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German Pages 366 [368] Year 2018
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 142 herausgegeben von Rolf Stürner
Jonas Kotzur
Die außergerichtliche Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Bedeutung der Verbraucherschlichtung
Mohr Siebeck
Jonas Kotzur, geboren 1985; Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Kopenhagen; 2010 Erstes Staatsexamen, 2012 Zweites Staatsexamen; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Konstanz; seit 2016 Rechtsanwalt in Stuttgart.
e-ISBN PDF 978-3-16-155483-4 ISBN 978-3-16-155482-7 ISSN 0722-7574 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz als Dissertation angenommen. Der Annahme ging eine lehrreiche wie wertvolle Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter voraus, die mir immer in guter Erinnerung bleiben wird. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand Frühjahr 2017. Mein besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater, Professor Dr. Michael Stürner, der mein Interesse an der außergerichtlichen Streitbeilegung weckte und damit den Denkanstoß zu dieser Arbeit gab. Seine fortlaufende fachliche Unterstützung, seine stete persönliche Gesprächsbereitschaft und die mir während des gesamten Arbeitsprozesses eingeräumte wissenschaftliche Freiheit als Mitarbeiter des Lehrstuhls hatten maßgeblichen Anteil am Entstehen der Arbeit. Frau Professor Dr. Astrid Stadler bin ich für die rasche Zweitbegutachtung sowie für das wohlabgewogene Gutachten zu Dank verpflichtet. Für die Aufnahme in die Schriftenreihe danke ich Herrn Professor Dr. Dres. h. c. Rolf Stürner und dem Mohr Siebeck Verlag. Überdies haben mich viele Kollegen auf meinem wissenschaftlichen und persönlichen Weg begleitet und damit die Zeit der Promotion zu einem wunderbaren Lebensabschnitt mitgeformt. Die Herren Dr. Christoph Wendelstein, Dr. Matthias Klöpfer und Tobias Haselwander haben mir in vielen Gesprächen und Diskussionen Anregungen mit auf den Weg gegeben und damit wertvolle Hilfe bei der Erstellung der Arbeit geleistet. Meinen weiteren Assistentenkollegen und nunmehr guten Freunden möchte ich für viele heitere Stunden in und außerhalb der Universität, dem gesamten Lehrstuhlteam für die vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit danken. Meiner Verlobten, Frau Angelyn Haase gebührt sowohl für ihre unerschöpfliche Geduld als auch für die Redaktion der Arbeit mein herzlichster Dank. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, Dr. Najiba Kotzur und Dr. Hubert Kotzur. Diese haben durch die intensive wie konstruktive Durchsicht der Arbeit einen wesentlichen Beitrag zu deren Gelingen geleistet. Ihrem immerwährenden Zuspruch und ihrer steten Förderung während meines bisherigen Lebenswegs verdanke ich weit mehr, als mit dieser Widmung ausgedrückt werden kann. Stuttgart im November 2017
Jonas Kotzur
Inhaltsübersicht Teil 1: Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 1. Die Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen . . 3 I.
Die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung grenzüberschreitender Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 II. Alternative Möglichkeiten der Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Das Verfahren nach billigem Ermessen im deutschen Recht . . . . . . II. Das Small Claims Verfahren im niederländischen Recht . . . . . . . . . III. Das Small Claims Verfahren im schwedischen Recht . . . . . . . . . . . IV. Würdigung der nationalen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Verfahren nach der EG-Bagatellverordnung . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Reform der EG-Bagatellverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bewertung der Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 14 16 19 19 21 24 26
§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative . . . . . . . . . . . . . 28 I. II. III. IV. V. VI.
Hinderungsgründe für eine gerichtliche Geltendmachung . . . . . . . . Die Hemmnisse innerhalb der Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative . . . . . . . . . . . Die Vorteile für den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorteile für Verbraucher und Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorteile für die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 31 33 34 38 38
Teil 2: Entwicklung und Status quo der Verbraucherschlichtung . . . 43 § 4. Die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I.
Die Vorläufer der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung . . . . . 45
VIII
Inhaltsübersicht
II. Die neueren Entwicklungen in der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Zukunftsmodell . . . . . . . 50 IV. Neuorientierung in der europäischen Rechtspolitik . . . . . . . . . . . . . 51
§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Die Rechtsgrundlagen der Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten . . . . . . . . . . . . 85 I. Das schwedische Allmänna Reklamationsnämnden . . . . . . . . . . . . . 85 II. Die niederländischen Geschillencommissies . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
§ 7. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der bestehenden außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I.
Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der deutschen Schlichtungslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in Schweden und in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie und in der ODR-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Teil 3: Möglichkeiten der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 § 8. Das Konzept für eine Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I.
Die Vorteile einer speziellen Regelung für grenzüberschreitende Streitfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Grundverständnis der Zuständigkeitsbestimmung . . . . . . . . . . III. Die Interessen und ihre Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorschlag für die Kompetenzbestimmung in grenzüberschreitenden Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 119 123 192
§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Die Organisation der Schlichtungslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die umfassten Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Ablehnung der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Teilnahme des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die formularmäßig vorgesehene Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die formellen Qualitätsanforderungen der Richtlinie . . . . . . . . . . . VII. Die Online Dispute Resolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198 202 213 218 229 235 244
Inhaltsübersicht
IX
§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Die Bedeutung des geltenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsfolgen als entscheidender Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abweichung von verbraucherschützenden Normen in der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Veröffentlichung bedeutsamer oder systemrelevanter Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254 257 258 269
§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Die Bindung an das Verfahrensergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Die Verfahrensabsicherung im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Die Anerkennung und Vollstreckung der erzielten Vereinbarung . . 302
§ 12. Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII
Teil 1: Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 1. Die Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen . . 3 I.
Die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung grenzüberschreitender Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Alternative Möglichkeiten der Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Geschichte der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . 2. Die Arten der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung im nationalen Recht europäischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die außergerichtliche Streitbeilegung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 6 6 7 8 10
§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I.
Das Verfahren nach billigem Ermessen im deutschen Recht . . . . . . 1. Der Anwendungsbereich des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vereinfachungen innerhalb des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Small Claims Verfahren im niederländischen Recht . . . . . . . . . 1. Der Anwendungsbereich des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vereinfachungen des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Small Claims Verfahren im schwedischen Recht . . . . . . . . . . . 1. Der Anwendungsbereich des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vereinfachungen des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 13 13 14 14 14 15 15 16 16 16 17 17 18
XII
Inhaltsverzeichnis
4. Die Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Würdigung der nationalen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Verfahren nach der EG-Bagatellverordnung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Anwendungsbereich der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vereinfachungen des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Reform der EG-Bagatellverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausweitung des Begriffs der grenzüberschreitenden Rechtssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Änderungen im Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bewertung der Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausweitung des Begriffs der grenzüberschreitenden Rechtssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Änderungen im Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 19 19 20 20 21 21 21 22 22 23 24 24 25 25 26
§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative . . . . . . . . . . . . . 28 I. II. III. IV. V. VI.
Hinderungsgründe für eine gerichtliche Geltendmachung . . . . . . . . 1. Die nicht wirtschaftlich motivierten Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die wirtschaftlichen Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Hemmnisse innerhalb der Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Probleme im staatlichen Gerichtswesen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Widerstände in der Anwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative . . . . . . . . . . . Die Vorteile für den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vorteile für den einzelnen Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorteile für die gesamte Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorteile für Verbraucher und Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorteile für die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28 30 31 31 32 33 34 34 36 38 38
Teil 2: Entwicklung und Status quo der Verbraucherschlichtung . . . 43 § 4. Die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Die Vorläufer der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung . . . . . 45 II. Die neueren Entwicklungen in der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Zukunftsmodell . . . . . . . 50
Inhaltsverzeichnis
IV. Neuorientierung in der europäischen Rechtspolitik . . . . . . . . . . . . . 1. Perspektivwechsel auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Gewährleistungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewährleistungsverantwortung im Rahmen von grenzüberschreitenden Streitfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII 51 51 51 52
§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I.
Die Rechtsgrundlagen der Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsgrundlage im UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die umfassten Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Träger der Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Im Versicherungssektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsgrundlage im VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die umfassten Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Träger der Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Schlichtungseinrichtungen mit gesetzlicher Grundlage . 4. Schlichtungseinrichtungen ohne gesetzliche Grundlage . . . . . . . 5. Die rechtspolitischen Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der staatliche Einfluss auf die Schlichtungslandschaft . . . . . . . . 7. Die rechtliche Organisation der Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Eröffnung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Beschwerdeführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Beschwerdegegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der streitgegenständliche Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die vorherige Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer . . . . b) Die ungeeignete Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Streitwertgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Feststellung der Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Durchführung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Zugang des Verbrauchers zur Schlichtung . . . . . . . . . . . b) Die Prüfung der Beschwerde auf Vollständigkeit . . . . . . . . . c) Die Gewährung des rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die materielle Prüfung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Grundsatz der Amtsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Schriftlichkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Beschleunigungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Bindung an Recht und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die verfahrensabschließende Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausprägung in der BVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausprägung in der VomVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 56 56 57 58 58 58 59 59 60 62 63 64 65 65 65 67 67 68 68 69 70 70 70 70 71 72 72 72 73 74 75 76 77 78
XIV
Inhaltsverzeichnis
5. Die Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die weiteren Verfahrenswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Veröffentlichung von Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Der Ombudsmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die persönlichen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Stellung des Ombudsmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 79 80 81 81 82
§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten . . . . . . . . . . . . 85 I.
Das schwedische Allmänna Reklamationsnämnden . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit der Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ungeeignete Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Streitwertgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundzüge des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugang des Verbrauchers zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abschluss des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sicherstellung der Unabhängigkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . a) Organisation der Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Person des Schlichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die niederländischen Geschillencommissies . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausbildung der einzelnen Geschillencommissies . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit der Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zugehörigkeit des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beteiligte des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundzüge des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abschluss des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sicherstellung der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisation der Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Person des Schlichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 86 86 86 87 87 88 88 88 88 89 90 90 90 90 91 91 92 93 93 94 94 95 95 95 95 96 97 97 98
§ 7. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der bestehenden außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I.
Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der deutschen Schlichtungslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Inhaltsverzeichnis
1. Gründe für die derzeitige Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die sektorielle Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzüberschreitende Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in Schweden und in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie und in der ODR-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Behandlung in der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Behandlung in der ODR-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lösung über Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Gebot der Mindestharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Umsetzung in nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV 100 100 101 101 101 102 102 103 103 104 106 108 109 110 112 113
Teil 3: Möglichkeiten der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 § 8. Das Konzept für eine Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I.
Die Vorteile einer speziellen Regelung für grenzüberschreitende Streitfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Grundverständnis der Zuständigkeitsbestimmung . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrenseröffnung im außergerichtlichen Verfahren . . . . . . . . 3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im gerichtlichen und außergerichtlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Interessen und ihre Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Orientierung an konkreten Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Anknüpfungspunkte für den Interessenausgleich zwischen Verbraucher und Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Partei- und Sachnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Nähe zum anwendbaren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der ergangenen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Interessengewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Orientierung an typisierenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Beispiel des Art. 17 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 119 119 120 121 123 125 126 127 128 129 129 130 133
XVI
Inhaltsverzeichnis
aa) Die Entstehung des Abschnittes über die Zuständigkeit in Verbrauchersachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Die grundsätzlichen Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Der persönliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Der andere Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 dd) Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . . . 141 ee) Die Weiterentwicklung des Art. 17 EuGVVO durch die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Das Ausrichten der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (2) Der Vertragsschluss im Fernabsatz . . . . . . . . . . . . . . 144 (3) Die Kausalität des Ausrichtens für den Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Die Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Vergleichbare Sachlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Die allgemeinen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Die Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Allgemeines zum Begriff des Ausrichtens . . . . . . . . . 148 (2) Das Ausrichten der Tätigkeit als Willensbekundung des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (3) Ausrichten als zu objektivierendes Element . . . . . . . 149 (a) Argumente gegen einen Kriterienkatalog . . . . . . 149 (b) Argumente für einen Kriterienkatalog . . . . . . . . . 151 (4) Übertragbarkeit der vom EuGH entwickelten Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (a) Die offenkundigen Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (i) Das Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (ii) Ausgaben für Suchmaschinen . . . . . . . . . . . . 154 (b) Die weiteren Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (i) Der internationale Charakter der unternehmerischen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . 155 (ii) Die gewählte Sprache und Währung . . . . . . . 156 (iii) Die Angabe der internationalen Vorwahl . . . 157 (iv) Die Anfahrtsbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . 158 (v) Die Top Level Domain . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (vi) Die Unterscheidung in aktive und passive Websites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (c) Vom EuGH nicht genannte Aspekte . . . . . . . . . . . 160 (5) … und der Vertrag in den Bereich der Tätigkeit fällt . 161 (a) Die Ausgangsposition im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
Inhaltsverzeichnis
(b) Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Kausalität zwischen Ausrichten und konkretem Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Tragfähigkeit der Argumentation im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (i) Der Wortlaut als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . (ii) Der Charakter des Verbrauchergerichtsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (iii) Die Beweislastproblematik . . . . . . . . . . . . . . (iv) Die rechtsaktübergreifende harmonisierende Auslegung; Art. 6 Rom I-VO . . . . . . . . . . . . (b) Die Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (i) Der Ausnahmecharakter der Schlichtung im Verbraucherstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ii) Die „Beweislastproblematik“ . . . . . . . . . . . . (iii) Die harmonisierende Auslegung . . . . . . . . . . (iv) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Interessen der AS-Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundannahme für einen Gleichlauf . . . . . . . . . . . . . (2) Gleichlauf in Verbrauchersachen vor staatlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gleichlauf im außergerichtlichen Verfahren . . . . . . . (a) Der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz . . . . . (b) Der persönliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . (c) Der sachliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . (d) Die Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Die Bereichsausnahmen des Art. 6 Rom I-VO . . . (i) Die Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . (ii) Verträge in multilateralen Systemen . . . . . . . (iii) Die Miete von unbeweglichen Sachen . . . . . (iv) Die Güter- und Personenbeförderung . . . . . . (v) Die Versicherungsverträge . . . . . . . . . . . . . . (vi) Die ausschließlich im Ausland erbrachte Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Die Relevanz der Bereichsausnahmen im außergerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . (i) Die ausschließliche Erbringung der Dienstleistung im Ausland . . . . . . . . . . . (ii) Die Beförderungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . (iii) Verträge über Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII 162 163 163 163 164 166 168 168 169 169 170 171 171 172 173 174 174 175 176 177 178 178 179 179 180 181 182 183 184 187 189
XVIII
Inhaltsverzeichnis
(iv) Versicherungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . (v) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Die Versorgung der AS-Stelle mit Informationen über das ausländische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorschlag für die Kompetenzbestimmung in grenzüberschreitenden Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kompetenzbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praxistauglichkeit der gefundenen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eignung für die streitbeilegenden Stellen . . . . . . . . . . . . . . . b) Praxistauglichkeit für die Verfahrensbeteiligten . . . . . . . . . . c) Die praktischen Vorteile der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . .
190 191 191 192 192 192 193 194 194
§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I.
Die Organisation der Schlichtungslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Konzeption der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorteile der privatrechtlich organisierten Streitbeilegung . . 3. Die Notwendigkeit einer behördlichen Auffangstelle . . . . . . . . . 4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz . . . . . . . . II. Die umfassten Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dienstleistungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kaufverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die besondere Bedeutung des E-Commerce in der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die digitalen Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die digitalen Inhalte im europäischen Recht . . . . . . . . . . (1) Die Verbraucherrechterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Vorschlag einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die digitalen Inhalte im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . cc) Notwendigkeit der Unterscheidung in Kaufverträge und Dienstleistungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die digitalen Inhalte in der alternativen Streitbeilegung . . . . 3. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz . . . . . . . . III. Die Ablehnung der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die vorgesehenen Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vereinbarkeit mit der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die grenzüberschreitenden Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz . . . . . . . .
198 198 198 200 201 202 202 203 204 205 205 205 206 207 208 209 211 212 213 213 213 214 216 217 217
Inhaltsverzeichnis
XIX
IV. Die Teilnahme des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Der Teilnahmezwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Bisherige Erfahrungen in deutschen vorgerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Keine Teilnahmeverpflichtung im Rahmen der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Das Comply or Explain-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Das Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Der Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 c) Die Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 d) Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung . . 225 aa) Die Ausgangslage der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . 225 bb) Inhalt der Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 cc) Die Belastung des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 dd) Zu erwartende Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Das Teilnahmeinteresse des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz . . . . . . . . 228 V. Die formularmäßig vorgesehene Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Der Ausgangspunkt der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Behandlung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Behandlung im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4. Auswirkungen auf die Streitbeilegung nach der ADR-Richtlinie 233 5. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz . . . . . . . . 233 VI. Die formellen Qualitätsanforderungen der Richtlinie . . . . . . . . . . . 235 1. Die institutionellen Absicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Die streitbeilegende Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Die streitbeilegende Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Die Unabhängigkeit im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Die personelle Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Die Kennzeichnung der Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Der Ausgangspunkt der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Die Vergabe eines Gütesiegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Ein europäisches ADR-Gütesiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 d) Vergabe durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 e) Zusätzliche mitgliedstaatliche Kennzeichnung . . . . . . . . . . . 242 4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz . . . . . . . . 242 VII. Die Online Dispute Resolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Arten der Online Dispute Resolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Die Vorteile der Online Dispute Resolution . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Online Dispute Resolution für Sachverhalte der ADR-Richtlinie 246 4. Der Anwendungsbereich der ODR-Verordnung . . . . . . . . . . . . . 247 5. Die Ausgestaltung der Online Dispute Resolution . . . . . . . . . . . 250
XX
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a) Die notwendigen elektronischen Leistungen . . . . . . . . . . . . . 250 b) Der Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . 253 I.
Die Bedeutung des geltenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die bisherigen Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausrichtung am geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Kritik an der Verrechtlichung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsfolgen als entscheidender Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abweichung von verbraucherschützenden Normen in der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung von Verbraucherrecht in nicht staatlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verfahrensabschluss nach den Vorgaben der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich des Verbraucherschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahmen bei einvernehmlicher Streitbeilegung . . . . . . . . . . . 5. Besondere Probleme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten . 6. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz . . . . . . . . IV. Die Veröffentlichung bedeutsamer oder systemrelevanter Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ausgangspunkt der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Ausgangspunkt der ODR-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Veröffentlichung von Präzedenzfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Einschränkung von Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . .
254 254 255 256 257 258 259 261 262 265 267 268 269 269 270 271 272
§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I.
Die Bindung an das Verfahrensergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das System der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das System der einseitigen Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Bindungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die vorläufig bindenden Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Die aufschiebend bedingten Entscheidungen . . . . . . . . . . . . 4. Die Ergebnisabsicherung nach der ADR-Richtlinie . . . . . . . . . . a) Grundlage der einseitigen Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einordnung als Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einordnung als drittbegünstigender Vertrag . . . . . . . . . . cc) Einordnung als Venire contra factum proprium . . . . . . . . b) Einschränkungen der einseitigen Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis 5. Die Branchenverbandabsicherung – Hollands Geschillencommissies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Alternativen zur Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274 275 276 277 277 278 279 281 282 282 283 285 286 287 288
Inhaltsverzeichnis
a) Die Stellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sicherheiten im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . (1) Die Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sicherheiten außerhalb von Gerichtsverfahren . . . . . . . . cc) Eignung der Sicherheiten für außergerichtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Berücksichtigung außergerichtlichen Verhaltens innerhalb eines nachfolgenden Zivilprozesses . . . . . . . . . . . . II. Die Verfahrensabsicherung im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der PayPal-Käuferschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gründe des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtliche Vorteile für den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geeignetes Mittel zur Verfahrensabsicherung . . . . . . . . . . . . 2. Die Absicherung über Online Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Angeschlossene Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eignung für Streitfälle aus dem E-Commerce . . . . . . . . . . . . III. Die Anerkennung und Vollstreckung der erzielten Vereinbarung . . 1. Der Anwendungsbereich des § 794 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die vollstreckbare notarielle Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Vergleich vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Nutzung der Möglichkeit des § 794 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Beispiel Baden-Württembergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die gemäß den Anforderungen der ADR-Richtlinie eingerichtete AS-Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anpassung des § 22 AGGVG-BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anerkennung und Vollstreckung gemäß Artt. 58, 60 EuGVVO . a) Gütestellenvergleich als öffentliche Urkunde im Sinne des Art. 58 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vollstreckung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorteile für den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI 288 288 289 289 290 290 291 294 295 295 297 298 299 300 300 301 302 303 303 304 305 306 306 307 308 308 308 309 310
§ 12. Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
Abkürzungsverzeichnis AnwBl Anwaltsblatt BB Betriebs-Berater Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BKR CMLR Common market law review Computer und Recht CR Deutsches Autorecht DAR Der Betrieb DB Deutsche Richterzeitung DRiZ Der Sachverständige DS DVBl Deutsches Verwaltungsblatt European Law Reporter ELR European Review of Contract Law ERCL European Review of Private Law ERPL Journal of European Consumer and Market Law EuCML EuR Europarecht euvr Zeitschrift für Europäisches Unternehmens- und Verbraucherrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWiR EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FamRZ GewArch Gewerbearchiv Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GPR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht / InternaGRUR Int tionaler Teil International and Comparative Law Quarterly ICLQ Internationales Handelsrecht IHR Int Rev Law Comput Tech International Review of Law, Computers & Technology Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRax IR InfrastrukturRecht Journal of Consumer Policy J. Consum. Pol. Journal of private international law J. Priv. Int. L. Juristische Arbeitsblätter JA jM juris – Die Monatszeitschrift JZ Juristenzeitung Kommunikation & Recht K&R Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring LMK Lebensmittel & Recht LMuR Monatsschrift für deutsches Recht MDR
XXIV MittBayNot
Abkürzungsverzeichnis
Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Multimedia und Recht MMR NC JOLT North Carolina Journal of Law & Technology Neue Justiz NJ Neue juristische Online-Zeitschrift NJOZ Neue Juristische Wochenschrift NJW Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht NVersZ Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht NZBau NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung NZI Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht NZV Ohio St. J. Disp. Resol. Ohio State Journal on Dispute Resolution Penn. St. J. L. & Int’l Aff. Penn State Journal of Law & International Affairs R. E. D. C. Revue européenne de droit de la consommation /European journal of consumer law Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales RabelsZ Privatrecht Revue critique de droit international privé RCDIP Recht der Energiewirtschaft RdE Rich. J. L. & Tech. Richmond Journal of Law & Technology Recht der internationalen Wirtschaft RIW Der deutsche Rechtspfleger Rpfleger Reise-Recht aktuell RRa Zeitschrift für Schiedsverfahren SchiedsVZ Texas Law Review Tex. Law Rev TranspR Transportrecht Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und SchadensVersR recht Verbraucher und Recht VuR Sonderausgabe Verbraucher und Recht VuR Sonderheft VW Versicherungswirtschaft WiVerw Wirtschaft und Verwaltung WM Wertpapier-Mitteilungen Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM Yearbook of Private International Law YbPrivIntL Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und VerZfBR gaberecht Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und ZfRV Rechtsvergleichung ZfS Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZGR Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht ZGS Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und WirtschaftsZHR recht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP
ZKM ZRP ZUM ZVersWiss ZVglRWiss ZZP ZZZ
Abkürzungsverzeichnis
XXV
Zeitschrift für Konfliktmanagement Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber-und Medienrecht Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht
Teil 1
Einleitung und Problemstellung
§ 1. Die Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen Die Realisierung grenzüberschreitender Ansprüche beschäftigt die Rechtswissenschaft seit geraumer Zeit. Der ursprünglich national geführte Diskurs fand mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 25. März 1957 durch die Römischen Verträge eine europäische Dimension. Bereits im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft war in Art. 2 als Ziel die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes vorgesehen.1 Dieses Ziel sollte zunächst mit dem Abbau materieller Schranken, wie der Aufhebung der Warenund der Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen, sowie der Beseitigung technischer Schranken, wie der Angleichung von handelshemmenden nationalen Vorschriften oder der Aufhebung von Beschränkungen im Kapitalverkehr und im Dienstleistungsmarkt, angestrebt werden.2 Nach der Erreichung eines Großteils dieser Ziele richtete sich 1993 der Blickwinkel auf den zusammenwachsenden europäischen Raum.3 Zwar wurden die Fortschritte bei der Verwirklichung des gemeinsamen Marktes positiv hervorgehoben, dennoch sei eine Vollendung bisher nicht eingetreten. Daher sei die weitere Entwicklung des Marktes eine wichtige Aufgabe, welche weiterhin verfolgt werden müsse. Im Jahr 1997 wurden im Rahmen dieser Fortentwicklung beim Amsterdamer Gipfel vier strategische Ziele definiert, welche neben der besseren Inkraftsetzung des Binnenmarktrechts und der Verhinderung von Verzerrungen im Marktgefüge auch den Abbau sektorspezifischer Schranken sowie die Schaffung einer größeren Bürgernähe umfassten. Eine weitere Strategie der Europäischen Kommission hebt dann im Jahr 1999 neben der Verbesserung der Lebensqualität der Bürger besonders die Effizienzsteigerung der Güter- und Kapitalmärkte, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und die bessere Nutzung der sich aus dem Binnenmarkt ergebenden Möglichkeiten in einer Welt des 1 Einen Überblick über die Anfänge des Europäischen Integrationsprozesses gibt von der Groeben, Aufbaujahre der Europäischen Gemeinschaft, S. 23–57. 2 Bergmann, in: Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, Binnenmarkt, II. Das Binnenmarkt-Programm beschreibt eingehend die im Einzelnen verfolgten Zielsetzungen. 3 Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 26 AEUV Rn. 39 bezeichnet daher das Jahr 1993 als den Startpunkt des europäischen Binnenmarkts.
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§ 1. Die Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen
ständigen Wandels hervor.4 Nach der Schaffung eines gemeinsamen Marktes ist der Fokus somit nunmehr auf eine verbesserte Nutzung dieses Marktes durch die verschiedenen Marktteilnehmer gerichtet. Der Binnenmarkt umfasst nach der Definition des Art. 26 Abs. 2 AEUV einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist. Die Nutzung des so verstandenen Binnenmarktes impliziert ein Landesgrenzen übergreifendes Handeln der einzelnen Marktteilnehmer. Daraus entspringen regelmäßig grenzüberschreitende Sachverhalte, wie beispielsweise bei Vertragsschlüssen zwischen Verbrauchern und Unternehmern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Diese vertraglichen Beziehungen, in denen der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als der Unternehmer, sollen den Gegenstand dieser Untersuchung bilden. Innerhalb dieser Beziehungen können im Rahmen der Abwicklung verschiedene Probleme auftreten, wie z. B. die Nichtlieferung der durch den Verbraucher bestellten Sache oder deren Mangelhaftigkeit. Falls sich der Unternehmer einer freiwilligen Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten widersetzt, stellt sich auf Seiten des Verbrauchers die Frage, wie er einen gegen den Unternehmer bestehenden Anspruch in dem grenzüberschreitenden Sachverhalt effektiv durchsetzen kann. Die Realisierung derartiger Forderungen soll im Folgenden näher untersucht werden.
I. Die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung grenzüberschreitender Forderungen Bei der Realisierung von grenzüberschreitenden Forderungen können verschiedene Probleme auftreten. Aufgrund der Beziehungen zu zwei verschiedenen Mitgliedstaaten kommen für die Verfahrensführung grundsätzlich mindestens zwei verschiedene Foren in Betracht. Dies bedeutet für eine der beiden Parteien, dass sie sich im Rahmen eines möglichen Rechtsstreits ins Ausland begeben muss.5 Dies bringt einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand mit sich, welcher eine Auseinandersetzung in wirtschaftlicher Hinsicht gegenüber einem rein inländischen Verfahren signifikant verteuern kann.6 Auch auf materiell4 Mitteilung der Kommission über die Binnenmarktstrategie für den Zeitraum 2000–2004, KOM (1999) 464 endg. 5 Stellvertretend hierfür können die Zuständigkeiten der EuGVVO (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 351/1) herangezogen werden, welche als Grundregel das Forum des Beklagten gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVVO für zuständig erklärt, daneben aber auch abweichende besondere Zuständigkeiten vorsieht. 6 Zu denken ist hierbei an Reise- und Aufenthaltskosten sowie ein möglicher Verdienst-
I. Die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung grenzüberschreitender Forderungen
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rechtlicher Ebene bringt der grenzüberschreitende Bezug Probleme mit sich. Für die rechtliche Bewertung des Sachverhalts kommen mehrere Rechtsordnungen in Betracht, aus welchen nach international-privatrechtlichen Grundsätzen eine zuständige Rechtsordnung zu ermitteln ist.7 Damit wird eine der Parteien mit einer ihr meist fremden Rechtsordnung konfrontiert, die sie regelmäßig ohne fremde Hilfe nicht verstehen wird.8 Auch dies ist wiederum ein Kostenfaktor, der die Realisierung der Forderung erschwert.9 Die Ermittlung und Anwendung einer fremden Rechtsordnung kann schließlich auch für die jeweils streitbeilegenden Stellen zeit- und kostenintensiv sein, sodass sich ein Verfahren hierdurch sowohl verzögern als auch verteuern kann.10 Schließlich ist auch die Vollstreckung grenzüberschreitender Ansprüche problembehaftet. Da der Vertragspartner meist in seinem Heimatstaat Vermögen besitzt, muss der Anspruchsteller sich oftmals in dieses Land begeben, um seine Forderung befriedigen zu können.11 Dabei entstehen ähnliche Zeitverluste und Kosten, wie sie bereits im Rahmen des Erkenntnisverfahrens angefallen sind. Bereits aus diesen grundsätzlichen Problemen ergeben sich für die beteiligten Parteien erhebliche wirtschaftliche Bedenken gegen die Verfolgung grenzüberschreitender Forderungen. Diese Bedenken verstärken sich noch weiter, je niedriger der jeweilige Streitwert liegt. Dazu treten noch weitere allgemeine Hindernisse im Rahmen der Forderungsrealisierung, welche soziale oder psychologische Hintergründe haben können. All dies erzeugt ein bedeutendes Problem für die angestrebte Förderung des Europäischen Binnenmarkts. Falls die Marktbeteiligten grenzüberschreitende Forderungen nur unter sehr hohem ausfall in der Zeit, welche für die Geltendmachung der Forderung aufgewandt werden muss. Zu den Besonderheiten der Prozessführung im Ausland sowohl als Kläger wie als Beklagter Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, S. 19–26. 7 Hierfür sind bei grenzüberschreitenden vertraglich zu qualifizierenden Sachverhalten primär die Vorschriften der Rom I-VO (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. Nr. L 177/6) heranzuziehen. 8 Dies gilt nicht allein für das Verständnis der fremden Rechtsordnung, sondern beginnt bereits bei der fremden Sprache, welche der durchschnittliche Verbraucher oder Unternehmer meist nicht hinreichend beherrschen wird. 9 Die Einschaltung eines sachkundigen Anwalts wird in derartigen Fällen somit für die meisten Verbraucher wie Unternehmer unumgänglich sein, welche das Verfahren wiederum verteuert. 10 Für das gerichtliche Verfahren vor deutschen Zivilgerichten gilt in diesem Zusammenhang eine Ausnahme vom Grundsatz der iura novit curia gemäß § 293 ZPO. Die Vorschrift ermöglicht die Beweisaufnahme über den Inhalt von Rechtsnormen, die typischerweise schwerer zugänglich sind als die im Inland geltenden Gesetze und Rechtsverordnungen, und normiert damit eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Beweiserhebung nur über Tatsachen zulässig ist. Vgl dazu Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 293 Rn. 1. 11 Zur Durchsetzung zivilgerichtlicher Urteile musste vor der Reform der EuGVVO in vielen Fällen ein sogenanntes Exequatur-Verfahren durchgeführt werden, welches den Rechtsstreit nochmals verteuerte.
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§ 1. Die Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen
Einsatz realisieren können, so werden sie vom Abschluss länderübergreifender Verträge eher absehen. Eine derartige Handlungsweise würde jedoch dem Binnenmarkt schaden, da er schon per definitionem von grenzüberschreitenden Beziehungen lebt.
II. Alternative Möglichkeiten der Realisierung Zur Realisierung grenzüberschreitender Forderungen kommen im Grundsatz zwei verschiedene Wege in Betracht. Zum einen kann ein staatliches Gericht angerufen werden, welches über den streitgegenständlichen Anspruch ein Urteil fällt, aus dem der Kläger gegen den Beklagten die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Neben dieser gerichtlichen Durchsetzung besteht die Möglichkeit, eine Forderung außergerichtlich zu realisieren. Die einvernehmliche Streitbeilegung kann bei entsprechender Ausgestaltung die Durchführung eines staatlichen Gerichtsverfahrens mit anschließender Zwangsvollstreckung entbehrlich machen und damit den Beteiligten Zeit und Kosten sparen. Zudem können bei einer konsensual gefundenen Lösung die Parteiinteressen besser berücksichtigt werden, als dies in einem gerichtlichen Verfahren der Fall ist. 1. Die Geschichte der außergerichtlichen Streitbeilegung Die konsensuale Streitbeilegung unter Heranziehung eines vermittelnden Dritten kann auf eine lange Historie zurückblicken. Am Weitesten lässt sich die Spur in China zurückverfolgen, wo bereits seit circa sechs Jahrtausenden die Konfliktlösung durch Vermittler bekannt ist.12 In Europa finden sich im antiken Griechenland im 6. Jahrhundert vor Christus erste Spuren einer Vermittlertätigkeit in Streitfällen, welche sich bis in die Neuzeit verfolgen lassen.13 Die historisch gewachsenen Strukturen dieser Tätigkeit erfuhren innerhalb der letzten 40 Jahre ausgehend von den Vereinigten Staaten von Amerika eine Renaissance, welche die nunmehr mit dem Akronym ADR versehene Alternative Dispute Resolution auch innerhalb Europas wieder mehr in den Fokus rückte.14 Die vorrangige Entwicklung der ADR innerhalb des anglo-amerikanischen Rechtskreises lässt sich 12 Vgl. Liang Zhiping, Mediation by whom? Observations of Community Mediation Practices in the Qing Dynasty (1644–1991), XXI. National Congress „Concepts of Law and Human Rights: Comparison between East and West“, zitiert nach Duss-von Werdt, Homo mediatior, S. 20. 13 Duss-von Werdt, Homo mediator, S. 24–51 zeichnet die Spur ausgehend von Solon über Alvise Contarini zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges bis hin zu Fabio Chigi ins 17. Jahrhundert. 14 Einen umfangreichen Überblick über die Entwicklung der ADR unter besonderer Berücksichtigung der Mediation gibt Haaß, in: Haft/Schliefen, Handbuch Mediation, S. 187, 189 ff.
II. Alternative Möglichkeiten der Realisierung
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insbesondere auf die größere Akzeptanz der größtenteils informell gehaltenen Verfahrensarten zurückführen. Im Gegensatz zu kodifizierten Rechtsordnungen, wie sie sich im romanischen oder deutschen Rechtskreis finden, ist der angloamerikanische Rechtskreis durch eine Rechtsausbildung gekennzeichnet, die sich in erster Linie an aus Einzelfallentscheidungen gewonnenen Präjudizien orientiert.15 Die dahingehende Flexibilität und das Verfahrensrecht, welches stark auf den Gerechtigkeitsgedanken ausgerichtet ist, bildeten einen fruchtbaren Boden für die Entwicklung verschiedener ADR-Modelle.16 Neben dieser Grundvoraussetzung bestand für die rasche Ausbreitung alternativer Streitbeilegungsmechanismen noch ein weiterer Grund. Im Gegensatz zu kontinentalen Rechtsordnungen, die für zivilprozessuale Verfahren bestimmte Gebührentabellen sowohl für die gerichtlichen Kosten als auch für die anwaltliche Vertretung kennen und dazu noch die Kostenhaftung des Unterliegenden vorsehen, ist beispielsweise im US-amerikanischen Zivilprozess eine derartige Deckelung und Erstattung der anfallenden Kosten nur teilweise oder gar nicht vorgesehen.17 Damit erhöht sich das Kostenrisiko eines Zivilprozesses signifikant und hält viele potentielle Kläger davon ab, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Die damit einhergehende faktische Justizverweigerung war ein weiterer Motor zur Ausprägung vieler alternativer Angebote zur außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung.18 2. Die Arten der außergerichtlichen Streitbeilegung Die außergerichtliche Streitbeilegung unter Beteiligung eines Dritten lässt sich grob in zwei Teilbereiche aufgliedern. Dabei handelt es sich einerseits um den Bereich der Vermittlung und zum anderen um den der (schiedsgerichtlichen) Entscheidung. Unterschiede ergeben sich hinsichtlich des Grades der Einbeziehung, der Funktion und der inhaltlichen Einflussmöglichkeiten des herangezogenen Dritten auf der einen Seite und der Bedeutung des Rechts innerhalb des Streitbeilegungsprozesses auf der anderen Seite.19 Klassisches Beispiel der Vermittlung zwischen Konfliktparteien ist die Mediation, bei der ein neutraler Dritter die Verhandlungen zwischen den Parteien moderiert und lenkt, ohne dabei allerdings inhaltliche Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Am anderen Ende der Skala befindet sich das in den §§ 1025 ff. ZPO geregelte Schiedsverfahren, 15
Zu Rechtsfindung und Prozeß im Common Law Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 18. 16 Eine Übersicht über die in den angelsächsischen Ländern entwickelten ADR-Methoden geben G. Mähler/H.-G. Mähler, in: Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 48 Rn. 3 ff. 17 Die fehlende Unterliegenshaftung ist als sogenannte American Rule bekannt und findet sich in Rule 54 (d)(2) der Federal Rules of Civil Procedure „FRCP“, welche die Verfahrensregeln des Bundes darstellen, die für alle Bundesgerichte einheitlich gelten. 18 Die Gründe für und die Formen der ADR in den USA behandelt Elsing, in: FS Sandrock, S. 267, 270 ff. 19 Unterscheidung nach Trenczek, in: Trenczek/Berning/Lenz, Mediation und Konfliktmanagement, S. 23, 26 f.
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§ 1. Die Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen
welches mit einem für beide Parteien regelmäßig abschließend verbindlichen Schiedsspruch endet. Zwischen diesen beiden Verfahren besteht eine Vielzahl weiterer Instrumente, wie beispielsweise die in der Baubranche verbreitete Adjudikation, das Schiedsgutachen oder die Schlichtung. Ihnen ist gemein, dass sie regelmäßig mit einer (teilweise) bindenden Bewertung des vorgebrachten Sachverhalts durch einen Dritten enden. Neben den bereits bekannten Einsatzfeldern der außergerichtlichen Streitbeilegung, wie der Mediation bei familiären Streitfällen oder der Adjudikation im Bausektor, rückt mehr und mehr die außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen in den Vordergrund. Gerade Streitfälle, in denen der Verbraucher als Antragsteller auftritt, werden als besonders geeignet für außergerichtliche Konfliktlösungen angesehen. Dies wird einerseits darauf zurückgeführt, dass der Verbraucher als regelmäßig rechtlich nicht vorgebildetete Person aus verschiedenen Gründen vor der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche zurückschreckt. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass der durchschnittliche Verbraucher meist in Streitfälle verwickelt sein wird, welche nur einen geringen Streitwert aufweisen. Daher stellt ein gerichtliches Verfahren in den Augen vieler Verbraucher bei wirtschaftlicher Betrachtung einen großen Aufwand für einen verhältnismäßig geringen Ertrag dar. Diese Hemmnisse verstärken sich nochmals, falls der streitige Sachverhalt einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist. In derartigen Fällen treten weitere Hürden, wie beispielsweise die Unkenntnis der fremden Sprache oder eine dem Verbraucher unbekannte Rechtsordnung hinzu. Ein möglicherweise im Ausland durchzuführendes Verfahren mit den dabei entstehenden Kosten und schließlich die eventuelle Notwendigkeit, den titulierten Anspruch im Ausland durchsetzen zu müssen, schrecken viele Verbraucher endgültig von einer Geltendmachung ihrer Rechte ab.20 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung im nationalen Recht europäischer Staaten In Europa prägte sich die ADR, verstanden als Streitbeilegung außerhalb der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit, in verschiedenem Maße aus. Ein Beispiel für eine ausgeprägte Nutzung außergerichtlicher Streitbeilegungsinstrumente sind die Niederlande. Trotz einer gemeinsamen Rechtstradition und ähnlicher Rechts- und Justizsysteme wie in Deutschland ist dort zu beobachten, dass im Konfliktfall seltener die Gerichte angerufen werden.21 Ein Grund dafür ist, dass 20 Zu den Problemen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten vgl. auch Rösler, Verbraucherverträge, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, S. 1613–1617. 21 Vgl. dazu von Hoyningen-Huene, Außergerichtliche Konfliktbehandlung in den Niederlanden und Deutschland, S. 11.
II. Alternative Möglichkeiten der Realisierung
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die gerichtliche Geltendmachung von geringen Streitwerten in den Niederlanden oft unwirtschaftlich ist, da die meisten niederländischen Rechtsanwälte im Gegensatz zur deutschen Anwaltschaft ihr Honorar auf Stundenbasis berechnen. In Ermangelung gesetzlicher Tarife bzw. einer verbindlichen Gebührenordnung kann so die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen zu Kostenrisiken führen, die gerade die Geltendmachung von geringfügigen Forderungen als unwirtschaftlich erscheinen lassen.22 Zum anderen besteht in den Niederlanden ein umfangreiches Angebot an außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. Das Netz der Einrichtungen, die einerseits Beratung in rechtlichen Fragen anbieten und andererseits außergerichtliche Streitbeilegungsmechanismen zur Verfügung stellen, ist in den Niederlanden dicht gewoben und deckt große Teile des Wirtschaftslebens ab.23 Hierbei nehmen die sogenannten privaten Konfliktkommissionen, die Geschillencommissies, eine hervorgehobene Rolle ein. Auch in Skandinavien ist die Nutzung außergerichtlicher Streitbeilegung weit verbreitet. In Schweden exisitert seit 1968 der Allgemeine Beschwerdeausschuss, das Allmänna Reklamationsnämnd. Dieser gliedert sich in verschiedene Unterausschüsse, welche jeweils in einem bestimmten Segment Beschwerden von Verbrauchern gegen Unternehmer behandeln. Auch in Dänemark besteht seit 1975 ein Verbraucherbeschwerdeausschuss, der Forbrugerklagenœvn, welcher sich in Anlehnung an das schwedische Modell entwickelte.24 Die Ausgestaltung als staatliche Institutionen kann darauf zurückgeführt werden, dass im skandinavischen Raum der Verbraucherschutz primär als staatliche Aufgabe verstanden und daher der Durchsetzung verbraucherschützender Normen ein besonders hoher Stellenwert zugemessen wird.25 In Deutschland wurden seit Beginn der 1980er Jahre mögliche Alternativen zur gerichtlichen Streitbehandlung intensiver diskutiert. Ausgangspunkt hierfür war die Entscheidung des Bundesjustizministeriums im Jahre 1980, die Alternativen in der Ziviljustiz zu einem Forschungsschwerpunkt zu erheben.26 Seitdem wurden in vielfältiger Weise Möglichkeiten für außergerichtliche Streitbeilegungen implementiert, welche regelmäßig der Konfliktbereinigung und Rechts-
22 Dazu Cimmino, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 101 f.; Stadler, NJW 1998, 2479, 2481 f. 23 Vgl. dazu die eingehende Darstellung bei von Hoyningen-Huene, Außergerichtliche Konfliktbehandlung in den Niederlanden und Deutschland, S. 47–63. Zur Energiewirtschaft auch Voigt, Ausgewählte verbraucherschutzrechtliche Aspekte des deutschen Energierechts im Blickpunkt, S. 50 f. 24 Zur Entwicklung in Dänemark Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, S. 110 ff. 25 Tamm, Verbraucherschutzrecht, S. 819 stellt unter Berufung auf die in KOM (2008) 794 endg. zitierte Studie fest, dass in den Niederlanden und in Skandinavien das größte Vertrauen in die alternative Streitbeilegung besteht. 26 Vgl. Strempel, in: FS Wassermann, S. 223–235.
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§ 1. Die Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen
durchsetzung dienen.27 Im Gegensatz zu den Niederlanden und Skandinavien wurde in Deutschland ein sektoriell beschränkter Einsatz von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen favorisiert, welcher jeweils spezifisch auf die konkreten Bedürfnisse zugeschnitten wurde.28 4. Die außergerichtliche Streitbeilegung in der Europäischen Union Die Entstehung verschiedener außergerichtlicher Verfahren zur Regulierung von Verbraucherbeschwerden wurde seitens der Europäischen Union durchweg positiv aufgenommen. Hierbei wurden die mitgliedstaatlichen Entwicklungen auf unionsrechtlicher Ebene zunächst als Möglichkeit verstanden, den Zugang der Verbraucher zu einem effektiven Rechtsschutz zu erleichtern. In diesem Zusammenhang erfuhr die Idee der außergerichtlichen Streitbeilegung seit Mitte der achtziger Jahre in verschiedenen Mitteilungen und Empfehlungen viel Zuspruch und wurde oftmals als förderungswürdiges Instrument dargestellt. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wurde neben dem Zugang zum Recht auch die binnenmarktstärkende Funktion der außergerichtlichen Streitbeilegung erkannt. Der erhoffte Nutzen der ADR zum Ausbau und der intensiveren Nutzung des Binnenmarktes erwies sich als weitere Triebfeder, welche im Jahr 2013 zum Erlass der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung führte.29 Durch die Rechtsakte soll eine flächendeckende außergerichtliche Streitbeilegungslandschaft entstehen, welche europaweit einheitlichen Standards entspricht. Damit sollen die vom unionsrechtlichen Gesetzgeber als binnenmarktschwächend erkannten Unterschiede im Angebot der außergerichtlichen Streitbeilegung angeglichen werden und zugleich das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmer in den Binnenmarkt gestärkt werden. Bevor auf die gerade erläuterten neuesten Entwicklungen auf europäischer Ebene näher eingegangen wird, stellt sich vorab die Frage, ob es im Bereich der Verbraucherverträge der außergerichtlichen Streitbeilegung im propagierten Ausmaß tatsächlich bedarf. Die Durchsetzung von Ansprüchen obliegt in erster Linie der staatlichen Zivilgerichtsbarkeit. In einem Rechtsstaat, welcher das Gewaltmonopol beansprucht und Selbsthilfe zur Durchsetzung von Ansprüchen nur ausnahmsweise zulässt, besteht ein Anspruch des Bürgers gegen den Staat, Organe zur Rechtsdurchsetzung bereitzustellen. Dieser Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes
27 Einen Überblick über einige Beispiele gibt Preibisch, Außergerichtliche Vorverfahren in Streitigkeiten der Zivilgerichtsbarkeit, S. 57 ff. 28 Eine erste Bestandsaufnahme findet sich bei Micklitz, DRiZ 1983, 119–127. 29 Vgl. zur Entwicklung eingehend Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 13 f.
II. Alternative Möglichkeiten der Realisierung
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sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter.30 Die damit gebotenen Möglichkeiten zur Anspruchsdurchsetzung für den Verbraucher sollen daher als Ausgangspunkt für die weitere Analyse dienen. Da es sich bei den Streitgegenständen, die Verbraucher regelmäßig gerichtlich geltend machen werden, oftmals um geringfügigere Forderungen handelt, sollen hierbei die mitgliedstaatlichen und europäischen Möglichkeiten der Durchsetzung derartiger Forderungen mit in den Fokus gestellt werden.
30
Vgl. BVerfG, NJW 1992, 1673 mit weiteren Nachweisen.
§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen Bei der gerichtlichen Durchsetzung geringfügiger Forderungen fällt auf, dass diese nur in geringem Maße vorgenommen wird. Dies lässt sich häufig mit einer einfachen Kosten-Nutzen Rechnung erklären, die jeder rational agierende Kläger vor Klageerhebung anstellen wird. Sollte der Betrag, welcher im Idealfall zugesprochen würde, den (monetären) Aufwand, welcher zur Vorbereitung, Erhebung und gegebenenfalls Vollstreckung erforderlich ist, nicht deutlich übersteigen, so wird der Anspruch in der Regel nicht weiter verfolgt. Dieser Ausgangslage versuchen einige Mitgliedstaaten in ihren Zivilprozessordnungen entgegenzuwirken. Dabei werden bei der Behandlung von geringfügigen Forderungen zwei verschiedene Konzepte verwendet. In einigen Mitgliedstaaten werden vereinfachte Verfahren angeboten, welche schneller und kostengünstiger sein sollen, als ein herkömmlicher Zivilprozess. Andere Mitgliedstaaten verfolgen dasselbe Ziel mittels Verfahrenserleichterungen innerhalb des regulären Zivilprozesses, welche ebenfalls die Durchsetzung geringfügiger Forderungen erleichtern sollen. Exemplarisch sollen hierfür die Regelungen des deutschen, niederländischen und schwedischen Zivilprozesses kurz beleuchtet werden, um danach auf die Reaktion des unionsrechtlichen Gesetzgebers hinsichtlich der gerichtlichen Durchsetzung geringfügiger Forderungen einzugehen.
I. Das Verfahren nach billigem Ermessen im deutschen Recht In Deutschland besteht kein eigenes small claims Verfahren. Allerdings wird für Streitwerte bis 600 € die Möglichkeit eines Verfahrens nach billigem Ermessen vor den Amtsgerichten eröffnet.1 Das der Vorschrift zugrunde liegende gesetzgeberische Ziel ist dabei, eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu erreichen und damit die Leistungsfähigkeit der Amtsgerichte zu steigern.2 1 Nach § 495a ZPO, eingefügt in die ZPO durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2847. 2 So Deubner, in: MüKo-ZPO, § 495a Rn. 1. Allerdings wird in Rn. 2 angemerkt, dass
I. Das Verfahren nach billigem Ermessen im deutschen Recht
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1. Der Anwendungsbereich des Verfahrens Die Verfahrensführung nach § 495a ZPO ist nicht auf bestimmte Verfahrensarten beschränkt. Vielmehr steht sie bei allen Verfahren im Zuständigkeitsbereich der Amtsgerichte zur Verfügung.3 Die ursprüngliche Streitwertgrenze von 1.000 DM wurde mittlerweile auf 600 € erhöht.4 Für die Berechnung des Streitwertes ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage entscheidend.5 2. Die Vereinfachungen innerhalb des Verfahrens Dem Amtsrichter wird in § 495a ZPO die Möglichkeit eröffnet, sein Verfahren nach billigem Ermessen zu gestalten. Dies soll ihn in die Lage versetzen, das Verfahren auf eine einfachere, effektivere oder kostensparende Art und Weise zu erledigen.6 Das Ermessen des Gerichts besteht daher in zweifacher Hinsicht: Zum einen bei der Entscheidung, ob von der durch § 495a ZPO eingeräumten Möglichkeit überhaupt Gebrauch gemacht wird, und zum anderen bei der Ausgestaltung des Verfahrens nach billigem Ermessen.7 Bei allen amtsgerichtlichen Verfahren ist zudem zu Beginn des Verfahrens eine Erleichterung vorgesehen. Die Klage, die Klageerwiderung sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, können gemäß § 496 ZPO mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. Mit dieser Möglichkeit soll eine Verfahrenserleichterung für die anwaltlich nicht vertretene Partei erreicht werden.8 eine merkliche Arbeitsentlastung der Amtsgerichte durch die momentane Ausgestaltung des Verfahrens kaum erreicht werden kann. Dies führt der Autor zum einen auf die verfassungsrechtlich garantierte Gewährung des rechtlichen Gehörs zurück, das auch im Rahmen des dem Richter eingeräumten Ermessens nicht verletzt werden darf, und zum anderen auf die Tatsache, dass die schwierige und zeitraubende Aufgabe der Sachverhaltsfeststellung und die rechtliche Würdigung des Sachverhalts gerade nicht durch Verfahrensvorschriften erleichterbar seien. 3 Jedoch ist bei speziellen Verfahrensarten, wie dem Urkundenprozess oder dem Mahnverfahren, zu beachten, dass deren Spezialvorschriften nicht durch die in § 495a ZPO eingeräumte Gestaltungsfreiheit außer Kraft gesetzt werden dürfen, vgl. hierzu Herget, in: Zöller-ZPO, § 495a Rn. 4. 4 Die Streitwertgrenze von ursprünglich 1.000 DM wurde bereits durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993, BGBl. I S. 50, auf 1.200 DM heraufgesetzt. 5 Zur Bezeichnung des Verfahrens als Bagatellverfahren kritisch Herget, in: Zöller-ZPO, § 495a Rn. 2, der zu bedenken gibt, dass nach einer Beweisaufnahme und einer möglichen anwaltlichen Vertretung der Parteien schnell mehr als 1.000 € zur Entscheidung stehen können. 6 So auch Pukall, in: Saenger-ZPO, § 495a Rn. 4. 7 Vgl. dazu Touissant, in: BeckOK-ZPO, § 495a Rn. 6 f., der hinsichtlich des Auswahlermessens feststellt, dass eine sorgfältige Prüfung durch das Gericht, ob sich das Verfahren nach seinen konkreten Umständen für eine Ausgestaltung nach § 495a ZPO eignet, vorzunehmen ist. Im Anschluss daran sei eine Abwägung zwischen dem Verfahrensaufwand für Parteien und Gericht einerseits und dem zu erwartenden Nutzen einer vereinfachten Verfahrensgestaltung andererseits vorzunehmen, wobei die Bedeutung des Verfahrens im Allgemeinen und für die Parteien im Besonderen zu berücksichtigen ist. 8 Vgl. Wittschier, in: Musielak-ZPO, § 496 Rn. 1.
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§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen
Auch im Verfahren nach billigem Ermessen sind vom Gericht sowohl die allgemeinen Prozessvoraussetzungen als auch das materielle Recht in gleichem Maße zu beachten, wie innerhalb eines regulären Zivilverfahrens.9 Das gilt insbesondere auch für die richterlichen Hinweispflichten. Das eingeräumte Ermessen zeigt sich in erster Linie innerhalb einer Beweisaufnahme. Hier ist das Gericht nicht auf die Beweismittel und deren Erhebung nach den Regeln des Strengbeweises limitiert, sondern kann im Rahmen des Freibeweises weitergehende Sachverhaltsaufklärung betreiben.10 Ebenso kann innerhalb des Verfahrens auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden. Doch ist diese Möglichkeit insofern eingeschränkt, da gemäß § 495a S. 2 ZPO auf Antrag einer Partei eine mündliche Verhandlung zwingend durchzuführen ist.11 3. Das Urteil Im Rahmen der Urteilsabfassung bedarf es gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO keines Tatbestandes, falls das Urteil nicht mit einer Berufung angreifbar ist. Zudem besteht gemäß § 313a Abs. 1 S. 2 ZPO in derartigen Fällen die Möglichkeit, von der Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist. 4. Die Kosten des Verfahrens Für das Verfahren gemäß § 495a ZPO bestehen keine besonderen Kostenregelungen. Es gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 91 ff. ZPO.
II. Das Small Claims Verfahren im niederländischen Recht In den Niederlanden besteht ähnlich der deutschen ZPO kein eigenständiges Verfahren für geringfügige Forderungen. Vielmehr werden diese Forderungen vor den niederländischen Amtsgerichten, den Kantongerechten, behandelt.12 9 Insbesondere die Gewährung rechtlichen Gehörs, die materielle Prozessleitungspflicht, der Gleichbehandlungsgrundsatz, die Dispositionsmaxime und der Beibringungsgrundsatz sind auch im Verfahren gemäß § 495a ZPO einzuhalten, da diese als Garantien für ein rechtsstaatliches Verfahren anzusehen sind. 10 Pukall, in: Saenger-ZPO, § 495a Rn. 11 nennt hier als Beispiel die Einholung schrift licher oder telefonischer Auskünfte von (neutralen) Personen oder Institutionen, auf die sich eine der Parteien berufen hat. 11 Sollte eine mündliche Verhandlung trotz Antrags nicht durchgeführt worden sein, so ist darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sehen, welche entscheidungskausal ist, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht anders entschieden worden wäre, BVerfG, NJW 2012, 2262, 2263. 12 Im Jahr 2002 wurden Amtsgerichte und Landgerichte, die sogenannten Rechtbanken, institutionell zusammengelegt, wobei die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Ebenen
II. Das Small Claims Verfahren im niederländischen Recht
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Zwar beinhaltet dieses Verfahren einige Vereinfachungen im Vergleich mit dem regulären Verfahren vor den Landgerichten, jedoch kann es mangels besonderen Zuschnitts auf geringfügige Forderungen nicht als besonderes small claims Verfahren angesehen werden.13 1. Der Anwendungsbereich des Verfahrens Die ursprüngliche Streitwertgrenze der niederländschen Amtsgerichte betrug 5.000 €. Diese Grenze wurde im Juli 2011 auf 25.000 € erhöht.14 Daneben sind die Amtsgerichte in den Niederlanden unabhängig vom Streitwert für Miet- und arbeitsrechtliche Streitigkeiten zuständig. 2. Die Vereinfachungen des Verfahrens Innerhalb der amtsgerichtlichen Verfahren finden sich im niederländischen Zivilprozessrecht mehrere Verfahrenserleichterungen. Das Verfahren wird zwar mittels einer im Parteibetrieb zuzustellenden Klageschrift eingeleitet, allerdings besteht im Gegensatz zu den Verfahren vor den Landgerichten die Möglichkeit, die Klageerwiderung sowie weitere Anträge mündlich zu stellen.15 Diese Möglichkeit beschränkt sich allerdings nur auf den in der Klageschrift genannten Verhandlungstermin, zu welchem der Beklagte geladen wurde.16 In diesem Termin kommt dem Richter aufgrund der erweiterten Möglichkeiten eine weitaus aktivere Rolle zu als im regulären zivilprozessualen Verfahren. Ebenfalls besteht vor den Kantongerechten kein Anwaltszwang. Die Parteien können sich allerdings von einem Anwalt vertreten lassen oder einen Beistand sich vor allem am Streitwert und der Art des Falles orientiert. Im Grundsatz sind die niederländischen Landgerichte erstinstanzlich zuständig für alle Zivilsachen, die nicht zum Aufgabengebiet der Kantongerechten gehören. 13 Kramer/Ontanu, in: Neuwahl/Hammamoun, The Philosophy of Small Change, S. 9, 12 sprechen diesbezüglich von einer national simplified procedure. Auch Sujecki, in: FS Simotta, S. 601, 602 meint, dass alleine aufgrund von bestimmten Verfahrenserleichterungen noch nicht von einem eigenständigen small claims Verfahren gesprochen werden kann. 14 Vgl. Weber, The Law and Economics of Enforcing European Consumer Law, Part II, The Netherlands, S. 140. Die rechtliche Grundlage zur Erhöhung der Streitwertgrenze war Artikel III des niederländischen Gesetzes zur Modernisierung des Gerichtssystems vom 19. 5. 2011 (Evaluatiewet modernisering rechterlijke organisatie). Näheres zur Rechtslage Kramer/Ontanu, in: Neuwahl/Hammamoun, S. 9, 12. 15 Kramer/Ontanu, in: Neuwahl/Hammamoun, The Philosophy of Small Change, S. 9, 12 weisen darauf hin, dass größerer Wert auf mündliche Verhandlungen gelegt wird. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass die gestellten Anträge oder getätigten Äußerungen nicht in vollem Umfang in die Akte aufgenommen werden. Daher wird seitens des Richters in diesen Fällen den Parteien im Anschluss an die mündliche Verhandlung die Möglichkeit gegeben, ihre Anträge nochmals schriftlich zu formulieren. Näheres dazu bei Maier/Lindemann/Haibach, Small Claims Verordnung, A. V. 1.8 (Niederlande). 16 Vgl. Sujecki, in: FS Simotta, S. 601, 602.
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§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen
hinzuziehen.17 Im Unterschied zur Vertretung durch einen Anwalt muss bei der Inanspruchnahme eines Beistandes die Partei im Verfahren anwesend sein.18 Die Beweisaufnahme hingegen folgt den allgemeinen Regelungen. Hier ist der niederländische Amtsrichter strikter gebunden, als dies im Rahmen des Verfahrens gemäß § 495a ZPO der Fall ist. 3. Das Urteil Bezüglich der Abfassung des Urteils ergeben sich keine Abweichungen vom regulären Zivilprozess vor den Landgerichten. Während somit innerhalb des Verfahrens größere Erleichterungen für die Parteien bestehen, ist im Rahmen des verfahrensabschließenden Ergebnisses keine dem § 313a ZPO vergleichbare Möglichkeit gegeben. 4. Die Kosten des Verfahrens Hinsichtlich der Kosten gilt auch in den Niederlanden der Grundsatz, dass die unterlegene Partei die Kosten des Streits zu tragen hat. Jedoch werden die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten pauschaliert. Diese Pauschalierung erfolgt dergestalt, dass die zu erstattenden Kosten auf der Grundlage der erbrachten Leistungen der obsiegenden Partei, wie beispielsweise des Auftretens vor Gericht oder der schriftlichen Stellungnahmen und mündlichen Vorträge, berechnet werden. Somit wird regelmäßig keine vollständige Kostentragung der unterlegenen Partei eintreten.19 Zudem besteht für den Richter die Möglichkeit, die Erstattung seines Erachtens nach unnötig entstandenen Kosten abzulehnen, sowie die den Parteien insgesamt entstandenen Kosten unter diesen aufzuteilen.
III. Das Small Claims Verfahren im schwedischen Recht Das schwedische Recht kennt für geringfügige Forderungen ein spezielles Verfahren. Dieses wurde durch das Gesetz über das Verfahren in Streitigkeiten mit geringem Wert im Jahr 1974 in den schwedischen Zivilprozess eingefügt.20 Ziel des Gesetzes war es, die Belange der Parteien bei der Durchsetzung von geringfügigen Forderungen durch die Anpassung des Verfahrens besser zu 17 Vgl. van Rhee, in: Uzelac, Goals of Civil Justice and Civil Procedure in Contemporary Judicial Systems, S. 61, 71. 18 Als Beistand kann jedermann auftreten, vgl. Maier/Lindemann/Haibach, Small Claims Verordnung, A. V. 1.8 (Niederlande). 19 Eingehend zu dieser Berechnung Maier/Lindemann/Haibach, Small Claims Verordnung, A. V. 1.8 (Niederlande). 20 Das Gesetz trägt den Namen „lag om rättegången i tvistemål om mindre värden“ (SFS 1974:8) und wird oftmals abgekürzt als „småmålslagen“ bezeichnet.
III. Das Small Claims Verfahren im schwedischen Recht
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unterstützen. Hierfür sollten insbesondere die Prozessgrundsätze flexibler als im regulären Zivilprozess ausgestaltet und eine Beschränkung der Kosten für eine anwaltliche Vertretung vorgenommen werden.21 1. Der Anwendungsbereich des Verfahrens Die Streitwertgrenze des Verfahrens liegt derzeit bei 19.300 schwedischen Kronen. Hierbei ist zu beachten, dass diese Grenze keine starre Grenze bildet, sondern einen sogenannten Bemessungsbetrag darstellt. Dies bedeutet, dass die Grenze an die Preisbildung gekoppelt ist und damit flexibel erhöht oder vermindert werden kann.22 Das small claims Verfahren kommt zur Anwendung, wenn es sich um eine Zivilklage handelt und der Streitwert nicht überschritten wird. Ausgenommen sind lediglich Familiensachen. Zu beachten ist, dass die Regeln des small claims Verfahrens zwingend anzuwenden sind. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, falls eine Partei im ersten gerichtlichen Termin einen Antrag auf Durchführung des regulären Verfahrens stellt und entweder der Streitwert wahrscheinlich höher ist als die Grenze des Bagatellverfahrens oder der Ausgang des Verfahrens von besonderer Bedeutung für die Beurteilung anderer Rechtsverhältnisse sein wird. 2. Die Vereinfachungen des Verfahrens Zunächst wird innerhalb des Verfahrens auf die im Nya Rättegångsbalk vorgesehene Zweiteilung des Verfahrens in Vorbereitung und Hauptverhandlung verzichtet. Der Verzicht dient der Kosteneinsparung.23 Im einheitlichen Verhandlungstermin wird dem Richter die Möglichkeit eingeräumt, von den formellen Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit abzuweichen. Er kann eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Parteien, bei entsprechendem Streitgegenstand aber auch ein schriftliches Verfahren anordnen.24 Ein rein schriftliches Verfahren soll jedoch nur dann in Erwägung gezogen werden, falls eine mündliche Verhandlung aufgrund der gegebenen Umstände als nicht notwendig erscheint und keine der Parteien eine solche fordert.25 Um Kosten einzusparen, wird innerhalb des Verfahrens keine anwaltliche Vertretung gefordert. Zwar steht es den Parteien frei, sich anwaltlich beraten und/oder vertreten zu lassen. Doch sind die angefallenen Kosten nur rudimentär 21 Zur Gesetzgebungsgeschichte eingehend Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, S. 397 ff. 22 Vgl. dazu Varga, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Band II, Einl. EuBagatellVO, Rn. 50. 23 Vgl. hierzu Kohler, Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozesses, S. 451. 24 Kohler, Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozesses, S. 451, weist darauf hin, dass die Gesetzesbegründung eine mündliche Verhandlung präferiert, da nach einer derartigen Verhandlung eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Urteils bestehe. 25 So Varga, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Band II, Einl. EuBagatellVO, Rn. 50.
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§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen
erstattungsfähig. Als Folge dieser Entscheidung kommt dem Richter, ähnlich wie im niederländischen Verfahren, eine aktivere Rolle zu als in regulären Zivilprozessen.26 Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass sich die richterliche Unterstützung in erster Linie auf Hilfe bei der Formulierung von Klage oder Klageerwiderung richten und allgemeine Hinweise hinsichtlich der Zulässigkeit von Beweisen und der Beweiserforderlichkeit des Parteivortrags umfassen soll. Allerdings ist auch innerhalb des Bagatellverfahrens der Richter zur Neutralität verpflichtet und darf daher regelmäßig nicht über die genannten Hinweise und Hilfestellungen hinausgehen.27 Auch im Rahmen der Beweisaufnahme werden die Regelungen des schwedischen Zivilprozesses abgemildert. Zwar bestehen keine besonderen Vorschriften zur Beweisaufnahme, allerdings können Beweise auch an einem anderen Gericht, als dem mit dem Fall befassten, erhoben werden, soweit dies angebracht erscheint.28 Damit wird die Unmittelbarkeit der Beweiserhebung teilweise in die Disposition des Richters gestellt. 3. Das Urteil Hinsichtlich des Urteils bestehen keine gesonderten Vorschriften. Im Gegensatz zum deutschen Recht kann also, ebenso wie im holländischen Recht, nicht auf Vereinfachungen, die im deutschen Recht § 313a Abs. 1 ZPO bietet, zurückgegriffen werden. 4. Die Kosten des Verfahrens Innerhalb des schwedischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ist der Kostenerstattungsanspruch inhaltlich sehr beschränkt. Dies erklärt sich aus der gesetzgeberischen Intention, das Verfahren möglichst kostengünstig zu gestalten. Als erstattungsfähig gelten nur die Antragsgebühren, die Kosten einer Zeugenbefragung, die Kosten einer notwendigen Übersetzung von Schriftstücken und die Kosten für Reisen und Spesen. Besonders hervorzuheben ist, dass bei Zuziehung eines Anwalts nur die Kosten für eine Stunde anwaltlicher Beratung als erstattungsfähig angesehen werden. Alle darüber hinausgehenden Kosten des Anwaltes sind von der auftraggebenden Partei, gleich ob sie obsiegt oder nicht, selbst zu tragen.29
26 Dazu
Maier/Lindemann/Haibach, Small Claims Verordnung A. V. 1. 11 (Schweden). Eingehend zur Frage der richterlichen Fürsorgepflicht im Bagatellverfahren Kohler, Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozesses, S. 453 f. 28 Kohler, Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozesses, S. 454 bezieht sich hierbei auf § 17 st. 1 des Nya Rättegångsbalk. 29 Vgl. Weber, The Law and Economics of Enforcing European Consumer Law, Part II, Sweden, S. 189, 190. 27
V. Das Verfahren nach der EG-Bagatellverordnung
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IV. Würdigung der nationalen Verfahren Bei der Untersuchung der verschiedenen Methoden zur gerichtlichen Durchsetzung geringfügiger Forderungen fällt nicht nur die unterschiedliche Ausgestaltung in spezielle small claims Verfahren auf der einen Seite und modifizierte amtsgerichtliche Verfahren auf der anderen Seite auf, sondern auch die differenzierte Art der Einflussnahme. So soll beispielsweise im deutschen Recht durch die Einräumung richterlichen Ermessens die Bewältigung von Sachverhalten mit geringem Streitwert unterstützt werden, wohingegen im schwedischen Recht eine erhöhte Unterstützung der Parteien als sinnvoll erachtet wird, um derartige Streitfälle effektiv behandeln zu können. Die untersuchten Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen sind allerdings hauptsächlich für innerstaatliche Streitfälle konzipiert. Eine eigenständige Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte findet sich dagegen in keiner der untersuchten Verfahrensarten. Damit können geringfügige Forderungen zwar im Grundsatz effektiv bearbeitet werden, doch bleiben die besonderen Probleme, die mit einer länderübergreifenden Rechtsverfolgung verbunden sind, ungelöst.
V. Das Verfahren nach der EG-Bagatellverordnung Die Durchsetzung geringfügiger Forderungen wird bislang im grenzüberschreitenden Bereich selten vorgenommen, da hier neben den im innerstaatlichen Verfahren anfallenen Kosten noch weitere auslandsbedingte Kosten für aufwändige Zustellungen oder weite Reisen anfallen können. Zudem bremsen Sprachbarrieren und das mangelnde Vertrauen in ein unbekanntes Gerichtssystem die Bereitschaft potentieller Kläger, ihren Anspruch auch im Ausland durchzusetzen. Hier setzt die EG-Bagatellverordnung30 an und will bei grenzüberschreitenden Sachverhalten den Parteien eine Möglichkeit eröffnen, ihre Ansprüche in einfacherer Weise gerichtlich durchsetzen zu können.31 30 Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, Amtsblatt Nr. L 199 vom 31. 7. 2007, S. 1; im Folgenden EuGFVO. Zum historischen Kontext und der rechtspolitischen Zielsetzung der Verordnung eingehend M. Stürner, in: Enzyklopädie des Europarechts, Band 3: Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 21 Rn. 7 ff. 31 Mit dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sollen ausweislich des 8. Erwägungsgrundes der Verordnung Streitigkeiten mit geringem Streitwert in grenzüberschreitenden Fällen vereinfacht und beschleunigt und die Kosten verringert werden, indem ein fakultatives Instrument zusätzlich zu den Möglichkeiten geboten wird, die nach dem Recht der Mitgliedstaaten bestehen und unberührt bleiben. Kritisch zum Konzept der Verordnung Kern, JZ 2012, 389, 391.
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§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen
1. Der Anwendungsbereich der Verordnung Nach Art. 2 Abs. 1 S. 1 der Verordnung gilt diese für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen Gericht 2.000 € nicht überschreitet. In Art. 2 Abs. 2 werden von diesem weitreichenden Anwendungsbereich bestimmte Gebiete, wie ein Großteil des Erb- und Familienrechts oder das Arbeitsrecht, wieder ausgenommen. Eine grenzüberschreitende Rechtssache im Sinne dieser Verordnung liegt gemäß Art. 3 Abs. 1 vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat. 2. Die Vereinfachungen des Verfahrens Im Gegensatz zu den bisher behandelten nationalen Verfahrensarten sucht die EuGFVO einen wesentlichen Teil der Verfahrensvereinfachung durch die vorgegebene Nutzung von Formularen zu erreichen. Das Verfahren wird seitens des Klägers gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 eingeleitet, indem er das in Anhang I vorgegebene Klageformblatt A ausfüllt und direkt beim zuständigen Gericht einreicht. Nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Klageformblatts füllt das Gericht gemäß Art. 5 Abs. 2 Teil I des in Anhang III vorgegebenen Standardantwortformblatts C aus und stellt dieses dem Beklagten mit einer Kopie des Klageformblatts zu.32 Das Verfahren wird im Grundsatz schriftlich geführt. Das Gericht kann allerdings eine mündliche Verhandlung anordnen, sofern es diese für erforderlich hält oder wenn eine der Parteien einen entsprechenden Antrag stellt. Ein derartiger Antrag kann vom Gericht allerdings abgelehnt werden, wenn es der Auffassung ist, dass in Anbetracht der Umstände des Falles ein faires Verfahren offensichtlich auch ohne mündliche Verhandlung sichergestellt werden kann. Neben der schriftlichen Ausgestaltung enthält die EuGFVO zudem eine strenge Fristenregelung, welche die Beschleunigung des Verfahrens sicherstellen soll.33 Auch im Rahmen der Beweisaufnahme bestehen Verfahrenserleichterungen. Diese ist ähnlich wie im deutschen Verfahren nach billigem Ermessen als Freibeweisverfahren ausgestaltet und soll nach Art. 9 Abs. 1 vorzugsweise schriftlich oder unter Einsatz von Telekommunikationsmitteln durchgeführt werden. Sachverständigenbeweise oder mündliche Aussagen sollen gemäß Art. 9 Abs. 2 32 Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1108 weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die aus dem Verfahren nach § 495a ZPO bekannte Möglichkeit der Klageerhebung durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle im Rahmen der deutschen Umsetzungsgesetzgebung aufgrund des Formularzwangs keinen Eingang finden konnte. 33 Beispiele hierfür sind die Antwortfrist des Beklagten von 30 Tagen in Art. 5 Abs. 3 und die wiederum 30 Tage betragende Entscheidungsfrist des Gerichts nach Art. 7 Abs. 1 EuGFVO.
VI. Die Reform der EG-Bagatellverordnung
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nur dann zugelassen werden, wenn dies für das Urteil erforderlich und nicht mit unangemessenen Kosten verbunden ist.34 Zudem besteht innerhalb dieses Verfahrens gemäß Art. 10 keine Anwaltspflicht. 3. Das Urteil Das im Verfahren nach der EuGFVO ergangene Urteil ist gemäß Art. 15 Abs. 1 ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Viel wichtiger im grenzüberschreitenden Bereich ist allerdings, dass ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt wird, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass diese Anerkennung angefochten werden kann, Art. 20 Abs. 1. Für eine Vollstreckung im Ausland bedarf es allein einer Bestätigung des Urteiles, welche wiederum unter Hinzuziehung eines im Anhang IV vorgesehenen Formblatts D durch das erkennende Gericht auf Antrag ausgestellt wird, Art. 20 Abs. 2.35 4. Die Kosten des Verfahrens Gemäß Art. 16 trägt die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Das Gericht spricht der obsiegenden Partei jedoch keine Erstattung der Kosten zu, die nicht notwendig waren oder in keinem Verhältnis zu der Klage stehen.36 Zu diesen Kosten zählen regelmäßig die Anwaltskosten.37
VI. Die Reform der EG-Bagatellverordnung Trotz der vielen Vorteile, welche die EG-Bagatellverordnung im Rahmen von grenzüberschreitenden Rechtsstreiten bietet, musste die Kommission Ende 2013 feststellen, dass das Verfahren auch mehrere Jahre nach seiner Einführung noch wenig bekannt ist und deshalb nur wenig genutzt wird.38 Daher wird an ver34 Zu Einzelheiten der Beweisaufnahme M. Stürner, in: Enzyklopädie des Europarechts, Band 3: Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 21 Rn. 51. 35 Zu den weiteren Vorteilen des Verfahrens vgl. Niesert/Stöckel, NZI 2010, 638, 640. 36 Jahn, NJW 2007, 2890, 2893 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei einer notwendigen, aber kostenintensiven Beweisaufnahme besser das nationale zivilprozessuale Verfahren gewählt werden sollte, um eine möglichst umfassende Erstattung der angefallenen Kosten sicherzustellen. 37 Eingehend zu der Kostenregelung Kotzur, GPR 2014, 98, 104. Der Befürchtung, dass unter die nicht notwendigen Kosten auch die Kosten einer durchgeführten Beweisaufnahme subsumiert werden könnten, wird mit Verweis auf Art. 9 Abs. 2 S. 2 entgegengehalten, dass ein Gericht, welches bei der Beweiserhebung bereits die Kosten mitberücksichtigen soll, in der Kostenentscheidung derartige Kosten kaum als nicht notwendig ansehen wird. 38 Bereits aus dem im Jahr 2012 erstellten ECC-Net European Small Claims Procedure Report (abrufbar unter http://ec.europa.eu/consumers/ecc/docs/small_claims_210992012_en.pdf) ging hervor, dass nach den Erkenntnissen der europäischen Verbraucherschutzzentralen in
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§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen
schiedenen Stellen Reformbedarf gesehen, um die Verordnung für die Parteien noch attraktiver zu machen.39 1. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs Bisher war es im Rahmen der Bagatellverordnung nur möglich Ansprüche bis zur Höhe von 2.000 € geltend zu machen.40 Nach den Reformvorschlägen der Kommission soll die Streitwertgrenze auf 10.000 € angehoben werden. Damit soll insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen die grenzüberschreitende Durchsetzung ihrer Forderungen erleichtert werden, da nur 20 % der Forderungen von Unternehmen im innereuropäischen Verkehr unter dem Betrag von 2.000 € lägen.41 Zudem sei in den Mitgliedstaaten die Tendenz erkennbar, die Streitwertgrenze für vereinfachte Verfahren anzuheben, um die Verfahren attraktiver zu machen. Aufgrund dieser einzelstaatlichen Tendenzen soll auch im Rahmen der Bagatellverordnung eine Anhebung der Streitwertgrenze erfolgen.42 2. Die Ausweitung des Begriffs der grenzüberschreitenden Rechtssache Als weitere Maßnahme soll der Begriff der grenzüberschreitenden Rechtssache erweitert werden, um den Anwendungsbereich für weitere Streitigkeiten zu eröffnen. Bisher liegt nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung eine grenzüberschreitende Rechtssache vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat. Da durch diese enge Formulierung Rechtsstreitigkeiten zwischen Parteien, welche zwar im selben Mitgliedstaat ansässig sind, deren Streitfall aber anderweitig einen ausgeprägten Auslandsbezug aufweist, wie beispielsweise einen Erfüllungsort im Ausland oder eine angedachte Vollstreckung im Ausland, bisher vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, soll die Definition neu nur 12 % der Mitgliedstaaten mehr als 5 Bagatellverfahren mit Verbraucherbeteiligung durchgeführt wurden. 39 Vgl. dazu den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, KOM(2013) 794 final, S. 3. Eine kurze Zusammenfassung der Reformvorschläge findet sich bei Stöbener, EuZW 2013, 925 und Huber, GPR 2014, 242–249. Einen Überblick über die weiteren aktuellen Entwicklungen gibt R. Wagner, NJW 2014, 1862 ff. 40 Die bisherige Streitwertgrenze beruhte auf einem Kompromiss, welcher durch die Mitgliedstaaten gefunden wurde, dazu Sujecki, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 35, Rn. 27. 41 So KOM(2013) 794 final, S. 6. 42 Ablehnend hierzu BR-Drs. 766/13 (Beschluss) und BT-Drs. 18/3427 (Beschlussempfehlung und Bericht), die sich gegen eine Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 € aussprechen.
VI. Die Reform der EG-Bagatellverordnung
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gestaltet werden. Um auch derartige Streitigkeiten in den Anwendungsbereich einzubeziehen, soll Art. 3 gestrichen und dafür in Art. 2 ein neuer Absatz 2 eingefügt werden, welcher den Anwendungsbereich negativ definiert. Nur falls alle aufgeführten Elemente, soweit relevant, in einem Mitgliedstaat liegen, soll der Anwendungsbereich nicht eröffnet sein. Als relevante Elemente werden neben dem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt der Ort der Vertragserfüllung, der Ort der Vollstreckung, der Ort, an dem der die Forderung begründende Sachverhalt entstanden ist, und der Ort des zuständigen Gerichts genannt. 3. Die Änderungen im Verfahrensablauf Auch innerhalb des Verfahrensablaufs soll es dem Willen der Kommission nach zu Änderungen kommen, um diesem mehr Attraktivität zu verleihen. Zum einen soll der Ausnahmecharakter der mündlichen Verhandlung gegenüber dem nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 grundsätzlich schriftlich zu führenden Verfahren durch eine Neufassung des Art. 5 Abs. 1 deutlicher werden. Bisher war das Anberaumen einer mündlichen Verhandlung, außer wenn eine der Parteien eine derartige Verhandlung beantragt, in das Ermessen des Gerichts gestellt.43 Nunmehr soll sich das Gericht nur noch dann für eine mündliche Verhandlung entscheiden, wenn es der Auffassung ist, dass es auf der Grundlage der von den Parteien vorgelegten Urkunden kein Urteil fällen kann.44 Auch soll der Einsatz elektronischer Mittel weiter ausgebaut werden. War von diesen bisher im Rahmen der Beweisaufnahme nach Art. 9 Abs. 1 S. 3 die Rede, sollen die Mittel der modernen Kommunikation jetzt nach dem Wunsch der Kommission auch im Rahmen der Zustellung zum Einsatz kommen. Sowohl das Klageformblatt als auch das Urteil sollen künftig auch elektronisch mit Empfangsbestätigung versendet werden, Art. 13 Abs. 1 S. 1 des Kommissionsvorschlags.45 Zudem soll auch der weitere Schriftverkehr zwischen Gericht und Parteien elektronisch ablaufen.46
43 Sujecki, ZRP 2014, 84, 85 merkt unter Verweis auf die Erklärung der Kommission an, dass in der gerichtlichen Praxis die bisherige Regelung zu einer routinemäßigen Anberaumung von mündlichen Verhandlungen führte. Dies wiederum führte zu einer erheblichen Erhöhung der Verfahrenskosten, wodurch wiederum die Attraktivität des Verfahrens litt. 44 Auch bei der Ablehnung einer von den Parteien beantragten mündlichen Verhandlung ergeben sich Unterschiede zu der bisherigen Regelung. Eine Ablehnung, gegen welche weiterhin kein gesondertes Rechtsmittel zulässig ist, soll künftig nicht erfolgen, falls der Streitwert 2.000 € übersteigt oder beide Parteien sich zu einem gerichtlichen Vergleich bereit erklären und zu diesem Zweck eine mündliche Verhandlung beantragen. 45 Allerdings müssen die Parteien einem derartigen Procedere zustimmen. 46 Auch dies soll jedoch nur dann möglich sein, wenn das innerstaatliche Recht dies zulässt und die Parteien einer derartigen Vorgehensweise zustimmen. Allgemein zu den Möglichkeiten der Nutzung elektronischer Mittel im Zivilverfahren Radke, ZRP 2012, 113 ff.
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§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen
VII. Bewertung der Reformansätze Ein Reformbedarf im Rahmen der Bagatellverordnung ist aufgrund der bisher nur zurückhaltenden Nutzung des gemeinschaftsrechtlichen Verfahrens nicht von der Hand zu weisen. Jedoch stellt sich die Frage, ob die Kommission die richtigen Stellschrauben gefunden hat und ob nicht anderweitig größerer Handlungsbedarf besteht. 1. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs Die Anhebung der Streitwertgrenze soll das Bagatellverfahren gerade für kleine und mittlere Unternehmen attraktiver machen. Hintergrund des Reformvorschlags ist die Annahme, dass nur rund 20 % der Forderungen von Unternehmen im innereuropäischen Geschäftsverkehr weniger als 2.000 € betragen, während sich 30 % der Forderungen zwischen 2.000 und 10.000 € bewegen.47 Ziel ist somit, den Unternehmen eine weitreichende Nutzung der Bagatellverordnung zu ermöglichen. Bei diesem Ansatz stellen sich gleich mehrere Fragen. Zunächst ist zweifelhaft, ob bei Forderungen in Höhe von fast 10.000 € noch von Bagatellsachen die Rede sein kann. Ebenso dürfte die Überschrift „Geringfügige Forderungen“ bei Erweiterung des Anwendungsbereichs nicht mehr den umfassten Ansprüchen gerecht werden. Umgekehrt erscheint angesichts der Ausgangsüberlegung, gemeinsame Verfahrensregeln für vereinfachte und beschleunigte grenzüberschreitende Gerichtsverfahren für verbraucher- und handelsrechtliche Ansprüche mit geringem Streitwert zur Verfügung zu stellen, die Anhebung des Streitwerts diskutabel. Doch stellt sich wiederum die Frage, ob angesichts der nationalen Streitwertgrenzen für Bagatellverfahren, welche regelmäßig weit unter 10.000 € liegen, der (grundsätzlich) autonom zu definierende Begriff des geringfügigen Streitwerts so losgelöst von mitgliedstaatlichen Festsetzungen erfolgen kann. Zu diesen Einwänden tritt noch ein weiterer gewichtiger Punkt. Im Bagatellverfahren in seiner jetzigen Form stellt die mündliche Verhandlung die Ausnahme dar. Diese Rolle wird durch die Reformvorschläge noch weiter ausgebaut und gefestigt. Bei Streitwerten von über 2.000 bis 10.000 € stößt die vorrangige Schriftlichkeit des Verfahrens jedoch auf gewisse Bedenken. Zwar soll ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung in diesen Fällen nicht abgelehnt werden, jedoch wäre gegen eine derartige Ablehnung weiterhin kein gesondertes Rechtsmittel zulässig. Somit kann eine ungerechtfertige Ablehnung nur durch Anfechtung des Urteils korrigiert werden, was wiederum eine Verfahrensverlängerung zur Folge hätte. Damit könnte das Verfahren wiederum einen Teil seiner anfänglichen Attraktivität verlieren. 47
Vgl. KOM(2013), 794 final, S. 6.
VII. Bewertung der Reformansätze
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2. Die Ausweitung des Begriffs der grenzüberschreitenden Rechtssache Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass mittels der Erweiterung des Anwendungsbereichs versucht wird, das europäische Bagatellverfahren für mitgliedstaatliche Parteien attraktiver zu gestalten. Allerdings darf bei der Neuausrichtung das Telos der Verordnung nicht aus den Augen verloren werden. Ziel der Verordnung ist ausweislich ihres achten Erwägungsgrundes, Streitigkeiten mit geringem Streitwert in grenzüberschreitenden Fällen zu vereinfachen, zu beschleunigen und die Kosten hierfür zu verringern. Die Erweiterung des Anwendungsbereiches lässt nunmehr auch zu, dass Streitigkeiten mit sehr geringem Auslandsbezug mit Hilfe der Verordnung gelöst werden können.48 Ob dies noch der ursprünglichen Intention des Unionsgesetzgebers entspricht, darf zumindest bezweifelt werden. Bemerkenswert ist auch die Erwähnung der Vollstreckungsmöglichkeit im Ausland als ein den Anwendungsbereich eröffnendes Moment. Dieses führt nun zu Beginn des Verfahrens zu einer für das Gericht misslichen Lage, da es bereits in diesem Stadium zu einer prognostischen Entscheidung gezwungen wird. Zudem erscheint fraglich, wie der Kläger, welcher nach allgemeinen Regeln beweispflichtig für das Vorliegen der ihm günstigen Tatsachen ist, den Beweis der Belegenheit von Vermögen im Ausland ohne Mitwirkung des Beklagten führen können soll.49 3. Die Änderungen im Verfahrensablauf Bei dem angestrebten stärkeren Einsatz von elektronischen Kommunikationsmitteln darf nicht aus den Augen verloren werden, dass eine obligatorische Einführung dieser Mittel die notwendige Ausstattung der mitgliedstaatlichen Gerichte voraussetzt.50 Sobald diese technischen Möglichkeiten tatsächlich vorhanden und unter datenschutzrechtlichen Aspekten auch bedenkenlos genutzt werden können, ist der Vorschlag der Kommission durchaus begrüßenswert.51 Die technischen Voraussetzungen dürften allerdings bisher nur bei einem kleinen 48 Dies bemängelt auch Huber, GPR 2014, 242, 244, der in derartigen Konstellationen keinen größeren Unterschied zu nationalen Rechtsstreiten, insbesondere keine deutliche Kostenoder Komplexitätserhöhung, sieht und daher die Rechtfertigung der Einbeziehung derartiger Streitigkeiten in den Anwendungsbereich der Bagatellverordnung in Frage stellt. 49 Selbst bei Vermögen in Form von Immobilien, welche am Einfachsten zu lokalisieren sein dürften, bedarf es hierfür immerhin eines Grundbuchauszuges. Diese existieren zwar in vielen Mitgliedstaaten, allerdings besteht nicht in allen Staaten eine Eintragungspflicht; vgl. dazu http://www.hypotheca-europae.com/Grundstuecksregister-Europa.htm. 50 Die Kommission weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass den Mitgliedstaaten diverse technische Möglichkeiten zur Verfügung stünden, darunter auch kostengünstige Internet-Funktionen, welche nutzbar gemacht werden können. Worin diese Mittel genau bestehen sollen, wird ebenso wenig thematisiert wie die damit einhergehende datenschutzrechtliche Problematik; dazu Huber, GPR 2014, 242, 245 f. 51 Insbesondere muss die Vertraulichkeit der genutzten Systeme gewährleistet sein, um diese in tatsächlicher Hinsicht als nutzbar bezeichnen zu können; so bereits die Stellungnahme
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§ 2. Die gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen
Teil der Gerichte vorhanden sein, sodass abzuwarten bleibt, ob die begrüßenswerte Effektivierung der mündlichen Verhandlung durch die Nutzung elektronischer Medien in der Praxis alsbald eintreten wird.52
VIII. Fazit Die Realisierung grenzüberschreitender Ansprüche mittels eines zivilprozessualen Verfahrens erscheint nach der Untersuchung der mitgliedstaatlichen wie der europäischen Möglichkeiten nur eingeschränkt erfolgsversprechend. Dies ist einerseits auf die mangelnde Ausrichtung der mitgliedstaatlichen Verfahren auf derartige Ansprüche zurückzuführen. Andererseits war auch der EuGFVO, welche speziell für grenzüberschreitende Sachverhalte konzipiert wurde, kein durchschlagender Erfolg vergönnt. Für den mangelnden Erfolg gerichtlicher Verfahren lassen sich hauptsächlich zwei Gründe ins Feld führen. Erstens ist ein gerichtliches Verfahren an bestimmte prozessuale Grundsätze gebunden, von denen nur in geringem Maße abgewichen werden kann. Dies ist zwar nicht als allgemeines Problem des Zivilprozesses zu verstehen, führt jedoch bei geringen Streitwerten zu Schwierigkeiten. Auch diese Verfahren sind nur beschränkt einer Straffung zugänglich, sodass es wirtschaftlich betrachtet für die Beteiligten oftmals sinnvoller ist, einen Anspruch nicht gerichtlich zu verfolgen, obwohl dieser begründet erscheint.53 In jedem Fall bleiben zudem Prozessrisiken und Zeitverluste, welche den rational agierenden Verbraucher wie auch Unternehmer von einer Klage abhalten können. Zweitens ist im Rahmen der europäischen zivilprozessualen Rechtsakte eine hohe Regelungsdichte zu verzeichnen. Neben Erfolgsmodellen wie der EuGVVO exisiteren mit der EuVTVO, der EuMahnVO und der EuGFVO noch weitere Instrumente, welche unter anderem die Titelvollstreckung für grenzüberschreitende Forderungen erleichtern wollen. Jedoch entsteht aus dieser Vielzahl von Rechtsakten eine gewisse Unübersichtlichkeit, welche es den Adressaten der einzelnen Verfahren erschwert, schnell und effizient das für sie passende Verfahren zu finden. Diese Unübersichtlichkeit wird durch die teilweise Überlagerung, Verdrängung und Ergänzung der jeweiligen Rechtsakte untereinander noch verstärkt und führt damit zu einer Rechtsunsicherheit, welche der Realisierung von grenzüberschreitenden Forderungen wiederum des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 25./26. März 2014 unter 5.1. und 5.2. 52 Ein erster Schritt in Richtung der Modernisierung des Zivilprozesses durch den Einsatz elektronischer Medien wurde in Deutschland bereits durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. 10. 2013, BGBl. I S. 3786 gemacht. 53 Auch Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn. 55 weist auf die fehlenden Möglichkeiten der Straffung des Zivilprozesses bei sogenannten Bagatellforderungen hin.
VIII. Fazit
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abträglich ist.54 Zur Auflösung dieser Unsicherheit wäre es angezeigt, die genannten Rechtsakte in eine Europäische Zivilprozessordnung zu überführen und damit ein einheitliches Werkzeug zur Realisierung von grenzüberschreitenden Ansprüchen zu schaffen.55 Damit rückt die außergerichtliche Streitbeilegung für grenzüberschreitende Ansprüche wieder in den Blickpunkt. Diese bietet bestimmte Anreize, welche sie von einem gerichtlichen Prozess signifikant unterscheiden. Um diese Anreize klar zu erkennen, bedarf es allerdings einer näheren Betrachtung, welche Umstände gerade Verbraucher in besonderem Maße von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche abhalten.
54 So auch Netzer, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, Vorbemerkung zur EuBagatellVO Rn. 3. 55 Hierfür Netzer, Status quo und Konsolidierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts, S. 10 ff. Vgl. dazu ebenso Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 684; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 314; Nardone, Rpfleger 2009, 72, 74. Kritisch Behr, in: Bottke/Möllers/ Schmidt, Recht in Europa, S. 43, 61; Schack, in: FS Leipold, S. 317, 324 f. Zur Frage der Kompetenz zum Erlass einer Europäischen Zivilprozessordnung eingehend Netzer, Status quo und Konsolidierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts, S. 23 ff.
§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative Bei der individuellen Wahrnehmung von Verbraucherrechten ist auffällig, dass trotz Erleichterungen bei der gerichtlichen Geltendmachung und der Schaffung eigener Verfahrensarten zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen viele Verbraucher von der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Forderungen absehen. Dieses Phänomen ist seit längerem bekannt und seit den 1970er Jahren bevorzugt innerhalb der Rechtssoziologie Gegenstand einer intensiven Diskussion. Inhaltlich geht es hierbei um die Ermittlung der Zugangshürden, die der Verbraucher auf dem Weg zur gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruches zu überwinden hat. Die gefundenen Hindernisse lassen sich in zwei Kategorien einteilen.1 Zum einen sind dies Hindernisse, welche in der Person des durchschnittlichen Verbrauchers angelegt sind, und zum anderen Hindernisse, welche die Ausgestaltung der Rechtspflege betreffen.
I. Hinderungsgründe für eine gerichtliche Geltendmachung Die Hindernisse, welche sich aus der Person des Verbrauchers ergeben, können sowohl wirtschaftlich als auch nichtwirtschaftlich motiviert sein. Während letzteren im Laufe der Jahre viele Überlegungen zuteil wurden, sind erstere kaum einmal näher in den Blick genommen worden. Der Beseitigung dieser Hindernisse hat sich die außergerichtliche Streitbeilegung seit längerem verschrieben. Daher sollen diese im Folgenden näher vorgestellt werden. 1. Die nicht wirtschaftlich motivierten Gründe Ein grundlegendes Problem der Anspruchsverfolgung ist die fehlende Kenntnis des Rechts. Nur wenige Verbraucher weisen eine rechtliche Vorbildung auf, welche sie in die Lage versetzt, einschätzen zu können, ob aus einer gewissen Situation bestimmte Ansprüche für sie resultieren können.2 Auch ist vielen 1 Koch, Verbraucherprozessrecht, S. 60 unterteilt die Zugangsbarrieren in wirtschaftliche, soziale und psychologische Barrieren; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, S. 9 ff. unterscheidet soziale, ökonomische und durch die Rechtspflege bedingte Zugangshindernisse. 2 Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, S. 10 nennt als klassi-
I. Hinderungsgründe für eine gerichtliche Geltendmachung
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Verbrauchern nicht bekannt, dass bestimmte Handlungen rechtliche Relevanz entfalten, obgleich sich diese als alltägliche Verhaltensweisen darstellen.3 Dieses Zusammenspiel kann bereits einen Entschluss zur Geltendmachung von Ansprüchen verhindern. Neben dieser Unkenntnis auf materiell-rechtlicher Ebene ist vielen Verbrauchern desgleichen unbekannt, dass es neben der gerichtlichen Anspruchsverfolgung noch weitere Möglichkeiten zur Interessenwahrnehmung gibt.4 Diese Unwissenheit erleichtert es den jeweiligen Anspruchsgegnern durch entschiedenes Bestreiten viele Verbraucher bereits von Anfang an von einer Verfolgung ihrer Ansprüche abzubringen.5 Des Weiteren wird von Verbrauchern, welche sich zu einer gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche entschließen, die Unverständlichkeit gerichtlicher Verfahren bemängelt. Bereits die starke Formalisierung der gerichtlichen Verfahren stellt den Verbraucher vor erhebliche Probleme. Dies beginnt bei der notwendigen Sachverhaltsdarstellung und erstreckt sich über die Verfahrenseinleitung, selbst durch Mahnbescheid, bis hin zur Vollstreckung des erlangten Titels. Die notwendigen Formalien werden ohne die Hinzuziehung eines Anwalts kaum eingehalten werden können. Ohne die Kenntnis des Verfahrensrechts können sich für den Verbraucher zudem erhebliche Nachteile im Rahmen der Prozessführung ergeben.6 Diese Nachteile können über eine Einschränkung der prozessualen Handlungsmöglichkeiten hinaus sogar zu vollstreckungsrechlichen Folgen führen.7 Neben dieser Unkenntnis über den Verfahrensablauf ist die Verwendung juristischer Fachtermini für viele Verbraucher eine weitere hohe Verständnishürde auf dem Weg der Anspruchsverfolgung.8 Gerade der Bereich der Rechtsbeschaffung ist von der Sprachbarriere besonders betroffen. Selbst beim Zugang zur notwendigen Information für die rechtliche Deutung des Sachverhalts wird
sche Situation die vom Umtausch ausgeschlossene Ware, bei deren Mangelhaftigkeit allerdings Gewährleistungsansprüche bestehen. Dies sei vielen Verbrauchern wegen der Kennzeichnung der Ware nicht bewusst. 3 Reich, in: Blankenburg/Gottwald/Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, S. 219, 220 nennt hierfür die Einladung eines Vertreters zu einem Gespräch in die Wohnung des Verbrauchers, welche ein Widerrufsrecht ausschließen kann. 4 Diese Unkenntnis bezieht sich nicht nur auf die bestehenden außergerichtlichen Stellen, sondern oftmals ist ebenfalls nicht bekannt, dass auch innerhalb gerichtlicher Verfahren für vermögenslose Parteien Unterstützung, beispielsweise in Form der Prozesskostenhilfe, besteht. 5 Vgl. Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, S. 109. 6 Beispielhaft hierfür kann die Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach § 296 ZPO genannt werden, welche dem Verbraucher Angriffs- und Verteidigungsmittel beschneiden kann. 7 Vgl. dazu § 699 Abs. 1 S. 1 ZPO: Auf der Grundlage des Mahnbescheids erlässt das Gericht auf Antrag einen Vollstreckungsbescheid, wenn der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat. 8 Vgl. hierzu Gottwald, ZZP 95 (1982) 252.
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§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative
der Verbraucher meistens nicht zur Subsumtion desselben in der Lage sein und demnach regelmäßig einen Anwalt konsultieren müssen.9 Zudem hat sich im Rahmen vieler Untersuchungen eine ausgeprägte Scheu des Verbrauchers vor der staatlichen Justiz herausgestellt. Die Überwindung, die es viele Menschen kostet, sich mit Anwälten zur Klärung und mit Gerichten zur Durchsetzung ihrer Ansprüche in Verbindung zu setzen, sei gerade bei geringen Beträgen überproportional hoch. Dies gilt sogar dann, falls Verbraucher vom Bestehen ihrer Ansprüche überzeugt seien. Neben möglichen ökonomischen Überlegungen wird hierfür zum einen die als bedrohlich empfundene Atmosphäre vor Gericht angegeben.10 Zum anderen wird auf eine als überlegen mächtig wahrgenommene Gegenseite verwiesen, welche den Verbraucher zusätzlich einschüchtere.11 Diese psychologischen Barrieren stellen für einen Verbraucher, der möglicherweise zum ersten Mal mit Organen der staatlichen Rechtspflege in Berührung kommt, eine nicht unerhebliche Hürde dar. Zuletzt werden für die mangelnde Verfolgung der Ansprüche eine zu wenig ausgeprägte Zeit- und Frustrationstoleranz hervorgehoben.12 Das Durchhaltevermögen wird insbesondere durch Rückschläge, wie die Ablehnung einer Nachbesserung oder das energische Bestreiten des Anspruchs, oftmals stark strapaziert, da sie das Verhalten der Gegenseite nicht richtig einordnen können und deshalb auch rein prozesstaktische Verhaltensweisen als heftige Rückschläge empfinden.13 All diese Faktoren ergeben zusammengenommen eine mögliche Erklärung für die mangelnde Nutzung des zivilprozessualen Systems in Deutschland. 2. Die wirtschaftlichen Hindernisse Jeder Zivilprozess verursacht auf Seiten des Klägers Kosten, welche er zumindest bis zur Erstattung im Falle des Obsiegens zu tragen hat. Diese beginnen bei der vorprozessualen Beratung und wachsen mit der Einreichung der Klage und dem damit verbundenen Kostenvorschuss an. Auch im Rahmen des Prozesses sind weitere Kostenfaktoren einzukalkulieren, welche sich sowohl aus der Prozessführung im engeren Sinne, als auch aus weiteren Positionen, wie Reiseund Übernachtungskosten sowie einem denkbaren Verdienstausfall, ergeben 9 Zu dem Problemkreis der Rechtsbeschaffung Rottleuthner, in: Blankenburg/Gottwald/ Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, S. 146. 10 Dazu Cappeletti, RabelsZ 40 (1976), 669, 678 f. 11 Koch, Verbraucherprozessrecht, S. 62 spricht insofern von einem Kafka-Syndrom. 12 Begrifflichkeiten nach Rottleuthner, in: Blankenburg/Gottwald/Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, S. 146. 13 Schneeweiß, MittBayNot 2000, 524, 525 schlägt für unkooperative Vertragspartner eine Aikido-Taktik vor, welche auf Widerstand nicht unmittelbar mit Gegendruck reagiert, sondern – ähnlich wie die Technik der Selbstverteidigung beim Aikido – diesen erst leerlaufen lässt, bevor die eigenen Verhandlungsziele erneut verfolgt werden.
II. Die Hemmnisse innerhalb der Rechtspflege
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können. Aus dieser Kostenlast in Verbindung mit einem oftmals nicht genau kalkulierbaren Prozessrisiko erwächst für viele Verbraucher die Frage, ob der monetäre Aufwand für die Durchsetzung einer geringwertigen Forderung nicht außer Verhältnis zum möglichen Ertrag steht. Neben den finanziellen Aspekten sind in der Kosten-Nutzen Rechnung des Verbrauchers wiederum psychologische Faktoren, wie beispielsweise die für die Rechtsverfolgung aufzuwendende Zeit, ein wichtiger Teil der Berechnung. Diese Faktoren wirken unabhängig von den jeweiligen Streitwerten belastend und werden daher nur dann in Kauf genommen, falls der wirtschaftliche Nutzen als lohnend wahrgenommen wird. Bei geringfügigen Forderungen führt diese Analyse bei vielen Verbrauchern dazu, dass sie selbst bei hohen Erfolgsaussichten auf die Verfolgung ihrer Ansprüche verzichten.14 Diese Handlungsweise wird als rationales Desinteresse beschrieben.15 Dieses Desinteresse senkt die Durchsetzungswahrscheinlichkeit der Ansprüche und kann damit auf längere Sicht sogar marktschädigend wirken.16
II. Die Hemmnisse innerhalb der Rechtspflege Nicht nur die Vorbehalte der Verbraucher sind Grund für die mangelnde Nutzung der Rechtspflege. Auch die Rechtspflege selbst kann den Verbraucher vor Hindernisse stellen, welche diesen von der Geltendmachung seiner Ansprüche abhalten können. Hierbei ist nicht nur an die Gerichte, sondern ebenso an die Anwaltschaft zu denken. 1. Die Probleme im staatlichen Gerichtswesen Im Rahmen der zivilgerichtlichen Verfahren war lange Zeit von einer Überlastung der Gerichte und damit einhergehend von einer langen Verfahrensdauer die Rede, welche Verbraucher regelmäßig dazu veranlassten, ihre Ansprüche auf sich beruhen zu lassen.17 Diese Annahme kann mittlerweile zumindest als 14 Basedow, VersR 2008, 750, 751 führt dazu aus, dass Verbraucher die Gewinnchancen einer Klage wegen der geringen Streitwerte nur als unbedeutend wahrnehmen, wohingegen das Risiko des Prozessverlustes, bei dem zusätzlich zu der schon eingetretenen Einbuße auch noch die Gefahr der Prozesskostenerstattung kommt, als bedeutender angesehen werde. 15 Besonders bekannt ist diese Verhaltensweise im Kapitalanlage- und Wettbewerbs-/ Kartellrecht, wo es oftmals um äußerst geringe Schäden für eine Vielzahl von Verbrauchern geht. Vgl. dazu Schütze/Reuschle, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 25 Rn. 3: „Die Durchsetzung der materiellen Ansprüche durch einzelne Anleger stößt daher wegen des hohen forensischen Aufwands an die Grenze der Wirtschaftlichkeit und verliert sich letztlich in einem rationalen Desinteresse.“ 16 Dazu Wagner, in: Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, S. 605, 631–633. 17 Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, S. 14 verweist in
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§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative
erschüttert angesehen werden. Die Verfahrenseingänge bei Amts- und Landgerichten gehen seit Jahren stetig zurück.18 Die Ursachen dieser Entwicklung sind zwar nicht mit letzter Sicherheit ermittelbar, doch kann aufgrund des Rückgangs der Verfahren davon ausgegangen werden, dass mittlerweile weniger von einer überproportionalen Belastung, sondern eher von einer leichten Entlastung der Gerichte gesprochen werden kann. Dies zeigt sich auch daran, dass die Hälfte der amtsgerichtlichen Verfahren des Jahres 2013 im Schnitt nach 3 Monaten erledigt war.19 Damit stellt die deutsche Ziviljustiz im Vergleich zu anderen mitgliedstaatlichen Gerichten ein besonders effizientes Verfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen zur Verfügung.20 2. Die Widerstände in der Anwaltschaft Trotz der effizienten Ziviljustiz birgt die Rechtspflege eine weitere Hürde bei der Rechtsdurchsetzung für Verbraucher. Diese ist in der Anwaltschaft, die als Organ der Rechtspflege tätig ist, zu lokalisieren. Das Interesse eines Anwalts an der Vertretung eines Mandanten hängt in erster Linie von den wirtschaftlichen Voraussetzungen des Mandats ab. Da sich der Verdienst des Anwalts in erster Linie an den für den Streitfall anfallenden Gebühren bemisst, ist davon auszugehen, dass sich mit der Höhe des Streitwerts auch der vom Anwalt betriebene Aufwand erhöht. Daher besteht in Verbraucherverfahren, welche oftmals nur geringe Streitwerte aufweisen, die Gefahr, dass ein wirtschaftlich denkender Anwalt diesen Verfahren nicht dieselbe Aufmerksamkeit zukommen lässt, wie Mandaten mit höheren Streitwerten.21 Zwar setzen die bereits vorgestellten Verfahrenserleichterungen der deutschen ZPO sowie die small claims Verfahren in Schweden und den Niederlanden eine anwaltliche Vertretung nicht voraus, sondern versuchen, dem Kläger ein Verfahren ohne die Einschaltung eines Anwalts zur Verfügung zu stellen. Doch ist aufgrund der genannten Hindernisse, mit denen Verbraucher oftmals konfrontiert sind, nicht davon auszugehen, dass auf die anwaltliche Vertretung regelmäßig verzichtet werden kann. Für den Anwalt muss wegen dem geringen konkreten wirtschaftlichen Anreiz der Antrieb, diesem Zusammenhang auf die Begründung zum Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung, BT-Drs. 14/980, S. 1. 18 Wolf, NJW 2015, 1656, spricht im Zeitraum vom 1995 bis 2013 von einem Rückgang der amtsgerichtlichen Eingänge von 35 %. 19 Vgl dazu die Fachserie 10 Reihe 2.1 – Zivilgerichte zum Jahr 2013 des Statistischen Bundesamtes, S. 11 ff. 20 Das klassische Beispiel für eine nur unzureichend funktionierende Ziviljustiz ist die italienische Gerichtsbarkeit. Dort bewegt sich die durchschnittliche Länge eines zivilprozessualen Verfahrens zwischen 744 Tagen in den nördlichen Regionen wie dem Piemont oder der Lombardei und bis zu 1200 Tagen in Apulien und Kalabrien im Süden des Landes, vgl. dazu den IMF Country Report 14/284, Italy, Selected Issues, 5 ff. 21 So auch die Befürchtung von Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, S. 15.
III. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative
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auch das Verfahren mit geringem Streitwert mit der nötigen Sorgfalt zu führen, durch ein weiteres Interesse gefördert werden. Zu denken wäre insofern, dass er im Verbraucherrecht einen guten Ruf erwerben will, der ihm dann weitere Mandate ermöglichen wird.22
III. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative Zwar werden die wirtschaftlichen Hindernisse im deutschen Recht mittlerweile mit verschiedenen Angeboten aufgegriffen, um dem Verbraucher die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche zu ermöglichen. Zu nennen sind hier die Beratungskostenhilfe23 im vorprozessualen und die Prozesskostenhilfe24 im gerichtlichen Verfahren.25 Zudem ist die Absicherung über Rechtsschutzversicherungen mittlerweile weit verbreitet. Allerdings sind diese Mittel nur in begrenztem Umfang geeignet, den Verbraucher zur Prozessführung anzuhalten. Sowohl die Beratungskostenhilfe als auch die Prozesskostenhilfe stehen nur demjenigen zu, welcher ausweislich seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.26 Zudem kann die für die Prozessführung notwendige Deckungszusage seitens der Rechtsschutzversicherung ausbleiben, sodass der Verbraucher bereits vorab einen Deckungsprozess führen muss, der wiederum mit einem persönlichen Kostenrisiko belastet ist.27 Auch die weiteren bereits genannten Hemmnisse, welche den Verbraucher von der Prozessführung abhalten, können allein durch finanzielle Unterstützung nicht behoben werden. Die außergerichtliche Streitbeilegung kann hingegen die letztgenannten Probleme besser bedienen, als dies innerhalb des staatlichen Zivilverfahrens möglich ist. Die dabei mögliche Entformalisierung kann dem Verbraucher die Scheu vor dem Verfahren zumindest in Teilen nehmen. Zudem kann mit einer transparenten Verfahrensgestaltung die Nachvollziehbarkeit erhöht und somit das Vertrauen in diese Art der Streitbeilegung gestärkt werden. Nicht zuletzt könnte bei entsprechender Gestaltung auch das Kostenrisiko erheblich reduziert werden. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass auch die andere Seite für 22
So bereits Koch, Verbraucherprozeßrecht, S. 25. Vgl. dazu das Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG) vom 18. 6. 1980, BGBl. I S. 689. 24 Vgl. hierzu die §§ 114 ff. ZPO. 25 Einen Überblick zu beiden Instrumenten und deren neuere Entwicklungen gibt Nickel, MDR 2014, 383. 26 So § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Gleiches gilt für die Beratungskostenhilfe gemäß § 1 Abs. 1 BerHG. 27 § 3 I Buchst. h ARB 2010 sieht für diesen Fall einen Risikoausschluss vor. Bauer, NJW 2015, 1329, 1334 schlägt für diese Fälle die Anrufung des Versicherungsombudsmanns vor Einreichung der Deckungsklage vor, um diese möglicherweise nicht erheben zu müssen. 23
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§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative
diese Art der Streitbeilegung gewonnen werden muss, was nur gelingen wird, wenn sie auch für den Unternehmer attraktiv ist.
IV. Die Vorteile für den Unternehmer Auch auf Seiten der Unternehmer sind mit der außergerichtlichen Streitbeilegung mehr Vorteile verbunden als auf den ersten Blick erkennbar ist. Zwar ist es für diese durchaus als vorteilhaft anzusehen, wenn Verbraucher die gerichtliche Auseinandersetzung mit ihnen scheuen, da auch für sie ein Rechtsstreit mit Kosten und Aufwand verbunden ist. Allerdings kann ein Unternehmer, der sich für eine außergerichtliche Streitbeilegung entscheidet, aus dieser auch signifikante Vorteile im Vergleich zu seinen am Markt tätigen Konkurrenten ziehen. 1. Die Vorteile für den einzelnen Unternehmer Ein wesentlicher Punkt, welcher für die außergerichtliche Streitbeilegung spricht, ist der mögliche Erhalt und die ebenfalls denkbare Intensivierung der Kundenbindung. Insbesondere bei Verträgen, welche langfristig angelegt sind, wird der Aspekt der Kundenbindung und der Kundengewinnung ein maßgeblicher Faktor für das unternehmerische Handeln sein.28 Beispielhaft hierfür sind Verträge im Versicherungs- und Bankensektor. Derartige Vertragsbeziehungen sind regelmäßig nicht auf einen einmaligen Leistungsaustausch ausgerichtet, sondern weisen oftmals lange Vertragslaufzeiten auf.29 Gerade um diese langfristigen Beziehungen zu erhalten, bedarf es eines hohen Grades an Kundenzufriedenheit.30 Aber auch im Rahmen von Vertragsverhältnissen, die zunächst nur auf einen einmaligen Leistungsaustausch ausgerichtet sind, ist die Möglichkeit einer außergerichtlichen Konfliktlösung als wirtschaftlich sinnvoll einzustufen. Gerade im Bereich des E-Commerce, welcher sich durch vielfältige Angebote an den Verbraucher auszeichnet, ist es für den Unternehmer von besonderer Bedeutung, sich von seinen Konkurrenten abzuheben. Durch eine einvernehmliche Streitbeilegung kann zum einen der momentane Kunde zufrieden gestellt werden, da ihm die Erledigung seiner Beschwerde ohne die 28 Heinsius, WM 1992, 478 stellt in diesem Zusammenhang zutreffend fest, dass auf Dauer nur zufriedene Kunden die maßgeblichen Ertragsfaktoren darstellen, welche jedes Unternehmen zur Verwirklichung der Unternehmensziele benötigt. 29 Daher erscheint es nicht weiter verwunderlich, dass die ersten Schritte der jüngeren außergerichtlichen Streitbeilegung in Deutschland gerade im Banken- und Versicherungssektor gegangen wurden. 30 v. Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 23 Rn. 371 stellt für die Versicherungsbranche fest, dass eine kundenfreundlich ausgerichtete Beschwerdenbearbeitung ein Marketinginstrument zur Erhaltung und Stärkung dauerhafter geschäftlicher Beziehungen darstellt.
IV. Die Vorteile für den Unternehmer
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bestehenden psychologischen und finanziellen Hürden ermöglicht wird.31 Zum anderen ist bei einer effizienten außergerichtlichen Beschwerdebehandlung die Bindung dieses Kunden an den jeweiligen Anbieter durchaus wahrscheinlich, da sich bei diesem die Erkenntnis ausprägt, auch bei weiteren Vertragsschlüssen auf einen kooperativen Vertragspartner zu treffen. Zusätzlich zu diesem Vorteil ist durch derartige Verhaltensweisen eine positive Außendarstellung im größtenteils unpersönlich gehaltenen E-Commerce erreichbar. Diese erleichtert es dem Unternehmer, neue Kunden für sich zu gewinnen, und verhindert eine gerade im E-Commere besonders geschäftsschädigende negative Außenwirkung.32 Neben der positiven Außendarstellung kommt noch ein für die außergerichtliche Streitbeilegung sprechender wirtschaftlicher Aspekt hinzu. Falls eine bestimmte Stelle sich der Kundenbeschwerden primär annimmt und diese bearbeitet, kann dies für den einzelnen Unternehmer zur Verringerung seiner laufenden betrieblichen Kosten führen. Unterhält er eine Rechtsabteilung, kann er diese entlasten und damit dauerhaft Kosten einsparen.33 Falls keine eigene Rechtsabteilung besteht, kann die außergerichtlich tätige Streitbeilegungsstelle durch die sachgerechte Behandlung der eingehenden Beschwerden die Notwendigkeit einer zusätzlichen externen juristischen Prüfung entfallen lassen.34 Eine funktionierende Streitbeilegungsstelle ist demnach auch unter rein finanziellen Gesichtspunkten für den Unternehmer interessant. Schließlich kann eine außergerichtliche Streitbeilegung auch einen Erkenntnisgewinn auf Seiten des Unternehmers begründen, welcher mittels einer gerichtlichen Auseinandersetzung, innerhalb derer die Positionen meist bereits verhärtet sind, kaum erreicht werden kann. Da sich der Verbraucher in einem frühen Stadium des Konflikts, in dem die außergerichtliche Streitbeilegung bereits eingreifen kann, regelmäßig noch nicht allein auf rechtliche Positionen beschränken wird, können Ungereimtheiten innerhalb der geschäftlichen Beziehung besser erkannt werden. Diese müssen nicht zwangsläufig rechtlich relevant sein, sondern können auch auf Missstände innerhalb der Kommunikation oder auf die fehlende Nachvollziehbarkeit von betriebswirtschaftlich motivierten Entscheidungen des Unternehmers hinweisen.35 Beschwerden von Verbrau31 Diese Effekte sind zwar auch im Rahmen eines rein internen Beschwerdemanagements grundsätzlich erreichbar, jedoch weist Heinsius, WM 1992, 478 zu Recht darauf hin, dass eine bilaterale Verständigung zwischen Kunde und Unternehmer (in seiner Darstellung eine Bank) nicht immer funktionieren wird. In diesen Fällen ist der Weg über eine unabhängige außergerichtliche Stelle ein valider Weg, um das Kundenvertrauen zurückzugewinnen. 32 Denkbar sind hier in erster Linie negative Bewertungen auf externen Portalen, welche den Verbraucher von einem Vertragsschluss abhalten können. Im E-Commerce kann im Gegensatz zu Unternehmern, welche ein Ladengeschäft unterhalten, dieser negative Eindruck kaum durch anderweitige dem Verbraucher sichtbare Maßnahmen widerlegt werden. 33 Vgl. dazu Sessler, ZKM 2014, 161, 162. 34 Zu den wirtschaftlichen Vorteilen Conen/Gramlich, NJ 2014, 494, 499. 35 Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 25 weist in
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§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative
chern können in diesem Zusammenhang einen Anlass für innerbetriebliche Veränderungsprozesse geben, die zu einer geschäftlichen Optimierung führen können.36 Der mögliche Erkenntnisgewinn durch die außergerichtliche Streitbeilegung hat für den Unternehmer im Vergleich mit einem staatlichen Verfahren noch einen weiteren Vorteil. Die Beschwerdebehandlung verläuft im Gegensatz zu einer Verhandlung vor ordentlichen Gerichten nicht öffentlich. Damit läuft der Unternehmer nicht Gefahr, geschäftliche Interna preisgeben zu müssen, welche für ihn von besonderer Bedeutung sind. Zudem kann er auf Fehlverhalten reagieren, ohne dass dieses direkt an die Öffentlichkeit gelangt.37 2. Die Vorteile für die gesamte Branche Neben dem einzelnen Unternehmer kann auch eine Branche in ihrer Gesamtheit von einer funktionierenden außergerichtlichen Streitbeilegung profitieren. Gerade Branchen wie Banken und Versicherungen sind in besonderem Maße auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen.38 Die hohe betriebswirtschaftliche Komplexität der täglichen Geschäfte sowie die daraus resultierenden vielschichtigen rechtlichen Fragestellungen werden viele Verbraucher, trotz umfangreicher Informationspflichten in beiden Branchen, kaum vollumfänglich verstehen können. Damit ergibt sich hier die nahezu zwingende Notwendigkeit eines vertrauenswürden Verhältnisses zwischen Kunde und Unternehmen.39 Dieses Ziel lässt sich unter anderem damit erreichen, dass Verbrauchern ein einheitlicher Zugang zu einer außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle eröffnet wird, welche repräsentativ für die jeweiligen Mitglieder der Branche Beschwerden behandelt. Der Erfolg der Ombudseinrichtungen im Banken- und Versicherungsgewerbe
diesem Zusammenhang auf die hohe Komplexität und den extremen Abstraktheitsgrad bankgeschäftlicher Vorgänge hin. 36 So v. Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 23 Rn. 371, der für die Versicherungsbranche davon spricht, dass Kundenbeschwerden eine Artikulation von Kundenunzufriedenheit sind, welche dem Versicherungsunternehmen wertvolle betriebswirtschaftliche Informationen über von Kunden subjektiv empfundene Missstände geben können. 37 Allerdings muss die mangelnde Öffentlichkeit im Sinne einer effektiven Kontrolle der außergerichtlichen Streitbeilegung kompensiert werden. 38 Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 23 spricht davon, dass es sich beim Bankengewerbe um eine Branche handelt, die wie keine andere auf dem guten Willen und auf dem Vertrauen der Kunden aufbaut. Damit sind dort neue Wege der Vertrauensbildung, wie beispielsweise der außergerichtlichen Streitbeilegung, zu beschreiten, um auch zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können. 39 v. Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 23 Rn. 370 sieht den Sinn der außergerichtlichen Streitbeilegung zuvorderst in der Stärkung des Kundenvertrauens und der Verbesserung des Ansehens der Versicherungswirtschaft in der Öffentlichkeit.
