Die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft: Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Reformdiskussion in Europa [1 ed.] 9783428538782, 9783428138784

Michael Grimm befasst sich mit der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft (GmbH und vergleichbare ausländische

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German Pages 586 Year 2013

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Die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft: Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Reformdiskussion in Europa [1 ed.]
 9783428538782, 9783428138784

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 66

Die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Reformdiskussion in Europa

Von

Michael Grimm

Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL GRIMM

Die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 66

Die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Reformdiskussion in Europa

Von

Michael Grimm

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13878-4 (Print) ISBN 978-3-428-53878-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83878-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und Verena

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/2012 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Zu großem Dank bin ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, verpflichtet. Er hat meine Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt und gefördert, bei der Auswahl des Themas ebenso wie bei der Vorbereitung meiner Forschungsaufenthalte an den Universitäten Paris und Oviedo, durch ein stets offenes Ohr für Fragen und Diskussionen zu Inhalt und Aufbau und schließlich – gemeinsam mit den beiden Mit-Herausgebern Prof. Dr. Hanno Merkt und Prof. Dr. Gerald Spindler, denen ich an dieser Stelle ebenfalls danken möchte – durch Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“. Mein weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Daniel Zimmer, der die Mühe auf sich genommen hat, das Zweitgutachten innerhalb kurzer Zeit zu erstellen. Ich danke auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die die Arbeit durch ein Promotionsstipendium im Rahmen des Graduiertenkollegs „Rechtsfragen des Europäischen Finanzraums“ gefördert hat. Besonders zu danken habe ich schließlich Herrn Dr. Ingo Fuchs für seinen unermüdlichen Einsatz bei der Korrektur des Manuskripts. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet, die mir durch ihre Unterstützung mit Rat und Tat nicht nur dieses Projekt überhaupt erst ermöglicht haben. Außerdem ist die Arbeit meiner Ehefrau Verena gewidmet, die mich bei der Fertigstellung mit viel Geduld und Zuwendung begleitet und unterstützt hat. Bonn, im Dezember 2012

Michael Grimm

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Teil Grundlagen

27

§ 1 Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

§ 2 Schutzwürdige Interessen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gläubigerrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschafterinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sekundärziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 31 45 46 48

§ 3 Ansatzpunkte eines gesetzlichen Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

2. Teil Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

51

§ 4 Finanzverfassung der deutschen GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Geltendes Recht bis zum MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Kritik aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 § 5 Finanzverfassung der französischen SARL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Geltendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Kritik aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 § 6 Finanzverfassung der spanischen S.L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Geltendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Kritik aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

3. Teil Reformprojekte und -vorschläge

219

§ 7 Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Die Reformen des MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

10

Inhaltsübersicht II. Weitere Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

§ 8 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Die Reformen der loi Dutreil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Weitere Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 § 9 Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 I. Die Reformen der LSLNE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 II. Weitere Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

4. Teil Bewertung

373

§ 10 Grundsätzliche Zukunftsfähigkeit des Stammkapitalsystems . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestgläubigerschutzes . . . . . . . . . . . II. Fortdauernde Existenzberechtigung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Bedürfnis nach einer neuen Gesellschafts(unter)form . . . . . . . . . . . .

373 374 378 407

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen . . . . . . . . . . . . . . I. Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Recht der Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Insolvenzauslösetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

420 421 450 482 491 526 531

§ 12 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Teil Grundlagen

27

§ 1 Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

§ 2 Schutzwürdige Interessen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gläubigerrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Haftungsbeschränkung als Risikoverteilungsschlüssel . . . . . . . . . . 2. Systematische Auffächerung der Gläubigerrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Ausfallrisiko als Ausgangspunkt und Oberbegriff . . . . . . . . . . . b) Definition des Begriffs „Ausfallrisiko“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelausprägungen des Ausfallrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das anfängliche Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Risiko struktureller Unterfinanzierung . . . . . . . . . . . . . (2) Das Bewertungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das nachträgliche Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das allgemeine Insolvenzeintrittsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Entwertungsrisiko (moral hazard) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschafterinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sekundärziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 31 31 34 34 36 37 38 38 39 40 40 41 45 46 48

§ 3 Ansatzpunkte eines gesetzlichen Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

2. Teil Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik § 4 Finanzverfassung der deutschen GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geltendes Recht bis zum MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Bedeutung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 52 52 53 55 58 58

12

Inhaltsverzeichnis b) Materiell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG analog) . . . . . . . . . b) Die Novellenregeln (§§ 32a, 32b GmbHG a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Insolvenzantragspflicht und Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Durchgriffshaftung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Systemkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik an der konkreten Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Insolvenzantragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 77 87 90 93 94 96 101 102 106 107 111 113 115 119 119 120

§ 5 Finanzverfassung der französischen SARL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geltendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung, Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Funktion des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Insolvenzrechtliche Schutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Entscheidung über die Fortführung oder Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Warnverfahren (procédure d’alerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) . . . . . . . . . . dd) Sicherungsverfahren (procédure de sauvegarde) . . . . . . . . . . . . ee) Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) . . . . . . . . . . . . . . ff) Liquidationsverfahren (liquidation judiciaire) . . . . . . . . . . . . . . g) Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Systemkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik an der konkreten Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 121 121 124 125 126 127 135 140 147 148 150 151 152 154 155 156 156 163 165 165 168

Inhaltsverzeichnis

13

a) Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Auflösung der Gesellschaft aufgrund von Verlusten . . . . . . . . . . . . . 170 § 6 Finanzverfassung der spanischen S.L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geltendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung, Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Funktion des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Insolvenzrechtliche Schutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeine Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sondertatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Haftung in der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Spezifische Geschäftsführungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einstandspflicht für Gesellschaftsschulden . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verstöße gegen das Kapitalschutzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . (2) Pflichtverletzungen und Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . II. Kritik aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Systemkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik an der konkreten Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot der gestaffelten Einlageleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung bei Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Allgemeine Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Haftung in der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 171 171 177 177 178 180 184 188 191 195 195 195 198 200 204 204 205 206 208 208 211 213 213 213 214 215 215 216 217

3. Teil Reformprojekte und -vorschläge

219

§ 7 Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Die Reformen des MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Inhalt des Reformgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

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Inhaltsverzeichnis a) Gründungserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beibehaltung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einführung der „UG (haftungsbeschränkt)“ . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Neuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Modernisierung des Kapitalschutzregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzliche Fixierung der verdeckten Sacheinlage . . . . . . (2) Zulässigkeit des Hin- und Herzahlens bei Bargründung . . bb) Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Recht der Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Genehmigtes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Missbrauchsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausdehnung der Insolvenzantragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterung der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Neuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Reformmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reaktion des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beibehaltung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einführung der „UG (haftungsbeschränkt)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reform des Kapitalschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Recht der Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausweitung von Insolvenzantragspflicht und Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonstige Reformmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reform des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschaffung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erhöhung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das „akkumulierende Stammkapitalkonzept“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einzelfallbezogenes Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einführung eines „Insolvenzeröffnungskapitals“ . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reform der Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschärfung der Kapitalaufbringungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pflicht zur anfänglichen Voll- oder Bareinzahlung . . . . . . . . . . bb) Unabhängige Gründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Obligatorischer Finanzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinfachung der Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Punktuelle Deregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 224 225 231 234 235 235 237 239 241 247 247 248 249 250 251 252 254 257 261 264 272 274 276 277 278 278 282 283 285 286 289 289 289 290 291 292 292

Inhaltsverzeichnis

3.

4.

5. 6. 7.

bb) Abschaffung der präventiven Aufbringungskontrolle (Kommanditistenmodell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reform der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschüttungsbegrenzung auf den Unternehmensgewinn . . . . . . . . b) Situative Ausschüttungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reform des Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einheitliche Kodifizierung im Insolvenzrecht ohne inhaltliche Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelne Modifikationen der MoMiG-Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausweitung auf sämtliche Gesellschafterforderungen . . . . . . . . . . . d) Abschaffung des gesamten Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . Verschärfung der Krisenverantwortung der Geschäftsführer . . . . . . . . . Einführung einer neuen Gesellschaftsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkehr vom System des gesetzlichen Nominalkapitals . . . . . . . . . . . . . a) Haftungs- und insolvenzrechtlicher Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . b) Pflichtversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einführung eines „Soll-Eigenkapitals“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

293 294 295 296 301 301 302 303 304 305 308 313 313 315 316

§ 8 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Reformen der loi Dutreil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die neuen gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reaktion des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Positive Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wiedereinführung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschärfung der Haftung bei Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stärkung der Eigenkapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzliche Garantiehaftung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einführung eines gesetzlichen „Haftungskapitals“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abschaffung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

319 320 321 326 327 335 339 341 342 342 343 343 345 347

§ 9 Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Reformen der LSLNE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die neuen gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regime der S.L.N.E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Reformmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reaktion des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349 349 350 352 359 361 370 371

16

Inhaltsverzeichnis 4. Teil Bewertung

373

§ 10 Grundsätzliche Zukunftsfähigkeit des Stammkapitalsystems . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestgläubigerschutzes . . . . . . . . . . . II. Fortdauernde Existenzberechtigung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionen und Wirkung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Finanzierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerschutzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . bb) Persönlicher Risikobeitrag der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . cc) Informationsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Argumente gegen einen Systemwechsel . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleich mit den Alternativsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der haftungs- und insolvenzrechtliche Gläubigerschutz . . . . . . bb) Das Pflichtversicherungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Garantiesummenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kosten eines Systemwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Bedürfnis nach einer neuen Gesellschafts(unter)form . . . . . . . . . . . . 1. Der begrenzte Reformdruck von außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Nachteile einer neuen Gesellschafts(unter)form . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenständige neue Gesellschaftsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsformvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373 374 378 379 380 382 383 385 387 390 391 391 395 396 401 402 407 408 413 413 415 419

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen . . . . . . . . . . . . . . I. Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung des Mindestkapitals im Stammkapitalsystem . . . . . . . . . . . . a) Mindestvermögen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindestvermögenseinsatz der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechtigung der Kritik am Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gründungserschwernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das unzureichende Mindestschutzniveau des Stammkapitalsystems aa) Die Vermögensausstattung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Seriositätsgewähr der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Willkürvorwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Reformschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschaffung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erhöhung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das „akkumulierende Stammkapitalkonzept“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .

420 421 422 424 425 427 428 431 431 433 435 436 437 440 441

Inhaltsverzeichnis

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d) Einzelfallbezogenes Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Absenkung des Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Legitimation eines präventiven Kapitalschutzes . . . . . 2. Berechtigung der Kritik am Kapitalaufbringungsrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Mindesteinlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Absolute Untergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gestaffelte Einlageleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sacheinlagevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorbelastungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Reformschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschaffung der absoluten Mindesteinlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Abschaffung der „Leistung zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Obligatorischer Finanzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Reform des Rechts der Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kapitalaufbringung durch Gewinnthesaurierung . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abschaffung der Ausfallhaftung der Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . g) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mindesteinlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sacheinlagevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Reformmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechtigung der Kritik am Kapitalerhaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Reformschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschüttungsbegrenzung auf den Unternehmensgewinn . . . . . . . . b) Situative Ausschüttungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Recht der Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimation eines Sonderrechts für Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . a) Das „Todeskampf-Argument“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überzeugungskraft hinsichtlich der Darlehensrückzahlung . . . bb) Überzeugungskraft hinsichtlich der Darlehensgewährung . . . . b) Das „Insider-Argument“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Einfluss- und Informationsvorsprung des Gesellschafters . bb) Die unternehmerische Motivation des Gesellschafters . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechtigung der Kritik am Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung der Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

443 444 446 450 451 453 454 454 457 458 459 460 460 463 464 466 468 469 470 470 473 477 479 482 483 485 486 488 491 492 493 495 497 497 497 498 500 503 505

18

Inhaltsverzeichnis a) Abschaffung der Rechtsprechungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Weitgehende Funktionsäquivalenz von Rechtsprechungsund Novellenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende Legitimation des weitergehenden Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimation der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorteile der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mögliche weitergehende Reformschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erweiterung des Sanierungsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlängerung der Anfechtungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbeziehung sämtlicher Gesellschafterforderungen . . . . . . . . . . . . V. Insolvenzauslösetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Krisenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung außerhalb der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

505 505 507 511 512 517 518 521 521 525 525 526 531 531 532 537 539

§ 12 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580

Abkürzungsverzeichnis ADC BOCG

BOE Bull. Civ.

Cass. civ. Cass. com. Cass. crim. Cass. soc. C. civ. CCiv C. com. CCom CMLR D DA Defrénois DIRCE DNeg Dr. sociétés Gaz. Pal. INE JCP JCP E JCP N JFE

Anuario de Derecho Civil Boletín Oficial de las Cortes Generales (Amtsblatt des spanischen Parlaments) – mit dem Zusatz „Congreso“: Protokolle des spanischen Abgeordnetenhauses (Congreso de los Diputados) – mit dem Zusatz „Senado“: Protokolle des spanischen Senats Boletín Oficial del Estado (Spanisches Gesetzblatt) Bulletin des arrêts de la Cour de cassation. Chambres civiles (Entscheidungssammlung des französischen Kassationshofes in Zivilsachen) Cour de Cassation, Chambre civile (Entscheidungen des französischen Kassationshofes in Zivilsachen) Cour de Cassation, Chambre commerciale (Entscheidungen des französischen Kassationshofes in Handelssachen) Cour de Cassation, Chambre criminale (Entscheidungen des französischen Kassationshofes in Strafsachen) Cour de Cassation, Chambre sociale (Entscheidungen des französischen Kassationshofes in sozialrechtlichen Angelegenheiten) Code civil (Französisches Zivilgesetzbuch) Código civil (Spanisches Zivilgesetzbuch) Code de commerce (Französisches Handelsgesetzbuch) Código de comercio (Spanisches Handelsgesetzbuch) Common Market Law Review Recueil le Dalloz Disposición Adicional (Zusatzbestimmung zu spanischen Gesetzen) Répertoire du notariat Defrénois Directorio Central de Empresas (Zentrales Unternehmensverzeichnis des spanischen Statistikinstituts) Derecho de los Negocios Droit des sociétés Gazette du Palais Instituto Nacional de Estadisticas (Spanisches Statistikinstitut) Juris classeur périodique. La semaine juridique. Édition générale Juris classeur périodique. La semaine juridique. Édition entreprises Juris classeur périodique. La semaine juridique. Édition notariale et immobilière Journal of Financial Economics

20 JO

Abkürzungsverzeichnis

Journal Officiel de la République Française (Französisches Gesetzblatt) KMU Kleine und mittlere Unternehmen MoMiG Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, BGBl. I 2008, 2026 ff. P. A. Petites Affiches RCL Repertorio Cronológico de Legislación RDBB Revista de Derecho Bancario y Bursátil RdS Revista Derecho de Sociedades RefE Referentenentwurf (ohne nähere Kennzeichnung der des MoMiG) RegE Regierungsentwurf (ohne nähere Kennzeichnung der des MoMiG) Rép. Min. Réponse ministérielle (Antwort des zuständigen Ressortministers auf eine parlamentarische Anfrage) Rev. trim. dr. civ. Revue trimestrielle de droit civil Rev. trim. dr. com. Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique RJN Revista jurídica del Notariado RRM Reglamento del Registro Mercantil (spanische Handelsregister-Verordnung) STS Sentencias del Tribunal Supremo (Entscheidungssammlung des spanischen Obersten Gerichts) T. com. Tribunal comercial (spanisches Handelsgericht)

Einführung „Dasjenige Land, welches die sichersten, einfachsten und mannigfachsten Rechtsformen für die Vereinigung von Kapital und Personen bietet, muss vor anderen Nationen, die hierin zurückbleiben, einen wirthschaftlichen Vorteil gewinnen.“ Wilhelm Oechelhäuser

Diese Aussage von Wilhelm Oechelhäuser1 (1820–1892), Großindustrieller und einer der Väter der GmbH, ist in Zeiten einer weltumspannenden Wirtschaftskrise aktueller denn je. Sie umreißt plastisch die Bedeutung, die dem Gesellschaftsrecht in einer modernen Volkswirtschaft zukommt: Es ist nicht weniger als ein entscheidender Faktor im Wettbewerb der Wirtschafts- und Rechtsordnungen. Galt dies schon vor mehr als hundert Jahren in der Hochzeit der Industrialisierung, so gilt es heute in Zeiten fortschreitender Globalisierung, wo Unternehmen auf der ganzen Welt nach dem geeignetsten Umfeld für ihre Betätigung suchen können, umso mehr. Oechelhäuser beschreibt gleichzeitig knapp und treffend die Anforderungen, denen ein fortschrittliches Gesellschaftsrecht entsprechen muss, um seiner wirtschafts- und damit wohlstandsfördernden Funktion gerecht zu werden. Es muss sicher sein, also den Unternehmern selbst wie den Gläubigern einen verlässlichen Rechtsrahmen bieten, in dem keine Seite zugunsten der anderen übervorteilt wird. Es muss einfach sein, also für den rechtsunkundigen Unternehmer leicht verständlich und vorhersehbar, um unternehmerische Initiative nicht abzuschrecken. Und es muss mannigfaltig sein, also ein breites Spektrum an rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten bieten, um den ganz unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen jedes einzelnen Unternehmers möglichst gerecht zu werden. Das genannte Zitat ist so etwas wie das Geburtsmantra der GmbH. Es fasst die Erwägungen zusammen, die der Einführung einer „kleinen Kapitalgesellschaft“ – neben der schon früher existierenden „großen“ AG – seinerzeit zugrunde lagen. Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird durch den überwältigenden Erfolg, den diese Rechtsform seither erlebt hat, in beeindruckender Weise bestätigt. Die kleine Kapitalgesellschaft (GmbH und vergleichbare ausländische Rechtsformen) spielt im Wirtschaftsleben der entwickelten Industrieländer eine herausragende Rolle. Dort wo sie existiert, wird sie vor allem von Inhabern kleiner und mittle1 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, V. Legislaturperiode, IV. Session, 1884, S. 221.

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rer Unternehmen häufig gewählt, um in den Genuss einer Haftungsbeschränkung zu kommen, ohne auf die größeren, häufig komplizierteren und unflexiblen Strukturen der „großen Kapitalgesellschaft“ (Aktiengesellschaft und vergleichbare ausländische Rechtsformen) angewiesen zu sein. Die kleine Kapitalgesellschaft bietet damit dem Mittelstand, dem Rückgrat der modernen Volkswirtschaften, einen attraktiven Rechtsrahmen für unternehmerische Initiative. Jedoch muss die Ausgestaltung des Rechts der kleinen Kapitalgesellschaft nicht nur den Interessen der Unternehmer, sondern auch denen der Gläubiger Rechnung tragen. Ohne einen effektiven Gläubigerschutz ist die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter nicht nur rechtsethisch schwer vertretbar, vielmehr werden sich auch kaum Fremdkapitalgeber bereit finden, der Gesellschaft Kredite zu gewähren, so dass diese Rechtsform in der ökonomischen Wirklichkeit nicht bestehen könnte. Die verschiedenen Rechtsordnungen haben sich dem Problem des Ausgleichs der widerstreitenden Interessen in ganz unterschiedlicher Weise genähert. Grob lassen sich die bestehenden Systeme zwei Modellen zuordnen: Auf der einen Seite das Modell des festen Nominalkapitals, das dem statutarischen Stammkapital der Gesellschaft eine herausragende Rolle für die Gesellschaftsfinanzierung und den Gläubigerschutz beimisst und deshalb grundsätzlich ein (mehr oder weniger hohes) zwingendes Mindestkapital mit (mehr oder weniger strengen) Kapitalschutzregeln kombiniert; auf der anderen Seite das Alternativmodell, wo Unternehmensfinanzierung und Gläubigerschutz nicht primär auf dem Stammkapital – oder überhaupt dem Gesellschaftsrecht – basieren, sondern durch andere, vor allem haftungs- und insolvenzrechtliche Instrumente abgesichert werden. Das letztere Modell wird nach seinen Ursprüngen und seiner vornehmlichen heutigen Verbreitung auch als das „angelsächsische Modell“ bezeichnet, während das erstere Modell traditionell auf dem europäischen Kontinent vorherrscht2 und deshalb auch als das „kontinentaleuropäische Modell“ bekannt ist. Das deutsche GmbH-Recht folgt dem kontinentaleuropäischen Modell bzw. ist, um genau zu sein, dessen Ursprung und Vorbild.3 Gerade im deutschsprachigen Rechtsraum nahm dabei über die Jahre und Jahrzehnte hinweg die ursprünglich relativ geringe Regelungsdichte des GmbH-Rechts immer stärker zu. Durch den Gesetzgeber und vor allem auch die Rechtsprechung wurde die herausragende Bedeutung des Stammkapitals zunehmend akzentuiert und das Kapitalschutzregime stetig verschärft und verfeinert, um die als übermäßig hoch beklagte Insolvenzanfälligkeit der GmbH zu bekämpfen und den Gläubigerschutz zu verbessern. Jedoch steht das hergebrachte System aus Mindestkapital und Kapitalschutzregeln seit einigen Jahren verstärkt in der Diskussion, und dies unter umgekehrten

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Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433. Näher dazu unten, § 4 I.

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Vorzeichen: Die Tendenz geht in den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen klar in Richtung Deregulierung und Liberalisierung.4 Erste Ansätze hierzu beruhten in Deutschland noch auf der nationalen Perspektive, die bestimmte, als untragbar empfundene Auswüchse des Gläubigerschutzes abzumildern5 und die GmbH insolvenzfester zu machen suchte6. Der wohl entscheidende Impuls zur grundsätzlichen Infragestellung des Stammkapitalsystems ging aber letztlich auch von einer Reihe von Entscheidungen des EuGH7 zur Niederlassungsfreiheit von juristischen Personen aus.8 Die Möglichkeit, eine Gesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat ohne Mindestkapitalerfordernis und strenge Kapitalschutzregeln zu errichten, auch wenn diese ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat tätig ist, der solche Regeln gesetzlich vorschreibt, hat den Wettbewerb der Rechtsformen in Europa deutlich verstärkt.9 In den USA hat der Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen der Einzelstaaten zu einer starken Deregulierung geführt, was mit den Stichworten race to the bottom10 oder Delaware-Effekt11 bezeichnet wird.12 Auch wenn die Abwan4 Gleicher Befund bei Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 f., der insoweit von einem „Wendepunkt“ in der Entwicklungstradition des deutsch-österreichischen GmbH-Rechts spricht. Vgl. dazu auch Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695. 5 Vgl. etwa die Einführung des Sanierungs- und des Kleinbeteiligtenprivilegs im Eigenkapitalersatzrecht [näher dazu unten, § 4 I. 5. b)] oder die Aufweichung der Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage durch BGHZ 132, 141; 135, 381. 6 Vgl. den Beschluss der Justizministerkonferenz im November 2002, in dem das Bundesministerium der Justiz gebeten wurde, den Reformbedarf der GmbH „insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Insolvenzen“ zu prüfen. Zitiert nach Seibert, in: FS Röhricht (2005), S. 585 (586), der auch einen Überblick zu den daran anschließenden umfassenden Maßnahmen zur Vorbereitung der Reform gibt. 7 Vgl. EuGH vom 09.03.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999 I, 1459 ff. – Centros; vom 05.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002 I, 9919 ff. – Überseering; vom 30.09.2003 – Rs C-167/01, Slg. 2003 I, 10155 ff. – Inspire Art; vom 13.12.2005 – Rs C-411/03, NJW 2006, 425 ff. – Sevic Systems AG. 8 Vgl. Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381. 9 Vgl. dazu Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht (2004); Lutter (Hrsg.), Auslandsgesellschaften (2005); Sandrock (Hrsg.), Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen (2004); Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich (2005). Außerdem dazu auch Eidenmüller, ZGR 2007, 168; Happ, ZHR 169 (2005), 6; de Kluiver, ECFR 2004, 121; Leuering, ZRP 2006, 201; Priester, DB 2005, 1315; Tröger, EBOR 6 (2005), 3; Ulmer/Behrens, Einl. B; Wachter, GmbHR 2005, 717; Westermann, GmbHR 2005, 4; ders., ZIP 2005, 1849; Zöllner, GmbHR 2006, 1, wobei letzterer die Bezeichnung als „Wettbewerb“ für missglückt hält, da zwischen „Anbietern“ (Staaten) und „Nachfragern“ (Unternehmensgründern) von Rechtsformen kein Leistungsaustausch stattfinde und die Konkurrenz zwischen verschiedenen Rechtsformen nur zu einer quantitativen, nicht aber auch zu einer qualitativen Optimierung derselben führe. 10 Erstmalig am Beispiel des US-bundesstaatlichen Gesellschaftsrechts eingehend aufgearbeitet von Cary, 83 Yale L. J. (1974), 663 ff. Andere sehen den Wettbewerb als besten Weg zur Optimierung des Rechts, also als „race to the top“ an, so z. B. Romano, S. 139. 11 Oelkers, GesRZ 2004, 360, 362.

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derungstendenz in liberalere Nachbarrechtsordnungen in Europa aufgrund seiner Natur als Zusammenschluss verschiedener Nationen und Kulturen auf absehbare Zeit weniger stark ausgeprägt sein dürfte, als dies in den USA der Fall ist, lässt sich inzwischen auch hier bereits eine entsprechende Dynamik erkennen. Der EuGH hat die nationalen Gesetzgeber also gleichsam dazu gezwungen, über eine Deregulierung des Gesellschaftsrechts und insbesondere des Rechts der kleinen Kapitalgesellschaft nachzudenken, um durch ein derart „verschlanktes“ Regelungssystem wieder international wettbewerbsfähig zu werden.13 Die Tatsache, dass die Attraktivität der nationalen Gesellschaftsrechtsformen einen wichtigen Faktor im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte wie auch der Rechtsordnungen darstellt, begründet die Aktualität dieses Themas. Nur eine moderne Konzeption der GmbH-Finanzverfassung, die ein angemessenes Schutzniveau für Gläubiger und Minderheitsgesellschafter bietet, aber gleichzeitig von allen Vorschriften befreit ist, die für die Praxis umständlich oder unverständlich sind, vielleicht sogar ihren ursprünglichen Sinn gänzlich verloren haben, kann sich im globalisierten Umfeld durchsetzen.14 Vor dem beschriebenen Hintergrund soll in der Arbeit die Reformdiskussion in Deutschland, Frankreich und Spanien untersucht werden. In allen drei Ländern herrschte bislang das traditionelle System des Mindestnominalkapitals vor, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Jedoch ist Bewegung in diese Strukturen gekommen. So wurde in Frankreich zu Beginn des Jahres 2004 – in ausdrücklicher Anlehnung an das angelsächsische System – durch eine Gesetzesnovelle das Mindestkapitalerfordernis praktisch abgeschafft. In Spanien wurde eine neue Unterart der kleinen Kapitalgesellschaft geschaffen, die die Unternehmensgründung erleichtern soll. Und in Deutschland ist Ende 2008 eine umfassende Reform des GmbH-Rechts in Kraft getreten mit dem Ziel, sowohl die unternehmerische Initiative zu fördern als auch den Gläubigerschutz zu verbessern. Sinn und Ziel der Arbeit ist es, die Reformdiskussion in den drei genannten Ländern aufzuarbeiten sowie die bereits verwirklichten konkreten Projekte darzustellen und systematisch einzuordnen. Auf dieser breiten, rechtsvergleichenden Grundlage sollen die bereits vorgenommenen und die darüber hinaus vorgeschlagenen Reformschritte bewertet werden, um ein Modell zur Reform der Finanz-

12 Vgl. MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 222; sowie ausführlich Manning/Hanks, Legal Capital. 13 Vgl. Bayer, BB 2003, 2357 (2366); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479. Der Generalanwalt im Centros-Verfahren, La Pergola, hatte in seinem Schlussantrag bereits das gesamte System des gesetzlichen Nennkapitals in Frage gestellt, s. Slg. 1999, I-1459, Rn. 21. Im Inspire-Art-Urteil äußerte dann der EuGH selbst – unter Beteiligung des inzwischen zum Richter avancierten La Pergola – Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Mindestkapitals zum Gläubigerschutz, s. EuGH v. 30.09.2003 – Rs C-167/01, Slg. 2003 I, 10155 ff. 14 Bayer, BB 2003, 2357 (2366).

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verfassung der deutschen GmbH zu entwickeln, das diese als Rechtsform zukunftsfähig machen kann. Zu diesem Zweck soll im ersten Teil der Arbeit zunächst die Grundlage für die weitergehende Untersuchung und Bewertung der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft in den drei betrachteten Ländern gelegt werden. Hierzu ist es erforderlich, den Untersuchungsgegenstand „Finanzverfassung“ näher einzugrenzen (§ 1), bevor die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten (§ 2) und die möglichen Ansatzpunkte diesbezüglicher gesetzlicher Regelungen (§ 3) als allgemeiner Rahmen der späteren Bewertung herausgearbeitet werden. Im zweiten Teil wird sodann die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft in den drei Ländern nach geltendem Recht mit der daran seitens der rechtswissenschaftlichen Literatur geäußerten Kritik dargestellt. In dem die deutsche GmbH betreffenden Abschnitt (§ 4) wird insoweit allerdings – anders als in den Abschnitten über die französische SARL (§ 5) und die spanische S.L. (§ 6) – die Rechtslage vor Inkrafttreten der jüngsten Reform dargestellt. Denn nur aus der Betrachtung dieser soeben erst grundlegend geänderten Regeln wird eine Vielzahl der Kritikpunkte und damit auch der vorgenommenen Reformen verständlich. Zudem gelten die bisherigen Vorschriften zum Teil übergangsweise weiter, so dass ihre Darstellung – in der gebotenen Kürze und Verdichtung – unabdingbar ist. Für Frankreich und Spanien hingegen genügt eine Präsentation des aktuell geltenden Rechts, mit einzelnen Hinweisen auf die frühere Rechtslage an geeigneter Stelle. Denn dort hat der Gesetzgeber weniger grundlegend in die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft eingegriffen als hierzulande. Der dritte Teil widmet sich der eigentlichen Reformdiskussion. Beginnend mit Deutschland (§ 7) werden zunächst die Neuerungen des MoMiG, der wohl weitestreichenden Überarbeitung des GmbHG seit seinem Bestehen, sowie die Reaktion darauf aus Wissenschaft und Praxis dargestellt. Im Anschluss daran werden die weitergehenden Reformvorschläge des Schrifttums, die von systemimmanenten Änderungen bis hin zur völligen Aufgabe des Stammkapitalsystems reichen, sowie die für sie vorgebrachten Argumente aufgearbeitet. Im Grundsatz gleichermaßen soll im Hinblick auf Frankreich (§ 8) und Spanien (§ 9) verfahren werden. Im ersteren Falle ist dabei auf die „Loi pour l’Initiative Économique“ einzugehen, die einen bedeutenden Reformschritt und eine Hinwendung zum angelsächsischen System markiert. Im letzteren Falle wird insbesondere die dort neu eingeführte „Unternehmensgründergesellschaft“ S.L.N.E. beleuchtet. Teil 4 der Arbeit unternimmt eine umfassende Bewertung des zuvor Dargestellten. In § 10 gleichsam vor die Klammer gezogen wird dabei die Frage, ob das Stammkapitalsystem in seiner bestehenden Form überhaupt grundsätzlich geeignet ist, die in § 2 umrissenen Interessen der Beteiligten zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei wird untersucht, ob ein gesetzlicher Gläubigerschutz angesichts vielfältiger vertraglicher Selbstschutzmechanismen überhaupt

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notwendig ist, ob dieser durch Alternativsysteme besser gewährleistet wird als durch das Stammkapital und ob die gesellschaftsrechtliche Typologie in Deutschland vor diesem Hintergrund möglicherweise um eine neue Gesellschafts(unter)form erweitert werden muss. In § 11 schließlich wird das bestehende System der Finanzverfassung der GmbH in seinen Einzelheiten bewertet, wobei Sinn und Nutzen der bereits vorgenommenen Reformen beurteilt werden und verbleibender Reformbedarf identifiziert wird. Aus Platzgründen sollen inter- und supranationale Reformimpulsgeber nicht vertieft in die vorliegende Untersuchung einbezogen werden. Zu nennen ist hier einerseits das oft als Reformmodell herangezogene angelsächsische System, das nur an den relevanten Stellen in spezifischem Zusammenhang und in der gebotenen Kürze erläutert werden kann, wobei weiterführend auf die zahlreichen ausführlichen Abhandlungen dazu verwiesen wird. Auch der Einfluss der fortschreitenden Verdrängung der hergebrachten HGB-Rechnungslegung durch IAS/IFRS auf das Stammkapitalsystem kann nur angerissen werden. Schließlich sollen das Gemeinschaftsrecht und die daraus ggf. abzuleitenden Eckpunkte eines „Europäischen Gesellschaftsrechts“ ebenfalls weitgehend außer Betracht bleiben. Eine sekundärrechtliche Harmonisierung der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft stand jahrzehntelang nicht auf der Agenda15, auch wenn die Gesellschaftsrechtlichen Richtlinien auf die nationale Reformdiskussion insoweit nicht ohne Einfluss waren.16 Das Projekt der Europäischen Privatgesellschaft (EPG)17 scheint nur langsam aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen. Wiewohl es in jüngerer Vergangenheit neue Impulse bekommen hat18, dürfte seine Verwirklichung vorerst schwierig sein19. 15 Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, vom 21. Mai 2003, KOM (2003) 284 endg., online abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/de/company/compa ny/modern/plan. Oelkers, GesRZ 2004, 360, spricht von einem „Kapitalgesellschaftsrecht der zwei Richtungen“ auf europäischer Ebene, nämlich dem zunehmender Harmonisierung unterliegenden Recht der AG und dem weiterhin dem nationalen Gesetzgeber überlassenen GmbH-Recht. Ähnlich auch Krause, EuZW 2003, 747 (749): „zwei Geschwindigkeiten“. 16 Zum sog. spill-over-Effekt der europäischen Gesellschaftsrechtsrichtlinien Wymeersch, Unternehmensrecht in Europa – Perspektiven einer Harmonisierung, in: Horn (Hrsg.), 40 Jahre römische Verträge (1998), S. 187 ff. 17 Vgl. dazu Ho, BB 2008, M 16; Maul/Röhricht, BB 2008, 1574; Steinberger, BB 2008, M 1; MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 269 ff.; sowie monographisch Schröder, Perspektiven der Europäisierung des GmbH-Rechts (2007). 18 Vgl. den Entwurf der Europäischen Kommission für eine Verordnung über die Europäische Privatgesellschaft (SPE), KOM(2008) 396 endg. vom 25.06.2008. 19 So hat der Bundesrat „erhebliche Bedenken“ angemeldet und lehnt das Projekt insgesamt ab, vgl. Bundesrat, Beschluss vom 10.10.2008, BR-Drucks. 479/08. Zur Berechtigung der Bedenken des Bundesrates knapp Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2009, 36 ff.

1. Teil

Grundlagen § 1 Untersuchungsgegenstand Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft in Deutschland, Frankreich und Spanien und die diesbezügliche Reformdiskussion. Vor einer detaillierten Betrachtung der zu untersuchenden Rechtsordnungen empfiehlt es sich zunächst, den Begriff „Finanzverfassung“ näher zu umreißen und einzugrenzen. Schon nach der Bedeutung der beiden Bestandteile des Wortes geht es offenkundig um Aspekte der Organisationsstruktur von Unternehmensträgern, die die Unternehmensfinanzierung betreffen. Den damit zusammenhängenden Fragen kann man sich jedoch je nach Fachdisziplin in unterschiedlicher Weise nähern.1 Für den Juristen, genauer den Gesellschaftsrechtler2, bedeutet „Finanzverfassung der Verbände“ 3 die Gesamtheit der Vorschriften, die normative Anforderungen an die Kapitalausstattung von Verbänden als Unternehmensträgern aufstellen und Sanktionen für deren Nichteinhaltung anordnen. Es handelt sich also, kurz gesagt, um gesetzliche „Sollensaussagen über den Kapitalzu- und -abfluss in den verschiedenen Lebensstadien des Verbandes“.4 In allen Rechtsordnungen, die dem traditionellen kontinentaleuropäischen Garantiekapitalsystem anhängen, finden sich Vorschriften, die dem Bereich „Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft“ zuzurechnen sind, zunächst im Gründungsrecht. Hierzu zählen insbesondere das ggf. gesetzlich vorgeschriebene Mindeststammkapital sowie die Kapitalaufbringungsregeln, die die Gründungsfinanzierung absichern. Aber auch im Laufe der werbenden Tätigkeit einer Gesellschaft stellt das Recht gewisse Anforderungen, um nach Möglichkeit die dauerhafte Erhaltung des Stammkapitals zum Schutze vor allem der Gesellschaftsgläubiger sicherzustellen. Dies äußert sich vor allem in Normen, die die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter im Hinblick auf die Gewinnverwendung 1 Ausführlich hierzu, auch zur betriebswirtschaftlichen Perspektive, Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 1 ff. 2 Fragen der Unternehmensfinanzierung berühren auch andere juristische Disziplinen, insbesondere das Steuerrecht. 3 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 2; Schmidt, GesR, Überschrift zu § 18, S. 513. 4 Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 2.

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1. Teil: Grundlagen

beschränken, damit sie der Gesellschaft nicht die überlebensnotwendige Liquidität entziehen können. Hinzu kommen die Vorschriften zur Änderung des Stammkapitals, die vor allem im Falle von Kapitalreduktionen eine Aushöhlung von dessen Schutzfunktionen verhindern sollen. Schließlich befasst sich der Gesetzgeber auch mit der Unternehmensfinanzierung in Krise und Insolvenz. Er erlegt insbesondere den Geschäftsleitern spezifische Pflichten auf, um eine Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen und im Insolvenzfall die Interessen der Gläubiger zu wahren. All diese Aspekte sind Teil des Normenkomplexes „Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft“. Dieser lässt sich sachlich somit in drei Regelungsbereiche aufspalten: (1) Kapitalsicherung (Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln), (2) Änderung des Stammkapitals und (3) Gewinnverwendung, wobei der Kapitalschutz das Kernstück der Materie5 und damit auch der vorliegenden Untersuchung darstellt. Der Kapitalschutz kontinentaleuropäischer Prägung basiert vornehmlich auf dem Zusammenspiel von zwingenden gesetzlichen Vorgaben und Haftungssanktionen für Verstöße. Fragen der Unternehmensfinanzierung treten deshalb in der Praxis regelmäßig als Haftungsfragen in Erscheinung. Meist geht es darum, ob Gesellschafter und/oder Geschäftsführer für Gesellschaftsschulden einzustehen haben.6 Daraus wird deutlich, dass das zentrale Anliegen der Regeln der Finanzverfassung und vor allem der Kapitalsicherungsregeln nach kontinentaleuropäischer Konzeption der Schutz der Gesellschaftsgläubiger ist.7 Wenn dem aber so ist, dann lässt sich durch eine streng isolierte Betrachtung der Regeln der Finanzverfassung bzw. des Kapitalschutzes kein vollständiges Bild des bestehenden Systems und der Reformpläne zeichnen und erst recht kein umfassender Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen anstellen. Denn das Maß, in dem der Schutz der Gesellschaftsgläubiger auf der Finanzverfassung oder auf anderen Säulen ruht, ist je nach Rechtsordnung unterschiedlich. Wie in einem System kommunizierender Röhren kann ein Minus an durch die Kapitalsicherung vermitteltem Gläubigerschutz durch andere Instrumente ausgeglichen werden.8 Die einzelnen Elemente der Finanzverfassung können deshalb in ihren Funktionen nicht vollständig erfasst werden, ohne weitere Gläubigerschutzinstrumente zu beleuchten, die zwar über den klassischen Bereich der Finanzverfassung hinausgehen, mit diesem allerdings funktional eng verwoben sind.

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Vgl. Schmidt, GesR, § 37 I 2, S. 1111. Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 5 f., der bildhaft von einer „haftungsrechtlichen Schlagseite“ der Finanzverfassung der GmbH spricht. 7 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 GmbHG Rn. 1; Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 6. 8 Vgl. zu diesem Bild und allgemein zu Zielen und Ansatzpunkten eines gesetzlichen Gläubigerschutzes und zur diesbezüglichen Bedeutung des Stammkapitals Fleischer, EBOR 7 (2006), 29 ff. 6

§ 2 Schutzwürdige Interessen der Beteiligten

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Dementsprechend dient die Gläubigerschutzfunktion der Finanzverfassung und des Kapitalschutzrechts gleichsam als Leitmotiv der vorliegenden Abhandlung, das die Berücksichtigung flankierender, nicht zum Kern des Untersuchungsgegenstandes gehörender Schutzinstrumente ermöglicht. Hier spielen wiederum Haftungstatbestände eine wichtige Rolle, aber auch das Insolvenzrecht, das im letzten Lebensabschnitt der Gesellschaft das Gesellschaftsrecht vielfach ergänzt und überlagert.9 Diese Instrumente werden sowohl in die Darstellung der verschiedenen Systeme als auch in die Bewertung einbezogen, allerdings nach Möglichkeit nur in einem auf das Wesentliche reduzierten Umfang, da eine gleichermaßen detaillierte Untersuchung sämtlicher Gläubigerschutzinstrumente Ziel und Rahmen der Untersuchung übersteigen würde. Der Gegenstand der Arbeit lässt sich somit folgendermaßen umreißen: Untersucht wird die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft in Deutschland, Frankreich und Spanien (GmbH, SARL, S.L.) als gesetzliches System zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger, mit einem Schwerpunkt auf den Regeln der Kapitalsicherung und unter Einbeziehung flankierender bzw. funktionsäquivalenter Gläubigerschutzmechanismen aus anderen Rechtsgebieten.10

§ 2 Schutzwürdige Interessen der Beteiligten Zu den Grundaxiomen des kontinentaleuropäischen Kapitalgesellschaftsrechts gehört, dass die Gesellschaftsgläubiger eines besonderen gesetzlichen Schutzes bedürfen, da das Prinzip der Haftungsbeschränkung ihnen grundsätzlich das unternehmerische Risiko der Gesellschaft auferlegt11; dies gilt umso mehr gegenüber kleinen Kapitalgesellschaften, die meist nur über ein geringes Eigenkapital verfügen und besonders insolvenzanfällig sind12. Hieraus folgt die rechtspoli9 Fleischer, EBOR 7 (2006), 29 (30), bezeichnet den Gläubigerschutz als ein rechtsgebietsübergreifendes Problem, das im Gesellschaftsrecht genauso wie im Insolvenzrecht, aber auch in den Regeln der Rechnungslegung und im Vertragsrecht seinen Niederschlag findet. 10 Weitgehend außer Betracht bleiben sollen allerdings solche Gläubigerschutzinstrumente, die keinen Bezug zur materiellen Finanzverfassung aufweisen und eher das Verfahrensrecht in den Blick nehmen, wie z. B. Regelungen zur Erleichterung der Rechtsverfolgung der Gläubiger. Zu diesen näher Haas, GmbHR 2006, 505; ders., GmbHR 2006, 729. 11 Vgl. dazu Krüger, Mindestkapital, S. 39 f.; Marx, S. 81 ff.; Ouachem, S. 9 ff.; sowie Leffson, in: FS Böhm (1975), S. 299 (300 f.) Vgl. auch unten, § 10 I. 12 Vgl. die den Statistischen Jahrbüchern entnommene Insolvenzstatistik bei Ulmer/ ders., Einl. A Rn. 91. Vgl. aber auch die Untersuchung von Hansen, GmbHR 1996, 327, die zu dem Schluss kommt, dass die unzureichende Eigenkapitalquote generell ein wichtiger Grund für Unternehmensinsolvenzen ist und dass die GmbH sich insoweit statistisch nicht deutlich negativ von anderen Unternehmensformen unterscheidet. Der große Anteil der GmbH in der Insolvenzstatistik rühre vielmehr daher, dass jedes Jahr wesentlich mehr GmbH gegründet werden als andere Gesellschaftsformen. Gerade junge Unternehmen seien besonders insolvenzanfällig, und sie wählten in der Mehrzahl

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1. Teil: Grundlagen

tische Legitimation der gesetzlichen Regeln zur Kapitalaufbringung und -erhaltung, aber auch höchstrichterlicher Fortbildungen des Gläubigerschutzes wie der Durchgriffshaftung oder des Eigenkapitalersatzrechts.13 Allerdings ist die Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft mit ihrem Kernstück, den Regeln zur Kapitalbindung, zwar zuvörderst aber doch nicht ausschließlich Gläubigerschutzrecht. Vielmehr nimmt sie vielfach auch die Interessen der Gesellschafter in ihr Visier, teils gezielt, teils nur reflexartig im Gefolge gläubigerschutzorientierter Regelungen.14 So dienen z. B. die Vorschriften zur Kapitalaufbringung zwar einerseits und vor allem dem Gläubigerinteresse an einer gewissen Kapitalausstattung der Gesellschaft, andererseits aber auch dem Interesse der Mitgesellschafter. Dies insofern, als die Verteilung der Herrschaftsund Gewinnbezugsrechte aller Gesellschafter sich grundsätzlich nach den jeweils übernommenen Einlagepflichten richtet, so dass eine nicht werthaltige Einlage dem Inferenten „unverdiente“ Rechte verschafft und damit die anderen Gesellschafter benachteiligt, die ihrerseits ihr Einlageversprechen ordnungsgemäß erfüllt haben.15 Ähnlich liegt der Fall bei den Vorschriften zur Gewinnausschüttung, die einerseits die Gläubiger, andererseits aber auch die Mitgesellschafter vor unberechtigten Entnahmen einzelner Gesellschafter schützen sollen.16 Eine effektive und sinnvolle gesetzliche Regelung muss also den Interessen von Gesellschaftsgläubigern einerseits und Gesellschaftern andererseits gerecht werden. Über diese Individualinteressen hinaus darf sie auch die diesbezüglichen Allgemeininteressen und gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen nicht unberücksichtigt lassen. Denn nur eine GmbH, die für die unternehmerische Betätigung einen attraktiven Rechtsrahmen bietet und gleichzeitig die Gläubiger in ausreichendem Maße schützt, kann die ihr zugedachte Rolle als Rechtsform des Mittelstandes ausfüllen und damit den Wirtschaftsstandort insgesamt stärken. Außerdem führt eine ineffiziente Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern zu unnötigen Kosten, die den Wirtschaftsverkehr belasten.17 Um zu einer die Rechtsform der GmbH. Hansen plädiert dennoch für Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der GmbH, da kleine und mittlere Unternehmen, die „das Rückgrat einer Volkswirtschaft“ bilden, sich zumeist dieser Rechtsform bedienten. 13 Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 6. 14 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 GmbHG Rn. 1; Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 7. Vgl. auch die Zweite Gesellschaftsrechtliche Richtlinie („Kapitalrichtlinie“), Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976, ABl. L 26 vom 31.01.1977, S. 1 ff., die im zweiten Erwägungsgrund der Präambel hervorhebt, dass die nationalen Vorschriften zum Nennkapital sowohl Anteilseigner als auch Gesellschaftsgläubiger schützen. Laut Ouachem, S. 7, ist das Gleichgewicht der Interessen der verschiedenen Beteiligten die Basis des gesamten modernen Gesellschaftsrechts. 15 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 7. 16 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 7; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 29 GmbHG Rn. 73. 17 Vgl. zu den Kriterien einer effizienten Risikoverteilung aus makroökonomischer Sicht knapp Marx, S. 82 f.

§ 2 Schutzwürdige Interessen der Beteiligten

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tragfähigen Bewertung des Reformbedarfs der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft gelangen zu können, erscheint es mithin sachdienlich, zunächst die verschiedenen Interessen der Betroffenen näher zu definieren.

I. Gläubigerrisiken 1. Die Haftungsbeschränkung als Risikoverteilungsschlüssel Das Hauptinteresse eines jeden Gläubigers besteht darin, dass seine Forderung vollständig befriedigt wird. Diese Erkenntnis ist ebenso banal wie grundlegend in einer Wirtschaftsordnung, in der die geschäftlichen Beziehungen über den sofort vollzogenen Tauschhandel hinausgehen sollen. Nach dem altehrwürdigen Grundsatz „pacta sunt servanda“ wird dem Befriedigungsinteresse des Vertragsgläubigers seit jeher oberste Priorität eingeräumt. Kontrahiert er mit einer natürlichen Person, so gewährt ihm das Gesetz prinzipiell Zugriff auf deren gesamtes Privatvermögen. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Vertragspartner ein Zusammenschluss mehrerer in Form einer Personengesellschaft ist: Alle Gesellschafter – mit Ausnahme von Kommanditisten – haften mit all ihrem Hab und Gut für die Begleichung der Verbindlichkeit, ihre Vermögensinteressen treten vollständig hinter das Befriedigungsinteresse des Gläubigers zurück; Gläubigerschutz in der denkbar absolutesten Form. Die Situation der Gläubiger ist jedoch eine gänzlich andere, wenn ihr Schuldner eine Kapitalgesellschaft ist, zu deren Wesensmerkmalen gerade der Schutz der Vermögensinteressen der Gesellschafter in Form des Haftungsprivilegs gehört. Auch Kapitalgesellschaften haften zwar mit ihrem gesamten Vermögen für ihre Verbindlichkeiten. Eine „neugeborene“ Kapitalgesellschaft besitzt aber zunächst nur das, was ihr die Gründer mitgegeben haben, ohne Eingreifen zwingender Vorschriften also ggf. nichts, während natürliche Personen bei ihrem Eintritt in das Geschäftsleben regelmäßig (wenn auch nicht zwingend) über ein gewisses Grundvermögen verfügen. Die hinter der Kapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen sollen aber gerade nicht mithaften. Die Haftungsbeschränkung bewirkt damit bei Kapitalgesellschaften im Vergleich zu Einzelpersonen oder Personengesellschaften eine Verlagerung des unternehmerischen Risikos von den Gesellschaftern auf die Schultern der Gläubiger.18 Diese Risikoverlagerung resultiert aber nicht primär daraus, dass den Gläubigern der Zugriff auf zusätzliche Haftungsmasse in Form des Privatvermögens der Gesellschafter verwehrt wird.19 Im Wirtschaftsverkehr trägt das unternehmerische Risiko in erster Linie der Schuldner, also die Gesellschaft: Scheitert die 18 Vgl. nur Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 951 ff.; Schmidt, GesR, S. 540 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 545. 19 So aber z. B. Wiedemann, GesR I, S. 536. Wie hier Marx, S. 54 ff.

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1. Teil: Grundlagen

Unternehmung, muss sie mit ihrem gesamten Vermögen für die Begleichung ihrer Verbindlichkeiten geradestehen. Die Gläubiger tragen allein das Risiko, dass die vorhandene Haftungsmasse zur Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten nicht ausreicht, anders gewendet die Differenz zwischen dem Schuldnervermögen und der geldwerten Bezifferung des in der Insolvenz realisierten Unternehmensrisikos. Dies gilt für Personen- wie für Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Die Möglichkeit, bei Personengesellschaften neben deren Vermögen auch auf das der Gesellschafter zuzugreifen, führt zwar zur Eröffnung zusätzlicher Haftungsmasse. Daraus folgt jedoch nicht automatisch, dass der Gläubiger grundsätzlich einen geringeren Anteil des unternehmerischen Risikos trägt als gegenüber einer Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafter von der Haftung befreit sind. Der Anteil des unternehmerischen Risikos, den der Gläubiger trägt, hängt in beiden Fällen vom Verhältnis der vorhandenen Haftungsmasse zur Summe der Geschäftsrisiken ab. Dieses ist im Einzelfall bei einer florierenden Kapitalgesellschaft wesentlich günstiger als bei einer verschuldeten Personengesellschaft mit wenig vermögenden Gesellschaftern.20 Die Haftungsbeschränkung führt damit nur zu einer neutralen Grenzziehung zwischen dem Gesellschafts- und dem Gesellschaftervermögen, zu einer Aufteilung der Haftungsmasse. Ob diese Aufteilung für den Gläubiger günstig oder belastend ist, hängt vom Einzelfall ab. Jedenfalls wirkt sie in beiderlei Richtung: Sie versperrt den Zugriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter, reserviert dafür aber den primären Gläubigerzugriff auf das Gesellschaftsvermögen.21 Die Problematik für die Gläubiger von Kapitalgesellschaften besteht demnach weniger darin, dass ihnen aufgrund der Haftungsbeschränkung weniger Haftungsmasse zugewiesen und dadurch ihr unternehmerisches Risiko per se erhöht wird; denn dies ist nur bei einem Vergleich zwischen einer Kapital- und einer Personengesellschaft mit exakt gleichem Gesellschaftsvermögen und Tätigkeitsfeld der Fall.22 Das Schutzbedürfnis der Gläubiger rührt vielmehr daher, dass das 20 Zu bedenken ist allerdings, dass eine Kapitalgesellschaft jedenfalls in Rechtsordnungen ohne Mindeststammkapitalvorschrift auch vermögenslos in den Geschäftsverkehr eintreten kann. Diese Möglichkeit besteht zwar theoretisch auch bei natürlichen Personen, ist aber realitätsfern. Insofern könnte man doch davon sprechen, dass der Ausschluss des Gesellschaftervermögens als Haftungsmasse zu einer generellen Risikoerhöhung für die Gläubiger führt. Mit der gesetzlichen Anordnung eines Mindestkapitals verliert diese Argumentation jedoch ihr Gewicht. 21 Vgl. grundlegend Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 387, 394 ff. (2000), die hierfür die Begriffe defensive bzw. affirmative asset partitioning verwenden. In diese Richtung auch dies., in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 1 (9). Dem zustimmend Marx, S. 54 ff. 22 Selbstverständlich wird nicht verkannt, dass es für die Gläubiger einer insolventen Kapitalgesellschaft günstig wäre, auf das noch unversehrte Privatvermögen der Gesellschafter zugreifen zu können, vor allem im praktisch häufigen Fall masseloser GmbHInsolvenzen. Daraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass gerade die Verweigerung des Zugriffs auf diese zusätzliche Haftungsmasse das Gläubigerrisiko erhöht.

