezirksgericht begründet seine Entscheidung zum einen mit dem Wortlaut des § 9601 (20)(A). Darin ist von einem Kreditgeber die Rede, der zum Zeitpunkt der Sanierung eine dingliche Sicherheit hält, nicht aber gehalten hat. Mit dem Erwerb des Volleigentums schütze der Kreditgeber – jedenfalls wenn er das Grundstück nicht innerhalb von vier Jahren weiterveräußert habe – nicht mehr, wie von der secured creditor exemption gefordert, seine Sicherheit, sondern lediglich seinen Kredit. Zum anderen stellte das Gericht darauf ab, daß der Kreditgeber anderenfalls von dem sanierungsbedingten Wertzuwachs profitiere, während der Steuerzahler für die Kosten aufkommen müsse. Finanzinstitutionen würden hierdurch zu ___________ 12

632 F.Supp. 573 (D.Md. 1986). Eingehend hierzu Bass, 41 University of Miami Law Review, 879 (891 ff.) (1987); Rashby, 14 Ecology Law Quarterly, 569 (572 ff.) (1987); Vollmann, 16 Real Estate Law Journal, 3 (8 ff.) (1987); Wilsdon, 38 The Hastings Law Journal, 1261 (1280 ff.) (1987); Shanker, 111 Banking Law Journal, 540 (544) (1994); Gibbens, 48 Oklahoma Law Review, 131 (135 ff.) (1995). 13 15 Environmental Law Reporter, 20994. 14 632 F.Supp. 573 (579). 15 Ebendort.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Unrecht gegenüber anderen Grundstückserwerbern privilegiert, weil sie das Grundstück billig in der Zwangsversteigerung erwerben und es nach der Sanierung teuer verkaufen können, ohne für die Sanierungskosten aufkommen zu müssen.16

3. Guidice v. BFG Electroplating and Mfg. Co., Inc. Der Entscheidung des Bundesbezirksgerichts in Guidice v. BFG17 aus dem Jahre 1989 lag folgender Sachverhalt18 zugrunde. Die Eheleute Philipp und Brenda Guidice sind Anwohner der sog. Berlin Property. Diese hatte sich ursprünglich im Eigentum der Firma Berlin Metal (Berlin Metal) befunden, die hierauf einen metallverarbeitenden Betrieb errichtete. Berlin Metal erhielt 1975 von der National Bank of the Commonwealth (National Bank) einen Kredit und bestellte dieser hierfür ein Grundpfandrecht an der Berlin Property. Nachdem Berlin Metal 1980 mit der Kreditrückzahlung in Verzug geraten war, trafen sich Vertreter von Berlin Metal und der National Bank. Dabei wurden die Bankenvertreter u.a. über Einzelheiten des Betriebsablaufs, die Geschäftsführung und die finanzielle Situation des Unternehmens informiert. Auf Anraten der National Bank nahm Berlin Metal daraufhin ein Darlehen bei der Small Business Association (SBA) auf, um damit ihren Kredit bei der National Bank abzulösen. Alle Sanierungsversuche zur Rettung von Berlin Metal scheiterten, so daß Berlin Metal schließlich den Betrieb einstellte. In der Zwangsversteigerung erwarb die National Bank die Berlin Property. Die National Bank zahlte in der Folgezeit die Grundsteuern sowie die Versicherungsprämien. Acht Monate nach dem Erwerb veräußerte die National Bank das Grundstück an die Inhaberfamilie von Berlin Metal. Diese veräußerte das Grundstück später an BFG Electroplating and MfG. Co., Inc. (BFG). Nachdem Bodenkontaminationen auf der Berlin Property entdeckt worden waren, sanierten Anwohner das Grundstück. 1986 verklagten Philipp und Brenda Guidice sowie andere Anwohner die BFG als gegenwärtige Eigentümerin auf Erstattung der Sanierungskosten. Die BFG verkündete der National Bank den Streit. ___________ 16

Ebendort, S. 580. 732 F.Supp. 556 (W.D.Pa. 1989). Vgl. die Darstellung bei Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (15 f.) (1991); Kupin, 19 Real Estate Law Journal, 191 (196 ff.) (1991); ähnlich Grantors to the Silresim Site Trust v. State Street Bank & Trust Co., 23 Environmental Law Reporter, 20428 (D.Mass. 1992). 18 Guidice v. BFG Electroplating and Mfg. Co., Inc. 732 F.Supp. 556 (558 ff.) (W.D.Pa. 1989). 17

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

465

Das erkennende Gericht lehnte den Antrag der National Bank auf Zurückweisung der Streitverkündung ab, weil eine Haftung der National Bank als ehemaliger owner or operator nicht ausgeschlossen sei. Die National Bank könne sich nicht mehr auf die secured creditor exemption berufen, nachdem sie das Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben habe. Ohne Bedeutung sei, wie lange der Kreditgeber Volleigentümer gewesen sei. Auch wenn er das Grundstück innerhalb kurzer Zeit weiterveräußere, könne er sich nicht auf die secured creditor exemption berufen. Andernfalls würden Kreditgeber gegenüber sonstigen Erwerbern, die den Zuschlag in der Zwangsversteigerung erhalten, privilegiert.19 Der Gesetzgeber habe zudem bei der Definition des owner or operator gemäß § 9601 (20)(A) lediglich den Staat von der Haftung ausgenommen, wenn dieser unfreiwillig das Eigentum erlange, nicht jedoch den Kreditgeber, der das Grundstück in der Zwangsversteigerung erwerbe.

4. Zusammenfassung In der Rechtsprechung hatte sich zu der Frage, ob sich ein Kreditgeber auch dann auf die secured creditor exemption berufen könne, wenn er das Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben hat, keine herrschende Meinung herausbildet. Während das Gericht in United States v. Mirabile20 eine Haftungsbefreiung ausnahmslos bejahte, weil der Erwerb dem Schutz der Sicherheit diene, lehnte das Gericht in Guidice v. BFG eine Berufung auf die secured creditor exemption generell ab. Eine vermittelnde Position nahm das Bundesbezirksgericht in United States v. Maryland Bank & Trust Co.21 ein. Auch wenn es in casu eine Haftungsfreistellung ablehnte, deutete es an, daß ein Grundpfandgläubiger, der das Grundstück in der Zwangsversteigerung erwerbe und es in angemessener Zeit weiterveräußere, sich auf die secured creditor exemption berufen könne.

___________ 19

Ebendort, S. 563. 15 Environmental Law Reporter, 20992 (20994) (E.D.Pa. 1985). 21 632 F.Supp. 573 (D.Md. 1986). 20

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

II. Mitwirkung am Management In der Rechtsprechung war zudem umstritten, wann eine Berufung auf die secured creditor exemption wegen einer Mitwirkung des gesicherten Kreditgebers am Management des Kreditnehmers ausgeschlossen ist.

1. United States v. Mirabile In der Entscheidung United States v. Mirabile22 vertrat das Gericht die Ansicht23, ein Kreditgeber wirke nur am Management des Kreditnehmers mit, wenn er die Kontrolle über das tägliche Geschäft der Anlage ausübe und insbesondere an umweltrelevanten Entscheidungen beteiligt sei. Die bloße Einflußnahme auf finanzielle Angelegenheiten des Kreditnehmers reiche hierfür nicht aus, auch wenn sie dem gesicherten Kreditgeber faktisch die Möglichkeit eröffne, Einfluß auf das umweltrelevante Verhalten des Kreditnehmers auszuüben. Das Gericht verneinte daher eine Verantwortlichkeit von ABT, weil diese weder am täglichen operativen Geschäft von Turco mitgewirkt habe noch in sonstiger Weise Verursacher oder Nutznießer der Verunreinigung sei.24 Das Gericht bejahte auch bei SBA die Voraussetzungen der secured creditor exemption, obwohl Turco SBA in dem Kreditvertrag ein Mitspracherecht in Einzelfragen der Geschäftsführung eingeräumt hatte. Das Gericht hob jedoch hervor, daß SBA ihr Mitspracherecht niemals ausgeübt habe und deshalb von einer Mitwirkung an der täglichen Geschäftsführung nicht die Rede sein könne.25 Hingegen konnte das Gericht die Entscheidung über eine Verantwortlichkeit von Mellon nicht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung treffen und verwies den Fall daher an eine Jury. Bei Mellon schloß das Gericht eine Mitwirkung an der täglichen operativen Geschäftsführung nicht aus, weil Mellon Turco eigene Mitarbeiter als Berater überlassen hatte.26

___________ 22

Der Sachverhalt der Entscheidung ist unter I. 1. dargestellt. 15 Environmental Law Reporter, 20992 (20995 f.) (E.D.Pa. 1985). 24 Ebendort, 20996. 25 Ebendort. 26 Ebendort, 20997. 23

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

467

2. Guidice v. BFG Electroplating and Mfg. Co., Inc. In Guidice v. BFG Electroplating and Mfg. Co., Inc.27 lehnte das Gericht eine Haftung der National Bank ab. Eine Haftungsfreistellung nach der secured creditor exemption sei nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die National Bank Berlin Metal in finanziellen Angelegenheiten beraten habe.28 Die National Bank habe hierdurch nicht am Management von Berlin Metal mitgewirkt, sondern lediglich Maßnahmen zum Schutz ihrer Kreditsicherheit ergriffen. Eine Mitwirkung am Management erfordere vielmehr, daß der Kreditgeber am dayto-day management mitgewirkt habe.29 Die National Bank habe sich jedoch lediglich über den Geschäftsablauf und die finanzielle Situation von Berlin Metal informiert sowie Berlin Metal bei ihrem Kreditantrag an SBA geholfen.

3. United States v. Fleet Factors Corp. Als erstes Bundesberufungsgericht hatte der Court of Appeals for the 11th Circuit30 in United States v. Fleet Factors Corp. (Fleet Factors) über die Auslegung der secured creditor exemption zu entscheiden. Die Swainsboro Print Works, Inc. (SPW) betrieb von 1967 bis 1981 eine Textiliendruckerei. 1976 schloß sie mit Fleet Factors einen Factoring-Vertrag. SPW trat hierin Fleet Factors ihre ausstehende Forderungen ab und bestellte dieser ein Grundpfandrecht an dem Betriebsgrundstück sowie dingliche Sicherungsrechte an der Anlage, an Lagerbeständen und am sonstigen Zubehör. Nachdem Fleet Factors SPW mitgeteilt hatte, daß sie keine weiteren Zahlungen erbringen werde, stellte SPW im Februar 1981 den Geschäftsbetrieb ein. Einige Angestellte kümmerten sich um die Versendung der Restbestände sowie die sonstige Abwicklung. Während dieser Zeit überprüfte Fleet Factors weiterhin SPW’s Forderungen gegen Abnehmer. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde im Dezember 1981 ein Insolvenzverwalter bestellt. Im Mai 1982 vollstreckte Fleet Factors in SPW’s Inventar, nicht jedoch in das Grundstück. ___________ 27

Der Sachverhalt der Entscheidung ist unter I. 3. dargestellt. Guidice v. BFG Electroplating and Mfg. Co., Inc. 732 F.Supp. 556 (561) (W.D.Pa. 1989). 29 So zuvor bereits United States v. Mirabile, 15 Environmental Law Reporter, 20992 (20995), (E.D.Pa. 1985). 30 901 F.2d 1550 (11th Cir. 1990). Siehe auch Berry/Greeley/McNamara, 96 Commercial Law Journal, 59 ff. (1991); Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (19 ff.) (1991); Kupin, 19 Real Estate Law Journal, 191 (204 ff.) (1991); Schoenbaum/ Rosenberg, Environmental Policy Law, 2. Aufl., S. 464 ff.; Gibbens, 48 Oklahoma Law Review, 131 (137 ff.) (1995). 28

468

2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Der von Fleet Factors bestellte Auktionator Baldwin versteigerte einen Teil des Inventars. Nach der Versteigerung beauftragte Fleet Factors die Firma Nix Riggers mit der Entfernung des restlichen Inventars, so daß das Grundstück besenrein hinterlassen werden könne. 1984 entdeckte die EPA auf dem Grundstück 700 Fässer mit giftigen Chemikalien sowie große Mengen Asbest. Die EPA entfernte die Giftfässer und den Asbest und verlangte von Fleet Factors die Erstattung ihrer Kosten in Höhe von ca. 400.000 US-Dollar. 1987 ging das Eigentum an dem Grundstück auf den Emanuel County über. Die EPA behauptete, Baldwin habe vor der Auktion einige der korrosiven Fässer entfernen lassen. Hierbei seien Gefahrstoffe ausgelaufen. Zudem sei durch den Abtransport der versteigerten Maschinen und Geräte und durch die Aufräumarbeiten der Firma Nix Riggers Asbest freigesetzt worden. Fleet Factors bestreitet dies. Das erstinstanzliche Bundesbezirksgericht31 entschied in einem Verfahren des summary judgement über die aufgeworfenen Rechtsfragen, daß Fleet Factors jedenfalls bis zur Beauftragung von Baldwin mit der Versteigerung nicht am day-to-day management mitgewirkt habe und sich daher als früherer owner or operator auf die secured creditor exemption berufen könne. Fleet Factors habe SPW lediglich in Finanzangelegenheiten unterstützt und gelegentlich Ratschläge zu Fragen der Geschäftsführung erteilt.32 Für die Zeit nach der Beauftragung Baldwins konnte das Gericht hingegen eine Verantwortlichkeit von Fleet Factors nicht ausschließen. Im Hauptsacheverfahren seien Feststellung darüber zu treffen, ob Baldwin undichte Giftfässer hin- und herbewegt und ob Nix Riggers beim Abmontieren der Maschinen Asbest freigesetzt habe. Sollte dies nachgewiesen werden, so sei von einer Mitwirkung von Fleet Factors am day-to-day management auszugehen. Das Berufungsgericht des 11. Bezirks33 bestätigte in seiner bahnbrechenden Entscheidung zwar das erstinstanzliche Urteil, sprach sich aber für eine andere Auslegung des Tatbestandsmerkmals „participating in the management“ aus. Das Berufungsgericht wich in zweifacher Hinsicht von der bisher herrschenden Rechtsprechung zur secured creditor exemption ab. Es sprach sich zum einen für eine gesonderte owner- und operator- Haftung aus. Demgegenüber war die Rechtsprechung bisher von einer einheitlichen owner or operator-Haftung ausgegangen.

___________ 31 724 F.Supp. 955 (S.D.Ga. 1988); vgl. auch die Besprechung bei Kupin, 19 Real Estate Law Journal, 191 (202 ff.) (1991). 32 724 F.Supp. 955 (960) (S.D.Ga. 1988). 33 United States v. Fleet Factors Corp. 901 F.2d 1550 (11th Cir. 1990).

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

469

Zum anderen wandte es sich dagegen, daß eine Mitwirkung am Management nur vorliege, wenn der gesicherte Kreditgeber am day-to-day management beteiligt sei.34 Wer am day-to-day management mitwirke, sei operator. Für den owner müsse daher jenseits des operativen Geschäfts ein Bereich bleiben, in dem er am Management beteiligt sei, ohne zum operator zu werden. Nach Ansicht des Berufungsgerichts des 11. Bezirks könne sich ein gesicherter Kreditgeber bereits dann nicht auf die secured creditor exemption berufen, wenn er am finanziellen Management der Anlage in einer Weise mitwirke, die vermuten lasse, daß er auf die Abfallbehandlung des Kreditnehmers Einfluß nehmen könne.35 Maßgebend für die owner-Haftung des gesicherten Kreditgebers sei daher nicht, ob er Einfluß auf das Umweltverhalten des Kreditnehmers ausübe, sondern daß ihm dies möglich sei.36 Das Berufungsgericht begründet seine restriktive Interpretation der secured creditor exemption ferner damit, daß von der Haftungsfreistellung ein Anreiz ausgehen solle, das Umweltverhalten des Kreditnehmers eingehend zu prüfen. Der Kreditnehmer werde so veranlaßt, den Umgang mit Gefahrstoffen mit den Belangen des Umweltschutzes in Einklang zu bringen. Das Berufungsgericht bejahte daher im Rahmen des summary judgement eine Verantwortlichkeit von Fleet Factors für die Zeit nach der Beauftragung Baldwins. Fleet Factors müsse sich sowohl das Verhalten Baldwins als auch von Nix Riggers zurechnen lassen. Zudem sah es Fleet Factors auch aufgrund des eigenen Verhaltens als verantwortlich an. SPW habe in der Zeit von 1981 bis Mai 1982 Waren nur mit Zustimmung von Fleet Factors versandt. Fleet Factors habe zudem den Verkaufspreis für Lagerbestände festgelegt, die Entscheidung über die Entlassung von Angestellten getroffen, die Arbeit des Büroleiters der Anlage überwacht und den Zugang zur Anlage kontrolliert. Die Entscheidung des Court of Appeals for the 11th Circuit sorgte in der Kreditwirtschaft für große Unruhe, weil sie gesicherten Kreditgebern eine Berufung auf die secured creditor exemption erheblich erschwerte.37 Das Berufungsgericht verwarf den actual control-Test. Statt der tatsächlichen Kontrolle über den Anlagenbetrieb solle bereits die Möglichkeit zur Einflußnahme genü___________ 34

United States v. Fleet Factors Corp. 901 F.2d 1550 (1557) (11th Cir. 1990). Ebendort. Wörtlich heißt es: „Under the standard we adopt today, a secured creditor may incur section 9607 (a)(2) liability, without being an operator, by participating in the financial management of a facility to a degree indicating a capacity to influence the corporation’s treatment of hazardous waste“. 36 United States v. Fleet Factors Corp. 901 F.2d 1550 (1558) (11th Cir. 1990). 37 Vgl. Moelis, 12, Cardozo Law Review, 213 (245 ff., insbesondere 248) (1990); Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (5 f.) (1991); Jennings, 24 Real Estate Law Journal, 372 (375) (1996). 35

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

gen (sog. capacity to control-Test).38 Eine Haftungsbefreiung scheide bereits dann aus, wenn der Kreditgeber aufgrund seiner Mitwirkung an den Finanzangelegenheiten des Kreditnehmers Einfluß auf den Umgang mit Gefahrstoffen nehmen könne. Unerheblich sei, ob er seinen Einfluß tatsächlich ausübe.

4. In re Bergsoe Metal Corp. Drei Monate nach der Entscheidung in United States v. Fleet Factors Corp. nahm mit dem Berufungsgericht des 9. Bezirks in In re Bergsoe Metal Corp.39 das zweite Berufungsgericht zur secured creditor exemption Stellung. Der Entscheidung des Courts of Appeals for the 9th Circuit lag folgender Sachverhalt zugrunde. St. Helenas Port (Port), ein gemeindliches Unternehmen, dessen Ziel die Förderung von Industrieansiedlungen ist, schloß 1978 mit Bergsoe Metals (Bergsoe) einen Vertrag über die Gründung einer Bleirecyclinganlage. Port gab vereinbarungsgemäß Schuldverschreibungen aus und stellte Bergsoe den Erlös zur Verfügung. Bergsoe kaufte von Port Land und errichtete die Bleirecyclinganlage. Im Gegenzug bestellte Bergsoe Port ein Grundpfandrecht. Die Schuldverschreibungen wurden von der National Bank of Oregon (National Bank) verwahrt, wobei die National Bank selbst Schuldverschreibungen erwarb. Bergsoe übertrug Port das Grundstück in einem sale and lease back-Vertrag und verpflichtete sich, die Leasingraten unmittelbar an die Bank zu zahlen. Dabei wurden die Leasingzahlungen so bemessen, daß die Gesamtzahlungen den Verpflichtungen aus den Schuldverschreibungen entsprachen. Nach der vollständigen Rückzahlung stand Bergsoe das Recht zu, die Anlage für 100 US-Dollar zu erwerben. 1982 nahm Bergsoe den Anlagenbetrieb auf. Bereits 1983 geriet Bergsoe mit der Zahlung der Leasingraten in Verzug. Die National Bank und Bergsoe vereinbarten daraufhin, daß Front Street Management (Front) das Management der Anlage übernehmen solle und daß die National Bank und Port im Gegenzug auf eine Zwangsvollstreckung verzichten. 1986 mußte Bergsoe gleichwohl den Betrieb einstellen. Die National Bank beantragte daraufhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im selben Jahr stellte die Oregoner Umweltbehörde Bodenkontaminationen fest.

___________ 38 Zum Teil ist auch von einem capacity to influence-Test die Rede; vgl. etwa Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 206. 39 910 F.2d 668 (9th Cir. 1990). Vgl. auch die Besprechung bei Moelis, 12, Cardozo Law Review, 213 (240 ff.) (1990) und bei Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (24 ff.) (1991).

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

471

Das Berufungsgericht hatte in einem Verfahren des summary judgement über die Rechtsfrage zu entscheiden, ob Port für die Sanierungskosten verantwortlich ist. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Bezirksgerichts und verneinte eine Haftung von Port.40 Port sei als Grundpfandgläubiger zwar owner im Sinne des § 9607. Jedoch könne sich Port mit Erfolg auf die secured creditor exemption berufen, weil Port nicht am Management von Bergsoe mitgewirkt habe. Der Court of Appeals for the 9th Circuit verzichtete darauf, eine bindende Regel zur Auslegung des „participating in the management“ aufzustellen. Er stellte jedoch klar, daß es den vom Berufungsgericht des 11. Bezirks in United States v. Fleet Factors Corp. aufgestellten capacity to control-Test ablehne. Eine Mitwirkung am Management setzte nach seiner Ansicht eine tatsächliche Mitwirkung an der Geschäftsführung (actual management) voraus. Daran habe es bei Port gefehlt. Nicht ausreichend sei es, wenn der Kreditgeber lediglich an der Projektplanung beteiligt sei, weil kein Kreditgeber sein Geld ungeprüft in ein Großprojekt stecke. Unbeachtlich sei auch, daß der Leasingvertrag Port das Rechte einräumte zu überwachen, ob die Gefahrstoffe ordnungsgemäß gelagert werden. Eine Mitwirkung am Management liege nur vor, wenn der Kreditgeber die ihm eingeräumten Rechte ausübe.41 Da nicht nachgewiesen werden könne, daß Port an der Vereinbarung zwischen der National Bank und Bergsoe zur Beauftragung von Front mit dem Management beteiligt gewesen sei, könne auch unter diesem Gesichtspunkt nicht von einer Beteiligung am Management die Rede sein. Port müsse sich zudem nicht das Verhalten der National Bank zurechnen lassen, weil diese nicht für Port, sondern im Interesse der Schuldverschreibungsinhaber gehandelt habe.

D. Die EPA Lender Liability Rule Nachdem die Rechtsprechung es auch mehr als ein Jahrzehnt nach Inkrafttreten von CERCLA nicht vermocht hatte, für Rechtssicherheit bei der Auslegung der secured creditor exemption zu sorgen, und klärende Gesetzesinitiativen42 im Sande verlaufen waren, erließ die EPA am 29.4.1992 mit der Lender Liability Rule eine bindende Richtlinie über die Auslegung der Einrede.43 Diese Richtlinie bezweckte vor allem, die durch die Entscheidung des ___________ 40

In re Bergsoe Metal Corp. 910 F.2d 668 (670 ff.) (9th Cir. 1990). Ebendort, S. 673. 42 H.R. 4494 , 101st Cong., 2d Sess. (1990); 136 Cong. Rec. H1505 (April 4, 1990). 43 Lender Liability Rule Under CERCLA, EPA Final Rule, 57 Fed. Reg. 18344 vom 29.4.1992, 40 C.F.R. § 300.1100. 41

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Berufungsgerichts in United States v. Fleet Factors Corp. hervorgerufene Verunsicherung und Aufregung in der Kreditwirtschaft zu beseitigen. Die Richtlinie legte die zentralen Begriffe der secured creditor exemption aus.44 Die EPA Lender Liability Rule nahm insbesondere dazu Stellung, ob der Erwerb des Volleigentums in der Zwangsversteigerung die Berufung auf die Einrede ausschließe (vgl. hierzu unter 1.) und was unter einer Mitwirkung an der Geschäftsführung zu verstehen sei (vgl. sodann unter 2.). Die Lender Liability Rule ist 1994 in der Entscheidung Kelley v. EPA für nichtig erklärt worden (vgl. hierzu Abschnitt F.).

I. Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung § 300.1100 (a) und (d) der Richtlinie stellte klar, daß sich der Kreditgeber auch dann noch mit Erfolg auf die secured creditor exemption berufen kann, wenn er in der Zwangsversteigerung das Volleigentum erworben hat.45 In der amtlichen Begründung heißt es, daß der Erwerb des Grundstücks in der Zwangsversteigerung ein bankübliches Verhalten zum Schutz der Kreditsicherheit darstelle.46 Eine Berufung auf die secured creditor exemption sei jedoch nur möglich, wenn es dem Kreditgeber vorrangig um den Schutz seines Kredites gehe.47 Dies sei nach § 300.1100 (d)(1) nur der Fall, wenn der Kreditgeber das Grundstück erwerbe, weil anderweitige Gebote nicht zu seiner vollständigen Befriedigung führen. Ein Erwerb zum Schutz seines Anspruchs liege darüber hinaus nur dann vor, wenn der Kreditgeber innerhalb angemessener Zeit den Versuch unternehme, das Grundstück zu verkaufen oder sich in anderer Weise von ihm zu trennen. Zu diesem Zweck müsse der Kreditgeber innerhalb von 12 Monaten entweder einen Makler beauftragen oder das Grundstück zumindest einmal pro Monat in einer einschlägigen Zeitung zum Kauf anbieten. Der Kreditgeber dürfe schließlich Kaufangebote, durch deren Annahme er vollständig befriedigt würde, nach einer Übergangszeit von sechs Monaten ab der Zwangsversteigerung nicht ablehnen oder unbeantwortet lassen (§ 300.1100 (d)(2)(ii)(B)), wenn er nicht den Schutz der secured creditor exemption verlieren will. Die Richtlinie legt allerdings nicht fest, wann der Kreditgeber sich spätestens von dem Grundeigentum getrennt haben müsse. Nach der Richtlinie ___________ 44 Eingehend hierzu Nation, 110 Banking Law Journal, 92 ff. (1993); Gibbens, Oklahoma Law Review, 131 ff. (1995); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 151 ff.; Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 210 ff. 45 Ausführlich Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (94) (1993). 46 Vgl. Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 156 und 159. 47 Vgl. hierzu Feess, Die Haftung gesicherter Kreditgeber, S. 41 ff.

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

473

kann der Kreditgeber daher zeitlich unbefristet Eigentümer bleiben und die Anlage weiterbetreiben, sofern er sich um eine Veräußerung bemüht. 48 In der Praxis wird es dem Kreditgeber nur in Ausnahmefällen gelingen, sich vollständig aus dem Verkauf des kontaminierten Grundstücks zu befriedigen.49

II. Mitwirkung am Management 1. Actual control-Test Darüber hinaus enthielt die Richtlinie Regelungen darüber, wann von einer Mitwirkung des gesicherten Kreditgebers an der Geschäftsführung auszugehen sei. § 300.1100 (c)(1) stellte klar, daß nur eine tatsächliche Beteiligung am Management oder am operativen Geschehen, nicht aber die bloße Möglichkeit zur Einflußnahme die Einrede ausschließe. Die Richtlinie sprach sich somit ausdrücklich gegen den in United States v. Fleet Factors Corp. entwickelten capacity to control-Test und für den actual control-Test aus. Ein Kreditgeber wirke an der Geschäftsführung entweder dann mit, wenn er die Kontrolle über das Umweltverhalten des Kreditnehmers ausübe (decisionmaking authority over the borrower’s environmental compliance) oder wie ein Manager das operative day-to-day management kontrolliere (overall management authority). Nicht ausreichend sei es, wenn der gesicherte Kreditgeber Einfluß auf die Finanzangelegenheiten des Unternehmens nehme, selbst wenn er in diesem Bereich die Letztentscheidungsmacht ausübe.50 Der Kreditgeber wirke insbesondere dann an der Geschäftsführung mit, wenn er die Aufgaben eines Anlagenleiters (plant managers), eines Betriebsleiters (operative managers) oder eines Hauptbetriebsleiters (chief operating officer) ausübe.51

2. Unbeachtliche Maßnahmen Die Richtlinie führte einzelne Handlungen auf, die nicht als Mitwirkung an der Geschäftsführung anzusehen seien. ___________ 48 Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 158; Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 214. 49 So auch Neumann, ebendort. 50 Gibbens, 48 Oklahoma Law Review, 131 (144 und 172) (1995); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 153. 51 Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, wenn der Kreditgeber das Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben hat; gl. hierzu unter I.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

a) Lender’s pre-loan activities § 300.1100 (c)(2)(i) stellte klar, daß Maßnahmen oder Unterlassungen vor der Bestellung der Sicherheit in keinem Fall eine Beteiligung am Management begründen können, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine indicia of ownership vorliegen. Der Kreditgeber sei insbesondere nicht schon deshalb verantwortlich, weil er das Grundstück auf Kontaminationen untersuchen lasse oder von dem Kreditnehmer die Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften verlange.52

b) Administering and managing the loan Nach § 300.1100(c)(2)(ii)(A) könne der Kreditgeber dieselben Maßnahmen auch im Rahmen der Überwachung des Kreditverhältnisses ergreifen, ohne sich einer Haftung auszusetzen.53 Die Richtlinie hob zudem hervor, daß der Kreditgeber nicht schon deshalb hafte, weil er das Grundstück vor Bestellung der Sicherheit nicht untersuchen lassen habe.

c) Participation in loan work out activities Gerät der Kreditnehmer mit der Rückzahlung des Kredits in Verzug, so könne der Kreditgeber an unternehmerischen Sanierungsmaßnahmen (work outs) mitwirken, ohne den Schutz der secured creditor exemption zu verlieren. Er könne insbesondere den Kredit umstrukturieren, den Kreditnehmer in Finanzangelegenheiten beraten sowie seine vertraglichen und gesetzlichen Rechte ausüben.54

d) Foreclosure actions Besonders weitgehend ist der Schutz des Kreditgebers nach dem Erwerb des Grundeigentums in der Zwangsversteigerung. Von diesem Zeitpunkt an könne der Kreditgeber die Geschäftstätigkeit des Kreditnehmers fortführen oder sie abwickeln, Maßnahmen zum Schutz der Vermögenswerte ergreifen, das Unternehmen auf den Verkauf vorbereiten oder es liquidieren, ohne einer Haftung als ___________ 52

Vgl. Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 153. Ebendort, S. 154 f. 54 Ebendort, S. 155. 53

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

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owner oder als operator ausgesetzt zu sein.55 Voraussetzung sei lediglich, daß er sich in angemessener Zeit um eine Veräußerung bemühe.56

E. Stellungnahme des Schrifttums zur Lender Liability Rule Die Richtlinie löste im Schrifttum ein unterschiedliches Echo aus. Zum Teil wurde die Klarstellung der Streitfragen in der Richtlinie begrüßt.57 Die herrschende Lehre58 lehnte die Richtlinie hingegen ab. Sie kritisierte zum einen, daß die EPA sich nicht auf eine Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen beschränkt habe, sondern ohne ausreichende Rechtsgrundlage rechtsschöpfend tätig geworden sei.59 Zum anderen beanstandete sie, daß die Richtlinie zu kreditgeberfreundlich sei.60 Sie gehe sowohl beim Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung als auch bei der Auslegung des Begriffs „participating in the management“ noch über die kreditgeberfreundlichsten Gerichtsentscheidungen hinaus. Die Haftungsfreistellung bei Erwerb des Volleigentums in der Zwangsversteigerung privilegiere den Kreditgeber gegenüber anderen Bietern, ohne daß sich hierfür eine Stütze im Gesetz finde.61 Der Kreditgeber erlange hierdurch faktisch dauerhaftes Eigentum, ohne einem Haftungsrisiko ausgesetzt zu sein, weil sich meist kein Käufer für das kontaminierte Grundstück finden lasse, der zur Zahlung eines Kaufpreis in Höhe des Restkredites bereit sei.62 Die Anwendung des actual control-Tests anstelle des capacity to control-Tests führe zudem dazu, daß von CERCLA

___________ 55 Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (96 und 109) (1993); Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 156 ff.; Mitchell, New York Law Journal, December 21, 1994, 3 (4). Mitchell begründet die Haftungsfreistellung in diesen Fällen damit, daß der Erwerber nicht um diese Handlungen umhinkomme. 56 Vgl. hierzu unter I. 57 So etwa Gibbens, 48 Oklahoma Law Review, 131 (171) (1995). 58 Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (93, 103 und 108 ff.) (1993); Geisinger, 4 Duke Environmental Law & Policy F., 41 (55) (1994); Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 213 f. Neumann weist auf den politischen Druck hin, den die Kreditbranche auf die EPA ausgeübt habe. 59 Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (93, 103 und 108 ff.) (1993); Neumann, ebendort. 60 Geisinger, 4 Duke Environmental Law & Policy F., 41 (55) (1994); Neumann, ebendort. 61 Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (103) (1993); Neumann, ebendort. 62 Neumann, ebendort, S. 215.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

keine ausreichende Anreizwirkung auf Kreditgeber ausgehe, um den Kreditnehmer zu einem sorgfältigen Umgang mit Gefahrstoffen anzuhalten.63

F. Aufhebung der EPA Lender Liability Rule in Kelley v. EPA Allerdings erklärte der Court of Appeals for the District of Columbia die Lender Liability Rule 1994 in der Entscheidung Kelley v. EPA für nichtig.64 In einem von dem Generalstaatsanwalt von Michigan, Kelley, und dem Verband der Chemischen Industrie angestrengten Normenkontrollverfahren befand das Gericht, daß die Richtlinie ohne ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erlassen worden sei.65 Der Gesetzgeber habe allein den Gerichten die Aufgabe zugewiesen, strittige Haftungsfragen zu klären.66 Da die Richtlinie auch nicht als bloßes (internes) policy statement konzipiert worden sei, hob das Gericht sie auf.

G. Der Asset Conservation Act 1996 verabschiedete der Kongreß mit dem Asset Conservation, Lender Liability, and Deposit Insurance Protection Act (Asset Conservation Act)67 eine CERCLA-Novelle, um die nach der Aufhebung der Richtlinie erneut strittigen Fragen der Kreditgeberhaftung zu klären und die Verunsicherung68 in der Kreditwirtschaft zu beseitigen. Der Asset Conservation Act nahm die meisten Regelungen der Lender Liability Rule als Legaldefinitionen in § 9601 (20) auf.69

___________ 63

Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (103 und 108) (1993). 15 F.3d 1100 (D.C. Cir. 1994); vgl. auch Jennings, 24 Real Estate Law Journal, 372 ff. (1996). 65 15 F.3d 1100 (1107 ff.) (D.C. Cir. 1994). 66 Ebendort, S. 1108 unter Verweis auf den Redebeitrag von Senator Randolph, 126 Cong. Rec. 30,932 (1980): „It is intended that issues of liability not resolved by this act, if any, shall be governed by traditional and evolving principles of common law“. 67 110 Stat. 3009-462 vom 30.9.1996. 68 Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (5 f.) (1991); Kupin, 19 Real Estate Law Journal, 191 (212) (1991); Jennings, 24 Real Estate Law Journal, 372 (375) (1996). 69 Im Gesetzgebungsverfahren hat der Kongreß den ursprünglichen Gedanken fallengelassen, die EPA zur Definition der strittigen Begriffe zu ermächtigen; vgl. hierzu Berry/Greeley/McNamara, 96 Commercial Law Journal, 59 (72) (1991); Schmall/ Tellier, 25 Real Property, Probate And Trust Journal, 771 (794) (1991). 64

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

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Zudem wurde die EPA ermächtigt, die Lender Liability Rule zur Auslegung heranzuziehen sowie neue Richtlinien zu erlassen.70

I. Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung Auch nach dem Asset Conservation Act verliert der Kreditgeber den Schutz der secured creditor exemption nicht zwingend mit Erwerb des Grundstücks in der Zwangsversteigerung. Ebenso wie nach der Richtlinie haftet er dann nicht, wenn der Erwerb vorrangig dem Schutz seiner Kreditsicherheit dient. Nach § 9601 (20)(E)(i)(II) muß er hierzu nachweisen, daß er sich zum frühstmöglichen, kaufmännisch vernünftigen Zeitpunkt um die Veräußerung des Grundstücks bemüht hat. Anders als die Richtlinie führt der Asset Conservation Act jedoch nicht näher aus, welche Maßnahmen der Kreditgeber hierzu ergreifen muß.

II. Mitwirkung am Management § 9601 (20)(F) definiert den Begriff „participating in the management“ in Übereinstimmung mit der Richtlinie als tatsächliche Mitwirkung am Management oder an der operativen Geschäftsführung. Nicht ausreichend sei die bloße Möglichkeit der Einflußnahme. Tatsächliche Kontrolle liege – entsprechend dem sog. two prong-Test gemäß § 300.1100(c)(1)(i)-(ii) der Richtlinie – entweder dann vor, wenn der Kreditgeber die Kontrolle über das Umweltverhalten des Kreditnehmers ausübe (decisionmaking authority over the borrower’s environmental compliance) oder wie ein Manager das operative day-to-day management kontrolliere (overall management authority). In § 9601 (20)(F)(iv) werden sodann im wesentlichen übereinstimmend mit § 300.1100 (c)(2) der Richtlinie einzelne Verhaltensweisen aufgeführt, die nicht als Mitwirkung an der Geschäftsführung anzusehen seien. Der Kreditgeber hafte insbesondere nicht schon deshalb, weil er vor der Bestellung der

___________ 70 Darüber hinaus wurden durch die Gesetzesnovelle auch Vorschriften im RCRA zur Kreditgeberhaftung für underground storage tanks geändert.

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Sicherheit Maßnahmen ergreife oder von dem Kreditnehmer die Untersuchung oder die Sanierung des Grundstücks verlange.71

H. Stellungnahme Zu begrüßen ist, daß der Gesetzgeber mit dem Asset Conservation Act für Rechtssicherheit gesorgt hat. Dadurch ist wieder Ruhe in die verunsicherte Kredit- und Immobilienwirtschaft eingekehrt.72 Eine andere Frage ist allerdings, ob die Regelungen des Asset Conservation Act gefahrenabwehrrechtlich überzeugen.

I. Keine Haftungsfreistellung bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung Erwirbt der gesicherte Kreditgeber das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung73, so ist er nach § 9601 (20)(E)(ii)(II) von der Haftung freigestellt, sofern er sich innerhalb angemessener Zeit um die Weiterveräußerung bemüht. Zur Begründung heißt es, daß der Erwerb des Grundstücks in der Zwangsversteigerung in der Kreditwirtschaft ein typisches Geschäft zum Schutz des Kredites sei74 und daß hierdurch die Zerschlagung wirtschaftlicher Einheiten75 verhindert werden solle. Keine dieser Begründungen überzeugt. Durch den Erwerb des Volleigentums76 wird der Kreditgeber (teilweise) befriedigt und endet die Sicherungsfunktion des Grundpfandrechts. Er verliert den – vom US-amerikanischen Gesetzgeber als schutzwürdig angesehenen – Status als Kreditgeber. Es spielt daher keine Rolle, ob er das Grundstück kurze Zeit

___________ 71

Vgl. im einzelnen unter D. II. 2. a). Zu den Folgen der Rechtsunsicherheit in der Immobilienwirtschaft vgl. Moelis, 12 Cardozo Law Review, 213 (245 f.) (1990); Jennings, 24 Real Estate Law Journal, 372 (375) (1996). 73 Zu der Zwangsvollstreckung in Grundstücke und zum Ablauf einer Zwangsversteigerung nach US-amerikanischem Recht vgl. Mühl, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Recht der Kreditsicherheiten in den Vereinigten Staaten von Amerika, S. 137 ff. 74 Airst, How To Avoid Environmental Liability, S. 156. Kritisch hierzu Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (110 ff.) (1993). 75 Vgl. die Begründung der EPA-Richtlinie, 57 Fed. Reg. 18,344 (18,347). 76 Zwischen Sicherungs- und Volleigentum unterscheidet auch Rashby, 14 Ecology Law Quarterly, 569 (579 f.) (1987). 72

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

479

später veräußert77 bzw. ob er sich um die Veräußerung des Grundstücks bemüht.78 Die Privilegierung des Kreditgebers beruht nicht auf sachlichen Erwägungen, sondern ist das Ergebnis erfolgreicher Lobbytätigkeit. Besonders augenfällig zeigt sich dies, wenn der Kreditgeber nach dem Erwerb des Grundstücks den Betrieb der Anlage fortsetzt. Obwohl er hierdurch zum operator wird und für die Folgen seines eigenen Handelns einstehen müßte, stellt § 9601 (20)(E)(ii)(II) ihn von der Haftung frei.79

II. Keine Abgrenzung der operator-Haftung von der owner-Haftung Der Streit um die Auslegung des Begriffs „participating in the management“ ist die Folge einer mißlungenen gesetzlichen Regelung und einer verfehlten Auslegung durch die Rechtsprechung. Ohne Not hat der Gesetzgeber mit dem „participating in the management“ einen neuen Begriff geschaffen, obwohl sich dieser mit dem operator-Begriff80 deckt.81 Statt dessen hätte der Gesetzgeber die Haftung gesicherter Kreditgeber auf solche Fälle beschränken können, in denen diese als operator anzusehen sind.82 Der operator-Begriff bringt wesentlich deutlicher als der Begriff des „participating in the management“ zum Ausdruck, daß gesicherte Kreditgeber haften sollen, wenn sie den Anlagenbetrieb kontrollieren.83 ___________ 77 So insbesondere United States v. Maryland Bank & Trust Co., 632 F.Supp. 573 (579 f.) (D.Md. 1986). 78 Zustimmend Rashby, 14 Ecology Law Quarterly, 569 (582) (1987); Wilsdon, 38 The Hastings Law Journal, 1261 (1285) (1987). 79 Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (112) (1993). 80 Vgl. die obige Darstellung zur Auslegung des operator-Begriffs durch den Supreme Court in United States v. Bestfoods unter 4. Kap. D. II. 3. 81 Ebenso Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (22) (1991); Hager, ZEuP 1997, 9 (33). 82 Zustimmend United States v. Kayser-Roth Corp., 910 F.2d 24 (26 Fn. 6) (1st Cir. 1990); Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (11 f. sowie 22 f.) (1991); Healy, 42 Case Western Reserve Law Review, 65 (91) (1992); Nation, 110 Banking Law Journal, 92 (109) (1993); Hager, ZEuP 1997, 9 (33); Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 181 ff., 191 und 224. A.A. United States v. Fleet Factors Corp., 901 F.2d 1550 (1557) (11th Cir. 1990). Für eine Beschränkung der secured creditor exemption auf owner spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte. In dem ursprünglichen Gesetzesvorschlag bezog sich die secured creditor exemption nur auf den owner. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Neumann, ebendort, S. 188 ff., insbesondere Fn. 783 ff. 83 Soweit ersichtlich ist in Deutschland bisher nur eine Entscheidung bekannt geworden, in der es um eine direkte Haftung von Anteilseignern im Rahmen der Anlageninha-

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Auch die Rechtsprechung hat durch ihre Auslegung der secured creditor exemption zur Verwirrung beigetragen, indem sie nicht sorgfältig zwischen der Haftung als owner und als operator unterscheidet, sondern von einer einheitlichen „owner or operator“-Haftung ausgeht.84 Hierbei hat die Rechtsprechung aus den Augen verloren, daß zur Begründung der operator-Haftung – z. B. von Muttergesellschaften85 – dieselben Kriterien herangezogen werden wie für die Mitwirkung an der Geschäftsführung.

III. Ablehnung des capacity to control-Tests Zu Recht hat sich der Gesetzgeber in dem Asset Conservation Act gegen den capacity to control-Test und für den actual control-Test ausgesprochen. Die umweltpolitische Begründung des capacity to control-Tests in United States v. Fleet Factors Corp. überzeugt nicht, weil von ihm kein Anreiz zur Kontrolle des Umweltverhaltens des Kreditnehmers ausgeht. Der erhoffte positive Umwelteffekt wird durch die drohende Haftung vielmehr konterkariert.86 Hat sich der gesicherte Kreditgeber Mitspracherechte im Anlagenbetrieb oder im Umweltmanagement einräumen lassen, so haftet er nach dem capacity to controlTest für alle eingetretenen Umweltschäden, deren Eintritt er nicht verhindert. Dies kommt einer Garantiehaftung für den Erfolg seiner Bemühungen gleich. Der gesicherte Kreditgeber wird daher als homo oeconomicus davon Abstand nehmen, sich Mitspracherechte einräumen zu lassen. Damit wird jedoch das Anliegen des Gesetzgebers verfehlt, den Kreditgeber zu einer Kontrolle des Umweltverhaltens des Kreditnehmers zu veranlassen.87

I. Zusammenfassung Die Haftung gesicherter Kreditgeber ist eine der umstrittensten Fragen des Gesetzes. Zu einer Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber kann es kom___________ ber- bzw. -betreiberhaftung ging; vgl. hierzu VGH Manneim, NVwZ 1988, 562 (563) sowie Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (445). 84 Anders jedoch zu Recht United States v. Maryland Bank & Trust Co., 632 F.Supp. 573 (576 f.) (D.Md. 1986); vgl. hierzu Rashby, 14 Ecology Law Quarterly, 569 (574 f.) (1987). 85 Eingehend hierzu Neumann, Die Haftung für Altlasten in Unternehmen, S. 90 ff. 86 Ebenfalls kritisch Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (6) (1991); Greenberg/Shaw, 41 Duke Law Journal, 1211 (1234) (1992); Geisinger, 4 Duke Environmental Law & Policy F., 41 (51 f.) (1994); Neumann, ebendort, S. 208. 87 Wilsdon, 38 The Hastings Law Journal, 1261 (1295) (1987).

10. Kap.: Die Verantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber

481

men, wenn dieser Einfluß auf die Geschäftsführung oder den Anlagenbetrieb des Kreditnehmers nimmt oder wenn er das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung erwirbt. Allerdings werden gesicherte Kreditgeber durch die secured creditor exemption weitgehend von der Haftung freigestellt. Gemäß § 9601 (20)(A) ist ein gesicherter Kreditgeber nicht als owner or operator anzusehen, wenn er „... without participating in the management of a vessel or facility, holds indicia of ownership primarily to protect his security interest in the vessel or facility.“ Die Voraussetzungen der secured creditor exemption waren lange Zeit umstritten. Der Gesetzgeber hat die Streitfragen inzwischen durch den Asset Conservation Act von 1996 geklärt. Umstritten war zum einen, ob sich ein Kreditgeber auch dann noch auf die secured creditor exemption berufen kann, wenn er das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben hat. In der Rechtsprechung wurde dies zum Teil bejaht. Andere Gerichte verneinten eine Haftungsfreistellung, weil der Erwerb nicht – wie vom Gesetz gefordert – die Kreditsicherheit, sondern das Kreditengagement schütze und der Kreditgeber anderenfalls gegenüber anderen Erwerbern privilegiert würde. Eine vermittelnde Ansicht vertrat das Gericht in United States v. Maryland Bank & Trust Co. In seiner Entscheidung deutete es an, daß ein gesicherter Kreditgeber sich dann auf die secured creditor exemption berufen könne, wenn er das Grundstück innerhalb angemessener Zeit weiterveräußert habe. Nach der später für nichtig erklärten EPA Lender Liability Rule führte der Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung dann nicht zum Verlust des Schutzes der secured creditor exemption, wenn sich der gesicherte Kreditgeber innerhalb von 12 Monaten um den Verkauf bemüht habe. Dabei dürfe er Kaufangebote, die zu seiner vollständigen Befriedigung führen, nicht ablehnen. Der Asset Conservation Act übernahm diese Regelung im wesentlichen. Danach kann sich der gesicherte Kreditgeber dann mit Erfolg auf die secured creditor exemption berufen, wenn er sich zum frühstmöglichen, kaufmännisch vernünftigen Zeitpunkt um die Veräußerung des Grundstücks bemühe. Unerheblich sei, ob bzw. wann es zum Verkauf komme. Zum anderen war umstritten, unter welchen Voraussetzungen eine Berufung auf die secured creditor exemption wegen einer Mitwirkung am Management ausgeschlossen sei. In der Rechtsprechung wurde überwiegend die Ansicht vertreten, daß der Kreditgeber die tatsächliche Kontrolle über das tägliche Geschäft des Kreditnehmers ausgeübt und insbesondere an den umweltrelevanten Entscheidungen beteiligt gewesen sein müsse. Hiervon abweichend vertrat das Berufungsgericht des 11. Bezirks in United States v. Fleet Factors Corp. die Ansicht, daß sich ein Kreditgeber bereits dann nicht auf die secured creditor exemption berufen könne, wenn seine Mitwirkung am finanziellen Management vermuten lasse, daß er Einfluß auf das Umweltverhalten des Kreditnehmers

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

nehmen könne (capacity to control-Test). Die Entscheidung United States v. Fleet Factors Corp. sorgte in der Kredit- und Immobilienwirtschaft für erhebliche Verunsicherung, weil Kreditgeber – gerade bei notleidenden Krediten – den Kreditnehmer häufig in finanziellen Angelegenheiten beraten und daher nach Ansicht des Gerichts eine Berufung auf die secured creditor exemption keinen Erfolg habe. Die später aufgehobene EPA Lender Liability Rule stellte klar, daß – abweichend von dem in der Entscheidung United States v. Fleet Factors Corp. aufgestellten capacity to control-Test – die bloße Möglichkeit, Einfluß auf das Umweltverhalten des Kreditnehmers auszuüben, nicht genüge, um den Schutz der secured creditor exemption zu verlieren. Erforderlich sei vielmehr, daß der Kreditgeber entweder das gesamte operative Geschäft des Kreditnehmers oder jedenfalls dessen Umweltverhalten kontrolliere (actual control-Test). Unschädlich sei es insbesondere, wenn der Kreditgeber an unternehmerischen Umstrukturierungs- oder Sanierungsmaßnahmen mitwirke oder nach Erwerb des Grundstücks in der Zwangsversteigerung den Anlagenbetrieb fortführe. Der Asset Conservation Act übernahm diese Regelungen unverändert. Die secured creditor exemption ist abzulehnen, weil sie den (gesicherten) Kreditgeber gegenüber anderen potentiell Verantwortlichen ohne sachlichen Grund privilegiert. Besonders deutlich wird die Privilegierung, wenn der Kreditgeber das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung erwirbt und den Anlagenbetrieb fortführt. Da die Stellung als gesicherter Kreditgeber mit dem Erwerb des Volleigentums endet, besteht selbst nach der vom Gesetz unterstellten besonderen Schutzwürdigkeit des Kreditgebers kein Grund für eine Haftungsfreistellung. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Begriffes „participating in the management“ die Auslegung der secured creditor exemption unnötig erschwert. Dieser Begriff entspricht dem des Anlagenbetreibers (operator). Von den Fällen des Eigentumserwerbs in der Zwangsversteigerung abgesehen, haftet ein gesicherter Kreditgeber daher nur dann, wenn er als Anlagenbetreiber anzusehen ist.