IV. Die Vorteile für den Unternehmer
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spricht dafür, dass ein derartiges Angebot von vielen Verbrauchern angenommen und positiv bewertet wird.40 Ein weiterer wichtiger branchenspezifischer Aspekt ist die Vermeidung gesetzgeberischer Intervention. Ein erhöhtes Aufkommen von Kundenbeschwer den innerhalb bestimmter Branchen kann Anlass zu gesetzgeberischen Handlungen geben. Dies gilt insbesondere dann, falls die Beschwerden sich regelmäßig gegen ähnlich gelagerte Handlungsweisen der Unternehmer richten, welche nicht branchenintern bereinigt werden. Beispielhaft hierfür steht die Beförderung von Passagieren im Luftfahrtsektor. Die Ansprüche von Flugreisenden, welche sich meist auf ihre Rechte aus der Fluggastrechteverordnung bezogen,41 mussten in den meisten Fällen gerichtlich geltend gemacht werden, was aufgrund der meist niedrigen Streitwerte zu einer erhöhten Arbeitsbelastung der Amtsgerichte führte, in deren örtlicher Zuständigkeit sich große Verkehrsflughäfen befinden. Zudem ist gerade bei Ansprüchen aus einer Luftbeförderung das bereits erläuterte Risiko eines rationalen Desinteresses in besonderem Maße gegeben. Zwar wurde für die Luftfahrtbranche aufgrund dieser Entwicklungen die Einrichtung außergerichtlicher Streitbeilegungsstellen über einen längeren Zeitraum angeregt, jedoch scheiterte dies an der fehlenden Akzeptanz der Luftfahrtunternehmen.42 Daher ergriff der deutsche Gesetzgeber die Initiative und verabschiedete im Jahr 2013 das Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr.43 Ausfluss der hierdurch neu eingefügten §§ 57–57c LuftVG ist unter anderem die Einrichtung einer behördlichen Auffangschlichtung, an der sich die jeweiligen Unternehmen zwar nicht aktiv beteiligen müssen, allerdings die anfallenden Kosten für das behördliche Verfahren in jedem Falle zu tragen haben.44 Um derartige Interventionen zu vermeiden, empfiehlt es sich, branchenintern über die Einrichtung von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen nach dem Vorbild der Ombudsmänner im Versicherungs- und Bankensektor nachzudenken.
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Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB, Band 2 Rn. I. 81 stellt insoweit fest, dass das Konzept des Ombudsmanns mittlerweile weithin bekannt ist und sich auch international durchzusetzen scheint. 41 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. Nr. L 46 S. 1. 42 Isermann, RRa 2013, 158, 159 skizziert die Entwicklung und die Gründe für die gesetzlich vorgegebene Schlichtung im Luftverkehr eingehend. 43 Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr vom 11. 6. 2013, BGBl. I S. 1545. 44 Vgl. hierzu Bollweg, NZV 2015, 361, 364.
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§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative
V. Die Vorteile für Verbraucher und Unternehmer Die außergerichtliche Streitbeilegung bietet gerade im Bereich geringfügiger Streitwerte noch einen weiteren Vorteil. Innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit ist für zivilrechtliche Verfahren mit Streitwerten bis zu 5.000 € gemäß § 23 Nr. 1 GVG regelmäßig das Amtsgericht als Eingangsinstanz vorgesehen.45 Dieses verfügt im Unterschied zu den Landgerichten nicht über spezialisierte Kammern für besondere Sachgebiete. Damit ist die Ausprägung besonderer Sachkunde an den Amtsgerichten regelmäßig nur in eingeschränktem Maße möglich. Im Gegensatz dazu kann im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung ein höherer Grad an Spezialisierung auch für Forderungen im dreistelligen oder unteren vierstelligen Bereich erreicht werden. Dies ist im bereits angesprochenen Banken- und Versicherungssektor mit Erfolg geschehen und hat sich auch in weiteren Bereichen, wie beispielsweise der öffentlichen Personenbeförderung, bewährt. Die hohe Akzeptanz der außergerichtlichen Streitbeilegung in diesen Bereichen ist sowohl auf Verbraucher- wie auch auf Unternehmerseite nicht zuletzt auf diese spezifische Sachkunde der jeweiligen Stellen zurückzuführen. Der Ausbau der sektorspezifischen außergerichtlichen Streitbeilegung kann auch in Bereichen, in denen momentan noch keine spezialisierten Stellen bestehen, zu einem erfolgsversprechenden Modell für Verbraucher wie Unternehmer werden. In erster Linie ist hierbei an grenzüberschreitende Sachverhalte zu denken, welche ähnlich dem Versicherungs- und Bankengewerbe spezielle Fragestellungen, mit denen sich Gerichte nur selten beschäftigen müssen, aufwerfen. Zu denken ist hierbei an die Bestimmung des anwendbaren Rechts oder die Ermittlung ausländischen Sachrechts. Soweit für derartige Fälle besonders ausgestattete und spezialisierte Stellen vorgehalten werden, ist bei entsprechender personeller und sachlicher Ausstattung von einer regen Nutzung auszugehen. Dies wäre insbesondere mit Blick auf den Ausbau eines europäischen Binnenmarkts und dessen Nutzung durch Verbraucher wie Unternehmer äußerst begrüßenswert.
VI. Die Vorteile für die Allgemeinheit Die außergerichtliche Streitbeilegung dient nicht allein den Interessen der an ihr beteiligten Verbraucher und Unternehmer. Mit ihr kann auch der Allgemeinheit in verschiedener Hinsicht gedient werden. Das primäre Ziel, das mit einer funktionierenden außergerichtlichen Streitbeilegungslandschaft erreicht werden soll, ist die Entlastung der Justiz. Sowohl durch die privatrechtlich organisierte 45 Die streitwertunabhängigen Zuständigkeiten des Landgerichts gemäß § 71 Abs. 2 GVG sollen hier aufgrund der voraussichtlich geringen Relevanz für die außergerichtliche Streitbeilegung mit Verbraucherbeteiligung nicht näher untersucht werden.
VI. Die Vorteile für die Allgemeinheit
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Schlichtung als auch durch obligatorische außergerichtliche Güteverhandlungen soll die Belastung des Justizapparats durch vorgelagerte Verfahren verringert werden.46 Auch innerhalb des öffentlichen Rechts erfährt der Gedanke der Streitvermeidung und Vermittlung, beispielsweise durch die Einschaltung privater Dritter, mittlerweile vermehrt Zuspruch.47 Ob eine derartige Entlastung tatsächlich erfolgt, wird je nach Ausprägung der Verfahren unterschiedlich bewertet. In privatrechtlich organisierten Schlichtungseinrichtungen, wie dem Versicherungsombudsmann, sind seit ihrer Einrichtung stetig steigende Fallzahlen zu beobachten.48 Aus den vielen Beschwerdeeingängen wird unabhängig vom Ausgang der Verfahren bereits auf eine Entlastung der Justiz geschlossen. Diese rühre zum einen daher, dass selbst wenn eine Beschwerde sachlich unzutreffend ist, deren Behandlung im Rahmen des Verfahrens den Verbraucher zufrieden stellen kann. Der Anlass für die Beschwerde könne in diesen Fällen im fehlenden Verständnis des Verbrauchers oder in einer missglückten Kommunikation zwischen Verbraucher und Unternehmer liegen, welche im Verfahren ausgeräumt werden können.49 Selbst bei einer ablehnenden Entscheidung sei eine Entlastung nicht ausgeschlossen, wenn dem Verbraucher vermittelt werden konnte, dass man sich mit seinem Anliegen eingehend beschäftigt hat und ihm der Entscheid verständlich erklärt wird.50 Im Rahmen des obligatorischen Güteverfahrens gemäß § 15a EGZPO ist ein anderer Trend zu beobachten. Den Bundesländern wurde in § 15a EGZPO die Möglichkeit eingeräumt, für verschiedene Ansprüche ein obligatorisches Vorverfahren einzuführen.51 Danach können neben nachbarrechtlichen Ansprüchen und Ansprüchen wegen Verletzung der persönlichen Ehre auch vermögens46 Derartige
Erwägungen führten beispielsweise zur Einführung des obligatorischen Einigungsversuchs in § 15a EGZPO, eingefügt in die ZPO durch das Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 15. 12. 1999, BGBl. I S. 2400; dazu Gruber, in: MüKo-ZPO, § 15a EGZPO Rn. 3, der in der Einführung einen rechtspolitischen Trend erkennt, um den Justizhaushalt zu entlasten. 47 Der Frage der verwaltungsrechtlichen Streitvermeidung und Streitbeilegung unter Einschaltung von Dritten widmet sich Kaltenborn, Streitvermeidung und Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, S. 106–119. Auf diese wird allerdings im Folgenden nicht weiter eingegangen. 48 Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 19a verweist für die Kreditwirtschaft auf die Antwort der Bundesregiegung (BT-Drs 15/5561) zu einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der FDP zu den Verbraucherpolitischen Erfahrungen mit bestehenden Schlichtungssystemen (BT-Drs. 15/5498). Dort wird hervorgehoben, dass bei allen Schlichtungsstellen die deutlich steigenden Verfahrenseingänge eine wachsende Akzeptanz der Schlichtungssysteme bei den Verbrauchern belegen. 49 v. Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 23 Rn. 374 führt derartige Verständnisprobleme unter anderen auf die unzureichende Lektüre oder das fehlende Verständnis der maßgeblichen Vertragsunterlagen oder der Begründung einer Leistungsablehnung zurück. 50 Vgl dazu Römer, ZfS 2003, 158, 159. 51 Im Gesetzesentwurf (BT-Drs. 14/980) wird auf S. 5 die Entlastung der Justiz als Ziel hervorgehoben, dazu Becker/Nicht, ZZP 120 (2007), 159, 165.
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§ 3. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Alternative
rechtliche Streitigkeiten mit einem Wert von bis zu 750 € dem obligatorischen Vorverfahren unterworfen werden. Gerade hiervon wurde eine Entlastung der Amtsgerichte erwartet, die allerdings nicht eingetreten ist.52 Die Gründe für das Scheitern des obligatorischen außergerichtlichen Güteverfahrens wurden zum einen in der Kostenbelastung der Parteien gesehen, welche sowohl aus dem Verfahren selbst als auch aus einer notwendigen persönlichen Anwesenheit der antragstellenden Partei resultieren können.53 Zum anderen wurde der Zwangscharakter der außergerichtlichen Streitbeilegung als wesentlicher Faktor für den Misserfolg hervorgehoben.54 Eine derartige Ausgestaltung untergrabe die für eine erfolgreiche außergerichtliche Streitbeilegung notwendige Akzeptanz der Verfahrensbeteiligten.55 Daher wurde das Verfahren in manchen Bundesländern mittlerweile wieder abgeschafft.56 Ob tatsächlich eine spürbare Entlastung der Justiz mit alternativen Streitbeilegungsmethoden einhergeht, ist allerdings für die Interessen der Allgemeinheit nicht der ausschlaggebende Punkt. Der wesentliche Vorteil außergerichtlicher Verfahren ist nicht in der Umverteilung von Verfahren zu sehen, sondern in der Erschließung von Problemstellungen, welche in Ermangelung von Alternativen zur staatlichen Justiz keine weitere Behandlung erfahren hätten. Gerade diese Fälle können jedoch Anlass zu marktregulierendem Verhalten seitens der nationalen oder unionsrechtlichen Gesetzgeber zum Schutze der Verbraucher geben. Hintergrund dieser Überlegung ist die situative Ausrichtung des Verbraucherschutzrechts.57 Der Verbraucher ist im Rahmen bestimmter Gegebenheiten nur eingeschränkt in der Lage, seine jeweiligen Entscheidungen wirtschaftlich selbstbestimmt zu treffen.58 Um den Verbraucher in dieser als unterlegen empfundenen Situation zu stärken, werden ihm situationsabhängig bestimmte Mittel an die Hand gegeben, um die für einen funktionierenden Markt notwendige Ver52 Zu den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen Lauer, NJW 2004, 1280, 1282, der sogar von zusätzlichem Zeit- und Kostenaufwand spricht, welcher durch die geringe Anzahl erfolgreicher Schlichtungen nicht aufgewogen wird. Auch für Baden-Württemberg kommen Knodel/ Winkler, ZRP 2008 183, 186, zum Ergebnis, dass das Verfahren für Bürger zusätzliche Belastungen und Kosten generiert hat. 53 Vgl. Lauer, NJW 2004, 1280, 1281. 54 Zu weiteren Gründen eingehend Knodel/Winkler, ZRP 2008, 183, 185. 55 Wesche, ZRP 2004, 49, 52 empfiehlt daher den Ausbau von Angeboten zur freiwilligen Inanspruchnahme außergerichtlicher Streitbeilegung. Gleiches empfielt Gruber, in: MüKoZPO, § 15a EGZPO Rn. 3. 56 So zum Beispiel in Baden-Württemberg; dort wurde das Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung (Schlichtungsgesetz – SchlG) mit Wirkung zum 01. 05. 2013 durch das SchlichtungsG-AufhebungsG vom 16. 4. 2013 aufgehoben. 57 So auch Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, S. 35 f., der sich ebenso gegen eine pauschale Unterlegenheit ausspricht und hierfür bereits die Unterschiede innerhalb der einzelnen Verbraucher hervorhebt. 58 Die bekanntesten Umstände sind hierbei die Haustürverkaufssituation oder der Vertragsabschluss im Fernabsatz.
VI. Die Vorteile für die Allgemeinheit
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tragsparität wieder herzustellen.59 Gerade dieser Zweck kann jedoch nur durch eine effektive Absicherung der dem Verbraucher eingeräumten Rechte erfüllt werden.60 Mit anderen Worten kann eine intendierte Verhaltenssteuerung der am Markt tätigen Unternehmer nur dann erreicht werden, falls eine Rechtsdurchsetzung auf Seiten der Verbraucher ernsthaft erwartet werden kann. Soweit durch das Angebot von außergerichtlichen Mechanismen die bisher nicht verfolgten, aber am Markt tatsächlich bestehenden Fehlverhalten einzelner Unternehmer aufgedeckt werden können, wird ein wertvoller Beitrag zur nachhaltigen Stärkung desselben geleistet. Neben der Verhaltenssteuerung ist noch ein weiterer positiver Aspekt mit der außergerichtlichen Streitbeilegung verbunden. Durch die Behandlung von Sachverhalten, welche bisher kaum gerichtlich anhängig wurden, erhöht sich die Möglichkeit, in diesen noch nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfragen zu entdecken. Bei entsprechender personeller Ausstattung der streitbeilegenden Stelle kann in solchen Fällen ein Hinweis an den Verbraucher ergehen, sein Anliegen gerichtlich zu verfolgen, um damit eine der Allgemeinheit zuträgliche Rechtsfortbildung zu ermöglichen.61 Bei einer derartigen Handhabung können im Endeffekt staatliche Instanzen die ihnen aufgetragene Pflicht zur Rechtsfortbildung mittels einer funktionierenden außergerichtlichen Streitbeilegungslandschaft besser erfüllen. Damit erfüllt die als Alternative zum zivilprozessualen Verfahren angelegte ADR mittelbar einen wichtigen Zweck zur Sicherung der Rechtsfortbildung im Interesse der Allgemeinheit.
59 Damit wird gleichfalls ausgesagt, dass das Verbraucherschutzrecht keinen Selbstzweck verfolgt, sondern vielmehr primär die Chancengleichheit der Marktteilnehmer schützen will und damit im Ergebnis auch den Markt in seiner Gesamtfunktion selbst schützt. 60 Dazu bereits Reich, in: Blankenburg/Gottwald/Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, S. 219, 222; von Hippel, RabelsZ 45 (1981), 371. 61 Damit könnten Fallkonstellationen, wie die Frage des Nutzungsersatzes im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs, unter Umständen schneller als bisher einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Im Sachverhalt, welcher der sogenannten Quelle-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH v. 26. 11. 2008 – VIII ZR 200/05) zugrunde lag, verlangte die Quelle AG von der Verbraucherin einen Nutzungsersatz in Höhe von 70 €, sodass der Schluss nahe liegt, dass die meisten davor mit einem ähnlichen Sachverhalt konfrontierten Verbraucher bei einer derartigen Summe nicht den Rechtsweg beschritten hatten.
Teil 2
Entwicklung und Status quo der Verbraucherschlichtung
§ 4. Die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in der Europäischen Union Der Gedanke der außergerichtlichen Streitbeilegung ist auf europäischer Ebene bereits seit längerer Zeit präsent. Über die Jahre entwickelte sich dieser fort und mündete schließlich in die beiden Rechtsakte der ADR-Richtlinie und der ODRVerordnung. Nachfolgend soll diese Entwicklung und die mit ihr verbundenen Ziele und deren Wandel kurz darstellt werden.
I. Die Vorläufer der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung Der unionsrechtliche Gesetzgeber bezog frühzeitig neben der gerichtlichen auch die außergerichtliche Streitbeilegung in seine Überlegungen ein. Erste Ansätze zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung finden sich bereits in einem Memorandum der Kommission aus dem Jahre 1985, das sich mit dem Zugang des Verbrauchers zum Recht beschäftigte.1 Neben der Einführung von vereinfachten Gerichtsverfahren, der Schaffung kollektiver Instrumente zur Rechtsdurchsetzung und der Einführung von privaten und öffentlichen Beratungsstellen werden auch Schlichtungs- und Schiedsstellen als taugliche Instrumente zur Verbesserung der Verbrauchersituation angesehen. Im 1993 von der Kommission vorgelegten Grünbuch zum „Zugang der Verbraucher zum Recht und zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt“ wird die Komplexität der Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten als Risiko für den Erfolg des Binnenmarktes explizit herausgestellt.2 Die Kosten der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung seien sowohl für Verbraucher wie für Unternehmer prohibitiv hoch, insbesondere, da bei den in Rede stehenden Streitfällen nur geringe Summen involviert sind. Vor diesem Hintergrund können außergerichtliche Verfahren eine wichtige Rolle bei der 1 „Zugang der Verbraucher zum Recht“: Dem Rat am 4. Januar 1985 übermitteltes Memorandum der Kommission; auf der Grundlage des Dokuments KOM(84) 692 endg. erstelltes Dokument. 2 Grünbuch „Zugang der Verbraucher zum Recht und Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt“ vom 16. November 1993, KOM(93) 576 endg. Dieses wird als erster Durchbruch für alternative Streitschlichtungsverfahren im zivilrechtlichen Bereich gesehen, vgl. Micklitz, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, § 32 Rn. 32.2.
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§ 4. Die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in der EU
Beilegung derartiger Streitigkeiten einnehmen.3 Um das Vertrauen der Verbraucher in die neuartigen Verfahren zu gewinnen, wurde die Aufstellung eines Verhaltenskodex angeregt. Bei dessen Erstellung sollten zur Vertrauensbildung Verbraucherverbände beteiligt werden, die zudem auch in die zu errichtenden Organisationen eingebunden werden sollten.4 Im Jahr 1996 wurde seitens der Kommission im Rahmen eines Aktionsplans die Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung erneut gefordert.5 Hierbei wurde die Bedeutung der Schaffung von unionsweit einheitlichen Mindeststandards für die Schaffung einer Schlichtungskultur und die Vernetzung außergerichtlicher Verfahren auf Binnenmarktebene besonders betont. Als Resultat der Überlegungen wurden von der Kommission zwei Empfehlungen hinsichtlich der außergerichtlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten formuliert. Im Jahre 1998 wurde unter Berücksichtigung der öffentlichen Konsultationen zum Grünbuch von 1993 sowie zum Aktionsplan von 1996 die erste Empfehlung der Kommission veröffentlicht.6 In dieser wurden sieben Grundsätze festgeschrieben, welche für die außergerichtliche Streitbeilegung von gehobener Bedeutung sind. Dabei handelte es sich im Einzelnen um die Grundsätze der Unabhängigkeit, der Transparenz, der kontradiktorischen Verfahrensweise, der Effizienz, der Rechtmäßigkeit, der Handlungsfreiheit und der Vertretung. Hintergrund der Empfehlung war die Überlegung, dass sofern die Wahrung bestimmter wesentlicher Grundsätze gewährleistet ist, sich mittels der außergerichtlichen Streitbeilegung sowohl für die Verbraucher als auch für Unternehmen akzeptable Ergebnisse erzielen lassen und zudem die Verfahrenskosten gesenkt und Verfahrensfristen verkürzt werden können. Eine einheitliche Festschreibung entsprechender Grundsätze auf europäischer Ebene soll insbesondere mit Blick auf grenzübergreifende Streitfälle das gegenseitige Vertrauen der außergerichtlichen Einrichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten wie auch das Vertrauen der Verbraucher stärken. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass sich die Empfehlung nur auf Verfahren bezog, welche unabhängig von ihrer Bezeichnung durch die aktive Intervention eines Dritten, der eine Lösung vorschlägt oder vorschreibt, zu einer Beilegung der Streitigkeit führen. Sie betraf hingegen keine Verfahren, die auf den einfachen Versuch beschränkt 3 Im Grünbuch werden auch Schiedsverfahren wegen der ebenfalls hohen Kosten nicht als geeignete Mittel für die Beilegung von Streitfällen mit Verbraucherbeteiligung angesehen, KOM(93) 576 endg. S. 43. 4 Jeder andere Ansatz liefe nach Auffassung der Kommission Gefahr, als eine Art irreführende Werbung angesehen zu werden, die auf lange Sicht den Erfolg der außergerichtlichen Streitbeilegung gefährden könnte, KOM(93) 576 endg. S. 95. 5 Aktionsplan für den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt vom 14. Februar 1996, KOM(96) 13 endg. 6 Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, ABl. Nr. L 115/31.
I. Die Vorläufer der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung
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sind, eine Annäherung der Parteien zu erreichen, um sie zu überzeugen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Ferner wurde eine Mitteilung der Kommission veröffentlicht, welche die eben genannte Empfehlung betraf.7 Diese enthielt neben den genannten Grundsätzen einen Vorschlag für ein Formblatt für Verbraucherbeschwerden, welches den Dialog zwischen Verbrauchern und Unternehmern erleichtern soll, falls eine gütliche Einigung nicht zustande kommt.8 Mit diesem Formular sollte es dem Verbraucher ermöglicht werden, sein Begehren zielgerichtet zu formulieren. Das Formblatt sieht eine Kombination aus Multiple Choice Fragen und freien Textfeldern vor, um den Verbrauchern neben häufig vorkommenden Problemstellungen die Aufnahme von nicht genannten Sonderfällen zu ermöglichen. Durch diese freien Textfelder sollte gerade bei grenzüberschreitenden Fällen, in denen sich die Parteien verschiedener Sprachen bedienen, die Kommunikation verbessert werden. Im Anschluss an diese Mitteilung wurde im Jahr 2001 eine zweite Empfehlung seitens der Kommission angenommen.9 Diese bezieht sich auf unabhängige Einrichtungen, die Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten durchführen, bei denen – unabhängig von ihrer Bezeichnung – versucht wird, eine Streitigkeit dadurch zu beenden, dass die Parteien zusammengebracht und dazu veranlasst werden, im gegenseitigen Einvernehmen eine Lösung zu finden. Sie gilt jedoch nicht für Verbraucherbeschwerdeverfahren, die von Unternehmen betrieben werden und bei denen das Unternehmen unmittelbar mit dem Verbraucher verhandelt, oder für Verfahren, die von oder im Auftrag eines Unternehmens durchgeführt werden. In der Empfehlung werden vier Grundsätze für derartige Einrichtungen genannt: im Einzelnen die Grundsätze der Unparteilichkeit, der Transparenz, der Effizienz und der Fairness. Auch in dieser Empfehlung spielen grenzüberschreitende Sachverhalte eine hervorgehobene Rolle. Während die erste Empfehlung noch ein Formblatt als Lösungsweg bereithielt, sollen nunmehr elektronische Medien zur Bewältigung von grenzüberschreitenden Sachverhalten herangezogen werden. Vor dem Hintergrund des wachsenden elektronischen Geschäftsverkehrs wird festgestellt, dass dieser den Abschluss von Geschäften zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern über die staatlichen Grenzen hinweg erleichtern wird. Bei solchen 7 Mitteilung der Kommission vom 30. März 1998 hinsichtlich der außergerichtliche Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten und Empfehlung der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten zuständig sind, KOM(1998) 198. endg. 8 Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, ZEuP 2014, 9, 13 sehen in diesem Formular einen technischen Vorläufer zur ODR. 9 Empfehlung 2001/310/EG der Kommission vom 4. April 2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen, (bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2001) 1016), ABl. Nr. L 109/56.
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§ 4. Die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in der EU
Geschäften gehe es allerdings oft nur um geringe Beträge, so dass Streitigkeiten darüber unkompliziert, schnell und ohne hohe Kosten beigelegt werden müssen. Als Lösungsansatz wird dabei der Einsatz elektronischer Systeme angeführt, welcher ein persönliches Zusammentreffen der Parteien, welches regelmäßig mit erhöhten Kosten einhergeht, vermeidet.10 Derartige Streitbeilegungsmechanismen sollten wiederum durch Ausarbeitung einschlägiger Grundsätze gefördert werden, die einheitliche und verlässliche Standards festlegen und so bei den Rechtsuchenden Vertrauen schaffen. In der die Empfehlung begleitenden Mitteilung der Kommission zur Erweiterung des Zugangs der Verbraucher zur alternativen Streitbeilegung11 werden ergänzend die Vorteile der alternativen Streitbeilegung auf elektronischem Wege für die Unternehmer herausgestellt. Diese würden gerade im grenzüberschreitenden Bereich von der zu erwartenden Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in den Binnenmarkt profitieren.
II. Die neueren Entwicklungen in der außergerichtlichen Streitbeilegung In der Mitteilung der Kommission über die Digitale Agenda für Europa wurde im Rahmen des Unterpunkts der Vertrauensbildung im digitalen Umfeld zum ersten Mal ein konkreter Bezug auf die spätere ADR-Richtlinie sowie die ODR-Verordnung genommen.12 Dort war die Ankündigung enthalten, dass die Kommission eine EU-weite Strategie zur Verbesserung alternativer Streitbeilegungssysteme aufstellen, sowie ein EU-weites Online-Abhilfeinstrument für den elektronischen Geschäftsverkehr vorschlagen werde.13 Aufgegriffen wurde die alternative Streitbeilegung ein Jahr später innerhalb der Binnenmarktakte „Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen“14 unter 10 Dabei wird insbesondere auf die in Art. 17 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 178/1) enthaltene Vorgabe, dass mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften die Inanspruchnahme der Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung, die das nationale Recht vorsieht, nicht erschweren, Bezug genommen. 11 Mitteilung der Kommission zur Erweiterung des Zugangs der Verbraucher zur alternativen Streitbeilegung vom 4. April 2001, KOM(2001) 161 endg. 12 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Eine digitale Agenda für Europa“ vom 19. Mai 2010, KOM(2010) 245 endg. 13 KOM(2010) 245 endg. S. 14. 14 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Binnenmarktakte – Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen vom 13. März 2011, KOM(2011) 206 endg.
II. Die neueren Entwicklungen in der außergerichtlichen Streitbeilegung
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dem Punkt „Verbraucher als Akteure des Binnenmarktes“. Dort wird der Erlass von Rechtsvorschriften zur alternativen Streitbeilegung als wichtiger Schritt zur Neubelebung des (digitalen) Binnenmarktes angesehen. Diese Vorschriften sollen einfache, schnelle und kostengünstige Lösungen für die Verbraucher gewährleisten und gute Beziehungen zwischen den Unternehmen und ihren Kunden fördern.15 Im Anschluss an die Kommissionsempfehlungen beschäftigte sich auch das Europäische Parlament mit den Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung.16 In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Oktober 2011 zu alternativer Streitbeilegung in Zivil-, Handels- und Familiensachen17 wird insbesondere die Alternative Streitbeilegung als Mittel zur Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten hervorgehoben. Wiederum wird auf die Notwendigkeit, europäischen Verbrauchern Zugang zu Systemen alternativer Streitbeilegung für grenzüberschreitende und innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten zu gewährleisten, hingewiesen und dabei insbesondere der in der EU stark wachsenden Online-Markt in den Fokus gestellt.18 Neben der Forderung der Schaffung eines wirksamen Systems für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten, das in der gesamten Europäischen Union gilt, wurde der Blick speziell auf grenzüberschreitende Verbraucherrechtsstreitigkeiten gelenkt. Für diese sollte zum einen eine unionsweite Koordinierung vorgesehen werden, um den Zugang zu den einzelstaatlichen und von Unternehmen getragenen alternativen Streitbeilegungsmechanismen und deren Koordinierung zu erleichtern. Zum anderen sollte für derartige Streitfälle im elektronischen Geschäftsverkehr die schnelle Schaffung einer mehrsprachigen Plattform vorgenommen werden, über die die Verbraucher ihre Streitfälle vollständig online beilegen können. Vor diesem Hintergrund wurden durch die Europäische Kommission am 29. November 2011 zwei Vorschläge zu Formen außergerichtlicher Beilegung verbraucherrechtlicher Streitfälle veröffentlicht.19 Nach Stellungnahmen des 15
KOM(2011) 206 endg. S. 16. Bereits zuvor wurde hinsichtlich der Bürger und Verbraucher im Binnenmarkt statuiert, dass der Zugang zu geeignetem, erschwinglichem und effizientem Rechtsschutz für die Binnenmarktnutzung essentiell sei. Die Notwendigkeit der Schaffung eines derartigen Zugangs wird in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2010 zur Schaffung eines Binnenmarktes für Verbraucher und Bürger (2010/2011(INI)) als eine der ungelösten Aufgaben beschrieben, welche vorrangig in Angriff genommen werden muss, um rasche Lösungen erzielen zu können, vgl. Nr. 33 der Entschließung. 17 2011/2117(INI). 18 Mittels dieser Verfahren solle ein höheres Verbraucherschutzniveau und ein größeres Vertrauen der Verbraucher in den Markt, die Unternehmen und die ihre Rechte verteidigenden Behörden geschaffen und der internationale Handel und die Zunahme des Wohlstands aller Marktteilnehmer im EU-Binnenmarkt gefördert werden, vgl. Nr. 29 der Entschließung. 19 Zum einen der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Formen der alternativen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur 16
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§ 4. Die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in der EU
Europäischen Rats im Mai 2012 und des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments im Juni 2012 wurden die Vorschläge vom Europäischen Parlament in seiner Sitzung am 12. März 2013 angenommen, der Europäische Rat stimmte am 22. April 2013 ebenfalls beiden Vorschlägen zu.20 Am 18. Juni 2013 wurden schließlich die ADR-Richtlinie und die ODR-Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die beiden Rechtsakte stellen nunmehr das Vertrauen des Verbrauchers in den Binnenmarkt in den Vordergrund und wollen diesen mittels des Ausbaus außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen in die Lage versetzen, den gesamten Binnenmarkt für sich nutzen zu können.21 Neben der Binnenmarktstärkung soll nach dem Wortlaut des ersten Erwägungsgrundes von ADR-Richtlinie und ODR-Verordnung gleichzeitig ein Beitrag zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus geleistet werden.
III. Die außergerichtliche Streitbeilegung als Zukunftsmodell Der unionsrechtliche Gesetzgeber hat also bereits in einigen Rechtsakten die Einrichtung außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen befürwortet.22 Teilweise ist die Einrichtung derartiger Beschwerdestellen auch verpflichtend ausgestaltet worden. Dass der Ausbau der außergerichtlichen Konfliktlösung als Zukunftsmodell angesehen wird, zeigt sich auch daran, dass zu diesen bisher unternommenen Schritten noch weitere hinzutraten. So sieht die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente vom 15. Mai 201423 in ihrem Art. 75 die Einrichtung eines außergerichtlichen Verfahrens für Verbraucherbeschwerden vor.24 An dieser Entwicklung lässt sich ablesen, dass die Möglichkeit, Streitfälle ohne die Einschaltung staatlicher Gerichte zu lösen, sich in den Augen des unionsrechtÄnderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung), KOM(2011) 793 endg.; zum anderen der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (Verordnung über Online-Streitbeilegung) KOM (2011) 794 endg. 20 Vgl. dazu die Dokumente PE-CONS 79/12 und PE-CONS 80/12. 21 Vgl. dazu die Erwägungsgründe 6, 7 und 11 der ADR-Richtlinie sowie 6 und 7 der ODR-Verordnung. 22 Einen Überblick gibt Micklitz, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, § 32 Rn. 32.7 ff. 23 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. Nr. L 173/349. 24 Die Mitgliedstaaten müssen die Einrichtung effizienter und wirksamer Beschwerde- und Schlichtungsverfahren für die außergerichtliche Beilegung von Streitfällen von Verbrauchern über die von Wertpapierfirmen erbrachten Wertpapier- und Nebendienstleistungen sicherstellen und greifen dabei gegebenenfalls auf bestehende Einrichtungen zurück. Die Mitgliedstaaten stellen darüber hinaus sicher, dass alle Wertpapierfirmen einer oder mehreren solcher Einrichtungen, die entsprechende Beschwerde- und Schlichtungsverfahren durchführen, angehören.
IV. Neuorientierung in der europäischen Rechtspolitik
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lichen Gesetzgebers als valides Mittel hervorgetan hat und dementsprechend weiter verfolgt werden wird.
IV. Neuorientierung in der europäischen Rechtspolitik 1. Perspektivwechsel auf europäischer Ebene Innerhalb der europäischen Rechtspolitik ist mit Blick auf den eben dargestellten Weg in zweierlei Hinsicht ein Umdenken zu beobachten. Auf der einen Seite wird trotz eingehender Bemühungen um den Ausbau der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten nunmehr die Alternative der außergerichtlichen Konfliktlösung in den Mittelpunkt gestellt. Die EG-Bagatellverordnung wurde einst gerade zur Erleichterung der Rechtsdurchsetzung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten geschaffen. Ebenso wurde mit der EG-Mahnverordnung25 ein weiteres Instrument zur Erleichterung der länderübergreifenden Forderungsdurchsetzung geschaffen, welches ausweislich ihres siebten Erwägungsgrundes das Ziel verfolgt, eine Vereinfachung und Beschleunigung grenzüberschreitender Verfahren für unbestrittene Geldforderungen und eine Verringerung der Verfahrenskosten zu erreichen. Es entsteht jedoch im Lichte der immer intensiveren Bemühungen des unionsrechtlichen Gesetzgebers um die außergerichtliche Streitbeilegung der Eindruck, dass in den Erfolg der eben genannten Instrumente keine große Hoffnung mehr gesetzt wird. Auf der anderen Seite ist auch innerhalb der Bemühungen um die außergerichtliche Streitbeilegung eine Verschiebung der mit ihr verfolgten Ziele zu beobachten. Wurde bis zum Jahre 2010 in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union größtenteils der Zugang der Verbraucher zum Recht in den Mittelpunkt der Überlegung gestellt, so findet sich seither mehr und mehr der Ausbau und die Stärkung des Binnenmarktes als Leitmotiv wieder. Geblieben ist allerdings die Notwendigkeit der Schaffung des gebotenen Vertrauens, insbesondere – aber nicht ausschließlich – auf Seiten des Verbrauchers, um den angedachten Instrumenten Aussicht auf Erfolg zu geben. 2. Staatliche Gewährleistungsverantwortung Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Schaffung von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen fand sich bereits des Öfteren in europäischen Rechtsakten.26 Mit den Anforderungen der ADR-Richtlinie vollzieht sich jedoch ein Paradigmenwechsel. Der Ausbau der außergerichtlichen Streitbeilegung soll nun 25 Verordnung
(EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. Nr. L 399/1. 26 Einen Überblick dazu gibt Creutzfeld, in: Stürner/Gascόn Inchausti/Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, S. 3, 5.
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§ 4. Die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in der EU
nicht mehr auf sektorspezifisch zu schaffende einzelne Streitbeilegungsstellen beschränkt sein, sondern es soll ein flächendeckendes Netz für die Behandlung vertraglicher Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen geschaffen werden. Dass dies nicht allein durch private Stellen geschehen kann, wurde auch im Rahmen der ADR-Richtlinie gesehen und daher den Mitgliedstaaten aufgegeben, für eine umfassende Versorgung mit außergerichtlichen Streitbeilegungsangeboten zu sorgen. Damit wird durch die ADR-Richtlinie eine staatliche Gewährleistungsverantwortung für den Zugang zu außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen begründet.27 Diese Verantwortung zielt darauf ab, den angestrebten Ausbau der außergerichtlichen Streitbeilegung sicherzustellen. Damit wird jedoch nur die Gewährleistung des Zugangs zu AS-Stellen als Pflicht der Mitgliedstaaten ausgestaltet, diese aber nicht verpflichtet, dass sie – wie im Rahmen der staatlichen Justizgewährung – zwangsläufig Stellen hierfür bereitstellen müssen.28 Allerdings müssen sich die Mitgliedstaaten der Tragweite der Gewährleistungsverantwortung bewusst sein. Nach Art. 5 Abs. 1 ist seitens der Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass unter die Richtlinie fallende Streitigkeiten, an denen ein in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet niedergelassener Unternehmer beteiligt ist, einer AS-Stelle vorgelegt werden können, welche den Anforderungen dieser Richtlinie genügt. Gemäß Art. 2 Abs. 1 gilt die Richtlinie für Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung sowohl von inländischen als auch von grenzübergreifenden Streitigkeiten. Für beide Arten sind demnach Verfahren vorzuhalten, welche insbesondere dem Leitmotiv der Effektivität entsprechen müssen. Für innerstaatliche Streitfälle haben sich in einigen Mitgliedstaaten bereits Systeme ausgeprägt, welche schon heute den unionsrechtlichen Anforderungen an die außergerichtliche Streitbeilegung entsprechen. Hingegen beschäftigen sich nur wenige Stellen mit grenzüberschreitenden Sachverhalten. Deren Behandlung wird meist durch Zusammenarbeit mit einer entsprechenden Stelle im mitgliedstaatlichen Ausland vorgenommen. 3. Gewährleistungsverantwortung im Rahmen von grenzüberschreitenden Streitfällen Für die Bestimmung der Gewährleistungsverantwortung im Hinblick auf grenzüberschreitende Sachverhalte müssen zunächst die Motive für den Erlass der ADR-Richtlinie in Erinnerung gerufen werden. Ausweislich des 4. Erwägungs27 So Schmidt-Kessel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 9, 25; anders Meller-Hannich, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung: Aktuelle Perspektiven zur Umsetzung der ADR-Richtlinie, S. 19, 20, die in diesem Zusammenhang von einem ADR-Gewährleistungsanspruch spricht. 28 Darauf weist Schmidt-Kessel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 9, 25, unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie hin, der von einer Verantwortung zur Gewährleistung der vollständigen Abdeckung und des Zugangs zu AS-Stellen spricht.
IV. Neuorientierung in der europäischen Rechtspolitik
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grundes wird in der Gewährleistung des Zugangs zu einfachen, effizienten, schnellen und kostengünstigen Möglichkeiten der Beilegung inländischer und grenzübergreifender Streitigkeiten, die sich aus Kauf- oder Dienstleistungsverträgen ergeben, ein Schlüssel zur Belebung des Binnenmarktes gesehen. Dieser Zugang sei besonders wichtig, wenn Verbraucher über die Grenzen hinweg einkaufen. In Erwägungsgrund 7 wird aufgrund des gestiegenen grenzübergreifenden Handels und Personenverkehrs die Notwendigkeit der effektiven Bearbeitung grenzüberschreitender Fälle nochmals hervorgehoben. Damit kommt seitens des unionsrechtlichen Gesetzgebers klar zum Ausdruck, dass die bisherige Behandlung als nicht ausreichend angesehen wird, um die bestehenden Probleme bei Einkäufen über Landesgrenzen hinweg zu lösen. Um die genaue Ausprägung der staatlichen Gewährleistungsverantwortung zu ermitteln, bedarf es also eines Blickes auf die bisherige Bearbeitung der grenzüberschreitenden Sachverhalte in der außergerichtlichen Streitbeilegung, um möglicherweise bestehende Defizite klarer benennen zu können. Im Anschluss daran ist der Lösungsvorschlag des unionsrechtlichen Gesetzgebers daraufhin zu überprüfen, ob er eine effektive Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte in ausreichendem Maße ermöglicht. Bei dieser Frage ist ein wichtiger Gradmesser die bereits existierende Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung derartiger Ansprüche. Die ADR-Richtlinie nimmt für sich in Anspruch, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus zu leisten.29 Als Basis für dieses Niveau können die in zivilprozessualen Verfahren bereits geschaffenen Voraussetzungen für eine erleichterte Verfolgung von grenzüberschreitenden Ansprüchen dienen. Damit die anvisierten Ziele der ADR-Richtlinie im Zusammenspiel mit der ODR-Verordnung tatsächlich erreicht werden können, sind demnach zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Zum einen muss mittels der außergerichtlichen Streitbeilegung eine Lösung für die in den gerichtlichen Verfahren auftretenden Probleme gefunden werden. Zum anderen aber darf auch der durch die bereits geschaffenen Erleichterungen im zivilprozessualen Bereich erreichte Schutz des Verbrauchers nicht durch die außergerichtliche Streitbeilegung unterschritten werden.30
29 So ausdrücklich Erwägungsgrund 60 der Richtlinie, der als Ziel der Richtlinie die Stärkung des Binnenmarkts durch das Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus angibt. 30 Zur Notwendigkeit der einheitlichen Betrachtung des europäischen Zivilverfahrensrechts und der europäischen Instrumente der alternativen Streitbeilegung eingehend Storskrubb, ERPL 24 (2016), 7, 25–30.
§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland Die außergerichtliche Streitbeilegung stellt in Deutschland ein relativ junges Phänomen dar.1 Ausgehend von der Banken- und Versicherungsbranche hat sich insbesondere die außergerichtliche Konfliktlösung unter Hinzuziehung eines Dritten, welcher aktiv an der Streitbeilegung mitwirkt, in vielen verschiedenen Sektoren bewährt.2 So finden sich beispielsweise bei den Industrie- und Handelskammern Einigungsstellen zur Beilegung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen gemäß § 15 UWG ein Anspruch auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht wird. Innerhalb des Beförderungssektors kann ausweislich § 37 EVO ein Schlichtungsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten aus der Beförderung durch Eisenbahnverkehrsunternehmen durchgeführt werden. Gemäß § 191f BRAO wird bei der Bundesrechtsanwaltskammer eine unabhängige Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft eingerichtet, welche zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedern von Rechtsanwaltskammern und deren Auftraggebern berufen ist. Im Dienstleistungsbereich findet sich auch bei den Handwerkskammern die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung. Nach § 91 Abs. 1 Nr. 11 HWO gehört es zu deren Aufgaben Vermittlungsstellen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Inhabern eines Handwerksbetriebs und deren Auftraggebern einzurichten.3 Auf diese Vorschlagsverfahren soll im Folgenden der Fokus gelegt werden. Hierfür werden exemplarisch die beiden renommiertesten Stellen, der Versiche1 Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 88. Innerhalb anderer Mitgliedstaaten, wie beispielsweise dem Vereinigten Königreich ist dagegen die alternative Streitbeilegung bereits länger bekannt und wird dort intensiv genutzt. Die Aussage von Benöhr/ Hodges/Creutzfeld-Banda, Germany in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 73, dass die heutige deutsche Schlichtungslandschaft an die innerhalb des UK im Jahre 1995 erinnere, ist insofern bezeichnend. 2 Alleweldt, Final Report to DG SANCO – Study on the use of Alternative Dispute Resolution in the EU spricht auf S. 12 von 223 gelisteten ADR Stellen und 24 nicht gelisteten Stellen. Damit sollen 247 ADR-Stellen innerhalb Deutschlands verfügbar sein. Allerdings weisen Benöhr/Hodges/Creutzfeld-Banda, Germany in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 74 darauf hin, dass ein Großteil dieser Einrichtungen nicht auf Verbraucherstreitigkeiten ausgerichtet, sondern der Mediation zugehörig ist. 3 Weitere auf Kammernebene angesiedelte Stellen finden sich z. B. bei den Ärztekammern oder im Rahmen des KfZ Gewerbes; zum Ganzen Musielak, in: Musielak-ZPO, Einleitung, Rn. 25.
I. Die Rechtsgrundlagen der Schlichtung
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rungsombudsmann und der Ombudsmann der privaten Banken, ausgewählt und deren Verfahren näher dargestellt. Zunächst soll jedoch ein allgemeiner Überblick über die Schlichtungslandschaft in Deutschland und deren Charakteristika gegeben werden. Hierbei sind neben den rechtlichen Grundlagen der außergerichtlichen Streitbeilegung insbesondere die rechtspolitischen Erwägungen und der staatliche Einfluss auf die außergerichtliche Streitbeilegung von Interesse.4
I. Die Rechtsgrundlagen der Schlichtung 1. Im Bankensektor Die Entwicklung der deutschen Schlichtungslandschaft nahm innerhalb des Bankensektors seinen Anfang. Bereits im Jahre 1992 wurde von den privaten Banken ein Schlichtungssystem eingeführt, mittels dessen Meinungsverschiedenheiten mit ihren Kunden geklärt werden konnten. Inspiriert wurde die Einrichtung der Beschwerdestelle beim Bundesverband deutscher Banken durch die „Empfehlung zur Transparenz der Bankkonditionen bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen“ vom 14. Februar 19905, welche anregte, besondere Stellen für die Bearbeitung von Beschwerden im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Geldgeschäften einzurichten.6 Als Grund für die Einrichtung wurde seinerzeit angegeben, dass innerhalb des Bankensektors, welcher stark vom Kundenvertrauen abhänge, ein zentrales Zeichen des guten Willens und der 4 Die folgende Darstellung der Rechtsgrundlagen der Schlichtung bezieht sich in erster Linie auf die Schlichtungslandschaft vor Inkrafttreten des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes am 01. April 2016 (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19. Februar 2016, BGBl. I S. 254) und will damit einen Eindruck über die bisherigen Entwicklungen auf nationaler Ebene geben. Daher wird in Teilen auch auf die Gesetzeslage vor dem 01. 04. 2016 Bezug genommen. Auf die im Zuge des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes teilweise erfolgten Neufassungen der gesetzlichen Grundlagen einzelner Schlichtungseinrichtungen und der sich daraus ergebenden Veränderungen wird an gegebener Stelle in den Fußnoten hingewiesen. 5 Empfehlung der Kommission zur Transparenz der Bankkonditionen bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen vom 14. Februar 1990 (90/109/EWG), ABl. EG Nr. L 67/39. Allerdings enthält die Empfehlung keine Beschränkung auf Privatkunden und ist dementsprechend nicht als spezifisch verbraucherschützend einzuordnen. Vielmehr hob die Empfehlung hervor, dass grenzüberschreitende Finanztransaktionen kostenintensiver und zeitraubender und komplexer seien als beispielsweise rein innerstaatliche Überweisungen. Daher sollten in diesem Bereich zur Verbesserung des Kundenvertrauens neue Wege beschritten werden. 6 Der Einrichtung einer privaten Stelle ging allerdings ein gewisser Druck durch die Bundesregierung voraus, welche zur Vermeidung einer staatlichen Stelle die deutsche Kreditwirtschaft zur Einrichtung der Ombudsmannstelle brachte, näher dazu Höche, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 22 ff.
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
Offenheit gegenüber Kundenbeschwerden durch die Einrichtung des Ombudsmannes gesetzt werden sollte.7 a) Die Rechtsgrundlage im UKlaG Zu Beginn der Schlichtungstätigkeit bestand außer der genannten Empfehlung der Kommission keine rechtliche Grundlage für die Errichtung der Ombudsstelle. Erst die Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen8 enthielt in Art. 10 für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, angemessene und wirksame Beschwerde- und Abhilfeverfahren zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten zwischen dem Auftraggeber und seinem Institut bzw. zwischen dem Begünstigten und seinem Institut zu schaffen. Diese Verpflichtung wurde durch § 29 Abs. 1 AGBG erfüllt. Im Zuge der Schuldrechtsreform9 wurde die verfahrensrechtliche Vorschrift in den § 14 des Unterlassungsklagengesetzes10 übertragen. b) Die umfassten Ansprüche § 14 UKlaG11 eröffnet für Streitigkeiten aus Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen, Verbraucherdarlehensverträgen und Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher sowie für Beschwerden bezüglich des Überweisungsverkehrs und bei Missbrauch von Zahlungskarten oder deren Daten, sofern der jeweiligen Zahlungskarte ein Girovertrag zugrunde liegt, den Beteiligten die Möglichkeit, eine Schlichtungsstelle anzurufen.12 Durch § 14 UKlaG wurden verschiedene europäische Anforderungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung im Finanzdienstleistungssektor, wie beispielsweise Art. 14 Fernabsatzfinanzdienstleistungs-Richtlinie13, Art. 24 Verbraucherkredit7 So Heinsius, WM 1992, 478. Zu den Entwicklungen im europäischen Ausland, die gleichfalls Anlass zur Einrichtung des Ombudsmanns gaben, Hellner, die bank 1991, 666, 667. 8 ABl. EG Nr. L 43/25. 9 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3422, ber. S. 4346. 10 Neubekanntmachung durch das Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 2002, BGBl. I S. 3422. 11 § 14 UKlaG wurde neu gefasst mit Wirkung vom 26. Februar 2016 durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19. Februar 2016 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen vom 11. April 2016 (BGBl. I S. 720). 12 Vgl. Micklitz, in: MüKo-ZPO, § 14 UKlaG Rn. 7. 13 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der
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linie14, Art. 83 Zahlungsdiensterichtlinie15 und die Zweite E-Geld-Richtlinie16 umgesetzt. c) Der Träger der Schlichtung Gemäß § 14 Abs. 1 UKlaG a.F17 konnte zur Schlichtung der genannten Ansprüche eine Schlichtungsstelle angerufen werden, welche bei der Deutschen Bundesbank einzurichten war. Jedoch eröffnete § 14 Abs. 3 UKlaG a. F. für das Bundesministerium der Justiz die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Streitschlichtungsaufgaben nach § 14 Abs. 1 UKlaG a. F. auf eine oder mehrere geeignete private Stellen zu übertragen, wenn die Aufgaben dort zweckmäßiger erledigt werden können.18 Aufgrund dieser Ermächtigung wurden die Schlichtungsaufgaben auf Schlichtungsstellen bei dem Bundesverband der deutschen Banken, dem Bundesverband öffentlicher Banken, den Sparkassen- und Giroverbänden und dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken übertragen.19 Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EG Nr. L 271/16. 14 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. Nr. L 133/66. 15 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/ EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. Nr. L 319/1. 16 Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG, ABl. Nr. L 267/7. 17 § 14 UKlaG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 233). 18 Anstelle der Übertragungsmöglichkeit findet sich im neu gefassten § 14 Abs. 1 S. 1 UKlaG nunmehr die Möglichkeit eine durch das Bundesamt für Justiz anerkannte private Verbraucherschlichtungsstelle anzurufen oder auf die bei der Deutschen Bundesbank oder die bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eingerichtete Verbraucherschlichtungsstelle zurückzugreifen. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 3 UKlaG n. F. sind diese behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen allerdings nur zuständig, wenn es für die Streitigkeit keine zuständige anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle gibt. Die Anerkennungsvoraussetzungen für private Schlichtungsstellen sind in § 14 Abs. 3 UKlaG n. F. näher geregelt. 19 Vgl. hierzu § 7 der Verordnung über die Schlichtungsstelle nach § 14 des Unterlassungsklagengesetzes und ihr Verfahren (Schlichtungsstellenverfahrensverordnung, im Folgenden SchlichtVerfV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juli 2002, BGBl. I S. 2577, außer Kraft getreten am 31. Januar 2017. Die SchlichtVerfV wurde durch die Verordnung über die Verbraucherschlichtungsstellen im Finanzbereich nach § 14 des Unterlassungsklagengesetzes und ihr Verfahren (Finanzschlichtungsstellenverordnung (im Folgenden FinSV) vom 5. September 2016, BGBl. I S. 2140) ersetzt. Zum 31. Januar 2017 waren die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR),
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
2. Im Versicherungssektor a) Die Rechtsgrundlage im VVG Auch innerhalb des Versicherungssektors gab es zu Beginn der Schlichtungstätigkeit im Jahr 2001 keine spezialgesetzliche Grundlage. Im Zuge der Reformierung des VVG wurde allerdings für Streitfälle zwischen Versicherungsnehmern und Versicherungsberatern in § 42k VVG a. F.20 und für den im Fernabsatz geschlossenen Versicherungsvertrag in § 48e VVG a. F.21 die Einrichtung von Schlichtungsstellen vorgesehen.22 Heute bildet § 214 VVG23 die Rechtsgrundlage für die Einrichtung von Schlichtungsstellen in Versicherungssachen. Dieser fasst die beiden bisherigen Regelungsbereiche zusammen und erweitert die Zuständigkeit auf alle Versicherungsverträge mit Verbrauchern. Begründet wurde der Verzicht auf das einschränkende Kriterium der Fernabsatzverträge mit der allgemeinen Systematik des neuen VVG und dem schon bislang praktizierten Verfahren der Ombudsmänner in der Versicherungswirtschaft.24 b) Die umfassten Ansprüche Die sachliche Zuständigkeit der nach § 214 VVG anerkannten Schlichtungsstellen erstreckt sich auf zwei unterschiedliche Arten von Streitigkeiten. Nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG sind die anerkannten Schlichtungsstellen zunächst für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen mit Verbrauchern zuständig. Die Vorschrift stellt klar, dass der Begriff des Verbrauchers nach § 13 BGB zu beurteilen ist. Verbraucher ist danach jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet
die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e. V. (VÖB), die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband deutscher Banken e. V. (BdB), die Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V. (DSGV), die Kundenbeschwerdestelle beim Verband der Privaten Bausparkassen e. V. und der Ombudsmann der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V. (BKS) als private Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne des § 14 UKlaG durch das Bundesamt für Justiz anerkannt. 20 Vorschrift eingefügt durch das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19. Dezember 2006, BGBl. I S. 3232. 21 Vorschrift eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 02. Dezember 2004, BGBl. I S. 3102. 22 Die beiden Ombudsmanneinrichtungen wurden durch das Bundesjustizministerium als Schlichtungsstelle nach § 42 k VVG a. F. anerkannt. 23 Eingefügt durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I. S. 2631), zuletzt geändert mit Wirkung vom 01. April 2016 durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19. Februar 2016 (BGBl. I S. 254). 24 Dazu Looschelders, in: MüKo-VVG, § 214 Rn. 4 f.
I. Die Rechtsgrundlagen der Schlichtung
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werden kann.25 Dies entspricht im Grundsatz den für die Ombudsmänner maßgeblichen Verfahrensordnungen. Für Geschäfte mit Versicherungsvermittlern bestimmt § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG eine weitere Zuständigkeit. Als Versicherungsvermittler werden nach § 59 Abs. 1 bis 3 VVG sowohl Versicherungsvertreter als auch Versicherungsmakler verstanden, nicht aber Versicherungsberater gemäß § 59 Abs. 4 VVG. Auf der Gegenseite erfasst § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG nicht nur Verbraucher, sondern alle Versicherungsnehmer.26 c) Der Träger der Schlichtung Gemäß § 214 Abs. 1 VVG können seitens des Bundesministeriums der Justiz privatrechtlich organisierte Einrichtungen als Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten anerkannt werden.27 Diese Übertragung geschah bereits vor der Neufassung von § 214 VVG zum 01. 10. 2001. Der Versicherungsombudsmann e. V.28 und der Ombudsmann Private Krankenund Pflegeversicherung29 nehmen seither die Schlichtungsaufgaben wahr.30 3. Weitere Schlichtungseinrichtungen mit gesetzlicher Grundlage Auch in der weiteren deutschen Schlichtungslandschaft bestehen für einige Einrichungen gesetzliche Grundlagen. Im Telekommunikationssektor ist in § 47a TKG für Streitfälle zwischen einem Teilnehmer und einem Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen oder einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten für bestimmte Ansprüche die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens auf Antrag des Teilnehmers vorgesehen.31 Die 25 Zur Abgrenzung zwischen privatem und gewerblichem/beruflichem Zweck kann die Rechtsprechung des BGH zur ähnlich gelagerten Problematik in der Rechtsschutzversicherung herangezogen werden, dazu BGH VersR 1992, 1510. 26 Vgl. Klimke, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, § 214 Rn. 3. 27 Während gemäß § 214 Abs. 2 VVG a. F. (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 22. Dezember 2011, BGBl. I S. 3044) für eine Anerkennung nötig war, dass privatrechtlich organisierte Einrichtungen hinsichtlich ihrer Antworten und Vorschläge oder Entscheidungen unabhängig und keinen Weisungen unterworfen sind und in organisatorischer und fachlicher Hinsicht die Aufgaben erfüllen können, müssen nunmehr gemäß § 214 Abs. 2 VVG n. F. die Voraussetzung des § 24 VSGB erfüllt sein. Da die dort festgelegten Voraussetzungen allerdings größtenteils den bereits in § 214 Abs. 2 VVG a. F. genannten Anforderungen entsprechen, sind keine einschneidenden Änderungen zu erwarten. 28 Postfach 080 622, 10006 Berlin. Homepage: www.versicherungsombudsmann.de 29 Kronenstraße 13, 10117 Berlin. Homepage: www.pkv-ombudsmann.de. 30 Langheid, NJW 2007, 3665, 3667 nimmt daher an, dass für eine weitere Anerkennung kein Bedarf bestehe. 31 Da Streitigkeiten innerhalb des Telekommunikationssektors oftmals von komplexen technischen Sachverhalten, verbunden mit relativ geringen Streitwerten, geprägt sind, wurde
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
enumerativ aufgeführten Fälle in § 47a Abs. 1 TKG beschäftigten sich mit einzelnen vertraglichen Verpflichtungen der Betreiber bzw. Anbieter. Die in § 47a Abs. 1 Nr. 1 TKG genannten Vorschriften erfassen den größten Teil der kundenschützenden Maßnahmen des TKG, Nr. 2 mögliche Streitfälle im Zusammenhang mit der RoamingVO. Damit wird wie bei den bereits genannten Schlichtungen im Banken- und Versicherungsgewerbe der Fokus auf vertragliche Streitfälle zwischen Verbrauchern und Unternehmern gelegt.32 Die Schlichtung im Telekommunikationssektor findet bei der Bundesnetzagentur statt, eine Übertragung auf andere Stellen ist nicht vorgesehen.33 Auch im Rahmen der Energieversorgung kann gemäß § 111b EnWG zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Verbrauchern über den Anschluss an das Versorgungsnetz, die Belieferung mit Energie sowie die Messung der Energie eine Schlichtungsstelle angerufen werden.34 Auch hier stehen vertragliche Streitfälle, welche meist Verbraucher betreffen, im Vordergrund.35 Nach § 111b Abs. 3 S. 1 EnWG kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine privatrechtlich organisierte Einrichtung als zentrale Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten nach Absatz 1 anerkennen.36 4. Schlichtungseinrichtungen ohne gesetzliche Grundlage Neben diesen gesetzlich geregelten Streitbeilegungsstellen existieren auch Schlichtungseinrichtungen, die ohne gesetzliche Basis arbeiten. Hierzu zählt die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V. (söp).37 Diese ist eine unabhängige Einrichtung von Unternehmen des öffentlichen Verkehrs innerhalb des Telekommunikationsgesetzes im Rahmen der Vorschriften zum Kundenschutz bereits früh die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens implementiert. Büning, in: BeckOKTKG, § 47a Rn. 1 verweist hier auf die § 41 Abs. 3 Nr. 8 TKG von 1996 und § 35 TKV von 1997. 32 Sodtalbers, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 47a TKG Rn. 1 hebt besonders hervor, dass es sich bei den Streitfällen, welche der Schlichtung zugänglich sind, um solche handelt, welche im Zuge der Vertragserfüllung auftreten. 33 Zu den weiteren Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung nach dem TKG Beckmann, MMR 2011, 791–796. 34 Die Schlichtung wurde durch die Novelle des EnWG im Jahre 2011 (Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26. 7. 2011, BGBl. I S. 1554) neu eingefügt. Vgl. dazu Kühling/Rasbach, RdE 2011, 332, 340. 35 Vgl. Lange, RdE 2012, 41, 42; Rüdiger, IR 2012, 146, 147. 36 Diese Aufgabe nimmt seit dem 01. 11. 2011 die Schlichtungsstelle Energie e. V. (Friedrichstraße 133, 10117 Berlin; Homepage: https://www.schlichtungsstelle-energie.de/home. html) wahr. Diese ist eine unabhängige und neutrale Einrichtung zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Energieversorgungsunternehmen und wird gemeinsam getragen von der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. und den Verbänden der Energiewirtschaft. 37 https://soep-online.de/index.html.
I. Die Rechtsgrundlagen der Schlichtung
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in Deutschland, welche seit Dezember 2009 ihre Dienste allen Kunden von Unternehmen im Bahn-, Bus-, Flug- und Schiffsbereich anbietet, die sich am Schlichtungsverfahren beteiligen.38 Der Schlichtungsstelle selbst liegt zwar keine spezialgesetzliche Regelung zugrunde; jedoch bestehen je nach Verkehrsträger verschiedene rechtliche Grundlagen für eine mögliche Schlichtung. Zu nennen sind im Zusammenhang mit Beförderungsleistungen insbesondere § 37 Eisenbahn-Verkehrsordnung,39 § 6 EU-Fahrgastrechte-KraftomnibusG40 und § 6 EU-Fahrgastrechte-SchifffahrtG41. Während im Rahmen der Durchführungsgesetze die Schlichtungsmöglichkeit nur bei freiwilliger Teilnahme der jeweiligen Beförderer vorgesehen ist, kann die Schlichtung im Rahmen des Eisenbahnverkehrs als Verpflichtung ausgelegt werden.42 Ergänzend zu den bereits genannten Regelungen ist die söp seit dem 21. November 2014 nach den neu geschaffenen §§ 57 ff. LuftVG43 als Schlichtungs38 Die söp löste damit die Schlichtungsstelle Mobilität beim Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD) ab. Deren Finanzierung durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz war lediglich bis Ende 2009 sichergestellt. Die Deutsche Bahn AG hat zum 1. 12. 2009 im Zusammenhang mit der neu gefassten Regelung des § 37 EVO die Schlichtungsstelle Öffentlicher Personenverkehr e. V. (SÖP) gegründet. Vorbild für die Einrichtung war die Schlichtungsstelle des Versicherungsombudsmannes. 39 Eisenbahn-Verkehrsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. April 1999, BGBl. I S. 782. 40 EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Gesetz vom 23. Juli 2013 BGBl. I S. 2547. Das Gesetz dient der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004, ABl. L 55/1. 41 EU-Fahrgastrechte-Schifffahrt-Gesetz vom 5. Dezember 2012, BGBl. I S. 2454. Dieses Gesetz dient der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004, ABl. L 334/1. 42 Die beiden Durchführungsgesetze sprechen wortlautgleich davon, dass zur Beilegung von Streitigkeiten aus der jeweiligen Beförderung der Fahrgast eine geeignete Schlichtungsstelle nur dann anrufen kann, wenn sich der Vertragspartner bereit erklärt hat, an der Schlichtung teilzunehmen. In der EVO ist die Formulierung nicht eindeutig, da festgelegt wird, dass zur Beilegung von Streitigkeiten aus der Beförderung durch Eisenbahnverkehrsunternehmen der Reisende eine geeignete Schlichtungsstelle anrufen kann. Zwar ergibt sich weder aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung eisenbahnrechtlicher Vorschriften an die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, abrufbar unter: http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Bibliothek/Gesetzesmaterialien/16_wp/Fahrgast/RegE.pdf?__blob=publicationFile) noch aus den Gesetzgebungsmaterialien zu § 37 EVO (BT-Drs. 16/11607, S. 18) explizit die Pflicht zur Einrichtung einer Schlichtungsstelle. Jedoch stellen Lindner/Tonner, GPR 2011, 15, 19 fest, dass der Gesetzgeber auf Druck der Verbraucherschützer in § 37 EVO eine Regelung zu Schlichtungsstellen getroffen hat. Dass daraus eine Pflicht zur Einrichtung resultiert, leiten die Autoren aus § 37 Abs. 3 EVO ab, welcher für die Eisenbahnunternehmen die Pflicht vorsieht, bei der Beantwortung der Beschwerde auf die Möglichkeit der Schlichtung hinzuweisen und Adressen geeigneter Schlichtungsstellen mitzuteilen. 43 Zum 1. November 2013 traten die §§ 57 ff. LuftVG in Kraft. Innerhalb des neu ge-
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
stelle für den Luftverkehr zuständig.44 Somit kann sich nunmehr auch die söp mittelbar auf eine gesetzliche Grundlage stützen.45 Auch für zivilrechtliche Streitigkeiten im Bereich des Online-Handels existiert seit dem Jahr 2009 eine eigene Schlichtungsstelle. Diese trägt den Namen Online-Schlichter und ist an das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e. V.46 angeschlossen. Das Zentrum verfolgt als gemeinnütziger Verein das Ziel, die Verbraucherrechte in Europa wahrzunehmen und zu fördern. Parallel zur Einführung des Europäischen Binnenmarktes ist dieser am 13. Juli 1993 unter dem Namen „Euro-Info-Verbraucher e. V.“ gegründet worden. Im Laufe seines Bestehens wurden dem Verein von den Regierungen Frankreichs und Deutschlands die europäischen und nationalen Aufgaben für einen besseren Verbraucherschutz in Europa anvertraut.47 Für den Online-Schlichter bestehen keine speziellen gesetzlichen Grundlagen. Die Schlichtungsstelle ist zuständig für zivilrechtliche Streitigkeiten im Bereich des Online-Handels, welche die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen betreffen. Ferner muss die Streitigkeit sich aus einem Vertrag ergeben, der unter Verwendung des Internets abgeschlossen wurde.48 Ausgenommen von der allgemein gehaltenen Formulierung des Dienstvertrags sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten oder solche, die einen Mietvertrag über Wohnraum, der Erst- oder Nebenwohnsitz ist, betreffen. 5. Die rechtspolitischen Erwägungen Allen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren liegen im Grundsatz ähnlich ausgestaltete rechtspolitische Erwägungen zugrunde. So soll die Schlichtung im schaffen Unterabschnitts zur Schlichtung wird seitens des Gesetzgebers die Intention klar, dass die Schlichtung im Luftverkehr primär von privaten Stellen durchgeführt werden soll. Der § 57 LuftVG beschäftigt sich ausführlich mit der privatrechtlich organisierten Schlichtung, während aus § 57a LuftVG, der die behördliche Schlichtung regelt, hervorgeht, dass diese nur gegen Luftfahrtunternehmen, die nicht an einem Schlichtungsverfahren einer anerkannten privatrechtlich organisierten Schlichtungsstelle nach § 57 teilnehmen, stattfinden wird. 44 Siehe dazu die Bekanntmachung des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vom 21. November 2014: Vorläufige Anerkennung der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V. als Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten über Ansprüche von Fluggästen gemäß § 57b Absatz 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG), BAnz AT 30. 12. 2014 B2. 45 Zu den gesetzgeberischen Gründen für die Einführung der Schlichtung im Luftverkehr eingehend Führich, MDR 2013, 749, 750. 46 http://www.cec-zev.eu/de/startseite/. 47 Zu den Aufgaben des Vereins zählen insbesondere die Information, Beratung und Bildung über die Rechte der Verbraucher in grenzüberschreitenden und europäischen Angelegenheiten, sowie juristische Beratung und die außergerichtliche Streitbeilegung bei Streitigkeiten zwischen einem Unternehmer in einem Mitgliedstaat und einem Verbraucher in einem anderen Mitgliedstaat in grenzüberschreitenden und europäischen Angelegenheiten. 48 So § 1, 1.1 der Schlichtungsordnung des Online-Schlichters, abrufbar unter: https:// www.online-schlichter.de/schlichtungsordnung/schlichtungsordnung-des-online-schlichters.
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Versicherungsgewerbe den Versicherungsnehmern eine einfache, schnelle und kostengünstige Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Ansprüche verschaffen.49 Auch innerhalb des Banken-, Telekommunikations- und Energiesektors werden diese Ziele verfolgt.50 Den Branchen ist gemein, dass Verbraucherstreitigkeiten in diesen Bereichen häufig sehr komplexe, teilweise technisch geprägte, Sachverhalte zugrunde liegen und typischerweise von beiden Beteiligten eine möglichst zügige Lösung des Streitfalles angestrebt wird.51 Aufgrund dieser Ausgangslage und den meist nur geringfügigen Forderungen der Verbraucher ist der Weg zum Gericht oftmals mit nur schwer abschätzbaren Kostenrisiken verbunden, welche den Verbraucher regelmäßig von der Geltendmachung seiner Ansprüche abhalten.52 Während in diesen Fällen der Kostenaspekt in den Vordergrund rückt, spielt im Bereich der Beförderungen die Vereinfachung der Rechtsdurchsetzung eine hervorgehobene Rolle. Dort versteht sich die söp als verkehrsträgerübergreifende Schlichtungsstelle. Da Reisende bei ihren Fahrten oft verschiedene Verkehrsmittel nacheinander nutzen, kann im Streitfall die Prüfung der gesamten Reisekette erforderlich werden. Durch das verkehrsträgerübergreifende Angebot entfällt dann für den Reisenden die Prüfung einzelner Zuständigkeiten, da er unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel einen zentraler Ansprechpartner hat. 6. Der staatliche Einfluss auf die Schlichtungslandschaft Eine weitere Gemeinsamkeit der auf gesetzlichen Grundlagen stehenden Schlichtungseinrichtungen ist deren Rückkoppelung an staatliche Gremien. Diese Rückkoppelung vollzieht sich auf verschiedene Arten. Innerhalb der Telekommunikationsbranche ist bereits die schlichtende Einheit selbst bei einer Bundesoberbehörde, der Bundesnetzagentur, angesiedelt. Bei einer Auslagerung der Schlichtungstätigkeit auf private Stellen geht dieser regelmäßig ein Anerkennungsverfahren voraus, welches durch bestimmte Bundesministerien durchgeführt wird.53 Zusätzlich zu dieser Anerkennung kann auch eine Verfahrensordnung vorgegeben werden, an welcher sich die einzelnen privaten Stellen im Rahmen der Ausprägung ihrer eigenen Verfahrensordnungen zu orientieren
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Vgl. dazu bereits Hoeren, ZVersWiss 1992, 487, 492 ff. Zum Bankensektor eingehend Lücke, WM 2009, 102, 105 ff. 51 Gleiches gilt für die Telekommunikationsbranche, vgl. Büning, in: BeckOK-TKG, § 47a Rn. 1. 52 So für die Finanzdienstleistungen Micklitz, in: MüKo-ZPO, § 14 UKlaG Rn. 6 unter Verweis auf BR-Drucks. 84/04, S. 29. 53 Für die Schlichtungen im Energiesektor ist dies gemäß § 111b Abs. 3 S. 1 EnWG das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; für die Versicherungsbranche gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 VVG das Bundesministerium der Justiz. 50
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
haben. Dieses Muster fand sich beispielsweise in § 14 Abs. 2 UKlaG a. F. für die Schlichtung im Finanzdienstleistungssektor.54 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Vorgaben, welche den gesetzlich vorgesehenen Schlichtungseinrichtungen gemacht wurden, sich auch in den Verfahrensordnungen der ohne gesetzliche Grundlage etablierten Schlichtungseinrichtungen wiederfinden. So verlangt die Verfahrensordnung der söp, ebenso wie die des Online-Schlichters, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Einrichtung. Ebenfalls ist die Verfahrensordnung frei zugänglich und die Gewährung rechtlichen Gehörs in gleichem Maße gewährleistet wie in den Schlichtungsordnungen des Versicherungsombudsmanns oder des Ombudsmanns der privaten Banken. Die meisten Schlichtungsordnungen verwirklichen damit die in der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 30. März 1998 genannten Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind. Diese bildet damit die Grundlage für die bisherige Schlichtungslandschaft in Deutschland. 7. Die rechtliche Organisation der Schlichtung Die außergerichtliche Streitbeilegung wird in Deutschland größtenteils von privatrechtlich organisierten Stellen angeboten. Behördlich organisierte Stellen, wie die Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur, welche die Streitbeilegung im Telekommunikationssektor exklusiv anbietet, bilden die Ausnahme. Meist
54 Die dort erwähnte SchlichtVerfV gewährleistete, dass das Verfahren auf die Verwirklichung des Rechts auszurichten war und zudem die Schlichtungsstelle unabhängig und unparteiisch handelte, ihre Verfahrensregelungen für Interessierte zugänglich waren und die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens rechtliches Gehör erhielten, insbesondere Tatsachen und Bewertungen vorbringen konnten. Nunmehr ist in § 14 Abs. 5 UKlaG n. F. geregelt, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, entsprechend den Anforderungen der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung(EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 165 vom 18. 6. 2013, S. 63) die näheren Einzelheiten der Organisation und des Verfahrens der bei der Deutschen Bundesbank und der bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach diesem Gesetz eingerichteten Verbraucherschlichtungsstellen, insbesondere auch die Kosten des Schlichtungsverfahrens für einen am Schlichtungsverfahren beteiligten Unternehmer, die Voraussetzungen und das Verfahren für die Anerkennung einer privaten Verbraucherschlichtungsstelle und für die Aufhebung dieser Anerkennung sowie die Voraussetzungen und das Verfahren für die Zustimmung zur Änderung der Verfahrensordnung, sowie die Zusammenarbeit der behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen und der privaten Verbraucherschlichtungsstellen mit staatlichen Stellen, insbesondere der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, und vergleichbaren Stellen zur außergerichtlichen Streitbeilegung in anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum regelt. Damit ist auch nach der Neufassung des § 14 UKlaG der staatliche Einfluss auf die Schlichtungslandschaft weiterhin gegeben.
II. Das Verfahren
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werden die Schlichtungsaufgaben von eingetragenen Vereinen wahrgenommen, welche behördlich anerkannt sind. Die Vereinsstruktur gewährleistet hierbei die Unabhängigkeit der streitbeilegenden Einheit von den Unternehmern, welche die Stellen als Mitglieder durch Umlagen, Beiträge oder Fallpauschalen finanzieren. Häufig werden die Stellen nicht nur von einzelnen Unternehmern, sondern von den Branchenverbänden getragen, welche den Stellen auf Dauer die außergerichtliche Konfliktlösung ermöglichen. Daraus resultiert eine sektoriell geprägte Schlichtungslandschaft, welche auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierte Stellen anbietet. Zur Absicherung eines umfassenden Angebots außergerichtlicher Konfliktlösung besteht hinter der privatrechtlichen Schlichtung oftmals noch eine behördliche Auffangschlichtung.55 Deren Zuständigkeit ist dann eröffnet, falls der Unternehmer sich der Streitbeilegung der privaten Stelle nicht unterworfen hat.
II. Das Verfahren In der deutschen Schlichtungslandschaft ist es regelmäßig den jeweiligen Stellen überlassen, sich eine Verfahrensordnung zu geben, welche die Einzelheiten der außergerichtlichen Streitbeilegung regelt. Dabei wird meistens die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 30. März 1998 übernommen, die auch den Verfahrensordnungen des Versicherungsombudsmanns und des Ombudsmanns der privaten Banken zugrunde liegt. Diese werden nunmehr näher vorgestellt.56 1. Die Eröffnung des Verfahrens a) Der Beschwerdeführer Nach § 214 Abs. 1 S. 2 VVG als auch nach § 14 Abs. 1 UKlaG können die Beteiligten, unbeschadet ihres Rechts, die Gerichte anzurufen, ein Schlichtungsverfahren einleiten. Damit sind grundsätzlich Verbraucher als auch Unternehmer als beschwerdebefugt anzusehen. Allerdings haben die mit der Streitbeilegung betrauen Stellen die Möglichkeit die Beschwerdebefugnis einzuschränken. Dies ergibt sich daraus, dass für die Anerkennung der einzelnen Stellen bzw. die Übertragung der Schlichtungstätigkeit nur bestimmte Grundvoraussetzungen 55 Zu den behördlichen Schlichtungsstellen und deren Ausgestaltung im Rahmen der Umsetzung der ADR-Richtlinie Holzner, GewArch 2015, 350–353. 56 Die Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmann (im Folgenden VomVO) ist abrufbar unter: http://www.versicherungsombudsmann.de/Navigationsbaum/Verfahrensordnung. html; die Verfahrensordnung des Ombudsmanns der privaten Banken (im Folgenden BVO) unter: https://bankenombudsmann.de/media/files/2017-02-01_Verfahrensordnung.pdf. Zugrunde gelegt werden in Folgenden die VomVO vom 23. November 2016 und die BVO vom 01. Februar 2017.
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
erfüllt sein müssen.57 Die damit gewährte Einschätzungsprärogative soll den Stellen erlauben, ihr Verfahren flexibel auszugestalten, um damit möglichst effizient arbeiten zu können.58 Die Verfahren vor dem Versicherungsombudsmann, wie auch vor dem Ombudsmann der privaten Banken, sind in erster Linie auf Verbraucherbeschwerden ausgerichtet.59 Allerdings kann der Versicherungsombudsmann gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 VomVO auch Beschwerden von anderen Personen behandeln, wenn sich diese in verbraucherähnlicher Lage befinden. Hierfür sind laut § 2 Abs. 1 S. 4 VomVO die wirtschaftliche Tätigkeit (Art, Umfang und Ausstattung) sowie der Versicherungsvertrag und der geltend gemachte Anspruch maßgeblich. Die damit verbundene Ausweitung der Zuständigkeit erscheint innerhalb des Anwendungsbereichs der Schlichtung gerechtfertigt, da sich Kleingewerbetreibende im Versicherungsvertragsrecht in einer dem Verbraucher vergleichbaren Lage befinden können.60 Auch der Ombudsmann der privaten Banken sieht eine Beschwerdemöglichkeit von Unternehmern in § 3 Abs. 2 BVO vor, falls die Streitigkeit in den Anwendungsbereich der Vorschriften über Zahlungsdienste (§§ 675c–676c BGB) fällt. Damit wird im Unterschied zum Versicherungsombudsmann hier nicht anhand der Person des Beschwerdeführers, sondern anhand des streitigen Sachverhalts eine Erweiterung der Zuständigkeit vorgenommen. Im Vergleich zum Versicherungsombudsmann ist damit der Kreis der beschwerdebefugten Unternehmer enger gezogen.
57 Der vor dem 01. 04. 2016 geltende § 214 Abs. 2 VVG a. F. legte für die Anerkennung fest, dass privatrechtlich organisierte Einrichtungen hinsichtlich ihrer Antworten und Vorschläge oder Entscheidungen unabhängig und keinen Weisungen unterworfen sein dürfen und in organisatorischer und fachlicher Hinsicht die Aufgaben erfüllen können müssen. Der der Anerkennung des Ombudsmanns der privaten Banken zugrundeliegende § 14 Abs. 2 UKlaG a. F. legte in S. 1 zunächst fest, dass das Bundesministerium der Justiz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die näheren Einzelheiten des Verfahrens der Schlichtungsstelle regelt. Gemäß S. 2 war dieses Verfahren auf die Verwirklichung des Rechts auszurichten und musste gewährleisten, dass die Schlichtungsstelle unabhängig ist und unparteiisch handelt, ihre Verfahrensregelungen für Interessierte zugänglich sind und die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens rechtliches Gehör erhalten, insbesondere Tatsachen und Bewertungen vorbringen können. Die eigentliche Übertragung richtete sich nach § 7 SchlichtVerfV. 58 Allerdings weist Rixecker, in: Römer/Langheid-VVG, § 214 Rn. 4 in diesem Zusammenhang darauf hin, dass vom Anwendungsbereich der Schlichtung weder Versicherungsnehmer noch Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater ausgenommen werden können, und begründet dies mit dem europrechtlichen Hintergrund der Schlichtungstätigkeit. 59 Dies wird bereits in § 2 Abs. 1 S. 1 VomVO (der Ombudsmann kann von Verbrauchern angerufen werden) und § 3 Abs. 1 BVO (der Ombudsmann der privaten Banken ist zuständig für Streitigkeiten zwischen Banken, die dem Schlichtungsverfahren beigetreten sind (Banken bzw Bank), und Verbrauchern (Antragsteller)) deutlich. 60 Hierfür plädieren insbesondere Römer, NJW 2005, 1251, 1253 und E. Lorenz, VersR 2004, 541, 546, der von „verbraucherähnlichen Personen“ spricht.
II. Das Verfahren
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b) Der Beschwerdegegner Die Beschwerde vor dem Versicherungsombudsmann kann nach § 1 S. 1 VomVO nur gegen einen Versicherer gerichtet werden, der Mitglied des Vereins Versicherungsombudsmann e. V. ist.61 Durch die Vereinsmitgliedschaft erkennen die Versicherer die Verfahrensordnung als für sich bindend an und unterwerfen sich damit der Schlichtung.62 Gleich dem Verfahren vor dem Versicherungsombudsmann bietet der Ombudsmann der privaten Banken auch nur für die dem Bundesverband deutscher Banken (Bankenverband) angehörigen Banken ein Schlichtungsverfahren.63 Damit wird die Freiwilligkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung in den Vordergrund gestellt, da es den jeweiligen Banken oder Versicherungen freisteht, sich dem Verein anzuschließen oder sich innerhalb des Verbandes zu organisieren. Die hohe Anzahl der angeschlossenen Branchenmitglieder zeigt aber den Erfolg dieses Systems.64 c) Der streitgegenständliche Anspruch Voraussetzung für ein Verfahren vor dem Versicherungsombudsmann ist, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Anspruch um einen eigenen vertraglichen65 Anspruch des Verbrauchers (Versicherungsnehmers) handeln muss. Ansprüche Dritter auf die Versicherungsleistung können vor dem Ombudsmann nicht geltend gemacht werden.66 Der Grund hierfür liegt darin, dass der Ombudsmann einen besonderen Kundenservice von Mitgliedern des Trägerver-
61 Laut eigener Angabe haben sich fast alle Versicherungsunternehmen in Deutschland dem Verfahren angeschlossen, nur für den Bereich der privaten Krankenversicherungen muss die Schlichtung vor dem Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung durchgeführt werden. 62 Römer, NVersZ 2002, 289, 290 stellt jedoch fest, dass durchaus Probleme auftreten können. Mitglied kann beispielsweise der Konzern sein. Dies heißt aber nicht notwendigerweise, dass auch alle Töchter Mitglied sind. Im Zweifel soll der Ombudsmann dann bei dem Konzern rückfragen, wie die Erklärung zum Beitritt aufzufassen ist, anstatt die Beschwerde direkt als unzulässig zu bescheiden. 63 Beschwerden gegen andere Banken, insbesondere gegen Sparkassen, Genossenschaftsbanken und öffentliche Institute, fallen daher nicht in die Zuständigkeit. Diese verfügen jedoch über eigene Schlichtungsstellen, vor denen ein Verfahren stattfinden kann. Gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 BVO wird in diesen Fällen die Beschwerde, unter Benachrichtigung des Beschwerdeführers, an die zuständige Schlichtungsstelle abgegeben. 64 Nach Angaben des Versicherungsombudsmanns sind mehr als 95 Prozent des deutschen Versicherungsmarktes im Privatkundengeschäft durch den Verein repräsentiert. 65 Kritisch hierzu Scherpe, NVersZ 2002, 97, 99, der für eine Einbeziehung von Schadensersatzansprüchen, die sich aus Gesetz unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer richten, ausspricht, da in diesem Fall auch ein Bedarf für eine außergerichtliche Streitbeilegung besteht und zudem nur eine klar abgegrenzte Gruppe von möglichen Beschwerdeführern in Betracht kommt. 66 Vgl. § 2 Abs. 2 VomVO.
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
eins an deren Vertragspartner darstellt und dementsprechend nur für diese zur Verfügung stehen soll.67 Auch das Verfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken wird als Schlichtungsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Banken und Kunden bezeichnet.68 Damit soll auch dieses Verfahren nur den Personen offenstehen, welche in bankgeschäftlichen Kontakt zu der betroffenen Bank getreten sind. Aufgrund der offenen Formulierung der Streitigkeiten können hierbei auch vorvertragliche Ansprüche, beispielsweise aus culpa in contrahendo, vor die Schlichtungsstelle gebracht werden.69 Ob allerdings eine Ausweitung auf Dritte, wie beispielsweise einen Bürgen, noch von der vorausgesetzten BankKundenbeziehung erfasst wird, erscheint zweifelhaft.70 2. Die Vorprüfungen Bevor das eigentliche Schlichtungsverfahren beginnt, ist regelmäßig eine Vorprüfung der Beschwerde in den Verfahrensordnungen vorgesehen. In diesem Verfahrensstadium soll anhand bestimmter Faktoren, die eine Ablehnung der Beschwerde ermöglichen, eine Vorauswahl getroffen und damit die schlichtenden Personen entlastet werden. Im Rahmen der Ablehnungsgründe sind drei Kategorien erkennbar, welche innerhalb der meisten Verfahrensordungen anzutreffen sind. a) Die vorherige Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer Die Beschwerde wird vom Versicherungsombudsmann nur dann behandelt, wenn der Beschwerdeführer seinen Anspruch zuvor gegenüber dem Versicherer geltend gemacht und dem Versicherer sechs Wochen Zeit gegeben hat, den Anspruch abschließend zu bescheiden.71 Grund dafür ist, dass es dem Ver67 Vgl
Knauth, WM 2001, 2325, 2328, Fn. 21; Friedrich, DAR 2002, 157, 158. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG allgemein von Versicherungsverträgen mit Verbrauchern spricht, zählt § 14 Abs. 1 S. 1 UKlaG die einer Schlichtung zugänglichen Ansprüche enumerativ auf. Beispielsweise kann bei Streitigkeiten aus der Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs betreffend Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen, der §§ 491 bis 509 BGB oder bestimmter Vorschriften betreffend Zahlungsdiensteverträge ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren eingeleitet werden. 69 So auch Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB, Band 2, Rn. I 87 zur bisher verwendeten Bezeichnung der Meinungsverschiedenheiten zwischen Banken und Kunden. 70 Für die Einbeziehung Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB, Band 2, Rn. I 87 unter Berufung auf Zawal-Pfeil, BuB 2002, Rn. 2/1109, dagegen Höche, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 65. Allerdings wird in der Praxis der Ombudsleute eine großzügige Sichtweise hinsichtlich der schlichtungsfähigen Ansprüche an den Tag gelegt. Sobald Verbraucher im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften unmittelbar durch Aktivitäten der Bank betroffen sind und sich hieraus konkrete Ansprüche ergeben, die Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung sein könnten, steht die Möglichkeit für die außergerichtliche Schlichtung regelmäßig offen. 71 § 2 Abs. 3 VomVO. 68 Während
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sicherungsnehmer nicht erlaubt sein soll, den Versicherer mit der Anrufung der Schlichtungsstelle zu „überfallen“.72 Umgekehrt ist der Beschwerdeweg nicht nur dann eröffnet, wenn und soweit der Versicherer den bei ihm geltend gemachten Anspruch endgültig abgelehnt hat. Beschwerdegrund kann vielmehr auch sein, dass eine abschließende Bescheidung nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfolgt ist.73 b) Die ungeeignete Beschwerde Eine Schlichtung wird regelmäßig nicht durchgeführt, wenn der streitgegenständliche Anspruch bereits bei einem Gericht, Schiedsgericht oder einer anderen Streitschlichtungseinrichtung anhängig war, ist oder von dem Beschwerdeführer während des jeweiligen Ombudsmannverfahrens anhängig gemacht wird.74 Gleiches gilt, falls der Anspruch durch eine der genannten Einrichtungen bereits abschließend behandelt wurde, die Streitigkeit durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt oder hinsichtlich des Beschwerdegegenstands ein Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen wurde.75 In diesen Fällen wurde die Meinungsverschiedenheit der Beteiligten bereits in ausreichendem Maße behandelt, sodass eine Schlichtung zur Klärung der Sach- und Rechtslage nicht mehr notwendig erscheint. Auch die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruches führt, falls der Unternehmer die Einrede geltend macht, zu einer Ungeeignetheit der Beschwerde, da ein schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers in diesen Fällen nicht mehr angenommen werden kann.76 Die Ungeeignetheit der Beschwerde kann jedoch auch aus Gründen resultieren, welche sich auf die Behandlungsmöglichkeiten durch die jeweilige Stelle beziehen. So sieht beispielsweise § 9 VomVO vor, dass bei Beschwerden, in denen sich der Sachverhalt oder rechtliche Fragen nur mit einem unangemessenen Aufwand klären lassen, keine Schlichtung durchgeführt wird, um die Handlungsfähigkeit der Stelle nicht zu beeinträchtigen. Schließlich findet sich in manchen Verfahrensordnungen ein als Auffangtatbestand ausgestalteter Ablehnungsgrund wieder. Beispiel hierfür ist § 2 Abs. 4 lit. e VomVO, der bei Beschwerden, die offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg erhoben worden sind, eine Ablehnung der Schlichtung vorsieht.77 Allerdings 72 So
Scherpe, NVersZ 2002, 97, 99. Abs. 3 S. 2 VomVO nennt hierfür einen Zeitraum von 6 Wochen, welcher der Versicherung zur Behandlung der Beschwerde zugestanden werden muss. 74 Der Versicherungsombudsmann versteht unter einer derartigen Anhängigmachung allerdings nicht das Ruhen eines gerichtlichen Verfahrens gem. § 278a ZPO, § 2 Abs. 4 lit. d VomVO. 75 Vgl. § 2 Abs. 4 lit. e VomVO und § 4 Abs. 1 S. 1 lit. e, f und g BVO. 76 Vgl. § 2 Abs. 4 lit. e VomVO, § 4 Abs. 1 S. 1 lit. h BVO. 77 Damit soll eine zusätzliche Arbeitsbelastung des Ombudsmanns mit rein querulatori73 § 2
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
ist bei diesen unbestimmten Ablehnungsgründen eine restriktive Auslegung geboten, um den Zweck der Schlichtung nicht zu unterlaufen.78 c) Die Streitwertgrenze Vor dem Versicherungsombudsmann findet bei Beschwerden, mit einem Wert, der 100.000 € überschreitet, ein Verfahren nicht statt. Für die Wertermittlung sind die Grundsätze der ZPO zur Streitwertbemessung heranzuziehen, bei einer offengelegten Teilbeschwerde ist der erkennbare Gesamtwert zu berücksichtigen.79 Im Gegensatz dazu existiert im Rahmen des Verfahrens vor dem Ombudsmann der privaten Banken weder eine Unter- noch eine Oberstreitwertgrenze.80 In beiden Verfahren hat der Streitwert für die Bindungswirkung der Entscheidung Bedeutung. d) Die Feststellung der Zulässigkeit Die Vorprüfung der Zulässigkeit der Beschwerde wird meist nicht von den eigentlich schlichtenden Personen vorgenommen. Die Beschwerdebearbeitung findet zunächst im Servicecenter des Versicherungsombudsmanns statt, innerhalb dessen Versicherungskaufleute mit der Annahme und der Aufbereitung der Beschwerden befasst sind. Auch beim Ombudsmann der privaten Banken existiert eine Kundenbeschwerdestelle. Diese prüft aufgrund der vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen die Zulässigkeit der Kundenbeschwerde. Kommt diese zu einem negativen Ergebnis, so legt sie die Beschwerde dem Ombudsmann zur endgültigen Entscheidung über die Zulässigkeit vor.81 3. Die Durchführung des Verfahrens a) Der Zugang des Verbrauchers zur Schlichtung Um dem Versicherungsnehmer die Einschaltung der Schlichtungsstelle zu erleichtern, verzichtet der Versicherungsombudsmann auf spezielle formelle Anforderungen; die Anrufung kann daher mündlich, schriftlich oder in jeder anschen und anderen greifbar unsinnigen Beschwerden verhindert werden, Römer, NVersZ 2002, 289, 291. 78 Römer, NVersZ 2002, 289, 291, stellt dazu treffend fest, dass es für den Versicherungsnehmer befriedigender ist, wenn er gesagt bekommt, warum seine Beschwerde keinen Erfolg haben kann, als dass ihm schlicht die Unzulässigkeit mitgeteilt wird. 79 Vgl. § 2 Abs. 4 lit. a VomVO. 80 Innerhalb der deutschen Schlichtungslandschaft finden sich auch Mindeststreitwerte. § 5 Abs. 1 lit. g des Statuts des Ombudsmanns Private Kranken- und Pflegeversicherung (abrufbar unter: http://www.pkv-ombudsmann.de/statut) ermöglicht es dem Ombudsmann in Bagatellsachen (Streitwerte bis zu 50 Euro) die Annahme der Beschwerde abzulehnen. Es besteht somit eine Untergrenze, von welcher ermessensabhängig Gebrauch gemacht werden kann. 81 So ausdrücklich § 6 Abs. 1 S. 1 BVO.
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deren geeigneten Form (z. B. telefonisch oder per E‑Mail) erfolgen.82 Für das Verfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken ist hingegen notwendig, dass die Kundenbeschwerde in Textform unter kurzer Schilderung des Sachverhalts und unter Beifügung der zum Verständnis der Beschwerde erforderlichen Unterlagen erhoben wird.83 b) Die Prüfung der Beschwerde auf Vollständigkeit Soweit kein Ablehnungsgrund vorliegt, wird von der Schlichtungsstelle der Eingang der Beschwerde bestätigt und die eingereichte Beschwerde auf ihre Vollständigkeit hin überprüft. Der Versicherungsombudsmann ist gemäß § 214 Abs. 3 VVG verpflichtet, ausnahmslos alle Beschwerden über einen Versicherer, einen Versicherungsvermittler, einen Vermittler nach § 66 VVG oder einen Versicherungsberater zu bearbeiten und zu beantworten.84 Zur Beantwortung einer Beschwerde muss sich die Schlichtungsstelle jedoch nicht notwendig inhaltlich mit ihr befassen.85 Erforderlich ist lediglich, dass der Beschwerdeführer eine Nachricht darüber erhält, ob sich die Schlichtungsstelle mit seinem Vorbringen beschäftigt hat oder beschäftigen wird.86 In der Praxis bestätigt die Schlichtungsstelle regelmäßig den Eingang der Beschwerde und unterrichtet den Beschwerdeführer über den weiteren Verfahrensgang.87 Auch im Verfahren des Ombudsmanns der privaten Banken wird dem Antragsteller durch die Geschäftsstelle der Eingang seiner Kundenbeschwerde bestätigt und der weitere Verfahrensgang mitgeteilt.88 Der Beschwerdeführer soll im Rahmen seiner Beschwerde einen klaren und eindeutigen Antrag stellen und alle zur Beurteilung des Falles geeigneten und erforderlichen Tatsachen mitteilen sowie die erforderlichen Unterlagen beifügen.89 Die Kundenbeschwerdestelle bzw. das Servicecenter helfen dem Beschwerdeführer bei Bedarf, den Sachverhalt klar darzustellen, einen sachdienlichen Antrag zu stellen und die notwendigen Unterlagen einzureichen.90 82 § 3 Abs. 2 S. 2 VomVO. Römer, NJW 2005, 1251, 1253, stellt hierzu fest, dass dem Verbraucher die Beschwerdeeinreichung so leicht wie möglich gemacht werden soll und daher alle Kommunikationswege offen stehen. 83 Vgl. § 5 Abs. 1 S. 1, 2 und 3 BVO. 84 Muschner, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, § 214 Rn. 6. 85 Vgl. Rixecker, in: Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, § 214 Rn. 4. 86 So Klimke, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, § 214 Rn. 8. 87 Vgl. § 3 Abs. 3 VomVO. 88 § 5 Abs. 3 S. 2 BVO. 89 So § 3 Abs. 4 S. 1 VomVO. Auch gemäß § 5 Abs. 1 S. 2, 3 BVO soll die Beschwerde eine kurze Sachverhaltsschilderung und ein konkretes Begehren enthalten und die notwendigen Unterlagen zur Beurteilung des Begehrens enthalten. 90 Vgl. § 3 Abs. 4 S. 2 VomVO. § 5 Abs. 3 S. 4 BVO sieht vor, dass der Beschwerdeführer gegebenenfalls zur Vervollständigung seiner Beschwerde aufgefordert wird. Auch hier wird von einer Unterstützung des Kunden bei der Präzisierung seiner Beschwerde auszugehen sein.
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Erforderlichenfalls wird hierfür auch der Beschwerdegegner einbezogen, um den Sachverhalt möglichst weitgehend aufzuklären.91 Die Beschwerde wird auf Plausibilität, Verständlichkeit und Vollständigkeit geprüft, um eine möglichst umfangreiche Sachverhaltsdarstellung zu ermöglichen.92 c) Die Gewährung des rechtlichen Gehörs Ist der Gegenstand der Beschwerde geklärt und die Beschwerde zulässig, leitet der Ombudsmann diese an den Beschwerdegegner weiter und fordert ihn zu einer Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist auf.93 Die Stellungnahme des Beschwerdegegners wird dem Beschwerdeführer zugeleitet, welcher gegebenfalls nochmals Gelegenheit erhält, sich zur Einlassung des Beschwerdegegners zu äußern.94 Sofern der Kundenbeschwerde nicht abgeholfen wurde oder diese sich nicht in sonstiger Weise erledigt hat, wird der Vorgang dem jeweils zuständigen Ombudsmann zur Entscheidung vorgelegt. Mittels dieser Vorgehensweise wird gewährleistet, dass das rechtliche Gehör mutatis mutandis auch innerhalb des außergerichtlichen Verfahrens gewährt wird.95 d) Die materielle Prüfung der Beschwerde (1) Der Grundsatz der Amtsermittlung Nach der Korrespondenz der Verfahrensbeteiligten wird der entscheidungsbefugte Ombudsmann tätig. Dieser ermittelt auf der Grundlage der ihm zur Verfügung gestellten Angaben den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen, sofern dies für die Entscheidungsfindung erheblich ist.96 Der Grund für die Amtsermittlungsmaxime des Versicherungsombudsmanns und des Ombudsmanns der privaten Banken liegt zunächst darin, dass es sich bei dem 91
Diese Möglichkeit sieht die VomVO in § 3 Abs. 4 S. 3 ausdrücklich vor. Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 41. 93 Dieser Zeitraum beträgt im Rahmen der VomVO 3 Wochen (§ 7 Abs. 1 S. 1 VomVO) und der BVO einen Monat (§ 6 Abs. 2 S. 1 BVO) und kann um einen weiteren Monat verlängert werden. Diese Verlängerung steht im Ermessen des jeweiligen Ombudsmanns. Von der Anforderung einer Stellungnahme kann der Ombudsmann nur dann absehen, wenn der geltend gemachte Anspruch anhand der vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen beurteilt werden kann und offensichtlich unbegründet ist, § 6 Abs. 4 VomVO. 94 Dieses Vorgehen ist in § 6 Abs. 2 S. 2 BVO vorgesehen und muss wiederum innerhalb eines Monats nach Erhalt der Stellungnahme der Bank geschehen. Die VomVO sieht hingegen nach Erhalt der Stellungnahme der Versicherung den Übergang der Akte an den Ombudsmann vor, § 7 Abs. 6 S. 2 VomVO. 95 Von diesem Grundsatz kann nur in eng begrenzten und begründbaren Fällen eine Ausnahme zugelassen werden. Eine derartige Ausnahme sieht § 8 S. 1 VomVO vor, welche bei Beschwerden, die im Zusammenhang mit versicherungstechnischen Berechnungen stehen, die Grundlagen der Berechnung in nachprüfbarer Form mit allen erforderlichen Angaben in einer gesonderten, nur für den Ombudsmann bestimmten Anlage eingereicht werden können. 96 Vgl. § 6 Abs. 2 VomVO und § 6 Abs. 3 S. 1 BVO. 92 So
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Beschwerdeführer in der Regel um einen juristischen Laien handelt, welcher selten erkennen kann, welchen Tatsachen im Einzelnen rechtliche Relevanz zukommt.97 Des Weiteren ist im Rahmen des Versicherungsvertragsrechts und des Bankenrechts davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Komplexität der Materien als besonders unerfahren anzusehen ist.98 Die damit einhergehende erhöhte Schutzwürdigkeit rechtfertigt ein besonderes Maß der Unterstützung bei der Darstellung und Spezifizierung seiner Ansprüche. (2) Die Schriftlichkeit des Verfahrens Die Verfahren des Versicherungsombudsmanns und des Ombudsmanns der privaten Banken sind rein schriftliche Verfahren.99 Durch die Schriftlichkeit des Verfahrens werden insbesondere die Möglichkeiten der Beweisaufnahme eingeschränkt. Mit Ausnahme des Urkundenbeweises wird seitens der Ombudsmänner kein Beweis erhoben.100 Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass dem Ombudsmann im Gegensatz zu staatlichen Gerichten keine Zwangsmaßnahmen zur Verfügung stehen, um beispielsweise eine Zeugenaussage zu erzwingen. Auf der anderen Seite wird im Sinne einer möglichst umfangreichen Sachverhaltsaufklärung der Begriff des Urkundenbeweises allerdings weit ausgelegt, so dass beispielsweise auch die urkundliche Verwertung protokollierter Partei- und Zeugenaussagen sowie schriftlich vorliegende Sachverständigengutachten zulässig sind.101 Im Rahmen der Beweiswürdigung ist der Ombudsmann frei.102 Wegen diesem Verfahrensprinzip können vor den Ombudsmännern nicht alle zulässigen Beschwerden einer Entscheidung zugeführt werden. Daher kann der Ombudsmann in bestimmten Fällen von einer Entscheidung absehen und gegebenenfalls die Parteien auf den Rechtsweg verweisen. § 9 Abs. 1 VomVO erlaubt dem Versicherungsombudsmann eine Ablehnung der Entscheidung beispielsweise in Fällen, in denen der Umfang der Urkundenbeweisaufnahme so 97 So
für den Versicherungsombudsmann Römer, NVersZ 2002, 289, 292. Damit besteht ein gewichtiger Unterschied zum gerichtlichen Verfahren, da der im Deckungsprozess geltende Beibringungsgrundsatz innerhalb der Schlichtung keine Anwendung erfährt. 98 Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 40 verweist insoweit auf die von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, welche den Verbraucher in diesen Fällen als generell unerfahren beschreiben. A maiore ad minus muss dies auch für die außergerichtliche Streitbeilegung gelten. 99 Während die Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmanns keine mündliche Anhörung der Parteien vorsah, konnte der Ombudsmann der privaten Banken in seiner bis zum 31. Januar 2017 geltenden Verfahrensordnung gemäß Nr. 4 Abs. 4 S. 1 a. E. BVO eine Anhörung vornehmen, falls er dies für notwendig erachtete. In der Praxis wurde allerdings von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht, vgl. Bundschuh, ZBB 1998, 2, 4. 100 Vgl. § 6 Abs. 3 S. 2 VomVO, Nr. 6 Abs. 3 S. 2 BVO. 101 So für den Versicherungsombudsmann v. Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 23 Rn. 412. 102 Vgl. § 6 Abs. 3 S. 1 VomVO; § 2 Abs. 3 S. 3 BVO.
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außergewöhnlich hoch wäre, dass die Kapazitäten des Ombudsmanns und seiner Mitarbeiter in unzumutbarer Weise beansprucht wären.103 Zudem kann von einer Entscheidung abgesehen werden, falls entscheidungserhebliche Fragen besondere Rechtsgebiete (z. B. Steuerrecht) oder ausländisches Recht betreffen. Auch hier ist der eigene Ermittlungsaufwand zu zeitintensiv und die Einholung externer Sachkunde zu teuer, um die Beschwerde zu bescheiden.104 (3) Der Beschleunigungsgrundsatz Der Beschleunigungsgrundsatz ist ein weiteres prägendes Merkmal der Verfahrensordnungen. Im Verfahren vor dem Versicherungsombudsmann hat der Versicherer nach Zugang der Beschwerde grundsätzlich drei Wochen Zeit, sich zu dieser zu äußern.105 Um die Einhaltung der Frist zu gewährleisten, sieht § 7 Abs. 4 S. 1 VomVO vor, dass falls keine Äußerung seitens der Versicherung erfolgt, allein der Vortrag des Beschwerdeführers als Entscheidungsgrundlage herangezogen wird. Wird vom Beschwerdegegner vor Abschluss des Verfahrens eine verspätete Einlassung abgegeben, berücksichtigt der Ombudsmann sie nur dann, falls die Verspätung ausreichend entschuldigt ist. Ob dies der Fall ist, entscheidet der Ombudsmann nach eigenem Ermessen. Auf diese Weise kann auf die Untätigkeit des Beschwerdegegners wirkungsvoll reagiert werden. Auch für den Ombudsmann der privaten Banken gilt die Verfahrensprämisse der Beschleunigung. Auch hier muss sich die Bank innerhalb eines Monats zu der vorgebrachten Beschwerde äußern.106 Die Frist kann ermessensabhängig um einen Monat verlängert werden.107 Zwar enthält die BVO keine der VomVO vergleichbare Sanktion bei Untätigkeit, jedoch ist auch dort anzunehmen, dass bei einer fehlenden Äußerung der betroffenen Bank allein der Vortrag des Beschwerdeführers zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden wird.108 103 Auch der Ombudsmann der privaten Banken sieht gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 lit. b BVO in Fällen, welche nur nach einer weitergehenden Beweisaufnahme in der Sache entschieden werden können, unter Erteilung eines entsprechenden Hinweises von einer Entscheidung ab. 104 Die Verfahrensordnung des Bankenombudsmanns eröffnet zwar die Möglichkeit der Verfahrensdurchführung unter Zugrundelegung ausländischen Rechts, verpflichtet jedoch die beteiligte Bank gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 BVO dem Bankenverband die Auslagen zu erstatten, die durch Übersetzungen und die Einholung von notwendigen Rechtsgutachten über die fremde Rechtsordnung entstanden sind. Aufgrund dieser zusätzlichen finanziellen Belastung ist davon auszugehen, dass derartige Verfahren kaum durchgeführt werden. Im Ombudsmann-Tätigkeitsbericht 2016 findet sich kein Hinweis darauf, dass im Jahr 2016 bei grenzüberschreitenden Verfahren ausländisches Recht angewendet wurde (abrufbar unter: https://bankenombudsmann.de/ taetigkeitsbericht/taetigkeitsbericht-2016/grenzuberschreitende-zusammenarbeit-mit-anderenve/). 105 § 7 Abs. 1 S. 1 VomVO; die Frist kann nach S. 2 um einen weiteren Monat verlängert werden, falls dies vom Ombudsmann als sachdienlich angesehen wird. 106 § 6 Abs. 2 S. 1 BVO. 107 § 6 Abs. 2 S. 4 BVO 108 Dieser Schluss ergibt sich aus § 6 Abs. 2 S. 5 BVO, welcher vorsieht, dass nach Ablauf
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(4) Die Bindung an Recht und Gesetz Die Entscheidungsgrundlage des Versicherungsombudsmanns und des Ombudsmanns der privaten Banken bildet das anwendbare Recht und damit grundsätzlich dieselbe gesetzliche Grundlage, welche auch innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit zur Entscheidungsfindung herangezogen wird.109 Im Rahmen der Entscheidungsfindung können auch Wettbewerbsrichtlinien, sofern diese die Geschäftstätigkeit und deren Abwicklung beeinflussen, berücksichtigt werden.110 Reine Billigkeitsentscheidungen werden somit nicht getroffen. Für diese sind allein die jeweiligen Unternehmen, sei es innerhalb oder außerhalb des Verfahrens, zuständig.111 Die Bindung an Recht und Gesetz gebietet allerdings nicht, die verfahrensabschließende Entscheidung allein anhand der gesetzlichen Grundlagen zu treffen. Vielmehr ist von einem Schlichtungsspruch abzusehen, wenn die Anwendung des geltenden Rechts nicht zu einer eindeutigen Entscheidung führt. Dies ist insbesondere der Fall, falls die Beschwerde eine entscheidungserhebliche, streitige, höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage betrifft. Der Versicherungsombudsmann soll daher die Beschwerde in jeder Lage des Verfahrens ablehnen, wenn eine derartige Frage auftritt, um deren rechtliche Beantwortung der Autorität der Gerichte zu überlassen.112 Zudem kann seitens des Beschwerdegegners in jeder Lage des Verfahrens beantragt werden, dass der Ombudsmann eine Beschwerde als Musterfall unbeschieden lässt, sofern er plausibel machen kann, dass es sich um eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung handelt.113 Auch der Ombudsmann der privaten Banken soll die Schlichtung ablehnen, wenn die Schlichtung die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage beeinträchtigen würde.114 Dieser aus der Bindung an Recht und Gesetz erwachsende Ablehnungsgrund verdeutlicht das Verständnis der Schlichtungsstellen in Deutschland. Diese der Äußerungsfristen dem Ombudsmann der Vorgang vorgelegt wird und dieser, falls keine weitergehende Beweisaufnahme notwendig erscheint, über die Beschwerde einen Schlichtungsspruch erlässt. 109 Vgl. den Wortlaut des § 6 Abs. 4 S. 1 VomVO: „Entscheidungsgrundlage sind Recht und Gesetz“; und § 6 Abs. 4 S. 5 BVO: „… Die Ombudsleute erlassen Schlichtungsvorschläge auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen.“ 110 Vgl. § 6 Abs. 4 S. 2 VomVO, welcher hierfür allgemeine Grundsätze ordnungsgemäßer Versicherungs-, Kapitalanlage- und Vertriebspraxis nennt. 111 Vgl. Knauth, WM 2001, 2325, 2328. Die Formulierung des Ombudsmanns der privaten Banken in § 6 Abs. 4 S. 5, die die Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen im Rahmen des Schlichtungsspruchs zulässt, ist teleologisch in diese Richtung zu konkretisieren. 112 Vgl. § 9 Abs. 1 lit. c VomVO. 113 § 9 Abs. 3 S. 1 VomVO; jedoch hat der Beschwerdegegner sich dann zu verpflichten, dem Beschwerdeführer die erstinstanzlichen Gerichts- und Anwaltskosten zu erstatten, und zwar auch, falls der Beschwerdegegner vor Gericht obsiegen sollte. Daher ist davon auszugehen, dass von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch gemacht wird. 114 § 4 Abs. 2 S. 1 lit. a BVO.
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sollen zwar für die ihnen zugewiesenen Fälle eine effiziente Streitbeilegung anbieten, dabei allerdings nicht in den Kernbereich der staatlichen Gerichtsbarkeit eindringen. Die bei derartigen Rechtsfragen betroffene Domäne der Rechtsfortbildung bleibt als originäre Aufgabe den Zivilgerichten zugewiesen und erfüllt dort wichtige, der Allgemeinheit zugute kommende Zwecke, wie die Schaffung von Präjudizien, und dient damit der Rechtssicherheit.115 Die so verstandene Bindung an Recht und Gesetz verdeutlicht, dass die außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland als Komplementär zur staatlichen Gerichtsbarkeit zu verstehen ist, welche nicht mit dieser in Konkurrenz treten will.116 Vielmehr sollen mittels der außergerichtlichen Streitbeilegung vor allem die Streitfälle behandelt werden, welche regelmäßig nicht vor staatliche Gerichte gelangen.117 4. Die verfahrensabschließende Entscheidung Die gesetzlichen Grundlagen der Schlichtungseinrichtungen enthalten hinsichtlich der verfahrensabschließenden Entscheidung keine spezifischen Anforderungen. In § 214 Abs. 3 VVG findet sich ein Hinweis auf Antworten und Vorschläge oder Entscheidungen der privatrechtlich organisierten Einrichtungen, sodass die Notwendigkeit der verfahrensabschließenden Entscheidung zwar deutlich wird, die Ausgestaltung derselben allerdings den Einrichtungen überlassen bleibt. Gemäß § 214 Abs. 1 S. 2 VVG bleibt das Recht, die Gerichte anzurufen, für die Parteien unberührt, sodass im Grundsatz von einer nicht bindenden Entscheidung ausgegangen wird.118 § 14 UKlaG enthält bezüglich der Art der Entscheidung ebenfalls keine verbindlichen Vorgaben. Allerdings findet sich bereits in der der BVO ursprünglich zugrunde liegenden SchlichtVerfV in § 5 Abs. 2 S. 2 eine nähere Umschreibung des Schlichtungsvorschlags. Dieser besteht demnach aus dem Vorschlag, wie der Streit der Beteiligten auf Grund der Rechtslage unter Berücksichtigung von Treu und Glauben angemessen beigelegt werden kann, und einer Begründung, 115 Dass entscheidungserhebliche Rechtsfragen, welche höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt sind, innerhalb eines zivilprozessualen Hauptverfahrens geklärt werden sollen, zeigt sich bereits daran, dass ein Antrag auf Prozesskostenhilfe in diesen Fällen nicht mit der Begründung mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt werden darf, BVerfG NJW 2004, 1789; stellen sich Fragen, welchen grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist vielmehr Prozesskostenhilfe zu gewähren und die Rechtsfrage im Hauptverfahren zu prüfen und zu entscheiden, BGH NJW 2013, 1310; BGH NJW-RR 2012, 125, 126. Zum Ganzen Kießling, in: SangerZPO, § 114 Rn. 28. 116 Vgl. dazu Kaulbach/Honnefelder, in: Liber amicorum für Gerrit Winter, S. 219, 233, 234, die darauf hinweisen, dass die Rechtsfortbildung gerade nicht im Fokus der außergerichtlichen Schlichtung stehe. 117 Somit könnte für die deutsche Schlichtungslandschaft von einem Abstandsgebot zwischen außergerichtlicher Streitbeilegung und staatlicher Gerichtsbarkeit gesprochen werden, was in der Praxis allerdings nicht durchgehend so gesehen wird. 118 Rixecker, in: Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, § 214 Rn. 4.
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in welcher der Vorschlag kurz und verständlich erläutert wird. In der FinSV wird in § 9 Abs. 2 S. 1 der Schlichtungsvorschlag als Vorschlag, wie die Streitigkeit von den Beteiligten nach geltendem Recht, insbesondere unter Beachtung von zwingenden Verbraucherschutzgesetzen und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, angemessen beigelegt werden kann, beschrieben, welcher ebenfalls kurz und verständlich zu begründen ist. Auch § 14 Abs. 1 UKlaG sieht wie § 214 Abs. 1 S. 2 VVG vor, dass das Recht der Parteien, die Gerichte anzurufen, von der Schlichtung unbeschadet bleibt, sodass auch hier vom Grundsatz der nicht bindenden Entscheidung auszugehen ist. a) Ausprägung in der BVO Der Schlichtungsspruch des Ombudsmanns der privaten Banken ergeht gemäß § 6 Abs. 4 S. 2 schriftlich und ist mit einer kurzen verständlichen Begründung zu versehen.119 Damit werden sowohl die in der SchlichtVerfV als auch in der FinSV aufgestellten Anforderungen nahezu wortgleich umgesetzt. Der Vorschlag wird den Parteien unmittelbar nach dessen Ergehen zugeleitet. Von der bereits in § 7 Abs. 3 Nr. 4 S. 1 SchlichtVerfV eingeräumten Möglichkeit, einen nur für das Unternehmen verbindlichen Schlichtungsspruch zu erlassen, hat der Ombudsmann der privaten Banken in seiner Verfahrensordnung Gebrauch gemacht. In § 6 Abs. 5 lit. a BVO ist festgelegt, dass der Schlichtungsspruch des Ombudsmanns für die Bank bindend ist, wenn der Beschwerdegegenstand den Betrag von 10.000 € nicht übersteigt. In diesen Fällen ist die Anrufung der ordentlichen Gerichte für die Bank ausgeschlossen. Dem Beschwerdeführer steht der Weg zu den ordentlichen Gerichten im Gegensatz dazu jederzeit offen. Bei höheren Streitwerten entfaltet der Spruch gemäß § 6 Abs. 5 lit. b für keine der beiden Parteien eine Bindungswirkung.120 Allerdings steht es beiden Parteien frei, innerhalb einer Frist von 6 Wochen den Vorschlag durch schriftliche Mitteilung an die Kundenbeschwerdestelle beim Bankenverband anzunehmen. Die Parteien sind jedoch darauf hinzuweisen, dass keine Verpflichtung zur Annahme besteht und sie bei Nichtannahme berechtigt sind, die Gerichte anzurufen.121 119 Da Entscheidungen, die nicht begründet sind, wenig Aussicht haben, einen Beschwerdeführer, der nicht obsiegt, zu befrieden, und es auch nicht sinnvoll erscheint, die Banken nicht darüber aufzuklären, wenn Fehler gemacht wurden, wurde seitens des Ombudsmanns bereits vor der Einführung einer zwingenden Begründung regelmäßig eine solche der Entscheidung angehängt, vgl. Bundschuh, ZBB 1998, 2, 3. 120 Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 42 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass insbesondere bei den zahlreichen Beschwerden im Wertpapiergeschäft im Zusammenhang mit der im September 2007 in den USA ausgebrochenen Finanzmarktkrise höhere Streitwerte mehr der Regelfall als eine Ausnahme gewesen seien. 121 Dies erscheint missverständlich, da mittels einer Annahme des Schlichtungsvorschlags zwar eine vertragliche Bindungswirkung erzeugt werden kann, dieser geschlossene Vertrag jedoch auch als solcher zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden kann.
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b) Ausprägung in der VomVO Bereits in der Satzung des Versicherungsombudmanns ist in § 13 Abs. 3 festgelegt, dass der Ombudsmann die Beilegung des Streits in geeigneten Fällen durch einen Schlichtungsvorschlag, im Übrigen durch Bescheidung mit verständlicher Erläuterung der Rechtslage fördern soll.122 Gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 VomVO ergehen daher die Abweisung, die Entscheidung und die Empfehlung des Ombudsmanns schriftlich und sind mit Gründen zu versehen. Sie werden beiden Parteien ebenfalls unverzüglich übermittelt. Im Gegensatz zum Verfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken kann in geeigneten Fällen im Einverständnis mit den Parteien von der Schriftform abgesehen werden. Die Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmanns unterscheidet bezüglich des verfahrensabschließenden Ergebnisses in § 11 Abs. 1 VomVO zwischen einer Entscheidung und einer Empfehlung. Die Entscheidung ist für den Beschwerdegegner bindend, während die Empfehlung für beide Parteien nicht bindend ist. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 VomVO wird bei einem Beschwerdewert von bis zu 10.000 € eine Entscheidung und bei einem Beschwerdewert von mehr als 10.000 € bis zu 100.000 € eine Empfehlung ausgesprochen. Im Gegensatz dazu steht dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 VomVO immer der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen. Damit wird gewährleistet, dass dem Versicherungsnehmer durch die Einschaltung des Ombudsmanns kein Nachteil entstehen kann.123 5. Die Kosten des Verfahrens Die Verfahren der Ombudsmänner sind für den Beschwerdeführer regelmäßig kostenfrei.124 Einzig die Kosten für eine mögliche Vertretung innerhalb des Ombudsmannverfahrens und andere nicht den eigentlichen Verfahrenskosten zugehörige Kosten sind von den Parteien selbst zu tragen.125 Die Kosten werden 122 Die Satzung ist ebenfalls auf der Homepage des Ombudsmanns abrufbar unter: http:// www.versicherungsombudsmann.de/Navigationsbaum/satzung.html. 123 So Looschelders, in: MüKo-VVG, § 214 Rn. 23, kritisch hierzu Scherpe, NVersZ 2002, 97, 101, der anmerkt, dass das Ausbleiben einer Bindungswirkung „sobald es wirklich ums Geld geht“ den Schluss nahelegt, dass die Versicherungsunternehmen der von ihrem Verband geschaffenen Einrichtung noch nicht so recht über den Weg trauen und im Zweifelsfall eine gerichtliche Klärung vorziehen bzw. sich eine solche zumindest offen halten wollen. 124 Vgl. § 14 Abs. 1 VomVO und § 10 Abs. 1 BVO, welcher auf § 6 Abs. 1 S. 1 SchlichtVerfV (nunmehr § 10 Abs. 1 S. 1 FinSV) zurückgeht. Von der noch in § 6 Abs. 1 S. 3 SchlichtVerfV vorgesehene Möglichkeit, dass der Schlichtungsvorschlag einen Vorschlag zur Übernahme von Kosten enthalten kann, wenn dies zur angemessenen Beilegung des Streits der Beteiligten geboten erscheint, wurde in der BVO auch bislang kein Gebrauch gemacht. 125 § 14 Abs. 2 VomVO spricht in diesem Sinne allgemein davon, dass die Beteiligten des Verfahrens ihre eigenen Kosten selbst zu tragen haben. § 10 Abs. 3 BVO nennt hierfür die Kosten der Vertretung explizit. In Nr. 6 Abs. 3 BVO war bei einem positiven Schlichtungsspruch für den Beschwerdeführer zudem vorgesehen, dass die Bank diesem die Kosten für die
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in beiden Verfahren von den der Schlichtung angeschlossenen Unternehmen getragen. Innerhalb des Versicherungsombudsmanns regelt die Kostentragungspflicht § 16 der Satzung des Vereins. Die Finanzierung der Schlichtungsstelle wird durch Mitgliedsbeiträge und Fallpauschalen sichergestellt.126 Der Bundesverband der deutschen Banken trägt die Kosten des Ombudsmanns der privaten Banken. Im Rahmen der der BVO zugrunde liegenden SchlichtVerfV wird für die Kosten in § 6 Abs. 2 festgelegt, dass die bei der Deutschen Bundesbank angesiedelte Schlichtungsstelle von dem am Verfahren beteiligten Unternehmen eine Gebühr von 200 Euro erhebt, falls die Schlichtung nicht begründet abgelehnt wurde. Diese Gebühr kann auf Antrag des Unternehmens erlassen oder gemindert werden, wenn die Erhebung der Gebühr ganz oder teilweise unangemessen wäre.127 In beiden Verfahren wurde von der Einführung einer Schutzgebühr, welche insbesondere für querulatorische Beschwerden vorgesehen werden kann, abgesehen.128 Dies lässt den Schluss zu, dass für eine derartige Gebühr weder zu Beginn noch im Laufe der Schlichtungstätigkeiten ein Anlass gesehen wurde. Somit kann davon ausgegangen werden, dass in aller Regel keine Zweckentfremdung des Verfahrens durch die beschwerdebefugten Verbraucher erfolgt. 6. Die weiteren Verfahrenswirkungen Für den Erfolg der deutschen Schlichtungslandschaft sind noch weitere Faktoren innerhalb der Verfahren von Bedeutung. So wird sowohl im Rahmen der Verfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken als auch in denen des Versicherungsombudsmanns die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche für die Dauer des Verfahrens gehemmt.129 Die verjährungshemmende Wirkung tritt dabei nicht erst mit der sachlichen Behandlung der Beschwerde, sondern bereits mit deren ordnungsgemäßger Einlegung ein, sodass ein umfangreicher Schutz gewährleistet wird. Damit kann der antragstellende Verbraucher Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung vor dem Ombudsmann zu ersetzen hatte. Diese Kosten können im rein schriftlich gehaltenen Verfahren vor dem Versicherungsombudsmann hingegen nicht anfallen, sodass es insofern einer Regelung nicht bedurfte. 126 Gemäß § 16 Abs. 2 der Satzung werden die Mitgliedsbeiträge in Form einer jährlichen Umlage erhoben, deren Höhe die Mitgliederversammlung aufgrund des vom Vorstand aufgestellten Wirtschaftsplans zunächst vorläufig festsetzt. Der Verein erhebt die vorläufige Umlage zu Beginn des Geschäftsjahres. Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. 127 Diese Möglichkeit findet sich wortlautgleich in § 10 Abs. 2 FinSV. 128 Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 43 nennt als Beispiel hierfür den Dänischen Bankenombudsmann, welcher für sein Verfahren eine Schutzgebühr in Höhe von 100 DKK erhebt, welche im Falle eines vollständigen oder teilweisen Obsiegens an den Kunden zurückgezahlt wird. 129 Vgl. hierzu § 12 VomVO und § 7 BVO. Hierbei handelt es sich um die Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Eingehend zur Frage der Verjährungshemmung in außergerichtlichen Schlichtungsverfahren Hiort, in: FS Derleder, S. 211–222.