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Haftungsprivileg das unternehmerische Risiko der Gesellschafter begrenzt. Auf den ersten Blick mag es den Anschein haben, als sei beides gleichbedeutend; dies trifft jedoch nur in dem o. g. idealisierten Vergleichsfall zu. Der Unterschied ist, dass die Haftungsbeschränkung das Risiko der Gläubiger, nicht genügend Haftungsmasse zur Befriedigung ihrer Forderung vorzufinden, im Einzelfall erhöht, während es das unternehmerische Risiko der Gesellschafter in jedem Fall begrenzt. Diese Begrenzung des Haftungsrisikos der Gesellschafter bewirkt ein strukturelles Auseinanderfallen von Risiko und Kontrolle: Die Gesellschafter kontrollieren die Gesellschaft und haben grundsätzlich Zugriff auf ihr Vermögen, sie profitieren auch von ihrem unternehmerischen Erfolg, aber sie selbst tragen nur das Risiko, ihre Einlagen zu verlieren. Das darüber hinausgehende Risiko trägt primär die Gesellschaft mit ihrem anderweitigen Vermögen, im Übrigen tragen es die Gläubiger. Da nun die Gesellschafter im Rahmen ihrer Leitungsmacht den Gesamtumfang der unternehmerischen Risiken wie auch das der Gesellschaft zu deren Abdeckung zur Verfügung stehende Vermögen entscheidend beeinflussen können, bestimmen sie letztlich auch maßgeblich das Risiko der Gläubiger, ohne selbst davon betroffen zu sein.23 Nicht der Umfang der Haftungsmasse, sondern die Trennung von Risiko und Kontrolle ist damit der entscheidende Unterschied zur Personengesellschaft und bedingt ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Gläubiger von Kapitalgesellschaften. 24 Dies zugrunde gelegt lässt sich durchaus davon sprechen, dass die Haftungsbeschränkung zu einer Risikoverlagerung von den Gesellschaftern auf die Gläubiger führt25: Die Befreiung der Gesellschafter vom unternehmerischen Risiko findet ihr Spiegelbild in einer Risikoerhöhung der Denn das Risiko einer masselosen Insolvenz besteht prinzipiell auch bei Personengesellschaften. Dass sie dort seltener vorkommt, liegt weniger daran, dass das Gesellschaftervermögen regelmäßig ein krisenfester und vom Umfang her ausreichender Haftungsfonds ist, sondern eher an den unterschiedlichen Verhaltensanreizen: Ein persönlich haftender oHG- oder KG-Gesellschafter wird im Zweifel vorsichtiger wirtschaften und in der Krise sein Unternehmen eher auflösen, um nicht die vollständige Vernichtung seiner persönlichen wirtschaftlichen Existenz zu riskieren. 23 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 12. Näher im Einzelnen zu dieser auch als „PrinzipalAgenten-Problem“ bezeichneten Risikosituation unten, § 2 I. 2. c) bb) (2). 24 Vgl. dazu Adams, S. 53; Bitter, S. 182. Aus dem US-amerikanischen Schrifttum auch Easterbrook/Fischel, 52 U. Chi. L. Rev. 89, 103 f. (1985). 25 Anders Kübler, in: FS Heinsius (1991), S. 397 (404 f.); Marx, S. 55 f.: Eine automatische Risikoverlagerung sei mit der Haftungsbeschränkung nicht verbunden, da zumindest Vertragsgläubiger sich gegenüber unzureichend kapitalisierten Gesellschaften schützen könnten, indem sie Sicherheiten der Gesellschafter verlangten oder ganz vom Vertragsschluss Abstand nähmen, so dass sie im Ergebnis kein (erhöhtes) Risiko trügen. Richtig daran ist, dass die Haftungsbeschränkung andere Marktteilnehmer erst dann belasten kann, wenn sie zu Gläubigern der Gesellschaft geworden sind. Vertragsgläubiger können privatautonom entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen sie dies wollen. Durch eine entsprechende Vertragsgestaltung wie höhere Risikoprämien oder persönliche und dingliche Sicherheiten können sie das von ihnen übernommene Risiko minimieren. Gerade aus der Notwendigkeit und praktischen Verbreitung solcher Abreden

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1. Teil: Grundlagen

Gläubiger, die zwar, vom Einzelfall abgesehen, nicht in der Reduzierung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse, aber in den erhöhten Missbrauchsgefahren besteht, die aus dem Auseinanderfallen von Risiko und Leitungsmacht und den damit verbundenen Verhaltensanreizen resultieren. 2. Systematische Auffächerung der Gläubigerrisiken a) Das Ausfallrisiko als Ausgangspunkt und Oberbegriff Das erhöhte Risiko, das die Haftungsbeschränkung für die Gesellschaftsgläubiger mit sich bringt, versuchen alle entwickelten Rechtsordnungen in irgendeiner Weise durch Gläubigerschutzmaßnahmen zu kompensieren. Für deren Bewertung ist jedoch mit der bisherigen groben Charakterisierung dieses Risikos noch nicht viel gewonnen. Für einen Abgleich mit Zielrichtung und Effektivität der entsprechenden Schutzinstrumente ist vielmehr eine differenzierte systematische Auffächerung der einzelnen Risikosituationen notwendig.26 Hierfür existieren vor allem zwei Ansätze. Teilweise wird auf den Zeitpunkt abgestellt, an dem den Gläubiger das betreffende Risiko trifft und an dem folgerichtig die entsprechenden Schutzinstrumente ansetzen müssen. Unterschieden werden insoweit vor allem der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung gegen die Gesellschaft und der ihrer Fälligkeit.27 Teilweise wird auch dem Beginn einer Krise der Gesellschaft zusätzfolgt jedoch, dass die Haftungsbeschränkung an sich eine höhere Risikobelastung der Gläubiger der Gesellschaft mit sich bringen muss. Andernfalls bestünde kein Bedürfnis für kompensierende Vertragsklauseln, solche ließen sich folglich am Markt kaum durchsetzen. Deshalb ist die Haftungsbeschränkung als (teilweise) Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf die Gesellschaftsgläubiger anzusehen. Die Möglichkeit der Rückverlagerung durch individuelle Abreden ändert daran nichts, denn erstens steht sie nicht allen Gläubigern offen, und zweitens sind solche Vereinbarungen nur die Reaktion auf die vorgefundene, durch die Haftungsbeschränkung entscheidend determinierte Risikosituation. Dass ein Gläubiger individuell sein Risiko wieder auf den Gesellschafter (zurück)verlagern kann, vermag demnach nicht die These zu widerlegen, dass er ursprünglich durch die gesetzliche Regelung der Haftungsbeschränkung mit diesem Risiko belastet wurde. Auch Marx, S. 70, konzediert, dass zwar nicht aus der Haftungsbeschränkung selbst, wohl aber aus deren Missbrauch ein generell erhöhtes Risiko der Gläubiger erwachse. Allein die abstrakte Missbrauchsgefahr ist jedoch bereits ein erhöhtes Gläubigerrisiko, der tatsächliche Missbrauch ist nur dessen Realisierung. 26 Zu bedenken ist selbstverständlich, dass „die Gläubiger“ keine homogene Gruppe mit gleichmäßigem Schutzbedarf darstellen. Vielmehr sind Vertragsgläubiger grundsätzlich in einer anderen Position als Deliktsgläubiger, die sich ihren Schuldner nicht aussuchen. Unter den Vertragsgläubigern gibt es wiederum verhandlungsmächtige, wie z. B. institutionelle Kreditgeber, und kleinere, wie z. B. Geschäftspartner und Arbeitnehmer. Für die grundsätzliche systematische Erfassung der verschiedenen möglichen Risikosituationen spielt dies jedoch keine Rolle, vielmehr ist diese der Frage vorgelagert, inwieweit einzelne Gläubigergruppen einem spezifischen Risiko nicht ausgesetzt sind und insoweit einen geringeren Schutzbedarf aufweisen. Vgl. dazu knapp unten, § 10 I.

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liche Abgrenzungswirkung beigemessen.28 Andere nehmen eine sachliche Differenzierung vor. Demnach tragen die Gläubiger ein Ausfall-, ein Insolvenzverursachungs- und ein Informations- oder Bewertungsrisiko.29 Für eine Untersuchung, die die Qualität bestehender Gläubigerschutzinstrumente und Möglichkeiten zu deren Optimierung zum Gegenstand hat, erscheint zunächst eine sachliche Differenzierung prinzipiell besser geeignet, erleichtert sie doch die systematische Durchdringung des bestehenden Gläubigerschutzregimes, die sich sinnvollerweise nur an der sachlichen Schutzrichtung der verschiedenen Instrumente orientieren kann. Allerdings schließen sich sachliche und zeitliche Einteilung nicht gegenseitig aus, vielmehr beruht erstere zum Teil auf letzterer.30 Vor diesem Hintergrund erscheint die Aufgliederung in Ausfall-, Insolvenzverursachungs- und Informationsrisiko zur Einteilung der Schutzinstrumente nach ihrer sachlichen Zielrichtung grundsätzlich geeignet. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass sie deshalb auch systematisch überzeugend zwischen den verschiedenen Risikosituationen der Gläubiger unterscheidet. Denn deren Systematisierung kann nicht ohne weiteres aus einer möglicherweise sinnvollen Einteilung der Schutzinstrumente abgleitet werden, sondern soll umgekehrt in einem ersten Schritt die (sachlichen und/oder zeitlichen) Unterschiede der jeweiligen Risikosituation kenntlich machen, aus der sich dann deduktiv die Zuordnung der geeigneten Schutzinstrumente ergibt. Unter dieser Voraussetzung verliert die genannte systematische Auffächerung der Gläubigerrisiken aber an Überzeugungskraft. So lassen sich ohne weiteres Schutzinstrumente identifizieren, die speziell das Insolvenzverursachungsrisiko in den Blick nehmen.31 Allerdings haben auch diese letztendlich nur zum Ziel, das (aus der Insolvenz resultierende) Ausfallrisiko der Gläubiger zu minimieren. Ebenso verhält es sich mit dem Informationsrisiko, das nichts anderes ist als die Gefahr, sich aufgrund unzureichender oder falscher Informationen unwissentlich einem erhöhten Ausfallrisiko auszusetzen. Damit ergibt sich als erste Erkenntnis folgendes: Das Ausfallrisiko ist nicht Unterpunkt, sondern Oberbegriff der vorzu27 Vgl. nur Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153). In eine ähnliche Richtung auch Marx, S. 56 ff., der ein Bewertungsrisiko vor Vertragsschluss und ein Entwertungsrisiko nach Vertragsschluss unterscheidet. 28 Ansatzweise in diese Richtung Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (709). 29 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 15. 30 So besteht lt. Haas, Gutachten, S. E 15, das Ausfallrisiko des Gläubigers darin, dass er mit seiner Forderung im Fälligkeitszeitpunkt (teilweise) ausfällt, während das Informationsrisiko darauf beruht, dass er schon bei Vertragsschluss eine Prognose über sein späteres Ausfallrisiko treffen will und muss. Beide Risiken hängen also sachlich eng miteinander zusammen und unterscheiden sich hauptsächlich durch den jeweiligen Betrachtungszeitpunkt. 31 Haas, Gutachten, S. E 98 ff., nennt insbesondere Ausschüttungssperren und ein „gesellschaftsrechtliches ,Frühwarn- und Reaktionssystem‘“ zur Krisenerkennung und -behebung.

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nehmenden Einteilung, aus dem sich die einzelnen spezifischen Risikosituationen ableiten. Wie oben32 dargestellt, ist das Hauptinteresse des Gläubigers die Befriedigung seiner Forderung. Alle gesetzlichen Gläubigerschutzinstrumente im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaften zielen letztendlich darauf ab, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass durch die Haftungsfreistellung die Vermögensinteressen der Gesellschafter prinzipiell über die Befriedigungsinteressen der Gläubiger gestellt werden. Kurz: Sie sollen das Ausfallrisiko der Gläubiger reduzieren.33 b) Definition des Begriffs „Ausfallrisiko“ Versucht man nun, sich der Frage zu nähern, was das Ausfallrisiko genau ist, trifft man in der Literatur häufig auf die Umschreibung, das Ausfallrisiko sei die Gefahr, dass der Gläubiger im Fälligkeitszeitpunkt für seine Forderung keine Befriedigung erlangen kann.34 Diese Definition ist im Grundsatz zutreffend, lässt aber unerwähnt, dass für einen tatsächlichen Forderungsausfall des Gläubigers zweierlei erforderlich ist: Erstens deckt das Vermögen seines Schuldners (der Gesellschaft) die bestehenden Verbindlichkeiten nicht ab, und zweitens kann er auch aus einer anderen Vermögensmasse keine Befriedigung erlangen. Nur der erste Punkt betrifft das hier allein interessierende Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern unmittelbar. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die nachgelagerte Frage, ob von dem Gläubiger im Verhältnis zur Gesellschaft erlittene Ausfälle anderweitig ausgeglichen werden können, etwa im Wege von Sekundäransprüchen gegen Gesellschafter und Geschäftsführer. Das Risiko, dem der Gläubiger in seinem Verhältnis zur Gesellschaft ausgesetzt ist, besteht also darin, dass das haftende Gesellschaftsvermögen nicht zur Begleichung von deren Verbindlichkeiten ausreicht, m. a.W.: dass die Gesellschaft zum Fälligkeitszeitpunkt der Forderung insolvent ist. Zwar können auch nach Eintritt der Insolvenz der Gesellschaft die Ausfälle der Gläubiger durch Er32

§ 2 I. 1. Damit ist nicht gemeint, dass das gesetzliche Gläubigerschutzsystem das Ausfallrisiko auf null reduzieren, den Gläubiger also vollständig gegen den wirtschaftlichen Misserfolg der Gesellschaft absichern soll, wie dies nach Ansicht von Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (156) in der Rechtsprechung des BGH anklingt. Es soll vielmehr nur sicherstellen, dass die Gläubiger kein übermäßiges Ausfallrisiko tragen, insbesondere soweit es auf gläubigerschädigendem Verhalten der Gesellschafter oder Geschäftsführer beruht. Zumindest ein Teil des unternehmerischen Risikos wird ihnen jedoch bewusst durch das Prinzip der beschränkten Haftung auferlegt. Wie hier Haas, Gutachten, S. E 13; Mülbert, EBOR 7 (2006), 357 (370 ff.); Vetter, ZGR 2005, 788 (790); Wilhelmi, Kapitalerhaltung, S. 87 f. Im Ergebnis ähnlich, aber mit abweichender Begründung Zöllner, GmbHR 2006, 1 (12): Die vollständige Verhinderung von Ausfällen für die Gesellschaftsgläubiger sei das gesetzgeberische Ziel, das sich allerdings praktisch nur unvollkommen realisieren lasse, um die unternehmerische Betätigung nicht übermäßig zu behindern. 34 Vgl. etwa Haas, Gutachten, S. E 15; Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153). 33

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öffnung weiterer Haftungsmasse ausgeglichen werden. Entsprechende gesetzliche Anordnungen reduzieren also auch aus der ex-ante-Sicht das Risiko des Gläubigers, im Ergebnis für seine Forderung überhaupt keine Befriedigung zu erlangen. Wird dem Gläubiger jedoch in der Insolvenz der Gesellschaft der Zugriff auf anderweitiges Vermögen, etwa das Privatvermögen der Gesellschafter und Geschäftsführer, versagt, so begründet dies ex ante kein eigenständiges „Ausfallrisiko“: Wenn die Gesellschaft insolvent geworden ist, dann besteht für die Gläubiger nicht mehr das Risiko von Forderungsausfällen, sondern Ausfälle sind im Verhältnis Gläubiger-Schuldner bereits Realität, das Ausfallrisiko hat sich verwirklicht. Denn Insolvenz bedeutet nichts anderes als die Unfähigkeit der Gesellschaft, alle Verbindlichkeiten zu befriedigen. Für eine systematische Untersuchung der verschiedenen Entstehungsgründe für ein Ausfallrisiko ist aber nicht entscheidend, wie Ausfälle im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gläubiger nachträglich kompensiert werden können, sondern warum es überhaupt zu diesen Ausfällen gekommen ist. Damit lässt sich für die folgende Darstellung festhalten: Das Ausfallrisiko ist die Gefahr des Gläubigers, im Fälligkeitszeitpunkt von der Gesellschaft als seinem Schuldner für seine Forderung keine vollständige Befriedigung erlangen zu können. Das Ausfallrisiko des Gläubigers ist also kongruent mit dem Insolvenzrisiko der Gesellschaft. Reduziert werden kann es allerdings nicht nur durch Verringerung der Insolvenzwahrscheinlichkeit, sondern auch durch Eröffnung zusätzlicher Haftungsmasse in der Insolvenz. c) Einzelausprägungen des Ausfallrisikos Der nächste Schritt auf dem Weg zu einer Systematisierung besteht darin, unterschiedliche Einzelausprägungen des Ausfallrisikos herausarbeiten. Anknüpfungspunkt dafür ist, wie gesagt, nicht die Frage, wie das Ausfallrisiko im Einzelnen reduziert werden kann, sondern woraus es resultiert. Für eine erste grobe Unterscheidung bietet sich der Zeitpunkt der Forderungsentstehung als wesentliche zeitliche Zäsur an.35 Dies deshalb, weil sich mit der Entstehung der Forderung die Risikosituation des Gläubigers und sein Schutzbedürfnis grundlegend wandeln: Vorher ist sein Ausfallrisiko nur hypothetischer Natur, danach ist es real, wenn auch unter Umständen noch wenig konkret.36 Demnach ist zu unter35 Ähnlich Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 44 ff., der die Risiken des Fremdkapitalgebers als ökonomischen Faktor im Rahmen der Unternehmensfinanzierung untersucht. Diese lassen sich seiner Meinung nach regelmäßig auf Informationsasymmetrien zwischen Gläubiger und Schuldner und die daraus resultierende unterschiedliche Fähigkeit zur Einschätzung der gegenwärtigen und zukünftigen Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft des Schuldners zurückführen. Hierbei unterscheidet er zwischen „Informationsasymmetrie vor und nach Vertragsschluss [Hervorhebung im Original]“. 36 Der Zeitpunkt der Fälligkeit hingegen ist zur Abgrenzung ungeeignet. Denn mit diesem Zeitpunkt wandelt sich nicht die Risikosituation der Gläubiger, sondern es ent-

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1. Teil: Grundlagen

scheiden zwischen einem anfänglichen [aa)] und einem nachträglichen Ausfallrisiko [bb)]. aa) Das anfängliche Ausfallrisiko Das anfängliche Ausfallrisiko des Gläubigers besteht darin, dass die (potentielle) Schuldnergesellschaft möglicherweise bereits zum Zeitpunkt der Entstehung der Forderung, eventuell sogar seit ihrer Gründung, nicht über die notwendigen finanziellen und sonstigen Grundlagen für eine dauerhafte Geschäftstätigkeit verfügt. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Gesellschaft später insolvent werden wird. Der Gläubiger ist dann von Anfang an der Gefahr ausgesetzt, dass das Gesellschaftsvermögen bei Eintritt der Fälligkeit nicht ausreichen wird, um seine Forderung (vollständig) zu tilgen.37 Deshalb geht sein Interesse dahin, gar nicht erst in die Situation zu geraten, dass eine absehbar nicht lebensfähige Gesellschaft sein Schuldner wird. Zumindest aber will er vor der Begründung der Forderung sein Risiko einschätzen können, um seine Vergütung entsprechend anpassen oder sich anderweitig selbst schützen zu können. Das anfängliche Ausfallrisiko lässt sich demnach unterteilen in das generelle „Grundrisiko“, das vom Auftreten unterkapitalisierter Gesellschaften im Rechtsverkehr für alle potentiellen Gläubiger ausgeht, und das individuelle Risiko jedes einzelnen, unwissentlich zum Gläubiger einer strukturell nicht lebensfähigen Gesellschaft zu werden. (1) Das Risiko struktureller Unterfinanzierung Zunächst und vor allem ist jeder Gläubiger daran interessiert, dass sein potentieller Schuldner auf einem realen Vermögensfundament steht, dass also im Idealfall keine strukturell unterfinanzierten Gesellschaften im Rechtsverkehr auftreten. Entscheidend hierfür ist die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft, da aus Fremdmitteln herrührendes Gesellschaftsvermögen mit einem Rückgewähranspruch behaftet ist und damit die Haftungsmasse nicht erhöht. Aus Gläubigersicht ist es also wünschenswert, dass die Gesellschaft zu jeder Zeit über ein Mindestmaß an Eigenkapital verfügt, das möglichst dauerhaft erhalten wird und den Gläubigern als Haftungsfonds dient.38 Dies gilt auch für Vertragsgläubiger, noch stärker aber für gesetzliche Gläubiger, die sich ihren Schuldner nicht aussuchen können. Die Gesellschafter hingegen sind nicht unbedingt geneigt, die Gesellscheidet sich, ob sich zuvor bestehende Risiken realisieren oder nicht. Wird die Forderung fällig, dann ist die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt entweder zu ihrer Befriedigung in der Lage oder nicht, d.h. das Ausfallrisiko verdichtet sich zu einem tatsächlichen Ausfall oder nicht. Kurz gesagt: Mit der Entstehung der Forderung wandelt sich das zuvor hypothetische Ausfallrisiko zu einem realen Ausfallrisiko; mit der Fälligkeit der Forderung wandelt sich das Ausfallrisiko ggf. zu einem tatsächlichen Ausfall. 37 Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153), nennt dies das „Nichterfüllungsrisiko“. 38 Vgl. Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 4.

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schaft mit ausreichendem Eigenkapital auszustatten, da Eigenkapitalforderungen in der Insolvenz nachrangig befriedigt werden und sich zudem aus einer Fremdfinanzierung durch den sog. leverage effect ggf. höhere Renditen erzielen lassen.39 Zur Sicherstellung einer gewissen Eigenkapitalquote kann der Gesetzgeber bereits bei der Gründung ansetzen, indem er die Ausstattung der Gesellschaft mit einem gewissen Eigenkapital zur Eintragungsvoraussetzung macht.40 Die legislativen Möglichkeiten zur dauerhaften Erhaltung eines solchen Vermögensgrundstocks sind jedoch begrenzt. Zwar kann das Gesetz zumindest willkürliche Einflussnahmen der Gesellschafter und Geschäftsführer auf das Gesellschaftsvermögen unterbinden, die zu einer Unterkapitalisierung führen.41 Doch wirtschaftlicher Erfolg lässt sich nicht verordnen. (2) Das Bewertungsrisiko Ist eine Gesellschaft trotz gesetzlicher Gegenmaßnahmen unterkapitalisiert, müssen die Gläubiger nicht notwendigerweise schutzlos gestellt sein. Zumindest Vertragsgläubiger können sich bis zu einem gewissen Grad gegen das anfängliche Ausfallrisiko selbst schützen, indem sie vertragliche Schutzklauseln vereinbaren oder ggf. von einem Vertragsschluss gänzlich absehen. Dafür müssen sie allerdings eine Bewertung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft und damit ihrer eigenen Befriedigungsaussichten vornehmen können. Das Risiko, dass potentielle Vertragsgläubiger das Ausfallrisiko vor Begründung der Forderung unzutreffend einschätzen und deshalb eine Erhöhung ihrer Risikoprämien oder die Vereinbarung vertraglicher Schutzklauseln unterlassen, bezeichnet man als Informations- oder Bewertungsrisiko.42 Das Bewertungsrisiko ist ein Resultat der im realen Wirtschaftsverkehr allgegenwärtigen Informationsasymmetrien.43 Ihm kann der Gesetzgeber entgegen39

Vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 41 f. Näher zum leverage effect Drukarczyk, Finanzierung, S. 146 ff. 40 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915, 929, der in der Verhinderung unterkapitalisierter Gründungen eine der traditionellen Funktionen des Mindestkapitals identifiziert. Allerdings ist dieses nicht das einzige hierfür denkbare Instrument, und seine Eignung zur Erfüllung dieser Funktion wird vielfach angezweifelt, vgl. unten, § 4 II. 2. a). 41 Unterkapitalisierung ist hierbei nicht mit Unterbilanz gleichzusetzen. Mit ersterer ist gemeint, dass das Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht, um bestehende Verbindlichkeiten und absehbare Verlustrisiken abzudecken. Sie ist also unabhängig davon, ob die Gesellschaft ein Stammkapital hat oder nicht. Letztere hingegen liegt vor, wenn das Gesellschaftsvermögen abzüglich der Verbindlichkeiten den Betrag des Stammkapitals nicht abdeckt. Vgl. unten, § 4 I. 4. 42 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 15; Marx, S. 61; Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (154). 43 Informationsasymmetrien sind nicht nur für potentielle Gläubiger problematisch, sondern u. U. auch für die Gesellschaft. Im Falle einer wirtschaftlich soliden Gesellschaft ist diese selbst daran interessiert, ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen, da

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wirken, indem er bestimmte wirtschaftliche Schlüsseldaten der Gesellschaft einer Publizitätspflicht unterwirft. Dadurch erhalten Gläubiger die Möglichkeit, die wirtschaftliche Solidität ihres potentiellen Schuldners abzuschätzen, ihr Ausfallrisiko zu prognostizieren und dementsprechend eigene Schutzmaßnahmen zu ergreifen.44 Publizitätspflichten senken also das Bewertungsrisiko als einen Bestandteil des anfänglichen Ausfallrisikos, kommen allerdings nur Vertragsgläubigern zugute.45 bb) Das nachträgliche Ausfallrisiko Jeder Gläubiger ist daran interessiert, die Begründung eines Schuldverhältnisses mit einer unterkapitalisierten Gesellschaft zu vermeiden bzw. jedenfalls eigene Schutzmaßnahmen zu treffen. Ist die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Forderungsentstehung jedoch wirtschaftlich gesund, so beginnt sein Schutzbedürfnis erst danach: Er ist dem Risiko ausgesetzt, dass das Vermögen der Gesellschaft nachträglich schrumpft bzw. ihre Verbindlichkeiten zunehmen, und dass sie deshalb im Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr über genügend Haftungsmasse verfügt, um ihre Verbindlichkeiten zu befriedigen (nachträgliches Ausfallrisiko). Der Gläubigerschutz durch Publizität stößt hier an Grenzen. Dem Vertragsgläubiger kommen seine Informationen in diesem Fall nur dann zugute, wenn sich aus ihnen bereits bei Vertragsschluss der Kriseneintritt prognostizieren ließ und er deshalb präventiv vertragliche Schutzklauseln vereinbart hat. Im Übrigen trifft das nachträgliche Ausfallrisiko prinzipiell vertragliche und gesetzliche Gläubiger gleichermaßen. Es lässt sich nach dem Grund, warum es zu einer Unterdeckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten kommt, in zwei sachliche Ebenen untergliedern: das allgemeine Risiko, dass die Gesellschaft aufgrund wirtschaftlicher Verluste insolvent wird, und das spezielle Risiko, dass die Insolvenz auf missbräuchlichem Verhalten der Gesellschafter beruht. (1) Das allgemeine Insolvenzeintrittsrisiko Zunächst besteht das allgemeine Risiko, dass nach Entstehung der Forderung aufgrund wirtschaftlicher Misserfolge die finanzielle Basis der Gesellschaft dersie dadurch auf günstige Konditionen bei der Fremdkapitalaufnahme hoffen darf. Kann der Gläubiger aber sein Ausfallrisiko aufgrund unzureichender Information nicht genau genug abschätzen, wird er entsprechende Risikoaufschläge und Sicherheiten verlangen und dadurch gesunde aber wenig publizitätsfreudige Gesellschaften „bestrafen“. Vgl. umfassend zum Problem der Informationsasymmetrie im Vertragsrecht die gleichnamige Habilitationsschrift von Fleischer (2001). 44 Vgl. zur Informationsasymmetrie zwischen Fremdkapitalgeber und Gesellschaft und ihren Folgen für den Vertragsschluss Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 44 ff. 45 Vgl. dazu näher Fastrich, DStR 2006, 656 (662 f.); Vetter, ZGR 2005, 788 (798 f.).

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art schrumpft, dass sie in eine existenzbedrohende Krise und schließlich in die Insolvenz gerät, in der der Gläubiger mit seiner Forderung ganz oder teilweise ausfällt. Ist die Forderung gegen die Gesellschaft einmal begründet und gerät die Gesellschaft dann in eine Krise, nimmt das Schutzbedürfnis des Gläubigers entscheidend zu. Je näher die Insolvenz rückt, desto konkreter wird das vorher nur abstrakte Ausfallrisiko. Im Wesentlichen gilt hier deshalb aus Sicht des Gläubigers das gleiche wie bei einer anfänglichen strukturellen Unterfinanzierung. Er ist daran interessiert, dass die Gesellschaft dauerhaft auf einer möglichst soliden Eigenkapitalbasis steht, um die Gefahr einer existenzbedrohenden Krise zu minimieren. Bei einer wirtschaftlich gesunden Gesellschaft sind seine Befriedigungsaussichten deutlich besser als im Insolvenzverfahren, trotz aller legislativen Schutzanstrengungen. Ist die Gesellschaft also einmal sein Schuldner, gilt sein vorrangiges Interesse der Verringerung des Krisen- bzw. Insolvenzeintrittsrisikos. Der Gesetzgeber kann insoweit gläubigerschützend eingreifen, indem er eine gewisse Kapitalausstattung der Gesellschaft anordnet und Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen begrenzt. Das Gesellschaftsvermögen gegen Aufzehrung durch wirtschaftliche Verluste schützen kann er hingegen nicht, soll nicht eine allgemeine Nachschusspflicht der Gesellschafter normiert werden. Ein so weitgehender Gläubigerschutz ist aber nicht beabsichtigt, denn die Gefahr, dass das Schuldnervermögen durch wirtschaftlichen Misserfolg nachträglich aufgezehrt wird und deshalb nicht zur Begleichung der Forderung ausreicht, ist ein „normales“ Gläubigerrisiko, das der Gesetzgeber durch die Haftungsfreistellung der Gesellschafter ausdrücklich weitgehend den Gläubigern zugewiesen hat.46 Hier müssen letztere sich grundsätzlich selbst schützen, etwa durch zusätzliche Sicherheiten, denn andernfalls würde das System der Haftungsbeschränkung selbst in Frage gestellt.47 Dieses steht jedoch nicht zur Disposition, spielt es doch eine wichtige Rolle zur Steigerung des Wohlstandes und gesamtwirtschaftlichen Fortschrittes, indem es Unternehmensgründern einen Teil des wirtschaftlichen Risikos abnimmt und dadurch Investitionsanreize schafft.48 (2) Das Entwertungsrisiko (moral hazard) Möglich und notwendig ist ein legislativer Schutz allerdings bei Erhöhungen des Ausfallrisikos, die durch bewusste Eingriffe von Gesellschaftern und Geschäftsführern ausgelöst wurden. Die Gläubiger befinden sich insoweit in einer besonderen Risikosituation, die auch als „moralisches Risiko“ (moral hazard) 49 46 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 13; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (434); Vetter, ZGR 2005, 788 (790); Haas, in: Hommelhoff/Helms (Hrsg.), Neue Wege in die Europäische Privatgesellschaft (2001), S. 155 (156). 47 Vgl. Lehmann, ZGR 1986, 345 (354); Roth, ZGR 1986, 371 (374). 48 Vgl. unten, § 2 III.

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oder als Entwertungsrisiko50 bezeichnet wird: Die Gesellschafter können nach Vertragsschluss bzw. allgemein nach Forderungsentstehung nachträglich das Ausfallrisiko des Gläubigers von diesem unbemerkt durch eigennützige, opportunistische Verhaltensweisen erhöhen, indem sie die vorhandene Haftungsmasse entwerten. Dies kann unmittelbar geschehen durch offenen oder verdeckten Abzug von Vermögenswerten aus der Gesellschaft, aber auch mittelbar durch Erhöhung der durch die Haftungsmasse abzudeckenden Geschäftsrisiken. Der Gläubiger hat dann keine Möglichkeit, sich das erhöhte Ausfallrisiko entsprechend vergüten zu lassen oder sonstige Selbstschutzmaßnahmen zu ergreifen. Die theoretische Ausarbeitung dieser spezifischen Gefahrenlage beruht maßgeblich auf der neoinstitutionalistischen Lehre im ökonomischen Schrifttum, die von der Annahme ausgeht, dass einzelne Marktakteure grundsätzlich zu opportunistischem Verhalten neigen.51 Dieser allgemeine Verhaltensanreiz wird bei Kapitalgesellschaften52 dadurch verstärkt, dass aufgrund der Haftungsbeschränkung Risiko und Kontrolle auseinander fallen53: Die Fremdkapitalgeber tragen den Großteil des Risikos von unternehmerischen Entscheidungen, die die Gesellschafter treffen (Prinzipal-AgentenProblem).54 Dadurch wird die natürliche Risikoaversität der Unternehmer weitgehend ausgeschaltet, sie werden auch vor hochspekulativen Geschäften nicht zurückschrecken, da sie nur ihre geleisteten Einlagen verlieren und die darüber hinausgehenden Verlustrisiken auf die Gläubiger externalisieren können.55 Moral 49

Vgl. zu diesem Begriff grundlegend Easterbrook/Fischel, 52 U. Chi. L. Rev. 89, 104 ff. (1985); Jensen/Meckling, JFE 3 (1976), 305 (334 ff.); Posner, 43 U. Chi. L. Rev. 499, 508 (1976). Aus dem deutschen Schrifttum knapp Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 50 m.w. N.; sowie jüngst Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 96 ff.; Krüger, Mindestkapital, S. 43 f. 50 Vgl. Marx, S. 57 ff.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153). Gleichsinnig, aber mit anderer Terminologie Haas, Gutachten, S. E 15 und E 97 ff. („Insolvenzverursachungsrisiko“). 51 Vgl. etwa grundlegend Landers, 42 U. Chi. L. Rev. 589, 619 f. (1975); Posner, 43 U. Chi. L. Rev. 499, 499 ff. (1976). 52 Zur Gefahr opportunistischen Verhaltens bei Personengesellschaften knapp Marx, S. 60. 53 Vgl. etwa Haar, EBOR 1 (2000), 317 (325 m.w. N.). 54 Zur Einordnung des opportunistischen Verhaltens in der Krise als Prinzipal-Agenten-Problem Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 53 m.w. N. Er bezeichnet die Marktwertminderung des Fremdkapitals, die aus der Gefahr eines missbräuchlichen Umgangs damit seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafter resultiert, als „Agency-Kosten des Fremdkapitals“. Vor allem bei großen Publikumsgesellschaften besteht das nämliche Prinzipal-Agenten-Problem auch im Innenverhältnis zwischen Anteilseignern und Management. Soweit hierdurch der Marktwert des Eigenkapitals zu Lasten der Anteilseigner gemindert wird, sind dies dementsprechend die „Agency-Kosten des Eigenkapitals“. Vgl. allgemein dazu Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 51 f. 55 Vgl. Armour, 63 Mod. L. Rev. 355 ff. (2000); Easterbrook/Fischel, 52 U. Chi. L. Rev. 89, 103 f. (1985); Marx, S. 60.

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hazard bedeutet also im hier interessierenden Kontext die Gefahr, dass die Interessen der Fremdkapitalgeber bzw. allgemein der Gesellschaftsgläubiger nach Forderungsentstehung durch die missbräuchliche, opportunistische Entwertung des Gesellschaftsvermögens seitens der Gesellschafter beeinträchtigt werden.56 Der Anreiz zu opportunistischem Verhalten wird teilweise in Schach gehalten, solange das Unternehmen noch wirtschaftlich floriert. Die Aussicht, weiter am Markt zu verbleiben und Gewinne zu erzielen, wird dann das Streben nach kurzfristigem Gewinn unter Zerstörung des Gläubigervertrauens überlagern. Denn opportunistisches Handeln der Geschäftsleitung würde, sofern es zutage tritt, die Fremdkapitalkosten für das Unternehmen derart in die Höhe treiben, dass es sich nicht länger im Markt halten könnte.57 Dies ändert sich jedoch, wenn das Unternehmen in eine ernsthafte wirtschaftliche Krise gerät. Hier verliert das Gläubigervertrauen seine disziplinierende Wirkung, da die Gesellschafter ohnehin mit dem Scheitern der Unternehmung rechnen müssen.58 Damit gewinnen die Anreize zu risikoreichen Spekulationen und sonstigem gläubigerschädigendem Verhalten die Oberhand, die Gläubiger sind folglich besonders schutzwürdig.59 Opportunistisches Verhalten der Gesellschafter kann verschiedene Gestalt annehmen.60 Es kann in einer verstärkten Aufnahme weiterer, gleichrangiger Kre56 Das moralische Risiko besteht bei allen Kapitalgesellschaften, dürfte jedoch bei personalistisch strukturierten Gesellschaften wie den allermeisten GmbH stärker sein als bei Publikumsgesellschaften, da bei letzteren die einzelnen Gesellschafter weniger Einfluss auf die Unternehmensleitung haben, worauf Kübler, Aktie, S. 33 mit Fn. 152, zutreffend hinweist. Das bereits oben, 1. Teil Fn. 73, angesprochene moralische Risiko aufgrund opportunistischen Verhaltens der (nicht an der Gesellschaft beteiligten) Geschäftsleitung gehört grundsätzlich ebenfalls in diesen Kontext, verdient im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jedoch aus zwei Gründen keine separate Behandlung: Erstens ist bei der GmbH die Beteiligung des Geschäftsführers an der Gesellschaft weit verbreitet, häufig ist der Geschäftsführer sogar Mehrheits- oder Alleingesellschafter; und zweitens ist das Fehlverhalten von Geschäftsführern und dessen Sanktionierung durch gesetzliche Regelungen nur ein Randaspekt des oben, § 1, näher umrissenen Untersuchungsgegenstandes. Vgl. dazu Fleischer, ZGR 2004, 437 (446 m. Fn. 50). 57 Vgl. Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1170 (2001); Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (712 f.). Allerdings kann das als moral hazard bezeichnete Risiko auch unabhängig von einer Krise bestehen, etwa bei Kapitalgesellschaftsformen ohne nennenswertes Mindeststammkapital. Denn es greift generell dann ein, wenn die Gesellschafter nur einen geringen oder gar keinen Anteil des unternehmerischen Risikos tragen, sei es, weil ihr Risikobeitrag bereits verloren ist, sei es, weil sie von vornherein einen solchen gar nicht erbringen mussten. 58 Das Risiko, dass Gesellschafter und Geschäftsführer in der Krise keine Rücksicht auf die Belange der Gläubiger nehmen, kann selbstverständlich auch Bestandteil des anfänglichen Ausfallrisikos sein, wenn nämlich die Forderung erst nach Krisenbeginn entstanden ist. Allerdings ist der Gläubiger in diesem Fall in erster Linie daran interessiert, gar nicht mit der von der Insolvenz bedrohten Gesellschaft in ein Schuldverhältnis einzutreten. Konnte er dies, z. B. im Falle einer deliktischen Forderung, nicht vermeiden, so ist seine Risikosituation die gleiche wie bei einem nachträglichen Kriseneintritt. 59 So auch Davies, AG 1998, 346 (349); Krüger, Mindestkapital, S. 43; Marx, S. 60.

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1. Teil: Grundlagen

dite bestehen. Dadurch kann die Liquidität der Gesellschaft zumindest für einen gewissen Zeitraum gesichert werden, dies allerdings ggf. auf Kosten der Befriedigungsaussichten der gleichrangigen Gläubiger.61 Ebenfalls denkbar ist eine nachträgliche Steigerung des unternehmerischen Risikos durch Verlagerung des Geschäftsfeldes oder Umstellung auf eine risikofreudigere Unternehmensstrategie.62 Dies wird vor allem in der Unternehmenskrise relevant, wenn die Verantwortlichen „alles auf eine Karte setzen“ und äußerst riskante Geschäfte tätigen, um das Unternehmen vor der Insolvenz zu retten.63 Die englischsprachige Literatur bezeichnet dies treffend als „gambling for resurrection“.64 Die Gesellschafter haben ihren eigenen Vermögenseinsatz im Vorfeld der Insolvenz ohnehin praktisch abgeschrieben, haben also nichts weiter zu verlieren, bei einer möglicherweise doch noch erfolgreichen Sanierung aber etwas zu gewinnen.65 Die Geschäftsführer sind gleichermaßen an einer Einleitung des Insolvenzverfahrens weniger interessiert als an weiteren Sanierungsversuchen, die ihnen die Erhaltung ihrer Stellung versprechen.66 Sie werden deshalb dazu neigen, die Erfolgsaussichten ihrer Sanierungsversuche übertrieben optimistisch zu beurteilen.67 Das unternehmerische Risiko tragen in diesem Fall die Gläubiger praktisch allein.68 Die unmittelbarste Gläubigerschädigung schließlich besteht darin, dass die Gesellschafter direkt auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen und durch Ausschüttungen die Haftungsmasse für die Gläubiger schmälern, die Gesellschaft also auf Kosten der Gläubiger „ausplündern“.69 Der Eintritt einer Krise und der damit einhergehenden Gläubigergefährdung lässt sich durch gesetzliche Maßnahmen nicht per se verhindern. Deshalb muss 60 Vgl. zu den einzelnen Fallgruppen Marx, S. 57 ff.; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (709 ff.). 61 Vgl. Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1169 (2001); sowie an diese anknüpfend Marx, S. 57, der die Entwertung der Gläubigerforderung durch weitere Kreditaufnahme als „Verwässerung“ bezeichnet. 62 Vgl. dazu Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1169 (2001); Marx, S. 58 f.; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (710 f.). 63 Vgl. Goette, in: FS Kreft (2004), S. 53 (55); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (83). 64 Vgl. dazu Haas, Gutachten, S. E 43; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (710 f.). 65 Vgl. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1483); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (75 f., 83); Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (710 f.). 66 Vgl. Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (297); Davies, Company Law, S. 93 f.; Goette, in: FS Kreft (2004), S. 53 (55); Haas, Gutachten, S. E 24; Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (75 und 83); Huber, in: Lutter (Hrsg.), Auslandsgesellschaften (2005), S. 307 (330). 67 Dieses Problem wird im englischen Rechtsraum plastisch als „sunshine-doctrine“ bezeichnet. Vgl. dazu Fleischer, AG 1999, 350 (355). 68 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 24. 69 Im angelsächsischen Raum spricht man bildhaft von „milking the property“. Vgl. Bauer, S. 105; Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1168 (2001); Marx, S. 57 f. Zur verwandten Strategie der Unterinvestition, also dem Verzicht auf eine Investition, deren Rendite nur die Fremdkapitalkosten abdecken würde, zugunsten einer Ausschüttung der verfügbaren Mittel vgl. Kuhner, ZGR 2005, 753 (767).

§ 2 Schutzwürdige Interessen der Beteiligten

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der Gläubigerschutz in der Krise ein elementarer Bestandteil jedes gesetzlichen Schutzregimes sein. Er kann zunächst bei der Verhinderung opportunistischer Vermögensverschiebungen von der Gesellschaft auf die Gesellschafter ansetzen, etwa durch restriktive Regeln für die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen oder für Geschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern im allgemeinen, ein generelles Auszahlungsverbot bei Insolvenzreife oder allgemeine Verhaltensregeln für Geschäftsführer und Gesellschafter.70 Eine wichtige Rolle kommt aber auch dem Zeitpunkt der Einleitung des Insolvenzverfahrens zu. Denn zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens als Haftungsmasse für die Gläubigerbefriedigung muss eine Verschleppung der Insolvenz durch aussichtsloses gambling for resurrection vermieden werden. Gleichzeitig dürfen realistische Sanierungsaussichten nicht durch verfrühte Insolvenzauslösung vernichtet werden, da eine erfolgreiche Sanierung letztendlich Gläubigern wie Gesellschaftern am meisten nützt.

II. Gesellschafterinteressen Gerade am Beispiel der verfrühten Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeigt sich, dass Gläubiger- und Gesellschafterinteressen nicht unbedingt gegenläufig sein müssen. In der Mehrzahl der Fälle wird dies jedoch der Fall sein. Von einer Hinauszögerung der Insolvenz etwa profitieren die Gesellschafter u. U., während die Gläubiger das Risiko tragen. Dem „Interesse“ der Gesellschafter an einer illegitimen Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die Gläubiger muss der Gesetzgeber nicht Rechnung tragen, wohl aber den berechtigten Gesellschafteranliegen. Die Gestaltung der GmbH-Finanzverfassung darf nicht unberücksichtigt lassen, dass die GmbH als geeignete Rechtsform für KMU konzipiert ist71 und deshalb eine herausgehobene gesamtwirtschaftliche Rolle spielt, die sie nur ausfüllen kann, wenn sie für Unternehmer attraktiv ist. Für Unternehmen von begrenzter Größe als wichtigster „Zielgruppe“ der GmbH ist vor allem ein hohes Maß an Flexibilität des Rechtsrahmens wichtig. Die Gesellschafter müssen in der Lage sein, ihre Beziehungen untereinander möglichst individuell ausgestalten zu können, um den Unterschieden zwischen Einmann-Kleinstbetrieb, Familienbetrieb oder überregionalem, mittelgroßem Unternehmen Rechnung tragen zu können. Ein Übermaß an zwingenden gesetzlichen Vorgaben erschwert die gesamtwirtschaftlich wünschenswerte kleinunternehmerische Betätigung und verursacht Kosten, die insbesondere neu gegründete Unternehmen ggf. unnötig belasten und schlimmstenfalls strangulieren. Das Bestreben nach einem möglichst umfassenden gesetzlichen Gläubigerschutz findet also im individuellen Interesse der Gesellschafter sowie dem gesamtwirtschaftli70 71

Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 53, 124 f. Vgl. Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381.

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1. Teil: Grundlagen

chen Bedürfnis nach einer flexibel handhabbaren Rechtsform für den Mittelstand seine Grenze. Vor diesem Hintergrund kommt der Finanzverfassung der GmbH eine zentrale Interessenausgleichsfunktion zu. Denn für kleinere Unternehmen ist insbesondere die Flexibilität der Finanzierungsoptionen ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl der passenden Rechtsform. Die Gesellschafter, deren wirtschaftliche Existenz häufig von dem Unternehmen abhängt, sind berechtigterweise darauf bedacht, ihren eigenen Vermögenseinsatz und damit ihr unternehmerisches Risiko wirksam zu begrenzen. Dies zu ermöglichen ist gerade der Zweck der Rechtsform der GmbH. Das Gesellschafterinteresse geht also, im Gegensatz zu dem der Gläubiger, dahin, die Eigenkapitalquote im Rahmen des wirtschaftlich Sinnvollen72 möglichst gering zu halten. Ebenso wichtig ist, dass sie diese Quote entsprechend den aktuellen Bedürfnissen, sowohl ihren privaten wie denen des Unternehmens, variieren können. Das heißt, dass sie im Bedarfsfall die Möglichkeit haben wollen, der Gesellschaft auch Eigenkapital zu entziehen, wenn diese es nicht unbedingt benötigt. Dieser Wunsch nach einer flexiblen Ausgestaltung der Einlagenrückgewähr kollidiert wiederum mit dem Gläubigerinteresse an einer dauerhaften Erhaltung des Gesellschaftsvermögens als Haftungsmasse.73

III. Sekundärziele Die Regelungen der Finanzverfassung der GmbH müssen zwar vornehmlich, aber nicht nur den unmittelbaren Interessen von Gläubigern und Gesellschaftern Rechnung tragen. Bei der Suche nach einem sinnvollen, ausgewogenen und effektiven System spielen vielmehr auch andere Erwägungen eine – wenn auch sekundäre – Rolle. So hat auch die Allgemeinheit ein Interesse daran, dass Gesellschaftsinsolvenzen verhindert bzw. die damit verbundenen Ausfälle minimiert werden. Denn eine Gesellschaftsinsolvenz trifft die Allgemeinheit teils unmittelbar durch steuerliche Ausfälle und Belastung der Sozialkassen; daneben kann sie auch die Gläubiger in wirtschaftliche Bedrängnis bringen und damit einen „Dominoeffekt“ auslösen, der sich zumindest regional negativ auf eine bestimmte Branche oder sogar die gesamte Wirtschaft auswirken kann. Auch die Allgemeinheit ist also daran interessiert, das Auftreten übermäßig insolvenzanfälliger Gesellschaften zu verhindern, da diese einem reibungslosen und gesunden Wirtschaftsverkehr abträglich sind und sich damit insgesamt wohlstandsmindernd

72 Eine zu geringe Eigenkapitalquote führt regelmäßig zu einer Verteuerung des Fremdkapitals. Auch die Gesellschafter haben also kein Interesse an einer Gesellschaft ohne Eigenkapital, da sich diese im Markt nicht behaupten könnte. Allerdings wird die aus Gesellschaftersicht ausreichende Eigenkapitalquote zumeist unter der aus Gläubigerperspektive wünschenswerten liegen. 73 Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 5.

§ 2 Schutzwürdige Interessen der Beteiligten

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auswirken. Gläubigerschutz bedeutet damit in gewissem Maße auch allgemeine Wohlstandserhaltung. Allerdings hat die Allgemeinheit genauso ein Interesse daran, dass das Gläubigerschutzregime nicht zu extensiv ausgestaltet wird. Denn die GmbH ist ein rechtliches Instrument zur Förderung von Investitionen und unternehmerischer Initiative.74 Privatpersonen sind grundsätzlich risikoavers und schrecken auch vor Erfolg versprechenden Unternehmungen häufig zurück, solange ein Restrisiko des vollständigen Verlustes der privaten Existenz verbleibt. Die Möglichkeit einer Haftungsbefreiung durch die Wahl der Rechtsform der GmbH steigert die Risikobereitschaft, die zur Unternehmensgründung unerlässlich ist.75 Der Allgemeinheit ist daran gelegen, dass die GmbH diese gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Funktion effektiv ausfüllen kann, was jedoch unmöglich ist, wenn durch ein übertrieben strenges Gläubigerschutzregime das Haftungsprivileg faktisch ausgehöhlt oder die Rechtsform nicht mehr handhabbar wird. Daneben müssen auch noch andere Aspekte in die Bewertung einfließen.76 Z. B. muss der Kapital- und Gläubigerschutz verständlich, widerspruchsfrei und möglichst überschaubar geregelt sein, damit er für die Betroffenen vorhersehbar ist. Rechtsunsicherheit wirkt sich negativ auf die Attraktivität der GmbH aus und verleitet Unternehmer zur Flucht in andere Rechtsformen. Außerdem tragen klare Regelungen dazu bei, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, was wiederum die Ressourcen der Beteiligten und der Justiz schont. Über die Erwägungen zur Rechtspolitik und -systematik darf auch die praktische Durchsetzbarkeit nicht aus den Augen verloren werden. Die Vorschriften müssen so gestaltet sein, dass denkbare Umgehungsstrategien von vornherein weitgehend ausgeschlossen werden. Die Durchsetzung darf nicht zu hohe Kosten verursachen, da sonst der Einsparungseffekt im Vergleich zu individualvertraglichen Schutzmodellen verpufft. Und schließlich ist insbesondere vor dem Hintergrund des viel beschworenen Wettbewerbs der Rechtsformen zu bedenken, dass nach Möglichkeit eine Durchsetzung auch gegenüber im Inland tätigen Auslandsgesellschaften sichergestellt werden sollte.