11. Kapitel

Zusammenfassung und Bewertung der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht A. Der Kreis der Zustandsstörer Der US-amerikanische Gesetzgeber hat den Kreis der Zustandsstörer weit gezogen, um sicherzustellen, daß möglichst viele Altlasten ohne öffentliche Mittel saniert werden können.1 Nach § 9607 sind der gegenwärtige Eigentümer, der gegenwärtige Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, der Derelinquent sowie der Eigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zur Zeit der Gefahrentstehung potentiell verantwortlich. Jeder Verantwortliche haftet unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen.

B. Die Lösung der Opferfälle Nach § 9607 (b) können sich die potentiell Verantwortlichen allerdings darauf berufen, daß sie Opfer der Gefahr sind. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn die Gefahr Folge einer Kriegseinwirkung, eines unabwendbaren Naturereignisses oder des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist. Nicht zustandsverantwortlich ist ferner der gutgläubiger Erwerber eines kontaminierten Grundstücks. Diese Einreden sind Ausfluß des Gebots der gerechten Lastenverteilung. Der owner haftet zum einen nicht für Gefahren, die von einem ihm nicht zurechenbaren Dritten verursacht worden sind (act of war, third party defense). Zum anderen muß er nicht für Gefahren einstehen, die Folge eines unabwendbaren Naturereignisses sind (act of God). In beiden Fällen kann dem owner die Gefahr nicht zugerechnet werden, weil er nicht an ihrer Entstehung mitgewirkt hat.

___________ 1

Vgl. H.R. No. 253, 99th Cong., 1st Sess., 15 (1985).

484

2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Zudem ist der owner nicht für Gefahren verantwortlich, die bereits vor seinem Eigentums- oder Besitzerwerb bestanden haben, wenn er sie bei Erwerb weder kannte noch kennen mußte (innocent landowner defense).

C. Die Zurechnung der Gefahr Aus einer Gesamtschau der Tatbestandsvoraussetzungen und der Einreden ergibt sich, daß dem owner eine Kontamination zum einen zugerechnet wird, wenn er sein Grundstück dem späteren Verursacher der Gefahr zur Nutzung überlassen hat, und zum anderen, wenn er bei Erwerb des Grundstücks von der Verunreinigung wußte oder wissen mußte. Im ersten Fall hat er sein Grundstück bewußt Umweltrisiken ausgesetzt und muß für die Mitwirkung an der Gefahrentstehung einstehen. Im zweiten Fall hat er die Gefahr bei Erwerb (billigend) in Kauf genommen. Dem owner kann die Gefahr in beiden Fällen zugerechnet werden, weil er ihr näher steht als die Allgemeinheit. Da CERCLA die Zustandshaftung von einer persönlichen Zurechnung der Gefahr abhängig macht, ist es konsequent, daß die Verantwortung nicht mit dem Verlust des Eigentums oder des Besitzes entfällt. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren owner fügt sich daher nahtlos in das Störerrecht ein.

D. Zu hohe Anforderungen an den Nachweis des gutgläubigen Erwerbs Eigentümer, die sich in einer Opferposition befinden, wird es häufig schwerfallen, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Einrede nachzuweisen. Besonders hohe Anforderungen an den Nachweis stellt die wichtigste Einrede, die innocent landowner defense.2 Der Erwerber eines kontaminierten Grundstücks kann den Nachweis, daß er die Kontamination weder kannte noch kennen mußte, nur führen, wenn er das Grundstück zumindest besichtigt und umfangreiche Nachforschungen über die frühere Nutzungen (Phase I Site Assessment) durchgeführt hat. Von kommerziellen Erwerbern wird darüber hinaus regelmäßig erwartet, daß sie das Grundstück auf Schadstoffe untersuchen lassen haben (Phase II Site Assessment). Der Gesetzgeber will durch die hohen Anforderungen der innocent landowner defense Grundeigentümer zu einem umweltbewußten Verhalten veranlassen, weil sie fürchten müssen, ein kontaminiertes Grundstück nicht ver___________ 2

Vgl. Hitt, 18 Real Estate Law Journal, 3 (26) (1989).

11. Kap.: Zusammenfassung und Bewertung

485

äußern zu können.3 Da der Veräußerer jedoch bereits der CERCLA-Haftung4 ausgesetzt ist, geht von der innocent landowner defense kein zusätzlicher Anreiz aus. Die hohen Anforderungen an den Gutglaubensnachweis sind unverhältnismäßig.5 Die restriktive Auslegung der innocent landowner defense dürfte zudem weniger umweltpolitisch als fiskalpolitisch motiviert sein.6 Sowohl der Gesetzgeber als auch die EPA sind bemüht, die öffentlichen Haushalte so weit wie möglich zu schonen. Eine allein fiskalpolitisch motivierte Zustandsverantwortlichkeit ist jedoch abzulehnen. Zu begrüßen ist, daß die EPA angekündigt hat, Eigentümer von Eigenheimen nur dann zur Sanierung heranzuziehen, wenn sie die Kontamination (mit-)verursacht haben.7 Bei gewerblichen Immobilien ist jedoch zu befürchten, daß sich die hohen Anforderungen der innocent landowner defense umweltpolitisch kontraproduktiv auswirken werden. Sie leisten der Tendenz zu einer immer stärkeren Zersiedelung Nachschub, weil Investoren den Erwerb gewerblich genutzter Liegenschaften scheuen und statt dessen Anlagen in neu erschlossenen Gewerbegebieten errichten

E. Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit CERCLA räumt der Umweltbehörde ein freies Ermessen darüber ein, ob sie einen Verhaltens- oder einen Zustandsstörer zur Sanierung verpflichtet. Die Behörde muß den Verhaltens- nicht vor dem Zustandsstörer heranziehen. Die Behörde wird in der Regel den zahlungskräftigsten Störer zur Gefahrenabwehr in Anspruch nehmen. 8 ___________ 3

Zur Steuerungsfunktion der due diligence-Prüfung vgl. Wilsdon, 38 The Hastings Law Journal, 1261 (1294) (1987). 4 Sie haften nach § 9601 (35)(C) selbst dann, wenn sie das Grundstück gutgläubig erworben haben, bei der Weiterveräußerung den Erwerber jedoch nicht über die später entdeckte Kontamination aufklären. 5 Laut Bass, 41 University of Miami Law Review, 879 (897 f.) (1987) sei es nahezu unmöglich, die Gutgläubigkeit nachzuweisen. 6 Ebendort. 7 Policy Towards Owners of Residential Property at Superfund Sites, OSWER Directive No. 9834.6 vom 3.7.1991. 8 Colorado v. Asacro, Inc., 608 F.Supp. 1484 (1491) (D.Colo. 1985); Vollmann, 16 Real Estate Law Journal, 3 (5) (1987) spricht davon, daß „... typically the one with the deepest pockets can be sued for the entire costs“. Ähnlich Bass, 41 University of Miami Law Review, 879 (882) (1987); Malloy, Columbia Journal of Environmental Law, 1990, 63 (66); Moelis, 12 Cardozo Law Review, 213 (1990); Berz/Gillon, 108 Banking Law Journal, 4 (6) (1991).

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2. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht

Die Verpflichtung eines Zustandsstörers anstelle eines Verhaltensstörers verstößt regelmäßig gegen das Gebot der gerechten Lastenverteilung, weil der unmittelbare Verursacher der Gefahr näher steht als der Eigentümer, der an ihrer Entstehung nur mitgewirkt oder sie (billigend) in Kauf genommen hat. Dem steht nicht entgegen, daß der Zustandsstörer den Verursacher meist in Regreß nehmen kann, weil unklar ist, ob er seine Ansprüche durchsetzen kann. Der Gesetzgeber sollte daher vorsehen, daß die Behörde zu einer vorrangigen Inanspruchnahme des Verhaltens- vor dem Zustandsstörer verpflichtet ist. Die Heranziehung eines Zustandsverantwortlichen kommt nur in Betracht, wenn kein Verhaltensstörer feststellbar oder zur Tragung der Sanierungskosten in der Lage ist.

F. Keine Privilegierung gesicherter Kreditgeber Abzulehnen ist die Privilegierung, die gesicherte Kreditgeber durch die secured creditor exemption erfahren. Es besteht kein sachlicher Grund für eine Besserstellung gesicherter Kreditgeber. Erwirbt ein gesicherter Kreditgeber das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung, so sollte er – wie alle anderen Erwerber auch – nur unter den Voraussetzungen der innocent landowner defense von der Haftung freigestellt werden. Für die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit kommt es nicht auf die Motivation für den Erwerb des kontaminierten Grundstücks an. Eine Zustandsverantwortlichkeit als Grundpfandgläubiger besteht zu Recht nicht, weil der gesicherte Kreditgeber aufgrund seiner Rechtsstellung der Gefahr nicht näher steht als die Allgemeinheit. Ist der gesicherte Kreditgeber hingegen (faktisch) als Betreiber der Anlage anzusehen, so muß er für die Gefahren des Anlagenbetriebes einstehen. Die Mitwirkung am Management, von der in der secured creditor exemption die Rede ist, entspricht der Stellung als Betreiber der Anlage (operator).

Dritter Teil

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht 1. Kapitel

Einleitung Auch Österreich steht angesichts der Altlastenproblematik vor einer großen umweltpolitischen Herausforderung. Das österreichische Umweltbundesamt hat die Altlastenverdachtsflächen 1996 auf 80.000 geschätzt, wovon 70.000 auf industrielle und gewerbliche Altstandorte und 10.000 auf alte Deponien (Altablagerungen) entfallen.1 Mit Stand vom 1. Januar 1998 waren 28.147 Verdachtsflächen gemeldet.2 Der österreichische Gesetzgeber hat sich schon relativ früh mit der Altlastenproblematik auseinandergesetzt und bereits 1989 ein Altlastensanierungsgesetz3 (AlSAG) erlassen. Das Altlastensanierungsgesetz dient der Erfassung und Bewertung von Altlasten4 sowie der Finanzierung der Altlastensanierung. Zu diesem Zweck sehen die §§ 3 ff. AlSAG die Erhebung eines Altlastenbeitrages vor, der von Deponiebetreibern und anderen Unternehmen der Abfallwirtschaft zu entrichten ist.5 Die Altlastenbeiträge fließen in einen Altlastenfonds. Gemäß § 11 AlSAG werden die Mittel u.a. zur Erfassung von Altlasten und Altlastenverdachtsflächen sowie zu Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen verwendet. § 18 Abs. 1 AlSAG ermächtigt den Bund, mit den Altlastenbeiträgen Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, wenn ___________ 1

Zitiert nach Streissler, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, 1998, S. 104. 2 Ebendort, S. 105. 3 Bundesgesetz vom 7. Juni 1989 zur Finanzierung und Durchführung der Altlastensanierung, Österreichisches BGBl. Nr. 299/1989, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/2002. 4 Eine Legaldefinition des Altlastenbegriffs findet sich in § 2 Abs. 1 AlSAG. Altlasten sind danach Altablagerungen und Altstandorte sowie durch diese kontaminierte Böden und Grundwasserkörper, von denen – nach den Ergebnissen einer Gefährdungsabschätzung – erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgehen. 5 Vgl. zum Altlastenbeitrag die Darstellung unter 8. Kap. J.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

eine Heranziehung eines zur Gefahrenabwehr Verpflichteten nicht möglich ist oder wenn dieser seiner Verpflichtung nicht nachkommt. § 18 Abs. 1 AlSAG hat allerdings bis heute keine nennenswerte Bedeutung erlangt, so daß Hüttler6 und Christian Onz7 die Norm als totes Recht bezeichnen. Das Altlastensanierungsgesetz enthält hingegen keine Ermächtigungsgrundlagen zur Inanspruchnahme von Störern zur Altlastensanierung. Der Versuch, das Altlastensanierungsgesetz zu einem umfassenden Gesetz der Altlastensanierung umzugestalten, ist 1994 an dem Widerstand der Länder gescheitert.8 Entsprechende Ermächtigungsgrundlagen finden sich vielmehr im Wasserrechtsgesetz9 (WRG) und im Abfallwirtschaftsgesetz10 (AWG).11 Trotz der Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen ist das Störerrecht des Wasserrechtsgesetzes und des Abfallwirtschaftsgesetzes aufeinander abgestimmt. Der Gesetzgeber hat mit dem am 1.7.1990 in Kraft getretenen Abfallwirtschaftsgesetz und mit der Novelle zum Wasserrechtsgesetz vom selben Tag die Gelegenheit zu einer grundlegenden Neuordnung des Störerrechts ergriffen. Bevor auf das geltende Störerrecht eingegangen wird, soll zunächst die Rechtslage vor dem 1.7.1990 skizziert werden.

___________ 6

ecolex 1992, 206. In: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 98. 8 Vgl. Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 77. 9 Österreichisches BGBl. Nr. 215/1959, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002. 10 Österreichisches BGBl. Nr. 325/1990, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 102/2002. 11 Darüber hinaus können im Einzelfall Normen der Gewerbeordnung und des Forstgesetzes sowie der Landesabfall- und der Landesnaturschutzgesetze einschlägig sein; vgl. nur Kozak/Stern, NZ 1991, 185, (189 f. und 194 f.). 7

2. Kapitel

Das Störerrecht vor Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes und der Wasserrechtsgesetz-Novelle vom 1.7.1990 Vor dem 1.7.1990 konnte die Behörde Maßnahmen zur Abwehr und zur Sanierung von Boden- und Gewässerkontaminationen nur auf der Grundlage des Wasserrechtsgesetzes anordnen. Dieses kannte keine Zustandsverantwortlichkeit. § 31 WRG a.F. bestimmte, daß derjenige, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeigeführt hat, zur Vermeidung und zur Abwehr von Gewässerverunreinigungen verpflichtet werden kann. Eine verhaltensunabhängige, allein an das Grundeigentum1 anknüpfende Verantwortlichkeit ergab sich hieraus ebensowenig wie aus § 138 WRG a.F. Nach § 138 WRG a.F. konnte derjenige, der Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten hat, zur Sicherung und Beseitigung von Boden- und Gewässerverunreinigungen verpflichtet werden. Nach dem Wortlaut sowohl des § 31 als auch des § 138 WRG konnte allein der Verhaltensstörer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Gleichwohl bejahte der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung2 eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers. Zu einer Verantwortlichkeit des Grundeigentümers gelangte der Verwaltungsgerichtshof, indem er für die Herbeiführung einer Gefahr durch eine Maßnahme gemäß § 31 WRG – entgegen dem Wortsinn – die bloße Aufrechterhaltung einer bereits vorhandenen Gefahr genügen ließ. Ebenso sollte die bloße Aufrechterhaltung eines von einem Dritten geschaffenen rechtswidrigen Zustandes eine Übertretung des Gesetzes im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG darstellen.3 Dabei forderte der Verwaltungsgerichtshof in früheren Entscheidungen zunächst, daß der Grundeigentümer die von einem Dritten geschaffene ___________ 1 Statt des in Österreich gebräuchlichen Begriffs des „Liegenschaftseigentümers“ ist in dieser Untersuchung aus Gründen der Einheitlichkeit vom „Grundeigentümer“ die Rede. Der Rechtsbegriff „Liegenschaftseigentümer“ wird allerdings dort verwendet, wo dies zur Abgrenzung zum „Rechtsnachfolger“ geboten erscheint. 2 VwGH vom 18.9.1984, Z 83/07/0244 und 0245; 20.11.1984, Z 84/07/0210 und 0211; 5.7.1988, Z 84/07/0181; 4.4.1989, Z 88/07/0134; 11.12.1990, Z 89/07/0186 und 12.2.19991, Z 90/07/0128. 3 Berger/Onz, Altlastenhaftung, 1990, S. 47; Kozak/Stern, NZ 1991, 185 (190 f.); Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, 1993, S. 28 f.; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, 1995, S. 2 ff. und 24 ff.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

rechtswidrige Lage aufrechterhalte und selbst nutze.4 Später ließ er es genügen, daß der rechtswidrige Zustand fortdauere.5 Nicht erforderlich sei, daß der Grundeigentümer diesen nutze. Auf diese Weise schuf der Verwaltungsgerichtshof durch richterliche Rechtsfortbildung eine an die bloße Eigentumsstellung anknüpfende unbeschränkte Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers mit seinem gesamten Vermögen.6 Da das Wasserrechtsgesetz keine Regelungen über die Störerauswahl enthielt, konnte die Behörde die Auswahl nach freiem Ermessen treffen. Sie mußte den Verhaltensstörer nicht vorrangig vor dem Zustandsstörer in Anspruch nehmen.7 Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip wurde lediglich die Verpflichtung der Behörde abgeleitet, unbillige Härten aufgrund einer wirtschaftlichen Überforderung des Grundeigentümers zu vermeiden. Eine derart weitreichende Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers wurde in der Literatur als unbillig empfunden.8 Kritisiert wurde insbesondere, daß der Zweck der Inanspruchnahme des Grundeigentümers häufig darin bestehe, die öffentliche Hand vor der Kostentragung zu bewahren, wenn der Verursacher nicht ermittelt werden könne oder nicht zahlungsfähig sei.9

___________ 4

VwGH vom 18.9.1984, Z 83/07/0244 und 0245 sowie vom 20.11.1984, Z 84/07/0210 und 0211. 5 VwGH vom 15.9.1987, Z 87/070057 und vom 5.7.1988, Z 84/07/0181; vgl. hierzu auch Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 4 . 6 Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, S. 29. 7 Davy, Gefahrenabwehr im Anlagenrecht, 1990, S. 618 f. 8 Brandt/Schwarzer, Rechtsfragen der Bodensanierung, 1988, S 46 und 49; Kozak/Stern, NZ 1991, 185 (191); Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 5 und 24 ff. 9 Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 24.

3. Kapitel

Das geltende Störerrecht In der Wasserrechtsgesetz-Novelle und dem Abfallwirtschaftsgesetz griff der Gesetzgeber die Kritik des Schrifttums auf und gestaltete das Störerrecht grundlegend um. Er schuf in beiden Gesetzen eigenständige Regelungen zur Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers. Die Zustandshaftung knüpft nicht mehr allein an die Rechtsstellung als Grundeigentümer an, sondern setzt eine Zurechnung der Gefahr aufgrund einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder aufgrund der Inkaufnahme eines Umweltrisikos voraus. Zugleich wurde der Vorrang des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer gesetzlich verankert. Nachfolgend soll zunächst das Störerinstrumentarium des Wasserrechtsgesetzes und des Abfallwirtschaftsgesetzes erläutert werden (Abschnitt A.), bevor die gesetzlichen Regelungen zur Verhaltens- und zur Zustandsverantwortlichkeit (Abschnitt B.) sowie die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zur Zustandshaftung (Abschnitt C.) dargestellt werden.

A. Das Störerinstrumentarium I. Vorrang der Eigenvornahme Sowohl das Wasserrechtsgesetz als auch das Abfallwirtschaftsgesetz gehen davon aus, daß die Maßnahmen zur Abwehr und zur Sanierung von Boden- und Gewässerkontaminationen vorrangig von einem Störer durchzuführen sind (sog. Vorrang der Eigenvornahme1).2 Kommt der Störer seiner gesetzlichen Pflicht zur Gefahrenabwehr nicht von sich aus nach, so kann ihn die Behörde

___________ 1 Vgl. hierzu ausführlich Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1987, S. 255 ff. 2 In der Verwaltungspraxis stellt die Eigenvornahme angesichts der erheblichen Kosten der Altlastensanierung sowie der Vollzugsdefizite allerdings die Ausnahme dar; vgl. eingehend Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 70 ff.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

durch Bescheid3 mit der Vornahme einer bestimmten Handlung beauftragen (§§ 31 Abs. 3, 138 Abs. 1 und 2 WRG, § 73 Abs. 1 AWG)4. Bei besonderer Dringlichkeit kann die Behörde die Sanierungsmaßnahme unmittelbar anordnen, ohne den Störer zuvor anhören zu müssen (§§ 31 Abs. 3, 138 Abs. 3 WRG, § 73 Abs. 2 AWG).5 Kommt der Verpflichtete der aufgetragenen Maßnahme nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, so ordnet die Behörde bei Gefahr im Verzug (§ 31 Abs. 3 WRG, § 73 Abs. 2 AWG) oder drohender Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt (§ 138 Abs. 3 WRG) die Ersatzvornahme6 an und beauftragt entweder einen Dritten mit der Durchführung der Gefahrenabwehrmaßnahme (sog. zivilrechtliche Drittbeauftragung) oder führt diese selbst aus.

II. Kostentragung Der in Anspruch genommene Störer hat die ihm aufgegebenen Maßnahmen auf eigene Kosten durchzuführen. Leistet er der Anordnung nicht freiwillig Folge, so kann die Behörde die Maßnahme im Wege der Ersatzvornahme durchführen und von dem Störer Ersatz der Kosten verlangen (§§ 31 Abs. 3 und 138 Abs. 3 WRG sowie § 73 Abs. 2 WRG). Die Kostentragungspflicht ist grundsätzlich7 unbegrenzt, so daß der Störer nötigenfalls sein gesamtes Vermögen zur Gefahrenabwehr einsetzen muß. Allerdings können die Störer gemäß § 32 Umweltförderungsgesetz8 bei nach § 13 Abs. 2 AlSAG im Altlastenatlas9 eingetragenen Altlasten10 eine öffentliche Förderung der Sanierung beantragen, wenn die Altlast vor dem Inkrafttreten des Altlastensanierungsgesetzes am 1.7.1989 entstanden ist. Die Sanierungskosten können grundsätzlich mit bis zu ___________ 3 Zur Rechtsnatur des Bescheides siehe Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 255 ff.; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Aufl., 1991, S. 141 ff. 4 Raschauer, Wasserrecht, 1993, § 32 WRG Rn. 12; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 9. 5 Zur unmittelbaren Anordnung vgl. nur Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 255 ff und 396. 6 Näher hierzu Walter/Mayer, Grundzüge des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Aufl., S. 418 f. 7 Zu Ausnahmen bei der Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten sowie nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs vgl. unter 3. Kap. B. I. 2. b) bzw. 3. Kap. C. 8 Österreichisches BGBl. Nr. 185/1993 idF BGBl. I Nr. 96/1997. 9 Vgl. hierzu Thomasitz, ÖZW 1990, 8 (12). 10 Allerdings ist nur ein kleiner Teil der gemeldeten Verdachtsflächen als Altlast im Altlastenatlas eingetragen, so daß regelmäßig keine Förderung in Betracht kommt; vgl. Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 31, Fn. 92.

3. Kap.: Das geltende Störerrecht

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65 % gefördert werden; im Einzelfall ist eine höhere Förderungsquote möglich.11 Eine Förderung setzt voraus, daß der Störer die Restfinanzierung sicherstellt.

III. Verselbständigung der Duldungspflicht Wird der Verhaltensstörer zu Sanierungsmaßnahmen auf fremdem Grund und Boden herangezogen oder führt die Behörde Gefahrerforschungs-, Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen aus, so ist dies nicht ohne einen Eingriff in die Rechtsposition des Grundeigentümers und anderer Berechtigter12 – z. B. von Mietern oder Pächtern – möglich.13 Der Eigentümer ist nach § 354 ABGB berechtigt, jedem Dritten das Betreten sowie die Vornahme von Handlungen auf seinem Grundstück zu verbieten.14 Etwas anderes gilt nur, wenn er zur Duldung verpflichtet ist. Das Wasserrechtsgesetz (§§ 31 Abs. 5, 138 Abs. 5 i.V.m. § 72 WRG), das Abfallwirtschaftsgesetz (§ 75 Abs. 5 und 6 AWG) und § 16 Abs. 1 und 2 AlSAG ermächtigen die Behörde zum Erlaß von Duldungsverfügungen gegenüber dem Grundeigentümer und sonstigen Berechtigten. 15 Auf diese Weise ist sichergestellt, daß die Behörde, der von ihr Beauftragte oder der Verhaltensstörer das Grundstück auch gegen den Willen des Eigentümers und anderer Berechtigter betreten sowie Probebohrungen oder Sanierungsmaßnahmen durchführen können. Der Erlaß einer Duldungsverfügung setzt nicht voraus, daß der Grundeigentümer zustandsverantwortlich ist und zur Abwehr der Gefahr verpflichtet werden kann. Die Duldungspflicht ist vielmehr gegenüber der Gefahrenabwehrpflicht verselbständigt und knüpft allein an die Rechtsstellung als Eigentümer an.

___________ 11

Eingehend hierzu Christian Onz, ebendort, S. 28 ff. Vgl. hierzu VwGH vom 27.9.1988, Z 84/07/0047; Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, 1992, S. 85 ff.; Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 13. 13 Vgl. auch Hauer, ebendort, S. 85. 14 § 354 ABGB lautet: „Als ein Recht betrachtet, ist Eigentum das Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden anderen davon auszuschließen“. 15 Zu der Frage, ob sich die Duldungspflicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder ob es einer behördlichen Anordnung bedarf, vgl. Schwarzer, WBl 1989, 304; Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 88; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 125, insbesondere Fn. 463. 12

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

B. Die Störernormen Maßnahmen zur Abwehr und zur Sanierung von Boden- oder Gewässerverunreinigungen können entweder auf das Abfallwirtschaftsgesetz oder auf das Wasserrechtsgesetz gestützt werden. Beide Gesetze dienen sowohl dem Schutz des Bodens als auch von Gewässern. Ein eigenständiges Bodenschutzgesetz existiert nicht.

I. Die Störernormen des Wasserrechtsgesetzes Das Wasserrechtsgesetz hält mit § 31 und § 138 zwei Vorschriften für die Inanspruchnahme von Störern zur Abwehr und zur Sanierung von Boden- oder Gewässerkontaminationen bereit. Eine Anordnung nach § 138 WRG setzt nach allgemeiner Ansicht voraus, daß die Kontamination durch eine Maßnahme ohne die hierzu erforderliche behördliche Bewilligung verursacht worden ist.16 § 138 WRG hat damit an sich genehmigungsfähige Handlungen zum Gegenstand. Demgegenüber erfaßt § 31 WRG einmalige, nicht genehmigungsfähige Ereignisse17, wie z. B. Unfälle oder Störfälle.

1. Verhaltensverantwortlichkeit a) Die Verhaltensverantwortlichkeit gemäß § 31 Abs. 2 und 3 WRG Nach § 31 Abs. 1 WRG hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen auf ein Gewässer einwirken können, Gewässerverunreinigungen zu vermeiden. Tritt dennoch eine Gewässerverunreinigung ein, so hat der Verursacher der Gefahr nach § 31 Abs. 2 WRG verschuldensunabhängig 18 die zur Abwehr einer drohenden Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu ___________ 16 Kozak/Stern, NZ 1991, 185 (190); Raschauer, ÖZW 1991, 41 (44), Fn. 26 sowie Wasserrecht, § 138 Rn. 2; Rainer Onz, ebendort, S. 39 f. 17 Raschauer, ÖZW 1991, 41 (44), Fn. 26 sowie Wasserrecht, § 31 Rn. 11 und § 138 Rn. 2; Rainer Onz, ebendort. 18 VwGH vom 5.7.1979, Z 580/79; 28.4.1980, Z 369/80; 22.10.1985, Z 85/07/0112; 12.11.1985, Z 85/07/0198; 4.4.1989, Z 88/07/0134; 23.5.1989, Z 85/07/0244; 11.12.1990, Z 89/07/0186; 12.3.1991, Z 90/07/0161; 12.11.1991, Z 91/07/0090 und 91/07/0092 sowie Thienel, ÖGZ 6/1992, 13 (16); Raschauer, Wasserrecht, § 31 Rn. 10; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 17.

3. Kap.: Das geltende Störerrecht

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treffen sowie die zuständige Behörde zu verständigen. Ist die Verunreinigung bereits eingetreten, so hat der Verursacher das Gewässer zu sanieren.

b) Die Verhaltensverantwortlichkeit gemäß § 138 WRG Nach § 138 Abs. 1 WRG hat derjenige, der die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten und z. B. Ablagerungen oder Bodenveränderungen19 ohne die erforderliche Bewilligung vorgenommen hat, hierdurch entstandene Gefahren abzuwehren und bereits eingetretene Gewässerverunreinigungen zu beseitigen, wenn das öffentliche Interesse dies erfordert oder der Betroffene es verlangt. Auf ein Verschulden kommt es nicht an20. Ist dem Verpflichteten die Beseitigung der Gefahr unmöglich oder unzumutbar, so ist er zu geeigneten Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen.

2. Zustandsverantwortlichkeit Durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle von 1990 wurden mit § 31 Abs. 4 und 6 sowie mit § 138 Abs. 4 im wesentlichen gleichlautende Ermächtigungsgrundlagen für die Inanspruchnahme des Grundeigentümers zur Gefahrenabwehr geschaffen.21 Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der Zustandsverantwortlichkeit für Boden- und Gewässerverunreinigungen, die vor dem 1.7.1990 entstanden sind (nachfolgend „Altlasten“), und Neulasten, die nach dem 1.7.1990 verursacht worden sind. Die Zustandsverantwortlichkeit im Wasserrecht ist daher zweigeteilt22, wobei die Zustandsverantwortlichkeit für Neulasten als Regelfall ausgestaltet ist.23 Eine Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten kommt nur in Betracht, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen. Die Privilegierung der Altlasten ist auf eine massive Lobbytätigkeit mehrerer Verbände zurückzuführen.24 Der ursprüngliche Ministerialentwurf vom 29.9.1988 sah hingegen keine Differenzierung zwischen Alt- und Neulasten vor.25 In der ___________ 19

Vgl. Raschauer, Wasserrecht, § 138 WRG Rn. 19. Raschauer, ebendort, Rn. 1. 21 Thienel, ÖGZ 6/1992, 13, insbesondere Fn. 7. 22 Zu den Problemen der Datierung, insbesondere wenn der Ablagerungszeitpunkt und der Eintritt der Kontamination auseinanderfallen; vgl. Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, S. 30. 23 Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 50 f. 24 Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, S. 25, Fn. 77. 25 Ebendort. 20

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

Praxis kommt dem als Sonderfall ausgestalteten § 31 Abs. 6 WRG wegen der weit größeren Zahl der Altlasten eine wesentlich größere Bedeutung zu als der Regelung für Neulasten gemäß § 31 Abs. 4 WRG.26

a) Die Zustandsverantwortlichkeit für Neulasten aa) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers gemäß § 31 Abs. 4 S. 1 WRG Nach § 31 Abs. 4 S. 1 WRG kann ein Grundeigentümer zur Abwehr von Gefahren, die nach dem 30.6.1990 entstanden sind, sowie zur Tragung der damit verbundenen Kosten verpflichtet werden, wenn er den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat.

(1) Mitwirkung an der Gefahrentstehung Die Zustandsverantwortlichkeit setzt nach § 31 Abs. 4 S. 1 WRG voraus, daß der Grundeigentümer dem späteren Verursacher der Gefahr gestattet hat, auf seinem Grundstück eine Anlage zu betreiben oder sonstige Maßnahmen vorzunehmen. Der Gestattung ist die Duldung gleichgestellt. Die Zustandshaftung besteht somit nicht allein aufgrund der Rechtsstellung als Eigentümer.27 Hinzu kommen muß, daß dem Eigentümer die Gefahr aufgrund einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung persönlich zugerechnet werden kann.28 In der Regierungsvorlage zum Wasserrechtsgesetz wird die Haftung des Grundeigentümers damit begründet, daß der Grundeigentümer die wassergefährdende Tätigkeit Dritter erleichtere, ermögliche oder in sonstiger Weise begünstige und damit im weitesten Sinne verursache.29 ___________ 26

Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 51. Der Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr klargestellt, daß die passive Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes durch den Grundeigentümer keine Verantwortlichkeit begründe. Der Grundeigentümer könne allerdings als Verhaltensstörer verpflichtet werden, wenn er den rechtswidrigen Zustand nutze; vgl. VwGH vom 14.5.1997, Z 97/07/0027 m.w.N. und vom 23.1.2002, Z 2000/07/0023. Daneben bestehe unter den Voraussetzungen der §§ 31 Abs. 4, 138 Abs. 4 WRG und § 74 Abs. 2 AWG eine subsidiäre Zustandsverantwortlichkeit. 28 Hauer, Die Verantwortung des Eigentümers, S. 64; Raschauer, Wasserrecht, § 138 WRG Rn. 19. 29 RV 1152 BlgNR 17. GP, S. 27. 27

3. Kap.: Das geltende Störerrecht

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Dieses „Konsenserfordernis“ bewirkt, daß Eigentümer, die Opfer der Fremdeinwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind, bereits auf der Tatbestandsseite von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen sind. Von vornherein nicht sanierungspflichtig sind insbesondere Grundeigentümer, die Opfer von Tankwagenunfällen, Vandalismus oder der Ablagerung wilden Mülls sind. Zustandsverantwortlich sind hingegen Grundeigentümer, die ihr Grundstück an den Betreiber einer Abfalldeponie, einer Fabrik oder eines Gewerbes vermietet, verpachtet oder in sonstiger Weise zur Nutzung überlassen haben.30

(2) Unterlassen zumutbarer Abwehrmaßnahmen Neben einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung setzt die Zustandsverantwortlichkeit nach § 31 Abs. 4 S. 1 WRG voraus, daß der Grundeigentümer zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise einen Anreiz für die Mitwirkung des Eigentümers an der Gefahrenabwehr schaffen. Dem Gesetz läßt sich nicht entnehmen, welche Maßnahmen der Grundeigentümer ergreifen muß, um sich von einer Zustandshaftung zu befreien. In den Gesetzesmaterialien zum nahezu gleichlautenden Abfallwirtschaftsgesetz31 werden beispielhaft die Anzeige des Sachverhalts bei der Behörde32, Besitzstörungs- oder Unterlassungsklagen gegen den Verursacher und die Kündigung des Pacht- oder Mietvertrages genannt.33 Hieran zeigt sich, daß von dem Grundeigentümer keine Gefahrenabwehrmaßnahmen verlangt werden. Zur Haftungsfreistellung genügt es, daß der Grundeigentümer sich um die Beendigung der fortdauernden Gefährdung – z. B. durch die Erhebung einer Unterlassungsklage gegen den Ablagerer wilden Mülls oder durch die Kündigung des Pachtvertrages mit dem Deponiebetreiber – oder um die Abwehr der Gefahr bemüht. Ohne Bedeutung ist, ob der Grundeigentümer durch seine Maßnahme die Boden- oder Gewässerkontamination verhindert oder ihr Ausmaß verringert.

___________ 30

Bruno Binder, Sicherung und Sanierung von Altlasten, 1991, S. 42. Vgl. die Regierungsvorlage RV 1274 BlgNR 17. GP, 37. 32 Nicht erforderlich ist eine Anzeige bei der zuständigen Behörde; vgl. Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 34. 33 Vgl. auch Schröfl, Handkommentar zum Umweltschutzrecht, 2. Aufl., 1992, S. 327. 31

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

bb) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers gemäß § 31 Abs. 4 S. 2 WRG Neben dem Grundeigentümer sind nach § 31 Abs. 4 S. 2 WRG auch dessen Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich, wenn sie bei Erwerb des Grundstücks von den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, Kenntnis hatten oder haben mußten. Bei der sog. Rechtsnachfolgerhaftung handelt es sich folglich um eine Zustandshaftung des bösgläubigen Erwerbers eines kontaminierten Grundstücks. Da der Rechtsnachfolger im Zeitpunkt der Gefahrentstehung noch nicht Eigentümer war, kann ihm die Gefahr nicht wegen einer Mitwirkung an der Entstehung zugerechnet werden. Jedoch nimmt der Erwerber, der um die umweltgefährdende Vornutzung des Grundstücks weiß oder wissen muß, die Gefahr einer Kontamination (billigend) in Kauf. Das Gesetz sieht den bösgläubigen Erwerber daher nicht als schutzwürdig an. Für die Bösgläubigkeit des Erwerbers ist es nach den §§ 31 Abs. 4 S. 2, 138 Abs. 4 S. 2 WRG und § 74 Abs. 2 S. 2 AWG allerdings nicht erforderlich, daß der Erwerber die Boden- oder Gewässerverunreinigung kannte oder kennen mußte. Das Gesetz stellt statt dessen auf die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der mit besonderen Umweltrisiken verbundenen Vornutzung des Grundstücks ab, weil diese den Verdacht einer Kontamination nahe legt.

cc) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers gemäß § 138 Abs. 4 S. 1 WRG Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers nach § 138 Abs. 4 S. 1 WRG entspricht im wesentlichen derjenigen gemäß § 31 Abs. 4 S. 1 WRG. Sie setzt voraus, daß der Grundeigentümer die von dem Verhaltensstörer ohne die erforderliche Bewilligung vorgenommene Maßnahme ausdrücklich gestattet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Bei Ablagerungen genügt es, daß der Grundeigentümer sie geduldet und nach Entdeckung der Gefahr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat.

dd) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers gemäß § 138 Abs. 4 S. 2 WRG Der Rechtsnachfolger kann nach § 138 Abs. 4 S. 2 WRG dann zur Sanierung von Boden- oder Gewässerverunreinigungen verpflichtet werden, wenn er bei Erwerb des Grundstücks die eigenmächtig vorgenommene Ablagerung kannte

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oder sie kennen mußte. Für andere Maßnahmen als Ablagerungen ist der Rechtsnachfolger nicht zustandsverantwortlich.

b) Die Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten Das Wasserrechtsgesetz hält in § 31 Abs. 6 Sonderregelungen für Bodenund Gewässerverunreinigungen bereit, die vor dem 1.7.1990 entstanden sind. § 138 Abs. 4 S. 3 WRG erklärt § 31 Abs. 6 WRG für entsprechend anwendbar. Im Vergleich zu Neulasten weist § 31 Abs. 6 WRG die nachfolgenden Besonderheiten auf.

aa) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers (1) Zustandshaftung nur bei entgeltlicher Nutzungsüberlassung Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Grundeigentümers zur Sanierung von Altlasten sind noch wesentlich strenger als bei Neulasten. Eine Heranziehung des Grundeigentümers ist nur möglich, wenn er dem Verhaltensstörer die Nutzung seines Grundstücks entgeltlich zur Verfügung gestellt hat.

(2) Zustandshaftung nur mit dem sog. Übergenuß Darüber hinaus ist der Umfang der Haftung auf den Wert des Vorteils begrenzt, der die übliche Vergütung für die Inanspruchnahme seines Grundstücks übersteigt (sog. Übergenuß). Unter dem Übergenuß ist der Differenzbetrag zwischen dem tatsächlich gezahlten Nutzungsentgelt und der ortsüblichen Vergütung für eine nicht mit besonderen Umweltgefahren verbundene Nutzung zu verstehen.34 Hat der Eigentümer ein zuvor landwirtschaftlich genutztes Grundstück an den Betreiber einer Tankstelle verpachtet und verunreinigt ausgelaufener Kraftstoff den Boden und das Grundwasser, so muß der Grundeigentümer bei der Sanierung einen Betrag in Höhe der Differenz zwischen dem Pachtzins des Tankstellenbetreibers und dem für eine landwirtschaftliche Nutzung üblichen Pachtzins aufwenden.35 Dahinter steht die Überlegung, daß der Grundeigentümer, der sein Grundstück erhöhten Umweltrisiken aussetzt, hierfür ___________ 34 35

Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 11. Vgl. nur Schröfl, Handkommentar zum Umweltschutzrecht, 2. Aufl., S. 328.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

regelmäßig einen Risikozuschlag erhält. Der Risikozuschlag wird häufig jedoch nur einen kleinen Teil der Sanierungskosten decken.36 Die Begrenzung des Haftungsumfangs auf den Übergenuß führt zu erheblichen Vollzugsproblemen.37 Abgesehen davon, daß die Verwaltung häufig nicht in der Lage sein wird, die Höhe des Übergenusses zu ermitteln, fragt sich, ob dem Grundeigentümer überhaupt Sanierungsmaßnahmen auferlegt werden können, wenn feststeht, daß die Sanierungskosten den Übergenuß übersteigen werden. Im Schrifttum wird daher zum Teil gefordert, daß der Grundeigentümer unter diesen Umständen nur zur anteiligen Kostentragung, nicht jedoch zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden kann.38 Die wohl herrschende Ansicht39 geht allerdings zu Recht davon aus, daß der Grundeigentümer weiterhin zur Sanierungsmaßnahmen herangezogen werden kann. Allerdings können ihm nur einzelne Maßnahmen auferlegt werden, deren voraussichtliche Kosten den Übergenuß nicht übersteigen. Die übrigen Maßnahmen müssen von der Behörde oder von einem von ihr Beauftragten durchgeführt werden. Gegen die herrschende Meinung spricht, daß sie erhebliche Vollzugsschwierigkeiten bereitet. Gleichwohl ist der herrschenden Ansicht zu folgen, weil § 31 Abs. 6 WRG auf Absatz 4 und dieser wiederum auf Absatz 3 Bezug nimmt. Nach § 31 Abs. 3 WRG wird die Behörde nur subsidiär tätig, wenn der Verpflichtete der ihm auferlegten Maßnahme nicht Folge leistet. Die komplizierte Regelung des § 31 Abs. 6 WRG führt in der Praxis dazu, daß Grundeigentümer nur selten zur Sanierung von Altlastenflächen verpflichtet werden. Christian Onz bezeichnet § 31 Abs. 6 WRG daher als weitgehend totes Recht.40

bb) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers Im Schrifttum umstritten ist, ob auch dem bösgläubigen Erwerber eines Altlastengrundstücks das Haftungsprivileg des § 31 Abs. 6 WRG zugute kommt. Da § 31 Abs. 6 WRG allein den Liegenschaftseigentümer, nicht jedoch dessen ___________ 36

Vgl. Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, S. 25. Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 51 ff. 38 Raschauer, ÖZW 1991, 41 (45), Fn. 45; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 36. 39 Schröfl, Handkommentar zum Umweltschutzrecht, 2. Aufl., S. 466; Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 52. So nunmehr auch Raschauer, Wasserrecht, § 31 Rn. 17. 40 Christian Onz, ebendort, S. 53. 37

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Rechtsnachfolger nennt, wird zum Teil die Ansicht vertreten, die Bestimmung sei auf Rechtsnachfolger nicht anwendbar.41 Eine solche Auslegung hätte untragbare Ergebnisse zur Folge. Während der Grundeigentümer nur mit seinem (häufig geringen) Übergenuß haftet, obwohl er der Gefahr aufgrund seiner Mitwirkung an der Gefahrentstehung näher steht, müßte der Rechtsnachfolger unbegrenzt mit seinem gesamten Vermögen für die Sanierungskosten einstehen. Die herrschende Lehre42 tritt daher zu Recht für eine Anwendung des § 31 Abs. 6 WRG auf Rechtsnachfolger ein. Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst in einem obiter dictum zu erkennen gegeben, daß er sich dieser Ansicht anschließt.43 Für diese Ansicht spricht, daß § 31 Abs. 6 WRG auf den gesamten Absatz 4 Bezug nimmt. § 31 Abs. 4 WRG nennt jedoch nicht nur den Grundeigentümer, der an der Gefahrentstehung mitgewirkt hat, sondern auch dessen Rechtsnachfolger. Allerdings bereitet die Anwendung des § 31 Abs. 6 WRG dann Schwierigkeiten, wenn die Verunreinigung bereits vor dem Erwerb des Grundstücks durch den Rechtsnachfolger abgeschlossen war. Da der Rechtsnachfolger dem Verursacher der Gefahr das Grundstück nicht zur Nutzung überlassen hat, konnte er auch keine Vorteile in Form von Pacht- oder Mietzinsen ziehen, so daß sein Übergenuß bei Null liegt.44 Nach der ratio legis des § 31 Abs. 6 WRG spricht jedoch einiges dafür, die Rechtsnachfolgerhaftung für Altlasten de lege ferenda auf den Differenzbetrag zwischen dem Verkehrswert des nicht kontaminierten Grundstücks und dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis zu begrenzen. Auf diese Weise kann angemessen berücksichtigt werden, ob der Erwerber im Hinblick auf vorhandene Boden- oder Gewässerverunreinigungen einen geringeren Kaufpreis gezahlt hat.

___________ 41

Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 18 sowie § 138 WRG Rn. 22. Kozak/Stern, NZ 1991, 185 (191); Schwarzer, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 1993, S. 282 (290); Moosbauer, in: Kerschner (Hrsg.), Haftung bei Deponien, 1996, S. 1 (32); Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 53. 43 VwGH vom 21.3.2002, Z 2000/07/0064. 44 Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 66 f., spricht sich daher für eine Haftungsbegrenzung auf den vom Grundeigentümer gezogenen Übergenuß aus. Diese Ansicht ist jedoch wegen der Selbständigkeit der Haftung des Rechtsnachfolgers vom Grundeigentümer abzulehnen; vgl. hierzu unter 4. Kap. C. II. 42

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

II. Die Störernormen des Abfallwirtschaftsgesetzes Wird der Boden oder ein Gewässer durch eine stillgelegte Deponie verunreinigt, hält das Abfallwirtschaftsgesetz die gegenüber dem Wasserrechtsgesetz spezielleren Regelungen bereit.

1. Die Verhaltensverantwortlichkeit gemäß § 73 Abs. 4 AWG Nach § 73 Abs. 4 S. 1 AWG ist die Behörde befugt, den ehemaligen Betreiber einer stillgelegten Deponie zur Sanierung des Bodens und von Gewässern zu verpflichten, wenn die Verunreinigungen Folge des Betriebs der Deponie sind.

2. Die Zustandsverantwortlichkeit gemäß § 74 AWG Wie das Wasserrechtsgesetz unterscheidet auch das Abfallwirtschaftsgesetz zwischen der Zustandsverantwortlichkeit für Neulasten, die seit dem und Altlasten, die vor dem 1.7.1990 entstanden sind.

a) Die Zustandsverantwortlichkeit für Neulasten aa) Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers Nach § 74 Abs. 2 S. 1 AWG kann ein Grundeigentümer, wenn er dem Deponiebetrieb oder einer Ablagerung zugestimmt oder sie geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat, unbegrenzt zur Sanierung bzw. zur Kostentragung verpflichten werden. Da die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 2 S. 1 AWG mit denen des § 31 Abs. 4 S. 1 WRG identisch sind, kann auf die obige Darstellung verwiesen werden.45

___________ 45

Vgl. die Darstellung unter 3. Kap. B. I. 2. a) aa).