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ohne das Risiko einer möglichen Verjährung den jeweiligen Ombudsmann mit der Bescheidung der Beschwerde betrauen.130 Innerhalb des Verfahrens des Versicherungsombudsmanns findet sich noch eine Besonderheit. Gemäß § 13 VomVO werden, soweit der Ombudsmann eine Entscheidung oder Empfehlung erlässt, die dem Beschwerdeführer eine Geldsumme zuspricht, die gesetzlichen Zinsen gemäß § 288 BGB ab dem Zeitpunkt einbezogen, in dem der Beschwerdeführer die Beschwerde bei dem Ombudsmann eingelegt hat. Damit werden dem Verbraucher im Gegensatz zu einem gerichtlichen Verfahren also ipso iure mögliche Zinsen zugesprochen, womit seine Rechte sogar in umfangreicherem Maße, als ursprünglich beantragt, bedacht werden. 7. Die Veröffentlichung von Entscheidungen Der Ombudsmann der privaten Banken veröffentlicht jährlich einen Tätigkeitsbericht. Damit wird der Empfehlung der EU-Kommission vom 30. 3. 1998 hinsichtlich des Gesichtspunkts der Transparenz genüge getan. Diese fordert die Veröffentlichung eines jährlichen Berichts über die ergangenen Entscheidungen, damit die Ergebnisse der Entscheidungen evaluiert und die Art der Streitfälle, mit denen die Einrichtung befasst wurde, festgestellt werden können. Darüber hinaus sind innerhalb der BVO keine weiteren Veröffentlichungen vorgesehen. Auch die Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmanns enthält bezüglich der Veröffentlichung von Entscheidungen keine Regelung. Innerhalb der Satzung findet sich bei den Aufgaben des Beirates in § 12 Abs. 5 lit. f allerdings die Beratung und Unterstützung des Ombudsmanns in Fragen seiner Öffentlichkeitspräsenz (z. B. Internet-Auftritt, Veröffentlichungen, Anzeigen). Diese Öffentlichkeitsarbeit findet unter anderem Ausdruck in einer auf der Homepage abrufbaren Datenbank.131 Diese ist zwar nicht repräsentativ für alle ergangenen Schlichtungsvorschläge, enthält jedoch eine Auswahl an wichtigen Entscheidungen und wird laufend aktualisiert.132 Mit der damit verbundenen Veröffentlichung wird einerseits eine erhöhte Transparenz durch den Versicherungsombudsmann geschaffen, da der Verbraucher sich bereits vorab über mögliche Erfolgsaussichen seiner Beschwerde informieren kann. Diese erhöhte Transparenz kann sich wiederum positiv auf das Bild des Ombudsmanns und damit einhergehend die Nutzung der außergerichtlichen Streitbeilegung auswirken.133 Andererseits kann mittels der Veröffentlichung einzelner Entschei130 Für die Ansprüche der Banken, die ebenfalls Gegenstand einer Kundenbeschwerde sein können, ist diese Vorschrift allerdings nicht anwendbar, Bundschuh, ZBB 1998, 2, 4. 131 http://www.versicherungsombudsmann.de/Navigationsbaum/Entscheidungen/index. jsp. 132 Hingegen ist eine Veröffentlichungspflicht beispielsweise für den britischen Versicherungsombudsmann vorgesehen, Rühl, NVersZ 2002, 245, 251. 133 v. Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch,
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dungen im Grundsatz eine gewisse Kontrolle über die Schlichtung innerhalb des Versicherungssektors ausgeübt werden. Da allerdings sich weder aus der Verfahrenordnung noch der Satzung ergibt, nach welchen Parametern die zu veröffentlichen Entscheidungen ausgewählt werden, ist diese Kontrolle bereits a priori nur sehr beschränkt möglich.134 Zudem erscheint die Auswahl der Veröffentlichungen durch die mit der Sachentscheidung betraute Stelle hinsichtlich der für eine Kontrolle notwendigen Objektivität nur bedingt geeignet. 8. Der Ombudsmann a) Die persönlichen Voraussetzungen Der Person des Schlichters kommt innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung eine wesentliche Bedeutung zu. Sie muss zum einen die Gewähr für eine unabhängige und unparteiliche Streitbeilegung bieten und zum anderen über eine besondere Expertise hinsichtlich des Beschwerdegegenstands verfügen. Daher stellen sowohl die VomVO als auch die BVO hohe Anforderungen an den jeweiligen Ombudsmann. Die Satzung des Versicherungsombudsmanns legt in § 15 Abs. 1 S. 2 fest, dass die für die Aufgabe erforderliche Befähigung, Fachkompetenz und Erfahrung regelmäßig sowohl die Befähigung zum Richteramt als auch besondere Erfahrungen in Versicherungssachen voraussetzt.135 Während innerhalb der Satzung des Versicherungsombudsmanns die Befähigung zum Richteramt fakultativ ausgestaltet ist, wird in § 2 Abs. 3 S. 1 BVO diese Befähigung zwingend für die Bestellung als Ombudsmann vorausgesetzt. Auch innerhalb der Schlichtung des Ombudsmanns der privaten Banken wird bei der Besetzung der Ombudsleute auf die besondere Expertise in bankrechtlichen Angelegenheiten Wert gelegt.136 Durch die Besetzung mit ehemaligen hochrangigen Richtern und Ministerialbeamten wird neben der Garantie für die notwendigen Fachkenntnisse gleichfalls eine hohe Reputation der Schlichtungseinrichtungen in der öffentlichen Wahrnehmung erzeugt. Diese ist ein weiterer entscheidender Faktor für die Nutzung der außergerichtlichen Streitbeilegung.137 § 23 Rn. 397 merkt in diesem Zusammenhang an, dass das Ziel sein muss, der Tätigkeit des Ombudsmanns über die behandelten Einzelfälle hinaus eine (Breiten-)Wirkung, die der veröffentlichten Rechtsprechung ähnlich ist, zu verschaffen. 134 Ähnlich äußert sich Tiffe, VuR 2003, 260, 262. 135 Erster Versicherungsombudsmann war RiBGH a. D. Prof. Wolfgang Römer, sein Nachfolger ist der frühere Präsident des BGH Prof. Dr. Günter Hirsch. 136 Vgl. zu den Besetzungen seit Beginn der Schlichtung Höche, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 36. Die bisher bestellen Personen setzen sich aus ehemaligen BGH und OLG Richtern, sowie ehemals führenden Ministerialbeamten und Landgerichtspräsidenten zusammen. 137 Dazu Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 36, der anmerkt, dass allein die formale Unabhängigkeit nicht ausreichend ist, um die Akzeptanz eines
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
b) Die Stellung des Ombudsmanns Die Bestellung erfolgt für den Versicherungsombudsmann auf 5 Jahre, für den Ombudsmann der privaten Banken auf 3 Jahre.138 Die Bestellung erfolgt nach Vorschlag des Vorstands durch Beschluss der Mitgliederversammlung bzw. durch den Vorstand des Bankenverbandes auf Vorschlag der Geschäftsführung. Allerdings ist im Rahmen der Ernennung des Versicherungsombudsmanns die Zustimmung des Beirats notwendig. In diesem befinden sich neben Mitgliedervertretern, Vertretern der Versicherungsaufsicht und Vertretern der Wissenschaft auch Verbrauchervertreter. Durch deren Einbezug in die Ernennung des Ombudsmanns und der zwingenden Notwendigkeit ihrer Zustimmung im Rahmen des Beirates wird die institutionelle Unabhängigkeit der Ombudsmanntätigkeit von der Versicherungswirtschaft abgesichert.139 Dies unterscheidet den Versicherungsombudsmann in gewichtiger Weise vom Ombudsmann der privaten Banken.140 Der Versicherungsombudsmann darf zudem in den letzten drei Jahren vor Antritt des Amtes weder hauptberuflich für ein Versicherungsunternehmen, eine Interessenvertretung der Branche oder ihrer Mitarbeiter noch als Versicherungsvermittler oder -berater tätig gewesen sein. Während der Amtsdauer darf eine solche Tätigkeit nicht aufgenommen werden, zudem ist ihm jede sonstige Tätigkeit untersagt, die geeignet ist, die Unparteilichkeit der Amtsausübung zu beeinträchtigen.141 Auch der Ombudsmann der privaten Banken darf in den letzten drei Jahren weder beim Bankenverband noch bei einem anderen Kreditinstitut tätig gewesen sein.142 Da innerhalb der Schlichtung des Bankenverbands mehrere Personen zu Ombudsleuten bestellt werden, darf ein Ombudsmann bei einer Streitigkeit, bei deren Abwicklung er selbst tätig war, nicht tätig werden. In derartigen Fällen wird die Schlichtung von der Vertretung des jeweiligen Ombudsmanns vorgenommen. Die Regelung der Geschäftsverteilung einschließlich der Vertretung wird durch die Ombudsleute gemeinschaftlich
an die Öffentlichkeit adressierten Verfahrens wie des Ombudsmannverfahrens zu gewährleisten. Vielmehr müssen die jeweils berufenen Ombudsleute durch ihre Persönlichkeit die Position ausfüllen, auf Grund ihrer Berufserfahrung überzeugen und auch wirtschaftlich unabhängig sein. 138 § 14 Abs. 2 S. 1 der Satzung des Versicherungsombudsmanns, § 2 Abs. 1 S. 1 BVO. 139 Vgl. dazu Michaels, VW 2000, 396. 140 Allerdings werden vor der Bestellung gemäß § 2 Abs. 2 BVO dem Bundesamt für Justiz und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände der Name und der berufliche Werdegang der vorgesehenen Person mitgeteilt. Wenn durch diese nicht innerhalb von zwei Monaten Tatsachen vorgetragen werden, welche die Qualifikation oder Unparteilichkeit der vorgesehenen Person in Frage stellen, kann der Vorstand den Ombudsmann bestellen. Somit wird, wenn auch in abgeschwächter Form, eine Verbraucherbeteiligung gewährleistet. 141 Vgl. § 15 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 1 der Satzung des Versicherungsombudsmanns. 142 Vgl. § 2 Abs. 3 S. 2 BVO, es sei denn, es handelte sich um eine Beschäftigung beim Bankenverband nur als Schlichter.
II. Das Verfahren
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festgelegt.143 Mit dieser Regelung soll bereits der Anschein einer Parteilichkeit der Ombudsleute vermieden werden, um gleichzeitig die Unabhängigkeit des Ombudsmanns von den angeschlossenen Banken zu unterstreichen. Sowohl der Versicherungsombudsmann als auch der Ombudsmann der privaten Banken kann erneut bestellt werden. Während nach der BVO die Bestellung des Ombudsmanns zweimal wiederholt werden kann, besteht für den Versicherungsombudsmann nur eine einmalige Wiederbestellungsmöglichkeit. Damit soll bereits der Anschein vermieden werden, dass der Ombudsmann mit seinen Entscheidungen auf eine Wiederwahl Einfluss nehmen könnte.144 Nach beiden Verfahrensordnungen kann der Ombudsmann zudem nur in besonderen Fällen vor Ablauf seiner Amtszeit abberufen werden.145 Neben den notwendigen sachlichen Gründen unterliegt die Abberufung gleich der Berufung bestimmten formalen Voraussetzungen. So kann der Versicherungsombudsmann nur durch Beschluss des Vorstands und Beschluss einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Beirats abberufen werden. Für eine Abberufung des Ombudsmanns der privaten Banken ist wiederum der Vorstand des Bankenverbandes zuständig. Durch diese sowohl formalen als auch materiell hohen Hürden wird die Unabhängigkeit der Ombudsleute von den sie finanzierenden Unternehmen erheblich gestärkt. Der Versicherungsombudsmann ist wie der Ombudsmann der privaten Banken in seiner Eigenschaft als Schlichter unabhängig und keinen Weisungen unterworfen.146 Bei ihrer Entscheidungsfindung sind sie vielmehr allein dem geltenden Recht verpflichtet. Gegenüber den die Entscheidung vorbereitenden Mitarbeitern der Schlichtungsstelle steht dem Ombudsmann ein fachliches Weisungsrecht und die fachliche Aufsicht zu.147 Da die Mitarbeiter somit allein der Kontrolle durch den Ombudsmann unterliegen, wird sichergestellt, dass
143 Vgl. § 2 Abs. 4 S. 3 BVO. Von diesen Regelungen kann nur aus wichtigem Grund abgewichen werden, § 2 Abs. 4 S. 4 BVO. In der bis zum 31. Januar 2017 geltenden Fassung der BVO wurde die Geschäftsverteilung gemäß Nr. 1 Abs. 4 S. 2 BVO durch den Vorstand des Bankenverbands im Einvernehmen mit den Ombudsleuten festgelegt. Somit wird den Ombudsleuten nunmehr eine größere Unabhängigkeit bei ihrer Organisation zugestanden. 144 So Römer, ZfS 2003, 158. 145 Die BVO lässt in § 2 Abs. 1 S. 3 eine Abberufung dann zu, wenn Tatsachen vorliegen, die eine faire, unabhängige und unparteiliche Erledigung der Schlichtertätigkeit nicht mehr erwarten lassen, wenn er nicht nur vorübergehend an der Wahrnehmung seines Amts gehindert ist oder wenn ein vergleichbar wichtiger Grund gegeben ist; gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 VomVO ist die Abberufung nur bei offensichtlichen und groben Verfehlungen des Versicherungsombudsmanns gegen seine Amtspflichten möglich. 146 Vgl. § 13 Abs. 2 S. 1 der Satzung des Versicherungsombudsmanns und § 2 Abs. 3 S. 3 BVO. 147 So ausdrücklich § 13 Abs. 4 der Satzung des Versicherungsombudsmanns. Auch im Rahmen der Schlichtung gemäß der BVO wird ein derartiges Direktionsrecht gegenüber den Mitarbeitern der Kundenbeschwerdestelle anzunehmen sein.
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§ 5. Die Schlichtungslandschaft in Deutschland
die dem Ombudsmann garantierte Unabhängigkeit auch gegenüber seinen Mitarbeitern wirkt.148 Damit sind die bestehenden Ombudsstellen im Banken- wie Versicherungswesen hierarchisch strukturiert und ähneln damit dem Aufbau einer öffentlich-rechtlichen Behörde.149
148 Durch dieses ausgeprägte Weisungsrecht wird bereits der Verdacht vermieden, eine dritte Stelle könne Einfluss darauf nehmen, welche Sachverhalte dem Ombusmann zur Entscheidung vorgelegt werden und in welchen Fällen eine Bearbeitung nicht vorgenommen werden soll, vgl. Römer, in: FS Kollhosser, S. 277, 283. Es wird damit letztlich die Möglichkeit einer mittelbaren Beeinflussung der Arbeit der Schlichtungsstelle unterbunden. 149 Dies zeigt sich beispielsweise im Rahmen der Vorprüfungen. Sollte die Kundenbeschwerdestelle zu dem Ergebnis kommen, die Beschwerde sei unzulässig, legt sie die Frage der Zulässigkeit dem jeweiligen Ombudsmann vor, da dieser letztlich über die Eröffnung eines Schlichtungsverfahrens entscheidet, vgl. Lücke, WM 2009, 102, 105; Zawal-Pfeil, BuB 2002, Rn. 2/1122.
§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten Die außergerichtliche Streitbeilegung erfreut sich auch außerhalb von Deutschland wachsender Popularität. Innerhalb der Mitgliedstaaten der europäischen Union befassen sich im Moment ca. 750 verschiedene Stellen mit der außergerichtlichen Konfliktlösung von Verbraucherstreitigkeiten.1 Gerade in den nordischen Mitgliedstaaten und den Niederlanden hat die außergerichtliche Streitbeilegung eine lange Tradition.2 In diesen Staaten werden die meisten Streitfälle, welche in den Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie fallen, nicht vor staatlichen Gerichten, sondern außergerichtlich behandelt. Daher sollen nunmehr die beiden Systeme der Allmänna reklamationsnämnden aus Schweden und der Stichting geschillencommissies voor consumentenzaken der Niederlande näher in den Blick genommen werden.
I. Das schwedische Allmänna Reklamationsnämnden Bei dem Allmänna Reklamationsnämnden (ARN)3, dem „Öffentlichen Reklamationsamt“ handelt es sich um eine staatliche schwedische Behörde, welche für Verbraucherbeschwerden ein kostenfreies, außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren anbietet.4 Hauptsächliches Anliegen der Stelle ist die unabhängige Erledigung der vorgebrachten Streitigkeiten.5 Hierfür sind innerhalb des Amtes zehn verschiedene Abteilungen gebildet worden, welche sich jeweils mit ver1 Vgl. hierzu Knudsen/Balina, Procedia – Social and Behavioral Sciences 109 (2014) S. 944, 945. 2 Vgl. Creutzfeld-Banda, in: Hodges/Stadler, Resolving Mass Disputes, S. 223, 243. 3 Die Homepage der ARN ist nicht nur in der schwedischen Sprache, sondern auch auf Deutsch abrufbar unter http://www.arn.se/other-languages/deutsch-was-ist-arn/. Falls nicht anderweitig angegeben, entstammen die wiedergegebenen Informationen der Selbstdarstellung der ARN auf der Homepage. 4 Neben der ARN bestehen im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung in Schweden noch private Ombudsmanneinrichtungen und Beschwerdestellen in bestimmten Sektoren. Beispielhaft sind hier der Customer Ombudsmann der Folksam Group (Swedish insurance company) oder das Disciplinary Board of the Swedish Hotel and Restaurant Association zu nennen; weitere Beispiele finden sich bei Persson, in: Wrbka/van Uytsel/Siems, Collective Actions: Enhancing Access to Justice and Reconciling Multilayer Interests?, S. 341, 351. 5 Allerdings wird keine Rechtsauskunft zu Einzelfragen durch die ARN erteilt; für derartige Beratungen sind in Schweden kommunale Verbraucherberater zuständig.
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§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten
schiedenen Vertragstypen beschäftigen.6 Die elfte Abteilung ist eine Allgemeinabteilung, die als Auffangressort fungiert, falls für den streitgegenständlichen Anspruch keine Spezialabteilung zuständig ist. 1. Rechtliche Grundlage Das ARN besteht seit dem Jahr 1968. Ursprünglich war das Amt der Swedish Consumer Agency angegliedert und damit Teil des staatlichen Verwaltungsapparates. Erst im Jahr 1981 wurde es in eine eigenständige unabhängige Behörde ausgegliedert. Die heute gültige Rechtsgrundlage bildet die Förording 2007:1041 med instruktion för Allmänna reklamationsnämnden.7 2. Zuständigkeit der Stelle a) Sachliche Zuständigkeit Zwar wird durch das ARN für den Großteil der Verbraucherbeschwerden ein Forum zur Verfügung gestellt,8 dennoch sind auch in dieser umfassenden Einrichtung bestimmte Streitgegenstände von einer Schlichtung ausgenommen. Hierzu zählen zum einen Streitfälle zwischen zwei Unternehmern und Konflikte zwischen zwei Verbrauchern, was dem verbraucherschützenden Charakter der Einrichtung geschuldet ist. Zudem sind bereits vor ordentlichen Gerichten anhängige Verfahren und Beschwerden gegen insolvente Unternehmer von der Zuständigkeit ausgenommen. Hier ist die spezifische Aufgabenzuweisung an die Gerichte von übergeordneter Bedeutung.9 Neben diesen bereits genannten Einschränkungen sind auch bestimmte Sachgebiete der Streitbeilegung durch das ARN entzogen. Hierzu gehören zum 6 Die
einzelnen Abteilungen beschäftigen sich mit Dienstleistungen von Banken, Finanzdienstleistern, Börsenmaklern (Abteilung Bank), Waren und Dienstleistungen, die den Wohnsektor betreffen (Abteilung Wohnung), Segel- und Motorboote sowie Zubehör (Abteilung Boot), Haushaltsmaschinen und Unterhaltungselektronik (Abteilung Elektronik), Versicherungen und Immobilienmaklerdienstleistungen (Abteilung Versicherung), Neu- und Gebrauchtwagen, Motorräder, Reifen usw. (Abteilung Motor), Reisen, Vermietung von Ferienwohnungen usw. (Abteilung Reise), Schuhe und Stiefel (Abteilung Schuhe), Kleidung, Haushaltstextilien, Möbel (Abteilung Textilien und Möbel) und Wäschereidienstleistungen (Abteilung Wäsche). 7 Abrufbar unter: http://www.riksdagen.se/sv/Dokument-Lagar/Lagar/Svenskforfattnings samling/Forordning-20071041-med-ins_sfs-2007-1041/. 8 Weber, The Law and Economics of Enforcing European Consumer Law: A Comparative Analysis of Package Travel and Misleading Advertise, spricht auf S. 183 sogar davon, dass nahezu jede Beschwerde eines Verbrauchers dem ARN vorgelegt werden kann (Basically, any consumer dispute may be brought to the ARN). 9 Ebenso sind Streitigkeiten, die den künstlerischen Wert oder den Sammlerwert von Kunstwerken und Antiquitäten betreffen, vom Anwendungsbereich ausgenommen. Dies dürfte in erster Linie auf die mangelnden Kapazitäten der ARN bezüglich der hier notwendigen Gutachten zurückzuführen sein und weniger darauf, dass diese Streitigkeiten vorrangig vor Gerichten behandelt werden sollen.
I. Das schwedische Allmänna Reklamationsnämnden
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einen Streitigkeiten, die Dienstleistungen des Gesundheitswesens betreffen und zum anderen Streitigkeiten, welche Bezüge zum Erwerb oder der Nutzung von Grundeigentum aufweisen. Letztere beginnen mit Streitigkeiten, welche Immobilienbesichtigungen betreffen, gehen über Streitigkeiten bezüglich des Kaufs von Immobilien und Wohnungen bis zu Mietstreitigkeiten und Streitigkeiten mit Wohnungseigentümergemeinschaften. Ferner werden Streitigkeiten, die Dienstleistungen von Anwälten betreffen, nicht von dem ARN behandelt. b) Ungeeignete Beschwerden Streitigkeiten können seitens des ARN darüber hinaus abgewiesen werden, falls die vorgebrachten Sachverhalte nicht genügend untersucht werden können oder die sich im Hinblick auf das schriftliche Verfahren und die vereinfachte Bearbeitungsweise nicht für eine Behandlung durch das Amt eignen. Damit sind insbesondere Fälle angesprochen, bei denen eine mündliche Verhandlung erforderlich werden könnte. Außerdem werden damit umfangreiche oder komplizierte Fälle, die eine umfassende Sachverhaltsermittlung erfordern, ausgeschlossen, da auch ihnen mit den eingeschränkten Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann. c) Streitwertgrenzen Im Rahmen des Verfahrens vor dem ARN müssen normalerweise bestimmte Streitwerte erreicht werden, um einer Behandlung zugänglich zu sein. Dieser Mindestbetrag variiert je nach Abteilung. Die Untergrenze von 500 SEK10 gilt für Streitigkeiten der Abteilungen Schuhe und Textilien (für Kleider und Haushaltstextilien) sowie der allgemeinen Auffangabteilung. In Streitigkeiten der Abteilungen Elektronik, Motor, Reise, Textilen (für Möbel) und Wäsche liegt die Grenze bei 1.000 SEK11 und für Streitigkeiten der Abteilungen Bank, Wohnung, Boot und Versicherung beträgt der Mindestwert 2.000 SEK12. Ausnahmsweise kann das ARN eine Streitigkeit aber auch bei Unterschreitung der Grenze behandeln. Dies ist möglich, falls die Streitigkeit von grundsätzlichem Interesse ist oder bei Vorliegen anderer besonderer Gründe. In beiden Fällen hängt es letztlich, wie in den deutschen Schlichtungseinrichtungen auch, von der Einschätzung der mit der Streitbeilegung befassten Stelle ab, ob von einer der beiden Ausnahmeklauseln Gebrauch gemacht wird.
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Dies entspricht ca. 53 €. Umgerechnet ca. 106 €. 12 Circa 213 €. 11
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§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten
d) Örtliche Zuständigkeit Weitere Voraussetzung für die Annahme einer Streitigkeit ist, dass der streitgegenständliche Vertrag in Schweden abgeschlossen wurde. Diese Einschränkung schließt zwar grenzüberschreitende Sachverhalte nicht von vorneherein aus, doch wird dadurch ein beträchtlicher Teil dieser Streitigkeiten ausgespart.13 Dass der Sachverhalt schwedischem Recht unterliegen muss, wird allerdings nicht als Voraussetzung genannt.14 Für die nicht erfassten grenzüberschreitenden Sachverhalte wird seitens des ARN auf das ECC-Netzwerk verwiesen.15 3. Grundzüge des Verfahrens a) Zugang des Verbrauchers zum Verfahren Das Verfahren vor dem ARN ist ein rein schriftliches Verfahren. Daher sind die Anträge schriftlich zu stellen. Dafür werden Formulare auf der Homepage des ARN angeboten. Anträge und Schreiben werden vom Amt nur in schwedischer Sprache entgegengenommen.16 Auch im Rahmen der Schlichtung vor dem ARN muss der Verbraucher zuvor mit dem Unternehmer in Kontakt getreten sein, um diesem Gelegenheit zu geben, seiner Beschwerde abzuhelfen. Falls er keine vollständige Abhilfe geschaffen hat, kann der Verbraucher innerhalb von 6 Monaten nach erstmaliger Zurückweisung seiner Beschwerde das ARN anrufen.17 b) Sachprüfung Zunächst erfolgt durch das ARN eine formelle Vorprüfung der eingelegten Beschwerde. Wenn diese den formellen Anforderungen entspricht, wird sie dem Unternehmer zur Stellungnahme weitergeleitet.18 Auf dessen Äußerung kann 13 So bereits Weber/Hodges/Creutzfeld-Banda, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 230, 241, allerdings mit dem Hinweis, dass Beschwerden akzeptiert werden, wenn die ARN von einer Akzeptanz des Unternehmens ausgehen kann. Dies sei dann der Fall, falls das Unternehmen eine Niederlassung in Schweden hat oder in einem skandinavischen Nachbarstaat angesiedelt ist. 14 Anders, allerdings ohne Nachweis, Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 181. 15 Die schwedische Kontaktstelle ist der Konsument Europa, abrufbar unter: http://www. konsumenteuropa.se/. 16 Nach Weber/Hodges/Creutzfeld-Banda, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 230, 241 werden auch Anträge auf Englisch entgegengenommen, falls der Unternehmer dieser Sprache mächtig ist. 17 Falls keine Reaktion des Unternehmens erfolgte, wird dies als Ablehnung der Ansprüche des Verbrauchers gewertet. 18 Wenn der Unternehmer nicht antwortet, wird die Entscheidung auf Basis des vom Verbraucher vorgebrachten Sachverhalts getroffen, Unland-Schlebes, B2C Online Dispute Resolution, S. 163.
I. Das schwedische Allmänna Reklamationsnämnden
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wiederum der Verbraucher antworten.19 Innerhalb des Verfahrens können von beiden Parteien schriftliche Beweismittel eingebracht werden.20 Für die geltend gemachten Ansprüche sind die Parteien, wie in einem Gerichtsverfahren, den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln unterworfen. Es gilt der Beibringungsgrundsatz, eine Amtsermittlung findet nicht statt. Die Bearbeitungszeit einer Beschwerde beträgt in der Regel sechs Monate. Seit dem Jahr 2011 ist es möglich, den Austausch der Verfahrensschriftstücke über die Homepage des ARN einzusehen. Hierfür werden durch das Amt digitale Akten angelegt und den Beteiligten passwortgeschützt der Zugang zu diesen Akten eröffnet. Die Resonanz auf das neue Angebot war von Anfang an hoch.21 4. Abschluss des Verfahrens Über die Verbraucherbeschwerde entscheiden die jeweiligen zuständigen Ausschüsse bei Beschlussfähigkeit.22 Grundlage der Entscheide ist jeweils das geltende Recht. Zudem werden einschlägige Gerichtsurteile im Rahmen der Begründung herangezogen.23 Die Entscheide sind inhaltlich auf vertragliche Verpflichtungen und die daraus resultierenden Ansprüche beschränkt.24 In diesem Rahmen kann allerdings sowohl auf monetären Ersatz, als auch auf die Vornahme von (vertretbaren) Handlungen entschieden werden. In den meisten Fällen wird auf geldwerten Schadenersatz wegen Vertragsverletzungen erkannt. Die getroffene Entscheidung hat reinen Empfehlungscharakter und ist für keine der beiden Parteien bindend. Trotzdem wird ein Großteil der gefundenen Lösungen von den Beteiligten umgesetzt.25 Neben der allgemeinen Akzeptanz der Stelle26 stellt auch die Aussicht, auf einer „schwarzen Liste“ der nicht
19 Ein Reformvorschlag für die Einführung eines mündlichen Termins in der Vorbereitungsphase des Verfahrens wurde von dem ARN abgelehnt, Weber/Hodges/Creutzfeld-Banda, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, Nr. 10, S. 243. 20 Darunter können Verträge und andere Urkunden, aber auch Sachverständigengutachten fallen. 21 Weber/Hodges/Creutzfeld-Banda, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 230, 242 sprechen davon, dass die Hälfte der eingegangenen Beschwerden auf diesem Wege bearbeitet wurden. 22 Die Beschlussfähigkeit liegt regelmäßig vor, falls der Vorsitzende sowie vier weitere Mitglieder anwesend sind. 23 Hierin zeigt sich das Selbstverständnis der ARN als gerichtsähnliche Institution zum Schutze des Verbrauchers. 24 Dazu Persson, Evaluation of the effectiveness and efficiency of collective redress mechanisms in the European Union, DG Sancto, Country Report Sweden, S. 11; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/consumers/solving_consumer_disputes/judicial_redress/index_en.htm. 25 In den Jahren 2012 und 2013 wurden jeweils 76 % der Entscheide von den Unternehmen befolgt, die gesamte Statistik ist unter: http://www.arn.se/om-arn/statistik/ abrufbar. 26 Auf diese führt Unland-Schlebes, B2C Online Dispute Resolution, S. 163 die hohe Erfolgsquote des ARN zurück.
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§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten
kooperativen Unternehmen zu landen, einen Anreiz dar, die ausgesprochenen Empfehlungen umzusetzen.27 5. Kosten des Verfahrens Das Verfahren des ARN ist für die beteiligten Parteien kostenfrei. Allerdings werden Kosten für die Vorbereitung des Verfahrens und die Teilnahme daran nicht übernommen. Das gilt auch für die Kosten eines rechtlichen Beistands.28 6. Sicherstellung der Unabhängigkeit des Verfahrens a) Organisation der Stelle Durch die Organisation des ARN als öffentliche Behörde wird bereits ein hohes Maß an Unabhängigkeit gesichert. Die Finanzierung des ARN erfolgt vollständig durch den schwedischen Staat, sodass eine Einflussnahme mittels einer finanziellen Unterstützung durch Interessengruppen ausgeschlossen ist. Pro Beschwerde werden Kosten von umgerechnet ca. 300 € ausgewiesen.29 b) Person des Schlichters Das ARN beschäftigt in seiner Geschäftsstelle rund 35 Mitarbeiter, darunter den Leiter und dessen Stellvertreter.30 Diese werden von weiteren Mitarbeitern und einer Verwaltungseinheit mit eigenem Verwaltungschef unterstützt. Die jeweiligen Ausschusssitzungen finden ad hoc statt und werden erforderlichenfalls von externen Sachverständigen unterstützt. Hierfür stehen rund 20 Vorsitzende und rund 250 Beisitzer zur Verfügung. Gemäß § 26 Abs. 1 der Förording 2007:1041 müssen Präsident, Vizepräsident und die jeweiligen Abteilungsvorsitzenden Juristen mit Erfahrung als Richter sein. Auch der unterstützende Stab innerhalb des ARN wird mit Juristen besetzt.31 Damit wird bei den entscheidungsbefugten Personen ein hohes Maß an rechtlicher Kenntnis und Erfahrung in der kontradiktorischen Fallbehandlung erreicht. Der Leiter des ARN wird durch die schwedische Regierung für einen Zeitraum von 6 Jahren berufen.32 Auf dessen Vorschlag hin werden der Stellvertreter und 27 Auf diesen Aspekt führt Lindblom, ERA Forum (2009) 10, S. 7, 26 die hohe Erfolgsquote der außergerichtlichen Streitbeilegung in Schweden zurück. 28 Persson, Evaluation of the effectiveness and efficiency of collective redress mechanisms in the European Union, DG Sancto, Country Report Sweden, S. 11. 29 Das Budget des ARN im Jahre 2010 betrug 28 Millionen schwedische Kronen, was in etwa 3 Millionen Euro entspricht. 30 Zahlen nach Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 181 f. 31 So Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 182. 32 So Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 186. Aus § 25 Abs. 1 der Förording ergibt sich lediglich, dass der Leiter für eine bestimmte Zeit berufen sein muss.
II. Die niederländischen Geschillencommissies
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die Vorsitzenden der jeweiligen Ausschüsse von der Regierung ernannt.33 Die entscheidungsbefugten Personen sind in ihrer Entscheidung unabhängig und trotz der Organisation als Behörde nicht weisungsgebunden. Damit wird neben der hohen Qualität auch die Unabhängigkeit der Schlichtung sichergestellt.
II. Die niederländischen Geschillencommissies In den Niederlanden wird die außergerichtliche Streitbeilegung größtenteils durch eine zentrale Anlaufstelle, der Stichting Geschillencommissies voor Consumentenzaken, durchgeführt.34 Diese ist ein Dachverband für branchenspezifische Schlichtungseinheiten und wurde bereits im Jahr 1970 gegründet.35 Mittlerweile bestehen 53 verschiedene Ausschüsse für Verbraucherangelegenheiten und 12 Ausschüsse, die sich mit Unternehmerstreitigkeiten befassen.36 1. Rechtliche Grundlagen Durch das niederländische Justizministerium wurden im Jahr 1996 einheitliche Qualitätsanforderungen an die jeweiligen Konfliktkommissionen festgelegt.37 Diese bilden den rechtlichen Rahmen der Kommissionen, die Einzelregelungen werden allerdings durch die Verbraucherschutzorganisationen in Zusammenarbeit mit den einzelnen Wirtschaftsverbänden erarbeitet. Das System ähnelt mithin dem des Versicherungsombudsmanns und des Bankenombudsmanns, in denen ausgehend von gesetzlichen Zielvorgaben die Ausarbeitung einer Verfahrensordnung den einzelnen Stellen im Detail überlassen wird. Die jeweiligen Kommissionen werden staatlicherseits anerkannt, um die Einhaltung der gesetzlichen Mindestvoraussetzungen zu garantieren.38
33
So § 25 Abs. 2 der Förording. Zu den weiteren außergerichtlichen Streitbeilegungsmöglichkeiten in den Niederlanden eingehend Pel, in: Steffek/Unberath, Regulating Dispute Resolution, S. 297, 301–304. 35 Die Gründung erfolgte durch den Consumentenbond als nationale Verbraucherschutzbehörde und durch verschiedene Unternehmensverbände. Die neu geschaffene Organisation sollte die Durchsetzung der vereinbarten Verbraucherschutzrechte unterstützen, vgl. dazu Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 195. 36 http://www.degeschillencommissie.nl/over-ons/de-commissies. 37 Erkenningsregeling Geschillencommissies Consumentenklachten van 19 December 1996. Die dort niedergelegten Standards entsprechen denen der Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind. 38 Vgl. dazu Jongbloed, in: Netherlands Reports to the Seventeenth International Congress of Comparative Law, Utrecht 2006, S. 223, 241. 34
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§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten
2. Ausbildung der einzelnen Geschillencommissies Die Bildung der einzelnen Konfliktkommissionen verläuft in zwei Schritten. Zunächst werden allgemeine Geschäftsbedingungen für die jeweilige Branche ausgehandelt. Daran sind sowohl Vertreter der Unternehmerseite als auch Verbraucherschützer beteiligt.39 Die Ausarbeitung der Geschäftsbedingungen wird unter der Schirmherrschaft des Sociaal-Economische Raad durchgeführt.40 Zu den gesetzlichen Aufgaben des Sozialwirtschaftlichen Rats gehört neben der Beratung der Regierung in volkswirtschaftlichen Fragen und der Aufsicht über die Marktverbände sowie die öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsverbände auch die Förderung bestimmter wirtschaftlicher Entwicklungen. In Erfüllung dieser Verpflichtung unterstützt der Sociaal-Economische Raad unter anderem den Dialog zwischen Unternehmer- und Verbraucherverbänden bei der Formulierung interessengerechter Geschäfts- und Lieferbedingungen.41 Die Unterstützung erfolgt innerhalb der Verhandlungen durch die Verfahrensleitung eines besonders sachkundigen Juristen und durch die Überlassung der für die Verhandlungen notwendigen Räumlichkeiten. Im Rahmen dieser Verhandlungen wird dafür gesorgt, dass die ausgehandelten Bedingungen nicht hinter den gesetzlichen Schutzstandards zurückbleiben.42 Die Regelungen werden dann alle 3 bis 5 Jahre von den Beteiligten überprüft und gegebenenfalls angepasst. Im Anschluss daran wird eine Konfliktkommission bei der Stichting eingerichtet. Diese setzt sich aus einem von der Stichting benannten Vorsitzenden, sowie zwei weiteren Mitgliedern zusammen, die vom Consumentenbond und vom jeweils beteiligten Unternehmerverband ernannt werden.43 Das Endziel des zweistufigen holländischen Modells ist die Schaffung eines selbstregulierenden Systems innerhalb des Verbraucherschutzes.44 Die ausgehandelten Geschäftsbedingungen werden im Streitfall in der Schlichtung der Ergebnisfindung zugrunde gelegt, und die Unternehmer erhalten durch die Ergebnisse der Schlichtung und deren Auswertung wertvolle Informationen, inwieweit sie die bisherigen Bedingungen anpassen sollten. Mit diesem System können nach Ansicht des Sociaal-Economische Raad zwei Ziele erreicht werden: Im Idealfall resultiert aus dem Modell ein System, durch das die Beziehung zwischen Unter39 Laut Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 137 ist der Consumentenbond stets beteiligt und wird von den sektoriellen Verbraucherschutzorganisationen im Einzelfall unterstützt. 40 Der Sozialwirtschaftlicher Rat der Niederlande unterhält eine Homepage auf Deutsch, abrufbar unter: https://www.ser.nl/de/. 41 Dazu die Selbstbeschreibung des Sociaal-Economische Raad: https://www.ser.nl/de/ uber%20der%20ser/aufgabe.aspx. 42 Auch dienen die Verhandlungen der Lückenfüllung von Detailfragen, mit denen sich der Gesetzgeber nicht explizit auseinander gesetzt hat. 43 Zur Zusammensetzung Muller, RRa 1996, 30, 31. 44 Dazu klärt der Sociaal-Economische Raad eingehend auf: https://www.ser.nl/de/ uber%20der%20ser/aufgabe/allgemeine%20geschaftsbedingungen.aspx.
II. Die niederländischen Geschillencommissies
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nehmer und Verbraucher optimiert wird und das sich fortwährend an Änderungen in der Gesellschaft anpasst. Gleichzeitig wird die Rolle des Staates darauf beschränkt, die Schaffung der Rahmenbedingungen sicherzustellen, unter denen das System sich selbst entfalten kann.45 3. Zuständigkeit der Stelle a) Sachliche Zuständigkeit Im Rahmen der Stichting bestehen insgesamt 15 übergeordnete Consumenten Commissies. Im Einzelnen sind dies Kommissionen für Anwaltsstreitigkeiten,46 für Streitigkeiten in Zusammenhang mit Gebäuden47, für Streitigkeiten bezüglich Elektronik und Haushaltsgeräte, für Streitigkeiten aus Energie und Wasserversorgungsverträgen.48 Weitere Kommissionen sind zuständig für Streitigkeiten bezüglich Haus und Garten49, für Streitigkeiten aus Internet-, Telefonund Postdienstleistungen,50 für Streitigkeiten bezüglich Kleidung und anderen Textilien, für Streitigkeiten aus Maklerverträgen, für Streitigkeiten bezüglich notarieller Dienstleistungen, für Streitigkeiten aus dem Bildungssektor und für Streitigkeiten gegen Frisöre und Kosmetiker. Andere Kommissionen kümmern sich um Reisen und Freizeitdienstleistungen51, um den Verkehrsbereich52 und um Streitigkeiten bezüglich Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen53. Zudem existiert eine Abteilung, welche eine Auffangschlichtung betreibt. Dort bestehen 7 Unterabteilungen, welche beispielsweise den E-Commerce oder Streitigkeiten aus Schmuck- und Uhrenkäufen behandeln. Damit wird klar, dass in den Niederlanden für die meisten wirtschaftlichen Sektoren außergerichtliche Streitbeilegungsmöglichkeiten bestehen.54 Im 45 Gesetzlich geregelt werden dann nur noch die Mindestanforderungen für allgemeine Geschäftsbedingungen und die ministerielle Anerkennungs- und Förderregelung für Schlichtungsausschüsse. 46 Dieser Ausschuss befasst sich mit Verbraucherbeschwerden gegen Anwälte mit einer Deckelung der möglichen Entschädigung auf 10.000 €. 47 Diese untergliedert sich in 8 Unterabteilungen, welche sich beispielsweise mit Dachdeckerarbeiten, Innenausbauten, Renovierungen und Neubauten befassen. 48 Diese Kommission gliedert sich in 3 Unterabteilungen, welche neben der Energie- und Wasserversorgung auch die Anpassung von Energiebezugsverträgen behandeln. 49 Diese gliedert sich in 8 Unterabteilungen auf, die beispielsweise Streitigkeiten mit Parkettlegern, Einrichtungshäusern oder Gärtnern behandeln. 50 Auch hier bestehen 4 einzelne Untergruppierungen. 51 Diese Kommission gliedert sich ebenso in 3 Unterabteilungen auf. 52 Hier bestehen 6 Unterabteilungen, welche sich beispielsweise mit Autovermietungen oder Taxibeförderung beschäftigen. 53 Diese Abteilung ist in 6 Unterbereiche gegliedert, welche unter anderem Beschwerden gegen Optiker und private Kliniken behandeln. 54 Eine Übersicht hierzu findet sich bei Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/CreutzfeldBanda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 136.
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§ 6. Schlichtungsmodelle in anderen europäischen Staaten
Finanzsektor hat sich zudem mit der KiFiD55 eine selbstständige spezialisierte Stelle herausgebildet. Allerdings bestehen auch sektorielle Lücken in der Schlichtungslandschaft. So besteht beispielsweise für den Luftverkehr keine Schlichtungsmöglichkeit unter dem Dach der anerkannten Kommissionen der Stichting.56 b) Zugehörigkeit des Unternehmens Ein Verfahren vor der Stichting kann nur dann stattfinden, wenn das betroffene Unternehmen sich der Schlichtung unterworfen hat. Dies geschieht entweder durch die Mitgliedschaft des Unternehmens bei einem der Schlichtung angeschlossenen Branchenverband oder durch eine singuläre Beteiligung des jeweiligen Unternehmens. Die registrierten Unternehmen haben alle ihren Sitz in den Niederlanden, sodass auch ein Verbraucher, welcher außerhalb der Niederlande seinen Wohnsitz hat, ein Verfahren vor der Stichting führen kann.57 Von den Unternehmern wird sowohl das Aushandeln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zusammen mit Vertretern des Verbraucherschutzes als auch die Teilnahme an der Schlichtung vor der Stichting als besonders vertrauensfördernd gegenüber ihren Kunden angesehen.58 Dies dürfte ein wichtiger Grund für die großflächige Beteiligung der niederländischen Wirtschaft an der außergerichtlichen Streitbeilegung sein. c) Beteiligte des Verfahrens Neben Verbrauchern sind im Rahmen der Stichting auch Unternehmer beschwerdebefugt. Zur Durchsetzung einer Forderung gegen einen Verbraucher bedarf es allerdings der Zustimmung des Verbrauchers für die Durchführung des Verfahrens. Diese Zustimmung ist nur wirksam, wenn sie erst nach Entstehen der Streitigkeit erklärt wurde.59 Außerdem muss sich der Verbraucher auch mit der Bindungswirkung der ergehenden Entscheidung einverstanden erklären. Seit dem Jahr 1999 besteht darüber hinaus die Möglichkeit, Streitigkeiten zwischen Unternehmern über die Stichting außergerichtlich lösen zu lassen. Zuständig dafür ist die Stichting Geschillencommissies voor Beroep en Bedrijf 55
http://www.kifid.nl/. Zu dieser Stelle Hondius/Oostwouder, in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und internationalen Bankrecht, Rn. 18 ff. 56 Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 196 gibt an, dass zwischen Juli 2009 und Dezember 2011 eine derartige Stelle bestanden habe, diese aber auf Wunsch der Luftfahrtunternehmen ihren Dienst eingestellt habe. 57 In anderen grenzüberschreitenden Sachverhalten verweist die Stichting auf das Netzwerk des ECC. 58 So ausdrücklich Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 137 unter Verweis auf verschiedene Interviews mit Unternehmensvertretern. 59 Zu den sogenannten „business to consumer“ Streitigkeiten vor der Stelle Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 196.
II. Die niederländischen Geschillencommissies
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(SGB).60 Somit besteht ein weitreichendes Angebot außergerichtlicher Streitbeilegung ohne Beschränkung auf Streitfälle mit Verbraucherbeteiligung. 4. Grundzüge des Verfahrens a) Vorprüfung Ebenso wie in deutschen Schlichtungsverfahren muss der Verbraucher in den Niederlanden seine Forderung zuerst beim Unternehmer geltend gemacht haben, bevor er eine Beschwerde einreichen kann. Dies ist vor allen Kommissionen zwingende Voraussetzung, um ein Verfahren einleiten zu können.61 Falls im vorgelagerten Kontakt zwischen Unternehmen und Verbraucher keine Einigung erzielt wurde oder sich das Unternehmen nicht innerhalb von 4 Wochen zum geltend gemachten Anspruch geäußert hat, kann die Beschwerde innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten vor die zuständige Kommission der Stichting gebracht werden. Die Einleitung des Verfahrens geschieht schriftlich und kann mittels auf der Homepage abrufbarer Formulare geschehen. b) Sachprüfung Im Rahmen des Verfahrens wird die ordnungsgemäß eingegangene Beschwerde zunächst an den Unternehmer mit der Bitte um Stellungnahme weitergeleitet. Die Frist zur Stellungnahme beträgt hierbei regelmäßig einen Monat. Erst nachdem die Kommission alle zum Streitentscheid notwendigen Informationen gesammelt hat, wird eine mündliche Verhandlung (zitting) anberaumt. Zu dieser werden in der Regel auch die Parteien geladen, die dort die Möglichkeit erhalten, ihr Anliegen nochmals persönlich vorzubringen. 5. Abschluss des Verfahrens Für den Abschluss des Verfahrens stehen zwei verschiedene Wege offen. Sollten sich die Parteien innerhalb des Verfahrens einig werden, entstehen dadurch nur vertragliche Bindungswirkungen zwischen ihnen. Sollte das Verfahren im Anschluss an die mündliche Verhandlung durch eine Entscheidung der Kommission abgeschlossen werden, entfaltet diese eine weitergehende Bindungswirkung. Die Entscheidung ergeht als sogenannter bindend advies.62 Die Besonderheit 60 Mittlerweile beschäftigen sich bereits 12 Abteilungen mit der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen. 61 So Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 199. 62 Vgl. dazu Art. 7:900 Burgerlijk Wetboek (BW). Zu diesem Klik, in: Campbell, International Consumer Protection, S. 195, 214. Die besondere Art der Bindungswirkung behandeln ausführlich Jonet/Evrard, Joint Ventures: Des Noces Au Divorce: Droit Des Sociétés, Résolution, Des Différends Et Arbitrage innerhalb des dritten Kapitels Echapper à la fin anticipée de la JV: la résolution des premières mésententes. Dort wird im Untertitel Tierce décision obligatoire,
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dieser Entscheidungsform liegt darin, dass sie nur in geringem Umfang gerichtlich überprüfbar ist. Nur die Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte, wie beispielsweise der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs, oder der Einwand, dass die Entscheidung evident unangemessen und unbillig ist, können vorgebracht werden.63 Diese Einwände sind innerhalb von 2 Monaten nach Erlass der Entscheidung geltend zu machen und führen im Erfolgsfall zur Aufhebung der Entscheidung.64 Der bindend advies stellt zwar keinen Vollstreckungstitel dar, dennoch wird aufgrund der vertraglichen Bindung der Parteien nur in Ausnahmefällen eine abändernde gerichtliche Entscheidung ergehen.65 Damit ist eine wirkungsvolle Absicherung des außergerichtlich getroffenen Entscheides gegeben, welche allerdings nicht allein den Unternehmer, sondern ebenso den Verbraucher bindet.66 Im Rahmen des Verfahrensabschlusses vor den Geschillencommissies ist noch eine weitere Besonderheit von Interesse. Soweit der Unternehmer Mitglied in einer Branchenorganisation ist, welche sich der Schlichtung angeschlossen hat, übernimmt diese eine Erfüllungsgarantie für den Unternehmer im Falle seines Unterliegens.67 Diese ist der Höhe nach regelmäßig auf 10.000 € begrenzt.68 Die Branchenverbände können ihrerseits intern das einzelne Mitglied in Regress nehmen oder dieses mit Sanktionen belegen. 6. Kosten des Verfahrens Der Beschwerdeführer hat bei Einleitung des Verfahrens eine Gebühr zu entrichten. Diese dient allerdings nicht der Finanzierung des Verfahrens selbst, sondern soll vielmehr die Kommissionen vor querulatorischen Beschwerden S. 68, 69 festgestellt, dass der bindend advies zwar von einem Schiedsspruch zu unterscheiden sei, jedoch rechtstechnisch gesehen als Unterfall des Schiedsspruches angesehen werden kann. 63 Vgl. dazu Art. 9:704 BW. Sanders, Quo Vadis Arbitration?: Sixty Years of Arbitration Practice: a Comparative Study, S. 170, vergleicht den bindend advies in Chapter V, subsection 3: Procedures akin to Arbitration mit dem deutschen Instrument des Schiedsgutachtens. Dies erscheint aufgrund der ebenfalls eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten naheliegend. 64 Zwischen 2005 und 2008 wurden laut Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 143 insgesamt 13 derartige Fälle gerichtlich anhängig gemacht, von denen nur 5 erfolgreich waren. 65 Vgl. dazu Hondius, in: Essays on International and Comparative Law: In Honour of Judge Erades, S. 81, 82. 66 Die Entscheidungen der Kifid binden die Parteien dagegen nur, falls auf die Bindung vorab hingewiesen wurde und beide Parteien sich vor Verfahrensbeginn mit der Bindung einverstanden erklärt haben, Hendrikse/Rinkes, The New Netherlands Financial Services Complaints Tribunal, S. 24. 67 Regelmäßig betreffen die Streitigkeiten vertragliche Ansprüche, für die ähnlich der schwedischen ARN meist Ersatz in Geld zugesprochen wird. 68 Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 140 führen die Deckelung darauf zurück, dass über diesem Betrag liegenden Entschädigungen versicherungsrechtliche Bedenken entgegenstehen würden.
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schützen.69 Diese Schutzgebühr bewegt sich im Regelfall zwischen 25 und 150 € und umfasst neben den Kosten der eigentlichen Streitbeilegung auch die Kosten für eventuell notwendige externe Konsultationen, vergleichbar einem Sachverständigengutachten. Unterliegt der Unternehmer, wird dem Verbraucher die Gebühr durch den Unternehmer erstattet. Dies gilt allerdings nicht, falls die durch die Kommission getroffene Entscheidung einem durch den Unternehmer vor oder während des Verfahrens gemachten Streitbeilegungsvorschlag entspricht.70 Weitere Kosten, wie Aufwendungen für Reisen oder für eine anwaltliche Beratung oder Vertretung werden dagegen nicht ersetzt.71 7. Sicherstellung der Unabhängigkeit a) Organisation der Stelle Die Unabhängigkeit der Kommissionen ist bei der Stichting in mehrfacher Hinsicht gewährleistet. Zum einen wird die jeweilige Kommission paritätisch mit Mitgliedern aus dem Verbraucherschutzbund und dem Unternehmensverband besetzt. Diese sind in ihren Handlungen und Entscheidungen formal unabhängig.72 Den Vorsitz in jeder Kommission nimmt ein von der Stichting bestellter unabhängiger Jurist ein. Ferner wird durch die rechtliche Organisation als private, nicht kommerziell agierende Stiftung eine organisatorische Unabhängigkeit von den beteiligten Verbraucherschutz- und Branchenverbänden sichergestellt. Zum anderen müssen die gebildeten Kommissionen vom niederländischen Justizministerium anerkannt werden. Diese Anerkennung wird nur dann ausgesprochen, wenn die rechtlichen Vorgaben an die Schlichtung eingehalten werden. Diese entsprechen im niederländischen Recht den Vorgaben des unionsrechtlichen Gesetzgebers und tragen damit zu einer qualitativ hochwertigen außergerichtlichen Streitbeilegung bei.73 69 So Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 143. 70 Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 143. 71 Somit gilt innerhalb dieses Verfahrens die sogenannte „loser pays“ Regel gleichfalls nicht, vgl. dazu Loos, in: Reimann: Cost and Fee Allocation in Civil Procedure: A Comparative Study, S. 219, 227. 72 Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, S. 202. 73 Daher ist die Finanzierung der Konfliktkommissionen durch den niederländischen Staat und die beteiligten Unternehmen, welche den größeren Teil der Kosten übernehmen, unbedenklich. Der Staat übernimmt im Rahmen der Schlichtung die Kosten für die Infrastruktur der Stellen, während die Unternehmen für die eigentliche Schlichtungstätigkeit aufkommen. Näheres dazu bei Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 129, 138.
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b) Person des Schlichters Da der Vorsitz in der Kommission einem Juristen vorbehalten ist, der in der Praxis meist als erfahrener Richter im entsprechenden Spezialgebiet tätig war, wird mit dieser Besetzung die Fachkenntnis und damit die Qualität der Streitbeilegung gewährleistet. Der Vorsitzende kann im Rahmen seiner Tätigkeit von juristischem Fachpersonal und von Personen mit besonderen technischen Kenntnissen unterstützt werden. Die wirtschaftlichen Tätigkeiten dieser weiteren Mitglieder der Kommissionen werden ebenfalls von der Stichting überprüft, bevor diese in die jeweiligen Kommissionen berufen werden. Damit wird auch insoweit die Unabhängigkeit der Kommissionen gewährleistet.
§ 7. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der bestehenden außergerichtlichen Streitbeilegung Bei den bisher untersuchten außergerichtlichen Streitbeilegungen fällt auf, dass diese auf grenzüberschreitende Sachverhalte nicht ausgelegt sind. Vielmehr sind die Systeme auf inländische Sachverhalte bezogen. Dies soll zunächst nochmals verdeutlicht werden.
I. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der deutschen Schlichtungslandschaft Für den deutschen Verbraucher, der sich gegen eine ausländische Versicherung wenden will, wird eine Beschwerde bei den Ombudseinrichtungen der Versicherungen im Regelfall nicht möglich sein, da gemäß § 1 der Schlichtungsordnung des Versicherungsombudsmanns eine Beschwerde nur dann zulässig ist, wenn der Beschwerdegegner Mitglied des Versicherungsombudsmann e. V. ist. Diese Mitgliedschaft ist bei Versicherungen, welche ihren Sitz im Ausland haben bzw. von dort aus operieren, im Regelfall nicht gegeben, da sich der Ombudsmann als Schlichter in innerdeutschen Konflikten begreift und grundsätzlich keine grenzüberschreitenden Sachverhalte behandelt. Die Stellung des Bankenombudsmanns gleicht der des Versicherungsombudsmannes. Auch er kann nur tätig werden, wenn der Beschwerdegegner dem Bundesverband deutscher Banken angehört und sich zudem dem Schlichtungsverfahren angeschlossen hat. Damit sind auch in dieser Schlichtung durch die Verfahrensausgestaltung grenzüberschreitende Fälle mit deutscher Verbraucherbeteiligung weitgehend ausgeschlossen.1 Gleiches gilt für die Schlichtungsstelle für den Personenverkehr. Eine Schlichtung setzt auch dort die Mitwirkung des jeweiligen Verkehrsunternehmens am Schlichtungsverfahren voraus, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn 1 Grenzüberschreitende Fälle können aber auftreten, wenn ein ausländischer Kunde ein Konto bei einer der angeschlossenen Banken unterhält oder ein deutscher Kunde Transaktionen im Ausland über ein derartiges Konto laufen lässt. Die Anzahl an Beschwerden mit grenzüberschreitendem Bezug sind jedoch laut Auskunft der Schlichtungsstelle im geringen einstelligen Prozentbereich anzusiedeln.
100 § 7. Grenzüberschreitende Streitigkeit in der außergerichtlichen Streitbeilegung das Verkehrsunternehmen Mitglied im Trägerverein der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V. ist.2 Auch hier wird im Grundsatz von Verfahren gegen innerstaatliche Verkehrsunternehmen ausgegangen und eine Schlichtung unter Beteiligung von ausländischen Unternehmen daher in der Regel nicht erfasst.3 Auch der Anwendungsbereich der Schlichtung des online-Schlichters ist in vergleichbarer Weise beschränkt. Hier findet die Schlichtung nur bei Ansiedlung des Unternehmers entweder im Bundesgebiet oder in speziellen Fällen in bestimmten Bundesländern statt oder wenn Kooperationsvereinbarungen mit trusted shops, den DEVK Versicherungen und dem Bundesverband Direktvertrieb abgeschlossen worden sind.4 1. Gründe für die derzeitige Lage Die Hauptgründe für die fehlende internationale Ausrichtung der bestehenden Schlichtungseinrichtungen liegen einerseits in der Organisationsform der bestehenden Stellen und zum anderen an der hohen Spezialisierung der mit der Schlichtung beauftragten Organe. a) Die Organisationsform Die meisten Schlichtungseinrichtungen in Deutschland sind als eingetragener Verein organisiert. Die beteiligten Unternehmen unterwerfen sich mit dem Eintritt in den jeweiligen Verein dessen Vereinsverfassung und zugleich den Nebenordnungen, wie beispielsweise einer Verfahrensordnung zur Durchführung der Schlichtung. Diese Verfahrensordnungen können den Unternehmer auch zu einer einseitigen Bindung bis zu einem gewissen Schwellenbetrag verpflichten und damit die außergerichtliche Streitbeilegung für den Verbraucher besonders attraktiv machen. Jedoch sind die Anreize für einen ausländischen Unternehmer zur Teilnahme an einer derartigen Schlichtung eher als gering einzustufen. Selbst wenn er seine unternehmerische Tätigkeit auf den inländischen Markt ausgerichtet hat, 2
§ 2 Abs. 1 lit. c söpVO. der öffentlichen Personenbeförderung haben sind jedoch mittlerweile einige ausländische Fluggesellschaften der Schlichtung der söp, wohl auch um Verfahren vor der behördlichen „Schlichtungsstelle Luftverkehr“ beim Bundesamt für Justiz (BfJ) und den damit verbundenen Kosten zu vermeiden, angeschlossen. Vgl. dazu die Liste der angeschlossenen Unternehmen der söp, abrufbar unter: https://soep-online.de/assets/files/27.04. sop_Mitgliederliste.pdf. 4 Unter dem Dach des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e. V. befindet sich neben dem online Schlichter die E-Commerce Verbindungsstelle. Diese informiert den Verbraucher bei Fragen rund um den elektronischen Geschäftsverkehr und ist auch bei konkreter Problemstellung kontaktierbar. Eine selbstständige außergerichtliche Streitbeilegung wird jedoch nicht betrieben, vielmehr kann sich der interessierte Verbraucher über die in Deutschland verbreiteten Beilegungsmechanismen informieren und aus diesen die für ihn passende Stelle auswählen. 3 Innerhalb
II. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in Schweden und in den Niederlanden 101
bedeutet dies nicht, dass er auch bereit ist, sich einer ihm möglicherweise unbekannten Rechtsform zu unterwerfen. b) Die sektorielle Spezialisierung Die meisten Schlichtungsstellen sind auf einen bestimmten wirtschaftlichen Teilbereich beschränkt und nehmen nach ihren Schlichtungsordnungen nur eine inhaltlich beschränkte Auswahl an möglichen Ansprüchen zur Schlichtung an. Diese sektorielle Spezialisierung ist einer der Gründe für das Vertrauen der Verbraucher in die Zuverlässigkeit der angebotenen außergerichtlichen Streitbeilegung und deren damit verbundenen Erfolg. Diese Spezialisierung bezieht sich allerdings hauptsächlich auf die Kenntnis der deutschen Rechtslage und wird daher in der Regel ausländische Rechtskenntnisse nicht in gleichem Maße umfassen. Deshalb sind die Schlichtungsstellen in Deutschland auch nicht auf grenzüberschreitende Streitigkeiten ausgelegt, sondern vielmehr zur Klärung rein nationale Sachverhalte berufen. 2. Grenzüberschreitende Streitigkeiten Auch bei den Stellen, welche sich grenzüberschreitender Sachverhalte annehmen, beschränkt sich die Hilfe oftmals auf das Auffinden der maßgeblichen Stellen im Ausland bzw. der einschlägigen Informationen über das dortige Verfahren. Weiterhin wird meist auch bei der Übermittlung der Beschwerde geholfen, auch falls diese übersetzt werden muss. Jedoch ist damit das eigentliche Problem des Verbrauchers in derartigen Fällen nicht gelöst. Er steht dann einer ihm fremden Stelle gegenüber, welche im Regelfall in einer ihm unbekannten Sprache operieren wird. Zudem wird, falls die Stelle die Schlichtung anhand rechtlicher Grundsätze vornimmt, meist noch ein unbekanntes Rechtssystem hinzutreten, welches dem Verbraucher ebenso fremd sein wird. Daher ist das Vertrauen des Verbrauchers in eine außergerichtliche Streitbeilegung in gleichem Maße wie bei einem gerichtlichen Verfahren im Ausland begrenzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein derartiges Verfahren eingeleitet und auch beendet wird, hält sich daher in überschaubaren Grenzen.
II. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in Schweden und in den Niederlanden Im Ausland zeigt sich im Hinblick auf grenzüberschreitende Streitigkeiten ein ähnliches Bild wie in Deutschland. Obwohl die Stellen ein anderes Konzept als die deutschen Stellen haben, sind auch sie oftmals nicht auf Konflikte mit Auslandsbezügen eingerichtet. Allerdings finden sich bei einzelnen Stellen Anhaltspunkte, dass unter bestimmten Voraussetzungen bei ausreichendem
102 § 7. Grenzüberschreitende Streitigkeit in der außergerichtlichen Streitbeilegung I nlandsbezug auch grenzüberschreitende Konflikte angenommen werden können. 1. Schweden Das ARN legt bereits in seiner Schlichtungsordnung fest, dass sich die Einrichtung im Grundsatz auf innerstaatliche Konflikte beschränkt. Allerdings kann bei hinreichendem Inlandsbezug der Verbraucher seine Beschwerde gegen einen ausländischen Unternehmer, welcher auf dem schwedischen Markt tätig wurde, von dem ARN behandeln lassen.5 Beschwerden gegen ausländische Unternehmen werden von dem ARN bearbeitet, falls das Unternehmen einen Sitz in Schweden hat oder der Vertrag in Schweden geschlossen wurde. Falls der Vertrag außerhalb von Schweden geschlossen wurde, das Marketing jedoch mit hinreichendem Inlandsbezug stattfand, beispielsweise mittels einer aus Schweden abrufbaren Webseite, kann ebenfalls eine Schlichtung vor dem ARN stattfinden.6 Dies ist dann der Fall, wenn der Verbraucher in Schweden ansässig ist und nicht bereits vorab sicher ist, dass die Schlichtungsempfehlung nicht beachtet werden wird.7 2. Niederlande Die Geschillencommissies in den Niederlanden sind grundsätzlich erst dann für eine Schlichtung zuständig, wenn sich eine einzelne Kommission für einen bestimmten Branchenbereich gebildet hat. Dies ist der Fall, nachdem sich die Branchenvertreter und der Verbraucherschutzbund auf allgemeine Geschäftsbedingungen für die jeweilige Branche geeinigt haben. Darin enthalten ist auch eine Klausel, welche die beteiligten Unternehmen verpflichtet, an einer Schlichtung vor der jeweiligen Kommission teilzunehmen, falls der Verbraucher dies beantragt. Damit wird auch in den Niederlanden die Behandlung von Streitfällen mit Auslandsbezug regelmäßig nicht erfasst, da in der Regel nur holländische Unternehmen sich in einzelnen Branchen organisieren werden und ausländische Unternehmen aus denselben Gründen wie in Deutschland größtenteils nicht in diese Branchenverbände eintreten werden.
5 Vgl. dazu die Angabe auf der Homepage der ARN: „The Board’s inquiry is normally limited to contracts that have been entered into in Sweden“. 6 Offen ist in diesem Zusammenhang jedoch, welche Qualität eine solche Webseite haben muss. Es erscheint aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit vieler Webseiten zweifelhaft, ob eine rein passive Webseite, welche zudem nicht in schwedischer Sprache gehalten ist, einen ausreichenden Inlandsbezug herzustellen vermag. 7 Zum Ganzen Unland-Schlebes, B2C Online Dispute Resolution, S. 163.
III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie
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III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie und in der ODR-Verordnung 1. Die Behandlung in der ADR-Richtlinie Die ADR-Richtlinie will -wie die bisherigen Bemühungen um die außergerichtliche Streitbeilegung – einen Beitrag zum Ausbau und zur Stärkung des Binnenmarkts leisten. Somit nehmen die grenzüberschreitenden Sachverhalte hier eine wesentliche Rolle ein.8 Deren nur unzureichende Behandlung im Rahmen der außergerichtlichen Konfliktbeilegung wurde als eines der Hindernisse zur besseren Marktentwicklung identifiziert.9 Selbst wenn Verfahren zur Verfügung stehen, weisen diese in den verschiedenen Mitgliedstaaten teilweise ein sehr unterschiedliches Qualitätsniveau auf und sind insbesondere bei grenzübergreifenden Streitigkeiten oftmals ineffektiv ausgestaltet.10 Um dem Verbraucher die Möglichkeiten des Binnenmarkts vollständig zu eröffnen, sollte die Möglichkeit der Alternativen Streitbeilegung für alle Arten der (von der ADR-Richtlinie) erfassten inländischen und grenzübergreifenden Streitigkeiten zur Verfügung stehen. Aufgrund des gestiegenen grenzübergreifenden Handels und Personenverkehrs ist es ausweislich des 7. Erwägungsgrundes hierbei besonders wichtig, dass grenzübergreifende Streitigkeiten effektiv bearbeitet werden.11 Die ADR-Richtlinie spricht grenzüberschreitende Sachverhalte im Rahmen des Zugangs zu Streitbeilegungstellen und Verfahren erstmals ausdrücklich an.12 In Art. 5 Abs. 2 lit. e wird den Mitgliedstaaten aufgetragen, dafür zu sorgen, dass AS-Stellen „sowohl inländische als auch grenzübergreifende Streitigkeiten akzeptieren“. In Art. 7 Abs. 1 lit. e wird hinsichtlich der Informationspflichten der AS-Stellen angefügt, dass diese angeben sollen, ob sie „Netzwerken von AS-Stellen zur Erleichterung grenzübergreifender Streitbeilegung angehören“. 8 Auch Rühl, in: Alternative Streitbeilegung – Reden statt Klagen, S. 26, 29 nimmt an, dass die grenzüberschreitenden Sachverhalte im Mittelpunkt von ADR-Richtlinie und ODR-Verordnung stehen. 9 Dies kommt in Erwägungsgrund 6 deutlich zum Ausdruck, indem es heißt, dass die Unterschiede der Alternativen Streitbeilegung in Bezug auf Flächendeckung, Qualität und Bekanntheit in den Mitgliedstaaten ein Hindernis für den Binnenmarkt darstellen und einer der Gründe dafür sind, weshalb viele Verbraucher nicht über die Grenzen hinweg einkaufen und nicht darauf vertrauen, dass mögliche Streitigkeiten mit Unternehmern auf einfache, schnelle und kostengünstige Weise beigelegt werden können. 10 Auf diese Ineffektivität nimmt Erwägungsgrund 5 ausdrücklich Bezug. 11 Allgemein zu den Problemen bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus grenzüberschreitenden Verbraucherverträgen Rösler, Verbraucherverträge, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band 2, S. 1612 ff. 12 Außergerichtliche Streitbeilegungsstellen, die unabhängig von ihrer Bezeichnung auf Dauer eingerichtet sind, die Beilegung einer Streitigkeit nach den Anforderungen der Richtlinie anbieten und in einer Liste gemäß Artikel 20 Absatz 2 geführt werden, sind gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. h als AS-Stellen anzusehen.
104 § 7. Grenzüberschreitende Streitigkeit in der außergerichtlichen Streitbeilegung Somit scheint die Regelung der grenzüberschreitenden Fälle ein wichtiges Anliegen der Richtlinie zu sein. Allerdings relativiert sich dieser Schluss bei einer näheren Betrachtung der weiteren Artikel der Richtline sichtlich. Bereits aus Art. 5 Abs. 1 ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten nur dafür Sorge zu tragen haben, dass unter die Richtlinie fallende Streitigkeiten, an denen ein in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet niedergelassener Unternehmer beteiligt ist, einer Stelle vorgelegt werden können, die den Anforderungen dieser Richtlinie genügt. Gemeint ist damit, dass Beschwerden gegen einen Unternehmer im Grundsatz in dessen Heimatstaat eingereicht werden sollen.13 Dieser Schluss wird durch Art. 14 Abs. 1 bestätigt. Danach sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Verbraucher bei Streitigkeiten, die sich aus grenzübergreifenden Kauf- und Dienstleistungsverträgen ergeben, Unterstützung erhalten können, um in einem anderen Mitgliedstaat die Stelle zu finden, die für ihre grenzübergreifende Streitigkeit zuständig ist. Auch damit will die Richtlinie erreichen, dass grenzüberschreitende Sachverhalte regelmäßig im Sitzstaat des Unternehmers geschlichtet werden sollen.14 In den Augen des unionsrechtlichen Gesetzgebers soll die Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte vor allem durch die Kooperation der streitbeilegenden Stellen untereinander erfolgen. Art. 16 Abs. 1, welcher statuiert, dass die Stellen bei der Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten kooperieren und sich regelmäßig über bewährte Verfahren zur Beilegung von grenzübergreifenden und inländischen Streitigkeiten austauschen sollen, zeigt, dass hier eine Art Netzwerk der einzelnen Stellen geschaffen werden soll, welches die Beilegung der Konflikte erleichtert.15 Neben diesem neu zu schaffendem Netzwerk soll zudem auf bereits bestehende Zusammenschlüsse zurückgegriffen werden. Dieser Gedanke findet sich in den Artt. 16 Abs. 3 und 19 Abs. 3 lit. f, wonach sowohl die Effektivität der Kooperation innerhalb bestehender Netzwerke gesteigert werden soll, als auch AS-Stellen, innerhalb deren Sektor ein Netzwerk bereits etabliert ist, ermutigt werden, sich diesem anzuschließen. 2. Die Behandlung in der ODR-Verordnung Auch die ODR-Verordnung bietet für grenzüberschreitende Streitbeilegung nur ansatzweise eine Lösung. Zum einen findet die Verordnung nur bei Streitig13 Dass gerade diese Gestaltung Verbraucher davon abhält, ihre Ansprüche geltend zu machen betont Rühl, RIW 2013, 737, 740. 14 Zur Möglichkeit einer abweichenden Gestaltung bereits Kotzur, in: Stürner/Gascón Inchausti/Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, S. 59, 62–65. 15 Ebenfalls sollen gemäß Art. 19 Abs. 3 lit. e die AS-Stellen den zuständigen Behörden systematische oder signifikante Problemstellungen, die häufig auftreten und zu Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern führen, mitteilen. Die diesbezüglichen Informationen können von Empfehlungen begleitet sein, wie derartige Probleme in Zukunft vermieden oder gelöst werden können.
III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie
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keiten über vertragliche Verpflichtungen aus Online-Kaufverträgen oder OnlineDienstleistungsverträgen Anwendung und zieht damit ihren Anwendungsbereich um einiges enger als die ADR-Richtlinie. Zum anderen bietet die ODR-Verordnung aber auch für die von ihr erfassten Streitfälle keinen eigenständigen Lösungsansatz. Art. 5 der Verordnung beschäftigt sich mit der Einrichtung der sogenannten OS-Plattform. Diese soll nach Art. 5 Abs. 2 als zentrale Anlaufstelle für Verbraucher und Unternehmer fungieren, welche Streitigkeiten, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, außergerichtlich beilegen möchten. Sie ist eine interaktive Website, auf die in allen Amtssprachen der Organe der Europäischen Union elektronisch zugegriffen werden kann; ihre Nutzung ist kostenfrei. Ihre genauen Aufgaben beschreibt Art. 5 Abs. 4. Dort wird neben verschiedenen administrativen Tätigkeiten in lit. c als hauptsächliche Aufgabe der Plattform beschrieben, dass sie die Ermittlung der zuständigen AS-Stelle und die Übermittlung der Beschwerde an die AS-Stelle, auf die sich die Parteien gemäß Art. 9 geeinigt haben, übernimmt. Somit besteht allein ein Distributionsinstrument, welches die eigentliche Streitbeilegung wiederum den AS-Stellen überlässt. Der Gedanke der Vernetzung nimmt auch innerhalb der ODR-Verordnung eine wichtige Rolle ein. So wird in Art. 7 Abs. 1 die mitgliedstaatliche Pflicht zur Benennung einer OS-Kontaktstelle aufgestellt, die gemäß Abs. 2 die Kommunikation zwischen den Parteien und der zuständigen AS-Stelle erleichtern soll. So sollen beispielsweise die Parteien und die streitbeilegenden Stellen mit allgemeinen Informationen über die Rechte der Verbraucher in Bezug auf Kauf- und Dienstleistungsverträge, die in dem Mitgliedstaat der OS-Kontaktstelle gelten, versorgt werden. Gemäß Art. 7 Abs. 5 wird die Kommission ein Netz dieser Kontaktstellen einrichten, welches eine Zusammenarbeit der Kontaktstellen ermöglichen und damit zur Erfüllung der in Absatz 2 aufgeführten Aufgaben beitragen soll. Somit werden auch hier die Probleme der grenzüberschreitenden Sachverhalte gesehen, allerdings keine signifikant über die Regelungen der ADR-Richtlinie hinausgehenden Lösungen angeboten.16 Es bleiben daher die von der ADR-Richtlinie ungelösten Probleme der grenzüberschreitenden Sachverhalte auch hier weiter bestehen.17 16
Rühl, J. Consum. Pol. 38 (2015), 431, 450 stellt daher treffend fest, dass die beiden Hauptprobleme der grenzüberschreitenden Streitfälle, die Verfahrenskompetenz und die Sprachenfrage durch den Europäischen Gesetzgeber nicht gelöst wurden. 17 Dies verwundert, da nicht nur die mangelnde Nutzung des Binnenmarkts im Allgemeinen als Problem gesehen wird, sondern insbesondere der Ausbau des digitalen Binnenmarktes im Besonderen ein Anliegen des unionsrechtlichen Gesetzgebers ist, wie sich beispielsweise aus der Binnenmarktakte der Zwölf Hebel ergibt. Rühl, in: Alternative Streitbeilegung – Reden statt Klagen, S. 27, 37 f. weist auf die Problematiken eingehend hin und stellt hier fest, dass mit den bisher vorgeschlagenen Regelungen längst nicht alle Schwierigkeiten beseitigt wurden.
106 § 7. Grenzüberschreitende Streitigkeit in der außergerichtlichen Streitbeilegung 3. Die Lösung über Netzwerke Der unionsrechtliche Gesetzgeber setzt bei der Behandlung von grenzüberschreitenden Konflikten auf die Errichtung neuer und den Ausbau bestehender Netzwerke. Diese Idee ist innerhalb der europäischen Rechtsakte nicht neu, sondern kann bereits auf einige Beispiele zurückblicken. Das bekannteste Beispiel hierfür bietet das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentralen, das ECC-Net. Dieses Netzwerk ging im Jahr 2005 aus der Fusion zweier bereits zuvor bestehender Netzwerke, dem Netzwerk der sogenannten „Euroguichets“ und dem europäischen Netz für außergerichtliche Streitbeilegung, dem EEJ-Net, hervor.18 Während den Euroguichets die Aufgabe der Information und Beratung von Verbrauchern über ihre Rechte im Binnenmarkt zukam, war das EEJ-Net primär für die außergerichtliche Streitbeilegung von grenzüberschreitenden Verbraucherstreitfällen vorgesehen. Hierfür wurden Verbindungsstellen, die sogenannten Clearing Houses, in den einzelnen Mitgliedstaaten eingerichtet, welche Beschwerden von Verbrauchern an die im Staat des Unternehmers zuständige Streitbeilegungsstelle vermittelten.19 Die Funktionen der Euroguichets und der Clearing Houses des EEJ-Net wurden durch die Schaffung des ECC-Netzwerks gebündelt und in Deutschland durch das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland unter dem Dach des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e.V. mit Sitz in Kehl wahrgenommen. An das Zentrum können sich sowohl inländische als auch ausländische Verbraucher wenden, wobei in beiden Fällen ein Auslandsbezug bestehen muss. Soweit ein ausländischer Verbraucher eine gegen einen deutschen Unternehmer gerichtete Beschwerde anstrengt, wird diese an die zuständige inländische Schlichtungseinrichtung weitergeleitet. Falls ein deutscher Verbraucher sich gegen einen ausländischen Unternehmer wendet, wird die Beschwerde zunächst einer Eingangsprüfung unterzogen, die unter anderem das auf den Sachverhalt anwendbare Recht und die Erfolgsaussichten der Beschwerde umfasst.20 Im Anschluss daran wird durch das Zentrum der Kontakt zu der jeweiligen Verbindungsstelle im EU-Ausland hergestellt, die dann die Beschwerde an den jeweiligen Unternehmer weiterleitet, um mit diesem eine einvernehmliche Lösung des Streitfalls zu ermöglichen. Ziel des ECC-Netzwerks ist es mithin einerseits den grenz18 Die Abkürzung EEJ-Net steht für „European Extra Judicial Network“; dieses Netzwerk wurde bereits im Jahr 2000 auf gemeinsame Initiative von Europäischem Rat und Kommission hin ins Leben gerufen. Vgl. dazu die Entschließung des Rates von 25. Mai 2000 über ein gemeinschaftsweites Netz einzelstaatlicher Einrichtungen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten, ABl. EG C 155/1 und die Mitteilung der Kommission vom 1. April 2001, KOM(2001), 161 endg. 19 Zur Funktionsweise der Clearing Stellen unter Darstellung der Arbeit der deutschen Vermittlungsstelle Sachse, Der Verbrauchervertrag im internationalen Privat- und Prozessrecht, S. 10. 20 Zum Verfahren des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland eingehend Schüttel, Streitbeilegung im Internet – Zukunft oder Irrweg?, S. 93 ff.
III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie
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überschreitend tätig werdenden Verbraucher über seine Rechte und Pflichten aufzuklären und andererseits diesem bei Streitfällen, die aus den Geschäften entstehen, eine Konfliktlösungsmöglichkeit ohne die kosten- und zeitintensive Einschaltung staatlicher Gerichte zu eröffnen.21 Neben der Information der Verbraucher und der Erleichterung der grenzüberschreitenden außergerichtlichen Streitbeilegung wird durch die Arbeit der Mitglieder des ECC-Netzwerks zudem ein wertvoller Einblick in aktuelle Entwicklungen im europäischen Verbraucherrecht und dessen Durchsetzung ermöglicht. Dieser kann beispielsweise Grundlage für neue Gesetzgebungsinitiativen sein und damit für die punktuelle Verbesserung des Verbraucherschutzes im Binnenmarkt genutzt werden.22 Finanziert wird das ECC-Netzwerk zum einen durch Mittel der Europäischen Union und zum anderen durch Gelder der einzelnen Mitgliedstaaten.23 Darüber hinaus besteht im Rahmen der Finanzdienstleistungen ein ähnlich ausgestaltetes Netzwerk, das FIN-Net, welches ein Netz nationaler Stellen für die außergerichtliche Beilegung von Finanzstreitigkeiten in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums bildet.24 Die Mitglieder des Netzwerks sind für Streitfälle zwischen Verbrauchern und Finanzdienstleistern, wie beispielsweise Banken, Versicherungen oder Wertpapierfirmen, zuständig. Im Rahmen von grenzüberschreitenden Fällen wird durch die FIN-Net-Mitglieder für den Verbraucher der Kontakt zur zuständigen außergerichtlichen Schiedsstelle hergestellt und dieser mit den erforderlichen Informationen zur Streitbeilegung versorgt. In Deutschland sind unter anderem der Versicherungsombudsmann, der Ombudsmann der privaten Banken sowie die Schlichtungsstelle bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Mitglieder des FIN-Netzwerks.25 Das Konzept der Netzwerke wird nicht nur im Bereich der alternativen Streitbeilegung praktiziert. Auch innerhalb des europäischen Verwaltungsrechts wurde im Jahre 2002 mit dem SOLVIT-Netzwerk eine binnenmarktstärkende Zusammenarbeit ins Leben gerufen.26 Dieses Netzwerk von Beschwerdebehörden in den Mitgliedstaaten ist zuständig für die außergerichtliche Lösung 21 So beschreibt auch Cortés, in: Drake/Smith, New Directions in the Effective Enforcement of EU Law and Policy, S. 202, 209 die Zielsetzung des Netzwerks. 22 Auf diesen Umstand weist Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, S. 305 besonders hin. 23 Zur Finanzierung des Netzwerks Cortés, in: Drake/Smith, New Directions in the Effective Enforcement of EU Law and Policy, S. 202, 209. 24 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/finance/fin-net/index_de.htm. 25 Die Aufstellung aller Mitglieder findet sich unter: https://ec.europa.eu/info/businesseconomy-euro/banking-and-finance/consumer-finance-and-payments/consumer-financialservices/financial-dispute-resolution-network-fin-net/fin-net-network/members-fin-netcountry_de. 26 Seinen Ursprung fand das SOLVIT-Netzwerk in einer Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Eine wirksame Problemlösung im Binnenmarkt (SOLVIT)“ KOM(2001) 702 endg. und der darauf folgenden Empfehlung der Kommission vom 7. Dezember 2001 über Grund-
108 § 7. Grenzüberschreitende Streitigkeit in der außergerichtlichen Streitbeilegung von Beschwerden von Unternehmen und Unionsbürgern über eine fehlerhafte Anwendung der Binnenmarktvorschriften durch nationale Behörden. Die Besonderheit des Systems liegt in seiner Ausrichtung auf grenzüberschreitende Sachverhalte, die bei einem Verstoß gegen Unionsrecht gegeben sind, der einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist und zugleich mehrere Mitgliedstaaten berührt.27 Weiterhin wird zum Schutze der Verbraucher auch die behördliche Zusammenarbeit der einzelnen Mitgliedstaaten gestärkt. Beispielhaft hierfür ist die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz.28 Diese regelt die Bedingungen, unter denen die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten, die als für die Durchsetzung der Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen verantwortlich benannt wurden, miteinander und mit der Kommission zusammenarbeiten, um den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher zu gewährleisten, dass diese Gesetze eingehalten werden und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sichergestellt wird. 4. Das Gebot der Mindestharmonisierung Bei aller Kritik darf nicht übersehen werden, dass die ADR-Richtlinie vom Grundsatz der Mindestharmonisierung ausgeht. Es steht daher den Mitgliedstaaten frei, über die aufgestellten Mindeststandards hinaus weitergehende Maßnahmen zur Beilegung grenzüberschreitender Konflikte zu treffen. Dies klingt beispielsweise im Erwägungsgrund 26 der ADR-Richtlinie an, welcher ausdrücklich darauf hinweist, dass die Möglichkeit einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmer in den Zuständigkeitsbereich einer AS-Stelle fallen zu lassen, welche in einem anderen Mitgliedstaat ihren Sitz hat, von dieser Richtlinie nicht ausgeschlossen wird. Auch die Möglichkeit regionaler, länderübergreifender oder europaweiter AS-Stellen soll in Erwägung gezogen werden. Allerdings bleibt eine wichtige Frage nach der ersten Untersuchung der beiden Rechtsakte offen. Die Unterstützung der Verbraucher durch Netzwerke bei grenzüberschreitenden Streitfällen wird bereits heute effektiv durch die Mitglieder des ECC-Netzes betrieben.29 Ob allein durch eine Erhöhung der außergerichtlichen Einheiten der Schutz der Verbraucher bei länderübergreifenden Konflikten ausreichend gestärkt wird, ohne dass auch eine reale Möglichkeit der sätze zur Nutzung von „SOLVIT“, dem Problemlösungsnetz für den Binnenmarkt, ABl. EG 2001 L 331/79. 27 Eingehend zum SOLVIT-Systen Gundel, EuR 2013, 466 ff. Zu weiteren Aspekten der alternativen Streitbeilegung innerhalb des europäischen Verwaltungsrechts Weiß, DVBl 2014, 553–562. 28 ABl. 2004 L 364/1, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 954/2011, ABl. 2011 L 259/1. In Deutschland dient das Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3367) der notwendigen Umsetzung der Verordnung. 29 Vorschläge für den zukünftigen Ausbau des ECC-Net finden sich bei Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, S. 312.
III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie
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Verfahrensführung im Inland zur Verfügung gestellt wird, erscheint allerdings fraglich. Die Mitglieder des ECC-Netzwerks sind auf grenzüberschreitende Sachverhalte spezialisiert, während dies nicht von jeder nationalen Stelle behauptet werden kann. Wenn also die Behandlung der im Fokus der Rechtsakte stehenden grenzüberschreitenden Sachverhalte wiederum allein durch bereits bestehende Netzwerke in Anwendung bisher bestehender Mechanismen von statten gehen soll, so ist keine nennenswerte Verbesserung der Situation für die Verbraucher erkennbar. Dies erscheint mit Blick auf die sowohl für die der ADRRichtlinie als auch für die ODR-Verordnung maßgebende Kompetenzgrundlage des Art. 114 AEUV, welcher für den Erlass von Rechtsvorschriften einen Beitrag zur Verwirklichung des Binnenmarktes verlangt, problematisch.30 Die Stärkung des Binnenmarktes durch den Abschluss von grenzüberschreitenden Vertragsschlüssen als erklärtes Ziel der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung würde mit den erlassenen Regelungen nicht ausreichend gefördert und die Rechtsakte verlören in dieser Hinsicht einen großen Teil ihrer Legitimationsbasis. 5. Die Umsetzung in nationales Recht Die ADR-Richtlinie wurde in Deutschland durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) umgesetzt.31 Dem Gesetz liegt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz32 und der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten zugrunde.33 Mit dem VSBG hat der deutsche Gesetzgeber ein Rahmengesetz erlassen, das den streitbeilegenden Stellen bestimmte Vorgaben macht, die für die Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle zu erfüllen sind.34 30 Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 114 AEUV Rn. 68 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass es subjektiv und objektiv um die Verbesserung der Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes gehen muss. 31 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19. Februar 2016, BGBl. I S. 254. 32 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 10. November 2014, abrufbar unter: http://www. bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_zum_Verbraucherstreitbeile gungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=5. 33 Der Text des Entwurfs ist abrufbar unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetz gebungsverfahren/Dokumente/RegE_ADR-Richtlinie.pdf?__blob=publicationFile&v=5. 34 Einen Überblick zum unionsrechtlichen Hintergrund des VSBG gibt beispielsweise Weber, VuR Sonderheft 2016, 22–29.
110 § 7. Grenzüberschreitende Streitigkeit in der außergerichtlichen Streitbeilegung Sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Sachverhalte fallen in den Anwendungsbereich des VSBG. Allerdings wird, ähnlich wie in der ADRRichtlinie selbst, keine gesonderte Behandlung von grenzüberschreitenden Sachverhalten vorgenommen.35 Dass diesen keine besondere Bedeutung zugemessen wird, wurde bereits in den Entwürfen zum Verbraucherstreitbeilegungsgesetz an mehreren Stellen deutlich.36 Die Konzentration auf rein innerstaatliche Sachverhalte erscheint aufgrund der zu erwartenden Häufigkeit zwar nachvollziehbar, jedoch wird durch die Vernachlässigung der grenzüberschreitenden Streitfälle das eigentlich verfolgte Ziel der Binnenmarktstärkung nicht konsequent verfolgt.37 a) Die Zuständigkeit Zunächst findet im Rahmen der Zuständigkeit sowohl für die privatrechtlich organisierten als auch für die durch die Länder einzurichtenden behördlichen Auffang- bzw. Universalschlichtungsstellen keine nähere Auseinandersetzung mit grenzüberschreitenden Sachverhalten statt. Vielmehr sah der Referentenentwurf für die privaten Verbraucherschlichtungsstellen die Niederlassung des Unternehmers im Inland noch als Voraussetzung für eine Schlichtung vor.38 Ausweislich der Begründung resultiere diese Beschränkung des Zuständigkeitsbereichs aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 ADR-RiLi und sei als solche zwingend.39 Zudem war in § 3 Abs. 2 S. 1 RefE die Möglichkeit der Beschränkung der Zuständigkeit auf bestimmte Wirtschaftsbereiche, Vertragstypen oder Unternehmer vorgesehen. Die subsidiäre Auffangschlichtung sah ebenfalls eine Beschränkung ihres Schlichtungsangebots auf im Inland niedergelassene Unternehmer vor.40 Die zwingende Begrenzung auf im Inland niedergelassene Unternehmer findet sich im Regierungsentwurf zwar nicht wieder, jedoch wird auch dort die Möglichkeit der Zuständigkeitsbeschränkung weiterhin vorgesehen. Zum einen kann die Verbraucherschlichtungsstelle ihre Zuständigkeit für Unternehmer, die nicht im Inland niedergelassen sind, ausschließen.41 Zum anderen kann die Zu35
Zum Zuständigkeitssystem des VSGB Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, VSGB, § 4 Rn. 6 ff. 36 Kritisch zu den Gesetzentwürfen Kotzur, VuR 2015, 243–251. 37 Dieser Schluss wurde bereits zur ADR-Richtlinie gezogen. Dazu Kotzur, in: Stürner/ Gascόn Inchausti/Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice – New Trends in Access to Justice under EU Directive 2013/11, S. 59, 62. 38 Die Verbraucherschlichtungsstelle führt auf Antrag eines Verbrauchers Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten aus einem Verbrauchervertrag nach § 310 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder über das Bestehen eines solchen Vertragsverhältnisses durch, wenn der Unternehmer im Inland niedergelassen ist; § 3 Abs. 1 Hs. 1 RefE. 39 Vgl. hierzu die Begründung des RefE auf S. 49, 50. 40 Vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 2 RefE. 41 Vgl. § 4 Abs. 4 Hs 2 RegE.
III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie
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ständigkeit auf in einem Land niedergelassene Unternehmer beschränkt werden. In diesem Fall muss das Land angegeben werden, für das die Stelle zuständig ist. Eine solche Zuständigkeitsbeschränkung kann sich auch auf mehrere Länder beziehen und muss dann dementsprechend gekennzeichnet werden.42 Die nunmehr als Universalschlichtungsstelle bezeichnete behördliche Auffangschlichtung kann die Durchführung einer außergerichtlichen Streitbeilegung hingegen nur dann ablehnen, wenn weder der Unternehmer im Inland niedergelassen ist noch der Verbraucher in diesem Land seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.43 Das VSBG übernimmt die diesbezüglichen Regelungen des Regierungsentwurfs in § 4 Abs. 2 S. 3 und 4 sowie Abs. 4 Hs. 2 für die privaten Verbraucherschlichtungsstellen und in § 30 Abs. 1 Nr. 2 für die Universalschlichtungsstellen der Länder.44 Damit klingt die Möglichkeit der Aufnahme von grenzüberschreitenden Sachverhalten in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Stellen zwar an. Allerdings findet sich innerhalb des VSBG keine positive Aussage über die Zuständigkeit für grenzüberschreitende Sachverhalte. Damit wird deutlich, dass das in der Richtlinie angestrebte Ziel der Binnenmarktstärkung kein wesentlicher Aspekt der nationalen Umsetzung ist.45 Zwar wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass durch die Berücksichtigung der Orte, von denen aus ein Unternehmer Geschäfte schließt, grundsätzlich gewährleistet sei, dass für Verbraucherklagen, die in Deutschland wegen des besonderen Gerichtsstandes der Niederlassung gemäß Art. 7 Nr. 5 EuGVVO gerichtlich anhängig gemacht werden können, auch die Möglichkeit einer vorangehenden Streitbeilegung bei einer in Deutschland tätigen Verbraucherschlichtungsstelle besteht.46 Damit sind jedoch nur Fälle umfasst, in denen der Unternehmer tatsächlich eine Niederlassung im Inland unterhält.47 Auf diese Weise wird allerdings nur ein Teil 42
§ 4 Abs. 2 S. 3, 4 RegE. § 30 Abs. 1 Nr. 2 RegE. 44 Höxter, VuR Sonderheft 2016, 29, 31, weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass von der Einrichtung einer Universalschlichtungsstelle durch das jeweilige Land abgesehen werden kann, wenn ein ausreichendes Schlichtungsangebot besteht. Das Schlichtungsangebot ist gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 VSBG dann ausreichend, wenn für jede Streitigkeit nach § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG mit einem in diesem Land niedergelassenen Unternehmer eine Verbraucherschlichtungsstelle zur Verfügung steht, deren Verfahren dem Unternehmer zur Teilnahme offensteht. Falls demnach diese (private) Schlichtungsstelle wiederum ihre Zuständigkeit auf in ihrem Bundesland ansässige Unternehmer begrenzt, könnte es einem inländischen Verbraucher im Endeffekt verwehrt sein, sich an eine inländische Stelle zur Klärung seines Streitfalls mit einem ausländischen Unternehmer wenden zu können. 45 So auch Fuchs, ZUM 2016, 398, 410. 46 Vgl. BT-Drs. 18/5089, S. 54. 47 Unter einer Niederlassung wird eine dauerhafte Außenstelle eines im Ausland ansässigen Stammhauses verstanden. Charakteristisch für eine Niederlassung ist insbesondere, dass sich ein eigener Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit sowohl mit hinreichender personeller als auch materieller Ausstattung im Land der Außenstelle befindet. Erst dadurch dürfen Vertragspartner darauf vertrauen, sich bei Rechtsstreitigkeiten nicht unbedingt mit dem im Ausland 43
112 § 7. Grenzüberschreitende Streitigkeit in der außergerichtlichen Streitbeilegung der grenzüberschreitenden Sachverhalte erfasst. Gerade Streitfälle mit kleinen oder mittleren Unternehmen, welche regelmäßig keine Niederlassungen in anderen Mitgliedstaaten unterhalten, werden dagegen außerhalb des Verbraucherstaats behandelt werden müssen. Gleiches gilt für den grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehr, der einen wesentlichen Teil der Verbraucherbeschwerden betreffen wird.48 Da dieser als eine Säule der Wirtschaftstätigkeit in der Union angesehen wird, welche es mit der außergerichtlichen Streitbeilegung zu stärken gilt, verwundert die mangelnde Berücksichtigung der Fälle in der deutschen Umsetzung umso mehr.49 b) Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit Das VSBG geht davon aus, dass wenn ein Verbraucher mit einem Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat einen Vertrag schließt, in der Regel eine Verbraucherschlichtungsstelle dieses anderen Mitgliedstaates zuständig sein wird.50 Da der Verbraucher mit den Verhältnissen in diesem anderen Staat meistens nicht vertraut sein wird und zudem sprachliche Probleme bei der Verfahrensführung auftreten können, sollen die Verbraucherschlichtungsstellen im Inland gemäß § 38 VSBG mit den Stellen im mitgliedstaatlichen Ausland, die für die außergerichtliche Beilegung vergleichbarer Streitigkeiten zuständig sind, zusammenarbeiten.51 Der Verbraucher soll ferner bei der Ermittlung der zuständigen Streitbeilegungsstelle in einem anderen Mitgliedstaat durch das Bundesamt der Justiz unterstützt werden.52 Damit bleiben allerdings die Hemmnisse, die den Verbraucher von der grenzüberschreitenden Verfolgung seiner Ansprüche abhalten, größtenteils bestehen.
befindlichen Stammhaus auseinander setzen zu müssen. Vgl. zum Ganzen Dörner, in: SaengerZPO, Art. 7 EuGVVO Rn. 38 ff. 48 Eine rein virtuelle Niederlassung, beispielsweise durch den Betrieb einer interaktiven Website, ist nicht ausreichend, um den Anwendungsbereich des Art. 7 Nr. 5 EuGVVO zu eröffnen, vgl. Stadler, in: Musielak-ZPO, Art. 7 EuGVVO Rn. 25 unter Verweis auf OLG Düsseldorf IPRax 1998, 210. 49 Vgl die Erwägungsgründe 9, 10 und 11 der ADR-Richtlinie, welche die Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs im Allgemeinen und der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit im Besonderen herausstellen. 50 Vgl. BT-Drs. 18/5089, S. 76. 51 Als mögliche Form der Zusammenarbeit wird der Zusammenschluss in Netzwerken, wie beispielsweise das von der Europäischen Kommission initiierte Netzwerk der Schlichtungsstellen für Finanzdienstleistungen, angeführt. Zu weiteren Möglichkeiten vgl. Steike, in: Borowski/ Röthemeyer/Steike, VSBG, § 38 Rn. 3. 52 Das Bundesamt für Justiz bietet sich hierfür an, da es als Zentrale Anlaufstelle unmittelbar die aktuellen Informationen über die Schlichtungsstellen anderer Staaten von der Europäischen Kommission erhält, BT-Drs. 18/5089, S. 76.
III. Die grenzüberschreitende Streitigkeit in der ADR-Richtlinie
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6. Fazit Die ADR-Richtlinie soll im Zusammenspiel mit der ODR-Verordnung es den Verbrauchern erleichtern, ihre aus grenzüberschreitenden Sachverhalten resultierenden Forderungen zu realisieren. Dafür darf das Schutzniveau nicht hinter den bereits bestehenden Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung zurückbleiben. Im Vergleich zu einem gerichtlichen Verfahren ist der Verbraucher sowohl im Ausgangspunkt der ADR-Richtlinie als auch im Rahmen der Umsetzung im VSBG jedoch schlechter gestellt, da ihm die Möglichkeit einer Verfahrensführung im Inland regelmäßig faktisch verwehrt wird.53 Trotzdem besteht weiter die Notwendigkeit, dass der Verbraucher in grenzüberschreitenden Fällen unter gewissen Umständen ein außergerichtliches Verfahren auch in seinem Heimatstaat durchführen lassen kann. Wie ein solches Konzept aussehen kann, soll nunmehr dargestellt werden.
53 Auf diesen Umstand weisen Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, ZEuP 2014, 9, 33 für die ADR-Richtlinie hin und sprechen insofern von einem Verbraucherbeschwerdeverfahren, das den Unternehmer davor schützt, sich im Staat des Verbrauchers verantworten zu müssen. Tonner, ZKM 2015, 132, 133 spricht sogar davon, dass die ADR-Richtlinie bei grenzüberschreitenden Sachverhalten versage.
Teil 3
Möglichkeiten der Entwicklung
§ 8. Das Konzept für eine Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten Die derzeitigen Regelungen der Zuständigkeitsbestimmung für außergerichtliche Streitbeilegungen sind auf einen bestimmten Umstand zurückzuführen. Bisher waren die Institutionen, die sich mit alternativer Streitbeilegung befassen, größtenteils auf nationale Sachverhalte zugeschnitten. Grenzüberschreitende Sachverhalte waren innerhalb der Systeme entweder nicht der Schlichtung zugänglich oder nur zu einem geringen Anteil relevant, sodass sich die Frage nach einer besonderen Verfahrenseröffnung nicht in drängendem Maße stellte. Dies könnte sich durch die vom unionsrechtlichen Gesetzgeber vorgegebene Prämisse, nach der auch für grenzüberschreitende Sachverhalte außergerichtliche Streitbeilegungssysteme bereitzuhalten sind, zukünftig ändern.1
I. Die Vorteile einer speziellen Regelung für grenzüberschreitende Streitfälle Vor diesem Hintergrund ist insbesondere zu bedenken, dass der europäische Gesetzgeber im Rahmen des internationalen gerichtlichen Rechtsschutzes einen besonderen Gerichtstand für Verbrauchersachen von Anfang an als notwendig erachtete. Dieser sollte den Verbrauchern die Möglichkeit eröffnen, unter bestimmten Umständen ihre Ansprüche in ihrem Heimatstaat durchsetzen zu können, ohne die Mühen eines ausländischen Zivilverfahrens über sich ergehen lassen zu müssen. Sollte eine derartige Möglichkeit im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht geschaffen werden, so würde dies einen erheblichen Rückschritt für den verfahrensrechtlichen Verbraucherschutz bedeuten.2 Zudem 1 Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, S. 307 führt das Herkunftslandprinzip innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung darauf zurück, dass der bisher verfolgte Ansatz des unionsrechtlichen Gesetzgebers sich allein auf die Vernetzung bestehender nationaler Verfahren beschränkte. Da die ADR-Richtlinie sich der Schaffung einer flächendeckenden außergerichtlichen Streitbeilegungslandschaft verschreibt und dabei die grenzüberschreitenden Sachverhalte besonders hervorhebt, bedarf es einer Überarbeitung dieses Ansatzes. 2 Die Schaffung eines dem europäischen Zivilprozess entsprechenden Verbrauchergerichtsstands wird auch für das nationale Zivilprozessrecht mit ähnlichen Erwägungen gefordert. Dazu Staudinger, DAR 2013, 696, 699; derselbe spricht in jM 2014, 229, 235 von einem bestehendem Schutzdefizit innerhalb der ZPO.
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§ 8. Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten
würde es dem Sinn und Zweck der erlassenen Rechtsakte, das Verbrauchervertrauen in die Nutzung des Binnenmarktes zu stärken, zuwiderlaufen, falls es nicht möglich wäre, ein außergerichtliches Verfahren gegen einen Unternehmer auch außerhalb von dessen Sitzstaat durchführen zu können.3 Auch der Unternehmer kann von einer Zuständigkeitsbestimmung für grenzüberschreitende Sachverhalte profitieren. Diese schafft für Unternehmer, die sich Märkte in anderen Mitgliedstaaten erschließen wollen und dabei die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung als Konfliktlösungsinstrument in Erwägung ziehen, die Vorhersehbarkeit, wo genau ein derartiges Verfahren potentiell durchgeführt werden wird. Diese Vorhersehbarkeit schafft für Unternehmer Planungssicherheit, welche den grenzüberschreitenden Handel unterstützen kann und damit den Ausbau des Binnenmarktes stärkt. Zudem kann die Entwicklung einer Zuständigkeitsvorschrift nicht nur für einzelne Unternehmer, sondern für gesamte Branchen förderlich wirken. Soweit dem Vorbild der holländischen Geschillencommissies entsprechend Allgemeine Geschäftsbedingungen für die gesamte Branche erlassen werden, kann die Aufnahme einer Zuständigkeit für grenzüberschreitende Sachverhalte für bestimmte Zweige als sinnvolle Ergänzung mit aufgenommen werden. Dies könnte beispielsweise im Tourismus oder bei den öffentlichen Beförderungsdienstleistungen eine einheitliche Behandlung der dort häufig auftretenden grenzüberschreitenden Streitfälle sicherstellen. Schließlich muss auch die volkswirtschaftliche Dimension der außergerichtlichen Streitbeilegung in den Blick genommen werden. Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie dazu angehalten, für die in den Anwendungsbereich fallenden Streitigkeiten, an denen ein in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet niedergelassener Unternehmer beteiligt ist, eine Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung vorzuhalten. Dies gilt in besonderem Maße für grenzüberschreitende Sachverhalte. Damit einher geht die Notwendigkeit, die streitbeilegenen Stellen mit ausreichenden finanziellen Mitteln auszustatten, damit diese ihre Aufgaben wahrnehmen können. Ausgehend vom Verständnis der ADR als kostengünstige Möglichkeit der Konfliktlösung für den Verbraucher ist hierbei davon auszugehen, dass allein durch diesen eine kostendeckende Finanzierung der jeweiligen Stellen nicht gewährleistet werden kann. Somit werden die Kosten der außergerichtlichen Streitbeilegung im Rahmen der privatrechtlich organisierten Streitbeilegung durch die angeschlossenen Unternehmer, im Rahmen der behördlichen Auffangschlichtung von der öffentlichen Hand getragen werden müssen. Eine derartige Finanzierung wird, gleich ob privat oder staatlich, nur den Stellen zukommen, die eine tatsächliche Nutzung nachweisen können. Eine Nutzung durch Verbraucher wie Unternehmer wird 3 Vgl. die Kritk von Loos, ERPL 24 (2016), 61, 74, 75, der in der in der ADR-Richtlinie vorgesehenen grundsätzlichen Zuweisung grenzüberschreitender Sachverhalte an Stellen im Unternehmerstaat eine Aushöhlung des Verbraucherschutzes sieht.
II. Das Grundverständnis der Zuständigkeitsbestimmung
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sich allerdings nur dann einstellen, falls die außergerichtliche Streitbeilegungsstelle eine besondere Expertise zur Konfliktbehandlung vorweisen kann. Diese Expertise wird seitens der Streitbeilegungsstellen meist durch eine Fokussierung auf bestimmte Sachverhalte erreicht. Somit bietet sich für den bisher kaum erschlossenen Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung für grenzüberschreitende Sachverhalte die Schaffung einer Zuständigkeitsnorm an, welche einer Stelle die Spezialisierung für derartige Streitfälle ermöglicht.4
II. Das Grundverständnis der Zuständigkeitsbestimmung Vorab ist festzuhalten, dass die Zuständigkeitsbestimmung innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht denselben Zwecken wie die Zuständigkeitsnormen des nationalen oder internationalen Zivilprozessrechts dient. Ob sich trotz der bestehenden Unterschiede eine Orientierung an den bestehenden prozessualen Normen anbietet, und falls ja, welche Normkomplexe sich für eine Heranziehung eignen, wird im Folgenden untersucht. 1. Zuständigkeit im gerichtlichen Verfahren Die Zuständigkeitsordnung der Zivilprozessordnung gliedert sich in 4 Untergruppen: Die erste Gruppe behandelt die internationale Zuständigkeit, mittels derer bestimmt wird, ob die Gerichte im Inland überhaupt zur Streitentscheidung berufen sind.5 Die sachliche Zuständigkeit weist den jeweiligen Rechtsstreit den einzelnen Instanzen, wie dem Amts- oder Landgericht zu, während die örtliche Zuständigkeit eine Aussage darüber trifft, welches von mehreren gleichartigen Gerichten in verschiedenen Bezirken tätig wird. Die funktionale Zuständigkeit schließlich legt zum einen fest, welche Rechtspflegeaufgaben 4 Dies gilt insbesondere, da ohne eine solche Bestimmung nicht erwartet werden kann, dass sich spezialisierte Stellen für grenzüberschreitende Sachverhalte ausbilden bzw. bereits bestehende Stellen für diese Streitfälle eine Beilegungsmöglichkeit schaffen werden. Ohne deren effektive Behandlung wird das Hauptziel von ADR-Richtlinie und ODR-Verordnung, die Stärkung des Binnenmarkts durch den Ausbau grenzüberschreitender Transaktionen, nicht erreicht werden. Hierzu stellt Davies, in: Hess/Bergström/Storskrubb, EU Civil Justice – Current Issues and Future Outlook, S. 35, 53 treffend fest, dass nicht erkennbar sei, wo die ADR-Richtlinie und die ODR Verordnung von sich aus Anreize für grenzüberschreitende Verbraucherverträge setzen. 5 Die ZPO selbst regelt die internationale Zuständigkeit nur mittelbar in den §§ 12 ff. Falls danach ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, wird hierdurch regelmäßig die internationale Zuständigkeit indiziiert. vgl. BGHZ 134, 116, 117. Zur Doppelfunktionalität der örtlichen Zuständigkeit H. Roth, in: Stein/Jonas-ZPO, vor § 12 Rn. 32 ff. Allerdings haben internationale Abkommen, wie etwa die EuGVVO, Vorrang gegenüber den nationalen Regelungen. Eingehend zur Regelung der internationalen Zuständigkeit innerhalb der ZPO Patzina, in: MüKoZPO, § 12 Rn. 57 ff.
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§ 8. Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten
welchem Gericht zugewiesen sind und zum anderen welchem Organ an einem Gericht welche Aufgabe zukommt.6 Die Zuständigkeitsordnung der ZPO bestimmt allerdings nicht alleine die Festlegung eines orts- und sachnahen Gerichts, vielmehr erfüllt sie vor dem Hintergrund der Funktionen des staatlichen Zivilprozesses noch weitere Aufgaben. Eine der wichtigsten Aufgaben besteht darin, den grundgesetzlich garantierten gesetzlichen Richter zu gewährleisten.7 Das System der §§ 12 ff. ZPO konkretisiert den in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG niedergelegten Grundsatz unter Berücksichtigung des Gedankens der Waffengleichheit der am Zivilprozess beteiligten Parteien.8 Zudem wird die effektive Ausübung des in Art. 103 Abs. 1 GG als Grundrecht ausgestalteten Anspruches auf rechtliches Gehör sichergestellt.9 Zur Gewährleistung dieser Funktionen folgt die Zuständigkeitsordnung einem dezidierten System, welches sowohl den Interessen des Klägers als auch denen des Beklagten Rechnung trägt. Wegen dieser Prämisse werden den die jeweiligen Gerichtsstände begründenden Normen eigene Gerechtigkeitsgehalte zugemessen.10 Die Zuständigkeitsordnung der deutschen Zivilprozessordnung hat damit die Schaffung eines rationellen und effektiven Gerichtssystems im Blick.11 Die Zweckmäßigkeit der einzelnen Vorschriften steht dabei gleichgeordnet neben ihrem Gerechtigkeitsgehalt.12 Bei der Ausgestaltung des Systems spielen je nach Art der Zuständigkeit verschiedene Faktoren, wie beispielsweise die Ortsund Sachnähe des einzelnen Gerichts oder das Verhältnis der Prozessparteien zueinander, eine entscheidende Rolle. 2. Verfahrenseröffnung im außergerichtlichen Verfahren Im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung ist der Fokus zunächst darauf gerichtet, den Verbraucher darüber zu informieren, welche verschiedenen Möglichkeiten der Streitbeilegung sich ihm eröffnen. Soweit sich eine Stelle 6 Eingehend zur Zuständigkeitsordnung Wöstmann, in: MüKo-ZPO, § 1 Rn. 6 ff. und Heinrich, in: Musielak-ZPO, § 1 Rn. 7 ff. 7 Vgl. Heinrich, in: Musielak-ZPO, § 12 Rn. 1; Bendtsen, in: Saenger-ZPO, § 12 Rn. 2. 8 Zum Prinzip der Waffengleichheit im Zivilprozess eingehend Schlosser, NJW 1995, 1404. 9 Patzina, in: MüKo-ZPO, § 12 Rn. 2. 10 Patzina, in: MüKo-ZPO, § 12 Rn. 2 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Bestimmung des Gerichtstands sowohl von prozessökonomischer Zweckmäßigkeit, wie der Sachnähe oder Fachkundigkeit eines Gerichtes, als auch von materiellen Gerechtigkeitserwägungen getragen wird; Heinrich, in: Musielak-ZPO, § 12 Rn. 1 dass der dem System zugrunde liegende Gedanke der prozessualen Waffengleichheit durch ein fein austariertes und differenziertes System, welches die Interessen des Beklagten genauso wie die des Klägers angemessen berücksichtigt, zur Geltung kommt. 11 So Vollkommer, in: Zöller-ZPO, § 1 Rn. 1. 12 Vgl. Patzina, in: MüKo-ZPO, § 12 Rn. 3; H. Roth, in: Stein/Jonas-ZPO, vor § 12 Rn. 3.
II. Das Grundverständnis der Zuständigkeitsbestimmung
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beispielsweise um die grenzüberschreitende Streitbeilegung kümmert, soll der Verbraucher anhand deren Verfahren selbstständig entscheiden können, ob er von dem unverbindlichen Angebot Gebrauch macht oder nicht. Hier zeigt sich der erste Unterschied zum Verständnis der Zuständigkeitsbestimmung im Zivilprozess. Der Fokus richtet sich nicht primär darauf, die eine konkret zuständige Stelle auszuweisen, sondern vielmehr die jeweils denkbaren Streitbeilegungsstellen aufzuzählen, um den Beteiligten ihre Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Des Weiteren kann mit der Zuständigkeit der jeweiligen Stelle ausgesagt werden, dass sich diese im Rahmen einer Reglementierung in ihrer Verfahrensordnung nur mit bestimmten Sachverhalten befassen will, für welche eine besondere Expertise vorhanden ist. Diese Beschränkung bezweckt die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Streitbeilegung und unterscheidet sich grundsätzlich von der umfassenderen Zuständigkeit der Gerichte, welche ihr Verfahren normalerweise nicht nur auf bestimmte enger begrenzte Sachverhalte beschränken können.13 Allerdings sind im Rahmen der bisher untersuchten Stellen durchaus Parallelen mit den genannten Prinzipien des Zivilprozesses vorhanden. Auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung soll sich eine möglichst kompetente Stelle mit den jeweiligen Sachverhalten auseinander setzen. Diese orientiert sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit an den Interessen der Beteiligten, um beiden Seiten ein möglichst attraktives Angebot zur Streitbeilegung zu unterbreiten. Grund hierfür ist, dass die streitbeilegende Stelle mit ihrem Angebot möglichst viele Parteien erreichen will, um ihre Arbeit auch tatsächlich ausüben zu können. 3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im gerichtlichen und außergerichtlichen Bereich Die Frage der sachlichen Zuständigkeit wird sich im Rahmen außergerichtlicher Verfahren kaum stellen. Dies liegt bereits daran, dass keine unterschiedlichen Eingangsinstanzen bestehen, zwischen denen eine Auswahl getroffen werden muss. Ebenso verhält es sich bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit, verstanden als Auswahl gleichgeordneter Instanzen in verschiedenen Bezirken. Meist 13 Zwar bestehen beispielsweise in den Landgerichten auch Kammern, welche sich speziell mit Versicherungsvertragssachen oder Architektenhaftung beschäftigen, dennoch gilt auch vor den Landgerichten der Grundsatz, dass allgemeine zivilrechtliche Streitigkeiten im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit abhängig vom jeweiligen Streitwert behandelt werden, ohne dass es auf einen bestimmten Sachverhalt ankäme. Die Zuweisung der einzelnen Klagen innerhalb der Landgerichte wird durch einen Geschäftsverteilungsplan geregelt, dessen Aufstellung Teil der gerichtlichen Selbstverwaltung ist, § 21e GVG. Der Geschäftsverteilungsplan dient der Umsetzung des Gebots des gesetzlichen Richters gem Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, dessen Aufstellung verantwortet das Präsidium, welches gemäß § 21a GVG bei jedem Gericht zu bilden ist. Eingehend zur Geschäftsverteilung Zimmermann, in: MüKo-ZPO, § 21e GVG Rn. 6 ff.
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§ 8. Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten
wird sich innerhalb eines Sektors nur eine spezialisierte Stelle bilden, welche für bestimmte Streitfälle eine Schlichtungsmöglichkeit eröffnet.14 Somit erübrigt sich eine Auswahl zwischen mehreren Stellen meist bereits in Ermangelung einer weiteren Einheit. Aufgrund der regelmäßig kleineren personellen Ausstattung wird auch die funktionale Zuständigkeit nur in seltenen Fällen bei großen Schlichtungseinheiten eine Rolle spielen.15 Für die hier in Rede stehenden grenzüberschreitenden Sachverhalte bietet sich allerdings ein Blick auf die internationale Zuständigkeit an. Im Rahmen der internationalen Zuständigkeit wird in erster Linie geregelt, ob bei einer Streitigkeit mit Auslandsbezug die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet wird oder ob Gerichte im Ausland zum Streitentscheid berufen sind.16 Damit wird durch diese Normen nicht ein konkretes Gericht berufen, sondern die Gesamtheit der Gerichte in einem Staat.17 Somit erfolgt durch die internationale Zuständigkeit eine Verteilung der rechtsprechenden Aufgaben zwischen den einzelnen Staaten sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht.18 Die Frage, ob ein Verbraucher seine Streitigkeit im Inland klären lassen können soll, stellt sich auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung. Auch hier ist die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein grenzüberschreitendes Verfahren, abweichend von der bisherigen Handhabung, im Mitgliedstaat des Verbrauchers lokalisiert werden soll. Bei der zu entwickelnden Verfahrenzuständigkeit für grenzüberschreitende Sachverhalte geht es im Gegensatz zu einem Verfahren vor staatlichen Gerichten jedoch nicht um die Ausprägung einer zwingenden Zuständigkeitsnorm. Vielmehr soll aufgezeigt werden, ob es eine Möglichkeit zur Ergänzung der bestehenden Verfahrensordnungen um eine Zuständigkeitsregelung für internationale Streitigkeiten gibt. Diese kann im weiteren Sinne als Musterklausel verstanden werden, welche es der schlichtenden Organisation ermöglicht, sich auf eine neue Art der Streitbeilegung im grenzüberschreitenden Bereich einzurichten.19 Der Charakter einer 14 Trotz
der von der ADR-Richtlinie eingeräumten Möglichkeit, konkurrierende Streitbeilegungsstellen einrichten zu können, ist mit Blick auf die dargestellten Erfahrungen in Deutschland, Schweden und den Niederlanden davon auszugehen, dass gleich wie die rechtliche Ausgestaltung der Stellen vorgenommen wird, die Konzentration auf eine bestimmte Stelle bestehen bleibt. 15 Beispielhaft hierfür ist die Ombudsstelle der privaten Banken. Diese verfügt über sechs Ombudsleute, deren Tätigkeitsbereiche gemäß § 2 Abs. 4 S. 3 BVO der Vorstand im Einvernehmen mit den jeweiligen Ombudsleuten vor jedem Geschäftsjahr festlegt. 16 Dazu ausführlich Linke/Hau, IZPR, § 4 Rn. 102 ff. 17 Vgl. Patzina, in: MüKo-ZPO, § 12 Rn. 57. 18 Vgl. Habscheid, ZZP 110 (1997), 269, 270. 19 Die Ergänzung bestehender Regelwerke außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit, um sich beispielsweise auf neue Streitgegenstände oder geänderte Bedürfnisse der Parteien einzustellen, ist kein unbekanntes Phänomen. Als Beispiele hierfür können zum einen die Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) herangezogen werden, welche für bestimmte Sonderfälle die
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Musterklausel soll allerdings deren Notwendigkeit nicht in Abrede stellen. Da es bisher kaum eine Einrichtung gibt, welche sich speziell mit grenzüberschreitenden Sachverhalten in der außergerichtlichen Streitbeilegung befasst, konnte sich auch noch keine Praxis zu den Voraussetzungen ausbilden, die erforderlich sind, damit ein Verbraucher einen grenzüberschreitenden Streit in seinem Heimatstaat beilegen können soll. Die folgende Untersuchung wird ausgehend von den beteiligten Interessen der Betroffenen eine Möglichkeit hierfür aufzeigen und auf denkbare Umsetzungsvarianten hinweisen.20
III. Die Interessen und ihre Gewichtung Bei der Beantwortung der Frage, welche Stelle bei grenzüberschreitenden Konflikten den Streit schlichten soll, sind die Interessen von drei verschiedenen Gruppen in Einklang zu bringen. Zunächst sind die Interessen des Verbrauchers an einer schnellen und effektiven Streitbeilegung zu berücksichtigen. Diesem wird eine alternative Streitbeilegung insbesondere dann zusagen, wenn diese mit geringerem Aufwand und geringeren Kosten als ein ebenfalls mögliches gerichtliches Verfahren abgewickelt werden kann. Zudem ist aber auch ein vorhersehbares und verständliches Verfahren notwendig, um ein Grundvertrauen in den unbekannten Mechanismus der ADR aufzubauen; sofern ein gerichtliches Verfahren für den Verbraucher einfacher zu verstehen ist als die außergerichtliche Streitbeilegung, wird er letztere nicht nutzen wollen.21 Daneben sind die Interessen des Unternehmers in den Blick zu nehmen. Dieser wird an einem außergerichtlichen Verfahren insbesondere vor dem Hintergrund einer daraus möglicherweise resultierenden Kundengewinnung teilnehmen. Zudem spielt der Aspekt der Kostenvermeidung, dem durch eine außergerichtliche Möglichkeit einer umfassenden Erledigung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten vor der DIS ermöglichen. Hierzu Borris, SchiedsVZ 2009, 299. Zum anderen die Ergänzenden Regeln für Beschleunigte Verfahren der DIS, welche im Jahre 2008 vorgestellt wurden, um ein rascheres Schiedsverfahren zu ermöglichen. Hierzu Berger, SchiedsVZ 2008, 105 ff. 20 Bei der Ausarbeitung einer „internationalen Verfahrenszuständigkeit“ geht es demnach primär darum, einen Leitfaden zu entwickeln, nach dem sich bestimmen lässt, ob der Verbraucher seine Streitigkeit im Inland klären lassen können soll. Dieser Leitfaden soll es bereits bestehenden Stellen ermöglichen, sich der grenzüberschreitenden außergerichtlichen Streitbeilegung zu öffnen und dabei den Anwendungsbereich auf die Streitfälle zu beschränken, welche sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln effektiv bearbeiten können. 21 Die hier angeführten Interessen der einzelnen Beteiligten finden sich zum Teil auch in den Erwägungsgründen zur ADR-Richtlinie. Erwägungsgrund 4 nennt den Zugang zu einfachen, effizienten, schnellen und kostengünstigen Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung als für das Verbrauchervertrauen essentielle Voraussetzungen. Die notwendige Transparenz des Verfahrens wird in Erwägungsgrund 39 hervorgehoben, während die Erwägungsgründe 40 und 41 eine zügige und im Grundsatz kostenfreie Beschwerdebearbeitung für den Verbraucher als erstrebenswerte Ziele nennen.