74

Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 83. Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 83, dem zufolge die Rechtsform der GmbH vor allem aus ihrer investitionsfördernden Wirkung ihre Existenzberechtigung zieht. Ebenso Lehmann, ZGR 1986, 345 (353); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (73). Zum gleichen Ergebnis kommt auch die ökonomische Analyse der Haftungsbeschränkung in der GmbH bei Gloger, S. 20 ff. Allgemein zu den Funktionen der Haftungsbeschränkung Koll-Möllenhoff, S. 222 f. 76 Vgl. dazu auch Fastrich, DStR 2006, 656 (658); Goette, DStR 2005, 197 (198); Haas, Gutachten, S. E 14; Vetter, ZGR 2005, 788 (791 f.). 75

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1. Teil: Grundlagen

IV. Zwischenergebnis Als erstes Zwischenresümee ist festzuhalten, dass das Kapital- und Gläubigerschutzregime der kleinen Kapitalgesellschaft die vorgehend dargestellten Interessen von Gesellschaftern, Gläubigern und Allgemeinheit zu einem angemessenen Augleich bringen muss. Aus den bisherigen Erwägungen lassen sich demnach die äußersten Eckpunkte einer Bewertung gewinnen77: Weder Gesellschafter- noch Gläubigerinteressen dürfen den jeweils anderen vollständig untergeordnet werden. Unbedingt erforderlich ist also ein Minimum an gesetzlichem Gläubigerschutz.78 Dieser darf aber keinesfalls so weit gehen, dass er die unternehmerische Freiheit der Gesellschafter unverhältnismäßig einschränkt oder zu einer völligen Entwertung des Haftungsprivilegs führt.79 Innerhalb dieser sehr weiten Grenzen fällt eine nähere Konkretisierung schwer. Weder aus systematischen oder ökonomischen noch aus Gerechtigkeitserwägungen lässt sich eine klare Aussage über das „richtige“ Gläubigerschutzniveau gewinnen.80 Die beschriebenen Allgemeininteressen können hier als Orientierungshilfe dienen, im übrigen verbleibt dem Gesetzgeber jedoch ein relativ weiter rechtspolitischer Spielraum bei der Entscheidung, wie er das unternehmerische Risiko haftungsbeschränkter Gesellschaften auf die Schultern von Gesellschaftern und Gläubigern verteilen will.81

§ 3 Ansatzpunkte eines gesetzlichen Gläubigerschutzes Ist nunmehr Klarheit über die Ziele eines gesetzlichen Kapital- und Gläubigerschutzregimes gewonnen, so erscheint es in einem zweiten Schritt von Nutzen, dessen mögliche Ansatzpunkte herauszuarbeiten. Damit soll nicht etwa die Darstellung einzelner Instrumente vorweggenommen werden, vielmehr wird an dieser Stelle nur eine grobe Einteilung in verschiedene übergeordnete Kategorien angestrebt, um systematische Unterschiede kenntlich zu machen und dadurch die Evaluation der bestehenden und vorgeschlagenen Gläubigerschutzmechanismen zu erleichtern. Hierfür existieren verschiedene, unterschiedlich ausdifferenzierte Ansätze.82 Die nächstliegende Variante ist die Unterscheidung nach inhaltlichen 77

I. E. ähnlich wie hier Haas, Gutachten, S. E 12 ff. Wie hier Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1368 f.). Siehe dazu näher unten, § 10 I. 79 Vgl. Vetter, ZGR 2005, 788 (790). 80 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 14, dem zufolge es an einem „zwingenden (funktionalen) Zusammenhang zwischen der Haftungsbeschränkung [. . .] auf der einen Seite und bestimmten Gläubigerschutzinstrumenten auf der anderen Seite“ fehlt. 81 Ebenso Blaurock, in: FS Raiser (2005), S. 3 (7); Haas, Gutachten, S. E 14; Vetter, ZGR 2005, 788 (807). 82 Vgl. etwa Haas, Gutachten, S. E 16 f.; Vetter, ZGR 2005, 788 (807). Für eine knappe Aufzählung konkreter Instrumente zur Reduzierung der jeweiligen Gläubigerrisiken Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (154). 78

§ 3 Ansatzpunkte eines gesetzlichen Gläubigerschutzes

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Kriterien. Demnach lassen sich die verschiedenen Schutzvorschriften entweder als Strukturvorgaben (für die Gesellschaft) oder als Verhaltenspflichten (für Gesellschafter oder Geschäftsführer) einordnen, wobei sich erstere noch weiter in Regeln der Organisationsverfassung und solche der Finanzverfassung untergliedern.83 Diese Aufgliederung ist aus dogmatischer Sicht hilfreich. Sie dient allerdings nur der rechtssystematischen Verortung der Einzelvorschriften. Für deren Bewertung erscheint eine Differenzierung nach der Schutzrichtung sinnvoller, weil sich daraus Unterschiede in der Wirkungsweise ableiten lassen, die wiederum durch einen Abgleich mit den bereits dargestellten schutzwürdigen Interessen der Beteiligten84 Rückschlüsse auf die Effektivität des jeweiligen Instruments zulassen. Hierfür wird häufig eine Unterscheidung zwischen präventiven (z. B. Kapitalschutzregeln) und repressiven (Haftungstatbestände) Gläubigerschutzinstrumenten vorgeschlagen.85 Der daraus resultierende Erkenntnisgewinn ist jedoch gering, zumal eine trennscharfe Zuordnung nicht immer möglich ist.86 Letztendlich basiert das gesamte Gläubigerschutzsystem in erster Linie auf (repressiven) Haftungssanktionen87, da auch präventive Vorgaben nur dann wirksam sind, wenn Verstöße repressiv geahndet werden. Andererseits tragen repressive Instrumente durch ihre verhaltenssteuernde Wirkung immer auch etwas zur Gläubigerschädigungsprävention bei.88 Nützlicher erscheint deshalb eine Einteilung in Instrumente, die von vornherein (ex ante) bestimmte Verhaltens- und Strukturvorgaben machen und Verstöße sanktionieren, um den Eintritt der Insolvenz und damit die Konkretisierung des Ausfallrisikos der Gläubiger zu verhindern, und solche, die erst in der Insolvenz der Gesellschaft (ex post) eingreifen und die Höhe der nunmehr konkreten Ausfälle nachträglich zu reduzieren suchen, indem der Masse zusätzliche Mittel zugeführt werden, insbesondere über Schadensersatz- oder Ausfallhaftungstatbestände. Der Unterschied zu der Einteilung in präventive und repressive Instrumente besteht vor allem in ihrem zeitlichen Anknüpfungspunkt.89 Die entscheidende Zäsur für die Unterscheidung präventiv/repressiv ist der Zeitpunkt des Regelverstoßes: Sollen gläubigerschädigende Verhaltensweisen vorbeugend

83

Vgl. Haas, Gutachten, S. E 16; Vetter, ZGR 2005, 788 (797 f.). Vgl. oben, § 2 I. und II. 85 Vgl. Pentz/Priester/Schwanna, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 42 (69 f.); Vetter, ZGR 2005, 788 (797). In diese Richtung auch Fischer, ZIP 2004, 1477 ff.; Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1368 f.). 86 Ebenso Haas, Gutachten, S. E 17. 87 Vgl. dazu bereits oben, § 1 bei Fn. 25. 88 So zutreffend Haas, Gutachten, S. E 17. Näher zur (präventiv) verhaltenssteuernden Wirkung von (repressiven) Haftungsregeln Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (829 f.). 89 Anders, weil die Terminologie „präventiv/repressiv“ mit „ex ante/ex post“ gleichsetzend, Haas, Gutachten, S. E 17. 84

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1. Teil: Grundlagen

verhindert werden, handelt es sich um eine präventive Vorschrift; wird ein Verstoß nachträglich sanktioniert, handelt es sich um eine repressive Regelung. Die hier vorgeschlagene Unterscheidung ex ante/ex post setzt jedoch nicht am Zeitpunkt eines bestimmten schädigenden Verhaltens an, sondern an dem des Eintritts der Insolvenz.90 Dies ist der Zeitpunkt, an dem sich das Ausfallrisiko der Gläubiger (zumindest teilweise) verwirklicht, unabhängig davon, wodurch die Insolvenz verursacht wurde. Denn Insolvenz bedeutet – untechnisch gesprochen – die Unfähigkeit der Gesellschaft, ihre Schulden zu begleichen91, so dass die Gläubiger einen (Teil-)Ausfall ihrer Forderungen erleiden. Dementsprechend ändert sich damit auch die Zielrichtung gesetzlicher Gläubigerschutzinstrumente: Vor Eintritt der Insolvenz besteht das Hauptanliegen darin, diesen zu verhindern, damit es gar nicht erst zu einem Forderungsausfall kommt. Ist die Gesellschaft hingegen einmal insolvent, wechselt die Perspektive hin zur Sanierung bzw. zur Erhaltung der verbleibenden Masse zugunsten der Gläubiger und zu Sanktionen gegen Gesellschafter und Geschäftsführer, sofern sie durch Pflichtverstöße zur Insolvenzverursachung beigetragen haben. Ex-ante-Instrumente dienen mithin der Verminderung des Ausfallrisikos, Ex-post-Instrumente der Verminderung der tatsächlichen Ausfälle.92

90 Daran knüpft auch die teilweise anzutreffende Unterscheidung „präventiv/postventiv“ an. Sie wird hier allerdings nach Möglichkeit vermieden, da sie begrifflich nicht klar genug von „präventiv/repressiv“ unterscheidbar ist. 91 Näher zu den Insolvenzauslösetatbeständen im einzelnen unten, § 4 I. 6. (Deutschland), § 5 I. 2. f) (Frankreich), § 6 I. 2. f) (Spanien). 92 Beide Schutzmechanismen hängen miteinander zusammen wie kommunizierende Röhren: Je stärker ex ante das Insolvenzrisiko reduziert wird, desto geringer ist das Bedürfnis nach schneidigen ex-post-Instrumenten; umgekehrt ist ein umfassender ex-anteSchutz umso weniger wichtig, je wirksamer ex post in der Insolvenz die tatsächlichen Ausfälle reduziert werden.

2. Teil

Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik Die Aufgabe des folgenden Teils dieser Abhandlung ist die Darstellung der Instrumente, mit denen die drei untersuchten Rechtsordnungen einen angemessenen Ausgleich zwischen den vorgehend herausgearbeiteten Interessen herbeizuführen suchen. Neben dem Vergleich der jeweils geltenden Rechtslage soll in einem unmittelbar anschließenden zweiten Schritt überblicksweise erläutert werden, an welchen Punkten sich Kritik aus dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum entzündet, um die Weichenstellung für die spätere Behandlung der Reformdiskussion vorzugeben. Um ein Verständnis dieser Kritik zum deutschen Recht und der jüngst durch das MoMiG vorgenommenen Veränderungen zu ermöglichen, wird für Deutschland dabei jedoch nicht der aktuelle, seit Ende 2008 bestehende, grundlegend veränderte Rechtszustand dargestellt, sondern das bis dahin geltende Recht. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, auf eine fein ziselierte Darstellung aller Einzelheiten der bis zum Inkrafttreten des MoMiG Ende 2008 in Deutschland geltenden Rechtslage, insbesondere der umfangreichen Rechtsprechung, zu verzichten. Dies würde über die Zielsetzung dieser Arbeit hinausgehen, deren quantitativen Rahmen sprengen und auf eine Paraphrasierung der einschlägigen, nunmehr teilweise obsoleten Großkommentarliteratur hinauslaufen, auf die deshalb zur vertiefenden Lektüre hier verwiesen sei. Für die französische SARL und die spanische S.L. wird im Gegensatz dazu nur die aktuelle Rechtslage betrachtet, wobei dort allerdings die Untersuchung eine größere Tiefenschärfe aufweisen und – neben einem für Deutschland aus den genannten Gründen entbehrlichen kurzen Aufriss der historischen Entwicklung und der Rechtsgrundlagen der dortigen kleinen Kapitalgesellschaft1 – manches Detail einbeziehen muss, um dem deutschen Leser ohne Hinzuziehung ausländischer Kommentarliteratur ein Verständnis der Kritik an dem jeweiligen nationalen System zu ermöglichen.

1 Für eine umfangreiche Darstellung der historischen Entwicklung der GmbH vgl. MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 50 ff. m.w. N.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

§ 4 Finanzverfassung der deutschen GmbH I. Geltendes Recht bis zum MoMiG Die GmbH war und ist eine der beliebtesten Gesellschaftsformen in Deutschland2 und hat sich als wahrer rechtlicher Exportschlager erwiesen.3 Dies liegt nicht zuletzt an ihrer im Ausgangspunkt geringen gesetzlichen Regelungsdichte: Sie verfügt über ein einfaches, leicht zu überwachendes Kapitalschutzsystem, gestützt auf ein zwingendes Mindestkapital sowie überschaubare Aufbringungsund Erhaltungsregeln. Hintergedanke dieser „Kunstschöpfung des Gesetzgebers“ 4 war von Anfang an die Schaffung eines einfach handhabbaren Rechtsinstruments, das auch einer kleinen Anzahl von Gesellschaftern den Genuss eines Haftungsprivilegs ermöglicht.5 Allerdings erklärt sich daraus gleichzeitig die große Anziehungskraft der GmbH für unseriöse Unternehmer, so dass der Ruf der GmbH im Rechtsverkehr nicht unbedingt ihrem großen Verbreitungsgrad entspricht.6 Dies stellt die Rechtsprechung (und auch den Reformgesetzgeber) immer wieder vor das rechtspolitische Dilemma, den Gläubigerschutz nicht zu Lasten einer effektiven Haftungsbeschränkung übermäßig auszuweiten, andererseits aber Missbräuche soweit als möglich zu bekämpfen, damit die GmbH im Wirtschaftsleben ihre Existenzberechtigung behält. Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung in den über hundert Jahren seit Einführung der GmbH und verstärkt in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Instrumente entwickelt, die zwar den Gläubigerschutz unbestreitbar verbessert haben, allerdings auf der anderen Seite 2 Vgl. die Zahlen bei Schmidt, GesR, § 33 III 1, S. 991; MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 199 ff.; sowie Kornblum, GmbHR 2007, 25 (31), dem zufolge es inzwischen über eine Million GmbH in Deutschland gibt. Für einen Vergleich der Anzahl von Kapitalgesellschaften in verschiedenen europäischen Ländern s. BT-Drucks. 13/4138. Noch besser als an der absoluten Anzahl lässt sich die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der GmbH an ihrer Stellung als Unternehmensträger ablesen. Hier spielt die GmbH eine herausragende Rolle mit einem Anteil von knapp 15% der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen im Jahr 2005, was in etwa dem Anteil sämtlicher übriger Gesellschaftsformen zusammen entspricht. Bei den hundert größten Unternehmen in Deutschland macht die GmbH allerdings mit bloß sechs Unternehmen nur einen geringen Anteil aus, gegenüber 75 Aktiengesellschaften. Quelle: DAI-Factbook 2007, Tabellen 01-5 und 01-8. 3 Vgl. zur Vorbildfunktion der GmbH für vergleichbare Rechtsformen im Ausland Meilicke, GmbHR 2003, 1271 (1273); sowie ausführlich Lutter, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 49 ff. Zu Frankreich und Spanien vgl. auch unten, § 5 I. 1. bzw. § 6 I. 1. 4 Schmidt, GesR, § 33 II 1, S. 986. 5 Vgl. die Begründung des GmbHG-Entwurfs vom 11.02.1892, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode – I. Session 1890/ 92, V. Anlagenband, Aktenstück Nr. 660, S. 3715 (3738 ff.). 6 Vgl. hierzu und zum folgenden Schmidt, GesR, § 33 III 1, S. 991.

§ 4 Finanzverfassung der deutschen GmbH

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das Regelungssystem der GmbH verkompliziert und damit für die Nutzer unverständlicher gemacht haben.7 Teilweise hat der Gesetzgeber anlässlich der GmbHReform von 1980 versucht, diese Rechtsprechung in Gesetzesform zu gießen.8 Nachdem im folgenden Abschnitt vorab ein kurzer Blick auf die grundsätzliche Funktion der Stammkapitalziffer im System der Finanzverfassung der GmbH geworfen wurde (1.), sollen anschließend deren Einzelelemente erläutert werden. Ihre Grundstruktur lässt sich mit Fleischer9 folgendermaßen zusammenfassen: Sie besteht aus den bereits genannten beiden Eckpunkten Mindeststammkapital (2.) sowie Kapitalsicherungsregeln (3. und 4.) einerseits und dem Eigenkapitalersatzrecht (5.) sowie der Insolvenzantragspflicht mit entsprechender Haftungssanktion (6.) andererseits. Auf diesen vier tragenden, im Gesetz verankerten Pfeilern ruht das Dach der GmbH-Finanzverfassung und damit auch im Wesentlichen des Gläubigerschutzes in der GmbH. Hinzu kommen von der Rechtsprechung entwickelte Institute, die teils als innere Verstärkung der gesetzlichen Konstruktion, teils als separate stützende Elemente fungieren. Beispielhaft genannt seien hier für erstere Kategorie die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatzrecht, die Haftung in der Vor-GmbH oder die Regeln zur verdeckten Sacheinlage, die alle im Zusammenhang mit dem betreffenden gesetzlichen Instrumentarium dargestellt werden, für letztere die in einem eigenen Unterpunkt knapp abzuhandelnde Durchgriffshaftung des GmbH-Gesellschafters (7.). 1. Grundsätzliche Bedeutung des Stammkapitals Das Stammkapital einer GmbH10 ist zunächst einmal nicht mehr als ein abstrakter Geldbetrag. Er wird im Gesellschaftsvertrag festgelegt und gibt die Summe der von den Gesellschaftern zu erbringenden Einlagen (Stammeinlagen) an, unabhängig davon, ob diese in bar oder als geldwerte Sacheinlage geleistet werden.11 Darüber hinaus ist das Stammkapital ein „bilanztechnischer Spar-

7

Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377; Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (479 f.). So z. B. im Falle der §§ 32a, 32b GmbHG. Näher dazu unten, § 4 I. 5. 9 Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 61 ff. Ebenfalls eingängig ist das Schlagwort „Schutzkonzept 3 + 2“, das nach Hölzle, GmbHR 2007, 729, den Aufbau des Gläubigerschutzes in der GmbH kennzeichnet. Dieser stütze sich auf drei gesetzlich verankerte Säulen (die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG, die eigenkapitalgleiche Bindung von Gesellschafterfremdkapital gemäß §§ 32a, b GmbHG, 135 InsO, 6 AnfG sowie die Geschäftsführerhaftung gemäß §§ 43, 64, 84 GmbHG) und zwei ergänzende richterrechtliche Institute (die Rechtsprechungsregeln zur analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen und die Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter). 10 Gleichbedeutende Bezeichnungen sind „Nominal-“ oder „Nennkapital“ sowie vor allem bei der AG auch „Grundkapital“. 11 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5 GmbHG Rn. 2; Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 8. 8

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

strumpf“ 12 oder eine „bilanzielle Staumauer“ 13. Das bedeutet, dass es dauerhaft auf der Passivseite der Gesellschaftsbilanz stehen bleibt und stets eine gleichwertige Entsprechung auf der Aktivseite haben soll, also rechnerisch den Teil des Nettoaktivvermögens der Gesellschaft darstellt, der außerhalb der ordnungsgemäßen Liquidation (bzw. einer Kapitalreduktion) nicht an die Gesellschafter ausgekehrt werden darf.14 Beide Funktionen des statutarischen Stammkapitals sind zwei Seiten ein und derselben Medaille: Der Stammkapitalbetrag beziffert den pekuniären Einsatz der Gesellschafter, welchen der Gesellschaft während deren gesamter Lebensdauer zur Verfügung zu stellen sie sich verpflichtet haben. Die beiden Grundaufgaben des Nennkapitals sind also die Festlegung des durch die Gesellschafter bei Gründung der Gesellschaft oder später aufzubringenden Kapitals sowie die (bilanzielle) Ausschüttungsbegrenzung. Beide beruhen traditionell auf der rechtspolitischen Erwägung, dass das Fehlen der persönlichen Haftung der Gesellschafter vor allem im Interesse der Gesellschaftsgläubiger eines Ausgleichs bedarf: Die in der Satzung festgelegte Stammkapitalziffer bestimmt den Vermögensgrundstock, mit dem die Gesellschafter ihre Gesellschaft ausstatten müssen und den sie ihr nicht ohne weiteres wieder entziehen dürfen. Diese übernehmen damit einen Teil des unternehmerischen Risikos und stellen einen ihrem Zugriff entzogenen Haftungsfonds zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung.15 Das durch Einlageleistungen aufgebrachte 12 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 62; unter Hinweis auf Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1, S. 557. 13 Vgl. die berühmte „Schleusenmetapher“ (im Zusammenhang mit dem Grundkapital der Aktiengesellschaft) von Würdinger, S. 28: „Als Passivposten der Bilanz wirkt das Grundkapital mithin wie eine Schleuse. Es kann ebenso wenig wie jene eine Senkung des Vermögensstandes durch Verluste verhindern, wohl aber das Abfließen von Vermögenssubstanz in die Tasche der Aktionäre, indem es gleich einer Schleuse nur den Überschuss zur Ausschüttung kommen lässt.“ Gleichsinnig von einer „Staumauer“ spricht Scholz/Westermann, § 30 GmbHG Rn. 1. 14 Vgl. nur Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5 GmbHG Rn. 2. Das Stammkapital wird in der Bilanz gem. § 42 Abs. 1 GmbHG als „gezeichnetes Kapital“ ausgewiesen. Die unterschiedliche Terminologie dient jedoch nur der besseren Lesbarkeit der Bilanz, insbesondere für Ausländer, materielle Unterschiede zwischen den beiden Begriffen bestehen nicht. 15 Ganz h. M., vgl. nur Hüffer, § 1 AktG Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Schmidt-Leithoff (4. Aufl.), § 5 GmbHG Rn. 2; Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1, S. 558. Anders aber zuletzt Barta, GmbHR 2005, 657 (659), der in der Aufbringung und Sicherung eines Betriebskapitals für die Gesellschaft zur Finanzierung der Geschäftsaufnahme und weiteren -tätigkeit und in der diesbezüglichen Trennung der Vermögenssphären von Gesellschaftern und Gesellschaft den eigentlichen Zweck des Stammkapitals und des Kapitalschutzregimes sieht und die Funktion als Haftungsmasse für die Gläubiger für einen bloßen Reflex hält, der sich daraus ergebe, dass die Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen den Gläubigern haftet. Richtig daran ist, dass die Einlagen der Gesellschafter nicht für die Befriedigung der Gläubiger dauerhaft hinterlegt werden, sondern auch als Betriebskapital dienen. Trotzdem ist die Sicherung eines Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger daneben eine wesentliche und beabsichtigte Funktion des Stammkapitals, die die hauptsächliche Legitimationsgrundlage für das

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Stammkapital ist damit der zentrale Fluchtpunkt der Finanzverfassung und des Gläubigerschutzmodells der GmbH, gleichzeitig anfänglicher Vermögensgrundstock der Gesellschaft, persönlicher Risikobeitrag der Gesellschafter und Haftungsfonds der Gläubiger.16 2. Mindestkapital Die Freiheit der Gesellschafter, die Höhe ihres eigenen Kapitaleinsatzes und damit des Haftungsfonds für die Gläubiger zu bestimmen, wird vom Gesetzgeber eingeschränkt.17 § 5 Abs. 1 GmbHG schreibt vor, dass das Stammkapital einen Minimalwert von 25.000 A nicht unterschreiten darf. Nach der viel zitierten, in das Gemeingut des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts eingegangenen Diktion Wiedemanns stellt dieses Mindestkapital eine „Kulturleistung ersten Ranges“ 18 dar, da es in idealer Weise die Haftungsfreistellung der Gesellschafter durch eine gesicherte Vermögensbasis der Gesellschaft kompensiere und letzterer damit trotz fehlender Gesellschafterhaftung Kreditwürdigkeit im Geschäftsverkehr verleihe.19 Ausgangspunkt der zugrunde liegenden Überlegungen ist, dass ein Gläubiger wegen der Haftungsbefreiung der Gesellschafter gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG Mindestkapital und die Kapitalschutzregeln liefert. Vgl. Begründung des GmbHG-Entwurfs vom 11.02.1892, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, VIII. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, V. Anlagenband, Aktenstück Nr. 660, S. 3715 (3738 ff.). Jedenfalls ein Mindestkapital wäre unnötig, wenn es nur um die Finanzierung des Unternehmens ginge. Ob das Stammkapital diesen Zweck als Haftungsfonds (noch) erfüllen kann, ist eine andere Frage, die unten, § 10 II. 1. b) aa), zu erörtern sein wird. 16 Häufig wird verkürzend vom Stammkapital als Haftungsmasse für die Gesellschaftsgläubiger gesprochen, was nach dem Gesagten nicht ganz korrekt ist: Das Stammkapital als bilanzieller Passivposten entspricht nur seinem Betrag nach dem Wert der Vermögensgegenstände, die die Gesellschaft im Interesse der Gläubiger nicht an die Gesellschafter ausschütten darf. Dieses Gesellschaftsvermögen darf mit dem Stammkapital keinesfalls gleichgesetzt werden. Es steht auf der Aktivseite der Bilanz und ist die eigentliche Haftungsmasse für die Gläubiger. Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 62. Gleichsinnig zum französischen Recht Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 232. 17 Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (363). 18 Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1 b, S. 558. Zu den Zweifeln an dieser Bedeutung des Mindestkapitals vgl. aber unten, § 4 II. 2. a). 19 Vgl. dazu auch Barta, GmbHR 2005, 657; Oelkers, GesRZ 2004, 360 (363). Die Verknüpfung von Stammkapitalsystem und einer gesetzlich vorgegebenen Mindestziffer ist jedoch keineswegs zwingend. Der GmbHG-Entwurf des Reichstagsabgeordneten Oechelhäuser von 1884 („Entwurf einer Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit“, abgedruckt bei Wieland, C. Anhang, S. 399 f.) ging davon aus, dass die Gesellschafter den Betrag des Grundkapitals ohne jede Vorgabe frei vereinbaren können. Nach diesem Entwurf war die GmbH jedoch eher als „kapitalistische Personengesellschaft“ denn – wie heute – als „personalistische Kapitalgesellschaft“ konzipiert. Für sie sollten nur wenige, in acht Paragraphen enthaltene Sonderregeln gelten, im Übrigen wurde pauschal auf das Recht der oHG verwiesen. Ausführlich zur historischen Entwicklung des Mindestkapitals in AG und GmbH Krüger, Mindestkapital, S. 48 ff.

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nur auf das Gesellschaftsvermögen selbst zugreifen kann, wodurch das unternehmerische Risiko des Gesellschafters sich auf die Summe beschränkt, die er dem unternehmerischen Zweck bereits gewidmet hat, nämlich seine Einlage. Somit droht eine unverhältnismäßige Verlagerung des Unternehmerrisikos vom Gesellschafter auf den Gläubiger, wenn ersterer seinen Risikobeitrag frei bestimmen kann. Dem soll durch die gesetzliche Anordnung eines zwingend aufzubringenden Minimalkapitals als dauerhaftem Risikobeitrag der Gesellschafter und Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger entgegengewirkt werden.20 Hierdurch wird gleichzeitig auch eine Disziplinierung der Gesellschafter angestrebt, die durch das Erfordernis eines Minimums an eigenem Kapitaleinsatz von übermäßig risikobehafteten Spekulationen oder opportunistischen Entscheidungen abgehalten werden sollen. Neben die primäre Funktion als Mindesthaftungsmasse und Instrument der Risikoverteilung tritt weiterhin die allgemeinere Zielsetzung, durch eine gewisse Eigenkapitalausstattung Gesellschaftsinsolvenzen zu verhindern.21 Gerade zu Beginn der Geschäftstätigkeit wird die Gesellschaft mit den Kosten belastet, die eine Unternehmensgründung mit sich bringt, ohne dass in der Regel sofort entsprechende Gewinne erwirtschaftet werden. Bei einer reinen Fremdfinanzierung in dieser Anfangsphase würde deshalb zwangsläufig sofort oder nach kurzer Zeit bilanzielle Insolvenzreife eintreten.22 Außer diesem formellen Problem soll ein „Mindesteigenkapitalpolster“ aber vor allem verhindern, dass eine Gesellschaft ohne nennenswertes Eigenkapital eine Geschäftstätigkeit aufnimmt. Denn ein gewisses Maß an Eigenkapitalausstattung ist nicht nur für die Anlauffinanzierung notwendig, sondern auch während der gesamten Dauer der Geschäftstätigkeit, da nur eine nennenswerte Eigenkapitalquote die Gesellschaft in den Augen der Fremdkapitalgeber kreditwürdig erscheinen lässt. Ohne Fremdkapital sind Unternehmen aber in der Regel nicht lebens- oder wettbewerbsfähig. Insgesamt ist das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital also in der Hauptsache ein Gläubigerschutzinstrument.23 In der Praxis erweist es sich allerdings für die genannten Zwecke meist als viel zu niedrig24, so dass der Gedanke vom Eigenkapitalpolster und Haftungsfonds für die Gläubiger zunehmend in den Hintergrund rückt und die Betonung mehr auf die verhaltenssteuernde Wirkung gelegt wird. Die Pflicht zur Aufbringung einer bestimmten Summe soll eine Se-

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Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (363). Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5 GmbHG Rn. 5. 22 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5 GmbHG Rn. 5. 23 Vgl. nur Pentz/Priester/Schwanna, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 42 (50); Scholz/Winter/Westermann, § 5 GmbHG Rn. 10; Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1, S. 556 ff. 24 Näher dazu unten, § 4 II. 2. a). 21

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riositätsschwelle darstellen25, die ein hinreichendes (zumindest ökonomisches) Interesse der Gesellschafter an „ihrer“ Gesellschaft sicherstellt. Die Seriositätsschwelle soll dabei in zweierlei Hinsicht wirken: Einerseits soll schon bei der Gesellschaftsgründung „die Spreu vom Weizen“, also die reine Missbrauchsgründung ohne ernsthafte unternehmerische Absicht von der seriösen Gründung getrennt werden, indem von den Gründern ein „Eintrittsgeld“ für den Zugang zur Rechtsform der GmbH mit ihrem Haftungsprivileg verlangt wird. Deshalb muss zumindest ein Teil des Mindeststammkapitals bereits zum Zeitpunkt der Eintragung aufgebracht sein. Die Pflicht zum Einsatz einer bestimmten Geldsumme garantiert – zumindest in der Theorie – eine gewisse Ernsthaftigkeit des Projekts. Zum anderen sollen die Gesellschafter auch während der Tätigkeit der Gesellschaft zu einem Mindestmaß an verantwortungsvollem Umgang mit dem von ihnen selbst aufgebrachten Kapital veranlasst werden.26 Dies wirkt sich wiederum reflexartig gläubigerschützend aus, denn die Gesellschafter werden zu einem gewissen Grad von sehr risikoreichen Spekulationen abgehalten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Mindestkapital theoretisch-konzeptionell eine wichtige Rolle im stammkapitalbasierten Gläubigerschutzsystem spielt. Denn es setzt der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter über den Umfang ihres persönlichen Vermögenseinsatzes und der Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft eine untere Grenze und bestimmt damit das Mindestniveau des durch das statutarische Stammkapital vermittelten Gläubigerschutzes.27 Erfahrungen aus Rechtsordnungen, die nur ein geringes oder gar kein Mindestkapital vorschreiben, zeigen, dass dem Gesellschafterinteresse an einem möglichst geringen eigenen Risikobeitrag keine anderweitigen ausreichenden Anreize entgegenwirken, die Gesellschaft freiwillig mit einem höheren als dem vorgeschriebenen Stammkapital auszustatten.28 Eine unmittelbare gläubigerschützende Wirkung kann dem Stammkapital in der Praxis also – wenn überhaupt – nur zukommen, wenn der Gesetzgeber ein nennenswertes Minimum vorschreibt. Das Mindestkapital wirkt jedenfalls in der Theorie29 nicht nur dem anfänglichen Ausfallrisiko wegen struktureller Unterfinanzierung entgegen, sondern auch dem nachträglichen Ausfallrisiko, da es einerseits eine gewisse Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft sicherstellt und damit das Insolvenzeintrittsrisiko verringert und andererseits den Gesellschaftern einen persönlichen Vermögensbeitrag abverlangt, der den Anreiz zu spekulativen Geschäften senkt. 25 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 62; Ulmer/ders., § 5 GmbHG Rn. 10; Wiedemann, GesR I, § 10 IV 3, S. 565. 26 Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (363). 27 Vgl. ausführlicher unten, § 11 I. 1. 28 Vgl. zu den Erfahrungen in Frankreich nach Abschaffung des Mindestkapitals unten, § 8 I. 3 29 Ob der geltende Betrag von 25.000 Euro hierzu geeignet ist, ist eine andere Frage. Zur diesbezüglichen Kritik näher unten, § 4 II. 2. a).

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3. Kapitalaufbringung Damit das statutarisch festgelegte Stammkapital seine Funktionen als Risikobeitrag der Gesellschafter und Vermögensgrundstock der Gesellschaft erfüllen kann, hat der Gesetzgeber neben der zwingenden Untergrenze einen Strauß von Normen geschaffen, die sicherstellen sollen, dass die Gesellschafter der Gesellschaft die versprochenen Einlagen einerseits tatsächlich werthaltig zuführen und andererseits bis zur Liquidation belassen. Die Regeln des Kapitalschutzes werden häufig als das „Kernstück des GmbH-Rechts“ bezeichnet.30 Alle diese Vorschriften sind wegen ihrer gläubigerschützenden Zielsetzung zwingendes Recht, stehen also nicht zur Disposition der Gesellschafter. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einlageleistung sind in den Kapitalaufbringungsregeln enthalten, deren zentraler Inhalt der „Grundsatz der realen Kapitalaufbringung“ 31 ist. Im Einzelnen lassen sich formelle und materielle Kapitalaufbringungsregeln unterscheiden. Diese beziehen sich auf die Pflichten der Gesellschafter sowie auf mögliche zivilrechtliche Haftungssanktionen, jene auf die Eintragungsvoraussetzungen und die entsprechenden Prüfungskompetenzen des Registergerichts. Die Unterscheidung ist also nicht ohne jede Bedeutung, auch wenn eine eindeutige Abgrenzung aufgrund der funktionalen Verflechtung beider Bereiche nicht unbedingt nötig erscheint.32 a) Formell Die formellen Kapitalaufbringungsregeln sollen sicherstellen, dass das für die Eintragung der neu entstehenden GmbH zuständige Registergericht nur solchen Gesellschaften zur Entstehung verhilft, die eine gewisse Mindestkapitaldecke auch tatsächlich aufweisen. Hierfür muss das Gericht mit entsprechenden Prüfungskompetenzen ausgestattet werden, damit es sich ein authentisches Bild vom Stand der Einlagenleistungen machen und nachvollziehen kann, dass zumindest ein gewisser Teil des Stammkapitals der Gesellschaft realiter schon vor der Anmeldung zur Eintragung aufgebracht wurde. Besonderer Aufmerksamkeit des Gesetzgebers erfreuen sich dabei die manipulationsanfälligen Sacheinlagen. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass die von dem jeweiligen Gesellschafter an die Gesellschaft zu leistenden Vermögensgegenstände überbewertet sind, der Gesellschaft also insgesamt weniger wirtschaftliche Werte zufließen als durch das Nominalkapital ausgewiesen. Deshalb ordnet § 5 Abs. 4 GmbHG zunächst ein formales Verfahren für die Erbringung von Sachein30 Vgl. nur BGHZ 28, 77 (78). Nach Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (481), gewinnt das System des statutarischen Stammkapitals erst durch die Kapitalschutzregeln überhaupt seinen Sinn. 31 Dazu näher unten, § 4 I. 3. b). 32 Vgl. Schmidt, GesR, § 37 II 1, S. 1112.

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lagen an, das dem Registergericht eine Nachprüfung ermöglicht: Für jede Sacheinlage muss der Gegenstand der Einlage und der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden; außerdem ist ein separater Sachgründungsbericht anzufertigen, der die Grundlagen der Bewertung der Sacheinlage wiedergibt. § 7 GmbHG statuiert in seinen Absätzen zwei und drei, dass eine Anmeldung zur Eintragung beim Registergericht erst dann zulässig ist, wenn (1) alle Bareinlagen zumindest zu jeweils einem Viertel, (2) alle Sacheinlagen voll erbracht sind und (3) der Gesamtbetrag der erbrachten Einlagen mindestens die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals (i. e. momentan 12.500 A) erreicht.33 Hier zeigt sich besonders deutlich die Intention des Gesetzgebers, die Entstehung von Gesellschaften ohne ein relevantes, real vorhandenes Vermögen zu verhindern. Darüber hinaus dient die Pflicht zur vollständigen Erbringung der Sacheinlagen dazu, die fehlende Gründungsprüfung auszugleichen.34 Natürlich steht es den Gründern frei, im Gesellschaftsvertrag höhere Kapitalaufbringungspflichten vor der Anmeldung festzusetzen; der Gesetzgeber gibt nur ein zwingendes Minimum vor.35 Bei der Prüfung der Einhaltung dieser Minimalpflichten bleiben aber Zahlungen der Gesellschafter an die Gesellschaft, die nicht auf das Stammkapital geleistet werden, wie z. B. ein statutarisch gefordertes Aufgeld, unberücksichtigt. Dies deshalb, weil solche Zahlungen weder von der Versicherung der Geschäftsführer gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG oder von der registergerichtlichen Kontrolle gemäß § 9c GmbHG noch von den materiellen Kapitalschutzregeln erfasst werden und damit nicht den gleichen „Garantien“ unterliegen wie Einlageleistungen.36 Der Gesetzgeber begnügt sich also nicht mit der Ausstattung der Gesellschaft mit einem bestimmten Maß an Vermögenswerten als Startkapital, gleich in welcher Form, sondern fordert die Aufbringung gerade des vielfach abgesicherten Stammkapitals. Aus den gleichen Gründen ist für die Berechnung, ob die absolute Mindesteinlageschwelle von 12.500 A erreicht wurde, der durch eine Sacheinlage aufzubringende Stammeinlagebetrag anzusetzen und nicht der tatsächliche Wert des eingebrachten Vermögensgegenstandes, sofern dieser höher ist.37 Im umgekehrten Fall 33 Die Vorschrift ließe sich auch den materiellen Kapitalaufbringungsregeln zuordnen, da sie Pflichten der Gesellschafter bzgl. Art und Umfang der Einlageleistungen enthält. Da es sich jedoch um spezielle Eintragungsvoraussetzungen handelt und nicht um generelle Pflichten im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung, wird hier die Darstellung im Zusammenhang mit den formellen Kapitalaufbringungsregeln bevorzugt, ohne dass dies zwingend wäre. 34 Vgl. Begründung RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32 f.; Scholz/Winter/Veil, § 7 GmbHG Rn. 2. 35 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 7 GmbHG Rn. 18. 36 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 7 GmbHG Rn. 19, 22. 37 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 7 GmbHG Rn. 22.

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der Überbewertung des betreffenden Einlagegegenstandes kommt es hingegen selbstverständlich auf dessen tatsächlichen Wert an, die Differenz zum Stammeinlagebetrag ist in bar aufzubringen, § 9 Abs. 1 GmbHG. Anzumerken ist noch, dass sich bei Mischeinlagen38 die vor der Anmeldung aufzubringende Mindestquote von einem Viertel nur auf den in Geld einzuzahlenden Betrag bezieht, nicht auf den Gesamtbetrag der Stammeinlage.39 Die genannten Mindesteinlagepflichten gelten ohne Einschränkung auch für die Einmanngründung, gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG sogar noch erweitert um die Maßgabe, dass für den nicht schon zwingend vor der Anmeldung zur Eintragung zu erbringenden Teil der Bareinlagen Sicherheiten zu bestellen sind. Hinsichtlich der Art und Weise, wie die Gesellschafter ihre Mindesteinlagepflichten vor der Anmeldung zum Handelsregister zu erbringen haben, trifft das Gesetz nur für Sacheinlagen eine Anordnung: Gemäß § 7 Abs. 3 GmbHG müssen sie dergestalt an die Vorgesellschaft (nicht die Vorgründungsgesellschaft) erbracht werden, dass sie deren Geschäftsführern endgültig zur freien Verfügung stehen. Eine vergleichbare explizite Festlegung für Bareinlagen fehlt, anders als im Aktienrecht in § 54 Abs. 3 AktG. Aus Sinn und Zweck der §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG folgt jedoch, dass auch Bareinlagen zur freien Verfügung der Geschäftsführer geleistet werden müssen.40 Dies kann durch Barzahlung mittels inländischer gesetzlicher Zahlungsmittel oder auch durch vorbehaltlose Gutschrift auf einem inländischen, in deutscher Währung geführten Bankkonto der Vorgesellschaft bzw. ihres Geschäftsführers geschehen, sofern es sich in letzterem Fall nicht um ein Privatkonto handelt. Bei Sacheinlagen sind die notwendigen Rechtsakte vorzunehmen, um die im Einzelnen statutarisch festgelegte Pflicht zur Einlage von Vermögensgegenständen zu erfüllen. Ist also beispielsweise das Eigentum an beweglichen Sachen Gegenstand der Einlagepflicht, so müssen diese gemäß §§ 929 ff. BGB an die Vorgesellschaft übereignet werden. Die freie Verfügungsmacht der Geschäftsführer muss endgültig sein. Eine vorübergehende Überlassung genügt demnach nicht. Vielmehr muss der Einlagegegenstand grundsätzlich vollständig aus dem Herrschaftsbereich des Inferenten ausgesondert und der Gesellschaft dauerhaft ohne Beschränkungen und Vorbehalte zugeflossen sein.41 Verwendungsbindungen, etwa eine Verrechnungsabrede 38 Dies sind Einlagen, die zum Teil als Sacheinlage, zum Teil in bar zu leisten sind. Sie dürfen nicht verwechselt werden mit den so genannten „gemischten Sacheinlagen“. Bei letzteren handelt es sich um Leistungen von Vermögensgegenständen an die Gesellschaft, die nur zum Teil auf die Stammeinlage erfolgen, und deren überschießender Wertanteil dem einbringenden Gesellschafter separat vergütet wird. Vgl. Scholz/Winter/ Westermann, § 5 GmbHG Rn. 81 bzw. Scholz/Winter/Veil, § 7 GmbHG Rn. 20. 39 Scholz/Winter/Veil, § 7 GmbHG Rn. 20 m.w. N. 40 Vgl. RGZ 144, 348 (351); BGHZ 113, 335 (348); Ulmer/ders., § 7 GmbHG Rn. 52; Scholz/Winter/Veil, § 7 GmbHG Rn. 26. 41 Vgl. Ulmer/ders., § 7 GmbHG Rn. 53 m.w. N., auch zu Ausnahmen von diesem Grundsatz.

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bei einer Bareinlage, sind nur zulässig, wenn die Verwendung nicht zugunsten des leistenden Gesellschafters oder ihm nahe stehender Personen erfolgt.42 Dadurch wird sichergestellt, dass der Vermögensgrundstock der Gesellschaft deren Gläubigern tatsächlich zugute kommt. Die Mindesteinlagepflichten gemäß § 7 GmbHG können jedoch nur dann effektiv ihren Zweck erfüllen, wenn das Registergericht ihre Befolgung bei der Entscheidung über die Eintragung ohne übermäßigen Aufwand nachvollziehen kann. § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GmbHG ordnet deshalb an, dass der Anmeldung zur Eintragung der gemäß § 5 Abs. 4 GmbHG angefertigte Sachgründungsbericht sowie Unterlagen darüber beizufügen sind, dass der Wert der Sacheinlagen den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlagen erreicht. Dadurch soll der Nachweis erbracht werden, dass mit den Sacheinlagen der Gesellschaft auch tatsächlich entsprechende Vermögenswerte zugeflossen sind, über die sie verfügen kann. Darüber hinaus verpflichtet § 8 Abs. 2 GmbHG alle Geschäftsführer einschließlich der Stellvertreter43 zur persönlichen Abgabe einer Versicherung bezüglich der Erfüllung der Mindesteinlagepflichten. Diese Versicherung muss „in der Anmeldung“ erfolgen, dieser also zumindest beigefügt sein, und bedarf der öffentlich beglaubigten Form gemäß § 12 Abs. 1 HGB.44 Inhaltlich muss sie tatsächliche Umstände darlegen, die dem Registergericht ein Urteil darüber erlauben, inwieweit die Pflichten gemäß § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG erfüllt wurden, namentlich den leistenden Gesellschafter, den eingezahlten Geldbetrag bzw. den geleisteten Vermögensgegenstand und den Gesamtbetrag der geleisteten Stammeinlage bezeichnen.45 Unrichtige Angaben oder Versicherungen i. S. d. § 8 GmbHG haben ggf. eine Schadensersatzhaftung gemäß § 9a Abs. 1 GmbHG46 und/oder strafrechtliche Sanktionen gemäß § 82 Abs. 1 GmbHG zur Folge. Hervorzuheben ist, dass sich die Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich darauf beziehen muss, dass der Gegenstand der vorgeschriebenen Mindesteinlageleistung nicht nur erbracht wurde, sondern sich endgültig in der freien Verfügung der Gesellschafter befindet, § 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG a. E. Gemeint ist damit, dass die freie Verfügbarkeit nicht nur einmal im Anschluss an die Einlageleistung bestanden hat47, sondern zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung immer noch besteht.48 Dies dient vornehmlich dem Schutz der Gläubiger. Es soll 42

Vgl. BGHZ 113, 335 (343 ff.); 125, 141 (150); Ulmer/ders., § 7 GmbHG Rn. 60. Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 8 GmbHG Rn. 22. 44 Vgl. Michalski/Tebben, § 8 GmbHG Rn. 29; Ulmer/ders., § 8 GmbHG Rn. 27. 45 Vgl. Michalski/Tebben, § 8 GmbHG Rn. 32; Scholz/Winter/Veil, § 8 GmbHG Rn. 23. 46 Vgl. näher zu § 9a GmbHG unten, § 4 I. 3. b). 47 Was schon zu den Voraussetzungen einer wirksamen Erbringung der Mindesteinlagen gemäß § 7 Abs. 2, 3 GmbHG gehört, vgl. oben, in diesem Abschnitt. 48 St. Rspr. seit RGZ 83, 370 (375); vgl. auch Scholz/Winter/Veil, § 8 GmbHG Rn. 24. Die Versicherung der Endgültigkeit der freien Verfügbarkeit kann sich dabei 43

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sichergestellt werden, dass zu dem Zeitpunkt, an dem das Gericht über die wirksame Entstehung der Gesellschaft entscheidet, das gesetzlich geforderte Minimum an Haftungsmasse sich noch real, also ohne Schmälerung durch etwaige Vorbelastungen oder entsprechende Verpflichtungen der Gesellschaft, in deren Verfügung befindet.49 Hierfür ist es, entgegen Teilen der früheren obergerichtlichen Rechtsprechung, jedoch nicht notwendig, dass die erbrachten Einlagen noch gegenständlich vorhanden sind, vielmehr muss auch die freie Verfügbarkeit eines wertmäßigen Äquivalents genügen.50 § 9c GmbHG schließlich rundet die formellen Kapitalaufbringungsregeln ab, indem Abs. 1 der Vorschrift dem Registergericht eine umfassende Prüfungskompetenz bezüglich der zwingenden gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen einräumt sowie ihm die Pflicht zur Ablehnung der Eintragung bei fehlerhafter Errichtung oder Anmeldung der Gesellschaft auferlegt. Die Vorschrift wurde im Zuge der Reform des GmbH-Rechts 1980 eingeführt, ohne die bis dato geltende Rechtslage wesentlich zu verändern. Ihre Bedeutung besteht darin, die Erfüllung der gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen sicherzustellen.51 Eine darüber hinausgehende obligatorische Gründungsprüfung bei Sachgründungen durch unabhängige Sachverständige wurde angesichts der vielfältigen sonstigen gesetzlichen Absicherungen52 als überflüssig erachtet.53 Aufgrund der Pflicht des Registergerichts, die Eintragung einer nicht ordnungsgemäß errichteten oder angemeldeten GmbH abzulehnen, verdichtet sich das entsprechende Prüfungsrecht nach allgemeiner Auffassung zu einer Prüfungspflicht.54 Diese umfasst nach dem Sinn der Vorschrift alle zwingenden formellen und materiellen Eintragungsvoraussetzungen55, also auch und insbesondere die hier interessierenden Kapitalaufbringungsregeln. Eine Beschränkung auf einzelne, erfahrungsgemäß besonders missbrauchsanfällige Voraussetzungen, wie z. B. die in § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG klarstellend angesprochene Überbewertung von Sacheinlagen56, ist dabei genauso wenig zulässig wie eine Ausdehnung der Prüfung auf Umstände, die außerhalb der zwingenden gesetzlichen Gründungsnur auf den Zeitpunkt der Anmeldung beziehen, da andernfalls die Geschäftsführer bis zur Vornahme der Eintragung jegliche tatsächliche Verfügung über die Einlagegegenstände unterlassen müssten, damit ihre Versicherung nicht unrichtig wird, vgl. Michalski/Tebben, § 8 GmbHG Rn. 30. 49 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 8 GmbHG Rn. 24. 50 H.M., vgl. nur BGHZ 119, 177 (186 f.); 155, 318 (325); Baumbach/Hueck/ Hueck/Fastrich, § 8 GmbHG Rn. 13; Michalski/Tebben, § 8 GmbHG Rn. 35; Ulmer/ ders., § 7 GmbHG Rn. 55. A.A. aber noch BayObLG NJW 1988, 1599 = GmbHR 1988, 215 f.; OLG Köln, DB 1988, 955; ZIP 1989, 238 (240). 51 Scholz/Winter/Veil, § 9c GmbHG Rn. 1. 52 Vgl. im Einzelnen Scholz/Winter/Westermann, § 5 GmbHG Rn. 38. 53 Vgl. den diesbezüglichen Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, 70. 54 Näher Scholz/Winter/Veil, § 9c GmbHG Rn. 4 ff. m.w. N. 55 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 9c GmbHG Rn. 6.

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voraussetzungen liegen, beispielsweise die angemessene finanzielle Ausstattung der GmbH für die angestrebte wirtschaftliche Tätigkeit. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, sich vollständige Gewissheit über die entsprechenden Tatsachen zu verschaffen. Vielmehr genügt es, dass an der Erfüllung der gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen keine sachlich berechtigten Zweifel bestehen. Nur wenn solche Zweifel existieren, ist das Gericht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung verpflichtet, etwa durch das Einfordern von Zahlungsbelegen oder die Anordnung einer unabhängigen Gründungsprüfung.57 Hat das Gericht festgestellt, dass die Kapitalaufbringungsregeln zum Zeitpunkt der Anmeldung eingehalten, also insbesondere die Mindesteinlagepflichten gemäß § 7 GmbHG erfüllt wurden, so unterliegt die spätere Verwendung der Einlagen zwischen Anmeldung und Eintragung grundsätzlich nicht mehr der registergerichtlichen Kontrolle. Zwar war lange Zeit umstritten, ob zwischen der Anmeldung zur Eintragung und deren Vornahme eingetretene Vorbelastungen des Stammkapitals ein Eintragungshindernis darstellen (sog. „Vorbelastungsverbot“).58 Nach inzwischen ganz h. M. ist dies jedoch nicht der Fall. Zum Schutz der Gläubiger trifft die Gründer im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft eine anteilige Ausgleichspflicht für eine zum Zeitpunkt der Eintragung bereits aufgrund einer vorzeitigen Geschäftsaufnahme bestehende Unterdeckung des Stammkapitals (sog. „Vorbelastungs-“ oder „Unterbilanzhaftung“).59 Eine Verweigerung der Eintragung kommt allerdings in Betracht, wenn die Vorgesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist.60 b) Materiell Die materiellen Kapitalaufbringungsregeln dienen dazu, die Gesellschafter dazu anzuhalten, der Gesellschaft das vorgeschriebene Kapitalminimum tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht mittels eines abgestuften Instrumentariums, das von Leistungsanreizen über die persönliche Haftung der Gesellschafter hin zu repressiven Verboten reicht. Tragendes Prinzip der Kapitalaufbringungsregeln ist der „Grundsatz der realen Kapitalaufbringung“, teilweise auch etwas allgemeiner als „Grundsatz der Sicherung der Kapitalaufbringung“ 61 bezeichnet. Er findet seinen Ausdruck in verschiedenen Vorschriften des GmbHG 56 Vgl. aber zu der im Rahmen des MoMiG vorgenommenen Reduzierung des Prüfungsumfangs auf „nicht unwesentliche“ Überbewertungen in § 9c GmbHG n. F. unten, § 7 I. 1. a) cc) am Ende. 57 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 9c GmbHG Rn. 12 f. 58 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 9c GmbHG Rn. 29 m.w. N. 59 Vgl. näher unten, nächster Abschnitt am Ende. 60 Vgl. Scholz/Winter/Veil, § 9c GmbHG Rn. 29. 61 Scholz/Winter/Westermann, § 5 GmbHG Rn. 11.

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und dient bei Zweifelsfragen häufig als Auslegungsleitfaden. Inhaltlich besagt er nicht mehr als sein Name, nämlich dass das gesetzlich vorgeschriebene Kapitalminimum realiter, also in Form von echten wirtschaftlichen Werten, aufgebracht werden muss. Damit dieses Prinzip effektiv zum Tragen kommen und nicht von Anfang an durch die Gründer ausgehebelt werden kann, statuiert § 5 Abs. 3 S. 3 GmbHG den Grundsatz der notwendigen Vollübernahme, auch Korrespondenzgebot genannt: Die Summe der Stammeinlagen muss dem Betrag des Stammkapitals entsprechen.62 Dieses Gebot dient dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor möglicher Täuschung.63 Sie sollen sich darauf verlassen können, dass der im Handelsregister publizierten Stammkapitalziffer auch tatsächlich Einlageansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter in derselben Höhe gegenüberstehen, die durch das System der Kapitalaufbringungsregeln abgesichert sind. Es soll also zunächst die Bildung einer „Reservestammeinlage“ 64 verhindert werden, die bei der Gründung noch niemand übernehmen kann oder will.65 Denn bei einer solchen Einlage existiert mangels eines Schuldners auch kein Anspruch der Gesellschaft auf Einzahlung des entsprechenden Betrages, so dass die Gläubiger durch die eingetragene Stammkapitalziffer über die Höhe der von den Gesellschaftern bereitgestellten Haftungsmasse getäuscht werden. Auch entfällt mangels eines diese Stammeinlage übernehmenden Gründers insoweit eine mögliche Gründerhaftung gemäß §§ 9a Abs. 1, 24 GmbHG. Aus Gläubigersicht macht es keinen Unterschied, ob eine Einlage im Gründungsstadium überhaupt nicht oder von der Gesellschaft selbst übernommen wird. In beiden Fällen kommt es nicht zu einem der Höhe der Einlage entsprechenden Zufluss an realen wirtschaftlichen Werten in das Vermögen der Gesellschaft bzw. einem entsprechenden Anspruch. Der Grundsatz der Sicherung der Kapitalaufbringung gebietet deshalb, das Gebot der Vollübernahme durch ein Verbot der Selbstzeichnung zu ergänzen, auch wenn § 5 Abs. 3 S. 3 GmbHG dies, anders als § 56 Abs. 1 AktG, nicht ausdrücklich anordnet.66 Den hiermit 62 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 3 GmbHG Rn. 28, bezeichnet diesen Grundsatz als Teil des Prinzips der realen Kapitalaufbringung. Dies ist m. E. nicht ganz treffend, da die notwendige Vollübernahme bedeutet, dass Einlageansprüche der Gesellschaft, die in ihrer Summe der Höhe des Stammkapitals entsprechen, überhaupt zur Entstehung gelangen. Das Prinzip der realen Kapitalaufbringung bezieht sich auf die daran anschließende Frage der Erfüllung dieser Ansprüche mittels realer wirtschaftlicher Werte. Dennoch hängen beide Prinzipien eng miteinander zusammen und dienen dem gleichen Anliegen: der Sicherung der Kongruenz zwischen statutarischer Stammkapitalziffer und den der Gesellschaft mindestens zugeführten Vermögenswerten. Das Korrespondenzgebot ist dabei Voraussetzung dafür, dass der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung seine Wirkung entfalten kann. 63 Vgl. Ulmer/ders., § 5 GmbHG Rn. 23; Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 39. 64 Vgl. Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 35. 65 Vgl. zu der vergleichbaren Problematik der „Vorratsaktien“ Hüffer, § 56 AktG Rn. 1.