3. Kap.: Das geltende Störerrecht

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bb) Die Zustandsverantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers sind nach § 74 Abs. 2 S. 2 AWG dann zustandsverantwortlich, wenn sie von dem früheren Deponiebetrieb oder der sonstigen Lagerung bzw. Ablagerung von Abfällen Kenntnis hatten oder haben mußten. Die abfallrechtliche Zustandshaftung des Rechtsnachfolgers entspricht der wasserrechtlichen.

b) Die Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten Sowohl die Zustandshaftung des Grundeigentümers als auch seines Rechtsnachfolgers ist bei Altlasten nach § 74 Abs. 3 AWG auf den gezogenen Übergenuß begrenzt. Insoweit gelten keine Besonderheiten zu der Rechtslage nach § 31 Abs. 6 WRG.46

C. Einschränkende Auslegung der Zustandsverantwortlichkeit durch den Verfassungsgerichtshof Die dargestellten gesetzlichen Regelungen zur Zustandsverantwortlichkeit geben die geltende Rechtslage allerdings nicht vollständig wieder, weil sich der Verfassungsgerichtshof47 in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1993 und 1996 für eine weitergehende verfassungskonforme Einschränkung der Zustandshaftung ausgesprochen hat.48 Allerdings hatte die Behörde den Grundeigentümer jeweils nach der für den Verhaltensstörer maßgebenden Vorschrift des § 138 Abs. 1 WRG zur Gefahrenabwehr verpflichtet, ohne daß die Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 WRG für die Inanspruchnahme als Zustandsstörer erfüllt gewesen waren. Der Verfassungsgerichtshof entschied, daß die Zustandsverantwortlichkeit wegen der damit einhergehenden erheblichen Vermögensbelastung nur solange mit dem Gleichheits- und dem Eigentumsgrundrecht vereinbar sei, als die Belastung dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar sei. Demgegenüber hatte der Verwaltungsgerichtshof mehrfach bekräftigt, daß die finanzielle Leistungsfä___________ 46

Vgl. die obige Darstellung unter 3. Kap. B. I. 2. b). VfGH, RdU 1994, 62 sowie 1997, 29 f. 48 Vgl. auch die Anm. von Raschauer, RdU 1994, 64 und 1997, 30 sowie Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 6. 47

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

higkeit des Grundeigentümers für den Umfang seiner Zustandshaftung unbeachtlich sei.49 Laut Verfassungsgerichtshof bestimme sich die Grenze der zumutbaren Belastung zum einen nach den finanziellen Lasten und zum anderen nach dem aus dem Eigentum gezogenen Nutzen. Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings offen gelassen, wann genau die Zumutbarkeitsgrenze überschritten sei. Für das Maß der zumutbaren Belastung dürfte es vorrangig auf die Höhe der zu erwartenden Sanierungskosten im Verhältnis zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Grundeigentümers ankommen.50 Dies hat zur Folge, daß leistungsstarke Grundeigentümer regelmäßig in größerem Umfang zur Sanierung verpflichtet werden können als finanzschwächere Grundeigentümer. Sind die Vorteile, die der Grundeigentümer aus der Nutzungsüberlassung an den späteren Verursacher der Gefahr gezogen hat, geringer als die Sanierungskosten, so dürfte unter Umständen eine Beschränkung der Haftung auf den gezogenen Übergenuß geboten sein. Der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs läßt sich allerdings nicht entnehmen, ob das Gericht auch für die durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle und das Abfallwirtschaftsgesetz neu eingeführten §§ 31 Abs. 4, 138 Abs. 4 WRG und § 74 Abs. 1 und 2 AWG eine verfassungskonforme Beschränkung auf das wirtschaftlich zumutbare Maß für geboten hält. Nach zutreffender Ansicht51 dürfte dies zu verneinen sein. Da die Zustandsverantwortlichkeit nach den Neuregelungen nicht mehr allein an die Rechtsstellung anknüpft, sondern dem Grundeigentümer Gefahren aufgrund seiner Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder aufgrund der Inkaufnahme der Gefahr zurechnet, besteht für eine betragsmäßige Begrenzung – anders als bei einer Zustandshaftung für fremdes Verhalten – kein Anlaß. Der Gesetzgeber hat bereits durch die genannten Zurechnungskriterien die Zumutbarkeitsgrenze hinreichend konkretisiert.52 Interessanterweise ist das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluß vom 16.2.2000 Jahre später dem Ansatz des österreichischen Verfassungsgerichtshofs gefolgt und hat die unbeschränkte Zustandsverantwortlichkeit wegen Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle für verfassungswidrig angesehen. Es hätte allerdings besser daran getan, sich an der gesetzlichen Neuregelung in Österreich zu orientieren und die Zustandsverantwortlichkeit von einer willkürfreien Zurechnung der Gefahr abhängig zu machen. Die Opferfälle sind nämlich gerade nicht Folge einer im Einzelfall unzumutbaren Belastung, sondern einer nicht zu begründenden Zurechnung. ___________ 49

VwGH vom 20.9.1990, Z 86/07/0096 und vom 12.2.1991, Z 90/07/0128. So offenbar auch Raschauer, RdU 1997, 30. 51 Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 56. 52 Ebendort. 50

3. Kap.: Das geltende Störerrecht

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D. Vorrang des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer I. Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit Im Unterschied zur Rechtslage vor dem 1.7.1990 hat der Gesetzgeber in § 31 Abs. 4 und 138 Abs. 4 WRG sowie in § 74 Abs. 1 AWG53 nunmehr ausdrücklich festgeschrieben, daß eine Inanspruchnahme des Grundeigentümers oder seines Rechtsnachfolgers nur möglich ist, wenn der Verhaltensstörer nicht feststellbar oder zur Gefahrenabwehr nicht in der Lage ist (Subsidiarität der Zustandshaftung).54 In allen anderen Fällen hat die Behörde den Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer zu verpflichten. Damit trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, daß der Verursacher der Gefahr stets näher steht als der Zustandsstörer.

II. Nichtfeststellbarkeit des Verhaltensstörers Der Verursacher ist nicht feststellbar, wenn seine Identität nicht bekannt ist. Dies ist häufig der Fall, wenn die Boden- oder Gewässerverunreinigung bereits vor längerer Zeit verursacht worden ist oder wenn sich bei wechselnden Besitzverhältnissen nicht mehr klären läßt, welcher Besitzer die Gefahr verursacht hat. Ist hingegen nur einer von mehreren Verhaltensstörern bekannt, läßt sich jedoch sein Verursachungsanteil nicht nachweisen, so liegt kein Fall der „Nichtfeststellbarkeit“ vor.55 Da der Verursacher der Gefahr näher steht als der Zustandsstörer, hat die Behörde den Verhaltensstörer unabhängig von seinem Verursachungsanteil zur Sanierung zu verpflichten.56

III. Unmöglichkeit der Gefahrenabwehr durch den Verhaltensstörer Der Grundeigentümer kann zum anderen herangezogen werden, wenn kein Verursacher zur Gefahrenabwehr in der Lage ist. Die Unmöglichkeit kann ___________ 53

So auch bereits § 32 Abs. 2 AWG a.F. Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 71; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 29. 55 Rainer Onz, ebendort, S. 99 f. 56 Ebenso Rainer Onz, ebendort, S. 100 unter Verweis auf § 26 Abs. 5 WRG, der eine Haftung zu gleichen Teilen vorsieht, wenn sich die Anteile an der Schadenszufügung nicht bestimmen lassen. 54

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Eine Inanspruchnahme des Verursachers ist rechtlich unmöglich, wenn dieser nicht mehr existiert. Dies ist bei Gesellschaften der Fall, die sich durch Gesellschafterbeschluß aufgelöst haben oder aufgrund Konkurses oder aus einem sonstigen Grund aufgelöst worden sind.57 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 21.1.2003 bei einer aufgelösten Gesellschaft die rechtliche Unmöglichkeit der Inanspruchnahme bejaht. Statt der aufgelösten Gesellschaft könne auch nicht deren persönlich haftender Gesellschafter zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden.58 Zur Begründung verwies das Gericht u.a. darauf, daß die subsidiäre Zustandshaftung des Grundeigentümers gerade eingeführt worden sei, um eine Gefahrenabwehr auch im Falle der Auflösung der Verursacher-Gesellschaft zu ermöglichen. Der Grundeigentümer kann schließlich herangezogen werden, weil der Verhaltensstörer aus tatsächlichen Gründen die Gefahr nicht abwehren kann.59 In der Praxis spielt dies insbesondere eine Rolle, wenn der Verhaltensstörer die Sanierungskosten nicht (vollständig) aufbringen kann.60 Unklar ist, in welchem Umfang die Behörde die Finanzlage des Verursachers prüfen muß, bevor sie den Grundeigentümer verpflichten kann. Nach einhelliger Meinung muß die Behörde die Vermögensverhältnisse des Verursachers prüfen.61 Sie braucht jedoch keinen fruchtlosen Vollstreckungsversuch gegen den Verhaltensstörer zu unternehmen, bevor sie gegen den Zustandsstörer vorgehen kann. Ausreichend ist, daß die Behörde nach eingehender Untersuchung die voraussichtliche Erfolglosigkeit einer Vollstreckung darlegen kann.62

___________ 57 Schröfl, ecolex 1990, 257 (258); Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (20); Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 87 ff.; Rainer Onz, ebendort, S. 100 ff. 58 VwGH vom 21.1.2003, Z 2001/07/0105. Der Verwaltungsgerichtshof sprach sich zudem in einer Entscheidung vom 27.6.2002, Z 2002/07/0043 dafür aus, daß eine wegen Konkurses aufgelöste Gesellschaft auch dann nicht verpflichtet werden könne, wenn die Konkursmasse zur Befriedigung ausgereicht hätte, weil sie rechtlich nicht mehr existiere. 59 Wegen ihrer Unbestimmtheit halten Schröfl, ecolex 1990, 257 (258) und Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 102 diese Alternative für verfassungsrechtlich bedenklich. 60 In seinem Erkenntnis vom 14.12.1995, Z 95/07/0112 bestätigte der Verwaltungsgerichtshof, daß die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit ein sonstiger Grund der Nichtheranziehbarkeit ist. 61 Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (21); Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 102 ff. 62 Rainer Onz, ebendort, S. 103 und wohl auch Kozak/Stern, NZ 1991, 185 (195).

3. Kap.: Das geltende Störerrecht

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E. Zusammenfassung Das österreichische Recht kennt neben einer Verhaltensverantwortlichkeit des Verursachers auch eine Zustandsverantwortlichkeit für Boden- und Gewässerkontaminationen. Der Grundeigentümer ist allerdings nicht schon wegen seiner Rechtsstellung Zustandsstörer. Die Zustandsverantwortlichkeit setzt vielmehr voraus, daß ihm die Gefahr persönlich zugerechnet werden kann. Boden- und Gewässerverunreinigungen, die nach dem 1.7.1990 entstanden sind, muß sich der Grundeigentümer zum einen zurechnen lassen, wenn er dem späteren Verursacher der Gefahr die umweltgefährdende Handlung auf seinem Grundstück gestattet oder sie jedenfalls geduldet hat. Der Gesetzgeber begründet die Zustandsverantwortlichkeit in diesem Fall damit, daß der Grundeigentümer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt habe, weil er dem Verursacher sein umweltschädigendes Verhalten erst ermöglicht habe. Zustandsverantwortlich sind danach insbesondere Eigentümer, die ihr Grundstück an den Betreiber einer Abfalldeponie oder an ein industrielles oder gewerbliches Unternehmen verpachtet oder vermietet haben. Bereits auf der Tatbestandsseite von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen sind demgegenüber solche Grundeigentümer, die – wie bei Tankwagenunfällen, Vandalismus oder wildem Müll – Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind. Kann dem Grundeigentümer die Gefahr unter den genannten Voraussetzungen zugerechnet werden, so entfällt seine Zustandsverantwortlichkeit gleichwohl, wenn er zumutbare Abwehrmaßnahmen ergreift. Hierzu genügt es z. B., daß er unverzüglich nach Entdeckung der Verunreinigung die Behörde informiert und den Verursacher auf Beseitigung der Kontamination verklagt. Diese Haftungsfreistellung soll den Grundeigentümer zu einer Mitwirkung bei der Gefahrenabwehr veranlassen und hierdurch ihre Effektivität steigern. Dem Grundeigentümer kann die Boden- oder Gewässerkontamination zum anderen dann zugerechnet werden, wenn er ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben hat und hierbei von der umweltgefährdenden Vornutzung wußte oder wissen mußte (sog. Rechtsnachfolgerhaftung). Ein solcher bösgläubiger Erwerber nimmt das Risiko einer Kontamination (billigend) in Kauf und ist daher nicht schutzwürdig. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1993 und 1996 für eine verfassungskonforme Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf das wirtschaftlich zumutbare Maß ausgesprochen. Maßgebend dürften insoweit die Höhe der Belastung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zustandsstörers sein. Allerdings hatte die Behörde den Grundeigentümer in den genannten Entscheidungen – wie nach altem Recht üblich – allein aufgrund seiner Rechtsstellung in Anspruch genommen. Unklar ist, ob sich der

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

Verfassungsgerichtshof auch nach neuem Recht für eine verfassungskonforme Begrenzung aussprechen würde. Nach zutreffender Ansicht bedarf es insoweit keiner betragsmäßigen Begrenzung, weil dem Grundeigentümer die Gefahr nur zugerechnet wird, wenn er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt oder die Gefahr billigend in Kauf genommen hat. Der Gesetzgeber hat hierdurch bereits die Zumutbarkeitsgrenze konkretisiert. Für vor dem 1.7.1990 entstandene Altlasten ist der Grundeigentümer zusätzlich zu den zuvor genannten Voraussetzungen nur zustandsverantwortlich, wenn er sein Grundstück dem Verursacher der Gefahr gegen ein Entgelt zur Nutzung überlassen, insbesondere verpachtet oder vermietet hat. Anders als bei Neulasten, bei denen der Zustandsstörer unbegrenzt haftet, hat der Grundeigentümer für die Altlastensanierung nur mit dem von ihm gezogenen sog. Übergenuß einzustehen. Hierunter ist ein vereinbarter Risikozuschlag für die mit besonderen Umweltrisiken verbundene Nutzung zu verstehen. Auch in den Fällen, in denen dem Grundeigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann, kann die Behörde ihn nicht ohne weiteres zur Sanierung heranziehen, weil sowohl das Wasserrechtsgesetz als auch das Abfallwirtschaftsgesetz einen Vorrang des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer festlegen. Eine Inanspruchnahme des Grundeigentümers ist daher nur möglich, wenn kein Verhaltensstörer festgestellt werden kann oder zur Sanierung in der Lage ist. In allen Fällen, in denen eine Heranziehung des Grundeigentümers zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht kommt, kann die Behörde ihn verpflichten, Sanierungsmaßnahmen Dritter zu dulden. Durch die Verselbständigung der Duldungspflicht von der Gefahrenabwehrpflicht ist sichergestellt, daß auch in den Opferfällen eine effektive Gefahrenabwehr möglich ist.

4. Kapitel

Der Kreis der Zustandsstörer Der Kreis der Zustandsstörer im Wasserrechtsgesetz sowie im Abfallwirtschaftsrecht ist sehr eng gezogen. Beide nennen nur den Liegenschaftseigentümer und dessen Rechtsnachfolger. Nicht zustandsverantwortlich sind hingegen der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und der sonstige Berechtigte. So hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis vom 24.4.20031 jüngst bestätigt, daß die Behörde gegenüber dem Mieter eines Grundstücks eine wasserrechtliche Anordnung nur erlassen werden kann, wenn er die Gefahr verursacht hat. Die Bezeichnung der Zustandsstörer als „Liegenschaftseigentümer“ und „seine Rechtsnachfolger“ ist verfehlt. Sie läßt allenfalls erahnen, wer Zustandsstörer ist und von welchen Voraussetzungen die Zustandsverantwortlichkeit abhängt. Auf diese Fragen soll nachfolgend eingegangen werden.

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers Sowohl nach dem Wasserrechtsgesetz als auch nach dem Abfallwirtschaftsgesetz ist in erster Linie der gegenwärtige Grundeigentümer zustandsverantwortlich.

I. Mitwirkung an der Gefahrentstehung Der Gesetzgeber rechnet dem Grundeigentümer Boden- oder Gewässerverunreinigungen dann zu, wenn er der Anlage oder der Handlung, welche die Gefahr verursacht hat, zugestimmt oder sie geduldet hat.

___________ 1

VwGH, Z 2002/07/0019.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

1. Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit In der Regierungsvorlage zum Wasserrechtsgesetz wird die Haftung des Grundeigentümers damit begründet, daß er die wassergefährdende Tätigkeit des Verursachers erleichtert, ermöglicht oder sonstwie begünstigt habe und daher als Verursacher anzusehen sei.2 In erster Linie sind solche Grundeigentümer zustandsverantwortlich, die ihr Grundstück an den Betreiber einer Fabrik oder einer Abfalldeponie verpachtet haben. Ferner ist z. B. der Eigentümer eines Grundstücks zustandsverantwortlich, der es duldet, daß Dritte dort unberechtigt Abfälle ablagern.3

2. Das Konsenserfordernis Es fragt sich, welche Voraussetzungen im einzelnen an die Zustimmung oder Duldung gestellt werden.4

a) Das Konsenserfordernis beim Anlagenbetrieb Nach § 31 Abs. 4 S. 1 1. Variante WRG reicht es aus, daß der Grundeigentümer der Anlage, von der die Gefahr ausgeht, zugestimmt oder sie geduldet hat, um eine Verantwortlichkeit für alle aus dem Anlagenbetrieb resultierenden Gefahren zu begründen. Nicht erforderlich ist, daß er der konkreten Handlung zugestimmt hat, welche die Gefahr verursacht hat. In der Verpachtung des Grundstücks samt einer bereits existierenden Abfallbeseitigungsanlage, Fabrik oder Tankstelle ist eine Zustimmung des Grundeigentümers zu dem Betrieb der gefahrverursachenden Anlage 5 enthalten. ___________ 2 RV 1152 BlgNR 17. GP, S. 27. Zustimmend Bruno Binder, Sicherung und Sanierung von Altlasten, S. 42; Kozak/Stern, NZ 1991, 185 (190); Hauer, Die öffentlichrechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 68; Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 19; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 30 f. 3 Allerdings kann nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.8.1994, Z 94/05/0055 aus der Kenntnis des Eigentümers von den Ablagerungen nicht ohne weiteres auf dessen freiwillige Duldung geschlossen werden. 4 Vgl. die Darstellungen bei Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 66 ff.; Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (23) und Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 31 ff. 5 Vgl. zum verwaltungsrechtlichen Anlagenbegriff VwGH vom 24.4.1990, Z 89/04/0217 sowie Moosbauer, in: Kerschner (Hrsg.), Haftung bei Deponien, S. 1 (4).

4. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

511

Überläßt der Grundeigentümer dem Pächter ein unbebautes Grundstück zur Nutzung und errichtet der Pächter hierauf eine Anlage, so wird der Pachtvertrag regelmäßig eine Zustimmung des Grundeigentümers zu der Errichtung und dem Betrieb der Anlage enthalten, weil in ihm gewöhnlich der Nutzungszweck festgelegt wird. Beim Immobilienleasing stimmt der Grundeigentümer und Leasinggeber dem Anlagenbetrieb zu, wenn er nicht nur die Immobilie, sondern auch die neu errichtete Anlage finanziert.6 Etwas anderes gilt in den Fällen, in denen der Pächter ohne Kenntnis des Grundeigentümers und unter Verstoß gegen den vertraglich vereinbarten Nutzungszweck eine Anlage errichtet und betreibt.7 Errichtet etwa der Pächter eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks auf einer Teilfläche eine Deponie, einen Schrottplatz, eine Tankstelle oder eine Lagerhalle für Gefahrstoffe, so sind diese Anlagen nicht von der Zustimmung zur landwirtschaftlichen Nutzung gedeckt. Dem Grundeigentümer kann die Gefahr nur dann zugerechnet werden, wenn er von der Anlage Kenntnis erlangt und den Pächter gewähren läßt. Denn hierin liegt eine Duldung. Fordert der Grundeigentümer den Pächter hingegen nach Kenntniserlangung zur Beseitigung der Anlage oder zur Einstellung des Betriebes auf, so ist er nicht zustandsverantwortlich.

b) Das Konsenserfordernis bei sonstigen Maßnahmen Schwieriger gestaltet sich die Sachlage, wenn die Gefahr durch eine einzelne Handlung verursacht worden ist, die nicht Gegenstand einer insgesamt umweltgefährdenden Nutzung ist. Hat der Grundeigentümer einem Dritten sein Grundstück vermietet, und errichtet dieser hierauf eine Lagerhalle oder einen Schuppen, so wird der Grundeigentümer in aller Regel keine Kenntnis davon haben, ob sich in dem Lager Gefahrstoffe wie Chemikalien und Öl befinden. Es fragt sich daher, ob dem Grundeigentümer die hiervon ausgehenden Gefahren gleichwohl zugerechnet werden können. Da §§ 31 Abs. 4 S. 1, 138 Abs. 4 S. 1 WRG und § 74 Abs. 2 S. 1 AWG voraussetzen, daß der Grundeigentümer der konkreten Ablagerung oder sonstigen Maßnahme, welche die Gefahr verursacht hat, zugestimmt oder sie geduldet hat, begründet die Nutzungsüberlassung als solche noch keine Zurechnung der Gefahr.8 Der Grundeigentümer muß vielmehr bei der Nutzungsüberlassung wissen oder später davon Kenntnis erlangen, daß der unmittelbare Besitzer auf dem Grundstück mit gefährlichen Abfällen oder mit Gefahrstoffen umgegangen ___________ 6

Schröfl, ecolex 1990, 257. VwGH vom 22.2.1994, Z 93/07/0154. 8 VwGH vom 21.3.2002, Z 2000/07/0064. 7

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

ist oder umgeht. Bei einer nach außen erkennbaren gewerblichen Nutzung, die typischerweise mit dem Einsatz von Gefahrstoffen verbunden ist, wird eine solche Kenntnis vermutet. Betreibt der Pächter an einem anderen Ort eine Chemiefabrik, so wird der Grundeigentümer damit rechnen, daß der Pächter in dem von ihm angemieteten Lager Chemikalien aufbewahrt. Laufen diese aus, so muß sich der Grundeigentümer hervorgerufene Bodenverunreinigungen zurechnen lassen.

3. Ablagerung anderer als der vereinbarten Stoffe Fraglich ist hingegen, ob dem Grundeigentümer auch Bodenverunreinigungen zugerechnet werden können, wenn der Grundstückseigentümer dem Mieter zwar die Ablagerung bestimmter Stoffe erlaubt hat, dieser jedoch andere Stoffe ablagert (wie etwa Sonder- statt Hausmüll). Laut Rainer Onz9 fehle in einem solchen Fall die erforderliche Zustimmung. Für diese Ansicht spricht der Wortlaut des § 74 Abs. 2 S. 1 AWG und des § 138 Abs. 4 S. 1 WRG. Danach muß der Grundeigentümer der Ablagerung zugestimmt oder sie geduldet haben. Gemeint ist die konkrete Ablagerung, welche die Gefahr verursacht hat. Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelungen kann dem Grundeigentümer die Gefahr nicht zugerechnet werden, weil der Grundeigentümer eine Ablagerung der wesentlich gefährlicheren Sonderabfälle nicht ermöglichen wollte. Eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers scheidet daher aus.

4. Nichteinhaltung vertraglich vereinbarter Umweltstandards Demgegenüber fehlt die erforderliche Zustimmung nicht schon deshalb, weil der Pächter vertragswidrig gesetzliche Umweltstandards nicht einhält oder Maßnahmen ohne die erforderliche behördliche Bewilligung durchführt.10 Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers setzt lediglich voraus, daß der Grundeigentümer die Ablagerung gestattet, ihr zugestimmt oder sie geduldet hat. Wenn der Grundeigentümer eine Ablagerung konsentiert, so ermöglicht er dem Deponiebetreiber die Vornahme risikoreicher Handlungen auf seinem Grundstück. Der Grundeigentümer trägt im Außenverhältnis das Risiko einer Vertragsverletzung seitens des Deponiebetreibers. Über den Zustimmungsakt hinausgehende Vertragsvereinbarungen im Innenverhältnis sind für das Außen___________ 9

Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 31 ff. So auch Schröfl, ecolex 1990, 257.

10

4. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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verhältnis ohne Belang.11 Der Grundeigentümer hat es in der Hand, die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Umweltstandards zu überwachen.

II. Unterlassen zumutbarer Abwehrmaßnahmen Auch wenn dem Grundeigentümer die Gefahr wegen seiner Mitwirkung an der Gefahrentstehung zugerechnet werden kann, entfällt seine Zustandsverantwortlichkeit, wenn der Eigentümer zumutbare Abwehrmaßnahmen ergriffen hat. Hierzu genügt es, daß er die Behörde unverzüglich über die (drohende) Boden- oder Gewässerkontamination informiert, den Nutzungsvertrag mit dem Verursacher der Gefahr kündigt, sofern von der Nutzung weitere Gefahren drohen, oder den Verursacher auf Beseitigung der Kontamination verklagt. Zwar unterbrechen derartige Maßnahmen nicht den Zurechnungszusammenhang. Der Gesetzgeber stellt den Grundeigentümer jedoch von der Zustandshaftung frei, um ihn zu einer Mitwirkung an der Gefahrenabwehr zu veranlassen.

III. Erlaß der Sanierungsverfügung vor Verlust des Eigentums Wurde der Grundeigentümer zur Sanierung oder zur Kostentragung verpflichtet und verliert er nach Erlaß der Anordnung sein Eigentum, so bleibt er nach einhelliger Meinung12 zustandsverantwortlich. Ohne Bedeutung ist, daß er mit dem Eigentum auch die Verfügungsgewalt über sein Grundstück verliert.

___________ 11 Zustimmend Schröfl, ebendort; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 104. 12 Vgl. nur VwGH vom 4.4.1989, Z 88/07/0134 sowie vom 25.6.1991, Z 91/07/0033; Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 15. In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 4.4.1989 heißt es: „Ein gemäß § 31 [WRG] Verpflichteter kann sich (...) nicht durch rechtsgeschäftliche Verfügungen, wie z. B. den Verkauf von Anlagen oder Liegenschaften, von denen die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ausgeht, seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung entziehen. Vielmehr sind ihm, ohne Rücksicht darauf, ob und inwieweit seinem zivilrechtlichen Rechtsnachfolger auch auf § 31 gestützte Maßnahmen vorgeschrieben werden können, die zur Verhinderung einer drohenden Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen, unabhängig von der Frage der zivilrechtlichen Verfügungsgewalt über diese Anlagen und Liegenschaften vorzuschreiben“.

514

3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

B. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers Fraglich ist hingegen, ob ein früherer Grundeigentümer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden kann, wenn er in der beschriebenen Weise an der Gefahrentstehung mitgewirkt und zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Von praktischer Bedeutung ist eine über den Eigentumsverlust hinaus fortdauernde Zustandsverantwortlichkeit insbesondere, wenn sich der Grundeigentümer der Zustandshaftung durch Aufgabe13 oder Übertragung seines Eigentums zu entledigen sucht. Der Wortlaut der §§ 31 Abs. 4, 138 Abs. 4 WRG und § 74 Abs. 1 und 2 AWG gibt hierauf keine eindeutige Antwort. In § 31 Abs. 4 WRG heißt es beispielsweise: Kann der nach Abs. 1 Verpflichtete nicht gemäß Abs. 3 beauftragt oder zum Kostenersatz herangezogen werden, dann kann an seiner Stelle dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit haben mußten.

Da sowohl von dem Liegenschaftseigentümer als auch von seinen Rechtsnachfolgern die Rede ist, was impliziert, daß der Liegenschaftseigentümer sein Eigentum verloren hat, ist eine Verantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers nach der Wortlautauslegung nicht ausgeschlossen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Rechtsnachfolger anstelle des bisherigen Grundeigentümers in die Zustandshaftung einträte. Soweit ersichtlich, mußte die Rechtsprechung über die Frage, ob auch ein früherer Grundeigentümer zustandsverantwortlich ist, bisher nicht entscheiden. Die herrschende Lehre14 hat sich gegen einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus ausgesprochen. Rainer Onz15 zufolge bedürfe es keiner Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers, weil sein Rechtsnachfolger in die Zustandshaftung ___________ 13 Die Aufgabe des Grundeigentums setzt nach § 387 ABGB voraus, daß die Herrenlosigkeit im Grundbuch vermerkt wird; vgl. hierzu nur Berger/Onz, Altlastenhaftung, S. 41; Spielbüchler, in: Rummel, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, 2. Aufl., 1995, § 387 Rn. 1. 14 Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (21); Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 17 ff., § 138 WRG, Rn. 21 ff.; Schwarzer, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, S. 282 (290); Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 67 ff. 15 Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 68.

4. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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eintrete. Mit dem Rechtsnachfolger existiere ein Zustandsverantwortlicher, so daß von einer mißbräuchlichen Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit keine Rede sein könne. Thienel behauptet apodiktisch, „da § 32 Abs. 2 [AWG]16 auf den Zeitpunkt der behördlichen Maßnahme abstellt, endet mit dem Wechsel des Eigentums die Haftung des Grundeigentümers, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsnachfolger seinerseits zur Haftung herangezogen werden kann“.17 Hingegen treten Spielbüchler18 und Kerschner19 für eine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten ein, weil nur so verhindert werden könne, daß sich der Grundeigentümer seiner öffentlich-rechtlichen Pflichten entledigt. Die herrschende Lehre20 lehnt hingegen auch bei der Dereliktion einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit ab.21 Die besseren Gründe sprechen für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Verlust des Eigentums. Schon der Wortlaut des § 31 Abs. 4 S. 2 WRG („Das gilt a u c h für den Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers“)22 legt nahe, daß der frühere Grundeigentümer neben dem Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich ist. Zudem spricht das Gesetz im Plural von unbestimmt vielen Rechtsnachfolgern, die dem Grundeigentümer gleichgestellt werden, so daß auch ein Erwerber, der das Grundstück weiterveräußert, Zustandsstörer bleibt. Ferner läßt der Begriff des „Rechtsnachfolgers“ auf einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des Veräußerers schließen, weil es anderenfalls keine Differenzierung zwischen dem Rechtsnachfolger und dem Liegenschaftseigentümer bedurft hätte. Der Gesetzgeber hätte dann einheitlich von „Liegenschaftseigentümer“ sprechen können. Auch der Wille des historischen Gesetzgebers und der Sinn und Zweck der Regelung sprechen für eine Zustandshaftung des früheren Grundeigentümers. In der Gesetzesbegründung ist davon die Rede, daß der Grundeigentümer als Versucher angesehen wird, weil er die wassergefährdende Tätigkeit eines Dritten ermöglicht, erleichtert oder sonst begünstigt hat.23 Rechnet man dem ___________ 16

§ 32 Abs. 2 AWG a.F. ist inzwischen durch § 74 Abs. 1 und 2 AWG ersetzt wor-

den. 17

ÖGZ 7/1992, 19 (21). In: Rummel: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, 2. Aufl., § 387 Rn. 2. 19 RZ 1990, 26 (30). 20 Berger/Onz, Altlastenhaftung, S. 41; Bruno Binder, Sicherung und Sanierung von Altlasten, S. 37 ff.; Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 81; Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (21); Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 67 f. 21 Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (21). 22 Hervorhebung durch den Verfasser. 23 RV, 1152 BlgNR 17. GP, 27. 18

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

Grundeigentümer die Gefahr aber zu, weil er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, so entfällt die Zurechnung nicht mit dem Verlust des Eigentums. Die Gefahr wird ihm vielmehr unabhängig vom Fortbestand seines Eigentums persönlich zugerechnet.

C. Die Rechtsnachfolgerhaftung I. Rechtsgrund der Rechtsnachfolgerhaftung Anders als die Zustandshaftung des Liegenschaftseigentümers knüpft die Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers nicht an die Mitwirkung an der Gefahrentstehung an, weil der Boden oder das Gewässer im Erwerbszeitpunkt bereits verunreinigt war.24 Die Rechtsnachfolgerhaftung gemäß §§ 31 Abs. 4 S. 2, 138 Abs. 4 S. 2 WRG und § 74 Abs. 2 S. 2 AWG setzt vielmehr voraus, daß der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks die Anlage oder Maßnahme, welche die Gefahr verursacht hat, kannte oder kennen mußte.25 Bei der Rechtsnachfolgerhaftung handelt es sich folglich um die Zustandsverantwortlichkeit des bösgläubigen Erwerbers. Dem bösgläubigen Erwerber wird die Gefahr zugerechnet, weil er nicht schutzwürdig ist. Ihm stand die Möglichkeit offen, die Liegenschaft auf Kontaminationen beziehungsweise auf eine umweltgefährdende Vornutzung zu untersuchen. Kannte der Erwerber die Anlage, die Ablagerung oder die sonstige umweltgefährdende Maßnahme oder hätte er bei gehöriger Aufmerksamkeit von ihr Kenntnis haben müssen, so nimmt er das Risiko einer Verunreinigung (billigend) in Kauf. Die Rechtsnachfolgerhaftung ist rechtstechnisch mißlungen. Dem Gesetz läßt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob der bösgläubige Rechtsnachfolger auch dann zustandsverantwortlich ist, wenn sein Rechtsvorgänger nicht Zustandsstörer ist (vgl. hierzu sogleich unter II.). Zu klären ist darüber hinaus, unter welchen Voraussetzungen der Rechtsnachfolger als bösgläubig anzusehen ___________ 24

Für Gefahren, die nach Erwerb des Grundstücks entstanden sind, ist der Erwerber als Liegenschaftseigentümer nur zustandsverantwortlich, wenn er an der Gefahrentstehung mitgewirkt und zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. 25 Nach § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes (SAG) sollte der Rechtsnachfolger hingegen stets haften, wenn dessen Rechtsvorgänger der Ablagerung zugestimmt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch in seinem Erkenntnis vom 26.2.1990, Z 88/12/0043 die strengere Behandlung des Rechtsnachfolgers im Vergleich zum Rechtsvorgänger für gleichheitswidrig erklärt. § 4 Abs. 2 SAG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß der Rechtsnachfolger nur hafte, wenn er von der Zustimmung seines Rechtsvorgängers wußte oder wissen mußte.

4. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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ist (vgl. unter III.). Fraglich ist des weiteren, ob bei Kettenverkäufen nur der unmittelbare Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers oder ob auch mittelbare Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich sind (vgl. hierzu unter IV.). Unklar ist schließlich, ob die Rechtsnachfolgerhaftung endet, wenn der Rechtsnachfolger seinerseits das Eigentum an dem Grundstück verliert (vgl. hierzu unter V.).

II. Selbständigkeit der Rechtsnachfolgerhaftung In der Literatur ist umstritten, ob eine Rechtsnachfolgerhaftung nur besteht, wenn auch der Rechtsvorgänger zustandsverantwortlich ist. Soweit ersichtlich hat die Rechtsprechung diese Frage bisher nicht entschieden. Im Schrifttum wird zum Teil die Ansicht26 vertreten, die Zustandshaftung des Rechtsnachfolgers sei von derjenigen seines Rechtsnachfolgers unabhängig. Der Rechtsnachfolger sei stets zustandsverantwortlich, wenn er bei Erwerb des Grundstücks die Anlage oder Maßnahme, von der die Gefahr ausgeht, kannte oder kennen mußte. Diese Ansicht faßt die Rechtsnachfolgerhaftung als Zustandshaftung des bösgläubigen Erwerbers auf. Demgegenüber sehen andere Autoren27 den Rechtsnachfolger nur dann als zustandsverantwortlich an, wenn auch sein Rechtsvorgänger Zustandsstörer ist. Bei einer Rechtsnachfolgerkette komme es darauf an, daß der unmittelbare Rechtsvorgänger zustandsverantwortlich sei; nicht ausreichend sei, daß einer der früheren Rechtsvorgänger Zustandsstörer sei.28 Rainer Onz stützt sich zur Begründung auf § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes29 (SAG), der später durch § 18 Abs. 2 S. 2 AWG ersetzt worden ist. § 4 Abs. 2 SAG setzte voraus, daß der Rechtsnachfolger nicht nur Kenntnis von der umweltgefährdenden Vornutzung, sondern auch von der Zustimmung oder Duldung haben mußte oder hätte haben müssen. Der Rechtsnachfolger trete – wie die Bezeichnung nahelege – in die Zustandsverantwortlichkeit seines Rechtsvorgängers ein. Hauer und Moosbauer verlangen auch unter der Geltung des § 18 Abs. 2 AWG, daß der Rechtsnachfolger wußte oder wissen mußte, daß sein Rechtsvorgänger der ___________ 26 Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (24); Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, S. 57 und 75; Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 18 und § 138 WRG Rn. 22 sowie offenbar auch Schröfl, Handkommentar zum Umweltschutzrecht, 2. Aufl., S. 327. 27 Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 77 f.; Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 63 f. und 127 f.; Moosbauer, in: Kerschner (Hrsg.), Haftung bei Deponien, S. 1 (30 f.); Christian Onz, in: Onz/Streissler, Altlastensanierung in Österreich, S. 53. 28 Rainer Onz, ebendort, S. 128. 29 BGBl. Nr. 186/1983, aufgehoben durch § 42 Abs. 1 AWG.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

gefahrverursachenden Anlage oder Maßnahme zugestimmt oder sie geduldet hat.30 Die Rechtsnachfolgerhaftung besteht nach zutreffender Ansicht unabhängig davon, ob der Zustandsstörer seinerseits zustandsverantwortlich ist. Nach dem Wortlaut der §§ 31 Abs. 4 S. 2, 138 Abs. 4 S. 2 WRG und § 74 Abs. 2 S. 2 AWG bezieht sich die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen allein auf die Anlage oder Maßnahme, welche die Gefahr verursacht hat. § 31 Abs. 4 S. 2 WRG ist daher eine Rechtsfolgen- und keine Rechtsgrundverweisung. Den Gesetzesmaterialien31 läßt sich nicht entnehmen, daß die Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers von der seines Rechtsvorgängers abhängen soll. Auch die ratio legis spricht für eine Selbständigkeit der Rechtsnachfolgerhaftung. Die fehlende Schutzwürdigkeit des Rechtsnachfolgers ergibt sich daraus, daß er ein Grundstück unter Inkaufnahme von Umweltrisiken erwirbt.

III. Anforderungen an das Kennenmüssen Fraglich ist allerdings, wann der Erwerber die Anlage, die Ablagerung oder die sonstige Maßnahme, welche die Kontamination verursacht hat, kennen mußte.

1. Die Rechtsnachfolgerhaftung bei Erwerb eines Anlagengrundstücks Erwirbt der Rechtsnachfolger ein Grundstück, das weiterhin industriell oder gewerblich genutzt oder auf dem eine Abfalldeponie betrieben wird, so ist er für neu entstehende Gefahren als Liegenschaftseigentümer zustandsverantwortlich, weil er der umweltgefährdenden Nutzung zugestimmt hat. Fraglich ist jedoch, ob er auch für Boden- oder Gewässerverunreinigungen einzustehen hat, die bereits vor seinem Eigentumserwerb entstanden waren. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte in einer noch zu § 4 Abs. 2 SAG ergangenen Entscheidung32 aus dem Jahre 1990 die Zustandsverantwortlichkeit des Erwerbers für Altablagerungen, weil dieser bei Erwerb der Anlage, „zu deren ordnungsgemäßem Betrieb der Einsatz von Chemikalien gehörte, [...] unter Anlegung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes mit der Lagerung von Sonderab___________ 30 Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 77 f.; Moosbauer, in: Kerschner (Hrsg.), Haftung bei Deponien, S. 1 (30 f.). 31 RV, 1152 BlgNR 17. GP, zu § 31 WRG. 32 VwGH vom 26.2.1990, Z 88/12/0043.

4. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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fall durch den Rechtsvorgänger“ rechnen mußte. Als Rechtsnachfolger muß sich der Erwerber daher vorhandene Kontaminationen zurechnen lassen, die typische Folge des Anlagenbetriebes sind. Gehört zu der Nutzung der Umgang mit Gefahrstoffen verbunden, so muß sich der Rechtsnachfolger sämtliche Boden- und Gewässerverunreinigungen zurechnen lassen.33

2. Die Rechtsnachfolgerhaftung bei umweltgefährdender Vornutzung Ist ein Grundstück in der Vergangenheit als Abfalldeponie oder zu industriellen oder zu gewerblichen Zwecken genutzt worden, besteht diese Nutzung jedoch nicht mehr fort, so fragt sich, unter welchen Voraussetzungen der Erwerber von der Vornutzung Kenntnis haben mußte. Soweit ersichtlich, ist diese Frage bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Rainer Onz34 stellt für das Kennenmüssen auf den Sorgfaltsmaßstab der §§ 1409, 25 HGB i.V.m. § 1299 ABGB ab, wonach bereits leichte Fahrlässigkeit genüge.35 Laut Moosbauer36 habe der Rechtsnachfolger vor Erwerb Ermittlungen anzustellen und Erhebungen durchzuführen, um das Vorhandensein umweltgefährdender Anlagen, Ablagerungen oder sonstiger Maßnahmen zu überprüfen. Nach Berger/Onz37 obliege es dem Erwerber, den Veräußerer über Altlasten, behördliche Sanierungsaufträge oder privatrechtliche Ansprüche aufgrund von Umwelteinwirkungen zu befragen. Darüber hinaus sollte der Erwerber das Gelände besichtigen und Hinweisen nach Altlasten nachgehen. In Zweifelsfällen sei es ratsam, ein geologisches Gutachten einzuholen.38 Geringere Sorgfaltsanforderungen gelten beim Kauf von Grundstücken, die mit einem Wohn- bzw. Bürohaus bebaut sind oder landwirtschaftlich genutzt werden. Der Erwerber eines solches Grundstücks erfüllt seine Sorgfaltspflichten bereits dann, wenn er sich eingehend über die Vornutzung informiert und die Fläche begeht. Zu diesem Zweck hat er Einsicht in das Grundbuch zu nehmen und zu prüfen, ob sich hieraus Anhaltspunkte für einen früheren Umgang mit Gefahrstoffen ergeben. ___________ 33

VwGH vom 27.6.2002, Z 2002/07/0043. Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 61. 35 OGH, SZ 37/184; Berger, in: Kerschner (Hrsg.), Haftung bei Deponien, S. 94 (101). 36 In: Kerschner (Hrsg.), Haftung bei Deponien, S. 1 (30). 37 Umweltrechtliche Risiken beim Liegenschafts- und Unternehmenskauf, Vortrag vom 16.6.1992, zitiert nach Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 61 und 127. 38 So auch Schröfl, Handkommentar zum Umweltschutzrecht, 2. Aufl., S. 327. 34

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

IV. Die Zustandshaftung der mittelbaren Rechtsnachfolger Veräußert ein Grundeigentümer, der sein Grundstück früher an den Betreiber einer Abfalldeponie verpachtet hatte, an A, so ist A als Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich, wenn er von dem Deponiebetrieb wußte oder wissen mußte. Überträgt A das Eigentum an den bösgläubigen B, so fragt sich, ob auch B zustandsverantwortlich ist. Dem Gesetz läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob nur der unmittelbare Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers oder ob auch jeder bösgläubige mittelbare Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich ist. Diese Frage ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Die herrschende Lehre spricht sich dafür aus, auch mittelbare Rechtsnachfolger der Zustandshaftung zu unterwerfen.39 Für diese Ansicht spricht zum einen der Wortlaut der §§ 31 Abs. 4 S. 2, 138 Abs. 4 S. 2 WRG und § 74 Abs. 2 S. 2 AWG. In § 74 Abs. 2 S. 2 AWG heißt es beispielsweise: „Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn s i e ...“.

Der Gebrauch des Plurals verdeutlicht, daß über den unmittelbaren Rechtsnachfolger hinaus auch weitere, mittelbare Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich sein können. Daneben spricht auch die ratio legis für eine Zustandshaftung der mittelbaren Rechtsnachfolger. Wird dem Erwerber eines kontaminierten Grundstücks die Gefahr deshalb zugerechnet, weil er das Risiko der Kontamination in Kauf genommen hat, so ist es ohne Bedeutung, ob er das Grundstück von dem Liegenschaftseigentümer oder von dessen Rechtsnachfolger erworben hat.

V. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des bösgläubigen Erwerbers über den Eigentumsverlust hinaus Wie beim Liegenschaftseigentümer stellt sich auch bei dessen Rechtsnachfolgern die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Verlust des Eigentums endet. Die besseren Gründe sprechen für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit. Da wegen der Rechtsfolgenverweisung des § 31 Abs. 4 S. 2 WRG für den Rechtsnachfolger nichts anderes gelten kann als für

___________ 39 Raschauer, ÖZW 1991, 41 (45 f.); Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (25); Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 128.

4. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

521

den Liegenschaftseigentümer, kann auf die obigen Ausführungen40 verwiesen werden.

D. Zusammenfassung Sowohl das Wasserrechtsgesetz als auch das Abfallwirtschaftsgesetz kennen nur eine Zustandsverantwortlichkeit des Liegenschaftseigentümers und seiner Rechtsnachfolger. Nicht zustandsverantwortlich sind hingegen der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft sowie sonstige Berechtigte. Der Grundeigentümer ist nur dann zustandsverantwortlich, wenn er dem Verursacher der Gefahr eine umweltgefährdende Nutzung seines Grundstücks gestattet oder diese duldet. Konsentiert der Grundeigentümer den Betrieb einer Anlage, so muß er sich alle Gefahren zurechnen lassen, die Folge des Anlagenbetriebs sind. Errichtet der Pächter hingegen vertragswidrig eine Anlage, so können dem Grundeigentümer die hiervon ausgehenden Gefahren nur zugerechnet werden, wenn er von diesem Umstand Kenntnis erlangt und den Anlagenbetrieb duldet. Fordert er hingegen den Pächter zu Beseitigung der Anlage bzw. zur Einstellung des Betriebs auf, so ist er nicht zustandsverantwortlich. Hat der Grundeigentümer dem Dritten zwar die Ablagerung bestimmter (weniger gefährlicher) Abfälle gestattet, lagert diese jedoch andere Abfälle ab, so können die hiervon ausgehenden Gefahren dem Grundeigentümer nicht zugerechnet werden. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Dritte vertragswidrig bestimmte Umweltstandards verletzt oder Maßnahmen ohne die erforderliche behördliche Bewilligung durchführt. Der Grundeigentümer muß sich die Gefahr schon deshalb zurechnen lassen, weil er der Ablagerung als solcher zugestimmt hat. Ist ein Grundeigentümer zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet worden, so entfällt seine Zustandsverantwortlichkeit nicht dadurch, daß er in der Folgezeit sein Eigentum verliert. Umstritten ist hingegen, ob die Behörde einen ehemaligen Grundeigentümer zur Sanierung verpflichten kann. Diese Frage ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden. Die herrschende Lehre spricht sich gegen einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit im Falle des Eigentumsverlusts aus. Teile des Schrifttums befürworten hingegen bei der Eigentumsaufgabe eine Einstandspflicht des Derelinquenten, um eine rechtsmißbräuchliche Flucht aus der Zustandshaftung zu verhindern. Da das Wasserrechtsgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz nicht zwischen der Dereliktion und einem sonstigen Ei___________ 40

Vgl. die Darstellung unter 4. Kap. B.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

gentumsverlust unterscheiden, kann die Frage des Fortbestands der Zustandsverantwortlichkeit nur einheitlich beantwortet werden. Die besseren Gründe sprechen für einen Fortbestand der Zustandshaftung. Das österreichische Recht rechnet dem Eigentümer die Gefahr aufgrund seines Verhaltens zu. Diese Zurechnung entfällt nicht mit dem Verlust des Eigentums. Die Rechtsnachfolgerhaftung besteht nach zutreffender Ansicht unabhängig davon, ob der Rechtsvorgänger zustandsverantwortlich ist, weil dem Erwerber die Gefahr stets zugerechnet wird, wenn er die umweltgefährdende Vornutzung kannte oder kennen mußte. Nach der herrschenden Lehre wird dem Erwerber die Gefahr schon dann zugerechnet, wenn er leicht fahrlässig keine Kenntnis von der umweltgefährdenden Vornutzung hatte. Der Erwerber muß daher jedenfalls prüfen, ob das Grundstück in der Vergangenheit in einer mit Umweltrisiken verbundenen Weise genutzt worden ist. Hierzu muß er das Grundbuch auf entsprechende Anhaltspunkte untersuchen, den Voreigentümer befragen und das Grundstück begehen. Dem Gesetz läßt sich nicht ohne weiteres entnehmen, ob neben dem unmittelbaren Rechtsnachfolger auch alle weiteren, mittelbaren Rechtsnachfolger Zustandsstörer sind, sofern sie bei Erwerb bösgläubig waren. Mit der herrschenden Lehre ist dies zu bejahen. Das Gesetz spricht von den Rechtsnachfolgern im Plural. Zudem spielt es für die Schutzwürdigkeit keine Rolle, von welchem Rechtsvorgänger ein bösgläubiger Erwerber das kontaminierte Grundstück übertragen bekommen hat. Zudem muß sich der Erwerber die Gefahr dann zurechnen lassen, wenn er sie (billigend) in Kauf genommen hat. Auch beim Rechtsnachfolger ist umstritten, ob seine Zustandsverantwortlichkeit mit dem Verlust des Eigentums endet. Wie beim Liegenschaftseigentümer sprechen die besseren Gründe für einen Fortbestand der Zustandshaftung.