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Streitbeilegung besser Rechnung getragen werden kann als durch langwierige gerichtliche Verfahren, und die Vermeidung einer schlechten Außendarstellung, welche die jeweilige Marktposition des Unternehmers verschlechtern könnte, eine erhebliche Rolle.22 Der Aspekt der Kostenvermeidung kommt im Rahmen der privatrechtlich organisierten außergerichtlichen Streitbeilegung besonders zum Tragen. Die bestehende privatrechtlich organisierte Schlichtungslandschaft in Deutschland wird in erster Linie durch die der Schlichtung angeschlossenen Unternehmer finanziert. Somit entstehen für die Unternehmer zunächst Kosten, welche nur dann vertretbar sind, falls mit der außergerichtlichen Streitbeilegung betriebswirtschaftlich eine Kostenreduktion einhergeht. Diese Reduktion kann nur durch wirtschaftlich arbeitende und tatsächlich frequentierte Streitbeilegungsstellen erreicht werden, sodass sich auch hierauf die Interessen der sich einer Schlichtung anschließenden Unternehmer beziehen. Schließlich sind auch die Interessen der jeweiligen Schlichtungseinrichtungen in Betracht zu ziehen. Diese liegen zunächst darin, die ihnen angetragenen Streitigkeiten möglichst schnell und effektiv erledigen zu können. Trotzdem muss zur Vertrauensgewinnung der Parteien und der erst damit möglichen Nutzung des Angebots das Verfahren über rechtliche Mindeststandards verfügen. Diese müssen es den beteiligten Parteien ermöglichen, ihre Anliegen angemessen vorzubringen, da anderenfalls eine für alle Seiten befriedigende Konfliktlösung kaum realisierbar sein dürfte.23 Diese Standards dürfen allerdings, gerade im vorgelagerten Stadium der Zuständigkeitsprüfung, nicht zu einer signifikanten Verlangsamung der Streitbeilegung führen. Die grundlegenden Interessen der Verfahrensbeteiligten müssen nun ins Gleichgewicht gebracht werden, um eine funktionierende ADR Landschaft entwickeln zu können und damit der außergerichtlichen Streitbeilegung die erwünschte Stärkung und Etablierung am Markt zuteil werden zu lassen.24 Dem 22 Die ADR-Richtlinie ist in erster Linie auf die Schaffung des Vertrauens des Verbrauchers in den Binnenmarkt und dessen Nutzung ausgerichtet und nimmt die Interessen des Unternehmers nur rudimentär in den Blick. Allerdings nennt Erwägungsgrund 15 als Ziel das Potenzial und die Möglichkeiten des grenzübergreifenden und elektronischen Handels in der Praxis auszuschöpfen. Damit wird indirekt auch den Interessen des Unternehmers gedient, da er sich innerhalb eines funktionierenden Marktes besser positionieren und damit auch mehr geschäftliche Aktivität entfalten kann. 23 Die Interessen der beteiligten Stellen stehen im Rahmen der ADR-Richtlinie ebenfalls nicht im Vordergrund. So findet sich in Erwägungsgrund 31 nur die Anforderung, dass die Streitbeilegung durch die AS-Stellen unter gebührender Berücksichtigung der Rechte der Parteien zu erfolgen hat. Erwägungsgrund 36 verlangt für den Erfolg der Streitbeilegung allgemeine Rechtskenntnisse seitens der AS-Stelle und Erwägungsgrund 25 die Notwendigkeit des effektiven Betriebs der AS-Stelle, welche in Erwägungsgrund 40 mit der gesetzten 90-Tagesfrist für die Streitbeilegung konkretisiert wird. 24 Dadurch wird zugleich dem staatlichen Interesse an der Entlastung der Gerichte durch eine funktionierende außergerichtliche Streitbeilegung gedient. Zu weiteren staatlichen Interessen vgl. bereits oben § 3 VI.
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Interesse des Verbrauchers innerhalb eines bestimmten Staates, vorzugsweise in dem seines gewöhnlichen Aufenthalts, die außergerichtliche Streitbeilegung durchführen zu können, steht das Unternehmerinteresse entgegen, nicht vor Stellen in einem fremden „Verbraucherstaat“ erscheinen zu müssen, sondern das Verfahren vornehmlich innerhalb des Staates ablaufen zu lassen, in dem sich der Sitz des Unternehmens befindet. Dieses könnte jedoch abgeschwächt sein, sofern er eine Niederlassung im Ausland gegründet hat, da damit ein stärkerer Bezug zum fremden Markt entstanden ist. Das Interesse der beteiligten Stellen wird auf die Schaffung von Rechtsfrieden bereits innerhalb der und vor allem durch die Streitschlichtung gerichtet sein. Daher werden sie in Streitigkeiten, welche einen engen Inlandsbezug aufweisen, verstärkt versuchen, eine Entscheidung herbeizuführen. Dieses Interesse dürfte tendenziell geringer werden, wenn der Inlandsbezug nur rudimentärer Natur ist.25 Bei der Erledigung der ihnen angetragenen Streitfälle wird das Interesse der streitbeilegenden Stellen darauf abzielen, ein interessengerechtes Ergebnis unter Berücksichtigung des anzuwendenden Rechts zur Verfügung stellen zu können.26 Dieses Interesse korrespondiert wiederum mit demjenigen der Beteiligten. Im Folgenden sollen jetzt die Interessen der Verbraucher und Unternehmer detaillierter in den Blick genommen werden. Diese sind vorzuziehen, da das außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren grundsätzlich freiwilliger Art sein soll und damit primär von der Akzeptanz der potentiell Beteiligten abhängig ist. Sobald diese Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht wurden, kann im Anschluss daran die Interessenlage der jeweils schlichtenden Stelle mit einbezogen und die Frage beantwortet werden, ob die gefundene Abwägung auch ihren Interessen entspricht. 1. Die Orientierung an konkreten Interessen Als Vergleichsobjekt für eine Interessenabwägung können hierbei die Überlegungen, welchen den Zuständigkeitsvorschriften des internationalen Zivilverfahrensrechts zugrunde liegen, herangezogen werden.27 Dies ist zum 25 Zu den gleichgelagerten Interessen bei der internationalen Zuständigkeit von Gerichtsverfahren Kropholler, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrecht, Band I Kapitel II § 1 Rn. 17 f. 26 Rein tatsächlich darf nicht vergessen werden, dass die jeweiligen AS-Stellen finanziert werden müssen. Da diese sich aufgrund der postulierten grundsätzlichen Kostenfreiheit für den Verbraucher alleine durch Fallpauschalen der Unternehmer kaum refinanzieren werden können, wird eine Finanzierung, gleich ob privat oder staatlich, auf lange Sicht nur den Stellen zukommen, welche eine tatsächliche Inanspruchnahme vorweisen können. Diese wiederum wird sich aller Voraussicht nach nur dann einstellen, wenn die angebotene Schlichtung durch hohe Qualität punkten kann. 27 Unter dem Begriff der internationalen Zuständigkeit wird hier die sogenannte Entscheidungszuständigkeit, verstanden als eigenstaatliche internationale Zuständigkeit verstanden.
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einen deshalb zulässig, da die Überwindung der im internationalen Rechtsverkehr bestehenden Rechtschutzhindernisse als Aufgabe des internationalen Zuständigkeitsrechts angesehen wird,28 und diesen Hindernissen auch durch eine zu entwickelnde Verfahrenszuständigkeit für grenzüberschreitende Sachverhalte begegnet werden soll. Zum anderen werden in den international zivilprozessualen Vorschriften die Aufgaben der Gerichte zur Internationalität der zu behandelnden Sachverhalte in Bezug gesetzt, um zu tragfähigen Ergebnissen zu gelangen. Diese Bezugnahme muss auch für die Stellen, welche außergerichtliche Konfliktlösungen anbieten sollen, erfolgen, damit die angestrebten Ziele der alternativen Streitbelegung im Allgemeinen, sowie die Ziele der ADRRichtlinie und der ODR-Verordnung im Besonderen erreicht werden können. Schließlich muss in der außergerichtlichen Streitbeilegung die Bestimmung der Zuständigkeit rasch und ohne größeren Ermittlungsaufwand möglich sein. Dieser Anforderung müssen auch die gerichtlichen Zuständigkeitsnormen entsprechen. Zuständigkeitsrecht soll klares einfaches Recht sein, um eine zeitintensive Vorprüfung im zivilprozessualen Verfahren zu vermeiden.29 Die zu entwickelnde Musterklausel für grenzüberschreitende Sachverhalte in der alternativen Streitbeilegung ist bereits aufgrund der nur eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten der streitbeilegenden Stellen diesem Credo in besonderer Weise verpflichtet. 2. Mögliche Anknüpfungspunkte für den Interessenausgleich zwischen Verbraucher und Unternehmer Im Rahmen der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ist in erster Linie zu entscheiden, ob das Gerichtsschutzinteresse der klagenden Partei unter Berücksichtigung des Verteidigungsinteresses des Beklagten zu einer Zuständigkeit innerhalb des Staates des Klägers führen kann. Diese Frage beantworten die Vorschriften der internationalen Zuständigkeit, indem die Interessen der Verfahrensbeteiligten als Kriterien verobjektiviert und zueinander in Bezug gesetzt werden. Die Objektivierung der Interessen der Beteiligten orientiert sich an den hauptsächlichen Unterschieden, die bei einer Zuständigkeit von Gerichten verschiedener Staaten auftreten. Diese treten in der räumlichen Entfernung des Gerichts, in der Frage des anwendbaren Rechts und des Wirkungsbereichs der Entscheidung zu Tage.30 Die gefundenen Kriterien werden in einem zweiten Die Anerkennungszuständigkeit als weiterer Gegenstand der Normen über die internationale Zuständigkeit wird hingegen nicht als Vergleichsgegenstand herangezogen. Zu dieser Geimer, IZPR, Rn. 851 ff. 28 Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 190. 29 Im Zuständigkeitsrecht wurde diese Feststellung insbesondere von Geimer, FamRZ 1980, 789, 790 geprägt und ist in diesem Zusammenhang als „Geimers Goldene Regel“ bekannt. 30 Vgl. Kropholler, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrecht, Band I Kapitel II § 1 Rn. 19 ff.
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Schritt zu den allgemeinen Aufgaben des Gerichts in Beziehung gesetzt. Dazu zählen neben den Zwecken des Zivilprozesses, wie der Rechtssicherheit und Rechtsfortbildung, auch die Gewährung der Verfahrensgrundrechte und der allgemeine Justizgewährungsanspruch. Für das gerichtliche Verfahren zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ergeben sich vier grundlegende Kriterien, anhand welcher eine Interessenabwägung stattfinden kann:31 1. Die Nähe zu der einzelnen Partei 2. Die Nähe zum jeweiligen Sachverhalt 3. Die Nähe zum anwendbaren Recht und 4. Die Wirksamkeit bzw. Vollstreckbarkeit der ergehenden Entscheidung. Zu klären bleibt, inwiefern diese Kriterien innerhalb eines außergerichtlichen Verfahrens zu beachten und wie diese untereinander zu gewichten sind. Hier können sich durchaus Unterschiede zu der Gewichtung im zivilprozessualen Verfahren ergeben. Dies gilt einerseits bereits deshalb, da innerhalb eines staatlichen Gerichtsverfahrens sowohl bezüglich der Verfahrenseinleitung, Durchführung und Vollstreckung der gefundenen Entscheidung Zwangsmittel vorhanden sind, die dem auf Freiwilligkeit basierenden außergerichtlichen Verfahren wesensfremd sind. Andererseits verfolgt die staatliche Gerichtsbarkeit beispielsweise mit der Garantie des gesetzlichen Richters andere Ziele als die außergerichtliche Streitbeilegung, sodass sich auch daraus eine andere Gewichtung der einzelnen Kriterien ergeben kann. a) Die Partei- und Sachnähe Die beiden ersten Kriterien spiegeln wider, dass die räumliche Nähe einer der beiden Parteien oder des Streitgegenstands die Prozess- bzw. Verfahrensführung erleichtern kann.32 Insbesondere vor dem Hintergrund der Verfahrensbeschleunigung sind daher beide Kriterien grundsätzlich geeignet, für die Bestimmung einer internationalen Zuständigkeit auch bei ADR-Verfahren herangezogen zu werden. Vor allem spielt die Nähe zur einzelnen Partei eine entscheidende Rolle, um deren Interessen gegebenenfalls über die grundsätzlich gleichwertigen Interessen der anderen Partei zu stellen.33
31 Eine ausführliche Darstellung der weiteren Kriterien findet sich bei Heldrich, in: FS Ficker, S. 205–224. 32 Kropholler, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrecht, Band I Kapitel II § 1 Rn. 20. 33 Zur Bewertung der jeweiligen Zuständigkeitsinteressen ausführlich Geimer, IZPR, Rn. 1126 ff.
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b) Die Nähe zum anwendbaren Recht Fraglich erscheint, ob Unterschiede im jeweils anwendbaren Recht als Argument in die Interessenabwägung einzubeziehen sind. Denn das alternative Streitbeilegungsverfahren, welches die ADR-Richtlinie anbietet, ist nicht von vornherein an die Anwendung konkreter Normen gebunden. Vielmehr wird durch die Richtlinie klargestellt, dass zwar gewisse rechtliche Mindeststandards eingehalten werden müssen, es jedoch im Beurteilungs- und Umsetzungsspielraum der jeweiligen Mitgliedstaaten steht, ob sich die angebotenen Streitbeilegungsverfahren streng an gesetzlichen Normen auszurichten haben oder ob andere Wege beschritten werden sollen.34 Bei der Beschreitung neuer Wege besteht allerdings das Risiko, dass das notwendige Verbrauchervertrauen in den noch weitgehend unbekannten Mechanismus erschüttert wird. Mit Blick auf das materielle Verbraucherrecht ist ohnehin festzustellen, dass die meisten verbraucherschützenden Vorschriften auf Richtlinien der Europäischen Union beruhen.35 Mittels der Umsetzung in nationales Recht sind die Standards des Verbraucherschutzes daher innerhalb der Mitgliedstaaten mittlerweile auf ein vergleichbares Niveau angestiegen.36 Selbst wenn bei einer an gesetzlichen Normen ausgerichteten Schlichtung im Grunde zwei verschiedene Rechtsordnungen zum Streitentscheid zur Verfügung stehen, haben die beiden entscheidenden Normen doch oftmals den gleichen, zumindest aber einen vergleichbaren Inhalt. Damit erweist sich das Kriterium der Nähe zum anwendbaren Recht zwar grundsätzlich als tauglich, allerdings wird durch die weitgehende Harmonisierung des europäischen Verbraucherschutzrechts das Gewicht des Kriteriums stark abgeschwächt. 34 Nach Art. 7 Abs. 1 lit. i ADR-RiLi muss die AS-Stelle darüber informieren, auf welche Regelungen sie sich bei der Streitbeilegung stützt. Dies können Rechtsvorschriften, Billigkeitserwägungen oder Verhaltenskodizes sein. 35 Im deutschen Recht sind Beispiele hierfür die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf, §§ 474 ff. BGB, welche die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie der Europäischen Union (EG-RL 99/44) umgesetzt haben oder die Vorschriften über den Reisevertrag, §§ 651a ff. BGB, mit denen die Pauschalreiserichtlinie (EG-RL 90/314) umgesetzt wurde. Die Harmonisierung des Verbraucherprivatrechts wurde mit dem Erlass der Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. Nr. L 304/64), welche eine umfassende Neuregelung des Fernabsatzrechts und des Rechts der Haustürgeschäfte sowie die Einführung einiger allgemeiner Vorgaben für alle Verbraucherverträge zum Gegenstand hat, weiter vorangetrieben. Vgl. zur Verbraucherrechterichtlinie und deren Umsetzung in das nationale Recht Wendehorst, NJW 2014, 577–584; Stürner, Jura 2015, 30–38; Wendelstein/Zander, Jura 2014, 1191–1208. 36 Bereits bei der früher üblichen Mindestharmonisierung, bei der den nationalen Gesetzgebern noch gewisse Spielräume verblieben, blieb der Kern der Regelungen bei den Umsetzungen unangetastet. Zu der heute vorherrschenden Vollharmonisierung der europäischen Richtlinien und der damit verbundenen weitgehenden Rechtsangleichung am Beispiel des europäischen Verbraucherrechts ausführlich Micklitz/Rott, in: Dauses, EU-WirtschaftsR-HdB, H. V. Verbraucherschutz Rn. 38–40.
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c) Die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der ergangenen Entscheidung Das Kriterium der Durchsetzbarkeit der Entscheidung ist im Rahmen der gerichtlichen Verfahren von herausragender Bedeutung. Dagegen ist bei der Interessenabwägung im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung zu beachten, dass aufgrund der grundsätzlichen Freiwilligkeit dem Interesse an der zwangsweisen Durchsetzbarkeit der Entscheidung eine tendenziell eher untergeordnete Bedeutung beizumessen ist. Gerade die bisherige Untersuchung der bestehenden Schlichtungslandschaft hat gezeigt, dass auch mittels nicht bindender oder nur einseitig bindender Entscheidungen ohne Vollstreckungstitelqualität durchaus befriedigende Ergebnisse erzielt werden können. Ferner ist zu beachten, dass Entscheidungen, die einen vollstreckungsrechtlichen Titel darstellen, aufgrund der mittlerweile fortgeschrittenen Abschaffung der Exequatur zwischen den Mitgliedstaaten im Ausland in einfacherer Weise anerkannt und vollstreckt werden können.37 Die bisherige Notwendigkeit der Anerkennung und Vollstreckung der im Ausland ergangenen Entscheide wird damit erheblich vereinfacht und damit auch ein Hauptproblem von grenzüberschreitenden Sachverhalten entschieden entschärft.38 Damit ist bei einer vollstreckungsfähigen Entscheidung der AS-Stelle das Interesse an der Durchsetzbarkeit der ergangenen Entscheidung regelmäßig kein ausschlaggebendes Kriterium für die Zuständigkeitsbestimmung.39 3. Die Interessengewichtung Nach Auswertung der zu berücksichtigenden Interessen ergibt sich noch keine zwingende Schlussfolgerung, ob grundsätzlich eine Schlichtungsmöglichkeit im Mitgliedstaat des Verbrauchers oder demjenigen des Unternehmers vorzuziehen ist. Mittels der Sachnähe kann zwar argumentiert werden, dass die Belegenheit 37 Gemäß Art. 36 Abs. 1 der reformierten EuGVVO (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 351/1) werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Art. 39 statuiert, dass eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, auch in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar ist, ohne dass es einer gesonderten Vollstreckbarerklärung bedarf. Für die im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung mögliche Variante der verfahrensabschließenden Entscheidung als öffentliche Urkunde findet sich der entsprechende Passus in Art. 58 Abs. 1 S. 1: Öffentliche Urkunden, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, sind in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. 38 Eine Bewertung der dahingehenden Vorschläge zur Reformierung der EuGVVO findet sich bei Hess, IPRax 2011, 125, 128. Zur reformierten EuGVVO eingehend Stadler/Klöpfer, ZEuP 2015, 732–772. 39 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Notwendigkeit einer vollstreckbaren Entscheidung in Zweifel gezogen wird. Näheres dazu unter § 11 III.
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des streitgegenständlichen Gutes regelmäßig im Staat des Verbrauchers sein wird und damit die Stellen innerhalb dieses Mitgliedstaates sachnäher sind. Allerdings ist dies nicht immer der Fall, insbesondere falls der Verbraucher nach Rücksprache mit dem Unternehmer die Sache bereits zurückgesandt hat. Auch lässt sich eine einmal vorgenommene Dienstleistung, welche keinen stetigen körperlichen Erfolg herbeigeführt hat, anhand des Kriteriums nicht einordnen. Gleiches gilt für den Aspekt des anwendbaren Rechts. Abgesehen von der bereits erwähnten Harmonisierung des europäischen Verbraucherrechts kann je nach Verhalten des Unternehmers ein anderes Recht zur Anwendung gelangen. In Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO kommt zum Ausdruck, dass nur bei einer Ausrichtung der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers auf den Staat des Verbrauchers der unionsrechtliche Gesetzgeber es für geboten hält, den geschlossenen Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats des Verbrauchers zu unterwerfen. Andererseits sind in Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO Bereichsausnahmen vorgesehen, für welche die Privilegierung des Verbrauchers trotz einer gewissen Ausrichtung des Unternehmers auf den Mitgliedstaat des Verbrauchers nicht gelten soll, sodass die Anknüpfung nach den allgemeinen Regeln erfolgt. Somit kann allein aus den ermittelten Interessen kein eindeutiges Übergewicht zugunsten des Verbrauchers abgeleitet werden. Zwar soll das Verfahren dazu dienen, Verbrauchern die Möglichkeit zu bieten, ihre Ansprüche schnell und kostengünstig durchzusetzen, jedoch entspringt aus dieser Zielsetzung allein noch kein grundsätzlich höher zu bewertendes Verbraucherinteresse an der Schlichtung im eigenen Wohnsitzstaat. Insbesondere der stark betonte Aspekt der Freiwilligkeit des alternativen Streitbeilegungsverfahrens legt den Schluss nahe, dass nur dann, wenn beiden Beteiligten gleichermaßen entgegen gekommen wird, das Verfahren als solches eine realistische Möglichkeit zur Stärkung des einzelnen Verbrauchers und des gesamten Binnenmarktes hat. Damit wird klar, dass eine einseitige Zuweisung der grenzüberschreitenden Sachverhalte weder in den Heimatstaat des Verbrauchers noch denjenigen des Unternehmers eine Lösung darstellt, welche beiden Parteiinteressen gerecht wird. Vielmehr wird eine flexible Lösung gebraucht, welche den jeweiligen Einzelfall einbezieht und aufgrund bestimmter Parameter eine für beide Seiten nachvollziehbare und akzeptable Lösung ergibt. Neben der Flexibilität ist auch die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit von Bedeutung. Je besser die Parteien vorhersehen können, wo sie ihren Streit entscheiden lassen können, umso mehr wird sich die Akzeptanz der außergerichtlichen Streitbeilegung steigern lassen. 4. Die Orientierung an typisierenden Interessen Um sowohl eine vorhersehbare, als auch eine flexible Zuständigkeit zu erreichen, bietet sich eine typisierende Betrachtungsweise bei der Entwicklung einer außergerichtlichen Zuständigkeit für grenzüberschreitende Sachverhalte an.
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Diese ebenfalls aus verschiedenen Zivilprozessordnungen bekannte Vorgehensweise orientiert sich im Ausgangspunkt gleichfalls an den Interessen der Verfahrensbeteiligten, bewertet diese jedoch nicht im Einzelfall, sondern setzt eine generell-abstrakte Sichtweise zur Festlegung einzelner Zuständigkeiten an. Ziel ist hierbei, durch eine geeignete Typisierung einzelner zuständigkeitsrelevanter Merkmale ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit in Bezug auf die konkret zuständigen Gerichte zu erreichen.40 Aufgrund der Natur der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung als europäische Rechtsakte bietet sich als Vergleichsobjekt ein Blick in gleichfalls europäische Instrumente an, welche sich mit der Festlegung der internationalen Gerichtszuständigkeit beschäftigen. Aus den dort vorgenommenen Abwägungen können wiederum Rückschlüsse für eine Typisierung grenzüberschreitender außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren gewonnen werden.41 Der europäische Gesetzgeber ist im Bereich der internationalen gerichtlichen Zuständigkeit bereits tätig geworden, indem er die Verordnung betreffend die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)42 erlassen hat, die hier als Vorbild herangezogen werden könnte.43 Innerhalb der EuGVVO gilt der in Art. 2 niedergelegte Grundsatz der actor sequitur forum rei.44 Damit hat sich der unionsrechtliche Gesetzgeber im Ein40 Vgl.
Picht, GRUR Int 2013, 19, 22. Geimer, IZPR, Rn. 1126 spricht sogar davon, dass es bei der Festlegung der internationalen Zuständigkeit um elementare Fragen prozessualer Gerechtigkeit gehe. Eingehend dazu Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 199 ff. 42 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 012 S. 1, neugefasst durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 351 S. 1. 43 Dies gilt insbesondere aufgrund des mit der EuGVVO verfolgten binnenmarktstärkenden Zweckes, welcher in Erwägungsgrund 4 zum Ausdruck kommt: Aufgrund der Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen werde das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erschwert. Daher sei es unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zu gewährleisten, die in einem Mitgliedstaat ergangen sind. Die Stipulierung des Binnenmarkts unter besonderer Berücksichtigung grenzüberschreitender Sachverhalte ist auch eines der Anliegen der ADRRichtlinie. 44 Die Geltung dieses Prinzips, welches auch der deutschen Zivilprozessordnung zugrunde liegt, ist allerdings nicht selbstverständlich. Innerhalb der romanisch geprägten Rechtsordnungen wird anstatt des Wohnsitzes die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt der Zuständigkeit präferiert. Dies kommt beispielsweise in Art. 14 des französischen Code Civil zum Ausdruck: „L’étranger, même non résidant en France, pourra être cité devant les tribunaux français, pour l’exécution des obligations par lui contractées en France avec un Français; il 41
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klang mit einigen mitgliedstaatlichen Verfahrensordnungen für die grundsätzliche Geltung des Beklagtengerichtsstands ausgesprochen.45 Diese Entscheidung soll als Ausgangspunkt für die Bestimmung eines Zuständigkeitsmechanismus dienen.46 Gerade die Gleichwertigkeit der betroffenen Interessen von Verbraucher und Unternehmer sind auch in der außergerichtlichen Streitbeilegung gegeben, sodass die grundsätzliche Wertung, dass „der Angreifende sich in das Forum des Angegriffenen begeben soll“ auch hier Geltung beanspruchen könnte.47 Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass die regelmäßige Ansiedlung der streitbeilegenden Stellen im Heimatstaat des Unternehmers nicht in erster Linie dem Interessenausgleich der beteiligten Parteien dient. Vielmehr sind praktische Gründe, vor allem die Organisation der einzelnen Stellen, ausschlaggebend für die außergerichtliche Streitbeilegung im Staat des Unternehmers. Die Organisation als eingetragener Verein, der auf Dauer angelegt ist und regelmäßig durch seine Mitglieder finanziert wird, weist nahezu ausschließlich Bezüge zu der Rechtsordnung auf, innerhalb derer sich die Vereinsgründung abgespielt hat. Da in der bestehenden Schlichtungslandschaft es meist Unternehmen sind, welche derartige Vereine gründeten, ergibt sich daraus auch die Ansiedlung der streitbeilegenden Vereine im Mitgliedstaat der Unternehmer. Auch eine behördliche Organisation der außergerichtlichen Streitbeilegung kann bereits ihrer Natur nach nur diejenigen Personen (zwingend) erfassen, welche sich im Hoheitsgebiet der jeweiligen Behörde befinden. Da es in diesem Zusammenhang meist um die Gewährung einer freiwilligen Schlichtungsmöglichkeit für Verbraucher handelt, sind dies regelmäßig die innerhalb des Mitgliedstaates angesiedelten Unternehmer.48 Trotz der unterschiedlichen Begründung kann aufgrund der derzeitigen tatsächlichen Übereinstimmung der Beklagtengerichtsstand auch als Ausgangsposition für die Entwicklung eines internationalen Verbraucherverfahrenspourra être traduit devant les tribunaux de France, pour les obligations par lui contractées en pays étranger envers des Français“. 45 Zur Umsetzung des favor defensoris nimmt Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Einleitung zur EuGVVO Rn. 60 ff. kritisch Stellung. 46 Die römischrechtlichen Hintergründe behandelt Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 229–232. 47 Über die Grundsatzentscheidung für den Beklagtengerichtsstand herrscht zwar Einigkeit, die dogmatische Herleitung ist jedoch nicht abschließend geklärt. Schröder, Internationale Zuständigkeit, widmet dem Theorienstreit S. 232–240, kommt aber am Ende auf kein überzeugendes Argument für den Beklagtengerichtsstand. Vielmehr wird seinerseits der Schluss gezogen, dass dieser funktionell den Charakter einer Restzuständigkeit hat, während die einzelnen Klägergerichtsstände auf positive Reflexionen zurückzuführen seien. 48 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Verfahrensführung im Staat des Unternehmers, soweit für das Verfahren das anwendbare Recht maßgeblich ist, materiell-rechtlich dasselbe Ergebnis erzielt wird, wie bei Zugrundelegung des aus dem internationalen Privatrecht der Schuldverträge bekannten Anknüpfungsmoments der charakteristischen Leistung. Diese besteht regelmäßig in der Leistung, welche nicht die Geldleistung ist, und wird damit in der Regel vom Unternehmer erbracht.
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standes herangezogen werden. Dies gilt umso mehr, da den Verbrauchern ein freiwilliges Mittel zur Beilegung ihrer Streitfälle gegeben werden soll, während die Unternehmen im Grundsatz als nicht beschwerdebefugt gegenüber den Verbrauchern angesehen werden.49 Somit ist aufgrund des eingeforderten Entgegenkommens seitens der Unternehmer durchaus der Schluss gerechtfertigt, diese im Grundsatz in ihrem Heimatstaat „verfahrenspflichtig“ zu machen. Mit dieser Ausgangsposition, welche dem römisch-rechtlichen Prinzip nach heutiger Deutung zumindest verwandt ist, soll nunmehr untersucht werden, für welche Fälle eine Abweichung als gerechtfertigt angesehen werden kann.50 Ein Abweichen von der Grundentscheidung wird im gerichtlichen Verfahren nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zugelassen. Dies wird dann für möglich gehalten, wenn entweder in der Person eines Verfahrensbeteiligten oder hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes ein triftiger Grund für eine Abweichung vorliegt.51 Einen dieser Fälle stellt die aus der EuGVVO bekannte Ausnahme zugunsten eines „sozial schwächeren“ bzw. „strukturell unterlegenen“ Klägers dar, worunter oftmals der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer verstanden wird.52 Diese Konstellation findet sich im Rahmen der ADR-Richtlinie wieder, sodass auch hier ein Ausnahmetatbestand denkbar wäre. Unter welchen konkreten Voraussetzungen eine derartige strukturelle Unterlegenheit als typisierendes Anknüpfungsmerkmal tatsächlich angenommen werden kann, bedarf allerdings einer näheren Untersuchung. a) Das Beispiel des Art. 17 EuGVVO Innerhalb des europäischen Zivilprozessrechts bildet Art. 17 EuGVVO ein Beispiel für eine Interessenabwägung zwischen den auch hier in Rede stehenden ge49 Dies gilt sowohl innerhalb der untersuchten Schlichtungslandschaft als auch in der ADR-Richtlinie, welche nach Art. 2 Abs. 2 lit. g nicht für von Unternehmern gegen Verbraucher eingeleitete Verfahren gelten soll. 50 Zu beachten bleibt allerdings, dass mit dem Beklagtengerichtsstand als Ausgangspunkt, welcher im Folgenden treffender als Beklagtenverfahrensstand bezeichnet werden sollte, nicht zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die diesem zugrunde liegenden Wertungen in vollem Umfang auf die außergerichtliche Streitbeilegung übertragen werden können. Vielmehr kann und soll nur die Interessenabwägung, welche der Bestimmung jeder Zuständigkeit zugrunde gelegt werden muss, sich an dieser Ausgangslage orientieren. 51 Im deutschen Zivilprozessrecht findet sich ein besonderer Gerichtsstand bezüglich des Gegenstandes in § 24 ZPO, der einen ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand für Klagen begründet, mit denen das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt. In derartigen Fällen ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist. Einen Schutzgerichtsstand bezüglich bestimmter Prozessparteien findet sich in § 29c ZPO, welcher dem Verbraucher bei bestimmten Haustürgeschäften einen Klägergerichtsstand einräumt. Dazu Patzina, in: MüKo-ZPO, § 29c Rn. 2. 52 Geimer, IZPR, Rn. 1128 bringt es dergestalt auf den Punkt, dass der favor defensoris dann seine grundsätzlich gegebene innere Berechtigung verliere, falls der Kläger typischerweise der Schwächere sei.
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§ 8. Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten
genläufigen Positionen.53 Ausgehend vom Grundsatz des actor sequitur forum rei begründet der Artikel eine besondere Zuständigkeit für Verbrauchersachen, indem unter bestimmten Umständen eine Gerichtspflicht des Unternehmers am Wohnsitz des Verbrauchers geschaffen wird.54 Zweck der Vorschrift ist neben dem Schutz der regelmäßig schwächeren Prozesspartei die Stärkung des Vertrauens des Verbrauchers in den Binnenmarkt, die wiederum zu einem intensiveren Abschluss von grenzüberschreitenden Geschäften führen soll.55 Dies steht im Einklang mit den Zielen, die der europäische Gesetzgeber auch mit der ADR-Richtlinie zu erreichen versucht. aa) Die Entstehung des Abschnittes über die Zuständigkeit in Verbrauchersachen Die ursprüngliche Fassung des EuGVÜ56 enthielt nur einen rudimentären prozessualen Verbraucherschutz. Dieser war den Abzahlungsgeschäften gewidmet. Im Rahmen der Reform des Übereinkommens zum Beitritt von Dänemark, Irland und des Vereinigten Königreichs wurde der Vorschlag unterbreitet, aufgrund der wachsenden Bedeutung des Verbraucherschutzes in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen diesen Schutz auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene zu stärken. Insbesondere von Peter Schlosser wurde die zunehmende Schaffung von angemessenen Gerichtsständen für Verbrauchersachen hervorgehoben, hinter der das Schutzniveau des EuGVÜ nicht zurückbleiben solle.57 Diese Entwicklung führte dazu, dass der 4. Abschnitt des 2. Titels des EuGVÜ um einen Abschnitt über die Zuständigkeiten in Verbrauchersachen58 erweitert wurde. Das innerhalb der EuGVÜ eingeführte System des Verbraucherschutzes wird konsequent auch in ihrer Nachfolgerin, der EuGVVO, weiter verfolgt. 53 Innerhalb der reformierten EuGVVO nimmt Art. 17 die Stellung des alten Art. 15 unverändert ein. Da sich die Diskussion um Art. 15 a. F. damit auf den neuen Art. 17 übertragen lässt, wird im Folgenden auch die umfangreiche Literatur zu Art. 15 EuGVVO a. F. zugrunde gelegt. 54 Im Anwendungsbereich des Verbrauchergerichtsstands kann auch der Unternehmer nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO den Verbraucher nur vor den Gerichten, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, verklagen. 55 Dazu Hess, EuZPR, § 6 Rn. 98; Heiderhoff, IPRax 2005, 230, 231 zieht ausgehend vom binnenmarktorientierten Verbraucherschutz des Gemeinschaftsrechts den Schluss, dass Art. 15 EuGVVO a. F. seinen vertrauenschaffenden Hauptzweck darin hat, dass der Binnenmarkt durch den privaten Endabnehmer erst genutzt wird. 56 Übereinkommen vom 27. Dezember 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG 1972 L 299/32. 57 Schlosser befürchtet „auf Dauer unerträgliche Spannungen zwischen den nationalen Rechten und dem EuGVÜ, falls dem Letztverbraucher im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Geschäften ein wesentlicher Teil des Schutzes, den die nationalen Rechte gewähren, innerhalb des EuGVÜ vorenthalten werden würde“, vgl. Nr. 153 des Berichts, ABl. EG Nr. C 59/71. 58 Innerhalb dieses wurde getrennt zwischen Abzahlungsgeschäften und anderen Verbrauchergeschäften.
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Die Artt. 13–15 des EuGVÜ wurden in die Artt. 15–17 der EuGVVO a. F. und nunmehr in die Artt. 17–19 EuGVVO überführt. Bereits der Blick auf den Erwägungsgrund 19 der EuGVVO a. F., welcher als Ziel die Kontinuität zwischen den ersten beiden Rechtsakten betont, legt nahe, dass auf die zu Art. 13 EuGVÜ gewonnenen Erkenntnisse auch weiterhin zurückgegriffen werden kann. Für den für die Untersuchung besonders relevanten Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO a. F. ist diese Feststellung sogar ausdrücklich durch den EuGH bestätigt worden.59 bb) Die grundsätzlichen Wertungen Die Artt. 17–19 EuGVVO sind zwingende und abschließende Sonderregelungen zum Schutze der Verbraucher.60 Da einerseits eine grundsätzliche Durchbrechung des Beklagtengerichtsstandes, welcher als Grundregel in Art. 2 EuGVVO statuiert wird, nicht angestrebt wird,61 und andererseits mittels der Art. 17–19 EuGVVO im Ergebnis weitreichende Ausnahmen von diesem Grundsatz erreicht werden könnten, besteht Einigkeit, dass die Vorschriften über die Zuständigkeit in Verbrauchersachen insgesamt restriktiv auszulegen sind.62 Der besondere Gerichtsstand soll in Streitigkeiten, in welchen der Unternehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit in Richtung des Staates ausgerichtet hat, 59 EuGH, Urt. v. 14. 5. 2009 – C-180/06, Renate Ilsinger/Martin Dreschers als Insolvenzverwalter im Konkurs der Schlank & Schick-GmbH, Slg. 2009, I-3998. Allerdings wird in Rdnr. 48 ebenfalls festgestellt, dass der Wortlaut des Artikel 15 Absatz 1 EuGVVO nicht in jeder Hinsicht mit dem des Artikel 13 Absatz 1 EuGVÜ identisch ist. Insbesondere die Anwendungsvoraussetzungen, die Verbraucherverträge erfüllen müssen, sind im Gegensatz zum EuGVÜ nunmehr allgemeiner formuliert als zuvor, damit auch angesichts der neuen Kommunikationsmittel und der Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet ist. 60 Dieser Schluss ergibt sich bereits aus dem Schlosser Bericht Nr. 153 im Zusammenspiel mit dem Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 31. Oktober 1980 von Mario Giuliano und Paul Lagarde, ABl. EG Nr. C 282/1. Auf diesen Bericht nimmt Schlosser in Nr. 158 hinsichtlich der Auslegung der anderweitigen Verbrauchergeschäfte Bezug; in Giuliano/Lagarde findet sich zu den Verbraucherverträgen in Art. 5 Nr. 2 die Feststellung, dass das angestrebte Ziel der Schutz der schwächeren Partei ist. Bereits hier wird klar, dass dem unionsrechtlichen Gesetzgeber das Zusammenspiel zwischen Kollisionsrecht und Zuständigkeitsrecht von Anfang an besonders wichtig war. 61 Zu diesem Grundsatz Erwägungsgrund Nr. 15 der EuGVVO, S. 2. Staudinger, in: Rauscher-EuZPR/EuIPR, Art. 17 EuGVVO Rn. 1 sieht die Ratio der Art. 17–19 EuGVVO a. F. im Schutz des intellektuell und wirtschaftlich Schwächeren und leitet daraus eine restriktive Lesart der genannten Vorschriften ab, während Hess, EuZPR, § 6 Rn. 98 auf den Schutz der wirtschaftlich unterlegenen und geschäftlich unerfahreneren Person abstellt. Die Deutung, dass der Verbraucher intellektuell schwächer als der Unternehmer einzuschätzen ist, erscheint vor dem Leitbild des „durch Information mündigen“ Verbrauchers zumindest diskutabel. 62 EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 – C-464/01, Gruber/BayWa AG, Slg. 2005, I-439, zustimmend Stadler, in: Musielak-ZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 1. Zum allgemeinen Grundsatz, dass nur in gesetzlich geregelten Fällen vom in Art. 2 EuGVVO niedergelegten Grundsatz abgewichen werden kann, beispielsweise EuGH, Urt. v. 11. 01. 1990 – C – 220/88, Dumez France u. a./ Hessische Landesbank u. a., Slg. 1990, I-49.
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in welchem der Verbraucher ansässig ist, letzterem die Möglichkeit geben, einen Rechtsstreit in seinem Heimatstaat zu führen. Den Artt. 17–19 EuGVVO liegt dabei der Gedanke zugrunde, dass der Verbraucher sich typischerweise dem Unternehmer gegenüber in einer unterlegenen Position befindet und ihm zum Ausgleich dieses Ungleichgewichts ein Klägergerichtsstand zugestanden werden soll.63 Dieses Ungleichgewicht führt allerdings nur bei Hinzutreten eines bestimmten Unternehmerverhaltens zur vorgesehenen Privilegierung. Den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses folgend ist der Verbraucher zur Eröffnung des Klägergerichtsstands darlegungs- und beweispflichtig. Allerdings wird die Frage, wie bei Restzweifeln am Vorliegen der Anwendungsvoraussetzung verfahren werden soll, unterschiedlich beantwortet. Nach der Rechtsprechung des EuGH soll im Zweifel für die Eröffnung des Gerichtsstandes votiert werden.64 Begründet wird dies damit, dass bei anderer Handhabung den Vorschriften über die Zuständigkeit in Verbrauchersachen ihre praktische Wirksamkeit genommen würde.65 Dagegen wird argumentiert, dass im Zweifel gegen die Eröffnung des besonderen Gerichtsstandes des Art. 17 EuGVVO zu entscheiden ist.66 Nur dies entspricht dem regulären Duktus der mitgliedstaatlichen Zuständigkeitssysteme, in denen der potentiell Begünstigte die Voraussetzungen des ihm Vorteilhaften darzulegen und notfalls zu beweisen hat.67 Für diese Grundregel spricht, dass sie historisch gewachsen, rechtsvergleichend bestätigt und 63 Der EuGH beschreibt die Funktion des Art. 15 EuGVVO a. F. als Sonderregelung, die darin besteht, dem Verbraucher als dem gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner einen angemessenen Schutz zu sichern, vgl. EuGH, Urt. v. 11. 7. 2002 – C-96/00, Rudolf Gabriel, Slg. 2002, I-6367; EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013 – C-419/11, Ceská sporitelna, a. s./Gerald Feichter, BeckRS 2013, 80540; Dörner, in: Saenger, Vorbemerkung zu Art. 15–17 EuGVVO a. F. Rn. 1. 64 EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 – C-464/01, Gruber/BayWa AG, Slg. 2005, I-439, Rn. 50. 65 Das Ziel der Rechtssicherheit erfordert es, dass das angerufene nationale Gericht in der Lage ist, ohne Schwierigkeiten über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden, ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen, EuGH, Urt. v. 3. 7. 1997 – C-269/95, Benincasa/Dentalkit Srl., Slg. 1997, I-3767. Daher soll das angerufene Gericht im Stadium der Prüfung der internationalen Zuständigkeit weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit der Klage nach den Vorschriften des nationalen Rechts prüfen, sondern allein die Anknüpfungspunkte mit dem Staat des Gerichtsstands ermitteln, die seine Zuständigkeit nach der jeweiligen Bestimmung rechtfertigen, EuGH, Urt. v. 25. 10. 2012 − C-133/11, Folien Fischer AG, Fofitec AG/Ritrama SpA, NJW 2013, 287 zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a. F. Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit nach der EuGVVO ist es daher nicht erforderlich, zu strittigen Tatsachen, die sowohl für die Frage der Zuständigkeit als auch für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs von Relevanz sind, ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen, EuGH, Urt. v. 28. 1. 2015 – C-375/13, Kolassa/Barclays Bank plc, NJW 2015, 1581. Damit ist die innerhalb der deutschen Zivilprozessordnung bekannte Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen auch innerhalb der EuGVVO anwendbar, vgl. hierzu Müller, EuZW 2015, 218, 225. 66 In diese Richtung Stadler, in: Musielak-ZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 1 und Reich, EuZW 2005, 241. 67 Der Grundsatz wird auch als Rosenberg’sche Formel bezeichnet. Eingehend zu dieser Grundregel der Beweislastverteilung Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 265 ff.
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zudem im geltenden Recht allgemein anerkannt ist, sodass ein Abweichen von ihr nicht mit der allgemeinen Behauptung der praktischen Aushöhlung einer Vorschrift gerechtfertigt werden kann.68 Eine vermittelnde Ansicht versucht die Problematik differenzierter zu lösen. Ausgehend vom Ausnahmecharakter der Artt. 17 ff. EuGVVO sei im Zweifel zwar von einem zuständigkeitsbegründenden Verbrauchervertrag auszugehen. Allerdings sei der Gerichtstand zu verneinen, falls der Unternehmer den nicht beruflich gewerblichen Zweck des Geschäfts deswegen nicht kennen konnte, weil der Verbraucher durch sein eigenes Verhalten gegenüber seinem potentiellen Vertragspartner bei diesem faktisch den Eindruck erweckt habe, dass er gerade nicht zu persönlichen sondern zu gewerblichen Zwecken handele.69 Diese Ansicht trägt den Interessen beider Parteien bestmöglich Rechnung, da sie zum einen den Verbraucher beweisbelastet lässt, diesem aber bei Darlegung der notwendigen Tatsachen den Gerichtsstand a priori eröffnet. Zum anderen wird hier in der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers das entscheidende Kriterium gesehen. Soweit der Verbraucher aufgrund seines Verhaltens einen falschen Eindruck auf Seiten des Unternehmers hervorruft, kann er sich nicht auf seine tatsächlich bestehende Schutzwürdigkeit berufen. Damit wird ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen beider Vertragspartner erreicht. cc) Der persönliche Anwendungsbereich (1) Der Verbraucher Nur der nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnde private Endverbraucher fällt in den Schutzbereich des Art. 17 EuGVVO.70 Grund hierfür ist, dass die besonderen Zuständigkeitsregeln auf Personen ausgerichtet sind, welche eines besonderen Schutzes bedürfen.71 Nach dem Wortlaut der Artt. 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 EuGVÜ gilt dieser Schutz nur für Personen, die „zu einem Zweck tätig werden, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Per68 Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 112 zieht aus den genannten Argumenten sogar den Schluss, dass die Grundregel als Teil des geltenden Gesetzesrechts angesehen werden kann. 69 So Geimer, in: Zöller-ZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 9, der seine Ansicht auf die vom EuGH in der Sache Gruber/Baywa zugestandene Möglichkeit des Verzichts auf den verfahrensrechtlichen Verbraucherschutz stützt. Artt. 17 ff. EuGVVO sind seiner Meinung nach selbst dann nicht anwendbar, wenn mit dem Vertrag als solchem ein ganz untergeordneter gewerblicher Zweck verfolgt wird, da aufgrund des Eindrucks, den die Privatperson bei ihrem gutgläubigen Vertragspartner erweckt hat, anzunehmen ist, dass sie auf den in diesen Artikeln vorgesehenen Schutz verzichtet hat. 70 So ausdrücklich EuGH, Urt. v. 19. 01. 1993 – C-89/91, Shearson Lehman Hutton/TVB, Slg. 1993, I-139 und EuGH, Urt. v. 22. 11. 2001 – C-541/99, C-542/99, Cape Snc/Idealservice Srl und Idealservice MN RE Sas/OMAI Srl, Slg. 2001, I-9049. 71 Diese ratio legis heben Simotta, in: Fasching-ZPO, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 22 und Geimer, in: Zöller-ZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 11 besonders hervor.
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son zugerechnet werden kann“.72 Auch die Artt. 17–19 EuGVVO definieren aus Gründen der Rechtssicherheit den Verbraucherbegriff strikt rollen- und nicht statusbezogen.73 Wie bei Vorliegen eines gemischten Vertrags, welcher sich auf einen Gegenstand bezieht, welcher für einen teilweise beruflich-gewerblichen, teilweise privaten Zweck des Vertragschließenden bestimmt ist, zu verfahren ist, wird unterschiedlich beurteilt. Das Bürgerliche Gesetzbuch beschreibt in § 13 den Verbraucher als natürliche Person, welche ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.74 Diese Formulierung geht auf die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie zurück, welche in ihrem 17. Erwägungsgrund bestimmte Anhaltspunkte für die Verbraucherdefinition gibt. Danach sind Verbraucher grundsätzlich natürliche Personen, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handeln. Wird der Vertrag teilweise für gewerbliche und teilweise für nichtgewerbliche Zwecke abgeschlossen (Verträge mit doppeltem Zweck) und ist der gewerbliche Zweck im Gesamtzusammenhang des Vertrags nicht überwiegend, so sollte auch diese Person als Verbraucher betrachtet werden.75 Im europäischen Zivilprozessrecht ist der Verbrauchergerichtsstand hingegen regelmäßig bereits dann zu versagen, falls die Rechtssache auch einen Bezug zur beruflichen Tätigkeit der natürlichen Person aufweist.76 Diese restriktive Handhabung der Vorschriften ist auf deren Ausnahmecharakter im Gesamtgefüge der EuGVVO zurückzuführen. Daher ist bei einem gemischten Vertrag der Verbrauchergerichtsstand nur dann zu gewähren, falls der beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass dieser im Gesamtzusammenhang des 72 Ob eine Person als Verbraucher angesehen werden kann, ist nach der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person zu beantworten, EuGH, Urt. v. 03. 07. 1997 – C-269/95, Francesco Benincasa/Dentalkit Srl., Slg 1997, I-3767. 73 Vgl. von Hein, EuZW 2011, 369, 370. 74 Damit hat die kontrovers diskutierte Frage des sogenannten dual use im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie eine gesetzgeberische Antwort erhalten. Vgl. zum bisherigen Streitstand Bamberger, in: BeckOK-BGB, § 13 Rn. 12. 75 Mit der Frage des dual use haben sich bereits frühere Richtlinien beschäftigt. So findet sich beispielsweise innerhalb der Produkthaftungsrichtlinie (Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. Nr. L 210/9) ein Anhaltspunkt für die Einordnung derartiger Fälle. Gemäß Art. 9 lit b, ii) ist ein Sachschaden nur dann ersatzfähig, wenn die Sache von dem Geschädigten hauptsächlich zum privaten Ge- oder Verbrauch verwendet worden ist. Hierfür bedarf es der überwiegenden Verwendung der Sache im privaten Bereich, vgl. Wagner, in: MüKo-BGB, § 1 ProdHaftG Rn. 18. Dies ist dem nunmehr im BGB verankerten Verständnis des Verbrauchers zumindest verwandt. 76 So bereits EuGH, Urt. v. 20. 1. 2005 – C-464/01 Gruber/BayWa AG, Slg 2005, I-458, eingehend dazu Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 10 ff.
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betreffenden Geschäfts nur eine äußerst untergeordnete Rolle einnimmt.77 Damit wird sichergestellt, dass in bestimmten Situationen der Verbrauchergerichtsstand trotz des Vorliegens unternehmerischer Elemente eröffnet werden kann. Eine weitergehende Öffnung des Gerichtsstandes für Personen, die bei Vertragsschluss überwiegend weder gewerbliche noch berufliche Zwecke verfolgen, erscheint hingegen nicht angebracht.78 Zum einen führt eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs zu erhöhtem Ermittlungsaufwand innerhalb der Zuständigkeitsbestimmung. Die Beantwortung der Frage nach der überwiegenden gewerblichen bzw. selbstständig beruflichen Tätigkeit wird regelmäßig mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist, als die einfacher zu treffende Feststellung der untergeordneten Rolle des beruflich-gewerblichen Zwecks. Zum anderen entfällt mit der Erhöhung des unternehmerischen Anteils ein erheblicher Teil der dem Verbrauchergerichtsstand zugrunde liegenden Schutzwürdigkeit. Zwar kann ein Unternehmer den Schutz des Verbraucherschutzrechts in Situationen, in denen er anderen Unternehmern in einer jedenfalls nach Wissen und Erfahrung schwächeren Position gegenübertritt, durchaus bedürfen.79 Jedoch stützen sich die Artt. 17–19 EuGVVO neben der rechtlichen auch auf die wirtschaftliche Unterlegenheit des Verbrauchers als Vertragspartner. Diese zusätzliche Voraussetzung kann jedoch bei einem unternehmerisch geprägten Vertragsschluss nicht ohne weiteres angenommen werden. Damit ist bei Vertragsschlüssen, welche sowohl unternehmerischen als auch Verbraucherzwecken dienen, die Schutzwürdigkeit nicht typischerweise gegeben, sodass eine Ausdehnung des Schutzbereichs der Artt. 17–19 EuGVVO nicht geboten ist.80 Somit ist innerhalb des 77 Während über die Unterordnung der gewerblichen Komponente größtenteils Einigkeit herrscht, wird die Frage nach der Kenntnis des Vertragspartners von der Verbrauchereigenschaft unterschiedlich beantwortet. Während Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 2 eine derartige Kenntnis als nicht notwendig erachtet, misst Stadler, in: MusielakZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 1 zumindest im Rahmen der gemischten Verträge der Kenntnis eine wichtige Rolle zu. 78 Vgl. EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013 – C-419/11, Česká spořitelna, a. s./Gerald Feichter, BeckRS 2013, 80540 zu einer Wechselbürgschaft für einen Wechsel, der als Garantie für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft aus einem Vertrag über die Gewährung eines Kredits gegeben wurde. Von einer Verbrauchereigenschaft kann in diesem Fall nicht ausgegangen werden, selbst wenn sie außerhalb einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen übernommen wurde, falls die gewährende natürliche Person mit dieser Gesellschaft beruflich oder gewerblich eng verbunden ist, etwa als deren Geschäftsführer oder Mehrheitsbeteiligter. 79 Vgl. Bamberger, in: BeckOK-BGB, § 13 Rn. 12 für den materiellen Verbraucherschutz. 80 Die Sonderregelung für Verbraucherverträge hat die Funktion, für einen angemessenen Schutz des Verbrauchers als des Vertragspartners zu sorgen, der gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren angesehen wird; diese Funktion impliziert, dass die insoweit vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsregeln nicht auf Personen ausgedehnt werden dürfen, die dieses Schutzes nicht bedürfen, EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013 – C-419/11, Česká spořitelna, a. s./Gerald Feichter, BeckRS 2013, 80540.
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europäischen Zivilprozessrechts eine restriktive Handhabung des Verbrauchergerichtsstandes angezeigt, welche nur bei einem äußerst untergeordneten beruflich-gewerbliche Zweck die Eröffnung des besonderen Gerichtsstandes erlaubt.81 (2) Der andere Vertragspartner Für die Eröffnung des Verbrauchergerichtsstands muss es sich bei dem Vertragspartner des Verbrauchers um einen Unternehmer handeln. Falls ein Vertrag zwischen zwei Personen zustande kommt, welche beide nicht berufs- oder gewerbebezogen handeln, kommt die Eröffnung des Verbrauchergerichtsstandes nicht in Betracht.82 Das den Artt. 17–19 EuGVVO zugrunde liegende Schutzziel der Wiederherstellung von Gleichheit zwischen den Parteien ist in Ermangelung eines auszugleichenden Ungleichgewichts in derartigen Fällen nicht tangiert. Die Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der EuGVVO erfordert darüber hinaus einen Auslandsbezug des streitigen Sachverhalts.83 Dieser kann sich daraus ergeben, dass durch den Grund der Streitigkeit oder den jeweiligen Wohnsitz der Parteien mehrere Vertragsstaaten betroffen sind. Dies ist jedoch keine zwingende Voraussetzung. Als anderer Vertragspartner kann vielmehr auch der im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ansässige Vertragspartner des Wirtschaftsteilnehmers verstanden werden, mit dem der Verbraucher den betreffenden Vertrag geschlossen hat, sofern für diesen Vertragspartner ein Auslandsbezug gegeben ist.84 Damit soll einerseits der Verbraucher als schwächere Vertragspartei geschützt werden und andererseits Parallelverfahren vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Diese Auslegung gilt jedoch nur für besondere Umstände, unter denen der Verbraucher von vornherein vertraglich in untrennbar miteinander verbundener Weise an zwei Vertragspartner gebunden war.85 Abgesehen von diesen besonderen Umständen, bei denen das mit der Klage auf Verurteilung beider Vertragspartner als Gesamtschuldner befasste Gericht nur in Bezug auf den in 81 Vgl. zum Verhältnis des Verbraucherbegriffs im materiellen Verbraucherschutzrecht und im europäischen Zivilprozessrecht Micklitz/Purnhagen, in: MüKo-BGB, § 13 Rn. 53. Wendehorst, NJW 2014, 577 äußert in diesem Zusammenhang die Befürchtung, dass es zu einem gespaltenen Verbraucherbegriff kommen könnte. 82 EuGH, Urt. v. 5. 12. 2013 – C-508/12, Walter Vapenik/Josef Thurner, NJW 2014, 841. 83 Grundlegend dazu EuGH, Urt. v. 1. 3. 2005 – C-281/02, Owusu/Jackson u. a., EuZW 2005, 345. 84 EuGH, Urt. v. 14. 11. 2013 – C-478/12, Armin Maletic ua/lastminute.com GmbH ua, NJW 2014, 530. Kritsch dazu Sujecki, NJW 2014, 531, der in dieser Entscheidung die Einrichtung eines weiteren Gerichtsstandes der Streitgenossenschaft sieht, welcher mit Blick auf Art. 6 Nr. 1 EuGVVO a. F. nicht notwendig sei. Müller, EuZW 2014, 34, 35 merkt zudem an, dass die maßgebliche Relativität der Vertragsverhältnisse in der Entscheidung außer Acht gelassen wird. 85 EuGH, Urt. v. 28. 1. 2015 – C-375/13, Kolassa/Barclays Bank plc, NJW 2015, 1581. Zustimmend Müller, EuZW 2015, 218, 221.
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einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer zuständig gewesen wäre, bleibt es bei der Notwendigkeit des Auslandsbezugs im Verhältnis der beiden Vertragspartner selbst. dd) Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des EuGVÜ bezog nur Dienstleistungen und die Lieferung beweglicher Sachen in seinen Anwendungsbereich ein. Demgegenüber wurde bereits durch Art. 15 Abs. 1 EuGVVO a. F. der Anwendungsbereich großflächig erweitert, indem nunmehr alle Verbraucherverträge von der Regelung erfasst werden.86 Der Umfang der erfassten Ansprüche beschränkt sich hierbei nicht auf die primären vertraglichen Ansprüche oder den Streit über den Abschluss des Vertrags, sondern beinhaltet alle Ansprüche, welche eine so enge Verbindung mit dem Vertrag aufweisen, dass sie nicht von ihm getrennt werden können.87 Grund für die Erweiterung des Anwendungsbereichs war die Entwicklung der Kommunikation über das Internet, durch welche die Feststellung des Orts, an dem die für den Vertragsschluss erforderlichen Handlungen vorgenommen werden, erschwert und zugleich die Verletzlichkeit des Verbrauchers gegenüber Angeboten von Gewerbetreibenden erhöht wird.88 Eine Ausnahme vom grundsätzlich umfassenden Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVVO ergibt sich aus dessen Absatz 3, welcher Beförderungsverträge mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen, vom Anwendungsbereich ausgrenzt. Grund hierfür ist, dass der Beförderungssektor bereits hinreichend durch internationale Abkommen geregelt ist, sodass eine weitere Regelung als nicht notwendig erachtet wurde.89 ee) Die Weiterentwicklung des Art. 17 EuGVVO durch die Rechtsprechung des EuGH Der Verbrauchergerichtsstand des Art. 17 EuGVVO ist nach seinem Absatz 1 eröffnet, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag sind, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen 86 Dazu
Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rn. 141 ff. So der EuGH, Urt. v. 11. 7. 2002 – C-96/00, Rudolf Gabriel, Slg. 2002, I-6367. 88 Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ war es für den Vertragsabschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers erforderlich, dass sowohl ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen war, als auch der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hatte. 89 Zum Beispiel Artt. 33 und 46 des Montrealer Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. 5. 1999, BGBl. 2004 II S. 458. Dazu und zu dessen Verhältnis zu weiteren Regelungen der internationalen Zuständigkeit Pokrantin, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB, Band II, Anhang Transportrechtliche Nebenbestimmungen, Art. 33 MÜ, Rn. 5 ff. 87
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hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann. Weitere Voraussetzung ist, dass es sich entweder um den Kauf beweglicher Sachen mittels Teilzahlung handelt, lit. a, oder dass es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines derartigen Kaufs bestimmt ist, lit. b. In lit. c werden zusätzlich alle anderen Fälle einbezogen, in denen der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Mittlerweile waren bereits mehrere Tatbestandsmerkmale dieser Norm Gegenstand höchstrichterlicher Interpretation. Gerade in jüngerer Vergangenheit wurde der Hauptanwendungsfall des Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO durch den EuGH konkretisiert. Diese Konkretisierungen sollen nun untersucht werden, da die angebrachten Wertungen auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung Geltung beanspruchen könnten. (1) Das Ausrichten der Tätigkeit In den verbundenen Rechtssachen Pammer und Alpenhof hat der EuGH einen Indizienkatalog zusammengestellt, mit dessen Hilfe ein Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit festgestellt werden kann.90 Ausgangspunkt war die fehlende Definition des Begriffs der Ausrichtung und dessen damit notwendig werdende autonome Auslegung.91 Ausgehend vom Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO a. F. wurde zunächst festgehalten, dass der Begriff des Ausrichtens die früher in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ enthaltenen Begriffe „ausdrückliches“ Angebot und „Werbung“ umfasst und diese, wie die Worte „auf irgendeinem Wege“ deutlich machen, auf ein breiteres Spektrum von Tätigkeiten erweitert hat.92 Als Grundvoraussetzung für ein Ausrichten der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit auf den Verbraucherstaat wurde vom EuGH festgelegt, dass der Gewerbetreibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben muss, 90 EuGH, Urt. v. 7. 12. 2010, verb. Rs. C-585/08, C-144/09, Peter Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GesmbH/Oliver Heller, Slg 2010, I-1252. 91 Zum Unterschied zwischen dem Begriff der Ausrichtung (requirement to direct such activities) und dem anglo-amerikanischen Konzept der business activity eingehend Farah, (2008) 33 European Law Review, 257, 266–269. 92 Die Änderung, durch welche der Schutz des Verbrauchers gestärkt werden sollte, erfolgte laut dem EuGH in Rn. 62 des Urteils auf Grund der Entwicklung der Kommunikation über das Internet, durch die die Feststellung des Ortes, an dem die für den Vertragsschluss erforderlichen Handlungen vorgenommen werden, erschwert und zugleich die Verletzlichkeit des Verbrauchers gegenüber Angeboten von Gewerbetreibenden erhöht wird.
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Geschäftsbeziehungen zu in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Verbrauchern herzustellen.93 Dieser Wille soll bestimmten Arten der Werbung innewohnen. Darunter fallen insbesondere die klassischen Formen der Werbung, wie beispielsweise Werbung in Presse, Radio, Fernsehen oder Kino.94 Da derartige Werbemaßnahmen dazu dienen, um sich in anderen Mitgliedstaaten bekannt zu machen und in der Regel mit Ausgaben in beträchtlicher Höhe verbunden sind, werde bereits hierdurch der Wille des Gewerbetreibenden, seine Tätigkeit auf diese Mitgliedstaaten auszurichten, ausreichend belegt. Ein derartiger Wille kann dagegen bei Werbung im Internet nicht ohne weiteres angenommen werden. Diese Kommunikationsweise habe ihrem Wesen nach eine globale Reichweite und sei ohne wesentliche Mehrausgaben durchzuführen. Somit bedürfe es weiterer Indizien, um eine Ausrichtung auf ausländische Verbraucher feststellen zu können.95 Diese können sich nach Ansicht des EuGH aus allen offenkundigen Ausdrucksformen ergeben, die Rückschlüsse auf den Willen zulassen, den Verbraucher im anderen Mitgliedstaat als Kunden gewinnen zu wollen.96 Als Beispiele für derart offenkundige Ausdrucksformen kommen der internationale Charakter der vom Unternehmer ausgeübten Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, oder die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der im Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung, insbesondere mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, in Betracht.97 Auch werden die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaft ist, als Indizien gewertet. Die genannten objektiven Kriterien sind jedoch nur Anhaltspunkte und kein ab93 Zu ermitteln ist demnach, ob vor dem Vertragsschluss mit dem Verbraucher Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern tätigen wollte, die in anderen Mitgliedstaaten wohnhaft sind, darunter in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche Verbraucher seinen Wohnsitz hat, und zwar in dem Sinne, dass der Gewerbetreibende zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit war, EuGH, Rn. 76. 94 Damit sollen alle Formen der Werbung innerhalb des Verbraucherstaates erfasst werden, EuGH, Rn. 66. 95 Auch Staudinger, AnwBl 2011, 327, 328 entnimmt bereits aus der Vorlageentscheidung, dass die bloße Abrufbarkeit der Website im Staate des Verbrauchers für eine Ausrichtung allein nicht ausreiche. 96 EuGH, Rn. 80. Zum Begriff des Ausrichtens eingehend Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rn. 146 ff. und Mankowski, IPRax 2012, 144 ff. 97 Zur Bedeutung der Kriterien von Sprache und Währung mit Blick auf Erwägungsgrund 24 S. 4 der Rom I-VO eingehend Staudinger/Steinrötter, EWS 2011, 7073, welche zum Ergebnis kommen, dass diese Anhaltspunkte im Grundsatz durchaus nutzbar gemacht werden können, allerdings die Frage aufwerfen, wie mit weit verbreiteten Sprachen wie Englisch oder Spanisch umgegangen werden soll.
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schließender Katalog mit dem der unbestimmte Begriff des Ausrichtens allein bestimmt werden soll.98 (2) Der Vertragsschluss im Fernabsatz In der Rechtssache Mühlleitner war die Frage zu beantworten, ob für die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes ein Vertragsschluss im Fernabsatz notwendig ist.99 Dies wurde zum einen unter Hinweis auf den Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO a. F. abgelehnt, der nur das Ausüben bzw. Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers verlangt sowie, dass der streitige Vertrag in den Bereich dieser unternehmerischen Tätigkeit fällt.100 Zum anderen widerspräche eine derartige Voraussetzung auch dem Zweck der Norm, einen effektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten, und kann daher nicht verlangt werden. (3) Die Kausalität des Ausrichtens für den Vertragsschluss In der Rechtssache Emrek wurde seitens des EuGH die Frage, ob der Vertragsschluss kausal auf das Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit zurückführbar sein muss, verneint.101 Das Urteil bildet die Abkehr von der zuvor in weiten Teilen der Rechtsprechung und Literatur geforderten kausalen Verbindung und ist damit ein weiterer wichtiger Schritt in der Weiterentwicklung des Verbrauchergerichtsstandes durch den Europäischen Gerichtshof.102 Als Grund für die Ablehnung eines derartigen Erfordernisses wird wiederum der Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO a. F. genannt, welcher ein Kausalitätserfordernis nicht beinhalte, und auf den Zweck der Norm als effektives Verbraucherschutzinstrument verwiesen. Schwierigkeiten, die mit dem Nachweis der Kausalität verbunden sind, könnten die Verbraucher davon abhalten, die nationalen Gerichte unter Zuhilfenahme der Artt. 15 und 16 EuGVVO a. F. anzurufen.103 Die Vorschrift des Art. 17 EuGVVO könnte somit als Regelung der internationalen Zuständigkeit eine valide Basis für die Ausbildung einer Zuständig98 Damit können sowohl im gerichtlichen als auch im hier untersuchten außergerichtlichen Bereich noch weitere Anhaltspunkte berücksichtigt werden. 99 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, C-190/11, Daniela Mühlleitner/Ahmad Yusufi u. a., NJW 2012, 3225. 100 EuGH, Rn. 35. Diese Ansicht wurde bereits von allen Regierungen, die Erklärungen eingereicht haben, sowie der Kommission geteilt, die sich auf die Entstehungsgeschichte sowie eine grammatikalische Auslegung und eine teleologische Auslegung bezogen. 101 EuGH, Urt. v. 17. 10. 2013, C-218/12, Lokman Emrek/Vlado Sabranovic, NJW 2013, 3504. 102 Eine gute Übersicht zur Entwicklung geben Klöpfer/Wendelstein, JZ 2014, 302 ff. Die Frage der Kausalität zwischen Ausrichten und Vertragsschluss wird unten S. 163 ff. eingehender behandelt. 103 So die Schlussfolgerung in EuGH, Rn. 25.
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keitsnorm im außergerichtlichen Bereich bilden. Auch bieten die ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe die notwendige Flexibilität bei der Anwendung im Einzelfall. Schließlich ist die der Vorschrift zugrunde liegende Erwägung der Vorhersehbarkeit für das außergerichtliche Verfahren besonders bedeutsam.104 Zu klären bleibt allerdings, ob und in welchem Umfang die bisher gewonnenen Ergebnisse auch auf die außergerichtliche Streitbeilegung übertragbar sind. b) Die Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Praxis des Art. 17 EuGVVO sind als gewachsener Verbraucherschutz zu verstehen. Allerdings ist die EuGVVO ein Instrument des europäischen Zivilprozesses. Dieser verfolgt andere Zwecke als die außergerichtliche Streitbeilegung, sodass eine direkte Übertragung der gefundenen Ergebnisse nicht möglich ist. Allerdings besteht die Möglichkeit, die in der Norm enthaltenen Wertungen näher zu untersuchen und die Möglichkeit einer Übertragung auf die außergerichtliche Streitbeilegung zu überprüfen. Hierbei soll aber nicht der gesamte Abschnitt der Zuständigkeit in Verbrauchersachen in den Blick genommen werden, sondern allein der für den Verbraucher als Kläger bestehende besondere Klägergerichtsstand.105 aa) Vergleichbare Sachlage Die Regelung des Art. 17 EuGVVO dient innerhalb des europäischen Zivilprozessrechts der Verwirklichung des verfahrensrechtlichen Verbraucherschutzes. Die bereits erwähnten Zielsetzungen, den Verbraucher als potentiell schwächere Vertragspartei zu schützen und zudem dessen Vertrauen bei grenzüberschreitenden Transaktionen in den Binnenmarkt zu stärken, um dessen Nutzung anzuregen, versucht Art. 17 EuGVVO damit zu erreichen, indem er dem Verbraucher sowohl als Kläger als auch als Beklagtem unter bestimmten Umständen ein prozessuales „Heimspiel“ einräumt. Er wird dementsprechend vor einem gerichtlichen Verfahren im Ausland umfassend geschützt.106 Diese Zielsetzung entspricht im Grundsatz derjenigen der ADR-Richtlinie, welche in Art. 1 S. 1 als Zweck angibt, durch das Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts 104 Diese Prämisse ergibt sich bereits aus Erwägungsgrund 15 der EuGVVO, nach dem Zuständigkeitsvorschriften in hohem Maße vorhersehbar sein sollen. 105 Der gesamte Abschnitt der EuGVVO wird treffend von Bogdan, YbPrivIntL 12 (2010), 565, 566 als sword and shield bezeichnet, abhängig davon, ob der Verbraucher von dem besonderen Gerichtstand als Kläger Gebrauch machen möchte oder ob er gemäß Art. 16 Abs. 2 EuGVVO a. F. sich darauf beruft, nur in seinem Heimatstaat verklagt werden zu können. Für die außergerichtliche Streitbeilegung soll nur der Aspekt des „Schwertes“ näher beleuchtet werden 106 Stadler, IPRax 2015, 203, 205 weist auf die vielfältigen Risiken wie die erhöhte Kostenlast, das unbekannte Justiz- und Verfahrenssystem und nicht zuletzt die fremde Sprache hin.
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beizutragen, indem dafür gesorgt wird, dass Verbraucher auf freiwilliger Basis Beschwerden gegen Unternehmer bei Stellen einreichen können, die unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire AS-Verfahren anbieten. Auch hier wird der Verbraucherschutz auf verfahrensrechtlicher Ebene angestrebt, da zur Durchsetzung der genannten Ziele ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren angeboten wird. Da sich sowohl Zielsetzung als auch verfahrensrechtliche Ausgestaltung ähneln, kann Art. 17 EuGVVO bei grenzüberschreitenden Sachverhalten als Orientierung für die außergerichtliche Streitbeilegung herangezogen werden. Regelmäßig werden die grenzüberschreitenden Ansprüche, welche von den neuen AS-Stellen geklärt werden können, auch in den Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVVO fallen. Schließlich ist gleich dem gerichtlichen Verfahren davon auszugehen, dass der Verbraucher ohne seine zuständigkeitsrechtliche Privilegierung vom grenzüberschreitenden Konsum oft keinen Gebrauch machen wird.107 Zu klären bleibt allerdings, ob die im gerichtlichen Verfahren tangierten Interessen und deren Abwägung in Art. 17 EuGVVO direkt für die Ausbildung eines Zuständigkeitssystems herangezogen werden können, oder ob die vorzunehmende Abwägung im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung einer Modifikation bedarf. Hierzu sollen zunächst die Voraussetzungen für die Eröffnung des Verbrauchergerichtsstandes nach der EuGVVO mit den Anwendungsvoraussetzungen der ADR-Richtlinie verglichen werden. Im Anschluss daran wird die durch den EuGH vorgenommene Konkretisierung der innerhalb des Art. 17 EuGVVO verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe näher beleuchtet und deren praktische Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung thematisiert. Anhand der gefundenen Ergebnisse soll dann gezeigt werden, inwieweit unter Rückgriff auf die bestehende zivilprozessuale Regelung ein Zuständigkeitssystem in der außergerichtlichen Streitbeilegung ausgestaltet werden könnte. bb) Die allgemeinen Voraussetzungen Im Rahmen der persönlichen Anwendungsvoraussetzungen besteht sowohl bei Art. 17 EuGVVO als auch bei den von der ADR-Richtlinie erfassten Streitigkeiten eine grundsätzliche Übereinstimmung. Die in Art. 4 Abs. 1 lit. a und b ADR-RiLi verwendeten Definitionen des Verbrauchers und Unternehmers entsprechen denen, welche auch von Art. 17 EuGVVO in Abs. 1 für den Verbraucher und in Abs. 1 lit. c für den Unternehmer verwendet werden. Für die Konkretisierung der Begriffe und die Frage der gemischten Verträge kann hierbei auf die seitens des EuGH gefundenen Ergebnisse zurückgegriffen werden. Ei107
Zur Situation im gerichtlichen Verfahren Stadler, IPRax 2015, 203, 205.
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nerseits schon deshalb, weil sich auch die ADR-Richtlinie mit dem verfahrensrechtlichen Schutz des Verbrauchers, insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, beschäftigt und sich damit wie bei der Anwendung der EuGVVO die Frage stellt, unter welchen Voraussetzungen ein Verfahren dem Staate des Verbrauchers aus Schutzerwägungen heraus zugewiesen werden sollte. Zum anderen ist auch die Wortlautübereinstimmung der Vorschriften als deutliches Indiz zu werten. Trotz des Unterschieds zwischen der EuGVVO als unmittelbar geltender Verordnung und der ADR-Richtlinie, welche einer Umsetzung bedarf, kann hier davon ausgegangen werden, dass aufgrund der gleichgelagerten Zielrichtung und des gleichen Wortlautes hier rechtsaktübergreifend Erkenntnisse verwendet werden können.108 Der sachliche Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie wird in Art. 2 Abs. 1 mit vertraglichen Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen umschrieben. Diese Verträge fallen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVVO, welcher seinen sachlichen Anwendungsbereich gegenständlich nur mit Verträgen oder Ansprüchen aus einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer beschreibt. Die von prozessualen Gesichtspunkten geleitete Bereichsausnahme für Beförderungsverträge in Art. 17 Abs. 3 EuGVVO gilt hingegen im Rahmen der ADR-Richtlinie nicht, da sich einerseits die Frage konkurrierender Zuständigkeitsnormen hier nicht stellen wird und sich andererseits aus dem Beförderungssektor besonders häufig grenzüberschreitende Streitfälle ergeben.109 cc) Die Interessenabwägung Ebenso wie die Gerichtsverfahren nach der EuGVVO werden die Verfahren nach der ADR-Richtlinie im Grundsatz in dem Mitgliedstaat durchgeführt, in welchem sich der Sitz des Unternehmers befindet.110 Der Grundsatz des Beklagtengerichtsstands wird im gerichtlichen Verfahren allerdings in bestimmten Fällen durchbrochen, in denen das Interesse der einen Partei ausnahmsweise den Interessen der anderen Partei übergeordnet wird. Dies ist zugunsten der Verbraucher in den Artt. 17–19 EuGVVO geschehen. Doch wird dies nur in bestimmten Fällen angenommen. Dafür sind, abgesehen von den Fällen des Art. 17 Abs. 1 108 Trotz der genannten Unterschiede stehen die beiden Rechtsakte in einem rechtlichsystematischen Bedeutungszusammenhang, der es in gewissen Grenzen erlaubt, bereits gewonnene Erkenntnisse zu übertragen. Vgl. dazu eingehend Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 22 ff. 109 Kritisch zur Bereichsausnahme Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 58. 110 Dieser Schluss ergibt sich bereits aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie: „Die Mitgliedstaaten … sorgen dafür, dass unter diese Richtlinie fallende Streitigkeiten, an denen ein in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet niedergelassener Unternehmer beteiligt ist, einer AS-Stelle vorgelegt werden können, die den Anforderungen dieser Richtlinie genügt“.
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lit. a und b nach lit. c bestimmte Verhaltensweisen des Unternehmers notwendig, welche nunmehr näher untersucht werden sollen.111 Zunächst muss der Vertragspartner des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dessen Mitgliedstaat ausüben oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichten. Die Ausübung ist als besonders intensive Art der Markterschließung zu verstehen und wird regelmäßig eine Niederlassung im Mitgliedstaat beinhalten. Derartige Fälle werden auch von bestimmten Schlichtungseinrichtungen bereits als ausreichend angesehen, um eine außergerichtliche Streitbeilegung im Verbraucherstaat einleiten zu können.112 Ob allerdings das alleinige Ausrichten der Tätigkeit ohne eine Dependance für eine Verfahrenseröffnung ausreicht, bedarf noch der Klärung. (1) Allgemeines zum Begriff des Ausrichtens Der Begriff des Ausrichtens ist als dynamischer Begriff zu verstehen. Als Ausgangspunkt für ein Ausrichten der Tätigkeit eines Unternehmers kann die Feststellung dienen, dass er seine beruflichen und gewerblichen Handlungen nicht allein auf einen bestimmten Mitgliedstaat beschränkt. Diese negative Definition impliziert eine zweistufige Prüfung: Während im ersten Schritt festgestellt werden muss, ob eine Beschränkung des Unternehmers im genannten Sinne vorliegt, ist in einem zweiten Schritt festzustellen, ob die Ausrichtung auch den Mitgliedstaat erfasst, in dem sich der Verbraucher aufhält.113 Dabei ist allerdings keine explizite Ausrichtung erforderlich, vielmehr ist es ausreichend, dass der Staat zu den potentiell angesprochenen Mitgliedstaaten gehört.114
111 Dieser Teil des Art. 17 EuGVVO bietet sich insbesondere deshalb als Vergleichsobjekt an, da mit ihm alle nicht in lit. a oder b genannten Verbraucherverträge abgedeckt werden, vgl. Staudinger, in: Rauscher EuZPR/EuIPR, Art. 17 EuGVVO Rn. 8. 112 Als Beispiel kann hier das schwedische ARN gelten, welches jedoch die Einigungsbereitschaft des Unternehmers als weiteres Kriterium voraussetzt. 113 Ähnlich geht auch der EuGH (Urt. v. 7. 12. 2010, verb. Rs. C-585/08, C-144/09, Peter Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GmbH/Oliver Heller, Slg 2010, I-1252) vor, der verlangt, dass zu ermitteln ist, ob vor dem möglichen Vertragsschluss Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern tätigen wollte, die in anderen Mitgliedstaaten wohnhaft sind, darunter in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Diese Anhaltspunkte müssen zudem den Schluss zulassen, dass der Gewerbetreibende zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit war. 114 Als Beispiel kann das Vorhalten einer (auch) auf Deutsch gehaltenen Website dienen. Diese spricht nicht nur Verbraucher in Deutschland an, sondern kann ebenfalls auf österreichische Verbraucher abzielen.
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(2) Das Ausrichten der Tätigkeit als Willensbekundung des Unternehmers Das voluntative Element des Ausrichtens kann auch in der außergerichtlichen Streitbeilegung der ausschlaggebende Faktor für eine ausnahmsweise im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers gegebene Zuständigkeit sein. Falls der Gewerbetreibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Verbrauchern aufzubauen und sich dementsprechend neue Märkte zu erschließen, kann von diesem auch gefordert werden, sich dort zu verantworten, wo er seine Waren und Dienstleistungen letztendlich absetzen will.115 Eine derartige Bestimmung der Zuständigkeit wäre vor allem mit Blick auf die freiwillige Beteiligung an der alternativen Streitbeilegung zu begrüßen, da diese dem Unternehmer leicht verständlich zu machen ist. Der Einsicht, dass mit den ohne Zweifel vorliegenden Vorteilen des grenzüberschreitenden Handels auch gewisse Risiken, wie die einer Streitbeilegung im Ausland, einzukalkulieren sind, dürften sich die expandierenden Unternehmer kaum verschließen.116 Ohne eine derartige Akzeptanz des Unternehmers würde in Ermangelung von Zwangsmitteln, wie sie z. B. aus dem Zivilprozess bekannt sind, die Zuständigkeit aller Voraussicht nach ohne praktische Bedeutung bleiben. (3) Ausrichten als zu objektivierendes Element Der Wille des Unternehmers als „innere Tatsache“ wird regelmäßig schwer nachzuweisen sein. Zur Feststellung bedarf es daher objektiver Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf den Willen des Unternehmers rechtfertigen können. Diese Notwendigkeit wurde bereits vom EuGH erkannt und die objektiven Kriterien, welche auf einen Ausrichtungswillen des Unternehmers hinweisen können, mittels eines nicht abschließenden Kriterienkatalogs umschrieben. (a) Argumente gegen einen Kriterienkatalog Gegen die Einführung eines derartigen Kriterienkatalogs wurden allerdings Bedenken geäußert. Zum einen wurden im Rahmen des zivilprozessualen Verfahrens Aspekte der Rechtssicherheit ins Feld geführt. Abstraktere Regelungen schaffen demnach einen höheren Grad an Sicherheit, während ein Indizienkatalog Ermittlungen, Wertungen und Gewichtungen im Einzelfall erfordere.117 115 Mankowski, IPRax 2008, 333, 336 geht im Hinblick auf Art. 15 EuGVVO a. F. sogar noch weiter und führt an, dass ein Unternehmer, der für bestimmte Produkte werbe, sich nicht beschweren würde, wenn durch die Werbung Kunden auf ihn aufmerksam werden und möglichweise ein völlig anderes Produkt erstehen, als das ursprünglich Beworbene. 116 Dies gilt insbesondere, da die Unternehmer sich ihre Vertragspartner selbst aussuchen können und damit nur in den Ländern eine potentielle außergerichtliche Streitbeilegung „fürchten“ müssen, in denen sie ihre Waren und Dienstleistungen absetzen. 117 So ausdrücklich Mankowski, IPRax 2012, 144, 146. Auch Bogdan, YbPrivIntL 12 (2010), 565, 567 bedauert die Auswirkungen auf die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit,
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Insbesondere die im Zuständigkeitsrecht erforderliche Sicherheit könne durch das Abstellen auf einzelne Aspekte einer Marketingaktivität nicht gewährleistet werden.118 Weiterhin wird die den Verbraucher treffende Beweislast für das Vorliegen der ihm günstigen Umstände angeführt. Damit muss auch für die vom EuGH als Indizien verstandenen Anhaltspunkte der Verbraucher bei Bestreiten des Unternehmers Beweis anbieten und kann im Zweifelsfalle nicht von dem ihm günstigen Gerichtsstand Gebrauch machen. Allerdings entspricht ein derartiges Vorgehen den Interessen der Beteiligten. Soweit dem Unternehmer keine Ausrichtung nachgewiesen werden kann, erscheint die typisierte Schutzwürdigkeit des Verbrauchers nicht tangiert, sodass ein überwiegendes Interesse an einer Verfahrensführung abweichend von den allgemeinen Regeln nicht angenommen werden kann.119 Als weiteres Argument gegen den vorgelegten Kriterienkatalog wurde angeführt, dass innerhalb des Kataloges das Moment des Vertragsabschlusses ausgespart wurde. Dieses sei jedoch die wesentlichste Komponente, denn gerade durch den Vertragsschluss zeige der Unternehmer am deutlichsten seinen Willen, sich neue, im Ausland gelegene Absatzmärkte zu erschließen.120 Dieser Einwand kann allerdings für die alternative Streitbeilegung im Rahmen der ADR-Richtlinie nicht durchgreifen. Wie sich bereits aus Erwägungsgrund 16 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie ergibt, will diese für vertragliche Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen eine außergerichtliche Streitbeilegung anbieten. Damit ist das Bestehen eines Vertrags bereits Bedingung für die Einlegung einer Verbraucherbeschwerde, ohne den eine Streitbeilegung nicht möglich ist.121 Schließlich wurde angemerkt, dass mittels der weitgehenden Anknüpfungspunkte der Grundsatz des Beklagtengerichtsstands ins Gegenteil verkehrt werden könnte. Gerade in Bezug auf interaktive Webseiten wird regelmäßig einer der vom EuGH genannten Punkte gegeben sein, sodass sich daraus ein möglicher Wille ableiten lässt. Die einzige Möglichkeit, sich hiervor zu schützen, sei, den Vertragsschluss mit Verbrauchern aus dem Ausland explizit oder konkludent
stellt allerdings auch fest, dass der Kriterienkatalog des EuGH „seems to be the only acceptable alternative“. 118 Vgl. dazu Sachse, Der Verbrauchervertrag im internationalen Privat- und Prozessrecht, S. 258 f. 119 Zum Umfang der den Verbraucher tatsächlich treffenden Darlegungs- und Beweislast eingehend Mankowski, IPRax 2009, 476, 479. 120 Vgl. Mankowski, IPRax 2012, 144, 146. 121 Zudem ist zu beachten, dass die Verletzung etwaiger vorvertraglicher Verpflichtungen im Kontext der europäischen Verordnungen und Richtlinien regelmäßig als deliktisch zu qualifizieren ist und damit aus dem Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie herausfällt; so z. B. Art. 12 Rom II-VO für das Verschulden bei Vertragsverhandlungen.
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auszuschließen. Zumindest ein konkludenter Ausschluss wird jedoch seitens des Unternehmers nur schwer nachweisbar sein.122 (b) Argumente für einen Kriterienkatalog Allerdings sind diese Punkte nicht geeignet, die grundsätzliche Sinnhaftigkeit derartiger Kriterien in Frage zu stellen. Insbesondere für die außergerichtliche Streitbeilegung sind im Gegenteil konkrete Anhaltspunkte das geeignete Mittel, um zu entscheiden, ob ein Unternehmer sich vor AS-Stellen im Verbraucherstaat verantworten soll.123 Bei den aufgestellten Kriterien handelt es sich um Anhaltspunkte, welche in der außergerichtlichen Praxis ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit sowohl für den Verbraucher als auch für den Unternehmer bieten können.124 So kann sich der Verbraucher bei Vorliegen mehrerer der genannten Anhaltspunkte berechtigte Hoffnung machen, im Streitfalle eine außergerichtliche Streitlösung in seinem Heimatstaat anstreben zu können. Im Gegenzug kann der Unternehmer, will er eine derartige Streitbeilegung vermeiden, seine Tätigkeit so gestalten, dass dem informierten Verbraucher klar sein muss, dass er im Falle von Unstimmigkeiten sich zu deren Beilegung zum Firmensitz des Unternehmers begeben muss. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die angesprochenen AS-Stellen im Gegensatz zu mitgliedstaatlichen Gerichten nicht in der Lage sein werden, aufwändige Zuständigkeitsprüfungen durchzuführen. Dies ergibt sich schon aus den tatsächlichen Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitschlichtungsstellen, die im Gegensatz zu Gerichten nicht die Möglichkeit haben, strittige Fragen der Zuständigkeit durch das Einholen von Gutachten zu lösen.125 Ferner soll das Verfahren als solches effektiv ausgestaltet sein, wozu insbesondere der schnelle Ablauf des Verfahrens gehört. Diesen bereits eingangs durch eine überladene Zuständigkeitsprüfung zu verzögern und das Verfahren damit zu verlängern, stünde eindeutig im Gegensatz zu den erklärten Zielen der Richtlinie. Außerdem soll das Verfahren vor den AS-Stellen möglichst kostengünstig ausgestaltet sein. Dies gilt nicht allein für die vom Verbraucher 122
In diese Richtung Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 331. für das gerichtliche Verfahren haben die aufgestellten Kriterien viel Zustimmung gefunden, vergleiche hierzu die Urteilsanmerkungen von Staudinger, AnwBl 2011, 327, 330 oder Clausnitzer, EuZW 2011, 98, 104, welcher davon spricht, dass der EuGH erfreulicherweise die Gelegenheit genutzt hat, Kriterien aufzustellen, wann genau das Merkmal „Ausrichten“ zu bejahen ist. 124 Für das gerichtliche Verfahren stellt die französische Urteilsanmerkung zu Pammer/ Alpenhof von Cachard, RCDIP 100 (2011), 429, 434 treffend fest, „que la Cour de Justice a livré, avec le pragmatisme nécessaire, les éléments permettant aux juridictions de déceler le focalisation ou l’orientation de l’activité des opérateurs du commerce électronique“. 125 Darin zeigt sich wieder ein Unterschied zum gerichtlichen Verfahren, in dem zwingend ein zuständiges Gericht bestimmt werden muss, schon um den Anforderungen an den gesetzlichen Richter zu genügen. 123 Bereits
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zu tragenden Kosten, sondern auch für die der Stelle selbst entstehenden Kosten. Gerade derartige Zusatzkosten könnten daher geeignet sein, dem Verfahren einen Teil seiner Attraktivität wieder zu nehmen. Damit stellen konkrete Vorgaben, anhand derer abgelesen werden kann, ob sich ein Unternehmer auf den Verbraucherstaat ausgerichtet hat, ein praxistaugliches Mittel für eine Zuständigkeitsbestimmung in AS-Verfahren dar. Zu klären bleibt allerdings, ob die bisher bekannten Kriterien zum einen transparent genug sind, um das beiderseitige Vertrauen in das Verfahren zu stärken, und zum anderen, ob mittels der Faktoren eine schnelle Zuständigkeitsprüfung gewährleistet ist. (4) Übertragbarkeit der vom EuGH entwickelten Anhaltspunkte Nachdem die grundsätzliche Tauglichkeit der Kriterien feststeht, sind nun die vom EuGH bereits entwickelten Anhaltspunkte näher zu betrachten. Da darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten der Anknüpfung bestehen, sollen auch diese im Anschluss daran bewertet werden. Im Urteil des EuGH ist aufgrund des gewählten Wortlautes eine Abstufung der jeweiligen Anhaltspunkte erkennbar.126 So wird in Randnummer 80 des Urteils von Kriterien gesprochen, anhand derer sich feststellen lässt, ob eine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichtet“ ist. Diese werden als offenkundige Anhaltspunkte beschrieben. In Randnummer 83 hingegen wird von Anhaltspunkten gesprochen, welche, möglicherweise miteinander kombiniert, geeignet sind, das Bestehen einer auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ Tätigkeit zu belegen.127 (a) Die offenkundigen Aspekte Zu den offenkundigen Ausdrucksformen soll zum einen die Angabe gehören, dass der Gewerbetreibende seine Dienstleistungen oder Produkte in einem oder mehreren namentlich genannten Mitgliedstaaten anbietet. Zum anderen soll bei Ausgaben für einen Internetdienst, der in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden erleichtert, auf das Bestehen eines solchen Willens geschlossen werden.128
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So auch Wittwer, ELR 2011, 2, 3. Staudinger/Steinrötter, EWS 2011, 70, 72, gehen aufgrund dieser Differenzierung von starken bzw. schwachen Kriterien aus. 128 Der EuGH spricht in diesem Zusammenhang vom „Vorliegen derart auf der Hand liegender Anhaltspunkte“, EuGH Urt. v. 7. 12. 2010, verb. Rs. C-585/08, C-144/09, Peter Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GesmbH/Oliver Heller, Slg 2010, I-1252, Rn. 82. 127
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(i) Das Anbieten Bei der Auslegung des Kriteriums des Anbietens ist das voluntative Element des Ausrichtens von entscheidender Bedeutung. Anbieten in diesem Sinne kann daher nur die vom Unternehmer willentlich geschaffene Möglichkeit zum tatsächlichen Bezug durch den Verbraucher bedeuten. Sobald eine derartige Bezugsmöglichkeit geschaffen wurde, kann daher von einem Anbieten ausgegangen werden.129 Selbst wenn man in diesem Sinne das Anbieten mit Blick auf die umfassenden Anbietermöglichkeiten im Internet möglichst weit fassen könnte, darf der Wille des Unternehmers nicht außer Acht gelassen werden.130 Dieser muss sich den Vertragsschluss mit Verbrauchern bestimmter Mitgliedstaaten vorbehalten können bzw. die Möglichkeit haben, bestimmte Mitgliedstaaten nicht bedienen zu wollen.131 Voraussetzung für eine solche Beschränkung muss aber die klare Erkennbarkeit für den Verbraucher sein. Allein ein Hinweis im Impressum ohne weitergehende Aufführung beispielsweise auf der Homepage dürfte hierfür nicht ausreichend sein. Zudem muss sich der Unternehmer auch seinem erklärten Willen entsprechend verhalten. Bei Zuwiderhandlung dürfte entsprechend dem Grundsatz des venire contra factum proprium der erklärte Wille unbeachtlich sein. Zwar ist zuzugeben, dass eine derartige Auslegung der gewollten Verwirklichung des Binnenmarktes als barrierefreiem Wirtschaftsraum nicht immer zuträglich ist, jedoch erscheint es angemessen, die Interessen der einzelnen Marktteilnehmer nicht geringer zu schätzen als das Interesse am Markt als solchem.132 129 Dies entspricht auch der Erweiterung des Art. 15 EuGVVO a. F. im Vergleich zu Art. 13 EuGVÜ, wo für die neuen Möglichkeiten des Internets bereits früh vertreten wurde, dass nur Websites, welche ausdrücklich oder konkludent einen geschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern aus bestimmten Staaten ausschließen, aus dem Anwendungsbereich des Art. 15 EuGVVO fallen sollen. Vgl. dazu Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 331. 130 Die Kritik von Clausnitzer, EuZW 2010, 374, 376, der bei einer Beschränkung des Angebots auf nationale Verbraucher einen Verstoß gegen Art. 20 der Dienstleistungsrichtlinie sieht, ist entgegen zu halten, dass es immer noch dem Unternehmer überlassen bleiben muss, die Entscheidung zu fällen, mit wem er kontrahieren möchte. Die Parteiautonomie als „ungeschriebene Grundfreiheit“, wie sie Staudinger/Steinrötter, JA 2011, 241–248 bezeichnen, darf hierbei nicht unter Berufung auf die Nicht-Diskriminierung, welche Art. 20 der Dienstleistungsrichtlinie sicherstellen will, ausgehebelt werden. 131 Dies wird mittels sogenannter Disclaimer erreicht, die auch im Rahmen von Wettbewerbsdelikten für die Frage relevant sind, ob mittels derartiger Instrumente das tatsächliche Markt- oder Bezugsgebiet beschränkt werden kann; vgl. dazu Banholzer, in: Hoeren/Sieber/ Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 25 Rn. 39. Die Begrenzung der bestimmungsgemäßen Verbreitung von Internet-Werbung mittels Disclaimer bejahend Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 5 EuGVVO Rn. 70. 132 Eine Disclaimer Lösung wurde aber im Rahmen der Vorarbeiten für die gerichtliche Zuständigkeit abgelehnt, da eine Zersplitterung des Binnenmarktes befürchtet wurde. Dazu Álvarez Armas/Dechamps, R. E. D. C. 2011, 447, 451.
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Dieses Kriterium kann auch für die außergerichtliche Streitbeilegung nutzbar gemacht werden. Auch hier kann das Anbieten mit tatsächlicher Bezugsmöglichkeit als Beleg für den Willen zur Markterschließung herangezogen werden. Dieses Anbieten kann mittels einer einfachen Bezugsprüfung durch die AS-Stelle leicht geprüft werden. Allerdings gilt für dieses Kriterium, dass allein ein Angebot nicht immer als ausreichend für die Begründung einer Zuständigkeit der AS-Stelle im Verbraucherstaat angesehen werden kann.133 Gerade im Bereich des online-Handels wird regelmäßig ein derartiges Angebot vorliegen, sodass nahezu jeder online geschlossene Vertrag die eigentlich als Ausnahme gedachte Zuständigkeit im Mitgliedstaat des Verbrauchers begründen würde.134 Erst wenn neben der tatsächlichen Bezugsmöglichkeit noch weitere Kriterien hinzutreten, kann von dem Unternehmer erwartet werden, dass er sich auch im Ausland einem Verfahren stellen wird. Sollte mittels eines ordnungsgemäß ausgestalteten Disclaimers dem Verbraucher zu verstehen gegeben worden sein, dass kein Vertragsschluss gewünscht ist, kann dies durch die Inaugenscheinnahme der Website relativ einfach nachgewiesen werden.135 Falls dann der Vertrag durch Täuschung des Verbrauchers über seinen tatsächlichen Wohnsitz zustande kam, ist dies umgekehrt als Indiz gegen eine Ausnahmezuständigkeit zu werten.136 (ii) Ausgaben für Suchmaschinen Die Ausgaben für Suchmaschinen, welche das Auffinden des Unternehmers durch den Verbraucher erleichtern sollen, sind zwar im Einklang mit dem EuGH als klare Willensäußerungen zur Ausrichtung auf ausländische Verbraucher und damit auch auf deren Märkte zu verstehen. Allerdings ist dieses Kriterium nur bedingt praxistauglich. Zwar kann mittels einfacher Suchanfragen über jeweils länderspezifische Suchmaschinen leicht ermittelt werden, welche Unternehmen bei bestimmten Kaufgegenständen oder Dienstleistungen in der Trefferliste besonders weit oben gelistet werden. Doch sagt dies nicht zwingend etwas über die für den Unternehmer anfallenden Kosten der Listung aus.137 Hohe Treffer133 D’Avout, La semaine juridique du droit international et européen, édition generale, 2011, 226, 227 nennt im Rahmen des Art. 15 EuGVVO hierbei das Beispiel des französischen Professors, der seinen interessierten Studenten Kurse zum französischen Recht anbietet, und stellt die Frage, ob der Zugang zu diesem Angebot eine Ausrichtung beispielsweise nach Deutschland begründen können soll. 134 Grohmann, DRiZ 2011, 361, 363 führt für das gerichtliche Verfahren zudem an, dass bei einer anderen Lesweise die Waren- und Dienstleistungsfreiheit über Gebühr beschränkt werden würde. 135 Die Möglichkeit des Ausschlusses beispielsweise mittels Disclaimer befürwortet auch Pironon, Journal du droit international 138 (2011), 915, 926. 136 Weiterführend zum missbräuchlichen Verhaltens des Verbrauchers Wilke, EuZW 2015, 13, 14. 137 So auch van Hoek, ERCL 2012, 93, 106, welcher als Beispiel die Listung eines Hotels
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quoten können auch durch das bewusste Setzen von Schlagworten oder Metatags erreicht werden.138 Gerade in der außergerichtlichen Streitbeilegung, in welcher der Unternehmer nicht verpflichtet werden kann, über seine Ausgaben Rechnung zu legen, wird ein derartiges Kriterium damit eher selten praktische Relevanz entfalten. (b) Die weiteren Aspekte (i) Der internationale Charakter der unternehmerischen Tätigkeit Ein weiterer Anhaltspunkt für ein Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit wird seitens des EuGH im internationalen Charakter der fraglichen Tätigkeit gesehen. Als Beispiel werden bestimmte touristische Tätigkeiten genannt. Für die hier in Rede stehenden Ansprüche müssen dem abstrakten Begriff des internationalen Charakters allerdings klarere Konturen verliehen werden. Problematisch ist in erster Linie, dass das Anbieten derselben Dienstleistung einmal nur nationalen, gleichzeitig aber auch internationalen Charakter haben kann. In diesem Zusammenhang bieten sich zunächst Kontrollfragen an, mit denen der internationale Charakter überprüft werden kann. Hier kann beispielsweise gefragt werden, ob sich die Leistung nur an bestimmten Orten sinnvoll nutzen lässt, ob der Transport des Gutes prohibitiv hohe Kosten mit sich bringt oder ob erkennbare Gewohnheiten eines bestimmten Gebiets gegen eine Nutzung des Angebotes sprechen.139 Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass auch in diesen Fällen nur Faustformeln aufgestellt werden können, welche eine Differenzierung im Einzelfall nicht ersetzen. Im Rahmen der bisherigen Schwerpunkte der außergerichtlichen Streitbeilegung kann der Charakter der Tätigkeit im Rahmen der Dienstleistungen durchaus zielführend sein. Bei Beschwerden im Rahmen des Verkehrssektors, welche größtenteils die Beförderung per Flugzeug betrafen, kann bei einem Ankunftsort in einem anderen Staat als dem Abflugort durchaus von einer international ausgerichteten Tätigkeit ausgegangen werden. Gleiches gilt für Freizeit- und Kulturdienstleistungen sowie für die Beherbergungsdienstleistungen.140 Im Rahmen von Kaufverträgen stellt sich die Situation jedoch anders dar. Die angeführten Differenzierungskriterien wie die Nutzbarkeit des Kaufauf einer selbst kommerziell agierenden Buchungsplattform nennt und die berechtigte Frage stellt, ob alleine aufgrund der Listung Kosten für den Unternehmer vermutet werden und damit eine Ausrichtung angenommen werden kann. 138 So bereits Nemeth, ZfRV 2012, 122, 127, welche ebenso anführt, dass auch ein rein regional tätiger Anbieter derartige Aufwendungen machen kann, um für seine regionale Kundschaft besser und schneller auffindbar zu sein. 139 Mankowski, IPRax 2012, 144, 151. 140 Allerdings weisen sowohl Gebauer, LMK 2011, 316141 als auch von Hein, JZ 2011, 954, 955 darauf hin, dass das Kriterium schwammiger ist als anfangs ersichtlich. Genannt wird das Beispiel des deutschen Reiseveranstalters, welcher zwar Reisen ins Ausland anbietet, sich
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gegenstandes oder mögliche Transportkosten spielen bei geringwertigen Gütern regelmäßig eine untergeordnete Rolle. Kaufgegenstände mit geringerem Wert, wie beispielsweise Haushaltsgegenstände oder Kleidung, werden zudem unabhängig von landestypischen Gewohnheiten erworben, sodass für die von der ADR-Richtlinie erfassten Kaufverträge andere Kriterien für die Ausrichtung des Unternehmers benötigt werden. Die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt, insbesondere durch die Wiedergabe von Kundenbewertungen, wird seitens des EuGH als weiterer Anhaltspunkt genannt. Diese Angaben weisen ohne Zweifel auf eine internationale Ausrichtung des jeweiligen Unternehmers hin, jedoch erscheint klärungsbedürftig, inwiefern dieses Kriterium im konkreten Falle nützlich gemacht werden kann. Das Aufführen zufriedener Kunden in Österreich und der Schweiz durch einen deutschen Händler kann zwar dessen Ausrichtung auf die beiden Staaten unterstreichen. Jedoch wird ohne weitere Anzeichen kein derartiges Ausrichten auf Italien oder Spanien begründbar sein.141 Als praxistauglich kann dieses Kriterium durchaus eingestuft werden, da es sowohl für Gerichte wie auch für außergerichtliche Einrichtungen leicht erkennbar ist.142 Allerdings bleibt fraglich, wie oft es tatsächlich zum Tragen kommen wird. Denn ein Unternehmer, der einer Verfahrenspflicht im Ausland entgehen möchte, wird derartige Hinweise einfach nicht aufführen.143 (ii) Die gewählte Sprache und Währung Die Sprache, in der die Webseite verfasst ist, über die der Unternehmer seine Waren oder Dienstleistungen absetzt, kann ebenfalls einen Anhaltspunkt für eine Ausrichtung der Tätigkeit darstellen.144 Gleiches gilt für die Währung, in der die Zahlung geleistet werden soll. Falls es sich bei der verwendeten Sprache und Währung um die üblicherweise im Mitgliedstaat des Unternehmers verwendete handelt, wird dem Kriterium aber regelmäßig kein besonderes Gewicht zukommen. Sollte es jedoch auch die Möglichkeit zur Verwendung einer anderen Sprache oder Währung geben, kann dies durchaus Indizwirkung für eine Ausrichtung haben.145 Allerdings ist, zumindest im Hinblick auf die Währung, aber nur auf deutsche Kunden spezialisiert hat. Diesem wird kaum eine internationale Ausrichtung „vorwerfbar“ sein. 141 Mankowski, IPRax 2012, 144, 153 vermutet, dass der EuGH mit dem Kriterium der Streuung der Kundschaft in verschiedene Mitgliedstaaten umgekehrt die Ausrichtung auf nur einen Mitgliedstaat ausschließen will. 142 Zustimmend auch Leible/Müller, NJW 2011, 495, 497. 143 Diese Befürchtung äußert auch Breckheimer, BB 2011, 200, 204. 144 Die Aufnahme der Kriterien war deshalb überraschend, da die beiden Kriterien nach einer gemeinsamen Erklärung von Rat und Kommission ohne Bedeutung sein sollten, abgedruckt in IPRax 2001, 259. 145 So auch Sujecki, K&R 2011, 181, 182. Kritisch Clausnitzer, EuZW 2011, 98, 104.
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eine derartige Indizwirkung bei grenzüberschreitenden Vertragsschlüssen im mitgliedstaatlichen Raum aufgrund der großflächig verbreiteten Nutzung des Euro als Währung nur von untergeordneter Bedeutung. Im Rahmen der verwendeten Sprache stellt sich die Situation hingegen differenzierter dar. Einerseits wird durch die Verwendung einer bestimmten Sprache ein bestimmter räumlich abgrenzbarer Raum angesprochen. Daraus kann ein zielgerichtetes Ausrichten auf diesen Raum geschlossen werden.146 Daneben kann die Sprache auch eine ausgrenzende Funktion in bestimmten Situationen entfalten.147 Wer beispielsweise der deutschen Sprache nicht mächtig ist, wird größere Probleme bei einem Bestellvorgang auf einer ausschließlich in deutscher Sprache gehaltenen Website haben. Andererseits ist diese begrenzende Funktion mit zwei Einschränkungen verbunden. Zum einen greift das sprachliche Argument dann nicht, falls der Internetauftritt des Unternehmers in einer sogenannten „Weltsprache“ gehalten ist.148 Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die im mitgliedstaatlichen Raum am weitesten verbreiteten Sprachen oft in mehreren Ländern gesprochen werden. So ist eine auf Deutsch gehaltene Website auch für einen Österreicher leicht zu verstehen, wie auch eine französische Website in größeren Teilen Belgiens. Im skandinavischen Raum ist aufgrund der engen sprachlichen Verwandtschaft zwischen Dänisch, Schwedisch und Norwegisch eine ähnliche Situation gegeben. Schließlich ist auch in Grenzregionen eine Unterscheidung durch das Kriterium der Sprache kaum möglich, da dort regelmäßig zwei Sprachen geläufig sein werden.149 (iii) Die Angabe der internationalen Vorwahl Die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl wird als weiterer Anhaltspunkt für ein Ausrichten genannt. Hierbei ist aber zu beachten, dass eine derartige Angabe auch zu den in Art. 5 Abs. 1 lit.c der E-Commerce-Richtlinie150 geforderten Angaben gehört. Dort wird verlangt, dass zusätzlich zu den 146
Buchner, EWS 2000, 147, 152. Mankowski, IPRax 2012, 144, 149. 148 Als Paradebeispiel ist hier die englische Sprache zu nennen, welche aufgrund der großen Verbreitung europa- und auch weltweit eine räumliche Abgrenzung nur schwerlich bewerkstelligen kann. Ähnliche Schwierigkeiten können bei der Verwendung von deutscher, französischer oder spanischer Sprache auftreten. 149 Mankowski, IPRax 2012, 144, 149 weist zudem noch auf das Phänomen hin, das zwar jede Sprache ein bestimmtes Kerngebiet hat, auf welches das Handeln des Unternehmers ausgerichtet sein wird, Angehörige dieses Sprachraumes aber auch außerhalb desselben leben können und nennt in diesem Zusammenhang den hohen Anteil der türkischen und italienischen Wohnbevölkerung in Deutschland. 150 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, Abl. Nr. L 178/1. 147 Dazu
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sonstigen Informationen nach dem Gemeinschaftsrecht der Diensteanbieter den Nutzern des Dienstes Angaben zur Verfügung stellt, die es ermöglichen, schnell mit ihm Kontakt aufzunehmen. Dies würde in der Konsequenz dazu führen, dass jede Website in den Anwendungsbereich des Art. 15 EuGVVO fallen würde, was für den Verbrauchergerichtsstand als besonderen Gerichtsstand nicht gewollt sein kann.151 Bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 lit. c der E-Commerce Richtlinie wurde festgestellt, dass der Diensteanbieter zwar verpflichtet ist, den Nutzern des Dienstes vor Vertragsschluss neben seiner Adresse für die elektronische Post weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, die eine schnelle Kontaktaufnahme und eine unmittelbare wie effiziente Kommunikation ermöglichen.152 Hierfür muss aber nicht zwingend eine Telefonnummer angegeben werden, solange eine effiziente Kommunikation gewährleistet bleibt.153 Ausgehend von diesen Feststellungen kann angenommen werden, dass die Angabe einer internationalen Vorwahl als taugliches Kriterium für das Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit herangezogen werden kann. Wünscht der Unternehmer nur Kontakt mit Verbrauchern aus seinem Mitgliedstaat, ist für die unmittelbare und effiziente Kommunikation die Angabe der rein nationalen Telefonnummer vollkommend ausreichend. Sollte auch die internationale Vorwahl angegeben sein, legt dies dagegen den Schluss nahe, dass auch zu Verbrauchern im europäischen Ausland der Kontakt gesucht werden soll.154 (iv) Die Anfahrtsbeschreibung Die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung kann als Hinweis für eine Ausrichtung dienen, da sie ähnlich der Angabe der internationalen Vorwahl die Kontaktaufnahme ermöglichen soll. Es werden damit Barrieren abgebaut, welche den Verbraucher daran hindern können, das Angebot des Unternehmers für sich 151 Vgl. dazu die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 18. Mai 2010 in den verbundenen Rechtssachen C-585/08 und C-144/09, Rn. 79. 152 EuGH, Urt. v. 16. 10. 2008 – C-298/07 Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V./deutsche internet versicherung AG, EuZW 2008, 692–694. 153 So bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer vom 15. 5. 2008 in der Rechtssache C-298/07, EuZW 2008, 322. 154 Zustimmend Mankowski, IPRax 2012, 144, 151, kritischer dagegen von Hein, JZ 2011, 954, 955, welcher angibt, dass Kunden, die oft auf Reisen sind und daher vom Ausland aus nach Deutschland telefonieren, in ihrem Handy auch die Rufnummern inländischer Gesprächsteilnehmer mit der internationalen Vorwahl abspeichern würden. Ob diese Annahme den Schluss rechtfertigt, dass die Angabe einer internationalen Vorwahlnummer oftmals aus Höflichkeit oder Zweckmäßigkeit erfolgen wird, bleibt allerdings zweifelhaft. Insbesondere falls die internationale Vorwahl auf einer Homepage zu finden ist, werden die Fälle nur schwerlich vergleichbar sein.
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zu nutzen. Demnach kann hier von einem tauglichen Kriterium ausgegangen werden.155 (v) Die Top Level Domain Die Verwendung eines anderen Domainnamens oberster Stufe als demjenigen des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, z. B. „.de“, oder die Verwendung von neutralen Domainnamen oberster Stufe wie „.com“ oder „.eu“ soll ebenfalls auf ein Ausrichten im Sinne des Art. 17 EuGVVO schließen lassen. Ausgehend von der Annahme, dass der unter der Top Level Domain seines Heimatstaates auftretende Unternehmer im Zweifel seine Tätigkeit nicht im Sinne des Art. 17 EuGVVO ausrichtet, soll im Umkehrschluss bei der Verwendung von „internationalen“ Domainnamen eine derartige Ausrichtung indiziert sein, insbesondere wenn der Unternehmer unter der Top Level Domain des Verbraucherstaates fungiert.156 Grundsätzlich kann die Verwendung von sogenannten neutralen Domains auf eine über die Grenzen des einzelnen Mitgliedstaates hinausgehende Öffnung hinweisen, dennoch bleibt festzuhalten, dass dies zwar sein kann, aber nicht unbedingt sein muss.157 Für die Verwendung einer anderen Top Level Domain können vielmehr vielfältige Gründe sprechen. So kann beispielsweise die Registrierung unter einer anderen Top Level Domain günstiger oder die gewollte Domain bereits belegt sein.158 Damit kommt dem Kriterium zwar eine gewisse Indizwirkung zu, allerdings bleibt zu beachten, dass im Gegensatz zu einer internationalen Vorwahl, welche den telefonischen Kontakt mit im Ausland residierenden Verbrauchern ermöglicht, einer Domain eine gleichartige Wirkung nicht zukommt.
155 Allerdings darf auch dieses Kriterium nicht überstrapaziert werden. Falls ein Händler in Deutschland die Autobahnabfahrt und im Anschluss daran eine kurze Anfahrtsskizze zur Verfügung stellt, kann dies in Grenznähe als Ausrichtung verstanden werden. Dass damit allerdings kein portugiesischer Verbraucher angezogen werden soll, welcher zuvor Spanien und Frankreich zur Anreise durchqueren muss, dürfte kaum bezweifelt werden. 156 Clausnitzer, EuZW 2010, 374, 377 führt hierbei das Beispiel des Unternehmens Amazon an, welches unter verschiedenen Domains, wie z. B. .uk, .fr oder .de seine Produkte anbietet, der Vertrag allerdings mit der Amazon EU S.à.r.l mit Sitz in Luxemburg zu Stande kommt und demnach luxemburgisches Recht Anwendung findet. Diese „Irreführung“ des Verbrauchers erzeuge eine erhöhte Schutzwürdigkeit und demnach eine Einschränkung der Gerichtsstandsfreiheit über Art. 15 Abs. 1 lit.c EuGVVO a. F. 157 von Hein, JZ 2011, 954, 956 fragt daher mit Recht, ob beispielsweise faz.net oder handelsblatt.com tatsächlich internationaler ausgerichtet als spiegel.de oder ftd.de. 158 Auf letzteres weist Clausnitzer, EuZW 2011, 98, 104 hin. Wilke, EuZW 2015, 13, 14 nennt als weitere Möglichkeiten, dass der ausländische Domainname sprachlich-stilistisch besser zum Namen der Website passen könnte oder der Name professioneller wirken sollte.
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(vi) Die Unterscheidung in aktive und passive Websites Vor der Pammer/Alpenhof Entscheidung des EuGH wurde von Teilen der deutschen Literatur und Rechtsprechung eine Unterscheidung zwischen Websites, die eine Kontaktierung des Gewerbetreibenden per E‑Mail oder sogar einen Vertragsschluss online mittels einer so genannten „interaktiven“ Website ermöglichen und Websites ohne diese Möglichkeit vorgenommen.159 Nach dieser Differenzierung waren nur Erstere als Websites einzustufen, welche den Schluss auf eine auf andere Mitgliedstaaten „ausgerichtete“ Tätigkeit erlauben. Diese Unterscheidung wurde vom EuGH abgelehnt.160 Zur Begründung hieß es, dass die Nennung einer geografischen Anschrift oder anderer Adressdaten des Gewerbetreibenden dem Verbraucher die Möglichkeit geben würden, diesen für einen Vertragsschluss zu kontaktieren. Diese Kontaktmöglichkeit bestehe jedoch unabhängig davon, ob der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern tätigen will, die in anderen Mitgliedstaaten als dem seiner Niederlassung wohnhaft sind.161 Diese Argumentation ist auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung zutreffend. Der Wille des Unternehmers, der sich mit Kontakt- und Bezugsmöglichkeit für die angebotene Leistung im Mitgliedstaat des Verbrauchers manifestiert, kann sowohl bei interaktiven als auch bei rein passiven Websites gegeben sein.162 Ob nunmehr der Vertrag tatsächlich direkt im Fernabsatz oder erst nachgelagert geschlossen wird, ist für die Willensbekundung nicht ausschlaggebend.163 (c) Vom EuGH nicht genannte Aspekte Neben den vom EuGH entwickelten Kriterien sind noch weitere Merkmale denkbar, welche auf ein Ausrichten hindeuten können. Falls sich in den jeweiligen Angeboten des Unternehmers Bezugnahmen auf bestimmte technische Standards befinden, kann dies der Fall sein. So kann aus einer Bezugnahme auf die in Deutschland geläufigen DIN Normen oder anderer Richtwerte zumindest ein Ausrichten auf die Märkte angenommen werden, in denen diese Richtwerte eine bedeutende Rolle spielen.164 159 Vgl. BGH RIW 2009, 82; OLG Karlsruhe NJW 2008, 85; Berg, RIW 2011, 248, 249 m. w. N.; dagegen beispielsweise OLG Dresden WM 2006, 856. 160 EuGH Urt. v. 7. 12. 2010, verb. Rs. C-585/08, C-144/09, Peter Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GmbH/Oliver Heller, Slg 2010, I-1252, Rn. 79. 161 Diese Feststellungen des EuGH wurden größtenteils von der Literatur begrüßt, stellvertretend hierfür Mankowski, EWiR 2011, 111, 112. 162 Für das gerichtliche Verfahren ebenso Gebauer, LMK 2011, 316141. 163 Mankowski, IPRax 2012, 144, 147 stellt die Unsicherheiten, welche mit der kaum möglichen Abgrenzung der beiden Arten der Websites einhergingen, eingehend dar und spricht sich im Ergebnis auch für eine Gleichbehandlung aus. 164 Dafür auch Mankowski, IPRax 2012, 144, 153.
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Gleiches kann im Rahmen von Gütesiegeln gelten. Das innerhalb Deutschlands geläufige Siegel der Geprüften Sicherheit (GS) wird zumindest im deutschsprachigen Raum für die Kaufentscheidungen der Verbraucher von größerer Bedeutung sein. Ein Unternehmer, welcher sich in seinem Angebot auf ein derartiges Qualitätsmerkmal beruft, wird damit regelmäßig auf die Verbraucher abzielen, die mit dem Siegel bestimmte Erwartungen verbinden und kann sich daher nicht darauf berufen, sein Handeln nicht ausgerichtet zu haben.165 (5) … und der Vertrag in den Bereich der Tätigkeit fällt Als weitere Voraussetzung für die Eröffnung des Verbrauchergerichtsstands wird in Art. 17 EuGVVO verlangt, dass der geschlossene Vertrag in den Bereich der ausgerichteten Tätigkeit fällt. Hierbei stellt sich damit die Frage, ob die Ausrichtung sich speziell auf eines oder mehrere Produkte beziehen muss, oder ob dafür auch die Tätigkeit als solche ausreichend ist.166 (a) Die Ausgangsposition im gerichtlichen Verfahren Im gerichtlichen Verfahren dient diese weitere Voraussetzung dazu, die Gerichtspflicht des Unternehmers einzuschränken.167 Daher besteht Einigkeit, dass wenn für bestimmte Waren oder Dienstleistungen geworben, dann aber ein Vertrag über einen vollkommen anderen Gegenstand abgeschlossen wurde, die Voraussetzung nicht erfüllt ist.168 Andererseits kann bei einer engen wirtschaftlichen Verbundenheit zweier Verträge eine Ausweitung der Gerichtspflicht des Unternehmers durchaus gerechtfertigt sein. Besonders die spezifische Schutzwürdigkeit des Verbrauchers und die Prozessökonomie sind insofern von Bedeutung, vor allem falls der Verbraucher als die im Grundsatz wirtschaftlich schwächere Partei als Kläger auftreten muss.169
165 Dazu auch Clausnitzer, EuZW 2010, 374, 377 unter Berufung auf die Stellungnahme der niederländischen Regierung im Sitzungsbericht des EuGH in den Rechtssachen C-585/08 u. C-144/09. 166 Vgl. dazu den Vorlagebeschluss des BGH v. 15. 5. 2014 – III ZR 255/12, EuZW 2014, 759; dazu von Hein, Internationale Zuständigkeit bei wirtschaftlich zusammenhängenden Verbraucherverträgen, LMK 2014, 360325. 167 So Stadler, in: Musielak-ZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 7; weitergehend zu diesem Kriterium Staudinger, in: Rauscher EuZPR/EuIPR, Art. 17 EuGVVO Rn. 16. 168 Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 26 nennt hierzu das Beispiel, dass der Unternehmer an den Verbraucher nicht mehr benötigtes Inventar veräußert und damit einen Vertrag im Rahmen einer branchenfremden Nebentätigkeit schließt. 169 Dazu EuGH, Urt. v. 14. 11. 2013 – C-478/12, Armin Maletic ua/lastminute.com GmbH ua, NJW 2014, 530, welcher in Rn. 30 und 31 explizit auf den verbraucherschützenden Telos und die Prozessökonomie verweist. Allerdings handelte es sich dabei um die Auslegung des Begriffs des anderen Vertragspartners in Art. 16 Abs. 1 EuGVVO; trotzdem dürfte die Argumentation a maiore ad minus auch auf den hier in Rede stehenden Fall übertragbar sein.