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eng verwandten Fall des Erwerbs eines bereits an einen Gesellschafter ausgegebenen, aber noch nicht voll liberierten Geschäftsanteils durch die Gesellschaft nach der Gründung regelt § 33 Abs. 1 GmbHG.67 Ausdrücklich erfasst § 5 Abs. 3 S. 3 GmbHG nur die Fälle, in denen die Summe der Nennwerte der von den Gründern übernommenen Stammeinlagen die Stammkapitalziffer unterschreitet. Jedoch ist es auch denkbar, dass einem Gründer ein Nachlass (Disagio) auf seine Einlageverpflichtung gewährt wird, ohne dass der Nennwert der Stammeinlage entsprechend angepasst wird, so genannte Unterpari-Emission. Das hat zur Folge, dass zwar die Nominalbeträge der Stammeinlagen in ihrer Summe dem Stammkapital entsprechen, also vordergründig dem Gebot des § 5 Abs. 3 S. 3 GmbHG genüge getan ist. Allerdings werden die Gläubiger dennoch über den Umfang des Zuflusses von Vermögenswerten getäuscht, da keine Einzahlungsansprüche der Gesellschaft in entsprechender Höhe bestehen. Außerdem werden die Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln des GmbHG umgangen.68 Deshalb sind solche Unterpari-Emissionen ebenfalls verboten.69 Wiederum ergibt sich dies in Abwesenheit einer dem § 9 Abs. 1 AktG entsprechenden ausdrücklichen Regelung im GmbHG aus dem Grundsatz der Sicherung der Kapitalaufbringung70 und lässt sich mittelbar aus den §§ 5 Abs. 3 S. 3, 9 Abs. 171, 19 Abs. 2, 30 GmbHG herleiten.72 Eine Überpari-Emission, also die Vereinbarung einer erhöhten Einzahlungsverpflichtung über den Nennbetrag der Stammeinlage hinaus, ist hingegen unbedenklich.73 Zu einer Abweichung zwischen Summe der Stammeinlagen und Stammkapitalziffer kommt es hierdurch nicht, da ein solches Agio (Aufgeld) eine Nebenleistungspflicht im Sinne von § 3 Abs. 2 GmbHG darstellt und bei der Berechnung von Stammeinlage und -kapital keine Berücksichtigung findet.74 Auch besteht, anders als bei der Unterpari-Emission, kein Gläubigerschutzbedürfnis, da der Gesellschaft mehr Eigenkapital zufließt als der Betrag des Stammkapitals.75 66 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5 GmbHG Rn. 10; Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 36. Zur Entsprechung im Aktienrecht vgl. Hüffer, § 56 AktG Rn. 1 f. 67 Vgl. näher sogleich, dieser Abschnitt am Ende. 68 Vgl. Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 37. 69 BGHZ 68, 191 (195 f.); st. Rspr.; Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 37 m.w. N. in Fn. 102. 70 Vgl. Scholz/Winter/Westermann, § 5 GmbHG Rn. 34. 71 Die Vorschrift impliziert durch ihre Rechtsfolge einer Differenzhaftung für Sacheinlagen ein Verbot der Unterpari-Emission. Vgl. näher sogleich, in diesem Abschnitt. 72 Vgl. Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 37; Roth/Altmeppen, § 5 GmbHG Rn. 25; Ulmer/ders., § 5 GmbHG Rn. 185. 73 H.M., vgl. die Nachweise bei Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 38; Ulmer/ ders., § 5 GmbHG Rn. 181. 74 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 5 GmbHG Rn. 11; Scholz/Winter/Westermann, § 5 GmbHG Rn. 33. 75 Vgl. Ulmer/ders., § 5 GmbHG Rn. 181.

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Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Korrespondenzgebot sind einerseits die Nichtigkeit der betreffenden Satzungsbestimmungen, andererseits die Pflicht des Registergerichts zur Ablehnung der Eintragung gemäß § 9c Abs. 2 Nr. 1 und 2 GmbHG.76 Erfolgt die Eintragung dennoch, so wird die Nichtigkeit der Regelungen überwunden, es bleibt jedoch die Möglichkeit eines Amtsauflösungsverfahrens gemäß §§ 144a FGG, 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG.77 Die Gesellschafter können den Verstoß nachträglich beseitigen, indem sie eine Kapitalherabsetzung gemäß § 58 GmbHG vornehmen oder weitere Stammeinlagen ausgeben, bis deren Summe dem Stammkapital entspricht.78 Anders liegt der Fall bei der UnterpariEmission, da hier formal kein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 S. 3 GmbHG vorliegt: Die Summe der Nennwerte der Stammeinlagen deckt sich mit dem Stammkapital. Dementsprechend ist nur die Vereinbarung des Disagios analog § 19 Abs. 2 GmbHG nichtig, woran auch die Handelsregistereintragung nichts ändert. Der betroffene Gesellschafter bleibt also zur Leistung des vollen Betrages der von ihm übernommenen Stammeinlage verpflichtet.79 Eine wichtige Rolle im System der Kapitalaufbringung spielt auch § 9 Abs. 1 GmbHG. Die Vorschrift betrifft Sacheinlagen, deren Vereinbarung anstelle von Bareinlagen für die Gesellschafter häufig von Interesse ist, für die Gläubiger jedoch wegen der oft schwierigen Beurteilung ihres Wertes ein Risiko birgt. Hinzu kommt, dass nach deutschem Recht die Bewertung der Sacheinlage durch die Gesellschafter selbst und nicht etwa zwingend durch das Registergericht oder einen externen Sachverständigen vorgenommen wird. Den notwendigen Gläubigerschutz sucht der Gesetzgeber seit der GmbHG-Novelle von 1980 dadurch zu erreichen, dass er für die – grundsätzlich zulässigen – Sacheinlagen eine Differenzhaftung des Inferenten anordnet. Die Sacheinlage vermag die Bareinlage also nur in Höhe ihres objektiven wirtschaftlichen Wertes zu ersetzen, einen eventuellen Fehlbetrag zwischen diesem und dem Nennwert der durch die Sacheinlage zu erbringenden Stammeinlage hat der Gesellschafter in bar zu begleichen. Die Vorschrift dient allein der Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals, so dass eine Differenzhaftung gemäß § 9 Abs. 1 GmbHG ausscheidet, wenn der Wert der Sacheinlage zwar den Nominalwert der zu erbringenden Stammeinlage überschreitet, aber nicht ausreicht, um auch ein zusätzlich vereinbartes Agio abzudecken.80 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist die Anmeldung zur Eintragung. § 9 Abs. 1 GmbHG trifft also keine Aussage darüber, wie mit den Sacheinlagen 76

Vgl. Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 39; Ulmer/ders., § 5 GmbHG Rn. 22. Vgl. Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 39; Scholz/Winter/Westermann, § 5 GmbHG Rn. 35. 78 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 5 GmbHG Rn. 13; Ulmer/ders., § 5 GmbHG Rn. 23. 79 Vgl. Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 41. 80 Vgl. Michalski/Tebben, § 9 GmbHG Rn. 6. 77

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zwischen der Anmeldung und der Eintragung zu verfahren ist und ob die Gesellschafter auch in diesem Zeitraum eintretende Wertverluste auszugleichen haben.81 Die Vorschrift ist grundsätzlich auf jede wirksam vereinbarte Sacheinlage anwendbar. Die Haftung entfällt auch weder dadurch, dass das Registergericht im Rahmen seiner Prüfung gemäß § 9c GmbHG keine Unterbewertung der Sacheinlage feststellt82, noch durch die Eintragung der GmbH83. Wäre dies der Fall, wäre § 9 Abs. 1 GmbHG eines großen Teils seines Anwendungsbereichs und seiner Wirksamkeit zur (auch nachträglichen) Sicherung der Kapitalaufbringung beraubt. Aus ähnlichen Gründen kommt es gemäß dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht darauf an, warum der tatsächliche Wert der Sacheinlage hinter ihrer Bewertung in der Satzung zurückbleibt. Somit führen auch zufällige Wertverluste zwischen Erbringung der Einlage und Anmeldung zur Eintragung zu einer Haftung gemäß § 9 Abs. 1 GmbHG.84 Die Rechtsfolge der Vorschrift ist ein „Wiederaufleben“ der grundsätzlichen Bareinlagepflicht mit der Folge, dass auf den Anspruch der Gesellschaft aus § 9 Abs. 1 GmbHG hinsichtlich der Art und Weise seiner Erfüllung die Vorschriften über Bareinlagen Anwendung finden.85 Einem ähnlichen Schutzzweck wie § 9 Abs. 1 GmbHG dient auch die Vorschrift des § 9a Abs. 1 und 2 GmbHG. Sie statuiert Schadensersatzansprüche der Gesellschaft erstens gegen die Gründer (Gesellschafter oder Geschäftsführer) für den Fall, dass zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht wurden (Abs. 1), und zweitens gegen die Gesellschafter für Schädigungen durch Einlagen oder Gründungsaufwand (Abs. 2). Wiederum soll hierdurch die Kapitalaufbringung gesichert und folglich die Gesellschaft und ihre potentiellen Gläubiger86 geschützt werden87; die Vorschrift ist daher zwingendes Recht. Anders als § 9 Abs. 1 GmbHG sind diese Ansprüche jedoch verschuldensabhängig gemäß § 9a Abs. 3 GmbHG. Ergänzt und in ihrer disziplinierenden Wirkung zur Sicherung der ordnungsgemäßen Gründung verstärkt wird die Norm durch die Strafbarkeit falscher Angaben gemäß § 82 Abs. 1 GmbHG. 81 Nicht zu verwechseln ist die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 GmbHG mit der von der Rechtsprechung entwickelten Unterbilanzhaftung, die die Gesellschafter unabhängig von der Art ihrer vorherigen Einlageleistung verpflichtet, alle Vorbelastungen zum Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft anteilig auszugleichen. Vgl. Michalski/Tebben, § 9 GmbHG Rn. 2. Näher dazu sogleich, dieser Abschnitt zu § 11 GmbHG. 82 Vgl. MünchHdb. GesR/Heinrich, § 9 GmbHG Rn. 57. 83 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schmidt-Leithoff (4. Aufl.), § 9 GmbHG Rn. 6. 84 Vgl. Michalski/Tebben, § 9 GmbHG Rn. 12. Zur strittigen Frage der Einstandspflicht der Gesellschafter für Wertverluste zwischen Anmeldung und Eintragung s. Ulmer/ders., § 11 GmbHG Rn. 107 m.w. N. 85 Näher dazu Michalski/Tebben, § 9 GmbHG Rn. 14 f. 86 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zur GmbH-Reform vom 15.12.1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 27. Dieser Entwurf ist zwar nicht Gesetz geworden, Teile davon wurden jedoch im Rahmen der „kleinen Reform“ von 1980 verwirklicht, u. a. die Einfügung der §§ 9a bis c GmbHG. 87 Näher dazu Michalski/Tebben, § 9a GmbHG Rn. 1.

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Von § 9a Abs. 1 GmbHG erfasst werden alle Angaben, die dem Registergericht gegenüber in irgendeiner Form im Zeitraum von der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages bis zur Eintragung gemacht werden und irgendeine Relevanz für die Eintragung haben können88, insbesondere die gemäß § 8 GmbHG vorgeschriebenen Angaben und Versicherungen. Schuldner des Ersatzanspruchs können Gesellschafter, Geschäftsführer und eventuelle Hintermänner der Gesellschafter (Abs. 4) sein. Anspruchsberechtigt ist nur die (eingetragene) GmbH, nicht die (übrigen) Gesellschafter, geschweige denn die Gläubiger der Gesellschaft.89 Inhaltlich ist der Anspruch auf Ersatz jedes kausal auf den falschen Angaben beruhenden Schadens gerichtet.90 Die Gesellschaft ist so zu stellen, wie sie bei Richtigkeit der Angaben stünde, und nicht etwa so, wie sie stünde, wenn die falschen Angaben nie gemacht worden wären.91 Gegenüber der Haftung wegen falscher Angaben gemäß § 9a Abs. 1 GmbHG sind Ansprüche nach Abs. 2 der Norm subsidiär.92 Allerdings verfolgt letzterer nicht den Zweck der Sicherstellung ordnungsgemäßer Angaben bzgl. der Eintragung, so dass auch Schädigungen nach der Eintragung relevant sind.93 Außerdem stellt § 9a Abs. 2 GmbHG ein eigenes Verschuldenserfordernis auf, für das nicht die Beweislastumkehr des § 9a Abs. 3 GmbHG gilt. Die Durchsetzung der Ersatzansprüche gemäß § 9a GmbHG seitens der Gesellschaft sicherstellen soll § 9b Abs. 1 GmbHG. Aus diesem Grund untersagt er der GmbH einen Verzicht auf oder Vergleich über diese Ansprüche unter bestimmten Umständen. Die Norm dient gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GmbHG ausdrücklich dem Schutz der Gläubiger und nicht dem der Gesellschaft oder der Gesellschafter.94 Eine ähnliche Anordnung wie § 9b Abs. 1 GmbHG, jedoch in Bezug auf die Einlageverpflichtung an sich und deshalb von wesentlich grundlegenderer Bedeutung95, trifft § 19 Abs. 2 GmbHG. § 19 GmbHG wird mit Fug und Recht als eine „Zentralnorm des Kapitalaufbringungsrechts“ 96 bezeichnet und spielt als solche 88

H.M., vgl. nur Michalski/Tebben, § 9a GmbHG Rn. 5 ff. m.w. N. Den Gläubigern können jedoch wegen falscher Angaben Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 82 Abs. 1 GmbHG oder gemäß § 826 BGB zustehen, vgl. Scholz/Winter/Veil, § 9a GmbHG Rn. 3; Ulmer/ders., § 9a GmbHG Rn. 2, 59 f. 90 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1998, 42 (44); Rowedder/Schmidt-Leithoff/SchmidtLeithoff (4. Aufl.), § 9a Rn. 17. 91 Vgl. Michalski/Tebben, § 9a GmbHG Rn. 26. 92 Vgl. Michalski/Tebben, § 9a GmbHG Rn. 30; Roth/Altmeppen, § 9a GmbHG Rn. 18. 93 Vgl. Michalski/Tebben, § 9a GmbHG Rn. 31. 94 Vgl. Begründung des Reformentwurfs von 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 36. 95 Scholz/U. H. Schneider/Westermann, § 19 GmbHG Rn. 29, bezeichnet § 19 Abs. 2 GmbHG als „den Grundpfeiler des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung“. 96 Vgl. Schmidt, GesR, § 37 II 1, S. 1113. In diese Richtung auch schon RGZ 149, 193 (301); BGHZ 28, 77 (78). 89

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eine gewichtige Rolle im Gesamtsystem der GmbH-Finanzverfassung. Während Abs. 1 nur das Innenverhältnis der Gesellschafter betrifft und deshalb bei den folgenden Ausführungen außer Betracht bleiben kann97, dienen die Absätze 2 bis 5 der Sicherung und Beitreibung der nach der Gründung noch offenen Einlageschulden98. Die Vorschrift normiert allerdings, anders als das Aktienrecht in den §§ 54, 185 AktG, keinen gesetzlichen Anspruch der Gesellschaft auf Erbringung der Einlageleistungen; dieser Anspruch ergibt sich im Fall der GmbH allein aus der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Gesellschafter.99 Als vornehmlich dem Gläubigerschutz dienende Vorschriften sind die Absätze 2 bis 5 selbstverständlich zwingendes Recht.100 Ihrer allgemeinen Bedeutung entsprechend gelten ihre Anordnungen nicht nur im Falle der Gründung der Gesellschaft, sondern auch für spätere Kapitalerhöhungen – unabhängig von der Existenz expliziter Verweisungen.101 Die Vorschrift des § 19 GmbHG ist durch das MoMiG grundlegend reformiert worden. Um die Hintergründe dieser Reformen zu verdeutlichen, wird in der Folge zunächst die Rechtslage vor dem MoMiG dargestellt. Diese ist für Altfälle teilweise nach wie vor von Relevanz. Die Darstellung des neuen, nunmehr geltenden Rechts erfolgt, wie bereits eingangs erwähnt, zusammenhängend unten unter § 7 I. § 19 Abs. 2 GmbHG a. F. verbietet jede rechtsgeschäftliche Befreiung der Gesellschafter von ihrer Einlagepflicht, es sei denn sie beruhte auf Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB.102 Gemeint sind hiermit neben dem Erlass der Einlageforderung auch ihre Stundung und eine Aufrechnung gegen sie. Zulässig ist ein teilweiser Verzicht im Wege des Vergleichs gemäß § 779 BGB, allerdings auch nur dann, wenn eine echte Rechtsunsicherheit durch beiderseitiges Nachgeben beseitigt wird.103 Nur stark eingeschränkt zulässig ist die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bezüglich des Gegenstandes einer Sacheinlage. Über ihren 97 Bezugnahmen auf § 19 GmbHG ohne Absatzangabe betreffen also in den folgenden Ausführungen nur die Absätze 2 bis 5, wenn und soweit nicht explizit auch § 19 Abs. 1 GmbHG genannt wird. 98 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 1. 99 Vgl. Scholz/U. H. Schneider/Westermann, § 19 GmbHG Rn. 8; Ulmer/ders., § 19 GmbHG Rn. 8. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich demnach für neu gegründete Gesellschaften aus dem Gesellschaftsvertrag, im Falle einer Kapitalerhöhung aus dem entsprechenden Übernahmevertrag gemäß § 55 Abs. 1 GmbHG. In Spanien ist die Rechtslage insoweit vergleichbar mit der deutschen, während das französische GmbH-Recht einen gesetzlichen Einlageanspruch der Gesellschaft vorsieht. 100 Vgl. Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 1. 101 Vgl. RGZ 62, 425 (426); RG JW 1938, 1400; Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 7 m.w. N. Eine explizite Verweisung findet sich nur bezüglich § 19 Abs. 5 GmbHG in § 56 Abs. 2 GmbHG. 102 Vgl. Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 46. 103 Vgl. Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 71 ff.; Scholz/U. H. Schneider/Westermann, § 19 GmbHG Rn. 50.

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Wortlaut hinaus findet diese Bestimmung des § 19 Abs. 2 S. 3 GmbHG a. F. gemäß ihrem Sinn und Zweck auch auf Bareinlagen Anwendung.104 Ebenfalls unzulässig sind sonstige Schwächungen der Einlageansprüche der Gesellschaft, etwa durch Umwandlung in eine einfache schuldrechtliche Forderung.105 In sachlicher Hinsicht erfasst die Vorschrift neben der eigentlichen Einlageforderung auch all jene Ansprüche, die dem Zweck der Aufbringung des Stammkapitals dienen, insbesondere Haftungsansprüche gemäß §§ 9, 11 GmbHG und Sekundäransprüche im Zusammenhang mit der Einlageleistung.106 Sie ist jedoch andererseits auf Ansprüche in einem solch direkten Zusammenhang zur Kapitalaufbringung beschränkt: Sonstige Forderungen der Gesellschaft wie z. B. Aufgelder oder Nebenleistungen werden nicht erfasst, obwohl hierdurch der Gesellschaft Eigenkapital zufließt, was im Interesse der Gläubiger liegt. Dies deshalb, weil das Gesetz eben nicht das gesamte Eigenkapital zum Schutze der Gläubiger abzusichern sucht, sondern nur das statutarische Nominalkapital.107 Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 GmbHG ist die Nichtigkeit der betreffenden schuldrechtlichen Vereinbarung gemäß § 134 BGB. Auch Gesellschafterbeschlüsse in diese Richtung sind nichtig, die Einlageverpflichtung besteht unverändert weiter. § 19 Abs. 3 GmbHG a. F. regelt als Ausnahmevorschrift zu Abs. 2 die Befreiung von der Einlageverpflichtung im Fall der Kapitalherabsetzung. Die Gläubiger sollen grundsätzlich auf das im Handelsregister eingetragene Stammkapital vertrauen können, es ist der freien Disposition der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Eintragung entzogen. Dem Schutz dieses Gläubigervertrauens dient § 58 GmbHG mit seinen Verfahrens- und Publizitätsvorschriften ebenso wie das grundsätzliche Erlassverbot des § 19 Abs. 2 GmbHG. Sind allerdings die Voraussetzungen des § 58 GmbHG erfüllt, so ist dem Gläubigerschutz nach der gesetzlichen Interessenabwägung ausreichend Genüge getan, ein Erlass der Einlageforderung bis zu dem Betrag, um den das Stammkapital wirksam herabgesetzt wurde, gemäß § 19 Abs. 3 GmbHG deshalb zulässig. § 19 Abs. 4 GmbHG a. F. dient der Sicherung der Kapitalaufbringung bei der innerhalb von drei Jahren nach der Eintragung nachträglich entstandenen Einmann-GmbH. Hierfür statuiert er eine Pflicht zur vollständigen Einzahlung der noch offenen Geldeinlagen oder zur Stellung entsprechender Sicherheiten Er ist insofern als Ergänzung zu § 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG zu sehen, der die Einlageverpflichtung bei einer von Anfang an als solcher errichteten Einmann-GmbH re104 Vgl. RGZ 83, 268; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 GmbHG Rn. 37; Scholz/U. H. Schneider/Westermann, § 19 GmbHG Rn. 85. 105 Vgl. Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 59. 106 Vgl. Scholz/U. H. Schneider/Westermann, § 19 GmbHG Rn. 32. 107 Vgl. Michalski/Ebbing, § 19 GmbHG Rn. 51.

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gelt. Die Vorschrift dient dem Schutz der Gläubiger, ist also unabdingbar.108 Sie stellt einen Ausgleich dafür dar, dass in der Einmann-GmbH kein Mitgesellschafter gemäß § 24 GmbHG für eventuell nicht erbrachte Einlageleistungen einstehen kann. § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. schließlich soll die Einhaltung des für Sacheinlagen (und Sachkapitalerhöhungen) vorgeschriebenen förmlichen Verfahrens sicherstellen. Denn gerade Sacheinlagen stellen wegen der Möglichkeit der Überbewertung eine Gefahr für die reale Kapitalaufbringung und damit ein Risiko für die Gläubiger dar, dem der Gesetzgeber durch eine Vielzahl von Vorschriften zu begegnen sucht.109 In der Praxis werden immer wieder Gestaltungsmöglichkeiten gesucht, um dieses strenge Verfahren zu umgehen. Solchen Bestrebungen soll dadurch ein Riegel vorgeschoben werden, dass in § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. angeordnet wird, dass Sachleistungen nur dann von der Einlagepflicht befreien können, wenn sie unter Beachtung der entsprechenden Sacheinlagevorschriften, insbesondere des § 5 Abs. 4 GmbHG, vereinbart und erbracht wurden; andernfalls besteht die Einlageverpflichtung fort. Insbesondere untersagt § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. deshalb eine Sachleistung an Erfüllungs Statt i. S. d. § 364 BGB zur Erfüllung einer Bareinlageverpflichtung.110 Das gleiche gilt in entsprechender Anwendung der Vorschrift für aliudLeistungen auf wirksam vereinbarte Sacheinlagen.111 Außerdem wird das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 GmbHG ergänzt und verschärft, indem sowohl der Gesellschaft als auch dem Gesellschafter untersagt wird, Vergütungsansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft für die Überlassung von Vermögensgegenständen an letztere gegen die Bareinlageforderung der Gesellschaft aufzurechnen oder beide Forderungen vertraglich miteinander zu verrechnen (sog. „verschleierte Sachübernahme“).112 Sinn dieser Regelung ist zunächst – parallel zu § 19 Abs. 2 GmbHG – die Sicherstellung der realen Kapitalaufbringung zum Schutz der Gläubiger. Sie ist deshalb zwingender Natur.113 Daneben bezweckt sie aber auch speziell die Absicherung des formellen Verfahrens für Sacheinlagen gegen allfällige Umgehungsstrategien. Dementsprechend gilt § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. selbst dann, wenn eine ohne Einhaltung dieses Verfahrens 108

Vgl. Scholz/U. H. Schneider/Westermann, § 19 GmbHG Rn. 91. Vgl. die obigen Ausführungen insbesondere zu §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 3, 9, 9c GmbHG. 110 Vgl. Scholz/U. H. Schneider/Westermann, § 19 GmbHG Rn. 102 f. 111 Vgl. Ulmer/ders., § 19 GmbHG Rn. 96. Nicht von § 19 Abs. 5 GmbHG erfasst wird allerdings der Fall, dass der Gesellschafter anstelle einer wirksam vereinbarten Sacheinlage seine Einlage in bar erbringt, da insoweit keine Gläubigergefährdung droht, vgl. Michalski/Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 115. 112 Vgl. Michalski/Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 130; Scholz/U. H. Schneider/ Westermann, § 19 GmbHG Rn. 117. 113 Vgl. Ulmer/ders., § 19 GmbHG Rn. 87. 109

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erbrachte Sacheinlage werthaltig ist, obgleich in diesem Fall kein Risiko für die Gesellschaftsgläubiger besteht.114 Andererseits ist eine Aufrechnung nicht generell unzulässig, sondern eben nur dann, wenn sie unter Missachtung des Verfahrens der §§ 5 Abs. 4, 56 Abs. 1 GmbHG erfolgt. Eine der wohl am lebhaftesten diskutierten Fragen des Kapitalschutzrechts der GmbH war vor Inkrafttreten des MoMiG die nach der (analogen) Anwendung des § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. auf vom Wortlaut nicht erfasste Umgehungstatbestände, insbesondere wirtschaftliche Sachleistungen trotz vereinbarter Bareinlagepflicht (sog. „verdeckte“ oder „verschleierte Sacheinlagen“).115 Auf die verschiedenen Meinungen und Argumente dieser seit mehr als zwei Jahrzehnten leidenschaftlich geführten Diskussion braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden; die hierzu veröffentlichten Beiträge sind Legion116, und die Diskussion hat sich durch die gesetzliche Fixierung der verdeckten Sacheinlage durch das MoMiG erledigt. Deshalb möge der Hinweis genügen, dass die herrschende Meinung aus Gründen des Gläubigerschutzes jedenfalls in gewissen Fällen eine analoge Anwendung für zulässig und geboten hält. Namentlich sind dies bestimmte Konstellationen des so genannten „Hin- und Herzahlens“ 117 und des „Schütt-aus-Hol-zu114 Vgl. BGHZ 113, 335 (343); Michalski/Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 109; Ulmer/ders., § 19 GmbHG Rn. 96. 115 § 19 Abs. 5 GmbHG erfasst nach seinem Wortlaut Fälle, wo ein Sachwert unmittelbar als Einlage erbracht wird, aber gegen das Verfahren für Sacheinlagen verstoßen wird, bzw. wo eine Bareinlageforderung mit einer Vergütungsforderung für die Überlassung von Vermögensgegenständen an die Gesellschaft aufgerechnet wird. Der Begriff „verdeckte Sacheinlage“ bezeichnet demgegenüber eine Aufspaltung des wirtschaftlich einheitlichen Vorganges der Sacheinlage in eine Bareinlage und ein schuldrechtliches Gegengeschäft, etwa einen Kaufvertrag. Es wird also zunächst vereinbarungsgemäß eine Bareinlage geleistet, das entsprechende Geld aber unmittelbar, wie vorher geplant, wieder an den Gesellschafter als Gegenleistung für einen Sachwert ausgeschüttet. Vgl. BGH NJW 1982, 2444 (2446); Raiser/Veil, § 26 Rn. 69. 116 Vgl. die umfangreichen Nachweise in der Kommentarliteratur, z. B. Michalski/ Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 142 f., insbesondere Fn. 270; Scholz/Winter/Westermann, § 5 GmbHG Rn. 76, Fn. 221 f.; Ulmer/ders., § 19 GmbHG Rn. 118 ff.; sowie zuletzt im Hinblick auf die Reformen des MoMiG Wirsch, GmbHR 2007, 736. Siehe auch den Rechtsprechungsüberblick bei Bayer, GmbHR 2004, 445. 117 Dies sind Fälle, wo eine Geldforderung des Gesellschafters, etwa bzgl. der Gegenleistung für die Übereignung von Vermögensgegenständen im Rahmen eines Kaufvertrages, der Bareinlageforderung der Gesellschaft gegenübersteht, und wo anstelle einer Aufrechnung zunächst die eine Forderung beglichen wird und zeitnah danach die Gegenforderung. Im Ergebnis erhält die Gesellschaft damit nur die übereignete Sache. Vgl. nur BGHZ 132, 135. Ausführlich Michalski/Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 143; Ulmer/ders., § 19 GmbHG Rn. 118 ff., beide m.w. N. Zur Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf in ein Cash-Pool-System einbezogene Gesellschaften zuletzt BGHZ 166, 8. Vielfach wird das Hin- und Herzahlen auch als eigene Fallgruppe neben der verdeckten Sacheinlage angesehen und erfasst dann nur Gestaltungen, in denen die Gesellschaft die als Bareinlage geleisteten Mittel nicht als Gegenleistung für die Übereignung einer Sache, sondern aus anderen Gründen, insbesondere als Darlehen, wieder an den Gesellschafter auskehrt. Solche Gestaltungen führen lt. Rspr. ebenfalls dazu, dass die Einlage-

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rück-Verfahrens“ 118. Die Folge ist, dass die Bareinlageschuld als nicht erfüllt gilt, unabhängig von der Werthaltigkeit der erbrachten Sachleistung.119 Der Gesellschafter muss also seine Bareinlage vollständig erneut erbringen bzw. nach neuerer Rechtsprechung120 den eingebrachten Sachwert erneut als nunmehr offen gelegte und ordnungsgemäß auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfende Sacheinlage leisten. Abgerundet wird das gesetzliche System der Sicherung der realen Kapitalaufbringung durch die §§ 20–25 GmbHG. Der Gesetzgeber ist bestrebt, eine schnelle Erfüllung der Einlageverpflichtungen zu gewährleisten, damit der Gesellschaft möglichst bald das Stammkapital in voller Höhe zufließt. Die Gesellschafter sollen zu einer umgehenden Leistung angehalten werden, indem § 20 GmbHG ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Einlageforderung eine Rechtspflicht des Gesellschafters zur Zahlung von Verzugszinsen anordnet. Eine noch stärker disziplinierende Wirkung geht von den Anordnungen des § 21 GmbHG aus, der nach vorheriger Androhung mit Nachfristsetzung (Abs. 1) die Kaduzierung vorsieht (Abs. 2), also den Ausschluss des säumigen Gesellschafters aus der Gesellschaft durch Entziehung des Geschäftsanteils unter Verlust der bereits geleisteten Einlagen.121 Der ausgeschlossene Gesellschafter haftet der Gesellschaft gemäß § 21 Abs. 3 GmbHG zudem auch weiterhin für die Ausfälle, die sie wegen der Nichtleistung auf die fällige Einlageforderung und wegen später eingeforderter Einlagen auf den betroffenen Geschäftsanteil erleidet. Diese Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Nicht(mehr)gesellschafters für offene Einlageforderungen zeigt die überragende Bedeutung, die das Gesetz dem Stammkapital als Garantie für die Gläubiger beimisst. Allerdings wird die Haftungssanktion da-

schuld als nicht erfüllt anzusehen ist, vgl. jüngst BGHZ 165, 113. Näher Ulmer/ders., § 19 GmbHG Rn. 123 ff. Diese Abgrenzung von verdeckter Sacheinlage und Hin- und Herzahlen hat sich der Gesetzgeber des MoMiG in § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG n. F. zu Eigen gemacht, vgl. näher unten, § 7 I. 1. b) aa) (2). 118 Damit gemeint sind verschiedene Verfahrensweisen, die jedoch alle darauf hinauslaufen, dass die Gesellschaft Eigenkapital (etwa Rücklagen) an den Gesellschafter ausschüttet, das letzterer ihr dann umgehend wieder zur Verfügung stellt – sei es als Eigenkapital oder in Form eines Gesellschafterdarlehens. Geschieht diese Rückführung an die Gesellschaft in Einlageform, z. B. im Zuge einer Kapitalerhöhung, kann § 19 Abs. 5 GmbHG unter Umständen analoge Anwendung finden. Vgl. BGHZ 113, 335; Michalski/Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 146. Siehe auch jüngst das Urteil BGH ZIP 2006, 1633 (1634) = NJW-RR 2006, 1630 = NZG 2006, 716, wo es um ein Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter zur Finanzierung von dessen Einlageleistung ging (sog. „Her- und Hinzahlen“), was ebenfalls nicht als wirksame Erfüllung der Einlageschuld anzusehen ist. 119 Vgl. nur BGHZ 145, 150; 132, 141; BGH GmbHR 2003, 1051; sowie ausführlich Brandner, in: FS Boujong (1996), S. 37 (45). 120 Vgl. BGHZ 155, 329 (339 f.). 121 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 21 GmbHG Rn. 1, 7 ff.; Rowedder/SchmidtLeithoff/Schmidt-Leithoff (4. Aufl.), § 21 GmbHG Rn. 2.

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durch abgemildert, dass es sich um eine bloß subsidiäre Ausfallhaftung handelt.122 Die Gesellschaft muss nämlich zunächst versuchen, die offene Einlageforderung anderweitig einzutreiben. Dies kann durch Rückgriff auf die Rechtsvorgänger des Ausgeschiedenen gemäß § 22 GmbHG geschehen. Diese haften folglich vorrangig vor dem kaduzierten Gesellschafter, und zwar in umgekehrter Reihenfolge der Chronologie des jeweiligen Erwerbs des Geschäftsanteils (sog. „Staffelregress“)123, § 22 Abs. 2 GmbHG. Jeder, der einmal Inhaber eines Geschäftsanteils war, für den die entsprechende Stammeinlage nicht voll erbracht wurde, bleibt somit zum Zwecke der Sicherung der Kapitalaufbringung bis zur vollständigen Erfüllung der Einlageverpflichtung in der Finanzierungsverantwortung.124 Ebenfalls vorrangig vor der Ausfallhaftung des Kaduzierten, aber erst nach erfolgloser Inanspruchnahme der Rechtsvorgänger, kann die Gesellschaft gemäß § 23 GmbHG den Geschäftsanteil verwerten. Bleibt auch hiernach noch ein Teil der Einlageforderung offen, so greift letztendlich die Ausfallhaftung gemäß § 21 Abs. 3 GmbHG. Ist auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der §§ 21 bis 23 GmbHG die Einlageforderung noch nicht vollständig beglichen, so müssen als ultima ratio die übrigen Gesellschafter pro rata, also nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung, für den Fehlbetrag aufkommen, § 24 GmbHG. Denn zu einer endgültigen Nichtleistung eines Teilbetrags der Stammeinlage darf es nach der Konzeption des Gesetzgebers unter keinen Umständen kommen, das Stammkapital muss voll und ganz aufgebracht werden. Das Interesse der Gesellschafter an einer wirksamen Haftungsbeschränkung auf ihre jeweilige Stammeinlage wird insoweit gegenüber den Interessen von Gesellschaft und Gläubigern an der Aufbringung des Stammkapitals hintangestellt.125 Durch die Vorschrift des § 24 GmbHG wird die Kapitalaufbringung in bestmöglicher Weise sichergestellt: Schon die geringfügige Beteiligung eines einzigen solventen Gesellschafters führt dazu, dass Ausfälle der Einlageforderungen im Ergebnis nahezu ausgeschlossen sind.126 Dieser letzte Rettungsanker stellt eine Besonderheit des GmbH-Rechts dar und ist für ihren Charakter als Kapitalgesellschaft untypisch: Das Aktienrecht kennt eine Einstandspflicht der Aktionäre für Einlagen ihrer Mitgesellschafter nicht, selbst für Kommanditisten gibt es keine vergleichbare Ausfallhaftung.127 Ihre Rechtferti-

122 Vgl. Meyer-Landrut/Miller/Niehus, § 21 GmbHG Rn. 15; Michalski/Ebbing, § 21 GmbHG Rn. 142. 123 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 22 GmbHG Rn. 5; Scholz/Emmerich, § 22 GmbHG Rn. 8. 124 Vgl. Michalski/Ebbing, § 22 GmbHG Rn. 1. 125 Vgl. Roth/Altmeppen, § 24 GmbHG Rn. 1. 126 Vgl. Michalski/Ebbing, § 24 GmbHG Rn. 3. 127 Vgl. Michalski/Ebbing, § 24 GmbHG Rn. 3.

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gung findet diese Regelung jedoch darin, dass die GmbH stärker personenbezogen ist als die AG, andererseits aber keinen persönlich haftenden Gesellschafter wie die KG aufweist, weshalb ihre Gesellschafter eine Gesamtverantwortung zur vollständigen Aufbringung des Stammkapitals trifft.128 Zudem sind die Gründungshürden bei der GmbH niedriger als bei der AG, was eine höhere Missbrauchsanfälligkeit und damit gesteigerte Gläubigerrisiken nach sich zieht, denen durch die Ausfallhaftung entgegengewirkt wird.129 Ob die Haftung auf den Betrag der jeweiligen Stammeinlage oder den des Stammkapitals begrenzt ist, ist umstritten; die wohl (noch) vorherrschende Meinung in der Literatur nimmt eine Beschränkung auf den Betrag der Stammeinlage des Kaduzierten an.130 Ihre gläubigerschützende Wirkung können die §§ 20–24 GmbHG jedoch nur effektiv entfalten, wenn sie nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen. § 25 GmbHG ordnet folgerichtig an, dass es sich bei den §§ 21–24 GmbHG um zwingendes Recht handelt. Auch ohne diese ausdrückliche Regelung würde sich jedoch der zwingende Charakter bereits aus dem Schutzzweck der Vorschriften zugunsten der Gesellschaftsgläubiger ergeben. Ebenfalls unabdingbar ist deshalb der nicht in § 25 GmbHG genannte § 20 GmbHG.131 An einer auf den ersten Blick etwas überraschenden Stelle schließlich findet sich eine weitere Vorschrift, die der realen Kapitalaufbringung dient: § 33 Abs. 1 GmbHG. Überraschend deshalb, weil die §§ 30 ff. GmbHG das Herzstück der Kapitalerhaltungsregeln darstellen.132 Die Norm setzt voraus, dass die Gesellschaft grundsätzlich ihre eigenen Anteile erwerben darf 133, untersagt den Erwerb oder die Annahme als Pfand aber, wenn die entsprechenden Einlagen noch nicht vollständig geleistet wurden. Denn im Fall des Erwerbs würde die noch offene Einlageforderung der Gesellschaft durch Konfusion erlöschen. Der Gesellschaft würden damit in Verletzung des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung keine Vermögenswerte in Höhe der Stammkapitalziffer zugeführt. Die Einbeziehung der Inpfandnahme eigener Anteile soll mögliche Umgehungen des Erwerbsverbotes verhindern.134 Aufgrund ihrer kapital-, also insbesondere gläubigerschützenden Zielrichtung ist die Norm zwingend und selbst dann anwendbar, wenn nur durch den Erwerb seitens der Gesellschaft schwerer Schaden von dieser

128

Vgl. Ulmer/ders., § 24 GmbHG Rn. 1 f. Vgl. Meyer-Landrut/Miller/Niehus, § 24 GmbHG Rn. 1; Roth/Altmeppen, § 24 GmbHG Rn. 1. 130 Ausführlich Michalski/Ebbing, § 24 GmbHG Rn. 60 ff., der die Gegenansicht vertritt, m.w. N. 131 Vgl. Michalski/Ebbing, § 25 GmbHG Rn. 1 f. 132 Zu diesen unten, § 4 I. 4. 133 Vgl. Michalski/Sosnitza, § 33 GmbHG Rn. 1. 134 Zu letzterem vgl. Begründung des Reformentwurfs von 1977, BT-Drucks. 8/ 1347, S. 41. 129

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abgewendet werden kann.135 Rechtsfolge eines Verstoßes ist die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB sowohl des Verpflichtungs- als auch des Verfügungsgeschäftes, eine nachträgliche Heilung durch vollständige Leistung der Einlage ist ausgeschlossen.136 Zusätzlich zu den gesetzlich geregelten Instrumenten ist die Sicherung der Kapitalaufbringung auch von der Rechtsprechung weiterentwickelt worden. Unter anderem hat sie ein eigenständiges Haftungsinstitut geschaffen, die so genannte Vorbelastungshaftung.137 Dieses Institut betrifft die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft, also im Stadium zwischen notarieller Errichtung der GmbH und ihrer Eintragung im Handelsregister.138 Bereits in dieser Gründungsphase wird das Stammkapital häufig angegriffen, etwa um daraus die Kosten der Gründung zu bestreiten, um Investitionen für die Aufnahme der Geschäftstätigkeit zu tätigen oder auch aufgrund von Verlusten aus der bereits aufgenommenen Geschäftstätigkeit. Zum Zeitpunkt der Eintragung der GmbH muss das Stammkapital jedoch unversehrt und vollständig der Gesellschaft zur Verfügung stehen, um der ihm vom Gesetzgeber zugedachten Garantiefunktion139 zugunsten der Gläubiger gerecht werden zu können. Deshalb müssen laut inzwischen gefestigter Rechtsprechung die Gesellschafter diese Vorbelastungen des Stammkapitals ausgleichen.140 Die Haftung entsteht mit dem Zeitpunkt der Eintragung141 und ist der Höhe nach unbegrenzt, da sie alle Vorbelastungen umfasst, soweit sie eine Unterbilanz begründen.142 Jedoch haftet jeder Gesellschaf135 Vgl. BGH NJW 1956, 1326 (1328); Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 33 GmbHG Rn. 1, 3. 136 Vgl. Michalski/Sosnitza, § 33 GmbHG Rn. 16, 18 m.w. N. 137 Auch Unterbilanz- oder früher Differenzhaftung genannt. Vgl. ausführlich und m.w. N. Ulmer/ders., § 11 GmbHG Rn. 98 ff. 138 Vgl. BFH BB 1990, 193; Michalski/ders./Funke, § 11 GmbHG Rn. 129 ff. 139 Eine effektive Garantiefunktion des Stammkapitals bezweifelnd, deshalb dessen Bezeichnung als „Garantieziffer“ ablehnend und den Begriff „dem Gläubigerschutz dienende Sollgröße“ bevorzugend Michalski/Zeidler, § 5 GmbHG Rn. 8; Scholz/Winter/ Westermann, § 5 GmbHG Rn. 9. Ungeachtet der unten, § 10 II. 1. b), näher ausgeführten Berechtigung dieser Kritik ist dem Stammkapital allerdings nichtsdestoweniger eine Garantiefunktion durch den Gesetzgeber zumindest theoretisch zugedacht. 140 BGH NJW 1981, 1373 ff. Diese Haftung wurde ursprünglich aus § 11 Abs. 2 GmbHG abgeleitet, hat jedoch seither grundlegende inhaltliche Änderungen erfahren und sich von dieser gesetzlichen Grundlage völlig emanzipiert. Vgl. Michalski/ders./ Funke, § 11 GmbHG Rn. 130. 141 Bereits vor der Eintragung trifft die Gründer eine prinzipiell inhaltsgleiche so genannte „Verlustdeckungshaftung“ gegenüber der Vorgesellschaft, die mit der Eintragung in der Vorbelastungshaftung aufgeht. Im Fall des endgültigen Scheiterns der Eintragung ist sie jedoch auf die Verluste beschränkt, die nach Verbrauch des Stammkapitals verbleiben, vgl. BGHZ 134, 333 (336 ff.); Michalski/ders./Funke, § 11 GmbHG Rn. 66; Ulmer/ders., § 11 GmbHG Rn. 119 ff. 142 Allerdings bleiben nach h. M. entsprechend § 26 Abs. 2 AktG solche Vorbelastungen unberücksichtigt, die auf der statutarisch vereinbarten Übernahme des Gründungsaufwandes in angemessener Höhe durch die Gesellschaft beruhen. Daneben ist

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ter nur im Verhältnis seiner Beteiligung an der Gesellschaft, und es handelt sich auch nicht um eine Außenhaftung gegenüber den Gläubigern; anspruchsberechtigt ist vielmehr nur die GmbH selbst.143 Dieses Konzept der unbeschränkten, anteiligen Innenhaftung der Gesellschafter ist heute herrschende Meinung144, wenn auch nicht frei von grundlegender Kritik, auf die aber – soweit sie sich auf die inhaltliche Ausgestaltung der Haftung145 und nicht auf die Frage der Berechtigung einer Einstandspflicht der Gesellschafter für Vorbelastungen überhaupt146 bezieht – nicht weiter eingegangen werden soll, da es sich nur um einen Randaspekt des hier untersuchten Themas handelt. 4. Kapitalerhaltung Ist das Stammkapital einmal aufgebracht und steht der Gesellschaft zur Verfügung, so ist damit seine Schutzfunktion keineswegs erfüllt, im Gegenteil beginnt sie eigentlich erst jetzt. Denn die Vielfalt an Kapitalaufbringungsregeln existiert nicht zu dem Zweck, die Anschubfinanzierung der Gesellschaft sicherzustellen. Vielmehr soll, wie schon verschiedentlich erwähnt, ein dauerhafter Garantiefonds zugunsten der Gläubiger geschaffen werden, der sie für die Abwesenheit persönlich haftender natürlicher Personen „entschädigt“.147 Deshalb sieht das Gesetz ein ausgefeiltes Instrumentarium vor, das das Gesellschaftsvermögen in Höhe des statutarischen Stammkapitals jedenfalls vor willkürlichen Schmälerungen schützt. Neben dem weit im Vordergrund stehenden Gläubigerschutz148 dienen die Kapitalerhaltungsvorschriften hierbei auch den Interessen der Gesellschaft sowie der Gesellschafter.149 Nicht zuletzt aus der die Belange aller Beteiumstritten, ob auch sonstige Wertverluste, die nicht auf der vorzeitigen Geschäftsaufnahme beruhen, von den Gesellschaftern auszugleichen sind oder nicht. Vgl. näher Ulmer/ders., § 11 GmbHG Rn. 106 f. m.w. N. 143 Vgl. BGH NJW 1996, 1210 ff.; NJW 1997, 1507 ff. Nur ausnahmsweise kommt eine Außenhaftung auch gegenüber den Gläubigern in Betracht, vgl. BGH NJW 1997, 1507 (1509); Michalski/ders./Funke, § 11 GmbHG Rn. 66. 144 Vgl. statt vieler nur referierend Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 11 GmbHG Rn. 17 m.w. N., der selbst allerdings für eine Außenhaftung plädiert. 145 Gestritten wird vor allem darüber, ob eine Außenhaftung der geltenden Innenhaftung vorzuziehen ist. Vgl. näher Michalski/ders./Funke, § 11 GmbHG Rn. 67 f.; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 11 GmbHG Rn. 19. 146 Dazu näher unten, § 4 II. 2. f) und § 11 II. 2. c). 147 Das Stammkapital als gläubigerschützender Garantiefonds wird in Deutschland nach wie vor vielfach mit rechtsethischer Absolutheit als denknotwendige Voraussetzung für eine Rechtfertigung des Haftungsprivilegs angesehen, vgl. schon oben, § 4 I. 1.; sowie aus dem Schrifttum beispielhaft Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 1; Michalski/Heidinger, § 30 Rn. 1. Zur eingeschränkten aber dennoch grundsätzlich verbleibenden Tragfähigkeit dieser Sichtweise s. unten, § 10 II. 1. b) und 3. 148 Vgl. nur Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335 (349). 149 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 GmbHG Rn. 3; Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 1.

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ligten in den Blick nehmenden Zielrichtung folgt, dass dieser Regelungskanon gemeinsam mit den Kapitalaufbringungsvorschriften die überragende Stellung im System der GmbH-Finanzverfassung einnimmt. Die Grundnorm des Kapitalerhaltungsrechts ist § 30 GmbHG. Er weist in seinem ersten Absatz der Stammkapitalziffer die Funktion einer „Staumauer“ 150 zu, die Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter aufgrund ihrer Gesellschafterstellung nur zulässt, wenn auch nach der Ausschüttung noch Vermögenswerte mindestens in der Höhe des Stammkapitals vorhanden sind (Grundsatz der Unersetzlichkeit des Stammkapitals151). Dieses Prinzip der Kapitalerhaltung als Fortführung des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung bezieht sich, ebenso wie letzterer, nur auf das statutarische Nominalkapital, nicht etwa auf Rücklagen oder sonstiges Eigenkapital152 der Gesellschaft, deren Ausschüttung grundsätzlich im Ermessen der Gesellschafter liegt. Ebenso wenig wird den Geschäftsführern der Gesellschaft durch § 30 Abs. 1 GmbHG aufgetragen, nur mit über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenem Kapital zu wirtschaften: Das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen wird nicht gegen seine Aufzehrung im Geschäftsablauf geschützt, sondern nur gegen die Rückerstattung an die Gesellschafter.153 Trotz dieser Einschränkungen ist § 30 Abs. 1 GmbHG ein zentraler Pfeiler des Gläubigerschutzsystems der GmbH.154 Die Gesellschafter können ihr „Versprechen“ an die Gläubiger, der Gesellschaft Kapital in der publizierten Höhe zuzuführen und dauerhaft als Haftungsmasse zu belassen, nicht einfach zurücknehmen und ihre Einlagen wieder abziehen. Auch Umgehungsfälle jenseits der offenen Ausschüttung sind hiervon erfasst, § 30 Abs. 1 GmbHG ist auf jede Verringerung des Gesellschaftsvermögens anwendbar.155 Allerdings kann daraus nicht der umgekehrte Schluss gezogen werden, die Gesellschafter seien im Interesse der Gläubiger dazu verpflichtet, die Gesellschaft insgesamt mit einem der Geschäftstätigkeit angemessenen Eigenkapital auszustatten156: Das Gläubigerschutzsystem der GmbH fußt auf dem Gedanken, dass das statutarische Nominalkapital – und eben nur dieses – den Gläubigern als Garantiesumme dient. Auch untersagt § 30 Abs. 1 GmbHG nicht die Rückgewähr eines bestimmten Einlagegegenstandes, sofern der Gesellschaft danach noch Vermögenswerte in Höhe des 150

Vgl. zu dieser Metapher bereits oben, 2. Teil Fn. 13. Vgl. Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 7. 152 Zu den Besonderheiten bei eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen s. unten, § 4 I. 5. 153 Vgl. Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 1. 154 Vgl. hierzu Fleck, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 391 ff.; Stimpel, ibid., S. 335 (336 f.); sowie Ulmer, ibid., S. 363. 155 Vgl. Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 7 f. 156 Vgl. BGHZ 127, 17, 23, 30. 151

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Nominalkapitals verbleiben. Denn anders als die Kapitalaufbringungsvorschriften, die die Erbringung der konkret geschuldeten Einlage sicherstellen sollen, zielen die Kapitalerhaltungsvorschriften nur darauf ab, den Verbleib irgendeiner das Stammkapital abdeckenden Vermögensmasse bei der Gesellschaft zu gewährleisten.157 Das Gesellschaftsvermögen wird also nicht in seiner spezifischen gegenständlichen Zusammensetzung, sondern nur seinem rechnerischen Wert nach geschützt158; wertneutrale Vermögensumschichtungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft sind im Hinblick auf § 30 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich unbedenklich. Auszahlungsfähig ist nach dem Gesagten folglich der Betrag, um den die Aktiva der Gesellschaft abzüglich aller echten Passiva einschließlich der Rückstellungen159 den Nennbetrag des Stammkapitals überschreiten. Dieser Betrag entspricht den frei verfügbaren Rücklagen und Gewinnvortragsposten in der Bilanz.160 Umgekehrt gesprochen sind alle Auszahlungen verboten, die eine Unterbilanz herbeiführen oder vertiefen, sowie unter Umständen auch solche, die selbst bilanzneutral sind, aber bei bestehender Unterbilanz vorgenommen werden.161 Maßgeblich für die Bewertung der Aktiva und Passiva sind hierbei die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze, zum Schutz der Gläubiger greift das Vorsichtsprinzip.162 Die Einzelheiten der Feststellung einer Unterbilanz sowie die Darstellung der Diskussionen um die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG auf diverse Umgehungskonstellationen würden den Rahmen und die Zielsetzung

157 H.M., vgl. nur Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 21 und 149 ff. m.w. N. Anders aber z. B. Barta, GmbHR 2005, 657 (659), der von den Kapitalerhaltungsregeln auch den Verbleib der konkreten Einlagegegenstände im Gesellschaftsvermögen geschützt sieht. Dies ist von Wortlaut und Sinn des § 30 Abs. 1 GmbHG nicht gedeckt. Nach h. M. ist eine Rückgewähr des Einlagegegenstandes ohne besondere gesetzliche Grundlage (z. B. Kapitalherabsetzung, Einziehung des Geschäftsanteils) zwar als Verstoß gegen die §§ 19 bis 25 GmbHG unwirksam, so dass der Gesellschaft ggf. Kondiktionsansprüche gegen den betreffenden Gesellschafter zustehen; vgl. hierzu etwa Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 GmbHG Rn. 21; Scholz/Westermann, § 30 GmbHG Rn. 7, 19; abweichend Roth/Altmeppen (6. Aufl.), § 30 GmbHG Rn. 14. Dieser gegenständliche Schutz wird jedoch nicht durch die Kapitalerhaltungsregeln bewirkt, sondern durch die Kapitalaufbringungsregeln. Umstritten ist allerdings, ob § 30 Abs. 1 GmbHG die (bilanzneutrale) Darlehensgewährung der Gesellschaft an den Gesellschafter aus gebundenem Vermögen untersagt. Die BGH-Rechtsprechung und weite Teile der Literatur bejahen dies, erweitern also den Schutzbereich des § 30 Abs. 1 GmbHG für solche aufsteigenden Darlehen zu einer gegenstands- bzw. liquiditätsbezogenen Kapitalerhaltung. Vgl. dazu unten, dieser Abschnitt am Ende; sowie zu der nunmehr vorgenommenen Korrektur durch das MoMiG unten, § 7 I. 1. b) bb). 158 Vgl. Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 29. 159 Vgl. Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rn. 8. 160 Vgl. Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rn. 9. 161 Näher zu solchen Sonderfällen Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 52 ff. 162 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 GmbHG Rn. 12.