5. Kapitel

Die Reichweite der Zustandsverantwortlichkeit Nachdem unter Kapitel 4 dargestellt worden ist, unter welchen Voraussetzungen dem Grundeigentümer und seinen Rechtsnachfolgern im allgemeinen Boden- und Gewässerverunreinigungen zugerechnet werden können, sollen nun zwei Sonderfälle geklärt werden. Es fragt sich zum einen, ob der Grundeigentümer und der bösgläubige Erwerber auch dann zustandsverantwortlich sind, wenn Gefahrstoffe von einem anderen Grundstück auf ihr Grundstück gelangt sind (hierzu sogleich im Abschnitt A.). Zum anderen ist zu untersuchen, ob sich ein Grundeigentümer auch Kontaminationen zurechnen lassen muß, die von seinem Grundstück auf ein Nachbargrundstück übergreifen (hierzu sodann im Abschnitt B.).

A. Keine Zurechnung bei Gefahrenquelle auf einem fremden Grundstück Beispielsfall 1: E ist Eigentümer eines Ackers, der an ein Gewerbegebiet angrenzt. Nachbar N hat sein Grundstück an P verpachtet, der hierauf eine Lackfabrik betreibt. Bei einem Störfall laufen Lacke in großen Mengen aus und dringen ins Erdreich des Fabrikgeländes und des angrenzenden Ackers. Kann E zur Sanierung der Bodenkontamination verpflichtet werden? In Beispielsfall 1 fragt sich, ob ein Grundeigentümer auch für eine Gefahr zustandsverantwortlich ist, die dem Nachbargrundstück entstammt und sich auf sein Grundstück ausgedehnt hat. Nach §§ 31 Abs. 4 S. 1, 138 Abs. 4 S. 1 WRG und § 74 Abs. 2 S. 1 AWG ist ein Grundeigentümer nur zustandsverantwortlich, wenn er der Anlage oder der sonstigen Maßnahme, welche die Gefahr verursacht hat, zugestimmt oder sie geduldet hat. Hieraus folgt, daß einem Grundeigentümer nur Gefahren zugerechnet werden können, die ihren Ursprung auf seinem Grundstück haben. Da E die Rechtsmacht fehlt, über die Art der Nutzung des Nachbargrundstücks mitzuentscheiden, ist er nicht für die von dem Nachbargrundstück ausgehende Bodenkontamination zustandsverantwortlich.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

Beispielsfall 2: Eigentümer E des Beispielsfalls 1 veräußert das kontaminierte Grundstück an A. Der Kaufvertrag weist ausdrücklich auf die Bodenkontamination hin. Kann A zur Sanierung verpflichtet werden? Eine andere Frage ist, ob sich Rechtsnachfolger A die Bodenkontamination zurechnen muß, weil er bei Erwerb des Grundstücks von ihr wußte. Soweit ersichtlich, ist diese Frage bisher weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum erörtert worden. §§ 31 Abs. 4 S. 2, 138 Abs. 4 S. 2 WRG und § 74 Abs. 2 S. 2 AWG rechnen dem Rechtsnachfolger nur Gefahren zu, die ihren Ursprung auf dem erworbenen Grundstück haben. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob der Rechtsnachfolger die Boden- oder Gewässerkontamination kannte oder kennen mußte, sondern ob er von der umweltgefährdenden Handlung – und damit ist eine Handlung auf dem eigenen Grundstück gemeint – wußte oder wissen mußte. Dies läßt den Schluß zu, daß der Rechtsnachfolger nur für Gefahren verantwortlich ist, die dem erworbenen Grundstück entstammen.

B. Die Zurechnung bei Ausdehnung der Gefahr auf ein fremdes Grundstück Beispielsfall 3: Kann Eigentümer N in den obigen Beispielsfällen auch zur Sanierung der Bodenkontamination auf dem angrenzenden Acker verpflichtet werden? Bisher nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob sich die Zustandsverantwortlichkeit auch auf Gefahren erstreckt, die sich von dem eigenen Grundstück auf ein fremdes Grundstück ausgedehnt haben. §§ 31 Abs. 4 S. 1 und 138 Abs. 4 S. 1 WRG legen dies nahe. Nach ihnen kann anstelle des Verhaltensstörers „dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat“. Da Pächter P als Verhaltensstörer auch für Verunreinigungen zustandsverantwortlich ist, die sich über die Lackfabrik hinaus auf die angrenzende Ackerfläche ausgedehnt haben, und der Grundeigentümer an dessen Stelle verpflichtet werden kann, erstreckt sich die Zustandsverantwortlichkeit des N auf Gefahren, die auf sein Nachbargrundstück übergegriffen haben. Denn die Zustandsverantwortlichkeit des N wird gerade damit begründet, daß er die Umweltgefährdung ermöglicht hat. Da die Risiken, die von seinem Anlagenbetrieb ausgehen, nicht auf sein Grundstück begrenzt sind, muß sich der Grundeigentümer auch Gefahren zurechnen lassen, die sich auf das Nachbargrundstück ausgedehnt haben.

5. Kap.: Die Reichweite der Zustandsverantwortlichkeit

525

C. Zusammenfassung Weder der Grundstückseigentümer noch seine Rechtsnachfolger sind für Gefahren verantwortlich, die ihren Ursprung auf einem anderen Grundstück haben. Dem Grundeigentümer können solche Gefahren nicht zugerechnet werden, weil er nicht an ihrer Entstehung mitgewirkt hat. Auch bei der Rechtsnachfolgerhaftung knüpft das Gesetz an Gefahren an, die von dem eigenen Grundstück ausgehen. Hingegen kann der Grundeigentümer über die Sanierung des eigenen Grundstücks hinaus auch zur Abwehr von Gefahren verpflichtet werden, die sich auf ein fremdes Grundstück ausgedehnt haben. Da der Grundeigentümer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, muß er für sämtliche daraus resultierenden Verunreinigungen einstehen.

6. Kapitel

Keine Wertausgleichspflicht Dem österreichischen Recht ist eine Wertausgleichspflicht des Grundeigentümers unbekannt, wenn die öffentliche Hand sein Grundstück saniert und hierdurch den Verkehrswert erhöht. Nur wenn dem Grundeigentümer die Gefahr zugerechnet wird, kann er nach §§ 31 Abs. 4, 138 Abs. 4 WRG oder nach § 74 Abs. 1 und 2 AWG zur Sanierung oder zur Tragung der Sanierungskosten verpflichtet werden. Führt der Bund die Sanierung gemäß § 18 Abs. 1 AlSAG durch und ist eine Kostenbeteiligung des Grundeigentümers nicht möglich, weil dieser entweder nicht zustandsverantwortlich oder zahlungsunfähig ist, so werden die Sanierungskosten aus dem Altlastenfonds finanziert.

7. Kapitel

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber Nach geltendem österreichischen Recht kommt eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber nicht in Betracht, weil es weder eine Zustandshaftung von Inhabern der tatsächlichen Sachherrschaft noch von sonstigen Berechtigten kennt. Ein Grundpfandgläubiger kann daher nicht zur Sanierung von Boden- oder Gewässerverunreinigungen verpflichtet werden. Da der österreichische Gesetzgeber keine Wertausgleichspflicht eingeführt hat, wird der Grundpfandgläubiger auch nicht wirtschaftlich – über eine öffentliche Last – an den Sanierungskosten beteiligt. Saniert die öffentliche Hand das Grundstück, so profitiert der Hypothekar ungemindert von der Werterhöhung seiner Sicherheit. Erwirbt der Kreditgeber allerdings in der Zwangsversteigerung das kontaminierte Grundstück (sog. Rettungserwerb), so ist er wie jeder andere Grundeigentümer zustandsverantwortlich.

8. Kapitel

Zusammenfassende Bewertung der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit A. Die zwei Rechtsgründe der Zustandsverantwortlichkeit I. Mitwirkung an der Gefahrentstehung Nach österreichischem Recht wird dem Grundeigentümer eine Gefahr nur zugerechnet, wenn er in einem besonderen Näheverhältnis zu ihr steht. Ein solches Näheverhältnis wird zum einen dadurch begründet, daß der Grundeigentümer dem späteren Verursacher der Gefahr das Grundstück überläßt und der umweltgefährdenden Nutzung zustimmt oder sie duldet. Der Grundeigentümer ermöglicht hierdurch dem Verhaltensstörer die umweltgefährdende Tätigkeit. Seine Mitwirkung an der Entstehung der Gefahr macht den Grundeigentümer jedoch nicht zum Verhaltensstörer, weil erst der Betrieb der Anlage die Gefahrenschwelle überschreitet. Die Zustandsverantwortlichkeit nach geltendem österreichischen Recht geht über die herkömmliche, allein an die Rechtsstellung als Eigentümer anknüpfende Zustandshaftung hinaus. Durch diese tatbestandliche Begrenzung werden all jene Grundeigentümer von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen, die – wie in den Tankwagenfällen oder bei der Ablagerung wilden Mülls – Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind.

II. Inkaufnahme der Gefahr beim bösgläubigen Erwerb Der Grundeigentümer muß sich eine Boden- oder Gewässerkontamination zum anderen dann zurechnen lassen, wenn er als sog. Rechtsnachfolger das bereits kontaminierte Grundstück bösgläubig erworben hat. Auch in diesem Fall steht der Gefahr näher als die Allgemeinheit, weil er das Risiko einer Kontamination billigend in Kauf genommen hat und daher nicht schutzwürdig ist. Hingegen ist der gutgläubige Erwerber bereits tatbestandlich von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen.

8. Kap.: Zusammenfassende Bewertung

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B. Keine Haftungsbefreiung bei Vornahme zumutbarer Abwehrmaßnahmen Nicht zu überzeugen vermag die Haftungsfreistellung, die das österreichische Recht für den Fall vorsieht, daß der Liegenschaftseigentümer zumutbare Abwehrmaßnahmen ergriffen hat. Hierzu soll es beispielsweise bereits genügen, daß er die Behörde unverzüglich nach Entdeckung über die Gefahr informiert oder den Verhaltensstörer auf Beseitigung der Verunreinigung verklagt. Da jede Bodenverunreinigung den Wert des Grundstücks erheblich mindert, hat der Grundeigentümer ein ureigenes Interesse daran, den Verhaltensstörer auf Beseitigung der Verunreinigung zu verklagen oder an der behördlichen Gefahrenabwehr mitzuwirken. Eines zusätzlichen Anreizes bedarf es daher nicht. Bemüht sich der Grundeigentümer um die Abwehr der Gefahr, so unterbricht dies nicht den Zurechnungszusammenhang.

C. Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust Bisher nicht höchstrichterlich entschieden ist die umstrittene Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit des Liegenschaftseigentümers und des Rechtsnachfolgers mit dem Eigentumsverlust endet oder darüber hinaus fortbesteht. Da die Zustandshaftung des gegenwärtigen Eigentümers auf einer persönlichen, verhaltensbedingten Zurechnung beruht, wäre es systemwidrig, wenn die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Eigentumsverlust endete. Wird dem Eigentümer eine Gefahr wegen seiner Mitwirkung an der Gefahrentstehung zugerechnet, so unterbricht der Verlust seiner Rechtsstellung nicht den Zurechnungszusammenhang. Die Zustandshaftung ist insoweit der Verhaltensverantwortlichkeit angenähert. Eine gesetzliche Klarstellung, daß auch der frühere Grundeigentümer sowie der frühere Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich sind, wäre wünschenswert.

D. Ausweitung der Zustandsverantwortlichkeit auf Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und auf sonstige Berechtigte Nicht zu überzeugen vermag, daß das österreichische Recht den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft sowie den sonstigen Berechtigten von der Zustandshaftung ausnimmt. Hat der Grundeigentümer einem Dritten sein Grundstück zu einer ungefährlichen Nutzung überlassen und schließt der Dritte mit

530

3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

dem späteren Verhaltensstörer einen Unterpachtvertrag, so kann der Dritte de lege lata nicht zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Rechnet man dem Grundeigentümer aber Gefahren zu, weil er durch seine Zustimmung oder Duldung an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft die Gefahr nicht unter denselben Voraussetzungen zugerechnet wird. Hat etwa der Grundeigentümer G Ackerland an P verpachtet und gestattet P dem V ohne Wissen des G die Ablagerung von Abfällen, so ist unverständlich, warum nicht auch P die von den Abfällen ausgehenden Gefahren zugerechnet werden. Dasselbe gilt, wenn P dem V das Grundstück unterverpachtet und V hierauf eine Abfalldeponie errichtet. P hat als mittelbarer Besitzer – und damit als sonstiger Berechtigter – hat P in demselben Maße an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt wie ein Grundeigentümer nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 31 Abs. 4, 138 Abs. 4 WRG und § 74 Abs. 2 AWG. Vor diesem Hintergrund hat sich Raschauer 1 mit guten Gründen für eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf den unmittelbaren und den mittelbaren Besitzer ausgesprochen, weil der Gesetzgeber offenbar nicht an diese Fallkonstellationen gedacht hat.

E. Keine Begrenzung des Haftungsumfangs Kann einem Zustandsstörer die Gefahr unter den genannten Voraussetzungen zugerechnet werden, so steht er der Gefahr ähnlich nahe wie der Verursacher. Es besteht daher kein Grund, seine Kostentragungspflicht – etwa auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks – zu begrenzen. Einer Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf ein wirtschaftlich zumutbares Maß, für das sich der Verfassungsgerichtshof noch zum alten Recht ausgesprochen hat, bedarf es ebensowenig. Der Eigentümer hat die Gefahr zwar nicht im polizeirechtlichen Sinne unmittelbar verursacht. Wie bei einem Gehilfen im Strafrecht beruht seine Verantwortung jedoch darauf, daß er die Verursachung ermöglicht hat. Mit einer solchermaßen der Verhaltensverantwortlichkeit angenäherten Zustandsverantwortlichkeit sind Kriterien der wirtschaftlichen Zumutbarkeit unvereinbar, weil der Eigentümer nicht für ein fremdes Handeln verantwortlich gemacht wird, sondern für eigenes Verhalten einzustehen hat.

___________ 1

Wasserrecht, § 138 WRG Rn. 21.

8. Kap.: Zusammenfassende Bewertung

531

F. Keine Haftungsprivilegierung bei Altlasten Abzulehnen ist die Privilegierung bei Boden- und Gewässerverunreinigungen, die vor dem 1.7.1990 entstanden sind. Sie ist gefahrenabwehrrechtlich nicht zu rechtfertigen und ist allein auf die massive Lobbytätigkeit der betroffenen Verbände zurückzuführen. Da ein Großteil der heutigen Bodenkontaminationen vor dem 1.7.1990 entstanden ist, kommt den Übergangsbestimmungen gemäß § 31 Abs. 6 WRG und § 74 Abs. 3 AWG eine größere praktische Bedeutung zu als den Regelungen für Neulasten. Die in den Übergangsbestimmungen vorgesehene Begrenzung der Zustandshaftung auf Grundeigentümer, die dem Nutzer ihr Grundstück gegen ein Nutzungsentgelt überlassen haben, sowie vor allem die Begrenzung der Haftung auf den sog. Übergenuß machen die Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten zu einem stumpfen Schwert. Gerade bei lange zurückliegenden gewerblichen Vornutzungen stand das gezahlte Nutzungsentgelt regelmäßig nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den damit einhergehenden Umweltrisiken.2 Im Ergebnis führt die Privilegierung häufig zu einer vollständigen Freistellung des Grundeigentümers. Die Privilegierung der Altlasten läßt sich auch nicht mit dem Schutz berechtigten Vertrauens begründen. Da Grundeigentümer bis zur WasserrechtsgesetzNovelle 1990 allein aufgrund ihrer Rechtsstellung als Eigentümer zur Sanierung verpflichtet werden konnten, kommt ein Vertrauensschutz nicht in Betracht. Die Wasserrechtsgesetz-Novelle sowie das neugeschaffene Abfallwirtschaftsgesetz greifen nämlich nicht in schwerwiegender Weise in geschützte Rechtspositionen ein, sondern verbessern die Rechtslage des Grundeigentümers. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs 3 liegt daher keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung vor. Eine rückwirkende gesetzliche Regelung ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs dann verfassungswidrig, wenn sie in schwerwiegender Weise in geschützte Rechtspositionen eingreift, der Betroffene ein berechtigtes Vertrauen in die Rechtslage hat und die Rückwirkung nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt ist.4

___________ 2 Zu Mülldeponien vgl. insbesondere das Beispiel bei Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, S. 25, Fn. 76. 3 Vgl. Thienel, WBl 1992, 245 (251), Fn. 33a m.w.N. 4 Zustimmend Thienel, WBl 1992, 245 (251), Fn. 33a. Der Verfassungsgerichtshof leitet die Verfassungswidrigkeit der unzulässigen Rückwirkung aus einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz her. Demgegenüber wird im deutschen Verfassungsrecht die unzulässige Rückwirkung von Gesetzen mit einem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip begründet; vgl. nur BVerfGE 25, 269 (289); 64, 158 (174) sowie BVerfG, DVBl. 1986, 814 f.

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

G. Klärungsbedürftige Fragen bei der Rechtsnachfolgerhaftung Kein Musterbeispiel der Gesetzgebungskunst ist die Rechtsnachfolgerhaftung, weil das Gesetz eine Reihe von Zweifelsfragen unbeantwortet läßt, von denen hier nur die wichtigsten angesprochen werden können. Bereits die Bezeichnung des Erwerbers als Rechtsnachfolger ist irreführend, weil der Erwerber nicht in die Zustandsverantwortlichkeit seines Rechtsvorgängers eintritt. Der Erwerber ist vielmehr dann zustandsverantwortlich, wenn ihm die Gefahr aufgrund seiner Bösgläubigkeit zugerechnet werden kann. Die Zustandshaftung sollte daher explizit als eine Einstandspflicht des bösgläubigen Erwerbers ausgestaltet werden. Dann würden sich auch die de lege lata umstrittenen Fragen nicht mehr stellen, ob nur der unmittelbare Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers zustandsverantwortlich ist und ob der Rechtsnachfolger nur haftet, wenn auch der Liegenschaftseigentümer zustandsverantwortlich ist. Konkretisiert werden sollte, worauf sich die Kenntnis oder das Kennenmüssen des bösgläubigen Erwerbers beziehen muß. Statt auf die umweltgefährdende Vornutzung sollte auf die Boden- oder Gewässerverunreinigung abgestellt werden. De lege lata ist der Erwerber selbst dann zustandsverantwortlich, wenn er von der Vornutzung weiß und das Grundstück mit der gebotenen Sorgfalt auf Kontaminationen untersucht hat, ohne Verunreinigungen festzustellen. Dies ist umweltpolitisch kontraproduktiv, weil Investoren hierdurch zur Ansiedlung in neuen Industrie- und Gewerbegebiete auf der grünen Wiese veranlaßt werden, wodurch der Zersiedelung Vorschub geleistet wird. Investor, die hingegen einen Betrieb in einem alten Gewerbegrundstück errichten, sind de lege lata schon wegen der Kenntnis der Vornutzung zustandsverantwortlich, wenn später eine Altlast entdeckt wird.

H. Lösung der Opferfälle ohne Beeinträchtigung der effektiven Gefahrenabwehr Dem österreichischen Gesetzgeber ist es gelungen, ein Störerrecht zu schaffen, das den Zustandsstörer in den Opferfällen von einer Zustandsverantwortlichkeit ausnimmt, ohne hierdurch die effektive Gefahrenabwehr zu beeinträchtigen. Ist der Grundeigentümer selbst Opfer der Gefahr, so ist er nicht Zustandsstörer. Die Behörde kann ihn jedoch zur Duldung der Gefahrenabwehrmaßnahme verpflichten. Damit trägt das österreichische Recht dem Umstand Rechnung, daß eine Duldungspflicht den Grundeigentümer weniger belastet als die Sanierungsverantwortlichkeit bzw. als die Kostentragungspflicht.

8. Kap.: Zusammenfassende Bewertung

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I. Ausrichtung der Zustandsverantwortlichkeit am Gebot der gerechten Lastenverteilung sowie am Verursacherprinzip Die tatbestandliche Begrenzung sowie die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit belegen, daß die Zustandsverantwortlichkeit des österreichischen Rechts konsequent am Gebot der gerechten Lastenverteilung sowie am Verursacherprinzip ausgerichtet ist. Der Gesetzgeber hat sich bei der Wasserrechtsgesetz-Novelle und beim Abfallwirtschaftsgesetz zu Recht von dem Geschädigtenprinzip leiten lassen, welches besagt, daß die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit regelmäßig eine Aufgabe der Allgemeinheit ist. Dogmatisch überzeugend erkennt der Gesetzgeber Ausnahmen von diesem Grundsatz nur an, wenn dem Grundeigentümer die Gefahr nach dem Verursacherprinzip zugerechnet werden kann, weil er an ihrer Entstehung mitgewirkt hat, oder wenn er als bösgläubiger Erwerber nicht schutzwürdig ist. Die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit trägt dem Gebot der gerechten Lastenverteilung Rechnung, weil die Gefahr vorrangig von dem Verhaltensstörer als dem Letztverantwortlichen abzuwehren ist.

J. Finanzierung der Altlastensanierung über einen Altlastenfonds Wie das österreichische Beispiel zeigt, muß ein am Gebot der gerechten Lastenverteilung ausgerichtetes Störerrecht nicht dazu führen, daß die Sanierungskosten (überwiegend) von der Allgemeinheit zu tragen sind, wenn ein Verhaltensstörer nicht ermittelt werden kann oder nicht leistungsfähig ist und dem Grundeigentümer die Gefahr nicht zugerechnet werden kann. Das Altlastensanierungsgesetz sieht für diesen Fall vor, daß der Bund die Sanierungsmaßnahmen mit Mitteln des Altlastenfonds durchzuführen hat.5 Dieser Fonds speist sich aus zweckgebundenen Abgaben (dem sog. Altlastenbeitrag). Der Altlastenbeitrag ist u.a. von den Betreibern von Abfalldeponien, von Abfallbeförderern sowie von Personen zu entrichten, die Abfälle zur Verfüllung verwenden (§ 4 AlSAG).6 Die Höhe des Altlastenbeitrags berechnet sich nach der Menge und nach der Gefährlichkeit des Abfallaufkommens. Abgabenschuldner sind gegenwärtig in der Abfallwirtschaft tätige Unternehmen. Ihnen wird ein finanzieller Beitrag für Gefahren auferlegt, die sie nicht persönlich verursacht ___________ 5

Vgl. Schwarzer, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, S. 282 (284). Vgl. Hüttler, ecolex 1990, 207; Thomasitz, ÖZW 1990, 8 (9 ff.); Schwarzer, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, S. 282 (285 f.). 6

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3. Teil: Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht

haben. Anknüpfungspunkt ist zum einen ihre Zugehörigkeit zu einer Branche, die in der Vergangenheit in besonderem Maße zum Entstehen von Altlasten beigetragen hat. Zum anderen knüpft der Altlastenbeitrag an ein gegenwärtiges, mit Umweltrisiken verbundenes Handeln – wie z. B. an den Betrieb einer Abfalldeponie – an.7 Hierdurch ist sichergestellt, daß der Beitragsschuldner den typischen Gefahren seiner Tätigkeit näher steht als ein Grundeigentümer, der Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist. Zu bedauern ist jedoch, daß allein Unternehmen der Abfallwirtschaft beitragspflichtig sind, obwohl das Altlastensanierungsgesetz gemäß § 2 Abs. 1 auch auf Altstandorte gewerblicher oder industrieller Unternehmen anwendbar ist. Nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung müßten auch gewerbliche und industrielle Unternehmen, die mit umweltgefährdenden Stoffen umgehen, an der Finanzierung des Altlastenfonds beteiligt werden.

___________ 7

Thomasitz, ÖZW 1990, 8 (9 ff.).

Vierter Teil

Rechtsvergleichung 1. Kapitel

Einleitung Wie in Deutschland gehören Altlasten und neu entstehende Boden- und Gewässerverunreinigungen auch in den Vereinigten Staaten und in Österreich zu den größten Umweltproblemen der Gegenwart. Als Reaktion hierauf haben alle drei Staaten Gesetze zur Altlastensanierung erlassen, wobei die Vereinigten Staaten mit dem Comprehensive Environmental Response Compensation and Liability Act (CERCLA) aus dem Jahre 1980 eine Vorreiterrolle eingenommen haben. Dem ist der österreichische Gesetzgeber ein Jahrzehnt später mit dem Altlastensanierungsgesetz von 1989 und insbesondere mit der WassergesetzNovelle und dem Abfallwirtschaftsgesetz aus dem Jahre 1990 gefolgt. Zum selben Zeitpunkt sind in einigen deutschen Bundesländern die ersten Altlastengesetze entstanden. Jüngeren Datums ist das am 1.3.1999 in Kraft getretene Bundes-Bodenschutzgesetz, das erstmals bundeseinheitliche Regelungen zur Abwehr und zur Sanierung schädlicher Bodenkontaminationen und hierdurch bedingter Gewässerverunreinigungen geschaffen hat. Angesichts des hohen Kostenaufwands der Altlastensanierung spielen die Störer- und Kostenregelungen in den Altlastengesetzen der drei Staaten eine wesentliche Rolle. Sie gehen davon aus, daß die Sanierungskosten in erster Linie von einzelnen Bürgern1 zu tragen sind. Der Staat soll nur subsidiär tätig werden, wenn eine Inanspruchnahme Privater nicht in Betracht kommt. Die Störernormen der drei Rechtsordnungen rechnen die Gefahr in erster Linie dem Verhaltensstörer zu, der die Gefahr durch sein Verhalten unmittelbar verursacht hat. Verursacher von Boden- und Gewässerkontaminationen sind insbesondere die Betreiber von Anlagen, bei deren Betrieb Gefahrstoffe auslaufen und ins Erdreich dringen. Neben der Verhaltensverantwortlichkeit kennen alle drei Rechtsordnungen eine Zustandsverantwortlichkeit für Boden- und Gewässerverunreinigungen. Sie sehen vor, daß unter bestimmten Umständen auch Grundeigentümer und sonstige Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr heran___________ 1 Der Begriff des Bürgers wird hier im weitesten Sinne verstanden. Er umfaßt auch juristische Personen und Personenvereinigungen.

536

4. Teil: Rechtsvergleichung

gezogen oder zur Kostentragung verpflichtet werden können, auch wenn diese die Kontamination nicht unmittelbar verursacht haben (umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit). In den folgenden Abschnitten wird die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit in Deutschland, in den Vereinigten Staaten und in Österreich rechtsvergleichend untersucht. Ziel des rechtsvergleichenden Teils ist es, Erkenntnisse für die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neugestaltung der bodenschutzrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit zu gewinnen.

2. Kapitel

Die Zurechnung von Gefahren Charakteristikum der Zustandsverantwortlichkeit ist, daß dem Eigentümer1 einer gefährlichen Sache die Gefahr zugerechnet wird, auch wenn er die Entstehung der Gefahr weder (unmittelbar) verursacht noch sie verschuldet hat. Der Grundeigentümer kann vielmehr neben dem eigentlichen Verursacher der Gefahr zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Auch wenn die Zustandsverantwortlichkeit grundsätzlich verursachungsunabhängig ist, muß sich der Grundeigentümer in allen drei Rechtsordnungen nicht sämtliche Verunreinigungen zurechnen lassen, von denen sein Grundstück betroffen sein kann. Allerdings rechnen das deutsche, das US-amerikanische und das österreichische Recht dem Grundeigentümer Gefahren unter unterschiedlichen Voraussetzungen zu.

A. Zurechnung bei von einem nutzungsberechtigten Dritten verursachten Gefahren I. Zurechnung bei vertragsgemäßer Nutzung des Grundstücks 1. Einleitung Zu Bodenkontaminationen kommt es überwiegend im Rahmen der industriellen oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks. Dabei sind im Rahmen dieser Untersuchung nur die Fallkonstellationen von Interesse, in denen der Grundeigentümer die Verunreinigung nicht verursacht hat, weil seine Zustandsverantwortlichkeit anderenfalls hinter die Verhaltensverantwortlichkeit zurücktritt. Nachfolgend soll es zunächst um den Grundfall der Zustandsverantwortlichkeit gehen, in dem der Eigentümer sein Grundstück dem späteren Verursacher der Gefahr zur Nutzung überlassen hat. Unter I. wird die Zurech___________ 1

Neben dem Eigentümer können auch andere Personen zustandsverantwortlich sein, die zu der gefährlichen Sache in einem besonderen Näheverhältnis stehen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird zunächst nur vom Eigentümer gesprochen. Auf den Kreis der Zustandsstörer wird ausführlich unter I. eingegangen.

538

4. Teil: Rechtsvergleichung

nung von Umweltgefahren untersucht, die der Pächter im Rahmen der vertragsgemäßen Nutzung (z. B. als Tankstelle) verursacht hat. Unter II. geht es anschließend um die Frage, ob dieselben Zurechnungsregelungen auch gelten, wenn der Pächter das Grundstück vertragswidrig nutzt und hierdurch eine Boden- oder Gewässerkontamination verursacht.

2. Befund Nach allen drei Rechtsordnungen muß sich der Grundeigentümer solche Boden- und Gewässerverunreinigungen zurechnen lassen, die von dem Mieter, dem Pächter oder einem sonstigen Nutzungsberechtigten im Rahmen seines bestimmungsgemäßen Gebrauchs verursacht worden sind. So kann der Grundeigentümer zur Sanierung seines Grundstücks verpflichtet werden, wenn er es z. B. an den Betreiber einer Abfalldeponie verpachtet hat und wenn bei Betrieb der Deponie Gefahrstoffe in den Boden oder in das Grundwasser gelangt sind. In Österreich muß sich der Grundeigentümer die von dem nutzungsberechtigten Dritten verursachte Gefahr gemäß § 74 AWG bzw. gemäß § 31 Abs. 4, 138 Abs. 4 WRG zurechnen lassen, weil er dem umweltgefährdenden Anlagenbetrieb oder der sonstigen risikoerhöhenden Maßnahme zugestimmt oder sie geduldet hat. Zurechnungsgrund ist folglich eine Mitwirkung des Grundeigentümers an der Gefahrentstehung. Seine Zustandshaftung entfällt, wenn er ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen ergreift. Hierzu genügt es beispielsweise, daß er der Behörde die Kontamination unverzüglich nach Entdeckung anzeigt. In den Vereinigten Staaten muß sich der Grundeigentümer die Gefahr aus demselben Grund zurechnen lassen, wie sich aus einer Zusammenschau des Haftungstatbestandes und der zugelassenen Einreden gemäß § 9607 (a) und (b) U.S.C. ergibt. Der Grundeigentümer kann sich, wenn er das Grundstück dem späteren Verursacher der Gefahr zur Nutzung überlassen hat, nicht mit Erfolg auf die third party defense berufen, weil er nicht zufälliges Opfer eines von außen auf sein Grundstück einwirkenden Ereignisses ist. Setzt er sein Grundstück mit der Verpachtung an den Betreiber einer Abfalldeponie erhöhten Umweltrisiken aus, so muß er für hieraus resultierende Gefahren einstehen. Das Bundes-Bodenschutzgesetz differenziert in § 4 Abs. 3 und 6 nicht danach, ob die Gefahr von einem nutzungsberechtigten Dritten verursacht worden ist oder ob sie Folge einer Fremdeinwirkung ist. Der Grundeigentümer ist jedenfalls im ersten Fall nach einhelliger Meinung zur Sanierung verpflichtet. Anders als in den USA und in Österreich sieht die bisher herrschende Meinung in Deutschland die Mitwirkung an der Gefahrentstehung nicht als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit an. Die Zustandshaftung wird vielmehr zum

2. Kap.: Die Zurechnung von Gefahren

539

einen mit der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft und der daraus resultierenden Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück und zum anderen mit der Nutzungsmöglichkeit begründet, die es rechtfertige, daß der Grundeigentümer auch die Lasten der Sache trage.2 Hingegen schlägt § 348 Abs. 4 UGB-KomE – wenngleich nur für den ehemaligen Eigentümer und den ehemaligen Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft – vor, die Zustandsverantwortlichkeit von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung abhängig zu machen. Dieser Vorschlag hat sich jedoch bisher nicht durchsetzen können. Der herrschenden Meinung in Deutschland ist es bisher nicht gelungen, die Zustandsverantwortlichkeit auf Sachverhaltskonstellationen zu beschränken, in denen der Grundeigentümer der Gefahr näher steht als jeder beliebige Bürger. Sie geht vielmehr undifferenziert davon aus, daß der Grundeigentümer für sämtliche Gefahren zustandsverantwortlich ist, von denen sein Grundstück betroffen ist. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000 klargestellt, daß es – jedenfalls für den Umfang der Kostentragungspflicht – von Bedeutung sei, ob die Kontamination von einem nutzungsberechtigten Dritten verursacht worden oder Folge einer Fremdeinwirkung sei.3 Das Bundesverfassungsgericht erkennt damit implizit die Mitwirkung an der Gefahrentstehung als Zurechnungsgrund an.

3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Dem Grundeigentümer sollten auch künftig die Gefahren zugerechnet werden, die sein Pächter im Rahmen der vertragsgemäßen Nutzung des Grundstücks verursacht hat. Wie der Vergleich mit den Vereinigten Staaten und Österreich zeigt, besteht in Deutschland jedoch Handlungsbedarf bei der Abgrenzung dieser Fallkonstellation von den Fremdeinwirkungsfällen, weil die Zustandsverantwortlichkeit im deutschen Recht nicht von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung abhängig ist. Hierauf wird im Abschnitt B. noch näher eingegangen.

___________ 2 BVerwG, DVBl. 1986, 360 (361); NVwZ 1991, 475; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1017; VGH Mannheim, NVwZ 1983, 294 (295); VGH München, NVwZ 1986, 942 (944); OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; OVG Koblenz, NJW 1998, 625 (626); Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (301); Götz, NVwZ 1984, 211 (215); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318 ff.; Breuer, DVBl. 1994, 890 (894). 3 BVerfGE 102, 1 (21).

540

4. Teil: Rechtsvergleichung

II. Zurechnung bei vertragswidriger Nutzung des Grundstücks 1. Einleitung Eine andere Frage ist, ob sich der Grundeigentümer auch solche Gefahren zurechnen lassen muß, die der Dritte außerhalb der vertraglich vereinbarten Nutzung verursacht hat. Hierbei geht es zum einen darum, ob ein Grundeigentümer auch dann zustandsverantwortlich ist, wenn er mit dem Pächter die Einhaltung bestimmter Umweltstandards vereinbart hat, der Pächter diese jedoch nicht einhält. Zum anderen fragt sich, ob der Eigentümer zustandsverantwortlich ist, wenn sein Pächter das Grundstück zu einem anderen als dem vereinbarten Zweck nutzt.

2. Befund a) Keine Haftungsfreistellung bei Verstoß gegen vertraglich vereinbarte Umweltstandards In keiner der drei untersuchten Rechtsordnungen wird der Grundeigentümer von der Zustandshaftung freigestellt, wenn er mit dem Pächter die Einhaltung bestimmter Umweltstandards vereinbart hat, gegen die der Pächter verstößt. Da der Pächter bereits kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Bestimmungen zum Schutz der Umwelt zu befolgen, ist kein Grund für eine Freistellung des Grundeigentümers von der Zustandshaftung ersichtlich. Überläßt der Eigentümer einem Dritten sein Grundstück zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung, so muß er damit rechnen, daß der Dritte vereinbarte Umweltstandards nicht einhält oder daß es bei Störfällen trotz Beachtung der Standards zu einer Verunreinigung kommen kann. Er hat daher für sämtliche Gefahren einzustehen, die Folge der umweltgefährdenden Nutzung sind. Der Grundeigentümer kann allerdings sein Haftungsrisiko minimieren, indem er die Einhaltung der vereinbarten Standards in angemessenen Abständen überprüft.

b) Haftungsfreistellung bei zweckwidriger Nutzung des Grundstücks Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Grundeigentümer auch für Gefahren verantwortlich ist, die bei zweckwidriger Nutzung des Grundstücks entstehen. Verpachtet der Eigentümer sein Ackerland an einen Landwirt, so fragt sich, ob der Eigentümer auch für Gefahren zustandsverantwortlich ist, die

2. Kap.: Die Zurechnung von Gefahren

541

daraus resultieren, daß der Landwirt auf einer Teilfläche vertragswidrig eine Deponie errichtet. Im US-amerikanischen Schrifttum ist umstritten, ob sich der Grundeigentümer die Gefahren aus einer vertragswidrigen Nutzung des Grundstücks zurechnen lassen muß. Die wohl herrschende Meinung4 bejaht dies. Ihrzufolge könne sich nach § 9607 (b)(3) nur der wholly unrelated owner, d.h. derjenige, der in keinerlei Vertragsbeziehung zu dem Verursacher der Gefahr steht, mit Erfolg auf die innocent landowner defense berufen. Da der Grundeigentümer in Österreich gemäß §§ 31 Abs. 4, 138 Abs. 4 WRG bzw. gemäß § 74 Abs. 2 AWG nur zustandsverantwortlich ist, wenn er der konkreten Ablagerung oder der sonstigen Maßnahme zugestimmt oder sie geduldet hat, haftet er grundsätzlich nicht, wenn der landwirtschaftliche Pächter auf einer Teilfläche vertragswidrig eine Deponie errichtet. Erfährt der Grundeigentümer allerdings hiervon und fordert er den Pächter nicht zur Beseitigung der Deponie auf, so muß er sich künftige Gefahren zurechnen lassen, weil er den Deponiebetrieb duldet und zumutbare Abwehrmaßnahmen unterläßt. In Deutschland rechnet die herrschende Meinung5 dem Grundeigentümer auch in den Fällen der vertragswidrigen Nutzung die Gefahr uneingeschränkt zu. Sie begründet dies zum einen damit, daß der Grundeigentümer aufgrund seiner rechtlichen Sachherrschaft auf den Pächter und damit auch auf das Grundstück einwirken kann. Zudem ziehe er mit dem Pachtzins Nutzen aus dem Grundstück und müsse daher auch für die Lasten einstehen. Eine solche undifferenzierte Zurechnung aller vom Pächter verursachten Gefahren ist abzulehnen, weil nicht mehr von einer Mitwirkung des Eigentümers an der Entstehung der Gefahr die Rede sein kann, wenn der Eigentümer keine Kenntnis vom vertragswidrigen Gebrauch hat.

3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Wie in Österreich empfiehlt sich auch in Deutschland eine differenzierte Betrachtung. Dem Grundeigentümer sollten nur solche Gefahren zugerechnet ___________ 4

State of New York v. Shore Realty Corp., 759 F.2d 1032 (1048) (2d Cir. 1985); United States v. Ward, 618 F.Supp. 884 (897) (E.D.N.C. 1985); United States v. South Carolina Recycling and Disposal, Inc. 653 F.Supp. 984 (92 f.) (D.S.C. 1986); Fitzsimmons/Sherwood, 22 Real Property, Probate And Trust Journal, 765 (785 f.) (1987); Ruzzo, 20 Real Estate Law Journal, 211, (216 f.) (1992). 5 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 329; Ziehm, Die Zustandsverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, S. 54; Markus Binder, Die polizeiliche Zustandshaftung als Gefährdungshaftung, S. 56 f.

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4. Teil: Rechtsvergleichung

werden, die entstanden sind, nachdem er von der vertragswidrigen Nutzung Kenntnis erlangt hat. Nur dann kann davon die Rede sein, daß der Grundeigentümer durch Duldung der vertragswidrigen Nutzung an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat. Nicht gefolgt werden sollte hingegen der herrschenden Meinung im US-amerikanischen Recht, weil der Grundeigentümer nicht Garant einer vertragsgemäßen Nutzung des Grundstücks durch den Pächter ist. Anderenfalls würden an den Grundeigentümer höhere Maßstäbe angelegt als an die zuständige Umweltbehörde.

B. Zurechnung bei von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten verursachten Gefahren I. Einleitung Überläßt der Eigentümer dem späteren Verursacher der Gefahr sein Grundstück, so muß er sich – wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt – von seltenen Ausnahmefällen abgesehen die Gefahr zurechnen lassen, weil er an der Entstehung mitgewirkt hat. Hiervon zu unterscheiden sind die nachfolgend zu behandelnden Fälle, in denen der Grundeigentümer Opfer eines zufällig auf sein Grundstück einwirkenden Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist (sog. Fremdeinwirkungsfälle). Typische Beispiele hierfür sind ein Tanklastwagenunfall und ein Störfall in einer Chemiefabrik, durch den Chemikalien in das Erdreich des Nachbargrundstücks gelangen.

II. Befund Sowohl im US-amerikanischen als auch im österreichischen Recht muß sich der Grundeigentümer keine Gefahren zurechnen lassen, die von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten verursacht worden sind. In Österreich sind die Fremdeinwirkungsfälle bereits tatbestandlich von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen, weil der Grundeigentümer bei Tankwagenunfällen, bei Vandalismus und bei der Ablagerung wilden Mülls der gefährlichen Handlung weder zugestimmt noch sie geduldet hat. Demgegenüber zählt der Grundeigentümer zwar nach § 9607 (a) U.S.C. auch in den Fremdeinwirkungsfällen zu den potentiell verantwortlichen Parteien. Er kann sich jedoch nach § 9607 (b)(3) U.S.C. auf die third party defense berufen, weil er mit dem Verursacher der Gefahr in keiner Vertragsbeziehung steht und der Grundeigentümer nicht an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt

2. Kap.: Die Zurechnung von Gefahren

543

hat. Eine Haftungsfreistellung setzt darüber hinaus voraus, daß der Grundeigentümer nach Entdeckung der Verunreinigung mit der Behörde zusammengearbeitet und die Gefahr nicht sorgfaltswidrig vergrößert hat. Im deutschen Recht mußte sich der Grundeigentümer die Gefahr nach früher herrschender Meinung auch in den Fremdeinwirkungsfällen zurechnen lassen, weil er Eigentümer des kontaminierten Grundstücks ist und als solcher die rechtliche und tatsächliche Sachherrschaft innehat und den Nutzen aus dem Grundstück zieht. Die inzwischen herrschende Lehre6 spricht sich jedoch für eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Fremdeinwirkungsfällen aus. In diesem Sinne dürfte auch der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 zu verstehen sein.7 Umstritten ist jedoch, ob der Grundeigentümer bereits tatbestandlich nicht als Zustandsstörer anzusehen ist, ob seine Zustandsverantwortlichkeit auf der Rechtsfolgenseite auf eine Duldungspflicht zu beschränken ist oder ob eine Beschränkung nur im Einzelfall geboten ist, wenn eine betragsmäßig unbegrenzte Zustandshaftung das Maß der zumutbaren Belastung überschreitet. In seinem Beschluß vom 16.2.2000 hat das Bundesverfassungsgericht angedeutet, daß die Zustandsverantwortlichkeit zu begrenzen sei, wenn die Gefahr von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten herrührt.8 Eine (betragsmäßig unbegrenzte) Zustandshaftung des Grundeigentümers sei in diesem Fall unzumutbar, weil die Gefahr nicht der Verantwortungssphäre des Grundeigentümers entstamme. Damit tritt das Bundesverfassungsgericht implizit dafür ein, die Zustandsverantwortlichkeit von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung abhängig zu machen. Diese im Ergebnis zu begrüßende Entscheidung ist in ihrer dogmatischen Begründung allerdings verfehlt. Die Eigentumsfreiheit ist nicht erst durch die Schwere des Eingriffs, sondern bereits deshalb verletzt, weil es in den Fremdeinwirkungsfällen an einem sachlichen Grund für eine Zurechnung der Gefahr fehlt und die Zustandsverantwortlichkeit damit willkürlich ist.

___________ 6

Friauf, in: Tipke/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Wacke, S. 293 (303); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff.; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 48 ff. Schink, VerwArch 82, (1991), 357 (380); Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 123 f. 7 Vgl. BVerfGE 102, 1 ff. sowie die eingehende Darstellung unter 1. Teil 8. Kap. D. II. 2. c). 8 BVerfGE 102, 1 (20 ff.).

544

4. Teil: Rechtsvergleichung

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Bei der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000 geforderten Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit im Bundes-Bodenschutzgesetz sollte sich der Gesetzgeber am US-amerikanischen und am österreichischen Vorbild orientieren und die Zustandsverantwortlichkeit von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung abhängig machen.9 Die sog. Fremdeinwirkungsfälle sollten wie in Österreich bereits auf der Tatbestandsebene von der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen werden, weil bei ihnen der zufällig betroffene Eigentümer der Gefahr nicht näher steht als ein beliebiger Dritter. Damit läßt sich eine der beiden Unterfallgruppen der Opferfälle sachgerecht und dogmatisch überzeugend lösen. Nicht gefolgt werden sollte der stärker am Zivilrecht ausgerichteten US-amerikanischen Regelungstechnik, nach der der Eigentümer grundsätzlich Zustandsstörer ist, er in den Fremdeinwirkungsfällen jedoch die Einwendung erheben kann, Opfer des Verhaltens eines ihm nicht zurechenbaren Dritten zu sein. Nach dem Vorbild des österreichischen Rechts, das in § 72 WRG und in § 75 Abs. 5 und 6 AWG eine von der Zustandsverantwortlichkeit losgelöste Duldungspflicht10 des Grundeigentümers enthält, sollte auch in Deutschland die Zustandsverantwortlichkeit in den Fremdeinwirkungsfällen auf eine Duldungspflicht begrenzt werden. Als Opfer steht der Grundeigentümer der Gefahr nicht näher als jeder beliebige Dritte. Er muß die Gefahrenabwehr jedoch entschädigungslos dulden, weil eine Gefahrenabwehr anderenfalls unmöglich wäre. Hierfür spricht auch die besonders intensive (ökologische) Sozialgebundenheit des Bodens.

C. Zurechnung bei von Naturereignissen hervorgerufenen Gefahren I. Einleitung Bei Umweltgefahren handelt es sich regelmäßig um von Menschenhand verursachte Gefahren. In seltenen Fällen können Bodenkontaminationen jedoch durch Naturereignisse hervorgerufen werden, so etwa wenn Gefahrstoffe bei einer Überschwemmung auf ein Grundstück gespült werden und in das Erdreich versickern. ___________ 9 Auf den zweiten Zurechnungsgrund der Zustandsverantwortlichkeit – die (billigende) Inkaufnahme von Kontaminationen – wird im Abschnitt D näher eingegangen. 10 Vgl. hierzu eingehend unter Kapitel 7.

2. Kap.: Die Zurechnung von Gefahren

545

II. Befund In Österreich ist eine Gefahrenabwehr- oder Kostentragungspflicht des Grundeigentümers bei Gefahren, die durch Naturereignisse hervorgerufen worden sind, bereits tatbestandlich ausgeschlossen. Nach österreichischem Recht setzt die Zustandshaftung voraus, daß der Grundeigentümer dem Betrieb einer Anlage oder der Vornahme sonstiger boden- oder gewässergefährdender Maßnahmen zugestimmt oder sie geduldet hat. Dringen Gefahrstoffe bei einer Überschwemmung von einem anderen Grundstück in das Erdreich ein, so kann dem betroffenen Grundeigentümer die Gefahr mangels Mitwirkung an der Gefahrentstehung nicht zugerechnet werden. Der Grundeigentümer kann dann lediglich nach § 72 WRG bzw. § 74 Abs. 5 und 6 AWG zur Duldung von Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet werden. Gelangen hingegen auf demselben Grundstück gelagerte Chemikalien bei einer Überschwemmung in den Boden oder in das Grundwasser, so ist nach österreichischem Recht eine Zustandshaftung des Grundeigentümers nicht ausgeschlossen, weil sich hierin ein durch die konkrete Nutzung des Grundstücks angelegtes Risiko verwirklicht. Auch in den Vereinigten Staaten haftet der Grundeigentümer gemäß § 9607 (b) U.S.C. dann nicht, wenn er nachweist, daß die Gefahr Folge höherer Gewalt oder einer Kriegseinwirkung ist. Höhere Gewalt liegt nach § 9601 (1) jedoch nur bei unvorhersehbaren und schweren Naturkatastrophen vor, deren Folgen nicht hätten verhindert werden können. Angesichts dieser hohen Hürden hat die Rechtsprechung soweit ersichtlich bisher nur in einem Fall einen Haftungsausschluß wegen höherer Gewalt bejaht. In diesem Fall war ein Kaufhaus nach einem Blitzschlag niedergebrannt. Dabei waren Giftstoffe freigesetzt worden.11 In Deutschland ist der Grundeigentümer nach herkömmlichem Verständnis auch für Gefahren zustandsverantwortlich, die durch ein Naturereignis (z. B. aufgrund einer Überschwemmung) hervorgerufen worden sind. Dringt beispielsweise bei einer Überschwemmung ölverseuchtes Wasser in den Boden eines zufällig betroffenen Grundstücks ein, so kann der Grundeigentümer nach bisher herrschender Meinung unbegrenzt zur Sanierung verpflichtet werden.12 Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem Beschluß vom 16.2.200013 angedeutet, daß die Zustandshaftung des Grundeigentümers in solchen Fällen zu begrenzen sei. Die von ihm befürwortete Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit anhand von Zumutbarkeitskriterien wird allerdings weder den praktischen Bedürfnissen gerecht, noch vermag sie dogmatisch zu befriedigen. ___________ 11

Wagner Seed Co. v. Bush, 709 F.Supp. 249 (250) (C.D.Cal. 1987). OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016. 13 BVerfGE 102, 1 (20 ff.). 12

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4. Teil: Rechtsvergleichung

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Der Vergleich mit dem US-amerikanischen und dem österreichischen Recht zeigt, daß dem Grundeigentümer eine Gefahr auch im deutschen Recht nicht zugerechnet werden sollte, wenn Gefahrstoffe durch ein Naturereignis (wie z. B. eine Überschwemmung) von außen auf das Grundstück gespült werden. Derartige Fallkonstellationen sind mit den Fremdeinwirkungsfällen vergleichbar. Da der Eigentümer zufälliges Opfer des angeschwemmten Öls ist, steht er der Gefahr nicht näher als jeder beliebige Bürger. Die Zustandsverantwortlichkeit sollte daher nach österreichischem Vorbild auf eine Duldungspflicht reduziert werden. Wie in Österreich sollte allerdings etwas anderes dann gelten, wenn durch das Naturereignis Gefahrstoffe in den Boden oder in ein Gewässer gelangen, die auf dem Grundstück gelagert worden waren, weil sich in einem solchen Fall ein in der konkreten Nutzung des Grundstücks angelegtes Risiko verwirklicht.