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Nicht eindeutig ist die Lage, wenn es sich nicht um eine branchenfremde Tätigkeit handelt, sondern die Tätigkeit als solche in den ausgerichteten Bereich fällt, nur das Produkt, über das der Vertrag zustande kommt, nicht das eigentlich Beworbene ist. Nach dem Wortlaut des Art. 17 EuGVVO dürfte das nicht genügen, da der konkrete Vertragsgegenstand nicht in den Bereich der ausgerichteten Tätigkeit fällt.170 Allerdings dürfte diese Ansicht das Wesen der unternehmerischen Tätigkeit nicht vollständig erfassen, die in erster Linie nicht auf den Absatz eines konkreten Produktes beschränkt ist, sondern eher allgemein darauf gerichtet ist, mit möglichst vielen Verbrauchern Verträge abzuschließen.171 Ob diese im Endeffekt das beworbene Produkt oder ein anderes Produkt erwerben, ist für den wirtschaftlich denkenden Unternehmer daher in der Regel nicht entscheidend.172 Bestätigt wird das Ergebnis, wenn man den eigentlichen Anknüpfungspunkt genauer betrachtet. Der Unternehmer wird aufgrund bestimmter Tätigkeiten gerichtspflichtig. Daher ist entscheidend, wie die Tätigkeit ausgestaltet und ob sie in gewisser Weise eingegrenzt ist. Da sich die Erbringung von Dienstleistungen oder das Warenangebot meist einer Überkategorie zuordnen lassen, welche die Tätigkeit abstrakt beschreibt, macht es, solange sich der Gegenstand des Vertrags innerhalb des abgesteckten Feldes bewegt, keinen Unterschied, ob es sich dabei um ein explizit beworbenes Produkt oder einen anderen zum Erwerb angebotenen Gegenstand handelt.173 (b) Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung Auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung bietet sich die vorgenommene zweistufige Prüfung an. Sowohl die zunächst erforderliche Einstufung des unternehmerischen Handelns in eine bestimmte Branche, als auch die danach gebotene Einordnung des geschlossenen Vertrags in den festgestellten Tätigkeitsbereich des Unternehmers dürften auch im außergerichtlichen Verfahren ohne größeren Aufwand möglich sein. Sowohl die vom Tätigkeitsbereich erfassten, wie auch die branchenfremden Geschäfte dürften im Regelfall klar voneinander abgrenzbar sein. In Grenzfällen wird jedoch eine Schlichtung eher unterbleiben.
170 Daher eine Anwendbarkeit in derartigen Fällen verneinend Stadler, in: Musielak-ZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 7. 171 Die Werbetätigkeit soll im Zweifel für die gesamte Angebotspalette des Unternehmers gelten, Mankowski, IPRax 2008, 333, 336. Eingehend zu der unternehmerischen Intention Gillies, J. Priv. Int. L. 2007, (3), 89, 105106. 172 Ähnlich Mankowski, IPRax 2009, 238, 245. 173 Mankowski, IPRax 2009, 238, 245 verweist insofern mit Recht darauf, dass eine zu enge Auslegung der ausgerichteten Tätigkeit nur auf konkret beworbene Produkte mit der Funktion der Werbung in Widerspruch stünde.
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(6) Kausalität zwischen Ausrichten und konkretem Vertragsschluss Im Rahmen des Verbrauchergerichtsstandes nach Art. 17 EuGVVO muss das vom Unternehmer eingesetzte Mittel, mit dem er seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausrichtet, nach Ansicht des EuGH nicht kausal sein für den Vertragsschluss mit dem konkreten Verbraucher.174 Die ungeschriebene Voraussetzung eines Kausalzusammenhangs würde nach der Argumentation des EuGH dem verfolgten Ziel des Verbraucherschutzes zuwiderlaufen, da sich Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Kausalität ergeben können, welche dazu geeignet sind, die Verbraucher von der Anrufung der mitgliedstaatlichen Gerichte abzuhalten.175 Ein Kausalzusammenhang ist dennoch ein wichtiger Anhaltspunkt für den nationalen Richter bei der Prüfung, ob die Tätigkeit tatsächlich auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist.176 (a) Tragfähigkeit der Argumentation im gerichtlichen Verfahren Die Rechtsprechung des EuGH im Fall Emrek hat innerhalb des Schrifttums verbreitet Kritik auf sich gezogen.177 Bemerkenswert ist insoweit, dass sich die Kritik sowohl auf die Entscheidung als solche, als auch auf deren Begründung bezieht. Vor der Entscheidung des EuGH ging sowohl der größte Teil der Literatur als auch die obergerichtliche Rechtsprechung in Deutschland von der Notwendigkeit einer kausalen Beziehung zwischen Ausrichten und Vertragsschluss aus.178 (i) Der Wortlaut als Ausgangspunkt Das zunächst herangezogene Wortlautargument wird grundsätzlich als dogmatisch zutreffend eingestuft.179 Dennoch werden bereits hier im Hinblick auf die Kausalität erste Zweifel an seiner Tragfähigkeit geäußert. Die Kausalität als tatbestandliche Voraussetzung werde selten ausdrücklich gefordert, sondern 174 EuGH, Urt. v. 17. 10. 2013, C-218/12, Lokman Emrek/Vlado Sabranovic, NJW 2013, 3504, Rn. 24. 175 Die Beweisproblematik im Rahmen der Kausalität wurde bereits im Vorfeld der Entscheidung von Markus, ZZZ 2004, 181, 188 ff. diskutiert. 176 EuGH, Urt. v. 17. 10. 2013, C-218/12, Lokman Emrek/Vlado Sabranovic, NJW 2013, 3504, Rn. 26. 177 Kritisch beispielsweise die Anmerkungen von Klöpfer/Wendelstein, JZ 2014, 298–303; Schultheiß, EuZW 2013, 944–945; Mankowski, EWiR 2013, 717–718; Rühl, IPRax 2014, 41–44 oder Staudinger/Steinrötter, NJW 2013, 3505–3506. Positiver hingegen Lubrich, GPR 2014, 116–119. 178 Vgl. Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 26; Mankowski, IPRax 2008, 333; Leible/Müller, NJW 2011, 459; BGH, Beschl.v. 17. 09. 2008 – III ZR 71/08, NJW 2009, 298; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24. 08. 2007 – 14 U 72/06. 179 Beispielsweise von Staudinger, DAR 2013, 696, 697.
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oftmals stillschweigend vorausgesetzt, sodass das grundsätzlich starke Wortlautargument gerade in diesem Fall nicht allein überzeugen kann.180 Die hauptsächlich geäußerte Kritik greift jedoch drei andere Punkte auf. (ii) Der Charakter des Verbrauchergerichtsstandes Zunächst werden Zweifel aus dem Charakter des Verbrauchergerichtsstandes abgeleitet. Nach dem System der EuGVVO bildet der Verbrauchergerichtsstand als besonderer Gerichtsstand eine Ausnahme gegenüber dem allgemeinen Gerichtsstand.181 Er stellt dem Verbraucher als Begünstigtem einen Klägergerichtsstand zur Verfügung. Da der Unternehmer sich somit im Gegensatz zum allgemeinen Gerichtsstand als Angegriffener nicht an seinem Wohnsitz verteidigen kann, bedarf es unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen einer restriktiven Handhabung derartiger Gerichtsstände. Wenn nun auf die Kausalität zwischen dem Ausrichten der Tätigkeit und dem eigentlichen Vertragsschluss verzichtet wird, wird dieses System nochmals belastet. Jeder Unternehmer, welchem ein Ausrichten nachgewiesen werden kann, wäre demnach gemäß Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO verfahrenspflichtig in einem anderen Mitgliedstaat, selbst wenn der Verbraucher von sich aus den Kontakt gesucht haben sollte.182 Zwar lässt sich alleine aus dem Ausnahmecharakter ein Kausalitätserfordernis nicht zwingend ableiten, dessen ungeachtet bedarf es jedenfalls eines wirkungsvollen Regulativs, das sowohl eine klare Abgrenzung zwischen allgemeinem und besonderen Gerichtsständen ermöglicht, als auch die Interessen der Beteiligten ausreichend berücksichtigt.183 Einer derart einschränkenden Sichtweise steht auch der Zweck der Vorschrift nicht entgegen.184 Der Verbrauchergerichtsstand ist zwar als Schutzgerichtsstand zu verstehen und muss als solcher effektiven Schutz für die intendierten Fälle bieten.185 Jedoch darf der eigentliche Zweck des verfahrensrechtlichen Verbraucherschutzes nicht aus den Augen verloren werden.186 Der Verbraucher180
Mankowski, EWiR 2013, 717, 718. Staudinger/Steinrötter, NJW 2013, 3504, 3505 bezeichnen diesen daher als Schutzgerichtsstand, dessen Ausnahmecharakter eine restriktive Interpretation nahe legt. 182 Eine ähnliche Befürchtung findet sich beispielsweise bei Klöpfer/Wendelstein, JZ 2014, 298, 302. 183 Staudinger, jM 2014, 229, stellt zutreffend fest, dass eine strikte Kausalität sich als ein weiterer Filter zur Untermauerung des Ausnahmecharakters von Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO a. F. angeboten hätte. 184 Anderer Ansicht Staudinger, DAR 2013, 696, 697, der von einer den Telos des Art. 15 EuGVVO a. F. entsprechenden Entscheidung ausgeht und die Befürchtung äußert, dass bei der Forderung nach einem strikten Kausalzusammenhang der Schutzgerichtsstand sowie die Sonderanknüpfung konterkariert werde. 185 Dies ergibt sich bereits aus dem unionsrechtlichen Gebot der Effektivität von gemeinschaftsrechtlichen Schutzinstrumenten, besser bekannt unter dem Schlagwort des „effet utile“, auf welchen Staudinger, DAR 2013, 696, 697 hinweist. 186 Wilke, EuZW 2015, 13, 17 spricht im Rahmen der Rechtssache Emrek davon, dass der 181
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schutz im europäischen Zivilverfahrensrecht knüpft an in Art. 17 EuGVVO aufgeführte situative Elemente an, aus denen sich eine typisierte Schutzwürdigkeit ableiten lässt. Zur Konkretisierung der Schutzwürdigkeit darf allerdings nicht starr dem Wortlaut gefolgt werden, sondern ist vielmehr die Frage zu beantworten, ob ein Verbraucher tatsächlich schutzbedürftig ist.187 Bei der Beantwortung dieser Frage sind zwei Aspekte in den Blick zu nehmen. Zum einen erscheint die Schutzwürdigkeit eines Verbrauchers, welcher selbst aktiv auf einen im Ausland ansässigen Unternehmer zugeht, mit Blick auf die Einschnitte, welche der Klägergerichtsstand für diesen mit sich bringt, durchaus fraglich zu sein.188 Bei einem bewussten Gang ins Ausland, ohne dass der Verbraucher zuvor in irgendeiner Art und Weise vom Unternehmer dazu veranlasst wurde, kann er nicht davon ausgehen, dass Streitigkeiten aus dem Vertrag vor den Gerichten des Verbraucherstaates ausgetragen werden können.189 In derartigen Fällen ein schutzwürdiges Vertrauen des Verbrauchers anzunehmen, nur weil der Unternehmer sich möglicherweise für den Verbraucher gar nicht erkennbar auf den Heimatstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat, wirkt sehr konstruiert und kann den verfolgten Schutzzweck in der Sache nicht erreichen. Aus dieser Überlegung ergibt sich der zweite zu berücksichtigende Aspekt. Falls eine kausale Verbindung zwischen der Ausrichtung und dem Vertragsschluss nicht als zuständigkeitsbegründend gefordert wird, erscheint zweifelhaft, inwieweit dem Verbraucher noch ein ausgebildeter Binnenmarkt zur Nutzung verbleibt. Im Hinblick auf die Derogationsfeindlichkeit der angesprochenen Gerichtsstände, sowohl in allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch durch Individualabrede, werden Unternehmer, welche den Binnenmarkt nutzen und dadurch zu dessen Belebung beitragen, regelmäßig mit der Angst, im Ausland EuGH beim Telos Verbraucherschutz auf jegliche Differenzierungen verzichte, und stellt fest, dass der EuGH scheinbar einer abstrakten Konzeption von Verbraucherschutz folge. 187 Darauf weist auch Schultheiß, EuZW 2013, 944, 945, unter Verweis auf die Vorlage des BGH hin und stellt fest, dass kein Grund ersichtlich sei, einen Verbraucher, der sich in Unkenntnis einer vorhandenen Internetpräsenz dazu entschließt, in einem anderen Mitgliedstaat vertragliche Bindungen einzugehen, von der zufällig auf seinen Mitgliedstaat ausgerichteten Internetseite profitieren zu lassen. Zudem sei die Gerichtspflicht des Gewerbetreibenden in einer derartigen Situation nicht zu rechtfertigen, da er hier nicht von den Vorzügen des Internet profitiere, sondern eher einem bloß im Inland aktiven Unternehmer vergleichbar sei. In ähnliche Richtung gehend Staudinger/Steinrötter, NJW 2013, 3505, 3506. 188 Wilke, EuZW 2015, 13, 17 stellt fest, dass der Verordnungsgeber mit der Neufassung des Art. 15 EuGVVO gerade denjenigen Verbraucher schützen wollte, der vom Vertragspartner zum Vertragsschluss in einem anderen Staat veranlasst wurde. Hieraus ergebe sich allerdings nicht, dass ein nicht in diesem Sinne motivierter Verbraucher das Geschenk eines Heimatgerichtsstands erhalten solle. In diese Richtung bereits Øren, ICLQ Vol. 52 (2003), 665, 691. 189 Mankowski, EWiR 2013, 717, 718 stellt hierzu fest, dass anderenfalls dem aktiv grenzüberschreitend handelnden Verbraucher verfahrensrechtlich mehr Schutz zukäme als ihm im materiellen europäischen internationalen Verbrauchervertragsrecht zukäme und dies im Hinblick auf die Parallelität des Art. 15 EuGVVO und Art. 6 Rom I-VO zumindest näherer Erläuterung bedürfe.
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prozessieren zu müssen, konfrontiert. Wenn in diesen Fällen der sich aus grenzüberschreitenden Tätigkeiten ergebende Nutzen die einzukalkulierenden Risiken eines Auslandsprozesses nicht deutlich übersteigt, ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen sich aus dem Binnenmarkt wieder zurückziehen werden.190 Damit würden auf lange Sicht der angestrebte Ausbau und die Stärkung des Binnenmarkts ins Gegenteil umschlagen. (iii) Die Beweislastproblematik Weiterhin trägt das Argument der Beweisschwierigkeit des Verbrauchers nur bedingt. Nach deutschem Verständnis ist regelmäßig derjenige darlegungs- und beweisbelastet, welcher sich auf eine für ihn günstige Regelung beruft.191 Über die Eröffnung eines besonderen, den Kläger begünstigenden Gerichtsstandes entscheidet des Gericht aufgrund der von diesem vorgetragenen Tatsachen.192 Im Rahmen der europäischen Zuständigkeitsnormen weist der EuGH darauf hin, dass hinsichtlich der Verfahrensregeln auf die für das nationale Gericht geltenden nationalen Rechtsvorschriften zurückzugreifen ist, soweit deren Anwendung die praktische Wirksamkeit des Übereinkommens nicht beeinträchtigt.193 Damit kann auch dort davon ausgegangen werden, dass im Einklang mit den mitgliedstaatlichen Prozessordnungen der Kläger die für die Eröffnung eines ihm vorteilhaften Gerichtsstands erforderlichen Tatsachen vorbringen und im Falle eines Bestreitens beweisen muss.194
190 In diese Richtung bereits Staudinger/Steinrötter, NJW 2012, 3225, 3227 hinsichtlich der Verwendung von disclaimern, um bereits eine Ausrichtung gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO a. F. zu vermeiden. 191 Die Grundregel lautet für das deutsche Zivilprozessrecht, dass der Anspruchsteller die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale, der Anspruchsgegner für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Merkmale trägt. Zu dieser Grundregel, welche ihren Ursprung bereits im ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1888 in § 193 hat, eingehend Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 110 ff. 192 Der Grund hierfür besteht darin, dass durch derartige Gerichtsstände die Prozessführung für den Kläger erleichtert wird, vgl. Patzina, in: MüKo-ZPO, § 12 Rn. 29. 193 So EuGH, Urt. v. 07. 03. 1995 – Rs. C-68/93 Shevill/Presse Alliance SA, Slg. 1995, I-415 noch zur EuGVÜ. Den Grund hierfür sieht der EuGH darin, dass das EuGVÜ nicht die Vereinheitlichung der Verfahrensregeln zum Gegenstand hat, sondern die Verteilung der gerichtlichen Zuständigkeiten in Zivil- und Handelssachen zwischen den Vertragsstaaten und die Erleichterung der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, EuGH, Urt. v. 15. 05. 1990 – Rs C-365/88, Kongress Agentur Hagen GmbH v. Zeehaghe BV., Slg. I 1990, 1845. 194 So ausdrücklich Wagner, in: Stein/Jonas-ZPO, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 23; ähnlich Stadler, in: Musielak-ZPO, Art. 17 EuGVVO Rn. 1 und Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO a. F. Rn. 10. Anderer Ansicht sind Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I/1, § 74 III 8a, S. 404, dort allerdings noch zu Art. 13 EuGVÜ; diese leiten aus der ratio conventionis ab, dass es mit dem Schutzzweck der Norm unvereinbar wäre, wenn man dem Verbraucher die objektive Beweislast aufbürden würde.
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Da Beweisprobleme sich für den Kläger in nahezu jedem Verfahren ergeben können, ist prima facie nicht erkennbar, weswegen in Verfahren mit Verbraucherbeteiligung grundsätzlich von der allgemeinen Regel abgewichen werden soll.195 Immerhin kann die allgemeine Beweislastregel auch als Ausdruck prozessualer Gerechtigkeit verstanden werden, die auf die Herstellung der Waffengleichheit im Prozess gerichtet ist.196 Dieser Grundgedanke ist schließlich auch auf die unionsrechtlichen Vorschriften zum Zivilverfahren übertragbar. Der EuGH selbst hat in der Rechtssache Gruber die Geltung der allgemeinen Beweislastregeln dahingehend bestätigt, dass bei gemischten Verträgen der Kläger für seine Verbraucherstellung grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet ist.197 Im Ergebnis wurde allerdings trotz eines non liquet entgegen der allgemeinen Beweislastregel eine Vermutung für die Verbrauchereigenschaft angenommen.198 Im Hinblick auf die Prüfung der Zuständigkeit könnten beweisrechtliche Erleichterungen nützlich sein, indem die Anforderungen an die Darlegungslast verbraucherkonform gehandhabt werden.199 Soweit der Verbraucher schlüssig die ihm günstigen Tatsachen vorgetragen hat, wäre dann der Unternehmer verpflichtet, diese Angaben seinerseits zu entkräften.200 Dabei ist im Rahmen der hier in Rede stehenden Ausrichtung zu beachten, dass bei einer tatsächlich bestehenden Ausrichtung der Unternehmer mit seiner Marketingstrategie im Ergebnis Erfolg hatte. Dass er hiergegen selten etwas entgegensetzen kann, erscheint gerechtfertigt, da er wirtschaftlich betrachtet das bekam, was er mit seiner Ausrichtung wollte, nämlich einen Vertragspartner im Ausland.201 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung keine eingehende Beweisaufnahme und Würdigung vorgenommen werden soll, da eine solche gegen Sinn und Zweck des Zuständigkeitssystems 195 Wilke, EuZW 2015, 13, 17 stellt im Zusammenhang mit Art. 15 EuGVVO a. F. und dem dort verlangten Ausrichten der Tätigkeit fest, dass außerhalb des Fernabsatzes bereits der Beweis des Ausrichtens mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein kann. 196 Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 108 stellt diesbezüglich fest, dass im deutschen Recht die gesetzliche Beweislastverteilung zwischen den Parteien nach den Geboten der Gerechtigkeit, der Billigkeit und der prozessualen Waffengleichheit ausgerichtet ist. 197 EuGH, Urt. v. 20. 01. 2005 – C-464/01, Gruber/BayWa AG, Slg. 2005, I-439. 198 EuGH, Urt. v. 20. 01. 2005 – C-464/01, Gruber/BayWa AG, Slg. 2005, I-439, Rn. 50. 199 So bereits der Vorschlag von Mankowski, IPRax 2009, 474, 483. 200 Die Anforderungen an den Vortrag des Klägers zur Eröffnung des besonderen Gerichtsstandes richten sich nach der jeweiligen lex fori; damit genügt in Deutschland ein schlüssiger Vortrag der erforderlichen Tatsachen, BGH NJW 2012, 455, 456; NJW 2009, 2606, 2607. Vgl. dazu ebenfalls EuGH, Urt. v. 04. 03. 1982 – Rs. C-38/81, Effer Spa/Kantner, Slg. 1982, 825, in welchem festgestellt wird, dass die wesentlichen Voraussetzungen der Zuständigkeit seitens des Gerichts anhand von schlüssigen und erheblichen Umständen nachgeprüft werden sollen. 201 Mankowski, IPRax 2009, 474, 484 geht sogar so weit, dass der Unternehmer bei Erfolg der Strategie weder etwas entgegensetzen kann noch dies wollen wird. Vielmehr wird dieser regelmäßig nicht bestreiten nur um taktische Vorteile zu gewinnen.
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der EuGVVO verstieße. Das nationale Gericht soll vielmehr über seine Zuständigkeit entscheiden können, ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen.202 (iv) Die rechtsaktübergreifende harmonisierende Auslegung; Art. 6 Rom I-VO Schließlich wird auf die vom EuGH außer Acht gelassene harmonisierende Auslegung der EuGVVO mit der Rom I-VO hingewiesen.203 Innerhalb der beiden Rechtsakte beschäftigen sich zum einen Art. 17 EuGVVO und zum anderen Art. 6 Rom I-VO mit dem Schutz des Verbrauchers im europäischen Binnenmarkt. Der Erwägungsgrund 25 zur Rom I-VO, welcher sich auf den hier interessierenden Art. 6 Abs. 1 lit. c Rom I-VO bezieht, fordert nach seinem insofern klaren Wortlaut eine Kausalverbindung zwischen Vertragsschluss und Verbraucherschutz.204 Zwar ist zuzugeben, dass Erwägungsgründen keine Bindungswirkung bei der Auslegung zukommt. Im Rahmen der rechtsaktübergreifenden Auslegung wäre es jedoch zumindest angezeigt gewesen, dass der EuGH sich mit der kollisionsrechtlichen Pendantvorschrift zu Art. 17 EuGVVO und deren Erwägungsgrund befasst und damit das Verhältnis zwischen kollisionsrechtlichem und verfahrensrechtlichem Verbraucherschutz näher definiert.205 Da derartige Äußerungen im Urteil nicht zu finden sind, sondern allein mit der praktischen Wirksamkeit des prozessualen Verbraucherschutzes argumentiert wird, welcher durch ein Kausalitätserfodernis in Abrede gestellt wird, sieht sich der EuGH hier der größten Kritik aus der Literatur ausgesetzt.206 (b) Die Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung Die Kritik am Kriterium der kausalen Verknüpfung zwischen Ausrichten und Vertragsschluss ist in Teilen auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung zutreffend. Nichtsdestotrotz ist die kausale Verknüpfung zwischen der 202 EuGH, Urt. v. 29. 06. 1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial/Stawa, Slg. 1994 I, 2913, noch zum EuGVÜ. 203 Zur systematischen Auslegung anhand später erlassener Gemeinschaftsrechtsakte Fuchs, IPRax 2007, 302, 304. Hess, IPRax 2006, 348, 355 weist zudem auf die Notwendigkeit einer harmonisierenden Auslegung verwandter Rechtsakte hin, erst Recht, falls mit diesen quasi parallele Sachverhalte behandelt werden. 204 Zu dessen Entstehungsgeschichte eingehend Mankowski, IPRax 2008, 333, 337. Staudinger/Steinrötter, NJW 2013, 3505, 3506 weisen darauf hin, dass der EuGH das Gebot des anzustrebenden Gleichlaufs sowohl in der Pammer-Entscheidung als auch in der Mühlleitner-Entscheidung beachtet und etwa den Erwägungsgrund 24 S. 3 Rom I-VO in den Blick genommen habe, und zeigen sich daher überrascht, dass in der Rechtssache Emrek der Erwägungsgrund 25 S. 2 Rom I-VO gänzlich unerwähnt bleibt. 205 Staudinger, jM 2014, 229, 231 geht noch weiter und stellt fest, dass die übergreifende Systematik eine Befassung mit verwandten Sekundärrechtsakten nahelegt und der Erwägungsgrund 7 der Rom l-VO hierzu auch verpflichtet. 206 Vgl. Rühl, IPRax 2014, 41, 44; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 14; Schultheiß, EuZW 2013, 944, 944; Staudinger/Steinrötter, NJW 2013, 3505, 3506; Keiler/Binder, euvr 2013, 230, 232 ff.; Mankowski, EWiR 2013 717, 718.
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Ausrichtung der unternehmerischen Tätigkeit und dem geschlossenen Vertrag ein maßgebliches Kriterium für die Bestimmung des Anwendungsbereiches der internationalen Verfahrenszuständigkeit. (i) Der Ausnahmecharakter der Schlichtung im Verbraucherstaat Bereits im Hinblick auf den auch hier anzunehmenden Ausnahmecharakter der Schlichtung im Verbraucherstaat bedarf es einer Regelung, welche die grenzüberschreitenden Sachverhalte den Interessen der Beteiligten entsprechend entweder den Stellen im Verbraucher- oder im Unternehmerstaat zuweist. Die Kausalität bietet sich insofern in zweierlei Hinsicht an. Zum einen knüpft sie auf Unternehmerseite direkt an dessen durch das Ausrichten verkörperten Willen, sich einen neuen Markt zu erschließen, an. Während das Ausrichten als großes Tor verstanden werden kann, dient die Kausalität dazu, nur diejenigen Verfahren außerhalb des Sitzstaates des Unternehmers ablaufen zu lassen, in denen die Ausrichtung tatsächlich Früchte getragen hat. Zum anderen berücksichtigt sie auch das schützenswerte Verbrauchervertrauen, dessen Aufbau durch die alternative Streitbeilegung gefördert werden soll. Das Vertrauen, grenzüberschreitende Streitigkeiten im eigenen Staat außergerichtlich klären zu können, kann sich nur dann entwickeln, falls der Verbraucher durch die Orientierung des Unternehmers auf seinen Staat und bestimmte Arten von Werbung auf diesen aufmerksam wurde und aufgrund dessen im Anschluss daran in vertragliche Beziehungen trat. Sollte der Verbraucher hingegen selbst die Initiative ergriffen haben, in vertragliche Beziehungen mit einem nicht innerhalb seines Mitgliedstaates ansässigen Unternehmer zu treten, erscheint es angemessen, diesem auch die Bürde eines Verfahrens außerhalb seines Heimatstaates anzulasten.207 (ii) Die „Beweislastproblematik“ Die unter dem Stichwort der Beweislast geführte Diskussion ist im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung in anderer Weise zu führen, als dies im gerichtlichen Verfahren der Fall war. Da im außergerichtlichen Verfahren eine Beweisaufnahme über die Zuständigkeit in Ermangelung von Zwangsmitteln weder tatsächlich durchführbar noch rechtspolitisch gewollt ist, muss hier ein schneller und effektiver Weg zur Bestimmung der Zuständigkeit der einzelnen Stelle gefunden werden.208 Dies bedeutet im Ergebnis, dass grundsätzlich nur 207 Damit wird im Endeffekt eine auch innerhalb des gerichtlichen Verfahrens vorgeschlagene Differenzierung zwischen dem aktiven und passiven Verbraucher vorgenommen. Diese kann zwar zu Schutzlücken führen, ist allerdings notwendig, um einen interessengerechten Ausgleich zu finden. Nur dadurch kann die Mitwirkung der Unternehmer angeregt werden, welche im Grundsatz freiwillig erfolgen soll. 208 Bereits im Rahmen der Darstellung der momentanen Schlichtungslandschaft wurde an-
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bei einer für die jeweilige Stelle mit ihren Mitteln feststellbaren kausalen Verknüpfung zwischen Ausrichtung und Vertragsschluss eine internationale Verfahrenszuständigkeit angenommen werden kann. Diese Feststellung kann durch Angaben des Verbrauchers erleichtert werden, darf aber aufgrund des engen Zeitplans des eigentlichen Verfahrens nicht ausufern. Dieser kann bereits bei Beschwerdeeinlegung dazu aufgefordert werden, die notwendigen Unterlagen zur Bestimmung der Zuständigkeit einzureichen. Soweit dieser ausreichend Umstände anführt, die sowohl auf eine Ausrichtung als auch auf eine kausale Verknüpfung zwischen Ausrichtung und Vertragsschluss hinweisen, erklärt sich die Stelle für zuständig und fordert den Unternehmer zur Stellungnahme auf. Auch wenn der Verbraucher nicht immer in der Lage sein wird, die notwendigen Umstände substantiiert darzulegen,209 werden die Fälle tatsächlich fehlender Darlegungsmöglichkeiten des Verbrauchers eher selten sein. So gibt es im Rahmen des E-Commerce die Möglichkeit, den Vertrag über die Seite des Unternehmers abzuschließen, was bereits als gewichtiges Indiz sowohl für eine Ausrichtung als auch für deren Kausalität für den Vertragsschluss angesehen werden kann. Allerdings darf bei Darlegungsschwierigkeiten auch im außergerichtlichen Verfahren nicht immer einseitig zugunsten des Verbrauchers entschieden werden. Soweit bestimmte Unterlagen nicht mehr vorhanden sind, ist dies dem Verbraucher anzulasten. Dieser muss dann, wie auch im gerichtlichen Verfahren, die sich hieraus ergebenden Nachteile tragen. (iii) Die harmonisierende Auslegung Der Aspekt der harmonisierenden Auslegung spielt auf den ersten Blick im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung, die nicht streng an anwendbares Recht oder feste Zuständigkeiten gebunden ist, eine eher untergeordnete Rolle. Allerdings ist die in der Rom I-VO angelegte Kausalität als Begrenzung des Verbraucherschutzes auch für die außergerichtliche Streitbeilegung von Bedeutung. An ihr zeigt sich die Relativität des Verbraucherschutzes, welcher nur in bestimmten Fällen eine Privilegierung vorsieht. Zudem ist die ähnliche Ausgestaltung von Art. 17 EuGVVO und Art. 6 Rom I-VO unter einem anderen Aspekt für die außergerichtliche Streitbeilegung durchaus interessant. In außergerichtlichen Verfahren, in denen die Entscheidungsfindung nach dem geltenden Recht vorzunehmen ist, ist es ein Vorteil, wenn die zur Streitbeilegung berufene Stelle aufgrund der Harmonisierung von hand der Analyse der Verfahrensordnungen deutlich, dass nur in seltenen Fällen eine Beweisaufnahme oder ein vergleichbares Verfahren vorgesehen ist. Diese grundsätzliche Ausrichtung wird auch im Rahmen der neu zu schaffenden AS-Stellen aller Voraussicht nach beibehalten. 209 Mankowski, IPRax 2009, 474, 475 führt hierzu an, dass Unterlagen leichtfertig weggeworfen werden in der Hoffnung, es werde schon alles gut gehen, dass Privatwohnungen nicht unbegrenzt Platz zur Aufbewahrung von Dokumenten bergen oder manche Dokumente auch schlicht verloren gehen.
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Zuständigkeits- und Kollisionsrecht regelmäßig das Recht ihres Sitzstaats anwenden kann. Umgekehrt ist zu befürchten, dass diese bei der Anwendung von ausländischem Recht vor größeren Problemen stehen werden. (iv) Zwischenergebnis Damit kann die kausale Verknüpfung von ausgerichteter Tätigkeit und Vertragsschluss als interessengerechte Einschränkung der allgemeinen internationalen Verfahrenszuständigkeit angesehen werden. Dies wäre sowohl für den Unternehmer akzeptabel, sodass nicht von vornherein mit einer grundsätzlichen Ablehnung eines für ihn ausländischen Verfahrens gerechnet werden muss, als auch für den Verbraucher verständlich und könnte insgesamt zu einer Stärkung der Binnenmarktnutzung beitragen. Letztlich könnte eine derartige Lösung auf beiderseitige Akzeptanz hoffen, welche wiederum für eine funktionierende Schlichtungslandschaft von entscheidender Bedeutung wäre. dd) Die Interessen der AS-Stelle Nachdem damit die Interessen der Parteien in ausreichender Weise ins Gleichgewicht gebracht wurden, stellt sich nunmehr die Frage, ob die gefundene Regelung auch für die streitbeilegenden Stellen sowohl akzeptabel als auch praktikabel ist. Das Interesse der jeweiligen AS-Stellen besteht in erster Linie darin, die in ihren Kompetenzbereich fallenden Konflikte einer qualitativ möglichst hochwertigen Lösung zuzuführen. Dies beruht auf der Überlegung, dass die außergerichtliche Streitbeilegung ein für viele Verbraucher und Unternehmer neuartiges Angebot darstellt, dessen Erfolg sich an der tatsächlichen Nutzung der einzelnen streitbeilegenden Stellen messen lassen muss. Da diese ihr Verfahren auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit aufbauen, muss die außergerichtliche Streitbeilegung nach der ADR-Richtlinie besondere Anreize schaffen, um sich wirtschaftlich behaupten zu können. Dies gilt umso mehr, da sich diese Stellen auch der Konkurrenz aus bereits bestehenden Bereichen der alternativen Streitbeilegung, wie beispielsweise der Mediation, ausgesetzt sehen werden.210 Auch ist im Rahmen der ADR-Richtlinie in den nationalen Rechtsordnungen der Gedanke eines gewissen Wettbewerbs zwischen den einzelnen Stellen angelegt, der wiederum durch die Qualität des angebotenen Produktes entschieden werden wird. Für AS-Stellen, deren Verfahren sich an dem jeweils in der Sache anzuwendenden Recht ausrichtet, wird die Konfliktlösung am Besten funktionieren, wenn auf die vorgelegten Sachverhalte das Recht Anwendung findet, das im Sitzstaat der Stelle gilt. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die AS-Stellen nur wenige Möglichkeiten zur Ermittlung ausländischen Rechts besitzen, da 210
Zum Verhältnis der ADR-Richtlinie zur Mediation Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 221 ff.
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ihnen insbesondere die im gerichtlichen Verfahren mögliche Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Stellung eines Rechtshilfeersuchens nicht zur Verfügung stehen.211 Allerdings ist eine parallele Ausgestaltung von Zuständigkeit und anwendbarem Recht keine Selbstverständlichkeit. Ein derartiger Gleichlauf bedarf einer tragfähigen Begründung und lässt sich nicht alleine mit der Natur der AS-Stellen erklären. Der Gedanke des Gleichlaufs ist kein völlig unbekannter. Vielmehr wurde dieser im Rahmen von bestimmten gerichtlichen Verfahren bereits diskutiert.212 Diese Diskussion soll nun als Ausgangspunkt dienen, um im Anschluss zu ermitteln, ob und unter welchen Voraussetzungen ein derartiger Gleichlauf im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung gewinnbringend eingesetzt werden kann. (1) Grundannahme für einen Gleichlauf Die sogenannte Gleichlauftheorie gründet sich zu großen Teilen auf die Annahme, dass bei bestimmten Arten gerichtlicher Handlungen eine besondere Verbindung zwischen materiellem Recht und dem zugehörigen Verfahrensrecht besteht.213 Derartige Beziehungen wurden beispielsweise in Nachlasssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder bei einer gestaltenden Tätigkeit der Gerichte angenommen.214 Derartige besondere Verbindungen können im Rahmen von grenzüberschreitenden Sachverhalten nur dergestalt zutreffend erfasst werden, indem die aufeinander abgestimmten Instrumente des materiellen Rechts und des Prozessrechts der inländischen Rechtsordnung zur Anwendung kommen. Im Umkehrschluss dürfe dann aber bei der Maßgeblichkeit von ausländischem Recht keine gerichtliche Entscheidung im Inland möglich sein.215 Da eine derart enge Interpretation die berechtigten Rechtsschutzinteressen der betroffenen Parteien zu stark einengt, wird im Rahmen des moderaten Gleichlaufes gefordert, dass bei der Anwendung innerstaatlichen Rechts es zumindest eine subsidiäre
211 Zudem dürfen die damit verbundenen Kosten nicht vergessen werden. Zur Beweisaufnahme vgl. bereits die Erläuterungen oben S. 73 f. 212 Ein derartiger Gleichlauf kann grundsätzlich auf zwei verschiedenen Wegen erreicht werden. Zum einen kann aufgrund der Ermittlung des auf den Sachverhalt anzuwendenden Rechts auf die Zuständigkeit einer Stelle geschlossen werden. Zum anderen kann ebenso aufgrund der festgestellten Zuständigkeit einer Stelle auf das anzuwendende Recht geschlossen werden. 213 Vgl. dazu Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht, S. 28. 214 Ausführlich dazu Kropholler, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrecht, Band I Kapitel II § 1 Rn. 110 mwN. Zum Gleichlauf von Kollisionsrecht und Zuständigkeitsrecht Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 9–19. 215 Diese Lesart wird als strenge Gleichlauftheorie bezeichnet. Die Gleichlauftheorie hat damit sowohl zuständigkeitsbegründende als auch zuständigkeitsbegrenzende Wirkungen, vgl. dazu Dorsel, Forum non conveniens, S. 155.
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Zuständigkeit im Inland geben sollte.216 Ebenso sollte bei der Maßgeblichkeit ausländischen Sachrechts die inländische Gerichtsbarkeit nicht vollständig ausgeschlossen sein, sondern die Möglichkeit der Rechtsverfolgung von einer Zustimmung des ausländischen Rechts abhängig gemacht werden.217 (2) Gleichlauf in Verbrauchersachen vor staatlichen Gerichten Derartige besondere Verbindungen wurden allerdings bisher nur im Rahmen von rechtsgestaltenden Entscheidungen diskutiert.218 Im Rahmen von vertraglichen Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern wird dagegen eine derartige besondere Verknüpfung zwischen materiellem Recht und prozessualer Ausgestaltung nicht angenommen, zumal mittlerweile ohnehin viele verbraucherschützende Regelungen in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auf europäische Richtlinien zurückgehen und damit unionsweit gleichartig sind. Im gerichtlichen Verfahren gibt es zudem grundlegende Bedenken gegen eine zwingende Koppelung von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Bereits der Blickwinkel von Kollisionsrecht und Verfahrensrecht ist nicht deckungsgleich. Während das Kollisionsrecht die sachnächste Rechtsordnung für die Streitentscheidung zur Verfügung stellen möchte, dient die internationale Zuständigkeit in erster Linie der Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs der Parteien.219 Dieser kann aber auch bei Anwendung ausländischen Rechts erfüllt werden.220 Im Rahmen des unionsrechtlichen internationalen Verfahrensrechts spricht noch ein weiterer Punkt gegen einen zwingenden Gleichlauf. Die grundlegende Annahme dieser Regelungen ist nämlich, dass ein Verfahren vor einem mitgliedstaatlichen Gericht, welches ausländisches Recht anzuwenden hat, nicht als geringwertiger als das Verfahren vor einem inländischen Richter angesehen wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von gegenseitigem Vertrauen in die jeweiligen Justizsysteme. Dieses Vertrauen wird insbesondere durch die weitgehende Abschaffung des Exequaturverfahrens für ausländische Urteile im Rahmen der Neufassung der EuGVVO bestätigt.221 216 So beispielsweise Kropholler, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrecht, Band I Kapitel II § 1 Rn. 111. 217 Hier spricht man von der gemäßigten Gleichlauftheorie. 218 Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht, S. 28 spricht von Akten der außerstreitigen Gerichtsbarkeit bzw. von allen nicht erkennenden Gerichtstätigkeiten; Dorsel, Forum non conveniens, nennt auf S. 155 die Nachlasssachen als Beispiel. 219 Darauf weist Geimer, IZVR, Rn. 1042 hin. Daher knüpfe die internationale Zuständigkeit regelmäßig auch an andere Tatbestandsmerkmale an als das internationale Privatrecht. 220 So auch Patzina, in: MüKo-ZPO, § 12 Rn. 112, der weiterhin darauf hinweist, dass das deutsche Gericht seine internationale Zuständigkeit auch nicht mit der Begründung verweigern könnte, es sei ausländisches Recht anwendbar. Umgekehrt folge aus der gemäß den Normen des Internationalen Privatrechts vorgeschriebenen Anwendung inländischen Rechts nicht zwingend, dass damit gleichzeitig die inländische internationale Zuständigkeit eröffnet sei. 221 Vgl. Alio, NJW 2014, 2395, 2396; Cadet, EuZW 2013, 218, 221. Zur Ermöglichung
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(3) Gleichlauf im außergerichtlichen Verfahren Es verbleibt die Frage, ob die festgestellten Einwände auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung die grundsätzliche Verneinung eines Gleichlaufes zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht rechtfertigen. Der wesentliche Unterschied zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Streitbeilegung besteht darin, dass letzterer kein Justizgewährungsanspruch zugrunde liegt. Vielmehr will die außergerichtliche Streitbeilegung eine Alternative zum gerichtlichen Verfahren bieten, dieses aber nicht verdrängen. Während das zivilprozessuale Verfahren fundamentale Grundrechte des Einzelnen garantiert, ist das außergerichtliche Verfahren, insbesondere nach der ADR-Richtlinie, in erster Linie als binnenmarktstärkendes Instrument angelegt. Neben der Rechtsdurchsetzung des Einzelnen steht damit die Ausgestaltung und Belebung des europäischen Wirtschaftsraums im Vordergrund. Auch ist zu beachten, dass ein mitgliedstaatliches Gericht, welches ausländisches Recht anzuwenden hat, mit anderen Erkenntnismöglichkeiten und Zwangsmitteln ausgestattet ist als außergerichtliche Einrichtungen. Mittels der den Gerichten zur Verfügung stehenden Mittel können in Gerichtsverfahren hochwertige und daraus folgend das notwendige Vertrauen rechtfertigende Urteile gefällt werden, die es erlauben, die Notwendigkeit eines forum legis zu verneinen. Für die außergerichtliche Streitbeilegung kann aufgrund der bestehenden Unterschiede dieser Schluss aber nicht in gleicher Weise gezogen werden. Daher wäre es wünschenswert, wenn in grenzüberschreitenden Streitfällen die mit der Streitbeilegung betraute AS-Stelle das Sachrecht ihres Heimatstaats anwenden kann. Möglich wäre ein derartiger Gleichlauf, wenn das Recht am Sitz der AS-Stelle kollisionsrechtlich zur Anwendung berufen wird. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts für vertragliche Schuldverhältnisse bemisst sich nach den Regelungen der Rom I-VO. Die entscheidende Frage ist daher, inwieweit auf die grenzüberschreitenden Sachverhalte, für die eine Verfahrenseröffnung im Verbraucherstaat vorgesehen ist, die kollisionsrechtlichen Bestimmungen das Recht des Staates zur Anwendung berufen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (a) Der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz Die für Verbraucherverträge kollisionsrechtlich wichtigste Norm der Rom I-VO ist Art. 6. Dieser stellt eine Sonderanknüpfung innerhalb der Verordnung dar, welche zum Schutz der intellektuell und wirtschaftlich unterlegenen Partei deren Heimatrecht zur Anwendung beruft.222 Damit verfolgt die Norm der Anerkennung und Vollstreckung inländischer Entscheidungen und Titel im Ausland Ulrici, GPR 2015, 295–303. 222 Vergleiche dazu den Erwägungsgrund 23 der Verordnung, welcher statuiert, dass bei
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im Rahmen des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzrechts dasselbe Ziel wie Art. 17 EuGVVO innerhalb des zivilprozessualen Verbraucherschutzes. Beiden Normen liegt der Gedanke der situationsabhängigen Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers zugrunde, welcher in bestimmten Fällen sowohl durch einen Gerichtsstand in seinem Heimatstaat als auch durch die Vorzüge der ihm regelmäßig bekannteren Heimatrechtsordnung geschützt werden soll.223 Die Rom I-VO soll darüber hinaus im Rahmen des Verbraucherschutzes die EuGVVO unterstützen und ist in diesem Zusammenhang mit ihr im Einklang auszulegen.224 Ziel des angestrebten Einklangs zwischen den beiden Verordnungen ist die Schaffung eines kohärenten Systems des Europäischen internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts.225 Somit ist die Interessenlage sowohl im prozessualen als auch im kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz sehr ähnlich ausgestaltet. In beiden Fällen wird in bestimmten Fällen von einem Ungleichgewicht zwischen den beiden Vertragsparteien ausgegangen, welches mittels einer Orientierung auf das Heimatrecht des Verbrauchers aufgelöst werden soll. Damit kann in großen Teilen für den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz auf die Erkenntnisse aus der EuGVVO zurückgegriffen werden. Neben dem bereits genannten Harmonisierungsgedanken stützt auch der größtenteils übereinstimmende Wortlaut der beiden Vorschriften diese Annahme.226 Eine Einschränkung dieser Annahme ist nur dort zu machen, wo rein prozessuale Erwägungen im Rahmen der Artt. 17–19 EuGVVO im Vordergrund standen. Bezüglich der hier besonders interessierenden Punkte des Ausrichtens der unternehmerischen Tätigkeit und der Kausalität zwischen Ausrichten und dem eigentlichen Vertragsschluss ist dies nicht der Fall. (b) Der persönliche Anwendungsbereich Die Parallelität zwischen dem verfahrensrechtlichen und dem kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz zeigt sich zunächst im Anwendungsbereich von Verträgen, innerhalb derer die eine Partei als schwächer angesehen wird, diese durch Kollisionsnormen geschützt werden solle, welche für sie günstiger sind als die allgemeinen Regeln. 223 Letztere wird zudem durch eine Rechtswahlbeschränkung zu Gunsten des Verbrauchers abgesichert. Deren Rechtfertigung wird darin gesehen, dass der Verbraucher als Kunde weder einen größeren Einblick in die fremde Rechtsordnung hat, noch auf die Rechtswahl tatsächlich größeren Einfluss nehmen kann. Vergleiche dazu Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 1. 224 So ausdrücklich Brödermann, NJW 2010, 807, 810. 225 Dieses Ziel wird von der Rom I-VO in ihren 7. Erwägungsgrund allgemein festgeschrieben und im Rahmen des Verbraucherschutzes in Erwägungsgrund 24 S. 2 noch weiter hinsichtlich des Kriteriums der ausgerichteten Tätigkeit präzisiert. Zur gegenseitigen Abstimmung der beiden Rechtsakte Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 538; Mankowski, IHR 2008, 133, 141 und Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 627. 226 Diese Entsprechungen lassen den Schluss zu, dass sich Art. 6 Rom I-VO in seiner Entwicklung stark von den Erwägungen, welche Art. 15 EuGVVO a. F. prägten, leiten ließ. In diese Richtung gehend Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 2b.
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§ 8. Verfahrenseröffnung in grenzüberschreitenden Streitigkeiten
Art. 17 EuGVVO und Art. 6 Rom I-VO.227 Der enge verfahrensrechtliche Verbraucherbegriff ist vom Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO umfasst. Gleiches gilt für den Vertragspartner des Verbrauchers, bei dem es sich sowohl für die Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 17 EuGVVO als auch bei Art. 6 Rom I-VO um einen Unternehmer handeln muss. Da sich die Verfahrenseröffnung für grenzüberschreitende Sachverhalte im außergerichtlichen Bereich an denselben Parametern wie die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit des Art. 17 EuGVVO ausrichtet, fallen die dort erfassten Sachverhalte gleichermaßen in den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 6 Rom I-VO. (c) Der sachliche Anwendungsbereich Der Geltungsbereich der außergerichtlichen Streitbeilegung nach der ADRRichtlinie, welcher nach Art. 2 Abs. 1 vertragliche Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen zwischen einem in der Union niedergelassenen Unternehmer und einem in der Union wohnhaften Verbraucher umfasst, deckt sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit dem sachlichen Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO, welcher Verträge, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt.228 Im Gegensatz zur Regelung des Art. 5 EVÜ werden durch Art. 6 Rom I-VO grundsätzlich alle Verbraucherverträge erfasst, sodass die von der ADR-Richtlinie umfassten vertraglichen Verpflichtungen aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen ohne weiteres in den Anwendungsbereich fallen.229 Allerdings wird der sachliche Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO durch Bereichsausnahmen wieder eingeschränkt, welche sich nicht wortlautgleich in der ADR-Richtlinie wiederfinden.230
227 Zu den Auslegungszusammenhängen zwischen den Rom I und II Verordnungen und der EuGVVO vgl. Magnus, IPRax 2010, 27, 28; Lando/Nielsen, CMLR 45 (2008), 1687, 1690. 228 Die von der Rom I-VO verwendeten Definitionen des Verbrauchers und Unternehmers finden sich inhaltsgleich in Art. 4 Abs. 1 lit. a und b der ADR-Richtlinie. 229 Sowohl Art. 5 EVÜ als auch der auf diesem beruhende Art. 29 EGBGB waren inhaltlich auf Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen, sowie Verträge zur Finanzierung derartiger Geschäfte beschränkt. 230 Die Richtlinie nimmt von ihrem sachlichen Anwendungsbereich insbesondere nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, bestimmte Gesundheitsdienstleistungen und Streitigkeiten mit öffentlichen Anbietern von Weiter- oder Hochschulbildung aus, Art. 2 Abs. 2 lit. c, h und i.
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(d) Die Anknüpfungspunkte Abgesehen von einer den Einschränkungen des Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO unterworfenen, grundsätzlich beachtlichen Rechtswahl der Parteien231 und den Bereichsausnahmen des Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO ist unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, auf den streitigen Sachverhalt anzuwenden.232 Für die Anwendung des Heimatrechts des Verbrauchers bedarf es allerdings, wie auch im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, bestimmter Verhaltensweisen des Unternehmers. Dieser muss entweder seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausüben, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder eine solche Tätigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichten. Zudem muss der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fallen.233 Damit sind die grundlegenden Voraussetzungen, unter denen nach der bisherigen Untersuchung eine Verfahrenszuständigkeit im Heimatstaat angenommen werden kann, weitgehend dieselben, die Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO für die Anwendbarkeit des Aufenthaltsrechts des Verbrauchers aufstellt.234 Zusammenfassend wäre daher im Grundsatz bei einer Verfahrenszuständigkeit im Mitgliedstaat des Verbrauchers regelmäßig das Recht dieses Mitgliedstaates über die Rom I-VO zur Anwendung berufen, sodass ein Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht bestehen würde. 231 Die Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf, Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO. 232 Beachtlich ist dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass abweichend von Art. 4 Abs. 1 lit. a und b Rom I-VO nicht an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers oder Dienstleisters oder allgemeiner mit Abs. 2 gesprochen an die Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung angeknüpft wird, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers. Damit wird im Ergebnis nicht auf das Herkunftsland, sondern auf den Marktort abgezielt, vgl. Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 3. 233 Damit ist auch hier von einem situativen Verbraucherschutz auszugehen, welcher den Verbraucher nur unter bestimmten Voraussetzungen schützen will. Falls sich der Verbraucher auf den ausländischen Markt begibt, kann er dagegen nicht darauf vertrauen, dass ihm der Schutz seiner Heimatrechtsordnung zu Teil wird. Vielmehr muss er mit dem Schutzniveau des ausländischen Rechts vorlieb nehmen, vgl. dazu Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 29. 234 Ob für die Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 6 Rom I-VO ein kausaler Zusammenhang zwischen ausgerichteter Tätigkeit und konkretem Vertrag bestehen muss, wird unterschiedlich beurteilt. Während Weller/Nordmeier, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, Art. 6 Rom I-VO Rn. 20 sich für eine Übertragung der vom EuGH für Art. 17 EuGVVO aufgestellten Grundsätze aussprechen und damit auf ein Kausalitätserfordernis verzichten wollen, um den angestrebten Gleichlauf von Verfahrens- und Kollisionsrecht nicht zu gefährden, sprechen sich Wendelstein/Klöpfer, JZ 2014 298, 302 ff. dezidiert für die Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs aus und führen hierzu insbesondere Erwägungsgrund 25 S. 2 der Rom I-VO an, der diesen Zusammenhang explizit fordert.
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(e) Die Bereichsausnahmen des Art. 6 Rom I-VO Allerdings ist der Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO im Rahmen der angesprochenen Kauf- und Dienstleistungsverträge nicht gleichermaßen umfassend wie der Anwendungsbereich der Richtlinie. Vielmehr bestehen für bestimmte Vertragstypen gesonderte Normen. So werden Verträge über die Beförderung von Gütern und Personen regelmäßig von Art. 5 Rom I-VO abgedeckt, Versicherungsverträge unterfallen unter bestimmten Voraussetzungen vorrangig Art. 7 Rom I-VO.235 Zudem nimmt Art. 6 Rom I-VO in Abs. 4 aus verschiedenen Gründen bestimmte Materien vom kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz aus.236 Diese Ausnahmen finden sich allerdings nicht innerhalb der ADR-Richtlinie wieder, sodass zu überlegen ist, inwieweit diese Ausnahmen für die außergerichtliche Streitbeilegung von Belang sind und daran anschließend, ob für diese Fälle gleichfalls eine Ausnahmeregelung innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung geschaffen werden sollte. (i) Die Finanzinstrumente In Art. 6 Abs. 4 lit. d Rom I-VO wird festgelegt, dass Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten nicht unter den Verbrauchervertrag subsumiert werden sollen. Der Grund dafür ist, dass diese Instrumente kollektiv einer bestimmten Rechtsordnung unterstellt werden müssen und nicht mit der Unsicherheit einer wechselnden Rechtsordnung je nach Vertragspartner behaftet sein sollen.237 Allerdings ist hierbei die Rückausnahme am Ende des lit. d zu beachten. Falls es sich bei der Handlung um die Erbringung einer Finanzdienstleistung handelt, so wird diese wiederum vom Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO erfasst. Der Grund dafür ist, dass die Bereichsausnahme nur die kollektiven Aspekte der Finanzinstrumente, welche notwendigerweise einer einheitlichen 235 Gemäß Erwägungsgrund 32 der Rom I-VO sollen aufgrund der Besonderheit von Beförderungsverträgen und Versicherungsverträgen besondere Vorschriften ein angemessenes Schutzniveau für zu befördernde Personen und Versicherungsnehmer gewährleisten. Daher gilt Artikel 6 nicht im Zusammenhang mit diesen besonderen Verträgen. 236 Für diese Bereichsausnahmen wird der fehlende Gleichlauf von Kollisions- und Internationalem Verfahrensrecht kritisiert, da sich in Art. 17 Abs. 3 EuGVVO keine Art. 6 Abs. 4 lit a entsprechende Regelung findet. Vgl. dazu Mankowski IHR 2008, 133, 142 f. und Staudinger, RRa 07, 98, 110, jeweils noch zu Art. 15 Abs. 3 EuGVVO a. F. 237 In Erwägungsgrund 28 wird dies dergestalt festgeschrieben, dass die Rechte und Verpflichtungen, die ein Finanzinstrument begründen, deshalb nicht der allgemeinen Regel für Verbraucherverträge unterliegen, da dies dazu führen könnte, dass für jedes der ausgegebenen Instrumente ein anderes Recht anzuwenden wäre, wodurch ihr Wesen verändert würde und ihr fungibler Handel und ihr fungibles Angebot verhindert würden. Entsprechend sollte auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Emittenten bzw. dem Anbieter und dem Verbraucher bei Ausgabe oder Angebot solcher Instrumente nicht notwendigerweise die Anwendung des Rechts des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers zwingend vorgeschrieben sein, da die Einheitlichkeit der Bedingungen einer Ausgabe oder eines Angebots sichergestellt werden muss.
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Gestaltung bedürfen, erfassen will,238 nicht aber die individuell auf den jeweiligen Verbraucher bezogenen Finanzdienstleistungen.239 Derartige Dienstleistungen werden vom Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO erfasst.240 Auch Finanzierungsverträge, wie beispielsweise Verbraucherkreditverträge oder die Kontoführung des Finanzinstituts für den Kunden als Verbraucher, fallen ohne Einschränkung in den Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO.241 (ii) Verträge in multilateralen Systemen Die Ausnahme in Art. 6 Abs. 4 lit. e betrifft Verträge, welche innerhalb eines multilateralen Systems geschlossen werden, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 17 der Richtlinie 2004/39/EG nach nicht diskretionären Regeln und nach Maßgabe eines einzigen Rechts zusammenführt oder das Zusammenführen fördert. Hierzu zählen klassische Parkettbörsen, aber auch elektronische Handelssysteme.242 Für derartige Verträge wird das einheitlich anzuwendende Recht über die Anknüpfung gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. h bestimmt.243 Damit ist in diesen Fällen regelmäßig das Recht des Systems für den Vertrag maßgeblich, welches sich über den Börsenplatz bestimmt.244 (iii) Die Miete von unbeweglichen Sachen Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, werden mit Ausnahme der Verträge über Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien im Sinne der Richtlinie 94/47/EG gemäß Abs. 4 lit. c ebenfalls von Art. 6 Rom I-VO nicht erfasst.245 238 Mankowski, IHR 2008, 133, 143 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass nur die Aspekte, welche über den einzelnen Vertrag hinausgreifen, ausgenommen werden sollen. 239 Vgl. dazu Mankowski, RiW 2009, 98, 105. 240 Damit sind die den Geschäften mit Finanzinstrumenten zugrunde liegenden oder sie begleitenden Verträge, wie beispielsweise Anlageberatung, Portfolioverwaltung oder Depotverwahrung, gemeint. Zum Ganzen Spickhoff, in: BeckOK-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 18. 241 Vgl. dazu Hohloch, in: Erman, Art. 6 Rom I-VO Rn. 36. Diese Verträge dürften aus dem Finanzsektor die häufigsten Anlässe für Verbraucherbeschwerden geben. 242 Vgl. dazu beispielsweise Einsele, WM 2009, 289, 291 f. 243 Dieser Schluss ergibt sich ebenfalls aus Erwägungsgrund 28 der Rom I-VO, der die für Finanzinstrumente gestellten Überlegungen auf die multilateralen Systemen, die von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h erfasst werden, überträgt. Für diese Systeme soll gewährleistet sein, dass das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers nicht die Regeln berührt, die auf innerhalb solcher Systeme oder mit dem Betreiber solcher Systeme geschlossene Verträge anzuwenden sind. 244 Vgl. Magnus, IPRax 2010, 27, 37. 245 Hier hat insbesondere die Wohnraummiete erhebliche Diskussionen hervorgerufen. Während Leible/Lehmann, RiW 2008, 528, 537, die Absicherung des Schutzstandards für sozialen Wohnraum über die Anwendung von Eingriffsnormen gemäß Art. 9 Rom I-VO als
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Der Bezug zur jeweiligen lex rei sitae ist hier gewichtiger und überlagert die verbraucherrechtlichen Aspekte.246 (iv) Die Güter- und Personenbeförderung Die Beförderung von Gütern und Personen wird gemäß Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO vom Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO ausgenommen und dem spezielleren Art. 5 Rom I-VO unterstellt.247 Dieser unterscheidet wiederum zwischen Güter- und Personenbeförderungen. Da im Rahmen der Verbraucherstreitbeilegung regelmäßig die Beförderung von Personen im Vordergrund stehen wird, soll sich die Untersuchung auf diesen Bereich beschränken.248 Für Personenbeförderungen ist gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO, vorbehaltlich einer Rechtswahl,249 das Recht des Staates anzuwenden, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Falls dies nicht der Fall sein sollte, wird nach S. 2 auf das Recht des Staates verwiesen, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beförderer ist hierbei die Vertragspartei, die sich zur Beförderung verpflichtet, unabhängig davon, ob sie die Beförderung selbst durchführt. Als zu befördernde Person gilt derjenige, ausreichend erachten, kritisiert Mankowski, ZVglRWiss 105 (2006), 120, 127 f. dies als systematisch nicht überzeugend und stellt die Bereichsausnahme als solche in Frage. 246 Verbraucherrechtliche Aspekte, wie beispielsweise bei der Miete einer Ferienwohnung, können allenfalls über einen Pauschalreisevertrag erfasst werden. Ansonsten verbleibt es bei der Bereichsausnahme, vgl. dazu Staudinger, NZM 2011, 257, 264. 247 Der Begriff der Beförderung wird vertragsautonom bestimmt und umfasst die auf eine Ortsveränderung von Personen oder Sachen abzielende Leistung des vertraglich verpflichteten Beförderers mithilfe eines Beförderungsmittels, Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 6. 10. 2009 – Rs. C-133/08 Intercontainer Interfrigo SC [ICF]/Balkenende Oosthuizen BV u. a., Slg. 2009, I-9687. 248 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beförderung von Reisegepäck, welche oftmals Anlass zu Beschwerden im Luftverkehrssektor bietet, nach dem Zweck der Norm und zur Vermeidung sinnloser Aufspaltungen kollisionsrechtlich als nicht gesondert anzuknüpfende Nebenleistung der Personenbeförderung anzusehen ist, vgl. dazu Spickhoff, in: BeckOK-BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 15 und Mankowski, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 2573, 2621. Im Rahmen der sogenannten Charter-Verträge, welche das Zurverfügungstellen eines Transportmittels zur Ermöglichung der Güterbeförderung selbst beinhalten, bleibt festzuhalten, dass Verträge ausscheiden, bei denen in Wirklichkeit nur das Transportmittel gemietet wird, ohne dass die Ermöglichung der Beförderung der Zweck des Vertrags ist. Somit verbleiben als denkbare Konstellationen der Güterbeförderungen mit klassischer Verbraucherbeteiligung beispielsweise Umzugsverträge mit Unternehmern, welche grenzüberschreitend tätig werden. In diesen Fällen bleibt allerdings § 451h Abs. 3 HGB zu beachten, welcher als Eingriffsnorm auch bei der Berufung ausländischen Rechts unter bestimmten Voraussetzungen § 451h Abs. 1 und 2 HGB zur Anwendung verhilft. 249 Nach Art. 5 gibt es insgesamt 5 verschiedene Rechtswahlmöglichkeiten: Das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Reisenden oder des Beförderers, dasjenige am Sitz der Hauptverwaltung des Beförderers sowie dasjenige am Abgangsort oder Bestimmungsort.
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welcher sich rechtsgeschäftlich verpflichtet hat und zur Beförderung berechtigt ist.250 Eine Beschränkung auf Verbraucher besteht hier nicht.251 Die objektive Anknüpfung des Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO berücksichtigt demnach in erster Linie das Rechtsanwendungsinteresse des Reisenden und privilegiert ihn gegenüber dem Beförderer.252 Damit wird auch dem Verbraucher, dessen Beförderung zumeist aus oder in seinen Heimatstaat führen wird, trotz der Bereichsausnahme des Art. 6 Rom I-VO im Ergebnis dieselbe Rechtsordnung zur Verfügung gestellt. (v) Die Versicherungsverträge Auch für Versicherungsverträge besitzt die Rom I-VO in Art. 7 eine spezielle Kollisionsnorm. Der Schutz des Versicherungsnehmers, der als potentiell unterlegene Partei verstanden wird, wird hierbei durch Art. 7 Rom I-VO abschließend geregelt, sodass sich ein Rückgriff auf Art. 6 Rom I-VO verbietet.253 Im Rahmen des Art. 7 Rom I-VO wird – wie in Art. 5 Rom I-VO – kein gruppenspezifischer Schutz gewährt, sondern wiederum ein sektorspezifischer Ansatz verfolgt. Daher sind beispielsweise auch kleine und mittlere Unternehmen in den Schutzbereich des Art. 7 Rom I-VO einbezogen. Soweit keine Rechtswahl getroffen wurde, unterliegt der Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist.254 Zur Lokalisierung der Belegenheit des Risikos ist auf Art. 7 Abs. 6 Rom I-VO zurückzugreifen, welcher wiederum für die Direktversicherung auf Artikel 2 lit. d der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung und für Lebensversicherungen auf den Staat der Verpflichtung im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 2002/83/EG verweist.255 Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass regelmäßig der Belegenheitsort des Risikos mit dem gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers übereinstimmen wird.256 Ausnahmen 250 Zu Einzelfragen, wie beispielsweise der Mehrheit von Reisenden, eingehend Mankowski, TranspR 2008, 339, 348. 251 Kritisch zu dieser Bereichsausnahme Mankowski, ZVglRWiss 105 (2006), 120, 125 f. 252 So auch R. Wagner, TranspR 2008, 223. 253 Vgl dazu Staudinger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, Art. 7 Rom I-VO Rn. 8 und Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 7 Rom I-VO, Rn. 55. 254 Diese objektive Anknüpfung ist unwandelbar, vgl. Staudinger, in: Ferrari/Kieninger/ Mankowski, Internationales Vertragsrecht, Art. 7 Rom I-VO Rn. 48. 255 Diese Nachweise sind aufgrund von Art. 310 Solvabilität II-Richtlinie (Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. Nr. L 335/1) nunmehr als Verweis auf deren Art. 13 Nr. 13 und 14 zu verstehen. 256 So die Auffangklausel in Art. 13 Nr. 13 lit. d Solvabilität II-Richtlinie, die vorbehaltlich der drei gleich behandelten Ausnahmen in allen nicht von diesen umfassten Fällen den Mitgliedstaat, in dem sich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers befindet, als den Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, festlegt.
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hierzu bilden die Gebäudeversicherung, im Rahmen derer auf die lex rei sitae abzustellen ist,257 die Fahrzeugversicherung, welche an den Zulassungsort anknüpft258 und die Reise- bzw. Ferienrisikenversicherung, bei der der Ort des Vertragsschlusses maßgebend ist.259 Damit wird auch hier im Rahmen der objektiven Anknüpfung regelmäßig ein ähnliches Ergebnis wie bei der Anwendung von Art. 6 Rom I-VO erzielt.260 (vi) Die ausschließlich im Ausland erbrachte Dienstleistung Eine weitere wichtige Ausnahme bestimmt Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO für Verträge über die Erbringung einer Dienstleistung, wenn die dem Verbraucher geschuldete Dienstleistung ausschließlich in einem anderen Staat als dem erbracht werden muss, in welchem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.261 Diese ist deshalb von Bedeutung, weil der Begriff der Dienstleistung hier autonom auszulegen und nicht eng zu verstehen ist.262 Gemeint sind damit beispielsweise Beherbergungen im Ausland sowie Sprach-, Ski- oder Segelkurse aber auch örtliche Bankdienstleistungen, selbst wenn die Verträge unter den in Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO genannten Voraussetzungen zustande gekommen sind.263 Zur Begründung der Bereichsausnahme wird angeführt, dass der Verbraucher sich selbst auf einen fremden Markt begeben hat und dort keine Privilegierung gegenüber anderen inländischen Verbrauchern erwarten kann.264 Das Kriterium der vollständigen Erbringung der Dienstleistung im Ausland vermengt in gewissem Maße zwar den Vertragsabschluss- und den Vertrags257 Sinn der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Belegenheit der versicherten Sache ist in erster Linie, dass die jeweilige Deckung oftmals auf lokale Verhältnisse oder auch auf das dort geltende Recht abgestimmt ist und zudem der Versicherungsnehmer zu diesem Rechtsraum engere Verbindungen aufweist. 258 Das sind Kasko-, Unfall-, Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherungen zur Deckung von Risiken von Land-, Wasser- und Luftfahrzeugen, vgl. W-H. Roth, in: Beckmann/MatuscheBeckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 4 Rn. 53. 259 Damit sind alle Arten von kurzzeitigen Versicherungsverträgen, wie beispielsweise Unfall-, Kranken-, Gepäck- oder auch Haftpflichtversicherungen gemeint, die speziell auf die Vornahme einer Reise bezogen sind und eine Laufzeit von bis zu vier Monaten aufweisen. Der Grund der Anknüpfung an den Ort des Vertragsschlusses ist, dass der Gesetzgeber den Fall einer vor Ort erworbenen Deckung, z. B. auf Flughäfen oder Bahnhöfen, regeln wollte. Zu dieser Anknüpfung eingehend W-H. Roth, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 4 Rn. 54. 260 Zum Ganzen eingehend Staudinger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, Art. 7 Rom I-VO Rn. 60 ff. 261 Auch diese Bereichsausnahme wird von Mankowski, ZVglRWiss 105 (2006), 120, 126 f. kritisiert, weil schwierige Abgrenzungsfragen drohen und sich für diese Ausnahme auch kein Pendant in der EuGVVO findet. 262 Vgl. BGH NJW 2012, 1817, 1818. 263 Dies entspricht der Bereichsausnahme in Art. 29 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB a. F. Zur Handhabung unter der Rom I-VO vgl. Spickhoff, in: BeckOK-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 13. 264 So Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 17.
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erfüllungsmarkt.265 Jedoch erscheint es in derartigen Konstellationen angezeigt, das Vertragsverhältnis dem Vertragserfüllungsmarkt als faktischem Schwerpunkt der Parteibeziehungen zu unterstellen. Innerhalb des Erfüllungsmarktes spielt sich der Großteil der rechtlichen Beziehungen der Parteien, insbesondere die Vertragsdurchführung, ab, während dem Abschlussmarkt regelmäßig nur untergeordnete Bedeutung zukommt, jedenfalls soweit sich dort keine faktische Markterschließung ermitteln lässt. Zudem wird durch die Bereichsausnahme der rein lokal agierende Unternehmer in seinem berechtigen Interesse der Anwendung seines Heimatrechts geschützt.266 Für die Feststellung, ob die Leistung ausschließlich im Ausland zu erbringen ist, ist der Ort entscheidend, an dem die Leistung dem Verbraucher vertraglich geschuldet wird.267 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass kein Teil der Leistung im Inland erbracht werden darf.268 Auch werden Dienstleistungen im Ausland, welche ins Inland hinein erbracht werden, nicht vom Ausnahmetatbestand des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO umfasst.269 (f) Die Relevanz der Bereichsausnahmen im außergerichtlichen Verfahren Im Rahmen der alternativen Streitbeilegung dürften den eher seltener auftretenden Fällen der lit. d und e keine größere Bedeutung zukommen, dagegen sind Fälle, die unter die ersten drei Bereichsausnahmen fallen, auch innerhalb einer Schlichtung durchaus vorstellbar. Daneben können sowohl grenzüberschreitende Versicherungsverträge als auch Beförderungen über mitgliedstaatliche Grenzen hinweg im außergerichtlichen Verfahren relevant werden. Nach näherer Untersuchung der Praxisrelevanz der einzelnen Bereichsausnahmen ist im Hinblick auf die internationale Verfahrenszuständigkeit zu überprüfen, ob die allgemeine in den Heimatstaat des Verbrauchers führende 265
Darauf weist Mankoswki, ZVglRWiss 105 (2006), 120, 126 zutreffend hin. Mankowski, ZVglRWiss 105 (2006), 120, 126 ist demgegenüber der Meinung, dass bei Werbemaßnahmen im Heimatstaat des Verbrauchers der Unternehmer nicht schutzwürdig ist. Falls die Werbemaßnahmen zu einer faktischen Markterschließung führen, ist dem zu folgen, falls sich die „Werbung“ allerdings nur auf eine, bestenfalls in fremder Sprache gehaltene Website reduzieren lässt, ist dieser Schluss nicht zwingend. Gerade im außergerichtlichen Bereich muss eine kausale Verknüpfung zwischen Erschließung und Vertragsabschluss, verstanden als faktische Markterschließung, vorliegen, um eine Verfahrenspflichtigkeit zu begründen. 267 So Spickhoff, in: BeckOK-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 14 unter zutreffendem Verweis auf den Wortlaut der Norm. 268 Der Begriff der Erbringung der Dienstleistung wird im Rahmen des Art. 6 Rom I-VO nicht näher konkretisiert, findet sich allerdings bereits in der EuGVVO in Art. 5 Nr. 1 lit. b, welcher nunmehr in Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO n. F. überführt wurde. Dort ist damit der Erfüllungsort der Dienstleistung gemeint. Zu den Abgrenzungsfragen zwischen der Erbringung im Ausland und Inland eingehend Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 18 mit Bezugnahme auf die Normen der EuGVVO. 269 Zum Beispiel der ausländischen Broker, der für Kunden im Inland tätig wird, vgl. Mankowski, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 2483. 266
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Zuständigkeitsregel im Hinblick auf die von Art. 6 Rom I-VO nicht erfassten Ansprüche einer Einschränkung bedarf. Hierbei stellt sich die Frage, ob die grundsätzliche Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers, die im Rahmen der entwickelten Zuständigkeitsregel zu einem Verfahren im Heimatstaat des Verbrauchers führt, auch innerhalb der von Art. 6 Rom I-VO ausgenommenen Bereiche besteht. Dafür ist wiederum der bestehende Bezug zum Mitgliedstaat des Verbrauchers von wesentlicher Bedeutung. Je mehr sich der Unternehmer auf den Heimatmarkt des Verbrauchers engagiert, desto eher ist ihm auch die Verfahrensführung im Ausland zumutbar. Falls die Bereichsausnahmen auf kollisionsrechtlicher Ebene gerade einem fehlenden Inlandsbezug Rechnung tragen, so könnte dies auch im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung zu Einschränkungen führen. (i) Die ausschließliche Erbringung der Dienstleistung im Ausland Den Bereichsausnahmen des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO, wie den Beherbergungen im Ausland, den Sprach-, Ski- oder Segelkursen oder den örtlichen Bankdienstleistungen, kommt auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung Bedeutung zu.270 Somit stellt sich die Frage, ob auch für diese Sachverhalte eine Streitbeilegungsmöglichkeit des Verbrauchers im Inland vorgehalten werden sollte. Hierfür ist ein eingehender Blick auf die drei genannten Beispiele zu werfen, auch um den Zweck der Bereichsnahme nochmals näher zu beleuchten. Bei Bankdienstleistungen wird es sich bei Verbraucherbeteiligung zumeist um die Erbringung von Zahlungsdiensten handeln.271 Diese sind spätestens seit der im Jahre 2009 erlassenen Zahlungsdienste-Richtlinie272, welche im Gegensatz zur ADR-Richtlinie den Ansatz der Vollharmonisierung verfolgte, dergestalt geregelt, dass Abweichungen der Mitgliedstaaten vom Regelungsniveau der Richtlinie sowohl nach oben als auch nach unten grundsätzlich ausgeschlossen sind, soweit die Richtlinie einen Sachverhalt abschließend regelt.273 Im Zusam270 Laut Angaben des ECC-Net kamen im Jahr 2013 7,6 % der Beschwerden aus dem Bereich der „Recreational sporting and cultural services“ und 4,8 % der Beschwerden aus dem Bereich „Hotels and restaurants“, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/consumers/ecc/docs/ report_ecc-net_2013_en.pdf. 271 Schmalenbach, in: BeckOK-BGB, § 675c Rn. 1 spricht sogar davon, dass Zahlungsdienste die am häufigsten vorkommenden zivilrechtlichen Rechtsgeschäfte seien und verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass im Jahr 2013 allein deutsche Privathaushalte und Unternehmen, Banken sind hiervon ausgenommen, insgesamt 49 Millionen unbare Transaktionen mit einem Gesamtwert von 186 Milliarden Euro ausgeführt haben. 272 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/ EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. Nr. L 319/1. 273 Eine inhaltliche Übererfüllung ist daher nur dann zulässig, wenn die Richtlinie und das
III. Die Interessen und ihre Gewichtung
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menspiel mit der SEPA-Verordnung274 ergibt sich damit ein stark vereinheitlichtes Bild derartiger Bankdienstleistungen. Das Schutzinteresse des Verbrauchers an der Behandlung einer vollständig im Ausland erbrachen Dienstleistung ist daher sowohl aufgrund des fehlenden Inlandsbezugs als auch aufgrund des unionsweit hohen einheitlichen Schutzstandards nicht höher einzustufen als die Interessen des beteiligten Unternehmers. Mit Blick auf die bereits bestehende Schlichtungslandschaft innerhalb des Bankgewerbes und dem für dieses Gewerbe bestehenden europäischen FIN-Netzwerk kann dem Verbraucher auch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung bereits in ausreichendem Maße geholfen werden. Zudem ist zu beachten, dass der Unternehmer in Fällen, in denen die Dienstleistungen nur in seinem Mitgliedstaat erbracht werden, seinen Heimatmarkt nicht verlässt. Damit fehlt es am entscheidenden Kriterium, welches ihn vor Stellen in anderen Mitgliedstaaten verfahrenspflichtig machen könnte. Somit besteht kein überwiegendes Interesse des Verbrauchers und es verbleibt bei der Schlichtung im Mitgliedstaat des Unternehmers. Für die Bereiche der Beherbergungen und der angesprochenen Sprach-, Skioder Segelkurse ist zu beachten, dass derartige Dienstleistungen oftmals in Verbindung mit einer Pauschalreise angeboten werden. Dieser Vertragstypus wird nach Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst. Als Pauschalreise gilt insofern die im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft werden, wenn diese Leistung länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt.275 Drei Arten von Dienstleistungen kommen in Betracht: Beförderung, Unterbringung und andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen.276 Auch bei getrennter Berechnung einzelner Leistungen, die im Rahmen ein und derselben Pauschalreise erbracht werden, bleibt der Veranstalter oder Vermittler den Verpflichtungen der Pauschalreiserichtlinie unterworfen. Damit wird ein großer Teil der Beherbergungsleistungen im Tourismussektor bereits in den Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO einbezogen. sonstige Gemeinschaftsrecht die von der Richtlinie erfassten Sachverhalte nicht abschließend regeln, Habersack/Mayer, in: Riesenhuber, § 15 Rn. 17. Zu den Zahlungsdienstleistungen Sprau, in: Palandt, Vorbemerkung zu §§ 675c ff. Rn. 10. 274 Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009, ABl. Nr. L 94/22. 275 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. Nr. L 158/59. 276 Zum Begriff der Pauschalreise vgl. EuGH, Urt. v. 30. 4. 2002 – Rs. C-400/00 Club-Tour, Viagens e Turismo SA/Alberto Carlos Lobo Gonçalves Garrido, Slg. 2002, I-4051; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 22.
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Umstritten ist in diesem Zusammenhang, wie zu verfahren ist, wenn im Rahmen einer Pauschalreise sämtliche Dienstleistungen des Unternehmers außerhalb des Verbraucherstaates erbracht werden. Denkbar wäre in diesen Fällen die Anwendung des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO, sodass trotz des grundsätzlichen Einbezugs von Pauschalreisen in den Anwendungsbereich kein Schutz über Art. 6 Rom I-VO bestehen würde.277 Doch kann der Annahme, dass Art. 6 Abs. 4 lit. a und b Rom I-VO in einem alternativen Verhältnis stehen, nicht gefolgt werden. Bereits die Vorgängervorschrift des Art. 5 Abs. 5 EVÜ enthielt für derartige Rechtsgeschäfte eine Sonderanknüpfung. Für eine vom Verordnungsgeber beabsichtigte Schlechterstellung des Verbrauchers durch die neue Regelung fehlt jeder Hinweis. Durch die Einfügung der neuen Bereichsausnahmen in lit. c, d und e sollte vielmehr eine übersichtliche Regelung des Anwendungsbereichs geschaffen werden, ohne damit die bisherige Rechtslage zu ändern.278 Der Grund für die Erwähnung der Pauschalreisen im Anschluss an die Bereichsausnahme der Beförderungsverträge ergibt sich in diesem Zusammenhang daraus, dass innerhalb einer Pauschalreise regelmäßig Beförderungen geschuldet sein werden. Somit sind hier Gründe der Sachnähe ausschlaggebend für die Anordnung der Bereichsausnahmen, sodass Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO als lex specialis zu lit. a zu verstehen ist.279 Der Ausschluss gemäß Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO ist zudem für Dienstleistungen, welche mittels oder unter Zuhilfenahme des Internets erbracht werden, nur von geringer Bedeutung.280 Sollte die Dienstleistung im Rahmen von Downloads zur Verfügung gestellt werden, so bedarf es noch eines Abrufs oder der Herstellung einer Internetverbindung durch den Verbraucher, um die Leistung nutzen zu können. Da diese regelmäßig im Heimatstaat des Verbrauchers stattfindet, wird die geschuldete Leistung nicht ausschließlich im Ausland erbracht.281 Gleiches gilt für Dienstleistungen, welche ortsunabhängig angeboten werden und damit weltweit abgerufen werden können.282 Auch in diesen Fällen greift der Ausnahmetatbestand des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO nicht ein. 277 Dafür Keiler/Binder, RRa 09, 210, 213, 218; Solomon, in: Ferrari/Leible/Solomon, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 89, 103 ff. 278 So auch Staudinger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 6 Rom I-VO Rn. 39. 279 So auch Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 37, Rn. 67 Fn. 220; vgl. ebenfalls Ragno, in: Ferrari/Leible, Rome I Regulation, S. 129, 141. Eingehend zur Problematik Staudinger, in: Staudinger-BGB, Vorbemerkung zu § 651 a Rn. 122. 280 Beispielhaft können hier die sich mittlerweile wachsender Popularität erfreuenden Sprachlernprogramme genannt werden, welche entweder über eine Website oder mittels Downloads betrieben werden. 281 Weller/Nordmeier, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, Art. 6 Rom I-VO Rn. 22 nennen als Beispiele hierfür Softwaredownloads, Online-Magazine, elektronische Lernmaterialien, Zugänge zu Datenbanken oder Access-Provider. 282 Zum sogenannten Cloud Computing Nordmeier, MMR 2010, 151, 153.
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Damit kann festgestellt werden, dass dem Verbraucher sowohl im Tourismus und Freizeitsektor als auch bei elektronischen Dienstleistungen der Schutz der Heimatrechtsordnung in hohem Maße zuteil wird. Über den Schutz in den genannten Fällen hinaus ist allerdings das Interesse des Unternehmers zumindest als gleichwertig anzusehen, denn die entscheidende Markterschließung im Ausland ist in diesen Fällen nicht gegeben. Vielmehr begibt sich der Verbraucher aktiv in einen anderen Mitgliedstaat und erschließt sich diesen Markt eigenständig. In Ermangelung der unternehmerischen Erschließung entfällt auch der Grund für ein Verfahren im Heimatstaat des Verbrauchers. Daher ist in diesen Fällen die außergerichtliche Streitbeilegung im Heimatstaat des Unternehmers zu belassen, sodass die Bereichsausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit.a Rom I-VO eine Einschränkung der Verfahrenszuständigkeit zur Folge hätte. (ii) Die Beförderungsverträge Beförderungsverträge spielen in der außergerichtlichen Streitbeilegung bereits heute eine hervorgehobene Rolle. Dies ist zum einen auf die meist geringen Streitwerte, welche den Verbraucher von einer gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche abhalten, zurückzuführen. Zum anderen treten in diesem Sektor verstärkt grenzüberschreitende Fragestellungen auf, insbesondere im Luftverkehr.283 Somit stellt sich die Frage einer Verfahrenszuständigkeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten in besonderem Maße. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass Beförderungen, welche im Rahmen von Pauschalreisen erbracht werden, nicht von der Bereichsausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO erfasst sind.284 Der Grund für den besonderen Schutz der Pauschalreisenden besteht darin, dass in Abgrenzung zu anderen Beförderungsverträgen keine Individualgestaltung der Beförderung vorliegt. Aus Sicht des jeweiligen Unternehmers ist vielmehr erkennbar, dass sich sein Angebot an eine Gruppe Reisender richtet, die regelmäßig in einem bestimmten Land ansässig ist.285 Auch die Anknüpfung in Art. 5 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO verweist auf das Heimatrecht des Beförderten. Daneben ist im Rahmen der Personenbeförderungen eine fortgeschrittene unionsrechtliche Vereinheitlichungstendenz zu erkennen. 283 Ein Blick in die Zahlen des ECC-Net aus dem Jahr 2013 zeigt, dass der Bereich der Luftverkehrsbeförderung mit 18,3 % der Beschwerden den häufigsten Anlass für ein außergerichtliches Verfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen gab. 284 Sowohl Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO als auch Art. 17 Abs. 3 EuGVVO verwenden denselben Pauschalreisebegriff, sodass damit im Rahmen der gerichtlichen Verfahren die Befürchtung eines Auseinanderfallens von Gerichtsstand und anwendbarem Recht ausgeschlossen ist. Dazu eingehend Staudinger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, Art. 6 Rom I-VO Rn. 36. 285 So auch Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 22, mit dem weiteren Hinweis, dass Pauschalreisen häufig wie Inlandsreisen angeboten werden und dem Kunden daher erspart werden soll, sich auf die Geltung von Auslandsrecht einzustellen.
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Im Rahmen der Beförderung auf der Straße gilt seit dem 16. 02. 2011 die Verordnung über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr286, im Rahmen der Eisenbahnbeförderung seit dem 03. 12. 2009 die Eisenbahnfahrgastrechte-VO.287 Für die Passagierbeförderung auf See besteht seit dem 24. 11. 2010 eine Verordnung über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr.288 Zudem gilt seit 2013 die vorrangige europäische Verordnung über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See.289 Hinzu tritt im Luftverkehr die mittlerweile äußerst relevante Fluggastrechteverordnung,290 welche Flugpassagiere seit dem 17. Februar 2005 umfassende Rechte bei Nichtbeförderung gegen ihren Willen, Annullierung oder Verspätung ihres Flugs einräumt.291 Diese Rechtsvereinheitlichung durch unmittelbar geltende Verordnungen führt dazu, dass unabhängig davon, ob das Recht des Reisenden oder das Recht des Beförderers Anwendung findet, im Ergebnis dieselben Normen auf den Sachverhalt angewendet werden.292 Damit ist auch für die außergerichtliche Streitbeilegung festzuhalten, dass der Verbraucher von der materiell-rechtlichen Vereinheitlichung durch die genannten Verordnungen in hohem Ausmaß profitiert.293 Damit kann davon ausgegangen werden, dass im Bereich der Beförderungsverträge keine Eingriffe in die allgemeine Zuständigkeitsregelung angezeigt sind. Sowohl die Interessen der Parteien als auch die Interessen der streitbeilegenden Stellen werden in ausreichendem Ausmaße berücksichtigt. Dies gilt 286 Verordnung (EU) Nr. 181/2011 vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der VO (EG) Nr. 2006/2004, ABl. EU Nr. L 55/1. Dazu Gesetz zur Durchführung der VO (EU) Nr. 181/2011 vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der VO (EG) Nr. 2006/2004 (EU-FahrgRBusGEG) vom 23. Juli 2013, BGBl. I S. 2547. 287 Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl. EU Nr. L 315/14. 288 Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der VO (EG) Nr. 2006/2004, ABl. EU L Nr. 334/1. 289 Verordnung (EG) Nr. 392/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See, ABl. EU Nr. L 131/24. 290 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. Nr. L 46/1. 291 Dazu Staudinger/Schmid-Bendun, NJW 2004, 1897 ff. 292 Dies stellt, sowohl für Verbraucher als auch für die mit der Streitbeilegung betraute Stelle einen großen Vorteil dar, da aufgrund der unmittelbaren Geltung der Verordnungen die deutsche Übersetzung der Texte für die Prüfung der Ansprüche herangezogen werden kann. 293 Durch die unmittelbare Geltung der Verordnungen ist ein Abweichen vom Schutzstandard durch die jeweiligen Mitgliedstaaten, wie er im Rahmen von Richtlinienumsetzungen denkbar ist, ausgeschlossen, da diesen kein Umsetzungsspielraum eingeräumt ist.
III. Die Interessen und ihre Gewichtung
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aufgrund der unionsrechtlichen Vereinheitlichung der Vorschriften insbesondere für die Interessen der Stelle, welche selbst bei einer nach den Vorschriften der Rom I-VO berufenen ausländischen Rechtsordnung oftmals dieselben Normen zum Streitentscheid anwenden kann wie bei der Anwendung des deutschen Rechts. Zudem beruht die Bereichsausnahme innerhalb des Art. 6 Rom I-VO nicht auf einem mangelnden Inlandsbezug, sondern ergibt sich aus der besonderen Kollisionsnorm des Art. 5 Rom I-VO. Eine Bereichsausnahme für Beförderungsverträge ist demnach für die grenzüberschreitende außergerichtliche Streitbeilegung nicht angezeigt. (iii) Verträge über Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen Für die Bereichsausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit. c Rom I-VO ist bezüglich der außergerichtlichen Streitbeilegung festzustellen, dass Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, nur in begrenztem Maße relevant sein dürften. Beherbergungen von Verbrauchern im Ausland werden bereits vom Anwendungsbereich der Bereichsausnahme nicht erfasst. Ebenso sind Teilzeitwohnrechte nach der Timesharing Richtlinie294 und ihrer Nachfolgerin, der Immobilien-Teilzeitnutzungrechte Richtlinie295 als Rückausnahme in den Anwendungsbereich des Art. 6 Rom I-VO einbezogen.296 Der Anwendungsbereich für die alternative Streitbeilegung beschränkt sich vor diesem Hintergrund hauptsächlich auf die Miete eines Ferienhauses im Ausland.297 294 Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABl. Nr. L 280/83. 295 Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen, ABl. Nr. L 33/10. 296 Unter einem Teilzeitnutzungsvertrag wird ein Vertrag mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, mit dem der Verbraucher gegen Entgelt das Recht erwirbt, eine oder mehrere Übernachtungsunterkünfte für mehr als einen Nutzungszeitraum zu nutzen, verstanden, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a Immobilien-Teilzeitnutzungrechte Richtlinie. Zu diesem immer populärer werdenden Segment der Tourismusbranche und zu den mit der neuen Richtlinie verbundenen Änderungen im Bereich der kollisionsrechtlichen Behandlung des Timesharing Leible/Leitner, IPRax 2013, 37. 297 Die hauptsächliche Kritik an der Bereichsausnahme entzündet sich daran, dass auch die Wohnraummiete von ihr umfasst ist. Diese sei für den Verbraucher existentiell und mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden und eine nach den allgemeinen Vorschriften mögliche Rechtswahl einer für den Vermieter günstigen Rechtsordnung damit als ungebührend zu qualifizieren. Dazu eingehend Mankowski, ZVglRWiss 105 (2006), 120, 127 f., derselbe in IHR 2008, 133, 143 und IPRax 2006, 101, 105 f. Dieser Gefahr entgegnen beispielsweise Leible/Lehmann, RiW 2008, 528, 537, dass es in den meisten Ländern ein stark ausgeprägtes soziales Wohnraummietrecht gebe und deren Regelungen oftmals der Charakter von Eingriffsnormen im Sinne des Art. 9 Rom I-VO zukomme.
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Die Ferienhausmiete wird gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO dem Recht des Staates unterstellt, in dem die Immobilie belegen ist. Dies erscheint sowohl im Hinblick auf die vollständige Erbringung der Dienstleistung im Ausland, als auch wegen der allgemein üblichen Anknüpfung an den Belegenheitsort bei Mietverträgen über unbewegliche Sachen als gerechtfertigt. Ein Bezug zur Rechtsordnung des Heimatstaats des Verbrauchers kann dagegen nicht festgestellt werden, der die Bezüge zur lex rei sitae und deren nationalen Besonderheiten in Frage stellen könnte. In derartigen Fällen ist auch eine außergerichtliche Streitbeilegung im Inland nicht angezeigt. Allerdings bedarf es für diese Bereichsausnahme keiner besonderen Einschränkung der allgemeinen Zuständigkeitsregelung. Mit der Ausnahme der vollständig im Ausland zu erbringenden Dienstleistung wird auch dieser Fall größtenteils abgedeckt, sodass es bei der bereits gemachten Ergänzung bleiben kann. (iv) Versicherungsverträge Auch im Rahmen der Versicherungsverträge zeigt sich, dass die grundsätzliche Anknüpfung an den Ort, an dem das Risiko belegen ist, regelmäßig einen hohen Verbraucherschutz bewirkt. In den speziellen Anknüpfungen für die Gebäudeversicherung und auch die Kfz-Versicherung wird meist der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers als Risikobelegenheitsort bestimmt und damit dessen Heimatrechtsordnung zur Anwendung berufen. Einzig bei der im Ausland abgeschlossenen Reise- und Ferienversicherung wird der Verbraucher nicht in den Genuss seines Heimatrechts kommen. Allerdings sind diese Fälle der rein im Ausland zu erbringenden Bankdienstleistung vergleichbar, sodass hierfür wiederum keine Streitbeilegungsmöglichkeit im Inland geschaffen werden muss. Im Übrigen zeigen die Erfahrungswerte des Versicherungsombudsmanns, dass der Anteil der grenzüberschreitenden Sachverhalte im Versicherungsvertragsrecht mit Verbraucherbeteiligung verschwindend gering ist. In derartigen Fällen ist zudem ein Rückgriff auf das FIN-Netzwerk denkbar, sodass bei der Anwendung ausländischen Rechts eine adäquate Versorgung des Verbrauchers sichergestellt werden kann. Da somit eine qualitativ hochwertige Schlichtung im Grundsatz gewährleistet ist und die Versicherungsverträge einer spezielleren Kollisionsnorm unterstellt wurden, ohne dass dafür ein mangelnder Inlandsbezug ausschlaggebend gewesen wäre, sind die Versicherungsfälle im Rahmen der außergerichtlichen grenzüberschreitenden Streitbeilegung keiner speziellen Zuständigkeitsregelung zu unterwerfen.
III. Die Interessen und ihre Gewichtung
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(v) Zwischenergebnis Festzuhalten ist somit, dass nur für den Bereich der ausschließlich im Ausland erbrachten Dienstleistung von einer außergerichtlichen Streitbeilegungsmöglichkeit für den Verbraucher in seinem Heimatstaat abgesehen werden kann, da in diesen Fällen ein hinreichender Inlandsbezug für eine Verfahrensdurchführung im Verbraucherstaat nicht vorliegt. Um einem Unternehmer die Durchführung eines Verfahrens im Ausland zumuten zu können, muss dieser zumindest teilweise auch in dem fremden Staat tätig geworden sein. Unter Berücksichtigung dieser gefundenen Einschränkung kann die AS-Stelle auch bei Anwendung der einschlägigen Kollisionsnormen in aller Regel auf das Recht ihres Sitzstaats zurückgreifen, was die Qualität der Verfahren grundsätzlich erhöhen wird. Damit wird zudem dem Interesse der Stellen, nur Streitigkeiten mit ausreichendem Inlandsbezug zu behandeln, entsprochen. Wenn somit sowohl die Möglichkeiten als auch die Interessen der streitbeilegenden Stellen in ausreichendem Maße berücksichtigt werden, müsste dies auch die Entwicklung einer flächendeckenden außergerichtlichen Streitbeilegung für grenzüberschreitende Fälle befördern. (g) Die Versorgung der AS-Stelle mit Informationen über das ausländische Recht Wenn in einem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren sich die entscheidungserheblichen Normen aus der vom Internationale Privatrecht berufenen Rechtsordnung ergeben und damit ausnahmsweise ausländisches Recht zur Anwendung kommen sollte, so bedarf es eines schnellen Zugangs zu den für die Streitbeilegung notwendigen Vorschriften. Hierfür bietet sich die Nutzung des ECC-Netzwerkes an. Dieses kann zum einen schnell auf die jeweiligen Anfragen reagieren und zum anderen aufgrund der bestehenden Expertise die notwendigen Informationen erteilen.298 Da es sich bei den grenzüberschreitenden Sachverhalten regelmäßig um Fälle aus ähnlichen Rechtsgebieten handeln wird, kann sich in diesem Zusammenhang relativ schnell ein Informationspool bilden, aus dem die in den jeweils anderen Mitgliedstaaten ansässigen Streitbeilegungsstellen notwendige Informationen beziehen können. Für die Verbesserung der grenzüberschreitenden Streitbeilegung sollte innerhalb des Netzwerkes auch ein Online Instrument eingefügt werden. Dieses könnte die Arbeit der einzelnen Stellen beschleunigen, da eine solche Datenbank zumindest einen erheblichen Teil der Fragestellungen beantworten könnte. Für individuelle Fragestellungen sollte, wie bei den ODR-Kontaktstellen, eine Kontaktperson innerhalb des ECC-Netzwerks benannt werden, welche speziell 298
Zur Funktionsweise des ECC-Netzwerks vgl. die Ausführungen unter § 7 III 3.
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für Anfragen aus anderen Mitgliedstaaten zuständig ist.299 Eine derartige Ausgestaltung würde es den einzelnen streitbeilegenden Stellen ermöglichen, die gesetzte 90-Tage-Frist für das Verfahren tatsächlich einzuhalten.
IV. Vorschlag für die Kompetenzbestimmung in grenzüberschreitenden Verfahren 1. Die Kompetenzbestimmung Die Zuständigkeitsnorm, welche in die jeweiligen Verfahrensordnungen aufgenommen werden sollte, würde demnach aus zwei Absätzen bestehen. Innerhalb des ersten Absatzes wäre die grundsätzliche Eröffnung der außergerichtlichen Streitbeilegung für grenzüberschreitende Sachverhalte enthalten, welche durch den zweiten Absatz wieder eingeschränkt werden kann. Ob eine Einschränkung erfolgt, steht im Ermessen der einzelnen streitbeilegenden Stellen. Absatz 1: Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von grenzübergreifenden Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen zwischen einem in der Union niedergelassenen Unternehmer und Verbraucher unterfallen dann der Zuständigkeit einer im Verbraucherstaat belegenen AS-Stelle, falls der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet, der geschlossene Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt und der Vertragsschluss auf die Ausrichtung zurückzuführen ist. Absatz 2: Dies gilt nicht, falls die Erbringung von Dienstleistungen geschuldet ist, welche ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in welchem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2. Praxistauglichkeit der gefundenen Lösung Sowohl in der privatrechtlich organisierten als auch in der behördlichen Streitbeilegung ist die gefundene Lösung praktisch umsetzbar. Die entwickelten Kriterien, sowohl für den persönlichen als auch den sachlichen Anwendungsbereich der grenzüberschreitenden außergerichtlichen Streitbeilegung sind für die Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar und für die jeweiligen Stellen ermit299 Denkbar wäre in diesem Zusammenhang die Zusammenlegung der ODR-Kontaktstellen mit den einzelnen Mitgliedern des ECC-Netzwerks. Damit würden Kosten gespart und den AS-Stellen eine einheitliche Kontaktperson zur Verfügung gestellt, was wiederum zu einer Steigerung der Effektivität des Verfahrens führen würde.
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telbar. Damit sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche außergerichtliche Konfliktbehandlung geschaffen. a) Eignung für die streitbeilegenden Stellen Die Feststellung, ob eine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ausgerichtet wurde, kann in vielen Fällen schnell und unkompliziert getroffen werden. Wenn juristisch geschulte Personen mit der Schlichtung betraut werden, dürften auch zuvor noch nicht behandelte Fälle sachgerecht beurteilt werden. Gleiches gilt für die Feststellung der Kausalität zwischen Ausrichtung und Vertragsschluss. Falls der Verbraucher hier auf vom Unternehmer bereitgestellte Kommunikationswege verweisen kann, über die ein Vertragsschluss erfolgte, wird die Beurteilung der Kausalität eine lösbare Aufgabe sein. Die schnelle und unkomplizierte Beurteilung ist für die private Schlichtung von wesentlicher Bedeutung. Hier bedarf es im Hinblick auf die Vorgabe des Art. 8 lit. e ADR-Richtlinie, dass das Ergebnis des AS-Verfahrens binnen 90 Kalendertagen nach Eingang der vollständigen Beschwerdeakte bei der AS- Stelle vorliegen soll, einer Regelung, mit der schnell und sicher festgestellt werden kann, ob die internationale Zuständigkeit bei grenzüberschreitendem Sachverhalt tatsächlich gegeben ist.300 Im Hinblick auf die Verteilung der Schlichtung auf private oder behördliche Stellen sind zwei weitere Aspekte zu berücksichtigen. Erstens treten nach den bisherigen Erkenntnissen in nur wenigen Bereichen regelmäßig grenzüberschreitende Sachverhalte auf, welche für eine Schlichtung nach der ADRRichtlinie in Frage kommen. Nur für diese Fälle werden sich AS-Stellen auf privater Basis etablieren, während in den anderen Bereichen auf behördliche Schlichtungsstellen zurückgegriffen werden muss. Da diese behördliche Stelle durch die öffentliche Hand finanziert werden wird, sollte diese ebenfalls in das ECC-Netzwerk integriert werden, um den Parteien ein angemessenes Schlichtungsangebot unterbreiten zu können. Sollten die Streitbeilegungsstellen mit Fachwissen im Bereich der grenzüberschreitenen Konfliktlösung ausgestattet sein, so kann von einer Nutzung des Angebots ausgegangen werden. Hierdurch entwickelt sich auf längere Sicht eine größere Erfahrung im Umgang mit grenzüberschreitenden Streitigkeiten. Sollte dann die außergerichtliche Stelle mit besonderer Fachkenntnis aufwarten können, welche nicht in gleicher Weise bei staatlichen Amtsgerichten erwartet werden kann, so kann sich daraus eine besondere Attraktivität für Unternehmen entwickeln. Neben dieser besonderen Sachkunde sprechen auch die geringeren 300 Mit anderen Worten soll die private AS-Stelle nicht mit einer kopflastigen Zuständigkeitsprüfung über Gebühr belastet werden, sondern bereits im Anfangsstadium effektiv arbeiten können.
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wirtschaftlichen Aufwendungen für die außergerichtliche Schlichtung. Bei einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine qualitativ hochwertige Streitbeilegung ist dieses Verfahren für den Unternehmer wirtschaftlich wesentlich interessanter als die Beschäftigung seiner Rechtsabteilung mit einem gerichtlichen Verfahren oder gar der Einsatz externer Hilfe. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass bereits heute bilaterale Anlaufstellen bestehen, welche sich aufgrund ihrer Expertise bei grenzüberschreitenden Fällen besonderer Beliebtheit erfreuen. Dieses Modell, welches beispielsweise mit der deutsch-französischen Kooperationsstelle in Kehl/Strasbourg verfolgt wird, könnte auch in weiteren grenznahen Regionen die grenzüberschreitende außergerichtliche Streitbeilegung fördern. b) Praxistauglichkeit für die Verfahrensbeteiligten Auch in der außergerichtlichen Streitbeilegung treffen jeden Verfahrensbeteiligten die Darlegungslasten für das Eingreifen der für ihn günstigen Regelungen. Für die Verfahrenseröffnung außerhalb des Heimatstaates des Unternehmers müssen die positiven Voraussetzungen der Zuständigkeitsnorm daher von dem Verbraucher vorgetragen werden, da er die Verfahrensführung in seinem Heimatstaat, abweichend von den allgemeinen Regeln, erreichen will. Um die Prüfung der Tatbestandsmerkmale für die Beteiligten zu vereinfachen, kann daran gedacht werden, den Katalog der von den AS-Stellen zu veröffentlichen Informationen zu erweitern, damit Verbraucher und Unternehmer wissen, unter welchen Voraussetzungen von einer Ausrichtung auszugehen ist. Damit wird die Einschätzung der Verfahrenseröffnung erleichtert und damit das Vertrauen der Parteien in die Streitbeilegung gestärkt. c) Die praktischen Vorteile der Verfahrenseröffnung Mit dieser Kompetenzbestimmung wird für beide Seiten in vorhersehbarer und nachvollziehbarer Weise festgelegt, ob eine außergerichtliche Streitbeilegung im Verbraucher- oder im Unternehmer-Mitgliedstaat durchgeführt werden soll. Mit dem Kriterium der faktischen Markterschließung werden die berechtigten Interessen beider Parteien gewahrt, was die Akzeptanz der außergerichtlichen Streitbeilegung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nachvollziehbar steigern kann. Damit wird zugleich das Sprachenproblem gelöst, das sowohl von der ADR-Richtlinie als auch vom VSBG als wesentliches Problem bei der Realisierung grenzüberschreitender Ansprüche angesehen wird. Soweit ein Unternehmer sich aktiv in einen fremden Markt begibt, ist ihm zuzumuten, sich im Streitfall nicht nur nach der dort geltenden Rechtsordnung behandeln zu lassen, sondern auch in der Sprache dieses Markts verhandeln zu müssen. Umgekehrt wird der Unternehmer bei mangelnder Ausrichtung durch ein in seinem Heimatstaat durchzuführendes Verfahren geschützt. Mit der Möglichkeit
IV. Vorschlag für die Kompetenzbestimmung in grenzüberschreitenden Verfahren 195
der Verfahrenseröffnung für grenzüberschreitende Sachverhalte werden somit gewichtige Hindernisse in der grenzüberschreitenden Forderungsrealisierung beseitigt und damit die Möglichkeit geschaffen, die gewünschte Binnenmarktstärkung tatsächlich zu erreichen.
§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle Die Schaffung und Gewährleistung von unabhängigen, unparteiischen, transparenten, effektiven, schnellen und fairen AS-Verfahren zur Beilegung von inländischen und grenzübergreifenden Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen ist primäres Ziel der ADR-Richtlinie. Um die damit angestrebte Entwicklung des Binnenmarkts zu unterstützen, sollen diese Verfahren möglichst flächendeckend in allen Mitgliedstaaten angeboten werden und denselben Qualitätsanforderungen entsprechen. Der Erreichung dieses Ziels steht eine heterogen bestehende außergerichtliche Streitbeilegungslandschaft in den einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber.1 Die unterschiedliche Ausprägung ist auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen, welche von den unterschiedlich effektiv arbeitenden Gerichtssystemen über unterschiedliche Rechtskulturen bis hin zu ökonomischen Besonderheiten reichen. In Mitgliedstaaten mit nur rudimentär entwickelter außergerichtlicher Streitbeilegung besteht durchaus Verbesserungspotential, welches zu einer Stärkung des Binnenmarktes führen kann, wogegen ein Eingriff in bereits funktionierende AS-Verfahren nicht zwingend notwendig erscheint. Dem Rechnung tragend versteht sich die ADR-Richtlinie als mindestharmonisierendes Instrument. Anstatt möglichst weitgehende Vorgaben zur Gestaltung der angestrebten Schlichtungsverfahren zu machen, werden seitens der Richtlinie nur bestimmte Mindeststandards vorgegeben, die für die einzelnen Verfahren verbindlich sind.2 Die jeweiligen Verfahrensordnungen können daher weitgehend von den einzelnen Stellen selbst gestaltet werden, wobei diese ausgehend von den bestehenden Schlichtungsregeln durch die Implementierung der europäischen Vorgaben punktuell verbessert werden sollen. Anknüpfend an die der ADR-Richtlinie vorausgegangenen Kommissionsempfehlungen sind in der Richtlinie sechs grundlegende Prinzipien verankert, welche innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung zu beachten sind. Diese beziehen sich teilweise auf die streitbeilegende Person, teilweise auf das eigentliche Streitbeilegungsverfahren und schließlich auf das Ergebnis des Verfahrens 1 Im 6. Erwägungsgrund werden die Unterschiede in Bezug auf Flächendeckung, Qualität und Bekanntheit als Hindernis für den Binnenmarkt angesprochen. 2 Zur Entwicklung dieser Standards und den damit verfolgten Zielen eingehend Villamarín López, in: Stürner/Gascón Inchausti/Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, S. 131, 136–146.
§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
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in bestimmten Konstellationen. Im Einzelnen werden bezüglich der AS-Stelle in Art. 6 Anforderungen an Fachwissen, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gestellt. In Bezug auf das eigentliche Verfahren wird in Art. 7 die Transparenz als wichtige Säule genannt, während sich Art. 8 mit der Effektivität der jeweiligen Verfahren befasst. Art. 9 stellt die Fairness der außergerichtlichen Verfahren in den Fokus, Art. 10 die Handlungsfreiheit der Parteien. Schließlich werden in Art. 11 unter dem Titel Rechtmäßigkeit Anforderungen an das Ergebnis des Verfahrens gestellt. Die AS-Stellen müssen diese Prinzipien beachten, damit sie als Streitbeilegungsstellen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 eingestuft werden können. Damit wird die grundsätzlich eingeräumte Verfahrensautonomie in bestimmter Hinsicht wiederum eingeschränkt.3 Diese Verfahrensgarantien sollen einerseits sicherstellen, dass qualitativ hochwertige alternative Streitbeilegungsstellen entstehen werden. Hierfür wurden die bereits genannten bisherigen Empfehlungen verbindlich gemacht, um so ein einheitliches Schutzniveau für Verbraucher sowohl bei inländischen als auch bei grenzübergreifenden Streitigkeiten zu gewährleisten und nicht zuletzt um das notwendige Vertrauen der Verfahrensbeteiligten in die ADR zu stärken.4 Andererseits darf nicht vergessen werden, dass auch innerhalb der institutionalisierten außergerichtlichen Streitbeilegung Verfahrensgarantien notwendig sind, die sicherstellen, dass die AS-Stellen den Anforderungen der Richtlinie entsprechen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die nach Art. 20 ADR-RiLi vorgesehene staatliche Anerkennung. Falls eine Behörde durch staatlichen Hoheitsakt einer AS-Stelle bestimmte Privilegien einräumt, darf das nur geschehen, wenn sichergestellt ist, dass die jeweilige AS-Stelle ihr Verfahren an bestimmten rechtsstaatlichen Mindeststandards ausrichtet.5 Aus der vom unionsrechtlichen Gesetzgeber angestoßenen und von den Mitgliedstaaten umzusetzenden aktiven Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung ergibt sich im Gegenzug die Verpflichtung, dass die Verfahren gewisse prozessuale Mindeststandards einhalten.6 Die allgemein gehaltenen Verfahrensprinzipien werfen in verschiedener Hinsicht Fragen auf, wie ein außergerichtliches Verfahren für grenzüberschreitende Sachverhalte ausgestaltet werden sollte. Diese sollen im Folgenden mit Blick auf die speziellen Problemstellungen der grenzüberschreitenden Sachverhalte aufgegriffen werden, um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Zielsetzungen der ADR-Richtlinie im Rahmen ihrer Implementierung in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bestmöglich zur Geltung gebracht werden können. 3 Meller-Hannich, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, S. 19, 35 spricht insofern von einer kombinierten Ordnung europäischen und autonomen Ursprungs. 4 Vergleiche hierzu die Erwägungsgründe 37 und 38 der Richtlinie. 5 Darauf weist Stadler, ZZP 128 (2015) 165, 167 ausdrücklich hin. 6 So beispielsweise Hess, JZ 2015, 548, 550.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
I. Die Organisation der Schlichtungslandschaft Die Schlichtungslandschaft innerhalb der Mitgliedstaaten unterscheidet sich bereits hinsichtlich des Aufbaus der einzelnen Stellen. Neben dem unterschiedlichen Grad der Spezialisierung bildet insbesondere die rechtliche Organisation der einzelnen Stellen einen der Hauptunterschiede. Während in Schweden eine zentrale behördliche Anlaufstelle für die außergerichtliche Streitbeilegung besteht, wird diese in den Niederlanden und Deutschland meist durch privatrechtlich organisierte, branchengetragene Streitbeilegungsstellen betrieben.7 Somit stellt sich die Frage, welches System für grenzüberschreitende Sachverhalte herangezogen werden sollte. 1. Die Konzeption der ADR-Richtlinie Die ADR-Richtlinie geht ihrer Konzeption nach primär von privatrechtlich ausgestalteten außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen aus. Dieser Grundsatz lässt sich aus Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie entnehmen, der die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einrichtung einer umfassenden Schlichtungslandschaft regelt. Dort heißt es, dass die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung auch dadurch entsprechen können, indem sie (nur) für die Einrichtung einer ergänzenden ASStelle sorgen, die für diejenigen Streitigkeiten zuständig ist, für deren Beilegung keine bereits existierende AS-Stelle zuständig ist. Damit wird gleichzeitig ausgesagt, dass bei ausreichender Versorgung mit privaten Streitbeilegungsstellen die Einrichtung einer behördlich organisierten Stelle ausbleiben kann, ohne gegen die staatliche Gewährleistungsverantwortung zu verstoßen.8 2. Die Vorteile der privatrechtlich organisierten Streitbeilegung Die grundsätzliche Ausrichtung der ADR-Richtlinie hin zu einer privatrechtlich organisierten Streitbeilegung ist prinzipiell begrüßenswert. Ausgehend von der bisher untersuchten Streitbeilegungslandschaft kann eine private Schlichtung bei entsprechender Ausgestaltung wesentliche Vorteile bieten.9 Diese betreffen sowohl die Akzeptanz der Verfahren durch die Beteiligten als auch die öffentlichen Interessen an der außergerichtlichen Streitbeilegung. Privatrechtlich organisierte Schlichtungseinheiten agieren regelmäßig sektorspezifisch. Diese Beschränkung des Anwendungsbereichs kann im Rahmen von 7 Vgl. dazu die Darstellungen der Schlichtungen oben in § 5 und § 6. Ein Überblick zur Organisation weiterer ADR-Stellen in Europa findet sich bei Knudsen/Balina, Procedia – Social and Behavioral Sciences 109 (2014) 944 – 948. 8 Zu dieser Gewährleistungsverantwortung Schmidt-Kessel, in: Schmidt-Kessel, Alter native Streitschlichtung, S. 9, 24 ff, sowie bereits oben unter § 4 IV 2 und 3. 9 Einen Überblick über die Stellen, welche die Anforderungen der ADR-Richtlinie bereits vor deren Erlass größtenteils erfüllten, findet sich bei Engel, AnwBl 2013, 478, 479.
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grenzüberschreitenden Streitfällen von Vorteil sein. In bestimmten Bereichen wie dem Verkehrssektor, den Freizeit- und Kulturdienstleistungen oder Beherbergungsverträgen treten häufig grenzüberschreitende Sachverhalte auf. Für den Bereich der öffentlichen Personenbeförderung besteht in Deutschland mit der söp bereits eine spezialisierte Stelle, welche über eine hohe Expertise im Bereich der Flug-, Bahn- oder Busbeförderung verfügt.10 Diese Stelle befasst sich bereits mit den Problemen der grenzüberschreitenden Streitfälle und weist hierbei beachtliche Erfolge auf. Die damit gewonnene Bündelung von Fachkompetenz kann auch in anderen Sektoren, wie der Tourismusbranche oder dem Online-Handel, Vorbild für eine effektive Bearbeitung von grenzüberschreitenden Verbraucherbeschwerden sein. Die spezialisierten privaten Streitbeilegungsstellen werden oftmals von Branchenverbänden getragen. Diese Trägerschaft bietet einen weiteren Vorteil. Unternehmer, welche sich einem Branchenverband anschließen, erhoffen sich durch den Anschluss eine wirkungsvolle Durchsetzung ihrer Interessen. Sofern ein Unternehmensverband eine außergerichtliche Streitbeilegungsstelle schafft oder sich einer solchen Stelle anschließt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Mitglieder dies als interessengerecht empfinden und sich den Verfahren der Stelle daher unterwerfen werden.11 Somit wird eine hohe Akzeptanz der alternativen Konfliktlösung auf Seiten der Unternehmer geschaffen, welche für eine funktionierende Schlichtungslandschaft unabdingbar ist.12 Diese Akzeptanz kann auch auf Unternehmer übergehen, welche nicht dem tragenden Branchenverband, jedoch derselben Branche im mitgliedstaatlichen Ausland angehören. Sollte die streitbeilegende Stelle bei inländischen Unternehmern eine hohe Popularität genießen, besteht die Möglichkeit, dass sich auch ausländische Unternehmer einer Konfliktlösung vor diesen Stellen nicht verschließen. Schließlich ist die Finanzierung der außergerichtlichen Streitbeilegung in den Blick zu nehmen. Diese wird innerhalb der privatrechtlich organisierten Streitbeilegungsstellen zumindest in Teilen von den angeschlossenen Unternehmern übernommen. Dadurch ist gleichfalls sichergestellt, dass sich die finanzierenden Unternehmer der außergerichtlichen Streitbeilegung grundsätzlich nicht verweigern werden. Zudem sinkt die Kostenbelastung der öffentlichen Hand, welche
10 Für eine sektorielle Spezialisierung der neu zu schaffenden AS-Stellen spricht sich auch Tonner, RRa 2014, 234, 240 aus. 11 Diese Schlussfolgerung beruht auf der hohen Akzeptanz des Versicherungsombudsmanns und des Ombudsmanns der privaten Banken durch die angeschlossenen Unternehmer. 12 Vgl. § 15a Abs. 3 S. 2 EGZPO, welcher das Einvernehmen zu einem Einigungsversuch vor einer sonstigen Gütestelle unwiderleglich vermutet, wenn der Verbraucher eine branchengebundene Gütestelle, eine Gütestelle der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Innung angerufen hat.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
nur in den Streitfällen tätig werden muss, welche nicht von einer speziellen Streitbeilegungsstelle behandelt werden.13 3. Die Notwendigkeit einer behördlichen Auffangstelle Trotz der Vorteile einer privatrechtlich organisierten Streitbeilegung bedarf es einer behördlichen Auffangstelle, um die Ziele der ADR-Richtlinie zu erreichen. Diese soll Lücken innerhalb der Schlichtungslandschaft schließen und für ein flächendeckendes Angebot außergerichtlicher Streitbeilegung sorgen. Dieses Angebot ist zum einen dann von Bedeutung, falls sich der streitige Sachverhalt keiner bestimmten Branche zuordnen lässt und daher keine Zuständigkeit einer spezialisierten Stelle gegeben ist. Zum anderen ist gleichfalls denkbar, dass der Sachverhalt zwar einem bestimmten Sektor zugeordnet werden kann, es dort jedoch entweder keinen Branchenverband, welcher eine außergerichtliche Streitbeilegung unterstützt, gibt oder sich der jeweilige Verband nicht an der alternativen Konfliktlösung beteiligen möchte. Allerdings besteht bei einer regen Nutzung der Auffangschlichtung die Chance, dass Branchenverbände, die der außergerichtlichen Streitbeilegung eher ablehnend gegenüberstehen, diese als Profilierungsmöglichkeit begreifen und dann doch noch privatrechtlich organisierte Schlichtungsstellen einrichten. Im Bereich der bestehenden behördlichen Streitbeilegung in Deutschland ist zu beobachten, dass eine in Konkurrenz zur behördlichen Streitbeilegung tretende privatrechtlich organisierte Stelle sich oftmals höherer Beliebtheit erfreut. Als Beispiel kann hierfür die Schlichtung im Rahmen der Luftbeförderung nach den §§ 57 ff. LuftVG genannt werden.14 Anstatt sich auf die Möglichkeit der behördlichen Schlichtung zurückzuziehen, haben sich die meisten Luftfahrtunternehmen der privatrechtlich organisierten Streitbeilegung vor der söp angeschlossen. Grund hierfür sind neben der hohen Expertise der Stelle die Kosten der behördlichen Schlichtung. Die Schlichtung im Luftverkehrsgesetz verpflichtet die Unternehmer zwar nicht zur aktiven Teilnahme am Verfahren und sieht ebenso keine Bindungswirkung des gefundenen Schlichtungsvorschlags vor, jedoch haben die Unternehmer in jedem Fall die Kosten der behördlichen Schlichtung, welche bereits durch eine zulässige Beschwerde anfallen, zu tragen.15 Somit wird wirtschaftlicher Druck auf die Unternehmer ausgeübt, sich entweder einer privaten Schlichtung zu unterwerfen oder zumindest an der behördlichen Schlichtung teilzunehmen.16 13 Zur Frage der Finanzierungsverantwortung der zu schaffenden flächendeckenden Schlichtungslandschaft Wiemers, WiVerw 2014, 291, 303 ff. 14 Vgl. zu dieser Berlin, RRa 2014, 210, 212 f. 15 Vgl. Bollweg, NVZ 2015, 361, 364. Die Fallpauschale beträgt hierbei 290,00 €. 16 Hintergrund der gesetzlichen Regelung war zum einen das gehäufte Auftreten von Rechtsstreitigkeiten bezüglich Ansprüchen aus der Fluggastrechteverordnung, welche inhaltlich ähnliche, einfach zu beurteilende Sachverhalte mit geringen Streitwerten betrafen. Da
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4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Auch das VSBG will die geforderte flächendeckende Infrastuktur außergerichtlicher Streitbeilegung vorrangig durch private Verbraucherschlichtungsstellen ausbilden. Dafür sollen in erster Linie bereits bestehende Stellen in das neue System integriert werden.17 Verbleibende Lücken, für die kein ausreichendes Schlichtungsangebot vorliegt, werden durch ergänzende Verbraucherschlichtungsstellen, die als Universalschlichtungsstellen bezeichnet werden, geschlossen.18 Für die Einrichtung dieser Stellen sind gemäß § 29 Abs. 1 VSBG die Bundesländer zuständig.19 Diese können entweder selbst eine behördliche Universalschlichtungsstelle einrichten, eine geeignete anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle mit der Aufgabe der Universalschlichtungsstelle einschließlich der Befugnis, für die Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens Gebühren zu erheben, beleihen oder eine geeignete anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle mit der Aufgabe der Universalschlichtungsstelle beauftragen.20 Die Universalschlichtungen müssen jedoch erst bis zum 31. 12. 2019 eingerichtet werden. Bis dahin werden deren Aufgaben gemäß § 43 VSBG von einer ausgewählten allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle21, die bundesweit tätig ist und die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert wird, wahrgenommen.22 Ziel ist es, mittels wissenschaftlicher Evaluation der Arbeit der Stellen die Grundlagen für die künftige Organisation der Universalschlichtungsstellen zu liefern.23 sich die Luftbeförderer andererseits der bereits bestehenden Schlichtung der söp verweigerten, wurde die Schlichtung im Luftverkehr in §§ 57 ff. LuftVG gesetzlich verankert. Vgl. dazu Kummer, DAR 2014, 181, 184 17 Vgl. dazu Art. 23 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über OnlineStreitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19. 2. 2016, BGBl. I, S. 273, der hierfür die Schlichtungsstellen nach § 191f BRAO, § 14 UKlaG, § 342 Abs. 3 KAGB, § 18 PostG, § 47a TKG, §§ 57, 57a LuftVG, § 111b EnWG, § 214 VVG, § 6 EU-Fahrgastrechte-KraftomnibusGesetz und § 6 EU-Fahrgastrechte-Schifffahrt-Gesetz nennt. 18 Das Schlichtungsangebot ist gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 VSBG dann ausreichend, wenn für jede Streitigkeit nach § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG mit einem in diesem Land niedergelassenen Unternehmer eine Verbraucherschlichtungsstelle zur Verfügung steht, deren Verfahren dem Unternehmer zur Teilnahme offensteht. 19 Ob die Einrichtung der ergänzenden Schlichtungsstellen durch den Bund oder die Länder vorgenommen werden soll, war Gegenstand einer kontroversen Diskussion, vgl. dazu Schobel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 219, 223. 20 Kritisch zur Ansiedelung der Auffangschlichtung auf Landesebene Greger, ZZP 128 (2015), 137, 148. 21 Hat die Verbraucherschlichtungsstelle keine einschränkende Zuständigkeitsregelung getroffen, führt sie die Bezeichnung „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle“, § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG. 22 Die Stelle trägt den Namen „Zentrum für Schlichtung e. V.“, hat ihren Sitz in Kehl und ist seit dem 1. April 2016 erreichbar über: www.verbraucher-schlichter.de. 23 Es sollen dabei insbesondere Erkenntnisse in Bezug auf Inanspruchnahme, Fallzahlen,
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Die wissenschaftliche Untersuchung der allgemeinen Verbraucherschlich tungs stelle kann gerade für die grenzüberschreitende außergerichtliche Streitbeilegung wertvolle Erkenntnisse bieten. Da diese für alle in den Anwendungsbereich des VSBG fallenden Streitigkeiten, für die keine besondere Stelle besteht, zuständig ist, können durch ihre Fallzahlen Rückschlüsse auf die Häufigkeit grenzüberschreitender Streitfälle gezogen werden und damit Vorschläge für neu zu schaffende, privatrechtliche Verbraucherschlichtungsstellen anhand der Fallzahlen gemacht werden.24 Neben diesen Erkenntnissen kann durch die Unterstützung der Stelle durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sichergestellt werden, dass für die Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte ausreichende Sach- und Personalmittel zur Verfügung stehen und damit die Beteiligung am Verfahren sowohl für Verbraucher wie Unternehmer aufgrund der zu erwartenden hochwertigen Streitbeilegung interessant ist.