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dieser Arbeit sprengen, beides ist in der Kommentarliteratur umfassend aufbereitet.163 Von der Unterbilanz zu unterscheiden ist die bilanzielle Überschuldung. Erstere bedeutet, wie schon gesagt, dass die buchmäßigen Aktiva nach Abzug der echten Passiva und der Rückstellungen nicht mehr das Stammkapital abdecken. Letztere hingegen liegt dann vor, wenn die echten Passiva (ohne Stammkapital und Rückstellungen) die Aktiva übersteigen.164 Eine Unterbilanz liegt also ab dem Zeitpunkt vor, wo das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft nicht mehr zur Deckung des Stammkapitals ausreicht, während eine bilanzielle Überschuldung erst dann anzunehmen ist, wenn das gesamte Nettoaktivvermögen aufgezehrt ist. Da im Fall der Überschuldung überhaupt kein Reinvermögen mehr vorhanden ist, das zum Schutze der Gläubiger erhalten werden könnte, war es lange Zeit fraglich, ob § 30 GmbHG dann noch anwendbar ist. Die heute herrschende Auffassung bejaht dies165: Der Schutz des § 30 GmbHG knüpfe nicht an eine gegenständlich vorhandene Haftungsmasse an, sondern an die bloße bilanzielle Rechengröße „Stammkapital“. Das zu ihrer Deckung notwendige Vermögen werde auch durch Ausschüttungen angegriffen, die eine Überschuldung herbeiführen oder vertiefen, und sei daher in diesem Stadium nicht weniger schutzwürdig als im Bereich der Unterbilanz.166 Rechtsfolge des § 30 Abs. 1 GmbHG ist ein Auszahlungsverbot. Das bedeutet unstreitig ein Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft, nach überwiegender Ansicht sogar eine Leistungsverweigerungspflicht167, welche erst dann endet, wenn das Stammkapital nachhaltig wiederhergestellt ist168. Für die Rückzahlung von Nachschüssen der Gesellschafter i. S. d. §§ 26–28 GmbHG stellt § 30 Abs. 2 163 Ausführlich z. B. Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 21 ff.; Scholz/Westermann, § 30 GmbHG Rn. 19 ff. 164 Vgl. Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 45. 165 Vgl. BGH NJW 1990, 1730 (1731 f.); aus der Literatur z. B. Rowedder/SchmidtLeithoff/Rowedder (4. Aufl.), § 30 GmbHG Rn. 12; Scholz/Westermann, § 30 GmbHG Rn. 18. 166 Vgl. Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 46 f. Insofern ist es nicht ganz präzise, davon zu sprechen, § 30 Abs. 1 GmbHG schütze das Nettoaktivvermögen in Höhe der Stammkapitalziffer, da die Vorschrift auch in Abwesenheit von Nettoaktivvermögen bzw. bei „negativem Nettoaktivvermögen“ eingreift. Treffender, wenn auch weniger eingängig, lässt sich der Schutzbereich dergestalt umreißen, dass § 30 Abs. 1 GmbHG Ausschüttungen verbietet, wenn und soweit das danach verbleibende Aktivvermögen der Gesellschaft die Passiva einschließlich des Stammkapitals nicht mehr deckt. Vgl. Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 28, der allerdings beide Formulierungen verwendet. 167 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 GmbHG Rn. 51; Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335 (356); ähnlich BGH NJW 1996, 1341; und Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rn. 153: § 30 Abs. 1 GmbHG als von Amts wegen zu beachtende Einwendung. Ausführlich zu den Rechtsfolgen, auch zu der Frage, ob § 30 Abs. 1 GmbHG ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB ist, Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 128 ff.; Scholz/Westermann, § 30 GmbHG Rn. 10 ff. 168 Vgl. Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 128.

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GmbHG über das Auszahlungsverbot gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG hinaus169 zusätzliche generelle Voraussetzungen auf. Dies zeigt die Zwischenstellung solcher Nachschüsse unter Gläubigerschutzgesichtspunkten: Einerseits dienen sie der Eigenkapitalbildung und sind damit unternehmerisches Risikokapital, ohne jedoch an der strengen Bindung des Stammkapitals im Hinblick auf Registerpublizität, Aufbringung und Erhaltung teilzunehmen. Andererseits sind sie Kapitalrücklagen i. S. d. § 266 Abs. 3 Posten A II HGB, können allerdings nicht frei zurückgezahlt werden, sondern nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 GmbHG.170 Nicht unter das Auszahlungsverbot gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG fällt grundsätzlich die Rückzahlung von Darlehen, die ein Gesellschafter zuvor der Gesellschaft zur Verfügung gestellt hatte. Denn es handelt sich nicht um eine Auszahlung aufgrund der Gesellschafterstellung, vielmehr tritt der Gesellschafter hier der Gesellschaft wie jeder Drittgläubiger gegenüber. Eine gewichtige Ausnahme davon galt bis zum MoMiG (und gilt weiterhin bei Altfällen) für so genannte „eigenkapitalersetzende Darlehen“. Hierauf soll weiter unten171 gesondert eingegangen werden. Bis zum Inkrafttreten des MoMiG umstritten war, wie der umgekehrte Fall einer Darlehensgewährung seitens der Gesellschaft an einen Gesellschafter bei bestehender Unterbilanz zu behandeln ist. Ein solcher Vorgang ist bilanzneutral, da der Mittelabfluss aus dem Gesellschaftsvermögen durch den Erwerb einer Rückzahlungsforderung gegen den Gesellschafter kompensiert wird. Der nominelle Wert des Gesellschaftsvermögens wird also nicht geschmälert, so dass teilweise bei marktüblicher Verzinsung und vollwertigem Rückzahlungsanspruch kein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG angenommen wurde.172 Die herrschende Meinung zum alten Recht ging demgegenüber von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit der Darlehensgewährung bei Vorliegen einer Unterbilanz aus.173 169

Auch die Rückzahlung von Nachschüssen darf also – wie jede Auszahlung an die Gesellschafter – gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG keine Unterbilanz herbeiführen oder vertiefen. Vgl. Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 113. 170 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 GmbHG Rn. 71; Michalski/Heidinger, § 30 GmbHG Rn. 218; Scholz/Westermann, § 30 GmbHG Rn. 44. 171 § 4 I. 5. 172 Vgl. Schneider, in: FS Döllerer (1988), S. 537 (543 f.). Ähnlich BGH NJW 1987, 1184 (1195); Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rowedder (4. Aufl.), § 30 GmbHG Rn. 19. 173 Vgl. BGHZ 81, 311 (320 f.); 157, 72 (75 f.). Aus dem Schrifttum grundlegend Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335 (347, 351 ff.); ebenso Michalski/Heidinger (1. Aufl.), § 30 GmbHG Rn. 49 f.; Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 49, jeweils m.w. N. Differenzierend Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 30 GmbHG Rn. 26, die eine Darlehensvergabe an Gesellschafter aus gebundenem Vermögen angelehnt an die für Drittgeschäfte üblichen Maßstäbe ausnahmsweise dann als zulässig ansehen wollten, wenn sie im vorrangigen Gesellschaftsinteresse liegt, die Bedingungen einem Drittvergleich standhalten und der Rückzahlungsanspruch unzweifelhaft werthaltig ist, also die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters völlig außer Frage steht

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Teilweise wurde zur Begründung § 43a GmbHG174 entsprechend angewandt.175 Jedenfalls bestehe bei Darlehensvergabe aus gebundenem Vermögen die Gefahr einer Aushöhlung der §§ 30, 31 GmbHG176: Ein Anspruch gegen einen Gesellschafter sei nämlich nicht als dem eingezahlten Kapital wirtschaftlich gleichwertig anzusehen, da durch die Auszahlung vorhandener Barmittel die Liquidität der Gesellschaft beeinträchtigt und die Zugriffsmöglichkeit der Gesellschaftsgläubiger verschlechtert werde177, wovon auch der Gesetzgeber in den §§ 7 Abs. 2, 19 Abs. 2, 31 Abs. 1 GmbHG offenkundig ausgehe.178 Es liege folglich in der Darlehensgewährung an einen Gesellschafter wegen des Abflusses von Barmitteln ohne gleichwertigen Ersatz eine gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlung. In untrennbarem Zusammenhang mit § 30 GmbHG steht die Vorschrift des § 31 GmbHG, weshalb beide normalerweise gemeinsam genannt werden, wenn vom Prinzip der Kapitalerhaltung die Rede ist. § 31 GmbHG regelt die Folgen eines Verstoßes gegen § 30 GmbHG. Das oben zum Anwendungsbereich des § 30 GmbHG gesagte gilt deshalb hier gleichermaßen. § 31 Abs. 1 GmbHG gewährt der Gesellschaft einen eigenständigen Erstattungsanspruch für Auszahlungen, die dem Verbot des § 30 GmbHG zuwider geleistet wurden. Ein solcher Anspruch liegt, wie das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG, in der Konsequenz des Einlageversprechens des Gesellschafters, das er im Interesse insbesondere der Gesellschaftsgläubiger nicht zurücknehmen darf. Der Anspruch kommt praktisch einem Wiederaufleben der Einlageschuld gleich.179 Deshalb können die §§ 19–25 GmbHG, obgleich nicht unmittelbar anwendbar, doch unter Umständen bei Interpretationsfragen argumentativ fruchtbar gemacht werden.180 Wenn auch kein Einlageanspruch, so ist der Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 oder die Rückzahlung durch werthaltige Sicherheiten gewährleistet ist. Diese Möglichkeit ausdrücklich offen lassend BGHZ 157, 72 (77). 174 Näher zu dieser Vorschrift sogleich, in diesem Abschnitt. 175 Vgl. Schneider, GmbHR 1982, 197 (201); Schmidt, GesR, § 37 III 1c; Scholz/ U. H. Schneider, § 43a GmbHG Rn. 63; Sotiropoulos, GmbHR 1996, 653 (655). Auf die „Wertung des § 43a“ verweisend Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 49. 176 Vgl. BGHZ 81, 311 (320 f.); 157, 72 (75 f.); sowie Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 49, der allerdings „einen gewissen Wertungswiderspruch zu § 7 Abs. 2 S. 1 und 2 GmbHG“ konzediert. 177 Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 49 sieht in der Darlehensgewährung im Stadium der Unterbilanz eine unzulässige Aufhebung des „strukturellen Nachrangs der Gläubiger des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern“. 178 Auch die Regierungsbegründung zur Einführung des § 43a GmbHG lässt sich dahingehend interpretieren, dass § 30 Abs. 1 GmbHG solche Darlehen verbietet, vgl. Begründung des Reformentwurfs von 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 74. 179 Vgl. Scholz/Westermann, § 31 GmbHG Rn. 3; Ulmer/Habersack, § 31 GmbHG Rn. 2. 180 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 31 GmbHG Rn. 3; Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 26.

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GmbHG doch ein genuin gesellschaftsrechtlicher und nicht etwa ein Bereicherungsanspruch, so dass bereicherungsrechtliche Wertungen und Sonderregeln keine Anwendung finden.181 Umstritten ist die Frage, ob der Anspruch der Gesellschaft durch eine nachträgliche nachhaltige Beseitigung der Unterbilanz erlischt. In früheren Urteilen wurde dies vom BGH unter dem Gesichtspunkt der Zweckerreichung bejaht: Die Verpflichtung des Gesellschafters zur Erhaltung bzw. Wiederauffüllung des Stammkapitals entfalle dann, wenn der Gesellschaft hierfür ohnedies wieder ausreichende Vermögenswerte zur Verfügung stehen.182 Nach anfänglicher breiter Zustimmung in der Literatur183 mehrten sich die kritischen Stimmen184, denen der BGH schließlich unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung gefolgt ist.185 Nunmehr ist also auch bei nachträglichem Entfallen der Unterbilanz von einem Weiterbestehen des Erstattungsanspruchs gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG auszugehen. Grund hierfür ist die funktionale Vergleichbarkeit dieses Anspruchs mit den ursprünglichen Einlageansprüchen der Gesellschaft; letztere entfallen auch nicht dadurch, dass das Stammkapital der Gesellschaft anderweitig als durch Einlageleistungen der Gesellschafter abgedeckt ist.186 § 31 Abs. 2 GmbHG statuiert eine Ausnahme von der Erstattungspflicht des Empfängers für den Fall, dass dieser sich in gutem Glauben befand. Allerdings gilt die Ausnahme – dem Sinn und Zweck der §§ 30, 31 GmbHG entsprechend – nur insoweit, als die Rückzahlung nicht zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.187 Guter Glaube bedeutet hierbei, in Anlehnung an die Grundsätze des § 932 Abs. 2 BGB und anders als in § 62 Abs. 1 S. 2 AktG, dass der Empfänger sich weder in Kenntnis noch in grob fahrlässiger Unkenntnis von den tatsächlichen Umständen befand, die die Auszahlung unzulässig i. S. d. § 30 GmbHG machten.188 Eine Rückerstattung ist dann zur Befriedigung der Gläubiger notwendig, wenn die Gesellschaft im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet oder nicht bloß vorübergehend zahlungsunfähig ist.189 181 Vgl. BGHZ 31, 258, 265; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 31 GmbHG Rn. 3. 182 Vgl. BGH NJW 1988, 139 f. 183 So z. B. Hachenburg/Goerdeler/Müller, § 31 GmbHG Rn. 24; Schmidt, GesR, § 37 III 2 b. 184 Vgl. Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 38 ff. m.w. N.; Ulmer, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 363 (385 ff.). 185 BGH GmbHR 2000, 771; BGH ZIP 2000, 1256; BGH NZG 2000, 888. Inzwischen ganz h. M., vgl. nur Ulmer/Habersack, § 31 GmbHG Rn. 28 f. m.w. N. 186 Vgl. Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 40. 187 Insoweit besteht eine Parallele zur Regelung in §§ 9b, 43 Abs. 3 GmbHG. 188 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 31 GmbHG Rn. 18; Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 47 ff. 189 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 31 GmbHG Rn. 19; Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 55.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

Eine wichtige Erweiterung erfährt der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft durch § 31 Abs. 3 GmbHG. Hiernach haften die Mitgesellschafter subsidiär und pro rata auf Rückzahlung, sofern der entsprechende Betrag von dem primär haftenden Empfänger nicht zu erlangen aber zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Fallen auch hierbei einzelne Gesellschafter aus, so haften wiederum die verbleibenden subsidiär. Diese verschuldensunabhängige190 Ausfallhaftung ist parallel zu § 24 GmbHG ausgestaltet und zeigt die enge Verwandtschaft des Erstattungsanspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG mit einem Einlageanspruch. Hier wie dort ist die Frage einer betragsmäßigen Begrenzung der Ausfallhaftung umstritten.191 Eine unbegrenzte Haftung192 ist in beiden Fällen als zu weitgehende Aushöhlung des Haftungsprivilegs abzulehnen.193 Eine Begrenzung auf den Betrag der betroffenen Stammeinlage194 – wie bei § 24 GmbHG – wird jedoch dem spezifischen Gläubigerschutzzweck des § 31 Abs. 3 GmbHG nicht gerecht: Hier soll nicht die Aufbringung einer bestimmten Stammeinlage sichergestellt werden, sondern das zur Abdeckung des gesamten Stammkapitals notwendige Vermögen gegen Ausschüttung geschützt werden. Deshalb geht die herrschende Meinung von einer Begrenzung der Ausfallhaftung auf den Nennbetrag des Stammkapitals aus.195 Für die Ansprüche der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 bis 3 GmbHG gilt gemäß Abs. 4 der Vorschrift ein generelles Erlassverbot, das zum Schutze der Gläubiger auch vergleichbare Umgehungsgeschäfte umfasst, sowie gemäß Abs. 5 grundsätzlich eine Verjährungsfrist von 5 Jahren.196 Außerdem gewährt § 31 Abs. 6 GmbHG den Gesellschaftern, die von der Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 190 Der BGH hat in der Vergangenheit eine summenmäßig unbegrenzte Schadensersatzhaftung der übrigen Gesellschafter angenommen, sofern die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 GmbHG vorliegen und der „ausfallhaftende“ Mitgesellschafter selbst schuldhaft, d.h. mindestens leicht fahrlässig, an der unzulässigen Auszahlung mitgewirkt hat. Vgl. BGHZ 93, 146 (149 f.); BGH NJW 1995, 1960; BGH NJW 1999, 2817. Eine solche Haftung widerspricht jedoch der Konzeption des § 31 Abs. 3 GmbHG als begrenzter, subsidiärer Ausfallhaftung und passt nicht in das abgestufte System der Kapitalerhaltungsvorschriften. Sie wird deshalb zu Recht in der Literatur überwiegend abgelehnt. Vgl. Ulmer, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 363 (373 ff.); sowie die umfangreichen Nachweise bei Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 76 f. 191 Vgl. oben, § 4 I. 3. b). 192 So für § 31 Abs. 3 GmbHG z. B. Fabritius, ZHR 144 (1980), 628 (635). 193 Ganz h. M., vgl. nur Schmidt, BB 1995, 529 (530); Ulmer, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 363 (371), jeweils m.w. N. 194 Vgl. Schmidt, BB 1985, 154 (157 f.); ders., BB 1995, 529 (531 f.). 195 Vgl. BGHZ 60, 324 (331); sowie Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 31 GmbHG Rn. 24; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 31 GmbHG Rn. 22; Michalski/ Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 71; alle m.w. N. In jüngerer Zeit wurde diese Frage vom BGH offen gelassen, vgl. BGH NJW 1990, 1730 (1732). 196 Zu den Problemen der Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 GmbHG durch die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist im Zuge der Schuldrechtsreform vgl. Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 95. Diese wurden durch das MoMiG behoben.

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GmbHG betroffen sind, gegen die verantwortlichen Geschäftsführer einen Regressanspruch. Es handelt sich um einen eigenständigen, verschuldensabhängigen197 Ersatzanspruch der subsidiär haftenden „übrigen Gesellschafter“.198 Anspruchsberechtigt ist also keinesfalls der Gesellschafter, der die unzulässige Auszahlung empfangen hat.199 Die Geschäftsführer haften auch nur für solche Beträge, die in Anwendung des § 31 Abs. 3 GmbHG gezahlt werden mussten, nicht, wie z. B. im Falle des § 43 Abs. 3 GmbHG, auf den ganzen Schaden. Für die Kapitalerhaltung nur am Rande relevant ist die Vorschrift des § 32 GmbHG. Sie verdeutlicht jedoch einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Kapitalschutz im GmbH- und dem im Aktienrecht und soll deshalb hier kurz erwähnt werden. Der Aktionär wird gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 AktG von jeder Rückerstattung gutgläubig bezogener Dividenden freigestellt. Bei der GmbH greift dieser Schutz gemäß §§ 31 Abs. 2, 32 GmbHG nur ein, soweit durch die Auszahlung nicht der Haftungsfonds für die Gläubiger – das zur Deckung des Stammkapitals nötige Gesellschaftsvermögen – angegriffen wurde. Der GmbHGesellschafter wird also den Gläubigern gegenüber stärker in die Pflicht genommen als der Aktionär, was aus der stärker personalisierten Struktur der GmbH herrührt. Dem Schutz des Stammkapitals vor Aufzehrung durch den Erwerb eigener Anteile dient § 33 Abs. 2 GmbHG. Anders als Abs. 1 der Vorschrift200, der der Kapitalaufbringung dient und den Erwerb eigener Anteile, auf die die Einlagen noch nicht vollständig geleistet wurden, kategorisch ausschließt, betrifft Abs. 2 nur Anteile, auf die die Einlagen bereits vollständig geleistet wurden. Deren Erwerb wird nicht generell verboten, sondern im Gegenteil sogar als grundsätzlich zulässig vorausgesetzt.201 Allerdings ist aus Gründen des Gläubigerschutzes die Grenze des Zulässigen dann überschritten, wenn durch den Erwerb oder die Bildung der gemäß § 272 Abs. 4 HGB vorgeschriebenen Rücklage das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen angegriffen wird. Rechtsfolge eines Verstoßes ist, anders als im Falle des § 33 Abs. 1 GmbHG, allein die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes, nicht auch die des dinglichen Erwerbs. In gleicher Weise wie auf den Erwerb eigener Anteile ist die Vorschrift auf die Inpfandnahme anwendbar. 197 Der Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG findet gemäß ausdrücklicher Verweisung in § 31 Abs. 6 S. 2 GmbHG Anwendung. Das Vorliegen eines die verbotswidrige Auszahlung anordnenden Gesellschafterbeschlusses exkulpiert den Geschäftsführer nicht ohne Weiteres. Vgl. Ulmer/Habersack, § 31 GmbHG Rn. 71, 73. 198 Vgl. Michalski/Heidinger, § 31 GmbHG Rn. 109 f. 199 Auch den anderen Gesellschaftern kann der Regressanspruch verwehrt sein, wenn seine Geltendmachung sich wegen deren Mitverantwortung für die vorherige Auszahlung als unzulässige Rechtsausübung darstellt, vgl. Roth/Altmeppen, § 31 GmbHG Rn. 22 ff.; Ulmer/Habersack, § 31 GmbHG Rn. 69. 200 Vgl. dazu bereits oben, § 4 I. 3. b). 201 Vgl. Michalski/Sosnitza, § 33 GmbHG Rn. 1.

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Flankiert und ergänzt werden die Bestimmungen zur Sicherung der Kapitalerhaltung durch § 34 Abs. 3 GmbHG, der besagt, dass auch Abfindungen für eingezogene Geschäftsanteile, also praktisch Ausschüttungen an ausscheidende Gesellschafter, den genannten Grenzen unterliegen. Solche Abfindungen dürfen mithin nur aus den nicht gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG gebundenen Mitteln gezahlt werden. Welchen Stellenwert der Gesetzgeber dem Schutz des Stammkapitals gemäß §§ 30 ff. GmbHG beimisst, zeigt die Regelung des § 43 Abs. 3 GmbHG. Dort wird die sich grundsätzlich schon aus der allgemeinen Vorschrift des § 43 Abs. 2 GmbHG ergebende Haftung der Geschäftsführer für Schäden der Gesellschaft aufgrund eines Verstoßes gegen die §§ 30, 33 GmbHG noch einmal explizit angeordnet und teilweise gegenüber der Haftung wegen sonstiger Pflichtverstöße verschärft. So ist gemäß § 43 Abs. 3 S. 2 i.V. m. § 9b Abs. 1 GmbHG ein Erlass solcher Ersatzansprüche oder ein Vergleich darüber unzulässig. Zudem steht dem Geschäftsführer für den Fall, dass die Ersatzleistung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, gemäß § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG ausnahmsweise nicht die Möglichkeit einer Haftungsbefreiung durch Berufung auf eine Weisung der Gesellschafter offen. Den bisher skizzierten Schutz des Stammkapitals weitet § 43a GmbHG auf Fälle aus, wo die Gesellschaft Kredite an bestimmte, zur umfassenden Vertretung nach außen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb befugte Nicht-Gesellschafter gewähren will, namentlich an Geschäftsführer, andere gesetzliche Vertreter, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte. Solche Kredite oder wirtschaftlich vergleichbare andere Geschäfte sind unzulässig, sofern die erforderlichen Mittel aus dem gebundenen, zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gewährt werden, § 43a S. 1 GmbHG. Die verbotswidrig gewährten Kredite sind schuldrechtlich und dinglich wirksam202, allerdings steht der Gesellschaft ein eigenständiger Rückgewähranspruch gegen den Empfänger zu, § 43a S. 2 GmbHG.203 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die betreffenden Personen, wenn auch gesellschaftsfremd, doch einen entscheidenden Einfluss auf die Kreditgewährung zu ihren Gunsten haben, so dass ein gesetzlicher Schutzmechanismus zur Wahrung der Gläubigerinteressen nötig ist. Es geht jedoch nicht, wie bei den meisten Kapitalerhaltungsregeln, um die rein rechnerische Erhaltung von Aktiva in Höhe des Stammkapitals, denn insoweit besteht wegen der Bilanzneutralität von Krediten keine Gefahr.204 Die potentielle Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen liegt vielmehr in dem Austausch der Aktiva: vorhandene Barmit202 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43a GmbHG Rn. 7; Michalski/ders., § 43a GmbHG Rn. 39, beide m.w. N. 203 Strittig ist, ob auch in diesem Zusammenhang der gutgläubige Empfänger gemäß § 30 Abs. 2 GmbHG analog privilegiert wird. Vgl. zu Streitstand und Nachweisen überblicksweise Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43a GmbHG Rn. 7. 204 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43a GmbHG Rn. 1.

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tel gegen einen Anspruch gegen den Kreditnehmer. Denn dieser Anspruch ist im Fall der Insolvenz des Letzteren wertlos.205 Allein diese abstrakte Gefährdung lässt der Gesetzgeber als Grund für das generelle Kreditverbot genügen, auf die tatsächliche Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs kommt es nach herrschender Ansicht nicht an.206 5. Eigenkapitalersatzrecht Eine Sonderstellung, die eine separate Erörterung rechtfertigt, nehmen die formal207 dem Kapitalerhaltungsregime zuzurechnenden Regeln des Eigenkapitalersatzrechtes ein.208 Dieses Gebiet ist zunächst von Rechtsprechung und Schrifttum in Anlehnung an die §§ 30, 31 GmbHG entwickelt worden, um eine Aushöhlung der strengen Kapitalschutzvorschriften zu verhindern.209 Die Ergebnisse dieser Rechtsfortbildung sollten im Zuge der GmbH-Reform von 1980 in den §§ 32a, 32b GmbHG in Gesetzesform gegossen werden, um ihnen ein festes dogmati205

Vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43a GmbHG Rn. 1. BGH NJW 2004, 1111; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43a GmbHG Rn. 1; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43a GmbHG Rn. 1; a. A. Scholz/U. H. Schneider, § 43a GmbHG Rn. 40 f. Zur vergleichbaren Problematik der Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG auf einen Kredit, den die Gesellschaft einem Gesellschafter aus gebundenem Vermögen gewährt, vgl. oben, § 4 I 4. 207 Formal deshalb, weil die Vorschriften des Eigenkapitalersatzrechts, die §§ 30, 31 GmbHG analog bzw. die §§ 32a, b GmbHG, ihrer systematischen Stellung nach dem Kapitalerhaltungsrecht zuzurechnen sind, aus dem die Materie ursprünglich entwickelt wurde. Inhaltlich erscheint diese Zuordnung jedoch nur im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Rechtsprechungsregeln passend. Die Rechtsfolgen der Novellenregeln stellen diese eher in einen insolvenzrechtlichen Kontext, und von den Voraussetzungen her mutet das gesamte Eigenkapitalersatzrecht wie eine Art Krisenhaftung der Gesellschafter an. Für die Darstellung der geltenden Regeln ist die systematische Einordnung jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Auf sie wird im Rahmen der Bewertung des bestehenden Systems und der Reformvorschläge kurz zurückgekommen, vgl. unten, § 11 IV. 1. 208 Eine eingängige Kurzzusammenfassung zu dieser Materie findet sich jüngst bei Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (373 ff.). Zur Entwicklung bis in die Mitte der neunziger Jahre vgl. auch Claussen, GmbHR 1996, 316 (317 ff.). Ausführlich Löwisch, Eigenkapitalersatzrecht (2007); sowie zuvor Heinert, Die Kritik am Eigenkapitalersatzrecht (2002). 209 Vgl. die Grundlegung in BGHZ 31, 258 („Flugtaxi“), sowie die vielfachen späteren judikativen Ergänzungen und Bestätigungen, insbesondere in BGHZ 67, 171; 75, 334; 76, 326; 90, 370; 90, 381. Schon das Reichsgericht hielt in einigen Entscheidungen die Finanzierung einer unterkapitalisierten GmbH durch Gesellschafterdarlehen für sittenwidrig und deren Rückzahlung innerhalb wie außerhalb des Konkurses deshalb für unzulässig, vgl. RG JW 1938, 862; RGZ 166, 51 (57). Parallel für die AG RG JW 1939, 355 (356). Ein Entwurf des Reichsjustizministeriums für eine GmbHG-Novelle von 1939 sah dementsprechend ein Rückzahlungsverbot im Konkurs vor, wenn die Gesellschafter statt der Darlehensgabe eine Kapitalerhöhung hätten vornehmen müssen. Vgl. zur historischen Entwicklung des deutschen Eigenkapitalersatzrechts auch Bayer/Graff, DStR 2006, 1654; Thiessen, DStR 2007, 202. 206

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sches Fundament zu geben.210 Dieser Versuch ist jedoch nach Ansicht von Rechtsprechung und herrschender Lehre missglückt211, so dass die auf §§ 30, 31 GmbHG basierenden Rechtsprechungsregeln parallel fortgalten und stetig weiterentwickelt wurden.212 Durch das MoMiG ist das Eigenkapitalersatzrecht schließlich weitgehend aufgehoben worden, worauf unten unter § 7 I. 1. b) cc) näher eingegangen wird. Im Folgenden wird gleichwohl der vor dem MoMiG geltende Rechtszustand dargestellt, um einerseits die Hintergründe der Reform verständlich zu machen und andererseits deren Bewertung zu ermöglichen. Zudem bleibt das alte Recht auf Altfälle anwendbar. Im Ergebnis ging die herrschende Meinung insoweit von einem zweistufigen Schutzsystem aus213, bei dem sich beide Ansätze überlagern und ergänzen, ohne sich in allen Punkten zu decken.214 Im Tatbestand stimmen sie weitgehend überein, die Unterschiede liegen vornehmlich in den Rechtsfolgen. Das genaue Verhältnis war bis zum MoMiG ungeklärt, doch ging die Tendenz in die Richtung, den Rechtsprechungsregeln die Funktion eines Grundschutzes bis zur Höhe der Stammkapitalziffer zuzuweisen, während die Vorschriften der §§ 32a, 32b GmbHG, die die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzen, insbesondere im darüber hinausgehenden Bereich von Bedeutung seien.215 Dies führt dazu, dass Gesellschafterdarlehen außerhalb des Insolvenzverfahrens in Höhe des ungedeckten Stammkapitals allein nach den Rechtsprechungsregeln gebunden sind, darüber hinaus gar nicht216; innerhalb des Insolvenzverfahrens sind in Höhe des ungedeckten Stammkapitals die gesetzlichen Regeln neben denen der Rechtsprechung anwendbar, über diesen Betrag hinaus nur die §§ 32a, 32b GmbHG, 210 Vgl. Begründung des Reformentwurfs von 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 39. Ebenfalls Bestandteil der Novellenregeln waren die §§ 32a KO (heute § 135 InsO), 3b AnfG (heute § 6 AnfG). 211 Vgl. die zahlreichen Nachweise aus dem Schrifttum bei Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 14 mit Fn. 36. 212 Vgl. die seither vielfach bestätigte Grundsatzentscheidung BGHZ 90, 370 (insbesondere 376); sowie Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 1; Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 19. In der Praxis spielen die Rechtsprechungsregeln sogar die weitaus gewichtigere Rolle, vgl. Scholz/Schmidt, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 76. 213 Vgl. BGHZ 90, 370; sowie Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 19 m.w. N. 214 Vgl. Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 19; zum Verhältnis der beiden Ansätze zueinander a. A. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz (4. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 8, 215, der von einem gleichberechtigten Nebeneinander statt von einer Abstufung ausgeht. 215 Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 19, spricht in Anlehnung an v. Gerkan/Hommelhoff, Rn. 1.6, vom Schutz eines „Sockels“ in Höhe des Stammkapitals durch die Rechtsprechungsregeln einerseits und dem eines darüber hinausgehenden „Aufbaus“ durch die Novellenregeln andererseits. Vgl. auch BGHZ 90, 370, 381; sowie vertiefend v. Gerkan/Hommelhoff, Rn. 1.3 ff. 216 Abgesehen von 6 AnfG.

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135 InsO. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Regelungsansätze – hier der gesellschaftsrechtliche gemäß §§ 30, 31 GmbHG analog, dort der insolvenzrechtliche217 gemäß §§ 32a, 32b GmbHG, 135 InsO, 6 AnfG –, deren Zusammenführung zu einem in sich stimmigen und übersichtlichen Gesamtsystem bis zum MoMiG nicht gelungen war218, führte zu Regelungsredundanzen, systematischen Brüchen und einer Verkomplizierung der Rechtsmaterie, die infolge dessen für die Gesellschafter und Geschäftsführer als Adressaten nur noch schwer handhabbar war und den Bedürfnissen der Praxis vielfach nicht gerecht wurde.219 Neben den beschriebenen Unklarheiten bezüglich der dogmatischen Grundlagen des Eigenkapitalersatzrechts bestand auch Uneinigkeit hinsichtlich seines Zwecks und seiner Rechtfertigung. Die Einzelheiten dieser Diskussion sind für den Gegenstand dieser Arbeit nicht entscheidend, so dass es hier bei einer kurzen Skizzierung der herrschenden Meinung bewenden soll, um ein Verständnis der weiter unten220 ausführlicher zu behandelnden Kritik zu ermöglichen.221 Regelungsziel ist der Schutz der Gesellschaftsgläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft.222 Die Ausgestaltung dieses Schutzes auf der Basis der Kapitalschutzregeln fußt auf dem Gedanken, dass das Haftungsprivileg der GmbH-Gesellschafter nicht nur die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals bedingt, sondern auch eine so genannte „Finanzierungsfolgenverantwortung“ 223 mit sich bringt. Diese greift in der Krise der Gesellschaft ein und verpflichtet die Gesellschafter, der notleidenden Gesellschaft, wenn sie nicht liquidiert werden soll, die benötigten Mittel in Form von Eigenkapital zuzuführen. Die Gesellschafter sind zwar nicht hinsichtlich des „Ob“ der Mittelzuführung gebunden, eine Pflicht zur angemessenen Kapitalausstattung der Gesellschaft besteht nicht.224 Allerdings wird ihre Entscheidungsfreiheit dann, wenn sie sich für eine Finanzspritze entscheiden, hinsichtlich des „Wie“ eingeschränkt: Es muss Eigenkapital zugeführt werden. Denn nur durch eine Kapitalerhöhung wird die wirtschaftliche Basis der Gesellschaft tatsächlich verbessert, während ein Darlehen lediglich zur vorübergehenden Erhöhung der Liquidität der Gesellschaft, 217 Vgl. zur Qualifikation der beiden Regelungsansätze Baumbach/Hueck/Hueck/ Fastrich (18. Aufl.), § 32a Rn. 91; Scholz/Schmidt, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 76. 218 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 1. 219 Vgl. Fastrich, in: FS Zöllner (1998), S. 143 ff.; Grunewald, GmbHR 1997, 7 (9 f.); Koppensteiner, AG 1998, 308 (317). 220 § 4 II. 2. d). 221 Vgl. zur Vertiefung Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 7 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 222 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 57; Ulmer/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rn. 8. Näher unten, § 11 IV. 1. 223 Vgl. BGHZ 127, 17 (29); 127, 336 (344 f.); Scholz/Schmidt, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 4; v. Gerkan/Hommelhoff, Rn. 2.22. 224 Vgl. BGHZ 127, 336 (344); Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 2; Ulmer/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rn. 9.

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nicht aber zu einem Zuwachs an Nettoaktivvermögen führt. Wenn die Gesellschafter sich für eine Zuführung von Liquidität in Form von Darlehen entscheiden, obwohl die Gesellschaft objektiv kreditunwürdig ist, wird bei Dritten deshalb der falsche Eindruck einer wirtschaftlich lebensfähigen Gesellschaft erweckt, die Krise verschleppt und damit das Gesellschaftsvermögen noch weiter verringert. Fällt die Gesellschaft trotz aller Bemühungen in die Insolvenz, haben somit die Fremdgläubiger letztendlich höhere Ausfälle zu befürchten als bei einer sofortigen Liquidation, zumal mit dem Gesellschafter-Darlehensgeber ein weiterer Gläubiger neben sie tritt und ihre Quote schmälert.225 Die Kontrolle des Kreditmarktes, der normalerweise eine nicht lebensfähige Gesellschaft durch Abzug oder Verweigerung von Liquidität in die „rechtzeitige“ Insolvenz zwingen kann, wird also durch eine Darlehensgewährung seitens der Gesellschafter ausgehebelt, die bei ihrer Finanzierungsentscheidung regelmäßig (auch) unternehmerische Interessen verfolgen. Diese funktionale Lücke im System der GmbH-Finanzierung soll das Eigenkapitalersatzrecht schließen.226 Häufig wird diese Zwecksetzung auch mit dem Argument umschrieben, ein Gesellschafterdarlehen in der Krise ziehe den „Todeskampf“ der Gesellschaft „künstlich“ in die Länge und erhöhe deshalb das Ausfallrisiko der Gläubiger in missbräuchlicher Weise.227 Diese Argumentationsweise ist jedoch missverständlich und bedarf weiterer Präzisierung, worauf später zurückgekommen wird.228 An dieser Stelle genügt es klarzustellen, dass bezüglich der Schutzrichtung zwischen Darlehensrückzahlung und -gewährung zu unterscheiden ist. Das deutsche Recht vor dem MoMiG trug dem – in möglicherweise übertriebener Weise229 – Rechnung, indem es in Gestalt der Rechtsprechungsregeln [a)] einerseits und der Novellenregeln [b)] andererseits zwei eigenständige Rechtsinstitute vorsah. a) Die Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG analog) Die entscheidende tatbestandliche Weichenstellung für die Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts im Allgemeinen – also sowohl der gesetzlichen wie der Rechtsprechungsregeln – liegt in der Qualifikation eines Gesellschafterdarlehens als eigenkapitalersetzend. 230 Gesellschafterdarlehen sind nicht grundsätzlich unerwünscht, im Gegenteil können sie aus verschiedenen Gründen für alle Beteiligten von Vorteil sein. Sie werden in der Regel wie alle sonstigen Drittdarlehen 225

Vgl. Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 10. Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 1. 227 So die wohl h. M., vgl. nur BGH ZIP 2001, 1366; Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914); Haas, Gutachten, S. E 52 f.; Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 10. 228 Vgl. unten, § 11 IV. 1. a). 229 Vgl. zur Kritik und ihrer Berechtigung unten, § 4 II. 2. d) bzw. § 11 IV. 2. 230 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (376). 226

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behandelt. Ein Korrekturbedarf wurde nur in dem Fall gesehen, dass die Gesellschaft in der Krise231 einer Zuführung von Eigenkapital bedarf, der Gesellschafter aber nur Fremdkapital zur Verfügung stellt. Dies wurde wegen des Verstoßes gegen die Finanzierungsfolgenverantwortung des GmbH-Gesellschafters als eine unzulässige Umgehung der Kapitalerhaltungsvorschriften betrachtet. Die Rechtsprechung232 und mit ihr die herrschende Lehre233 behandelten solche Krisendarlehen deshalb in Höhe der Unterdeckung des Stammkapitals wie haftendes Eigenkapital mit der Folge, dass die Rückzahlung des Darlehens insoweit analog § 30 Abs. 1 GmbHG untersagt ist und bei Verstoß hiergegen ein Rückerstattungsanspruch analog § 31 Abs. 1 GmbHG besteht.234 Voraussetzung ist allerdings seit einer Rechtsprechungsänderung im Jahre 1994, dass die Krise für den darlehensgebenden Gesellschafter erkennbar war.235 Das gleiche wie für Darlehen gilt auch für andere eigenkapitalersetzende Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft in der Krise, etwa Nutzungsüberlassungen oder die Stellung von Sicherheiten für Darlehen, die der Gesellschaft von Seiten Dritter gewährt werden.236 Die Bindung erfasst jedoch nicht den über den zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Betrag hinausgehenden Teil der Gesellschafterleistung. Außerdem endet sie grundsätzlich mit der nachhaltigen Behebung der Unterbilanz und damit der Krise der Gesellschaft.237 Wann eine Krise vorliegt, ist vom Gesetzgeber inzwischen in § 32a Abs. 1 GmbHG legaldefiniert worden. Eine Krise beginnt demnach dann, wenn nach objektiver Beurteilung ein ordentlicher Kaufmann der Gesellschaft zur Deckung ihres Finanzbedarfs statt eines Darlehens eine Eigenkapitalzufuhr gewähren würde.238 Diese Definition ist für sich genommen wenig trennscharf und wird deshalb in der Praxis weiterhin mittels der schon früher von Rechtsprechung239 231 Erstmals ausdrücklich auf den Begriff der „Krise“ abstellend BGHZ 105, 168 (175 f.). 232 Vgl. BGHZ 31, 258 (268 ff.); 67, 171 (177, 182); 75, 334 (336 ff.); 76, 326. 233 Vgl. Lutter/Hommelhoff/dies. (16. Aufl.), §§ 32 a/b GmbHG Rn. 10; Michalski/ Heidinger (1. Aufl.), § 30 GmbHG Rn. 140; Scholz/Schmidt, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 13, 76 ff. 234 Früher stellte die Rechtsprechung nicht auf eine Analogie zu §§ 30, 31 GmbHG ab, um ein Auszahlungsverbot bzw. einen Rückerstattungsanspruch der Gesellschaft für solche Fälle zu begründen. Das Reichsgericht stützte sich auf § 826 BGB, vgl. RG JW 1938, 862 (864 ff.); RGZ 166, 51 (57), und auf allgemeinere Begründungsmuster. Der BGH ging in der Folge zunächst davon aus, dass die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen ein unzulässiges venire contra factum proprium i. S. d. § 242 BGB darstelle, vgl. BGHZ 31, 258 (271). 235 Grundlegend BGHZ 127, 336 (344 f.); bestätigt durch BGH ZIP 1995, 23 (25). Allerdings wird die Erkennbarkeit der Krise vermutet. 236 Vgl. Michalski/Heidinger (1. Aufl.), § 30 GmbHG Rn. 140. 237 Vgl. BGH NZG 2005, 137 (138); GmbHR 2006, 424. 238 Scholz/Schmidt, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 5, 38. 239 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Goette, § 4 Rn. 18 ff.

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und Literatur entwickelten Kriterien ausgefüllt.240 Erfasst werden demzufolge Darlehen des Gesellschafters in einer Situation, in der die Gesellschaft in den Augen eines Drittgläubigers nicht mehr kreditwürdig wäre oder sogar schon überschuldet oder zahlungsunfähig ist.241 Aufgrund der gläubigerschützenden Zielsetzung des Eigenkapitalersatzrechts sind an diese Beurteilung strenge Anforderungen zu stellen.242 Ausnahmsweise greift die Analogie laut Rechtsprechung darüber hinaus auch in Fällen, wo die Gesellschaft erst nach der Darlehensgewährung in die Krise gerät. Belässt der Gesellschafter ihr trotz der beginnenden, für ihn erkennbaren finanziellen Schieflage die zugeführten Mittel, obwohl er die Möglichkeit zu deren Abzug hatte243, so wird dieses ursprünglich als Fremdkapital anzusehende Darlehen nachträglich zu Eigenkapitalersatz umqualifiziert mit der Folge, dass solche „stehen gelassenen“ Gesellschafterdarlehen ebenfalls dem Kapitalerhaltungsgrundsatz analog §§ 30, 31 GmbHG unterfallen.244 Im Ergebnis bedeutet dies, dass jeder Gesellschafter, der mit mehr als zehn Prozent des Stammkapitals an der Gesellschaft beteiligt ist245, grundsätzlich davon ausgehen muss, dass ein von ihm der Gesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt gewährtes Darlehen im Falle einer späteren Insolvenz als Eigenkapitalersatz anzusehen sein wird.246 Denn der Insolvenz geht denknotwendig eine Krise voraus, und das Darlehen wurde entweder nach Eintritt der Krise gewährt oder jedenfalls stehengelassen. Aber selbst wenn das Darlehen nicht bis in die Insolvenz stehengelassen wird, sondern innerhalb eines Jahres vor der Stellung des Insolvenzantrages abgezogen wurde, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass bereits zum Zeitpunkt des Abzuges eine Krise vorlag und die Rückzahlung deshalb gemäß § 135 Nr. 2 InsO anfechtbar ist. Im Insolvenzfall unterfällt demnach praktisch jedes Darlehen eines nicht unwesentlich beteiligten Gesellschafters dem Eigenkapitalersatzrecht. 247

240 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (377 f.). 241 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (377 m.w. N.). Eine Unterscheidbarkeit des Zeitpunktes des Krisenbeginns von dem der Überschuldung bezweifelnd Haas, Gutachten, S. E 30 ff. 242 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 47. 243 Vgl. BGHZ 121, 31 (36); 127, 1 (6). 244 Vgl. BGHZ 75, 334 (337 ff.); 105, 168 (185 ff.); 109, 55 (60); Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 21. 245 Zur Ausnahme für kleinere Beteiligungen und für Gesellschafter, die nur zum Zwecke der Sanierung Anteile erworben haben, unten, § 4 I. 5. b). 246 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (379). 247 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (379).

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b) Die Novellenregeln (§§ 32a, 32b GmbHG a. F.) Als (versuchte) Kodifikation der Rechtsprechungsregeln richten sich die §§ 32a, 32b GmbHG a. F. grundsätzlich nach den gleichen Voraussetzungen wie jene.248 Allerdings greifen, wie bereits erläutert, die gesetzlichen Vorschriften erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, erfordern dafür aber nicht notwendigerweise eine Unterbilanz oder Überschuldung der Gesellschaft. Weitaus gewichtiger sind die Unterschiede in den Rechtsfolgen, die sich hier auf den gesamten Darlehensbetrag beziehen und nicht auf den zur Erhaltung des Stammkapitals notwendigen Teil beschränkt sind. Zunächst wird für Darlehen eines Gesellschafters an die Gesellschaft in der Krise ein Rangrücktritt im Insolvenzverfahren angeordnet (§ 32a Abs. 1 GmbHG). Eine Rückerstattung wird also nicht gänzlich untersagt, den gesellschaftsfremden Gläubigern wird jedoch der Vorrang eingeräumt. Zusätzlich müssen Dritte, die der Gesellschaft in der Krise ein Darlehen gewährt und hierfür von einem Gesellschafter eine Bürgschaft oder eine andere Sicherung erhalten haben (so genannte „mittelbare Gesellschafterdarlehen“ oder „gesellschafterbesicherte Drittdarlehen“)249, sich im Insolvenzfall zunächst an den sicherungsgebenden Gesellschafter halten und können nur für den Teil der Darlehenssumme, den sie von diesem nicht erlangen können, Befriedigung aus der Masse verlangen (§ 32a Abs. 2 GmbHG). Beide Anordnungen führen im Regelfall zu einer Erhöhung der Quote der Gesellschaftsgläubiger. Dass diese Vorschriften auch für wirtschaftlich vergleichbare Umgehungsgeschäfte gelten, wie § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG generalklauselartig anordnet, versteht sich vor dem Hintergrund ihrer gläubigerschützenden Zielsetzung fast von selbst. Wiederum endet auch hier die Bindung der Darlehenssumme mit der nachhaltigen Überwindung der Krise. Auf eine Beseitigung der Unterbilanz kommt es hingegen nicht an, da letztere keine Tatbestandsvoraussetzung der §§ 32a, 32b GmbHG darstellt. Ausgenommen vom Anwendungsbereich werden mit höchstens zehn Prozent am Stammkapital beteiligte, nicht geschäftsführende Gesellschafter (so genanntes „Kleinbeteiligungsprivileg“ 250) sowie Darlehensgeber, die erst in der Krise und zum Zwecke von deren Überwindung Geschäftsanteile erwerben (so genanntes „Sanierungsprivileg“)251, § 32a Abs. 3

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Vgl. Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 22. Vgl. Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 133. 250 Zur Kritik am Kleinbeteiligungsprivileg, die hier wegen dessen untergeordneter Bedeutung nicht im Einzelnen dargestellt wird, vgl. einerseits Habersack, ZHR 162 (1998), 201 (208 ff.); Pentz, GmbHR 1999, 437 (441) (ablehnend); andererseits Lutter/ Hommelhoff/dies. (16. Aufl.), §§ 32a/b GmbHG Rn. 66 (befürwortend); sowie Claussen, GmbHR 1996, 316 (321 ff.) (grundsätzlich befürwortend, aber für eine Beteiligungsschwelle von 25%); und Grunewald, GmbHR 1997, 7 (10) (ansatzweise befürwortend, aber für eine gänzliche Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts plädierend). 251 Vgl. Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 6. 249

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S. 2 bzw. S. 3 GmbHG. Beide Ausnahmen gelten nach ganz herrschender Auffassung analog auch im Bereich der Rechtsprechungsregeln.252 § 32b S. 1 GmbHG gewährt der Gesellschaft darüber hinaus für den Fall eines eigenkapitalersetzenden gesellschafterbesicherten Drittdarlehens i. S. d. § 32a Abs. 2 GmbHG einen Erstattungsanspruch gegen den sicherungsgebenden Gesellschafter, sofern das Darlehen ein Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages oder später an den Dritten zurückgezahlt wurde. Der Gesellschafter ist zur Zahlung in Höhe des Wertes seiner Sicherheit bzw. des Betrages seiner Bürgschaft verpflichtet, § 32b S. 2 GmbHG, kann allerdings wahlweise der Gesellschaft die Sicherungsgegenstände zur Verwertung überlassen, § 32b S. 3 GmbHG. Grund für diese Haftung des Gesellschafters ist, dass er durch die Zahlung seitens der Gesellschaft zu deren Lasten von seiner Sicherungsverpflichtung frei geworden ist, was eine Aushebelung seiner primären Haftung in der Insolvenz gemäß § 32a Abs. 2 GmbHG bedeutet. Es handelt sich der Sache nach um einen Anfechtungstatbestand, so dass die Regelung rein insolvenzrechtlicher Natur ist. Sie ergänzt insoweit den § 32a Abs. 2, Abs. 3 GmbHG und die Anfechtungstatbestände des § 135 InsO, die anderweitige Umgehungen des Rangrücktritts zu verhindern suchen.253 6. Insolvenzantragspflicht und Geschäftsführerhaftung Ebenfalls dem Schutz der Gläubiger einer in eine existenzbedrohende Krise geratenen GmbH dient die Vorschrift des § 64 GmbHG. Durch sie soll die Haftungsmasse der moribunden Gesellschaft in möglichst großem Umfang zur Befriedigung der Gläubiger erhalten werden. Sie ergänzt insofern den Gläubigerschutz der Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften und stellt gemeinsam mit diesen die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter dar.254 § 64 Abs. 1 GmbHG statuiert eine Pflicht der Geschäftsführer, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.255 Die Definition der Begriffe „Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“ richtet sich – dem insolvenzrechtlichen Charakter der Vorschrift256 252 Vgl. BGHZ 165, 106; BGH GmbHR 2006, 311; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 93 m.w. N.; Lutter/Hommelhoff/dies. (16. Aufl.), § 32a/b Rn. 66, 79. 253 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32b GmbHG Rn. 1. 254 Vgl. BGHZ 126, 181 (197); ausführlich mit Rechtsvergleich Fleischer, ZGR 2004, 437 (452). 255 Ein bloßes Antragsrecht gemäß § 15 InsO, nicht aber eine Antragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG besteht bei drohender Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 18 InsO. 256 Vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh (18. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 3 m.w. N. Dem hat der Gesetzgeber im Rahmen des MoMiG mit der Überführung der Vorschrift in die InsO Rechnung getragen.

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entsprechend – nach den §§ 17 Abs. 2, 19 Abs. 2 InsO.257 Die Einhaltung dieser Verpflichtung ist gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG strafbewehrt. Weiterhin ist der Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG für Zahlungen ersatzpflichtig, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von ihr geleistet werden, sofern nicht die Zahlungen auch zu diesem Zeitpunkt aus Sicht eines ordentlichen Geschäftsmannes unternehmerisch vertretbar waren.258 Von den Verpflichtungen des § 64 GmbHG erfasst werden alle ordentlichen Geschäftsführer, unabhängig von Vertretungsregelungen oder interner Geschäftsverteilung, sowie faktische Geschäftsführer259 und gemäß § 71 Abs. 4 GmbHG Liquidatoren.260 Der Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG ist ein Ersatzanspruch sui generis, kein Schadensersatzanspruch.261 Er soll nach herrschender Ansicht die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sichern262 und Schmälerungen der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife verhindern.263 Dementsprechend geht die überwiegende Meinung davon aus, dass Zahlungen, für die der Gesellschaft ein entsprechender Gegenwert zugeflossen ist, nicht unter den Tatbestand des § 64 Abs. 2 GmbHG fallen.264 Der Anspruch setzt außerdem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder deren Ablehnung mangels Masse265 sowie ein Verschulden des Geschäftsführers266 voraus. Neben einem möglichen Anspruch der Gesellschaft aus § 64 Abs. 2 GmbHG zieht eine Insolvenzverschleppung auch direkte Haftungsfolgen für die Geschäftsführer nach sich. Sie sind der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG wegen pflichtwidrig verspäteter oder unterlassener Antragstellung zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Gleichermaßen haften sie gemäß 257 Zur Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von der unbeachtlichen bloßen Zahlungsstockung vgl. jüngst BGHZ 163, 134. 258 § 64 Abs. 2 GmbHG enthält deshalb lt. h. M. eine neben die Insolvenzantragspflicht tretende, selbständige Verpflichtung der Geschäftsführer, nach Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen generell zu unterlassen. Vgl. nur BGH NJW 1974, 1088 (1089); Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 1. 259 Zur Insolvenzverschleppungshaftung des faktischen Geschäftsführers BGH NZG 2005, 816 = ZIP 2005, 1550; im Anschluss an BGHZ 104, 44 (48). 260 Vgl. Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 8 f. m.w. N. 261 Vgl. BGH NZI 2001, 87 f.; NZI 2001, 196 (200); Goette, in: FS Kreft (2004), S. 53 (57 f.). 262 Vgl. BGHZ 146, 264 (278). 263 Vgl. Scholz/Schmidt (9. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 35. 264 Vgl. BGH NJW 1974, 1088 (1089); Ulmer/Casper, § 64 GmbHG Rn. 82, 85 ff.; Scholz/Schmidt (9. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 24; a. A. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh (18. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 79: Gegenleistung ist nur für die Vereinbarkeit der Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gemäß § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG relevant. 265 BGH NJW 2001, 304, 305; Michalski/Nerlich, § 64 GmbHG Rn. 47. 266 Vgl. Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 84.