D. Zurechnung bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks I. Einleitung In den vorstehenden Kapiteln ging es um die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers für Boden- und Gewässerkontaminationen, die in der Zeit seines Eigentums verursacht worden sind. In der Praxis häufiger anzutreffen sind jedoch die Fälle des Erwerbs eines bereits kontaminierten Grundstücks. In den Altlastenfällen besteht in allen drei Staaten Einigkeit darüber, daß sich ein bösgläubiger Erwerber die Gefahr zurechnen lassen muß. Nachfolgend geht es daher allein um die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit beim gutgläubigen Erwerber entfällt und welche Anforderungen an den guten Glauben zu stellen sind.

II. Befund Erwirbt ein Grundeigentümer ein bereits kontaminiertes Grundstück, so ist er sowohl nach US-amerikanischem als auch nach österreichischem Recht nur dann zustandsverantwortlich, wenn er bei Erwerb bösgläubig war. Hingegen ist der gutgläubige Erwerber von der Zustandshaftung freigestellt. Dahinter steht die Überlegung, daß nur solchen Eigentümern eine bereits bestehende Gefahr zugerechnet werden kann, die bei Erwerb von der Gefahr wußten oder wissen

2. Kap.: Die Zurechnung von Gefahren

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mußten. Nur in diesem Fall hat der Grundeigentümer die Gefahr (billigend) in Kauf genommen. Allerdings unterscheiden sich das US-amerikanische und das österreichische Recht erheblich hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis der Gutgläubigkeit. Die innocent landowner defense des US-amerikanischen Rechts stellt hierfür hohe Anforderungen auf. Ein Erwerber ist danach nur gutgläubig, wenn er das Grundstück begangen und auf Kontaminationen untersucht hat. Bei der Untersuchung muß er die Vornutzung des Grundstücks ermitteln (sog. Phase I Site Assessment). Von der Immobilienwirtschaft sind einheitliche Untersuchungsstandards entwickelt worden. Zu diesen gehört u.a., daß der Erwerber Einblick in das Grundbuch genommen, den Voreigentümer und Anwohner nach der Vornutzung befragt, bei der Behörde Auskunft über den Erlaß behördlicher Verfügungen eingeholt und geprüft hat, ob das Grundstück als Altlastenverdachtsfläche eingetragen ist. Läßt die Vornutzung auf den Umgang mit Gefahrstoffen schließen, so hat der Erwerber den Boden auf Verunreinigungen untersuchen zu lassen (sog. Phase II Site Assessment). Bei dem Erwerb einer gewerblichen Immobilie kann sich der Grundeigentümer regelmäßig nur dann auf die innocent landowner defense berufen, wenn er ein Phase II Site Assessment durchgeführt hat und dieses den Altlastenverdacht nicht bestätigt. Das österreichische Recht stellt hingegen nicht darauf ab, ob der Erwerber die Kontamination kannte oder kennen mußte. Die sog. Rechtsnachfolgerhaftung setzt gemäß §§ 31 Abs. 4 S. 2, 138 Abs. 4 S. 2 WRG bzw. gemäß § 74 Abs. 2 S. 2 AWG vielmehr voraus, daß der Erwerber von der mit Umweltrisiken verbundenen Vornutzung des Grundstücks wußte oder wissen mußte. Maßgebend ist, ob er von der Anlage oder von der konkreten Maßnahme, von der die Gefahr ausgeht, bei Erwerb Kenntnis hatte oder haben mußte. In Österreich ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Erwerber nach geltendem Recht als gutgläubig anzusehen ist, soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings zum alten Recht entschieden, daß der Erwerber eines Gewerbebetriebes, zu dessen ordnungsgemäßem Betrieb der Umgang mit Chemikalien gehört, unter Anlegung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes mit Kontaminationen rechnen mußte. Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, daß hierfür bereits leichte Fahrlässigkeit genüge.14 Der Erwerber müsse das Grundstück begehen und es auf eine umweltgefährdende Vornutzung untersuchen. Ferner müsse er Einblick in das Grundbuch nehmen und den Veräußerer befragen. Wie in den Vereinigten Staaten gelten auch in Österreich beim Erwerb von ___________ 14 Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 61 und Berger, in: Kerschner (Hrsg.), Haftung bei Deponien, S. 94 (101).

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4. Teil: Rechtsvergleichung

Wohngrundstücken geringere Sorgfaltsmaßstäbe als beim Kauf gewerblicher Liegenschaften. Anders als in den Vereinigten Staaten und in Österreich stellt das deutsche Bundes-Bodenschutzgesetz den gutgläubigen Erwerber nicht von der Zustandshaftung frei.15 Allerdings hat sich der deutsche Gesetzgeber nicht ausdrücklich gegen eine Haftungsbegrenzung in den Opferfällen ausgesprochen, sondern die Lösung der Opferfälle der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen. Das Bundesverwaltungsgericht bejaht in ständiger Rechtsprechung eine Zustandsverantwortlichkeit des Erwerbers, wenn dieser von der Verunreinigung des Grundstücks wußte oder wissen mußte und deutete dabei an, daß die Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers verfassungskonform zu begrenzen sei.16 Dem hat sich die herrschende Lehre angeschlossen.17 Ein gutgläubiger Erwerb komme nur in Betracht, wenn der Erwerber die Kontamination schuldlos nicht erkannt habe, wobei bereits leicht fahrlässige Unkenntnis die Gutgläubigkeit ausschließen solle. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dem in seinem Beschuß vom 16.2.2000 im Grundsatz angeschlossen. Allerdings hat es sich dafür ausgesprochen, daß es für den Umfang der Zustandshaftung auf den Fahrlässigkeitsgrad ankomme.18 Das Bundesverfassungsgericht ließ jedoch offen, ab welchem Fahrlässigkeitsgrad von einem bösgläubigen Erwerb auszugehen sei. Vieles deutet jedoch darauf hin, daß es für den bösgläubigen Erwerb grobe Fahrlässigkeit fordert.

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Der Vergleich mit den USA und Österreich zeigt, daß auch in Deutschland dem gutgläubigen Erwerber die Gefahr nicht zugerechnet werden sollte, weil es ohne eine wenigstens billigende Inkaufnahme der Gefahr an einem Zurechnungsgrund fehlt. Was den Anknüpfungspunkt des guten Glaubens anbelangt, sollte der deutsche Gesetzgeber jedoch nicht dem österreichischen Recht folgen, das auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen der umweltgefährdenden Vornutzung des Grundstücks abstellt. Maßgebend sollte vielmehr wie in den ___________ 15 Etwas anderes gilt jedoch für den früheren Eigentümer gemäß § 4 Abs. 6 BBodSchG; vgl. hierzu unter 1. Teil 6. Kap. C. 16 BVerwG, NVwZ 1991, 475 und 1997, 577 (578). 17 Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (380); Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 46; Papier, JZ 1994, 810 ff.; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 123 f. 18 BVerfGE, 1 (22).

2. Kap.: Die Zurechnung von Gefahren

549

Vereinigten Staaten sein, ob der Erwerber die Verunreinigung kannte oder kennen mußte. Eine mit besonderen Umweltrisiken verbundene Vornutzung kann hierfür nur ein Indiz unter mehreren sein. Ein Erwerber kann daher auch dann bösgläubig sein, wenn er z. B. bei der Begehung des Grundstücks Verfärbungen des Bodens feststellt, auch wenn die Vornutzung des Grundstücks keinen Umgang mit Gefahrstoffen nahelegt. Umgekehrt muß eine mit Umweltrisiken verbundene Vornutzung den guten Glauben nicht ausschließen. Läßt der Käufer eines ehemaligen Fabrikgrundstücks vor Erwerb Bodenuntersuchungen durchführen und ist nach den Untersuchungsergebnissen eine Verunreinigung ausgeschlossen, obwohl das Grundstück tatsächlich kontaminiert ist, so muß ein gutgläubiger Erwerb trotz Kenntnis der Vornutzung möglich sein. Anderenfalls würden industriell genutzte Grundstücke schwerlich einen Käufer finden. Dies würde der weiteren Zersiedlung Vorschub leisten und wäre daher umweltpolitisch kontraproduktiv. Bei den an den Nachweis der Gutgläubigkeit zu stellenden Anforderungen sollte der deutsche Gesetzgeber weder dem US-amerikanischen noch dem österreichischen Vorbild folgen. Nicht sachgerecht wäre es, wie nach der wohl herrschenden Meinung in Österreich Bösgläubigkeit bereits bei leicht fahrlässiger Unkenntnis der Gefahr anzunehmen. Bei nur leicht fahrlässiger Unkenntnis kann nicht davon die Rede sein, daß der Erwerber die Kontamination (billigend) in Kauf genommen hat. Nach zutreffender Ansicht sind nur Erwerber, die von der Kontamination wissen oder grob fahrlässig vor ihr die Augen verschließen, als bösgläubig anzusehen. In Deutschland ist weder gesetzlich geregelt noch höchstrichterlich entschieden, welche Maßnahmen ein Erwerber ergriffen haben muß, um als gutgläubiger Erwerber zu gelten. Die in den USA vom Erwerber einzuhaltenden Anforderungen scheiden als Maßstab aus, weil sie zu hoch angelegt sind. Gerade beim Kauf von Wohnimmobilien ist dem Erwerber die Durchführung eines derart umfangreichen und kostenintensiven Phase I Site Assessment nicht zuzumuten, sofern nicht besondere Umstände einen Altlastenverdacht nahelegen. Vorzugswürdig erscheint die im deutschen Schrifttum herrschende Meinung, wonach der Erwerber dann gutgläubig ist, wenn er das Grundstück begangen und zudem geprüft hat, ob das Grundstück im Altlastenkataster eingetragen ist und ob die Vornutzung einen Gefahrenverdacht nahelegt. Bestehe demnach ein Gefahrenverdacht, so müsse der Erwerber den Boden und das Grundwasser auf Kontaminationen untersuchen lassen. Bei gewerblich genutzten Immobilien und bei Grundstücken, die ausweislich des Grundbuchs früher zu gewerblichen Zwecken genutzt worden sind, ist zu erwarten, daß die deutschen Gerichte zum Nachweis der Gutgläubigkeit wie in den USA die Durchführung von Maßnahmen verlangen werden, die denen eines Phase I und II Site Assessment entsprechen.

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4. Teil: Rechtsvergleichung

E. Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus I. Einleitung Nachdem in den vorausgegangenen Kapiteln untersucht worden ist, unter welchen Voraussetzungen dem gegenwärtigen Eigentümer eine Umweltgefahr zugerechnet werden kann, soll es nun um die Frage gehen, ob diese Zurechnung bei Verlust des Eigentums (z. B. durch Veräußerung oder Eigentumsaufgabe) entfällt oder fortbesteht.

II. Befund Das US-amerikanische Recht kennt seit dem Inkrafttreten von CERCLA im Jahre 1980 einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Verlust des Eigentums hinaus. Nach § 9601 (20)(A)(iii ) ist zum einen der Derelinquent zustandsverantwortlich. Zum anderen können frühere Eigentümer gemäß § 9607 (a)(2) U.S.C. als Zustandsstörer herangezogen werden. Hingegen fehlt in Österreich eine gesetzliche Regelung für den Fall des Eigentumsverlusts. Die wohl herrschende Meinung19 im österreichischen Schrifttum ist der Ansicht, daß die Zustandsverantwortlichkeit mit dem Verlust des Grundeigentums endet. Die Polizeigesetze fast aller deutschen Bundesländer kennen seit langem eine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten. Auch das Bundes-Bodenschutzgesetz hält hieran in § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. fest. Daneben sieht § 4 Abs. 6 BBodSchG eine Zustandsverantwortlichkeit solcher früherer Grundeigentümer vor, die das Grundstück einem Dritten übereignet haben. In allen anderen Fällen des Eigentumsverlusts (z. B. bei Enteignung oder bei Zuschlag in der Zwangsversteigerung) endet die Zustandshaftung hingegen. Auf die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers und des Derelinquenten wird an anderer Stelle20 noch näher eingegangen.

___________ 19 Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (21); Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 17 ff. und § 138 Rn. 21 ff.; Schwarzer, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, S. 282 (290) und Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 67 ff. 20 Vgl. hierzu unter 9. Kap. B. bzw. C.

2. Kap.: Die Zurechnung von Gefahren

551

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Rechnet man dem Eigentümer Verunreinigungen seines Grundstücks zu, weil er entweder an der Entstehung einer Gefahr mitgewirkt oder aber eine bereits vorhandene Kontamination (billigend) in Kauf genommen hat, so entfällt der Zurechnungszusammenhang nicht, wenn er das kontaminierte Grundstück (weiter-)veräußert oder sein Eigentum in sonstiger Weise verliert. Deshalb ist eine Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers sachgerecht und dogmatisch konsequent. Allerdings vermag die Beschränkung des § 4 Abs. 6 BBodSchG auf den rechtsgeschäftlichen Eigentumsverlust nicht zu überzeugen. Angesichts der oben genannten Zurechnungskriterien ist kein Grund für die Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit bei nichtrechtsgeschäftlichem Eigentumsverlust ersichtlich. Es sollte daher eine einheitliche Haftungsnorm für alle früheren Eigentümer geschaffen werden. Eine Sonderregelung für Derelinquenten ist dann entbehrlich.

3. Kapitel

Der Rechtsgrund der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit A. Einleitung Nachdem unter Kapitel 2 geklärt worden ist, wann einem Eigentümer Umweltgefahren zugerechnet werden können, soll nun der Frage nachgegangen werden, warum in diesen Fallkonstellationen eine Zurechnung möglich ist. Es geht somit um den Rechtsgrund der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit.

B. Befund Im US-amerikanischen Schrifttum1 wird die Frage nach dem Rechtsgrund der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit nur vereinzelt gestellt. Als Rechtsgrund wird von einigen Autoren2 angesehen, daß der Eigentümer Nutzen aus dem Grundstück ziehen kann und daher auch für die Lasten einzustehen habe. Andere begründen die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit damit, daß der Grundeigentümer durch die Überlassung des Grundstücks an den späteren Verursacher an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt habe. 3 Für die letztgenannte Ansicht spricht, daß der Grundeigentümer in den Fällen, in denen die Gefahr ohne seine Mitwirkung entstanden ist, wie bei höherer Gewalt oder in den Fremdeinwirkungsfällen, von der Zustandshaftung freigestellt ist. Allerdings läßt sich mit den vorgenannten Ansätzen nicht begründen, weshalb auch dem bösgläubigen Erwerber eines kontaminierten Grundstücks die Gefahr zugerechnet werden kann, weil dieser weder an der Gefahrentstehung mitgewirkt noch in der relevanten Zeit der gefährlichen Nutzung aus dem Grundstück Vorteile gezogen hat. Wie die innocent landowner defense verdeutlicht, beruht die Zustandsverantwortlichkeit bei Erwerb eines bereits kontami___________ 1 Vgl. Purviance, 17 Pacific Law Journal, 185 (191 f.) (1985); Moskowitz, Environmental Liability And Real Property Transactions, 2. Aufl., S. 70. 2 Moskowitz, ebendort, m.w.N. 3 Purviance, 17 Pacific Law Journal, 185 (191 f.) (1985).

3. Kap.: Der Rechtsgrund der umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit 553

nierten Grundstücks darauf, daß der Erwerber die Gefahr (billigend) in Kauf genommen hat. Im österreichischen Schrifttum wird die Frage nach dem Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Der gesetzlichen Regelung läßt sich jedoch entnehmen, daß Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit zum einen die Mitwirkung des Grundeigentümers an der Gefahrentstehung durch Gestattung oder Duldung der umweltgefährdenden Nutzung ist. Die Rechtsnachfolgerhaftung des österreichischen Rechts beruht zum anderen darauf, daß der Grundeigentümer die Kontamination bei Erwerb (billigend) in Kauf genommen hat. In Deutschland wird die Frage nach dem Rechtsgrund der (umweltrechtlichen) Zustandsverantwortlichkeit zwar stärker als in den USA und in Österreich diskutiert. Eine befriedigende Lösung is allerdings bisher nicht gefunden worden. Die herrschende Meinung4 begründet die Zustandsverantwortlichkeit zum einen damit, daß der Grundeigentümer aufgrund seiner rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft auf das Grundstück einwirken könne und zum anderen, daß er die Vorteile aus dem Grundstück ziehe und daher auch für dessen Lasten einzustehen habe. Beide Begründungsansätze führen im Ergebnis dazu, daß dem Eigentümer kraft seiner Rechtsstellung alle Verunreinigungen zugerechnet werden, von denen sein Grundstück betroffen ist. Der Vergleich mit dem US-amerikanischen und dem österreichischen Recht zeigt jedoch, daß eine solche Zurechnung zu grobmaschig ist. Sie versagt dort, wo der Eigentümer Opfer der Verunreinigung ist.

C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuregelung sollte sich der deutsche Gesetzgeber am österreichischen und am US-amerikanischen Vorbild orientieren und die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder einer (billigenden) Inkaufnahme der Kontamination beim Grundstückserwerb abhängig machen. Wie beide Vergleichsstaaten zeigen, kann die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit bereits auf der Zurechnungsebene ohne Friktionen begrenzt werden. Dies hat den Vorteil, daß die Opferfälle bereits tatbestandlich aus der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen sind. ___________ 4 BVerwG, DVBl. 1986, 260 ff.; NVwZ 1991, 475; 1997, 577; OVG Bremen, NVwZ-RR 1989, 16; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318 ff.; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit im Recht der Gefahrenabwehr, S. 139 ff. und Gallwas/Mößle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Aufl., Rn. 456.

4. Kapitel

Die Verselbständigung der Duldungspflicht A. Einleitung Für eine effektive Gefahrenabwehr ist es erforderlich, daß die Behörde und das Sanierungsunternehmen das Grundstück betreten und Untersuchungen sowie Sanierungsmaßnahmen vornehmen können. Dies muß notfalls auch gegen den Willen des Grundeigentümers möglich sein. Hierzu bedarf es einer Duldungspflicht. Nimmt man, wie unter 2. Kap. und 3. Kap. befürwortet, die Opferfälle bereits auf Tatbestandsebene von der Zustandsverantwortlichkeit aus, so kann die Behörde mangels Störerschaft den Eigentümer nur dann zur Duldung verpflichten, wenn hierfür eine von der Zustandsverantwortlichkeit entkoppelte eigenständige Rechtsgrundlage geschaffen wird.

B. Befund Das österreichische Recht sieht daher in § 72 WRG, in § 75 Abs. 5 und 6 AWG und in § 16 Abs. 1 und 2 AlSAG eine entschädigungslose Duldungspflicht des Grundeigentümers und sonstiger dinglich oder obligatorisch Berechtigter vor. Diese können selbst dann zur Duldung von Boden- und Grundwasseruntersuchungen oder zu Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden, wenn sie nicht als Störer zur Gefahrenabwehr herangezogen werden können. Auf diese Weise ist auch in den Opferfällen eine effektive Gefahrenabwehr gewährleistet. Hingegen enthält das US-amerikanische Recht, soweit ersichtlich, keine von der Verantwortlichkeit unabhängige Duldungspflicht. Das deutsche Gefahrenabwehrrecht geht nach herkömmlichem Verständnis davon aus, daß regelmäßig nur ein Störer zur Duldung von Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet werden kann. Der Erlaß einer Duldungsverfügung gegenüber einem Nichtstörer ist nur unter den engen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (§ 6 MEPolG) und nur gegen Entschädigung möglich. Könnte eine Duldungsverfügung in den Opferfällen nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes erlassen werden, würde eine effektive Gefahrenabwehr erheblich erschwert. Dies wird vielfach als Argument gegen

4. Kap.: Die Verselbständigung der Duldungspflicht

555

eine tatbestandliche Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit angeführt.1 Die herrschende Lehre2 hat sich daher in den Opferfällen für eine rechtsfolgenorientierte Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht ausgesprochen. Diese Argumentation wird jedoch der geltenden Rechtslage im Bodenschutzrecht nicht gerecht. Die Mehrzahl der Bundesländer hat in den Landesaltlastengesetzen eine von der Zustandsverantwortlichkeit losgelöste Duldungspflicht eingeführt.3 Der Bundesgesetzgeber hat im Bundes-Bodenschutzgesetz von einer bundeseinheitlichen Regelung abgesehen. § 9 Abs. 2 S. 3 BBodSchG ermächtigt jedoch die Länder, verselbständigte Duldungspflichten für Grundeigentümer und sonstige dinglich oder obligatorisch Berechtigte zu schaffen.

C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Das österreichische Recht zeigt, daß eine Duldungspflicht nicht Ausfluß einer Störerpflicht sein muß. Die traditionelle Gleichsetzung der Duldungs- und der Gefahrenabwehrpflicht im deutschen Recht trägt dem Verhältnismäßigkeitsgebot nicht hinreichend Rechnung. Die Auferlegung einer Gefahrenabwehr- oder einer Duldungspflicht ist mit einem unterschiedlich starken Grundrechtseingriff verbunden. Ist der Eigentümer Opfer der Kontamination, so ist eine Duldungspflicht noch verhältnismäßig, während eine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr das Maß der willkürfreien Belastung übersteigt. Von Bedeutung ist darüber hinaus, daß die Abwehr von Gefahren unmöglich wäre, wenn der Grundeigentümer nicht zur Duldung der Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden könnte. Demgegenüber können Umweltgefahren ohne weiteres von Dritten beseitigt werden, weil es sich um vertretbare Handlungen handelt. Vor diesem Hintergrund ist die Verselbständigung der Duldungspflicht in der Mehrzahl der Bundesländer zu begrüßen. Vorzugswürdig wäre allerdings eine bundeseinheitliche Regelung im Bundes-Bodenschutzgesetz, weil diese bundeseinheitliche Standards schüfe. Dies erleichtere eine tatbestandliche Herausnahme der Opferfälle aus der Zustandsverantwortlichkeit. Daneben sollte die Duldungspflicht auch in den Wassergesetzen der Länder nach österreichischem Vorbild verselbständigt werden. ___________ 1 Vgl. nur Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 48 ff. und Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (380). 2 Papier, ebendort; Schink, ebendort; Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 46; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 123 f; Schwemer, VR 1996, 147 (153). 3 Vgl. § 7 Abs. 3 BWBodSchG, Art. 28 Abs. 2 BayAbfAltG, § 12 Abs. 2 BlnBodSchG, § 34 Abs. 1 BbgAbfG, § 13 Abs. 2 BremAGAbfG, § 10 Abs. 2 HmbAGAbfG, § 6 HAltlastG, § 19 Abs. 2 § NdsAbfG, § 31 a Abs. 1 NRWAbfG, § 37 Abs. 2 SaarlAWG, § 10 Abs. 4 SächsEGAB und § 17 Abs. 2 S. 3 ThürAbfAltG.

5. Kapitel

Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit A. Einleitung Die Sanierung von Boden- und Gewässerkontaminationen ist regelmäßig mit sehr hohen Kosten verbunden. Diese übersteigen nicht selten die Eine-MillionEuro-Grenze. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Zustandsstörer, obwohl er die Gefahr nicht verursacht hat, uneingeschränkt zur Sanierung und zur Kostentragung verpflichtet werden kann.

B. Befund Hinsichtlich des Umfangs der Gefahrenabwehr- und der Kostentragungspflicht des Zustandsstörers unterschieden sich die drei untersuchten Länder erheblich voneinander. Nach US-amerikanischem Recht ist die Zustandsverantwortlichkeit unbegrenzt. Nimmt die Behörde einen Eigentümer in Anspruch, so hat dieser das Grundstück betragsmäßig unbegrenzt auf eigene Kosten zu sanieren. Nötigenfalls muß er hierzu sein (nahezu) gesamtes Vermögen einsetzen. In Österreich haftet der Grundeigentümer für nach Inkrafttreten der Wassergesetz-Novelle und des Abfallwirtschaftsgesetzes am 1.7.1990 entstandene Boden- oder Gewässerverunreinigungen (sog. Neulasten) grundsätzlich unbeschränkt. Der österreichische Verfassungsgerichtshof sprach sich allerdings in zwei Entscheidungen zum alten Recht dafür aus, daß die Zustandsverantwortlichkeit den Grundeigentümer nicht unzumutbar belasten und insbesondere seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigen dürfe.1 Ungeklärt ist, ob der Verfassungsgerichtshof auch nach neuem Recht eine Beschränkung auf das wirtschaftlich zumutbare Maß für geboten hält. Da die Zustandsverantwortlichkeit nach neuem Recht nunmehr von einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder einer (billigenden) Inkaufnahme von Kontaminationen abhängt, sprechen gute Gründe dafür, daß der Grundeigentümer – wie der Verursacher – ___________ 1

VfGH, RdU 1994, 62 und 1997, 29 f.

5. Kap.: Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit

557

unbegrenzt mit seinem nahezu gesamten Vermögen für die Sanierungskosten einzustehen hat. Für vor dem 1.7.1990 entstandene Boden- oder Gewässerverunreinigungen (sog. Altlasten) ist die Zustandshaftung in Österreich begrenzt. Eine Zustandshaftung kommt nur in Betracht, wenn der Grundeigentümer einem Dritten das Grundstück entgeltlich überlassen hat. Seine Zustandshaftung ist zudem auf den sog. Übergenuß beschränkt. Hierunter ist der Risikozuschlag zu verstehen, den er für die mit besonderen Umweltgefahren verbundene Nutzung erlangt hat. Da in den zurückliegenden Jahrzehnten nur in wenigen Fällen überhaupt ein Risikozuschlag vereinbart worden sein dürfte, dürften nur wenige Grundeigentümer zur Sanierung von Altlasten herangezogen werden. Im deutschen Recht ist der Grundeigentümer nach herkömmlicher Auffassung unbegrenzt zustandsverantwortlich. Er muß folglich sein nahezu gesamtes Vermögen zur Sanierung aufwenden.2 Die Grenze der zumutbaren Belastung sei erst überschritten, wenn die Sanierungskosten seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem Beschluß vom 16.2.2000 für das Bodenschutzrecht die unbegrenzte Zustandsverantwortlichkeit als verfassungswidrig angesehen und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung aufgefordert.3 Wie der österreichische Verfassungsgerichtshof hält das Bundesverfassungsgericht eine unbegrenzte Einstandspflicht des Eigentümers bei Bodenkontaminationen für unzumutbar. Das Bundesverfassungsgericht hat daher bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die Verwaltung und die Gerichte zu einer Begrenzung der Kostenlast auf der Grundlage eines Stufenmodells verpflichtet. Dieses geht für den Regelfall davon aus, daß die Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks im sanierten Zustand begrenzt sei. Dahinter steht die Vorstellung, daß der Grundeigentümer als Zustandsstörer nur mit der konkreten Sache einzustehen habe, darüber hinaus jedoch kein eigenes Vermögen einsetzen müsse. Eine weitergehende Begrenzung sei laut Bundesverfassungsgericht geboten, wenn das Grundstück die Grundlage für die private Lebensführung bilde, wie dies insbesondere bei Eigentümern von Eigenheimen häufig der Fall sei.4 Die Kostenlast sei in diesen Fällen auf den Nutzwert begrenzt, den das Grundstück ___________ 2 Für eine Begrenzung auf den Verkehrswert traten hingegen ein Oerder, DVBl. 1992, 691 (695); Pape, NJW 1992, 2661 (2666); Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl., S. 292 ff.; Sparwasser/Geißler, DVBl. 1995, 1317 (1319 f.) und Kniesel, BB 1997, 2009 (2012 f.). 3 BVerfGE 102, 1 (21). 4 Ebendort.

558

4. Teil: Rechtsvergleichung

für den Eigentümer des Eigenheims habe. Das Bundesverfassungsgericht5 deutete ferner an, daß auch bei einem Grundeigentümer, der Opfer eines Naturereignisses oder der Fremdeinwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sei, eine unbeschränkte Einstandspflicht das Maß der zumutbaren Belastung übersteige. Es ließ jedoch offen, in welcher Weise die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen zu begrenzen sei. Nach dem Stufenmodell des Bundesverfassungsgerichts könne der Grundeigentümer zu einer über den Verkehrswert des Grundstücks hinausgehenden Kostentragung verpflichtet werden, wenn er das Risiko einer Umweltgefährdung bewußt in Kauf genommen habe.6 Hiervon sei auszugehen, wenn er wissentlich oder grob fahrlässig ein kontaminiertes Grundstück erworben oder sein Grundstück einem Dritten zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung überlassen habe. Auch in diesem Fall müsse der Grundeigentümer allerdings nicht sein gesamtes Vermögen einsetzen. Seine Zustandshaftung sei vielmehr auf das Grundstück und mit ihm zusammenhängende andere Grundstücke sowie sonstiges Betriebsvermögen beschränkt, wenn das kontaminierte Grundstück Teil eines Betriebes sei.

C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Stufenmodell ist abzulehnen. Verfehlt ist bereits der Ansatz, die Zustandshaftung im Regelfall auf den Verkehrswert des Grundstücks zu begrenzen. Wie der Vergleich mit dem USamerikanischen und dem österreichischen Recht zeigt, stellt die Zustandshaftung keine Einstandspflicht mit der gefährlichen Sache, sondern mit dem Vermögen dar. Aus der Zurechnung der Gefahr folgt sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Österreich – dort allerdings nur für Neulasten –, daß der Zustandsstörer grundsätzlich alle zur Abwehr der Gefahr erforderlichen Maßnahmen ergreifen und die damit verbundenen Kosten tragen muß. Stellt ein Eigentümer einem Dritten sein Grundstück zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung zur Verfügung, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb er einen Teil der Sanierungskosten auf die Allgemeinheit abwälzen können soll. Da er an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, ist er vielmehr in demselben Umfang wie der Verursacher zur Gefahrenabwehr verpflichtet. Kann einem Grundeigentümer die Gefahr hingegen nicht zugerechnet werden, weil er das bereits kontaminierte Grundstück gutgläubig erworben hat oder er nicht an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, so wird er in den Verei___________ 5 6

Ebendort. Ebendort.

5. Kap.: Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit

559

nigten Staaten und in Österreich von jeglicher Haftung freigestellt. Seine Zustandsverantwortlichkeit ist auf eine Duldungspflicht begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage in seinem Beschluß vom 16.2.2000 offen gelassen. Wie in den USA und in Österreich sollte der deutsche Gesetzgeber die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht begrenzen.

6. Kapitel

Der Wertausgleichsanspruch A. Einleitung Saniert die Behörde das kontaminierte Grundstück, so erhöht sie damit den Verkehrswert des Grundstücks. Insbesondere in Opferfällen, in denen der Eigentümer nicht zur Sanierung oder zur Kostentragung herangezogen werden kann, stellt sich die Frage, ob die öffentliche Hand den sanierungsbedingten Wertzuwachs abschöpfen kann.

B. Befund Anders als das US-amerikanische und als das österreichische Recht ermächtigt § 25 BBodSchG die Behörde in Deutschland, den Grundeigentümer in Fällen, in den das kontaminierte Grundstück mit öffentlichen Mitteln saniert worden ist, zum Ausgleich des sanierungsbedingten Wertzuwachses heranzuziehen. Die Wertausgleichspflicht besteht unabhängig davon, ob der Grundeigentümer als Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet werden kann. Allerdings stellt § 25 Abs. 4 BBodSchG den gutgläubigen entgeltlichen Erwerber im Regelfall von der Wertausgleichspflicht frei, weil er von dem Wertausgleich die Kosten für den Erwerb des Grundstücks abziehen kann. Etwas anderes gilt jedoch, soweit er von einem Dritten Ersatz für den kontaminationsbedingten Minderwert erlangt hat. Da eine Wertausgleichspflicht für den gutgläubigen unentgeltlichen Erwerber und den Grundeigentümer, der Opfer einer Fremdeinwirkung ist, eine unbillige Härte darstellt, hat die Behörde gemäß § 25 Abs. 5 BBodSchG in derartigen Fällen von der Festsetzung der Wertausgleichspflicht abzusehen. Im Unterschied zur Kostentragungspflicht nach unmittelbarer Ausführung oder nach Ersatzvornahme ist die Wertausgleichspflicht nicht auf Ersatz der behördlichen Sanierungskosten, sondern auf Ausgleich der sanierungsbedingten Verkehrswerterhöhung gerichtet. Die Wertausgleichspflicht darf allerdings die tatsächlich aufgewandten Sanierungskosten nicht übersteigen. Im US-amerikanischen und im österreichischen Recht kann der Grundeigentümer nur zur Kostentragung verpflichtet werden, wenn ihm die Gefahr als

6. Kap.: Der Wertausgleichsanspruch

561

Zustandsstörer zugerechnet werden kann. Kann ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden, so muß die Behörde die Sanierung mit Mitteln des Altlastenfonds finanzieren, wenn auch die Inanspruchnahme anderer Störer nicht in Betracht kommt.1 Bedeutung erlangt der Wertausgleichsanspruch in Deutschland vornehmlich dadurch, daß er im Unterschied zum behördlichen Kostenerstattungsanspruch als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht. Da der durch eine öffentliche Last gesicherte Anspruch gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZVG Vorrang gegenüber anderen grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen genießt, erlangt die öffentliche Hand die größtmögliche Gewähr, sich auch bei Insolvenz des Grundeigentümers befriedigen zu können. Im US-amerikanischen Recht ist hingegen bereits der behördliche Kostenerstattungsanspruch gegen den Grundeigentümer durch ein der öffentlichen Last vergleichbares Grundpfandrecht, dem Superfund lien gemäß § 9607 (l) U.S.C. gesichert. Das Superfund lien genießt gemäß dem federal priority statute Vorrang gegenüber anderen Grundpfandrechten. Demgegenüber ist der behördliche Kostenerstattungsanspruch weder im deutschen noch im österreichischen Recht dinglich gesichert.

C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Da ein Wertausgleichsanspruch in den Vereinigten Staaten und in Österreich unbekannt ist, lassen sich keine Rückschlüsse für das deutsche Recht ziehen. Auf den Superfund lien wird noch unter Kapitel 10 näher einzugehen sein.

___________ 1

Vgl. hierzu die nachfolgende Darstellung unter Kapitel 7.

7. Kapitel

Die Finanzierung der Sanierungskosten bei fehlender Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Störern A. Einleitung Die Kosten der Sanierung von Boden- und Gewässerkontaminationen sind in allen drei Staaten in erster Linie von den Verhaltens- und den Zustandsstörern zu tragen. In vielen Fällen kommt jedoch keine Inanspruchnahme von Störern in Betracht oder können die Störer nur einen Anteil der hohen Sanierungskosten aufbringen. Es zeigt sich, daß die drei Staaten bei der öffentlichen Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen unterschiedliche Wege gehen.

B. Befund Wird die Behörde zur Gefahrenabwehr tätig, weil Störer nicht greifbar oder nicht zur Gefahrenabwehr in der Lage sind, so sind die Kosten nach deutschem Recht aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu bestreiten, wenn und soweit eine Durchsetzung des Kostenerstattungsanspruchs gegen die Störer mißlingt. Im Unterschied hierzu können die Behörden in Österreich und in den Vereinigten Staaten die Sanierung mit Mitteln aus eigens geschaffenen Altlastenfonds finanzieren. In den Vereinigten Staaten finanziert sich der nach § 9611 U.S.C. errichtete Superfund aus allgemeinen Steuermitteln sowie aus speziellen Abgaben, die der Öl- und Gasindustrie als Produzenten von Gefahrstoffen auferlegt wurden. Im Gegenzug hierfür ist die Öl- und Gasindustrie nach der sog. petroleumexclusion-clause des § 9601 (14) U.S.C. von der CERCLA-Haftung ausgenommen. In Österreich ist 1989 ein Altlastenfonds geschaffen worden, der sich aus Abgaben finanziert, die nach § 4 AlSAG für den Betrieb einer Abfalldeponie, für die Abfallbeförderung und für die Verfüllung mit Abfällen erhoben werden. Dem Altlastensanierungsfonds liegt ebenso wie dem Superfunds die Überlegung zugrunde, daß Personengruppen, die gegenwärtig durch ihren Umgang mit Gefahrstoffen besondere Umweltrisiken verursachen, einen Beitrag zur

7. Kap.: Die Finanzierung der Sanierungskosten

563

Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen für bereits eingetretene Störungen leisten sollen. Damit wird eine Gruppenverantwortlichkeit für nicht individuell verursachte Gefahren geschaffen.

C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Auch im deutschen Schrifttum ist die Einführung von Altlastenfonds diskutiert worden.1 Das Bundes-Bodenschutzgesetz sieht jedoch aus gutem Grund keine Fondsfinanzierung vor, weil sich der Kreis der für das Altlastenproblem verantwortlichen Branchen oder Personengruppen nicht befriedigend bestimmen läßt. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Österreich sind die Betreiber industrieller Anlagen von der Abgabenpflicht ausgenommen, obwohl diese zu einem nicht unbeträchtlichen Teil für die Entstehung von Altlasten verantwortlich sind. Problematisch ist ferner, daß über die zu entrichtenden Abgaben auch solche Unternehmen an der Altlastenfinanzierung beteiligt werden, die keine Umweltgefahren verursacht haben. Im übrigen ist bereits der Ansatz fragwürdig, Personen aufgrund ihres gegenwärtigen Umgangs mit umweltgefährdenden Stoffen zur Kostentragung für in der Vergangenheit abgeschlossene Schadensereignisse heranzuziehen. In Deutschland käme hierfür allenfalls die Erhebung einer Sonderabgabe in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Zulässigkeit von Sonderabgaben jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft.2 Bei in der Vergangenheit abgeschlossenen Schadensereignissen dürfte die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gruppennützigkeit zu verneinen sein.

___________ 1 Zu fondsgebundenen Ansätzen in Deutschland vgl. Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573 ff. 2 Vgl. BVerfGE 55, 274 ff. zur Berufsausbildungsabgabe nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz.

8. Kapitel

Die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit A. Einleitung Kann einem Eigentümer unter den oben dargelegten Voraussetzungen eine Gefahr zugerechnet werden, so ist er gleich einem Verhaltensstörer sanierungsverantwortlich. Gleichwohl steht ein Zustandsstörer der Gefahr nie gleich nahe wie ein Verhaltensstörer, weil er die Gefahr nicht verursacht hat, sondern lediglich an ihrer Entstehung mitgewirkt oder ein bereits kontaminiertes Grundstück bösgläubig erworben hat. Diesem geringeren Verantwortungsgrad ist angemessenen im Rahmen der Störerauswahl Rechnung zu tragen.

B. Befund Das österreichische Recht hat aus dem geringeren Verantwortungsgrad des Zustandsstörers die Konsequenz gezogen und sieht explizit eine Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit gegenüber der Verhaltensverantwortlichkeit vor. Nach §§ 31 Abs. 4 und 138 Abs. 4 WRG sowie nach § 74 Abs. 1 AWG kann ein Zustandsstörer nur herangezogen kann, wenn die Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers ausgeschlossen ist, weil der Verursacher nicht ermittelt werden kann oder nicht leistungsfähig ist. In allen anderen Fällen hat die Behörde den Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen. Damit trägt das österreichische Recht bei der Störerauswahl sowohl dem Verursacherprinzip als auch dem Gebot der gerechten Lastenverteilung Rechnung. Das US-amerikanische Recht sieht hingegen den Verhaltens- und den Zustandsstörer als gleichwertig an. Die Umweltbehörde ist bei der Störerauswahl frei. In der Praxis nimmt sie meist denjenigen Störer in Anspruch, der wegen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit die größte Gewähr für die Erfüllung der Sanierungsverfügung bietet. Dabei tritt die gerechte Lastenverteilung regelmäßig hinter fiskalpolitische Erwägungen zurück. Eine Verwaltungsvorschrift der EPA sieht allerdings vor, daß Eigentümer von Eigenheimen nur zur Sanierung verpflichtet werden sollen, wenn eine Inanspruchnahme des Verhaltensstörers nicht möglich ist. Auf diese Weise soll der besonderen Schutzbedürftigkeit von Eigentümern von Eigenheimen Rechnung getragen werden.

8. Kap.: Die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit

565

Im deutschen Recht war das Rangverhältnis zwischen Zustands- und Verhaltensverantwortlichkeit lange Zeit umstritten. Der Gesetzgeber hat diesen Streit nunmehr für das Bodenschutzrecht ausweislich der Gesetzesbegründung dahingehend entschieden, daß Verhaltens- vor den Zustandsstörern in Anspruch zu nehmen sind, wenn Gründe der effektiven Gefahrenabwehr dem nicht entgegenstehen. Er ist damit der bereits zuvor herrschenden Meinung1 gefolgt. Die Praxis trägt der grundsätzlichen Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit allerdings nicht hinreichend Rechnung. Nicht mit dem Verursacherprinzip und dem Gebot der gerechten Lastenverteilungen vereinbar ist insbesondere die Heranziehung des Eigentümers mit der Begründung, dieser sei finanziell leistungsfähiger als der Verursacher bzw. die Ermittlung des Verursachers erweise sich als aufwendig. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Effektivitätsgesichtspunkte, weil die Gefahr jederzeit von der Behörde oder von einem von ihr beauftragten Sanierungsunternehmen beseitigt werden kann.

C. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuregelung der bodenschutzrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit sollte eine Bestimmung geschaffen werden, die wie in Österreich klarstellt, daß die Behörde vorrangig den Verhaltensstörer zur Sanierung heranziehen muß. Wie nach österreichischem Recht kommt im deutschen Recht die Heranziehung eines Zustandsstörers nur in Betracht, wenn ein Verhaltensstörer nicht ermittelt werden kann, nachweislich finanziell nicht zur Sanierung in der Lage ist oder wenn er allein eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr gewährleisten kann. Eine Inanspruchnahme des Zustandsstörers aus Effektivitätsgründen wird allerdings selten in Betracht kommen, weil der Eigentümer Umweltgefahren regelmäßig nicht persönlich abwehren kann, sondern ein Sanierungsunternehmen beauftragen muß. Unter Effektivitätsgesichtspunkten ist es jedoch gleichgültig, wer das Sanierungsunternehmen beauftragt.

___________ 1 OVG Hamburg, DVBl. 1953, 542; OVG Koblenz, VR 19, 849; OVG Münster, DVBl. 1964, 683 ff.; DVBl. 1971, 828; DVBl. 1973, 924; VGH München, BayVBl. 1974, 342; DVBl. 1986, 1283; VGH Kassel, UPR 1986, 437 (439); OVG Lüneburg, NuR 1988, 151 ff.; NVwZ 1990, 786 (787); OVG Koblenz, DÖV 1990, 844 (845); Ossenbühl, DÖV 1976, 463; Scholler/Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts, 3. Aufl., S. 210 f.; Hohmann, DVBl. 1984, 997 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 304 f. und 321; Schink, DVBl. 1986, 161 (168); Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, 1988, S. 131; Leisner, UTR 12 (1990), 217 (231); Becker, DVBl. 1999, 134 (137).

9. Kapitel

Der Kreis der Zustandsstörer Das deutsche, das österreichische und das US-amerikanische Recht unterscheiden sich erheblich hinsichtlich des Kreises der Zustandsstörer. Am engsten ist dieser Kreis im österreichischen Recht gezogen, das lediglich eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers und seines Rechtsnachfolgers, d.h. des bösgläubigen Erwerbers kennt. Demgegenüber sind nach US-amerikanischem Recht neben dem gegenwärtigen und dem früheren Grundeigentümer auch gegenwärtige und frühere Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zustandsverantwortlich. Zudem kann der Derelinquent zur Sanierung herangezogen werden. Das deutsche Recht unterscheidet hinsichtlich des Kreises der Zustandsverantwortlichen danach, ob die Gefahr nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz oder nach den Wassergesetzen der Länder abzuwehren ist. Bei Bodenkontaminationen und bei hierdurch verursachten Gewässerverunreinigungen sind nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG der gegenwärtige und der frühere Grundeigentümer, der Derelinquent, der gegenwärtige Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft sowie Personen zustandsverantwortlich, die aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person, die Eigentümerin des kontaminierten Grundstücks ist, einstandspflichtig sind. Die Landeswassergesetze sehen hingegen eine Inanspruchnahme des gegenwärtigen Eigentümers, des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft und in den meisten Ländern des Derelinquenten sowie des sonstigen Berechtigten vor.

A. Die Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers I. Einleitung Alle drei Rechtsordnungen kennen eine Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Grundeigentümers. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen dem Grundeigentümer die Gefahr zugerechnet wird.

9. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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II. Befund Der gegenwärtige Grundeigentümer ist weder nach US-amerikanischem noch nach österreichischem Recht allein kraft seiner Rechtsstellung als Eigentümer zustandsverantwortlich. Nach österreichischem Recht setzt die Zustandshaftung bereits tatbestandlich voraus, daß der Grundeigentümer dem Verursacher der Gefahr die gefährliche Nutzung des Grundstücks gestattet oder sie geduldet hat oder daß er als Erwerber eines kontaminierten Grundstücks von der umweltgefährdenden Vornutzung wußte oder wissen mußte. Das österreichische Recht sieht allerdings in § 72 WRG und in § 75 Abs. 5 und 6 AWG vor, daß auch solche Eigentümer, die sich in einer Opferposition befinden, zur Duldung von Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet werden können. Im US-amerikanischen Recht ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Tatbestand und Einreden nach § 9607 U.S.C., daß solche Grundeigentümer von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen sind, die Opfer eines von außen auf das Grundstück einwirkenden Ereignisses sind oder die ein bereits kontaminiertes Grundstück gutgläubig erworben haben. Demgegenüber gehen sowohl das Bundes-Bodenschutzgesetz als auch die Landeswassergesetze davon aus, daß der Grundeigentümer für alle Gefahren zustandsverantwortlich ist, von denen das Grundstück betroffen ist. Allerdings haben sich die Rechtsprechung und die herrschende Lehre in jüngerer Zeit für eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit ausgesprochen, wenn der Eigentümer selbst Opfer der Gefahr ist.1 Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Gefahr von einem nicht nutzungsberechtigten Dritten verursacht worden ist und zum anderen, wenn er das Grundstück gutgläubig erworben hat. Umstritten ist, in welcher Weise eine Begrenzung vorzunehmen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 16.2.2000 hierzu nicht abschließend Stellung genommen. Die herrschende Lehre2 tritt für eine verfassungskonforme Reduzierung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht ein.

___________ 1

BVerwG, NVwZ 1991, 475; 1997, 577 (578); Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (380); Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 46; Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 GG, Rn. 511 ff., Stand: Mai 1994; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 123 f.; Schwemer, VR 1996, 147 (153). 2 Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (380); Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, Rn. 46; Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 14 GG, Rn. 511 ff., Stand: Mai 1994; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, S. 123 f.; Schwemer, VR 1996, 147 (153).

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4. Teil: Rechtsvergleichung

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Wie bereits unter Kapitel 3 eingehend dargelegt, sollte die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers nach US-amerikanischem und österreichischem Vorbild so ausgestaltet werden, daß die Opferfälle bereits auf Tatbestandsebene aus der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen sind.

B. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers I. Einleitung Die Zustandsverantwortlichkeit stellt nach traditionellem Verständnis eine Einstandspflicht des gegenwärtigen Eigentümers dar, die bei Verlust des Eigentums endet. Der Vergleich mit den USA zeigt jedoch, daß eine Beendigung der Zustandshaftung mit dem Verlust der rechtlichen Sachherrschaft keinesfalls zwingend ist.