II. Die umfassten Ansprüche Da der Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie auf Ansprüche aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen beschränkt ist, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls welche der allgemein für eine alternative Streitbeilegung geeigneten Sachverhalte durch diese Beschränkung ausgeschlossen werden. 1. Dienstleistungsverträge Unter dem Begriff des Dienstleistungsvertrags versteht die Richtlinie nach Art. 4 Abs. 1 lit. d jeden Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür einen Preis bezahlt oder dessen Zahlung zusagt. Damit kommt zum Ausdruck, dass im Rahmen der Dienstleistung ein gewisses Tätigwerden des Unternehmers vorliegen muss. Aufgrund der verfahrensrechtlichen Einordnung der ADR-Richtlinie können bei der Klärung des Dienstleistungsbegriffs die für das gerichtliche Verfahren ausgeprägten Normen eine Orientierungshilfe sein. Innerhalb des europäischen Zivilverfahrensrechts, insbesondere innerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO, wird der Begriff der Dienstleistung weitergehend verstanden als innerhalb des deutschen Rechts. Unter ihn fallen auch Werk- und GeschäftsArbeitsweise, Verfahrensdauer, Erfolgsquoten, Kosten und Entgelte gesammelt werden, vgl. Greger, MDR 2016, 365. 24 In Österreich konnten durch das 2013 gestartete Pilotprojekt „Schlichtung für Verbrauchergeschäfte“ bereits wertvolle Erfahrungen im Umgang mit der außergerichtlichen Streitbeilegung gesammelt werden, vgl. dazu Grüblinger, ZKM 2015, 161, 162.
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besorgungsverträge, ebenso Fracht- und Personenbeförderungen.25 Stets wird für das Vorliegen einer Dienstleistung allerdings die Erbringung einer bestimmten Tätigkeit gegen Entgelt gefordert.26 Damit muss ein tatsächliches Handeln des Unternehmers im Sinne einer Tätigkeit vorliegen, welches bei einer reinen Gebrauchsüberlassung nicht unbedingt gegeben ist.27 Daher sind Miet- oder Pachtverträge als reine Gebrauchsüberlassungen grundsätzlich nicht vom europäisch-verfahrensrechtlichen Begriff des Dienstleistungsvertrags erfasst.28 Diese Wertung lässt sich auf die ADR-Richtlinie als verfahrensrechtlich einzuordnendes Instrument übertragen, sodass trotz des grundsätzlich weit ausgestalteten Anwendungsbereichs reine Gebrauchsüberlassungsverträge nicht als Dienstleistungsverträge im Sinne der Richtlinie anzusehen und damit von der staatlichen Gewährleistungsverantwortung ausgenommen sind.29 Diese Feststellung hindert jedoch die privatrechtlich organisierten Schlichtungsstellen nicht, im Rahmen ihrer Verfahrensordnungen eine außergerichtliche Streitbeilegung auch für Miet- und Pachtverträge anzubieten. 2. Kaufverträge Unter einem Kaufvertrag versteht die Richtlinie gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c jeden Vertrag, durch den der Unternehmer das Eigentum an Waren an den Verbraucher überträgt oder deren Übertragung zusagt und der Verbraucher hierfür eine Preis bezahlt oder dessen Zahlung zusagt, einschließlich Verträgen, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Interessant ist hierbei, dass nach Satz 2 des 16. Erwägungsgrunds auch Streitigkeiten vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden, die sich aus dem Verkauf oder der Bereitstellung digitaler Inhalte gegen Entgelt ergeben. Daraus ergibt sich eine im europäischen Sekundärrecht noch nicht bekannte Erweiterung des Kaufgegenstands. Dieser war bisher, anknüpfend an den Begriff der Ware, auf den Erwerb 25 Eingehend zum Begriff der Dienstleistung Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rn. 44. 26 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 23. 4. 2009 – C-533/07, Falco Privatstiftung u. a./Weller-Lindhorst, Slg. 2009, I-3327. 27 McGuire, GPR 2010, 97, 101 fordert in diesem Zusammenhang, dass die aktive Tätigkeit eine Hauptleistungspflicht darstellt; Mankowski, JZ 2009, 958, 960 weist zudem auf die sekundärrechtlichen Bezüge zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ und auf die Parallelen zu Art. 5 EVÜ hin, wo die Aktivität des Dienstleisters die Verpflichtung, im Interesse des Auftraggebers tätig zu werden, zum Gegenstand hat. 28 Meller-Hannich, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 45, 53 definiert hingegen den Begriff der Dienstleistung in der ADR-Richtlinie anhand des primärrechtlichen Dienstleistungsbegriffs des Art. 57 AEUV und fasst damit auch Verträge ohne spezifisches Tätigkeitsmoment unter den Begriff. 29 So auch Rühl, ZZP 127 (2014), 61, 69, anderer Ansicht Hayungs, ZKM 2013, 86, allerdings ohne nähere Begründung. Ebenso Gsell, WuM 2014, 375, 384, die allein anführt, dass die Richtlinie keine Ausnahmeklausel für die Wohnungsmiete enthält, woraus sich allerdings nicht der zwingende Schluss ergibt, dass diese von der ADR-Richtlinie umfasst sein soll.
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von körperlichen Gegenständen beschränkt.30 Damit rückt der Vertragsschluss im elektronischen Handel, dem sogenannten E-Commerce, auch in der außergerichtlichen Streitbeilegung in den Fokus. a) Die besondere Bedeutung des E-Commerce in der außergerichtlichen Streitbeilegung Der Verkauf und die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen über elektronische Datenwege gewinnen im täglichen Wirtschaftsleben immer mehr an Bedeutung. Ausgehend von bestimmten Bereichen des elektronischen Handels, wie dem digitalen Vertrieb kultureller, journalistischer und kreativer Inhalte, hat sich der E-Commerce bis in die klassischen Bereiche des Einzelhandels hinein entwickelt.31 Die Gründe für diese weitgehende Entwicklung sind in seinen Vorteilen gegenüber dem stationären Handel zu sehen. Für den Unternehmer fallen deutlich geringere Kosten für Personal, Raummiete oder Warenvorhaltung an. Diese Vorteile ermöglichen es dem im E-Commerce tätigen Unternehmer meist günstigere Preise anzubieten, als dies dem Fachhandel möglich ist. Zudem können mit dem Angebot im E-Commerce eine Vielzahl von Verbrauchern im In- und Ausland erreicht werden, was den potentiellen Umsatz steigern kann. Für den Verbraucher ergibt sich die Möglichkeit, die Angebote für einzelne Dienstleistungen und Waren schnell und umfassend vergleichen und jederzeit in vertragliche Beziehungen zu Unternehmern treten zu können.32 Schließlich fallen im E-Commerce geringere Transaktionskosten an, welche gerade im grenzüberschreitenden Handel lange Zeit als wesentliches Hemmnis angesehen wurden. Aus diesen Vorteilen erklärt sich die besondere Bedeutung des E-Commerce für grenzüberschreitende Sachverhalte. Die Erschließung neuer Märkte liegt im Interesse vieler Unternehmer, welche sich eine Erhöhung ihres Umsatzes erhoffen. Verbraucher profitieren auf der anderen Seite von der erhöhten Konkurrenzsituation und den damit einhergehenden sinkenden Preisen. Somit erscheint der elektronische Handel prädestiniert für den vermehrten Abschluss grenzüberschreitender Verträge und damit für eine Stärkung des europäischen Binnenmarkts.33 Dieser Schlussfolgerung hat sich die Europäische Kommis30 Weitere Nachweise bei Rühl, ZZP 127 (2014), 61, 68, die daraus den Schluss zieht, dass der Begriff der Ware seitens des europäischen Gesetzgebers erweitert wurde. 31 Eines der aktuellsten Felder des elektronischen Handels ist der Versand von im Internet gekauften Lebensmitteln. Vgl. dazu Schulz, LMuR 2016, 6–12, die den Onlinehandel mit Lebensmitteln wirtschaftlich auf dem Vormarsch sieht. 32 Vgl. dazu und zu weiteren Vorteilen Föhlisch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rn. 1 ff. 33 Mankowski, MMR-Beil. 2000, 22 spricht sogar davon, dass der E-Commerce den Abschluss grenzüberschreitender Verträge fördere. Auch Banholzer, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 25 Rn. 10 stellt fest, dass Vertragsschlüsse über das Internet regelmäßig grenzüberschreitende Elemente aufweisen.
II. Die umfassten Ansprüche
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sion bereits früh angeschlossen und bereits in ihrer Digitalen Agenda für Europa das Ziel eines „pulsierenden digitalen Binnenmarktes“ ausgegeben.34 Das Ziel der Binnenmarktstärkung durch den Ausbau des grenzüberschreitenden elektronischen Handels verfolgt auch die ADR-Richtlinie ausweislich ihres 11. Erwägungsgrundes. Dieser hebt die zunehmende Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs, insbesondere des grenzübergreifenden Handels, als eine Säule der Wirtschaftstätigkeit der Union besonders hervor und sieht in einer gut funktionierenden außergerichtlichen Infrastruktur für verbraucherrechtliche Streitigkeiten unter angemessener Berücksichtigung der Online-Streitbeilegung ein wichtiges Mittel zur Binnenmarktstärkung.35 Der E-Commerce weist allerdings bestimmte Besonderheiten auf, welche die hauptsächlich im Internet geschlossenen Verträge von anderen Sachverhalten mit Verbraucherbeteiligung signifikant unterscheiden. Während der Vertragsgegenstand bei im Fachhandel geschlossenen Verträgen regelmäßig ein körperlicher Gegenstand ist, nehmen im E-Commerce Kauf- und Dienstleistungsverträge über digitale Inhalte eine herausragende Rolle ein.36 Streitigkeiten, die sich aus dem Verkauf oder der Bereitstellung digitaler Inhalte gegen Entgelt ergeben, sind zwar ausdrücklich in den Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie aufgenommen, allerdings fehlt eine klare Einordnung dieser Sachverhalte. Somit stellt sich die Frage, wie diese aus dem E-Commerce stammenden Streitfälle innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung behandelt werden sollen. b) Die digitalen Inhalte aa) Die digitalen Inhalte im europäischen Recht (1) Die Verbraucherrechterichtlinie Die Verbraucherrechterichtlinie37 bestimmt den Begriff der digitalen Inhalte in Art. 2 Nr. 11 näher. Digitale Inhalte im Sinne der Richtlinie sind Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden. Dazu gehören ausweislich Erwägungsgrund 19 Computerprogramme, Anwendungen (Apps), Spiele, Mu34
So die ausdrückliche Zielsetzung in KOM(2010)245 endg. auf S. 8. Binnenmarktakte „Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen“ KOM(2011)206 endg. S. 16 sieht die Entwicklung des digitalen Binnenmarkts durch das fehlende Vertrauen der Verbraucher behindert, welches nunmehr durch Mechanismen der außergerichtlichen Streitbeilegung geschaffen werden soll. 36 Die vertragsrechtliche Regelung des Verkehrs mit digitalen Gütern wird zu einer zentralen Forschungsaufgabe des Zivilrechts in der Zukunft werden, so Hofmann/Hauck/Zeck, JZ 2016, 197, 198. 37 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304/64. 35 Die
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sik, Videos oder Texte, unabhängig davon, ob auf sie durch Herunterladen oder Herunterladen in Echtzeit (Streaming), von einem körperlichen Datenträger oder in sonstiger Weise zugegriffen wird. Werden digitale Inhalte auf einem körperlichen Datenträger wie einer CD oder einer DVD bereitgestellt, sollten diese als Waren im Sinne der Richtlinie betrachtet werden. Hingegen sollen Verträge über digitale Inhalte, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden und nicht auf einem körperlichen Datenträger bereitgestellt werden, für die Zwecke der Richtlinie weder als Kaufverträge noch als Dienstleistungsverträge betrachtet werden. Die Verbraucherrechterichtlinie beschänkt sich aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereichs allein darauf, den Begriff der digitalen Inhalte näher zu konkretisieren und Verträge über diese Inhalte in das bestehende verbraucherschützende System zu intergrieren,38 ohne dabei jedoch eine umfassende Typisierung vorzunehmen.39 Dies geht insbesondere aus dem letzten Satz des 19. Erwägungsgrunds hervor, welcher den Hinweis enthält, dass die Kommission prüfen sollte, inwieweit für digitale Inhalte eine weitere Harmonisierung der (europäischen) Bestimmungen erforderlich ist. Sofern Handlungsbedarf bestünde, so solle hierfür ein entsprechender Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt werden. (2) Der Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Eine eingehendere Behandlung erfährt der Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte in Art. 5 des Vorschlags einer Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht.40 Neben den Kaufverträgen in lit. a und den Verträgen über verbundene Dienstleistungen in lit. c wird dort in lit. b ein besonderer Vertragstyp für die digitalen Inhalte geschaffen.41 Mit diesem werden Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte erfasst, gleich ob die Inhalte auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind. Notwendig ist, dass der Nutzer die Inhalte speichern, verarbeiten oder wiederverwenden kann, oder er zu diesen einen anderweitigen Zugang erhält. Ob die Bereitstellung der digitalen Inhalte
38 Eingehend zu den digitalen Inhalten in der Verbraucherrechterichtlinie Lehmann, CR 2012, 261–264. 39 Vgl. Grundmann, JZ 2013, 53, 60, welcher der Lieferform von digitalen Inhalten eine besonders geringe Bedeutung zumisst. 40 [Vorschlag für eine] Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vom 11. Oktober 2011, KOM(2011) 635 endg. 2011/0284 (COD), im Folgenden GEKR-VO. 41 Der Vertrag über die Bereitstellung von digitalen Inhalten wurde erst nachträglich in das GEK aufgenommen, dazu Busch, euvr 2013, 33, 34, der in der Abgrenzung von Kaufund Dienstleistungsverträgen in diesem Zusammenhang Probleme aufkommen sieht („the line between sales and service contracts is getting more and more blurred“).
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gegen Zahlung eines Preises erfolgt oder nicht, spielt für die Einordnung des Vertrags keine Rolle.42 Allerdings erfolgt auch im Rahmen des GEK keine umfassende Kodifizierung eines eigenständigen Vertragstyps. Vielmehr wird das für Kaufverträge konzipierte System des GEK für bestimmte digitale Inhalte bei entsprechender Art ihrer Bereitstellung eröffnet. Zur Konkretisierung der einbezogenen Fälle sind die in Art. 2 lit. j GEKR-VO aufgeführten Sachverhalte zu berücksichtigen, welche bestimmte Arten der digitalen Inhalte vom Anwendungsbereich des GEK wieder ausschließen. Die dort genannten Formen, wie beispielsweise elektronische Finanzdienstleistungen, Rechts- und Finanzberatungsleistungen, die in elektronischer Form erbracht werden, oder elektronische Kommunikationsdienste und -netze mit den dazugehörigen Einrichtungen und Diensten, sind als Dienstleistungsverträge zu qualifizieren, sodass deren Behandlung durch die Regelungen des GEK nicht interessengerecht wäre.43 (3) Der Vorschlag einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte Am 9. 12. 2015 stellte die Europäische Kommission ihren Vorschlag einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte vor.44 Dieser Vorschlag bildet zusammen mit dem Entwurf für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren45 ein Kernelement der Kommissionsstrategie zur Entfaltung des digitalen Binnenmarkts.46 Inhaltlich baut der Vorschlag auf den Erkenntnissen zu dem Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht auf und verfolgt das Ziel, zu einem raschen Wachstum des digitalen Binnenmarkts zum Nutzen sowohl der Verbraucher als auch der Unternehmen beizutragen. Dabei unterscheidet sich der Vorschlag von der GEKR-VO in mehreren Punkten. Zum einen wird der Begriff der digitalen In42 Staudenmayer, NJW 2011, 3491, 3494 bezeichnet die Einbeziehung der digitalen Inhalte in das GEK als logische Parallelität zum Einschluss von digitalen Produkten in die Verbraucherrechterichtlinie. 43 Zur Definition der digitalen Inhalte und dem Ausschluss elektronisch erbrachter Leistungen mit Dienstleistungscharakter Zenefels, K&R 2012, 463–469. 44 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte vom 9. Dezember 2015, KOM(2015) 634 final. Vgl. dazu Wendland, EuZW 2016, 126–131. 45 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren vom 9. Dezember 2015, KOM(2015) 635 final. Vgl. dazu Maultzsch, JZ 2016, 236–245. 46 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa vom 6. Mai 2015, KOM(2015) 192 final.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
halte erweitert, indem einerseits Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, wie beispielsweise Video- und Audioinhalte, Anwendungen, digitale Spiele und sonstige Software, als digitale Inhalte anzusehen sind. Neben dieser bereits bekannten Definition werden nunmehr allerdings auch Dienstleistungen, welche die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form ermöglichen, wenn diese Daten vom Verbraucher bereitgestellt werden, sowie Dienstleistungen, die die gemeinsame Nutzung der von anderen Nutzern in digitaler Form bereitgestellten Daten und sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen, unter den Begriff der digitalen Inhalte gefasst.47 Zum anderen soll die Richtlinie grundsätzlich nur für Verträge gelten, auf deren Grundlage ein Anbieter einem Verbraucher digitale Inhalte bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet und der Verbraucher als Gegenleistung einen Preis bezahlt oder aktiv eine andere Gegenleistung als Geld in Form personenbezogener oder anderer Daten erbringt.48 Falls bei Dienstleistungen die menschliche Intervention durch den Anbieter überwiegt und die digitale Form hauptsächlich der Übermittlung dient, soll der Vorschlag keine Anwendung finden.49 bb) Die digitalen Inhalte im deutschen Recht Auch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch exisitert kein eigener Vertragstyp, welcher sich speziell mit digitalen Inhalten befasst. Dessen ungeachtet besteht eine intensive Diskussion über die digitalen Inhalte innerhalb des deutschen Zivilrechts. Diese wird größtenteils im Rahmen der Einordnung der digitalen Inhalte als Sachen im Sinne des § 90 BGB geführt, da das Vorliegen einer Sache für bestimmte Vertragsarten gesetzlich vorausgesetzt wird.50 Den Ausgangspunkt der Diskussion bildet die Annahme, dass elektronische Daten und Computerprogramme nicht als Sachen im Sinne des § 90 BGB angesehen werden können, da es ihnen an der dort vorausgesetzten Körperlichkeit fehlt.51 Diese sind vielmehr als immaterielle Güter zu verstehen und werden als solche in bestimmtem Maße geschützt.52 Daran ändert sich nach bestrittener, aber zustimmungswürdiger Ansicht auch dann nichts, wenn Daten auf einem 47
Vgl. Art. 2 Nr. 1 des Vorschlags. So Art. 3 Nr. 1 des Vorschlags. 49 Die weiteren Bereichsausnahmen finden sich in Art. 3 Nr. 4 und 5. Gleich der GEKR-VO sind insbesondere Finanzdienstleistungen wiederum von Anwendungsbereich ausgeschlossen. 50 Beispielsweise § 433 BGB, welcher in Abs. 1 vom Verkäufer einer Sache spricht, oder § 535 Abs. 1 BGB, der als Vertragsgegenstand die Mietsache nennt. Dieser Punkt ist gleichfalls der Ausgangspunkt der Diskussion in anderen Mitgliedstaaten, vgl. Unger, ZEuP 2012, 270, 300. Zur Diskussion auf europäischer Ebene Schmidt-Kessel/Young/Benninghoff/Langhanke/ Russek, GPR 2011, 7, 9 ff. 51 So Fritsche, in: BeckOK-BGB, § 90 Rn. 25; Stresemann, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 25; Buchner, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.4 Rn. 50. 52 Zum urheberrechtlichen Schutz vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 oder § 69 a Abs. 3 S. 1 UrhG. In strafrechtlicher Hinsicht besteht ein gewisser Schutz gegen das Ausspähen von Daten, 48
II. Die umfassten Ansprüche
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Datenträger gespeichert werden.53 Auch in diesem Fall bleiben die Daten immaterielle Güter, wohingegen der Datenträger davon getrennt als Sache zu betrachten ist.54 Dieses Ergebnis bestätigt auch ein Vergleich mit Büchern oder Musik-CDs. Auch dort ist zwischen dem Buch oder der CD als Sache und dem, von dieser getrennt zu betrachtenden, urheberrechtlich geschützten Inhalt zu unterscheiden.55 Somit sind bei Verträgen über digitale Inhalte die bekannten Vertragstypen je nach Sachlage entsprechend anzuwenden. Für das Kaufrecht ist mit § 453 Abs. 1 BGB, welcher sich mit dem Rechtskauf beschäftigt, zudem eine Norm vorhanden, unter die auch der Erwerb von digitalen Inhalten bei entsprechender Vertragsgestaltung gefasst werden kann.56 Die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Kauf von Sachen ist als Kauf von sonstigen Gegenständen möglich, unter welche auch digitale Inhalte subsumiert werden können.57 Ebenfalls in Betracht kommt die entsprechende Anwendung des Mietrechts, falls der digitale Inhalt gegen Entgelt für eine bestimmte Dauer zur Nutzung überlassen wird.58 cc) Notwendigkeit der Unterscheidung in Kaufverträge und Dienstleistungsverträge Zur effektiven Behandlung von Verträgen, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte zum Gegenstand haben, bedarf es momentan noch einer Unterscheidung die Störung einer Datenverarbeitung oder Datenveränderung, auch im Sinne einer Löschung, Unterdrückung oder Unbrauchbarmachung, vgl. dazu §§ 202a, 263a, 303a und 303 b StGB. 53 Dafür aber BGH NJW 2007, 2394 für die Softwareüberlassung im Rahmen eines ASPVertrags, der eine auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware als bewegliche Sache ansieht, auf die je nach der vereinbarten Überlassungsform Miet- oder Kaufrecht anwendbar ist. 54 Nach Buchner, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.4 Rn. 51 ergibt sich dies aus der Rechtsnatur von Daten. Elektronische Daten können nach ihrer Aufgabe, ihrem Nutzen, Sinn und Mehrwert nie körperliche Gegenstände sein, da sie Informationen darstellen, die ihren Mehrwert nur auf unkörperliche Weise erfüllen. Fritsche, in: BeckOK-BGB, § 90 Rn. 26 stellt dazu plakativ fest, dass man das Programm auch dann nicht anfassen kann, wenn es auf einer CD-ROM gespeichert ist. 55 Zum gleichen Ergebnis kommen beispielsweise Redeker, NJW 1992, 1739, 1740 oder Müller-Hengstenberg, NJW 1994, 3128, 3131. Müller-Hengstenberg/Kirn, NJW 2007, 2370, 2373 kommen in ihrer Anmerkung zu BGH NJW 2007, 2394 ebenso dazu, dass das Körperlichkeitskriterium des § 90 BGB bei ASP-Verträgen nicht gegeben ist und demnach nicht von einer Sache auszugehen ist. 56 So für den Verkauf von Computerprogrammen, Stresemann, in: MüKo-BGB, § 90, Rn. 25. 57 Faust, in: BeckOK-BGB, § 453 Rn. 23 bezeichnet § 453 Abs. 1 deshalb als kaufrechtlichen Auffangtatbestand. 58 Eine Übersicht über die Behandlung in anderen Mitgliedstaaten findet sich bei Loos/ Helberger/Guibault/Mak/Pessers/Cseres/van der Sloot/Tigner, Analysis of the applicable legal frameworks and suggestions for the contours of a model system of consumer protection in relation to digital content contracts, S. 32–41, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/ consumer-marketing/files/legal_report_final_30_august_2011.pdf.
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in kaufvertragsähnliche und dienstvertragsähnliche Verträge.59 Für eine Beurteilung bieten sich hierbei die Erkenntnisse aus der GEKR-VO an.60 Die Kontrolle des Nutzers über den digitalen Inhalt bietet sich in diesem Zusammenhang als Unterscheidungskriterium an. Erhält dieser die Nutzungsmöglichkeit, ohne dass der Lieferant selbige noch beeinflussen kann, ist von einer kaufvertragsähnlichen Ausgestaltung auszugehen.61 Soweit die Nutzungsmöglichkeit seitens des Lieferanten noch eingeschränkt bzw. entzogen werden kann, ist dagegen ein Dienstvertrag gegeben.62 Damit sind in erster Linie Verträge, welche die dauerhafte Bereitstellung digitaler Inhalte auf einem Datenträger oder via Download umfassen, als kaufvertragsähnlich zu qualifizieren. Gleiches dürfte für viele Apps für Mobiltelefone gelten. Bei den ebenfalls immer populärer werdenden Online-Spielen ist zwischen dem Erwerb der Zugangs- oder Spielesoftware und der Nutzung der Onlinespielumgebung zu differenzieren. Während bei ersterem regelmäßig zumindest ein Download vorhanden sein wird, ist letztere nach den genannten Kriterien als Dienstleistungsvertrag anzusehen.63 Das innerhalb der Verbraucherrechterichtlinie genannte Streaming ist nach diesen Kriterien sowohl in der Variante des Live-Streams als auch bei einer mehrmaligen Streaming Möglichkeit als Dienstleistungsvertrag anzusehen.64 Die praktischen Auswirkungen der Unterscheidung in Kauf- und Dienstleistungsverträge werden jedoch durch die Einbeziehung der digitalen Inhalte in die Verbraucherrechterichtlinie und deren Umsetzung in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen abgeschwächt. Zum einen sind Verträge über digitale Inhalte, welche auf einem körperlichen Datenträger gespeichert sind, als Kaufverträge anzusehen. Zum anderen bestehen für alle Verträge über digitale Inhalte ungeachtet ihrer Kategorisierung die gleichen vorvertraglichen Informationspflich59 Zu den vertragstypischen Pflichten bei der Lieferung digitaler Inhalte Stieper, in: FS Köhler, S. 729, 734. 60 Druschel, GRUR Int 2015, 125, 126 ff. gibt einen Überblick über die bisherige Handhabe im deutschen Recht und stellt dabei fest, dass man sich hierbei in Ermangelung ausdrücklicher Regelungen mit Differenzierungen und gegebenenfalls Analogien behilft, um z. B. die Überlassung von Software vertragsrechtlich den Vertragstypen des BGB zuzuordnen. Dies gilt aufgrund einer Vergleichbarkeit von digitalen Inhalten mit Software auch für andere digitale Inhalte. 61 Druschel, GRUR Int. 2015, 125, 129 sieht in den Artikeln 94 Absatz 1 lit. a Alt. 1 und 142 Absatz 1 Alt. 1 GEKR-VO, welche den Gefahrübergang regeln, das entscheidende Kriterium für eine Abgrenzung. Dieses Kriterium der GEKR-VO kann aufgrund der Vergleichbarkeit mit dem deutschen Kaufrecht auch für Kaufverträge, welche diesem Recht unterliegen, herangezogen werden. 62 Für eine derartige Unterscheidung im Rahmen des GEK Schmidt-Kessel/Young/Benninghoff/Langhanke/Russek, GPR 2011, 7, 15. 63 Zur Einordnung eingehend Diegmann/Kuntz, NJW 2010, 561, 562 f. Diese kategorisieren den zweiten Vertragsteil als Mietvertrag, sodass dieser Teil nur unter den Voraussetzungen eines verbundenen Vertrags in den Anwendungsbereich des GEK fallen kann. 64 Daher versagt Druschel, GRUR Int 2015, 125, 130 diesen Verträgen die Anwendung des GEK; anderer Ansicht Zenefels, K&R 2012, 463, 464.
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ten für Unternehmer.65 Durch den Ansatz der Vollharmonisierung verändern sich diese Anforderungen auch für grenzüberschreitende Sachverhalte innerhalb des Anwendungsbereichs der Verbraucherrechterichtlinie nicht, gleich welche mitgliedstaatliche Rechtsordnung zur Anwendung berufen ist.66 Allerdings verbleibt für die außerhalb des Anwendungsbereichs auftretenden Fragen, wie die Frage der Mangelfreiheit des digitalen Inhalts oder den Voraussetzungen der Vertragsbeendigung durch den Verbraucher, weiterhin die Notwendigkeit der Unterscheidung in Kauf- und Dienstleistungsverträge. Durch den Vorschlag der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte könnte allerdings für die Verträge über digitalisierte Güter ein Paradigmenwechsel eintreten. Da der Vorschlag neben einer erschöpfenden Definition der digitalen Inhalte auch Vorschriften über die Vertragsmäßigkeit, die Integration der digitalen Inhalte in die digitale Umgebung des Verbrauchers und die Abhilfe bei nicht erfolgter Bereitstellung oder Vertragswidrigkeit der Inhalte enthält, kann ein umfassendes System für die Behandlung derartiger Verträge entstehen. Aufgrund des ebenfalls vollharmonisierenden Ansatzes des Vorschlags wäre dieses System unionsweit größtenteils gleich ausgestaltet, sodass das Vertrauen der Verbraucher wie Unternehmer in eine einheitliche Behandlung grenzüberschreitender Streitfälle gewährleistet werden kann.67 Damit stellt der Vorschlag einen erfolgsversprechenden Ansatz zur Stärkung des digitalen Binnenmarkts dar. c) Die digitalen Inhalte in der alternativen Streitbeilegung Digitale Inhalte nehmen einen immer größer werdenden Anteil des wirtschaftlichen Lebens ein.68 Viele Unternehmen weiten ihr klassisches Tätigkeitsfeld auf digitale Inhalte aus und generieren damit einen erheblichen Teil ihres Umsatzes. Der Bereich der Application Software, verkürzt als Apps beschrieben, nimmt in diesem Bereich eine hervorgehobene Rolle ein.69 Für den Erwerb von Apps müssen regelmäßig nur geringe Beträge aufgewandt werden, sodass es bei Streitfällen über die Bereitstellung oder die Mangelfreiheit derartiger Anwendungen bereits aufgrund des wirtschaftlich verstandenen rationalen Desinteresses des Nutzers selten zu einem gerichtlichen Verfahren kommen wird.70 Für 65 Zu den Besonderheiten hinsichtlich des eingeführten Widerrufsrechts für Verträge über digitale Inhalte und dessen Erlöschen Schirmbacher/Schmid, CR 2014, 107, 114. 66 Zu diesen Informationspflichten eingehend Lehmann, CR 2012, 261, 262 f. 67 Die verbleibenden Spielräume der Mitgliedstaaten werden bei Schmidt-Kessel/Erler/ Grimm/Kramme, GPR 2016, 2, 7 dargestellt. 68 Vgl. dazu die Pressemitteilung von Apple, welche für das Jahr 2014 durch den Verkauf von Apps einen Umsatz von 10 Milliarden US-Dollar für die Entwickler ausweist, abrufbar unter: https://www.apple.com/de/pr/library/2015/01/08App-Store-Rings-in-2015-with-NewRecords.html. 69 Zu den verschiedenen Arten von Apps Schuhmacher, BKR 2016, 53, 54. 70 Schuhmacher, BKR 2016, 53, 54, weist darauf hin, dass trotz der wirtschaftlichen
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
diese Streitfälle bedarf es daher einer anderen Möglichkeit der Streitbeilegung, um die Nutzung des digitalen Binnenmarktes für den Verbraucher attraktiv auszugestalten. Diese Erkenntnis greift die ADR-Richtlinie auf und bezieht daher die digitalen Inhalte in ihren Anwendungsbereich ein. Die Notwendigkeit einer effektiven Behandlung von Streitigkeiten aus Verträgen über digitale Inhalte wird nicht allein in den Erwägungsgründen der ADR-Richtlinie betont. Auch Art. 18 des Vorschlags über eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte verlangt, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, mit denen die Einhaltung der Anforderungen der Richtlinie sichergestellt wird. Neben der Kontrolle über Verbraucherschutzorganisationen kann auch in diesem Zusammenhang die außergerichtliche Streitbeilegung einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des digitalen Binnenmarktes leisten. 3. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz sieht in § 4 Abs. 1 Hs. 1 vor, dass auf Antrag eines Verbrauchers Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten aus einem Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB oder über das Bestehen eines solchen Vertragsverhältnisses durchgeführt werden.71 Von diesem umfassenden Anwendungsbereich sind nur arbeitsvertragliche Streitigkeiten, Streitigkeiten aus Verträgen über nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, über Gesundheitsdienstleistungen und aus Verträgen über die Weiter- und Hochschulbildung durch staatliche Einrichtungen ausgenommen. Somit wird über die Mindestanforderungen der ADR-Richtlinie hinaus der Zugang zu AS-Stellen breit angelegt und die außergerichtliche Streitbeilegung beispielsweise auch für Miet- und Pachtverträge eröffnet.72 Zudem ist sichergestellt, dass sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Sachverhalte, die einen Inlandsbezug aufweisen, behandelt werden.73
Bedeutung Apps bisher noch relativ selten Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren und auch die juristische Literatur zu Apps überschaubar ist. 71 Für eine entsprechende Ausweitung des Anwendungsbereichs bereits Hirsch, NJW 2013, 2088, 2089. 72 Dieser Zugang wird trotz der Möglichkeiten privater Stellen, ihre Zuständigkeit auf bestimmte Branchen oder Rechtsbereiche zu beschränken, gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 VSBG durch die Universalschlichtungsstellen der Länder auf Dauer sichergestellt. Zu den möglichen Erweiterungen Greger, MDR 2016, 365, 366. 73 Vgl. dazu § 30 Abs. 1 Nr. 2 VSBG, der festlegt, dass die Universalschlichtungsstelle des Landes die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens nur dann ablehnen kann, wenn weder der Unternehmer in diesem (Bundes-)Land niedergelassen ist noch der Verbraucher in diesem (Bundes-)Land seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
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III. Die Ablehnung der Verfahrenseröffnung Auch wenn der geltend gemachte Anspruch vom Anwendungsbereich der ADRRichtlinie erfasst wird, haben die AS-Stellen nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie die Möglichkeit, die beantragte Streitbeilegung im Einzelfall abzulehnen. Hierfür nennt die ADR-Richtlinie bestimmte Ablehnungsgründe, welche die Mitgliedstaaten den AS-Stellen zur Verfügung stellen können. 1. Die vorgesehenen Ablehnungsgründe In der ADR-Richtlinie werden bestimmte Gründe genannt, die einer AS-Stelle erlauben, die Bearbeitung einer Beschwerde abzulehnen. Dazu gehört zunächst die bereits aus der deutschen Schlichtungslandschaft bekannte fehlende vorherige Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit dem Unternehmer zur Verhinderung einer überfallartigen Beschwerde sowie die aktuelle oder bereits erfolgte Behandlung der Streitigkeit von einer anderen AS-Stelle oder einem Gericht. Gleichfalls wird die Möglichkeit eingeräumt, dass für die Zulässigkeit ein bestimmter Beschwerdewert verlangt wird, der nicht unter- bzw. überschritten werden darf. Zudem kann bei einer mutwilligen oder schikanösen Streitigkeit eine Streitbeilegung abgelehnt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass die Streitbeilegung verweigert werden kann, falls der Verbraucher die Beschwerde nicht innerhalb einer im Voraus festgelegten Frist, die mindestens ein Jahr ab dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher die Beschwerde beim Unternehmer eingereicht hat, beträgt, bei der AS-Stelle eingereicht hat.74 Schließlich kann, wenn die Behandlung einer Beschwerde den effektiven Betrieb der AS-Stelle ernsthaft beeinträchtigen würde, ebenfalls von einer Streitbeilegung abgesehen werden. Im Rahmen all dieser Ablehnungsgründe ist allerdings zu beachten, dass derartige Verfahrensregeln den Zugang der Verbraucher zu AS-Verfahren nicht erheblich beeinträchtigen dürfen.75 2. Weitere Ablehnungsgründe Die aus deutschen Schlichtungsverfahren bekannte Klausel, dass eine außergerichtliche Streitbeilegung unterbleiben soll, falls die Beschwerde eine entscheidungserhebliche, streitige, höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage betrifft,76 ist in der ADR-Richtlinie nicht explizit enthalten. Das Fehlen einer derartigen Vorschrift innerhalb der ADR-Richtlinie, die die Fortbildung sowohl 74 Zur Handhabung der Klausel eingehend Gössl, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 68, 81. 75 Dies stellt Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie am Ende klar. 76 Vgl. beispielsweise § 9 Abs. 1 lit. c VomVO oder § 4 Abs. 2 S. 1 lit. a BVO.
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des nationalen als auch des europäischen Rechts sicherstellen soll, hat zu größerer Kritik in der Literatur geführt. Zum einen wird bemängelt, dass ohne eine derartige Klausel wichtige Fallkonstellationen, welche der Fortentwicklung des Verbraucherschutzes dienen können, von den Gerichten ferngehalten werden.77 Zum anderen wird beanstandet, dass aufgrund der nicht gesicherten Veröffentlichung der Entscheidungen der AS-Stellen und wegen der fehlenden Öffentlichkeit in den ADR-Verfahren, sich keine Präjudizien entwickeln können,78 anhand derer eine Fortentwicklung des Rechts möglich wäre.79 a) Die Vereinbarkeit mit der ADR-Richtlinie Allein die fehlende Erwähnung der entscheidungserheblichen, streitigen, höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage im Ablehnungskatalog der ADR-Richtlinie rechtfertigt jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass die Einführung einer derartigen Klausel zwingend im Widerspruch zur Richtlinie stünde.80 Zunächst ist möglich, dass bei Vorliegen einer derartigen Frage auch einer der kodifizierten Ablehnungsgründe zum Tragen kommt, insbesondere könnte hier der effektive Betrieb der AS-Stelle beeinträchtigt werden, falls ein erheblicher Prüfungsaufwand entstehen würde.81 Aber auch darüber hinaus ist die Berücksichtigung der höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfrage im Rahmen der Schlichtung nicht ausgeschlossen. Allerdings müssen hierfür zwei Aspekte der Richtlinie miteinander in Einklang gebracht werden. In Art. 2 Abs. 3 S. 2 der Richtlinie wird den Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt, über die Vorschriften der Richtlinie hinausgehende Regelungen beizubehalten oder einzuführen, um ein höheres Maß an Verbraucherschutz zu erreichen. Im Rahmen der Ablehnung von Beschwerden wird hingegen in Art. 5 Abs. 4 bestimmt, dass Verfahrensregeln, welche Ablehnungsgründe vorsehen, den Zugang der Verbraucher zu AS-Verfahren nicht erheblich beeinträchtigen 77 M. Stürner, in: Außergerichtliche Streitbeilegung – Reden statt Klagen, S. 9, 22 führt hierzu an, dass die „hard cases“ wie beispielsweise die EuGH Entscheidungen „Quelle“ zum Nutzungsersatz bei Nacherfüllung (EuGH, Urt. v. 17. 4. 2008, Rs. C-404/06, Quelle AG/Bundeszentrale der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, Slg. 2008, I-2685) oder die Weber/Putz Entscheidung zu Aus- und Einbaukosten (EuGH, Urt. v. 16. 6. 2011, verbundene Rs. C-65/09 und 87/09. Gebr. Weber/Wittmer; Putz/Medianess Electronics GmbH, NJW 2011, 2269) zur Rechtsfortentwicklung den Gerichten überlassen bleiben sollten. 78 Zu dem Problem der fehlenden Präjudizien im Schiedsrecht vgl. Duve/Keller, SchiedsVZ 2005, 169. 79 M. Stürner, in: Außergerichtliche Streitbeilegung – Reden statt Klagen, S. 9, 23 befürchtet sogar die Ausprägung einer Paralleljustiz. Ähnliche Bedenken äußern H. Roth, DRiZ 2015, 24, 25 und Eidenmüller/Engel, 29 Ohio St. J. Disp. Resol. (2014), S. 261, 287–295. 80 Anderer Ansicht Rühl, ZZP 127 (2014), 61, 72, die den Katalog des Art. 5 Abs. 4 in Ermangelung einer Öffnungsklausel wohl als abschließend ansieht und daraus den Schluss zieht, dass Beschwerden nur aus den angegebenen Gründen abgelehnt werden können. 81 Dies ist allerdings nicht bei allen ungeklärten Rechtsfragen anzunehmen, dazu weiter Gössl, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 68, 84.
III. Die Ablehnung der Verfahrenseröffnung
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dürfen.82 Somit stellt sich die Frage, ob trotz der nur restriktiv zu nutzenden Ablehnungsgründe aus Verbraucherschutzgesichtspunkten eine Berücksichtigung der höchstrichterlich nicht entschiedenen Rechtsfrage als Verfahrenshindernis erfolgen kann. Zwar sollen die AS-Stellen Verbrauchern in möglichst umfangreichem Maße außergerichtliche Streitbeilegung anbieten. Um dieses Ziel nicht zu gefährden, sollten die Ablehnungsgründe von den AS-Stellen nur restriktiv genutzt werden. Allerdings zeigt der erste Erwägungsgrund der Richtlinie, dass sie sich auch der Schaffung eines hohen Verbraucherschutzniveaus verpflichtet sieht.83 Das Verbraucherschutzniveau innerhalb der Union darf jedoch nicht nur den einzelnen Verbraucher im Blick haben, sondern muss auch das Kollektiv der Verbraucher zu schützen versuchen.84 Ein derartiger Schutz kann beispielsweise durch die Rechtsfortbildung anhand von ungeklärten Rechtsfragen erfolgen. In diesen Fällen würde zwar dem einzelnen Verbraucher die ihm eigentlich zugedachte Schlichtungsmöglichkeit entzogen, dafür allerdings bei einem Urteil mit Signalwirkung für den gesamten Markt das Gros der Verbraucher auf längere Sicht profitieren. Somit kann Art. 2 Abs. 3 S. 2 der Richtlinie auch dergestalt verstanden werden, dass er den Mitgliedstaaten eine derartige Ausgestaltung zubilligt. Ferner ist zu beachten, dass die AS-Stellen nur komplementär neben der staatlichen Gerichtsbarkeit agieren sollen. Dies kommt sowohl in den Erwägungsgründen als auch in der eigentlichen Richtlinie klar zum Ausdruck.85 Insbesondere sollen sie nicht in den den staatlichen Gerichten exklusiv zugewiesenen Wirkungskreis eingreifen. Zu diesem Kreis gehört die Fortentwicklung des Rechts und damit auch die Konkretisierung des materiellen Verbraucherschutzrechts. Dies kann von den AS-Stellen nicht geleistet werden und ist von der ADR-Richtlinie auch nicht beabsichtigt.
82 Die Schwelle der Erheblichkeit soll laut Gössl, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 68, 71 überschritten sein, wenn der Großteil der Verbraucher eher von der Durchführung einer Streitbeilegung Abstand nimmt als dazu motiviert wird. 83 Der Erwägungsgrund lautet: Gemäß Artikel 169 Absatz 1 und Artikel 169 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) leistet die Union durch Maßnahmen, die sie nach Artikel 114 AEUV erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Gemäß Artikel 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stellt die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher. 84 Das in Art. 2 Abs. 3 S. 2 ADR-RiLi genannte Maß des Verbraucherschutzes weist nach seinem Wortlaut darauf hin, dass hier nicht nur Maßnahmen gegenüber einzelnen Verbrauchern innerhalb außergerichtlicher Verfahren gemeint sind, sondern die Gesamtheit der Verbraucher bei Erlass von Maßnahmen in den Blick zu nehmen ist. 85 Erwägungsgrund 45 spricht davon, dass AS-Verfahren nicht so gestaltet sein dürfen, dass sie gerichtliche Verfahren ersetzen oder Verbrauchern oder Unternehmern das Recht nehmen, den Schutz ihrer Rechte vor Gericht einzufordern; in Art. 9 Abs. 2 lit. b, wird unter lit. iii statuiert, dass die Parteien darüber informiert werden müssen, dass die Beteiligung an dem Verfahren die Möglichkeit nicht ausschließt, die Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht zu suchen.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
Diese Aspekte zusammengenommen ergeben, dass es nicht nur mit der Richtlinie vereinbar ist, eine Ablehnungsmöglichkeit bei entscheidungserheblichen, streitigen, höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Fragen einzuführen, sondern mit Blick auf die Entwicklung und Wahrung des von Art. 169 AEUV geforderten hohen Verbraucherschutzniveaus sogar durchaus geboten erscheint. Als Vorbild können hier die Regelungen des Versicherungsombudsmanns und des Ombudsmanns der privaten Banken herangezogen werden, die die Ablehnung der Streitbeilegung in derartigen Fällen in das Ermessen der mit der Verfahrensführung betrauten Person stellen. b) Praktische Folgen Damit kann die außergerichtliche Streitbeilegung die Weiterentwicklung des Verbraucherschutzrechts durch die Gerichte wirkungsvoll unterstützen und diese sogar beschleunigen, wenn bereits frühzeitig auf eine gerichtliche Behandlung derartiger Sachverhalte hingewirkt wird. Sachkundige Schlichter können somit nicht nur die Gerichte entlasten, sondern auch bei der Konkretisierung des Rechts hilfreich sein und damit den Verbraucherschutz auf mehreren Ebenen stärken. Bei der Frage der Ablehnung der Schlichtung muss jedoch noch ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden. Die erhoffte Unterstützung der Weiterentwicklung des Verbraucherschutzrechts in Fällen höchstrichterlich noch nicht entschiedener Fragen kommt nur dann in Betracht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien ihren Sachverhalt vor staatlichen Gerichten tatsächlich klären lassen wollen. Daher sehen die Regelungen des Banken- und Versicherungsombudsmanns keine zwingende Ablehnung der Beschwerde vor, sondern stellen diese in das Ermessen des Ombudsmanns. Der Versicherungsombudsmann soll die Behandlung der Beschwerde ablehnen, um deren rechtliche Lösung der Autorität der Gerichte zu überlassen; der Ombudsmann der privaten Banken, wenn die Schlichtung die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage beeinträchtigen würde. Falls jedoch die Parteien zu verstehen geben, dass für sie eine gerichtliche Klärung des Sachverhalts nicht in Betracht kommt, so erscheint es sinnvoller, das Schlichtungsverfahren durchzuführen, um zumindest den bestehenden Konflikt einvernehmlich zu lösen. Zudem besteht die Möglichkeit, den in einem solchen Fall ergangenen Lösungsvorschlag anonymisiert zu veröffentlichen, um damit die grundsätzliche Rechtsfrage einer rechtspolitischen Diskussion zugänglich zu machen. Diese Veröffentlichung verletzt das Abstandsgebot zu den staatlichen Gerichten nicht, da mit einer außergerichtlich getroffenen Vereinbarung keine Präjudizwirkung einhergeht. Vielmehr wird eine unter Umständen unbekannte Konstellation unter Darstellung des Sachverhalts und einer rechtlichen Würdigung der Öffentlichkeit bekannt gemacht und damit die Möglichkeit zur Diskussion in der Rechtswissenschaft geboten.
III. Die Ablehnung der Verfahrenseröffnung
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3. Die grenzüberschreitenden Sachverhalte Im Rahmen der grenzüberschreitenden Sachverhalte kann die Frage, ob die Beschwerdebehandlung den effektiven Betrieb der AS-Stelle ernsthaft beeinträchtigen würde, im Zusammenhang mit der Bestimmung des anwendbaren Rechts und gegebenenfalls dessen Anwendung auf den Streitfall relevant werden.86 Allerdings ist im Rahmen der Streitbeilegung nach der ADR-Richtlinie zu berücksichtigen, dass diese primär zur Erleichterung der Realisierung grenzüberschreitender Forderungen geschaffen wurde. Daher kann allein die aus dem Wesen der grenzüberschreitenden Streitigkeit folgende Anwendung von Kollisionsrecht und ausländischem Sachrecht nicht zu einer Ablehnung führen.87 Da die Ablehnungsgründe zudem den Zugang der Verbraucher zu ASVerfahren, auch im Fall von grenzübergreifenden Streitigkeiten, nicht erheblich beeinträchtigen dürfen, kommt eine Ablehnung nur dann in Betracht, wenn die Bestimmung und Anwendung ausländischen Rechts im Einzelfall mit erheblichem Mehraufwand verbunden wäre. Dafür ist zunächst die personelle und sachliche Ausstattung der Stelle sowie deren Spezialisierungsgrad zu berücksichtigen.88 Daneben ist der Zugang zu den ausländischen Normtexten sowie die sprachliche Verwertbarkeit der Quellen von Bedeutung. 4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz In § 14 VSBG wird eine Unterscheidung zwischen zwingenden und fakultativen Ablehnungsgründen vorgenommen.89 Die Durchführung des Verfahrens kann gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VSBG abgelehnt werden, falls die Behandlung der Streitigkeit den effektiven Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle ernsthaft beeinträchtigen würde. Als Regelbeispiele werden hierfür sowohl der unangemessene Aufwand bei der Klärung des Sachverhalts oder rechtlicher Fragen, als auch die ungeklärte grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Bewertung der Streitigkeit erheblich ist, genannt. Somit steht es auch im Rahmen des VSBG im Ermessen der einzelnen Stellen, ob ein Verfahren durchgeführt werden wird.90 Eine Ablehnung kommt aus den bereits genannten Gründen in beiden Fällen nur ausnahmsweise in Betracht und ist gesondert zu begründen.91
86 Der Versicherungsombudsmann kann beispielsweise die Befassung mit der Beschwerde in jeder Lage des Verfahrens ablehnen, wenn entscheidungserhebliche Fragen besondere Rechtsgebiete (z. B. Steuerrecht) oder ausländisches Recht betreffen. Vgl. dazu die Ausführungen unter § 5 II 3 d. 87 So auch Gascόn Inchausti, GPR 2014, 197, 204. 88 Vgl. dazu Gössl, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 68, 84. 89 Vgl. Gössl, NJW 2016, 838, 841. 90 Positiv zu dieser Entwicklung Prütting, AnwBl 2016, 190, 193. 91 Vgl. § 14 Abs. 3 S. 1 VSBG.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
IV. Die Teilnahme des Unternehmers Die Eröffnung der Verfahrenskompetenz für grenzüberschreitende Sachverhalte ist die Grundvoraussetzung für die von ADR-Richtlinie und ODR-Verordnung intendierte Binnenmarktstärkung. Die Kompetenzeröffnung ist als notwendige, jedoch nicht als allein hinreichende Bedingung für den Aufbau einer erfolgreich agierenden außergerichtlichen Streitbeilegungslandschaft zu sehen. Dieser Erfolg ist in hohem Maße mit der grundsätzlichen Teilnahmebereitschaft des Unternehmers verknüpft. Aus Art. 2 Abs. 2 lit. g der ADR-Richtlinie geht hervor, dass die Verfahrenseinleitung nur durch den Verbraucher erfolgen kann. Die Einleitung eines Verfahrens erscheint allerdings nur dann sinnvoll, falls damit gerechnet werden kann, dass sich der Beschwerdegegner auf die außergerichtliche Streitbeilegung einlässt. Somit ist in der Bereitschaft des Unternehmers, der im Grundsatz keinem Teilnahmezwang unterliegt, der Schlüssel für eine erfolgreiche Konfliktlösung zu sehen. Wenn der Unternehmer bereits Vertrauen in die außergerichtliche Streitbeilegung hat, kann er entweder eigene Einrichtungen schaffen oder sich bereits bestehenden anschließen. Sollte er dagegen noch keine Kenntnis über die Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung haben oder der neuen Art der Konfliktlösung skeptisch gegenüberstehen, bedarf es dagegen weiterer Anreize, um ihn zu einer Teilnahme an alternativen Konfliktlösungen zu bewegen. Dafür sind verschiedene Wege denkbar. Von einer Teilnahmepflicht über eine allein auf den Druck des freien Marktes vertrauende Sichtweise bis hin zu einem gemischten Modell kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Welcher Weg den größten Erfolg verspricht, soll nunmehr untersucht werden. 1. Der Teilnahmezwang Ein Teilnahmezwang würde den Unternehmer am stärksten in seiner Dispositionsfreiheit einschränken und stünde im Widerspruch zu den bisher praktizierten Streitbeilegungsverfahren, die von einer grundsätzlich freiwilligen Teilnahme an der Schlichtung ausgehen.92 Dabei ist zu beachten, dass dem Unternehmer der Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit durch die außergerichtliche Streitbeilegung nicht verbaut werden darf und ein außergerichtliches Verfahren daher nur eine ergänzende Streitbeilegungsmöglichkeit darstellen kann.93 Anderenfalls würden diese den Justizgewährungsanspruch des Unternehmers verletzen. 92 Anderer Ansicht ist Eidenmüller, JZ 2015, 539, 542, der insbesondere anführt, dass Verfahrenszufriedenheit und Einigungsraten unabhängig von einer Verpflichtung zur Durchführung außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren seien. 93 Dies wird in Erwägungsgrund 45 der ADR-Richtlinie bestätigt, der bestimmt, dass AS-Verfahren nicht so gestaltet sein dürfen, dass sie gerichtliche Verfahren ersetzen oder Verbrauchern oder Unternehmern das Recht nehmen, den Schutz ihrer Rechte vor Gericht einzufordern.
IV. Die Teilnahme des Unternehmers
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Somit wäre bei der Festlegung eines Teilnahmezwangs davon auszugehen, dass der Unternehmer jedenfalls nicht gegen seinen Willen am gefundenen Ergebnis festgehalten werden kann. a) Bisherige Erfahrungen in deutschen vorgerichtlichen Verfahren In der außergerichtlichen Streitbeilegung ist ein Teilnahmezwang trotzdem kein unbekanntes Mittel, wie der durch § 15a EGZPO eingeführte obligatorische Einigungsversuch vor einer Gütestelle beweist. Diese Vorschrift ermöglicht den Bundesländern, durch Landesgesetz eine Verpflichtung zu einem außergerichtlichen Einigungsversuch vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine anschließende Klage einzuführen.94 Dieser Versuch konnte gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO für Streitigkeiten über nachbarrechtliche Sachverhalte oder Ehrverletzungen, sowie für vermögensrechtliche Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 € nicht übersteigt, vorgesehen werden.95 Gemäß § 15a Abs. 5 EGZPO wurde die nähere Ausgestaltung des Verfahrens den Landesgesetzgebern übertragen.96 Der Kläger hatte, falls keine gütliche Einigung gefunden werden konnte, eine von der Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einzureichen. Der obligatorische Einigungsversuch für vermögensrechtliche Streitfälle hatte allerdings nur mäßigen Erfolg. Die meisten Bundesländer machten bereits von Anfang an keinen Gebrauch davon oder schafften ihn wieder ab. Auch das Schlichtungsgesetz des Landes Baden-Württemberg, welches das Verfahren unter anderem auch für vermögensrechtliche Streitfälle vorsah, wurde mittlerweile wieder aufgehoben.97 Die Gründe für den ausbleibenden Erfolg sind 94 Von der Möglichkeit des § 15a EGZPO machten insgesamt 13 Bundesländer Gebrauch, vgl. dazu Saenger, in: Saenger-ZPO, § 15a EGZPO Rn. 11. 95 Der Anwendungsbereich des § 15a EGZPO wurde in Abs. 2 der Vorschrift allerdings wieder eingeschränkt, sodass ein Einigungsversuch beispielsweise für Ansprüche, die im Urkunden- oder Wechselprozess geltend gemacht werden, und für vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe nicht notwendig war. Ebenso entfiel das Erfordernis eines Einigungsversuchs, wenn die Parteien einvernehmlich einen Einigungsversuch vor einer sonstigen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, unternommen haben. Auch wenn die Parteien nicht in demselben Land wohnten oder ihren Sitz oder eine Niederlassung hatten war kein Einigungsversuch notwendig. 96 Auf die Einzelheiten des Verfahrens soll hier nicht weiter eingegangen werden, eine umfangreiche Darstellung findet sich beispielsweise bei Reiß, Obligatorische außergerichtliche Streitbeilegung – Eine empirische Untersuchung der Schlichtungspraxis in Baden-Württemberg. 97 Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung (Schlichtungsgesetz – SchlG) vom 28. 6. 2000, GBl. S. 470, aufgehoben durch das Gesetz zur Aufhebung des Schlichtungsgesetzes (SchlichtungsG-AufhebungsG) vom 16. 4. 2013, GBl. S. 53 mit Wirkung zum 1. 5. 2013.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
auf mehreren Ebenen zu lokalisieren. Zum einen enthält die Vorschrift einen umfangreichen Ausnahmenkatalog, in dem vor allem die Geltendmachung des Anspruchs im Mahnverfahren besondere Bedeutung erlangte. Sobald ein Mahnbescheid beantragt wird, bedarf es keines Einigungsversuches mehr, sodass es zu einer Flucht in den Mahnbescheid kam.98 Weiterhin ergeben sich aufgrund des nur eingeschränkten Anwendungsbereichs viele Möglichkeiten zur Umgehung des Einigungsverfahrens.99 Grundlegender Kritikpunkt an § 15a EGZPO war, dass mit einer obligatorischen Streitbeilegung viele Konflikte vor eine Einigungsstelle gebracht werden, bei denen bereits von vornherein keine Einigungsbereitschaft besteht.100 In diesen Fällen verkehren sich die mit der außergerichtlichen Streitbeilegung verfolgten Ziele der Beschleunigung und Kostenreduktion ins Gegenteil. Zum einen ergibt sich mit dem erzwungenen Verfahren regelmäßig eine Verfahrensverlängerung, welche die endgültige gerichtliche Entscheidung hinauszögert.101 Zum anderen verursacht der Einigungsversuch weitere Kosten für die klagewillige Partei, sodass die Rechtsdurchsetzung sich im Ergebnis verteuert.102 Auch wurde die mit der Einführung von § 15a EGZPO erhoffte spürbare Entlastung der Justizhaushalte nicht erreicht.103 Vielmehr war eine Verlagerung der Streitfälle hinein in das Mahnverfahren zu beobachten.104 Aus der Gesamtschau ergibt sich, dass das Konzept einer verpflichtenden außergerichtlichen Streitbeilegung im deutschen Zivilprozessrecht sich als nicht zielführend erwiesen hat.105 98 So
Lauer, NJW 2004, 1280, 1281. So z. B. durch Klageerweiterung oder Klageänderung im Prozess, die aus einem ehemals schlichtungspflichtigen Antrag einen nicht mehr der Schlichtungspflicht unterliegenden Antrag machen oder die Verbindung von schlichtungspflichtigen mit nicht schlichtungspflichtigen Anträgen. Eingehend zu den Umgehungsmöglichkeiten Bitter, NJW 2005, 1235–1239. 100 Vgl. dazu Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 87 der feststellt, dass gütliche Einigungen sich staatlicherseits nicht verordnen lassen. Ebenso Greger, ZRP 1998, 183, 184; HoffmanRiehm, ZRP 1997, 190, 196. 101 Hierzu Althammer, JZ 2006, 69, 72; Eichele, ZRP 1997, 393, 394. 102 Lauer, NJW 2004, 1280, 1281 spricht von 30 €, welche die mit der Streitbeilegung betrauten Anwaltvereine pro angelegte Akte berechnen. 103 Knodel/Winkler, ZRP 2008, 183, 184 stellen für Baden-Württemberg für das Jahr 2006 fest, dass das Schlichtungsgesetz nur rund 1 % der theoretisch zu den Amtsgerichten gelangenden ordentlichen Zivilverfahren ausfilterte und nur 0,36 % aller Schlichtungsverfahren zu einer Einigung der Parteien führten. 104 Beispielhaft hierfür Lauer, NJW 2004, 1280, 1281, welcher für Nordrhein-Westfalen einen Anstieg der Mahnverfahren von 2,375 Millionen im Jahre 1999 auf 2,65 Millionen im Jahr 2001 feststellt. 105 Gruber, in: MüKo-ZPO, § 15a EGZPO Rn. 3 plädiert de lege ferenda dafür, eher auf freiwillige Mediationsangebote zu setzen und das von ihm als „Zwangsschlichtung“ bezeichnete Verfahren des § 15a EGZPO entfallen zu lassen. Ebenso Deckenbrock/Jordans, MDR 2013, 945, 948, welche feststellen, dass trotz des allgemeinen Trends zu außergerichtlicher Streitbeilegung die Verfahren nach § 15a EGZPO weiterhin an Bedeutung verlieren werden. 99
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b) Keine Teilnahmeverpflichtung im Rahmen der ADR-Richtlinie Auch im Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie empfiehlt es sich aus verschiedenen Gründen, von einem Teilnahmezwang abzusehen. Zwar lassen sich die zuvor genannten Gründe nicht einfach auf die Verfahren nach der ADRRichtlinie übertragen, da diese keine Zulässigkeitsvoraussetzung für ein gerichtliches Verfahren sind, dennoch ist auch im Rahmen dieser außergerichtlichen Streitbeilegungen festzustellen, dass die erzwungene Teilnahme eines schlichtungsunwilligen Unternehmers keine sinnvolle Variante für ein funktionierendes Schlichtungsverfahren sein kann.106 Bereits der Blick auf die bestehende Schlichtungslandschaft zeigt, dass die Spezialisierung der Schlichtungsstellen viele Unternehmer bereits dazu bewogen hat, sich diesen anzuvertrauen. Mit der damit regelmäßig verbundenen Unterwerfung unter die jeweilige Schlichtungsordnung entscheidet der Unternehmer, ob er bei Eingang einer Verbraucherbeschwerde sich bestimmten Bindungen unterwerfen möchte. Diese können hierbei sowohl in der zwingenden Teilnahme am Verfahren als auch in der Akzeptanz der gefundenen Ergebnisse liegen. Soweit also Anreize in ausreichendem Maße für die außergerichtliche Streitbeilegung geschaffen werden, bedarf es keines Teilnahmezwangs. Aber auch falls ein Unternehmer sich bewusst gegen eine außergerichtliche Streitbeilegung entscheidet, bildet eine Zwangsverpflichtung keinen erfolgsversprechenden Weg. Zum einen ist bereits fraglich, wie eine Teilnahmeverpflichtung durchgesetzt werden sollte. Denkbar wäre, bei Verweigerung der Teilnahme die Beschwerde nach Aktenlage zu verbescheiden, was bei ordnungsgemäßer Darlegung seitens des Verbrauchers regelmäßig zu einer den geltend gemachten Anspruch bestätigenden Entscheidung führen würde. Da diese aber keine Bindungswirkung zulasten des Unternehmers entfalten kann, ist die ergangene Entscheidung für den Verbraucher faktisch wertlos. Die andere Möglichkeit wäre, auf ein Nichterscheinen des Unternehmers mit der Verhängung einer Strafgebühr zu reagieren. Dies würde allerdings höchstens zu einer persönlichen Anwesenheit des Unternehmers führen, dürfte seine Einigungsbereitschaft dagegen kaum steigern. 2. Das Comply or Explain-Konzept Wenn somit eine Zwangsverpflichtung nicht die gewünschte Wirkung erzielen wird, könnte ein sogenanntes Comply or Explain-Konzept die Teilnahmebereitschaft der Unternehmer in länderübergreifenden Streitfällen stärken. Dieses aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum bekannte Prinzip hat im deutschen 106 Stadler, NJW 1998, 2479, 2487, stellt treffend fest, dass durch gesetzlichen Zwang eine Form der Streitbeilegung nicht erzwungen werden kann, welche sich aus sachlichen Gründen nicht selbstständig eingespielt hat.
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Recht in § 161 AktG Eingang gefunden.107 Gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 AktG erklären Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft jährlich, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“108 entsprochen wurde oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden und warum nicht. Die angesprochene Erklärung ist nach Abs. 2 auf der Internetseite der Gesellschaft dauerhaft öffentlich zugänglich zu machen.109 Die Regelung ist als Reaktion auf eine aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende internationale Entwicklung zu sehen, welche die verantwortungsvolle Unternehmensführung in den Fokus stellt.110 a) Das Konzept Das Grundkonzept des „comply or explain“ Prinzips ist, dass bestehende Empfehlungen eines Gremiums nicht bereits von sich aus Geltung beanspruchen, sondern dass sich der jeweilige Adressat der Empfehlung zunächst einer Beurteilung des Marktes stellt und im Anschluss daran aus den Marktreaktionen heraus das eigene Verhalten hinterfragt. Dies kann dazu führen, dass den Empfehlungen entsprechend die eigenen Führungsgrundsätze oder Verhaltensweisen angepasst werden oder sogar über die Empfehlungen hinaus für die Schaffung eigener Standards gesorgt wird.111 In § 161 Abs. 2 AktG wird durch die Veröffentlichung der sogenannten Entsprechenserklärung zunächst sichergestellt, dass man sich mit den Empfehlungen der Regierungskommission zum Deutschen Corporate Governance Kodex eingehend auseinander gesetzt hat.112 Damit wird ein grundsätzlich auf Selbstregulierung basierender 107 Eingefügt
durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. 7. 2002, BGBl. I S. 2681. Im Zuge der Umsetzung von Art. 46a Abs. 1 lit. a und b der EU-Bilanzrichtlinie wurde im Jahr 2009 die Vorschrift durch das BilMoG (BGBl I S. 1102) dahingehend verändert, dass eine Begründungspflicht für Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex eingeführt wurde. 108 Corporate Governance bezeichnet Führungsgrundsätze und wendet sich damit hauptsächlich an den Vorstand, vgl. Koch, in: Hüffer-AktG, § 161 Rn. 2. 109 Auf die Einzelheiten der Regelung wird hier nicht näher eingegangen, da nur der Mechanismus des comply or explain Prinzipes im Rahmen der alternativen Streitbeilegung auf seine Wirksamkeit hin untersucht werden soll. Weiterführend zu § 161 AktG und den verfolgten Zielen Hölters, in: Hölters-AktG, § 161 Rn. 1–7; Koch, in: Hüffer-AktG, § 161 Rn. 1–5a oder Goette, in: MüKo-AktG, § 161 Rn. 1–21. 110 Eingehend zur Entstehungsgeschichte Hopt, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1020 und ZHR 175 (2011), 444 ff. Die Diskussion rückte angesichts der jüngsten Finanzmarktkrise in den Vordergrund. Zur Frage, ob diese durch eine entsprechend verantwortungsvolle Unternehmensführung hätte verhindert werden können, Möslein, JZ 2010, 72, 78 ff. 111 Zur Konzeption Goette, in: MüKo-AktG, § 161 Rn. 9 ff., der den vom Gesetzgeber gewählten Mittelweg zwischen völliger Unverbindlichkeit und strikter Verbindlichkeit näher darstellt. 112 Laut Hölters, in: Hölters-AktG, § 161 Rn. 2, soll die Entsprechenserklärung die Gesellschaft darüber hinaus zur unternehmensinternen Reflexion über die eigene Unternehmensver-
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Prozess in Richtung eines gesetzlich begründeten Zwangs verengt, der neben der geforderten inhaltlichen Auseinandersetzung auch einen öffentlich zugänglichen Niederschlag verlangt.113 Ferner wird mit einer Begründungspflicht ein gewisser Druck auf die Adressaten der Empfehlungen ausgeübt, da diese sich nicht mit einem simplen Nein zu den Empfehlungen begnügen können, sondern den Grund ihrer ablehnenden Haltung näher darlegen müssen. b) Der Regelungszweck Mit § 161 AktG werden zwei Hauptzwecke verfolgt. Zum einen sollen mittels der dauerhaft zur Verfügung gestellten Erklärung darüber, ob und inwieweit man sich an die Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hält, die einzelnen Kapitalmarktteilnehmer informiert werden.114 Diese können sich aufgrund der öffentlich zugänglichen Erklärung nicht nur ein Bild davon machen, ob die Empfehlungen eingehalten wurden und werden, sondern aufgrund der Begründungspflicht auch nachvollziehen, warum dies in Einzelfällen nicht getan wurde bzw. werden wird. Dies eröffnet zum einen für die Teilnehmer am Kapitalmarkt eine umfassende Bewertungsmöglichkeit der vorgenommenen Handlungen und gibt andererseits den Unternehmen die Möglichkeit, in einer detaillierten Stellungnahme mögliche Abweichungen als notwendig darstellen zu können. Neben der Information soll den ergehenden Empfehlungen auch zur Beachtung und Durchsetzung verholfen werden. Der Beachtung ist bereits durch die Pflicht zur Auseinandersetzung und der Publizierung des gefundenen Ergebnisses genüge getan. Dem Durchsetzungsinteresse wird gedient, indem durch die öffentlich bekannten Empfehlungen ein gewisser Befolgungsdruck erzeugt wird. Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass bei einer (ungerechtfertigten) Abweichung von den Empfehlungen die Investoren ablehnend reagieren werden und sich deshalb die Kapitalkosten erhöhen.115
fassung veranlassen. Die Vorschrift diene damit der Steigerung von Effizienz, Transparenz und Glaubwürdigkeit von Unternehmensführung und -überwachung. 113 Goette, in: MüKo-AktG, § 161 Rn. 11, zieht hieraus den Schluss, dass der Staat, von dem aus der gesetzliche Zwang ausgeübt wird, sowohl durch die Besetzung der das Regelwerk aufstellenden und fortschreibenden Kodexkommission, als auch durch die Bekanntmachung des Kodex eine Mitverantwortung dafür übernehmen muss, dass die Empfehlungen, auf die sich die gesetzliche Erklärungspflicht bezieht, mit dem zwingenden Recht in Einklang stehen. 114 Inhaltlich erstreckt sich die Erklärung zum einen als Wissenserklärung auf die Vergangenheit, daneben aber auch als Absichtserklärung auf die zukünftige Tätigkeit der Gesellschaft, Bredol/Schäfer, NZG 2013, 568, 569. 115 Dazu Tröger, ZHR 175 (2011), 746, 752 ff.; zum Ganzen Koch, in: Hüffer-AktG, § 161 Rn. 1.
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c) Die Rechtsnatur Der von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Codex erarbeitete und im Februar 2002 erstmals veröffentlichte Kodex, auf den sich die abzugebende Entsprechungserklärung inhaltlich bezieht, ist als unverbindliche Verhaltensempfehlung zur Unternehmensleitung und Überwachung zu verstehen.116 Im Kodex finden sich drei verschiedene Arten von Normen. Dies sind zum einen Bestimmungen, die lediglich geltendes Recht oder die Interpretation geltenden Rechts wiedergeben. Zum anderen enthält der Kodex Empfehlungen, welche mit „soll/en“ gekennzeichnet werden und Anregungen, die durch „sollte“ oder „kann“ beschrieben werden. Diese gehen ihrem Inhalt nach über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Die Verpflichtung zur Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 Abs. 2 AktG betrifft lediglich die Empfehlungen des Kodex, während von den Anregungen ohne nähere Begründung abgewichen werden kann.117 Innerhalb der Entsprechenserklärung selbst wird zwischen der vergangenheitsbezogenen und der zukunftsbezogenen Erklärung differenziert. Bei der Erklärung, ob bisher den Empfehlungen entsprochen wurde, handelt es sich um eine Wissenserklärung für die Vergangenheit.118 Die Erklärung über zukünftige Verhaltensweisen ist als Absichtserklärung zu verstehen.119 Diese Absichtserklärung entfaltet allerdings keine verpflichtende Selbstbindung, vielmehr kann jederzeit von einzelnen oder sämtlichen Empfehlungen des Kodex abgewichen werden.120 Wird allerdings an den einmal erklärten Verhaltensgrundsätzen nicht mehr festgehalten, so ist eine Aktualisierung der Entsprechenserklärung zwingend vorzunehmen.121
116 So
S. 21.
bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zum TransPuG, BT-Drs. 14/8769
117 Der Kodex erfreut sich ausweislich des mit der Evaluierung betrauten Berlin Center of Corporate Governance einer hohen Akzeptanz. Die Befolgungsquote lag ausweislich einer Studie aus dem Jahr 2013 im Durchschnitt bei 81,9 % bezüglich der geäußerten Empfehlungen und bei 64,1 % bezogen auf die Anregungen des Kodex. Eingehend dazu v. Werder/Bartz, DB 2013, 885, 886. 118 Vgl. dazu Borges, ZGR 2003, 508, 528; Krieger, in: FS Ulmer, 2003, S. 365, 371; Semler/Wagner, NZG 2003, 553, 554. 119 Koch, in: Hüffer-AktG, § 161 Rn. 20; Hölters, in: Hölters-AktG, § 161 Rn. 23; Goette, in: MüKo-AktG, § 161, Rn. 35. 120 Dieser Schluss wird aus der grundsätzlichen Unverbindlichkeit des Kodex gezogen, Vetter, NZG 2008, 121, 122, und kann auch dann erfolgen, ohne dass dafür fundierte sachliche Gründe sprechen müssten, Koch, in: Hüffer-AktG, § 161 Rn. 20. 121 Dies rührt daher, dass es den Interessen des Kapitalmarkts entgegenlaufen würde, falls eine überholte und damit unzutreffende Erklärung aufrechterhalten würde, OLG München ZIP 2009, 133, 135.
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d) Übertragbarkeit auf die außergerichtliche Streitbeilegung Auch die ADR-Richtlinie sieht in bestimmten Fällen Informationspflichten für Unternehmer gegenüber Verbrauchern vor. Gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie sollen Unternehmer die Verbraucher über die AS-Stelle oder AS-Stellen in Kenntnis setzen, von der oder denen sie erfasst werden, sofern sie sich verpflichten oder verpflichtet sind, diese Stellen zur Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern einzuschalten. Die Informationen, zu denen insbesondere die Website der AS-Stelle gehört, sind auf der Homepage der Unternehmer anzugeben und in die allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kauf- oder Dienstleistungsverträge in klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Weise aufzunehmen. Die Hintergründe der Informationspflicht beleuchtet Erwägungsgrund 47 näher, der ausführt, dass im Fall einer Streitigkeit Verbraucher rasch herausfinden können sollen, welche AS-Stellen für ihre Beschwerde zuständig sind und ob der betreffende Unternehmer sich an einem bei einer AS-Stelle eingeleiteten Verfahren beteiligen wird. Darüber hinaus sollen nach Erwägungsgrund 49 die von der ADR-Richtlinie erfassten Verfahren grundsätzlich ohne einen Teilnahmezwang auskommen.122 Allerdings findet sich in Erwägungsgrund 49 ebenfalls der Passus, dass Unternehmer so weit wie möglich ermutigt werden sollen, an außergerichtlichen Verfahren teilzunehmen, sodass sich vor diesem Hintergrund die Frage stellt, ob eine Ermutigung im Sinne der Richtlinie auch durch die Einführung eines Comply or Explain Systems bewerkstelligt werden kann. aa) Die Ausgangslage der ADR-Richtlinie Als Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass die Richtlinie nationale Rechtsvorschriften unberührt lässt, nach denen die Teilnahme von Unternehmern an außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren verpflichtend ist oder durch Anreize oder Sanktionen gefördert wird, sofern diese Rechtsvorschriften die Parteien nicht daran hindern, ihr Recht gemäß Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Zugang zum Gerichtssystem wahrzunehmen. Damit ist eine Umsetzung im Sinne eines Comply or Explain-Prinzips denkbar, da mittels einer Erklärungspflicht des Unternehmers dieser nicht an der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche gehindert wird. Die besondere Eignung einer begründungsbedürftigen Erklärung zur Stärkung des Teilnahmeinteresses der Unternehmer ergibt sich nun daraus, dass sich diese eingehend mit den Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung auseinander setzen werden. Bereits dadurch kann in manchen Fällen eine 122 Verfahren gemäß der ADR-Richtlinie sollen ausweislich des Erwägungsgrunds nicht vorschreiben, dass Unternehmer sich an diesen beteiligen müssen oder dass das Ergebnis solcher Verfahren für sie (bereits deshalb) verbindlich ist, wenn ein Verbraucher eine Beschwerde gegen sie eingereicht hat.
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Akzeptanz erzeugt und damit die Bereitschaft zur Teilnahme hervorgerufen werden. Andererseits wird durch die Notwendigkeit der Erklärung der Unternehmer mit einem gewissen Befolgungszwang konfrontiert. Sollte er keine stichhaltigen Gründe für seine Verweigerung vorbringen können, so kann dies zu einem Nachteil im Wettbewerb mit anderen Unternehmern werden. bb) Inhalt der Empfehlung Im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung ist die genaue Ausgestaltung der Verfahren den jeweiligen streitbeilegenden Stellen überlassen. Eine dem Corporate Governance Kodex entsprechende Empfehlung sollte sich hier darauf beschränken, die bestehenden zertifizierten Stellen anzugeben und den Unternehmern in den jeweiligen Sektoren nahezulegen, vom Angebot der alternativen Streitbeilegung möglichst umfassend Gebrauch zu machen. Dies sollte im Hinblick auf die besonderen Schwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gerade für derartige Streitfälle explizit herausgehoben werden. Diese Empfehlung sollte von der zertifizierenden Stelle ausgesprochen werden und neben der allgemeinen Information über die bestehenden Stellen auch deren besonderen Vorteile im Rahmen der Forderungsdurchsetzung enthalten. Zudem sollte – wie im System des § 161 Abs. 2 AktG – eine Erklärungspflicht des Unternehmers aufgenommen werden. Mittels dieser kann sichergestellt werden, dass er sich einerseits tatsächlich mit der Empfehlung auseinander gesetzt hat und andererseits die Verbraucher über das geschäftliche Gebaren des Unternehmers informiert werden.123 Die Erklärungspflicht ist hierbei der entscheidende Punkt für den Erfolg der außergerichtlichen Streitbeilegung, fordert sie doch die eingehende Beschäftigung des Unternehmers mit dem Angebot der streitbeilegenden Stellen und hilft den Verbrauchern bei der Auswahl ihres Vertragspartners. Zudem kann der Unternehmer sich nicht mit einer schlichten Verweigerung begnügen, sondern muss vielmehr begründen, warum gerade für ihn die außergerichtliche Konfliktlösung nicht in Betracht kommt. cc) Die Belastung des Unternehmers Zwar ist mit der Einführung eines solchen Systems eine gewisse Belastung des Unternehmers verbunden. Da aber im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung eine denkbare Empfehlung allein darauf ausgerichtet sein wird, dass der Unternehmer die außergerichtliche Streitbeilegung über zertifizierte ASStellen wahrnehmen sollte, hätte sich dieser nur zu dieser einen Empfehlung zu äußern und bei ablehnender Haltung diese kurz und verständlich zu begründen. 123 Hierbei besteht auf Seiten des Unternehmers auch die Möglichkeit, bei einer Ablehnung der alternativen Streitbeilegung über AS-Stellen seine Position zu erklären und damit dem Verbraucher verständlich zu machen.
IV. Die Teilnahme des Unternehmers
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Eine signifikante Mehrbelastung durch eine eingehende Prüfung eines umfangreichen Regelwerks wird dadurch nicht entstehen. dd) Zu erwartende Effekte Nach den Erfahrungen mit § 161 AktG kann zunächst angenommen werden, dass als Folge der Erklärungspflicht sich die meisten Empfehlungsadressaten mit den an sie gerichteten Empfehlungen zumindest inhaltlich auseinander setzen. Im Gegensatz zum Kapitalmarkt kann jedoch kurzfristig nicht mit einer in gleichem Maße hohen Akzeptanz gerechnet werden. Der Grund dafür liegt darin, dass nicht jeder Unternehmer – wie die am Kapitalmarkt tätigen Unternehmen – in gleichem Maße der aktiven Kontrolle der konsumierenden Verbraucher ausgesetzt ist. Der angestrebte Befolgungsdruck wird sich trotz der geringeren Kontrolldichte durchaus ausbreiten. Grund hierfür ist, dass es auch in heterogenen Märkten wie dem E-Commerce größere Anbieter gibt, welche weit mehr im Fokus der Verbraucher stehen als die kleinen und mittelständischen Unternehmer. Sobald der Verbraucher über die Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung umfassend unterrichtet sein wird und diese neue Form der Streitbeilegung als interessant einstuft, besteht die Chance, dass auch andere Unternehmer ihrer Erklärungspflicht nachkommen und bezüglich der alternativen Streitbeilegung Farbe bekennen.124 e) Fazit Die Möglichkeit der Implementierung des Comply or Explain-Prinzips sollte bei der Umsetzung der ADR-Richtlinie und auch im Interesse der Entwicklung einer flächendeckenden Schlichtungslandschaft in Deutschland ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Mit einer nur geringfügigen Belastung der Unternehmer schafft es die Möglichkeit, die Informationsdefizite der Verbraucher abzubauen sowie aus den jeweiligen Märkten heraus einen gewissen Befolgungsdruck auf die Unternehmer aufzubauen. Damit könnten zwei wesentliche Ziele der ADR-Richtlinie mit einer einzigen Maßnahme erreicht werden. 3. Das Teilnahmeinteresse des Unternehmers Wenn die außergerichtliche Streitbeilegung erfolgreich sein soll, müssen die Unternehmer dafür gewonnen werden, sei es mit sanftem Druck oder besser 124 Denkbar ist einerseits, dass bei den großen Anbietern wie beispielsweise Amazon auf das unternehmensinterne Kundenmanagement verwiesen wird. Andererseits könnte sich der Konzern ebenso gut die aus der Zusammenarbeit mit einer zertifizierten AS-Stelle erwachsenden Marketing Vorteile sichern und als Erklärung eine Zustimmung zu außergerichtlicher Streitbeilegung nach den Grundsätzen der ADR-Richtlinie abgeben.
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freiwillig aufgrund wirtschaftlicher Vorteile, welche die gegebenenfalls auftretenden Kosten deutlich überwiegen. Diese können in größeren Absatzchancen liegen, die sich sofort oder auch mit zeitlicher Verzögerung bemerkbar machen, insbesondere aufgrund einer verbesserten Außendarstellung, welche sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmern positiv auswirken kann. Der Unternehmer hebt sich nicht nur durch günstige Angebote hervor, sondern durch ein erweitertes Serviceangebot, das auch die Bearbeitung von etwaigen Reklamationen durch Kunden einbezieht und schließlich im Angebot eines außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens endet. Dieses Angebot ist insbesondere für exportorientierte Unternehmer, welche neue Märkte im Ausland erschließen wollen, von Bedeutung, müssen sie doch meist zurückhaltende Kunden, denen das ausländische Unternehmen noch wenig bekannt ist, für sich gewinnen. Die Vertrauensgewinnung kann durch eine Risikominimierung für den Verbraucher erleichtert werden, zumal dieser aufgrund der hier entwickelten Verfahrenseröffnung die Streitfälle in seinem Heimatstaat klären lassen kann. Aufgrund der wirtschaftlichen Vorteile, die mit der grenzüberschreitenden Außergerichtlichkeit für die Unternehmer verbunden sind, ist eine Nutzung von AS-Stellen durchaus wahrscheinlich. Diese bieten für den Unternehmer aber noch einen weiteren Vorteil. Wenn sich eine Stelle mit grenzüberschreitenden Sachverhalten beschäftigt, wird sich neben der fachlichen Expertise auch eine erhöhte Sprachenkompetenz, welche für die mögliche Anwendung ausländischen Rechts notwendig ist, ausprägen.125 Diese ermöglicht es der Stelle, den Unternehmer bei der Verfahrensdurchführung in seiner Landessprache zu unterstützen,126 was wiederum einen weiteren Anreiz zur Nutzung der AS-Stelle durch den ausländischen Unternehmer ergeben könnte. Deren Finanzierung kann durch Einzelfallpauschalen der Unternehmer oder bei sektorieller Spezialisierung durch die (teilweise) Unterstützung ausländischer wie inländischer Branchenverbände sichergestellt werden. 4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Das VSBG verpflichtet Unternehmer, die eine Webseite unterhalten oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden, den Verbraucher vorab klar und verständlich darüber zu informieren, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen und auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn er sich zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbrau125
Vgl. dazu Sessler, ZKM 2014, 161, 162. Laut § 12 Abs. 1 VSBG ist die Verfahrenssprache Deutsch, jedoch kann die Verfahrensordnung gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 VSBG weitere Sprachen vorsehen, in denen ein Streitbeilegungsverfahren durchgeführt werden kann, wenn eine Partei dies beantragt und die andere Partei sich darauf einlässt. A maiore ad minus kann bei einer Verfahrensführung auf Deutsch der Unternehmer auch zu einzelnen Punkten in seiner Heimatsprache unterstützt werden. 126
V. Die formularmäßig vorgesehene Schlichtung
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cherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist.127 Die Erklärung ist somit unabhängig von einer Teilnahmebereitschaft abzugeben, muss allerdings nicht näher begründet werden.128 Zwar ist für den Verbraucher daraus ersichtlich, welche Unternehmer eine außergerichtliche Streitbeilegung generell ablehnen, ob damit jedoch die Teilnahmebereitschaft der Unternehmer, die sich in der Regel erst aus einer umfassenden Beschäftigung mit den Vorteilen der außergerichtlichen Streitschlichtung ergibt, schon erhöht werden kann, bleibt zweifelhaft.129 Soweit sich ein Unternehmer keiner privaten Verbraucherschlichtungsstelle angeschlossen hat, kann sich der Verbraucher an die Universalschlichtung der Länder wenden. Zwar ist der Unternehmer auch hier nicht zur Teilnahme verpflichtet, allerdings wird, falls er die Teilnahme am Verfahren nicht innerhalb von drei Wochen ablehnt, nachdem ihm der Antrag des Verbrauchers von der Universalschlichtungsstelle des Landes übermittelt worden ist, ein Verfahren durchgeführt.130 Die für dieses Verfahren anfallende Gebühr, deren Höhe abhängig vom Streitwert nach § 30 Abs. 1 S. 2 VSBG festgesetzt wird, ist vom Unternehmer zu tragen.131
V. Die formularmäßig vorgesehene Schlichtung Das Interesse des Unternehmers an einer außergerichtlichen Streitbeilegung kann aber auch sehr groß sein, sodass er in dieser Hinsicht entsprechende Vorkehrungen treffen will. Gerade für Unternehmer, die in einem fremden Markt tätig werden, wird die Vermeidung von dortigen Gerichtsverfahren ein wichtiges Anliegen sein. In Betracht kommt insoweit die Einbeziehung einer Schlichtungsklausel in seine allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche er dann gegenüber seinen Kunden verwenden könnte.132 Ob und unter welchen Bedingungen eine solche Regelung wirksam vereinbart werden kann, soll nachfolgend untersucht werden. 127 Vgl. § 36 Abs. 1 VSBG. Zu den Informationspflichten des VSBG Janzen, VuR Sonderheft 2016, 4, 7–8. 128 Eingehend zu dieser Erklärung Greger, ZZP 128 (2015), 137, 142 f. 129 Zu den möglichen Konsequenzen bei der Nichtbeachtung der Informationspflicht Lederer, CR 2015, 380, 383. 130 Vgl. § 30 Abs. 5 S. 2 VSBG. Die Universalschlichtungsstelle kann in einem solchen Verfahren einen Schlichtungsvorschlag nach Aktenlage unterbreiten, wenn der Unternehmer zu dem Antrag des Verbrauchers keine Stellungnahme abgibt, § 30 Abs. 4 S. 2 VSBG. 131 Auf diesen Umstand ist gemäß § 30 Abs. 5 S. 3 VSBG zugleich mit der Übermittlung des Antrags durch die Universalschlichtungsstelle hinzuweisen. 132 Vgl. dazu eingehend Eidenmüller/Engel, ZZP 128 (2015), 149, 156. Zur Frage der formularmäßigen obligatorischen Streitschlichtung bereits M. Stürner, in: Außergerichtliche Streitbeilegung – Reden statt Klagen, S. 9, 13 f.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
1. Der Ausgangspunkt der Richtlinie Im Grundsatz beruht die Auswahl der streitbeilegenden Stelle auf dem individuellen Konsens der Parteien.133 Allerdings ist es möglich, dass der Unternehmer bereits in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen eine bestimmte streitbeilegene Stelle benennt, vor der Beschwerden gegen ihn eingereicht werden können. Weitergehend besteht die Möglichkeit, dass der Unternehmer in seinen AGB die Anrufung der Stelle als zwingende Vorstufe für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn festschreibt. In der ADRRichtlinie behandelt Art. 10 Abs. 1 diese Frage und erklärt eine Vereinbarung zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer über die Einreichung von Beschwerden bei einer AS-Stelle für den Verbraucher dann für nicht verbindlich, wenn sie vor dem Entstehen der Streitigkeit getroffen wurde und wenn sie dazu führt, dass dem Verbraucher das Recht entzogen wird, die Gerichte zur Beilegung des Streitfalls anzurufen. 2. Behandlung im deutschen Recht Im deutschen Recht wurde die Zulässigkeit eines obligatorischen Schlichtungsversuches im Rahmen des § 15a EGZPO bereits höchstrichterlich behandelt. Dabei wurde die mit einer derartigen Schlichtung einhergehende Einschränkung des Justizgewährungsanspruchs vom BVerfG unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als gerechtfertigt angesehen.134 Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass die vorgesehene obligatorische Streitschlichtung auf Fälle von eher geringer wirtschaftlicher Bedeutung begrenzt sei und in keinem Fall den Zugang zu den staatlichen Gerichten versperre. Zwar sei der Zugang zu staatlichen Gerichten erschwert und könne bei einem Scheitern des Einigungsversuchs zu Verzögerungen und höheren Kosten führen. Allerdings führt die außergerichtliche Streitschlichtung in erfolgreichen Fällen umgekehrt dazu, dass eine Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte infolge der schon erreichten Einigung entfällt, die Streitschlichtung für die Betroffenen kostengünstiger ist und vielfach auch schneller erfolgen kann als eine gerichtliche Auseinandersetzung. Wenn diese zu Lösungen führt, welche in der Rechtsordnung so nicht vorgesehen sind, die von den Betroffenen aber – wie sich aus deren Konsens ergibt – als gerecht empfunden werden, dann kann auch dies als eine befriedende Bewältigung des Konflikts verstanden werden. Schließlich sei die Möglichkeit 133 Dieser Schluss ergibt sich im Zusammenspiel der ADR-Richtlinie mit der ODR-Verordnung. Letztere legt als Funktion der OS-Plattform in Art. 5 Abs. 4 lit. c unter anderem fest, dass dieser die Ermittlung der zuständigen AS-Stelle oder der zuständigen AS-Stellen und Übermittlung der Beschwerde an die AS-Stelle, auf die sich die Parteien gemäß Artikel 9 geeinigt haben, zukommt. 134 BVerfG, NJW-RR 2007, 1073, 1074.
V. Die formularmäßig vorgesehene Schlichtung
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eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung.135 Zwar kann eine formularmäßig vorgesehene außergerichtliche Streitbeilegung nicht in jeder Hinsicht mit einer von Gesetzes wegen vorgeschriebenen obligatorischen Streitbeilegung verglichen werden. Doch kann die grundsätzliche Feststellung, dass ein vorgeschaltetes Verfahren zur einvernehmlichen Streitbeilegung trotz möglicher Unterschiede zu einem gerichtlichen Verfahren positiv gesehen wird, auf andere derartige Verfahren übertragen werden. Allerdings hängt die Akzeptanz immer von der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Klauseln und Verfahren ab. Wenn beispielsweise der Wortlaut einer AGB-Klausel die Anrufung einer Schiedsstelle zwingend vorschreibt und beim Auftraggeber den Eindruck erweckt, deren Entscheidung sei endgültig und der Rechtsweg damit ausgeschlossen, so ist diese Klausel als unwirksam anzusehen.136 Dies gilt auch dann, wenn sich aus dem Gesamtregelwerk ergibt, dass ein Ausschluss des Rechtswegs tatsächlich nicht vorliegt. Ausreichend ist hier bereits, dass die Schiedsstelle dem Vertragspartner praktisch aufgezwungen wird und der Eindruck erweckt wird, dass deren Entscheid endgültig bindend ist.137 Somit ist eine klare Formulierung zu wählen, die hinreichend erkennen lässt, dass den Vertragsparteien die Beschreitung des Rechtsweges offen gelassen wird. In jüngerer Vergangenheit beschäftigte sich das OLG Frankfurt a. M. mit der Frage, ob eine von einer Rechtsschutzversicherung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel, wonach die Übernahme der Kosten für eine anwaltliche Beratung von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig ist, eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers darstellt.138 Das Gericht stellte in diesem Zusammenhang fest, dass ein Mediationsversuch ohne vorherige oder begleitende rechtliche Beratung für den Versicherungsnehmer mit erheblichen Risiken und Gefahren verbunden ist, die für den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher nicht ohne weiteres erkennbar sind. Der Mediator bewertet im Gegensatz zu Schiedsstellen oder Schlichtungsstellen weder die Positionen der Parteien in rechtlicher Hinsicht noch macht er konkrete Lösungs- oder Kompromissvorschläge. Ohne eine realistische Einschätzung der rechtlichen Situation wird der Verbraucher allerdings kaum sinnvoll eine Entscheidung darüber treffen können, ob und mit 135 Allerdings darf durch eine solche obligatorische Streitbeilegung der staatlich garantierte Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden, da sonst nicht mehr nur von einer Erschwerung, sondern von einem Entzug der Justizgewährung ausgegangen werden muss. 136 BGH NJW 1987, 2818, 2820 im Rahmen der Anrufung einer Schiedsstelle im KfZGewerbe. 137 Vgl. dazu Würdinger, in: MüKo-BGB, § 317 Rn. 5. 138 OLG Frankfurt a. M., GRUR 2015, 919.
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welchem Ergebnis eine Mediation sinnvoll ist bzw. ob die Durchsetzung der eigenen Position mit rechtlichen Mitteln nicht doch der bessere Weg ist. Damit besteht letztendlich die konkrete Gefahr, dass nur um der einvernehmlichen Regelung willen möglicherweise auf Ansprüche verzichtet wird, welche nach der Rechtslage unstreitig bestehen und ohne weiteres durchzusetzen gewesen wären. Damit stellt eine derartige Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar und ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Sofern die AS-Stellen eine rechtliche Bewertung nach anerkannten Maßstäben vornehmen, entfällt dagegen die angeführte Benachteiligung des Verbrauchers, sodass eine formularmäßig vorgesehene Schlichtung nicht immer als ungerechtfertigt angesehen werden kann. 3. Behandlung im europäischen Recht Auch der EuGH hatte sich bereits mit dem obligatorischen Versuch der außergerichtlichen Streitbeilegung zu beschäftigen.139 In der Entscheidung Alassini wurde für die Wirksamkeit einer derartigen Regelung auf die besondere Bedeutung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie auf den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes hingewiesen und daraus vier verschiedene Kriterien abgeleitet, die eine nationalen Regelung, die für Streitfälle die vorherige Durchführung eines außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens vorschreibt, einhalten muss. Demnach darf dieses Verfahren nicht zu einer die Parteien bindenden Entscheidung führen und es darf keine wesentliche Verzögerung für die Erhebung einer Klage verursachen. Die Verjährung der betroffenen Ansprüche muss gehemmt werden und schließlich dürfen für die Parteien keine oder nur geringe Kosten mit dem Verfahren verbunden sein.140 Damit ist – ähnlich wie im deutschen Recht – eine obligatorische außergerichtliche Streitbeilegung unter bestimmten Voraussetzungen als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen.141 Auch hier obliegt die Beurteilung der Wirksamkeit der einzelnen formularmäßigen Klauseln, welche Unternehmer gegenüber Verbraucher verwenden können, gemäß Art. 6 Abs. 1 der Klauselrichtlinie142 primär den Gerichten der Mitgliedstaaten.143 Das europäische Recht gibt lediglich den groben Rahmen 139 EuGH,
Urt. v. 18. 3. 2010 – verb Rs. C-317, 318, 319, 320/08, Rosalba Alassini/Telecom Italia SpA und Filomena Califano/Wind SpA und Lucia Anna Giorgia Iacono/Telecom Italia SpA und Multiservice Srl/Telecom Italia SpA, Slg. 2010, I-2213. 140 Zu den genannten Kriterien im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung Eidenmüller, JZ 2015, 539, 543. 141 Kritisch zu der Entscheidung des EuGH Wagner, CMLR 2014, 165, 171 ff. 142 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. Nr. L 95/29. 143 „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie
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vor, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum erhalten.144 4. Auswirkungen auf die Streitbeilegung nach der ADR-Richtlinie Die in der Alassini Entscheidung genannten Voraussetzungen lassen sich auf die außergerichtliche Streitbeilegung gemäß der ADR-Richtlinie übertragen. Diese bestimmt in Erwägungsgrund 45 selbst, dass Verfahren nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie gerichtliche Verfahren ersetzen oder Verbrauchern oder Unternehmern das Recht nehmen, den Schutz ihrer Rechte vor Gericht einzufordern. Ebenso wird in Art. 8 lit. e der Richtlinie eine zeitige Erledigung der eingehenden Beschwerden gefordert, sodass eine signifikante Verzögerung ausgeschlossen werden kann. Zugunsten des Verbrauchers sieht Art. 8 lit. c ferner vor, dass das AS-Verfahren für diesen entweder kostenlos oder gegen eine Schutzgebühr zugänglich ist. Schließlich findet sich in Erwägungsgrund 45 der Passus, dass zur Ermöglichung der gerichtlichen Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen es den Mitgliedstaaten freisteht, geeignete Mittel hierfür vorzuhalten. Beispielhaft wird die Möglichkeit genannt, dass Verjährungsfristen nicht während eines AS-Verfahrens ablaufen.145 Wenn die zertifizierten AS-Stellen unter den genannten Voraussetzungen ihr Verfahren anbieten, so ist bereits damit ein hohes Maß an Qualität geboten, welches auch bei einer formularmäßigen Schlichtung nicht umgangen werden kann. Dass mit diesen Anforderungen nur diejenigen Streitbeilegungsstellen erfasst werden, welche sich als AS-Stellen zertifizieren lassen, liegt in der Natur der Sache. Für Klauseln, welche die außergerichtliche Streitbeilegung an andere Stellen zulasten des Verbrauchers verweisen, bedarf es dagegen weiterhin des Korrektivs der §§ 307 ff. BGB. 5. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Im deutschen Recht ist eine Bestimmung, wonach der Verbraucher seine Ansprüche gegen den Unternehmer gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat, in allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 309 Nr. 14 BGB unwirksam.146 Der Grund für das Klauselverbot liegt darin, dass sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“ 144 Es ist beispielsweise die Aufgabe des nationalen Rechts, die zur Unverbindlichkeit führende Rechtsfolge zu bestimmen, vgl. dazu Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, A. EG-Verbraucher- und Datenschutzrecht; A 5. Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Art. 6 Rn. 4. 145 Eingehend zur Verjährungshemmung im Rahmen konsensualer Streitbeilegungsverfahren Riehm, NJW 2017, 113, 115 ff. 146 Für dessen Einführung bereits Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 140; Eidenmüller/
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die Entscheidung zwischen Gerichtsverfahren und alternativer Streitbeilegung sachgerecht nur in Kenntnis der konkreten Streitigkeit getroffen werden kann, die naturgemäß bei Vertragsschluss fehlt.147 Zudem wird damit dem Vorwurf des Missbrauchs der Verbraucherschlichtung entgegengetreten, da die Entscheidung, ob ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren eingeleitet werden soll, allein durch den Verbraucher getroffen werden kann.148 Jedoch bleibt es dem Unternehmer unbenommen, seine Teilnahmebereitschaft auf einzelne Streitbeilegungsstellen zu beschränken und damit mittelbar Einfluss auf ein mögliches Schlichtungsverfahren zu nehmen. Die Entscheidung, ob eine Schlichtung stattfinden werden soll, verbleibt zwar dem Verbraucher, die Frage wo und wie diese Schlichtung durchgeführt werden wird, kann hingegen der Unternehmer durch die Einschränkung seiner Teilnahmebereitschaft aktiv steuern.149 Dies begegnet für die Streitbeilegung nach dem VSBG jedoch keinen tiefgreifenden Bedenken, da die außergerichtliche Streitbeilegung vor staatlich anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen gemäß § 2 Abs. 1 VSBG stattfindet und damit ein vergleichbares Niveau der einzelnen Stellen gewährleistet wird.150 Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist zudem zu beachten, dass das Klauselverbot nur dann einschlägig ist, wenn auf die vertragliche Verpflichtung deutsches Recht anwendbar ist. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist in bestimmten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Durchführung einer außergerichtlichen Streitbeilegung nicht nur in allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig, sondern sogar als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine zivilprozessuale Klage ausgestaltet.151 Damit ist die Ermittlung des anwendbaren Rechts in jedem Fall notwendig, bevor über die Wirksamkeit der Schlichtungsklausel entschieden werden kann.
Engel, ZIP 2013, 1704, 1709. Rechtlich zulässige Gestaltungsmöglichkeiten in allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Berücksichtigung des § 309 Nr. 14 BGB stellt Greger, SchiedsVZ 2016, 306, 307 dar. 147 So bereits die Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 18/5760, Nr. 40. 148 Vgl. Eidenmüller/Engel, ZIP 2013, 1704, 1707; H. Roth, DRiZ 2015, 24, 25. 149 Darauf weist M. Stürner, in: Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Jahresband 2014, S. 63, 75 ausdrücklich hin. 150 Zu diesem Bezeichnungsschutz näher unter VI 4. 151 Dies ist beispielsweise in Italien der Fall. Dort ist der Verbraucher in bestimmten Fällen vor der Klageerhebung nicht nur zur Teilnahme an einem Mediationsverfahren verpflichtet, sondern muss sich in diesem Verfahren zudem auf eigene Kosten von einem Anwalt vertreten lassen. Ob diese Bestimmungen im Einklang mit der ADR-Richtlinie stehen, ist aktuell Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des Tribunale Ordinario di Verona (Italien) vom 10. Februar 2016, Rechtssache C-75/16, Livio Menini und Maria Antonia Rampanelli ./. Banco Popolare – Società Cooperativa, ABl. C 156/24 an den EuGH.
VI. Die formellen Qualitätsanforderungen der Richtlinie
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VI. Die formellen Qualitätsanforderungen der Richtlinie Die ADR-Richtlinie setzt sowohl für die Einrichtung der streitbeilegenden Stellen als auch für deren Besetzung bestimmte Qualitätsanforderungen fest, welche zum einen die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Stellen, zum anderen die fachliche Kenntnis der streitbeilegenden Personen garantieren sollen. 1. Die institutionellen Absicherungen Artikel 6 der ADR-Richtlinie beschäftigt sich mit dem Fachwissen, der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der mit der Streitbeilegung befassten Personen und Stellen. Bereits Erwägungsgrund 32 stellt hierzu fest, dass die Unabhängigkeit und Integrität der AS-Stellen wesentlich für das Vertrauen der Bürger ist, dass AS-Verfahren ihnen ein faires und unabhängiges Ergebnis garantieren. Um dieses Vertrauen zu schaffen, sollen die natürlichen Personen oder kollegialen Gremien, welche für die außergerichtliche Streitbeilegung verantwortlich sind, unabhängig von all denen sein, welche ein Interesse am Ergebnis haben könnten.152 a) Die streitbeilegende Person Um dies zu garantieren, wurden im Hinblick auf die mit der Streitbeilegung betrauten Personen in Art. 6 Abs. 1 mehrere Voraussetzungen eingefügt. Der Zeitraum der Berufung soll zum einen ausreichend lang sein, um die Unabhängigkeit des Handelns zu gewährleisten, und zum anderen muss sichergestellt sein, dass die mit der Streitbeilegung befasste Person nicht ohne triftigen Grund ihres Amtes enthoben werden kann. Zudem soll keine Weisungsgebundenheit bestehen und die Vergütung unabhängig von Ausgang der jeweiligen Verfahren erfolgen. Soweit die streitbeilegenden Personen einem kollegialen Gremium angehören, soll gemäß Art. 6 Abs. 5 sichergestellt werden, dass dieses mit jeweils der gleichen Anzahl von Vertretern der Verbraucherinteressen und von Vertretern der Unternehmerinteressen besetzt ist. b) Die streitbeilegende Stelle Während für die streitbeilegende Person die Anforderungen recht konkret ausgestaltet wurden, ist dies im Hinblick auf die AS-Stellen zurückhaltender erfolgt. Diese werden insbesondere für Verfahren, bei denen die mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen ausschließlich von einem einzelnen Unter152 Sie sollten darüber hinaus keinem Interessenkonflikt ausgesetzt sein, der sie davon abhalten könnte, eine Entscheidung in fairer, unparteiischer und unabhängiger Art und Weise zu treffen.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
nehmer beschäftigt oder bezahlt werden, in Art. 6 Abs. 3 näher konkretisiert.153 Hinsichtlich der Stelle wird dort ausgesagt, dass diese keine hierarchische oder funktionale Beziehung zu dem oder den finanzierenden Unternehmern haben darf und von den betrieblichen Einheiten des Unternehmers eindeutig zu trennen ist. Zudem muss ihr für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben ein ausreichender Haushalt, der vom allgemeinen Haushalt des Unternehmers getrennt ist, zur Verfügung stehen. Somit ist sowohl finanziell als auch institutionell eine klare Abgrenzung notwendig, um als AS-Stelle im Sinne der Richtlinie anerkannt werden zu können.154 Allerdings ist hierbei zu beachten, dass eine derartige Regelung nicht nur für unternehmensfinanzierte Streitbeilegungsstellen gelten sollte, sondern ebenso auf eine durch eine Verbraucherorganisation unterhaltene Stelle angewandt werden muss. Die Ausgangsposition ist in beiden Fällen gleich, sodass eine andere Behandlung nicht gerechtfertigt wäre. c) Die Unabhängigkeit im Verfahren Ein wichtiger Kritikpunkt wurde allerdings mit den genannten Anforderungen nicht in ausreichendem Maße gewürdigt. Im Rahmen der materiellen Verfahrensführung hat die AS-Stelle bestimmte Hinweispflichten gegenüber den Parteien. Diese bestehen bereits bei der Einleitung der Verfahren hinsichtlich der vorzulegenden Beschwerdeunterlagen. Aus Art. 8 lit. d ergibt sich, dass die AS-Stelle, bei der eine Beschwerde eingereicht wurde, die Parteien der Streitigkeit benachrichtigt, sobald sie alle Unterlagen mit den erforderlichen Informationen zur Beschwerde erhalten hat. Damit korrespondiert die Pflicht, den Verbraucher auf unvollständige Unterlagen hinzuweisen. Auch im Verfahren soll die AS-Stelle den Parteien die Möglichkeit einräumen, innerhalb einer angemessenen Frist auf die von der Gegenpartei vorgebrachten Argumente, Beweise, Unterlagen und Fakten sowie etwaige Feststellungen und Gutachten von Experten Stellung nehmen zu können. Hierbei ist die AS-Stelle gehalten, die Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten zu wahren.155 153 Dort wird zunächst die Amtszeit der streitbeilegenden Person auf mindestens drei Jahre festgelegt und dieser zudem eine Karenzzeit von weiteren drei Jahren nach Ablauf der Amtszeit, innerhalb derer die Person weder für den Unternehmer noch für einen Berufs- oder Wirtschaftsverband, dessen Mitglied der Unternehmer ist, tätig werden darf, auferlegt. Weiterhin müssen die mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen entweder von einem kollegialen Gremium ernannt werden oder einem solchen angehören, welches sich aus jeweils der gleichen Anzahl von Vertretern von Verbraucherverbänden und von Vertretern des Unternehmers zusammensetzt. Schließlich muss die Ernennung transparent erfolgen. 154 Eingehend zur Finanzierung der AS-Stellen und den dadurch notwendigen Absicherungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Vallines Garcìa, in: Stürner/Gascόn Inchausti/ Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, S. 79, 87–94. 155 Das erinnert an die aus dem Zivilprozess bekannten Regelungen über die Pflicht zur materiellen Prozessleitung nach § 139 ZPO. Auch hier ist der Richter zur Gleichbehandlung
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Diese Neutralitätspflicht ergibt sich aus dem Sinn der außergerichtlichen Streitbeilegung als unabhängiges und unparteiisches Instrument zur Konfliktbeilegung, dient aber auch dem in den Mitgliedstaaten bekannten und bewährten System der Verbraucherschutzzentralen. Diese sind als „Anwälte“ der Verbraucher zu verstehen und sollen diesen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ein darüber hinausgehendes Protegieren der Verbraucher ist weder notwendig noch im Hinblick auf die Unternehmerinteressen erlaubt. 2. Die personelle Absicherung Nicht allein die institutionelle Unabhängigkeit und die Unabhängigkeit im Verfahren sind maßgebend für eine Streitbeilegung, welche dem Mindestmaß an verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Gerechtigkeit entspricht. Ebenso ist die personelle Ausstattung der AS-Stelle von herausragender Bedeutung, um eine qualitativ hochwertige Streitbeilegung zu gewährleisten. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a der ADR-Richtlinie soll die mit der Streitbeilegung betraute Person über das Wissen und die Fähigkeiten verfügen, die für die Arbeit im Bereich der AS oder der gerichtlichen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten erforderlich sind, sowie ein allgemeines Rechtsverständnis besitzen. Diese recht offene Formulierung hat in der deutschen Literatur große Kritik auf sich gezogen. Die Kritik betrifft zwei verschiedene Punkte. Zum einen lässt sich weder aus den Erwägungsgründen noch aus Art. 6 selbst ableiten, was unter einem allgemeinen Rechtsverständnis zu verstehen ist. Zum anderen lässt diese Regelung einen großen Spielraum für Interpretationen, welche Personen insofern als geeignet anzusehen sind, eine alternative Streitbeilegung durchzuführen.156 Die Befürchtung, dass die durch eine nicht in ausreichendem Maße qualifizierte Person durchgeführte Streitbeilegung zu einer Schattenjustiz und damit einhergehend zu einer Schwächung des materiellen Verbraucherschutzrechts führen kann, ist allgegenwärtig.157 Diese Kritik ist in großen Teilen durchaus berechtigt. Die Prüfung der Zuständigkeit der AS-Stelle, die Berücksichtigung des anwendbaren Rechts und die Formulierung des Verfahrensergebnisses gehört in die Hände einer fachlich qualifizierten Person.158 Hierfür wird ein allgemeines Rechtsverständnis, was der Parteien verpflichtet. Die Pflicht des Richters zu Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten ergibt sich im staatlich gerichtlichen Verfahren aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, vgl. dazu BVerfGE 52, 131 und BVerfG NJW 2007, 3771, 3773. 156 Dies kritisiert Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 117, 134–138 insbesondere aufgrund der hohen Komplexität des materiellen Verbraucherschutzrechts, dessen Berücksichtigung nur durch den Einsatz von Volljuristen gewährleistet werden könnte. 157 Schulte-Nölke, EuCML 2015, 135, 137 befürchtet in diesem Zusammenhang „Better enforcement of less law“ durch die Alternative dispute resolution. 158 So auch Gsell, ZZP 128 (2015), 189, 195, die diese Qualifikation insbesondere für grenzüberschreitende Sachverhalte fordert.
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immer darunter zu verstehen ist, nicht ausreichen.159 Zudem ist zu bedenken, dass der Erfolg der Schlichtungsverfahren in Deutschland nicht zuletzt auf den personell sehr gut ausgestatteten Stellen beruht, in denen nicht selten ehemalige Richter das Amt des Schlichters ausüben.160 Deren langjährige Expertise, gepaart mit einer fundierten rechtlichen Ausbildung, ist es, was sowohl Verbraucher als auch Unternehmer dazu bringen, sich in die Hände einer außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle zu begeben.161 3. Die Kennzeichnung der Stellen Der Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung ist bisher nur vereinzelt reguliert. Die Folge daraus ist ein kaum überschaubares Angebot an Stellen, welches die Bereitschaft zur Teilnahme sowohl bei Verbrauchern wie Unternehmern bereits aufgrund der Unübersichtlichkeit des Marktes potentiell sinken lässt. Zudem sind die Verfahrensordnungen der einzelnen Stellen nicht einheitlich ausgestaltet, wodurch eine Einzelfallprüfung durch die Beteiligten, ob das angebotene Verfahren zur Streitbeilegung geeignet ist, notwendig wird. Diese zusätzliche zeitliche Belastung wirkt wiederum hemmend auf die Nutzung der außergerichtlichen Streitbeilegung. Die graduelle Vereinheitlichung der Schlichtungslandschaft in den Mitgliedstaaten wird von der ADR-Richtlinie daher mit Recht als ein wichtiger Schritt hin zu einer umfassenderen Nutzung außergerichtlicher Konfliktlösungsmechanismen gesehen.162 a) Der Ausgangspunkt der ADR-Richtlinie Um Verbrauchern und Unternehmern die Auffindung von Streitbeilegungsstellen, die den Anforderungen der ADR-Richtlinie entsprechen, zu erleichtern, sollen diese Stellen in eine auf der Homepage der Kommission unionsweit abrufbare Liste aufgenommen werden. Um in die Liste eingetragen werden zu können, müssen interessierte AS-Stellen zunächst der zuständigen Behörde ihres Mitgliedstaats bestimmte Informationen mitteilen, welche in Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie enumerativ aufgeführt sind. Dazu gehören unter anderem Informationen zu Struktur und Finanzierung der Stelle, zu den mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen und den Verfahrensregeln. Die Behörde erstellt im 159 Auf die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten grenzüberschreitender Sachverhalte, wie der Ermittlung des anwendbaren Rechts, weist Theocharidi, ERPL 24 (2016), 103, 107 hin. 160 Hess/Pelzer, in: Gelinsky, Schlichten statt Richten, S. 35, 39 führen an, dass ein qualitatives und vertrauenswürdiges Streibeilegungsverfahren den Einsatz von qualifizierten Personen erfordere. 161 Für eine Besetzung der AS-Stelle mit einem Volljuristen sprechen sich beispielsweise Berlin, ZKM 2015, 26, 28 und Rühl, ZZP 127 (2014), 61, 85 f. aus; anderer Ansicht ist Lemmel, ZKM 2015, 22, 23. 162 Zur Notwendigkeit eines unionsweiten einheitlichen Systems der Erkennbarkeit von AS-Stellen bereits Deutlmoser/Engel, MMR 2012, 433, 434.
VI. Die formellen Qualitätsanforderungen der Richtlinie
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Anschluss eine Liste mit allen die Voraussetzungen erfüllenden Stellen, welche gemäß Art. 20 Abs. 2 die wesentlichen Daten wie Name, Kontaktangaben und Website-Adressen, sowie die Verfahrenssprache oder die Sektoren und Kategorien der erfassten Streitigkeiten enthalten. Diese Liste bildet zusammen mit den Listen aus den weiteren Mitgliedstaaten die Grundlage für die Veröffentlichung auf der Homepage der Kommission. Diese enthält in einer eigenen Liste alle gemeldeten Stellen und wird durch die Kommission bei Änderungen stetig aktualisiert. Die konsolidierte Liste wird dann den zuständigen Behörden bekanntgegeben, welche diese durch eine Verlinkung auf ihren Homepages dem Verbraucher nochmals zugänglich machen.163 Teilweise wird angenommen, dass die Eintragung einer streitbeilegenden Stelle in die konsolidierte Liste ausreiche, um das Vertrauen der Parteien in deren außergerichtliche Streitbeilegung zu gewährleisten. Verbraucher wie Unternehmer würden sich auf die Seite der Kommission begeben und dort eine für sie geeignete Stelle finden, sodass weitere Absicherungen entbehrlich wären.164 Umgekehrt würde dadurch die Nachfrage bei nicht aufgeführten außergerichtlichen Stellen zurückgehen, da aufgrund der Listeneintragung die eingetragenen Stellen sich eines höheren Verbrauchervertrauens erfreuen.165 Ob alleine die Eintragung in eine Liste das erforderliche Vertrauen der potentiellen Parteien zu erwecken vermag, erscheint jedoch zweifelhaft. Dass vor jeder Beschwerde der Verbraucher die Seite der europäischen Kommission aufsucht, um sich über die einzelnen AS-Stellen zu informieren, ist keineswegs sicher. Wahrscheinlicher ist, dass sich der Verbraucher direkt nach einer Beschwerdestelle umsehen wird und hierfür meist die Homepage der jeweiligen AS-Stelle heranzieht. Demnach wäre bereits in diesem Stadium eine Absicherung wünschenswert, mittels derer der Verbraucher erkennen kann, dass die AS-Stelle eine qualitativ hochwertige, an den Voraussetzungen der ADR-Richtlinie ausgerichtete Streitbeilegung anbietet. b) Die Vergabe eines Gütesiegels Zur besseren Erkennbarkeit qualitativ hochwertiger Produkte und Dienstleistungen werden seit längerem Prüfzeichen, Gütesiegel und Gütezeichen verliehen. Diese Kennzeichen bringen zum Ausdruck, dass die konkret beworbene Ware oder Leistung von einem neutralen Dritten mit entsprechender Kompetenz nach objektiven Kriterien geprüft wurde.166 Bei der Vergabe eines Gütesiegels 163 Die Einzelheiten des Verfahrens sind in Artt. 19 und 20 der Richtlinie eingehend beschrieben. Aufgrund des aufwändigen Procederes sprechen Eidenmüller/Engel, ZIP 2013, 1704, 1708 von einer ineffizienten Regulierungsbürokratie. 164 Berlin, ZKM 2013, 108, 109 nimmt an, dass allein die Teilnahme der Unternehmen an einem derartigen Verfahren vom Verbraucher bereits als Gütesiegel gewertet werden wird. 165 In diese Richtung Rühl, RiW 2013, 737, 741. 166 Vgl. Weidert, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-UWG, § 5 Rn. 277. Prüfzei-
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
werden einerseits Qualitätsanforderungen an Waren oder Dienstleistungen festgelegt und andererseits die Einhaltung der Anforderungen einer ständigen Überwachung durch die vergebende Stelle unterworfen. Die besondere vertrauensstiftende Wirkung von Gütesiegeln resultiert daraus, dass die vergebende Einrichtung die innere Organisation des betreffenden Anbieters überprüft und sich dabei das Unternehmen im Allgemeinen und die Behandlung von Kundenbeschwerden im Besonderen näher ansieht.167 Bei Verstößen gegen die geforderten Kriterien kann dem Unternehmer das Siegel wieder entzogen und damit dessen Reputation innerhalb des Marktes empfindlich beschädigt werden. Für den Erfolg eines Gütesiegels sind mehrere Faktoren entscheidend. Zum einen muss die zertifizierende Stelle die Gewähr für eine unabhängige Überprüfung der angebotenen Waren und Dienstleistungen bieten. Diese Gewähr beruht zum einen auf der transparenten Darstellung der Vergabekriterien, mit der nachvollzogen werden kann, weshalb ein Unternehmer ein bestimmtes Gütesiegel tragen darf. Zum anderen spielt die Unabhängigkeit der vergebenden Stelle eine entscheidende Rolle. Soweit die finanzielle Eigenständigkeit der Stelle unabhängig von den Verhaltensweisen der zertifizierten Unternehmer gewährleistet ist, wird dem Siegel ein höherer Grad an Aussagekraft zugemessen. Schließlich ist die Bekanntheit der das Siegel verleihenden Stelle ein wichtiger Punkt für dessen Überzeugungskraft. Falls mit dieser bestimmte Qualitätskriterien verbunden werden, kann ein Siegel den gewünschten Wettbewerbsvorteil tatsächlich erzeugen.168 c) Ein europäisches ADR-Gütesiegel Die Idee der Gütesiegelvergabe wurde im Unionsrecht schon in der Mitteilung der Kommission über die Digitale Agenda für Europa aufgegriffen. Bereits dort wurde festgestellt, dass der europäische Online-Markt an mangelndem Vertrauen der potentiellen Nutzer leide. Um diesen Missstand zu beheben, plante die Kommission die Einführung eines EU-Online-Vertrauenssiegels, das die Verbrauchersicherheit garantieren sollte. Auch innerhalb der ADR-Richtlinie wurde die Aufnahme eines europäischen Vertrauenssiegels diskutiert, jedoch sowohl von einer expliziten Aufnahme dieses Siegels, als auch von einem chen sind beispielsweise das TÜV-Prüfzeichen, ein Beispiel für ein Gütezeichen ist das CMAGütezeichen „Markenqualität aus deutschen Landen“. 167 Dazu beispielsweise Boos/Roßnagel, MMR 2015, 215, 218, welche allerdings darauf hinweisen, dass zunächst jedes Prüfsiegel einzeln daraufhin untersucht werden muss, ob eine ernstzunehmende Prüfung durch den Siegelgeber erfolgt. Falls dies der Fall sein sollte, so können durch ein bestimmtes Siegel teilweise detaillierte Aussagen zu bestimmten rechtlichen Anforderungen gemacht werden. Damit kann zumindest eine allgemeine Einschätzung zum Verbraucherschutzniveau eines Online-Shops gegeben werden. 168 Vgl. dazu Polenz, in: Kilian/Heussen, Computerrechtshandbuch, I. Abschnitt, Teil 13, Grundrechtsschutz durch Verfahren, Rn. 65 ff.