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§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG gegenüber den Gesellschaftsgläubigern.267 Diese Tatbestände, insbesondere der letztgenannte, stellen die eigentliche Insolvenzverschleppungshaftung dar, auch wenn diese Bezeichnung nicht selten im Zusammenhang mit § 64 Abs. 2 GmbHG verwendet wird. Der durch sie vermittelte Gläubigerschutz geht über den des § 64 Abs. 2 GmbHG hinaus.268 Denn § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG gewährt den Gesellschaftsgläubigern einen unmittelbaren Anspruch gegen die Geschäftsführer und erfasst auch die pflichtwidrige Eingehung von Verbindlichkeiten im Namen der zahlungsunfähigen oder überschuldeten Gesellschaft269, während § 64 Abs. 2 GmbHG eine reine Innenhaftung darstellt und nur Minderungen des Aktivvermögens sanktioniert.270 7. Durchgriffshaftung der Gesellschafter Die bisher beschriebenen Regeln zum Kapital- und Gläubigerschutz knüpfen praktisch ausnahmslos an die statutarisch festgelegte Stammkapitalziffer und das zu ihrer Deckung erforderliche Gesellschaftsvermögen an. Ein Blick in die Insolvenzstatistiken des Statistischen Bundesamtes genügt jedoch, um zu erkennen, dass das dergestalt gebundene Vermögen meist nicht ausreicht, um eine dem Geschäftsumfang der jeweiligen GmbH angemessene Eigenkapitaldecke zu gewährleisten.271 Das Gesetz sieht auch keine entsprechende Kapitalausstattungspflicht der Gesellschafter vor.272 Das über das Stammkapital hinausgehende Gesellschaftsvermögen ist demnach zwar insofern zweckgebunden, als es in der Insolvenz der vorrangigen Befriedigung der Gläubiger dient273, allerdings ist es bis dahin grundsätzlich ohne Beschränkungen der Verfügungsmacht der Gesellschafter unterworfen. In Rechtsprechung und Literatur existieren verschiedene Ansätze, um diese mögliche Lücke im Gläubigerschutzsystem der GmbH wenigstens in bestimmten Extremfällen gläubigerschädigenden Verhaltens seitens der 267 Näher dazu zusammenfassend Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh (18. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 90 ff. Vgl. auch die umfassenden Nachweise bei Poertzgen, ZInsO 2007, 574 (578 Fn. 10). 268 Ebenso Haas, Gutachten, S. E 25. 269 Seit der grundlegenden Entscheidung BGHZ 126, 181, wird Neugläubigern, deren Forderung gegen die Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife begründet wurde, gegen den Geschäftsführer ein Anspruch auf Ersatz ihres gesamten Vertrauensschadens zugebilligt, soweit dieser nicht durch eine Insolvenzquote gedeckt ist. Vgl. Michalski/ Nerlich, § 64 GmbHG Rn. 69. 270 Vgl. BGHZ 143, 184 (186 ff.); Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh (18. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 79; Lutter/Hommelhoff/dies. (16. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 59. A.A., nämlich für eine Einbeziehung der Eingehung von Verbindlichkeiten in den Anwendungsbereich des § 64 Abs. 2 GmbHG Scholz/Schmidt (9. Aufl.), § 64 GmbHG Rn. 23. 271 Näher zu den rechtstatsächlichen Daten unten, § 4 II. 272 Vgl. oben, § 4 I. 5. 273 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 7.

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Gesellschafter zu schließen. Sie werden unter dem Begriff des (Haftungs-) Durchgriffs zusammengefasst, denn gemeinsam ist ihnen, dass sie im Ergebnis unter Einschränkung oder Durchbrechung des Trennungsprinzips gemäß § 13 Abs. 1 GmbHG und des darauf basierenden Haftungsprivilegs gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG eine Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft begründen.274 Die Zurückführung der auf Kasuistik beruhenden Durchgriffstatbestände auf ein einheitliches, allgemein gültiges Begründungskonzept ist bisher weder gelungen noch erscheint sie überhaupt möglich.275 In der Literatur hat sich – unabhängig von den teils diametral gegenläufigen dogmatischen Begründungsansätzen – inzwischen weitgehend eine systematische Einteilung der Durchgriffsfälle durchgesetzt, die zwischen Zurechnungs- und Haftungsdurchgriff unterscheidet.276 Im hier interessierenden Kontext der Korrektur von Defiziten des gesetzlichen Kapitalschutzsystems ist insbesondere der Haftungsdurchgriff relevant. Dabei geht es um Konstellationen, in denen das Haftungsprivileg zugunsten einer begrenzten oder unbegrenzten Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern oder zumindest einer Verpflichtung im Innenverhältnis277 zum Ausgleich von Verlusten der Gesellschaft durchbrochen wird.278 Dieser Bereich lässt sich weiter in „echten“ und „unechten“ Haftungsdurchgriff unterteilen, wobei letzterer Fälle einer unmittelbaren Gesellschafterhaftung nach allgemeinen zivilrechtlichen Normen des Vertrags- oder Deliktsrechts erfasst und hier deshalb außen vor bleiben soll, während ersterer den eigentlichen, gesellschaftsrechtlich begründeten Haftungsdurchgriff bezeichnet.279 Der echte Haftungsdurchgriff kommt nach verbreiteter Auffassung hauptsächlich in drei Fallkonstellationen in Betracht: Vermögensvermischung, Unterkapitalisierung und Existenzvernichtung.280 274

Vgl. umfassend dazu Michalski/ders./Funke, § 13 GmbHG Rn. 305 ff. Vgl. die Zusammenfassung der verschiedenen, auch terminologisch uneinheitlichen Begründungsansätze bei Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 10 ff.; sowie ausführlich jüngst Zöllner, in: FS Konzen (2006), S. 999 ff. 276 Vgl. grundlegend Wiedemann, GesR I, § 4 III; sowie den umfassenden Überblick zu Entwicklung und Stand der Diskussion bei Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 51 ff. und zum (echten) Haftungsdurchgriff insbesondere Rn. 121 ff. 277 Die Terminologie vom „Durchgriff“ beruht, ähnlich wie die im angelsächsischen Rechtskreis übliche Metapher des „piercing the corporate veil“, auf der bildhaften Vorstellung, dass die Gläubiger durch den grundsätzlich undurchdringlichen Schutzschild der juristischen Person hindurch auf die Gesellschafter zugreifen. Sie passt insofern eigentlich nur auf die Fälle des Haftungsdurchgriffs in Form einer echten Außenhaftung der Gesellschafter. 278 Vgl. Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 52. 279 Vgl. zu dieser Unterteilung Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 74. 280 Vgl. grundlegend Stimpel, in: FS Goerdeler (1987), S. 601 (604), auf dessen Erkenntnissen die heute wohl h. L. im Wesentlichen basiert. Für diese statt vieler nur Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 45 ff.; Schmidt, GesR, § 9 III, IV. 275

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Die wohl am weitestgehend geklärte Fallgruppe stellt die der Vermögensvermischung (sog. „Waschkorblage“) dar.281 Eine solche liegt vor, wenn die Gesellschafter das Prinzip der vollständigen, also buchmäßigen und faktischen Trennung von Gesellschafts- und Privatvermögen nicht befolgen. Diese Trennung kommt besonders deutlich in den §§ 30, 31 GmbHG zum Ausdruck und ist unabdingbare Grundvoraussetzung für das Haftungsprivileg gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG, da ohne sie die eindeutige Bestimmung der den Gläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse unmöglich ist. Wird gegen dieses Grundprinzip der Vermögenstrennung verstoßen und ist folglich nicht mehr kontrollierbar, ob zumindest das Stammkapital der GmbH ordnungsgemäß aufgebracht und erhalten wurde, so ist auch eine Aufrechterhaltung des Haftungsprivilegs nicht gerechtfertigt. Deshalb haften jedenfalls diejenigen Gesellschafter, die aufgrund ihrer Stellung und ihres Einflusses in der Gesellschaft für die Vermögensvermischung verantwortlich gemacht werden können oder von ihr profitiert haben282, unbeschränkt und unmittelbar den Gläubigern gegenüber für die Gesellschaftsschulden.283 Höchst kontrovers diskutiert wird die Frage einer Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung. Eine solche ist dann gegeben, wenn die Gesellschaft im Verhältnis zu ihrem Geschäftsumfang bzw. der sich daraus potentiell ergebenden Verbindlichkeiten mit zu geringem Eigenkapital ausgestattet ist.284 Die gesetzliche Pflicht, ein bestimmtes Mindeststammkapital aufzubringen, wird insoweit ergänzt durch eine ungeschriebene Pflicht, die Gesellschaft während ihrer gesamten Lebensdauer zumindest mit einem Eigenkapital auszustatten, das in seiner Höhe nicht völlig außer Verhältnis zu den unternehmerischen Verlustrisiken steht.285 Ein unangemessen niedriges Stammkapital allein („formelle“ 286 oder „nominelle Unterkapitalisierung“ 287) schadet so lange nicht, wie insgesamt genüAuf die Spezialfälle der Haftung der Konzernmutter gemäß §§ 302, 303 AktG bei Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages sowie der Schwestergesellschaft bei Betriebsaufspaltung und im Gleichordnungskonzern soll hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu überblicksweise Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 132 bzw. Rn. 165 ff. 281 Vgl. BGHZ 125, 366 (368); Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 45; Lutter/Hommelhoff/Lutter, § 13 GmbHG Rn. 14; Roth/Altmeppen, § 13 GmbHG Rn. 133. 282 Vgl. zu dieser Einschränkung des Kreises der Haftenden BGHZ 125, 366 (368). 283 Vgl. Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 130. 284 Vgl. zu Legitimation, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung zusammenfassend Krüger, Mindestkapital, S. 83 ff. 285 Vgl. BGHZ 31, 268; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5 GmbHG Rn. 5. Dies darf nicht verwechselt werden mit einer Pflicht, die Gesellschaft mit einem angemessenen Eigenkapital auszustatten, die gerade nicht besteht. 286 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5 GmbHG Rn. 5. 287 Vgl. Michalski/ders./Funke, § 13 GmbHG Rn. 378; Scholz/Emmerich, § 13 GmbHG Rn. 81.

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gend Eigenkapital vorhanden ist, etwa in Form von Rücklagen oder Gesellschafterdarlehen, die in der Krise zu Eigenkapitalersatz umqualifiziert werden können.288 Nur dann, wenn der Gesellschaft die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen offensichtlich erforderlichen Eigenmittel überhaupt nicht zur Verfügung stehen („materielle Unterkapitalisierung“) und dies zur Insolvenz der Gesellschaft führt, kann eine persönliche Haftung der Gesellschafter in Betracht kommen. Die herrschende Auffassung im Schrifttum289 nimmt eine solche in Fällen einer zumindest für Insider offensichtlichen und außer jedem Verhältnis zu den Verlustrisiken stehenden Unterversorgung mit Eigenkapital („qualifizierte materielle Unterkapitalisierung“) mit der Begründung an, dass die Gesellschafter einer offensichtlich unterfinanzierten GmbH das Haftungsprivileg in missbräuchlicher Weise ausnutzen, um das unternehmerische Risiko fast gänzlich auf die Gläubiger abzuwälzen. Hierdurch verstießen sie gegen das Prinzip der Kapitalaufbringung und -erhaltung und den damit bezweckten Gläubigerschutz.290 Der BGH hat die Frage teilweise offen gelassen291, jedoch in jüngerer Vergangenheit die materielle Unterkapitalisierung als eigenständigen Haftungsgrund im GmbHRecht abgelehnt und statt dessen § 826 BGB angewandt, also nur eine unechte Durchgriffshaftung angenommen.292 Die persönliche Haftung der Gesellschafter wegen Existenzvernichtung der Gesellschaft beruht auf der Einsicht, dass die Verbindung von Haftungsprivileg der Gesellschafter einerseits und nur auf das Stammkapital begrenztem Vermögensschutz der Gesellschaft andererseits die GmbH anfällig für Missbrauch und Insolvenz macht.293 Das geschriebene Recht bietet über den Schutz des Stammkapitals hinaus kaum eine Handhabe, um die Gesellschafter daran zu hindern, die GmbH als Schutzschild für besonders riskante Geschäfte zu verwenden oder ihr in der Krise die benötigten Eigenmittel zu entziehen und sie in eine gläubigerschädigende und eventuell unnötige Insolvenz zu treiben. Sie sind nicht verpflichtet, die GmbH (oberhalb der Schwelle der materiellen Unterkapitalisierung) mit dem für einen dauerhaft erfolgreichen Geschäftsbetrieb notwendigen Eigenkapital auszustatten und ihr dieses auch zu belassen. Das gebundene Ver288

Vgl. BGHZ 31, 268. Vertreter dieser Meinung treten mit unterschiedlichem Nachdruck für eine solche Haftung ein, vgl. nur – den Streitstand zusammenfassend und jeweils m.w. N. – Lutter/ Hommelhoff/Lutter, § 13 GmbHG Rn. 15 ff.; Michalski/ders./Funke, § 13 GmbHG Rn. 384 ff.; Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 157 ff. Eine Unterkapitalisierungshaftung als Existenzvernichtung durch Unterlassen erwägend Schmidt, GmbHR 2005, 797 (806). Ähnlich Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295 f.). 290 Vgl. Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 70. 291 Vgl. BGH NJW 1977, 1683 (1686); NJW 1994, 446. 292 Vgl. BGHZ 151, 181. 293 Vgl. Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 134. 289

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mögen in Höhe des Stammkapitals ist aber in den weitaus meisten Fällen nicht einmal annähernd ausreichend, um die Verlustrisiken der Gesellschaft abzudecken. Das auf dem funktionalen Zusammenwirken von Kapitalerhaltung und geordneter Liquidation mit vorrangiger Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger beruhende Gläubigerschutzsystem ist demzufolge lückenhaft, wenn das Interesse der Gesellschafter am Fortbestand der Gesellschaft durch andere, externe Gesellschafterinteressen überlagert wird.294 Deshalb hat der BGH zunächst in drei Grundsatzurteilen295 eine persönliche Außenhaftung der Gesellschafter wegen Existenzvernichtung ausgeformt, die unter den Voraussetzungen eingreift, dass (1) die Gesellschaft insolvent geworden ist, weil (2) der alleinige Gesellschafter oder mehrere gemeinsam ihr Vermögen durch Entnahme oder anderweitig vermindert haben, wobei (3) die Gesellschafter keine angemessene Rücksicht auf die Eigenbelange der Gesellschaft, insbesondere ihr Interesse an der Erhaltung ihrer Fähigkeit zur Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten, genommen haben.296 Die Gläubiger sollen mittels dieses Rechtsinstituts, das auf einer teleologischen Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG basiert297, vor insolvenzauslösenden willkürlichen Eingriffen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen geschützt werden. Denn solche Eingriffe verstoßen gegen die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger in der Insolvenz.298 Die schneidige, offenbar auch auf Abschreckung abzielende Rechtsfolge ist eine unbeschränkte persönliche Haftung aller beteiligten Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen unmittelbar den Gläubigern gegenüber für die Schulden der Gesellschaft. Allerdings soll die Durchgriffshaftung den Erstattungsanspruch der Gesellschaft gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG nur ergänzen, nicht etwa ersetzen.299 Nur wenn der in Rede stehende Eingriff der Gesellschafter nicht von § 31 Abs. 1 GmbHG erfasst wird, sei es, weil er das Stammkapital gar nicht angegriffen hat, sei es, dass seine Kausalität für die Verletzung des Stammkapitals nicht nachweisbar ist, dann kommt die subsidiäre Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter in Betracht.300

294

Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 49, 57 ff. BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan“); 150, 61 („L-Kosmetik“); 151, 181 („KBV“); zuletzt bestätigt von BGH ZIP 2005, 117 („BMW-Vertragshändler“); sowie BGH ZIP 2005, 250 („Handelsvertreter“). Diese Rechtsprechung löste die in der Folge des Leiturteils BGHZ 95, 330 („Autokran“) entwickelte Durchgriffshaftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern gemäß §§ 302, 303 AktG analog ab. 296 Vgl. ausführlich Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 141 ff. 297 Vgl. BGHZ 151, 181 (186 f.); Bitter, WM 2001, 2133 (2139); sowie jüngst Jacob, GmbHR 2007, 796. 298 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 57. 299 Darauf legt der BGH besonderen Wert, vgl. BGHZ 151, 181; BGH NZG 2005, 177. 300 Vgl. Ulmer/Raiser, § 13 GmbHG Rn. 145, 152. 295

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Jüngst hat der BGH diese Rechtsprechung allerdings deutlich modifiziert.301 Die Existenzvernichtungshaftung wird zwar im Grundsatz beibehalten, das Konzept einer eigenständigen, gesellschaftsrechtlichen Durchgriffs(außen)haftung der Gesellschafter aber wird aufgegeben. Missbräuchliche Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens sollen künftig nur noch zu einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft gemäß § 826 BGB führen, die zu § 31 Abs. 1 GmbHG nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis, sondern in Anspruchskonkurrenz steht.

II. Kritik aus dem Schrifttum Die Insolvenzstatistiken zeigen, dass in den vergangenen Jahren durchschnittlich ein Drittel bis knapp die Hälfte der Unternehmensinsolvenzen auf in der Rechtsform der GmbH betriebene Unternehmen entfiel.302 Nicht zuletzt dieser im Vergleich zur Verbreitung der GmbH überproportionale Anteil303 und die ebenfalls überdurchschnittlich hohe Anzahl masseloser Insolvenzen304 führen dazu, dass immer wieder der Ruf nach einer Reform der GmbH-Finanzverfassung laut wird, die die Kapitalausstattung der GmbH und den Schutz ihrer Gläubiger verbessert. Gleichzeitig wird vor einer übermäßigen Verkomplizierung der Regelungsmaterie gewarnt oder deren Effektivität und Funktionalität in ihrer jetzigen Form insgesamt in Frage gestellt. Das beschriebene System des Kapitalund Gläubigerschutzes der GmbH-Finanzverfassung war also vor dem MoMiG sowohl in seinen systematischen Grundlagen (1.) als auch in seiner konkreten Ausgestaltung (2.) vielfacher Kritik ausgesetzt. Im Ergebnis bestand in der Literatur ein weitgehender Konsens, dass die GmbH-Finanzverfassung eine straffende und effektivitätssteigernde Überarbeitung dringend nötig hatte305, wobei 301

Vgl. BGH NJW 2007, 2689 („Trihotel“). Vgl. die Angaben des Verbands der Vereine Creditreform, zitiert bei Gajo, GmbHR 2007, R 61 (R 62), denen zufolge im Jahr 2006 der Anteil der GmbH an der Gesamtzahl der Unternehmensinsolvenzen 33,4% ausmachte, nach 37,5% im Jahr zuvor. Vgl. auch die Übersicht bei Ulmer/ders., Einl. Rn. A 91, die für das Jahr 2004 einen Anteil von 48,3% ausweist. 303 Zum Vergleich: 2005 wurden lt. Umsatzsteuerstatistik 14,92% aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in der Rechtsform der GmbH betrieben. Quelle: DAI-Factbook 2007, Tabelle 01-5. Vgl. auch die bei Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (809), genannten Zahlen zur rechtsformspezifischen Insolvenzhäufigkeit: 2,28% bei der GmbH gegenüber einem allgemeinen Durchschnitt von 1,34%. 304 Vgl. die Daten bei Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (809): Bei den im Jahre 2004 beantragten 18.938 GmbH-Insolvenzen kam es nur in 49,17% der Fälle tatsächlich zu einer Verfahrenseröffnung, während die AG/KGaA und die Personenhandelsgesellschaften jeweils Eröffnungsquoten von (z. T. deutlich) über 60% auswiesen. Frühere Zahlen, die ein ähnliches Bild ergeben, bei Meyer, GmbHR 2004, 1417. 305 Siehe die Nachweise zu den einzelnen Kritikpunkten. Den Reformbedarf eher zurückhaltend beurteilend aber Goette, ZGR 2006, 261 (275 f.); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (349 f., 363). Die Anwendung des früheren Rechts durch den BGH weitgehend ge302

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allerdings die Auffassungen über Grund und Ausmaß des Reformbedarfs stark divergierten. Im Folgenden sollen die wesentlichen Kritikpunkte dargestellt werden, um ein Verständnis der vorhandenen Reformansätze zu ermöglichen und Ansatzpunkte für eventuelle weitergehende Vorschläge zu gewinnen. 1. Allgemeine Systemkritik Lange Zeit gehörte es zum gesellschaftsrechtlichen Allgemeingut, dass das gesetzlich abgesicherte Garantiekapital einen bedeutenden Fortschritt für den Gläubigerschutz und die Disziplinierung des Wirtschaftsverkehrs darstellte und als solcher unantastbar war. Zum hundertjährigen Bestehen der GmbH erschien eine Festschrift306, deren Beiträge nicht den Eindruck einer grundlegenden Reformbedürftigkeit dieser altehrwürdigen Gesellschaftsform vermittelten.307 Etwa zur gleichen Zeit begannen jedoch Stimmen lauter zu werden, die bereits die grundsätzliche Eignung und – insbesondere rechtsökonomische – Effektivität eines auf der zwingenden Erhaltung eines bestimmten Stammkapitals basierenden Systems zum Schutz der Gläubiger in Zweifel zogen.308 Diese Frage ist zunächst unabhängig davon, ob ein bestimmtes Stammkapitalminimum vom Gesetzgeber vorgeschrieben wird oder ob die Gesellschafter in dessen statutarischer Festlegung vollkommen frei sind. Ausgangspunkt der Kritiker ist eine praxisorientierte Betrachtung, nach der das Stammkapital als Haftungsfonds jedenfalls für Fremdkapitalgeber kaum von Interesse sei. Denn sie seien grundsätzlich daran interessiert, dass die kreditnehmende Gesellschaft wirtschaftlich so gesund ist, dass die Zins- und Tilgungsleistungen für ihre Kredite aus dem laufenden Cash Flow erfolgen können, ohne dass das Eigenkapital der Gesellschaft angegriffen wird.309 muss die Gesellschaft zur Bedienung ihrer Darlehensverbindlichkeiten auf ihr Eigenkapital zurückgreifen, dann ist sie in der Regel in die Verlustzone und damit bereits in wirtschaftliche Schieflage geraten; dies umso mehr, wenn bereits das Stammkapital betroffen ist, weil kein weitergehendes Eigenkapital (mehr) vorhanden ist. Im Normalgen Kritik in Schutz nehmend, gleichzeitig aber den Reformbedarf der alten lex lata (vor dem MoMiG) konzedierend Bayer, ZGR 2007, 220 (229). 306 Lutter/Ulmer/Zöllner (Hrsg.), FS 100 Jahre GmbHG (1992). 307 Vgl. Zöllner, GmbHR 1992, 410; ebenso rückblickend Noack, DB 2007, 1395. 308 Vgl. vor allem wiederholt mit Nachdruck Kübler, Aktie, S. 29 ff., 61 f.; ders., ZHR 159 (1995), 550 (558 ff.); ders., ZGR 2000, 550 (556 f.); sowie aus jüngerer Zeit Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (188 ff.); ders./Rehm, ZGR 2004, 159 (186); Engert, ZHR 170 (2006), 296 (310 ff.); Jungmann, ZGR 2006, 638 ff. Monographisch Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer – kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept? (1995). Aus ökonomischer Sicht vgl. Armour, 63 Mod. L. Rev. 355 (2000). Schon vor mehr als zehn Jahren in diese Richtung Davies, AG 1998, 346 (352 ff.). 309 Vgl. Halbhuber, S. 149; Klose-Mokroß, S. 70; Oelkers, GesRZ 2004, 360 (364).

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fall ist das Nominalkapital also für den (Vertrags-)Gläubiger als wirtschaftliche Referenzgröße irrelevant, viel wichtiger sind die laufenden Geschäfte der Gesellschaft. Das Stammkapital kann – abhängig von seiner Höhe – in dieser Phase der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft nur dazu dienen, eine begrenzte Krise abzufedern bzw. die Insolvenz hinauszuzögern. Erst im Stadium der Insolvenz, wo das Unternehmen nicht mehr weitergeführt sondern zerschlagen wird, könnte das Grundkapital als gesetzlich abgesicherter Haftungsfonds für den Gläubiger von Interesse sein. Dies wäre der Fall, wenn die Kapitalerhaltungsvorschriften im Zusammenspiel mit der Insolvenzantragspflicht gewährleisten würden, dass bei Einleitung des Insolvenzverfahrens das Stammkapital zumindest im Wesentlichen noch unversehrt ist. In der Praxis ist dies jedoch nicht der Fall: In der Insolvenz ist das zur Deckung des Stammkapitals notwendige Gesellschaftsvermögen häufig bereits vollständig durch die Verluste aufgezehrt, so dass es als Haftungsmasse nicht mehr zur Verfügung steht.310 Der Grund dafür liegt in der Doppelfunktion des Stammkapitals: Es soll zum einen als dauerhafter, verlässlicher Haftungsfonds für die Gläubiger bis in die Insolvenz hinein dienen, steht aber gleichzeitig der Gesellschaft als echtes Betriebskapital zur Verfügung und ist gegen wirtschaftliche Verluste der Gesellschaft nicht gesichert. Dieser praktisch nur schwer auflösbaren Antinomie lag möglicherweise ursprünglich die Annahme zugrunde, dass das zu Anfang aufgebrachte Nennkapital in den Aufbau des Unternehmens investiert, also zum Kauf von Grundstücken, Maschinen und sonstigen dauerhaften Betriebsgegenständen verwendet wird. Solch langlebiges Vermögen steht in der Regel auch bis zur Insolvenz der Gesellschaft zur Verfügung und bildet dann einen verwertbaren Haftungsfonds für die Gläubiger.311 Diese Annahme trifft jedoch, wie sich an der großen Zahl masseloser Insolvenzen von GmbH zeigt, offensichtlich nicht zu und kann dies auch gar nicht angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Gesellschaftszwecke einer GmbH. Die Kritik zielt damit im Kern darauf, dass das gesetzlich abgesicherte Stammkapital als nur vermeintlich garantierte Haftungsmasse weitgehend nutzlos für die Gläubiger ist und dass es auch zu einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung der GmbH nichts oder nur wenig beizutragen vermag.312 Ebenso wenig wie die Funktionen als Haftungsfonds und Eigenkapitalbasis der Gesellschaft kann das Stammkapital aus Sicht der Kritiker seinen Zweck als In310 Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (364). Deutlich Seibert, BB 2005, 1061, der die Funktion des Stammkapitals als Haftungsfonds als „verbreitete Fehlvorstellung“ bezeichnet, da es „dann, wenn es von den Gläubigern einmal wirklich gebraucht wird, nicht mehr da ist.“ 311 Vgl. Halbhuber, S. 149; Oelkers, GesRZ 2004, 360 (364). 312 Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Stammkapitalsystems zum wirksamen Schutz der Gesellschaftsgläubiger äußert auch der EuGH in seinem Urteil vom 30.09.2003 – Rs C-167/01, Slg. 2003 I, 10155 ff., 135 – Inspire Art.

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diz für die Seriosität der Gesellschafter und die wirtschaftliche Solidität des Unternehmens erfüllen. Es lasse nur eine punktuelle Aussage über den anfänglichen Vermögenseinsatz der Gesellschafter zu. Dieser könne jedoch schnell durch wirtschaftlichen Misserfolg aufgezehrt und damit für die Gesellschafter abgeschrieben sein. Über die momentane wirtschaftliche Situation wie auch die Zukunftsaussichten des Unternehmens sage das Stammkapital ebenso wenig aus.313 Dies seien aber vor allem für Fremdkapitalgeber die entscheidenden Faktoren bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft. Das mit Registerpublizität ausgestattete Nominalkapital sei damit für die Gläubiger als Informationsinstrument nicht nur nutzlos, sondern sogar irreführend, da es eine dauerhafte Existenz unbelasteten Vermögens vorspiegele, die es in der Realität nicht garantiert.314 Ein weiterer Ansatzpunkt für grundlegende Kritik am Stammkapitalsystem, die insbesondere die Gläubigerschutzsysteme des angelsächsischen Rechtskreises zum Vergleich heranzieht, ist die angebliche Systemwidrigkeit einer Ansiedlung von Gläubigerschutzvorschriften in der Finanzverfassung der Gesellschaft. Denn der Regelungsgehalt des Gesellschaftsrechts erschöpfe sich in systematischer Abgrenzung zu anderen Rechtsmaterien grundsätzlich in Normen über die innere Verfassung und Organisation der Gesellschaft, wohingegen der Schutz externer Gläubiger anderen Rechtsgebieten – insbesondere dem Insolvenz- und dem Haftungsrecht – zuzuordnen sei.315 Ein gesellschaftsrechtlich begründeter Gläubigerschutz sei zudem infolge der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit316 generell ineffektiv. Denn wenn die Gesellschafter durch die Wahl des Satzungssitzes autonom bestimmen könnten, welches mitgliedstaatliche Gesellschaftsrecht auf ihre Gesellschaft Anwendung finden soll, und dies auch während der Lebensdauer der Gesellschaft durch Sitzverlegung jederzeit ändern könnten, ohne dass die Gesellschaftsgläubiger darauf Einfluss nehmen könnten, so sei die Folge, dass der Umfang des (gesellschaftsrechtsbasierten) Gläubigerschutzes in den Händen der Schuldner selbst liegt.317 Auch aus diesem Grunde sei der Gläubigerschutz besser im Vertrags- und Insolvenzrecht aufgehoben, die

313

Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (483 f.). Vgl. Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (189 f.); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 615; Krüger, Mindestkapital, S. 217 f.; Kübler, WM 1990, 1853 (1855); Merkt, EBLR 2004, 1045 (1048). 315 So ansatzweise etwa Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 71: „The need to protect corporate creditors, however, does not necessarily imply that corporate law must do the protecting: the job could be left entirely to contracting between the parties or to the general law of debtor-creditor relations.“ 316 Vgl. EuGH vom 09.03.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999 I, 1459 ff. – Centros; vom 05.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002 I, 9919 ff. – Überseering; vom 30.09.2003 – Rs C-167/01, Slg. 2003 I, 10155 ff. – Inspire Art; vom 13.12.2005 – Rs C-411/03, NJW 2006, 425 ff. – Sevic Systems AG. 317 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1052). 314

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anderen Kollisionsregeln unterliegen als das Gesellschaftsrecht, aufgrund derer in diesen Bereichen kein vergleichbarer Wettbewerb der Rechtsordnungen stattfindet, so dass der Gläubigerschutz damit auf verlässlicheren Füßen stünde.318 Ebenfalls unter Bezugnahme auf die angelsächsischen Gläubigerschutzsysteme wird angeführt, dass die große Mehrheit der potentiellen Gesellschaftsgläubiger eines Schutzes, wie ihn zwingende gesetzliche Kapitalschutzvorschriften gewähren, gar nicht bedürfte.319 Denn ihnen stünden andere, effektivere Schutzinstrumente zur Verfügung.320 So seien Fremdkapitalgeber – in der Regel Banken – aufgrund ihrer Verhandlungsmacht zumeist in der Lage, ihren Schutz durch vertragliche Abreden selbst sicherzustellen. Dies geschieht in der Praxis auch regelmäßig durch Vereinbarung so genannter financial covenants. Waren- und Dienstleistungsgläubiger schützten sich häufig durch dingliche oder persönliche Sicherheiten. Deliktsgläubiger der Gesellschaft schließlich seien in erster Linie durch die persönliche Haftung des unmittelbar Handelnden abgesichert, so dass ihnen gegenüber das Haftungsprivileg der GmbH-Gesellschafter von vornherein nicht in gleicher Weise eine korrespondierende Schutzbedürftigkeit auslöse. Außerdem sei im modernen Geschäftsleben der Abschluss von Versicherungen gegen deliktische Haftungsfolgen üblich, so dass sich auch das Insolvenzrisiko für Deliktsgläubiger in Grenzen halte, was insbesondere bei hohen Schadenssummen von entscheidenderer Bedeutung sei als das Stammkapital der haftenden Gesellschaft.321 Für besonders gravierende Fälle bestehe zudem die Möglichkeit, unter engen Voraussetzungen eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter zuzulassen.322 Dass diese – mit einer gewissen Rechtsunsicherheit behaftete – ultima ratio jedoch nur in den seltensten Fällen zur Anwendung gelangen werde, zeigt aus Sicht der Kritiker das US-amerikanische Fallmaterial, aus dem nicht hervorgehe, dass die Aufgabe des legal capital zu nennenswerten Lücken im Gläubigerschutz geführt hat, die in großem Umfang durch die Figur der Durchgriffshaftung geschlossen werden müssten.323 In eine ähnliche Richtung zielen Vertreter der Auffassung, ein auf zwingenden gesetzlichen Kapitalschutzregeln basierender Gläubigerschutz sei insgesamt zu 318

Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1052). Vgl. etwa Armour, 63 Mod. L. Rev. 355, 356 ff. (2000); Fleischer, ZGR 2001, 1 (13); Kübler, ZHR 159 (1995), 550 (559). Ähnlich vor allem in Bezug auf das Mindestkapital Schön, ZHR 166 (2002), 1 (4); ders., Der Konzern 2004, 162 (165). Referierend m.w. N. auch Schärtl, Doppelfunktion, S. 86. Gegenläufige Stellungnahmen hierzu finden sich aber auch im angelsächsischen Schrifttum, vgl. etwa Keay, 66 Mod. L. Rev. 665, 687 ff. (2003). 320 Vgl. den Überblick bei Krüger, Mindestkapital, S. 272 ff. 321 Zum Vorschlag einer gesetzlichen Pflicht der GmbH, sich gegen solche Haftungsfolgen zu versichern, s. unten § 7 II. 7. b) und § 10 II. 2. a) bb). 322 Vgl. Kübler, WM 1990, 1853 (1855). Zu den wenigen Fallgruppen, für die aus heutiger Sicht schon eine solche Möglichkeit besteht, vgl. oben, § 4 I. 7. 323 Vgl. Kübler, WM 1990, 1853 (1855). 319

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rigide und inflexibel, um seine Ziele erreichen zu können. Denn solche pauschalen Anforderungen an die Gesellschaft trügen weder deren konkretem Finanzierungsbedarf noch den individuellen Schutzbedürfnissen der einzelnen Gläubiger Rechnung. Dies führe zu einer ineffektiven Überregulierung der GmbH-Finanzverfassung, die wegen der Notwendigkeit der Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen unnötige Kosten verursache.324 Ein vertraglich ausgehandelter, an die jeweiligen besonderen Umstände angepasster Gläubigerschutz sei billiger und zielgenauer und deshalb vorzugswürdig.325 Aus den genannten Kritikpunkten wird der Schluss gezogen, dass das gesetzlich umhegte Stammkapital als Gläubigerschutzinstrument ineffizient und nur bedingt wirksam ist. Zudem seien die Vorschriften einschließlich des Richterrechts inzwischen so kompliziert und unübersichtlich geworden, dass sie den alten Wettbewerbsvorteil der deutschen GmbH, die geringe Regelungsdichte, nicht bloß konterkarierten sondern vollends zunichte machten. Der Gläubigerschutz reiche als Rechtfertigung für diese Regulierungswut nicht mehr aus.326 Außerdem verursache ein gesetzliches Pflichtenmodell grundsätzlich hohe Kosten für die Überwachung und Durchsetzung seiner Einhaltung (sog. Compliance-Kosten), die nicht zu rechtfertigen seien, wenn es zumindest gleich effektive Alternativen gebe.327 Andere Instrumente wie Offenlegungspflichten und Ratingagenturen, die für eine ausreichende Information der Gläubiger über mögliche finanzielle Risiken sorgten, seien jedenfalls für Vertragsgläubiger ausreichend oder sogar besser geeignet. Im Übrigen sei der Gläubigerschutz ganz aus dem Gesellschaftsrecht „auszulagern“.328 2. Kritik an der konkreten Ausgestaltung Auch unterhalb der Schwelle grundsätzlicher Systemkritik gibt es zahlreiche Stimmen, die das bestehende stammkapitalbasierte System der GmbH-Finanzverfassung für ineffizient und deshalb für reformbedürftig halten. Ihre Kritik richtet sich allerdings nur gegen dessen konkrete Ausgestaltung in seinen einzelnen Facetten, ohne dass die Beibehaltung des gesetzlich abgesicherten Stammkapitals an sich in Frage gestellt würde. 324 Gemäß einer Studie der Europäischen Kommission von 2002 liegen die Kosten für die Gründung einer der deutschen GmbH entsprechenden kleinen Kapitalgesellschaft im europäischen Durchschnitt bei 90 Euro. Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360, 362 mit Fn. 22. In Deutschland liegen die Kosten deutlich über diesem Betrag, wobei allerdings ein beträchtlicher Teil davon durch Veröffentlichungsgebühren verursacht wird, während die registergerichtliche Anmeldungsprozedur selbst weniger kostenintensiv ist. Vgl. Heckschen, GmbHR 2004, R 25. 325 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1056). 326 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1048). 327 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1048). 328 Vgl. zu den Reformvorschlägen im einzelnen unten, § 7 II.

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a) Mindestkapital Die beiden Hauptpfeiler des kontinentaleuropäischen Modells sind das gesetzliche Mindestkapital sowie die Kapitalschutzregeln. Der Großteil der kritischen Stellungnahmen richtet sich gegen das zwingende Stammkapitalminimum 329, das in Deutschland gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG bei 25.000 Euro festgeschrieben ist.330 Dabei wird vor allem darauf verwiesen, dass das Mindestkapital zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele ungeeignet und deshalb überflüssig sei.331 Zum besseren Verständnis sei hier erneut in Erinnerung gerufen, dass erster, vielfach mit einem gewissen rechtsethischen Pathos vorgetragener Existenzgrund der Untergrenze für das Stammkapital dessen Funktion als dauerhafter Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger als Ausgleich für die fehlende persönliche Haftung der Gesellschafter ist. Das gesetzgeberische Ziel des Gläubigerschutzes würde nach Ansicht der Befürworter zunichte gemacht bzw. in das Ermessen der Gesellschafter gelegt, wenn die Höhe des Stammkapitals in den Statuten frei festgelegt werden könnte. Des weiteren soll das Mindestnominalkapital Unternehmensinsolvenzen verhindern, indem ein gewisses Eigenkapitalpolster zu Abfederung von Krisen vorgeschrieben wird, das gleichzeitig die Gesellschafter zu verantwortungsvollen Entscheidungen und nach Möglichkeit zur Verhinderung einer drohenden Insolvenz anhält, da sie jedenfalls zu einem gewissen Anteil mit ihrem eigenen eingelegten Privatvermögen wirtschaften. Dem halten die Kritiker entgegen, dass ein Mindestbetrag von 25.000 Euro – bzw. jeder Mindestbetrag – willkürlich gewählt sei und diese Zielsetzungen nur in seltenen Ausnahmefällen wirklich erfülle.332 Ein effektiver Gläubigerschutz durch ein gebundenes Gesellschaftsvermögen in dieser Höhe sei illusorisch, da ein solcher Betrag in den meisten Fällen einer unternehmerischen Tätigkeit – auch bei kleinen Unternehmen – viel zu niedrig sei, um auch nur über einen

329 Gleicher Befund bei Merkt, EBLR 2004, 1045 (1053). Vgl. aus der Vielzahl kritischer Stellungnahmen etwa ausführlich Bauer, S. 210 ff.; Krüger, Mindestkapital (2005), passim; sowie Enriques/Macey, 86 Cornell L. R. 1165 (2001); Merkt, ZGR 2004, 305 (317 f.); Micheler, ZGR 2004, 324 (332 ff.); Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695. 330 Zur ursprünglich geplanten, dann aber doch verworfenen Absenkung auf 10.000 Euro im Rahmen des MoMiG vgl. unten, § 7 I. 1. a) aa) und I. 2. b). 331 Vgl. etwa knapp die wesentlichen Kritikpunkte zusammenfassend Merz/Gottschalk, GmbHR 2006, R 1. 332 Vgl. Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1321 f.); Wilhelm, DB 2007, 1510 (1513); sowie zusammenfassend die Begründung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht (MiKaTraG) vom 30.11.2004, S. 36 ff. Der Entwurf sah die Freigabe der Mindestkapitalziffer in § 5 Abs. 1 GmbHG vor, kam allerdings über das Stadium des Referentenentwurfs nicht hinaus. Zur Debatte um die Mindestkapitalziffer bei Einführung des GmbHG 1892 ausführlich Krüger, Mindestkapital, S. 55 ff.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

kurzen Zeitraum hinweg die Verlustrisiken abzudecken.333 Und selbst wenn im Einzelfall dieser Betrag als angemessen erscheine, so gewähre er den Gläubigern doch nur einen punktuellen Schutz: Vermögenswerte in Höhe des Stammkapitals müssen der Gesellschaft nur zum Zeitpunkt ihrer Eintragung eine logische Sekunde lang realiter zur Verfügung stehen, sind aber in der Folge weder gegen einen schrittweisen Schwund durch Verluste noch gegen spätere Erweiterungen des Geschäftsgegenstandes mit entsprechend gesteigerten Verlustrisiken abgesichert.334 Die Verhinderung oder wenigstens deutliche Verzögerung einer Unternehmensinsolvenz könne von einem Stammkapital von 25.000 Euro deshalb nicht erwartet. Dieser Betrag sei in aller Regel nicht ausreichend, um eine auch nur annähernd angemessene Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft sicherzustellen.335 Was angemessen ist, lasse sich überhaupt nur in jedem Einzelfall schätzungsweise ermitteln336, ein pauschaler, gesetzlich fixierter Betrag sei in Ermangelung allgemeiner Maßstäbe für die Risikogeneigtheit und den entsprechenden Kapitalbedarf eines Unternehmens ungeeignet und zu inflexibel.337 Zudem sei das Stammkapital nur gegen Ausschüttungen an die Gesellschafter geschützt, nicht aber gegen unternehmerische Fehlentscheidungen, die schon bei kleinen Unternehmen ein Stammkapital der vorgeschriebenen Mindesthöhe in kürzester Zeit aufzehren können und weitaus häufiger der Grund für eine Insolvenz sind als Ausschüttungen an die Gesellschafter.338 Ebenso wenig vermag aus Sicht der Kritiker das Argument zu überzeugen, das Mindestnominalkapital diene der allgemeinen Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der GmbH und damit der Erhöhung ihrer Kreditwürdigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Denn Banken orientierten sich in der Praxis bei ihrer Entscheidung über eine Kreditvergabe allenfalls nachrangig am eingetragenen Stammkapital, viel wichtiger seien die laufenden Geschäfte und das aktuelle 333 Vgl. Bauer, S. 135; Haas, DStR 2006, 993 ff.; Krüger, Mindestkapital, S. 212 f.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189; Schön, Der Konzern 2004, 162 (165); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). Weitere Nachw. bei Schärtl, Doppelfunktion, S. 83 Fn. 546. 334 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 33 f.; Oelkers, GesRZ 2004, 360 (366); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (482). 335 Vgl. Roth/Altmeppen, Einl. Rn. 28; Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (482); Schön, Der Konzern 2004, 162 (165). In diese Richtung auch BDI/Hengeler, Rn. 35, unter Hinweis darauf, dass die Erhöhung des Mindestkapitals von 25.000 DM auf 50.000 DM im Zuge der Reform von 1980 zu keinem Rückgang der GmbH-Insolvenzen geführt habe. 336 Vgl. Kübler, WM 1990, 1853 (1855); Wilhelm, DB 2007, 1510 (1513). Selbst eine grobe, annäherungsweise Vorab-Ermittlung des Kapitalbedarfs dürfte jedoch in Ermangelung belastbarer Kriterien schwierig oder sogar unmöglich sein. Näher dazu unten, § 11 I. 3. d). Skeptisch insoweit auch Schön, Der Konzern 2004, 162 (165). 337 Vgl. Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1185 f. (2001); Fleischer, ZGR 2001, 1 (12); Merkt, EBLR 2004, 1045 (1048); Oelkers, GesRZ 2004, 360 (365). 338 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1048).

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Reinvermögen der Gesellschaft sowie ihre Zukunftsaussichten.339 Angepasst an diese Eckdaten könnten die Fremdkapitalgeber dann einen an ihren jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen orientierten individualvertraglichen Schutz ihrer Interessen festlegen. Deshalb sei das legislativ für alle Gesellschaften einheitlich in Stein gemeißelte Mindestnominalkapital für sie wesentlich uninteressanter340 als ein auf Offenlegungspflichten aufbauender, flexibler, individueller Gläubigerschutz, auf den z. B. auch das europarechtliche Informationsmodell nach der Zweiten und Elften Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie abziele.341 Wünschenswerter Nebeneffekt eines solchen auf Transparenz und individueller Vertragsgestaltung beruhenden Gläubigerschutzsystems sei, dass die Marktmechanismen wesentlich zielgenauer und ohne gesetzlichen Zwang die Gesellschafter zu einer wirklich angemessenen Eigenkapitalausstattung der GmbH anhielten, da diese hierdurch für Kreditgeber attraktiver werde und folglich ihre Kapitalkosten senken könne. Im übrigen hätten auch die Gerichte erkannt, dass das Mindestkapital weder zur angemessenen Eigenkapitalausstattung noch zum direkten Gläubigerschutz einen ausreichenden Beitrag leistet, und hätten deshalb die Durchgriffshaftungstatbestände der qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung und der Existenzvernichtung entwickelt, um diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Mindestnominalkapitals auszugleichen.342 Auch die disziplinierende, verhaltenssteuernde Wirkung, die von einer mit dem Mindestnominalkapital notwendig verbundenen Mindesteinlagepflicht der Gesellschafter ausgehen soll, wird angezweifelt. Denn ein Stammkapital von 25.000 Euro sei in der Krise recht schnell aufgezehrt, so dass der Anreiz für die Gesellschafter zu verantwortungsvollem Umgang mit dem eigenen Kapitaleinsatz gerade in einer so kritischen Phase kaum noch greife.343 Übrig bleibt demnach aus Sicht der Kritiker allenfalls die Funktion des Mindestkapitals als anfängliche Seriositätsschwelle344: Ein gewisser Preis für die Verwendung der GmbH ein339 Vgl. Kübler, WM 1990, 1853 (1855); Oelkers, GesRZ 2004, 360 (369, Fn. 112); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (482). In eine ähnliche Richtung auch Wymeersch, Referate für den Ersten Europäischen Juristentag, S. 85 (128 in Fn. 126). 340 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1048). 341 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1053); Schön, ZHR 166 (2002), 1 (4); Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512 f.). 342 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1049). 343 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (482 f.). 344 Vgl. etwa Merz/Gottschalk, GmbHR 2006, R 1. So auch Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (482 f.), dessen Ansicht nach das Mindestkapital aber selbst als „Seriositätsindiz“ versagt, da die entsprechenden Risikobeiträge der Gesellschafter gerade in der kritischen Phase einer Existenzkrise der Gesellschaft zumeist verloren seien und damit keine Gewähr mehr für seriöses Geschäftsgebaren böten. Insoweit sind zwei mögliche Funktionen des (Mindest-)Stammkapitals zu unterscheiden, die beide unter dem Stichwort der „Seriosität“ diskutiert und häufig vermischt werden. Einerseits kann man das Stammkapital als Seriositätssignal oder -indiz bezeichnen, das dem Rechtsverkehr anzeigt, dass die Gesellschafter einen Teil des unternehme-

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schließlich des begehrten Haftungsprivilegs wird festgelegt, um sie für eine missbräuchliche Verwendung unattraktiver zu machen. Der Vorwurf, ein Betrag von 25.000 Euro sei willkürlich gewählt und werde den Anforderungen der Praxis nicht gerecht, verfängt hier nicht, denn für die ordnungspolitische Zielsetzung einer Missbrauchsabwehr genügt eine pauschale, gegriffene Größe. Dennoch wird die bestehende Regelung auch insoweit als ungeeignetes Instrument angesehen.345 Manche halten die gewählte Schwelle für zu niedrig, um wirklich „die Spreu vom Weizen trennen“ zu können346, andere kritisieren sie als zu hoch, da die GmbH dadurch für kleinere Unternehmen, als deren typische Rechtsform sie vom Gesetzgeber konzipiert wurde, unattraktiver werde.347 Teilweise wird dem Mindestkapital auch unabhängig von seiner Höhe die Eignung als Seriositätsschwelle abgesprochen, da unseriöse Gründer sowieso planten, ihren persönlichen Vermögenseinsatz durch die spätere „Bestattung“ der insolventen Gesellschaft auf Kosten der Gläubiger zu kompensieren.348 Außerdem bedürfe es, abgesehen von der ohnehin fragwürdigen Aussagekraft der Stammkapitalziffer als Seriositätssignal349, keines Mindestkapitals, um eine pauschale Seriositätsvermutung zugunsten der Rechtsform GmbH zu begründen. Denn der Markt sei zu einer autonomen Risikokontrolle in der Lage, die die Überprüfung der Seriosität jedes individuellen Geschäftspartners mit einschließe, und dies nicht etwa auf Grundlage seiner Stammkapitalziffer, sondern fortlaufend anhand aktueller Bilanzdaten und Geschäftsentwicklungen.350

rischen Risikos übernommen, also Vertrauen in ihre Unternehmung haben. Eine solche Signalwirkung kann allenfalls der publizierten konkreten Stammkapitalziffer zukommen, nicht aber dem gesetzlichen Mindestkapital, wie Roth, ibid., zutreffend anmerkt. Denn wenn die Gesellschafter nur das einlegen, wozu sie gesetzlich gezwungen sind, so signalisieren sie damit keine besondere Zuversicht in die Erfolgsaussichten der Gesellschaft. Dem gesetzlichen Mindestkapital kann man aber durchaus die Funktion einer Seriositätsschwelle zumessen, die unseriöse Gründer von vornherein von der Rechtsform der GmbH fernhalten soll, indem sie den „Eintrittspreis“ erhöht. Näher unten, § 11 I. 345 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1053). 346 Vgl. Barta, GmbHR 2005, 657 (662); Fleck, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 391 (392); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (190); Krüger, Mindestkapital, S. 235 ff.; Melchior, GmbHR 2005, R 165; Merkt, ZGR 2004, 305 (317); Merz/Gottschalk, GmbHR 2006, R 1; Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 159 (187); Schön, Der Konzern 2004, 162 (165). 347 Vgl. Meyer, GmbHR 2004, 1417 (1427). Siehe auch Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (190), die das Mindestkapital als „nicht ernst zu nehmende, manchmal aber doch als ärgerliche Stolperfalle erscheinende Hürde“ bezeichnen. 348 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 36. In diese Richtung auch Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512), dem zufolge ein gewisser eingelegter Betrag keinerlei Rückschluss auf die Seriosität des Einlegers zulässt. 349 Vgl. dazu oben, § 4 II. 1. 350 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (484).

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Jedenfalls wird die gesetzliche Pflicht, ein Stammkapitalminimum aufzubringen, insgesamt für zu rigide gehalten.351 Sie sei eine Art „Zwangsjacke“, die eine flexible Weiterentwicklung des Gläubigerschutzes in der GmbH verlangsame oder sogar verhindere und die Gesellschafter und die Gesellschaft selbst in ihrer Handlungsfreiheit einschränke.352 Selbst wenn man an einem stammkapitalbasierten Gläubigerschutzsystem festhalten wolle, sei das zwingende Mindestkapital verzichtbar, wie die Regelungen in Großbritannien und vor allem neuerdings auch in Frankreich353 zeigten.354 Die wachsende Beliebtheit der englischen Ltd., die kein zwingendes Mindestnominalkapital kennt, als Rechtsform auch für nur oder hauptsächlich in Deutschland tätige Unternehmen355 lasse zudem darauf schließen, dass dieses Erfordernis von Unternehmern als Belastung empfunden wird, deren Vermeidung auch die Inkaufnahme der Unannehmlichkeiten und Kosten rechtfertigt, die eine Gesellschaftsgründung im Ausland mit sich bringt.356 b) Kapitalaufbringung An den Kapitalaufbringungsregeln wird vornehmlich ausgesetzt, dass sie unübersichtlich und kompliziert geworden seien.357 Dies trifft insbesondere auf das 351 Vgl. etwa Kuhner, ZGR 2005, 753 (774 f.). In diese Richtung auch Grunewald/ Noack, GmbHR 2005, 189 (190); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 615; Merz/Gottschalk, GmbHR 2006, R 1; Schön, ZHR 166 (2002), 1 (1 f.); ansatzweise auch Meyer/ Ludwig, GmbHR 2005, 346 (350). Krüger, Mindestkapital, S. 257, bezeichnet es als unmöglich, angesichts der Vielgestaltigkeit der Verwendungszwecke für die Rechtsform der GmbH eine einheitliche Mindestkapitalziffer festzulegen, die den Markteintritt nicht übermäßig erschwert und trotzdem die Gläubiger angemessen schützt. 352 Vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 257, 291 f., 296 f. (volkswirtschaftlich nicht wünschenswerte Markteintrittssperre und Innovationshemmnis); Stoffel bei de Wulf, Sitzungsbericht, S. 122. 353 Vgl. dazu unten, § 8 I. 1. 354 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (484); sowie Stoffel bei de Wulf, Sitzungsbericht, S. 122, unter Hinweis darauf, die durch den Wegfall des Mindestkapitals entstehende Rechtsunsicherheit falle gegenüber dem Zugewinn an Flexibilität nicht gravierend ins Gewicht. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, sprechen vom Mindestbetrag als bloßer Stellschraube im System des Nennkapitals, die „ohne weiteres auch auf den Wert null gesetzt werden kann“. 355 Zu konkreten Zahlen vgl. unten, § 10 III. 1. 356 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433; Krüger, Mindestkapital, S. 296 f.; Schärtl, Doppelfunktion, S. 85. Zu den geringen positiven Auswirkungen der Abschaffung des Mindestkapitals in Frankreich vgl. aber unten, § 8 I. 3. Interessanterweise hielt der englische Gesetzgeber die hierzulande immer wieder als Vorbild gepriesene Ltd. ebenfalls für grundlegend reformbedürftig. Vgl. zu dieser Reform näher Dierksmeier/ Scharbert, BB 2006, 1517. 357 Vgl. etwa Bayer, GmbHR 2004, 445; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (190); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (377 f.); Westermann, GmbHR 2005, 4 (5 f.). Noack, DB 2007, 1395, spricht im Hinblick auf die ausufernde Komplexität und Strenge des geltenden Kapitalschutzregimes insgesamt von einem „vernehmlichen Murren“ in Rechtswissenschaft und Praxis.