II. Befund Im US-amerikanischen Recht ist seit über 25 Jahren eine Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers anerkannt. Danach ist es ohne Bedeutung, ob der frühere Eigentümer sein Eigentum durch Rechtsgeschäft oder in sonstiger Weise – z. B. durch Zwangsversteigerung oder Enteignung – verloren hat.3 Gemäß § 9607 (a)(2) U.S.C. sind jedoch nur diejenigen früheren Grundeigentümer zustandsverantwortlich, welche zum Zeitpunkt der Gefahrentstehung Eigentümer waren. Da nach der third party defense solche früheren Eigentümer von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen sind, die Opfer des Verhaltens eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind, kommt es nach US-amerikanischem Recht darauf an, ob der frühere Eigentümer an der Gefahrentstehung mitgewirkt hat. Von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen sind hingegen frühere Eigentümer, die seinerzeit ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben haben.4 Dies gilt selbst dann, wenn sie bei Erwerb bösgläubig waren. ___________ 3 Sonderregelungen gelten allerdings für den Derelinquenten, auf den im Abschnitt C. gesondert eingegangen wird. 4 Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn der bösgläubige frühere Eigentümer den Erwerber nicht über die Kontamination aufgeklärt hat.

9. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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Im österreichischen Recht ist umstritten und soweit ersichtlich bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob auch frühere Grundeigentümer zustandsverantwortlich sind. Die herrschende Lehre5 hat sich für eine Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit mit dem Eigentumsverlust ausgesprochen. Für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus spricht allerdings, daß das österreichische Recht dem Grundeigentümer die Gefahr aufgrund seiner Mitwirkung an der Gefahrentstehung persönlich zurechnet. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die persönliche Zurechnung mit dem Verlust des Eigentums entfallen sollte. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 6 BBodSchG erstmals eine bundesweite Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers eingeführt. Im Unterschied zum US-amerikanischen Recht kommt eine Zustandsverantwortlichkeit früherer Eigentümer in Deutschland nur in Betracht, wenn der Eigentümer einem Dritten sein Grundstück durch Rechtsgeschäft übertragen hat. Die Zustandsverantwortlichkeit endet somit bei Zwangsversteigerung, Enteignung oder bei einem sonstigen nicht rechtsgeschäftlichen Eigentumsverlust. Dahinter steht die Vorstellung, daß sich der Grundeigentümer nicht durch Veräußerung seiner Zustandsverantwortlichkeit entziehen können soll. § 4 Abs. 6 BBodSchG setzt nicht voraus, daß die Kontamination während des Eigentums des früheren Eigentümers entstanden ist. Zustandsverantwortlich ist danach auch derjenige, der ein bereits kontaminiertes Grundstück bösgläubig erworben hat. Auf der anderen Seite genügt die Eigentümerstellung zur Zeit der Gefahrentstehung allein nicht, um die Zustandsverantwortlichkeit zu begründen. Der frühere Grundeigentümer ist nämlich dann nicht zustandsverantwortlich, wenn er bei Veräußerung des Grundstücks die Kontamination weder kannte noch kennen mußte.

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Wie das US-amerikanische Recht zeigt, gibt es gute Gründe für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Verlust des Eigentums. Rechnet man dem Eigentümer die Gefahr – wie in den USA und in Österreich – persönlich zu, indem man auf eine Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder einen bösgläubigen Erwerb abstellt, so wäre es widersprüchlich, wenn sich der Eigentümer seiner Verantwortung z. B. durch Veräußerung entziehen könnte. Daher war die Schaffung einer Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers ___________ 5 Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (21); Raschauer, Wasserrecht, § 31 WRG Rn. 17 ff. und § 138 Rn. 21 ff.; Schwarzer, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, S. 282 (290) und Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 67 ff.

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4. Teil: Rechtsvergleichung

nach § 4 Abs. 6 BBodSchG richtig. Allerdings besteht bei der Ausgestaltung dieser Vorschrift Änderungsbedarf, wie der Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht verdeutlicht. De lege ferenda sollte § 4 Abs. 6 BBodSchG auf die Fälle des nichtrechtsgeschäftlichen Eigentumsverlusts ausgedehnt werden. Der Fortbestand der Zustandshaftung läßt sich nicht damit begründen, daß eine Flucht aus der Verantwortlichkeit verhindert werden soll. Die Veräußerung eines kontaminierten Grundstücks kann als solche keine Zurechnung begründen, weil sie die Gefahr nicht erhöht. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers sollte vielmehr wie im US-amerikanischen Recht als Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus verstanden werden. Wird dem Grundeigentümer die Gefahr zugerechnet, weil er an ihrer Entstehung mitgewirkt oder weil er sie bei Erwerb (billigend) in Kauf genommen hat, so entfällt die Zurechnung nicht bei Eigentumsverlust. Ohne Bedeutung ist daher, daß dem Grundeigentümer mit dem Verlust seines Eigentums die Möglichkeit genommen wird, auf das Grundstück einzuwirken und die Vorteile aus der Sache zu ziehen. Anders als im US-amerikanischen Recht sollte in Deutschland auch die Zustandsverantwortlichkeit des seinerzeit bösgläubigen Erwerbers über dessen Eigentumsverlust hinaus fortbestehen. Auch in dieser Fallkonstellation wird dem Eigentümer die Gefahr persönlich zugerechnet.

C. Die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten I. Einführung Zu den früheren Eigentümern gehört auch derjenige, der sein Eigentum aufgegeben hat. Während es die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers nach § 4 Abs. 6 BBodSchG erst seit dem 1.3.1999 gibt, ist eine Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten in den Polizeigesetzen der meisten Bundesländer bereits seit mehr als 20 Jahren anerkannt. Es fragt sich, ob die eigenständige Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten neben derjenigen des früheren Eigentümers noch eine Berechtigung hat.

II. Befund Wie das deutsche hält auch das US-amerikanische Recht neben der Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Derelinquenten bereit. Anders als bei

9. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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anderen früheren Eigentümern kommt es für die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten im US-amerikanischen Recht nicht darauf an, ob die Kontamination zur Zeit seines Eigentums entstanden ist. Dem Derelinquenten wird die Gefahr vielmehr auch dann zugerechnet, wenn er ein bereits kontaminiertes Grundstück böswillig erworben hat. Hingegen kann sich der seinerzeit gutgläubige Erwerber auch nach der Eigentumsaufgabe auf die innocent landowner defense berufen, um von der Zustandshaftung freigestellt zu werden. Dem Derelinquenten wird die Gefahr in den Vereinigten Staaten folglich nicht wegen der Aufgabe des Eigentums zugerechnet. Vielmehr besteht die durch die persönliche Zurechnung begründete Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus fort. Im österreichischen Recht ist hingegen umstritten und bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob die Zustandsverantwortlichkeit durch Eigentumsaufgabe endet. Die wohl herrschende Meinung im Schrifttum bejaht dies.6 Einzelne Autoren7 sprechen sich jedoch mit guten Gründen für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Dereliktion aus. In Deutschland sieht § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG nunmehr bundeseinheitlich vor, daß die Eigentumsaufgabe die Zustandsverantwortlichkeit nicht beendet. Der Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit wird überwiegend damit begründet, daß sich der Grundeigentümer seiner Verantwortung nicht durch Eigentumsaufgabe entledigen dürfe.8

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Wie der Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht zeigt, ist die dogmatische Begründung für die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten in Deutschland verfehlt. Dem Derelinquenten kann die Gefahr nicht wegen der Eigentumsaufgabe zugerechnet werden, weil diese die Gefahr nicht erhöht. Eine Zurechnung ist vielmehr wie in den USA nur möglich, wenn er als Eigentümer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt oder sie billigend in Kauf genommen hat. Die hierdurch begründete persönliche Zurechnung entfällt wie beim früheren Eigentümer nicht durch den Verlust des Eigentums. De lege ___________ 6 Berger/Onz, Altlastenhaftung, S. 41; Bruno Binder, Sicherung und Sanierung von Altlasten, S. 37 ff.; Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers, S. 81; Thienel, ÖGZ 7/1992, 19 (21) und Rainer Onz, Liegenschaftseigentum und Haftung, S. 67 f. 7 Kerschner, RZ 1990, 26 (30) und Spielbüchler, in: Rummel, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, 2. Aufl., § 387, Rn. 2. 8 So die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/6701, S. 51; vgl. auch Trunit, VBlBW 2000, 261 (267) und Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht, Rn. 166.

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4. Teil: Rechtsvergleichung

ferenda sollte die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten in die des früheren Eigentümers integriert werden.

D. Die Zustandsverantwortlichkeit von gegenwärtigen Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten I. Einführung In Deutschland sind nach wie vor die meisten Unternehmen Eigentümer der Grundstücke, auf denen sie ihre industrielle oder gewerbliche Tätigkeit ausüben. Sie machen nur in geringem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch, das Betriebsgrundstück zu pachten. Im folgenden soll es um die noch seltenere Fallkonstellation gehen, bei der der Eigentümer das Grundstück verpachtet und der Pächter es seinerseits an den späteren Verursacher der Gefahr unterverpachtet. Es stellt sich die Frage, ob der Pächter in dieser Fallkonstellation wie ein Eigentümer zustandsverantwortlich ist. Daneben wird untersucht, ob eine Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft auch dann in Betracht kommt, wenn die Gefahr nicht Folge der Nutzung des Grundstücks ist. Zu denken ist hierbei zum einen an den Fall, daß der Pächter ein bereits kontaminiertes Grundstück in Besitz genommen und zum anderen, daß das Grundstück während seiner Sachherrschaft durch Fremdeinwirkung von außen kontaminiert worden ist.

II. Befund Das österreichische Recht kennt nur eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers, nicht aber von Pächtern oder von anderen Inhabern der tatsächlichen Sachherrschaft. Demgegenüber sieht das US-amerikanische Recht neben dem Grundeigentümer auch den Mieter oder Pächter als Zustandsstörer an. Es trägt damit dem Umstand Rechnung, daß der Mieter, der das Grundstück an den späteren Verursacher der Gefahr untervermietet, die Entstehung der Gefahr genauso ermöglicht wie der Eigentümer, der sein Grundstück dem Verursacher zur Nutzung überläßt. Wie beim Eigentümer ist auch bei Mietern oder Pächtern die Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht ausgeschlossen, wenn diese – wie in den Fremdeinwirkungsfällen – Opfer der Gefahr sind. Im deutschen Recht unterscheidet sich hingegen der Kreis der Zustandsstörer je nachdem, ob die Sanierung auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutz-

9. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

573

gesetzes oder der Landeswassergesetze erfolgt. Für Bodenkontaminationen ist der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft Zustandsstörer. Demgegenüber kennen die Wassergesetze der meisten Bundesländer daneben auch eine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten. Hierunter fallen u.a. Personen, die wie etwa der Untervermieter nur mittelbare Besitzer des Grundstücks sind. Demgemäß können die deutschen Behörden auf der Grundlage der Wassergesetze der meisten Bundesländer den Untervermieter als Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr in Anspruch nehmen. Hingegen ist ihnen dies zur Sanierung von Bodenkontaminationen verwehrt. Eine Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft kommt im Bodenschutzrecht nur in Betracht, wenn der Pächter ein bereits kontaminiertes Grundstück in Besitz genommen hat oder wenn das Grundstück während seiner Pachtzeit durch eine Fremdeinwirkung kontaminiert worden ist.

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Der Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht zeigt, daß die tatsächliche Sachherrschaft kein geeignetes Kriterium für die Zurechnung der Gefahr ist. Es sind praktisch kaum Fälle einer umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft denkbar, weil in den insoweit wichtigen Untervermietungsfällen der Untervermieter gerade nicht Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist. Da die Zurechnung an die Mitwirkung an der Gefahrentstehung anknüpft, steht der Untervermieter der Gefahr jedoch näher als der Grundeigentümer. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb beim Grundeigentümer die rechtliche Sachherrschaft für die Zurechnung der Gefahr genügen, beim mittelbaren Besitzer hingegen die tatsächliche Sachherrschaft erforderlich sein soll. Auch dem mittelbaren Besitzer sollte daher in den Untervermietungsfällen die Gefahr zugerechnet werden. Der Gesetzgeber sollte daher bei der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Neuregelung eine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten, wie sie die meisten Landespolizeigesetze kennen, in das Bundes-Bodenschutzgesetz aufnehmen. Bereits jetzt können nach den Wassergesetzen der meisten Länder mittelbare Besitzer als sonstige Berechtigte zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Eine Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft ist daneben entbehrlich, da dem Mieter die Gefahr dann nicht zugerechnet werden kann, wenn sie Folge einer Fremdeinwirkung ist oder der Mieter ein bereits kontaminiertes Grundstück gutgläubig in Besitz genommen hat.

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4. Teil: Rechtsvergleichung

E. Die Zustandsverantwortlichkeit von früheren Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten I. Einleitung Wie beim Eigentümer stellt sich auch bei Mietern und sonstigen Nutzungsberechtigten die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit mit Beendigung des Nutzungsverhältnisses endet oder fortbesteht.

II. Befund Nach § 9607 (a)(2) U.S.C. können im US-amerikanischen Recht auch frühere Mieter oder Pächter zur Sanierung verpflichtet werden, wenn sie an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt haben. Die persönliche Zurechnung der Gefahr entfällt dann nicht mit Beendigung des Nutzungsverhältnisses. Hat der Mieter das Grundstück an den Betreiber einer Tankstelle untervermietet, so kann er sich seiner Verantwortung für durch den Tankstellenbetrieb entstandene Bodenkontaminationen nicht durch Kündigung des Hauptmietvertrages entziehen. Demgegenüber kennen weder das österreichische noch das deutsche Recht eine Zustandsverantwortlichkeit ehemaliger Mieter oder Pächter. Vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes konnten ehemalige Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft allein in Berlin nach § 13 Abs. 4 BlnBodSchG zur Sanierung herangezogen werden, wenn die Bodenbelastung in der Zeit ihres Besitzes entstanden war. Eine vergleichbare Regelung schlägt § 348 Abs. 1 Ziff. 3 UGB-KomE vor. Der Bundesgesetzgeber hat sich hingegen im BundesBodenschutzgesetz von der im deutschen Gefahrenabwehrrecht herrschenden Vorstellung leiten lassen, daß die Zustandsverantwortlichkeit Ausfluß der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft ist und demgemäß mit Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft oder der sonstigen Berechtigung ende.

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Der Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht zeigt jedoch, daß eine Zurechnung der Gefahr, die auf einer Mitwirkung an der Gefahrentstehung beruht, nicht mit dem Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft oder einer sonstigen schuld- oder sachenrechtlichen Berechtigung endet. Nicht nachvollziehbar ist im übrigen, weshalb die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Grundeigentümers nunmehr nach § 4 Abs. 6 BBodSchG über den Eigentumsverlust hinaus fortbestehen, die Zustandshaftung eines Mieters hingegen mit Aufgabe der Sachherrschaft enden soll.

9. Kap.: Der Kreis der Zustandsstörer

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F. Die Zustandsverantwortlichkeit des aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund Einstandspflichtigen I. Einleitung Der deutsche Gesetzgeber hat den Kreis der Zustandsstörer im BundesBodenschutzgesetz mit dem aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund Einstandspflichtigen um einen neuen Störer erweitert. Es fragt sich, ob Deutschland damit einen Sonderweg eingeschlagen hat oder ob sich vergleichbare Regelungen in Österreich und in den Vereinigten Staaten finden.

II. Befund Das deutsche Recht sieht in § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG eine Zustandsverantwortlichkeit solcher Personen vor, die aus handels- oder aus gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen haben, die Eigentümerin des kontaminierten Grundstücks ist. Diese Regelung soll die Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit durch rechtsmißbräuchliche Gestaltungen, wie sie z. B. das Umwandlungsrecht ermöglicht, verhindern. Im österreichischen und im US-amerikanischen Gefahrenabwehrrecht fehlt eine vergleichbare Regelung. Allerdings ist in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß die Behörde unter den Voraussetzungen der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung die Muttergesellschaft bzw. den Mehrheitsgesellschafter derjenigen Gesellschaft, die Eigentümerin des kontaminierten Grundstücks ist, zur Sanierung oder zur Kostentragung in Anspruch nehmen kann.

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Ein Blick in die US-amerikanische Praxis zeigt, daß die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht erforderlich ist, damit Gestaltungsmöglichkeiten (wie insbesondere der Spaltung) nicht mißbräuchlich zur Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit genutzt werden können. In Deutschland bedurfte es hierfür anders als in den USA wegen des Vorbehalts des Gesetzes einer eigenen Rechtsgrundgrundlage für die behördliche Inanspruchnahme.

10. Kapitel

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber Der nachfolgende Abschnitt widmet sich der Frage, inwieweit Banken und andere gesicherte Kreditgeber in den drei Referenzstaaten in Umweltschadensfällen als Zustandsstörer herangezogen werden können. Die Untersuchung hat gezeigt, daß eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber nur in den Vereinigten Staaten praktische Bedeutung erlangt hat. Dort hat die drohende Zustandshaftung vor allem in den 90er Jahren in Bankenkreisen für Aufregung gesorgt. In Österreich ist hingegen eine Zustandshaftung gesicherter Kreditgeber – wenn man von dem Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung absieht – ausgeschlossen. Demgegenüber kommt nach deutschem Recht eine Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber in seltenen Fällen in Betracht. Sie hat jedoch bisher keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt.

A. Die Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern I. Keine Zustandshaftung als Grundpfandgläubiger 1. Einleitung Eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit ist in erster Linie bei Grundschuldinhabern und Hypothekaren denkbar. Es fragt sich allerdings, ob die Stellung als Grundpfandgläubiger ausreicht, um diesen die von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zurechnen zu können.

2. Befund Die Untersuchung hat gezeigt, daß Grundschuldinhaber und Hypothekare in keinem der Referenzstaaten für Bodenkontaminationen zustandsverantwortlich

10. Kap.: Umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber 577

sind. Im österreichischen Recht folgt dies daraus, daß es nur eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers kennt. Nach US-amerikanischem Recht sind Grundpfandgläubiger durch die secured creditor exemption des § 9601 (20)(A) von der Zustandsverantwortlichkeit als owner ausgenommen, sofern sie nicht am Management der auf dem Grundstück betriebenen Anlage mitwirken. Letzteres setzt ein Maß an Einwirkung auf den Anlagenbetrieb oder auf das Umweltmanagement voraus, das den gesicherten Kreditgeber nach deutschem Recht zum Anlagenbetreiber machte. Auch in Deutschland kommt in derartigen Fällen eine Anlagenbetreiber- oder Anlageninhaberhaftung in Betracht.1 Bei dieser handelt es sich jedoch um keine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit, weil bei ihr die Elemente der Verhaltens- gegenüber der Zustandsverantwortlichkeit überwiegen. Das deutsche Bundes-Bodenschutzgesetz sieht im Gegensatz zu den meisten Landespolizeigesetzen keine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten vor, so daß eine Inanspruchnahme von Grundpfandgläubigern zur Sanierung von Bodenkontaminationen ausscheidet. Anders zu beurteilen sind hingegen Gewässerkontaminationen. Da die Wassergesetze der meisten deutschen Bundesländern eine Zustandsverantwortlichkeit des sonstigen Berechtigten kennen, können Grundpfandgläubiger in Deutschland zur Sanierung von nicht durch Bodenkontaminationen verursachten Gewässerverunreinigungen verpflichtet werden. Soweit ersichtlich, hat die Praxis hiervon jedoch bisher keinen Gebrauch gemacht.

3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Der Vergleich mit den USA und Österreich zeigt, daß kein praktisches Bedürfnis für eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern besteht.

___________ 1 Vgl. hierzu VGH Manneim, NVwZ 1988, 562 (563) sowie Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 437 (445).

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4. Teil: Rechtsvergleichung

II. Die wirtschaftliche Beteiligung von Grundpfandgläubiger an den Sanierungskosten 1. Einleitung Das Fehlen einer direkten Zustandsverantwortlichkeit von Grundpfandgläubigern bedeutet allerdings nicht, daß sie nicht wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligt werden können, wenn die Behörde das Grundstück mit öffentlichen Mitteln saniert hat. Mit der Sanierung erhöht die Behörde nicht nur den Verkehrswert des Grundstücks, sondern mittelbar auch den Wert des Grundpfandrechts. Folge hiervon ist, daß Grundpfandgläubiger auf Kosten der Allgemeinheit durch eine Sanierung mit öffentlichen Mitteln bereichert werden.

2. Befund Das US-amerikanische Recht ermöglicht der Behörde regelmäßig, diesen Wertzuwachs abzuschöpfen. Saniert die Behörde das kontaminierte Grundstück mit öffentlichen Mitteln und kann sie von dem gegenwärtigen Eigentümer Erstattung ihrer Kosten verlangen, so ist dieser Anspruch durch ein sog. Superfund lien gesichert. Dieses Grundpfandrecht geht bei der Zwangsvollstreckung anderen Grundpfandrechten vor, wenn der Versteigerungserlös anderenfalls nicht zur vollständigen Befriedigung der Behörde ausreicht. Das Superfund lien geht allerdings über eine Abschöpfung des sanierungsbedingten Wertzuwachses hinaus, weil es der Behörde einen Vollstreckungsvorrang in Höhe des vollen Kostenerstattungsanspruchs einräumt. Hierdurch werden andere Grundpfandrechte erheblich wirtschaftlich entwertet, weil sie angesichts der hohen Sanierungskosten regelmäßig keine Befriedigung mehr erlangen können. Auf der anderen Seite entsteht ein Superfund lien nur, wenn die Behörde den gegenwärtigen Eigentümer zu den Sanierungskosten heranziehen kann. Ist der Eigentümer in den Opferfällen von der Zustandshaftung freigestellt, so profitieren hiervon auch die Grundpfandgläubiger, weil die Behörde, wenn sie das Grundstück saniert, weder beim Grundeigentümer noch bei den Grundpfandgläubigern den sanierungsbedingten Wertzuwachs abschöpfen kann. In Österreich existiert keine vergleichbare Regelung. Hingegen ist mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz in Deutschland ein Anspruch der Behörde auf Ausgleich des sanierungsbedingten Wertzuwachses gegen den Grundeigentümer eingeführt worden. Dieser Anspruch ist nach § 25 Abs. 6 S. 1 BBodSchG durch eine öffentliche Last gesichert. Betreibt die öffentliche Hand die Zwangsversteigerung in das Grundstück, so kann sie sich – da die öffentliche Last anderen Grundpfandrechten im Rang vorgeht – zum Nachteil anderer Grundpfandgläu-

10. Kap.: Umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber 579

biger befriedigen. An sich bevorrechtigte Grundschuldinhaber und Hypothekare werden auf diese Weise wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligt, weil ihnen die sanierungsbedingte Werterhöhung ihrer Sicherheit entzogen wird. Da die Wertausgleichspflicht auf die sanierungsbedingte Verkehrswerterhöhung begrenzt ist, von der auch die Grundpfandgläubiger profitieren, stößt § 25 BBodSchG in Bezug auf Grundpfandgläubiger auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

3. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Das Superfund lien sollte in Deutschland nicht als Vorbild dienen. Einer Absicherung des (vollständigen) Kostenerstattungsanspruchs durch eine öffentliche Last stünden in Deutschland verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Da die tatsächlichen Sanierungskosten regelmäßig den sanierungsbedingten Wertzuwachs übersteigen, griffe eine solche Absicherung ohne rechtfertigenden Grund in die Eigentumsfreiheit der an sich bevorrechtigten Grundpfandgläubiger ein. Ein Vorrang der öffentlichen Last gegenüber anderen Grundpfandrechten läßt sich nur insoweit rechtfertigen, als der Verkehrswert des Grundstücks – und damit mittelbar auch der Grundpfandrechte – durch die Sanierung erhöht worden ist. Dem trägt die öffentliche Last gemäß § 25 Abs. 6 BBodSchG Rechnung. Weiterer Vorteil der deutschen Regelung ist, daß sie nicht an die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers anknüpft, sondern einen davon grundsätzlich unabhängigen Wertausgleichsanspruch begründet. Dies sichert der Behörde auch in den Opferfällen grundsätzlich einen Vollstreckungsvorrang gegenüber anderen Grundpfandgläubigern und verhindert, daß diese ohne sachlichen Grund von der Haftungsfreistellung des Eigentümers profitieren. In Deutschland besteht somit kein Änderungsbedarf.

B. Die Zustandsverantwortlichkeit bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung I. Einleitung Grundpfandrechte sollen die kreditgewährende Bank vor dem Verlust (eines Teils) ihres Darlehens schützen. Kommt der Darlehensnehmer seiner Rückzahlungspflicht nicht nach, kann die Bank die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben. Deckt der Versteigerungserlös das ausstehende Darlehen nicht, so wird die Bank häufig selbst das Grundstück ersteigern (sog. Rettungser-

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4. Teil: Rechtsvergleichung

werb). Es fragt sich, ob der gesicherte Kreditgeber im Falle des Rettungserwerbs als gegenwärtiger oder bei Weiterveräußerung als früherer Eigentümer zustandsverantwortlich sein kann, wenn sich herausstellt, daß das Grundstück kontaminiert ist.

II. Befund Erwirbt der gesicherte Kreditgeber das kontaminierte Grundstück in der Zwangsversteigerung, so ist er sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht unter denselben Voraussetzungen wie jeder andere Grundeigentümer zustandsverantwortlich. Nach österreichischem Recht kommt insoweit eine Rechtsnachfolgerhaftung gemäß §§ 31 Abs. 4 S. 2 und 138 Abs. 4 S. 2 WRG bzw. nach § 74 Abs. 2 S. 2 AWG in Betracht. Sie setzt voraus, daß der gesicherte Kreditgeber bei Erwerb von der umweltgefährdenden Vornutzung des Grundstücks wußte oder wissen mußte. Nach § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG ist der Kreditgeber mit Erwerb des Grundstücks wie jeder andere Grundeigentümer zustandsverantwortlich. Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG kann er auch als früherer Eigentümer zur Sanierung verpflichtet werden. Zu anderen Ergebnissen gelangt das US-amerikanische Recht. Die secured creditor exemption stellt den gesicherten Kreditgeber, der ein kontaminiertes Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben hat, von der Zustandsverantwortlichkeit frei, sofern er sich innerhalb angemessener Zeit um die Veräußerung des Grundstücks bemüht.

III. Schlußfolgerungen für das deutsche Recht Die Privilegierung gesicherter Kreditgeber beim Rettungserwerb nach USamerikanischem Recht ist kein Vorbild für das deutsche Recht. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Erwerbern rechtfertigen könnte. Für die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit kommt es nicht auf die Motivation für den Erwerb des (kontaminierten) Grundstücks, sondern allein darauf an, ob dem Eigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann. Dies ist bei gesicherten Kreditgebern wie bei allen anderen Eigentümern dann der Fall, wenn sie durch Nutzungsüberlassung an den späteren Verursacher der Gefahr an der Gefahrentstehung mitgewirkt oder wenn sie bösgläubig ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben haben.

Fünfter Teil

Zusammenfassende Thesen Die Ergebnisse der Untersuchung zur umweltrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit lassen sich thesenartig wie folgt zusammenfassen:

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach deutschem Recht Das Störerrecht im Recht der Gefahrenabwehr 1.

Das Umweltmedium Wasser wird seit jeher als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit angesehen. § 1 BBodSchG stellt nunmehr klar, daß auch der Boden – unabhängig von hierdurch drohenden Grundwasserverunreinigungen – ein eigenständiges Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist.

2.

Die Gefahrenabwehr erfolgt stets im öffentlichen Interesse, auch wenn sie dem Schutz subjektiver Rechte, wie z. B. dem Schutz des Lebens, der Gesundheit oder des Eigentums, dient. Der Schutz subjektiver Rechte stellt sich lediglich als Reflex des Schutzes der öffentlichen Sicherheit dar und kann daher auch gegen den Willen des Rechteinhabers erfolgen.

3.

Erfolgt die Gefahrenabwehr aber im öffentlichen Interesse, so folgt hieraus, daß die Behörde die Gefahr im Regelfall selbst abwehren und die Gefahrenabwehr aus den allgemeinen Deckungsmitteln des Staates finanzieren muß.

4.

Nur unter besonderen Umständen kann die Behörde einen Bürger zur Gefahrenabwehr verpflichten oder zu den Kosten der Gefahrenabwehr heranziehen. Ein Bürger kann entweder als Störer oder als Nichtstörer in Anspruch genommen werden. Während ein Störer stets zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden kann, kommt die Inanspruchnahme eines Nichtstörers nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes und regelmäßig nur gegen Entschädigung in Betracht.

5.

Aufgabe des Störerrechts ist es, aus der Gesamtheit aller natürlichen und juristischen Personen sowie teilrechtsfähigen Personenvereinigungen diejenigen herauszufiltern, welche der Gefahr näher stehen als die Allge-

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5. Teil: Zusammenfassende Thesen

meinheit. Ohne einen hinreichenden Zurechnungsgrund ist eine Inanspruchnahme als Störer willkürlich und verstößt damit gegen das allgemeine Willkürverbot. Das Störerrecht bildet daher ein Kernstück rechtsstaatlichen Gefahrenabwehrrechts. 6.

Von dem Störer unterscheidet sich der Nichtstörer dadurch, daß ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden kann. Der Nichtstörer kann nur deshalb herangezogen werden, weil anderenfalls eine Gefahrenabwehr nicht möglich wäre. Während der Störer aufgrund seiner Verantwortung für die Gefahr in Anspruch genommen wird, kann der Nichtstörer allein aus übergeordneten Gemeinwohlinteressen herangezogen werden. Der Nichtstörer erbringt daher im Unterschied zum Störer ein Sonderopfer für die Allgemeinheit. Die früher vertretene Ansicht, der Störer habe die Gefahr im Gegensatz zum Nichtstörer stets auf eigene Kosten abzuwehren, ist heute nicht mehr haltbar. Wie das Beispiel der §§ 49, 57 und 66 Ziff. 1 TierseuchenG zeigt, kann der Gesetzgeber aus rechtspolitischen Gründen – etwa um einen Anreiz zur Meldung von Seuchen zu schaffen – eine Entschädigung von Störern vorsehen.

7.

Das herkömmliche Gefahrenabwehrrecht mißt der Verteilung der Kostenlast nur eine untergeordnete Bedeutung bei. Die Pflicht zur Kostentragung wird lediglich als Surrogat oder als Annex der Gefahrenabwehrpflicht angesehen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß ein Störer primär zur Abwehr der Gefahr verpflichtet ist. Kommt er dem nicht nach und wird die Behörde für ihn tätig, so hat der Störer der Behörde die Kosten der Gefahrenabwehr zu erstatten. Bei Boden- oder Gewässerkontaminationen zeigt sich allerdings, daß die Tragung der regelmäßig hohen Sanierungskosten im Vordergrund steht, weil der Störer die Sanierung nicht höchstpersönlich durchführen kann, sondern einen Spezialisten beauftragen muß.

8.

Das Gefahrenabwehrrecht unterscheidet drei Arten von Störern: den Verhaltens- und den Zustandsstörer sowie den Anlagenbetreiber. Letzterer wird zum Teil auch als Anlageninhaber bezeichnet. Die Verhaltensverantwortlichkeit beruht darauf, daß jemand durch sein Verhalten eine Gefahr verursacht. Demgegenüber hat der Zustandsstörer dafür einzustehen, daß von seinem Tier oder seiner Sache eine Gefahr ausgeht. Die Anlagenbetreiberhaftung vereint Elemente der Verhaltens- und der Zustandsverantwortlichkeit, wobei die Elemente der Verhaltensverantwortlichkeit überwiegen.

5. Teil: Zusammenfassende Thesen

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Die historische Entwicklung des Störerrechts 9.

Das geltende Störerrecht hat sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte entwickelt und ist nur vor dem Hintergrund seiner historischen Entwicklung verständlich. Es geht im wesentlichen auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und die frühe Verwaltungsrechtslehre zurück.

10. Anders als das Preußische Obertribunal sprach sich das Preußische Oberverwaltungsgericht seit 1880 in ständiger Rechtsprechung für eine unbeschränkte Verantwortlichkeit des Eigentümers für den polizeimäßigen Zustand seiner Sache aus. Es begründete die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers mit dessen tatsächlicher und rechtlicher Sachherrschaft, die es ihm ermögliche, den polizeiwidrigen Zustand seiner Sache zu beseitigen. Das Preußische Oberverwaltungsgericht sah neben dem Eigentümer auch den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft – wie z. B. Nießbraucher, Pächter und Verwalter – als Zustandsstörer an. Die Zustandsverantwortlichkeit setze nicht voraus, daß der Eigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft die Gefahr verursacht oder verschuldet habe. Die Zustandsverantwortlichkeit bestehe selbst dann, wenn die Gefahr auf die (rechtswidrige) Einwirkung eines Dritten oder auf Zufall zurückzuführen sei. Im erstgenannten Fall müsse die Behörde nicht den Dritten in Anspruch nehmen, sondern könne den Eigentümer zur Gefahrenabwehr verpflichten. 11. Auch die Verwaltungsrechtslehre des frühen 20. Jahrhundert erkannte neben der Verhaltens- eine Zustandsverantwortlichkeit an. Neben dem Eigentümer sei auch der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zustandsverantwortlich. Jellinek begründete die Zustandshaftung mit der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft. Der Eigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft müsse in seiner Machtsphäre dafür sorgen, daß keine Polizeiwidrigkeit entstehe. Wie das Preußische Oberverwaltungsgericht trat die frühe Verwaltungsrechtslehre dafür ein, daß ein Eigentümer auch dann zustandsverantwortlich sei, wenn die Gefahr von einem Dritten verursacht worden ist. Umstritten war hingegen, ob der Eigentümer auch zur Abwehr von Gefahren verpflichtet werden könne, die durch ein Naturereignis hervorgerufen worden seien. Da die Zustandsverantwortlichkeit Ausfluß der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft sei, ende sie nach Auffassung der frühen Verwaltungsrechtslehre mit dem Verlust des Eigentums oder der tatsächlichen Sachherrschaft. 12. Das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz vom 1.6.1931 enthielt das erste kodifizierte Störerrecht in Deutschland. Es knüpfte im wesentlichen an die vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und der frühen Verwaltungsrechtslehre entwickelten Grundsätze an. Das Preußische Polizeiverwal-

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5. Teil: Zusammenfassende Thesen

tungsgesetz hat das deutsche Gefahrenabwehrrecht auch nach dem 2. Weltkrieg nachhaltig geprägt. Es bildete die Grundlage für den Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes und für die nach dessen Vorbild geschaffenen Polizeigesetze des Bundes und der Länder. Der Musterentwurf erweiterte den Kreis der Zustandsstörer um den Derelinquenten und um den sonstigen Berechtigten.

Der Kreis der Zustandsstörer nach den Landespolizeigesetzen 13. Die Polizeigesetze aller Bundesländer mit Ausnahme Baden-Württembergs und Sachsens kennen vier Arten von Zustandsstörern: den Eigentümer, den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, den sonstigen Berechtigten und den Derelinquenten. In Baden-Württemberg und Sachsen können nur der Eigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft als Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. In der Praxis kommt der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers eine herausragende Bedeutung zu. 14. Nach den Landespolizeigesetzen endet die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers grundsätzlich mit dem Verlust des Eigentums. Etwas anderes gilt in den meisten Bundesländern allerdings bei der Eigentumsaufgabe, ohne daß diese Ausnahme bisher dogmatisch befriedigend begründet worden ist. Der Umstand, daß kein neuer Eigentümer in die Rechtsposition des Derelinquenten eintritt, stellt keinen hinreichenden Zurechnungsgrund dar. Die Zustandshaftung des Derelinquenten läßt sich auch nicht mit einer „Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit“ begründen, weil diese die Gefahr nicht erhöht. Ansatzpunkt für den Fortbestand der Zustandshaftung kann allein sein, daß die Zurechnung nicht mit Verlust des Eigentums entfällt. 15. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß sich ein Grundeigentümer nicht durch eine sittenwidrige Veräußerung seines kontaminierten Grundstücks an eine weitgehend vermögenslose Person seiner Zustandshaftung entziehen kann, wenn diese vorrangig darauf ziele, die Sanierungskosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Nach der Rechtsprechung ist die Einigung in derartigen Fällen sittenwidrig, so daß der Veräußerer weiterhin als gegenwärtiger Eigentümer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden könne (sog. ökologische Sittenwidrigkeit). Die Dereliktion und die Fälle der ökologischen Sittenwidrigkeit verdeutlichen, daß ein Bedürfnis für einen Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust besteht.

5. Teil: Zusammenfassende Thesen

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Die Opferfälle als Folge einer zu weiten Zustandsverantwortlichkeit 16. Die Zustandsverantwortlichkeit ist das strengste Haftungsinstitut des deutschen Rechts, weil sie den Zustandsstörer nach herkömmlichem Verständnis auch dann zum Einsatz seines (nahezu) gesamten Vermögens verpflichtet, wenn der Zustandsstörer selbst Opfer der Gefahr ist. So soll ein Grundeigentümer nach tradiertem Verständnis auch für Bodenkontaminationen verantwortlich sein, die Folge einer Fremdeinwirkung sind, wie z. B. bei Tankwagenunfällen, bei Vandalismus oder bei der Ablagerung wilden Mülls. Die tradierte Zustandsverantwortlichkeit ist damit strenger als die Verhaltensverantwortlichkeit und die zivilrechtliche Haftung hinaus, weil sie weder an die Verursachung der Gefahr noch an die Schaffung oder an die Aufrechterhaltung einer besonderen Gefahrenlage anknüpft. Mit der weiten Fassung des Tatbestands und der Rechtsfolgen der Zustandsverantwortlichkeit bezweckt der Gesetzgeber eine weitgehende Schonung der öffentlichen Haushalte, wenn der Verursacher der Gewässer- oder Bodenkontaminationen nicht feststellbar oder zur alleinigen Kostentragung nicht in der Lage ist. Fiskalische Interessen können als solche jedoch keine Zurechnung begründen. 17. Die herrschende Lehre sieht die unbegrenzte Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen als unbillig an, weil sie gegen das Gebot der gerechten Lastenverteilung verstoße. Das Gebot der gerechten Lastenverteilung ist eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes und des allgemeinen (rechtsstaatlichen) Gerechtigkeitsprinzips. Es besagt, daß die Lasten sowohl im Verhältnis zu anderen Störern als auch zur Allgemeinheit gerecht verteilt werden müssen. Aus ihm folgt, daß einem Eigentümer eine von seiner Sache ausgehende Gefahr nur zugerechnet werden kann, wenn er der Gefahr ähnlich nahe steht wie ein Verhaltensstörer, jedenfalls aber näher als die Allgemeinheit. 18. Im Laufe der vergangenen 50 Jahre ist in den sog. Kriegstrümmerfällen, den Tankwagenfällen und zuletzt in den Altlastenfällen in der Rechtsprechung und der Literatur wiederholt eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen diskutiert worden, ohne daß bisher eine befriedigende Lösung gefunden worden ist. 19. Das Dilemma der Opferfälle besteht darin, daß die Behörde dem Eigentümer eine Last auferlegt, die eigentlich der Verhaltensstörer oder – wenn dieser nicht in Anspruch genommen werden kann – die Allgemeinheit zu tragen hätte. Dieses Dilemma läßt sich – anders als von der früher herrschenden Meinung vertreten – nicht durch eine vorrangige Inanspruchnahme des Verhaltensstörers lösen, weil der Eigentümer danach ungeachtet seiner Opferposition unbeschränkt haftet, wenn ein Verhaltensstörer nicht greifbar oder nicht zur Kostentragung in der Lage ist. Dem Ei-

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5. Teil: Zusammenfassende Thesen

gentümer ist auch nicht mit einem Regreßanspruch gegen den Verhaltensstörer geholfen, weil dieser in den genannten Fällen regelmäßig nicht wirtschaftlich durchsetzbar ist. Eine Lösung der Opferfälle kann vielmehr nur gelingen, wenn die Opferfälle tatbestandlich aus der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen werden und man die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen auf eine Duldungspflicht begrenzt. 20. Gegen eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen kann nicht eingewandt werden, daß hierdurch die effektive Gefahrenabwehr beeinträchtigt werde. Das Effektivitätsgebot spielt nur bei der Heranziehung eines Störers zur Gefahrenabwehr eine Rolle. Hat die Behörde die Gefahr hingegen abgewehrt, so läßt sich die Inanspruchnahme eines Störers zur Kostentragung – mangels Gefahr – nicht mit Effektivitätsgesichtspunkten begründen. Die Entscheidung über die Kostentragung hat sich allein am Gebot der gerechten Lastenverteilung zu orientieren. Ist ein Eigentümer Opfer der Gefahr, so widerspräche seine Heranziehung zu den Kosten der Lastengerechtigkeit. Aber auch bei der Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr wird das Effektivitätsgebot in den Umweltschadensfällen überschätzt. Die Umweltschadensfälle zeichnen sich dadurch aus, daß der Eigentümer regelmäßig nicht persönlich zur Sanierung in der Lage ist, weil er nicht über das erforderliche Know-how verfügt. Er ist vielmehr darauf angewiesen, einen Spezialisten mit der Sanierung zu beauftragen. Der persönliche Beitrag des Eigentums an der Gefahrenabwehr besteht dann im wesentlichen in der Finanzierung. Die Auswahl, Beauftragung und Überwachung des Sanierungsunternehmens tritt dahinter von seiner Bedeutung zurück. Unter Effektivitätsgesichtspunkten ist es jedoch gleichgültig, ob die Behörde oder der Eigentümer den Spezialisten mit der Sanierung beauftragt. Auch die Entscheidung über die Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr ist daher am Gebot der gerechten Lastenverteilung auszurichten. Der Grundeigentümer ist in den Opferfällen demgemäß sowohl von der Gefahrenabwehr als auch von der Kostentragung freizustellen. 21. Allerdings muß die Behörde auch in den Opferfällen das Grundstück gegen den Willen des Eigentümers betreten und Gefahrenabwehrmaßnahmen durchführen können, weil anderenfalls eine Abwehr der Gefahr nicht möglich wäre. Deshalb muß die Behörde auch solche Eigentümer, die selbst Opfer der Gefahr sind, als Störer – und damit auch außerhalb des polizeilichen Notstandes und ohne Entschädigung – zur Duldung verpflichten können. Der Eigentümer kann zur Duldung verpflichtet werden, selbst wenn er nicht zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung herangezogen werden kann. Denn zum einen greift die Duldungspflicht weniger stark in seine Eigentumsfreiheit ein und zum anderen kann die Gefahr nicht ohne

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Duldung des Eigentümers beseitigt werden. Es empfiehlt sich daher, die Duldungspflicht gegenüber der Gefahrenabwehr- und der Kostentragungspflicht zu verselbständigen und hiervon gesondert gesetzlich zu verankern, wie dies inzwischen in der Mehrzahl der Landesaltlastengesetze bereits geschehen ist.

Die Zurechnung der Gefahr 22. Bei der Zurechnung geht es darum, aus der Vielzahl der Ursachen oder Ursachenketten diejenigen herauszufiltern, die maßgebend zur Entstehung der Gefahr beigetragen haben. Die Zurechnung knüpft sowohl bei der Verhaltens- als auch bei der Zustandsverantwortlichkeit an die Verursachung einer Gefahr an. Während die Rechtsprechung und die Lehre bei der Verhaltensverantwortlichkeit inzwischen hinreichend geklärt haben, unter welchen Voraussetzungen jemand als Verursacher einer Gefahr anzusehen ist, sind die Zurechnungskriterien bei der Zustandsverantwortlichkeit bisher nicht zufriedenstellend herausgearbeitet worden. 23. Wie die Verhaltensverantwortlichkeit zeigt, gibt die Kausalität allein keinen hinreichenden Aufschluß über die maßgebende Ursache der Gefahr. Erforderlich ist daneben eine wertende Betrachtung. Bei der Verhaltensverantwortlichkeit rechnet die herrschende Meinung im Regelfall demjenigen die Gefahr zu, der die zeitlich letzte Ursache für ihren Eintritt gesetzt hat. Allerdings erkennt die herrschende Meinung bei der Verhaltensverantwortlichkeit Ausnahmen von der Theorie der unmittelbaren Verursachung an, wie die Rechtsfiguren der latenten Gefahr und der Zweckveranlassung verdeutlichen. Bei diesen wird die Zurechnung anhand einer wertenden Betrachtung vorgenommen. Aber auch über diese Rechtsfiguren hinaus nimmt die herrschende Meinung die Zurechnung bei der Verhaltensverantwortlichkeit implizit durch wertende Betrachtung vor. 24. Nach der herrschenden Meinung soll bei der Zustandsverantwortlichkeit hingegen die Theorie der unmittelbaren Verursachung uneingeschränkt gelten, so daß stets von derjenigen Sache die Gefahr ausgehen solle, welche die zeitliche letzte Ursache für den Eintritt der Gefahr bilde. Eine wertende Betrachtung nimmt die herrschende Meinung bei der Zustandsverantwortlichkeit nicht vor. 25. Bei Kontaminationen des Bodens oder von Oberflächengewässern rechnet die herrschende Meinung dem Grundeigentümer deshalb die Gefahr zu, weil er durch die feste Verbindung des Gefahrstoffs mit dem Grundstück gemäß §§ 946, 93 f. BGB Eigentum an der verbundenen Sache, d.h. dem kontaminierten Grundstück erlangt. Damit rechnet die herrschende Mei-

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nung bei der Verbindung des Gefahrstoffs mit einer ungefährlichen Sache (dem Grundstück) dem Eigentümer der ungefährlichen Sache die Gefahr zu, während der Eigentümer der gefährlichen Sache aus der Verantwortung entlassen wird. 26. Wie inkonsequent dieser Begründungsansatz ist, zeigt sich bei der Zurechnung von Gefahren für das Grundwasser. Geht von einer Bodenkontamination eine Gefahr für das Grundwasser aus, so müßte – bei konsequenter Handhabung – nach der herrschenden Meinung eigentlich der Eigentümer des Grundwassers – und damit gerade nicht der Grundeigentümer – zustandsverantwortlich sein, weil der Eigentümer des Grundwassers durch die Vermischung des Gefahrstoffs mit dem Grundwasser Eigentum an der vermischten Sache erlangt hat. Gleichwohl sieht die herrschende Meinung in diesen Fällen den Grundeigentümer als Zustandsstörer an. 27. Die Regelungen der §§ 946 ff. BGB über die Eigentumszuordnung bei verbunden oder vermischten Sachen lassen sich nicht auf die Zurechnung einer Gefahr im Gefahrenabwehrrecht übertragen, weil ihnen eine andere Wertung zugrunde liegt. Folgerichtig lehnt es der Bundesgerichtshof bei der zivilrechtlichen Zustandshaftung nach § 1004 BGB ab, einem Eigentümer eine Gefahr nur deshalb zuzurechnen, weil er durch die Verbindung von Grundstück und Gefahrstoff gemäß § 946, 93 f. BGB Eigentum an der verbundenen Sache erlangt hat. §§ 946 BGB liegt das gemeinrechtliche Akzessionsprinzip (superficies solo credit) zugrunde. Durch die Zuweisung des Eigentums zu dem Eigentümer der dominierenden Sache – dem Grundeigentum – soll die wirtschaftliche Einheit der verbundenen Sache erhalten werden. Anders als im Sachenrecht ist der Grundeigentümer im Gefahrenabwehrrecht bei der Verbindung eines Gefahrstoffs mit dem Grundstück aber gerade nicht der Eigentümer der dominierenden Sache. Dominierend ist allein der Gefahrstoff (z. B. das Öl oder die Chemikalie). Von ihm allein geht bei naturwissenschaftlicher Betrachtung die Gefahr aus. Nach dem Dominanzgedanken muß daher dem Eigentümer des Gefahrstoffs und nicht dem Grundeigentümer die Gefahr zugerechnet werden. § 9 Abs. 1 S. 3 HmbSOG sieht demgemäß eine Zustandsverantwortlichkeit solcher Eigentümer von Gefahrstoffen vor, die ihr Eigentum durch Verbindung oder durch Vermischung verloren haben. 28. Wird der Boden oder ein Gewässer durch ein von außen auf das Grundstück einwirkendes Ereignis eines nicht nutzungsberechtigten Dritten verunreinigt, wie z. B. bei Tankwagenunfällen, so kann die Gefahr allein dem Eigentümer des Öls, nicht aber dem Grundeigentümer zugerechnet werden. Dieser kann jedoch entschädigungslos und auch außerhalb des poli-

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zeilichen Notstandes zur Duldung der Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet werden. 29. Hingegen muß sich der Grundeigentümer Gefahren zurechnen lassen, die bei der von ihm gestatteten oder geduldeten Nutzung des Grundstücks entstanden sind. Verpachtet oder vermietet er das Grundstück z. B. an den Betreiber einer Tankstelle, so muß er sich sämtliche Boden- oder Gewässerverunreinigungen zurechnen lassen, die Folge des Tankstellenbetriebes sind. Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist in diesem Fall, daß der Eigentümer sein Grundstück einem Dritten zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung überlassen und es hierdurch besonderen Risiken ausgesetzt hat. Der Grundeigentümer ist dann demjenigen gleichzustellen, der selbst die Tankstelle betrieben hat. Unbeachtlich ist, daß die Nutzungsüberlassung nicht die zeitlich letzte Ursache für die Entstehung der Gefahr darstellt. Wie die Rechtsfiguren des Zweckveranlassers und der latenten Gefahr zeigen, kommt es bei der Theorie der unmittelbaren Verursachung weniger auf die zeitliche Abfolge als auf eine wertende Betrachtung an. 30. Darüber hinaus kann einem Grundeigentümer eine Boden- oder Gewässerverunreinigung dann zugerechnet werden, wenn er bei Erwerb von der Kontamination wußte, weil er die Gefahr in Kauf genommen hat. Er muß sich so behandeln lassen wie der Erwerber eines Gefahrstoffs, der mit den Vorteilen des Gefahrstoffs auch die hiervon ausgehenden Umweltrisiken übernimmt. Der positiven Kenntnis von der Verunreinigung ist die grob fahrlässige Unkenntnis gleichzustellen, weil derjenige, der die Augen vor der Gefahr verschließt, die Gefahr billigend in Kauf nimmt. Grobe Fahrlässigkeit liegt insbesondere vor, wenn der Erwerber weiß, daß das Grundstück als Altlastenverdachtsfläche im Altlastenkataster eingetragen ist oder es in einer mit besonderen Umweltrisiken verbundenen Weise (z. B. als Mülldeponie, als Chemiefabrik oder als chemische Reinigung) genutzt worden ist. Der Erwerber handelt ferner dann grob fahrlässig, wenn er Indizien für eine Verunreinigung – wie z. B. Öllachen auf dem Grundstück – nicht zum Anlaß für eine Bodenuntersuchung nimmt. Hingegen begründet leicht fahrlässige Unkenntnis der Kontamination keine Zustandsverantwortlichkeit, weil dann von einer Übernahme der Gefahr keine Rede sein kann. 31. Kann einem Grundeigentümer unter den genannten Voraussetzungen eine Gefahr zugerechnet werden, so ist er nicht nur für die Verunreinigung des eigenen Bodens zustandsverantwortlich. Ihm können vielmehr auch hierdurch verursachte Kontaminationen des Grundwassers oder benachbarter Grundstücke zugerechnet werden. Als Störer ist der Grundeigentümer nämlich nicht nur zur Beseitigung der Störungsquelle, sondern auch zur

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Beseitigung der von seinem Grundstück ausgehenden Störungsfolgen verpflichtet. Zu demselben Ergebnis gelangen der Bundesgerichtshof und die herrschende Lehre bei der zivilrechtlichen Zustandshaftung nach § 1004 Abs. 1 BGB. 32. Hingegen muß sich der Eigentümer des Nachbargrundstücks eine Bodenverunreinigung nicht zurechnen lassen, die ihren Ursprung auf dem angrenzenden Grundstück hat und bei der sich der Gefahrstoffe über den Boden oder über das Grundwasser auf sein Grundstück ausgedehnt hat. Insoweit handelt es sich um die Fremdeinwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten, die keine Zurechnung begründet.