VI. Die formellen Qualitätsanforderungen der Richtlinie
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gleichfalls möglichen Bezeichnungsschutz letztendlich abgesehen.169 Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf die bestehenden Erfahrungen innerhalb des E-Commerce verwunderlich. Innerhalb des E-Commerce hat sich die Qualitätssicherung über Gütesiegel inzwischen etabliert. Im Bereich des Online-Handels und dem stetig wachsenden Markt der Beschaffung von Dienstleistungen über Online-Portale sind Gütesiegel mittlerweile von hervorgehobener Bedeutung, da diese dem Kunden eine Vorprüfung des Vertragspartners ermöglichen.170 Diese Vorprüfung ist auch bei der Entscheidung für eine außergerichtliche Streitbeilegung essentiell für den beschwerdebefugten Verbraucher. Sollte dieser nicht schnell und unkompliziert erkennen können, dass die jeweilige Stelle ein Verfahren nach den Grundsätzen der ADR-Richtlinie anbietet, besteht die Gefahr, dass er von der Beschwerdeerhebung absehen wird. d) Vergabe durch die Kommission Die Vergabe eines Gütesiegels für außergerichtliche Verfahren kann direkt durch die Kommission erfolgen. Diese ist unabhängig von den zertifizierten AS-Stellen, da keine direkte Finanzierung zwischen den Beteiligten vorliegt. Ein derartiges europäisches Siegel hat zudem den Vorteil, dass es von einer bekannten Stelle vergeben werden würde, die eine hohe Reputation genießt. Schließlich wäre die Verleihung eines Gütesiegels nicht mit einem erheblichen Mehraufwand für die Kommission verbunden, da diese bereits im Zuge der Veröffentlichung der konsolidierten Liste die Gewähr für die Qualität der streitbeilegenden Einheiten erhält. Somit sollte eine Siegelvergabe im Zuge der Aufnahme in die AS-Stellenliste erfolgen.171 Dies hätte im Vergleich zu rein national vergebenen Gütesiegeln den Vorteil, dass eine einheitliche Zertifizierung von außergerichtlichen Einheiten innerhalb des gesamten Binnenmarktes bestünde. Damit wäre dem Verbraucher gerade in grenzüberschreitenden Sachverhalten gedient, da dieser auch bei einem möglichen Verfahren im mitgliedstaatlichen Ausland die erkennbare Gewähr für eine interessengerechte Streitbeilegung erhielte.172 169 Zu ersterem Hayungs, ZKM 2013, 86, zu letzterem Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 17. 170 Eines der bekanntesten Siegel ist das trusted shops Siegel (http://www.trustedshops. de/). Die Trusted Shops GmbH ist selbst kein online Shop, sondern ein Dienstleister, welcher Online-Händler prüft und erfolgreich zertifizierte Shops mit Gütesiegel und Käuferschutz ausstattet. Mittlerweile sind fast 20.000 online Händler von trusted shops zertifiziert worden. Zudem besteht beispielsweise seit 2010 eine enge Zusammenarbeit der GmbH mit dem Bundesverband des Deutschen Versandhandels e. V., dazu Föhlisch, Trusted Shops als Preferred Business Partner in den bvh aufgenommen, MMR-Aktuell 2010, 309188. 171 Für eine Einführung eines europäischen trustmarks spricht sich auch Cortés, Online Dispute Resolution für Consumers in the European Union, S. 193 ff. im Rahmen der ODR aus. 172 So Erwägungsgrund 60 der ADR-Richtlinie für die unionsrechtliche Regelungskompetenz im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip. Zudem erscheint es unlogisch, eine
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
e) Zusätzliche mitgliedstaatliche Kennzeichnung Ferner kann auch auf mitgliedstaatlicher Ebene im Zuge der Umsetzung der ADR-Richtlinie eine Kennzeichnung erfolgen. Diese ist innerhalb des deutschen Rechts in doppelter Hinsicht möglich. Zum einen besteht die Möglichkeit eines Bezeichnungsschutzes, welcher eine bestimmte Benennung der Stellen nur nach erfolgreich absolvierter behördlicher Vorprüfung erlaubt. Mit diesem kann Verbrauchern in reinen Binnensachverhalten die Erkennbarkeit der zertifizierten AS-Stellen erleichtert werden. Zum anderen kann in der durch die Landesjustizverwaltung vorgenommenen Anerkennung als Gütestelle im Sinne des § 794 ZPO die Vergabe eines deutschen Gütesiegels gesehen werden.173 Die Kombination aus Bezeichungsschutz und Gütestellenkennzeichnung hebt nochmals die Reputation der streitbeilegenden Stelle und gewährleistet im Zusammenspiel mit einem europäischen ADR-Siegel die Erkennbarkeit qualitativ hochwertiger alternativer Streitbeilegung für Verbraucher wie Unternehmer. 4. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Zur Absicherung der institutionellen Unabhängigkeit der streitbeilegenden Stellen sieht § 3 S. 1 VSBG vor, dass der Träger der Verbraucherschlichtungsstelle ein eingetragener Verein sein muss. Sofern der Träger Unternehmerinteressen oder Verbraucherinteressen wahrnimmt oder er von einem Verband, der Unternehmerinteressen oder Verbraucherinteressen wahrnimmt, finanziert wird, muss gemäß § 3 S. 2 VSBG für den Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle ein vom Haushalt des Trägers getrennter, zweckgebundener und ausreichender Haushalt zur Verfügung stehen.174 Die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der streitbeilegenden Person finden sich in den §§ 7–9 VSBG, die inhaltlich mit Art. 6 der ADR-Richtlinie übereinstimmen. Darüber hinaus muss die streitbeilegende Person die Befähigung zum Richteramt besitzen oder zertifizierter Mediator175 sein und über die Rechtsunionsrechtliche Regelung zur Vereinheitlichung der Standards innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung zu erlassen, um deren Verifikation im Rahmen eines Gütesiegels oder Bezeichnungsschutzes wieder den Mitgliedstaaten zu überantworten. 173 Gleich der Veröffentlichung der mitgliedstaatlichen außergerichtlichen Streitbeilegungs stellen auf der Homepage der europäischen Kommission finden sich auch die nach Landesrecht anerkannten Gütestellen oftmals auf den Justizportalen der Bundesländer. Beispielhaft hierfür das Justizportal des Landes Niedersachsen, welches die über 60 anerkannten Gütestellen nach Postleitzahlen sortiert aufführt: http://www.justizportal.niedersachsen.de/portal/live. php?navigation_id=3825&article_id=132310&_psmand=50. 174 Zur Unabhängigkeit von Streitbeilegungsstellen trotz der Finanzierung durch die Anbieterseite Steike, VuR Sonderheft 2016, 43–45. 175 Die notwendige Verordnung, die die Voraussetzungen der Aus- und Fortbildung des zertifizierten Mediators regeln wird, ist laut § 6 Abs. 1 S. 1 MediationsG vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zu erlassen und befindet sich bereits in der Planung. Kritisch zur Gleichstellung des zertifizierten Mediators Greger, MDR 2016, 365, 366.
VI. Die formellen Qualitätsanforderungen der Richtlinie
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kenntnisse, das Fachwissen und die Fähigkeiten verfügen, die für die Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle erforderlich sind.176 Gerade für die Fälle der grenzüberschreitenden Sachverhalte ist dies zu begrüßen, da für die Ermittlung des anwendbaren Rechts vertiefte IPR Kenntnisse von wesentlicher Bedeutung sind.177 Aber auch für die Beurteilung rein innerstaatliche Fälle bedarf es juristisch geschulter Personen, um beispielsweise eine höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage zu erkennen.178 Die Kennzeichnung der Stellen, die Verfahren entsprechend den Anforderungen des VSBG anbieten, erfolgt durch deren spezielle Bezeichnung als Verbraucherschlichtungsstellen.179 Diese Bezeichnung dürfen nur die Einrichtungen tragen, welche zum einen Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten durchführen, an denen Verbraucher oder Unternehmer als Antragsteller oder Antragsgegner beteiligt sind, und zum anderen nach dem VSBG oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt, beauftragt oder eingerichtet worden sind.180 Die missbräuchliche Verwendung kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 € geahndet werden.181 Ob allein der Bezeichnungsschutz die Wirkungen eines Gütesiegels erreichen kann, wird die Zeit zeigen. Gerade im Bereich der grenzüberschreitenden Streitfälle bleibt allerdings zweifelhaft, ob die Teilnahmebereitschaft ausländischer Unternehmer durch eine rein nationale Kennzeichnung nachhaltig erhöht werden kann.182
176 Vgl. § 6 Abs. 2 VSBG. Im Rahmen der notwendigen Rechtskenntnisse wird insbesondere auf Kenntnisse des Verbraucherrechts hingewiesen. Kritisch zu den Anforderungen Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, VSGB, § 6 Rn. 6–8, der statuiert, dass damit qualifizierte Schlichter ohne zweites juristisches Staatsexamen in zweckwidriger Weise ausgeschlossen werden. 177 Darauf wurde bereits in der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Referentenentwurf des VSBG hingewiesen, abrufbar unter: http://www.brak.de/zurrechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2015/januar/stellungnahmeder-brak-2015-3.pdf. 178 Auf diesen Aspekt weist auch Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 56 hin. 179 Zu den unionsrechtlichen Problemen des Bezeichnungsschutzes Korte, GewArch 2016, 89, 90 ff. 180 So die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 VSBG. Die Anerkennung ergeht gemäß § 24 VSBG als gebundener Verwaltungsakt. Zu den Einzelheiten des Anerkennungsverfahrens Korte, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 171, 191–194. 181 § 41 Abs. 2 VSBG. 182 Korte, ZKM 2015, 71, 76 spricht sich für einen Bezeichnungsschutz auf Unionsebene aus.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
VII. Die Online Dispute Resolution Die Verfahrenseffizienz der außergerichtlichen Streitbeilegung stellt einen der Anreize für deren Nutzung sowohl durch Verbraucher als auch Unternehmer dar. Um die möglichst zeitnahe Behandlung von Beschwerden zu gewährleisten, ist in den Verfahrensordnungen ein grundsätzlich schriftliches Verfahren vorgesehen. Dieses hat sich in den bisher untersuchten außergerichtlichen Stellen bewährt und kann daher als Grundsatz in der europäischen Streitbeilegungslandschaft bezeichnet werden. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass die bisherigen Verfahren sich primär mit innerstaatlichen Sachverhalten beschäftigten, die meist klassische Kauf- und Dienstverträge betrafen. Damit stellt sich die Frage, ob für grenzüberschreitende Streitfälle, insbesondere hinsichtlich digitaler Inhalte, die bisherigen schriftlich geführten Verfahren durch den Einsatz elektronischer Medien noch effizienter gemacht werden könnten. 1. Arten der Online Dispute Resolution Die außergerichtliche Streitbeilegung unter Hinzuziehung von elektronischen Medien ist unter dem Oberbegriff der Online Dispute Resolution, kurz ODR, bekannt.183 Dieser Begriff umfasst im weiteren Sinne sämtliche Verfahrensarten, angefangen von Mediation bis hin zu Schiedsverfahren, die größtenteils oder ausschließlich online durchgeführt werden.184 Im engeren Sinne wird unter Online Dispute Resolution das synergetische Zusammenspiel zwischen ADR und der Information and Communication Technology, kurz ICT, verstanden, welches insbesondere im Bereich des business to consumer (b2c) zur effektiven Streitbeilegung genutzt werden kann.185 Bei der bisherigen Definition der ODR darf allerdings nicht übersehen werden, dass diese nur ein Grundverständnis ausdrücken kann. Grund hierfür ist, dass die eine Online Dispute Resolution (noch) nicht besteht, sondern es sich um ein sich in der Entwicklung befindliches Projekt mit vielen Facetten handelt.186 Im Rahmen der ODR lassen sich graduelle Abstufungen bei der Nutzung der elektronischen Medien feststellen.187 Die Funktion des verwendeten Mediums 183 Einen Überblick über die Geschichte der Online Dispute Resolution gibt Katsh, Int Rev Law Comput Tech, (21) 2007, 97, 98 ff. sowie Poblet/Suquet, in: Gramatikov, Costs and quality of online dispute resolution, S. 15–23. 184 So beispielsweise Schultz, NC JOLT (6) 2004, 71, 72–73, der die bisher bekannten ODR-Verfahrensarten zusammenfasst. Darunter fallen beispielsweise blind bidding, automated negotiation, automated settlement systems oder assisted negotiation. 185 So versteht Cortés, Online Dispute Resolution for Consumers in the European Union, S. 43 die ODR, insbesondere bei Beteiligung eines Verbrauchers. Ähnlich Edwards/Wilson, Int Rev Law Comput Tech (21) 2007, 315, 316. 186 Vergleiche dazu beispielsweise Hörnle, Cross Border Internet Dispute Resolution, S. 2–3. 187 Zu den einzelnen Erscheinungsformen der ODR Weimann/Nagel, NJ 2012, 413, 415.
VII. Die Online Dispute Resolution
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kann sich einerseits allein auf das Auffinden einer für den Fall passenden Streitbeilegungsstelle und die Übermittlung der Beschwerde an diese beschränken. Elektronisch unterstützte Streitbeilegung kann andererseits aber auch dadurch erfolgen, dass traditionelle Mechanismen der außergerichtlichen Streitbeilegung mit Vereinfachungen der Beschwerdeeinlegung per eMail oder der Verfahrensdurchführung über ein elektronisches Fallbearbeitungsinstrument ergänzt werden und damit die elektronische Komponente zu einem wesentlichen Teil der Streitbeilegung wird. Zuletzt sind auch komplett technisierte Streitbeilegungsmechanismen denkbar, wie beispielsweise algorithmisch berechnete und im Anschluss daran automatisiert ausgeworfene Vergleichsangebote, welche auf den angegebenen Vorstellungen der Parteien basieren. 2. Die Vorteile der Online Dispute Resolution Die außergerichtliche Streitbeilegung kann sowohl bei der Verfahrensführung als auch im Rahmen der verfahrensabschließenden Entscheidung elektronisch unterstützt werden. Insbesondere die in Art. 8 ADR-Richtlinie geforderte Effektivität der Verfahren kann durch den gezielten Einsatz von ODR-Mechanismen gestärkt werden und damit das Verfahren für Verbraucher wie Unternehmer attraktiver machen. Zum einen kann durch die Nutzung elektronischer Medien die Streitbeilegung beschleunigt werden. Während der Versand von Schriftstücken per Brief zeitliche Verzögerungen mit sich bringen kann, werden bei einer Übermittlung via eMail die Erklärungen der Parteien direkt übermittelt. Damit werden Auslandszustellungen, welche oftmals zu einer signifikanten Verlängerung eines Verfahrens führen können, vermieden. Durch die Errichtung eines elektronischen Fallbearbeitungsinstruments kann ein außergerichtliches Verfahren nochmals beschleunigt werden.188 Wenn über eine Online Plattform die Parteien ihre Schriftsätze austauschen können und ihnen zudem die Möglichkeit einer direkten Reaktion auf das gegnerische Vorbringen eingeräumt wird, so kann ein Konflikt besonders schnell zur Entscheidungsreife gebracht werden. Die Möglichkeit der Fallbearbeitung über ein derartiges Instrument ermöglicht den Parteien zudem, den Gang des Verfahrens jederzeit nachvollziehen zu können, und stärkt damit deren Vertrauen in die außergerichtliche Streitbeilegung.189 Zum anderen können durch Elemente der ODR auch die Kosten des außergerichtlichen Verfahrens gesenkt werden. Kosten für Dokumentenversand, Akten oder andere Kommunikationsleistungen entstehen bei der Streitbeilegung unter Zuhilfenahme des Internets in nicht nennenswerter Form. Zudem wird den 188
Del Duca/Rule/Loebl, 1 Penn. St. J. L. & Int’l Aff. (2012), 59, 75 stellen die verschiedenen denkbaren Funktionen eines Fallbearbeitungsinstruments innerhalb einer international operierenden Datenbank eingehend dar. 189 Vgl. dazu Shah, 10 Rich. J. L. & Tech. 25 (2004), 1, 7.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
Parteien ermöglicht, zeitlich flexibel auf das Vorbringen des Gegners oder Nachfragen der streitbeilegenden Stelle zu reagieren, ohne dabei feste Verhandlungstermine wahrnehmen zu müssen. Schließlich können die Parteien mittels einer Videokonferenz persönlich an der außergerichtlichen Streitbeilegung teilnehmen, ohne dass hierfür Reisekosten oder Verdienstausfälle eintreten werden.190 3. Online Dispute Resolution für Sachverhalte der ADR-Richtlinie Für die außergerichtliche Streitbeilegung bezüglich grenzüberschreitender Kauf- und Dienstleistungsverträge, insbesondere aus dem E-Commerce, eignen sich allerdings nicht alle Möglichkeiten der ODR in gleichem Maße. Von einer für beide Seiten bindenden Entscheidung sollte abgesehen werden. Gleiches gilt für die vollständig elektronischen Streitbeilegungsmechanismen im Rahmen der autonomen Verhandlungen zwischen den Parteien. Ein Blind Bidding System beispielsweise würde zum einen aufgrund der Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses nicht vertrauensschaffend wirken. Zum anderen kann ein derartiges System auch deshalb nicht zu einer Etablierung der alternativen Streitbeilegung beitragen, da hier gerade keine inhaltliche Streitbeilegung stattfindet. Der eigentliche Sachverhalt wird weder geklärt noch behandelt, sondern alleine auf eine Ergebnisfindung reduziert. Zudem eignet sich ein vollständig elektronisches Verfahren nur für einen kleinen Ausschnitt der Sachverhalte, welche für eine außergerichtliche Streitbeilegung in Frage kommen.191 Bereits die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch besteht, kann mittels eines Blind Bidding Systems nicht beantwortet werden.192 Die notwendige elektronische Unterstützung der außergerichtlichen Verfahren sollte daher die Parteien in die Lage versetzen, ihren Streitfall online einreichen und verhandeln zu können. Im Zuge dieser Verhandlung sollte nach einer ersten Korrespondenz zwischen Verbraucher und Unternehmer ein unabhängiger Streitmittler nach der Untersuchung des Sachverhalts einen Lösungsvorschlag unterbreiten, welcher von den Parteien angenommen werden kann.193 Damit werden die Vorzüge des bereits behandelten außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens um die Komponente der elektronischen Verfahrens190 Hörnle, Cross Border Internet Dispute Resolution, S. 87 spricht im Rahmen der Rolle der eingesetzten Technologie von der „transformating power“ der Online Dispute Resolution und nennt dafür die Überbrückung von Distanzen, die Verbesserung der Kommunikation und die Ersparnis von Arbeitskraft als wesentliche Merkmale. 191 Dazu beispielweise Petrauskas/Kybartienė, Jurisprudence. 2011, 18(3), 921, 936. 192 Dieses System feierte insbesondere im US-amerikanischen Versicherungswesen große Erfolge. Innerhalb dieser Streitfälle ging es relativ häufig nur um die genaue Höhe der geltend gemachten Ansprüche, wohingegen dies in anderen Sektoren kaum einmal der Hauptstreitpunkt sein dürfte. 193 Auch aus aktuellen Studien zur Online-Mediation lässt sich der Schluss ziehen, dass die Einschaltung einer die Streitbeilegung individuell unterstützenden Person ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die ODR ist. Vgl. dazu Gettinger/Kill/Schoop, ZKM 2014, 114, 116.
VII. Die Online Dispute Resolution
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führung angereichert, ohne dabei das bereits erfolgreich etablierte Verfahren tiefgreifend zu verändern. Dieses Zusammenspiel zwischen den bekannten Mechanismen der alternativen Streitbeilegung und der Online Dispute Resolution liegt der ODR-Verordnung zugrunde, welche die ADR-Richtlinie um die Möglichkeit einer Online-Beilegung von Streitfällen ergänzen soll. Inwiefern sich die getroffenen Regelungen hierfür eignen, soll nunmehr untersucht werden. 4. Der Anwendungsbereich der ODR-Verordnung Die Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten trägt in diesem Zusammenhang einen nur in Teilen zutreffenden Namen. Nach ihrem ersten Artikel ist das Ziel der Verordnung die Schaffung einer Europäischen Online-Streitbeilegungsplattform, die eine unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire außergerichtliche Online-Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern ermöglicht. Welche konkreten Funktionen dieser Stelle zukommen, regelt Art. 5 der Verordnung. Neben der Bereitstellung eines elektronischen Beschwerdeformulars und der Übermittlung der Beschwerde an den Gegner soll die Stelle die Ermittlung der zuständigen AS-Stelle oder der zuständigen AS-Stellen vornehmen und die Übermittlung der Beschwerde an die AS-Stelle, auf die sich die Parteien geeinigt haben.194 Neben diesen Tätigkeiten soll die OS-Plattform die Versorgung der Parteien und der AS-Stelle mit Übersetzungen der Informationen, die für die Streitbeilegung erforderlich sind und die über die OS-Plattform ausgetauscht werden, sicherstellen.195 Schließlich wird die kostenlose Bereitstellung eines elektronischen Fallbearbeitungsinstruments, das es den Parteien und der ASStelle ermöglicht, das Streitbeilegungsverfahren online über die OS-Plattform durchzuführen, als Leistung der Plattform aufgeführt.196 Bei wortgetreuer Umsetzung dieser Aufgaben würde damit eine wirkliche Online Dispute Resolution mittels der OS-Plattform angeboten. Allerdings bleibt die Frage, ob dies auch tatsächlich so praktiziert wird. Zweifel bestehen insbesondere im Hinblick auf das elektronische Fallbearbeitungsinstrument und den Umfang der angebotenen Übersetzungsdienstleistung. Aus der ODR-Verordnung selbst ergeben sich hierzu keine aussagekräftigen Rückschlüsse. In Erwägungsgrund 18 wird hinsichtlich der Fallbearbeitung lediglich festgelegt, dass die OS-Plattform ein kostenloses elektronisches Fallbearbeitungsinstrument bereitstellen soll. Dieses soll es den AS-Stellen ermöglichen, das Streitbeilegungsverfahren mit den Parteien über die OS-Plattform 194 Art. 5 Abs. 4
lit. a, b und c ODR-VO. So Art. 5 Abs. 4 lit. e ODR-VO. 196 Vgl. Art. 5 Abs. 4 lit. d ODR-VO. 195
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
abzuwickeln.197 Allerdings sind die AS-Stellen nicht verpflichtet, das Fallbearbeitungsinstrument zu verwenden. Aus diesen Aussagen wird zunächst klar, dass nicht die OS-Plattform selbst die Streitbeilegung vornehmen wird, sondern die eigentliche Lösung des Konflikts weiterhin den AS-Stellen überlässt.198 Wie die elektronische Fallbearbeitung funktionieren soll und welche konkrete Unterstützung den einzelnen AS-Stellen angeboten wird, bleibt dagegen unklar.199 Der Regelung kann nur entnommen werden, dass das angekündigte Fallbearbeitungsinstrument weitergehende Funktionen übernehmen soll als die bereits in Art. 5 Abs. 4 ODR-VO festgelegten Aufgaben der OS-Plattform.200 Die OS-Plattform soll Erwägungsgrund 19 zufolge eine elektronische Übersetzungsfunktion bieten, welche es den Parteien und der jeweiligen AS-Stelle ermöglicht, Informationen, die über die OS-Plattform ausgetauscht werden und die für die Beilegung der Streitigkeit erforderlich sind, übersetzen zu lassen. Durch diese Funktion sollten – erforderlichenfalls mit menschlicher Unterstützung – alle notwendigen Übersetzungen erledigt werden können. Diese Aussagen lassen aber noch keine entscheidende Verbesserung der Beilegung grenzüberschreitender Streitfälle unter Zuhilfenahme der OS-Plattform erwarten. Zunächst ist aus der Ausgestaltung der OS-Plattform als interaktive Website, die eine zentrale Anlaufstelle für Verbraucher und Unternehmer darstellt, abzuleiten, dass sie nur eine automatisierte Übersetzungsfunktion anbieten kann. Eine derartige Übersetzung wird bei weitem aber nicht die Qualität einer mittels menschlicher Unterstützung vorgenommenen Übersetzung erreichen.201 Ob damit die Führung eines Verfahrens im Ausland wesentlich erleichert werden kann, erscheint zweifelhaft. Diese Problematik wird offensichtlich auch von der ODR-VO erkannt, da bei den Übersetzungsleistungen die Hinzuziehung menschlicher Unterstützung in bestimmten Fällen erwogen wird. Von welcher 197 Hakenberg, EWS 2014, 181, 190 spricht in diesem Zusammenhang von einem Tool, welches die AS-Stellen zur Streitbeilegung nutzen können. 198 Treffender wäre daher die Bezeichnung der Verordnung als Verordnung über die Unterstützung bei der Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten gewesen. 199 Dementsprechend wird in diesem Zusammenhang allenfalls von einem nicht näher bezeichneten Online Streitbeilegungsinstrument gesprochen, so Meller-Hannich, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung: Aktuelle Perspektiven für die Umsetzung der ADR-Richtlinie, S. 19, 21. 200 Grupp, AnwBl 2015 186, 192 äußert die Befürchtung, dass es sich bei dem angekündigten Instrument um kaum mehr als eine Webanwendung mit Nachrichten- und maximal einfachen blind bidding Funktionen handeln wird. 201 Reimann, Maschinelle Übersetzung: Ein Überblick über Theorie und Praxis, stellt als Ziel der maschinellen Übersetzung die vollautomatische Überführung eines ausgangssprachlichen Textes in die entsprechende gewünschte zielsprachliche Form dar. Nach momentanem Stand der technischen Entwicklung sei dies noch nicht in zufriedenstellendem Maße möglich, ohne eine menschliche Interaktion miteinzubeziehen. Dort wird auch ein Überblick über die momentanen Methoden der automatischen wie halbautomatischen Übersetzungsmöglichkeiten gegeben, S. 54 ff.
VII. Die Online Dispute Resolution
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Stelle diese Unterstützung erbracht werden soll, bleibt wiederum unklar. Aus Erwägungsgrund 25 lässt sich hierzu nur entnehmen, dass die in den Mitgliedstaaten ansässigen OS-Kontaktstellen für notwendige Übersetzungen nicht herangezogen werden sollen.202 Die Kommission hat am 1. Juli 2015 eine Durchführungsverordnung zur ODR-Verordnung verabschiedet, welche zum 22. Juli 2015 in Kraft getreten ist.203 In dieser werden in Art. 1 die Modalitäten, die für das elektronische Beschwerdeformular, die Ausübung der Funktionen der OS-Plattform und die Kooperation zwischen den OS-Kontaktstellen gelten, festgelegt. Obwohl es aufgrund der Ausrichtung auf grenzüberschreitende Sachverhalte wünschenswert gewesen wäre, wird auch dort weder auf das elektronische Fallbearbeitungsinstrument noch auf den Umfang der von der Plattform anzubietenden Übersetzungsleistungen eingegangen. Somit ist weiterhin davon auszugehen, dass weder auf eine elektronische Fallbearbeitung noch auf eine qualitativ hochwertige Übersetzungsdienstleistung besonderer Wert gelegt wird. Es bleibt damit für die OS-Plattform hauptsächlich die Funktion einer Clearing House Stelle, welche die eingehenden Beschwerden auf die akkreditierten Streitbeilegungsstellen verteilt.204 Schließlich ist auch die mangelnde Abstimmung der ODR-Verordnung mit der ADR-Richtlinie zu kritisieren. Die Verordnung gilt gemäß Art. 2 Abs. 1 nur für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen aus Online-Kaufverträgen oder Online-Dienstleistungsverträgen und erfasst somit nur einen Teil der von der ADR-Richtlinie umfassten Ansprüche.205 Die Einschränkung des Anwendungsbereichs der ODR-Verordnung ist nur partiell nachvollziehbar. Die Forderung, dass es für Verträge, welche online geschlossen wurden, auch die Möglichkeit einer online angesiedelten Streit202 Die OS-Kontaktstellen sollen die Parteien einer Streitigkeit, die über die OS-Plattform eingereicht wurde, zwar unterstützen, ohne jedoch verpflichtet zu sein, mit dieser Streitigkeit verbundene Unterlagen zu übersetzen. Ohne eine derartige Verpflichtung werden die Stellen kaum von sich aus tätig werden, insbesondere da eine derartige Servicedienstleistung die Arbeitsbelastung um ein erhebliches Maß steigert. 203 Durchführungsverordnung (EU) 2015/1051 der Kommission vom 1. Juli 2015 über die Modalitäten für die Ausübung der Funktionen der Plattform zur Online-Streitbeilegung, über die Modalitäten des elektronischen Beschwerdeformulars und die Modalitäten der Zusammenarbeit der Kontaktstellen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten, ABl. L 171/1. Die ODR Plattform nahm am 15. 2. 2016 ihren Dienst auf und ist unter: https:// webgate.ec.europa.eu/odr/ zu erreichen. 204 Vgl. zu den Funktionen der ODR-Plattform auch Hörnle, Queen Mary University of London, School of Law Legal Studies Research Paper No. 122/2012. 205 Dies überrascht insbesondere deshalb, da beide Rechtsakte in einem einheitlichen Anwendungszusammenhang stehen, dazu Lederer, CR 2015, 380, 382; auch Hakenberg, EWS 2014, 181, 189 stellt fest, dass die ODR-Verordnung erkennbar nur auf solche Sachverhalte Anwendung finden soll, die der ADR-Richtlinie unterfallen.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
beilegung geben soll,206 ist insbesondere auf die Internationalität des elektronischen Handels zurückzuführen. Das Internet ermöglicht Vertragsschlüsse über Länder- und Kontinentalgrenzen hinweg, ohne dass dafür ein größerer Aufwand betrieben werden muss.207 Je weiter die beiden Vertragspartner voneinander entfernt sind, umso deutlicher treten die Probleme der grenzüberschreitenden Realisierung vertraglicher Forderungen hervor.208 Daraus resultiert das Bedürfnis, Streitfälle aus dem E-Commerce unter Zuhilfenahme des Internets beizulegen.209 Diese Annahme rechtfertigt es allerdings nicht, grenzüberschreitende Verträge, die offline geschlossen wurden, generell vom Anwendungsbereich der ODR-Verordnung auszunehmen. Bei diesen treten ähnliche Probleme wie im internationalen E-Commerce auf, sodass eine Konfliktlösung mithilfe des in der Verodnung erwähnten elektronischen Fallbearbeitungsinstruments für alle grenzüberschreitenden Sachverhalte wünschenswert gewesen wäre. Mit diesen Feststellungen wird klar, dass die ODR-Verordnung in ihrer bestehenden Form nur eingeschränkt dazu geeignet ist, den Binnenmarkt durch Förderung des grenzüberschreitenden Einkaufs und die entsprechende Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu beleben. Nichtsdestotrotz verfügt die Online Dispute Resolution über das Potential, Verfahren mit grenzüberschreitenden Sachverhalten zu vereinfachen und zu beschleunigen. Während die rechtliche Expertise und die sprachliche Unterstützung der Parteien weiterhin durch auf grenzüberschreitende Streitfälle spezialisierte Stellen gewährleistet werden müssen, kann die ODR bei der eigentlichen Verfahrensdurchführung zu einem wertvollen Baustein für den Aufbau einer effizient arbeitenden Schlichtungslandschaft werden. 5. Die Ausgestaltung der Online Dispute Resolution a) Die notwendigen elektronischen Leistungen Die Einbindung elektronischer Unterstützung in das eigentliche Verfahren ermöglicht insbesondere bei grenzüberschreitenden Verfahren eine raschere Bei206 Vgl. dazu Rule, Dispute Resolution Magazine 2015, S. 4, 5: „Technology is also changing people’s expectations about how disputes should be resolved.“ 207 Vgl. Cortese, GRUR Int 2005, 192, der feststellt, dass der globale Charakter des Netzes die Hindernisse für den Eintritt in einzelne geographische Märkte reduziert. 208 Vgl. Shah, 10 Rich. J. L. & Tech. 25 (2004), 1. 209 Diese Schlussfolgerung lässt sich durch Art. 17 der E-Commerce-Richtlinie untermauern, welcher für Streitfälle zwischen einem Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft und einem Nutzer des Dienstes Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung auch auf geeignetem elektronischem Wege verlangt. Der zugrunde liegende Erwägungsgrund 51 statuiert, dass die Mitgliedstaaten innerstaatliche Rechtsvorschriften ändern müssen, welche die Inanspruchnahme von Mechanismen zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten auf elektronischem Wege behindern könnten. Diese Änderung muss bewirken, daß diese Mechanismen de facto und de jure, auch bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, tatsächlich wirksam funktionieren.
VII. Die Online Dispute Resolution
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legung des Streites. Hierfür sollte eine Plattform geschaffen werden, mittels der die notwendigen Schriftsätze online eingereicht und eingesehen werden können. Eine derartige Online-Akte vermeidet zeitintensive Zustellungen und erleichtert mit dem jederzeit möglichen Zugriff beiden Parteien und der AS-Stelle die zeitlichen Anforderungen der ADR-Richtlinie einzuhalten.210 Weiterhin sollte die direkte Kommunikation der Verfahrensbeteiligten über die Plattform möglich sein. Dies kann durch eine formularmäßig angelegte Konversation erfolgen, welche gleich der Beschwerdeeinreichung in vorgefertigten Kommentarzeilen den Parteien eine rasche Stellungnahme zu den gegnerischen Anliegen und Argumenten ermöglicht. Sogar eine mündliche Verhandlung könnte über die Plattform angeboten werden, indem im Rahmen einer Videokonferenz neben den Parteien auch ein Mitglied der AS-Stelle zugeschaltet wird.211 Schließlich kann auch der Lösungsvorschlag der AS-Stelle, gegebenenfalls unter Verwendung einer elektronischen Signatur, über die Plattform übermittelt werden, um den Parteien rasch das Ergebnis der Streitbeilegung mitzuteilen.212 Mit diesen elektronischen Leistungen kann die alternative Streitbeilegung zeitlich erheblich verkürzt werden.213 Eine jederzeit verfügbare elektronische Akte, sowie die Möglichkeit der jederzeitigen Antwortmöglichkeit innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters erleichtern den Parteien die Verfahrensbeteiligung und der AS-Stelle die Entscheidungsfindung und Übermittlung. Damit einher geht eine Kostenersparnis. Weder muss Porto für die Übermittlung von Schriftsätzen aufgewandt, noch müssen Reisekosten zur Teilnahme am Verfahren aufgebracht werden. Bei benutzerfreundlicher Ausgestaltung der elektronischen Akten kann also davon ausgegangen werden, dass auch hierdurch die Bereitschaft der Parteien zur Teilnahme an den außergerichtlichen Verfahren steigt und damit der Wunsch nach einer flächendeckenden ADR-Landschaft praktisch umsetzbar wird. b) Der Datenschutz Die hauptsächliche Herausforderung bei der online-basierten außergerichtlichen Streitbeilegung stellt der Datenschutz dar. Dieser muss sowohl bei der Datenübertragung als auch bei der Speicherung der übertragenen Daten gewähr210 Der Online-Schlichter bietet bereits heute eine elektronische Fallakte und noch weitere sinnvolle elektronische Unterstützungsleistungen im Rahmen der Verfahrensdurchführung an, vgl. dazu Braun, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 35, 39 ff. 211 Bekanntester Anbieter derartiger Dienste ist der von Microsoft betriebene Chat Dienst Skype. 212 Damit ist diese Form der Online Dispute Resolution am besten mit dem Begriff der Online-ADR zu umschreiben, da der Fokus weiterhin auf der ADR liegt und die elektronischen Dienste nur ergänzend herangezogen werden. 213 Laut Braun, ZKM 2014, 168, 170 liegt die durchschnittliche Bearbeitungszeit für eine Beschwerde beim Online-Schlichter bei 1 ½ Monaten.
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§ 9. Das Verfahren der Schlichtungsstelle
leistet sein. Die genaue Ausgestaltung der notwendigen Schutzmechanismen wird zwar regelmäßig von der Masse der zu verarbeitenden Daten und deren Sensibilität abhängen, jedoch haben sich bereits heute bestimmte Mindeststandards etabliert, deren Einhaltung auch im Rahmen der elektronisch unterstützten alternativen Streitbeilegung beachtet werden sollte. Für die Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten sowie die Kontaktaufnahme von und mit der AS-Stelle über eine Plattform bedarf es einer Verschlüsselung der versandten Informationen. Falls die Kommunikation über Email ablaufen wird, bietet sich die Verschlüsselung mit Hilfe einer digitalen Signatur an.214 Für die Streitbeilegung mittels eines elektronischen Verfahrensinstruments kommt die Nutzung einer Transport Layer Security-Verschlüsselung in Betracht. Hinsichtlich der zu speichernden Daten muss, gleich ob diese auf einem Server oder einer Cloud abgelegt werden, sichergestellt sein, dass auch sie einer ausreichend komplexen Verschlüsselung unterliegen, sodass nur die AS-Stelle und die Parteien auf sie Zugriff haben. Dieser Zugriff sollte bei der Erstellung einer elektronischen Akte mittels verschiedener Überprüfungsmechanismen, wie einem generellen Passwort und zusätzlich hierzu eines ad hoc generierten Zugangsschlüssels, vergleichbar einer Transaktionsnummer im Rahmen des Online-Banking, abgesichert werden.215
214 Ob dies nun mittels einer Client, Server oder einer PKI (Public Key Infrastruktur)basierten Verschlüsselung und Signatur geschieht, soll die AS-Stelle bzw. Plattform individuell entscheiden. 215 Für Letzteres bestehen diverse Möglichkeiten, wie z. B. eine Mobile TAN (mTAN), welche per sms auf das Handy der Verfahrensbeteiligten gesendet wird. Denkbar wären ferner Systeme wie die photoTAN oder die QR-TAN, wobei ein von der Plattform angezeigtes Bild/ QR Code mittels einer Software in eine Zahlenkombination umgewandelt werden müsste.
§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht Die Festlegung des Anwendungsbereichs der angebotenen Schlichtung und die möglichen Ablehnungsgründe werden vielfach von sektorspezifischen Überlegungen geleitet werden. Auch die heutigen nationalen Streitbeilegungsverfahren zeichnen sich durch ein hohes Maß an Spezialisierung aus und erzielen nicht zuletzt damit ihren Erfolg in Form einer verhältnismäßig hohen Frequentierung. Ähnliche Erwägungen dürften die Auswahl der Sprache bestimmten, was bei Stellen, welche bevorzugt rein nationale Konflikte behandeln, die Beschränkung auf die jeweilige Landessprache zur Folge haben wird. Während die genannten Aspekte für die Vertrauensbildung der potentiell Verfahrensbeteiligten eine gewisse Rolle spielen, ist die Festlegung der Regelungen, auf die sich die AS-Stelle bei der Streitbeilegung stützen wird, von ganz wesentlicher Bedeutung. Bereits aus den Erfahrungen der nationalen Streitbeilegungsstellen lässt sich der Schluss ziehen, dass deren Ausrichtung auf die anwendbaren Rechtsnormen1 ein hohes Vertrauen in das jeweilige Verfahren sowohl auf Verbraucher- als auch auf Unternehmerseite erzeugt. Die gleiche Feststellung gilt auch für die untersuchten ausländischen Stellen. Daher stellt sich die Frage, ob auch im Rahmen der ADR-Richtlinie eine an Rechtsnormen ausgerichtete Streitbeilegung angestrebt werden sollte. Aufgrund der Diversität der einzelnen Streitbeilegungsstellen kann und soll im Folgenden kein für alle Verfahren erschöpfendes Muster vorgegeben werden. Je nach Sektor und Zielgruppe können sich unterschiedliche Notwendigkeiten ergeben und damit auch verschiedene Anreize gesetzt werden, um das Vertrauen der potentiell Beteiligten zu gewinnen.2 Dient ein außergerichtliches Verfahren in erster Linie dem Zusammenführen der Parteien, um ein Gespräch zwischen den verhärteten Fronten zu ermöglichen, so ist eine interessenbasierte Verfahrensführung oftmals sinnvoller, als ein rein an Rechtsnormen ausgerich1 Ob mit der Bezeichnung Rechtsvorschriften in Art. 7 Abs. 1 lit. h nur einzelne Rechtsnormen oder die gesamte Rechtsordnung gemeint ist, geht aus der ADR-Richtlinie nicht klar hervor. Zur ähnlichen Fragestellung im Rahmen des schiedsgerichtlichen Verfahrens McGuire, SchiedsVZ 2011, 257 ff. 2 Anderer Ansicht Eidenmüller/Engel, 29 Ohio St. J. Disp. Resol. (2014), S. 261, 280, die für Streitfälle zwischen Verbrauchern und Unternehmern aus Verbraucherschutzgesichtspunkten eine Streitbeilegung am geltenden Recht fordern (… at all costs, a dispute system for B2C conflicts should, in principle, be rights-based).
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§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht
tetes Procedere. Zudem können in manchen Bereichen rechtliche Aspekte erst in zweiter Linie entscheidend sein. Für Schlichtungsverfahren in der Kraftfahrzeugbranche bedarf es beispielsweise bestimmter technischer Kenntnisse zur (rechtlichen) Beurteilung des Sachverhalts. Auch in der Telekommunikation ist für das Rechtsverständnis ein Einblick in die technischen Abläufe notwendig, der wiederum auf die Verfahrensausgestaltung Einfluss nehmen kann.3 Die im Folgenden vorgenommene Konkretisierung der von der Richtlinie eingeräumten Autonomie soll sich daher im Wesentlichen auf die Stellen beziehen, bei denen besonders häufig mit grenzüberschreitenden Sachverhalten zu rechnen ist.4 In diesem Zusammenhang ist auch die Historie der heutigen ADR-Richtlinie zu berücksichtigen. Obwohl die ADR-Richtlinie in erster Linie ein binnenmarktstärkendes Instrument sein soll, war der Zugang zum Recht von Anfang an ein wesentliches Ziel, das durch die außergerichtliche Streitbeilegung erreicht werden sollte. Im Gegensatz zur Mediation, welche in erster Linie an den Interessen der Parteien ausgerichtet ist, stehen bei einer Streitbeilegung, wie sie im grenzüberschreitenden Bereich aus dem ECC-Netzwerk bekannt ist, die Interessen nicht lösgelöst von etwaigen rechtlichen Positionen im Fokus, sondern die Beschwerdebehandlung anhand konkreter Rechtsfragen. Dies darf bei der Ausgestaltung der ADR-Richtlinie in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht übersehen werden.
I. Die Bedeutung des geltenden Rechts Innerhalb der ADR-Richtlinie findet sich unter dem Schlagwort der Rechtmäßigkeit in Art. 11 für bestimmte Verfahrensarten die Verpflichtung, dass dem Verbraucher der Schutz, den ihm seine Heimatrechtsordnung zubilligt, nicht entzogen werden darf. Allerdings gilt dies gemäß Art. 11 Abs. 1 nur für ASVerfahren, bei denen die Streitigkeit mittels einer dem Verbraucher auferlegten Lösung beigelegt werden soll. Damit gilt im Umkehrschluss, insbesondere unter Berücksichtigung des Art. 7 Abs. 1 lit. h, dass dieser Schutz bei anderen als den in Art. 11 genannten Verfahren nicht zwingend erforderlich ist. 1. Die bisherigen Erfahrungen Wie bereits dargestellt, stützt sich eine Vielzahl von nationalen wie ausländischen außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen bei der Entscheidungsfin3
Zu den Anforderungen im Telekommunikationssektor vgl. Klaes, MMR 2015, 299, 301. sind in erster Linie der Verkehrssektor, die Freizeit- und Kulturdienstleistungen, die Beherbergungen und mit steigender Tendenz der E-Commerce angesprochen, vgl. dazu die Fallzahlen des ECC-Net Deutschland im Jahr 2016, abrufbar unter: http://www.cec-zev.eu/de/ publikationen/jahresberichte/. 4 Damit
I. Die Bedeutung des geltenden Rechts
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dung auf das anwendbare Recht. Sowohl die Angaben der meist frequentierten deutschen Stellen als auch die Erfahrungen der ausländischen Stellen lassen den Schluss zu, dass diese Art der Entscheidungsfindung geeignet ist, das Vertrauen der Beteiligten in die Streitbeilegung zu stärken. Selbst in Bereichen, in denen auch andere Fähigkeiten besonders relevant sind, wird die Streitbeilegung daher regelmäßig unter Hinzuziehung eines Juristen vorgenommen.5 Damit kann festgehalten werden, dass für Streitigkeiten, die durch einen Lösungsvorschlag eines unabhängigen Dritten beigelegt werden sollen, sich die Orientierung am anwendbaren Recht als erfolgreiche Lösung bewährt hat.6 2. Die Ausrichtung am geltenden Recht So verwundert es nicht, dass einer der größten Kritikpunkte an der ADR-Richtlinie aus dem deutschsprachigen Raum die mangelnde Bindung der alternativen Streitbeilegung an das geltende Recht war.7 Innerhalb der Richtlinie wird an mehreren Stellen mit dem Begriff des Rechts gearbeitet, dabei allerdings nicht konkret gesagt, wie damit umzugehen ist. Erwägungsgrund 31 spricht davon, dass Streitigkeiten unter gebührender Berücksichtigung der Rechte der Parteien beizulegen sind, Artikel 6 Abs. 1 lit. a verlangt von den mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen ein allgemeines Rechtsverständnis und Artikel 9 Abs. 2 lit. b Ulit. iii weist darauf hin, dass die vorgeschlagene Lösung anders sein kann als das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens, in dem Rechtsvorschriften angewandt werden. Damit zeigt sich, wie bereits bei Art. 7 Abs. 1 lit. h, dass die Frage der Stellung des Rechts innerhalb der Verfahren zwar gesehen wurde, die Richtlinie aber in Folge ihrer mindestharmonisierenden Wirkung auf ein klares Bekenntnis verzichtet und somit den einzelnen AS-Stellen die Ausfüllung ihrer Verfahrensordnungen überlässt.8 5
Z. B. in der Schlichtung im KfZ-Gewerbe, dazu von Daniels, AnwBl 2015, 238. möglichen Nutzung des Vorschlags zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht im Rahmen von ADR-Verfahren Mistelis, in: Lehmann, Common European Sales Law Meets Reality, S. 123, 132. 7 Die vorgebrachte Kritik an der mangelnden Bindung beispielsweise an zwingendes Verbraucherrecht wurde von Wagner, ZKM 2013, 104, 105 griffig als „law enforcement light“ und „rough justice“ beschrieben. H. Roth, JZ 2013, 637, 639 befürchtet, dass der Schlichtungsvorschlag (nur) auf Fairness oder equity gestützt werden wird. 8 Einer der Gründe dafür lässt sich Erwägungsgrund 15 entnehmen, der die gewünschte Entwicklung einer funktionierenden außergerichtlichen Streitbeilegung unter Wahrung der jeweiligen innerstaatlichen Rechtstraditionen vorsieht und einen Aufbau auf bereits vorhandene AS-Verfahren in den Mitgliedstaaten wünscht. Folglich sollten sowohl bestehende als auch neu eingerichtete gut funktionierende Streitbeilegungsstellen, die den Qualitätsanforderungen der Richtlinie entsprechen, als „AS-Stellen“ im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden. Um diese Zielrichtung nicht zu torpedieren, wurde das Ermessen bei der Verfahrensgestaltung möglichst umfassend ausgestaltet und damit auch die Frage der Bindung an geltendes Recht nur rudimentär beantwortet. 6 Zur
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§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht
Angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen bei den bereits bestehenden Schlichtungsstellen bleibt es dabei, dass zumindest für die hier interessierenden Verfahren mit Drittintervention eine Ausrichtung am geltenden Recht empfehlenswert ist. Inwieweit diese Ausrichtung sich von einer strengen Bindung unterscheidet, bildet nunmehr den Kern der Untersuchung.9 3. Die Kritik an der Verrechtlichung des Verfahrens Umgekehrt zog die Anwendung des geltenden Rechts in der Literatur schnell den Vorwurf der Verrechtlichung der außergerichtlichen Streitbeilegung nach sich. Damit würde die außergerichtliche Streitbeilegung nicht mehr als reiner Komplementär, sondern vielmehr als Konkurrent zum staatlichen Gerichtsverfahren auftreten.10 Der Vorwurf erscheint im ersten Moment plausibel, unterscheidet sich doch das Verfahren vor einer AS-Stelle dann nicht mehr in signifikanter Weise von dem staatlichen Gerichtsverfahren.11 Doch greift der Vorwurf in zweierlei Hinsicht zu kurz. Er unterscheidet nämlich nicht zwischen der Verfahrensdurchführung auf der einen Seite und dem Verfahrensergebnis auf der anderen Seite. Während die Entscheidungsfindung innerhalb des Verfahrens an den Normen des geltenden Rechts ausgerichtet werden sollte, bleibt beim Entscheidungsvorschlag ein größerer Spielraum. Das zivilprozessuale Verfahren dient in erster Linie der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger Entscheidungen.12 Zwar soll der Richter auch im gerichtlichen Verfahren auf eine gütliche Einigung hinwirken und kann dazu einen Vergleichsvorschlag unterbreiten, der von den Parteien zur Beendigung des Rechtsstreits akzeptiert werden kann.13 Sollte jedoch keine derartige Einigung möglich sein, trifft das Gericht eine streng am Recht ausgerichtete Entscheidung, um den Parteien die Feststellung und Durchsetzung ihrer Ansprüche und Rechte zu ermöglichen.14 Dagegen wird bei der 9 Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass in anderen Verfahrensarten, speziell bei einer Mediation, welche ebenfalls unter den Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie fallen, ein anderes Vorgehen durchaus praktikabler sein kann. Zur Abgrenzung von Schlichtung und Mediation Röthemeyer, ZKM 2013, 47, 49. 10 So Engel, NJW 2015, 1633, 1637, der behauptet, dass die Robe der Justiz der Verbraucherschlichtung schlichtweg nicht stehe. 11 Engel, NJW 2015, 1633, 1635 spricht in diesem Zusammenhang von einem zweiten, in vielerlei Hinsicht schwächeren System der außergerichtlichen Streitbeilegung. 12 Vgl. BVerfGE 69, 126, 140. 13 So ausdrücklich § 278 Abs. 1 ZPO. Mit der Regelung soll sowohl das Verfahren beschleunigt als auch eine Kostensenkung erreicht werden; zudem soll durch eine gütliche Einigung die Verwirklichung des Rechtsfriedens gefördert werden, vgl. Saenger in Saenger-ZPO, § 278 Rn. 1. 14 Prütting, in: MüKo-ZPO, § 278 Rn. 4 stellt hierzu treffend fest, dass trotz der gewünschten Förderung des Rechtsfriedens der Zweck des Zivilprozesses in erster Linie die Feststellung und Durchsetzung subjektiver Rechte ist und bleibt. Eingehend zu den verschiedenen Prozesszwecken Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einleitung, Rn. 8.
II. Die Rechtsfolgen als entscheidender Punkt
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alternativen Streitbeilegung zur Beendigung des Konflikts von Anfang an eine konsensuale Lösung angestrebt, welche die Interessen der Parteien umfassend berücksichtigt. Im Gegensatz zu einem staatlichen Gerichtsverfahren steht somit nicht die Rechtsdurchsetzung, sondern die Rechtsverwirklichung im Vordergrund.15 Der Konsens der Parteien begründet diese Verwirklichung, ohne dass hierfür notwendigerweise ein bestimmtes, rechtlich vorgesehenes Ergebnis erzielt werden muss. Zum anderen trifft der Einwand der Verrechtlichung, verstanden als Ausrichtung am geltenden Recht, auch in der Sache nur teilweise zu. Das Recht als abstrakt-genereller Ausdruck von Interessen- und Schutzwürdigkeitserwägungen bietet einen wichtigen Anhaltspunkt für die interessengerechte Auflösung von Streitfällen.16 Die Ausrichtung am geltenden Recht hat sich für die Streitentscheidung im gerichtlichen Verfahren über Jahrzehnte bewährt. Warum dieses bekannte und bewährte System der außergerichtlichen Streitbeilegung alleine deshalb verschlossen bleiben soll, weil es im gerichtlichen System maßgebend ist, überzeugt nicht. Vielmehr bietet sich eine Übertragung des Systems unter Vornahme gewisser Anpassungen auf die alternative Streitbeilegung geradezu an.17
II. Die Rechtsfolgen als entscheidender Punkt Die Unterscheidung zwischen der Durchführung des Verfahrens und dem sich an das Verfahren anschließenden Ergebnis kann bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie abgeleitet werden. Während in Art. 7 Abs. 1 lit. h von Regelungen, welche bei der Streitbeilegung zum Tragen kommen, gesprochen wird, behandelt Art. 9 Abs. 2 lit. b Ulit. iii die vorgeschlagene Lösung, welche anders sein kann als das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens, in dem Rechtsvorschriften angewandt werden. Damit ist der Fall denkbar, dass sich das Verfahren an Rechtsvorschriften ausrichtet und diese auch bei der Ergebnisfindung berücksichtigt, das Ergebnis allerdings nicht strikt die in den jeweiligen Rechtsnormen vorgesehenen Rechtsfolgen umsetzt. Ein simples Beispiel aus dem Reiserecht 15 Die Unterscheidung zwischen Rechtsverwirklichung, verstanden als Realisierung der Position, die eine Partei für sich als im konkreten Fall gerechte Lösung betrachtet, im Allgemeinen und Rechtsdurchsetzung, verstanden als Einsatz von Zwang zur Realisierung eines Rechts, im Speziellen findet sich bei Gaier, NJW 2016, 1367, 1370. 16 Gläßer, in: NK-MediationsG, § 2 Rn. 264 sieht daher im geltenden Recht einen Ausdruck eines gesellschaftlichen Gerechtigkeitsempfindens. 17 Die Unterschiede zwischen gerichtlichem und außergerichtlichem Verfahren sind noch in vielerlei Hinsicht gegeben, angefangen von den prozessualen Möglichkeiten einer Beweiserhebung über die prozessualen Zwangsmittel, die dem Gericht zur Verfügung stehen, bis hin zur Rechtskraft eines Urteils, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Eine Konkurrenz zu staatlichen Gerichtsverfahren ist demnach nicht zu befürchten.
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§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht
mag dies verdeutlichen: Während bei einer Annullierung eines Fluges nach der Fluggastrechteverordnung18 gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c i. V. m. Art. 7 Abs. 1 unter gewissen Umständen ein Ausgleichsanspruch in Geld besteht, kann die streitbeilegende Stelle bei Einverständnis der Parteien festlegen, dass stattdessen dem Fluggast andere frei wählbare Flüge mit der Airline zugestanden werden. Im Rahmen von Beherbergungsverträgen kann anstatt eines Schadensersatzes in Geld ein Upgrade auf die nächsthöhere Buchungskategorie gestattet werden, falls dies dem Gast genehm ist und der Hotelier ein Interesse daran hat, den Verbraucher von der eigentlichen Qualität seiner Dienstleistungen zu überzeugen. In diesen individuell angepassten Lösungen für die vielschichtig gelagerten Einzelfälle ist der eigentliche Vorteil der AS-Verfahren zu sehen. Es besteht die Möglichkeit, nach rechtlicher Evaluation des Sachverhalts den Parteien Lösungswege aufzuzeigen, welche von beiden Seiten als tragfähiger Kompromiss akzeptiert werden können. Damit erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Lösung auch tatsächlich ohne weiteres Zutun umgesetzt wird. Im Ergebnis kann damit sowohl den rechtlichen Anforderungen als auch den Interessen der Parteien in hohem Maße Rechnung getragen werden, was wiederum das Vertrauen in diese Art der Streitbeilegung erhöhen dürfte.
III. Abweichung von verbraucherschützenden Normen in der Entscheidung Im Hinblick auf die flexiblen Ergebnisse, die in der alternativen Streitbeilegung erreicht werden können, stellt sich die Frage, ob sich bei einem Abweichen von den gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen ein Konflikt mit zwingendem Verbraucherschutzrecht ergibt.19 Bei Anwendung des geltenden Rechts als Richtlinie für die außergerichtliche Streitbeilegung spielen die zwingenden Vorschriften des materiellen Rechts eine wichtige Rolle. Diese dienen zumeist dem besonderen Schutz einer bestimmten Gruppe und sind daher regelmäßig der Parteidisposition entzogen. Damit drängt sich die Frage auf, ob diese Wertung auch gegenüber den AS-Stellen gilt und falls ja, in welchem Umfang dies der Fall ist. Um die Frage beantworten zu können, soll zunächst der Mechanismus der häufig betroffenen verbraucherschützenden Vorschriften untersucht werden,
18 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. Nr. L 46/1. 19 Zu der Gefahr des Verlustes einer effektiven Kontrolle der Einhaltung des Verbraucherschutzrechts aufgrund der steigenden außergerichtlichen Streitbeilegungsangebote vgl. Coester-Waltjen, euvr 2014, 160, 169.
III. Abweichung von verbraucherschützenden Normen in der Entscheidung
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um in einem zweiten Schritt die Voraussetzungen für eine eventuell mögliche Abweichung prüfen zu können. 1. Berücksichtigung von Verbraucherrecht in nicht staatlichen Verfahren Die Frage der Anwendbarkeit von zwingenden Normen in nicht staatlichen Verfahren zur Streitbeilegung ist nicht unbekannt.20 In der traditionell liberal ausgestalteten Schiedsgerichtsbarkeit wird die Frage im Hinblick auf die Reichweite der dort bestehenden Möglichkeit einer Rechtswahl thematisiert.21 Im Rahmen der in § 1051 ZPO offen gestalteten Wahlmöglichkeit wird von großen Teilen der Literatur angenommen, dass eine verbraucherschützende Einschränkung der Rechtswahl entsprechend Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO nicht vorzunehmen sei. Begründet wird dies sowohl mit dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 1051 ZPO als auch mit der Intention, dass im Interesse der Stärkung Deutschlands als Schiedsort für internationale Verfahren eine möglichst einfache und für die Parteien leicht überschaubare Regelung geschaffen werden sollte.22 Zudem wird angeführt, dass nach deutschem Recht gemäß § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO nur vermögensrechtliche Ansprüche Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein können. Da derartige Streitigkeiten nur die unmittelbar Beteiligten betreffen, erscheine es sachgerecht, diesen auch eine weitgehende Rechtswahlfreiheit einzuräumen.23 Gegen diese Ansicht regt sich allerdings vermehrt Widerstand. Dieser gründet sich zum einen auf den historischen Hintergrund des § 1051 ZPO, der auf Art. 28 des UNCITRAL-Modellgesetzes über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit zurückgeht.24 Schon aufgrund des enger gefassten Anwendungsbereichs der Vorbildvorschrift könne für Schiedsverfahren mit Verbraucherbeteiligung keine Aussage getroffen werden. Daneben werden weitere Folgen einer grenzenlosen Rechtswahlfreiheit erwähnt, sodass beispielsweise auch das international anerkannte Prinzip der lex rei sitae ausgehebelt werden könnte.25 Zudem wird die These, dass das europäische IPR, namentlich die Rom I-VO, allgemein keine Anwendung auf das Schiedsverfahren finden 20
Vgl. dazu Reich, ERCL 2014, 10(2), 258, 275. der deutschen Zivilprozessordnung befasst sich § 1051 ZPO mit der Frage des anwendbaren Rechts innerhalb eines Schiedsverfahrens. Zur Historie und Normzweck eingehend Wagner, in: FS Schumann, S. 535, 536 ff. 22 So Voit, in: Musielak-ZPO, § 1051 Rn. 3. Eine Grenze sei erst bei einem Verstoß gegen den ordre public erreicht, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO, davor genießen die Parteien die volle Freiheit bei der Wahl des anzuwendenden Rechts. 23 So Wilske/Markert, in: BeckOK-ZPO, § 1051 Rn. 7.1. Diese vertreten zudem a maiore ad minus, dass die Parteien die Schiedsrichter nach Abs. 3 S. 1 sogar zu einer Billigkeitsentscheidung ermächtigen können. Dann müsse es auch möglich sein, das im Schiedsverfahren anwendbare Recht vollumfänglich zu wählen. 24 Uncitral Modell Law on International Commercial Arbitration vom 12. 6. 1985, das den Mitgliedstaaten von der UN-Vollversammlung zur Annahme empfohlen wurde. 25 So Münch, in: MüKo-ZPO, § 1051 Rn. 18 mit weiteren Beispielen. 21 In
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§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht
würde, angegriffen und dagegen die Anwendung der Verordnung auch auf die Rechtswahl innerhalb der Schiedsverfahren bejaht.26 Treffend wird schließlich noch auf die Wertungskonsistenz zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren hingewiesen.27 Da der Schiedsspruch im Vollstreckungsverfahren einer ordre public Prüfung unterzogen wird, zu dem nach Ansicht des EuGH auch die zwingenden Normen des Verbraucherschutzrechts gehören, wäre es in sich widersinnig, eine unbegrenzte Rechtswahl zu ermöglichen, welche im Ergebnis bei Nichtbeachtung zwingenden Verbraucherschutzrechts zur Versagung der Anerkennung führen würde. Im Ergebnis werden im Rahmen dieser Ansicht Einschränkungen aufgrund von Schutzbedürfnissen auch innerhalb des Schiedsverfahrens anerkannt.28 Damit sprechen für Schiedsgerichtsverfahren die besseren Gründe dafür, auch hier die verbraucherschützenden Normen zwingend miteinzubeziehen. Allerdings ist bei einer Übertragung auf die alternative Streitbeilegung zu bedenken, dass in Schiedsgerichtsverfahren das Bedürfnis zur Berücksichtigung der verbraucherschützenden Regelungen höher ist als in alternativen Streitbeilegungsverfahren nach der ADR-Richtlinie. Dies folgt zum einen daraus, dass ein Schiedsverfahren grundsätzlich Bindungen für beide Parteien entfaltet und damit den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten in der Regel ausschließt. Zum anderen will die Schiedsgerichtsbarkeit eine gleichwertige Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit darstellen und ist damit in höherem Maße dazu angehalten, verbraucherschützende Normen nicht zu verdrängen.29 Diese angestrebte Gleichwertigkeit fehlt jedoch im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung, sodass eine Gleichbehandlung beider Verfahren nicht zwingend geboten wäre. Auch im Rahmen der Mediation als einem anderen Anwendungsfall der außergerichtlichen Streitbeilegung wird trotz des grundsätzlich interessenbasierten Ansatzes die Rolle des Rechts diskutiert.30 Im Gegensatz zur Schiedsgerichtsbarkeit stehen bei der Mediation aber nicht nur rechtliche Fragen, sondern 26 Zu dieser Frage eingehend McGuire, SchiedsVZ 2011, 257, 262 ff. mit dem Ergebnis, dass die behauptete Unanwendbarkeit des europäischen IPR als Reminiszenz an die Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren erscheint und im Ergebnis einer kritischen Überprüfung nicht standhält. 27 McGuire, SchiedsVZ 2011, 257, 263 f. 28 Dafür Münch, in: MüKo-ZPO, § 1051 Rn. 20, der sich zudem mit den Argumenten der Gegenansicht auseinander setzt und feststellt, dass der benötigte Schutz des kleinen Mannes im Rahmen der möglichst attraktiven Ausgestaltung Deutschlands als Schiedsort mehr oder minder unbeabsichtigt ins Hintertreffen geriet. McGuire, SchiedsVZ 2011, 257, 267, stellt hierzu fest, dass es offenkundig sei, dass die Annahme der vollständigen Autonomie in Bereichen, in denen wie im Verbraucherrecht ein Bedürfnis nach Schutz einer idealtypisch unterlegenen Partei besteht, zu Wertungswidersprüchen führt und möglicherweise auch zu Missbräuchen verleitet. 29 Vgl. dazu Wagner, in: FS Schumann, S. 535, 552. 30 Vgl. dazu Koch, in: FS Schlosser, S. 399, 404 ff.
III. Abweichung von verbraucherschützenden Normen in der Entscheidung
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insbesondere ökonomische, soziale und persönliche Aspekte der Beteiligten im Fokus.31 Aufgrund der interessengeleiteten Streitbeilegung wird davon gesprochen, dass Recht in diesen Fällen nicht angewandt, sondern verwendet wird.32 Dennoch wird auch im Rahmen der Mediation die Rolle des Rechts nicht gänzlich außer Acht gelassen.33 Dies ergibt sich schon daraus, dass auch die Mediation nicht außerhalb der Rechtsordnung stattfindet. Denn das Recht setzt Grenzen, indem ein Vertrag, der gegen zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten verstößt, als nichtig anzusehen ist.34 Damit spielen bestimmte Normen selbst innerhalb des Mediationsverfahrens eine gewichtige Rolle. Diese schützen nämlich, wie das zwingende Verbraucherrecht, zumeist in typisierter Weise eine als schwächer angesehene Partei. Ferner ist die nach Durchführung einer Mediation erzielte Abschlussvereinbarung nach § 2 Abs. 6 S. 2 MediationsG als informierter Konsens der beiden Parteien zu verstehen,35 der nur unter der Voraussetzung der vollständigen Information beider Parteien ein für beide Seiten fairer Verfahrensabschluss sein kann.36 Daher müssen auch beide Parteien vor Abschluss der Vereinbarung darüber aufgeklärt werden, auf welche rechtlichen Positionen sie verzichten und was sie im Gegenzug dafür erhalten. Damit zeigt sich, dass auch innerhalb der anderen alternativen Streitbeilegungsverfahren das Recht in den Prüfungsmaßstab einbezogen werden muss, soweit es sich um zwingende Rechtsnormen handelt.37 2. Der Verfahrensabschluss nach den Vorgaben der ADR-Richtlinie Die ADR-Richtlinie verfolgt in ähnlicher Weise wie die Mediation das Prinzip des informierten Kompromisses im Rahmen eines Vorschlagsverfahrens. Die Akzeptanz der vorgeschlagenen Lösung beruht auf der Annahme der Parteien, Art. 9 Abs. 2 lit. b Ulit. i. Im Zusammenspiel mit Art. 9 Abs. 2 lit. b Ulit. iii, 31 So
Trenczek, DS 2009, 66, 71. dazu G. Mähler/H.-G. Mähler, in: Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 48 Rn. 80 ff., nach denen der interessenbasierte Ansatz es sogar verbiete, das Gesetzesrecht zum alleinigen Maßstab für die Entscheidung zu machen. Nach Trenczek, DS 2009, 66, 71 ist die Rechtsnorm nur eines von mehreren Kriterien, um einen Streit verbindlich beizulegen. 33 Gläßer, in: Stürner/Gascόn Inchausti/Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, S. 115, 120 fordert ausgehend von den Erfahrungen der Mediation für die Verfahren nach der ADR-Richtlinie, dass diese nicht im „Schatten“, sondern im „Licht des Gesetzes“ durchgeführt werden sollen. 34 Dazu auch G. Mähler/H.-G. Mähler, in: Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 48 Rn. 81. 35 Dazu eingehend Ropeter/Hinrichs, in: Praxishandbuch Mediationsgesetz, C. Verfahren und Ablauf der Mediation, S. 201 ff. 36 Zu den Unterschieden zwischen den in § 2 Abs. 6 gewählten Termini der Einigung, Vereinbarung und Abschlussvereinbarung Gläßer, in: NK-MediationsG, § 2 Rn. 244 ff. 37 So für das Verfahren gemäß der ADR-Richtlinie Althammer, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung – Aktuelle Perspektiven für die Umsetzung der ADR-Richtlinie, S. 9, 14. 32 Vgl.
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§ 10. Die Ausrichtung des Verfahrens am geltenden Recht
der die mögliche Abweichung der Entscheidung von einem gerichtlichen Urteil behandelt, wird klar, dass die Richtlinie davon ausgeht, dass dem Verbraucher auch eine Lösung präsentiert werden kann, welche nicht genau dem Ergebnis der klassischen Rechtsanwendung entspricht. Zudem hat nach lit. c eine Belehrung der Parteien über die Rechtswirkungen zu erfolgen, welche die Befolgung einer vorgeschlagenen Lösung mitsichbringt, bevor sie der Lösung zustimmen und diese befolgen. Zusammen mit der in lit. d vorgesehenen Überlegungsfrist, deren Angemessenheit von Fall zu Fall variieren kann und deren Festsetzung regelmäßig im Ermessen der AS-Stelle liegt, ergibt sich eine möglichst umfassende Information sowohl über das Verfahren als auch über die abschließende Lösung.38 Diese Abweichung von einer strengen Bindung an das anwendbare Recht erklärt sich aus den mit der Richtlinie verfolgten Zwecken. So wird nicht in allen Fällen eine vollumfängliche Sachverhaltsaufklärung möglich sein, wie sie Gerichte im Grundsatz vornehmen können und sollen.39 Zudem soll mit den Verfahren vor AS-Stellen eine effektive Streitbeilegung in einem Zeitraum von 90 Tagen erreicht werden, sodass aufwändige Prüfungen von rechtlich unklaren oder komplexen Sachverhalten nicht immer in vollem Umfang möglich sein werden. Schließlich will die Richtlinie eine die Parteien befriedende Lösung erreichen, die nicht in jedem Fall strikt an den im geltenden Recht vorgesehenen Rechtsfolgen ausgerichtet sein muss.40 3. Geltungsbereich des Verbraucherschutzrechts Geht man vom Wortlaut der Richtlinie aus, so besteht eine Bindung an die zwingenden Normen des anwendbaren Rechts nur bei einer dem Verbraucher auferlegten Lösung, Art. 11 ADR-RiLi. Damit sind alle verfahrensabschließenden Entscheidungen angesprochen, die für den Verbraucher ohne weitere Zustimmung verbindlich werden.41 Diese Einschränkung erscheint aufgrund des 38 Trotz dieser gemeinsamen Grundausrichtung bleiben Unterschiede im Rahmen der verfahrensbeendenden Maßnahmen. Diese sind im Rahmen der Mediationsverfahren oftmals rein interessenorientiert, während in den hier behandelten Verfahren mit Drittintervention bestimmte bereits in den Verfahrensordnungen niedergelegte Maßstäbe herangezogen werden. Das erklärt auch die vielmals vorgenommene Unterscheidung in Konsens innerhalb der Mediation und Kompromiss innerhalb der Drittentscheidungsverfahren, dazu näher Wendenburg, ZKM 2014, 36, 39. 39 Zur Tatsachenbasis und dem materiell-rechtlichen Bezugspunkt des Verfahrens eingehend M. Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 87, 98–102. 40 Schmidt-Kessel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 9, 17 stellt hierzu fest, dass der Schlichtungsvorschlag nach dem europäischen Schlichtungsgedanken einen Kompromisscharakter mit dauerhafter Wirkung haben solle. 41 Dieser Schluss ergibt sich aus Art. 9 Abs. 2, der im Gegensatz zu Art. 11 von der Beilegung der Streitigkeit durch Vorschlag einer Lösung spricht, für die regelmäßig eine nachträgliche Zustimmung des Verbrauchers notwendig ist.
III. Abweichung von verbraucherschützenden Normen in der Entscheidung
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oftmals europäisch geprägten Verbraucherschutzrechts und dessen häufig zwingender Ausgestaltung nicht sachgerecht. Immerhin ist auch für andere außergerichtliche Verfahren die Geltung bestimmter verbraucherschützender Normen bereits aufgrund der aus der Mediation bekannten Folgen sichergestellt. Wenn aber ein Verstoß nicht die Unwirksamkeit der gefundenen Lösung nach sich zöge, entspräche eine Vereinbarung, die grundsätzliche verbraucherschützende Gedanken nicht beachtet, kaum dem Telos einer sich ausdrücklich auf Art. 169 AEUV berufenden Richtlinie. Damit ist zunächst gesagt, dass eine Berücksichtigung von zwingenden Normen innerhalb eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens grundsätzlich zu erfolgen hat.42 Ob eine Abweichung im Rahmen des das Verfahren abschließenden Ergebnisses vertretbar sein könnte, soll im Folgenden geklärt werden, wobei zunächst deutlich gemacht werden soll, in welchem Zeitpunkt der zwingende Verbraucherschutz im Regelfall eingreift. Eine erhöhte Schutzwürdigkeit wird dem Verbraucher mit Blick auf das Leitbild des bei ausreichender Information mündig handelnden Vertragspartners bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss zugestanden. Diese zeigt sich in verschiedenen vorvertraglichen Informationspflichten, welche dem Unternehmer als künftigem Vertragspartner auferlegt werden.43 Dieser vorvertragliche Verbraucherschutz gliedert sich wiederum in die Offenlegung bestimmter Informationen sowie deren transparente und für den Verbraucher nachvollziebare Formulierung. Hinsichtlich der zur Verfügung zu stellenden Informationen ist auf die jeweils bestehende Informationsasymetrie abzustellen, welche den Umfang der notwendigen Informationen im einzelnen Fall beeinflusst.44 Bekanntestes Beispiel innerhalb des bürgerlichen Rechts dürfte die BGB-InfoVO45 sein, welche größtenteils der Umsetzung von Informationspflichten aus unions42 Der zwingende Charakter der jeweiligen Normen ergibt sich in unionsrechtlichen Akten oftmals aus dem Wortlaut. Beispielhaft hierfür Art. 7 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. Nr. L 171/12), welcher unter der Überschrift der Unabdingbarkeit in Absatz 1 festlegt, dass Vertragsklauseln oder mit dem Verkäufer vor dessen Unterrichtung über die Vertragswidrigkeit getroffene Vereinbarungen, durch welche die mit dieser Richtlinie gewährten Rechte unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden, für den Verbraucher gemäß dem innerstaatlichen Recht nicht bindend sind. 43 Vergleiche hierzu beispielsweise die in Art. 5 und 6 der Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. Nr. L 304/64) vorgesehenen Informationspflichten für den Unternehmer. 44 Ausführlich zu den einzelnen gesetzlichen Ausprägungen Tamm, Verbraucherschutz, S. 358 ff. 45 Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. 8. 2002, BGBl. I S. 3002.
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rechtlichen Akten dient. Mittels dieser Informationen soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine eigenverantwortliche Entscheidung über den Vertragsschluss treffen zu können.46 Diese Informationen helfen dem Verbraucher jedoch nur dann, falls er sie in verständlicher Form erhält. Daher ist die Art und Weise der Informationsübermittlung die zweite wesentliche Säule im vorvertraglichen Verbraucherschutz. Durch das Gebot möglichst transparenter Darstellung soll eine inhaltliche Benachteiligung des Verbrauchers vermieden und dessen Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten gestärkt werden.47 Ebenso ist der Bereich des Vertragsschlusses als besonders sensibler Bereich der geschäftlichen Beziehung durch zwingende verbraucherschützende Maßnahmen abgesichert. Hierbei werden teilweise die Modalitäten des eigentlichen Vertragsabschlusses mit bestimmten Parametern versehen,48 oder bei bestimmten Abschlussarten dem Verbraucher mit Hilfe eines Widerrufsrechts die Möglichkeit gegeben, von einem vorschnell geschlossenen Vertrag wieder Abstand zu nehmen.49 Diese beiden Schutzmechanismen Information und Widerruf werden bereits als traditionelles Instrumentarium des Verbraucherschutzes bezeichnet.50 Schließlich finden sich im Zuge der tatsächlichen Vertragsdurchführung weitere Vorkehrungen, die dem Verbraucher in besonderem Maße Schutz gewähren sollen.51 So werden im Kaufrecht bei Beteiligung eines Verbrauchers als Käufer abweichend vom allgemeinen Recht besondere Vorschriften bereitgestellt, um diesem eine erleichterte Vertragsdurchführung zu ermöglichen.52 Damit wird der Verbraucher bis zur endgültigen Vertragserfüllung und sogar 46
Zum Informationsmodell im Verbraucherrecht M. Stürner, Jura 2015, 1045, 1046. den Voraussetzungen und Gründen für ein Transparenzgebot im Verbraucherrecht eingehend Tamm, Verbraucherschutz, S. 349 ff. 48 Hierzu beispielsweise Art. 11 der E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. Nr. L 178/1), der für die Abgabe einer Bestellung auf elektronischem Wege bestimmte Voraussetzungen aufstellt. 49 Vgl. beispielsweise Art. 9 i. V. m. Art. 25 der Verbraucherrechterichtlinie für einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag. 50 Diese Formulierung findet sich in BT-Drs. 14/2658 auf S. 16 im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro. 51 Vgl. dazu Art. 5 Abs. 3 der Pauschalreiserichtlinie (Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. Nr. L 158/59), welcher die in Abs. 1 und 2 genannten Verpflichtungen bezüglich der Haftung für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen absichert, indem eine Abweichung von diesen mittels Vertragsklausel untersagt wird. 52 Hierfür wurden die §§ 474 ff. BGB im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eingefügt. Deren Geltungsbereich ist nicht für sämtliche Kaufverträge eröffnet, da sie besonderen spezifischen Verbraucherschutzgesichtspunkten Rechnung tragen, RegE, BT-Drs. 14/6040, S. 242. 47 Zu
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darüber hinaus bei der Geltendmachung seiner Ansprüche nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in den Augen des unionsrechtlichen Gesetzgebers als schutzwürdig angesehen. 4. Ausnahmen bei einvernehmlicher Streitbeilegung Diese Regelungen sind sowohl sinnvoll als auch notwendig, um den Verbraucher in gewissem Umfang über seine Rechte aufzuklären und ihn damit bei der praktischen Durchsetzung zu unterstützen. Der Großteil der Kritik an AS-Verfahren entzündet sich daher an diesem Punkt. Es wird vielfach die Befürchtung geäußert, dass diese Regelungen umgangen werden könnten und der Verbraucher seine Rechte in einem außergerichtlichen Verfahren endgültig verlieren könnte. Dieser Befürchtung kann jedoch mit Hilfe der hier vorgeschlagenen Verfahrensaufteilung entgegengetreten werden. Dem Verbraucher wird in einem ersten Schritt die Klärung seiner Ansprüche zuteil. Erst im zweiten Teil des Verfahrens darf er im Rahmen der vorgeschlagenen Lösung eigenverantwortlich entscheiden, ob er die ihm angebotene alternative Lösung als so befriedigend empfindet, dass er sie einer streng an gesetzlichen Rechtsfolgen ausgerichteten Lösung vorziehen möchte.53 Diese Verfahrensweise verschließt nicht die Augen vor dem Problem, dass die Rechtsfolgen der zwingenden verbraucherschützenden Normen kaum von ihren tatbestandlichen Voraussetzungen losgelöst werden können, sodass prima facie behauptet werden könnte, dass es sich auch bei der vorgeschlagenen Lösung um nichts anderes als die teilweise Missachtung zwingender Normen handelt. Daher müssen, um das Bild zu vervollständigen, neben der bereits angesprochenen informierten Entscheidung des Verbrauchers noch zwei weitere Aspekte in die Wertung einbezogen werden. Die außergerichtliche Streitbeilegung bezieht einen nicht unerheblichen Teil ihrer Attraktivität aus der im Gegensatz zu gerichtlichen Verfahren höheren Flexibilität.54 Diese Flexibilität kommt in besonderem Maße im Bereich der Ergebnisfindung zum Tragen. Die Verfahren nach der ADR-Richtlinie sollen genau diese Möglichkeit nutzen, um Verbraucher zur Geltendmachung ihrer Ansprüche zu bewegen. Dieses Ziel kann durch eine stärkere Berücksichtigung der Parteien bei der Ergebnisfindung, das ohnehin erst durch die konsensuale Annahme der Parteien Wirkungen entfalten soll, durchaus erreicht werden, was 53 Dies entspricht auch dem erklärten Willen des unionsrechtlichen Gesetzgebers, welcher in Erwägungsgrund 42 bestimmt, dass AS-Verfahren dergestalt fair sein sollen, dass die Parteien einer Streitigkeit in vollem Umfang über ihre Rechte und die Folgen von Entscheidungen, die sie im Rahmen eines AS-Verfahrens treffen, informiert sind. AS-Stellen müssen die Verbraucher demnach im konkreten Fall über ihre betroffenen Rechte informieren, bevor diese einer vorgeschlagenen Lösung zustimmen oder diese befolgen. 54 Diese Flexibilität hebt auch Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 15 besonders hervor.
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wiederum sowohl bei Verbrauchern wie Unternehmern das Interesse an der außergerichtlichen Streitbeilegung wecken bzw. stärken dürfte.55 Zudem entspricht eine derartige Verfahrensweise einem oftmals von Kritikern übersehenen Ziel der ADR-Richtlinie. In Erwägungsgrund 45 kommt klar zum Ausdruck, dass die angebotenen Verfahren nicht so gestaltet sein dürfen, dass sie gerichtliche Verfahren ersetzen. Damit ist zunächst der Zugang zu staatlichen Gerichten angesprochen, den die Richtlinie nicht blockieren will. Inhärent wird damit aber auch eine Aussage über die allgemeine Positionierung der alternativen Streitbeilegung getätigt. Es wird in gewisser Weise ein Abstandsgebot statuiert, das einerseits der staatlichen Gerichtsbarkeit bestimmte Aufgaben exklusiv reserviert, andererseits aber auch bei den Verfahrensbeteiligten nicht den Eindruck entstehen lässt, dass die alternative Streitbeilegung einen Ersatz für Gerichtsverfahren darstellt. Dieses Abstandsgebot kann bei Anwendung des geltenden Rechts im Vergleich mit dem staatlichen Gerichtsverfahren am Besten im Rahmen der Rechtsfolgen umgesetzt werden. Wenn auch in diesem Bereich nur die gesetzlich vorgesehenen Folgen möglich wären, wäre ein merklicher Unterschied kaum noch gegeben und die Kritik an einer Paralleljustiz durchaus diskutabel. Schließlich ist die Art der vor AS-Stellen behandelten Streitfälle zu berücksichtigen. Sowohl aus den Zahlen der Eurobarometer Surveys, die der Richtlinie zugrunde liegen, als auch aus den Erfahrungen der größten deutschen Schlichtungsstellen ergibt sich der Eindruck, dass die behandelten Ansprüche regelmäßig nicht weiterverfolgt würden, gäbe es nicht die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung.56 Damit wird der Vorwurf der Aushöhlung des staatlichen Gerichtssystems zumindest erschüttert. Eher lässt sich mit guten Gründen die gegenteilige These vertreten. Falls Fälle, welche ansonsten ohne Verfahren geblieben wären, vor einer unabhängigen Stelle unter Zugrundelegung des materiellen Rechts auf Tatbestandsseite behandelt werden, so kann dies einen Beitrag zum Verbraucherschutz leisten.57 Unlautere Praktiken von Unternehmern könnten ebenso aufgedeckt werden, wie unklare rechtliche Fragestellungen.58 55 Vgl. § 2 Abs. 6 S. 1 MedG, zum Grundsatz der informierten Entscheidung in der Mediation eingehend Gläßer, in: NK-MediationsG, § 2 Rn. 264 ff. 56 Vgl. dazu die Zahlen des Special Eurobarometer Nr. 342: Consumer Empowerment aus dem Jahr 2010, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_342_ en.pdf. Aus diesen geht hervor, dass die häufigsten Gründe für die unterbliebene gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherforderungen deren Geringwertigkeit, der Aufwand eines Prozesses und die drohende Kostenlast sind. 57 So auch Zekoll/Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung: Aktuelle Perspektiven für die Umsetzung der ADR-Richtlinie, S. 55, 65 ff; Gaier, NJW 2016, 1367, 1368. 58 Die von Kocher, Funktionen der Rechtsprechung auf S. 465 für die Verfahren des Versicherungsombudsmanns und des Ombudsmanns der privaten Banken aufgestellte These, dass sich diese nicht zur Aktivierung verbraucherrechtlicher Kollektivgüter eignen, überzeugt für die Verfahren nach der ADR-Richtlinie nicht. Sie gründet sich insbesondere auf die weitgehen-
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Damit kann festgehalten werden, dass mit einem informierten Kompromiss der Parteien bei entsprechender Verfahrensgestaltung flexible und gerechte Abschlussvereinbarungen erzielt werden können.59 Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil diese auf dem Vorschlag einer befähigten Streitbeilegungsperson basieren, die eine gewisse Richtigkeitsgewähr für die angebotene Lösung abgeben kann und soll.60 5. Besondere Probleme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Gerade im Rahmen grenzüberschreitender Sachverhalte wird angeführt, dass die Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung und die damit verbundene Anwendung eines bestimmten Sachrechts wenig sinnhaft ist, wenn im Rahmen des Lösungsvorschlags wiederum eine Abweichung von den Maßstäben der berufenen Rechtsordnung möglich ist.61 Dieser Vorwurf greift zumindest bei der hier zugrunde gelegten Ausgestaltung des Verfahrens zu kurz. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts lässt einen Rückschluss darauf zu, welche Rechtsordnung als sachnächste Ordnung zu begreifen ist. Anhand dieser soll der vorgebrachte Sachverhalt beurteilt werden, um zu klären, ob die Beschwerde des Verbrauchers gerechtfertigt ist. Da für diese Beurteilung verschiedene Rechtsordnungen zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, bedarf es der Ermittlung des anwendbaren Rechts im Einzelfall. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlung der streitentscheidenden Normen einer ausländischen Rechtsordnung durchaus, z. B. über das ECC-Netzwerk, möglich ist, um zu klären, ob ein Anspruch tatbestandlich gegeben ist. Hingegen sind bei der Ermittlung der exakten Rechtsfolgen des ausländischen Rechts größere Schwierigkeiten zu erwarten, da für diese oftmals die fremde Rechtsordnung im Gesamten zu betrachten ist.62 Diese Schwierigkeit erhöht sich, je komplexer und je fremder das anzuwendende fremde Recht
de Einflussnahme der Anbieter bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs. Da die ADRRichtlinie jedoch ihren Anwendungsbereich unabhängig von den Interessen der Unternehmer festlegt, besteht hier die realistische Möglichkeit, dass ihre Verfahren sich für die Aktivierung von Verbraucherinteressen eignen werden. 59 Ebenso Riehm, JZ 2016, 866, 872, der im Übrigen darauf hinweist, dass der Verbraucher sein gesetzlich eingeräumtes und als bestehend unterstelltes Recht auch nur um den Preis der materiellen und immateriellen Kosten der gerichtlichen Durchsetzung erhalten könnte. 60 Die Richtigkeitsgewähr hebt Schmidt-Kessel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 9, 19 besonders hervor. 61 In diese Richtung gehend Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 142, 153. 62 Für das gerichtliche Verfahren ist dies anerkannt, vgl. dazu beispielsweise BGH NJW 2014, 1244, 1245. Es genügt dort nicht, wenn das Gericht die einschlägigen Gesetzestexte ermittelt und diese nach eigenem Verständnis auslegt, BGH NJW 2003, 2685, 2686.
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im Vergleich zum deutschen ist.63 Somit kann sich hier die Flexibilität der alternativen Streitbeilegung in besonderem Maße bewähren. 6. Die Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Das VSBG beschäftigt sich mit der Bedeutung des geltenden Rechts im Zusammenhang mit dem Schlichtungsvorschlag. Wenn der Streitmittler nach der Verfahrensordnung den Parteien einen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit zu unterbreiten hat, so soll dieser gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 VSBG am geltenden Recht ausgerichtet sein und insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachten. Zudem sind die Parteien mit der Übermittlung des Schlichtungsvorschlags über die rechtlichen Folgen einer Annahme und darüber, dass der Vorschlag von dem Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen kann, aufzuklären.64 Wie die Ausrichtung am geltenden Recht im Einzelnen auszusehen hat, wird im VSBG nicht näher thematisiert. In den Gesetzgebungsmaterialien findet sich dazu nur der Hinweis, dass der Schlichter nicht in derselben Weise rechtlich gebunden sei wie ein Gericht, das eine für beide Parteien verbindliche Entscheidung trifft, da er lediglich einen Vorschlag unterbreitet, über dessen Annahme die Parteien grundsätzlich frei entscheiden.65 Der Schlichtungsvorschlag baut damit regelmäßig auf dem Parteivortrag und der sich daraus ergebenden Rechtslage auf und nimmt dabei Bezug auf die streitigen Rechts- und Tatsachenfragen.66 Den Parteien ist nach der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ein Lösungsvorschlag zu präsentieren, der mögliche Risiken eines gerichtlichen Verfahrens einbezieht und gleichzeitig die individuellen Interessen der Parteien berücksichtigt.67 Dieser Ausgleich wird regelmäßig auf der Rechtsfolgenebene stattfinden und kann aufgrund der vorgelagerten rechtlichen Sachverhaltsaufklärung als informierter Konsens der Parteien angesehen werden.68 In grenzüberschreitenden Fällen ist das geltende Recht im Sinne des § 19 VSBG über die allgemeinen Regeln des Kollisionsrechts am Sitz der Streitbeilegungsstelle zu bestimmen, sodass eine Ermittlung regelmäßig über Art. 6 Rom 63 Zu der in diesen Fällen umfangreicheren Ermittlungspflicht des Richters im Zivilprozess BGH NJW 2006, 762, 764. 64 Vgl. dazu Röthemeyer, in: Borowski/Röthemeyer/Steike VSBG, § 19 Rn. 57 ff. 65 Vgl. BT Drs. 18/5089, S. 62 f. 66 Vgl. dazu eingehend Riehm, JZ 2016, 866, 871, der darauf hinweist, dass der Vorschlag insbesondere die existierenden Unsicherheiten aufgrund unsicherer Tatsachen- oder unklarer Rechtslage abbilden wird. 67 Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139 spricht hierbei von einer Prozessrisikoana lyse. 68 Dieser Begriff ist aus der Mediation bekannt und findet sich im Rahmen der Abschlussvereinbarung in § 2 Abs. 6 S. 1 MediationsG wieder. Vgl. dazu Ulrici, in: MüKo-FamFG, § 2 MediationsG Rn. 28.
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I-VO stattfinden wird.69 Auch in diesen Fällen ist zunächst der Sachverhalt anhand des geltenden Rechts zu beurteilen und erst im Rahmen des Schlichtungsvorschlags eine flexible Konfliktlösung anzubieten. Dieser Schluss beruht einerseits darauf, dass die rechtliche Beurteilung des Streitfalls auch in grenzüberschreitenden Fällen für die Qualität des Verfahrens ein wichtiger Maßstab ist, und andererseits, dass nur bei einer derartigen Behandlung des Sachverhalts die Parteien ihren Streit mit einem informierten Konsens beilegen können.70
IV. Die Veröffentlichung bedeutsamer oder systemrelevanter Entscheidungen Obwohl die Beachtung des geltenden Rechts im außergerichtlichen Verfahren als wesentlicher Punkt für die Akzeptanz der Streitbeilegung anzusehen ist, bleibt unklar, ob und von wem die korrekte Anwendung kontrolliert wird. Viele der bisherigen Verfahren basieren auf dem Grundsatz der Vertraulichkeit.71 Sie laufen daher meist schriftlich ab und sehen auch bei einer mündlichen Verhandlung nur die Anwesenheit der Parteien und des Schlichters vor. Eine effektive Kontrolle, ob die zur Streitbeilegung berufenen Normen wirklich angewendet wurden, ist in diesen Fällen nur schwer realisierbar. Den Parteien wird zwar das Ergebnis des AS-Verfahrens meist schriftlich oder auf einem dauerhaften Datenträger mitgeteilt, einschließlich der Gründe, auf denen es basiert. Jedoch besteht in diesen Fällen nur eine äußerst eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit, da außer den Parteien regelmäßig kein unabhängiger Dritter auf die gefundenen Verfahrensergebnisse zugreifen kann. 1. Der Ausgangspunkt der ADR-Richtlinie Die ADR-Richtlinie erkennt die Notwendigkeit der Veröffentlichung wiederkehrender Problemstellungen in Erwägungsgrund 30. Dort werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die AS-Stellen alle systematischen oder signifikanten Problemstellungen, die häufig auftreten und zu Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern führen, öffentlich zugänglich machen. Diese Informationen können mit Empfehlungen ergänzt werden, wie 69
So auch Gössl, RiW 2016, 473, 478. von Pelzer, ZKM 2015, 43, 45 vorgeschlagene Heranziehung deutschen Rechts, falls ausländisches Recht nicht einfach zu ermitteln sei, ist abzulehnen, da hier die Gefahr besteht, dass die kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Rechts von vornherein unterlassen wird, falls im Ergebnis auf deutsches Recht zurückgegriffen werden könnte. 71 Vgl. neben den Grundsätzen der ADR-Richtlinie § 4 MediationsG, welcher eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht statuiert. Zu dieser eingehend Weigel, NJOZ 2015, 41, 42. Ähnliche Erwägungen werden auch für das Schiedsverfahren angestellt, vgl dazu Lörcher, DB 1998, 245 der die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens als einen entscheidenden Vorteil nennt. 70 Die
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derartige Probleme in Zukunft vermieden oder gelöst werden können, um die Standards der Unternehmer zu erhöhen und um bewährte Verfahren zu fördern. Diese Aufgabe wird in der Richtlinie an zwei Punkten nochmals aufgegriffen. Zum einen wird hinsichtlich der Kooperation zwischen den AS-Stellen und den für die Durchsetzung der Unionsrechtsakte zum Verbraucherschutz zuständigen nationalen Behörden in Art. 17 Abs. 2 festgelegt, dass insbesondere der Informationsaustausch über Geschäftspraktiken in Wirtschaftssektoren, über die wiederholt Beschwerden von Verbrauchern eingegangen sind, gewünscht ist. Zum anderen sollen systematische oder signifikante Problemstellungen, die häufig auftreten und zu Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern führen, den für die Aufnahme in die europäischen Listen zuständigen Behörden von den Streitbeilegungsstellen gemäß Art. 19 Abs. 3 lit. e mitgeteilt werden.72 Damit soll eine wirksame Kommunikation zwischen den AS-Stellen und den staatlichen Behörden etabliert werden. Allerdings ist zu beachten, dass die letztgenannten Informationen gemäß Art. 19 Abs. 3 nur alle zwei Jahre übermittelt werden sollen. Dies ist im schnell wachsenden E-Commerce eine lange Zeitspanne, in dem neu aufkommende unlautere Geschäftspraktiken schneller aufgedeckt werden sollten.73 Zudem verbleibt die Information zunächst auf behördlicher Ebene, ohne direkt einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu sein. 2. Der Ausgangspunkt der ODR-Verordnung Die ODR-Verordnung hält die Kommission in Art. 11 dazu an, die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung und Pflege einer elektronischen Datenbank zu treffen, in der die gemäß Art. 5 Abs. 4 und Art. 10 lit. c verarbeiteten Daten gespeichert werden. Dabei handelt es sich unter anderem um statistische Daten über den Streitgegenstand und den Ausgang der Streitigkeiten, die über die OSPlattform an die AS-Stellen weitergeleitet wurden.74 Aus den so erhobenen Daten lassen sich zwar statistische Rückschlüsse auf die Nutzung der außergerichtlichen Verfahren und deren Beendigung ziehen. Einzelne Stellen oder Verfahren können allerdings mit diesen Daten nicht überprüft werden.75 Somit
72 Die damit einhergehende Schlichtungsaufsicht und die sich im Rahmen dieser stellenden Fragen behandelt Goldhammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 197, 204 ff. 73 Für eine umfassendere Datenübermittlung in diesem Zusammenhang spricht sich auch Hodges, ERPL 23 (2015), 829, 863 aus. 74 Vgl. Art. 5 Abs. 4 lit. h Unterlit. v; Art. 10 lit. c Unterlit. ii und iv ODR-VO. 75 M. Stürner, GPR 2014, 122, 126 weist zudem darauf hin, dass diese Datenbank nicht als öffentlich zugängliche Datenbank konzipiert ist und damit das Verbrauchervertrauen kaum erhöhen wird.
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ist ein konkreter Erkenntnisgewinn und damit einhergehend eine effektive Kontrolle der einzelnen Stellen und Verfahren auch hier kaum möglich.76 3. Die Veröffentlichung von Präzedenzfällen Die Vertraulichkeit des Verfahrens und damit einhergehend auch des Ergebnisses hat sich innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung von der Mediation bis hin zu den schiedsgerichtlichen Verfahren als ein wesentliches Qualitätsmerkmal etabliert und ist einer der Gründe für den Erfolg der alternativen Streitbeilegung.77 Auch die ADR-Richtlinie sieht in Erwägungsgrund 29 vor, dass die Vertraulichkeit und Privatsphäre während des Verfahrens jederzeit gewährleistet sein soll. Weiterhin werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, den Schutz der Vertraulichkeit des außergerichtlichen Verfahrens auch in nachfolgende zivil- und handelsrechtliche Gerichts- oder Schiedsverfahren hinein zu gewährleisten.78 Gerade in wirtschaftlichen Angelegenheiten wird die Vertraulichkeit auf Unternehmerseite sehr geschätzt. Grund hierfür ist in erster Linie, dass sich mittels eines vertraulich geführten Verfahrens eine negative Außenwirkung im Markt oftmals vermeiden lässt. Zudem wird sichergestellt, dass betriebliche Informationen, die im Laufe der Verhandlungen durch den Unternehmer preisgegeben wurden, nicht anderen Mitbewerbern bekannt werden.79 Damit werden in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer geschützt und dadurch deren Teilnahmebereitschaft erhöht. Die Interessen der Unternehmer an der Wahrung ihrer Marktstellung können allerdings auch im Rahmen einer Veröffentlichung berücksichtigt werden. Sofern sich aus einer veröffentlichten Entscheidung nicht ablesen lässt, welcher Unternehmer der Beschwerdegegner war, sind die wohlverstandenen unternehmerischen Interessen nicht tangiert.80 Zudem ist, im Gegensatz zu schiedsgerichtlichen Verfahren, welche bereits aufgrund ihrer Länge geeignet sind, eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ein außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren auf die Dauer von 90 Tagen angelegt. Aufgrund der Kürze des Verfahrens wird ein erhöhtes Interesse Dritter am Verfahren regel76
So auch Luzak, ERPL 24 (2016), 81, 88. im Bereich der Wirtschaftsmediation, aber auch darüber hinaus wird die Vertraulichkeit des Verfahrens als wesentlicher Bestandteil der außergerichtlichen Streitbeilegung hervorgehoben. Zur Wirtschaftsmediation Risse, NJW 2000, 1614, 1618; zum Ganzen Braun, SchiedsVZ 2013, 274, 277. 78 Zu den Möglichkeiten innerhalb des deutschen Rechts Bösch/Lobschat, SchiedsVZ 2014, 190, 191. 79 Vgl. Weigel, NJOZ 2015, 41. 80 Der Vorschlag von Hodges, in: Zekoll, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, S. 336, 355, einer nicht anonymiserten Veröffentlichung unter Bezugnahme auf den U. K. Financial Ombudsmann Service birgt die Gefahr der Teilnahmeverweigerung vieler Unternehmer. 77 Gerade
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mäßig nicht entstehen und damit die Rückführung des gefundenen Ergebnisses auf einen einzelnen Unternehmer selten möglich sein.81 Eine anonymisierte Veröffentlichung wahrt aber nicht allein die Interessen des Unternehmers. Mit einer anonymen Veröffentlichung wird ein Überblick über die Entscheidungen und Empfehlungen der Schlichtungsstelle gegeben, welcher sowohl eine gewisse Kontrolle ermöglicht als auch Rückschlüsse auf die Entwicklungen innerhalb des jeweiligen Sektors zulässt.82 Diese Erkenntnisse können ergänzend in eine rechtspolitische oder auch rechtswissenschaftliche Diskussion eingebracht werden.83 Überdies wirken Veröffentlichungen in anonymisierter Form vertrauensbildend für Verbraucher wie für Unternehmer,84 indem diese anhand von Stichworten überprüfen können, ob ein ähnlicher Sachverhalt bereits Gegenstand eines außergerichtlichen Verfahrens war und sich dementspechend ein Bild über die möglichen Erfolgschancen einer Beschwerde machen können.85 4. Die Einschränkung von Veröffentlichungen Bei der Veröffentlichung ist allerdings zu beachten, dass nur wirkliche Präzedenzfälle anonymisiert zur Verfügung gestellt werden. Verbraucher und Unternehmer werden aufgrund ihrer nur begrenzten Informationsverarbeitungskapazitäten nur dann auf die Veröffentlichungen zugreifen, wenn diese ein überschaubares Maß nicht überschreiten. Daher obliegt es den streitbeilegenden Stellen, die Fälle auszuwählen, die entweder aufgrund ihrer Häufigkeit als Präzendenzfall in Frage kommen oder die wegen ihrer individuellen Fragestellung für die Parteien von besonderem Interesse sein könnten.86 Die Auswahl kann anhand der gemäß Art. 17 Abs. 2 übermittelten Informationen über Geschäftspraktiken in spezifischen Wirtschaftssektoren, über die wiederholt Beschwerden von Verbrauchern eingegangen sind, vorgenommen werden. Nur bei einer gewissen Häufigkeit gleichartiger Beschwerden ist von einem zu missbilligenden Unternehmerverhalten auszugehen, welches durch eine Veröffentlichung einer Dis81 Dies sieht Risse, NJW 2000, 1614, 1618 als wesentlichen Vorteil der Mediation im Vergleich zu schiedsgerichtlichen Verfahren. 82 Vgl. dazu Farah/De Oliveira, ERPL 26 (2016), 117, 138–139. 83 Kritisch Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 32, die derartige Aufgaben dem Zivilprozess und nicht der außergerichtlichen Streitbeilegung zuweisen. 84 Darauf weist Hess, JZ 2015, 548, 553 hin. Kritisch dazu M. Stürner, GPR 2014, 122, 126. 85 Für Verfahren, in denen eine Lösung vorgeschlagen wird, hält auch Rühl, ZZP 127 (2014), 61, 94 eine anonymisierte Veröffentlichung für sinnvoll. Sie begründet dies treffend damit, dass die außergerichtliche Streitbeilegung in derartigen Fällen nicht nur Konflikte ex post lösen soll, sondern ebenfalls zur Verhaltensteuerung ex ante beiträgt. 86 Auch Berlin, VuR Sonderheft 2016, 36, 43 spricht sich für eine Veröffentlichung exemplarischer Verfahren zu falltypischen Konstellationen bzw. der Darstellung der dazu geübten Schlichtungspraxis aus.
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kussion zugeführt werden soll.87 Damit kann zwar keine vollständig objektive Kontrolle der Entscheide vorgenommen werden, da eine Vorauswahl durch die einzelnen Stellen erfolgt. Jedoch wird eine Tendenz der Entscheidungen durchaus erkennbar, aus der abgeleitet werden kann, ob und wie sich die Streitbeilegung im Einzelfall an den verbraucherschützenden Normen ausrichtet. Sollten die veröffentlichten Entscheidungen positiv aufgenommen werden, ist von einer Reputationserhöhung für die einzelnen Stellen auszugehen, die wiederum eine erhöhte Nutzung der außergerichtlichen Streitbeilegung bewirken kann. Die bisherigen Erfahrungen des Versicherungsombudsmanns in Deutschland sowie anderer mitgliedstaatlicher außergerichtlicher Streitbeilegungsstellen zeigen, dass eine anonymisierte Veröffentlichung ein erfolgsversprechendes Modell ist.88 Die Veröffentlichung kann insbesondere Fälle, welche regelmäßig nicht vor staatliche Gerichte gelangen, einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen und damit die rechtswissenschaftliche Diskussion bereichern.89 Auf diese Weise wird die außergerichtliche Streitbeilegung gleichfalls in den Fokus der öffentlichen Diskussion gestellt. Die Informationen der Verbraucher und Unternehmer über die Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung zu erhöhen, ist auch ein wesentliches Ziel der ADR-Richtlinie, das durch die Veröffentlichungen gefördert wird. Gerade für den Bereich der grenzüberschreitenden Streitfälle ist dies besonders zu begrüßen, da eine vorhersehbare und an Rechtsnormen orientierte außergerichtliche Streitbeilegung vielen Verbrauchern einen Teil ihrer Vorbehalte gegen die Nutzung des Binnenmarkts nehmen kann.
87 Durch eine solche Handhabung wird der Befürchtung eines ausufernden ADR-Case Laws entkräftet, welches als ein Faktor für eine entstehende Paralleljustiz gewertet wird. 88 Reichert-Facilides, in: Basedow/Donath/Meyer/Rückle/Schwintowski, Anleger- und objektgerechte Beratung, Private Krankenversicherung, Ein Ombudsmann für Versicherungen, S. 169, 181 nennt hierfür die Praxis des norwegischen, dänischen und finnischen Ombudsmanns im Versicherungswesen. 89 So Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, S. 138 f. zu den Erfahrungen mit der Veröffentlichungspflicht des dänischen Verbraucherbeschwerdeausschusses.
§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses Ein großes Hindernis für die erfolgreiche Verbreitung der außergerichtlichen Streitbeilegung ist die für den Verbraucher oftmals bestehende Unsicherheit, ob sich ein Unternehmer an die getroffene Vereinbarung tatsächlich halten wird. Die geschlossene Vereinbarung baut zwar auf dem guten Willen der Parteien auf, bestehende Konflikte einvernehmlich zu lösen. Ob ein derartiger guter Wille sich jedoch das gesamte Verfahren über und insbesondere darüber hinaus hält, kann bei einem für den Unternehmer ungünstigen Ausgang des Verfahrens durchaus zweifelhaft sein. Diese Unsicherheit ist gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besonders misslich. Daher ist im Rahmen der Sicherung des Verfahrensergebnisses die Frage zu stellen, wie der Unternehmer dazu angehalten werden kann, die von ihm akzeptierte Vereinbarung auch realiter umzusetzen.
I. Die Bindung an das Verfahrensergebnis Die ADR-Richtlinie spricht die möglichen rechtlichen Bindungen der gefundenen Konfliktlösung in verschiedenen Artikeln an. So sieht Art. 7 Abs. 1 lit. n vor, dass die Parteien über die Rechtswirkung des Verfahrensergebnisses aufzuklären sind, ohne jedoch auf nähere Einzelheiten einzugehen. Damit sind auch reine Vorschlagsverfahren gemeint, welche nicht auf eine bestimmte Bindungswirkung abzielen. In Art. 9 Abs. 2 lit. c wird hinsichtlich der Verfahren, die auf eine Beilegung der Streitigkeit mittels eines Lösungsvorschlags abzielen, festgehalten, dass die Parteien über die Rechtswirkungen informiert werden müssen, die mit der Zustimmung zu der vorgeschlagenen Lösung oder der Befolgung der vorgeschlagenen Lösung verbunden sind, bevor sie einer vorgeschlagenen Lösung zustimmen oder diese befolgen. Neben den Rechtswirkungen findet sich innerhalb der ADR-Richtlinie auch der Begriff der Bindungswirkung wieder. Art. 9 Abs. 3 spricht von Verfahren, welche im Einklang mit nationalem Recht vorsehen, dass ihre Ergebnisse für den Unternehmer verbindlich werden, sobald der Verbraucher die vorgeschlagene Lösung akzeptiert hat. Neben dieser einseitigen Bindung des Unternehmers behandelt die ADR-Richtlinie auch die Möglichkeit einer beiderseitigen Bindungswirkung in Art. 10 Abs. 2 S. 1. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass in Verfahren, in denen die Streitigkeit durch das Auferlegen einer verbindlichen
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Lösung beigelegt werden soll, die auferlegte Lösung nur dann für die Parteien verbindlich sein kann, wenn diese vorher über den verbindlichen Charakter der Lösung informiert wurden und dies ausdrücklich akzeptiert haben. Damit ist im Anwendungsbereich der Richtlinie vom unverbindlichen Vorschlag bis hin zur beiderseitigen Bindung jede Ausgestaltung in den nationalen Verfahrensordnungen möglich.1 Für die weitere Untersuchung der materiell-rechtlichen Absicherung des Verfahrensergebnisses wird die beiderseitige Bindungswirkung allerdings nicht weiter verfolgt. Der Verbraucher, welcher eine außergerichtliche Streitbeilegungsstelle anruft, wird dies oftmals zum ersten Mal tun. Falls die für ihn weitgehend unbekannte Art der Konfliktlösung vorgibt, am Ende des Verfahrens eine für ihn bindende Entscheidung zu treffen, wird dies einige Verbraucher bereits von der Anrufung der Stelle abhalten. Im Gegensatz dazu kann eine außergerichtliche Streitbeilegung, welche dem Verbraucher den Weg zu den Gerichten nur temporär, nicht aber endgültig versperrt, vertrauensbildend wirken. Dem Verbraucher wird in diesem Fall ein zusätzliches Instrument zur Konfliktlösung eingeräumt, ohne dass ihm dadurch die Möglichkeit der Streitbeilegung durch die Gerichte entzogen wird. Dieser Gedanke, auf dem die bisherigen Systeme der außergerichtlichen Streitbeilegung aufbauen, liegt auch dem VSBG zugrunde. Zwar wird die Ausgestaltung der Abschlussvereinbarung nicht gesetzlich vorgegeben, allerdings darf gemäß § 5 Abs. 2 VSBG eine anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle keine Konfliktbeilegungsverfahren durchführen, die dem Verbraucher eine verbindliche Lösung auferlegen. Im Übrigen sind die Stellen im Rahmen der Ausgestaltung des Schlichtungsvorschlags frei, müssen aber nach § 19 Abs. 3 S. 1 VSBG die Parteien mit der Übermittlung des Schlichtungsvorschlags über die rechtlichen Folgen einer Annahme des Vorschlags unterrichten. Die deutsche Schlichtungslandschaft baut im Kern darauf auf, dass die getroffenen Vereinbarungen freiwillig befolgt werden.2 Da die verfahrensabschließenden Vereinbarungen den Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis regelmäßig im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigen, ist materiellrechtlich von einem Vergleich i. S. d. § 779 BGB auszugehen. Der Vergleich beseitigt zwar die Unklarheiten zwischen den Parteien, stellt jedoch keinen vollstreckbaren Titel dar. Daher wird auf anderen Wegen versucht, dem antragsstellenden Verbraucher eine Absicherung des Verfahrensergebnisses zur Verfügung zu stellen. Hierfür werden zwei verschiedene Systeme verwendet. 1. Das System der Freiwilligkeit Das erste System stellt den Parteien einen für beide Seiten zunächst unverbindlichen Lösungsvorschlag zur Verfügung. Als Beispiel kann das Verfahren 1 Vgl. 2 Vgl.
Berlin, ZKM 2013, 108. 110. Hubig, ZKM 2014, 167.
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vor der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) herangezogen werden.3 Nach deren Verfahrensordnung ist gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 die ausgesprochene Schlichtungsempfehlung für die Verfahrensbeteiligten im Grundsatz nicht bindend. Jedoch steht es den Verkehrsunternehmen nach S. 2 frei, nach einer entsprechenden Erklärung eine Selbstbindungswirkung gegen sich gelten zu lassen. Falls sich die beiden Parteien auf der Grundlage des Schlichtungsspruchs oder einer von ihnen modifizierten Form in Absprache mit der söp einigen, entsteht gemäß § 10 Abs. 2 eine vertragliche Bindungswirkung entsprechend einer Vergleichsvereinbarung. Damit wird der privatautonome Charakter der Schlichtung unterstrichen und klargestellt, dass rechtliche Bindungen, welche aus dem Verfahrensabschluss hervorgehen, nur aufgrund der Einigung der Parteien entstehen. 2. Das System der einseitigen Bindung Im Banken- und Versicherungssektor kommt ein anderes System zur Anwendung. Dieses ist darauf gerichtet, bis zu einem gewissen Betrag bereits vorab mit den Unternehmen eine Bindungswirkung zu vereinbaren, um dem beschwerdeführenden Kunden eine Absicherung des gefundenen Ergebnisses zu gewähren. Die Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmanns sieht dazu in § 11 vor, dass bei einer Entscheidung eine einseitige Bindungswirkung für das beteiligte Unternehmen besteht, bei einer bloßen Empfehlung dagegen eine derartige Bindung für keine der Parteien eintritt. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 ergeht bei einem Beschwerdewert von bis zu 10.000 € eine Entscheidung und bei einem Beschwerdewert von mehr als 10.000 € bis zu 100.000 € eine Empfehlung. Somit kann der Verbraucher bei einem Streitentscheid mit einem Verfahrenswert von bis zu 10.000 € durch die Annahme des Schlichtungsvorschlags eine Bindungswirkung für das Unternehmen erzeugen. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 der Verfahrensordnung bewirkt die Bindungswirkung, dass dem Beschwerdegegner der Weg vor die staatlichen Gerichte nicht mehr offen steht. Eine ähnliche Regelung findet sich in der Verfahrensordnung des Bankenombudsmanns. Nach § 6 Abs. 5 lit. a S. 1 ist der Schlichtungsspruch des Ombudsmanns für die Bank bindend, wenn der Beschwerdegegenstand 10.000 € nicht übersteigt. In diesen Fällen ist der Bank die Anrufung der ordentlichen Gerichte versagt, wogegen der Beschwerdeführer diesen Weg weiterhin beschreiten kann. Die einseitige Bindungswirkung für die Unternehmen resultiert teilweise allein aus ihrer Mitgliedschaft in den Trägervereinen der Ombudsmanneinrichtungen. Durch den Eintritt in den Verein unterwerfen sich die einzelnen Mitglieder der Satzung des Vereins und damit auch den Nebenordnungen, welche 3 Ein weiteres Beispiel ist die Schlichtung vor der Bundesrechtsanwaltskammer, zu dieser Heese, SchiedsVZ 2011, 30, 35 f.
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außerhalb der eigentlichen Satzung abstrakt generelle Verpflichtungen für die einzelnen Mitglieder begründen.4 Dies ist beispielsweise in der Versicherungsbranche der Fall. Der Versicherungsombudsmann ist als eingetragener Verein konzipiert, welchem die einzelnen Versicherungsunternehmen beitreten können.5 Damit unterwerfen sich die Unternehmen der Satzung des Vereins und der Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmannes, welche die Bindungswirkung vorsieht. Im Falle des Bankenombudsmanns ist jedoch allein die Vereinsmitgliedschaft im Bundesverband deutscher Banken e. V. für die Bindung an das Schlichtungsergebnis nicht ausreichend. Vielmehr ist darüber hinaus eine gesonderte Unterwerfung unter das Schlichtungsverfahren notwendig.6 Der Grund dafür besteht darin, dass die Schlichtungsstelle an den Bundesverband angegliedert ist und damit nicht rechtlich selbstständig als Verein tätig wird. Diesem zweigliedrigen System haben sich mittlerweile mehr als 220 private Banken, darunter Großbanken, Regionalbanken, Privatbankiers und Auslandsbanken, angeschlossen. 3. Weitere Bindungsmöglichkeiten Neben den bereits behandelten nicht bindenden und einseitig bindenden Entscheidungen bestehen noch weitere Möglichkeiten der Bindungswirkung. Diese haben sich zuvorderst im Baugewerbe ausgeprägt und sind speziell auf die individuellen Problemstellungen dieses Sektors ausgerichtet.7 Es handelt sich dabei im Einzelnen um die vorläufig bindenden und die aufschiebend bedingt bindenden Lösungsmodelle. a) Die vorläufig bindenden Entscheidungen Die vorläufig bindenden außergerichtlichen Entscheidungen haben im deutschen Recht bisher keine Rolle gespielt. Ihr Ursprung liegt im englischen Bauvertragsrecht, dort sind sie unter dem Begriff der Adjudication seit 1998 überdies gesetzlich verankert.8 Ausgangspunkt der Überlegung war, dass bei großen 4 Dazu eingehend Wagner, in: Münchner Handbuch zum Gesellschaftsrecht, Band 5, § 19 Rn. 5 ff.; kompakt dargestellt von Schöpflin, in: BeckOK-BGB, § 25 Rn. 20 ff. 5 Dies ist mittlerweile bei über 95 % der in Deutschland tätigen Versicherungsunternehmen der Fall. 6 Vgl. dazu den ausdrücklichen Hinweis auf der Homepage des Bankenombudsmannes, dass dieser ausschließlich für die Banken zuständig ist, die dem Bundesverband deutscher Banken angehören und sich diesem Verfahren angeschlossen haben, abrufbar unter: https:// bankenombudsmann.de/ombudsmannverfahren/teilnehmende-banken/. 7 Allgemein zu den Möglichkeiten der alternativen Konfliktlösung im Baurecht V. Wagner, NZBau 2001, 169–173. 8 Das Adjudication Verfahren wurde im Rahmen einer Baurechtsreform in das Vertragsrecht in Part 2 Sec. 108 des HGRC (Housing Grants, Construction and Regeneration) Act eingeführt, Schwarze, Das Kooperationsprinzip des Bauvertragsrechts, S. 164. Das Konzept der
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Bauprojekten aufgrund der Komplexität des Vorhabens selbst und der Beteiligung einer Vielzahl an Unternehmen Streitigkeiten regelmäßig unvermeidbar sind.9 Für viele dieser Streitfälle eignet sich eine gerichtliche Lösung allerdings kaum, da Zivilprozesse im Bauwesen aufgrund des vielschichtigen Sachverhalts oftmals langwieriger und aufwändiger gestaltet sind, als in anderen Bereichen.10 Eine damit einhergehende Verzögerung des Bauvorhabens kann Mehrkosten in meist beträchtlicher Höhe nach sich ziehen, was den Erfolg des gesamten Projekts in Frage stellen kann. Auf diese Problemstellung wurde mit der Entwicklung des Adjudikationverfahrens reagiert.11 Falls während des Bauablaufes Streitigkeiten auftreten, so kann gemäß dem englischen HGRC jede Partei einen Adjudicator anrufen, der nach Anhörung beider Parteien innerhalb von 28 Tagen eine zunächst verbindliche Entscheidung trifft, welche zudem vollstreckbar ist. Die Parteien sind gehalten, die Entscheidungen zu befolgen, bis eine abändernde Entscheidung innerhalb eines Gerichtsverfahrens getroffen wird. Erst bei einer endgültigen Entscheidung entfällt die Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit der im außergerichtlichen Verfahren getroffenen Entscheidung. Eine Missachtung dieser Bindungswirkung erfüllt den Tatbestand einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und löst damit regelmäßig Schadensersatzansprüche aus. b) Die aufschiebend bedingten Entscheidungen Die Möglichkeit aufschiebend bedingter außergerichtlicher Entscheidungen gibt es in Deutschland im Baurecht und im Urheberrecht. In der VOB/B12 ist in § 18 Abs. 2 Nr. 1 für Meinungsverschiedenheiten bei Verträgen mit Behörden die Verpflichtung des Auftragnehmers vorgesehen, zunächst die der auftraggebenden Stelle unmittelbar vorgesetzte Stelle anzurufen. Diese soll dem Auftragnehmer Gelegenheit zur mündlichen Aussprache geben, ihn möglichst innerhalb von 2 Monaten nach der Anrufung schriftlich bescheiden und dabei auf Adjudication war allerdings bereits seit Beginn der 1980er Jahre bekannt. Dazu eingehend Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, B. § 1 Rn. 28 ff. und Wiegand, RIW 2000, 197. 9 Harbst/Mahnken, SchiedsVZ 2005, 34, 35 weisen darauf hin, dass selbst bei sorgfältigster Planung Leistungsverzeichnisse fast nie ohne Änderungen und Ergänzungen umgesetzt werden und im Zusammenhang mit den damit verbundenen unvermeidlichen Änderungen es oft zu Streit darüber kommt, wer die zusätzlichen Kosten zu tragen hat. 10 Teubner Oberheim/Schröder, NZBau 2011, 257 führen hierfür den Streit um technische Fragen, oftmals in vielen Einzelpositionen, die durch zeitaufwändige Sachverständigengutachten geklärt werden müssen, als ein maßgebliches Hindernis an. 11 Für die Einführung einer Adjudikation in Deutschland aufgrund ähnlich gelagerter Probleme spricht sich Lembcke, ZRP 2010, 260, 262 aus. Zu den verfassungsrechtlichen Problemen einer Adjudikation im deutschen Recht Papier/Schröder, ZfBR 2013, 731–741. 12 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen, Bekanntmachung vom 31. 7. 2009, BAnz. Nr. 155 vom 15. 10. 2009.