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langwierige und kostspielige Verfahren zur Einbringung und Bewertung von Sacheinlagen zu.358 Darin wird ein Hauptgrund für die vielfältigen Versuche in der Praxis gesehen, durch besondere Gestaltungen die Anwendung der Sacheinlagevorschriften zu umgehen.359 Darauf wiederum reagierten die Gerichte mit einer immer feiner verästelten, einzelfallorientierten Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage, die den Anwendungsbereich der §§ 5 Abs. 4, 19 Abs. 5 GmbHG immer unübersichtlicher werden ließ und zu einem fast „undurchdringlichen Gestrüpp“ von Ansprüchen360 führte. Im Ergebnis wurden die Rechtsunsicherheiten und Risiken für den Inferenten bei einer verdeckten Sacheinlage vielfach als unverhältnismäßig und nicht mehr nachvollziehbar angesehen361, auch wenn der BGH noch kurz vor der Reform durch das MoMiG die Rechtsfolgen etwas abmilderte362. Dieser Befund galt jedenfalls dann, wenn die eingebrachte Sachleistung werthaltig war, z. B. bei Verrechnung der Einlageschuld mit einer vollwertigen Gegenforderung. Hinzu kam bei der Einbringung von Unternehmen als Sacheinlage, dass die Gesellschafter aufgrund der strengen Rechtsprechung häufig befürchteten, dass zur Bewertung der Sacheinlage Geschäftsgeheimnisse des einzubringenden Unternehmens offen gelegt werden müssten.363 Auch die von der Rechtsprechung entwickelte Unterbilanzhaftung der Gesellschafter für Vorbelastungen aus der Phase der Vor-GmbH wird für unverhältnismäßig und aus Gläubigerschutzgesichtspunkten unnötig gehalten. Die Momentaufnahme der Gesellschaftsbilanz zum Zeitpunkt der Eintragung sei für die Gläubiger völlig irrelevant. Ihnen gehe es um eine Beurteilung der wirtschaftlichen 358 Vgl. Lutter/Gehling, WM 1989, 1445 f.; Michalski/Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 110. Laut Ulmer/ders., § 11 GmbHG Rn. 16 dauert bei 40% der Sachgründungen das Eintragungsverfahren länger als drei Monate. 359 Vgl. referierend Wirsch, GmbHR 2007, 736 (737). 360 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 (1450). In eine ähnliche Richtung DAVHandelsrechtsausschuss, WiB 1996, 707 (708). 361 Zusammenfassend Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (190); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378). Gleichsinnig die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 6140, Anlage 1, S. 91. Die Charakterisierung der durch die ständige Rechtsprechung des BGH zur verdeckten Sacheinlage angeordneten Rechtsfolgen fällt teilweise sehr deutlich und wenig schmeichelhaft aus, vgl. Bayer, ZIP 1998, 1985 (1989); Grunewald, in: FS Rowedder (1994), S. 111 (114): „drakonisch“; Brandner, in: FS Boujong (1996), S. 37 (42): „monströs“; Heidenhain, GmbHR 2006, 455 (456): „abstrus“; Lutter/Gehling, WM 1989, 1445 (1453): „verheerend“; Lutter, in: FS Stiefel (1987), S. 505 (517): „ganz und gar katastrophal“. Die geltende Rechtslage gegen diese Kritik verteidigend aber jüngst Wirsch, GmbHR 2007, 736 (737): Die Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage seien unter Umständen hart, träfen den Gesellschafter jedoch nicht willkürlich, sondern als Reaktion auf einen – wenn auch nur formalen – Fehler. 362 Vgl. BGH GmbHR 2003, 1051 m. Anm. Bormann; sowie BGH GmbHR 2006, 43 m. Anm. Werner. 363 Vgl. Michalski/Ebbing (1. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 110.

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Erfolgsaussichten der Gesellschaft, über die sich jedoch keine Anhaltspunkte aus der Bilanz gewinnen ließen, die zu diesem frühen Zeitpunkt regelmäßig durch die Kosten für die Gründung und die Aufnahme der Geschäftstätigkeit belastet sei.364 Insgesamt wird das Recht der Kapitalaufbringung nicht selten als übertrieben zeit- und kostenintensiv wahrgenommen. Zudem sei es in manchen Bereichen wie dem der verdeckten Sacheinlage aufgrund seiner ausufernden Kasuistik immer komplizierter geworden, so dass seine Einzelheiten gerade für rechtsunkundige kleine Unternehmensgründer kaum mehr überschaubar seien. Auch werthaltige Einlageleistungen hätten u. U. – zur Überraschung der Betroffenen – keine Erfüllungswirkung, was zu einer Gefahr von Doppelzahlungen und zu Rechtsunsicherheit führe. Damit gehe das Kapitalaufbringungsrecht in vielerlei Hinsicht deutlich über die Bedürfnisse eines effektiven Gläubigerschutzes, aus denen es seine hauptsächliche Rechtfertigung beziehe, hinaus.365 c) Kapitalerhaltung Auch die Kapitalerhaltungsregeln sehen sich grundlegender Kritik ausgesetzt.366 Allgemein wird zwar zumindest unter der Prämisse, dass ein stammkapitalbasiertes System der GmbH-Finanzverfassung überhaupt sinnvoll ist, die Notwendigkeit mehr oder minder strenger Vorschriften zur Erhaltung des Stammkapitals konzediert. Allerdings werden die bestehenden Regeln für zu inflexibel gehalten.367 Z. B. verhindere das grundsätzliche Verbot des offenen Rückkaufs eigener Anteile, den § 33 Abs. 2, 3 GmbHG nur unter sehr engen Voraussetzungen und nur aus dem ausschüttbaren Vermögen zulässt, unter Umständen ökonomisch sinnvolle, möglicherweise sogar überlebenswichtige Kapitaloperationen der Gesellschaft.368 Vor allem aber wird eine allein am Stammkapital als bilanzieller Größe ausgerichtete Ausschüttungssperre für ein ungeeignetes Gläubigerschutzinstrument gehalten. Die Bilanz verschaffe nur ein punktuelles Bild der Vermögenslage der Gesellschaft, da sie keine zeitliche Dimension enthalte und auch nicht die unterschiedliche Liquidität der einzelnen Vermögensgegenstände berücksichtige.369 So könne z. B. eine Gesellschaft aufgrund eines hohen Bestandes an aktivierbaren 364 Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378), der als alternativen Ansatz auf die Rechtsprechung zur Kapitalerhöhung verweist, etwa BGH GmbHR 2002, 545 m. Anm. Brauer/Manger. Vgl. auch unten, § 11 II. 365 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (485 ff.). 366 Vgl. ausführlich Gloger, S. 66 ff. 367 Vgl. zusammenfassend zur AG Marx, S. 100 f. 368 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1049); sowie andeutungsweise auch Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (160). 369 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1049).

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Forderungen gegen ihre Geschäftskunden – unabhängig von deren konkreter Realisierbarkeit und den sonstigen wirtschaftlichen Eckdaten – in einem gegebenen Moment über ausschüttungsfähiges Vermögen verfügen, auch wenn die Passivseite der Bilanz kurzfristige Kredite in erheblichem Umfang ausweise, die Liquidität also nicht ohne weiteres auf Dauer sichergestellt sei. Andererseits sei einer wirtschaftlich florierenden Gesellschaft, die über einen hohen Cash Flow und eine sichere Auftragslage verfügt, aber eine leichte Unterbilanz aufweist, die Ausschüttung untersagt, auch wenn sich in der Bilanz langfristige Kredite auf der Passivseite und real vorhandene Sach- und Barwerte auf der Aktivseite gegenüberstünden. Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 GmbHG wird deshalb einerseits als zu eng angesehen, da er nur bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände berücksichtige und damit die Ausschüttung sonstiger, nicht aktivierungsfähiger Werte nicht verhindern könne.370 Andererseits werde er durch die Rechtsprechung teilweise zu extensiv ausgelegt, wenn sie auch Darlehen der Gesellschaft an einen Gesellschafter grundsätzlich als Ausschüttung betrachtet, selbst wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist.371 Hinzu komme, dass die deutsche Rechnungslegung – nicht zuletzt wegen ihrer Bedeutung als Anknüpfungspunkt des Gläubigerschutzes – am Vorsichtsprinzip ausgerichtet sei und damit grundsätzlich zu einer eher zurückhaltenden Unternehmensbewertung führe. Im Zuge fortschreitender Internationalisierung würden die nationalen Regelungen des HGB jedoch mehr und mehr von internationalen Rechnungslegungsstandards nach IAS/IFRS verdrängt. Letztere seien aber nicht am Gläubigerschutz, sondern an einer realistischen Bewertung des Unternehmens im Interesse eines möglichst hohen Informationswertes für die anderen Marktteilnehmer ausgerichtet. Dadurch erhöhe sich tendenziell die Bewertung deutscher Unternehmen im Vergleich zur traditionellen Bilanzierung und damit auch das ausschüttungsfähige Gesellschaftsvermögen, so dass das Niveau und die Effektivität des bilanzbasierten Gläubigerschutzes weiter abnähmen.372 Als weiteres Gläubigerschutzdefizit des deutschen Kapitalerhaltungsrechts wird angeführt, dass dieses nur Vorkehrungen zum Schutz des (bilanziellen) Gesellschaftsvermögens gegen Ausschüttungen der Gesellschafter treffe, aber bei Minderungen durch wirtschaftliche Verluste versage. Ausländische Rechtsordnungen seien insoweit überlegen, als sie nur die Ausschüttung von Gewinnen er370 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 64; Gloger, S. 69, unter Hinweis darauf, dass die Übertragung nicht bilanzierungsfähiger Vermögensgegenstände wie etwa langfristiger Verträge selbst dann nicht dem Ausschüttungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG unterliegt, wenn diese die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens darstellen. 371 Vgl. BGHZ 157, 72. Kritisch dazu BDI/Hengeler, Rn. 64; Cahn, Der Konzern 2004, 235 (238 ff.); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193); Wessels, ZIP 2004, 793. 372 Vgl. Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (152).

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laubten und außerdem bei Verlust eines gewissen Anteils des zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens den Gesellschaftern obligatorisch die Entscheidung abverlangten, ob die Gesellschaft aufgelöst oder mit reduziertem bzw. wieder aufgefülltem Kapital weitergeführt werden soll373, während in Deutschland in § 49 Abs. 3 GmbHG nur eine Unterrichtung der Gesellschafter vorgesehen sei.374 d) Eigenkapitalersatzrecht Das Gesamtsystem des Eigenkapitalersatzrechts gehört in seinen Grundlagen wie auch in seiner konkreten Ausformung durch Gesetz und Rechtsprechung zu den meistdiskutierten und kritisierten Bestandteilen der Finanzverfassung der GmbH.375 Schon die dogmatische Herleitung der Rechtsprechungsregeln zur Gleichsetzung von Gesellschafterdarlehen mit gebundenem Haftkapital aus der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ der Gesellschafter wird vielfach angezweifelt.376 Der Begriff sei eine bloße Leerformel, die nur die Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzrechts umschreibe, ohne eine Begründung zu liefern.377 Zudem finde er keinen Rückhalt im Gesetz, welches in § 26 GmbHG gerade die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter festschreibe.378 Auch andere, in der früheren Rechtsprechung teilweise anklingende Begründungsmuster werden als nicht tragfähig verworfen. So könne die Hingabe eines ordnungsgemäß bilanzierten Gesellschafterdarlehens nicht als Täuschung des Rechtsverkehrs angesehen werden, da niemand aus dem Auftreten einer Kapitalgesellschaft am Markt schließen könne, dass sie über ausreichend Haftkapital verfügt.379 Auch ein widersprüch-

373 Vgl. zu den entsprechenden Regeln in Frankreich § 5 I. 2. c) und f) aa), in Spanien § 6 I. 2. c) und f). 374 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (491). 375 Die hierzu veröffentlichen Stellungnahmen in Aufsatz- und Kommentarliteratur sowie Monographien sind so zahl- und umfangreich, dass ihre Darstellung eine eigene Monographie rechtfertigt, vgl. Buck, Die Kritik am Eigenkapitalersatzgedanken (2006). In der vorliegenden Untersuchung muss es naturgemäß bei einer kleinen Auswahl bewenden. Vgl. etwa Claussen, ZHR 1983, 195 ff.; ders., in: FS Forster (1992), S. 139 ff.; Drukarczyk, in: FS Schneider (1995), S. 171 (174 ff.); Götz/Hegerl, DB 1997, 2365 ff.; Huber, in: Lutter (Hrsg.), Auslandsgesellschaften (2005), S. 131 (160 ff.); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 ff.; Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (420 ff.). 376 Vgl. Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1912); Cahn, AG 2005, 217 (222); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161). Eine Übersicht der Kritik am Kapitalersatzrecht findet sich bei Heinert, S. 32 ff. 377 Vgl. Altmeppen, ZIP 1996, 1455; Claussen, GmbHR 1994, 9 (10); Grunewald, GmbHR 1997, 7 (9); Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (422). 378 Vgl. Koppensteiner, AG 1998, 308 (308 f.). 379 Vgl. Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), S. 23 (35); Fastrich, in: FS Zöllner (1998), S. 143 (146); sowie im Anschluss an diese Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194).

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liches Verhalten könne dem Gesellschafter nicht vorgeworfen werden, wenn er ein Darlehen ausreiche und dieses dann auch als solches behandelt sehen wolle.380 Neben diesen dogmatischen Bedenken sieht sich das Eigenkapitalersatzrecht in praktischer Hinsicht vor allem dem Vorwurf großer Unübersichtlichkeit und Komplexität ausgesetzt.381 Es existieren detaillierte gesetzliche Regelungen zu einem Teilbereich, daneben gilt weiterhin das Rechtsprechungsrecht mit seiner umfangreichen Kasuistik, die kaum mehr überschaubar ist. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Systeme382 und die entscheidende Anknüpfung an den unbestimmten Rechtsbegriff der „Krise“, dessen Grenzen ex ante in der Praxis kaum trennscharf zu ziehen seien383, führe zu Rechtsunsicherheit384 sowie zu einer „bedenklichen Komplizierung der Materie und zu gewissen Wertungswidersprüchen“.385 Es könne somit selbst für erfahrene Geschäftsführer wegen § 43 Abs. 3 GmbHG zur Haftungsfalle werden.386 Mehr noch als die Geschäftsführer werden jedoch die Gesellschafter aus Sicht der Kritiker mit den Folgen dieser stetigen „Verfeinerung“ der Gläubigerschutzmechanismen belastet.387 Denn für sie führe das Eigenkapitalersatzrecht unter Umständen zu einer unangemessenen Nachschusspflicht, wenn nämlich ein Kri-

380 Vgl. Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), S. 23 (34); Fastrich, in: FS Zöllner (1998), S. 143 (144 f.); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194); Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (425). 381 Vgl. Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193); Haas, NJW 2006, Beilage zu Heft 22, 21 (22); Seibert, BB 2006, Nr. 26, Die erste Seite; ders., ZIP 2006, 1157 (1160); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19. Schmidt, GmbHR 2005, 797, konstatiert aufgrund systematischer und rechtspolitischer Unstimmigkeiten sowie der Fundamentalkritik aus der Rechtswissenschaft in seinem Aufsatztitel eine „Krise des Eigenkapitalersatzrechts“. 382 Kritisch dazu etwa Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 92; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193); Haas, ZInsO 2007, 617; ders., E 60 ff.; Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (414 f.); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378); Röhricht, ZIP 2005, 505 (512 f.). 383 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 48, 51; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193); Haas, Gutachten, S. E 68 f.; Heinert, S. 251 ff.; Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (15). 384 Vgl. Bloching/Kettinger, BB 2006, 172 (175). 385 Vgl. nur Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 92; BDI/Hengeler, Rn. 90. Claussen, GmbHR 1996, 316 (320), merkt dazu an, dass es dem Eigenkapitalersatzrecht an einer interdisziplinären Einbindung fehle und dass es damit als Fremdkörper in der Rechtsordnung wirke. Die Umwidmung von Fremd- in Eigenkapital existiere so nur im Gesellschaftsrecht, andere Disziplinen wie das Steuerrecht oder die Finanzierungslehre würden Gesellschafterdarlehen wie jede andere Gesellschaftsverbindlichkeit behandeln. 386 Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378). 387 Vgl. nur Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378), auch zur nachfolgend wiedergegebenen Begründung dieser Kritik.

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sendarlehen zurückgezahlt wurde, die Erstattung von dem betreffenden Gesellschafter nicht mehr zu erlangen sei und deshalb die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG analog eingreife.388 Außerdem sei ein Gesellschafterdarlehen von vornherein nur als temporäre Finanzhilfe intendiert, alle Beteiligten gingen von einer Rückzahlung aus, sobald der Gesellschaft die nötige Liquidität wieder aus eigener Kraft zur Verfügung steht. In der Praxis sei insoweit das „Ob“ der Finanzierung nicht vom „Wie“ zu trennen: Der Gesellschafter sei entweder zur Darlehensvergabe oder gar nicht zur Mittelzufuhr bereit.389 Die bestimmungswidrige und für den leistenden Gesellschafter oft unverständliche Umqualifizierung in gebundenes Eigenkapital gerate deshalb in Widerspruch zum Prinzip der Privatautonomie und beschneide die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter. Dieser Eindruck verstärke sich noch in Fällen, wo die Höhe der Mittelzuführung nicht von der Beteiligung des betreffenden Gesellschafters abhing, sondern nur von seiner Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft.390 Für das Kapitalersatzrecht wurde oben angeführt, dass die Gesellschafter durch Zuführung von Fremdkapital in der Krise den Todeskampf der Gesellschaft verlängern, bei den Gläubigern den falschen Eindruck einer lebensfähigen Gesellschaft wecken und in der Insolvenz deren Quote schmälern, weil sie selbst wie Fremdgläubiger Befriedigung ihrer Darlehensforderungen verlangen. Diese Argumente treffen jedoch, wenn überhaupt391, nur aus der ex-post-Perspektive zu, wenn die Gesellschaft letztlich tatsächlich in die Insolvenz geraten, ihre Sanierung endgültig gescheitert ist. Ex ante, wenn eine Sanierung möglicherweise noch Erfolg verspreche, könne – so wird kritisiert – das Eigenkapitalersatzrecht Anreize setzen, die im Ergebnis genau die gegenteilige Wirkung haben als beabsichtigt, nämlich die Gläubiger schädigen.392 Dies deshalb, weil die Gesellschafter aufgrund der Umqualifizierung ihrer temporären Finanzierungshilfen in haftendes Eigenkapital einseitig mit dem Risiko des Verlustes ihrer zusätzlichen Investition bei einem Scheitern der Sanierung belastet würden, obwohl alle Beteiligten, Gesellschafter wie Fremdgläubiger, an einer dauerhaft erfolgreichen Sanierung ein Interesse hätten. Somit sähen die Gesellschafter unter Umständen von einer Mittelzuführung ab und wählten statt einer Sanierung den Gang in die

388 Vgl. Fastrich, in: FS Zöllner (1998), S. 143 (156 ff.); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194). 389 Vgl. Claussen, GmbHR 1996, 316 (321); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378). 390 Vgl. Engert, ZGR 2004, 813 (826 ff.); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (420 ff.). Ausführlich zu bestimmten Problemen, die das Eigenkapitalersatzrecht für die Praxis der Unternehmensfinanzierung hervorruft, vgl. Heinert, S. 102 ff. 391 Zur begrenzten Eignung des „Todeskampf“-Arguments zur Legitimation des Eigenkapitalersatzrechts vgl. unten, § 11 IV. 1. a). 392 Vgl. Götz, S. 167 ff.; Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378).

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Insolvenz393, deren endgültiges Resultat dann in den allermeisten Fällen nur eine anteilige Befriedigung der Gläubiger sei, während sie bei erfolgreicher Sanierung auf volle Begleichung ihrer Forderungen hoffen dürften. Eine übermäßige Belastung der Gesellschafter wird den Rechtsprechungsregeln auch insoweit vorgeworfen, als sie nicht nur Darlehen und ähnliche Geschäfte in ihren sachlichen Anwendungsbereich einbeziehen, sondern auch Austauschgeschäfte wie etwa die sog. „eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung“ 394, die keine Liquiditätszufuhr oder -belassung beinhalten.395 Werden die Rechtsprechungsregeln also insgesamt dahingehend kritisiert, dass sie die Gesellschafter unangemessen belasten und gleichzeitig keinen ausreichenden Beitrag zum Gläubigerschutz leisten, so trifft insbesondere letzterer Vorwurf auch die Novellenregeln der §§ 32a, b GmbHG. Dass Darlehensforderungen der Gesellschafter in der Insolvenz nur nachrangig befriedigt werden, sei vertretbar und international verbreitet. Allerdings nütze diese Regelung den Gläubigern in den meisten Fällen nicht, da auch ohne Berücksichtigung der Gesellschafterforderungen häufig die Masse nicht zur Befriedigung der Gläubiger ausreiche.396 Der Rangrücktritt könne daher nur als untergeordneter Baustein im Gesamtsystem des Gläubigerschutzes angesehen werden. Teilweise wird dem Eigenkapitalersatzrecht auch jegliche systematische und praktische Existenzberechtigung neben der Insolvenzverschleppungshaftung abgesprochen, da es wie letztere auf dem Verbot der Fortführung einer nicht lebensfähigen Gesellschaft beruhe und nur den Anknüpfungszeitpunkt vorverlagere.397 Die Kritik am Eigenkapitalersatzrecht lässt sich nach dem Gesagten folgendermaßen zusammenfassen398: Es fehle ihm schon an einer tragfähigen dogmatischen Grundlage. Außerdem sei es übermäßig kompliziert und unübersichtlich. Insgesamt sei es in seinen Voraussetzungen wie in seinen Rechtsfolgen zu weit gefasst und behindere damit die Finanzierung des Unternehmens durch Gesellschafterfremdmittel, obwohl diese nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen häufig 393 Zur Sanierungsfeindlichkeit des Eigenkapitalersatzrechts vgl. Drukarczyk, in: FS Schneider (1995), S. 171 ff.; Engert, ZGR 2004, 813 (835); Götz/Hegerl, DB 1997, 2365; Kallmeyer, GmbHR 2004, 377; Koppensteiner, AG 1998, 308 (315). 394 St. Rspr., vgl. BGHZ 109, 55 (57 ff.); 121, 31 (34); 127, 17 (21). 395 Vgl. Fastrich, DStR 2006, 656 (659 f.); Haas, Gutachten, S. E 69 ff.; Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (423 ff.); dies., BB 2006, 1 (5); Roth/Altmeppen, § 32a GmbHG Rn. 203 ff.; Scholz/Schmidt, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 127. 396 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 64. 397 Vgl. Koppensteiner, AG 1998, 308 (313); Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (438 f., 443 ff.). 398 Vgl. Claussen, GmbHR 1996, 316 (320 f.); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193). Schmidt, GmbHR 2005, 797 (798), fasst die Kritik bündig folgendermaßen zusammen: Das Kapitalersatzrecht werde für „kompliziert und in den Ergebnissen teils ohne Gerechtigkeitswert, teils ineffektiv“ gehalten.

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einer Eigenkapitalzufuhr vorzugswürdig und zudem in der Regel leichter zu erlangen sei als echtes Fremdkapital.399 Dies sei in der Gesellschaftskrise besonders problematisch, da so u. U. Erfolg versprechende Sanierungsbemühungen der Gesellschafter verhindert und sanierungsfähige Gesellschaften in die Insolvenz gezwungen werden. Das Eigenkapitalersatzrecht sei damit allgemein ein Finanzierungs- und speziell ein Sanierungshindernis. Es lasse sich auch nicht mit Gläubigerschutzerwägungen rechtfertigen, da es in der Praxis den Gläubigern kaum nütze und masselose Insolvenzen nicht verhindere. e) Insolvenzantragspflicht Die Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG und die darauf beruhende Insolvenzverschleppungshaftung der Geschäftsführer gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG wird ebenfalls als zwar grundsätzlich sinnvolles Gläubigerschutzinstrument angesehen, dessen Nutzen für die Gläubiger aber begrenzt sei, da das Vorliegen eines Insolvenzgrundes Anwendungsvoraussetzung ist. Wann die Überschuldung i. S. d. § 19 InsO eingetreten sei, sei häufig nicht klar feststellbar.400 Und bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sei das Gesellschaftsvermögen in der Regel völlig oder zum größten Teil aufgezehrt, so dass die Gläubiger im Insolvenzverfahren nicht auf Befriedigung ihrer Forderungen hoffen könnten. Das Ziel der Erhaltung von Haftungsmasse für die Gläubiger könne deshalb nur bei einem frühzeitigeren Eingreifen der Insolvenzantragspflicht erreicht werden. Außerdem hafteten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auch nur die Geschäftsführer, ein Zugriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter sei den Gläubigern auf dieser Grundlage verwehrt.401 f) Durchgriffshaftung Größter Kritikpunkt an den Durchgriffshaftungsfiguren ist ihre tatbestandliche Unbestimmtheit und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit.402 Hinzu kommt insbesondere bei der Haftung wegen qualifizierter materieller Unterkapitalisierung, dass es keine klaren, allgemein anerkannten Maßstäbe gibt, wie die Höhe des angemessenen Eigenkapitals im Vorhinein zu bestimmen ist.403 Wenn 399

Vgl. Heinert, S. 124 f. Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 66; Ulmer/Casper, § 64 GmbHG Rn. 94 a. E. 401 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 66. 402 Dass dieser Befund nicht auf das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht beschränkt ist, zeigt das Zitat zum US-amerikanischen Recht bei Fleischer, RIW 2005, 92 (95): „Veil-piercing happens freakishly.“ 403 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 47; BDI/Hengeler, Rn. 67; Michalski/ders./Funke, § 13 GmbHG Rn. 383. Solche Maßstäbe bislang vermissend, ihre Ausarbeitung aber offenbar für möglich haltend Wiedemann, ZGR 2003, 283 (296). Näher dazu unten, § 11 I. 3. d). 400

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das aber nicht möglich ist, dann wird befürchtet, dass die Anerkennung einer entsprechenden Durchgriffshaftung zu einer erheblichen Entwertung des Haftungsprivilegs und damit der Rechtsform der GmbH insgesamt führen könnte. Denn die Rückführung einer Insolvenz auf eine vorherige materielle Unterkapitalisierung sei ex post nahezu immer möglich.404 Andere monieren, das deutsche System der Gesellschafterhaftung für gläubigerschädigendes Verhalten sei insgesamt lückenhaft und inkohärent und gewährleiste kein ausreichendes Maß an Gläubigerschutz.405 Eine Haftung des Gesellschafters gemäß § 830 BGB setze immer eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers und Vorsatz bei beiden Beteiligten voraus. § 826 BGB wiederum greife nur in Ausnahmefällen ein, stelle also zumindest in der Krise der Gesellschaft im Verhältnis zu den außerordentlichen Gläubigerrisiken eine zu hohe Hürde für die Haftung dar. Das gleiche gelte für den Durchgriffshaftungstatbestand der qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung, der vom BGH ohnehin als Anwendungsfall des § 826 BGB angesehen werde.406 Als geeignete Anknüpfungspunkte für eine Krisenhaftung der Gesellschafter verblieben im deutschen Recht damit nur die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs407 und die Übertragung der Geschäftsführerhaftung mittels der Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers. Letztere wiederum sei in Deutschland so eng gefasst, dass viele gläubigerschädigende Verhaltensweisen der Gesellschafter sanktionslos blieben. 3. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kritik an der Finanzverfassung der GmbH sich zunächst grundlegend daran entzündet, dass ihr Gläubigerschutzsystem auf einem gesetzlich abgesicherten Stammkapital aufbaut. Dies wird aus Gründen der gesetzlichen Systematik wie auch der praktischen Effektivität abgelehnt. Dem vermöchte nur ein vollständiger Systemwechsel Abhilfe zu schaffen. Systemimmanent wird vor allem anderen die übermäßige Verkomplizierung der Rechtsmaterie und die starke Bevorzugung der Gläubigerinteressen gegenüber denen der Gesellschafter moniert. Im Zentrum einer systemtreuen Reform könnten demzufolge sowohl die aufwendigen Gründungsformalitäten als auch die komplexen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln stehen.408 Ziel einer Reform sollte jedenfalls aus Sicht der Kritiker vor allem eine Vereinfachung der GmbH-Finanzverfassung sein, die auch die Unternehmensfinanzierung flexibili404

Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich (18. Aufl.), § 32a GmbHG Rn. 92. Vgl. Haas, Gutachten, S. E 47. 406 Vgl. BGHZ 151, 181. 407 Diese Alternative ist nach der Rechtsprechungsänderung durch BGH NJW 2007, 2689 („Trihotel“) obsolet. 408 So Hopt, in: FS Brandner (1996), S. 541 (545 f.); Oelkers, GesRZ 2004, 360 (363). 405

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siert. Dafür reiche es nicht, bloß die Wucherungen des Gläubigerschutzrechts zu beseitigen, vielmehr sei das gesamte Kapitalschutzrecht zu reformieren, um insgesamt eine schlanke und effiziente Regelung zu schaffen.409

§ 5 Finanzverfassung der französischen SARL I. Geltendes Recht Die französische société à responsabilité limitée (SARL) folgt – trotz wesentlicher Unterschiede im einzelnen – in ihrer Grundidee auch jenseits der Finanzverfassung dem Regelungssystem der deutschen GmbH. Denn der französische Gesetzgeber hat sich bei ihrer Einführung stark vom existierenden deutschen Modell inspirieren lassen, das zum damaligen Zeitpunkt schon von verschiedenen anderen Ländern übernommen worden war.410 Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung dieses Rechtstransplantats in Frankreich und seine gesetzlichen Grundlagen gegeben werden (1.), bevor inhaltlich auf die Regelungen der Finanzverfassung und flankierende Gläubigerschutzmechanismen eingegangen wird (2.). 1. Historische Entwicklung, Rechtsquellen Die SARL in ihrer heutigen Form wurde in Frankreich durch das Gesetz vom 07. März 1925 eingeführt.411 Der französische Gesetzgeber reagierte damit – ähnlich wie der deutsche 33 Jahre zuvor – auf die schon länger existierende Forderung aus der Wirtschaft, eine weniger regelungsintensive und schwerfällige Alternative zur Aktiengesellschaft (société par actions oder gängiger société anonyme, SA) für kleine und mittlere Unternehmen zu schaffen. Hinzu kamen positive Erfahrungen mit der GmbH auf französischem Boden, da diese Gesell409

Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377. So z. B. in Portugal durch das Gesetz vom 11.04.1901, in Österreich durch das Gesetz vom 06.03.1902, in Polen durch das Gesetz vom 08.02.1919 und in der Tschechoslowakei durch das Gesetz vom 15.04.1920. Der Einführung der SARL in Frankreich schlossen sich viele frankophone Länder an, so insbesondere Marokko 1926, Luxemburg 1933 und Belgien 1935. Vgl. die Aufzählungen bei MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 210; Mora/Mora, S. 18; Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1260. 411 Zwar sah auch schon das Gesetz vom 23. Mai 1863 eine Gesellschaftsform unter der Bezeichnung société à responsabilité limitée vor, doch handelte es sich hierbei nur um eine kleine Form der Aktiengesellschaft, deren Hauptvorteil darin bestand, dass sie, anders als die eigentliche SA, ohne staatliche Genehmigung errichtet werden konnte. Mit der heutigen SARL hatte sie nichts gemein. Zudem wurde das genannte Gesetz bereits vier Jahre später durch das Gesetz vom 24. Juli 1867 über die Aktiengesellschaften aufgehoben. Vgl. dazu Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1253. Ausführlich zur historischen Entwicklung der SARL aus deutscher Sicht Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich (1992). Überblicksweise auch MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 237 ff. 410

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schaftsform in den bis 1919 zum Deutschen Reich gehörenden Gebieten Elsass und Lothringen verbreitet und beliebt war und es auch nach deren Abtretung an Frankreich blieb.412 Die Einführung der SARL hat sich seither als wahre Erfolgsgeschichte erwiesen und ist ein gutes Beispiel für einen gelungenen Rechtsimport. Viele bestehende Gesellschaften wandelten sich in SARL um, und ein Großteil der Unternehmensneugründungen bediente sich dieser Rechtsform. Schon 1937 gab es mit einer Anzahl von 52.549 etwa genauso viele SARL wie SA in Frankreich, was einem Drittel der Gesamtzahl aller Gesellschaften entsprach.413 Am 01. Januar 2004 wiesen die Statistiken 984.625 SARL und damit eine Quote von 40,42% aus. Die SARL nimmt damit den zweiten Platz ein, hinter den sociétés civiles (1.111.649 bzw. 45,67%) und weit vor den drittplazierten SA (121.594 bzw. 5,00%).414 Dies wird vor allem damit erklärt, dass sie als Zwischenform die Vorteile der Personen- wie der Kapitalgesellschaft in idealer Weise für kleine und mittlere Unternehmen in sich vereinigt.415 Mit dieser erfolgreichen rechtstatsächlichen Entwicklung ging eine ständige Evolution der rechtlichen Grundlagen der SARL einher. In den ersten Jahrzehnten nach 1925 erfolgten mehrere kleinere Reformen, die hauptsächlich die strafund zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers (gérant) ausweiteten, um dem um sich greifenden Missbrauch der Haftungsbeschränkung der SARL und der wachsenden Zahl von Insolvenzen entgegenzuwirken.416 Aus ähnlichen 412 Dies war möglich, da die GmbH durch das Gesetz vom 01. Juni 1924, das die Einführung des französischen Handelsrechts in den abgetretenen Gebieten anordnete, als regional zulässige Rechtsform beibehalten wurde. Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1255. Möglicherweise gab dies den entscheidenden Ausschlag zugunsten des deutschen Modells, nachdem sich die französische Wirtschaft zuvor in ihren Forderungen nach einer neuen Gesellschaftsform zumeist auf die englische Ltd. bezogen hatte. 413 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1256. 414 Vgl. die Angaben der INSEE, abgedruckt bei Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 12. Die Zahlen mit Stand März 2008 sind vergleichbar: 1.014.767 SARL (38,28%). Von den sociétés civiles dient allerdings mehr als die Hälfte nicht als Unternehmensträger, sondern als Immobilienverwaltungsgesellschaft. Die SARL stellt somit die weitaus beliebteste Unternehmensrechtsform in Frankreich dar. Ein vergleichbarer Erfolg wurde auch der 1994 eingeführten vereinfachten Aktiengesellschaft (société par actions simplifiée, SAS) vorausgesagt, da sie ähnliche Vorteile aufweist wie die SARL, insbesondere nach einer weiteren Flexibilisierung ihres Rechtsregimes im Jahr 2001 bei gleichzeitiger Verschärfung des Gründungsrechts der regulären SA. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 6 bezeichnen die SAS sogar als „Zeitbombe“ („bombe à retardement“), die das französische Gesellschaftsrecht in absehbarer Zeit revolutionieren werde. Diese Prognose ist jedoch bisher nicht eingetreten, die SAS begegnet vielmehr nur in relativ geringer Zahl und hauptsächlich als Muttergesellschaft in Konzernen. Couret, La société par actions simplifiée, S. 11, führt dies vor allem auf das Mindestkapital der SAS von 37.000 Euro und die Pflicht zur externen Kontrolle der Rechnungslegung zurück. 415 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 950 f.; Lemeunier, Rn. 105. 416 Näher zu diesen frühen Reformen Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1258.

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Erwägungen417 ging die Praxis, insbesondere kreditgebender Banken, mehr und mehr dazu über, neben der Gesellschaft auch den Geschäftsführer persönlich vertraglich zu verpflichten, so dass sich die SARL in ihrer praktischen Handhabung der Kommanditgesellschaft (société en commandite simple, SCS) annäherte. Die bis heute einzige grundlegende Novellierung wurde durch das – seither in Einzelheiten vielfach modifizierte – Gesetz vom 24. Juli 1966418 mit der entsprechenden Ausführungsverordnung419 vorgenommen. Dieses Gesetz löste weitestgehend die zuvor verstreuten Einzelvorschriften über die Handelsgesellschaften ab, insbesondere die allgemeinen Normen der Artt. 18–64 C. com. und das Gesetz über die SARL vom 07. März 1925. Es enthielt neben allgemeinen Vorschriften, die für alle Handelsgesellschaften galten, in den Artt. 34–69 die wichtigsten Rechtsgrundlagen der SARL. Diese finden sich heute in Artt. L. 223-1 bis L. 223-43 des Code de commerce.420 Das Gesetz von 1966 behielt den Stand der früheren Reformen zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers bei421 und folgte im Übrigen der damals vorherrschenden Tendenz zu verstärktem staatlichem Interventionismus.422 Insbesondere die Vorschriften zur Errichtung der Gesellschaft wurden im Vergleich zum Gesetz von 1925 verschärft. Spätere Reformen ließen die Grundstruktur der SARL nach dem Gesetz von 1966 unberührt, brachten aber zum Teil wichtige Neuerungen.423 Zu nennen sind hier insbeson417 Ein Grund war insbesondere das trotz verschiedener Anhebungen als lächerlich gering („dérisoire“) empfundene Mindestkapital, vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1258. 418 Loi no 66-537 sur les sociétés commerciales, im französischen juristischen Sprachgebrauch kurz „loi 1966“. Es trat am 01. April 1967 in Kraft. Vgl. ChaussadeKlein, S. 2. 419 Décret no 67-236 vom 23. März 1967, im folgenden „décret 1967“. 420 Das Gesetz von 1966 wurde durch die ordonnance no 2000-912 vom 18. September 2000 mit sofortiger Wirkung in den Code de commerce inkorporiert, wobei letzterer gleichzeitig in seiner alten Fassung aufgehoben und mit geänderter Artikelnummerierung neu erlassen wurde. Diese neue Nummerierung erfolgte dergestalt, dass nunmehr jeder Artikel durch zwei Zahlen gekennzeichnet ist, die durch einen Bindestrich getrennt werden. Die Zahl vor dem Bindestrich ist immer dreistellig, wobei die erste Ziffer das Buch des Code de commerce, die zweite den Titel und die dritte das Kapitel bezeichnet, in dem sich die Vorschrift befindet. Die Zahl nach dem Bindestrich ist die fortlaufende Nummer des Artikels in dem jeweiligen Kapitel. Dementsprechend bedeutet die Angabe „Art. L. 223-4 C. com.“, dass es sich um den vierten Artikel im dritten Kapitel des zweiten Titels des zweiten Buches des Code de commerce handelt. Im Folgenden wird nur nach der Artikelnummerierung des neuen Code de commerce zitiert, nicht nach der alten des Gesetzes von 1966. Dies ist auch in Frankreich inzwischen üblich, obwohl manche Autoren nach wie vor beide Fundstellen nebeneinander anführen. 421 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1259. 422 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 7. 423 Vgl. die auszugsweise Übersicht über die Reformen bei Chaussade-Klein, S. 3 Fn. 15; sowie aktueller Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 10. Eine vollständige Auflistung aller Reformen findet sich in der Gesetzesausgabe Code des sociétés, édition Dalloz, in der table chronologique am Ende.

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dere das Gesetz vom 11. Juli 1985, das die „Einmann-SARL“ einführte (entreprise unipersonelle à responsabilité limitée, EURL), sowie die Gesetze vom 15. Mai 2001 („loi NRE“)424 und vom 01. August 2003 („loi Dutreil“)425, außerdem die Verordnungen (ordonnances) vom 25. März426 und 24. Juni 2004. In jüngster Vergangenheit wurde zudem durch das Gesetz vom 26. Juli 2005 („loi de sauvegarde“)427 eine bedeutende Neuausrichtung des französischen Insolvenzrechts vorgenommen, die sich auch auf die SARL auswirkt. 2. Inhalt der gesetzlichen Regelung Inhaltlich orientierte sich das Regime der SARL ursprünglich, wie bereits erwähnt, weitgehend an seinem deutschen Vorbild. Da solche Rechtstransplantate jedoch stets zunächst an die vorgefundene rechtliche Umgebung angepasst und dann entsprechend den jeweiligen nationalen Verhältnissen und Traditionslinien unterschiedlich weiterentwickelt zu werden pflegen428, finden sich in der heutigen Ausgestaltung von GmbH und SARL wesentliche Unterschiede.429 Erhalten geblieben ist allerdings die grundlegende Ausrichtung im hier untersuchten Regelungsbereich: Für die Finanzierung der SARL und den Schutz ihrer Gläubiger spielt ein von den Gesellschaftern aufzubringendes, in den Statuten festgelegtes Stammkapital (capital social) eine zentrale Rolle. Die folgende Beschreibung der betreffenden gesetzlichen Vorschriften in Frankreich orientiert sich deshalb in ihrem Aufbau an dem entsprechenden Abschnitt zum deutschen Recht, obwohl eine derartige systematische Aufschlüsselung der Materie in der einschlägigen französischen Literatur, soweit ersichtlich, nicht üblich ist. Dieses Vorgehen erscheint angezeigt, um den Vergleich der Regelungskomplexe wie der Kritik daran zu erleichtern. Gegenüber diesem Vorteil in der Darstellung tritt der denkbare Vorwurf, das fremde Recht zu sehr „durch die deutsche Brille“ zu betrachten und ihm eine externe Systematisierung zu oktroyieren, zurück.

424 Loi no 2001-420 sur les nouvelles régulations économiques vom 15.05.2001, JO vom 16.05.2001, 7776. 425 Loi no 2003-721 pour l’initiative économique vom 01.08.2003, JO vom 05.08. 2003, 13449. Ausführlich dazu unten, § 8 I. 426 Ordonnance n ë 2004-274 vom 25.03.2004, JO vom 27.03.2004, 5871. Vgl. vertiefend die Nachweise dazu bei Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 950 mit Fn. 1. 427 Loi no 2005-845 de sauvegarde des entreprises vom 26.07.2005, JO vom 27.07. 2005, 12187, in Kraft getreten am 01.01.2006. Näher dazu unten, § 5 I. 2. f). 428 Vgl. allgemein zum Phänomen importierter Rechtsinstitute Fleischer, NZG 2004, 1129. 429 Für eine knappe Gegenüberstellung beider Rechtsformen vgl. Recq/Smyrek, GmbHR Sonderheft 09/2006, 54.

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a) Grundsätzliche Funktion des Stammkapitals Dem capital social kommt im Recht der SARL wie im gesamten französischen Gesellschaftsrecht konzeptionell eine mindestens ebenso grundlegende Bedeutung zu wie im deutschen Recht.430 Es stellt die Summe der von den Gesellschaftern aufzubringenden Bar- und Sacheinlagen (apports en numéraire bzw. en nature) dar. Die zentrale Rolle der Einlagen und damit des Stammkapitals erhellt sich bereits aus der Grundnorm des französischen Gesellschaftsrechts, die für alle Gesellschaftsformen gilt: Art. 1832 Abs. 1 C. civ. erhebt die Einlageleistung zu einem der Wesensmerkmale der Gesellschaft. Ihre Nichterbringung zählt dementsprechend zu den wenigen Verstößen, die eine Nichtigkeit der Gesellschaft gemäß Art. 1844-10 Abs. 1 C. civ. zur Folge haben. Die Einlagen sind gleichzeitig Ausdruck der affectio societatis und wirtschaftliche Grundlage der Verfolgung des Gesellschaftsgegenstandes, also gleichsam der Kristallisationspunkt aller Grundvoraussetzungen einer Gesellschaft nach französischem Recht.431 Anders als im deutschen Recht sieht Art. 1843-3 Abs. 1 C. civ. deshalb einen gesetzlichen Anspruch der Gesellschaft auf die vereinbarte Einlageleistung vor.432 Die theoretischen Funktionen des Stammkapitals sind prinzipiell die gleichen wie im deutschen Recht.433 Zunächst steht es auf der Passivseite der Bilanz und repräsentiert die Summe der den Gesellschaftern im Falle der Auflösung der Gesellschaft zurückzugewährenden Einlagen. Damit stellt es ein Finanzierungsinstrument dar, das die (anfängliche) Ausstattung der Gesellschaft mit Betriebskapital in Form der Einlagen gewährleistet.434 Gleichzeitig wird es deshalb auch teilweise als Indiz für die Solvenz der Gesellschaft herangezogen. Daneben ist es 430 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1268, dem zufolge das capital social in der SARL eine noch wichtigere Rolle spielt als in der SA. Pointiert formulieren Cozian/ Viandier/Deboissy, Rn. 126: Der Gesetzgeber schreibe dem Stammkapital „des vertus quasi sacramentelles“ zu; sowie ibid., Rn. 110: „Sans apport, il n’est pas de société.“ Ähnlich und ausführlich zur Bedeutung des Stammkapitals Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3. In monographischer Breite Ouachem, S. 2 ff. 431 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 110. Die Grundelemente jeder Gesellschaft sind gemäß Art. 1832 C. civ. (1) der gemeinsame Zweck und (2) die Einlagen aller Gesellschafter sowie (3) die (ungeschriebene) affectio societatis, die als innere Verbindung der Gesellschafter deren Willen zur gemeinschaftlichen Betätigung umschreibt. 432 Das ändert allerdings nichts daran, dass der Einlageleistung ein Vertrag zugrunde liegt, bei dem der Gesellschafter als Gegenleistung Geschäftsanteile der SARL erhält, vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 110 unter Verweis auf den insoweit nicht eindeutig formulierten Art. 1843-3 C. civ. 433 Auf die Zweifel, ob es diese Funktionen auch tatsächlich erfüllt, wird später eingegangen, vgl. unten § 5 II. An dieser Stelle geht es zunächst nur um die theoretische Konzeption. 434 Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3, 4, stellt die Beziehung zwischen Einlagen und Stammkapital kurz und eingängig folgendermaßen dar: „[S]i les apports constituent le premier actif de la société, les premiers éléments de son patrimoine, le capital constitue sa dernière dette [Hervorhebungen im Original].“

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„das Pfand der Gesellschaftsgläubiger“ (le gage des créanciers)435 als Ersatz für die fehlende persönliche Haftung der Gesellschafter.436 Die elementare Bedeutung des Gesellschaftskapitals, für alle Gesellschaften verkörpert in dessen Erwähnung in Art. 1832 C. civ., setzt sich im System der Finanzverfassung der SARL fort: Schon die erste Vorschrift des speziell dieser Gesellschaftsform gewidmeten Abschnitts des Code de commerce, Art. L. 223-1 Abs. 3 C. com., bestimmt, dass in jedweder Korrespondenz der Gesellschaft mit Dritten437 zusammen mit der Firma (dénomination sociale) sowie der Gesellschaftsform in Kurzoder Langbezeichnung stets auch die Höhe des Stammkapitals angegeben werden muss.438 b) Mindestkapital Allerdings hat der französische Gesetzgeber mit der loi Dutreil von 2003 eine bedeutsame Neuausrichtung vollzogen.439 Bis dahin sah Art. L. 223-2 Abs. 1 C.com a. F. ein Mindestnominalkapital von 7.500 Euro vor.440 Eine Kapitalherabsetzung unter diese Grenze war gemäß Abs. 2 der Vorschrift nur zulässig unter der aufschiebenden Bedingung einer Kapitalerhöhung, die einen gesetzeskonformen Zustand wiederherstellte.441 Bei Verstößen konnte jeder Betroffene die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft betreiben. Seit der Reform vom 01. August 2003 lautet die bündige Neufassung des Art. L. 223-2 C. com.: „Le montant du 435 Die Funktion des Stammkapitals als „gage des créanciers“ findet sich, soweit ersichtlich, in jeder Abhandlung zu diesem Thema. Hier wird nicht verkannt, dass selbstverständlich nicht das Stammkapital, sondern die entsprechenden Aktiva als Pfand der Gesellschaftsgläubiger dienen. Vgl. dazu auch unten, § 10 II. 1. b) aa). 436 Hinzu kommt noch die Funktion eines Verteilungsschlüssels für Verwaltungs- und Gewinnbezugsrechte, ebenfalls parallel zum deutschen Recht. Vgl. insgesamt zu den Funktionen des Stammkapitals Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 231; Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3 ff. 437 Vgl. Lefebvre/Mercadal/Janin, Rn. 797. 438 Die Einhaltung dieser Formalität wird abgesichert einerseits durch die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers, insbesondere gemäß Art. L. 241-7 C. com., andererseits durch die persönliche Haftung der Gesellschafter jedenfalls für den Fall, dass ein Dritter annehmen durfte, es mit einer société en nom collectif (SNC, entspricht in etwa der deutschen oHG) zu tun zu haben. Vgl. näher Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1266 m.w. N. 439 Loi no 2003-721 pour l’initiative économique, JO vom 05. August 2003, 13449, Art. 1 I. 440 Die Mindestkapitalziffer hatte sich bis dahin folgendermaßen entwickelt: 1925 war sie zunächst auf 20.000 FF festgelegt worden, wurde 1938 auf 50.000 FF und 1953 sogar auf eine Mio. FF erhöht, was allerdings nach der französischen Währungsreform nur 10.000 neuen FF entsprach. Das Gesetz von 1966 verdoppelte diese Ziffer auf 20.000 FF. 1984 wurde eine erneute Erhöhung auf 50.000 FF vorgenommen, und schließlich erfolgte im Zuge der Europäischen Währungsunion eine bloße Umrechnung in 7.500 Euro ohne nennenswerte Wertänderung. Näher Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30. 441 Sog. „Ziehharmonika-Maßnahme“ („coup d’accordéon“).

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capital de la société est fixé par les statuts. Il est divisé en parts sociales égales.“ 442 Das gesetzliche Mindestkapital ist also in Frankreich abgeschafft.443 Es steht den Gesellschaftern frei, die Höhe des Stammkapitals nach ihrem Gutdünken in den Statuten festzulegen. Auf Hintergründe und Reaktionen zu dieser Reform wird weiter unten zurückgekommen.444 c) Kapitalaufbringung Entsprechend der Bedeutung des Stammkapitals für den Gläubigerschutz sind Vereinbarungen, die einem Gesellschafter seine Einlageleistung erlassen oder deren spätere Rückerstattung versprechen, unzulässig. Sie würden den in Art. 1832 Abs. 3 C. civ. festgelegten Grundsatz aushebeln, dass alle Gesellschafter sich an den Verlusten der Gesellschaft beteiligen müssen. Denn in einer Kapitalgesellschaft tun sie dies mangels persönlicher Haftung primär über ihre Einlageleistungen. Es handelt sich bei solchen Abmachungen deshalb um so genannte clauses léonines, die gemäß Art. 1844-1 Abs. 2 C. civ. nichtig sind.445 Die Gesellschaft hat dementsprechend einen Anspruch auf Rückgabe von dem Gesellschafter zurückgewährten Einlagen. Einlagen in Form von Dienstleistungen (apports en industrie) waren ursprünglich verboten, da sie nichts zum Stammkapital als Haftungsfonds für die Gläubiger beitragen können.446 Mit Gesetz vom 15. Mai 2000 wurde dies geändert: Dienstleistungen sind seitdem generell zulässige Einlageleistungen447, allerdings 442 Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (415), verweist darauf, dass der erste Satz der neuen Formulierung überflüssig ist, da bereits Art. 1835 C. civ. für alle Gesellschaften und Art. L. 210-2 C. com. speziell für die Handelsgesellschaften vorschreiben, dass die Statuten den Betrag des Gesellschaftskapitals bestimmen müssen. Eine eigenständige Anordnung für die SARL war also unnötig, der einzige wirkliche Regelungsgehalt des Art. L. 223-2 C. com. liegt in seinem zweiten Satz, der die Beibehaltung des Prinzips der Gleichheit der Gesellschaftsanteile festschreibt. Ebenso Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (130). 443 Für Presseunternehmen und sociétés coopératives in der Rechtsform der SARL galt ausnahmsweise ein geringeres Mindestkapital von 300 Euro (Art. L. 223-2 Abs. 3 C. com.) bzw. 3.750 Euro (Art. 27 Abs. 3 des Gesetzes vom 10.09.1947). Auch diese Vorschriften wurden abgeschafft. Etwas anderes gilt jedoch für die exploitation agricole à responsabilité limitée (EARL), für die es bei dem in Art. L. 324-3 Abs. 1 C. rur. angeordneten Mindestkapital von 7.500 Euro bleibt. Allerdings handelt es sich hierbei entgegen des irreführenden Namens nicht um eine der SARL entsprechende Rechtsform, sondern um eine société civile i. S. d. Artt. 1845 ff. C. civ. 444 Siehe unten, § 8 I. 445 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1274. 446 Vgl. Art. 38 loi 1966; sowie Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 124; und die Nachweise bei Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1275. 447 Sie waren dies zuvor schon in bestimmten, durch das Gesetz Nr. 82-596 vom 10. Juli 1982 geregelten Fällen, um insbesondere Eheleuten die Gründung einer Gesellschaft zum Betreiben ihres Familienunternehmens zu ermöglichen. Vgl. Ripert/Roblot/ Germain, Rn. 1275.