Die verfassungsrechtliche Einordnung der Zustandsverantwortlichkeit 33. Sowohl die Inanspruchnahme des Eigentümers als Zustandsstörer als auch die Auferlegung einer abstrakten Polizeipflicht stellen einen Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG dar. Gleiches gilt für den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und andere dinglich oder obligatorisch Berechtigte, weil auch ihre Rechtsposition als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist. 34. Die Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums dar. Bei der Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums muß der Gesetzgeber einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Eigentümers an einer privatnützigen Verwendung seines Eigentums und den Gemeinschaftsinteressen herstellen und insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten. 35. Darüber hinaus gebietet das allgemeine Willkürverbot, daß einem Eigentümer eine Gefahr nur zugerechnet werden kann, wenn hierfür ein sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. Maßstab hierfür ist, ob der Eigentümer der Gefahr ähnlich nahe steht wie der Verursacher, jedenfalls aber näher als die Allgemeinheit.

Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit 36. Kann einem Grundeigentümer unter Kapitel 5 genannten Voraussetzungen eine Boden- oder Gewässerkontamination nicht zugerechnet werden, so wäre es willkürlich und verstieße gegen das allgemeine Willkürverbot, wenn der Grundeigentümer gleichwohl zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet werden könnte. Es ist daher zu klären, warum

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dem Grundeigentümer die Gefahr unter den genannten Voraussetzungen zugerechnet werden kann. Fehlt es an einem Rechtsgrund, so ist die Zustandsverantwortlichkeit verfassungswidrig und muß daher verfassungskonform reduziert werden. 37. Der Rechtsprechung und Lehre ist es bisher nicht gelungen, den Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit herauszuarbeiten. 38. Die heute herrschende Meinung begründet die Zustandsverantwortlichkeit wie schon das Preußische Oberverwaltungsgericht und die frühe Verwaltungsrechtslehre in erster Linie mit der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft. Dem Eigentümer werden auf diese Weise sämtliche Gefahren zugerechnet, die von dem Grundstück ausgehen. Die herrschende Meinung verkennt, daß die Einwirkungsmöglichkeit lediglich Tatbestandsvoraussetzung, nicht jedoch Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist. Daß dem Eigentümer die Abwehr der Gefahr möglich ist, sagt nichts darüber aus, ob er zur Abwehr verpflichtet ist. Ebensowenig begründet die Möglichkeit, den Gefahreneintritt zu verhindern, eine entsprechende Garantenpflicht. Im übrigen zeichnen sich Boden- und Gewässerverunreinigungen regelmäßig dadurch aus, daß sie von dem Grundeigentümer weder verhindert noch persönlich beseitigt werden können, weil ihm hierzu zumeist das erforderliche Know-how fehlt. Seine Einwirkungsmöglichkeit ist dann nicht größer als die eines beliebigen Bürgers. 39. Die herrschende Meinung begründet die Zustandsverantwortlichkeit zudem damit, daß der Eigentümer den Nutzen aus der Sache ziehen könne und daher auch die mit der Sache verbundenen Lasten tragen müsse, zu denen auch die Kosten der Gefahrenabwehr gehören. Auch die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis führt dazu, daß dem Eigentümer sämtliche Gefahren zurechnet werden, von denen sein Grundstück betroffen ist. Diese Lehre vermag nicht zu erklären, weshalb der Eigentümer – wie z. B. in den Tankwagenfällen – für Gefahren einstehen soll, die in keinerlei Beziehung zu der Nutzung des Grundstücks stehen. Ebensowenig kann diese Lehre begründen, weshalb der Erwerber eines bereits kontaminierten Grundstücks zustandsverantwortlich sein soll, weil die Vorteile der gefährlichen Nutzung dem Alteigentümer zugeflossen sind. Die Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis verkennt überdies, daß nicht nur derjenige Eigentümer, der aus einer gefährlichen Nutzung einen Vorteil zieht, sondern jeder Eigentümer, der sein Grundstück einer gefährlichen Nutzung aussetzt, zustandsverantwortlich ist. Unerheblich ist, ob er hierfür ein Nutzungsentgelt erhält oder nicht. 40. Die von der herrschenden Meinung angeführten Rechtsgründe der Zustandsverantwortlichkeit sind nicht zur Lösung der Opferfälle geeignet,

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weil sie die Zustandshaftung nicht auf diejenigen Konstellationen begrenzen, in denen der Eigentümer der Gefahr ähnlich nahe steht wie der Verhaltensstörer, jedenfalls aber näher als jeder beliebige Dritte. Der insbesondere vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000 vertretene Ansatz, die Zustandsverantwortlichkeit im Einzelfall auf das noch zumutbare Maß zu begrenzen, verkennt, daß die Zustandsverantwortlichkeit insgesamt zu weit gefaßt ist. Fehlt ein Rechtsgrund, so kann der Eigentümer auch nicht eingeschränkt zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet werden. Grund der Unbilligkeiten in den Opferfällen ist gerade nicht das Übermaß der Belastung, sondern die willkürliche Belastung des Eigentümers. 41. Der Grundeigentümer hat eine Schutzpflicht für das Umweltmedium Boden, das in besonderer Weise der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG unterliegt. Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist zum einen, daß der Grundeigentümer an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, indem er sein Grundstück einem Dritten zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung überlassen hat. Ein Rechtsgrund fehlt hingegen dann, wenn der Grundeigentümer – wie z. B. bei einem Tankwagenunfall – Opfer der zufälligen Einwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten ist. 42. Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist zum anderen, daß der Erwerber eines Grundstücks, der von der Kontamination weiß oder hiervor grob fahrlässig die Augen verschließt, die mit dem Grundstück verbundenen Gefahren übernimmt. Es verstieße gegen das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des venire contra factum proprium, wenn der Eigentümer einerseits die Gefahr (billigend) in Kauf nimmt, sich jedoch andererseits weigert, für die Folgen einzustehen. Hat der Erwerber die Verunreinigung hingegen leicht fahrlässig verkannt, so kann ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden, weil er die Gefahr gerade nicht (billigend) in Kauf genommen hat.

Die Lösung der Opferfälle 43. Ein Eigentümer ist immer dann Opfer der Gefahr, wenn ihm die Gefahr nicht nach den oben genannten Kriterien zugerechnet werden kann. 44. Eine befriedigende Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen ist bisher nicht gelungen. Der Gesetzgeber ist im BundesBodenschutzgesetz der gebotenen Lösung der Opferproblematik ebenso ausgewichen wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16.2.2000.

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45. Da in den Opferfällen ein Rechtsgrund fehlt und daher eine Zurechnung der Gefahr willkürlich wäre, ist die Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform zu reduzieren. Der Eigentümer kann dann weder zur Gefahrenabwehr noch zur Kostentragung herangezogen werden. Er kann jedoch entschädigungslos und ohne daß die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vorliegen müssen zur Duldung der Gefahrenabwehr verpflichtet werden. Dies hat seinen Grund darin, daß die bloße Pflicht zur Duldung mit einem deutlich geringeren Eingriff in das Eigentumsgrundrecht verbunden ist als die Auferlegung der (regelmäßig mit sehr hohen Kosten verbundenen) Gefahrenabwehr- und Kostentragungspflicht. Zudem wäre eine Gefahrenabwehr nicht möglich, wenn der Eigentümer nicht zur Duldung verpflichtet werden könnte. Hingegen kann und wird die Sanierung (nahezu ausnahmslos) von einem zu beauftragenden Sanierungsunternehmen durchgeführt werden, weil nur dieses über das erforderliche Knowhow verfügt. 46. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 16.2.2000 offen gelassen, in welcher Weise die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen zu begrenzen ist. Die Ausführungen des Gerichts, daß die Gefahr in den Fremdeinwirkungsfällen oder bei Naturereignissen außerhalb der Verantwortungssphäre des Eigentümers liegt, deuten allerdings darauf hin, daß das Bundesverfassungsgericht in den Opferfällen einer Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht zuneigt. 47. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluß vom 16.2.2000 außerhalb der Opferfälle für eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Grundeigentümers ausgesprochen. Nach seinem sog. Stufenmodell ist die Zustandshaftung des Grundeigentümers grundsätzlich auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks begrenzt. Für eine weitergehende Begrenzung auf den Wert der künftigen Nutzungen spricht sich das Bundesverfassungsgericht bei Eigentümern aus, bei denen das kontaminierte Grundstück den wesentlichen Teil ihres Vermögens darstellt. Demgegenüber sollen Eigentümer, die ihr Grundstück einem Dritten zu einer gefährlichen Nutzung überlassen haben oder bei Erwerb eines bereits kontaminierten Grundstücks bösgläubig waren, mit dem Grundstück und mit dem damit zusammenhängenden Betriebsvermögen haften. Eine Zustandshaftung mit dem (nahezu) gesamten Vermögen lehnt das Bundesverfassungsgericht hingegen ab. 48. Das Stufenmodell des Bundesverfassungsgerichts ist abzulehnen. Es ist bereits im Ansatz verfehlt, weil es die Zustandshaftung in eine Einstandspflicht mit dem in dem Grundstück verkörperten Geldwert umdeutet. Der Eigentümer soll die Sanierungskosten grundsätzlich aus der Veräußerung des sanierten Grundstücks finanzieren können. Tatsächlich stellt die Zu-

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standshaftung jedoch – wie jede andere Haftung auch – eine Einstandspflicht mit dem gesamten Vermögen dar. Die Höhe der Kostenpflicht sollte nicht vom Verkehrswert des sanierten Grundstücks, sondern allein vom Grad der Verantwortung abhängen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb z. B. ein Eigentümer, der sein Grundstück dem Betreiber einer Sondermülldeponie verpachtet hat, wenn hierdurch der Boden kontaminiert worden ist, einen Teil der Sanierungskosten auf die Allgemeinheit abwälzen können soll. Das Stufenmodell führt im übrigen zu zufälligen Ergebnissen, weil nach ihm z. B. der bösgläubige Erwerber einer Parzelle im Außenbereich wegen des geringeren Verkehrswertes niedrigere Sanierungskosten tragen müßte als ein gutgläubiger Erwerber im bebauten Innenbereich. Das Stufenmodell führt schließlich dazu, daß Zustandsstörer regelmäßig nur noch zur Kostentragung, nicht aber zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden können.

Das Störerrecht als öffentlich-rechtliches Haftungsrecht 49. Das Störerrecht ist öffentlich-rechtliches Haftungsrecht. Ihm kommt daher vornehmlich eine Lastenverteilungsfunktion zu. 50. Das zivilrechtliche Haftungsrecht geht bei der Lastenverteilung zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vom Geschädigtenprinzip aus. Entsprechend dem römisch-rechtlichen Grundsatz „casum sentit dominus“ hat danach grundsätzlich der Geschädigte den Schaden zu tragen, sofern der Schaden nicht einem Schädiger zugerechnet werden kann. 51. Überträgt man das Geschädigtenprinzip auf das Störerrecht, so müßte grundsätzlich die Allgemeinheit für die Kosten der Gefahrenabwehr aufkommen. Da es im Gefahrenabwehrrecht um den Schutz der öffentlichen Sicherheit geht, ist die Allgemeinheit und nicht etwa der Eigentümer, dessen Grundstück kontaminiert ist, Geschädigter. Das geltende Störerrecht geht hingegen zu Unrecht davon aus, daß die Allgemeinheit nur im Ausnahmefall, wenn weder ein Verhaltens- noch ein Zustandsstörer greifbar oder zur Gefahrenabwehr in der Lage ist, die Kosten zu tragen hat. Dabei gerät leicht aus dem Blickwinkel, daß die Zuweisung der Gefahrenabwehrpflicht zu einem Störer nur möglich ist, wenn diesem die Gefahr willkürfrei zugerechnet werden kann. Bei der Diskussion um die Lösung der Opferfälle kann es daher nicht – wie von der herrschenden Meinung behauptet – um eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen gehen. Der dogmatisch richtige Ansatz besteht vielmehr genau umgekehrt darin, ob einem Eigentümer die Gefahr zugerechnet werden kann. Da dies in den Opferfällen zu verneinen ist, hat die Allgemeinheit

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die Kosten der Gefahrenabwehr zu tragen, wenn ein Verhaltensstörer nicht herangezogen werden kann. 52. Aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Verursacherprinzip lassen sich Rückschlüsse für die Zurechnung von Gefahren im Störerrecht ziehen, wenn man das Verursacherprinzip, anders als von der herrschenden Lehre in der Rechtswissenschaft vertreten, nicht auf eine bloße rechtspolitische Maxime reduziert, die dem Gesetzgeber vor Augen führen soll, daß nicht die Allgemeinheit, sondern der Verursacher für die Kosten von Umweltschäden aufkommen soll. Aufgabe des wirtschaftswissenschaftlichen Verursacherprinzips ist es, die sog. externen Kosten, die bei einer Umweltschädigung entstehen, dem jeweiligen Verursacher zuzuweisen, um die Allgemeinheit oder unbeteiligte Dritte von diesen Kosten zu entlasten und einen Anreiz zur Vermeidung von Umweltschädigungen zu schaffen. Externe Kosten können nur durch menschliches Verhalten verursacht werden. So verursacht nur derjenige, der wilden Müll ablagert, externe Kosten, nicht aber der Eigentümer, auf dessen Grundstück der Müll abgelagert wird. Denn nur von einer Heranziehung des Ablagerers geht eine verhaltenssteuernde Wirkung aus. Anders zu beurteilen ist hingegen die Lage, wenn der Eigentümer dem Dritten die Ablagerung des Mülls auf seinem Grundstück gestattet hat. Da der Eigentümer in diesem Fall für die Entstehung der Gefahr mitursächlich ist, geht auch von seiner Inanspruchnahme eine verhaltenssteuernde Wirkung aus. Für die Zustandsverantwortlichkeit folgt hieraus, daß solchen Eigentümern die Gefahr zugerechnet werden kann, die für die Gefahrentstehung mitursächlich sind, weil sie das Grundstück einer umweltgefährdenden Nutzung ausgesetzt haben. Hierzu gehören insbesondere die Fälle, in denen der Eigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer gefährlichen Anlage (wie z. B. einer Fabrik, einem Gewerbebetrieb oder einer Deponie) zur Nutzung überlassen hat und durch den Betrieb eine Verunreinigung des Bodens oder eines Gewässers hervorgerufen wird. 53. Auch im zivilrechtlichen Haftungsrecht ist die Mitursächlichkeit an der Gefahrentstehung als Zurechnungsgrund anerkannt. So haftet ein Eigentümer nach §§ 833 S. 2, 836 Abs. 1 BGB, wenn er gebotene Sicherungsmaßnahmen zum Schutz einer erkennbar gefährlichen Sache unterläßt. Bei der Gefährdungshaftung haftet der Eigentümer dann, wenn er eine Gefahrenquelle zu eigenem Nutzen schafft, unterhält oder kontrolliert. Bei der actio negatoria macht die herrschende Meinung die Zurechnung schließlich davon abhängig, daß der Eigentümer die Gefahr mitverursacht hat. 54. Aus dem Schutzzweck der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung lassen sich zudem Rückschlüsse für die Grenzen einer Zurechnung im Störerrecht ziehen. So ist bei der Gefährdungshaftung anerkannt, daß eine Scha-

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denersatzpflicht nur besteht, wenn sich eine Gefahr verwirklicht, die Folge der geschaffenen Gefahrenquelle ist. Weder bei der Gefährdungshaftung noch im Störerrecht können dem Eigentümer daher Gefahren zugerechnet werden, die Folge eines Naturereignisses oder der Fremdeinwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind. 55. Aus dem Verursacherprinzip läßt sich hingegen keine Einstandspflicht des Erwerbers eines kontaminierten Grundstücks ableiten, weil dieser nicht an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt und damit keine externen Kosten verursacht hat. Jedoch läßt sich z. B. aus § 442 BGB beim Gewährleistungsrecht des Käufers der Grundsatz entnehmen, daß derjenige, der eine mangelhafte Sache erwirbt und dabei den Mangel kennt oder grob fahrlässig verkennt, sich nicht auf die Mangel berufen kann, weil er den Mangel (billigend) in Kauf genommen hat. Dieser Grundsatz läßt sich auch auf das Störerrecht übertragen und führt dazu, daß dem Erwerber einer kontaminierten Sache die Gefahr dann zugerechnet werden kann, wenn er von der Kontamination wußte oder dies grob fahrlässig verkannt hat.

Die Fortentwicklung der Zustandsverantwortlichkeit durch die Landesaltlastengesetze sowie durch die Entwürfe zu einem Umweltgesetzbuch 56. Da das herkömmliche polizei- und ordnungsrechtliche Instrumentarium zur Lösung der Altlastenprobleme nicht geeignet war, schufen nahe alle Bundesländer in den 90er Jahren eigenständige Landesaltlastengesetze. Ein Teil dieser Landesaltlastengesetze enthielt vom traditionellen Störerrecht abweichende Regelungen. Reformimpulse gingen daneben auch von den bodenschutzrechtlichen Vorschlägen des Professoren- und des Kommissionsentwurfs zu einem Umweltgesetzbuch aus. 57. Mit § 12 Abs. 1 Ziff. 5 HAltlastG hat erstmals ein deutscher Landesgesetzgeber die Zustandsverantwortlichkeit im Falle des gutgläubigen Erwerbs begrenzt. Danach konnte der Erwerber eines kontaminierten Grundstücks weder zur Gefahrenabwehr noch zur Kostentragung verpflichtet werden, wenn er bei Erwerb die Kontamination weder kannte noch kennen mußte. Seine Zustandsverantwortlichkeit war in diesen Fällen auf eine Duldungspflicht begrenzt. Demgegenüber schlägt § 348 Abs. 5 UGB-KomE vor, daß die Zustandsverantwortlichkeit des gutgläubigen Erwerbers zwar bestehen bleibt, die von ihm zu tragenden Sanierungskosten jedoch nicht den privatnützigen Gebrauch des Grundstücks ausschließen dürfen. Dies sei anzunehmen, wenn die Sanierungskosten den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigen.

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58. Eine Reihe von Landesaltlastengesetzen ließ die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers zu Recht nicht mit Verlust des Eigentums entfallen. Allerdings enthielt keine der Regelungen ein dogmatisch tragfähiges Konzept. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers läßt sich nur als Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit des gegenwärtigen Eigentümers begründen. Demgemäß kann dem früheren Eigentümer die Gefahr nur unter denselben Voraussetzungen zugerechnet werden wie dem gegenwärtigen Eigentümer. Die Einstandspflicht des früheren Eigentümers läßt sich nicht damit begründen, daß sie eine Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit verhindern soll, weil die Übertragung des Grundstücks die Gefahr nicht erhöht. Kann einem gegenwärtigen Eigentümer die Gefahr nicht zugerechnet werden, weil er sich in einer Opferposition befindet, so wird er auch nicht zustandsverantwortlich, wenn er das Grundstück veräußert. 59. Sämtliche Landesaltlastengesetze verselbständigen die Duldungspflicht des Grundeigentümers sowie sonstiger Berechtigter (wie z. B. des Gewalthabers und des Erbbauberechtigten). Diese können nunmehr auch dann zur Duldung von Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden, wenn sie nicht als Zustandsstörer zur Sanierung oder zur Kostentragung verpflichtet werden können. Damit tragen die Landesaltlastengesetze dem Umstand Rechnung, daß die Duldungspflicht den Eigentümer weniger belastet als die Gefahrenabwehr- und die Kostentragungspflicht. Da eine effektive Gefahrenabwehr nur möglich ist, wenn sie auch gegen den Willen des Grundeigentümers durchgeführt werden kann, muß der Eigentümer aufgrund der Sozialbindung des Eigentums auch in den Opferfällen zur Duldung verpflichtet werden können. 60. Zahlreiche Landesaltlastengesetze haben die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit mit der Wertausgleichspflicht schließlich um eine neue Rechtsfigur bereichert. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, daß der Grundeigentümer ungerechtfertigt bereichert wird, wenn ein Dritter das kontaminierte Grundstück saniert und hierdurch den Verkehrswert erhöht. Die Wertausgleichsregelungen der Landesaltlastengesetze wichen im einzelnen erheblich voneinander ab. Die meisten Gesetze beschränkten die Wertausgleichspflicht auf Fälle, in denen die öffentliche Hand das Grundstück saniert hat. Der Grundeigentümer war dann zum Ausgleich des sanierungsbedingten Wertzuwachses verpflichtet. Der Anspruch auf Wertausgleich ruhte nach einem Teil der Landesaltlastengesetze als öffentliche Last auf dem Grundstück. Dies hatte zur Folge, daß sich die öffentliche Hand in der Zwangsvollstreckung vor anderen Grundpfandgläubigern befriedigen konnte.

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Das Störerrecht des Bundes-Bodenschutzgesetzes 61. Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat mit seinem Inkrafttreten am 1.3.1999 die Störerregelungen der Landesaltlastengesetze bzw. der Landespolizeigesetze verdrängt. Das Bundes-Bodenschutzgesetz hat nur einen Teil der Reformansätze der Landesaltlastengesetze übernommen. Einer Lösung der Opferproblematik ist der Bundesgesetzgeber ausgewichen. 62. Der Gesetzgeber hat es versäumt, eine explizite Regelung über die Störerauswahl im Falle der Störermehrheit zu schaffen. Aus der historischen und der teleologischen Auslegung des § 4 Abs. 3 BBodSchG folgt jedoch, daß der Verhaltensstörer regelmäßig vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen ist, sofern nicht Gründe der effektiven Gefahrenabwehr etwas anderes gebieten. Diese Ausnahme ist eng auszulegen. Diese grundsätzliche Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit gegenüber der Verhaltensverantwortlichkeit ist Ausfluß des Verursacherprinzips und des Gebots der gerechten Lastenverteilung. 63. In den Umweltschadensfällen sind kaum Fälle denkbar, in denen eine Inanspruchnahme des Zustandsstörers mit der Effektivität der Gefahrenabwehr begründet werden kann, weil sowohl der Verhaltens- als auch der Zustandsstörer regelmäßig ein Sanierungsunternehmen mit der Gefahrenabwehr beauftragen müssen. Dann geht es jedoch nur um die Frage, wer die Sanierungskosten zu tragen hat. Dies ist ausschließlich eine Frage der gerechten Lastenverteilung. 64. Die Behörde kann nicht schon deshalb einen Zustandsstörer in Anspruch nehmen, weil dieser leistungsfähiger oder leichter zu ermitteln ist als der Verursacher. Die Behörde hat vielmehr entsprechend dem Amtsermittlungsgrundsatz allen nicht ganz fernliegenden Indizien nach möglichen Verursachern nachzugehen und hierbei insbesondere Verursachungsermittlungsmaßnahmen (wie z. B. Probebohrungen) durchzuführen. In Fällen, in denen der positive Nachweis der Verursachung nicht zu erbringen ist, greifen Beweiserleichterungen. Hierbei reicht es aus, daß die Verursachung nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise Folge der konkreten Nutzung ist. Haben mehrere Pächter das Grundstück in gleichartiger Weise genutzt und war das Verhalten eines jeden zur Verunreinigung des Bodens geeignet, so ist entsprechend § 830 Abs. 1 S. 2 BGB jeder der Pächter vorrangig vor einem Zustandsstörer heranzuziehen. 65. Die Behörde handelt ermessensfehlerhaft, wenn sie die Inanspruchnahme eines Zustandsstörers damit begründet, daß sich der Verursacher in finanziellen Schwierigkeiten befindet. In derartigen Fällen hat die Behörde vielmehr die Gefahr selbst oder durch einen Beauftragten abzuwehren, die Kosten gegenüber dem Verhaltensstörer festzusetzen und soweit möglich

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zu vollstrecken. Nur soweit sich Kosten trotz Vollstreckung als nicht einbringlich erweisen, kann sie den Zustandsstörer zur Kostentragung verpflichten. 66. Mit § 24 Abs. 2 BBodSchG hat der Gesetzgeber erstmals einen bundesweiten Ausgleichsanspruch bei einer Störermehrheit geschaffen. Der Ausgleichsanspruch ist Ausfluß des Verursacherprinzips und des Gebots der gerechten Lastenverteilung. Hat die Behörde einen Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr verpflichtet, so kann dieser regelmäßig von dem Verhaltensstörer Ersatz der ihm entstandenen Kosten verlangen, weil es nach § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG grundsätzlich auf die jeweiligen Verursachungsbeiträge ankommt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich oder konkludent eine andere Kostenverteilung vereinbart haben – wie beim Erwerb eines kontaminierten Grundstücks gegen Preisnachlaß. Mehrere Verhaltensstörer haften dem Zustandsstörer als Gesamtschuldner, so daß dieser einen beliebigen Verhaltensstörer auf Ersatz seiner gesamten Sanierungskosten in Anspruch nehmen kann. 67. Dem Zustandsstörer kommen, wie vom Bundesgerichtshof zutreffend dargelegt, im Rahmen des § 24 Abs. 2 BBodSchG Beweiserleichterungen zugute, wenn ein positiver Nachweis der Verursachung nicht erbracht werden kann. Hierbei gelten dieselben Grundsätze wie im Rahmen der Störerauswahl (vgl. unter 64.). 68. Ein Zustandsstörer kann entsprechend § 24 Abs. 2 BBodSchG andere Zustandsstörer in Regreß nehmen, wenn die Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers nicht in Betracht kommt. Es würde gegen das Gebot der gerechten Lastenverteilung verstoßen, wenn der von der Behörde verpflichtete Zustandsstörer endgültig die gesamten Kosten tragen müßte, obwohl sein Verursachungsbeitrag nicht größer ist als der anderer Zustandsstörer. Für die Lastenverteilung unter Zustandsstörern kommt es auf die Nähe zur Gefahr an. Im Verhältnis zwischen einem bösgläubigen Erwerber und einem Eigentümer, der sein Grundstück einem Dritten zu einer umweltgefährdenden Nutzung überlassen hat, steht letzterer wegen seiner Mitwirkung an der Gefahrentstehung der Gefahr näher. 69. Nicht zu folgen ist der Auffassung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Lehre, die davon ausgehen, daß einem Verhaltensstörer unter keinen Umständen ein Ausgleichsanspruch gegen einen Zustandsstörer zustehen kann. Nach richtiger Ansicht kann ein Verhaltensstörer vielmehr dann einen Ausgleich der Sanierungskosten verlangen, wenn der Zustandsstörer von ihm das kontaminierte Grundstück gegen Preisnachlaß erworben hat und sich im Gegenzug zur Sanierung verpflichtet hat. Wie § 24 Abs. 2 S. 2 1. HS BBodSchG verdeutlicht, durchbricht hier die privatautonome Lastenverteilung das Verursacherprinzip.

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70. Nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG sind der gegenwärtige und der frühere Grundeigentümer, der gegenwärtige Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, der Derelinquent und der nach Handels- oder Gesellschaftsrecht Einstandspflichtige zustandsverantwortlich. Das Bundes-Bodenschutzgesetz kennt, anders als die meisten Landespolizeigesetze, keine Zustandsverantwortlichkeit sonstiger Berechtigter. Dies führt zu nicht sachgerechten Ergebnissen, wenn der mittelbare Besitzer (z. B. der Erbbauberechtigte) das Grundstück dem späteren Verursacher der Gefahr zur Nutzung überläßt. Der Kreis der Zustandsstörer sollte daher entweder um den mittelbaren Besitzer oder um den aus den Landespolizeigesetzen bekannten sonstigen Besitzer erweitert werden. 71. Für die Zustandsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG ist es dem Wortlaut zufolge ohne Bedeutung, wie die Gefahr entstanden ist. Der Grundeigentümer ist nach der gesetzlichen Regelung auch dann zustandsverantwortlich, wenn die Bodenkontamination durch ein Naturereignis oder durch eine Fremdeinwirkung hervorgerufen worden ist. Eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit im Falle des gutgläubigen Erwerbs sieht das Bundes-Bodenschutzgesetz nur für den früheren, nicht jedoch für den gegenwärtigen Eigentümer vor. Dies führt zu unvertretbaren Ergebnissen und läßt sich dogmatisch nicht tragfähig begründen. 72. Mit Beschluß vom 16.2.2000 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber zu einer Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit des Bundes-Bodenschutzgesetzes aufgefordert und den Behörden und den Gerichten für die Übergangszeit Grundsätze zur verfassungskonformen Auslegung und Anwendung an die Hand gegeben. Der Gesetzgeber sollte dies zum Anlaß für eine grundlegende Reform der Zustandsverantwortlichkeit nehmen. Die Zustandsverantwortlichkeit sollte in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs und in den Fremdeinwirkungsfällen auf eine Duldungspflicht begrenzt werden, weil insoweit eine Zurechnung der Gefahr nicht möglich ist. In allen übrigen Fällen sollte der Gesetzgeber an der hergebrachten unbegrenzten Zustandsverantwortlichkeit festhalten. Eine Begrenzung der Kostentragungspflicht auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks, für die sich das Bundesverfassungsgericht für den Regelfall ausgesprochen hat, ist weder verfassungsrechtlich geboten noch gefahrenabwehrrechtlich sinnvoll. 73. Mit der Einstandspflicht aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund gemäß § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG sollen Haftungslükken geschlossen werden, wenn der Eigentümer eines kontaminierten Grundstücks handels- oder gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten nutzt, um die Sanierungskosten mißbräuchlich auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

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74. Eine Einstandspflicht aus gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund besteht im Falle der rechtsmißbräuchlichen Unterkapitalisierung einer juristischen Person. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn die juristische Person zu dem alleinigen Zweck gegründet worden ist, das Eigentum an dem kontaminierten Grundstück zu übernehmen und wenn ihr Haftungskapital im krassen Widerspruch zu den zu erwartenden Sanierungskosten steht. Daneben kann es auch durch Unternehmensspaltung gemäß §§ 123, 131 UmwG zu einer Einstandspflicht aus gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund kommen. Überträgt z. B. eine Gesellschaft ihr kontaminiertes Grundstück im Wege der Spaltung auf eine (weitgehend vermögenslose) juristische Person, so ist neben der juristischen Person auch der übertragende Rechtsträger zustandsverantwortlich. Hingegen begründen weder die Sphärenvermischung noch die Konzernabhängigkeit eine Einstandspflicht gemäß § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG. Bei der Sphärenvermischung wird dem Gesellschafter lediglich im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Berufung darauf verwehrt, daß es sich bei dem betreffenden Vermögensgegenstand um sein Privatvermögen handelt. Bei der Konzernabhängigkeit ist das herrschende Unternehmen allein konzernintern dem beherrschten Unternehmen zum Verlustausgleich – bzw. bei faktischer Konzernabhängigkeit zum Schadenersatz – verpflichtet. Gläubiger des beherrschten Unternehmens können hieraus keine Ansprüche herleiten, so daß keine Einstandspflicht im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG vorliegt. 75. Eine Sanierungsverantwortlichkeit aufgrund einer handelsrechtlichen Einstandspflicht besteht, wenn jemand von einer juristischen Person ein Handelsgeschäft, zu dem auch das kontaminierte Grundstück gehört, erwirbt und unter der bisherigen Firma fortführt. Bis zur Umschreibung des Grundbuchs kann der Erwerber zwar nicht als Grundeigentümer, jedoch aufgrund seiner handelsrechtlichen Einstandspflicht zur Sanierung verpflichtet werden. Daneben ist auch derjenige sanierungsverantwortlich, der den wesentlichen Teil eines Handelsgeschäfts mit Ausnahme des kontaminierten Grundstücks erwirbt und unter der bisherigen Firma fortführt, weil dies ähnliche mißbräuchliche Gestaltungen ermöglicht wie z. B. bei der Spaltung. 76. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 3 S. 4 1. Alt. BBodSchG endet die Einstandspflicht aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund, wenn die juristische Person das Eigentum an dem kontaminierten Grundstück aufgibt oder es einem Dritten überträgt. Demgegenüber bleibt die juristische Person zustandsverantwortlich. Hierdurch wird dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet. Zudem ist das Auseinanderfallen dogmatisch verfehlt, weil die handels- oder gesellschaftsrechtliche Ein-

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standspflicht gerade bezweckt, daß der Einstandspflichtige in gleicher Weise haftet wie die juristische Person. De lege ferenda sollte der Einstandspflichtige daher solange zustandsverantwortlich sein wie die juristische Person. 77. Dem Derelinquenten kann die Gefahr nicht wegen der Eigentumsaufgabe oder deshalb zugerechnet werden, weil kein anderer Zustandsstörer vorhanden ist. Keiner dieser Umstände erhöht die Gefahr. Wie bei anderen Zustandsstörer auch kann ihm die Gefahr vielmehr nur zugerechnet, wenn er an ihrer Entstehung mitgewirkt oder eine bei Erwerb bereits vorhandene Gefahr billigend in Kauf genommen hat. Die Eigentumsaufgabe beendet nicht den hierdurch begründeten Zurechnungszusammenhang. War der Eigentümer hingegen Opfer der Gefahr, so kann ihm die Gefahr weder während seines Eigentums noch nach Eigentumsaufgabe zugerechnet werden. In beiden Fällen ist die Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform zu reduzieren. 78. Anders als nach den Polizeigesetzen der meisten Länder endet die Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten gemäß § 4 Abs. 3 S. 4 2. Alt. BBodSchG nicht, wenn der Staat sich das herrenlose kontaminierte Grundstück aneignet. Die Aneignung unterbricht nicht den durch die Mitwirkung an der Gefahrentstehung oder die (billigende) Übernahme der Gefahr begründeten Zurechnungszusammenhang. 79. Der Bundesgesetzgeber trägt mit der Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers dem Umstand Rechnung, daß es für die Zurechnung der Gefahr nicht auf die Fortdauer der Eigentümerstellung ankommt. 80. Der Gesetzgeber hat die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers gemäß § 4 Abs. 6 BBodSchG allerdings auf keine tragfähige dogmatische Grundlage gestellt. Die von der herrschenden Meinung hinsichtlich des gegenwärtigen Eigentümers angeführten Rechtsgründe der Zustandsverantwortlichkeit – die rechtliche oder die tatsächliche Sachherrschaft einerseits und die Nutzenziehung andererseits – vermögen den Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentumsverlust hinaus nicht zu rechtfertigen. Der Alteigentümer kann nämlich weder auf das Grundstück einwirken noch aus ihm weiterhin Nutzen ziehen. Ebensowenig kann dem früheren Eigentümer die Gefahr allein deshalb zugerechnet werden, weil er das Grundstück in Kenntnis der Bodenkontamination oder in fahrlässiger Unkenntnis hiervon einem Dritten überträgt, weil er hierdurch nicht die Gefahr erhöht. Auch entzieht er sich dann nicht der Zustandsverantwortlichkeit, wenn er als Opfer nicht für die Gefahr einzustehen hat. Dem (früheren) Eigentümer kann die Gefahr vielmehr nur zugerechnet werden, wenn er an ihrer Entstehung mitgewirkt oder sie bei Erwerb des kontaminierten Grundstücks (billigend) in Kauf

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genommen hat. Zu Recht nimmt § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG daher frühere Eigentümer von der Zustandsverantwortlichkeit aus, die das seinerzeit bereits kontaminierte Grundstück gutgläubig erworben haben. § 4 Abs. 6 BBodSchG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß auch frühere Eigentümer, die während ihres Eigentums Opfer der Fremdeinwirkung eines nicht nutzungsberechtigten Dritten geworden sind, nicht zustandsverantwortlich sind. 81. Ohne nachvollziehbaren Grund hat der Gesetzgeber eine Zustandsverantwortlichkeit nur für solche früheren Grundeigentümer eingeführt, die das kontaminierte Grundstück durch Rechtsgeschäft an einen Dritten übertragen haben. De lege ferenda sollte die Zustandsverantwortlichkeit auf alle früheren Eigentümer – und damit z. B. auch um solche, die ihr Eigentum durch staatlichen Hoheitsakt oder durch Gesamtrechtsnachfolge (z. B. durch Spaltung) verloren haben – erweitert werden. Die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers und des Derelinquenten sollte zusammengefaßt werden, weil sie auf demselben Zurechnungsgrund beruhen. 82. Als früherer Eigentümer ist nicht nur der unmittelbare Rechtsvorgänger des gegenwärtigen Grundeigentümers zustandsverantwortlich. Zustandsverantwortlich sind vielmehr sämtliche ehemaligen Eigentümer, die an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt oder sie bei Erwerb (billigend) in Kauf genommen haben, sofern sie ihr Eigentum nach dem 1.3.1999 verloren haben. Frühere Eigentümer können nur zur Sanierung solcher Kontaminationen verpflichtet werden, die bereits im Zeitpunkt ihres Eigentumsverlustes vorhanden oder dem Grunde nach angelegt waren.

Die Wertausgleichspflicht 83. Mit § 25 BBodSchG hat der Bundesgesetzgeber eine Wertausgleichspflicht des Grundeigentümers eingeführt. Die Mehrzahl der Landesaltlastengesetze enthielt eine vergleichbare Regelung. Sie beruht auf der Überlegung, daß der Grundeigentümer auf Kosten der Allgemeinheit bereichert wird, wenn die öffentliche Hand das Grundstück saniert und hierdurch den Verkehrswert erhöht. Der Wertausgleichsanspruch er-möglicht es der öffentlichen Hand, vom Grundeigentümer den sanierungs-bedingten Wertzuwachs bis zur Höhe der erforderlichen Sanierungskosten abzuschöpfen. 84. War der Grundeigentümer bei Erwerb des Grundstücks gutgläubig, so vermindert sich die Wertausgleichspflicht nach § 25 Abs. 4 S. 1 2. Alt. BBodSchG um seine Erwerbskosten, wenn er nicht von einem Dritten Er-

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satz für die kontaminationsbedingte Wertminderung erlangen kann. Bei gutgläubigen entgeltlichen Erwerbern entfällt die Wertausgleichspflicht hierdurch regelmäßig. 85. Hat der gutgläubige Eigentümer das Grundstück unentgeltlich erworben oder ist er Opfer eines nicht nutzungsberechtigten Dritten, so hat die Behörde nach § 25 Abs. 5 S. 1 2. Alt. BBodSchG zur Vermeidung von Unbilligkeiten von der Festsetzung der Wertausgleichspflicht abzusehen, es sei denn, der Eigentümer hat Ersatz für die kontaminationsbedingte Wertminderung erlangt. 86. Der Grundeigentümer, der von der Sanierung profitiert hat, ist der öffentlichen Hand auch dann zum Wertausgleich verpflichtet, wenn er das Grundstück veräußert oder sein Eigentum in sonstiger Weise verliert. Die Wertausgleichspflicht ruht zudem als öffentliche Last auf dem Grundstück. Dies hat zur Folge, daß die öffentliche Hand sich bei der Versteigerung des Grundstücks gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZVG vor rechtsgeschäftlichen Grundpfandgläubigern befriedigen kann. Die öffentliche Hand ist somit in bestmöglicher Weise gesichert. Die Wertausgleichspflicht erlangt in erster Linie durch die öffentliche Last Bedeutung, weil sie der öffentlichen Hand im Rang vor den anderen Grundpfandgläubigern den Zugriff auf das sanierte (und damit wieder werthaltige) Grundstück Objekt sichert.

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber 87. Eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Sie hat keine nennenswerte praktische Bedeutung. 88. Eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundschuldinhabers oder des Hypothekars für Bodenkontaminationen oder für hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen ist ausgeschlossen, weil das Bundes-Bodenschutzgesetz keine Zustandshaftung sonstiger Berechtigter kennt. Demgegenüber besteht bei reinen Gewässergefahren nach den Wassergesetzen einiger Länder eine Zustandsverantwortlichkeit des Grundpfandgläubigers als sonstiger Berechtigter. Diese setzt nach hier vertretener Ansicht allerdings voraus, daß sich der Grundpfandgläubiger die Sicherheit in Kenntnis der umweltgefährdenden Nutzung des Grundstücks – z. B. zur Herstellung von Chemikalien – bestellen lassen hat. Da dem Grundpfandgläubiger die Werterhöhung des Grundstücks durch den Anlagenbetrieb zugute kommt, muß er auch für die damit verbundenen Umweltrisiken einstehen.

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89. Erwirbt ein Grundpfandgläubiger ein kontaminiertes Grundstück in der Zwangsversteigerung, so ist er wie jeder andere Erwerber als Grundeigentümer zustandsverantwortlich. Für die Zustandsverantwortlichkeit ist die Motivation für den Erwerb des Grundstücks unbeachtlich. 90. Vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes konnten Grundpfandgläubiger nach Art. 68 a Abs. 4 BayWG und § 32 RhPfAbfG zum Ausgleich ihres sanierungsbedingten Vorteils verpflichtet werden, wenn die öffentliche Hand das kontaminierte Grundstück saniert hat. Das BundesBodenschutzgesetz kennt hingegen keine Vorteilsausgleichspflicht von Grundpfandgläubigern. Da allerdings der Anspruch auf Wertausgleich als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht und diese rechtsgeschäftlichen Pfandrechten in der Zwangsversteigerung vorgeht, werden Grundpfandgläubiger wirtschaftlich an den Sanierungskosten beteiligt. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil hierdurch mittelbar nur der Vorteil aus der Sanierung abgeschöpft wird, den der Grundpfandgläubiger auf Kosten der Allgemeinheit erlangt. 91. Hat sich ein Kreditgeber z. B. Fässer mit Chemikalien zur Sicherheit übereignen lassen, so kann er als Eigentümer zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden, wenn die Gefahrstoffe auszulaufen drohen.

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach US-amerikanischem Recht Der Kreis der Zustandsstörer 92. Nach US-amerikanischem Altlastenrecht gehören zum Kreis der Zustandsstörer der gegenwärtige und der frühere Grundeigentümer, der Derelinquent sowie der gegenwärtige und der frühere Besitzer des Grundstücks. Eine Zwitterstellung zwischen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit nimmt die Haftung des gegenwärtigen und des früheren Anlagenbetreibers ein. 93. Der gegenwärtige Eigentümer oder Besitzer des kontaminierten Grundstücks („current owner“) ist grundsätzlich für alle Gefahren verantwortlich, die bei Eigentumserwerb oder bei Besitzerlangung bereits vorhanden waren oder während der Stellung als owner entstanden sind. Dasselbe gilt für den Derelinquenten. Demgegenüber haftet der frühere Eigentümer oder Besitzer nur für Gefahren, die während seines Eigentums eingetreten sind. Die Zustandsverantwortlichkeit ist verursachungs- und verschuldensunabhängig.

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Die Haftungsfreistellung in den Opferfällen 94. Eine potentiell verantwortliche Partei kann Freistellung von der Haftung verlangen, wenn sie sich auf eine der fünf zugelassenen Einreden beruft und deren Tatbestandsvoraussetzungen nachweist. In den Opferfällen sind folgende drei Einreden von Bedeutung: 1. An act of God (höhere Gewalt), 2. die third party defense (Fremdeinwirkungseinrede) und 3. die innocent landowner defense (Einrede des gutgläubigen Erwerbs). 95. Die Einrede der höheren Gewalt hat bisher keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt, weil es für sie nicht ausreicht, daß die Kontamination durch ein Naturereignis hervorgerufen worden ist. Die Einrede setzt vielmehr voraus, daß die Kontamination durch eine unvorhergesehene Naturkatastrophe von außergewöhnlicher und unvermeidbarer Art hervorgerufen worden ist, deren Folgen nicht durch Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten vermieden werden können. 96. Nach der third party defense sind alle Eigentümer von der Zustandshaftung freigestellt, die Opfer eines nicht nutzungsberechtigten Dritten sind (wie z. B. bei einem Störfall auf dem Nachbargrundstück). Nach herrschender Meinung kann sich ein Eigentümer dann nicht mit Erfolg auf die Fremdeinwirkungseinrede berufen, wenn er sein Grundstück einem Dritten überlassen hat, selbst wenn dieser das Grundstück vertragswidrig nutzt. 97. Auf die innocent landowner defense kann sich mit Erfolg berufen, wer ein Grundstück erworben hat, ohne daß er bei Erwerb von der Kontamination wußte oder wissen mußte. Das US-amerikanische Recht stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der Gutgläubigkeit. Dieser Nachweis wird regelmäßig nur gelingen, wenn der Erwerber ein sog. Phase I Site Assessment durchgeführt hat. Bei diesem ist die Vornutzung des Grundstücks – z. B. durch Einsichtnahme in das Grundbuch oder durch Befragung von Anwohnern – zu erforschen, um hieraus Rückschlüsse auf mögliche Umweltschäden zu ziehen. Gesondert zu untersuchen ist, wie auf dem Grundstück mit Gefahrstoffen umgegangen worden ist. Zudem hat der Erwerber das Grundstück zu begehen und hierbei auf Anzeichen von Verunreinigungen zu achten. Besteht danach ein Kontaminationsverdacht, so sind im Rahmen eines Phase II Site Assessment Boden- und Grundwasseruntersuchungen durchzuführen. Bei gewerblichen Immobilien ist die Durchführung des Phase II Site Assessment in der Praxis Voraussetzung für den Nachweis der Gutgläubigkeit. Die Anforderungen des USamerikanischen Rechts an den Gutglaubensnachweis sind unverhältnismäßig hoch. Grund hierfür sind fiskalpolitische Motive. Die zu hohen Anforderungen sind umweltpolitisch kontraproduktiv, weil Investoren wegen der hohen Untersuchungskosten und des drohenden Haftungsrisikos von

5. Teil: Zusammenfassende Thesen

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dem Erwerb industriell oder gewerblich genutzter Grundstücke zurückschrecken. Damit wird der Erschließung neuer Industrie- und Gewerbegebiete, und das heißt der Zersiedelung, Vorschub geleistet.

Die Störerauswahl 98. Bei einer Störermehrheit kann die US-Umweltbehörde frei wählen, ob sie einen Verhaltens- oder einen Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung heranzieht. Im Regelfall nimmt sie den finanziell leistungsfähigsten Störer in Anspruch. In einer Verwaltungsrichtlinie hat sich die US-Umweltbehörde allerdings verpflichtet, die Eigentümer von Eigenheimen nur zu verpflichten, wenn eine Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers nicht in Betracht kommt. Nur bei Eigentümern von Eigenheimen trägt das US-amerikanische Recht dem Gebot der gerechten Lastenverteilung Rechnung. Dieses gebietet auch darüber hinaus eine Heranziehung des Verhaltens- vor dem Zustandsstörer.

Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit 99. Die Frage nach dem Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit wird im US-amerikanischen Recht nur selten gestellt. Zum Teil wird die Zustandshaftung damit begründet, daß der Eigentümer aus der sanierungsbedingten Verkehrswerterhöhung des Grundstücks einen Vorteil ziehe. Andere sehen als Rechtsgrund an, daß der Eigentümer durch die Überlassung des Grundstücks an den Verursacher an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt habe.

Das Superfund lien 100. Saniert die öffentliche Hand ein Grundstück, so steht ihr ein Kostenerstattungsanspruch gegen den gegenwärtigen Grundeigentümer zu, sofern dieser sich nicht in einer Opferposition befindet. Dieser Anspruch ist durch ein gesetzliches Grundpfandrecht („Superfund lien“) gesichert, das rechtsgeschäftlichen Grundpfandrechten im Rang vorgeht, wenn nur so eine vollständige Befriedigung der öffentlichen Hand sichergestellt werden kann. Hierdurch ist die öffentliche Hand bei Insolvenz des Grundeigentümers bestmöglich gesichert.

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5. Teil: Zusammenfassende Thesen

Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber 101. Eine Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber kommt nach USamerikanischem Recht nur noch in wenigen Fällen in Betracht. Gesicherte Kreditgeber sind regelmäßig durch die secured creditor exemption gemäß § 9601 (20)(A) U.S.C. von der Zustandshaftung ausgenommen. Danach ist nicht zustandsverantwortlich, wer ein Grundstück erwirbt, um seine Kreditsicherheit zu schützen, ohne am Management der auf dem Grundstück betriebenen Anlage mitzuwirken. Die Auslegung der secured creditor exemption gehörte ein Jahrzehnt lang zu den umstrittensten Fragen des USAltlastenrechts. In den 80er und 90er Jahren sorgten einige Gerichtsentscheidungen zur secured creditor exemption in Bankenkreisen für erhebliche Verunsicherung. Der Gesetzgeber hat die Streitfragen inzwischen durch den Asset Conservation Act aus dem Jahre 1996 im wesentlichen geklärt. 102. Umstritten war zuvor zum einen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen gesicherte Kreditgeber zustandsverantwortlich sind, die ein kontaminiertes Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben haben. Der Asset Conservation Act stellt nunmehr klar, daß gesicherte Kreditgeber sich auch nach Erwerb des kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung mit Erfolg auf die secured creditor exemption berufen können. Voraussetzung hierfür ist, daß sie sich zum frühestmöglichen, kaufmännisch vernünftigen Zeitpunkt um die Veräußerung des Grundstücks bemühen. Die Haftungsfreistellung wird damit begründet, daß der Rettungserwerb ein typisches Geschäft zum Schutz des Kredites sei und die Zerschlagung wirtschaftlicher Einheiten verhindere. Die Privilegierung des gesicherten Kreditgebers gegenüber anderen Erwerbern ist abzulehnen. Erwirbt ein gesicherter Kreditgeber bösgläubig ein kontaminiertes Grundstück, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb er nicht wie jeder andere bösgläubige Erwerber zustandsverantwortlich sein soll. Für die Zustandshaftung sind die Motive des Erwerbs unbeachtlich. 103. Bis zur gesetzlichen Klarstellung war zum anderen umstritten, welchen Einfluß der gesicherte Kreditgeber auf den Anlagenbetrieb ausüben durfte, ohne die Haftungsfreistellung der secured creditor exemption zu verlieren. Eine Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber kommt insbesondere in der finanziellen Krise des Kreditnehmers in Betracht, wenn der Kreditgeber eng in die Unternehmenssanierung eingebunden ist. Die Rechtsprechung vertrat überwiegend die Ansicht, der gesicherte Kreditgeber sei dann zustandsverantwortlich, wenn er tatsächlich Einfluß auf den Anlagenbetrieb oder auf das Umweltverhalten genommen habe (sog. actual control-Test). Demgegenüber sprach sich das Bundesberufungsgericht des 11. Bezirks in der Entscheidung United States v. Fleet Factors

5. Teil: Zusammenfassende Thesen

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Corp. dafür aus, die Berufung auf die secured creditor exemption sei bereits ausgeschlossen, wenn der gesicherte Kreditgeber am finanziellen Management des Anlagenbetriebs mitwirke und hierdurch die Möglichkeit zur Einflußnahme auf den Anlagenbetrieb erlange. Einer tatsächlichen Einflußnahme bedürfe es nicht (sog. capacity to control-Test). Der Gesetzgeber hat nunmehr im Sinne der herrschenden Meinung in § 9601 (20)(F)(i) klargestellt, daß die bloße Möglichkeit der Einflußnahme die secured creditor exemption nicht entfallen lasse. Dies ist zu begrüßen, weil dem gesicherten Kreditgeber die Gefahr nur zugerechnet werden kann, wenn er (faktischer) Anlagenbetreiber ist. Der capacity to control-Test hätte im übrigen negative ökologische und ökonomische Effekte, weil gesicherte Kreditgeber angesichts der drohenden Haftung vielfach von einer Unterstützung der Unternehmenssanierung Abstand nehmen würden und die finanzielle Krise dann regelmäßig zu einer Zerschlagung des Unternehmens führte. Gesicherten Kreditgebern kann eine Gefahr nicht schon deshalb zugerechnet werden, weil sie im Rahmen der Unternehmenssanierung faktisch ein Mitspracherecht bei wichtigen Unternehmensentscheidungen erlangen. Erst wenn sie dergestalt von dem Mitspracherecht Gebrauch machen, daß sie als (faktischer) Anlagenbetreiber anzusehen sind, ist eine Zurechnung möglich.

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit nach österreichischem Recht Der Kreis der Zustandsstörer 104. Die Zustandsverantwortlichkeit bei Boden- oder Gewässerkontaminationen richtet sich in Österreich nach dem Wasserrechtsgesetz und dem Abfallwirtschaftsgesetz. Diese kennen lediglich eine Zustandsverantwortlichkeit des Liegenschaftseigentümers und seines Rechtsnachfolgers, der bösgläubig ein kontaminiertes Grundstück erwirbt. Nicht zustandsverantwortlich sind der Besitzer des Grundstücks sowie sonstige Berechtigte.

Die Zurechnung der Gefahr 105. Die Zustandsverantwortlichkeit des Liegenschaftseigentümers setzt voraus, daß dieser an der Entstehung der Gefahr mitgewirkt hat, indem er dem späteren Verursacher der Gefahr die Nutzung des Grundstücks gestattet oder diese jedenfalls geduldet hat. Ersteres ist z. B. dann der Fall, wenn der Eigentümer sein Grundstück an den Betreiber einer Fabrik oder einer

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5. Teil: Zusammenfassende Thesen

Abfalldeponie verpachtet hat. Eine Duldung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Eigentümer nicht gegen wilde Müllablagerungen einschreitet, wofür bereits die Benachrichtigung der Behörde ausreicht. 106. Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, entfällt die Zustandshaftung, wenn der Grundeigentümer nach Entdeckung der Verunreinigung zumutbare Abwehrmaßnahmen ergriffen hat. Hierzu soll es etwa ausreichen, daß er unverzüglich die Behörde informiert und bei der Gefahrenabwehr mit ihr kooperiert. Der Gesetzgeber wollte hierdurch einen Anreiz für eine Mitwirkung an der Gefahrenabwehr schaffen. Diese sehr weitgehende Haftungsfreistellung ist abzulehnen, weil die Vornahme von Abwehrmaßnahmen den Zurechnungszusammenhang nicht unterbricht und es wegen der drohenden Zustandshaftung auch keines zusätzlichen Anreizes bedarf, den Schaden so gering wie möglich zu halten. 107. Da die Zustandsverantwortlichkeit des Liegenschaftseigentümers nach österreichischem Recht eine persönliche Zurechnung der Gefahr aufgrund der Mitwirkung an der Gefahrentstehung voraussetzt, sind die Fremdeinwirkungsfälle bereits tatbestandlich von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen. 108. Der Erwerber eines kontaminierten Grundstücks ist als sog. Rechtsnachfolger zustandsverantwortlich, wenn er bei Erwerb Kenntnis von der mit Umweltrisiken verbundenen Vornutzung des Grundstücks hatte oder haben mußte. Zurechnungsgrund ist folglich die (billigende) Inkaufnahme der Gefahr. Der gutgläubige Erwerber ist nach österreichischem Recht bereits tatbestandlich von der Zustandsverantwortlichkeit ausgenommen. Bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob bereits leichte Fahrlässigkeit den guten Glauben entfallen läßt. 109. Keine Zustandsverantwortlichkeit besteht für Gefahren, die von einem fremden Grundstück ausgehen und die über den Boden oder über das Grundwasser auf das Grundstück gelangt sind. Der Eigentümer des „infizierten“ Grundstücks ist in diesem Fall Opfer der Gefahr. Da er nicht an ihrer Entstehung mitgewirkt hat, kann ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden. 110. Allerdings ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich die Gefahrenquelle befindet, auch zur Abwehr von Gefahren auf dem „infizierten“ Nachbargrundstück verpflichtet, wenn er an der Gefahrentstehung durch Überlassung seines Grundstücks zu einer mit Umweltrisiken verbundenen Nutzung mitgewirkt hat.

5. Teil: Zusammenfassende Thesen

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Der Umfang der Zustandshaftung 111. Der Liegenschaftseigentümer und der Rechtsnachfolger sind bei nach dem 1.7.1990 entstandenen sog. Neulasten unter den genannten Voraussetzungen verpflichtet, nötigenfalls ihr nahezu gesamtes Vermögen zur Gefahrenabwehr einzusetzen. 112. Unklar ist allerdings, ob die Zustandsverantwortlichkeit für Neulasten verfassungskonform zu begrenzen ist. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hatte sich in zwei Entscheidungen zum vor dem 1.7.1990 geltenden Recht für eine verfassungskonforme Beschränkung ausgesprochen und dies mit der anderenfalls wirtschaftlichen Unzumutbarkeit des Eingriffs in das Eigentum begründet. Nachdem der österreichische Gesetzgeber jedoch die Zustandsverantwortlichkeit sehr weitgehend begrenzt hat, dürfte die Grundlage für eine verfassungsrechtliche Reduktion entfallen sein. 113. Bei Boden- oder Gewässerverunreinigungen, die vor Inkrafttreten des geltenden Rechts am 1.7.1990 entstandenen sind (sog. Altlasten), ist die Zustandsverantwortlichkeit allerdings erheblich eingeschränkt. Bei Altlasten besteht eine Zustandsverantwortlichkeit des Liegenschaftseigentümers nur bei entgeltlicher Nutzungsüberlassung. Die Kostentragungspflicht ist zudem auf den sog. Übergenuß beschränkt. Hierbei handelt es sich um einen Zuschlag für die mit besonderen Umweltrisiken verbundene Nutzung. Da ein solcher Risikozuschlag in der Vergangenheit nur selten vereinbart worden ist, entfällt die Zustandshaftung für Altlasten in vielen Fällen. Die Haftungsbegrenzung auf den Übergenuß führt in der Praxis zu erheblichen Vollzugsschwierigkeiten. Umstritten ist, ob und in welchem Umfang Rechtsnachfolger bei Altlasten zur Sanierung oder zur Kostentragung verpflichtet werden können. Nach der wohl herrschenden Meinung entfällt die Zustandshaftung des Rechtsnachfolgers, weil dieser keinen Übergenuß erlangt hat. 114. Für die Privilegierung bei Altlasten ist kein Grund ersichtlich. Sie ist insbesondere nicht verfassungsrechtlich geboten. Da vor Inkrafttreten des neuen Rechts schärfere Regelungen der Zustandsverantwortlichkeit gegolten haben, war sie insbesondere nicht zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Rückwirkung erforderlich.

Die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit 115. Das österreichische Recht sieht eine Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit gegenüber der Verhaltensverantwortlichkeit vor und trägt hierdurch dem Gebot der gerechten Lastenverteilung Rechnung. Ein Lie-

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5. Teil: Zusammenfassende Thesen

genschaftseigentümer oder ein Rechtsnachfolger kann nur zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet werden, wenn kein Verhaltensstörer feststellbar oder zur Gefahrenabwehr in der Lage ist, insbesondere weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt.

Die Verselbständigung der Duldungspflicht 116. In den Opferfällen ist die Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht begrenzt. Die Duldungspflicht ist nach österreichischem Recht von der Gefahrenabwehr- und der Kostentragungspflicht verselbständigt und in einer eigenständigen Norm geregelt. Danach sind der Grundeigentümer und andere Berechtigte stets verpflichtet, das Betreten des Grundstücks und die Vornahme von Gefahrerforschungs- und Gefahrenabwehrmaßnahmen zu dulden.

Der Altlastenfonds 117. Kann weder ein Verhaltens- noch ein Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet werden, so kann die Behörde die Sanierung mit Mittel aus dem Altlastenfonds finanzieren. Die Mittel stammen aus zweckgebundenen Abgaben, die von den Betreibern von Abfalldeponien, Abfallbeförderern und solchen Personen zu entrichten sind, die Abfälle zur Verfüllung verwenden.

Die Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber 118. Im österreichischen Recht kommt eine umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber nur bei Erwerb eines kontaminierten Grundstücks in der Zwangsversteigerung in Betracht.

Rechtsvergleichung Die Zurechnung von Gefahren 119. In den Vereinigten Staaten und in Österreich wird einem Grundeigentümer eine Gefahr nur zugerechnet, wenn er durch Überlassung des Grundstücks an den späteren Verursacher der Gefahr an ihrer Entstehung mitgewirkt oder wenn er bösgläubig ein bereits kontaminiertes Grundstück erworben

5. Teil: Zusammenfassende Thesen

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hat. Auch in Deutschland sollte die Zurechnung auf die genannten Fälle beschränkt und die Zustandsverantwortlichkeit im übrigen auf eine Duldungspflicht begrenzt werden. Hierbei bietet es sich an, die Duldungspflicht nach österreichischem Vorbild tatbestandlich zu verselbständigen. 120. Beim bösgläubigen Erwerb sollte der Nachweis der Gutgläubigkeit allerdings nicht an ähnlich hohe Anforderungen geknüpft werden wie im USamerikanischen Recht. Insbesondere Erwerbern von Eigenheimen ist die Durchführung eines kostenintensiven Phase I Site Assessment nicht zuzumuten, sofern nicht besondere Umstände einen Altlastenverdacht nahelegen. 121. Wie der Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht zeigt, ist eine Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit bei Eigentumsverlust mit der persönlichen Zurechnung der Gefahr nicht vereinbar. Wird dem Grundeigentümer die Gefahr zugerechnet, weil er an ihrer Entstehung mitgewirkt oder sie bei Erwerb billigend in Kauf genommen hat, so läßt der Eigentumsverlust den Zurechnungszusammenhang nicht entfallen. Es ist daher zu begrüßen, daß der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 6 BBodSchG nunmehr eine Zustandsverantwortlichkeit früherer Eigentümer eingeführt hat. Nicht sachgerecht ist es allerdings, die Zustandsverantwortlichkeit des früheren Eigentümers davon abhängig zu machen, ob er bei Verlust des Eigentums bösgläubig war. Dem früheren Eigentümer wird die Gefahr nicht deshalb zugerechnet, weil er sich durch Flucht aus dem Eigentum seiner Verantwortlichkeit entziehen will. Die Zustandsverantwortlichkeit besteht vielmehr deshalb fort, weil die persönliche Zurechnung nicht bei Eigentumsverlust entfällt.

Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit 122. Eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf das verfassungsrechtlich zulässige Maß kann – anders als vom Bundesverfassungsgericht gefordert – nicht durch eine Begrenzung des Umfangs der Zustandshaftung, sondern allein durch eine Begrenzung der Zurechnung erfolgen. Wird die Zustandsverantwortlichkeit auf Sachverhaltskonstellationen begrenzt, bei denen der Eigentümer der Gefahr ähnlich nahe steht wie der Verursacher, jedenfalls aber näher als ein beliebiger Dritter, so besteht – wie das US-amerikanische und das österreichische Recht verdeutlichen – kein Grund für eine Begrenzung der Kostentragungspflicht.

614

5. Teil: Zusammenfassende Thesen

Öffentliche Last 123. Anders als in den Vereinigten Staaten kann in Deutschland der Kostenerstattungsanspruch nicht durch eine öffentliche Last abgesichert werden, weil dies verfassungswidrig in die Eigentumsfreiheit der an sich bevorrechtigten Grundpfandgläubiger eingriffe. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist hingegen, daß der Wertausgleichsanspruch als öffentliche Last auf dem sanierten Grundstück ruht, weil die öffentliche Hand hierdurch lediglich den Vorteil abschöpft, den die Grundpfandgläubiger aus der Sanierung gezogen haben.

Die Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit 124. Nach österreichischem Vorbild sollte die Subsidiarität der Zustands- gegenüber der Verhaltensverantwortlichkeit auch in Deutschland explizit verankert werden. Nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung kann ein Grundeigentümer nur dann zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung verpflichtet werden, wenn ein Verhaltensstörer nicht feststellbar oder zur Gefahrenabwehr nicht in der Lage ist.

Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber 125. In Deutschland besteht keine Veranlassung, eine der secured creditor exemption im US-amerikanischen Recht vergleichbare Haftungsprivilegierung für gesicherte Kreditgeber zu schaffen. Erwirbt ein gesicherter Kreditgeber bösgläubig ein kontaminiertes Grundstück in der Zwangsversteigerung, so ist er unter denselben Voraussetzungen wie jeder andere Erwerber zustandsverantwortlich, weil die Motive des Erwerbs gefahrenabwehrrechtlich unbeachtlich sind.

Anhang I. Auszug aus dem United States Code 1. § 9601 (20)(A) The term „owner or operator“ means (i) in the case of a vessel, any person owning, operating, or chartering by demise, such vessel, (ii) in the case of an onshore facility or an offshore facility, any person owning or operating such facility, and (iii) in the case of any facility, title or control of which was conveyed due to bankruptcy, foreclosure, tax delinquency, abandonment, or similar means to a unit of State or local government, any person who owned, operated, or otherwise controlled activities at such facility immediately beforehand. Such term does not include a person, who, without participating in the management of a vessel or facility, holds indicia of ownership primarily to protect his security interest in the vessel or facility.

2. § 9601 (20(E)(ii) The term „owner or operator“ does not include a person that is a lender that did not participate in the management of a vessel or facility prior to foreclosure, notwithstanding that the person – (I)

forecloses on the vessel or facility; and

(II) after foreclosure, sells, re-leases (in the case of a lease finance transaction), or liquidates the vessel or facility, maintains business activities, winds up operations, undertakes a response action under section 9607(d)(1) of this title or under the direction of an on-scene coordinator appointed under the National Contingency Plan, with respect to the vessel or facility, or takes any other measure to preserve, protect, or prepare the vessel or facility prior to sale or disposition, if the person seeks to sell, re-lease (in the case of a lease finance transaction), or otherwise divest the person of the vessel or facility at the earliest practicable, commercially reasonable time, on commercially reasonable terms, taking into account market conditions and legal and regulatory requirements.

3. § 9601(20)(F)(i) (i) For purposes of subparagraph (E) – (I)

the term „participate in the management“ –

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Anhang (II) means actually participating in the management or operational affairs of a vessel or facility; and

does not include merely having the capacity to influence, or the unexercised right to control, vessel or facility operations.

4. § 9607(a) Notwithstanding any other provision or rule of law, and subject only to the defenses set forth in subsection (b) of this section – (1)

the owner and operator of a vessel or a facility,

(2)

any person who at the time of disposal of any hazardous substance owned or operated any facility at which such hazardous substances were disposed of,1

(4)

…, shall be liable …

5. § 9607(b) There shall be no liability under subsection (a) of this section for a person otherwise liable who can establish by a preponderance of the evidence that the release or threat of release of a hazardous substance and the damage resulting therefrom were caused solely by – (1)

an act of God;

(2)

an act of war;

(3)

an act or omission of a third party other than an employee or agent of the defendant, or than one whose act or omission occurs in connection with a contractual relationship, existing directly or indirectly, with the defendant (except where the sole contractual arrangement arises from a published tariff and acceptance for carriage by a common carrier by rail), if the defendant establishes by a preponderance of the evidence that (a) he exercised due care with respect to the hazardous substance concerned, taking into consideration the characteristics of such hazardous substance, in light of all relevant facts and circumstances, and (b) he took precautions against foreseeable acts or omissions of any such third party and the consequences that could foreseeably result from such acts or omissions; or

(4)

any combination of the foregoing paragraphs.

___________ 1 Auf die Wiedergabe der Unterabsätze 3 und 4 des § 9607(a) U.S.C. wurde verzichtet, soweit sie sich auf die Verhaltensstörer beziehen.

Anhang

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II. Auszug aus dem österreichischen Altlastensanierungsgesetz (BGBl. Nr. 299/1989 idF BGBl. I Nr. 155/2002) § 16 (1)

Soweit dies zur Beurteilung einer Verdachtsfläche unbedingt erforderlich ist, haben die Liegenschaftseigentümer sowie die an der Liegenschaft dinglich oder obligatorisch Berechtigten das Betreten der Liegenschaften und Anlagen im notwendigen Umfang insbesondere zur Entnahme von Proben durch die Organe der zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes zuständigen Stellen sowie die von diesen Behörden herangezogenen Dritten zu dulden.2

(2)

Der Landeshauptmann hat die Liegenschaftseigentümer sowie die an der Liegenschaft dinglich oder obligatorisch Berechtigten, deren Inanspruchnahme zum Zweck der Untersuchung, Sicherung, Sanierung und Überwachung einer Altlast erforderlich ist, zu verpflichten, die notwendigen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sicherung und Sanierung einer Altlast zu dulden.

III. Österreichisches Wasserrechtsgesetz (BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 65/2002) 1. § 31 (1)

Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2)

Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen.3

(3)

Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzuge eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde

___________ 2 3

Von einem Abdruck der Sätze 2 und 3 des § 16 Abs. 1 AlSAG wurde abgesehen. Die Sätze 2 bis 4 des § 31 Abs. 2 WRG sind nicht abgedruckt.

618

Anhang nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen – soweit nicht dem Bergrecht unterliegende Anlagen betroffen werden – unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zulassen. Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist. (4)

Kann der nach Abs. 1 Verpflichtete nicht gemäß Abs. 3 beauftragt oder zum Kostenersatz herangezogen werden, dann kann an seiner Stelle dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mußten4.

(6)

Abs. 4 ist auf Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen, die vor dem 1. Juli 1990 entstanden sind oder gesetzt wurden, mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Liegenschaftseigentümer nur zu Leistungen nach Abs. 3 herangezogen werden kann, wenn er die Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen, welche die Gewässerverunreinigung verursachen, auf eigenem Boden ausdrücklich gestattet und daraus in Form einer Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums einen Vorteil gezogen hat. Seine Leistungspflicht ist jedoch auf jenen Wert des Vorteils begrenzt, der die übliche Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums überstieg. Läßt sich die übliche Vergütung nicht vergleichsweise feststellen, ist sie nach dem Wert des verursachten Nutzungsentganges und der verursachten sonstigen Nachteile – ausgenommen die Leistungspflicht nach Abs. 4 – zu bemessen.

2. § 138 (1)

Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen, b) Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen durch geeignete Maßnahmen zu sichern, wenn die Beseitigung gemäß lit. a nicht oder im Vergleich zur Sicherung an Ort und Stelle nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist,

___________ 4

Von einem Abdruck des § 31 Abs. 5 WRG wurde abgesehen.

Anhang

619

c) die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Mißstände zu beheben, d) für die sofortige Wiederherstellung beschädigter gewässerkundlicher Einrichtungen zu sorgen.5 (3)

Bei drohender Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt hat die Wasserrechtsbehörde zur Wahrung des öffentlichen Interesses in den Fällen des Abs. 1 die zur Beseitigung der Gefährdung notwendigen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

(4)

Wenn das öffentliche Interesse die Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen, das Nachholen unterlassener Arbeiten oder die Sicherung von Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen verlangt und der nach Abs. 1 Verpflichtete nicht dazu verhalten oder zum Kostenersatz herangezogen werden kann, dann kann an seiner Stelle dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er die eigenmächtige Neuerung, das Unterlassen der Arbeit oder die Bodenverunreinigung ausdrücklich gestattet hat oder wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Dies gilt bei Ablagerungen auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von der Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mußten. § 31 Abs. 6 findet in allen Fällen dieses Absatzes sinngemäß Anwendung. § 16 Abs. 4 Forstgesetz 1975 bleibt unberührt.

IV. Österreichisches Abfallwirtschaftsgesetz (BGBl. Nr. 325/1990 idF BGBl. I Nr. 102/2002) 1. § 73 (4)

Sind nach rechtlicher oder faktischer Stillegung oder Schließung bei einer Deponie gemäß § 2 Abs. 7 Ziff. 4 Maßnahmen, wie Untersuchungen, regelmäßige Beprobungen, die Vorlage eines Sicherungs- oder Sanierungskonzeptes, Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen, im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen demjenigen, der die Deponie betrieben hat, innerhalb einer angemessenen Frist mit Bescheid aufzutragen. Sofern der Verpflichtete dem Auftrag innerhalb der Frist nicht nachkommt, hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten unmittelbar durchführen zu lassen.

___________ 5

Die Absätze 2, 5 und 6 des § 138 WRG sind nicht wiedergegeben.

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Anhang

2. § 74 (1)

Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

(2)

Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mußten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.

(3)

Erfolgte die Lagerung oder Ablagerung von Abfällen vor dem 1. Juli 1990, so ist Abs. 2 mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Liegenschaftseigentümer nur dann zur umweltgerechten Behandlung herangezogen werden darf, wenn er die Ablagerungen auf eigenem Boden ausdrücklich gestattet und daraus in Form einer Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums einen Vorteil gezogen hat. Seine Leistungspflicht ist jedoch auf jenen Wert des Vorteils begrenzt, der die übliche Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums überstieg. Läßt sich die übliche Vergütung nicht vergleichsweise feststellen, ist sie nach dem Wert des verursachten Nutzungsentgangs und der verursachten sonstigen Nachteile – ausgenommen die Leistungspflicht nach Abs. 1 – zu bemessen.6

3. § 75 (5)

Soweit dies zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes und darauf beruhender Verordnungen erforderlich ist, haben die durch dieses Bundesgesetz verpflichteten Personen oder die Beauftragten dieser Personen den mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes betrauten Behörden und den von diesen herangezogenen Sachverständigen, den Organen der öffentlichen Aufsicht und den Zollorganen das Betreten der Liegenschaften und Gebäude, das Öffnen und Besichtigen der Behältnisse und Transportmittel zu ermöglichen und den Anordnungen dieser Organe zur Inbetriebnahme oder Außerbetriebsetzung und über die Betriebsweise von Maschinen und Einrichtungen zu entsprechen; weiters haben die genannten Personen und Personen, in deren Gewahrsame sich die Produkte oder Abfälle befanden, einschließlich die gegenwärtigen und früheren Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Liegenschaften, auf denen sich derartige Produkte oder Abfälle befinden, die notwendigen Auskünfte zu geben, Einsicht in die Unterlagen zu gewähren und die notwendigen Unterla-

___________ 6

Die Absätze 4 bis 6 des § 74 AWG sind nicht wiedergegeben.

Anhang

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gen, einschließlich der Aufzeichnungen über den Lagerbestand und der sonstigen Betriebsaufzeichnungen, vorzulegen. (6)

Die Behörden und die Organe gemäß Abs. 4 oder die von diesen herangezogenen Sachverständigen sind berechtigt, Proben in einer für Zwecke der Untersuchung erforderlichen Menge entschädigungslos zu entnehmen. Sofern es nach Lage des Falles möglich ist, ist eine gleichartige Gegenprobe amtlich verschlossen auszufolgen, außer der Verfügungsberechtigte verzichtet darauf.

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Sachregister Abfalldeponie 101–103, 149, 172, 246, 303, 368, 421, 510, 518–520, 533 Abschöpfung des sanierungsbedingten Wertzuwachses 190, 406, 578 act of God siehe auch höhere Gewalt 435–436, 449, 483 actual control-Test 429–430, 473–480 actual pervasive control 429–431 Adäquanztheorie 113–114 Äquivalenztheorie 112–113 Altlasten 47–48 Altlastenfälle 102, 230, 275, 292, 322 Altlastenfonds 487, 526, 533–534, 561– 563 Altlastenkataster 157, 203, 361, 382, 549 Altlastenregister siehe Altlastenkataster Altlastenverdachtsfläche 47, 130, 156, 203, 361, 487, 547 Anlagenbetreiberhaftung siehe auch Anlageninhaberhaftung 65–66, 427– 428, 577 Anlageninhaberhaftung siehe auch Anlagenbetreiberhaftung 65–66, 427–428, 577 Anscheinsstörer 291, 355 Aufgabenlast 67 Aufopferungsentschädigung 57, 66, 173 Aufrechterhaltung der Gefahr siehe auch Schaffung und Aufrechterhaltung der Gefahr 145–146, 243–244, 489–490 Aufrechterhaltungstheorie 243 Ausdehnung der Gefahr auf ein fremdes Grundstück 130–132, 524 Ausgleichsanspruch 104, 279, 298–320

Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit siehe auch Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit 88, 161– 220, 252–260, 325, 435–448, 495– 505, 530–532, 537–551, 556–560 Beliebiger Bürger 50, 148 Berechtigter siehe sonstiger Berechtiger Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.2.2000 49, 162, 179–210, 329–330, 386, 504, 543–545, 557 Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit siehe auch Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit 88, 161– 220, 252–260, 325, 435–448, 495– 505, 530–532, 537–551, 556–560 Besondere Nähe zur Gefahr 208 Bestandsgarantie 188 Beweislast 289–291, 316–317, 362–363 – Beweislastumkehr 291, 316–317 – Beweislastverteilung 362–363 Billigende Inkaufnahme der Gefahr 101, 130, 156–157, 223, 247, 364, 368, 452, 484–486, 498, 507–508, 516, 528, 546–558, 570–571 Bösgläubiger Erwerb 149, 160, 198, 257, 282–286, 357–370, 452, 498– 500, 507, 516–517, 520–521, 528– 529, 532–533, 546–549, 566–570 Bundes-Bodenschutzgesetz 48 capacity to control-Test 428, 470–480 casum sentit dominus 227–228 CERCLA 415 Comprehensive Environmental Response Compensation and Liability Act siehe CERCLA

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Sachregister

day-to-day management 467–477 de minimis settlement 446–448 defenses 435–436 Deponie siehe Abfalldeponie Dereliktion siehe Derelinquent Derelinquent 76, 79–80, 94, 347–351, 364, 426, 521, 571–572 Dominanzgedanke 126 Doppelstörer 260, 364 Duldungspflicht 59, 107, 169, 187–188, 212, 222–223, 261, 305–306, 544– 546, 554–559 Duldungsverfügung 107, 554 Durchgriffshaftung 333, 431, 575 Effektivität der Gefahrenabwehr 63, 99–109, 115, 125, 132, 164, 167, 173–175, 186–187, 212–213, 220– 225, 246–247, 274, 286, 297–299, 319–323, 350, 507–508, 532, 554– 555, 564–566 Effektivitätsgebot 99, 103–108, 173– 175, 186–187, 212, 225 Eigenheimfälle 192–198, 211, 485, 557–558 Eigentümer – früherer 255–260, 352–370, 514– 516, 568–570 – gegenwärtiger 83–92, 145–148, 326– 330, 458, 509–514, 566–568 Eigentum – Bestandsgarantie 188 – Eigentumsbegriff 83–84, 189 – Eigentumsgarantie 136–137, 145, 183, 197, 210, 221, 331, 366 – Eigentumstheorie 240–241 – Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums 135–137 – ökologische Sozialpflichtigkeit des Eigentums 544 – Privatnützigkeit des Eigentums 168– 178, 183 – Sozialpflichtigkeit des Eigentums 171, 240–241

Eigentumsaufgabe siehe Dereliktion/ Derelinquent Eigentumsverlust 126, 247, 257–260, 336, 353, 363–372, 514, 520–521, 5292, 550–551, 569–570, 574 Einstandspflicht – aus gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund 338–344, 575 – aus handelsrechtlichem Rechtsgrund 344–345, 371 – mit dem gesamten Vermögen 137, 187, 204, 207, 330–332 Enteignung 136, 171, 204, 452–453 Entschädigungslosigkeit des Störers 57– 58, 168 Environmental Protection Agency siehe auch EPA 420 EPA 420 Erbe 361 Erfolgshaftung 70–74 Ermessenslösung 163–165, 176 Ersatzvornahme 271–273 Externe Kosten 230–235 Facility 423 Fahrlässigkeit 130, 157–158, 201–203, 358–362, 382, 519, 548–549 Flucht aus der Zustandsverantwortlichkeit 89, 257–259, 330, 340, 346, 369–370, 515, 570, 575 Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit 80, 85–89, 95, 259, 347–350, 352, 365–370, 514–521, 529, 569– 571 – bei Eigentumsverlust 126, 247, 257– 260, 336, 346, 353–359, 363–369, 514–521, 529, 550 Freistellungsklauseln 201, 208 Fremdeinwirkung 123–127, 384–385, 438 Fremdeinwirkungsfälle 102, 123–127, 142, 199–200, 218–220, 238–239, 253, 257–259, 327–329, 369, 384– 385, 438, 542–544, 552–553, 574– 573

Sachregister früherer Eigentümer siehe Eigentümer, früherer früherer Grundeigentümer siehe Eigentümer, früherer Garantenstellung 98, 234–235 Garantiehaftung 145–147, 480 Gebot der frühzeitigen gerechten Lastenverteilung 174 Gebot der gerechten Lastenverteilung 62–63, 99–100, 105–108, 164–165, 173–176, 212, 222, 273–281, 288– 295, 299–320, 380–381, 448, 483– 485, 533, 562–565 Gebrauchswert des Grundstücks 254 Gefährdungshaftung 98–99, 146, 157– 158, 237–239, 246–247 Gefahrenabwehr im öffentlichen Interesse 54, 167 Gefahrenabwehrrecht 53–56 Gefahrenquelle 61–62, 130–132 Gefahrenquelle auf einem fremden Grundstück 523 Gefahrerforschungsmaßnahmen 88 Gemeinlastprinzip 47 Gemeinwohlinteresse 56–57, 369–370 Gesamtschuldnerische Haftung 298– 299, 314, 319 Geschädigtenprinzip 227–232 Gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht siehe auch Einstandspflicht aus gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund 338–344, 575–576 Gesicherter Kreditgeber 395–412, 459– 483, 486, 527, 576–580 Gewährleistungsausschluß 313 Gewalthaber siehe Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft Gleichheitssatz, allgemeiner 100, 210– 211, 215–216 good commercial and customary practice 442 Gutgläubiger Erwerb 176–178, 219– 220, 247, 252–254, 357–360, 381–

647

384, 441, 484–485, 546–549, 566– 568 – Nachweis der Gutgläubigkeit 362, 441–445, 484, 547–549 – umweltgefährdende Vornutzung 147, 203, 361–362, 382–383, 444, 498, 516–519, 531–532, 547–549 Haftung, verschuldensabhängige 69–70 Handelsrechtliche Einstandspflicht siehe auch Einstandspflicht aus handelsrechtlichem Rechtsgrund 344 Handlungsstörer siehe Verhaltensstörer Höhere Gewalt siehe auch act of God 435–437, 544–546 Inhaber – der tatsächlichen Gewalt siehe Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft – der tatsächlichen Sachherrschaft 92– 93, 254–255, 330–333, 424–426, 572–574 – früherer Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft 260–261, 426–427, 574–575 Inkaufnahme der Gefahr 155–158, 191, 202, 209–210, 258–259, 283, 329, 359–360, 371–372, 399–400, 504, 518, 528, 546–549, 552–554 innocent landowner 440–450, 483–486, 540–543, 546–549, 552–554, 570– 572 – almost innocent landowner 446–450 Insolvenz 204, 207, 296–297, 303–305, 323, 386–391, 408, 457, 560–561 Intensität des Grundrechtseingriffs 59, 167–168 Interessenprinzip (des Gebührenrechts) 190, 332 Kausalität 111–115, 236–245, 315–318 Kennenmüssen 151, 358, 498, 518–519, 532, 546–549 Kenntnis, positive 129–130, 147, 155– 156, 183–184, 198, 247, 313, 357–

648

Sachregister

358, 435, 498, 502–503, 511, 532, 546–549 Kettenkaufverträge 284, 313–315 Konzernabhängigkeit 342–344 Kostenerstattungsanspruch der öffentlichen Hand 454–458 Kostenlast 55–56, 58, 61–62, 108, 137, 167, 175, 184, 201, 234, 270–271, 557 Kostentragung 57–59, 60–61, 105–108, 271–273, 492–493 Kostenverteilung siehe Lastenverteilung Kreditgeber siehe gesicherte Kreditgeber Kreis der Zustandsstörer 72, 77, 83–95, 325–370, 423–432, 483, 509–521, 566–576 Kriegstrümmerfälle 101–102, 585 Landesaltlastengesetze 250–265, 402– 403 Lastenausgleich, störerinterner siehe auch Ausgleichsanspruch 228, 271, 279, 298–319 Lastengerechtigkeit siehe Gebot der gerechten Lastenverteilung Lastenverteilung – auf der Primärebene 105–106, 173– 174, 274–281 – auf der Sekundärebene 105, 274 – Gebot der frühzeitigen gerechten Lastenverteilung 174 – Gebot der gerechten Lastenverteilung 62–63, 100, 105–108, 273–295, 302– 311, 533, 564–566 Latente Gefahr 118–120 Lehre vom Nutzen-Lasten-Verhältnis siehe Nutzen-Lasten-Verhältnis Leistungsfähigkeit 165, 296–298, 322, 435, 503–504, 556–559, 564–566 lender liability siehe auch secured creditor liability 459–461, 471–482 Letztverantwortlichkeit 67, 105, 228, 275, 279–281, 301–311, 318–320, 533

Materielle Polizeipflicht 267 Mehrheit von Störern 62–63, 173, 318– 320, 436, 449 Mieter 79–80, 92–94, 424, 433, 538, 566, 572–575 Mißbrauchsabsicht 340, 346–347, 369 Mittelbarer Besitzer 332–333, 529–530, 572–573 Mitursächlichkeit siehe Mitwirkung an der Gefahrentstehung Mitwirkung an der Gefahrentstehung 235, 242–247, 282, 498, 529 Nachsorgepflicht 364–365 Nachhaftung siehe nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit 350, 364–365 Nähe zur Gefahr 50, 56, 97–110, 129, 144–166, 186, 194–201, 208–214, 282–286, 302–305, 319, 368, 484, 505, 573 Naturereignis siehe auch höhere Gewalt 76, 98, 141, 182, 198–199, 212–214, 237–247, 268–270, 327–330, 436, 483, 544–546 Neuregelung der Zustandsverantwortlichkeit 50, 162, 184–186, 209–213, 251–254, 329, 393, 414, 504, 544, 553–557, 564–566, 573 Nichtstörer 56–58, 66, 110, 142–143, 159–167, 215–222 Nutzen-Lasten-Verhältnis 143–146, 159 Nutzenziehung 178 Nutzung – vertragsgemäße 146–148, 537–542 – vertragswidrige 153–155, 199–200, 407, 438–439, 512, 540–542 Nutzungsentgelt 144, 254, 499, 531 Öffentliche Last 264, 387–394, 405– 406, 561, 578–579 Öffentliche Sicherheit 53–55

Sachregister Öffentliches Interesse 54–57, 66, 115, 117, 167, 175–176, 212, 229, 263, 386, 392 Öffentlich-rechtliches Haftungsrecht 224–227 Ökologische Sittenwidrigkeit 85–89 Ölschadensfälle siehe Tankwagenfälle Operator siehe auch Anlagenbetreiberhaftung – current 427–431 – past 431–432 Opfer 48–49 Opferfälle 97–108, 161–220, 381–385, 434–448, 483–484, 532–533 Opferposition 48, 106–109, 162–168, 177–178, 191–195, 220–221, 254– 263, 362, 381, 435, 484, 567 Owner siehe auch Eigentümer – current siehe auch gegenwärtiger Eigentümer 424–426, 460–461 – past siehe auch früherer Eigentümer 426–427 Pächter 572–575 participating in the management 459, 468–482 Persönliche Zurechnung siehe auch Zurechnung 76, 242–244, 259–260, 349–350, 359–370, 412, 484, 496– 499, 516, 529, 568–575 petroleum exclusion clause 419 Phase I Site Assessment 443–449, 484, 547–549 Phase II Site Assessment 443–449, 484, 547 Polizeipflicht 71, 74, 117, 135, 226, 267 Potenzierung und Perpetuierung der Gefahr 169–171 Primärebene der Gefahrenabwehr 59, 105–106, 173–175, 274–281 Privatnützigkeit des Eigentums 138– 138, 168–171, 176–189, 214, 221– 222, 333

649

Rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang 183–187, 203–208 Rechtsfolgenlösung 163, 168–176 Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit 71, 75, 139–158, 180, 186– 187, 451–453, 455, 510, 516, 552– 554 Rechtsmißbrauch 159–160 Rechtsnachfolger siehe bösgläubiger Erwerb Rechtsnachfolgerhaftung siehe auch bösgläubiger Erwerb 498, 500–503, 516–521, 532 Rechtsstaatsprinzip 63–64, 100–108, 170, 229 Regreß siehe auch Ausgleichsanspruch 228, 271, 279, 298–319 Rettungserwerb 400–401, 404, 527, 579 Risiko 149–150, 155–157 Risikosphäre 91–92, 147–151, 165–167, 214, 220, 248 – Risikosphäre der Allgemeinheit 100, 166–167, 199 Risikoübernahme 155, 183 Risikoverteilung siehe Lastenverteilung Rückwirkung – echte 300, 337, 348 – unechte 300, 337 Schaffung und Aufrechterhaltung einer Gefahr 145–146, 243–244, 491–492 Schutz subjektiver Rechte 53–55 Schutzpflichten für den Boden 128, 152–153, 364 Schutzwürdiges Vertrauen 359–362, 375, 381–383, 531 secured creditor exemption 436, 459– 486, 577–580 secured creditor liability siehe auch lender liability 459–461, 471–482 Sekundärebene der Gefahrenabwehr 60, 105, 173–176, 274–275 Sicherungseigentum 90, 407–412, 460

650

Sachregister

Sittenwidrigkeit, ökologische siehe auch ökologische Sittenwidrigkeit 85–89 Sonderopfer 57–66 Sonstiger Berechtigter 93–94, 296, 398– 404, 529–530, 572–575 Sozialbindung siehe Sozialpflichtigkeit Sozialpflichtigkeit des Eigentums 53, 137, 152, 163–169, 171, 197, 210, 240–245, 386 Sozialstaatsgebot 193 Spaltung 285, 341, 346, 575 Spekulationsgeschäft 352–353 Sphärenvermischung 338–342, 376 Störerausgleich siehe auch Ausgleichsanspruch 228, 271, 279, 298–319 Störerauswahl 62, 273–298, 435, 490, 564–566 Störerbegriff 56–59 Störerinterner Ausgleich siehe auch Ausgleichsanspruch 228, 271, 279, 298–319 Strohmann 257 Stufenmodell des Bundesverfassungsgerichts 187–188, 195–211, 556– 559 Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit 321, 434–435, 485–486, 505–57, 533, 564–566 Superfund 418–420, 562–563 Superfund-Gesetz siehe auch CERCLA 415 Superfund lien 454–458, 561, 578–559 Tankwagenfälle 99, 102, 121–133, 165, 219, 253–254, 260–261, 434–439, 497, 528, 542 Tatbestandslösung 165–167 Tertiärebene der Gefahrenabwehr 63 Theorie der Differenzierung nach Primär- und Sekundärebene 173–176 Theorie der rechtswidrigen Verursachung 116–117, 489–490 Theorie der sozialadäquaten Verursachung 117

Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit siehe auch Potenzierung und Perpetuierung der Gefahr 168–171, 188, 221–222 Theorie der willensgetragenen Kausalhaftung 241–244 third party defense 437–440, 483, 537– 539, 542–544, 568–570 Übergenuß 499–504, 531, 559 Übermaß der Belastung siehe auch unzumutbare Belastung 148, 163– 165, 171, 182, 188, 195, 214–215, 252 Übermaßverbot 148, 163–165, 171, 188 Umfang der Zustandsverantwortlichkeit 61–62, 181–210, 252–253, 356–357, 550, 556–560 Umgehungsgeschäft 352, 370 Umwandlung 297, 340 Umweltgesetzbuch 250–265 Umweltschadensfälle 51, 106–109, 123–130, 148–150, 212, 275–276 Unbegrenzte Zustandsverantwortlichkeit 49, 211–220, 557 Unbillige Härte 385–386, 453, 489–490, 560–561 Ungleichbehandlung 186, 218, 580 Unmittelbare Verursachung 70–78, 101, 115, 118–120, 126–133, 152, 258, 368 Unterkapitalisierung 338–340 Unterlassen zumutbarer Abwehrmaßnahmen 497, 513, 529, 537–542 Unterlassungspflicht 213, 261, 280, 329–332, 400–404 Unzumutbare Belastung siehe auch Übermaß der Belastung 148, 163– 165, 171, 182, 188, 195, 214–215, 252 Usurpationstheorie 244–245 Vandalismus 98, 146–147, 159, 199, 439, 449, 507, 542

Sachregister Venire contra factum proprium 158 Veräußerung an eine vermögenslose Person siehe auch ökologische Sittenwidrigkeit 85–89, 256–258, 336– 341, 369 Verfassungskonforme Auslegung 50, 162, 184–187, 211–223, 329, 337 Verfassungskonforme Reduktion 140, 162–169, 184–187, 211–223, 331, 349 Verhältnismäßigkeit 57–64, 137–138, 163–164, 181–183, 210, 214, 248, 281, 366–369, 485, 490, 555–556 Verjährung – der Verhaltensverantwortlichkeit 295 – des störerinternen Ausgleichsanspruchs 320 Verkehrssicherungspflicht 146 Verkehrswert, Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den 171–173, 181–223, 252–253, 262– 263, 329–332, 351, 374–405, 501, 530, 556–559 Verlust der privatnützigen Verwendung siehe auch Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit 168–170 Verschulden 69, 74, 77, 248, 434, 494– 495 Verschuldenshaftung 69, 236–2378, 244 Vertrauensschutz 531 Verursacher 69–82 Verursacherprinzip 230–235, 533 – ökonomisches 230–231 – rechtswissenschaftliches 231–235 Verursachung – Theorie der rechtswidrigen 116 – Theorie der sozialadäquaten 117 – Theorie der unmittelbaren 118–120 Verwirklichung eines sachtypischen Risikos 99, 129, 146, 149–158, 199– 204, 235–241, 258, 544–546 Verwirkung der Verhaltensverantwortlichkeit 295, 322

651

Vorrang der Inanspruchnahme des Verhaltensstörers siehe auch Subsidiarität der Zustandsverantwortlichkeit 277–280, 286–298, 505–507 Vorteilsausgleich 403–406 Wertausgleich 261–265, 271, 373–393, 458, 526, 561–562 Willkür 55, 58–59, 63–66, 115, 166, 174, 186, 191, 214–220, 229, 294, 366–371, 391–392, 504, 542–543, 554–556 Willkürverbot, allgemeines 55, 115, 137, 214–220 Zurechnung der Gefahr 57–59, 110– 135, 230–247, 484, 521–525, 537– 552 – persönliche 76, 242–245, 258–260, 349–350, 363–370, 401, 412, 484– 496, 507–516, 529, 568–575 Zustandsverantwortlichkeit – Begrenzung der 171–173, 181–220, 328–333, 435–448, 530 – des Derelinquenten 76, 79–80, 94– 95, 347–352, 426, 514–515, 550–551, 570–572 – des Einstandspflichtigen aus gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund 338–346 – des Einstandspflichtigen aus handelsrechtlichem Rechtsgrund 344– 346 – des gegenwärtigen Eigentümers 83–92, 326–330, 424–426, 496–500, 502–503, 509–514, 566–568 – des früheren Eigentümers 255–260, 352–370, 426–427, 514–521, 568– 570 – des früheren Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft 260–261, 426– 427, 574–575 – des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft 72, 92, 254, 330–332, 529

652 – Flucht aus der 89, 257–259, 330, 340, 345–346, 369–370, 514, 521– 522, 568–570, 575–576 – nachwirkende 364–365 – des sonstigen Berechtigten 93–94, 296, 398–404, 529–530, 572–575

Sachregister – umweltrechtliche siehe auch umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit 50–51 Zweckveranlasser 119–120, 129–133, 152