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die Annahmefiktion des Satzes 3 hinweisen. Die gefällte Entscheidung gilt nach ergangenem Hinweis als anerkannt, wenn der Auftragnehmer nicht innerhalb von 3 Monaten nach Eingang des Bescheides schriftlich Einspruch beim Auftraggeber erhebt. Im Urheberrecht macht im Rahmen der Vergütungsregeln nach § 36 Abs. 4 UrhG die Schlichtungsstelle den Parteien einen begründeten Einigungsvorschlag, der den Inhalt der gemeinsamen Vergütungsregeln enthält.13 Dieser gilt als angenommen, wenn ihm nicht innerhalb von drei Monaten nach Empfang des Vorschlages schriftlich widersprochen wird.14 4. Die Ergebnisabsicherung nach der ADR-Richtlinie Zwar konnten in der bestehenden deutschen Schlichtungslandschaft auch ohne spezielle Absicherungsmechanismen bereits hohe Erfolgszahlen verbucht werden. Jedoch könnte eine materiell-rechtliche Bindungswirkung der erzielten Ergebnisse ein weiterer Anreiz für Verbraucher sein, sich mit den Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung näher zu befassen. Während bei einer den Unternehmer begünstigenden Entscheidung, welche die Beschwerde des Verbrauchers ganz oder teilweise abweist, in Ermangelung konkreter Umsetzungsanweisungen eine derartige Absicherung entbehrlich ist, kommt einer Bindungswirkung bei einer den Verbraucher begünstigenden Lösung besondere Bedeutung zu. Hierbei sind zwei Aspekte wesentlich. Zum einen muss der Verbraucher sich sicher sein können, dass bei einer Entscheidung der Unternehmer gegen diese nur unter bestimmten, eng gezogenen Voraussetzungen gerichtlich vorgehen kann. Zum anderen muss dem Verbraucher, falls der Unternehmer sich nicht der getroffenen Vereinbarung entsprechend verhält, ein effektives Mittel zur Durchsetzung der Vereinbarung an die Hand gegeben werden.15 Für die materiell-rechtliche Absicherung der im Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie erzielten Verfahrensergebnisse eignen sich nicht alle der vorgestellten Bindungswirkungen. Eine beide Seiten vorläufig bindende Entscheidung wird den Erfolg der außergerichtlichen Streitbeilegung in Verbrauchersachen regelmäßig nicht gewährleisten können. Dies wird bereits aus der Ausgangssituation, aus der sich die Streitfälle ergeben, deutlich. Während inner13 Gemäß § 36a Abs. 1 UrhG bilden Vereinigungen von Urhebern mit Vereinigungen von Werknutzern oder einzelnen Werknutzern zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln eine Schlichtungsstelle, wenn die Parteien dies vereinbaren oder eine Partei die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verlangt. 14 Auch auf internationaler Ebene finden sich ähnliche Ansätze. So ist im Rahmen der Dispute Board Rules der International Chambers of Commerce in Art. 4 Abs. 5 festgelegt, dass die Partei, welche mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden ist, innerhalb von 30 Tagen eine Ablehnungserklärung abgeben muss. Die zunächst nicht bindende Entscheidung wird mit Ablauf der Frist für die Parteien bindend. Zum Ganzen Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, B. § 1 Rn. 54. 15 Vgl. dazu Caponi, in: Stürner/Gascόn Inchausti/Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, S. 149, 158.
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halb eines Bauprozesses die zügige Durchführung des Projekts von essentieller Wichtigkeit ist, um größere wirtschaftliche Einbußen zu vermeiden, handelt es sich bei den Streitfällen, die in den Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie fallen, regelmäßig um abgeschlossene Sachverhalte, in denen weitere wirtschaftliche Folgen nicht mehr zu befürchten sind. Zudem ist das rationale Desinteresse des Verbrauchers an einem gerichtlichen Verfahren mit in den Blick zu nehmen. Aufgrund dieses Desinteresses wird es kaum einmal zu einer gerichtlichen Überprüfung der vorläufig bindenden Entscheidung kommen.16 Damit unterscheidet sich die vorläufig bindende Entscheidung für den Verbraucher faktisch nicht von einer endgültigen Bindungswirkung. Diese soll aber gerade unterbleiben, um das Vertrauen in die neuartigen Streitbeilegungsverfahren nicht zu beschädigen.17 Die bei aufschiebend bedingten Entscheidungen verwendete Annahmefiktion ist ebenfalls nicht als zielführend anzusehen. Der unterliegende Teil befindet sich unter einem gewissen zeitlichen Druck, welcher sich erhöht, falls der eingeräumte Prüfungszeitraum nicht ausreichen sollte, um den gemachten Vorschlag eingehend kontrollieren zu können.18 Damit drängt sich die Vermutung auf, dass präventiv eine Ablehnung bereits aus der Angst heraus erklärt wird, später nicht an einen nicht interessengerechten Spruch gebunden zu sein. Hieraus resultiert noch ein weiteres Hindernis für die konsensual angelegte außergerichtliche Streitbeilegung. Bei einer Ablehnung wird der anderen Partei gegenüber suggeriert, dass keine Einigungsbereitschaft existiert, selbst wenn die Ablehnung nur zur Fristwahrung erklärt wurde. Damit wären Konflikte, welche sich grundsätzlich im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung lösen ließen, trotz bestehender Einigungsbereitschaft der Parteien dem erhöhten Risiko eines Scheiterns ausgesetzt, was letztendlich die Reputation der alternativen Streitbeilegung im Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie beschädigen könnte. 16 In diesem Zusammenhang ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass bei einer gerichtlichen Überprüfung der Maßstab oftmals eingeschränkter Natur ist. Regelmäßig wird die vorläufige Bindung erst bei Erreichen einer groben Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung aufgehoben, so Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, B. § 1 Rn. 41. Im Rahmen des Schiedsgutachtens ist gemäß § 319 BGB die offenbare Unbilligkeit notwendig, um eine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Diese Hürde erscheint zumindest nicht unerheblich, da auch in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten meist mehrere entgegengesetzte Gutachten eingeholt werden, um den Richter von der offenbaren Unbilligkeit der festgelegten Leistung zu überzeugen. 17 Auch die von Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, B. § 1 Rn. 40 geäußerte Annahme, dass die Konsequenz des Schadenersatzes bei Zuwiderhandlung drastisch genug ist, um die Parteien an die Entscheidung zu binden, verfängt hier nicht. Für die Geltendmachung des Schadenersatzes bedarf es wiederum eines gerichtlichen Verfahrens, welches regelmäßig nicht angestrebt werden wird. 18 Erschwerend tritt beispielsweise im Urheberrecht hinzu, dass gegen den Vorschlag zum einen kein Rechtsbehelf zur Verfügung steht, zum anderen nach fingierter Annahme keine Rügemöglichkeit für Verfahrensfehler im Schlichtungsstellenverfahren selbst besteht. Der Einigungsvorschlag ist vielmehr bestandskräftig, vgl. Soppe, in: BeckOK-UrhR, § 36 UrhG Rn. 93.
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Die einseitig bindende Entscheidung zulasten des Unternehmers erscheint für die Absicherung des Verbrauchers als geeignetes Mittel, um sowohl den Interessen des Verbrauchers als auch denen des Unternehmers gerecht zu werden. Der Verbraucher kann mittels der Annahme des Entscheidungsvorschlags der streitbeilegenden Stelle den Unternehmer am Ergebnis der außergerichtlichen Streitbeilegung festhalten. Dies ist auch für den Unternehmer ein zumutbarer Weg. Zum einen beruht die Bindungswirkung auf seiner privatautonomen Entscheidung, sich einer bestimmten Streitbeilegungsverfahrensordnung zu unterwerfen. Erst dadurch eröffnet er dem Verbraucher die Möglichkeit, eine einseitig bindende Entscheidung herbeizuführen. Zum anderen sind die Entscheide der streitbeilegenden Stellen nur bis zu bestimmten Höchstbeträgen für den Unternehmer bindend. Dieser erlangt zudem die Möglichkeit, bestimmte Sachverhalte mit geringeren Streitwerten außerhalb seiner Rechtsabteilung und ohne Zuhilfenahme externer Anwälte verbindlich klären zu lassen. Schließlich wertet die einseitige Bindungswirkung zugunsten der Verbraucher auch die streitbeilegenden Stellen auf. Diesen wird ein gewisser Sanktionsmechanismus für ungerechtfertigtes Unternehmerverhalten an die Hand gegeben, der den Unternehmen die Möglichkeit einer Flucht in die gerichtlichen Instanzen entzieht.19 a) Grundlage der einseitigen Bindung Das System der einseitigen Bindung entfaltet sowohl innerhalb des Verfahrens als auch im Rahmen des verfahrensabschließenden Ergebnisses bestimmte Wirkungen. Während des Verfahrens hindert es den Unternehmer daran, sich ohne das Einverständnis des Verbrauchers aus diesem zurückzuziehen. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Unternehmer die Entscheidungsbefugnis auf die Schlichtungsstelle übertragen hat, soweit eine einseitige Bindungswirkung nach der Verfahrensordnung eintritt. Dieser Überantwortung steht es entgegen, dem Unternehmer die Möglichkeit einer einseitigen Beendigung des Verfahrens zuzugestehen, da dieser sonst den Eintritt der einseitigen Bindungswirkung verhindern könnte.20 Falls der Unternehmer sich nicht am Verfahren beteiligt, ergeht regelmäßig eine Entscheidung nach Aktenlage, welche nur das Vorbringen des Verbrauchers berücksichtigt.21 Die einseitige Bindungswirkung schlägt sich ebenfalls im Ergebnis der außergerichtlichen Streitbeilegung nieder. Welche Wirkungen im Einzelnen 19 Vgl. Zawal-Pfeil, BuB 2002, Rn. 2/1124. Heinsius, WM 1992, 478 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der Ombudsmann der privaten Banken nicht nur bellen, sondern auch beißen kann. 20 So auch Brödermann, in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 6 Rn. 38, Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, § 3 Rn. 60. 21 Vgl. beispielsweise § 7 Abs. 4 S. 1 VomVO.
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mit dieser verbunden sind, ist von der rechtlichen Qualifikation der Bindungswirkung abhängig. Die verschiedenen Möglichkeiten der Einordnung sind daher näher zu untersuchen. aa) Einordnung als Schiedsspruch Denkbar wäre zunächst eine Einordnung der Entscheidung als Schiedsspruch gemäß § 1055 ZPO. Doch dürfte eine derartige Einordnung für die Verfahrensabschlüsse der ADR-Richtlinie nicht in Betracht kommen, da das Verfahren vor den außergerichtlichen Stellen einem schiedrichterlichen Verfahren im Sinne der ZPO nicht entspricht, da mit ersterem der Weg zu den staatlichen Gerichten nicht ausgeschlossen werden soll.22 Ferner ist eine nur einseitig wirkende Bindung einem Schiedsspruch wesensfremd. Charakteristisch für diesen ist, dass beide an dem Schiedsverfahren beteiligten Parteien durch die Entscheidung des Schiedsgerichts gebunden sind und der Schiedsspruch nur sehr begrenzt der staatlichen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.23 Weiterhin dient ein Schiedsspruch nicht nur der bindenden Beilegung der Streitigkeit, sondern stellt zugleich einen Vollstreckungstitel dar, aus dem nach einer Vollstreckbarkeitserklärung gemäß § 1060 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.24 Daneben kennt die Zivilprozessordnung in § 794 ZPO zwar noch andere Vollstreckungstitel, die ohne staatliche Verfahren geschaffen werden können, doch wäre dafür der Abschluss eines Gütestellenvergleichs erforderlich, der seine Legitimation aus der staatlichen Anerkennung der Gütestelle ableitet, oder eines Anwaltsvergleichs, der allerdings noch notariell beurkundet werden müsste. Darüber hinaus eine Entscheidung anzuerkennen, welche die Wirkungen eines Schiedsspruches hat, ohne das Ergebnis eines schiedsrichterlichen Verfahrens zu sein, erscheint dagegen nicht gerechtfertigt. bb) Einordnung als drittbegünstigender Vertrag Zur Erklärung der Bindungswirkung wird auch auf eine Drittbegünstigung des Verbrauchers aus einer Vereinbarung zwischen der streitbeilegenden Stelle und dem Unternehmer zurückgegriffen.25 Rechtlich soll es sich hierbei um einen einseitig verpflichtenden Vertrag handeln, welcher zwischen der Schlichtungsstelle und dem beitretenden Unternehmer zustande kommt und der Wirkungen 22
Für die Einordnung als Schiedsspruch Jordans, VuR 2003, 253, 259 f. Es erscheint daher inkonsequent, von der ausnahmsweise eintretenden Bindungswirkung auf einen schiedsrichterlichen Gesamtcharakter des Schlichtungsverfahrens zu schließen, vgl. Hoeren, NJW 1992, 2727, 2731 für das Verfahren vor dem Bankenombudsmann. 24 Gemäß § 1055 ZPO hat der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. 25 Vgl. Höche, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 3 Rn. 59 f.; Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB, Band 2, Rn. I-95. 23
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entsprechend § 328 BGB zugunsten Dritter enthält. Damit soll zulasten des Unternehmers ein einseitig verpflichtender Vertrag mit einer Begünstigungswirkung für eine unbestimmte Vielzahl von Verbrauchern entstehen, die später durch ihre Eigenschaft als Vertragspartner bestimmbar werden.26 Ein weiterer Ansatz sieht die Drittbegünstigung in einem kausalen Schuldanerkenntnis, welches durch den Unternehmer gegenüber der streitbeilegenden Stelle zugunsten des Verbrauchers abgegeben wird.27 Diese Konstruktion kann nur bedingt überzeugen. Die Begründung zur Drittbegünstigung erinnert stark an das Dreipersonenverhältnis im Vertrag zugunsten Dritter. Charakteristisch für diesen Vertragstyp ist, dass der eigentliche Vertrag zwischen dem Versprechenden als Schuldner und dem Versprechensempfänger als Gläubiger besteht.28 Damit wären nur der Unternehmer als Schuldner und die streitbeilegende Stelle als Gläubiger Vertragspartner, der Verbraucher als Dritter hätte hierbei nur ein aus diesem Verhältnis abgeleitetes Forderungsrecht.29 Somit wäre die vertragliche Beziehung des Unternehmers zu der jeweiligen Stelle enger ausgestaltet als die des Verbrauchers, was innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung zu einem Ungleichgewicht führen würde. Dieses Ungleichgewicht der vertraglichen Beziehungen ist nicht mit der Unabhängigkeit der streitbeilegenden Stellen in Einklang zu bringen, sodass eine Einordnung als Vertrag zugunsten Dritter nicht in Betracht kommt.30 cc) Einordnung als Venire contra factum proprium Soweit die einseitige Bindungswirkung durch die Unterwerfung unter die Verfahrensordnung der jeweiligen Stelle hervorgerufen wird, wird dem Verbraucher gegenüber der Eindruck erweckt, dass der Unternehmer das verfahrensbeendende Ergebnis gegen sich gelten lassen wird. Käme es nach dem Erlass der Entscheidung und deren Annahme durch den Verbraucher zu einem Sinneswandel des Unternehmers, so müsste der Verbraucher die Einhaltung der Vereinbarung klageweise durchsetzen. Im Rahmen eines Prozesses müsste der Unternehmer dann entsprechend der gewählten Verfahrensordnung die materiell-rechtliche Bindung des Verfahrensergebnisses anerkennen.31
26 Dazu eingehend von Hippel, Der Ombudsmann im Bank- und Versicherungswesen, S. 89–117. 27 Vgl. dazu Gude, Der Ombudsmann der privaten Banken in Deutschland Großbritannien und der Schweiz, S. 126. 28 Gottwald in MüKo-BGB, § 328 Rn. 25. 29 BGHZ 54, 145, 147. 30 Dies stellt auch Gude, Der Ombudsmann der privaten Banken in Deutschland Großbritannien und der Schweiz, S. 125, 126 fest. 31 Für diese Möglichkeit Hoeren, NJW 1992, 2727, 2731 für das Schlichtungsverfahren des Bundesverbands deutscher Banken.
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Dieses Ergebnis beruht auf dem Gedanken des venire contra factum proprium. Mit Einleitung des Verfahrens vor einer AS-Stelle akzeptieren beide Parteien deren Verfahrensordnung und schließen insoweit einen Vertrag über die Durchführung einer außergerichtlichen Streitbeilegung. Teil dieser vertraglichen Vereinbarung ist es, dass der Unternehmer den Spruch der Stelle akzeptieren wird, sofern der Verbraucher diesem zustimmt. Da er dadurch ein schützenswertes Vertrauen des Verbrauchers auf die Einhaltung der materiell-rechtlichen Vereinbarung erzeugt, kann er sich dieser vertraglichen Verpflichtung nachträglich nicht mehr grundlos entziehen.32 Neben dieser materiell-rechtlichen Absicherung entfaltet die einseitige Bindung auch prozessuale Wirkungen. Dem Unternehmer wird durch seine Unterwerfung die Möglichkeit zur Anrufung der staatlichen Gerichte hinsichtlich des behandelten Streitgegenstands versagt. Dieser außergerichtliche Verzicht auf die Klagbarkeit eines Anspruchs wird als pactum de non petendo bezeichnet.33 Diese Rechtsfigur gibt im Prozess dem Beklagten die Möglichkeit, gegen die Erhebung einer Klage eine prozessuale Einrede zu erheben. Der Ausschluss der Klagebefugnis wird als Prozessvertrag eingeordnet, wobei innerhalb dieses Vertragstyps zwischen Prozessverträgen mit Verfügungscharakter, welche unmittelbar gestaltend auf die Prozessrechtslage einwirken, und verpflichtenden Prozessverträgen unterschieden wird.34 Bei einem Vertrag über den Ausschluss der Klagbarkeit eines Anspruchs wird meist von einem Prozessvertrag mit Verfügungscharakter gesprochen, welcher im Prozess als negative Zulässigkeitsvoraussetzung behandelt wird.35 Da somit die verfahrensrechliche Befungnis, einen bestimmten Anspruch im Wege der Klage geltend zu machen, nicht mehr gegeben ist, muss die erhobene Klage als unzulässig abgewiesen werden.36 Der hier anzunehmende peremptorische Ausschluss der Klagebefugnis kann privatautonom vereinbart werden. Dies resultiert aus der Überlegung, dass es den Parteien im Grundsatz ebenso freisteht, die Verbindlichkeit durch einen Vertrag aufzuheben.37 Daher darf es ihnen a maiore ad minus nicht verwehrt 32 Da sowohl eine sachliche Unvereinbarkeit des früheren mit dem späteren Verhalten als auch ein beim Gegner geschaffener Vertrauenstatbestand gegeben sind, ist das Verhalten in diesem Fall als missbräuchlich anzusehen. Zu den Einzelheiten des missbräuchlichen Verhaltens Schubert, in: MüKo-BGB, § 242 Rn. 309 ff. 33 Hierzu beispielsweise BGH NJW-RR 1989, 1048, 1049; NJW-RR 1995, 291, 292, jeweils zu einem temporär begrenzten pactum de non petendo. 34 Zu dieser Unterscheidung Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn. 417 f. 35 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, Vorbemerkung zu §§ 253 ff. Rn. 14. 36 Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 253 Rn. 18 37 Vgl. dazu Wagner, Prozessverträge, S. 409, 410, 413, der in der Disposition über das Klagerecht die Kehrseite der Klagebefugnis sieht. Damit bilde die vertragliche Disposition über die Klagebefugnis eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz, dass jede partei- und prozessfähige Person einen eigenen Anspruch gerichtlich geltend machen kann und in diesem Sinne klagebefugt sei.
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werden, den Ausschluß oder die Beschränkung der Klagbarkeit des jeweiligen Anspruchs zu vereinbaren.38 Diese Befugnis steht auch dem Verbraucher zu, welcher, gleich dem Unternehmer, grundsätzlich individualvertraglich über seine Ansprüche verfügen kann.39 b) Einschränkungen der einseitigen Bindungswirkung Allerdings muss die einseitige Bindungswirkung in Ausnahmefällen sowohl auf materiell-rechtlicher als auch auf prozessualer Ebene zugunsten des Unternehmers aufgehoben werden können, wenn die Folgen für ihn offenbar unbillig wären.40 Für die nähere Bestimmung einer derartigen offenbaren Unbilligkeit kann auf die Umstände, welche § 319 Abs. 1 S. 1 BGB für die Leistungsbestimmung durch einen Dritten aufstellt, zurückgegriffen werden. Denn die „Leistungsbestimmung“ wird auch innerhalb eines außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens durch einen Dritten vorgenommen, der als Mindestmaß das Gebot der Billigkeit einzuhalten hat.41 Da das Korrektiv der offenbaren Unbilligkeit bei der Leistungsbestimmung durch einen Dritten auch im europäischen Vertragsrecht bekannt ist, kann zudem von einer internationalen Anerkennung dieses Korrektivs ausgegangen werden.42 Bei der Einschränkung der einseitigen Bindungswirkung können zwei Fälle unterschieden werden: Zum einen kann die offenbare Unbilligkeit sich auf die tatsächlichen Feststellungen, die der Leistungsbestimmung zugrunde liegen, beziehen, sodass in diesen Fällen besser von einer offenbaren Unrichtigkeit gesprochen werden sollte.43 In derartigen Fällen ist von einer offenbaren 38 So ausdrücklich OLG Celle, NJW 1971, 288 mit weiteren Nachweisen. Noch offen gelassen bei BGH NJW 1984, 669, 670, in die Richtung des OLG Celle gehend BGH, Beschluss vom 12. 04. 2006 – III ZR 153/05. 39 Zu den Bindungswirkungen eingehend M. Stürner, in: Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Jahresband 2014, S. 63, 75 ff. 40 Dass eine Entscheidung einer AS-Stelle unter Drohung oder arglistiger Täuschung zulasten des Unternehmers zustande kommt, ist zwar kaum denkbar, muss diesen aber bereits nach allgemeinen Regeln von einer ursprünglichen einseitigen Verbindlichkeit lösen. 41 Anderer Ansicht für das Verfahren vor dem Versicherungsombudsmann Hirsch, in: Bankrechtstag 2015, S. 29, 37; der einem Unternehmen, gegen das einseitig bindend entschieden wurde, nur bei Verstößen gegen Vorschriften der Verfahrensordnung, auf welchen die Entscheidung beruht, eine Lösung von der einseitigen Bindung zugesteht. 42 So finden sich innerhalb des Draft Common Frame of Reference in II-9:106 eine § 319 Abs. 1 S. 1 BGB vergleichbare Regel (If a price or other term determined by a third person is grossly unreasonable, a reasonable price or term is substituted), ebenso wird in Art. 6.106 (2) der Principles of European Contract Law eine vergleichbare Regelung getroffen (If a price or other term fixed by a third person is grossly unreasonable, a reasonable price or term shall be substituted). 43 Diesen Terminus wendet der BGH bei Schiedsgutachten an, welche nicht rechtsgestaltende, sondern feststellende Wirkungen haben; dazu BGH NJW 1983, 2244, 2245 für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen. In derartigen Fällen wird § 319 Abs. 1 BGB entsprechend herangezogen, da es sich hier nicht um (voluntative) Festsetzungen, sondern um
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Unrichtigkeit auszugehen, falls sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch erst nach eingehender Prüfung, offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen, oder wenn die Ausführungen so lückenhaft sind, daß selbst ein Fachmann das Ergebnis nicht überprüfen kann.44 Somit ist die bloße Unrichtigkeit nicht ausreichend, das Ergebnis vielmehr erst dann offenbar unbillig, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss.45 Im zweiten Fall ist von der offenbaren Unbilligkeit der rechtlichen Wirkungen auszugehen, falls diese in so grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen, dass sich die Unbilligkeit, wenn auch nicht jedermann, so doch dem unbefangenen Sachkundigen aufdrängt.46 Man kann in diesem Zusammenhang auch von einer evidenten Unbilligkeit sprechen.47 Zur Beurteilung der offenbaren Unbilligkeit kommt es hierbei alleine auf das jeweils ausgeworfene Ergebnis des Dritten an.48 Zuzugeben ist, dass mittels einer derartigen Einschränkung die gestärkte Position des Verbrauchers wieder geschwächt wird. Jedoch handelt es sich bei dem genannten Korrektiv um ein nur in extremen Ausnahmefällen anwendbares Mittel, welches im Ergebnis entsprechend § 319 Abs. 1 BGB zur Unverbindlichkeit führen muss. Der Unternehmer muss zudem zur Geltendmachung der offenbaren Unbilligkeit ein gerichtliches Verfahren anstrengen. Schließlich darf bei aller Privilegierung des Verbrauchers das Unternehmerinteresse nicht ganz aus den Augen verloren werden. Auch diesem muss die Möglichkeit verbleiben, sich gegen offensichtliche Verstöße zur Wehr zu setzen, da sich ansonsten auf längere Sicht die unternehmerische Beteiligungsbereitschaft rückläufig entwickeln wird. c) Ergebnis Damit bietet die einseitige Bindung des Unternehmers die den Interessen der beteiligten Parteien angemessene Absicherung des gefundenen Ergebnisses. Der Verbraucher wird sowohl vor einer möglichen Klage des Unternehmers, als auch im Rahmen einer eventuellen gerichtlichen Durchsetzung seiner Forderung (kognitive) Feststellungen handelt, so Würdinger, in: MüKO-BGB, § 319 Rn. 14, der zudem feststellt, dass eine in einem Schiedsgutachten getroffene Feststellung nicht als solche unbillig sein kann, sondern sich in diesen Fällen mehr die Frage stellt, ob sie den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. 44 Vgl. BGH NJW-RR 1988, 506. 45 Vgl. dazu BGH NJW 2001, 3775, 3777; NJW-RR 2004, 760, 762 und zuletzt NJW 2013, 1296, 1297. 46 Würdinger, in: MüKo-BGB, § 319 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen. 47 So Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 319 Rn. 2. 48 Eingehend dazu Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch einen Dritten, S. 504 ff.
I. Die Bindung an das Verfahrensergebnis
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umfassend geschützt. Dieser Schutz ist insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten von besonderer Bedeutung.49 Der Verbraucher muss weder einen nicht gewollten Prozess fürchten, da die Klage des Unternehmers als unzulässig abzuweisen ist. Die Klage des Verbrauchers wird hingegen ohne ein aufwändiges Verfahren regelmäßig Erfolg haben, da der Unternehmer nur sehr eingeschränkt gegen das gefundene außergerichtliche Ergebnis vorgehen kann. Damit wird ein hohes Schutzniveau erreicht, welches der außergerichtlichen Streitbeilegung durchaus Attraktivität verleiht. 5. Die Branchenverbandabsicherung – Hollands Geschillencommissies Eine weitere Form der Absicherung kann durch branchengetragene oder unterstützte Streitbeilegungsstellen erreicht werden. Als Modell kann hier das Verfahren vor den holländischen Geschillencommissies herangezogen werden. Dieses baut auf die Akzeptanz der Schlichtung durch Branchenverbände, welche sich dem Verfahren mit Bindung für ihre Mitglieder anschließen können. Neben die verfahrensabschließende Entscheidung als bindend advies tritt als Ergebnisabsicherung eine Art Versicherungslösung. Falls ein Unternehmen, das einem Branchenverbund angehört, die Entscheidung der Kommission nicht freiwillig umsetzt, wird der zugesprochene Betrag durch den Branchenverband vorgeleistet. Sofern das Unternehmen keinem Branchenverband angehört, so muss es vor Beginn der Schlichtung den streitgegenständlichen Betrag hinterlegen, um so eine rasche Befriedigung des Verbrauchers zu gewährleisten.50 Damit erhält der Verbraucher eine zusätzliche Sicherheit, welche das Verfahren vor den Geschillencommissies als außergerichtliche Streitbeilegungsmöglichkeit in besonderem Maße aufwertet. Diese Versicherungslösung kann als weitere Absicherung die Möglichkeiten der einseitigen Bindungswirkung wirksam ergänzen.51 Diese bietet sich nach holländischem Vorbild aber nur dort an, wo sich bereits Verbände in bestimmten Sektoren gebildet haben, welche die Interessen einer Branche im Ganzen vertreten. Die mit der Verbandsmitgliedschaft einhergehenden Vorteile dürften viele Unternehmer dazu bewegen, sich diesem anzuschließen. Die mit der Versicherungslösung verbundene Mehrbelastung dürfte sich in Grenzen halten, da 49 Eine Bindungswirkung der Entscheidung für den Unternehmer befürworten Fejős/ Willett, ERPL 24 (2016), 33, 47 und nehmen dabei ausdrücklich auf deren Notwendigkeit in grenzüberschreitenden Sachverhalten Bezug. 50 Dazu eingehend Weber/Hodges, in: Hodges/Benöhr/Creutzfeld-Banda, Consumer ADR in Europe, S. 144 ff. 51 Wie bereits gezeigt, sollte eine beiderseitige Bindungswirkung, wie sie der bindend advies vorsieht, zur Förderung der Teilnahmebereitschaft der Verbraucher unterbleiben. Auch in den Niederlanden wird die Rechtsfolge der nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung des bindend advies für außergerichtliche Verfahren teilweise kritisch gesehen. Vgl. dazu Hendrikse/Rinkes, The New Netherlands Financial Services Complaints Tribunal, S. 25–28.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
auf die Verweigerung einzelner Unternehmer, das erzielte Ergebnis freiwillig umzusetzen, mit verschiedenen Sanktionen reagiert werden kann, welche bis zu einem Ausschluss aus dem Interessenverband führen können. Damit steht zu erwarten, dass die meisten Unternehmer bei ordnungsgemäßen Schlichtungsverfahren die gefundenen Verfahrensabschlüsse umsetzen werden. Hingegen erscheint die Forderung einer vorherigen Hinterlegung des streitigen Betrags bei nicht angehörigen Unternehmern kein gangbarer Weg. Die damit verbundene, der Streitbeilegung sogar vorgelagerte finanzielle Belastung wird die meisten Unternehmer von der Teilnahme abhalten. 6. Alternativen zur Bindungswirkung a) Die Stellung von Sicherheiten Die Erfüllung der getroffenen Vereinbarung könnte auch durch die Stellung von Sicherheiten seitens des Unternehmens abgesichert werden. Dann könnte der Verbraucher bei nicht freiwilliger Erfüllung gegebenenfalls auf die gestellte Sicherheit zurückgreifen, um eine schnelle Befriedigung zu erlangen. Die Stellung von Sicherheiten ist im deutschen Zivilprozess ein bekanntes Mittel, sodass zunächst die dort geläufigen Sicherheiten zu betrachten sind. aa) Sicherheiten im gerichtlichen Verfahren Die Stellung von Sicherheiten ermöglicht in gerichtlichen Verfahren die Vollstreckung aus nur vorläufig vollstreckbaren Urteilen. Nach den §§ 708 und 709 ZPO sind Urteile der Zivilgerichte grundsätzlich für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die sich aus einer derartigen Vollstreckung bei einer späteren Aufhebung des Urteils in der Berufungs- oder Revisionsinstanz möglicherweise ergebenden Nachteile können für den Schuldner der Vollstreckung mittels der geleisteten Sicherheit wieder ausgeglichen werden. Dafür steht gemäß § 717 Abs. 2 ZPO dem Vollstreckungsschuldner ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch zu, der den Gläubiger gemäß § 249 BGB dazu verpflichtet, den Zustand wieder herzustellen, der ohne die Vollstreckung bestehen würde.52 Allerdings sieht der Gesetzgeber ein derartiges Sicherungsbedürfnis nur bei vermögensrechtlichen Ansprüchen vor, die in der Hauptsache den Wert von 1.250 € überschreiten. Darunter ist gemäß § 708 Nr. 11 ZPO keine Sicherheitsleistung vorgeschrieben.
52 Da das vorläufig vollstreckbare Urteil eine Vollstreckungsmöglichkeit einräumt, handelt der Vollstreckende nicht rechtswidrig. Jedoch entspricht es der Billigkeit und den Grundstrukturen der Gefährdungshaftung, den Gläubiger, der von der vorläufigen Vollstreckbarkeit profitiert, für den durch diese entstehenden Schaden bei einer Aufhebung des Urteils haftbar zu machen, vgl. dazu Götz, in: MüKo-ZPO, § 717 Rn. 7.
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Für die Absicherung des sogenannten Sicherungsfalles kann das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 ZPO nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Falls eine derartige Anordnung nicht getroffen wird, ist die Sicherheitsleistung nach Satz 2 durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind.53 (1) Die Bankbürgschaft Im Falle der Sicherung durch eine Bankbürgschaft wird die Sicherung des Vollstreckungsschuldners dadurch erreicht, dass auf die Einrede der Vorausklage verzichtet werden muss und damit neben dem eigentlichen Vollstreckungsgläubiger auch auf den Bürgen gesamtschuldnerisch zugegriffen werden kann.54 Durch die vorgeschriebene Unwiderruflichkeit wird eine dauerhafte Bindung des Bürgen an die gestellte Sicherheit gewährleistet, ein Ausfall der Bürgschaft durch das Verbot der Bedingung verhindert. Somit ergibt sich insgesamt eine den Interessen des Vollstreckungsschuldners entsprechende Sicherheit, die geeignet ist, entstandene Nachteile auszugleichen. (2) Die Hinterlegung Die Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren55 erfolgt bei Hinterlegungsstellen und Hinterlegungskassen.56 Als Stellen sind in Baden-Württemberg die Amtsgerichte, als Kassen die Landesoberkasse benannt.57 Gemäß § 233 BGB erwirbt der Berechtigte mit der Hinterlegung ein Pfandrecht an dem hinterlegten Geld oder an den hinterlegten Wertpapieren. Falls das Geld oder die Wertpapiere in das Eigentum des Fiskus oder der als Hinterlegungsstelle bestimmten Anstalt übergehen, wird ein Pfandrecht an der Forderung auf Rückerstattung erworben.
53 Bei den beiden genannten Sicherheiten spricht man von Regelsicherheiten, Foerste, in: Musielak-ZPO, § 108 Rn. 5. 54 Schulz, in: MüKo-ZPO, § 108 Rn. 27. 55 Dafür sind nach § 234 Abs. 1 BGB nur Wertpapiere geeignet, die auf den Inhaber lauten, einen Kurswert haben und einer Gattung angehören, in der Mündelgeld angelegt werden darf. Diesen Inhaberpapieren stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind. 56 Die Organisation der Hinterlegung obliegt den Ländern, welche diese durch eigene Hinterlegungsgesetze geordnet haben; im Folgenden wird exemplarisch das Hinterlegungsgesetz Baden-Württembergs zugrunde gelegt. Zum HintG BW LG Heidelberg, Urt. v. 3. 9. 2013 – 2 O 107/13, NZG 2014, 579. 57 § 1 Abs. 1 HintG BW; die Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren zum Zwecke der Sicherheitsleistung gemäß § 232 Abs. 1 Var. 1 BGB ist nach den Vorschriften der Hinterlegungsgesetze der Bundesländer vorzunehmen, Dennhardt, in: BeckOK-BGB, § 233 Rn. 1.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
bb) Sicherheiten außerhalb von Gerichtsverfahren Auch im Rahmen der Mediation wird die Sicherheitsleistung als Möglichkeit zur Absicherung des erzielten Ergebnisses in Erwägung gezogen. Dabei werden neben der Bankbürgschaft auch Bankgarantien vorgeschlagen.58 Eine Hinterlegung bei einer dritten Stelle oder der schlichtenden Stelle selbst wird gleichfalls als sinnvoller Weg angesehen, um das Interesse des Verbrauchers an einer schnellen Abwicklung der Streitigkeit abzusichern. Die Stellung einer Bankbürgschaft oder Garantie ist auch im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung vorstellbar. Zu bedenken ist allerdings, dass bei der Hinterlegung eines Geldbetrags nur bei formell ordnungsgemäßer Hinterlegung nach den Hinterlegungsgesetzen der Länder die Wirkungen des § 233 BGB eintreten.59 Anderenfalls kann einer Hinterlegung allenfalls die Wirkung eines Vertrags zugunsten des Verbrauchers unter der Bedingung eines für ihn erfolgreichen Schlichtungsergebnisses zukommen. cc) Eignung der Sicherheiten für außergerichtliche Verfahren Da die Sicherungsmittel der Bankbürgschaft und der Bankgarantie zunächst vom Unternehmer bestellt werden müssten, ist bereits im Vorfeld der Schlichtung ein gewisser Zeitverlust durch die Sicherheitenbestellung einzukalkulieren, der für eine zügige Durchführung des Verfahrens jedenfalls nicht von Vorteil ist. Zudem ist zweifelhaft, ob ein Unternehmer, welcher im Grundsatz freiwillig an einer außergerichtlichen Streitbeilegung teilnehmen soll, die Kosten für die Stellung einer derartigen Sicherheit auf sich nimmt oder angesichts dieser zusätzlichen Belastung nicht eher auf die Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren verzichten wird.60 Um die Schlichtungsbereitschaft des Unternehmers nicht zu untergraben, darf auch für ihn die alternative Streitbeilegung nur mit nachvollziehbaren Belastungen einhergehen. Da im Bereich der privatrechtlich organisierten außergerichtlichen Streitbeilegung meist eine (Mit-)Finanzierung der streitbeilegenden Stellen durch die angeschlossenen Unternehmer stattfindet, ist eine darüber hinausgehende finanzielle Belastung den Unternehmern
58 Weiterführend Lörcher/Lörcher, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, § 45 Rn. 18. Der wesentliche Unterschied beider Instrumente besteht in der Akzessorietät der Bürgschaft im Unterschied zur Garantie. Für das Sicherungsinteresse des Verbrauchers in den der Richtlinie unterfallenden Sachverhalten dürfte diese Unterscheidung jedoch keine größere Bedeutung haben. 59 Vgl. Dennhardt, in: BeckOK-BGB § 233 Rn. 1 . 60 In gerichtlichen Verfahren kommt eine Erstattung bestimmter Kosten, beispielsweise für die Stellung der Bürgschaft, die sogenannten Avalkosten, in Betracht, vergleiche hierzu Schulz, in: MüKo-ZPO, § 108 Rn. 70. In außergerichtlichen Verfahren, die für den Verbraucher größtenteils kostenfrei sein sollen, soll eine derartige Umverteilung der Kosten jedoch nicht stattfinden.
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kaum zuzumuten. Daher ist die Stellung einer Bankbürgschaft oder Garantie kein geeignetes Mittel zur Absicherung des Verfahrensergebnisses. Die Hinterlegung des streitigen Betrags bei einem neutralen Dritten hat auf den ersten Blick den Vorteil, dass die hierfür anfallenden Kosten regelmäßig geringer ausfallen werden als für die Bürgschaftserklärung einer Bank. Die Einschaltung einer dritten Stelle ist allerdings bereits aufgrund einer möglichen Verzögerung des endgültigen Verfahrensabschlusses nur begrenzt zweckmäßig. Eine Hinterlegung müsste zur Verhinderung von Verzögerungen regelmäßig bei der zuständigen AS-Stelle möglich sein, die dafür aber erst ausgestattet werden müsste. Doch verbleibt auch dann noch ein grundlegendes Problem. Der Schutz des Verbrauchers müsste sowohl bei einer Bürgschaft als auch bei einer Hinterlegung bereits vor Verfahrenseinleitung durch eine wirtschaftliche Disposition des Unternehmers geschaffen werden. Damit würde eine weitere Zugangshürde aufgebaut, welche die Attraktivität des außergerichtlichen Verfahrens schmälert und daher kaum einen Unternehmer zu einer Beteiligung an einer Streitbeilegung animieren dürfte. b) Die Berücksichtigung außergerichtlichen Verhaltens innerhalb eines nachfolgenden Zivilprozesses Als weitere Absicherungsmethode könnte an die Berücksichtigung des außergerichtlichen Unternehmerverhaltens im Rahmen der Kostenverteilung eines nachfolgenden Gerichtsverfahrens gedacht werden. Hierbei wird die Absicherung nicht vorverlegt, sondern nachgelagert, um den Unternehmer nicht bereits zu Beginn des Verfahrens wirtschaftlich zu belasten. Durch die Anpassung der Kostentragungsregeln könnte sowohl die mangelnde Bereitschaft des Unternehmers an einem außergerichtlichen Verfahren überhaupt teilzunehmen, als auch die unterbliebene Umsetzung einer außergerichtlich getroffenen Übereinkunft der Parteien sanktioniert werden. Allerdings ist bei erster Variante zu bedenken, dass diese nur dann in Betracht kommt, wenn entweder eine gesetzliche Verpflichtung des Unternehmers zur Teilnahme besteht oder der Unternehmer sich zunächst bereit erklärt hat, an einer Streitbeilegung teilzunehmen, dieser Ankündigung aber nicht gefolgt ist.61 61 Eine vergleichbare Kostenregelung existiert bereits in § 150 Abs. 4 S. 2 FamFG, welcher hinsichtlich der Kosten in Scheidungssachen und Folgesachen festlegt, dass falls die grundsätzliche Kostenverteilung insbesondere im Hinblick auf eine Versöhnung der Ehegatten oder auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhaltssache oder Güterrechtssache als unbillig angesehen werden kann, das Gericht die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilt. Es kann dabei auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch nach § 135 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat. Die genannte richterliche Anordnung, welche der Information über eine Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung dient, kann zwar nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, jedoch
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
Hierfür bedürfte es allerdings de lege ferenda einer Anpassung des Kostenrechts der ZPO mit einer Neugestaltung der §§ 91 ff. ZPO, indem dem Richter entsprechend § 150 Abs. 4 S. 2 FamFG ein gewisser Ermessensspielraum bei der Kostenzuweisung eingeräumt wird.62 Die kostenrechtliche Sanktionierung der Verweigerung außergerichtlicher Verhandlungen und Streitbeilegungen ist aus dem englischen Recht bekannt. In den englischen Civil Procedural Rules findet sich die Verpflichtung der Parteien zu einer gemeinsamen Konfliktlösung, welche unter anderem durch außergerichtliche Methoden wie einer Mediation erfolgen soll.63 Bei der Kostenentscheidung kann das Gericht berücksichtigen, inwieweit bereits vor der Klageerhebung Anstrengungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung von den Parteien ergriffen wurden.64 Aus verschiedenen Entscheidungen englischer Gerichte haben sich mittlerweile bestimmte Anhaltspunkte ergeben, welche für eine Kostenbelastung bei unterbliebener außergerichtlicher Teilnahme- und Einigungsbereitschaft herangezogen werden können.65 Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, dass kein Zwang zur Nutzung alternativer Streitbeilegungsmethoden besteht. Dies resultiert bereits aus dem Grundsatz der Freiwilligkeit, welcher außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen regelmäßig zugrunde liegt.66 Zudem läge in einem solchen Zwang eine unzulässige Beschränkung des Zugangs zu den Gerichten. Für die entscheidende Frage, ob eine Partei den Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung vernünftigerweise abgelehnt hat, wurden vom Court of Appeal in der Entscheidung Halsey v. Milton Keynes General NHS Trust bestimmte, nicht abschließende Kriterien aufgestellt.67 Dabei handelt es sich unter anderem um die Erfolgsaussichten des Falles und der außergerichtlichen Streitbeilegung, die Kosten der außergerichtlichen Streitbeilegung und wird ihr mittels der Kostentragung ein gewisser Effekt zugestanden, dazu Henjes, in: MüKoFamFG, § 150 Rn. 18 f. 62 Hierfür Eidenmüller, JZ 2015, 539, 547, der die Einführung einer neuen Vorschrift, etwa eines § 93a ZPO, vorschlägt. Ablehnend Prütting, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 158, 165. 63 Bereits in den einleitenden Overriding Objectives findet sich in Rule 1.4. CPR der Hinweis auf alternative Streitbeilegungsmechanismen, deren Nutzung das Gericht den Parteien zur Streitbeilegung in geeigneten Fällen vorschlagen kann. Die Civil Procedural Rules sind abrufbar unter: https://www.justice.gov.uk/courts/procedure-rules/civil/rules. 64 Vgl. Rule 44.4. CPR: „The court will also have regard to the efforts made, if any, before and during the proceedings in order to try to resolve the dispute“. Zur damit einhergehenden richterlichen Einflussnahme auf die Parteien M. Stürner, ZVglRWiss 2004, 349, 364. 65 Ein Überblick über die ergangene Rechtsprechung geben Althammer, JZ 2006, 69, 70 und Wagner, ZKM 2004, 100–103. 66 Engelhardt, ZRP 2004, 233, 234 weist zudem darauf hin, dass ein solcher Zwang nur zusätzliche Kosten verursachen und zu einer Verzögerung führen würde, welche der generellen Akzeptanz außergerichtlicher Streitbeilegung schaden könnte. 67 Court of Appeal (Civil Division), [2004] EWCA Civ 576.
I. Die Bindung an das Verfahrensergebnis
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die Frage einer möglichen erheblichen Verzögerung der Streitbeilegung.68 Die in der Entscheidung aufgestellten Kriterien wurden in Folgeentscheidungen bestätigt und können daher als gewachsenes case law bei der Ausprägung eines gerichtlichen Ermessens rechtsvergleichend herangezogen werden.69 Zudem könnte die unterbliebene Umsetzung auch bereits durch Maßnahmen innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung sanktioniert werden. Eine Möglichkeit bietet die Vereinbarung einer sogenannten Michigan Mediation.70 Auch diese Verfahrensweise beinhaltet die Möglichkeit einer Kostenbelastung innerhalb eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens. Nach dem Scheitern einer Einigung im Rahmen der Mediation wird den Parteien ein Vorschlag zur Streitbeilegung durch die Mediatoren unterbreitet. Es besteht zwar keine Verpflichtung, den Vorschlag anzunehmen, jedoch hat die Partei, welche den Vergleichsvorschlag ablehnt und damit Anlass zu einen gerichtlichen Prozess gibt, einen durch die Parteien vorab bestimmten Geldbetrag zu zahlen, sofern kein Prozessergebnis erzielt wird, welches mindestens 10 % über dem Betrag des abgelehnten Vergleichsvorschlags liegt.71 Meist wird vereinbart, dass in diesem Fall die gesamten außergerichtlichen oder gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen sind. Wesentlicher Inhalt der Michigan Mediation ist demnach ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch für die beklagte Partei, welcher unter der aufschiebenden Bedingung eines bestimmten gerichtlichen Ergebnisses steht.72 Über das drohende Kostenrisiko wird auf die Parteien ein gewisser Einigungsdruck ausgeübt, welcher die außergerichtliche Kooperationsbereitschaft fördern soll.73 Die Berücksichtigung der außergerichtlichen Verhaltensweisen innerhalb der gerichtlichen Kostenerstattung führt nicht zu einem ungewollten ADR-Zwang, 68 Mit der Entscheidung und den darin aufgestellten Kriterien befassen sich Althammer, JZ 2006, 69, 70 f. und Engelhardt, ZRP 2004, 233, 234 eingehend. 69 Eine Bestätigung wurde beispielsweise in der Entscheidung Nigel Witham Ltd v Smith & Anor (No 2) [2008]. EWHC 12, vorgenommen; zu dieser Alexander, International and Comparative Mediation: Legal Perspectives, S. 226. 70 Die Michigan Mediation ist keine klassische Mediation, sondern ähnelt aufgrund ihres Aufbaus mehr einem Schlichtungsverfahren. Da diese Art von außergerichtlicher Streitbeilegung zuerst von den Statecourts von Michigan genutzt wurde, wird die Verfahrensart als Michigan Mediation bezeichnet. Vgl. dazu G. Mähler/H.-G. Mähler, in: Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 48 Rn. 12; Schwärzler, liechtenstein-journal 2011, 112, 118. 71 Eine detaillierte Beschreibung des Verfahrensablaufs findet sich bei Risse, BB 2001, Beilage Nr. 2, 16, 21 f. 72 Da keine Pflicht besteht, von der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs abzusehen, ist die von G. Mähler/H.-G. Mähler, in: Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 48 Rn. 12 vorgenommene Einordnung der Kostentragung als Vertragsstrafe gemäß §§ 339 BGB, welche die Sanktionierung der nicht oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verpflichtung bezweckt, nicht überzeugend. Zum Begriff der Vertragsstrafe eingehend Gottwald, in: MüKo-BGB, Vorbemerkung zu §§ 339, Rn. 1 ff. 73 Zu den Zielen der Michigan Mediation Koschany-Rohbeck, Praxishandbuch der Wirtschaftsmediation, S. 30.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
welcher die Freiwilligkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung unterlaufen würde. Die Parteien unterliegen zwar mittelbar einem gewissen Druck, sich mit den Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung zu befassen, jedoch ist nicht mit jeder Ablehnung eine negative Kostenentscheidung verbunden. Soweit sich aus dem streitigen Sachverhalt selbst, der zugrunde liegenden Rechtslage oder dem Verhalten der Gegenpartei ergibt, dass eine außergerichtliche Streitbeilegung nicht geeignet oder erfolgsversprechend ist, so ist dies auch im Rahmen der gerichtlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen. Zudem wird die Freiheit innerhalb des Verfahrens durch eine derartige Regelung nicht beeinträchtigt, da die Parteien weiterhin selbstständig entscheiden können, wie sie ihren Konflikt beilegen wollen.74 Falls jedoch eine Einigung gefunden wird, so bestehen im Grundsatz keine Bedenken, die Parteien an der gefundenen Lösung festzuhalten und ein entgegengesetzes Verhalten nachgelagert zu sanktionieren.
II. Die Verfahrensabsicherung im E-Commerce Neben den bereits genannten Absicherungsmöglichkeiten bestehen für den Bereich des E-Commerce noch weitere Optionen, die Parteien an das gefundene Ergebnis zu binden. Diese Optionen können bereits in den Verfahrensabschluss einbezogen oder nach Abschluss des Verfahrens vorgenommen werden. Stellvertretend für die beiden Möglichkeiten sollen nunmehr der vom Bezahldienstleister PayPal angebotene Käuferschutz75, der für über PayPal durchgeführte Zahlungen unter bestimmten Umständen eine Rückerstattung des geleisteten Betrags an den Käufer vorsieht,76 und die Absicherung über Online-Bewertungen näher untersucht werden.
74 Auf
diesen Aspekt weisen Bercher/Engel, ZRP 2010, 126, 127 hin, die zudem anführen, dass ein Zwang zum Verfahren weder Einfluss darauf hat, wie die Parteien die Gerechtigkeit im Verfahren beurteilen, noch wie oft sie eine Einigung erzielen. 75 Die Einzelheiten des PayPal-Käuferschutzes finden sich in der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, die mit Wirkung zum 27. April 2017 neu gefasst wurde; abrufbar unter: https://www. paypal.com/de/webapps/mpp/ua/buyerprotection-full#futureversion. Auf die Besonderheiten eines über eBay getätigten Kaufs, für den spezielle Regelungen innerhalb der Käuferschutzrichtlinie bestehen, wird hier nicht gesondert eingegangen. Die besondere Behandlung derartiger Verträge resultiert daraus, dass PayPal von Oktober 2002 bis 17. Juli 2015 eine Tochtergesellschaft des eBay Unternehmens war und daher für die dort angebotenen Online-Auktionen ein spezielles Verfahren entwickelt wurde. 76 Eine allgemeine Übersicht zur Funktionsweise und Verbreitung des Angebotes von Paypal findet sich bei Trautmann, 16 U. C. Davis Business Law Journal, abrufbar unter: http:// papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2314119.
II. Die Verfahrensabsicherung im E-Commerce
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1. Der PayPal-Käuferschutz a) Die Anwendungsvoraussetzungen Das von PayPal vorgehaltene Konfliktlösungssystem verläuft zweistufig. Falls zwischen Käufer und Verkäufer Unstimmigkeiten im Rahmen der Vertragsabwicklung entstehen, ist als Vorstufe eines Antrags auf Käuferschutz der Konflikt an PayPal zu melden.77 Wenn ein Käufer einen Konflikt meldet, kommunizieren Käufer und Verkäufer zunächst gemeinsam, ohne dass PayPal involviert wird. Falls keine Einigung zwischen den Parteien erzielt werden kann, besteht für den Käufer die Möglichkeit, den Konflikt in einen Antrag auf Käuferschutz umzuwandeln.78 Der PayPal-Käuferschutz schützt den Käufer, falls ein gekaufter Artikel nicht versandt wurde oder der gelieferte Artikel erheblich von der Artikelbeschreibung des Verkäufers abweicht. Wann von einer erheblichen Abweichung ausgegangen werden kann, zählt die PayPal-Käuferschutzrichtlinie beispielhaft in Nr. 4.2. auf.79 PayPal entscheidet im Einzelfall anhand einzureichender Nachweise, ob der Artikel tatsächlich erheblich von der Artikelbeschreibung abweicht. Weitere Voraussetzung für den Käuferschutz ist, dass der Käufer den erworbenen Artikel mit PayPal von einem registrierten Konto aus bezahlt hat. Zudem muss die geleistete Zahlung mit dem Artikel in engem Zusammenhang stehen, beispielsweise über die Funktion „Geld senden“ auf der PayPal-Website durch Anklicken des Buttons „Kaufen“ vorgenommen worden sein. Falls die vorangegangene Auseinandersetzung mit dem Verkäufer fristgemäß in den Antrag auf Käuferschutz überführt wurde und kein Ausnahmetatbestand der Durchführung des Verfahrens entgegensteht, prüft PayPal den Antrag und fordert gegebenenfalls weitere Informationen von Käufer und Zahlungsempfänger an, um eine Klärung herbeizuführen.80 Innerhalb des Verfahrens ist der Käufer gehalten, sämtliche Anfragen von PayPal bezüglich des Antrags auf Käuferschutz innerhalb von 10 Tagen zu beantworten. Diese Frist kann verlängert werden, falls außergewöhnliche Umstände vorliegen, die nicht der Kontrolle
77 Ein Konflikt kann bis 180 Tage nach der Zahlung gemeldet werden, Nr. 3.7.1. S. 1 PayPal-Käuferschutzrichtlinie. 78 Der Käufer kann innerhalb von 20 Tagen nach Einleitung der Konfliktlösung einen Antrag auf PayPal-Käuferschutz stellen, Nr. 3.7.1. S. 3 PayPal-Käuferschutzrichtlinie. 79 Aufgeführt wird, dass der Artikel ein völlig anderer, als der in der Artikelbeschreibung beschriebene war, dass der Zustand des gelieferten Artikels erheblich von dem beschriebenen Zustand abweicht, beispielsweise der Artikel offensichtlich mehrfach benutzt wurde anstelle von neu und originalverpackt, oder der Artikel nicht verwendet werden kann, weil beispielweise wichtige Komponenten oder Teile fehlen oder das Haltbarkeitsdatum überschritten ist. 80 Die Bereichsausnahmen finden sich in Nr. 3.2. PayPal-Käuferschutzrichtlinie und umfassen beispielsweise individuell angefertigte Artikel oder motorisierte Fahrzeuge, Motorräder, Luft- und Wasserfahrzeuge.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
des Käufers unterliegen. Falls keine fristgerechte Reaktion des Käufers erfolgt, wird der Antrag abgelehnt.81 Wenn ein Antrag auf PayPal-Käuferschutz erfolgreich ist, erstattet PayPal dem Käufer den geleisteten Betrag einschließlich Versandkosten. Anspruchsgegner für Ansprüche unter der Käuferschutzrichtlinie ist in allen Fällen die PayPal (Europe). Daraus resultiert die Verpflichtung des Käufers, mit Empfang der Auszahlung des PayPal-Käuferschutzes alle gegenüber dem Verkäufer bestehenden Ansprüche aus dem dem Antrag auf PayPal-Käuferschutz zugrunde liegenden Kaufvertrag in Höhe des Auszahlungsbetrages an PayPal abzutreten.82 Diese Absicherung ermöglicht es PayPal, bei den jeweiligen Verkäufern Regress zu nehmen. Jedoch ist ein solcher Rückgriff nicht in allen Fällen notwendig. Gemäß Nr. 10.1. lit. d der PayPal-Nutzungsbedingungen behält PayPal, sobald ein Käufer einen Käuferschutzantrag stellt, vorübergehend auf dem PayPal-Konto des Verkäufers einen Betrag in Höhe des Gesamtbetrages der angefochtenen Zahlung ein.83 Der Betrag wird wieder freigegeben, wenn das Verfahren zugunsten des Verkäufers ausgeht. Ist der Käuferschutzantrag hingegen begründet, bucht PayPal den entsprechenden Betrag vom PayPal-Konto des Verkäufers ab. Dabei folgt die Rückerstattung einem grundsätzlich zweistufigen Aufbau. Zunächst versucht PayPal den Zahlungsbetrag auf das PayPalKonto des Käufers zurückzubuchen, sofern das PayPal-Konto des Zahlungsempfängers ein Guthaben aufweist. Sollte kein Guthaben vorhanden sein, wird der Betrag von PayPal selbst verauslagt. In diesen Fällen kann allerdings die Verfügung des Zahlungsempfängers über sein PayPal-Konto als Sanktion beschränkt werden.84 Die PayPal-Käuferschutzrichtlinie berührt die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht und ist separat von diesen zu betrachten.85 Allerdings haftet der Verkäufer für berechtigte Anträge auf Käuferschutz und Käuferbeschwerden und ist daher verpflichtet, PayPal den Kaufpreis, die ursprünglichen Versandkosten und alle angefallenen Gebühren zu
81
Vgl. dazu Nr. 5 PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Nr. 7.1. PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Ähnliche Mechanismen finden sich auch bei Trusted Shops; allerdings sind diese dort als Garantie ausgestattet, welche bereits beim Kauf der Ware/Dienstleistung dazu gebucht werden muss; http://www.trustedshops.de/guetesiegel/ kaeuferschutz.html. 83 Abrufbar unter: https://www.paypal.com/de/webapps/mpp/ua/useragreement-full#r13. 84 Nr. 13.2. der PayPal-Nutzungsbedingungen; die einzelnen Maßnahmen werden in Nr. 10.2. einzeln aufgeführt und reichen von der Ablehnung einzelner Transaktionen über eine Sperrung des gesamten Kontos bis hin zu einem Nutzungsverbot für die Zukunft. 85 Nr. 7.5. PayPal-Käuferschutzrichtlinie. 82
II. Die Verfahrensabsicherung im E-Commerce
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ersetzen.86 An diese Entscheidung ist der Verkäufer gebunden, da sie endgültig ist und nicht angegriffen werden kann.87 b) Die Gründe des Erfolgs Der Erfolg von PayPal ist einerseits darauf zurückzuführen, dass mit dem Zahlungsdienst ein geeignetes System zur Abwicklung von Kleinstbeträgen, den sogenannten Micropayments, entwickelt wurde. Gerade im E-Commerce nehmen Micropayments eine herausragende Rolle ein und sind damit ein wichtiger Faktor für den elektronischen Handel.88 Allerdings gehen mit jedem Bezahlvorgang Transaktionskosten einher, welche bei Kleinstbeträgen den zu erwartenden Gewinn schnell übersteigen können.89 Um diese Problematik für Online-Auktionen, welche häufig Micropayments enthalten, zu lösen, wurde PayPal von eBay im Jahr 2002 übernommen. Damit erlangte der Zahlungsdienstleister schnell große Bekanntheit und wurde rasch zu einer der meist genutzen Zahlungsmethoden der Online-Auktionsbörse.90 Inhaltlich baut PayPal auf die bereits existenten Methoden der Zahlung mittels Konten oder Kreditkarten auf und nutzt zur Abwicklung der Transaktion das Internet.91 Dies geschieht durch eine Verknüpfung des PayPal-Kontos mit dem Email-Account des jeweiligen Nutzers und ermöglicht damit eine schnelle Abwicklung der Zahlung für den Käufer. Neben dieser Beschleunigung des Vorgangs ist die Vornahme der Zahlung über ein Email-Konto für die meisten Käufer relativ einfach, wodurch die Akzeptanz des Systems weiter steigt.92 Das System bietet aufgrund der mittlerweile weit verbreiteten Nutzung von PayPal, speziell im E-Commerce, auch für Unternehmer Anreize zur Nutzung. Sowohl national wie international hat sich PayPal als Zahlungsmethode etabliert und kann daher für die Erschließung fremder Märkte von besonderem Nutzen sein.93 In Deutschland ist PayPal bei den Konsumenten im E-Commerce mitt86
Vgl. Nr. 10.1. lit. b PayPal-Nutzungsbedingungen. zum PayPal-Verfahren Schulte-Nölke, ZGS 2010, 385, der insbesondere die fehlende öffentliche Kontrolle der Ergebnisse für problematisch hält. 88 So auch Loos, euvr 2014, 146, 148; Mann, 82 Tex. Law Rev [2004], 681, 695. 89 Hoenike/Szodruch, MMR 2006, 519 stellen treffend fest, dass die Nutzung einer Kreditkarte oder die Online-Überweisung zum Zahlen einer kleinen Gebühr für den einmaligen Zugriff auf eine Datenbank oder das einmalige Herunterladen einer Datei aufgrund der Transaktionskosten unwirtschaftlich sei. 90 Darin sehen auch Meder/Grabe, BKR 2005, 467 einen der Gründe für den Erfolg von PayPal. 91 Vgl. Kohlbach, 2004 (1) The Journal of Information, Law and Technology (JILT), Nr. 6, abrufbar unter: https://www2.warwick.ac.uk/fac/soc/law/elj/jilt/2004_1/kohlbach/. 92 Meder/Grabe, BKR 2005, 467, 468 weisen zu Recht darauf hin, dass gerade die mangelnde Akzeptanz zum Scheitern einiger Vorgängermodelle geführt hat. 93 PayPal selbst spricht von mittlerweile über 16 Millionen Kunden allein in Deutschland und von 200 Millionen PayPal-Kunden weltweit in über 200 Märkten und 25 Währungen. 87 Kritisch
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
lerweile ähnlich beliebt wie die Zahlung per Kreditkarte oder Rechnung.94 Überdies ist das PayPal-Geschäftskonto kostenlos, erst bei einem Verkauf bzw. Geldempfang fallen für den Unternehmer Gebühren an. Somit bestehen in ausreichendem Maße Anreize für den Unternehmer, sich dem PayPal-System nicht grundsätzlich zu verweigern. c) Rechtliche Vorteile für den Verbraucher Der mit der Nutzung von PayPal einhergehende Käuferschutz hat für den Verbraucher neben der genannten einfachen Benutzung noch weitere rechtliche Vorteile. Im E-Commerce werden Waren und Dienstleistungen oftmals erst nach Bezahlung dem Käufer zur Verfügung gestellt.95 Damit trägt der Verbraucher als Käufer oder Dienstleistungsempfänger das Risiko der Vorleistung.96 Dieses Risiko wird durch den Käuferschutz abgemildert. Dieser sieht bei Vorliegen der Voraussetzungen vor, dass der Käufer die gesamten Transaktionskosten zurückerstattet bekommt, ohne sich inhaltlich mit dem Verkäufer auseinander setzen zu müssen. Damit ist der von PayPal angebotene Käuferschutz einer Versicherung für über den Dienstleister getätigte Zahlungen vergleichbar.97 Das Modell einer Einstandspflicht für berechtigte Kundenbeschwerden erinnert an die holländischen Geschillenkommissies. Jedoch bietet die Möglichkeit der Zurückhaltung von Guthaben für die Auszahlung des streitigen Betrags einen wesentlichen Vorteil, da PayPal sich hierdurch nur in Ausnahmefällen mit dem Verkäufer im Wege eines Regresses auseinander setzen muss. Zudem besteht durch die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtline98 in den §§ 675c–676c BGB ein umfangreicher Schutz der Verbraucher vor nicht autorisierten Zahlungsvorgängen, welcher auch für Zahlungen, die über PayPal vorgenommen wurden, gilt.99 Gemäß § 675u BGB haftet prinzipiell der Zahlungsdienstleister für die Folgen einer Zahlung, welche vom ZahlungsdienstDamit ist gerade für den grenzüberschreitenden E-Commerce die Nutzung der Plattform besonders attraktiv, vgl. die Darstellung auf https://www.paypal.com/de/webapps/mpp/merchant. 94 Vgl. dazu die Studie Payment im E-Commerce – Der Internetzahlungsverkehr aus Sicht der Händler und der Verbraucher (IZ 2013), abrufbar unter: https://expercash.de/fileadmin/ system/content/pdf/ECC_Summary_IZ_2013_Web.pdf. 95 Die Möglichkeit per Rechnung zu zahlen wird meist von einer Bonitätsprüfung abhängig gemacht, eine Nachnahme kommt nicht bei allen Artikeln in Betracht. 96 Vgl. dazu Meder, JZ 2004, 503 f. 97 Možina, EuCML 2016, 25, 29 gibt an, dass sich im E-Commerce die händlerseitige Garantie von vielen Unternehmern als valides Mittel genutzt wird, um den Kunden vor den Risiken der Vorleistung zu schützen. 98 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 319/1. 99 Nicht nur die klassischen Zahlungsformen wie Banküberweisung, Kartenzahlung und Lastschrift zählen zu den Zahlungsdiensten, sondern auch andere Formen des unbaren Geldtransfers wie etwa Bezahlungen durch Einsatz des Zahlungssystems PayPal, Schmalenbach, in: BeckOK-BGB, § 675c Rn. 8; Schulte-Nölke, in: HK-BGB, § 675c Rn. 3.
II. Die Verfahrensabsicherung im E-Commerce
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nutzer nicht autorisiert wurde. Falls jedoch die nicht autorisierte Zahlung auf der Nutzung eines verlorengegangenen, gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Zahlungsauthentifizierungsinstruments beruht, steht dem Zahlungsdienstleister gemäß § 675v Abs. 1 S. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch bis zu einem Betrag von 150 EUR zu. Gleiches gilt gemäß § 675v Abs. 1 S. 2, wenn der Schaden infolge einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments entstanden ist und der Zahler die personalisierten Sicherheitsmerkmale nicht sicher aufbewahrt hat.100 Damit wird der Verbraucher umfangreich vor der missbräuchlichen Verwendung seiner Zahlungsinstrumente geschützt. Im Rahmen der Nutzung von PayPal ist das Missbrauchsrisiko ohnehin nur eingeschränkt gegeben, da eine Zahlung nur zwischen zwei bei PayPal unterhaltenen Konten angewiesen werden kann. Diesen Konten liegen wiederum Konten bei Kreditinstituten zugrunde, welche regelmäßig nur nach einer Identitätsüberprüfung eröffnet werden.101 Somit kann bei einem nicht autorisierten Zahlungsvorgang meist schnell nachvollzogen werden, auf welche Person der Missbrauch zurückzuführen ist.102 Dies ist wieder ein Erfolgsfaktor des PayPal Systems.103 d) Geeignetes Mittel zur Verfahrensabsicherung Die Versicherung der seitens der Verbraucher geleisteten Zahlungen kann gerade im Bereich des grenzüberschreitenden E-Commerce ein probates Mittel zur Absicherung des Verfahrensergebnisses sein. Dem Verbraucher wird damit eine schnelle und endgültige Konfliktlösung zuteil, die ihn vor einer weiteren Verfahrensführung schützt. Für den Unternehmer bietet der Anschluss an ein derartiges System den Vorteil, dass er aufgrund der hohen Akzeptanz von Systemen wie PayPal auf eine breite Kundschaft hoffen kann und er andererseits die Versicherung der geleisteten Zahlungen als wirksames Marketinginstrument nutzen kann. Der PayPal-Käuferschutz kann daher als zukunftsträchtiges Mo100 Der Kunde ist hierbei dem Sorgfaltsstandard des § 675l BGB unterworfen und somit verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen. § 675v Abs. 2 Nr. 1 BGB sieht bei grob fahrlässiger Verletzung dieser Sorgfalt eine unbeschränkte Haftung vor. 101 Das Prinzip der Kontenwahrheit für den Kontoeröffnenden ist in § 154 Abs. 1 AO niedergelegt und bei einem Verstoß unter den Voraussetzungen des § 379 Abs. 2 Nr. 2 AO als Ordnungswidrigkeit zu werten. § 154 Abs. 2 AO verpflichtet das Kreditinstitut zu einer Legitimationsprüfung des Verfügungsberechtigten. Zu dieser Pflicht Rätke, in: Klein-AO, § 154 Rn. 4 ff. 102 Zu dieser Problematik auch Meder/Grabe, BKR 2005, 467, 474 allerdings noch zur Rechtslage vor der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie. 103 Meder/Grabe, BKR 2005, 467, 476 stellen treffend fest, dass die Akzeptanz und der Erfolg eines Zahlungssystems einen hohen Grad an Kundenschutz und Kundenzufriedenheit voraussetzen und PayPal daher ein hohes Interesse an möglichst geringen Missbrauchsquoten hat.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
dell für die Absicherung außergerichtlicher Konfliktlösungen im E-Commerce angesehen werden.104 2. Die Absicherung über Online Bewertungen Nutzerbewertungen stellen in der digitalen Welt eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Konsumenten dar. Da vor Vertragsschluss weder ein Ladengeschäft betreten werden kann, noch ein direkter Kontakt zwischen Kunde und Verkäufer entsteht, greifen viele Verbraucher auf Bewertungen anderer Nutzer zurück, um sich vor Vertragsschluss ein Bild vom potentiellen Vertragspartner zu machen.105 Bewertungen von Nutzern können entweder direkt auf den Seiten der jeweiligen Unternehmer bzw. von diesen genutzten Plattformen eingefügt oder auf externen Bewertungsportalen abgegeben werden. Bewertungsportale haben grundsätzlich zwei verschiedene Anknüpfungspunkte: Zum einen können die veröffentlichten Bewertungen einen Bezug zu bestimmten Personen aufweisen. Derartige Bewertungen sind insbesondere für Unternehmer, Dienstleister und Freiberufler von Bedeutung. Zum anderen bestehen Bewertungsportale ohne ausdrücklichen Personenbezug, welche vielmehr die gelieferte Ware oder erbrachte Dienstleistung zum Gegenstand haben. Zwar werden diese Portale immer stärker frequentiert und sind damit ein gewichtiger Aspekt in der Wahrnehmung der Händler im E-Commerce. Jedoch eignen sich diese Bewertungsportale kaum, um die Einhaltung der verfahrensabschließenden Vereinbarungen zu gewährleisten. Dies resultiert bereits daraus, dass keine strenge Rückkoppelung der Bewertung an eine durchgeführte Transaktion besteht. Vielmehr kann grundsätzlich jeder Nutzer jeden OnlineShop bewerten, selbst wenn nie ein Kontakt zwischen den Parteien bestand.106 Die Gefahr irreführender Kommentare und Bewertungen wird durch die meist gegebene Möglichkeit der anonymen oder pseudonymen Abgabe verstärkt. Daher verwundert es nicht, dass sich auch die Rechtsprechung in jüngster Zeit wiederholt mit den daraus resultierenden Problemen beschäftigten musste.107 a) Angeschlossene Bewertungen Verschiedene Anbieter, die entweder selbst über ihre Online-Plattform Waren oder Dienstleistungen anbieten oder den Verkauf von Waren durch Dritte über 104 Limmer/Huttenlocher/Simon, EuZW 2013, 86, 90 sehen in dem durch den Käuferschutz geschaffenen Vertrauen in die Vertragsabwicklung einen Weg zur Stärkung des OnlineHandels, gerade für unbekannte kleine und mittlere Unternehmen. 105 Vgl. dazu Rietjens, Information & Communications Technology Law 15 (2006), 55, 56. 106 Mit dem damit einhergehenden Missbrauchspotential beschäftigt sich Kühling, NJW 2015, 447–450. 107 Vgl. BGH, NJW 2015, 3443; NJW 2015, 489 und NJW 2014, 2651. Zur Haftung von Betreibern der Portale eingehend Schaub, in: FS Köhler, S. 593–605.
II. Die Verfahrensabsicherung im E-Commerce
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ihre Plattform ermöglichen, bieten nach Abschluss eines Geschäfts die Möglichkeit an, die Zuverlässigkeit des Geschäftspartners zu bewerten. Das bekannteste Beispiel stellt der börsennotierte amerikanische Online-Versandhändler Amazon.com Inc dar.108 Dieser bietet im Rahmen des Amazon Marketplace für private und kommerzielle Anbieter die Möglichkeit, ihre Waren über die Amazon Homepage anzubieten. Für diese Transaktionen können die Erwerber der Artikel eine Bewertung des Transaktionsvorgangs abgeben, welche neben einer Texteingabe auch ein allgemeines Verkäuferbewertungssystem enthält. Dieses ermöglicht die Vergabe von bis zu 5 Sternen, wobei 5 Sterne die beste Bewertung darstellen. Die Bewertung kann bis 90 Tage nach Abschluss der Bestellung erfolgen. Die Bewertungen und Kommentare werden dauerhaft gespeichert und sind für jedermann per Mausklick einsehbar.109 b) Eignung für Streitfälle aus dem E-Commerce Das System der Bewertung einer verifizierten Transaktion kann einen wertvollen Beitrag zur Absicherung von Verfahrensergebnissen der außergerichtlichen Streitbeilegung leisten. Zwar erhält der Verbraucher als Käufer oder Dienstleistungsempfänger keine direkte Absicherung, wie im Falle der vorgestellten Versicherungslösung von PayPal. Jedoch wird durch die authentifizierten Bewertungen ein selbst regulierendes System innerhalb des E-Commerce geschaffen.110 Dieses baut auf dem Gedanken auf, dass ein Anbieter, der viele schlechte Bewertungen durch Kunden erhalten hat, es schwer haben wird, in Zukunft überhaupt noch Käufer zu finden.111 Somit werden die meisten Anbieter versuchen, möglichst positive Bewertungen zu erhalten, in die beispielsweise auch die Teilnahme an außergerichtlichen Verfahren und die Umsetzung von außergerichtlichen Entscheiden eingehen können. Ferner wird das Missbrauchsrisiko, welches bei Bewertungsportalen in erheblichem Maße besteht, durch die Angliederung der Kommentarmöglichkeit an einen nachgewiesenen Vertragsschluss stark verringert. Einerseits fragen Online-Plattformen regelmäßig vor deren Öffnung für private oder kommerzielle Anbieter bestimmte Daten ab, um die Identität des Nutzers feststellen zu können. Dazu wird neben den persönlichen Daten des Nutzers auch die Angabe eines 108 Der Sitz der Konzernzentrale ist Seattle im US-Bundesstaat Washington, die europäische Unternehmenszentrale und der Verwaltungssitz befindet sich in Luxemburg. 109 Janal, NJW 2006, 870 stellt fest, dass die Mitglieder auf solchen Plattformen meist unter Pseudonym agieren, die Erfahrungsberichte anderer Nutzer häufig die einzige Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eines potenziellen Transaktionspartners sind. 110 Vgl. dazu Del Duca/Rule/Cressman, 4 Penn. St. J. L. & Int’l Aff. 242 (2015), 242, 285. 111 Vgl. dazu Melnik/Alm, The Journal of Industrial Economics, 50 (2002), 337, 347 die feststellen, dass die Bewertung des Verkäufers maßgeblichen Einfluss auf den Vertragsabschluss und den erzielten Preis in einer Versteigerung über EBay hat.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
Bankkontos gefordert werden, um die Zahlungen verbuchen zu können.112 Für den Erwerb auf Kundenseite bedarf es ebenfalls einer Registrierung, für welche die Angabe eines Zahlungsmittels, über das die Transaktionen durchgeführt werden können, notwendig ist. Dies wird ebenfalls meist ein Bankkonto sein. Damit können trotz der Verwendung von Synonymen beide Vertragspartner verlässlich festgestellt und damit das Missbrauchsrisiko erheblich reduziert werden. Somit ist eine verifizierte Bewertung früherer Transaktionen ein geeignetes Mittel, um den Unternehmer zur Umsetzung von verfahrensabschließenden Entscheiden anzuhalten. Der Handel über Plattformen, welche derartige Bewertungsmöglichkeiten bereits vorhalten, macht gegenwärtig einen erheblichen Teil des Umsatzes im E-Commerce aus. Deren Verknüpfung mit außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen kann für den Verbraucher, insbesondere im Rahmen grenzüberschreitender Sachverhalte, ein besonderer Anreiz sein, seine Binnenmarktnutzung zu intensivieren.113
III. Die Anerkennung und Vollstreckung der erzielten Vereinbarung Die alternative Streitbeilegung nach den Grundsätzen der ADR Richtlinie ist in grenzüberschreitenden Streitfällen besonders dann für den Verbraucher interessant, falls er die getroffene Vereinbarung gegen den Unternehmer im Ausland anerkennen und vollstrecken lassen kann. Zwar zeigt die Erfahrung, dass auch bei rechtlich nicht verbindlichen Schlichtungssprüchen die Akzeptanz der Beteiligten hoch ist, jedoch stellt es einen zusätzlichen Anreiz dar, wenn auch auf vollstreckungsrechtlichem Weg eine Durchsetzung des Anspruches ohne die Gefahr eines im Ausland zu führenden Erkenntnisverfahrens möglich ist. Um eine schnelle Anerkennung und Vollstreckung im mitgliedstaatlichen Ausland zu ermöglichen, ist es wichtig, dass die erzielte Vereinbarung bereits im Inland als vollstreckbarer Titel ausgestaltet wird. Grund hierfür ist, dass derartige Entscheidungen ohne größeren Aufwand auch im mitgliedstaatlichen Ausland anerkannt und vollstreckt werden können. Somit ist zunächst zu klären, unter welchen Voraussetzungen die deutsche Zivilprozessordnung Vollstreckungstitel außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens anerkennt.
112 Amazon fordert für einen Verkauf über seine Homepage für die Verifikation eine Kreditkarte, die Telefonnummer, Unternehmensdaten oder Kontaktdaten des Unternehmensvertreters, Informationen des wirtschaftlichen Eigentümers und die Angabe eines Bankkontos, https://services.amazon.de/programme/online-verkaufen/so-funktionierts.html. 113 Die Bedeutung der sogenannten Platform Economy und die mit ihr einhergehenden Fragestellungen für das europäische Verbraucherschutzrecht behandeln Busch/Schulte-Nölke/ Wiewiórowska-Domagalska/Zoll, EuCML 2016, 3–10.
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1. Der Anwendungsbereich des § 794 ZPO Nach der ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus Endurteilen im Sinne des § 704 ZPO und den in § 794 ZPO aufgeführten Titeln statt. Innerhalb von § 794 ZPO sind für die außergerichtliche Streitbeilegung insoweit (1.) Vergleiche, die gemäß Abs. 1 Nr. 1 zwischen den Parteien zur Beilegung eines Rechtsstreits vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, und (2.) Urkunden, die gemäß Abs. 1 Nr. 5 von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, von Interesse. Zusätzlich besteht nach § 796a ZPO die Möglichkeit, einen Anwaltsvergleich für vollstreckbar erklären zu lassen.114 Falls die Voraussetzungen des § 796a Abs. 1 und 2 ZPO erfüllt sind, kann zudem ein wirksamer außergerichtlich geschlossener Vergleich entweder gemäß § 796b ZPO durch das Prozessgericht oder gemäß § 796c ZPO durch einen Notar für vollstreckbar erklärt werden. 2. Der Anwaltsvergleich Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b ADR-Richtlinie sind die Parteien darüber zu unterrichten, dass sie keinen Rechtsanwalt oder Rechtsberater beauftragen müssen, sich jedoch in jedem Verfahrensstadium von unabhängiger Seite beraten oder von einer dritten Partei115 vertreten oder unterstützen lassen können.116 Dies lässt den Schluss zu, dass die ADR-Richtlinie primär von einem nicht anwaltlich unterstützten Verbraucher ausgeht. Dies erscheint sinnvoll, da durch die Einschaltung eines Anwalts Kosten verursacht werden, die einen Verbraucher von der Teilnahme an einem Verfahren abhalten könnten.117 Damit ist der in § 796a ZPO geregelte Anwaltsvergleich für die außergerichtliche Streitbeilegung im Sinne der ADR-Richtlinie eher eine Ausnahmeerscheinung.118 114 Gemäß § 796a Abs. 1 ZPO wird ein von Rechtsanwälten im Namen und mit Vollmacht der von ihnen vertretenen Parteien abgeschlossener Vergleich auf Antrag einer Partei für vollstreckbar erklärt, wenn sich der Schuldner darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und der Vergleich unter Angabe des Tages seines Zustandekommens bei einem Amtsgericht niedergelegt ist, bei dem eine der Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. 115 Mit dem von der Richtlinie verwendeten Begriff der Partei dürfte in diesem Fall eine dritte Person gemeint sein. 116 Zudem wird im Rahmen der Effektivität des Verfahrens in Art. 8 lit.b ADR-Richtlinie festgelegt, dass die Parteien Zugang zu dem AS-Verfahren haben, ohne einen Rechtsanwalt oder einen Rechtsberater beauftragen zu müssen. 117 Hier sind sowohl die Rechtsanwaltsgebühren aus Nr. 2300 VV-RVG als auch die Einigungsgebühr aus Nr. 1000 VV-RVG denkbar. 118 Dies überrascht angesichts der Intention, die der Gesetzgeber mit der Norm verfolgte, die im Rahmen des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes im Jahr 1990 (BGBl. I 1990, S. 2847)
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Allerdings ist denkbar, dass Anwälte die außergerichtliche Streitbeilegung als Tätigkeitsfeld der Zukunft begreifen und daher in diesem Bereich sowohl als Vertreter einzelner Parteien als auch als Schlichter bei den AS-Stellen tätig werden.119 Allerdings dürfte auch dies dem Anwaltsvergleich nicht zwingend zu höherer Attraktivität verhelfen. Zu beachten ist nämlich weiterhin, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 796a ZPO eine Niederlegung des außergerichtlich geschlossenen Vergleichs unter Angabe des Tages seines Zustandekommens bei einem Amtsgericht, bei dem eine der Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, verlangen.120 Außerdem schafft der Anwaltsvergleich im Sinne des § 796a ZPO noch keinen Vollstreckungstitel. Dazu bedarf es vielmehr noch einer Vollstreckbarkeitserklärung, welche entweder durch das Prozessgericht oder einen Notar vorzunehmen ist. Auch dies ist wiederum mit weiteren Kosten verbunden, die das als kostengünstig konzipierte AS-Verfahren nochmals verteuern würden.121 Aufgrund dieser Umstände ist der Anwaltsvergleich keine interessante Alternative zur Schaffung eines vollstreckungsrechtlichen Titels. Sowohl zeitlich als auch kostenmäßig finden sich in der ZPO vorteilhaftere Möglichkeiten, um den legitimen Interessen der Parteien gerecht zu werden.122 3. Die vollstreckbare notarielle Urkunde In § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO wird die notarielle Urkunde, in der sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, als Vollstreckungstitel erwähnt. Diese erfreut sich im Gegensatz zum Anwaltsvergleich größerer Beliebtheit.123 Da die Unterwerfungserklärung als Prozesshandlung anzusehen ist, finden auf in § 1044b ZPO eingeführt wurde. Der Anwaltsvergleich sollte danach die außergerichtliche Erledigung von Rechtsstreitigkeiten fördern und dadurch eine Entlastung der Gerichte bewirken, näher Ziege, NJW 1991, 1580. 119 Grupp, AnwBl 2015, 186, 195 weist auf die insofern bestehenden Chancen und Risiken für die Anwaltschaft hin. 120 Bezweckt wird hiermit, eine nachträgliche Änderung der Urkunde oder deren Verlust zu verhindern, Hoffmann, in: BeckOK-ZPO, § 796a Rn. 8. 121 Gemäß Nr. 2118 KV-GKG beträgt die Gerichtsgebühr für eine Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs 60 €. Für die Tätigkeit des Rechtsanwalts entstehen für das Verfahren der Vollstreckbarkeit Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 1 RVG-VV. Dabei wird es sich regelmäßig um eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 handeln, deren Gegenstandswert der Wert des Vergleichsergebnisses, soweit es für vollstreckbar erklärt werden soll, ist, vgl. OLG München, NJW-RR 2010, 502, 503. Damit kann sich ein erheblicher Betrag ergeben, welcher den eigentlichen Streitwert schnell erreichen kann. Zum Ganzen Voit, in: Musielak-ZPO, § 796a Rn. 14. 122 Nach Wolfsteiner, in: MüKo-ZPO, § 796a Rn. 1 könnte der Anwaltsvergleich in Ermangelung tatsächlicher Vorteile gegenüber den anderen Möglichkeiten des § 794 ZPO wieder schadlos aus der ZPO gestrichen werden. Dagegen wenden sich Leutner/Hacker, NJW 2012, 1318, 1323, welche umgekehrt auf eine mögliche Kostenersparnis gegenüber einer vollstreckbaren notariellen Urkunde im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO hinweisen. 123 Wolfsteiner, in: MüKo-ZPO, § 794 Rn. 135 geht sogar so weit, dass er die vollstreckbare
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sie die Vorschriften des materiellen Rechts grundsätzlich keine Anwendung, daher kann die Zwangsvollstreckungsunterwerfung auch nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gemäß den §§ 797 Abs. 4, 767 Abs. 1 ZPO wieder beseitigt werden.124 Daraus ergibt sich ein erheblicher Vorteil für den Verbraucher als Gläubiger. Denn er kann mit einer derartigen Urkunde die Vollstreckung betreiben, ohne ein gerichtliches Verfahren anstrengen zu müssen. Dieses müsste vielmehr umgekehrt vom Unternehmer als Schuldner eingeleitet werden, wenn er sich mittels der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe zur Wehr zu setzen wollte.125 Allerdings ergeben sich auch bei der vollstreckbaren notariellen Urkunde im Hinblick auf die Verfahrensgrundsätze der ADR-Richtlinie gewisse Bedenken. So erscheint bereits fraglich, ob sich Notare tatsächlich mit der außergerichtlichen Streitbeilegung befassen werden.126 Die Tätigkeit in anderen Feldern erscheint aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten für den Notar wesentlich attraktiver, als eine Befassung mit geringen Geschäftswerten im Rahmen von außergerichtlichen Schlichtungsverfahren. Trotzdem bringt diese für den Unternehmer wiederum eine erhöhte Kostenbelastung mit sich.127 Zudem ist von einer zeitlichen Verzögerung des Verfahrens auszugehen, da die beurkundungsbedürfte Unterwerfungserklärung regelmäßig außerhalb der AS-Stelle in einem Notariat aufgenommen werden muss. Somit ist die vollstreckbare notarielle Urkunde im Grundsatz durchaus ein geeignetes Mittel zur Schaffung eines Vollstreckungstitels. Dennoch ist diese für die Durchsetzung des vor einer AS-Stelle erzielten Verfahrensergebnisses aufgrund des erhöhten Zeit- und Kostenaufwands nur eingeschränkt verwendbar. 4. Der Vergleich vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle Die durch eine Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestelle kommt für die vollstreckbare Ausgestaltung von Verfahrensergebnissen Urkunde – heute wie in der langen Zeit ihrer Geschichte – als unentbehrlich für die Rechtsordnung ansieht. 124 BGH NJW-RR 2007, 1343, 1344. 125 Hoffmann, in: BeckOK-ZPO, § 794 Rn. 39 spricht insofern von einer Umkehr der Initiativlast. Allerdings erschöpft sich die Wirkung der Vollstreckungsunterwerfung auf diese Umkehr und lässt beispielsweise die Verteilung der Beweislast unberührt, BGH NJW 2002, 138, 139. 126 Wolfsteiner, in: MüKo-ZPO, § 794 Rn. 136 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich aus Verbraucherschutzgesichtspunkten zumindest keine generellen Einwände gegen den Einsatz der vollstreckbaren Urkunde ergeben. 127 Bemerkenswert ist hierbei, dass aufgrund der Kosten, welche eine notarielle Urkunde mit sich bringt, die gerichtliche Protokollierung als Alternative erwogen wird. Dazu Zempel, NJW 2015, 2859.
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der AS-Stellen als weiterer Ansprechpartner in Frage.128 Sofern AS-Stellen als derartige Gütestellen fungieren und sich zudem schwerpunktmäßig mit grenzüberschreitenden Sachverhalten befassen würden, könnte ohne zusätzliche Zwischenschritte ein vollstreckbarer Titel geschaffen werden, mit dessen Erstellung im Gegensatz zu den bisher genannten Möglichkeiten weder ein signifikanter Zeitverlust noch eine erhöhte Kostenbelastung verbunden wäre.129 a) Die Nutzung der Möglichkeit des § 794 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZPO Viele Bundesländer haben von der Möglichkeit der Einrichtung und Anerkennung von Gütestellen im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Gebrauch gemacht. Dies ist jedoch in unterschiedlicher Weise geschehen.130 Während beispielsweise in Niedersachsen und im Saarland die Anerkennung durch das jeweilige Justizministerium im Einzelfall erfolgt, bestehen in Bayern und Baden-Württemberg gesetzliche Regelungen, welche die Voraussetzungen für eine Anerkennung im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO regeln.131 Da die Schaffung eines vollstreckbaren Titels schon aufgrund der damit verbundenen Reichweite nur einer Stelle erlaubt sein kann, welche bestimmte, konkret formulierte Voraussetzungen erfüllt, und mit der Anerkennung eine Privilegierung verbunden ist, der eine erhebliche Bedeutung für die Berufsausübung zukommt, ist eine gesetzliche Regelung geboten.132 b) Das Beispiel Baden-Württembergs Aufgrund der bereits vorhandenen gesetzlichen Regelung soll daher die Möglichkeit der Anerkennung von AS-Stellen anhand der landesrechtlichen Regelung Baden-Württembergs geprüft werden. Die Voraussetzungen einer Anerkennung im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO finden sich dort in § 22 Abs. 1 AGGVG128 Prütting, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 157, 166 fasst die Verbraucherschlichtungsstellen des VSBG bereits aufgrund deren Anerkennung unter den Begriff der landesrechtlich anerkannten Gütestelle i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. 129 Zum Konfliktmanagement durch Güteanträge vgl. May/Moeser, NJW 2015, 1637, 1640. 130 Einen Überblick über die einzelnen landesrechtlichen Regelungen gibt Greger, NJW 2011, 1478, 1479. 131 Ob allerdings eine Anerkennung ohne gesetzliche Grundlage bei gleichzeitiger Einräumung der Befugnis, vollstreckbare Titel zu erlassen, gerechtfertigt ist, erscheint äußerst fraglich. Nach Wolfsteiner, in: MüKo-ZPO, § 794 Rn. 117 kann die Vorschrift des § 794 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZPO daher nur so verstanden werden, dass diese eine an die Länder gerichtete Verordnungsermächtigung enthält, welche die Befugnis einschließt, diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen zu übertragen. 132 Greger, NJW 2011, 1478, 1481 verweist hierfür auf die ständige Rechtsprechung zu Art. 12 GG, die hinsichtlich der berufsrechtlichen Voraussetzungen für die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und die Ermächtigung von Übersetzern entschied, dass diese durch Rechtsnorm geregelt werden müssen, da eine allgemeine Verwaltungsvorschrift hierfür nicht ausreiche.
III. Die Anerkennung und Vollstreckung der erzielten Vereinbarung
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BW. Auf Antrag können demnach Personen oder Vereinigungen anerkannt werden, die erstens die Gewähr für eine von den Parteien unabhängige, objektive und qualifizierte Schlichtung bieten, zweitens die Schlichtung als dauerhafte Aufgabe betreiben und drittens nach einer Verfahrensordnung vorgehen, die in ihren wesentlichen Teilen dem Verfahrensgang nach dem Schlichtungsgesetz entspricht. c) Die gemäß den Anforderungen der ADR-Richtlinie eingerichtete AS-Stelle Die Anforderungen des § 22 AGGVG-BW sind zwar im Hinblick auf die obligatorische Streitschlichtung des § 15a EGZPO formuliert worden, trotzdem ist erkennbar, dass die von den AS-Stellen zu erfüllenden Voraussetzungen den in § 22 AGGVG-BW aufgeführten Anerkennungsmodalitäten gleichen. Die Unabhängigkeit, Objektivität und Qualität der angebotenen Schlichtung ist in der ADR-Richtlinie in den Artt. 6 und 9 niedergelegt. Die dort verankerten Prinzipien dürften den Ansprüchen der landesrechtlichen Regelung genügen. Ebenfalls wird die Schlichtung der AS-Stellen regelmäßig auf Dauer angelegt sein, da ein flächendeckendes Netz an Streitbeilegungsstellen geschaffen und betrieben werden soll. Die im ehemals gültigen baden-württembergischen Schlichtungsgesetz aufgestellten Verfahrensmaximen finden sich ebenfalls in der ADR-Richtlinie wieder. In § 5 S. 2 des Schlichtungsgesetzes wurde hinsichtlich der Verfahrenseinleitung festgelegt, dass der verfahrenseröffnende Antrag bei der Gütestelle schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll der Gütestelle gegeben werden kann. Auch die ADR-Richtlinie sieht in Art. 5 Abs. 2 lit. c vor, dass das Verfahren offline, also auch mittels Schriftsatz eingereicht werden kann.133 Auch hinsichtlich der beschleunigten Verfahrensdurchführung ähneln sich die beiden Schlichtungsordnungen. In § 10 Abs. 1 S. 2 des Schlichtungsgesetzes war vorgesehen, dass die Schlichtungsverhandlung in der Regel in einem Termin mündlich durchzuführen ist. Ebenso kann in den Verfahren vor den AS-Stellen bei Bedarf eine mündliche Verhandlung vorgesehen werden, sodass die bevorzugte Ausrichtung auf ein schriftliches Verfahren trotzdem als gleichwertig angesehen werden kann. Da die genaue Ausgestaltung des Verfahrens den einzelnen AS-Stellen überlassen ist, lässt sich zwar keine allgemein gültige Aussage über eine Übereinstimmung machen, jedoch legt die Praxis der inländischen und ausländischen Schlichtungsstellen den Schluss nahe, dass auch die Verfahrensabläufe der AS-
133 Die Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass auch eine mündliche Einreichung oftmals möglich ist. Stellvertretend dazu sei auf die Schlichtungsordnung der söp, welche in § 3 Abs. 1 vorsieht, dass die Antragstellung im Regelfall schriftlich erfolgt, aber auch in jeder anderen geeigneten Form erfolgen kann, verwiesen.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
Stellen den Anforderungen des Schlichtungsgesetzes nicht nachstehen werden. Damit steht einer Anerkennung von AS-Stellen im Grundsatz nichts entgegen.134 d) Anpassung des § 22 AGGVG-BW Die Voraussetzungen des § 22 AGGVG-BW könnten als grundsätzliche Regeln nicht nur für die Gütestellen innerhalb Baden-Württembergs, sondern darüber hinaus als Ausgangspunkt für eine Vereinheitlichung aller landesrechtlichen Anerkennungen dienen.135 Doch sollte der sich auf den immer mehr an Bedeutung verlierenden § 15a EGZPO beziehende § 22 AGGVG um eine weitere Voraussetzung ergänzt werden. Die Qualitätsmerkmale der ADR-Verordnung sollten als europäisch gewachsene Erkenntnisse der außergerichtlichen Streitbeilegung ebenfalls als Voraussetzung für die Anerkennung als Gütestelle im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgenommen werden. Dies hätte im Gegensatz zur Bezugnahme auf die landeseigenen Schlichtungsgesetze den Vorteil, dass die Gütestellen bundesweit einem einheitlichen Standard unterstehen würden. Dieser kann dann je nach Bundesland verschärft, aber nicht abgeschwächt werden, um ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zu gewährleisten.136 5. Anerkennung und Vollstreckung gemäß Artt. 58, 60 EuGVVO Der besondere Vorteil, welcher sich aus einem vollstreckbaren Gütestellenvergleich ergibt, wird mit einem Blick in die refomierte EuGVVO klar. In Art. 58 Abs. 1 S. 1 EuGVVO wird dort festgelegt, dass öffentliche Urkunden, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, in den anderen Mitgliedstaaten ebenfalls vollstreckbar sind, ohne dass es hierfür einer gesonderten Vollstreckbarerklärung bedarf.137 a) Gütestellenvergleich als öffentliche Urkunde im Sinne des Art. 58 EuGVVO Die EuGVVO definiert die in Art. 58 genannte öffentliche Urkunde in Art. 2 lit. c. Danach wird unter einer öffentliche Urkunde ein Schriftstück verstanden, 134 Ohne eine solche Anerkennung müsste man bei AS-Stellen von einer sonstigen Gütestelle sprechen. Zur Unterscheidung von staatlich eingerichteter, anerkannter und sonstiger Gütestelle eingehend Patett, Zum Gesamtgefüge der Güte-Rechtsordnung, Teil II, S. 31 ff. 135 Die Norm findet sich bereits nahezu wortgleich in § 22 AGGVG-Bayern. 136 So kommen in Bayern nach Art. 8 Abs. 1 S. 1 Schlichtungsgesetz für die Person des Schlichters nur Personen in Betracht, die den Beruf des Notars oder des Rechtsanwalts ausüben, während in Baden-Württemberg keine derartige Einschränkung zu finden war. Die uneinheitliche und teilweise sogar komplett fehlende Qualitätsprüfung bei der personellen Einrichtung der Gütestellen kritisiert auch Greger, NJW 2011, 1478, 1481, der auch den auffälligen Gegensatz zu den Qualitätsanforderungen bei Mediatoren hervorhebt. 137 Nach altem Recht wurden gemäß Art. 57 Abs. 1 S. 1 EuGVVO a. F. derartige öffentliche Urkunden in einem anderen Mitgliedstaat auf Antrag in dem Verfahren gemäß Artikeln 38 ff. EuGVVO a. F. für vollstreckbar erklärt.
III. Die Anerkennung und Vollstreckung der erzielten Vereinbarung
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das als öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist, dessen Beweiskraft sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und durch eine Behörde oder eine andere hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist.138 Zudem muss der in der Urkunde verbriefte Anspruch in den sachlichen Anwendungsbereich der EuGVVO fallen, also eine Zivil- oder Handelssache im Sinne des Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO betreffen. Bei den in Rede stehenden außergerichtlichen Vergleichen eines AS-Verfahrens, die gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZPO einen Vollstreckungstitel in Deutschland darstellen könnten, sind beide Voraussetzungen gegeben.139 Zum einen handelt es sich bei der landesrechtlich anerkannten Gütestelle um eine zur Aufnahme vollstreckbarer öffentlicher Urkunden ermächtigte Stelle. Zum anderen sind vertragliche Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen unzweifelhaft als Zivilsachen einzuordnen, sodass der Gütestellenvergleich aus einem AS-Verfahren unter Art. 58 EuGVVO subsumiert werden kann.140 b) Die Vollstreckung im Ausland Die notwendigen verfahrensrechtlichen Schritte für eine Vollstreckung im Ausland ergeben sich nach Art. 58 Abs. 1 UnterAbs. 2 EuGVVO aus den Vorschriften des Kapitels III Abschnitt 2, Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 und Abschnitt 4, die auf öffentliche Urkunden sinngemäß anzuwenden sind. Somit muss für eine Vollstreckung im Ausland gemäß Art. 42 Abs. 1 lit a EuGVVO eine Ausfertigung der Urkunde vorlegt werden, welche die Voraussetzungen für die Beweiskraft im Ursprungsmitgliedstaat erfüllt. Zudem bedarf es nach Art. 42 Abs. 1 lit b EuGVVO einer nach Art. 60 EuGVVO ausgestellten Bescheinigung, in der bestätigt wird, dass die öffentliche Urkunde vollstreckbar ist.141 Das zuständige vollstreckungsrechtliche Organ im mitgliedstaatlichen Ausland prüft dann nur, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 1 EuGVVO vorliegen 138 Diese Definition enthielt in ähnlicher Form bereits Art. 4 Abs. 3 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. Nr. L 143/15 und wurde im alten Recht als Definitionsgrundlage herangezogen, vgl. Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 57 EuGVVO a. F., Rn. 3; ähnlich Kropholler/v.Hein, EuZPR, Art. 57 EuGVVO a. F. Rn. 3. Der Grund für die Heranziehung der Definition der EuVTVO war, dass diese sich als Ergänzung der EuGVVO versteht. Der Bezug zwischen den beiden Instrumenten des europäischen Zivilprozesses zeigt sich in den Erwägungsgründen 9 und 20 der EuVTVO. 139 Vgl. Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 58 EuGVVO Rn. 6. 140 Bereits in der bisherigen Fassung der EuGVVO war anerkannt, dass Vergleiche, die vor einer landesrechtlich anerkannten Gütestelle geschlossen wurden, als öffentliche Urkunden anzusehen sind. Vgl. dazu Kropholler/v.Hein, EuZPR, Art. 58 EuGVVO a. F. Rn. 1a. 141 Vgl. dazu Ulrici, JZ 2016, 127, 131.
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§ 11. Die Absicherung des Verfahrensergebnisses
und trifft im Anschluss daran die Feststellung, ob eine ordnungsgemäße Ausfertigung der Urkunde sowie die notwendige Bescheinigung nach Art. 60 vorliegt. Nach deutschem Recht sind gemäß § 1110 ZPO die Gerichte oder Notare für die Ausstellung der Bescheinigung gemäß Art. 60 EuGVVO zuständig, denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt. Somit folgt diese Zuständigkeit der Zuständigkeit zur Klauselerteilung.142 Damit ist gemäß § 797a Abs. 1 ZPO der für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle desjenigen Amtsgerichts zuständig, in dessen Bezirk die Gütestelle ihren Sitz hat. Gemäß § 1111 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Bescheinigung nach Art. 60 EuGVVO ohne Anhörung des Schuldners auszustellen. Dieser erhält allerdings gemäß § 1111 Abs. 1 S. 3 ZPO von Amts wegen eine Ausfertigung der Bescheinigung zugestellt.143 c) Vorteile für den Verbraucher Damit kann ein Verbraucher ohne ein Verfahren im Heimatstaat des Unternehmers durchführen zu müssen, mit vergleichsweise wenig Aufwand einen im Ausland vollstreckbaren Titel erhalten. Dieser sichert ihm im Zweifelsfalle eine schnelle Durchsetzung der getroffenen Vereinbarung, sodass er in besonderem Maße den Ausschlag für eine außergerichtliche Streitbeilegung geben kann. Die einhergehende Kostenbelastung für die Erteilung der Bescheinigung ist äußerst gering und damit kaum geeignet, den Verbraucher von einer grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung abzuhalten.144 Zudem kann der Verbraucher diese als Kosten der Vollstreckung gegen den Unternehmer geltend machen. Ob von der gegebenen Möglichkeit in höherem Ausmaß Gebrauch gemacht werden wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall ist die ohne große Mehrkosten für die AS-Stelle und ohne größere Belastung der Parteien mögliche Beschaffung eines vollstreckbaren Titels als eine besonders vertrauensstiftende Maßnahme einzuordnen. Gerade die grenzüberschreitenden Sachverhalte können mittels einer derartigen Verfahrensausgestaltung effektiv abgesichert werden.
142
Ulrici, in: Musielak-ZPO, § 1110 Rn. 1. der ZPO wird die Abschaffung des Exequaturs in § 794 Abs. 1 Nr. 9 ZPO sichtbar. Gemäß dieser Nummer findet aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, die Zwangsvollstreckung statt. 144 Die Gebühr beträgt gemäß GKG-KV Nr. 1513 nur 20 €. 143 In
§ 12. Schlussbetrachtung und Ausblick 1. Die vorliegende Untersuchung hat für die Realisierung grenzüberschreitender Forderungen zwei wesentliche Erkenntnisse hervorgebracht. Zum einen hat sich die außergerichtliche Streitbeilegung als hervorragendes Mittel zur Beilegung länderübergreifender Streitfälle, die aus verschiedenen Gründen nicht vor staatliche Gerichte gelangen, erwiesen.1 Die Niederschwelligkeit des Zugangs, die rasche Behandlung des Streitfalls und das konsensual gefundene Ergebnis sind dabei als besonders vorteilhaft hervorzuheben.2 Die alternative Beilegung von Streitfällen kann damit im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr einen wertvollen Beitrag zur effektiven Anspruchsrealisierung leisten. Der gerichtliche Rechtsschutz wird angemessen ergänzt und dem Verbraucher damit ein umfassendes Angebot zur Realisierung seiner Ansprüche gemacht.3 Dieses Angebot kann auch den Absatz von Waren und Dienstleistungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes steigern und damit zu dessen Stärkung und Ausbau beitragen. Das gilt auch im Hinblick auf den stark wachsenden Markt des elektronischen Handels und der digitalen Inhalte. Die dort bislang bestehenden Defizite bei der Anspruchsrealisierung könnten mit Hilfe der außergerichtlichen Streitbeilegung nachhaltig beseitigt werden.4 2. Zum anderen wurde jedoch deutlich, dass für eine effektive Behandlung grenzüberschreitender Streitfälle die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend sind. Sowohl die ADR-Richtlinie als auch die ODR-Verordnung sowie 1 Die Möglichkeiten der gerichtlichen Behandlung geringfügiger Forderungen auf nationaler wie europäischer Ebene werden in § 2 dargestellt. 2 Die weiteren Vorteile der außergerichtlichen Streitbeilegung werden eingehend in § 3 beschrieben. 3 Zu Recht spricht Hirsch, NJW 2013, 2088, 2094 davon, dass außergerichtliche Verfahren das rechtsstaatlich gebotene Zivilverfahren bei Verbraucherstreitigkeiten komplettieren können. 4 Sowohl im Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte vom 9. 12. 2015, KOM(2015) 634 final, S. 4, als auch im Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren vom 9. 12. 2015, KOM(2015) 635 final, S. 5, wird für die Strategie des digitalen Binnenmarkts insbesondere auf den Bereich der Durchsetzung von Ansprüchen verwiesen, in dem die außergerichtliche Streitbeilegung eine hervorgehobene Rolle spielt.
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§ 12. Schlussbetrachtung und Ausblick
nunmehr auch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz weisen erhebliche Schwächen auf, die es Verbrauchern und Unternehmern erschweren, ihre länderübergreifenden Streitigkeiten außergerichtlich klären zu lassen.5 Diese beginnen bereits bei der Verfahrenseröffnung, welche weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene eine besondere Behandlung erfahren hat. Der im Rahmen der Untersuchung entwickelte Vorschlag für eine Verfahrenseröffnung stellt bestehenden und neu geschaffenen AS-Stellen eine praktikable Möglichkeit zur Ausrichtung auf grenzüberschreitende Sachverhalte zur Verfügung. Diese Regelung bringt eine für die Parteien nachvollziehbare Zuweisung grenzüberschreitender Sachverhalte an AS-Stellen im Verbraucher- oder Unternehmerstaat und sichert gleichzeitig die Interessen der AS-Stelle an einer effizienten Verfahrensführung.6 Die Stellen können bei der Beurteilung grenzüberschreitender Sachverhalte regelmäßig das an ihrem Sitz geltende Recht anwenden und sind nur in Ausnahmefällen gehalten, ausländisches Recht anzuwenden. Zur Ermittlung der einschlägigen Normen kann in letzteren Fällen das bereits bestehende ECC-Netzwerk genutzt werden. 3. Die Gewährleistung bestimmter Mindestgarantien ist ein weiterer Bestandteil einer funktionierenden außergerichtlichen Streitbeilegung für länderübergreifende Sachverhalte. Dazu gehört insbesondere die Verfahrensausrichtung am geltenden Recht, welche durch den Einsatz von juristischem Fachpersonal gewährleistet werden sollte.7 Damit erlangt die Streitbeilegung durch ASStellen eine hohe Attraktivität für Verbraucher wie Unternehmer und kann in Bereichen wie der Behandlung von Verträgen mit digitalen Inhalten sogar eine Vorreiterrolle übernehmen. Die eigentliche Verfahrensdurchführung kann zudem durch den Einsatz elektronischer Hilfsmittel unterstützt und damit die Dauer der Verfahren verringert werden, was gerade bei zeitaufwändigen grenzüberschreitenden Streitfällen besonders vorteilhaft wäre.8 4. Schließlich ist die Absicherung des Verfahrensergebnisses ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreich operierenden alternativen Streitbeilegung. Auch hier sind über die Mindeststandards der europäischen wie nationalen Rechtsakte hinaus Mechanismen notwendig, um die potentiellen Verfahrensbeteiligten zur Nutzung der AS-Stellen anzuhalten.9 Neben der einseitigen Bindung zulasten des Unternehmers bestehen gerade im Bereich des elektronischen Handels weitere Möglichkeiten, um die Einhaltung der getroffenen Vereinbarung zu 5
Vgl. dazu die Ausführungen in § 7. Entwicklung des Vorschlags zur Verfahrenseröffnung unter eingehender Berücksichtigung der Interessen der Verfahrensbeteiligten findet sich in § 8. 7 Vgl. dazu die Erwägungen in § 10. 8 Die Ausgestaltung des Verfahrens der einzelnen Streitbeilegungsstellen wird in § 9 behandelt. 9 Vgl. dazu die Vorschläge in § 11. 6 Die
§ 12. Schlussbetrachtung und Ausblick
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gewährleisten. Die Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung einer in einem AS-Verfahren getroffenen Einigung stellt dabei einen weiteren Anreiz zur Nutzung außergerichtlicher Verfahren in grenzüberschreitenden Streitfällen dar. 5. Mit den in der Untersuchung entwickelten Grundvoraussetzungen lässt sich ein erfolgsversprechendes Modell der grenzüberschreitenden Realisierung von Forderungen im außergerichtlichen Bereich aufbauen. Die Implementierung des Systems sollte allerdings auf mehreren Ebenen erfolgen. Insgesamt sind hierbei drei verschiedene Adressaten angesprochen. a) Der Aufbau einer Schlichtungslandschaft für grenzüberschreitende Sachverhalte sollte primär durch die Nutzung privater Stellen bewerkstelligt werden. Insbesondere sektorspezifisch agierende Streitbeilegungsstellen erfreuen sich auf Unternehmerseite hoher Beliebtheit, sodass die meist branchengetragenen Stellen auch für die Behandlung länderübergreifender Sachverhalte als prädestiniert erscheinen. Die Ergänzung bestehender Verfahrensordnungen in Bereichen, in denen häufig grenzüberschreitende Sachverhalte vorkommen, könnte als Ausgangspunkt dienen. Falls dieses Angebot von Verbrauchern und Unternehmern positiv aufgenommen wird, besteht die realistische Möglichkeit, dass auch in Bereichen, in denen momentan noch keine spezialisierten Stellen bestehen, die Nutzung außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen in Betracht gezogen wird. Namentlich ist hier der E-Commerce zu nennen, der sich nur in Teilen dem Angebot des online-Schlichters angeschlossen hat. b) Gleichfalls ist im Bereich der behördlichen Auffangschlichtung die Umsetzung der genannten Parameter zu fordern. Aus der in der ADR-Richtlinie festgelegten staatlichen Gewährleistungsverantwortung folgt, dass sowohl für innerstaatliche als auch für grenzüberschreitende Sachverhalte eine Schlichtungsmöglichkeit anzubieten ist. Da die effektive Behandlung grenzüberschreitender Streitfälle allein durch die Umsetzung der Mindestanforderungen der ADR-Richtlinie nicht gewährleistet werden kann, bedarf es der hier vorgeschlagenen Verfahrenseröffnung für inländische Verbraucher. Diese Eröffnung würde meist keine Mehrbelastung für die behördliche Auffangschlichtung verursachen, sodass deren Eingliederung in die jeweiligen Verfahrensordnungen auf keine größeren Probleme stoßen dürfte.10 c) Schließlich hat der unionsrechtliche Gesetzgeber einen Beitrag zur erfolgsversprechenden Etablierung der grenzüberschreitenden alternativen Streitbeilegung zu leisten. Dessen Aufgabe liegt darin, ein europäisches Gütesiegel für die national zertifizierten Streitbeilegungsstellen einzuführen, um diese für alle Verbraucher und Unternehmer unionsweit erkennbar zu machen. Allein durch die Aufnahme in eine online abrufbare Liste wird die Erkennbarkeit nicht in ausreichendem Maße hergestellt und damit gerade im grenzüberschreitenden 10 Da die Universalschlichtungen der Länder gemäß § 43 Abs. 1 VSBG erst zum 31. 12. 2019 eingerichtet werden müssen, verbleibt für die Berücksichtigung ausreichend Zeit.
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Bereich die Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht wirkungsvoll unterstützt. 6. Die im Zuge der Umsetzung der ADR-Richtlinie aufgeworfene Frage, ob für den Verbraucher ein „Mehr“ oder „Weniger“ an außergerichtlicher Streitbeilegung begrüßenswerter ist, kann nicht pauschal beantwortet werden.11 Sicher steckt in der alternativen Streitbeilegung viel Potential. Dieses gerade im Bereich der grenzüberschreitenden Sachverhalte zu nutzen, kann sowohl für Verbraucher wie auch für Unternehmer weitreichende Vorteile bringen. Mit mehr als 500 Millionen Verbrauchern und einer Wirtschaftsleistung von über 12 Billionen Euro ist der europäische Binnenmarkt der größte einheitliche Markt der industrialisierten Welt.12 Trotz dieser Voraussetzungen sind beispielsweise im Bereich des elektronischen Handels nur 7 % der kleinen und mittleren Unternehmen EU-weit im Online-Handel tätig. Auch fühlen sich nur 38 % der Verbraucher bei einer grenzüberschreitenden Transaktion sicher.13 Durch den Ausbau von unabhängigen, transparenten, effektiven und fairen außergerichtlichen Verfahren kann das Vertrauen in den Binnenmarkt auf beiden Seiten erhöht und das gesamtwirtschaftliche Potential ausgeweitet werden. Das in dieser Arbeit vorgestellte System zur Behandlung von grenzüberschreitenden Streitfällen könnte dazu einen Beitrag leisten.
11 Für ein „Weniger“ Engel, NJW 2015, 1633, 1635, für ein „Mehr“ Schmidt-Kessel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S. 234, 241. 12 Zahlen entnommen aus den Angaben der deutschen Bundesregierung, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Europa/EUPolitikfelder/wirtschaft_ und_finanzen/_node.html. 13 So die Angaben in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, KOM(2015) 192 endg., S. 4.
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Sachregister Ablehnung der außergerichtlichen Streitbeilegung 68 ff., 213 ff. Access to justice 48 ff. Adjudikation 277 f. ADR‑Richtlinie 51 ff. Allgemeine Geschäftsbedingungen 229 ff. Allmänna reklamationsnämnden 85 ff. Alternative Streitbeilegung – Europäischer Raum 45 ff. – Historie 6 ff. Amtsermittlung 72 f. Anerkennung der Entscheidung 302 ff. Anwaltschaft 31 ff. Anwaltsvergleich 303 Anwendung ausländischen Rechts 171 ff., 267 f. Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit 148 ff. Autorität der Schlichtungsperson 81 f., 90, 98, 237 f. Bagatelle 22, 24 Befähigung zum Richteramt 81, 90, 98, 237 f. Beförderungsverträge 60 ff., 180 f., 187 ff. Behördliche Schlichtung 59 f., 200 Beklagtengerichtsstand 131 ff. Bereichsausnahmen 178 ff. Beschleunigungsgrundsatz – in außergerichtlichen Verfahren 74 – in gerichtlichen Verfahren 12 ff. Beweisaufnahme 72 f. Bewertungen 300 f. Bindend advies 95 f. Bindung an geltendes Recht 75 f., 89, 96 Bindungen des Verfahrensergebnisses – Alternativen 288 ff.
– Intensität 276 ff. Binnenmarkt 1 ff., 51, 165 f. Comply or explain Prinzip 221 ff. Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess 136 f., 166 ff. Datenschutz 251 f. Digitale Inhalte 205 ff. E‑Commerce 204 f. Effizienz der Rechtspflege 31 ff. Einigung – Anreize 34 f. – Möglichkeiten 265 ff. Elektronisches Fallbearbeitungs instrument 245, 247 ff. Entlastung der Justiz 38 ff. Erfüllungsgarantie 96, 287 f. Erkenntnisgewinn 35 f., 266, 272 Erklärungspflicht des Unternehmers 222 f., 226 f. Europäische Rechtspolitik 51 ff. Europäisches Bagatellverfahren – Reform 21 ff. – Verfahren 19 ff. Europäisches Zivilprozessrecht 19 ff., 26 Faktischer Schwerpunkt der Partei beziehungen 183 ff. Finanzierung 65, 79, 90, 96, 118, 199 Flexibilität 265 ff. Gemischter Vertrag 138 ff. Gerichtsstand – Interessenabwägung 123 ff. – Verbraucherschutz 135 ff. Geschillencommissies 91 ff.
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Sachregister
Gewährleistungsverantwortung 51 ff. Gleichlauf 172 ff. Grenzüberschreitende Streitfälle in der momentanen außergerichtlichen Streitbeilegung 99 ff. Grundprinzipen der ADR‑Richtlinie 196 f. Gütesiegel 239 ff. Gütestellenvergleich 305 ff. Güteverfahren 219 f.
Marktsteuerung 40 f. Mediation 171, 260 f. Mindestharmonisierung 108 Musterklausel für grenzüberschreitende Streitfälle – Kompetenzbestimmungsvorschlag 192 f. – Praxistauglichkeit 194 ff.
Harmonisierende Auslegung 168, 175 Höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage 75 f., 213 ff.
Objektivierung der Beteiligteninteressen 126 ff. Obligatorisches Güteverfahren 39 f., 219 f., 230 ff. ODR Verordnung 104, 247 ff. Öffentliche Urkunde 308 f. Offensichtliche Unbilligkeit 285 f. Ombudsleute 81 f. Online Bewertungen 300 f. Online Verfahren 244 ff. Organisation der außergerichtlichen Streitbeilegung 64 f., 198 ff.
Informationen über ausländisches Recht 191 f. Informationsasymmetrie 263 ff. Informierter Kompromiss 261 f., 265 f., 274 f. Interessen in der außergerichtlichen Streitbeilegung – der Allgemeinheit 38 ff. – der einzelnen Branche 36 ff. – der Streitschlichtungsstelle 171 ff. – des Unternehmer 34 ff., 227 – des Verbraucher 33 f. Justizförmigkeit des Verfahrens 254 ff. Kaufvertrag 203 ff. Kausalität 144 f., 163 ff. Kennzeichnung 238 f., 242 Klageverzicht 77 ff., 230 ff. Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz 174 ff. Komplementärfunktion der außergerichtlichen Streitbeilegung 75 f., 216, 266 Konfliktscheue 28 ff. Kosten des außergerichtlichen Verfahrens 78, 90, 96 Kosten des gerichtlichen Verfahrens 14, 16, 18, 21 Kriterienkatalog 149 ff. Kundenbeschwerdestellen 70 ff. Listung außergerichtlicher Streitbeilegungsstellen 238 f.
Netzwerke 106 ff.
Paypal Käuferschutz 295 ff. Präzedenzfälle 272 f. Rechtliches Gehör im außergerichtlichen Verfahren 72, 88 f., 95 Rechtsgrundlagen der Schlichtung 55 ff. Rechtsnatur der einseitigen Bindungswirkung 282 ff. Rechtsverwirklichung 257 ff. Richtlinienumsetzung 109 ff. Schiedsverfahren 259 ff. Schutzgebühr 79, 96 f. Schwarze Listen 89 f., 300 ff. Sektorielle Spezialisierung 101 f. Sicherheiten 288 ff. Situativer Verbraucherschutz 164 ff., 175, 262 ff. Small Claims Verfahren – Niederlande 14 ff. – Schweden 16 ff. Staatlicher Einfluss 63 f. Streitwertgrenzen 70, 87
Sachregister
Tätigkeitsbericht 80, 269 ff. Teilnahmezwang 218 ff. Träger der Schlichtung – Deutschland 57, 59 ff. – Schweden 85 f. – Niederlande 91 f. Typisierte Interessen 130 ff. Unabhängigkeit – der außergerichtlichen Schlichtungspersonen 82, 90, 98, 235 – der außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen 81, 90, 97, 235 f. Venire contra factum proprium 153, 283 ff. Verbraucher – Begriff 137 f. – Geschäft 138 ff. Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – Gesetzgebungsgeschichte 110 f. – Umsetzung der ADR‑Richtlinie 201, 212, 217, 228, 233 f., 242 f, 268 f. Verfahrensabschluss 76 ff., 89, 95, 261 ff. Verfahrensrechtlicher Verbraucherschutz 133 ff. Verfahrensvereinfachungen 13 f., 15 f., 17 f., 20 f. Verhältnis ADR‑Richtlinie und ODR‑Verordnung 249 f.
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Verjährungshemmung 79 f. Veröffentlichung von Entscheidungen 80 f., 269 ff. Versicherungsverträge 58 f., 67 f., 181 f., 190 Vollstreckbare notarielle Urkunde 304 Vorteile der privatrechtlich-organisierten Streitbeilegung 198 ff. Wirtschaftlichkeit der Rechtsverfolgung 30 f. Wissenschaftliche Evaluation der außergerichtlichen Streitbeilegung 201 f. Zahlungsdienstleistung 297 ff. Zivilprozess – Berücksichtigung außerprozessualen Verhaltens 291 ff. – Hemmnisse für Verbraucher 31 – Übertragbarkeit der Wertungen auf die außergerichtliche Streitbeilegung 145 ff. Zugang zu den Streitbeilegungsstellen 65 ff., 88, 95 Zuständigkeitsbestimmung im außergerichtlichen Verfahren 120 ff. Zuständigkeitsbestimmung im gerichtlichen Verfahren 119 f.