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wird ihr Wert nicht in die Berechnung des Stammkapitals einbezogen, Art. 18432 Abs. 2 C. civ. Für sie werden jedoch, wie für jede andere Einlageleistung auch, Geschäftsanteile ausgegeben, mit allen diesbezüglichen Rechten und Pflichten.448 Die Regelung der näheren Modalitäten bleibt den Statuten überlassen, Art. L. 223-7 Abs. 2 C. com. Über diese Regelung einer spezifischen Einlageform hinaus ist Art. L. 223-7 C. com. eine der Grundnormen des Kapitalaufbringungsrechtes der SARL. Er statuiert zunächst das Prinzip der notwendigen Vollübernahme parallel zu § 5 Abs. 3 S. 3 GmbHG: Der Gesamtbetrag des Stammkapitals ist gemäß Art. L. 223-2 S. 2 C. com. in Geschäftsanteile mit gleich hohem Nennbetrag aufgeteilt, die allesamt von den Gesellschaftern übernommen werden müssen, Art. L. 223-7 Abs. 1 S. 1 C. com. (souscription des parts sociales). Sinn der Vorschrift ist der gleiche wie im deutschen Recht: Nicht von den Gesellschaftern gezeichnetes Kapital führt dazu, dass die Einlageansprüche der Gesellschaft und damit die ihr letztendlich zufließenden Einlageleistungen betragsmäßig hinter der publizierten Stammkapitalziffer zurückbleiben, was zu einer Irreführung des Rechtsverkehrs führt. Von den übernommenen Einlageverpflichtungen muss ein Teil schon bis zur Eintragung erfüllt sein (libération des parts sociales). Gemäß Art. L. 223-7 Abs. 1 S. 2 C. com. müssen alle Sacheinlagen vollständig erbracht worden sein. Das gleiche galt ursprünglich auch für Bareinlagen, dies wurde jedoch durch die loi NRE geändert449: Gemäß Art. L. 223-7 Abs. 1 S. 3 C. com. genügt seither die Zahlung von einem Fünftel des Bareinlagebetrages, der Rest muss innerhalb von fünf Jahren ab Eintragung eingezahlt werden.450 Unabhängig davon muss vor jedweder Barkapitalerhöhung das ursprüngliche Stammkapital vollständig aufgebracht sein, Art. L. 223-7 Abs. 1 S. 4 C. com. Als erfüllt gilt die Einlageverpflichtung selbstverständlich nur, wenn die Leistung werthaltig ist. Dies ist insbesondere bei Sacheinlagen relevant: Wird das geschuldete Recht oder die geschuldete Sache wie vereinbart an die Gesellschaft übertragen, ist aber wirtschaftlich gesehen wertlos, so handelt es sich um einen apport fictif, der nicht von der Einlageverpflichtung befreit.451 Erfolgt keine Heilung dieses Gründungs448 Für diese Geschäftsanteile gelten aber einige Besonderheiten, insbesondere hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit, vgl. näher Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1275. 449 Loi no 2001-420 sur les nouvelles régulations économiques vom 15.05.2001, JO vom 16.05.2001, 7776, Art. 124 I. 450 Damit fällige Einlagepflichten zügig erfüllt werden, sieht Art. 1843-3 Abs. 5 C. civ. eine Verzinsung verspäteter Einlageleistungen vor sowie ein Verfahren, durch das Dritte die Gesellschaft zur Geltendmachung noch offener Einlageleistungen zwingen können. Außerdem ist der säumige Gesellschafter der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz von Schäden verpflichtet, die aus der Verspätung resultieren. 451 Ein apport fictif liegt z. B. nach der Rechtsprechung vor, wenn der übertragene Gegenstand nicht im Eigentum des Inferenten steht oder mit Lasten behaftet ist, die den Wert fast vollständig aufzehren. Letzteres ist zum Beispiel bei der Einbringung eines

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fehlers, ist die Gesellschaft nichtig gemäß Art. 1844-10 Abs. 1 i.V. m. Art. 1832 Abs. 1 C. civ. Das Problem der verdeckten Sacheinlage kennt das französische Recht im Gegensatz zum deutschen nicht. Vielmehr ist die Begleichung einer Bareinlagepflicht durch Aufrechnung mit einer Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, z. B. aus einem Kaufvertrag, generell zulässig, unabhängig von der Werthaltigkeit der Gesellschafterforderung.452 Auch eine Mindestsumme der gesamten vor der Eintragung aufzubringenden Einlageleistungen ist dem französischen Recht unbekannt. Allerdings sieht Art. L. 223-7 Abs. 4 C. com. i.V. m. Art. 22 des décret 1967 vor, dass innerhalb von acht Tagen nach ihrer Inempfangnahme die als Einlage geleisteten Vermögenswerte für Rechnung der in Gründung befindlichen Gesellschaft bei der Caisse des dépôts et consignations, einem Notar oder einer Bank hinterlegt werden müssen; der Name des Verwahrers muss in den Statuten genannt werden. Durch diese dem Recht der SA entlehnte Anordnung soll – in Ermangelung besonderer gesetzlicher Vorschriften über die Art und Weise der Einlageleistung – die reale Kapitalaufbringung sichergestellt werden.453 Hinzu kommt, dass die „Vor-SARL“ nicht als rechtsfähig angesehen wird454, so dass ein Gesellschaftsvermögen Dritten gegenüber erst dann entstehen kann, wenn die Gesellschaft eingetragen worden ist. Die Einlageleistungen können also bis dahin nicht in das Eigentum der Gesellschaft übergehen, weshalb eine Hinterlegung erforderlich ist, um eine Trennung der Einlageleistungen vom Vermögen der Gründer zu gewährleisten.455 Die Leistung auf die Einlage sowie deren Hinterlegung müssen in den Statuten vermerkt werden. Im Falle des Unterlassens oder eines inhaltlich falschen Vermerks werden die vorsätzlich handelnden Gesellschafter gemäß Art. L. 241-1 Abs. 1 C. com. strafrechtlich belangt. Gleiches gilt gemäß Art. L. 22332 Abs. 1 C.com bei Barkapitalerhöhungen. Zum Schutz der Vermögenswerte, die der Gesellschaft als Einlagen zugeflossen und für diese hinterlegt worden sind, untersagt Art. L. 223-8 Abs. 1 C. com. jeden Zugriff darauf vor Eintragung der Gesellschaft im Handels- und Gesellhoch verschuldeten Unternehmens der Fall. Allein das Bestehen von Hypotheken macht ein eingebrachtes Grundstück noch nicht zum apport fictif, allerdings ist der Wert entsprechend niedriger anzusetzen. Vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Ripert/Roblot/ Germain, Rn. 1281. 452 Für die SA angeordnet in Art. L. 225-128 Abs. 2 C. com. Vgl. auch Cass. com. 20.05.1997, Bull. com. Nr. 144. Allerdings unterliegt ein entsprechender Vertrag, aus dem eine solche Forderung des Gesellschafters resultieren kann, wie alle Verträge zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter grundsätzlich der Genehmigung durch erstere. Dazu sowie ausführlich zur Gründungsprozedur der SARL Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, 1070 (1072). 453 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1280. 454 Näher dazu unten, § 5 I. 2. g) bb). 455 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 116.

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schaftsregister (Registre du Commerce et des Sociétés, RCS).456 Hierdurch wird die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Einlageleistungen durch das registerführende Handelsgericht erleichtert457 und die reale Kapitalaufbringung abgesichert.458 Allerdings ist andererseits eine Aufnahme der Geschäftstätigkeit vor der Eintragung unmöglich, sofern hierfür die Einlagen, insbesondere als Sacheinlage geleistete Betriebsmittel, notwendig sind.459 Jedem Gründungsgesellschafter ist es gestattet, seine hinterlegte Einlage mit gerichtlicher Erlaubnis individuell wieder zurückzunehmen, sofern die Gesellschaft nicht innerhalb von sechs Monaten seit der ersten Einlageleistung errichtet oder eingetragen wurde, Art. L. 223-8 Abs. 2 S. 1 C. com. Darüber hinaus kann ein Vertreter, der alle diejenigen repräsentiert, die bereits ihre Einlageleistung erbracht haben, die Gesamtheit der bisherigen Einlageleistungen zurückfordern, und zwar seit der ordonnance no 2004-274 vom 25. März 2004 auch ohne gerichtliche Erlaubnis direkt vom Verwahrer (dépositaire), Art. L. 223-8 Abs. 2 S. 2 C. com. Diese Vorschrift soll eine übermäßig lange dauernde Bindung von Vermögenswerten verhindern, wenn sich die Gesellschaftsgründung, aus welchen Gründen auch immer, in die Länge zieht. Allerdings besteht so die Möglichkeit, dass die Gründungsprozedur von den Betroffenen selbst künstlich in die Länge gezogen wird, sie dann die Bindung ihrer Einlageleistungen beim dépositaire aufheben können und danach – absprachegemäß – dennoch die Gesellschaftsgründung weiterverfolgen. Die Folge wäre ein Leerlaufen des Hinterlegungserforder-

456 Gemäß Art. 23 décret 1967 kann der Vertreter der Gesellschaft nur gegen Vorlage einer amtlichen Bescheinigung über die erfolgte Eintragung darauf zugreifen, eine während des Eintragungsverfahrens ausgestellte vorläufige Bescheinigung genügt nicht. Vgl. Rép. min. Nr. 27031, JOAN Q, 30.12.1972, S. 6469. Ursprünglich war in Art. 2 des Entwurfes der loi Dutreil vorgesehen, Art. L. 223-8 Abs. 1 C. com. dahingehend zu ändern, dass ein Vertreter der Gesellschaft unter durch ein décret näher zu präzisierenden Voraussetzungen die hinterlegten Vermögensgegenstände entnehmen könne. In dem entsprechenden décret sollte dann angeordnet werden, dass eine Entnahme nicht erst nach der Eintragung, sondern bereits vorher gegen Vorlage des neu geschaffenen récépissé de création d’entreprise (RCE, näher dazu unten § 8 I. 1.) möglich sei. Dadurch erhoffte man sich eine weitere Vereinfachung und Beschleunigung der Gründung und der Geschäftsaufnahme. Der französische Vermittlungsausschuss von Senat und Nationalversammlung (commission mixte paritaire), angerufen nach der Zweiten Lesung, verwarf diese Idee jedoch, insbesondere aufgrund von Rechtssicherheitsbedenken, so dass es bei der ursprünglichen Fassung des Art. L. 223-8 C. com. blieb. 457 Näher zu den Prüfungskompetenzen des Registergerichts unten S. 134. 458 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (921): „Cette règle contribue à garantir la réalité du capital.“ 459 Wie soeben erläutert, kommt eine Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Gesellschaft selbst vor Eintragung mangels Rechtsfähigkeit ohnehin nicht in Frage. Allerdings bleibt es aufgrund der Sperrung der Einlageleistungen auch den Gründern verwehrt, diese in Erwartung der bevorstehenden Eintragung zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs zu nutzen.

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nisses.460 Aus diesem Grunde schreibt Art. L. 223-8 Abs. 3 C. com. vor, dass es einer erneuten Hinterlegung bedarf, wenn bereits hinterlegte Leistungen zulässigerweise aus dem dépôt abgezogen wurden und sich die Gründer später doch noch für eine Errichtung der Gesellschaft entscheiden.461 Wie in Deutschland unterliegen auch bei der SARL die Sacheinlagen462 verschärften Regeln, um ihre Werthaltigkeit zu gewährleisten. Zentrale diesbezügliche Vorschrift ist Art. L. 223-9 C. com. In Abs. 1 S. 1 wird angeordnet, dass die Bewertung der Sacheinlagen in die Statuten aufgenommen werden muss. Diese Bewertung beruht normalerweise auf dem gemäß Abs. 1 S. 2 obligatorischen Sachgründungsbericht, die Gesellschafter können jedoch auch eine abweichende Bewertung in den Statuten festhalten. Der Sachgründungsbericht ist allerdings in jedem Fall den Statuten als Anhang beizufügen. Er wird in aller Regel durch einen unabhängigen Einlagenprüfer (commissaire aux apports) angefertigt, welcher von den Gesellschaftern einstimmig ernannt oder auf Antrag gerichtlich bestimmt wird.463 Von der grundsätzlich zwingenden Bestellung eines unabhängigen Prüfers können die Gründer durch einstimmigen Beschluss absehen, wenn (1) der Wert keiner einzelnen Sacheinlage 7.500 Euro überschreitet und (2) der Gesamtwert aller Sacheinlagen, die nicht von einem Einlagenprüfer bewertet werden, höchstens die Hälfte des Stammkapitals ausmacht, Art. L. 223-9 Abs. 2 C. com. Von der Pflicht zur Anfertigung eines Sachgründungsberichtes werden sie dadurch jedoch nicht befreit. Auch Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft oder gegen Dritte, die als Sacheinlagen eingebracht werden können, unterliegen grundsätzlich dieser Bewertungsprozedur. Sie kann jedoch unter Umständen legal umgan-

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Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1280. Art. L. 223-8 Abs. 3 C. com. sieht nach seinem Wortlaut nur eine erneute Hinterlegungspflicht vor, wenn die Gründer sich nach Rücknahme der geleisteten Vermögensgegenstände entscheiden, die Gesellschaft doch zu errichten („constituer“). Dies entspricht der alten Fassung des Abs. 2 der Vorschrift, der vor der ordonnance 2004-274 ein Rücknahmerecht nur vorsah, wenn innerhalb von sechs Monaten die Errichtung nicht stattgefunden hatte. Seit das gleiche für den Fall nicht erfolgter Eintragung gilt, ist nicht ersichtlich, warum dann nicht auch eine Pflicht zur erneuten Einlagenhinterlegung bestehen sollte, wenn nur die Eintragung ausgeblieben war, aber später weiterverfolgt wird. Der Sinn der Hinterlegungspflicht erfordert dies vielmehr geradezu. Am nächstliegend erscheint als Begründung ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers. 462 Als zulässige Formen von Sacheinlagen werden nach einer in der französischen Literatur gängigen Einteilung die Übertragung des Eigentums (apport en propriété) oder eines Nießbrauchsrechtes (apport en usufruit) an Sachen, deren Überlassung zur Nutzung (apport en jouissance) oder die Übereignung einer Sache, an der ein fremdes Nießbrauchsrecht besteht (apport en nue-propriété) sowie die Übertragung sonstiger Rechte angesehen. 463 Er wird aus einer Liste zugelassener Einlagenprüfer oder sonstiger zugelassener Experten ausgewählt. 461

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gen werden: Hat der Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen gewährt464, so kann er, statt die entsprechende Rückzahlungsforderung im Rahmen einer Kapitalerhöhung als Sacheinlage einzubringen, eine Bareinlage übernehmen und die resultierende Zahlungsverpflichtung gegenüber der Gesellschaft durch gesetzliche Aufrechnung (compensation légale) mit seinem Darlehensrückzahlungsanspruch begleichen. Voraussetzung ist neben der Gleichartigkeit die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit beider Ansprüche. Diese – in Deutschland gemäß § 19 Abs. 2 GmbHG untersagte – Maßnahme ist allerdings nur außerhalb einer obligatorischen procédure collective 465 (Insolvenzverfahren) zulässig, nach deren Eröffnung fehlt es an der gemäß Art. L. 622-7 Abs. 1 S. 1 C. com. erforderlichen Konnexität.466 Ein Sonderproblem entsteht bei der Umwandlung einer Gesellschaft anderer Form in eine SARL. Es stellt sich die Frage, ob das bestehende Nettovermögen der umzuwandelnden Gesellschaft wie eine Sacheinlage einer neu zu gründenden SARL zu behandeln und damit dem soeben dargestellten Bewertungsverfahren unterworfen ist. Das Gesetz von 1925 enthielt keinerlei Vorschriften dazu. Die Praxis ging zunächst davon aus, dass eine gesonderte Bewertung der Aktiva nicht erforderlich sei, da die Rechtspersönlichkeit der ursprünglichen Gesellschaft durch die Umwandlung in ihrem Fortbestand unberührt bleibe, ihr Vermögen 464 Zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen (comptes courants d’associés) näher unten, S. 140 ff. 465 Als procédures collectives wurden früher die beiden förmlichen (Insolvenz-)Verfahren bezeichnet, deren Eröffnung vor dem Handelsgericht zwingend beantragt werden muss, wenn eine Gesellschaft zahlungsunfähig geworden ist. Dies ist zum einen das Sanierungsverfahren (redressement judiciaire), zum anderen das Liquidationsverfahren (liquidation judiciaire). Die Bezeichnung procédure collective rührt daher, dass von der Insolvenz des Unternehmens eine Vielzahl von Personen betroffen ist, namentlich die Unternehmer (im Falle einer SARL also Gesellschafter und Geschäftsführer), die Arbeitnehmer und die Gläubiger. Der Gegenbegriff sind die procédures amiables, die unter nur begrenzter Beteiligung hoheitlicher Stellen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern stattfinden. Durch die loi de sauvegarde wurde zum 01.01.2006 eine neue procédure collective eingeführt, das Sicherungsverfahren (procédure de sauvegarde). Hier ist der Antrag auf Eröffnung freiwillig und setzt nicht eine bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit voraus. Seither werden alle drei Verfahren mit dem gleichen Oberbegriff bezeichnet, dieser ist also nunmehr weiter gefasst und bezeichnet förmliche Verfahren vor dem Handelsgericht bei bereits eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit; das Merkmal der Antragspflicht ist weggefallen. Da ältere Abhandlungen jedoch unter den Begriff nur die beiden erstgenannten Verfahren fassen, und da sie die zwei Stufen des eigentlichen Insolvenzverfahrens darstellen, werden diese beiden Verfahren hier unter den Bezeichnungen „obligatorische procédures collectives“ oder „Insolvenzverfahren“ zusammengefasst. Der Begriff „procédure collective“ wird hingegen in der seit dem 01.01.2006 gültigen Fassung verwendet, also als Sammelbezeichnung für alle drei Verfahren. Vgl. insgesamt dazu sogleich unter § 5 I. 2. f). 466 Vgl. Cass. com. 08.01.2002, Bull. Joly 2002, 477 m. Anm. Lucas; Cass. com. 20.05.1997, Bull. Joly 1997, 861 m. Anm. Dom; Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 118, 239.

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also nicht in eine „neue“ SARL eingebracht werde. Dieser Argumentation schob der Kassationshof schon bald einen Riegel vor.467 Im Anschluss an diese Rechtsprechung entspricht es heute herrschender Meinung, dass die gegenständlichen Vermögenswerte der umzuwandelnden Gesellschaft wie Sacheinlagen zu behandeln sind, also insbesondere einer grundsätzlich obligatorischen Bewertung durch einen registrierten Einlagenprüfer unterworfen sind.468 Sanktioniert wird eine Überbewertung von Sacheinlagen in dreifacher Hinsicht. Zunächst haften alle Gesellschafter fünf Jahre lang ab Errichtung der Gesellschaft solidarisch469 unmittelbar gegenüber Dritten für die Richtigkeit des in den Statuten angegebenen Wertes der Sacheinlagen, Art. L. 223-9 Abs. 4 C. com.470 Dies entspricht im Ergebnis der Differenzhaftung gemäß § 9 Abs. 1 GmbHG. Allerdings wurde die alte Regelung von 1966 in der Praxis zum Teil heftig angegriffen, insbesondere angesichts des Regelfalles einer Bewertung durch einen unabhängigen Prüfer, an der die Gesellschafter keinen nennenswerten Anteil haben.471 Deshalb wurde die Haftung durch Gesetz vom 05. Januar 1988 auf die Fälle beschränkt, wo entweder kein Einlagenprüfer bestellt wurde oder der in den Statuten angegebene Wert der Sacheinlage(n) von dem durch den Prüfer ermittelten abweicht. Der Grund für die Haftung wird in der Irreführung Dritter durch die falsche Wertangabe in der Satzung über die Höhe des der Gesellschaft zugeführten Vermögens gesehen. Deshalb haften die Gesellschafter auch nur für die Wertdifferenz, wie sie sich zum Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft darstellt; spä467 Vgl. Cass. civ. 17.06.1936, D. 1938. 1. 9 m. Anm. Pic, S. 1937. 1. 23. Für eine Anwendung der Sacheinlagevorschriften spricht schon allein aus rechtspraktischer Sicht, dass diese andernfalls problemlos umgangen werden könnten, indem zuerst eine SNC gegründet und diese dann unmittelbar danach in eine SARL umgewandelt wird. Vgl. auch die Nachweise bei Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1284. 468 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1284. Eine gesetzliche Regelung existiert in Art. L. 225-244 Abs. 1 C. com. für die Umwandlung einer SA in eine SARL. Demnach ist Voraussetzung des Umwandlungsbeschlusses der Hauptversammlung ein Bericht der Rechnungsprüfer (commissaires aux comptes), der bescheinigt, dass die Gesellschaft über Vermögenswerte mindestens in Höhe des Stammkapitals verfügt. Eine gesonderte Bewertung durch Einlagenprüfer ist dann überflüssig. Das gleiche gilt gemäß Art. L. 227-1 Abs. 3 S. 1 C. com. für die SAS. 469 Im Innenverhältnis besteht ein Regressanspruch gegen den Erbringer der nicht werthaltigen Sacheinlage. Ist dieser insolvent, besteht Streit hinsichtlich der Aufteilung der Haftung auf die übrigen Gesellschafter: Teilweise wird für eine Staffelung je nach Grad des individuellen Verschuldens plädiert, teilweise – überzeugender – für eine prorata-Haftung entsprechend den Anteilen an der Gesellschaft. Vgl. näher Ripert/Roblot/ Germain, Rn. 1283. Es handelt sich hierbei um den einzigen Fall einer solidarischen Haftung der SARL-Gesellschafter, vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 958. 470 Vgl. dazu Cass. com. Rev. sociétés 1974, 86 m. Anm. Honorat. Zusätzlich haftet der leistende Gesellschafter der Gesellschaft gegenüber gemäß Art. 1843-3 Abs. 3 C. civ. wie ein Verkäufer, z. B. für versteckte Mängel, sofern seine Einlageleistung in der Übertragung des Eigentums an einer Sache bestand. 471 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1283.

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tere Wertverluste des Einlagegegenstandes bleiben als normales Gläubigerrisiko außer Betracht.472 Unklarheiten bestehen hinsichtlich der Rechtsnatur der Differenzhaftung, was Auswirkungen nicht nur für das Innenverhältnis der Gesellschafter hat, sondern auch für die Frage, ob die Gründungsgesellschafter oder die jeweils aktuellen Gesellschafter haften und wie weit die Haftung für Folgen der Falschbewertung reicht. Am überzeugendsten erscheint eine Einordnung als gesetzliche Garantiehaftung für die Werthaltigkeit der Sacheinlagen und damit für nicht mehr und nicht weniger als die volle Aufbringung des Stammkapitals.473 Zusätzlich zur Differenzhaftung greift im Falle einer Überbewertung von Sacheinlagen unter Umständen auch die strafrechtliche Sanktion des Art. L. 241-3 Nr. 1 C. com. ein. Sie trifft jede Person, also Gesellschafter und Einlagenprüfer gleichermaßen, die wissentlich eine den realen Wert übersteigende Bewertung der Sacheinlage und damit eine Zuteilung eines überproportionalen Geschäftsanteils an den Leistenden herbeigeführt hat (surévaluation bzw. majoration frauduleuse de l’apport).474 Der außerordentlich hohe Strafrahmen von fünf Jahren Haft sowie 375.000 Euro Geldstrafe zeigt die hohe Bedeutung des Prinzips der realen Kapitalaufbringung auch im französischen Recht.475 Speziell auf den Einlagenprüfer bezieht sich die dritte Haftungssanktion: Er haftet nach allgemeinen deliktischen Grundsätzen den Gesellschaftern gegenüber für jede schuldhafte Falschbewertung von Sacheinlagen.476 Ähnlich wie in Deutschland obliegt es dem registerführenden Handelsgericht, die ordnungsgemäße Errichtung der Gesellschaft vor der Eintragung zu überprüfen, Art. L. 210-7 Abs. 1 C. com. Im Einzelnen werden die Prüfungskompeten472

Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1283. Ebenfalls vertreten wird eine verschuldensunabhängige vertragliche Haftung aus dem Gesellschaftsvertrag sowie insbesondere eine deliktische Haftung aus vermutetem Verschulden (présomption de faute) der Gründer für die falsche Bewertung in den Statuten. Letztere Ansicht hat zunächst für den Haftungsumfang weit reichende Konsequenzen: Jede Folge der Überbewertung, selbst eine eventuell daraus resultierende Gesellschaftsinsolvenz, müsste von der Haftung umfasst sein, so dass die Gesellschafter unter Umständen für die gesamten Gesellschaftsschulden einzustehen hätten. Zudem müssten konsequenterweise die Gründer Haftungssubjekt sein, da nur sie die Überbewertung in den Statuten verschuldet haben können. Angesichts des Zwecks und Wortlautes des Art. L. 223-9 Abs. 4 C. com. leuchtet weder das eine noch das andere ein. Nach der vorzugswürdigen Ansicht haften nur die aktuellen Gesellschafter für die Differenz zwischen angegebenem und realem Wert der Sacheinlagen. Eine deliktische Haftung der Gründer kommt daneben allenfalls nach allgemeinen Grundsätzen gemäß der deliktischen Generalklausel des Art. 1382 C. civ. in Betracht. Ebenso und ausführlich Ripert/ Roblot/Germain, Rn. 1283. 474 Vgl. Cass. crim. 22.01.1990, Bull. Joly 1990, 543; Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1282. 475 Ebenfalls bestraft, wenn auch „nur“ mit sechs Monaten Haft und 9.000 Euro Geldstrafe, wird eine falsche oder nicht vorhandene statutarische Erklärung über die Leistung der Einlagen und deren Hinterlegung, Art. L. 241-1 C. com. 476 Lorient civ. 24.02.1988, B.C.N.C.C. 1988, 314; Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1282. 473

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zen des zuständigen Urkundsbeamten (greffier) des Handelsgerichts durch die Artt. 29 ff. des décret no 84-406 vom 30. Mai 1984 geregelt. Dieser Erlass bestimmt in Art. 30 Abs. 3, eingefügt durch décret no 95-374 vom 10. April 1995, dass das Prüfungsrecht des greffier die Frage umfasst, ob die Gesellschaft gemäß den gesetzlichen Vorschriften errichtet worden ist. Nach Entstehungsgeschichte und Teleologie der Vorschrift sind damit jedoch nur Vorschriften gemeint, aus denen sich die Nichtigkeit der Gesellschaft insgesamt ergeben kann, nicht auch solche, die lediglich einzelne Satzungsregelungen für nichtig (non écrites) erklären.477 Interessant für die Kapitalaufbringung ist insoweit Art. 1832 Abs. 1 C. civ., demzufolge jeder Gesellschafter Einlagen leisten muss. Geschieht dies nicht, kann die Gesellschaft für nichtig erklärt werden, Art. 1844-10 Abs. 1 C. civ.478 Somit erstreckt sich das Prüfungsrecht des greffier auf Verstöße gegen Art. 1832 Abs. 1 C. civ. Der Urkundsbeamte muss also die Statuten sowie die Anhänge, insbesondere den Sachgründungsbericht des Einlagenprüfers, sorgfältig überprüfen, um die Erbringung bzw. Werthaltigkeit der Einlagen nachvollziehen zu können und in deren Ermangelung die Eintragung abzulehnen.479 d) Kapitalerhaltung Das System der Kapitalerhaltung der SARL ist in den Grundzügen vergleichbar mit dem der GmbH. Das Stammkapital ist angesichts des Haftungsprivilegs der Gesellschafter das zentrale Gläubigerschutzinstrument, dementsprechend groß ist die Bedeutung des Grundsatzes der Kapitalerhaltung (principe de l’intangibilité bzw. de fixité du capital social). Im Einzelnen bestehen allerdings auffällige Unterschiede zum deutschen Recht. Der erste Unterschied liegt in der „Staumauer“-Funktion des Stammkapitals: Während in Deutschland allein der Betrag des Stammkapitals die Ausschüttungen an die Gesellschafter begrenzt, ist das französische Recht strenger: Dividenden dürfen grundsätzlich480 nur aus dem ausschüttbaren Reingewinn (bénéfice distribuable) gezahlt werden, welcher gemäß Art. L. 232-11 Abs. 1 C. com. aus dem festgestellten Jahresüberschuss abzüglich früherer Verluste aus vorangegangenen Rechnungslegungsperioden und der gesetzlich481 und ggf. statutarisch vor477

Vgl. Coutant, Dr. sociétés 1996, Chron. 13, 1. Vgl. Cass. com. 18.06.1974, Bull. Joly 1974, 76. 479 Vgl. dazu sowie umfassend zu den Kontrollrechten des Urkundsbeamten und Rechtsbehelfen gegen seine Entscheidung Coutant, Dr. sociétés 1996, Chron. 13, 2 f. 480 Art. L. 232-11 Abs. 2 C. com. lässt ausnahmsweise auch Ausschüttungen aus den Rücklagen zu, die zur Disposition der Gesellschafterversammlung stehen, sofern diese die Ausschüttung beschließt. Nicht ausschüttungsfähig sind hingegen aufgedeckte stille Reserven, also Gewinne, die allein aus einer Neubewertung von Vermögensgegenständen der Gesellschaft resultieren, Art. L. 232-22 Abs. 4 C. com. 481 In die gesetzliche Rücklage (réserve légale) müssen gemäß Art. L. 232-10 C. com. jedes Jahr 5% des Jahresüberschusses abzüglich früherer Verluste eingestellt 478

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geschriebenen Rücklagen sowie zuzüglich eines etwaigen Gewinnvortrags besteht. Erst in zweiter Linie spielt das Stammkapital als Ausschüttungssperre eine Rolle, und dies auch nur in weniger herausgehobener Weise als bei der GmbH. Denn die absolute Ausschüttungssperre in der SARL wird gemäß Art. L. 232-11 Abs. 3 C. com. durch den Betrag des Stammkapitals zuzüglich der nicht ausschüttungsfähigen gesetzlichen oder statutarischen Rücklagen gebildet. Die Begrenzung der Dividendenzahlungen orientiert sich also insgesamt stärker an Unternehmensgewinn und bilanziellem Eigenkapital und weniger am eigentlichen Stammkapital. Letzteres nimmt deshalb als Ausschüttungssperre und Haftungsfonds in der SARL eine weniger eminente Stellung ein als in der GmbH, die Rücklagen sind insoweit ähnlich stark gebunden wie das Stammkapital.482 Auszahlungen an die Gesellschafter entgegen dieser Bestimmungen sind gemäß Art. L. 232-12 Abs. 3 C. com. dividendes fictifs und werden zunächst strafrechtlich sanktioniert: Der Geschäftsführer, der in Abwesenheit eines Inventars oder vermittels betrügerisch verfälschter Inventare fiktive Dividenden auszahlen lässt, wird mit fünf Jahren Haft und/oder 375.000 Euro Geldstrafe bestraft, Art. L. 241-3 Nr. 2 C. com. Neben der strafrechtlichen Ahndung kann die Gesellschaft gemäß Art. L. 22340 Abs. 1 i.V. m. Art. L. 232-17 C. com. eine Rückerstattung von ausgezahlten Dividenden, die keinem real erzielten Gewinn der Gesellschaft entsprechen, von dem Gesellschafter verlangen, der sie erhalten hat. Allerdings müssen hierfür zwei Voraussetzungen erfüllt sein: (1) Die Auszahlung muss wegen Verstoßes gegen Art. L. 232-11 oder Art. L. 232-12 C. com. eine fiktive Dividende sein oder Art. L. 232-15 C. com. verletzen, und (2) die Gesellschaft muss beweisen, dass der Empfänger der Zahlung von deren Rechtswidrigkeit wusste oder nach den Umständen davon hätte wissen müssen.483 Der Gläubigerschutz erweist sich hier im Vergleich zur Parallelregelung des § 31 GmbHG als weniger akzentuiert: Nicht nur trägt hier die Gesellschaft die Beweislast bezüglich der Bösgläubigkeit des Empfängers, während nach deutschem Recht der begünstigte Gesellschafter seine Gutgläubigkeit beweisen muss (sofern es auf diese überhaupt ankommt), sondern Art. L. 232-17 C. com. sieht vor allem keine dem § 31 Abs. 2 GmbHG werden (Abs. 1), bis der Gesamtbetrag der Rücklage 10% des Stammkapitals beträgt (Abs. 2). Das bedeutet selbstverständlich, dass nach jeder Kapitalerhöhung auch die gesetzliche Rücklage aufgestockt werden muss. 482 Vgl. Lemeunier, Rn. 619. Allerdings spielt das Stammkapital auch für die Höhe der réserve légale eine Rolle, so dass man sagen könnte, dass die gesetzliche Ausschüttungssperre in Frankreich nur quantitativ anders ausgestaltet ist: in Deutschland 100% des Stammkapitals, in Frankreich bis zu 110%. Dennoch verbleibt als zusätzliche absolute Dividendenbegrenzung bei der SARL eine eventuelle, nicht ausschüttungsfähige statutarische Rücklage. Außerdem ist in jedem Geschäftsjahr nur der Reingewinn ausschüttungsfähig. 483 Vgl. Aix-en-Provence 02.04.1992, Dr. sociétés 1992, Nr. 229 m. Anm. Le Nabasque.

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entsprechende Aufrechterhaltung des Rückzahlungsanspruchs trotz Gutgläubigkeit des Empfängers vor, soweit die Rückerstattung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Das Zusammenspiel von Ausschüttungssperre und Rückzahlungsanspruch ist also mit unterschiedlichen Schwerpunkten ausgestaltet: Hier eine großzügige, nur am Nominalbetrag des Stammkapitals ausgerichtete Auszahlungsbegrenzung, flankiert durch ein strenges Rückforderungsregime bei rechtswidrigen Ausschüttungen; dort eine strenge, an Reingewinn und Eigenkapital orientierte Dividendensperre, der ein weniger starker Rückerstattungsanspruch gegenübersteht. Im Ergebnis erscheint zwar somit die Position der Gläubiger einer SARL gegenüber unzulässigen Dividendenzahlungen schwächer als die von GmbH-Gläubigern, da Zahlungen an gutgläubige Gesellschafter nie zurückerstattet werden müssen. Allerdings schafft hier die bereits erwähnte harte Strafsanktion für den/die Geschäftsführer einen verhaltenssteuernden Ausgleich. Ergänzt wird das Verbot der Zahlung fiktiver Dividenden durch die Vorschrift des Art. L. 223-21 C. com. Er verbietet Geschäftsführern wie Gesellschaftern, sofern diese nicht selbst juristische Personen sind484, sich vertraglich Darlehen, Überziehungskredite oder (Wechsel-)Bürgschaften für ihre persönlichen Verpflichtungen gegenüber Dritten von der Gesellschaft gewähren zu lassen; entsprechende Vereinbarungen sind nichtig (Abs. 1 S. 1).485 Auch hier ist das französische Recht strenger als das deutsche: § 43a GmbHG verbietet Kredite an Geschäftsleiter nur dann, wenn sie aus dem gebundenen Gesellschaftsvermögen gewährt werden. Zudem erklärt die Vorschrift entsprechende Vereinbarungen nicht für nichtig, gewährt der Gesellschaft jedoch einen eigenständigen Rückgewähranspruch. In Frankreich hingegen ist den genannten Personen jede Nutzung des Gesellschaftsvermögens zu persönlichen Zwecken untersagt. Es soll nur der Gesellschaft und ihren Gläubigern dienen. Deshalb ist das Darlehens- und Bürgschaftsverbot auch unabhängig von einer eventuellen Unterbilanz. Die Gesellschaft soll keinesfalls in die Situation gebracht werden, für persönliche Schulden des Gesellschafters oder Geschäftsführers einstehen zu müssen. Zur Verhinde484 Diese Ausnahme dient der Erleichterung der Einrichtung von Cash-Pool-Systemen in Konzernen. Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 1001. Allerdings können entsprechende Verträge auch in einem solchen Fall rechtswidrig sein, insbesondere im Hinblick auf Verstöße gegen den Geschäftsgegenstand oder das Gesellschaftsinteresse, oder auch wegen abus de biens sociaux. Vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung dazu Cass. com. 17.12.2003, JCP E 2004, 601, Nr. 10 m. Anm. Caussain/Deboissy/Wicker. Dort wurde eine Bürgschaft der Gesellschaft an ihren Gesellschafter für rechtmäßig gehalten. Im zu entscheidenden Fall ging es allerdings sogar um die Absicherung eines Darlehens zur Finanzierung eines Kaufs von Anteilen an der bürgenden Gesellschaft, was im französischen Aktienrecht gemäß Art. L. 242-24 Abs. 3 i.V. m. Art. L. 225-216 Abs. 1 C. com. bei Strafe verboten ist. Die Entscheidung hat deshalb Kritik aus der Literatur erfahren. Näher Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 1008. 485 Ausnahmsweise wirksam sind solche Verträge gemäß Art. L. 223-21 Abs. 3 C. com. bei im Finanzsektor tätigen Gesellschaften, sofern es sich um alltägliche Geschäfte zu normalen Konditionen handelt.

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rung von Umgehungen dieser Regelung sind entsprechende Verträge zwischen der Gesellschaft und nahen Angehörigen der Geschäftsführer bzw. Gesellschafter, namentlich Ehegatten, direkten Vorfahren und Nachkommen, sowie Verträge mit zwischengeschalteten Strohmännern ebenfalls nichtig (Abs. 2). Dass das eigentliche Stammkapital als Haftungsfonds für die Gläubiger dennoch eine besondere Rolle spielt, zeigt sich, ähnlich wie in Deutschland, an der Prozedur, die gemäß Art. L. 223-34 C. com. im Falle einer Kapitalreduktion eingehalten werden muss.486 Keiner besonderen Erklärung bedarf, dass ein Beschluss der Gesellschafterversammlung mit satzungsändernder Mehrheit erforderlich ist. Außerdem können die Gesellschaftsgläubiger, deren Anspruch schon vor der Einreichung der betreffenden Beschlussdokumentation beim Urkundsbeamten des Handelsgerichts bestand, einen Monat487 ab der Einreichung Widerspruch gegen die Kapitalherabsetzung beim Handelsgericht einlegen, sofern es sich um eine nicht durch Verluste der Gesellschaft motivierte Kapitalreduktion handelt. Das Gericht weist entweder den Widerspruch zurück und genehmigt die Operation, oder es gibt ihm statt und ordnet an, dass entweder die betreffenden Gläubiger befriedigt oder werthaltige Sicherheiten für sie bestellt werden. Ebenfalls dem Schutz des Stammkapitals dient das grundsätzliche Verbot des Rückkaufs eigener Anteile gemäß Art. L. 223-34 Abs. 4 S. 1 C. com. Anders als nach deutscher Konzeption, die den Rückerwerb aus nicht gebundenem Vermögen grundsätzlich gestattet, ist dieser in Frankreich nur dann erlaubt, wenn er der Realisierung einer Kapitalherabsetzung dient, die nicht zum Ausgleich von Verlusten der Gesellschaft dient. Der Geschäftsführer darf dann ausnahmsweise von der Gesellschafterversammlung autorisiert werden, eine bestimmte Anzahl von Anteilen für die Gesellschaft zu erwerben, um sie anschließend einzuziehen. Die Begründung für diese restriktive Regelung ist offensichtlich: Der Rückerwerb führt zu einer potentiellen Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen, da der Gesellschaft Vermögen entzogen wird, ohne dass die Gegenleistung eine vergleichbare Sicherheit bietet; denn gerade im Fall der Insolvenz der Gesellschaft können die nun wertlosen Geschäftsanteile nichts mehr zur Gläubigerbefriedigung beitragen. Dem Gesellschafter werden praktisch seine Einlagen gegen sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zurückgewährt, das Ergebnis ist eine Situation vergleichbar mit einer nicht vollständigen Zeichnung der Geschäftsanteile bei Gründung der Gesellschaft. Zudem könnte die Gesellschaft die in ihrer Hand befindlichen Anteile einziehen und so eine Kapitalherabsetzung unter Umgehung der hierfür vorgesehenen Formalitäten vornehmen. Dieser Gefährdung der Gläubigerinteressen begegnet der deutsche Gesetzgeber durch eine Reduzierung des zulässigen Rückerwerbs auf Fälle, wo er aus frei verfügbarem Gesellschaftsvermögen finanziert werden kann, verbunden mit einer zwingende Rücklagenbil486 487

Zur Ausnahme davon bei variablem Stammkapital s. unten S. 139. Siehe Art. 49 décret 1967.

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dung, ebenfalls aus frei verfügbarem Gesellschaftsvermögen, gemäß § 33 Abs. 2 GmbHG i.V. m. § 272 Abs. 4 HGB sowie mit einer Beschränkung der Einziehbarkeit der rückerworbenen Anteile gemäß § 34 GmbHG. Der französische Gesetzgeber hat sich für ein grundsätzliches präventives Verbot entschieden – auf Kosten der Flexibilität der Gesellschaft, die auch bei entsprechenden Bedingungen des Finanzmarktes ihr überschüssiges Vermögen nicht in eigenen Anteilen anlegen kann, sondern diese nur zur Einziehung erwerben darf und auch nur nach Einhaltung der Kapitalreduktionsprozedur. Die Beschränkung der ausnahmsweisen Gestattung des Rückerwerbs auf Fälle einer nicht durch Verluste motivierten Kapitalherabsetzung ergibt sich dabei zwangsläufig: Nur bei einer solchen Kapitalreduktion werden Mittel aus dem vormals gebundenen Vermögen frei, die für den Rückkauf der Anteile eingesetzt werden können. Hat die Gesellschaft dagegen bereits Verluste an ihrem gebundenen Vermögen erlitten, so wird durch die Kapitalherabsetzung lediglich der Betrag des Stammkapitals an diese Situation angepasst. Ein zusätzlicher Rückkauf eigener Anteile müsste aus dem noch vorhandenen Restvermögen erfolgen, würde also den Haftungsfonds für die Gläubiger weiter aufzehren. Im Ergebnis besteht insoweit eine gewisse Parallelität zwischen französischem und deutschem Recht: Ein Rückerwerb ist immer unzulässig, sofern die Gesellschaft eine Unterbilanz aufweist. Eine weitere Ausnahme vom Verbot des Rückerwerbs regelt Art. L. 223-14 Abs. 4 C. com. Stimmt die Gesellschafterversammlung einer beabsichtigten Abtretung der Geschäftsanteile eines Gesellschafters an einen Dritten nicht zu, so kann die Gesellschaft mit Zustimmung des Zedenten dessen Anteile selbst erwerben und ihr Kapital entsprechend reduzieren. Eine Sonderstellung im Hinblick auf den Kapitalschutz nehmen die Gesellschaften mit variablem Stammkapital i. S. d. Art. L. 231-1 C. com. ein. Das bedeutet jedoch nicht, dass für sie keine Stammkapitalziffer in den Statuten festgelegt werden müsste, so dass die Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln auf sie nicht anwendbar wären. Vielmehr erlaubt Art. L. 231-1 Abs. 1 C. com. nur, dass Gesellschaften (ausgenommen Aktiengesellschaften) in ihre Statuten eine zusätzliche Klausel aufnehmen können, die gestattet, dass das Stammkapital durch spätere Zahlungen der bisherigen oder die Aufnahme neuer Gesellschafter erhöht bzw. durch die vollständige oder teilweise Rückerstattung von Einlageleistungen reduziert werden kann. Dadurch sollen nicht die Formalitäten für Kapitalveränderungen, geschweige denn das stammkapitalbasierte Gläubigerschutzsystem an sich, aufgegeben werden, vielmehr dient diese Klausel vor allem der Erleichterung des Ein- und Austritts von Gesellschaftern ohne Statutenänderung.488 Es handelt sich im Hinblick auf die form- und publizitätslose489 Kapitalreduktion dennoch um eine echte Ausnahme vom Grundsatz der Kapitalerhal488 489

Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 234. Siehe Art. L. 231-3 C. com.

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tung. Deshalb muss zum Schutz des Rechtsverkehrs der Firma einer Gesellschaft, die sich dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit bedient, der Zusatz „à capital variable“ hinzugefügt werden, Art. L. 231-2 C. com. Zudem müssen die Statuten gemäß Art. L. 231-5 C. com. eine Untergrenze festlegen, unter die das Stammkapital nicht durch die Rückzahlung von Einlageleistungen fallen darf.490 Diese Untergrenze muss mindestens 10% des statutarischen Stammkapitals betragen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften der SARL teils ähnlich ausgestaltet sind wie in Deutschland, insgesamt aber im Hinblick auf den Gläubigerschutz eher einer restriktiveren Tendenz folgen. Sie sind weniger stark auf das eigentliche Stammkapital ausgerichtet, man könnte auch sagen: beschränkt. Dies ist besonders augenfällig bei der Ausschüttungsbegrenzung auf das bénéfice distribuable. Das Bild vom Stammkapital als dem Hauptpfeiler des Gläubigerschutzes, das in jeder nennenswerten Abhandlung zum Recht der SARL auftaucht, wird deshalb nicht erst durch rechtsökonomische oder -politische Überlegungen erschüttert, sondern bereits durch die gesetzliche Regelung selbst. Es scheint, als habe das Stammkapital bei der SARL nie eine vergleichbar herausgehobene Rolle gespielt wie bei ihrer Urmutter, der GmbH. Dieser Befund ist jedoch ein relativer. Allein für sich betrachtet, ohne den rechtsvergleichenden Seitenblick, wird man auch im Recht der SARL dem Stammkapital zumindest konzeptionell eine zentrale gläubigerschützende Funktion zumessen wollen. Allerdings mag es dem französischen Gesetzgeber aus den soeben geschilderten Gründen – bewusst oder unbewusst – leichter gefallen sein, das gesetzliche Kapitalminimum aufzugeben, als dies in Deutschland angesichts der aktuellen Diskussion der Fall ist. e) Eigenkapitalersatzrecht Ein eigenständiges Eigenkapitalersatzrecht, bei der GmbH über viele Jahre herausgebildet und verfeinert, existiert bei der SARL nicht in einer annähernd vergleichbaren Form.491 Es gibt keinerlei spezielle gesetzliche Regelungen492, geschweige denn eine ähnlich umfangreiche Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage. Gesellschafterdarlehen, die als „comptes courants d’associés“ 493 490 Eine Reduktion unter diese Grenze durch eine reguläre, förmliche Kapitalherabsetzung bleibt selbstverständlich zulässig. 491 Gleicher Befund bei Heinert, S. 77. 492 Vgl. Saintourens, Anm. zu Cass. com. 24.06.1997, Bull. Joly 1997, 871 (873). 493 In der Praxis ist auch häufig von „avances en compte courant“ oder sogar von „apports en compte courant“ die Rede. Alle verwendeten Begriffe sind irreführend, da es sich nicht um ein Kontokorrent handelt und noch weniger um Einlageleistungen (apports), sondern um echte Darlehen. Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 237. Die juristisch nicht exakte Bezeichnung als Kontokorrent rührt wohl daher, dass in der Praxis Gesellschafterdarlehen häufig in der Form ausgereicht werden, dass die regelmäßi-

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bezeichnet werden, unterliegen vielmehr ohne weiteres den allgemeinen Regeln des Obligationenrechts, insbesondere den Darlehensregeln gemäß Artt. 1905 ff. C. civ.494 Die geringe Aufmerksamkeit, die Gesetzgeber und Jurisprudenz dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit widmen, steht in auffälligem Missverhältnis zu ihrer Verbreitung in der Praxis495, vor allem im Rahmen der Gründungs- und Erweiterungsfinanzierung. Gerade kleine und mittlere Unternehmen statten sich häufig nur mit einem möglichst geringen Stammkapital aus und wählen Gesellschafterdarlehen als primäre Finanzierungsquelle496, so dass deren Summe nicht selten den Betrag des Stammkapitals deutlich übersteigt.497 Auch in Gruppenzusammenhängen begegnen Gesellschafterdarlehen oft als Mittel der Muttergesellschaft zur Deckung des Finanzierungsbedarfs einer Tochtergesellschaft.498 Die Beliebtheit dieses Finanzierungsinstruments gründet zweifelsohne, wie auch in Deutschland, auf seiner großen Flexibilität im Vergleich zur stammkapitalbasierten Mittelzuführung: Die Aufnahme und Rückführung eines Gesellschafterdarlehens kann schnell und unkompliziert erfolgen, häufig ist noch nicht einmal eine schriftliche Vereinbarung nötig.499 Die Finanzierung der Gesellschaft durch zusätzliche Gesellschaftereinlagen setzt demgegenüber eine Kapitalerhöhung, die Rückzahlung der entsprechenden Mittel eine Kapitalherabsetzung voraus, was beides eine Satzungsänderung sowie die Einhaltung eines schwerfälligen, formalisierten Verfahrens erfordert.500 Auch in der Insolvenz der Gesellschaft steht der Gesellschafter bei einem Darlehen besser als hinsichtlich seiner Einlagen: Seine Darlehensrückforderung wird wie der Anspruch jedes dritten Gesellschaftsgläubigers anteilig aus der Masse befriedigt, während er die Rückerstattung seiner Einlage erst letztrangig nach

gen Zahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter, etwa Angestelltengehälter oder Dividenden, bis zu einem bestimmten Grenzbetrag im Vermögen der Gesellschaft verbleiben, die dafür an den Gesellschafter Zinsen zahlt, wobei dieser jederzeit auf die betreffenden Mittel Zugriff hat. Insoweit ist die Situation vergleichbar mit einem zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vereinbarten Kontokorrent. Ihre Grenze findet die Vergleichbarkeit jedoch nicht zuletzt insoweit, als die Gesellschaft keinen Überziehungskredit gewähren darf, der Saldo des compte courant also stets dem Gesellschafter zustehen muss, s. Art. 223-21 Abs. 1 C. com. Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 239. 494 Vgl. Fleischer, DStR 1999, 1774 (1777); sowie ausführlich Höhn, S. 198 ff. m.w. N. 495 Treffend Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 237: „Il est paradoxal que le droit des sociétés, qui est particulièrement tatillon en ce qui concerne le capital social, ignore les comptes courants d’associés.“ 496 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). 497 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 237. 498 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 237. 499 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). 500 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 239; Fleischer, DStR 1999, 1774 (1777).

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Befriedigung aller Drittgläubiger verlangen kann.501 Ein weiterer Vorteil des Darlehens gegenüber der Einlage ist der Umstand, dass Zinszahlungen, anders als Dividendenzahlungen, vom zu versteuernden Gewinn der Gesellschaft absetzbar sind, eine Mittelzuführung durch Gesellschafterdarlehen also für die Gesellschaft steuerlich günstiger ist.502 Die Abwesenheit spezifischer gesetzlicher Regelungen und die daraus folgende Anwendbarkeit des allgemeinen Obligationenrechts auf Gesellschafterdarlehen bedeutet, dass ihrer Rückführung grundsätzlich keine weitergehenden Grenzen gesetzt sind als bei jedem Drittdarlehen. Das principe de l’intangibilité du capital social ist auf sie nicht anwendbar, stattdessen greift die liberté contractuelle.503 Es kommt für die Frage der Rückführung der Darlehenssumme also hauptsächlich auf die Parteivereinbarungen an. Laut ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes kann deshalb ein Gesellschafterdarlehen, für das keine besondere vertragliche Rückforderungsbeschränkung vereinbart wurde, jederzeit zurückverlangt werden, selbst wenn sich die Gesellschaft in der Krise oder bereits in einer obligatorischen procédure collective befindet.504 Der Kassationshof hat dabei wiederholten Ansätzen in der Rechtsprechung der Obergerichte, die teilweise eine Behandlung von Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital oder zumindest eine Rückzahlungssperre in der Krise unter bestimmten Umständen befürwortet haben505, einen Riegel vorgeschoben: „[. . .] les comptes courants d’associés ont pour caractéristique essentielle, en l’absence de convention particulière ou statutaire les régissant, d’être remboursables à tout moment [. . .].“ 506 Diese Linie erfreut sich überwiegend positiver Resonanz in der Literatur.507 501 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). In der französischen Literatur ist es üblich, die Stammeinlagen als „créances hypo-chirographaires“ oder „sous-chirographaires“ zu bezeichnen, also als Forderungen gegen die Gesellschaft, die im Rang noch unter den ungesicherten Forderungen Dritter („créances chirographaires“) stehen. 502 Näher Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 241. Zur Bekämpfung des nicht nur in Frankreich grassierenden Problems eines erheblichen Missverhältnisses zwischen Stammkapital und Gesellschafterdarlehen sind jedoch nur Zinszahlungen für Gesellschafterdarlehen, deren Summe insgesamt 150% des Stammkapitals nicht überschreitet, steuerlich absetzbar. Zu den steuerlichen Folgen von Gesellschafterdarlehen in der Krise nach deutschem Recht vgl. Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169. 503 Vgl. Cass. com. 15.07.1982, Rev. sociétés 1983, 75 m. Anm. Sortais; Cozian/ Viandier/Deboissy, Rn. 237, 240. 504 Vgl. das Grundsatzurteil Cass. com. 15.07.1982, Rev. sociétés 1983, 75 m. Anm. Sortais; bestätigt u. a. durch Cass. com. 05.03.1991, Bull. Joly 1991, 499; Cass. com. 24.06.1997, Bull. Joly 1997, 871 m. Anm. Saintourens; Cass. 3e civ. 03.02.1999, Bull. Joly 1999, 577 m. Anm. Couret; CA Paris 05.05.1995, Dr. sociétés 1995, 7 m. Anm. Bonneau. Ausführlich zur Rechtsprechung Höhn, S. 199 ff. 505 Vgl. z. B. CA Aix-en-Provence 06.10.1981, Rev. sociétés, 308 m. Anm. Sortais; sowie CA Aix-en-Provence 14.11.1980, als Vorinstanz zu Cass. com. 15.07.1982, Rev. sociétés 1983, 75 m. Anm. Sortais. 506 Cass. com. 24.06.1997, Bull. Joly 1997, 871 (872).

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Allerdings findet das Prinzip der freien Abziehbarkeit von Gesellschafterdarlehen seine Grenze im Verbot des Rechtsmissbrauchs.508 In diesem Zusammenhang verdient das bereits zitierte Urteil des Apellationsgerichtshofs Aix-en-Provence vom 06. Oktober 1981509 Erwähnung. Im Ergebnis sah das Gericht im Fall eines zuvor unbefristet gewährten Gesellschafterdarlehens die plötzliche, vollständige Rückforderung, die zudem den wirtschaftlichen Ruin der Gesellschaft bedeutete, als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich an; es wies deshalb die Klage des Gesellschafters auf Rückzahlung ab.510 Über solche Fälle hinaus ist eine jederzeitige Rückforderung selbstverständlich auch dann ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter-Darlehensgeber auf sein Kündigungsrecht verzichtet hat.511 Im Übrigen können sich Rückforderungsbeschränkungen nur aus individualvertraglichen Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ergeben. Solche sind in der kautelarjuristischen Praxis weit verbreitet, um die Gesellschaft vor einem vorzeitigen Mittelabfluss zu schützen; sie dienen insofern teils dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger, teils auch dem der Gesellschaft selbst.512 Üblich sind insbesondere befristete513 oder bis zur Liquidation der Gesellschaft unbefristete Abzugsverbote (conventions de blocage). Entsprechende Abreden zwischen Gesellschafter und Gesellschaft werden häufig auf Druck der Banken getroffen, die andernfalls nicht zur Ausreichung eines zusätzlichen Fremddarlehens an die Gesellschaft bereit sind.514 Dadurch werden die Gesellschafterdarlehen in die Nähe des gebundenen Garantiekapitals gerückt.515 507 Vgl. die in den vorstehenden Fußnoten zitierten Urteilsanmerkungen sowie Couret, Bull. Joly 1992, 7 (10), der die Kritik an einer Gleichsetzung von Gesellschafterdarlehen mit Eigenkapital folgendermaßen zusammenfasst: „Introduire insidieusement un principe de fixité du compte courant aboutit à déjouer les prévisions des parties et menace à terme les possibilités de financement des entreprises.“ Ausführlich Höhn, S. 204 ff. m.w. N. 508 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). 509 Rev. sociétés 1982, 308 m. Anm. Sortais. 510 Diese Entscheidung wurde nicht durch Revision vor dem Kassationshof angegriffen. Mit Recht äußert Höhn, S. 200, Zweifel, ob das Urteil andernfalls angesichts der insoweit konsequenten Linie des Kassationshofs Bestand gehabt hätte. In eine ähnliche Richtung wie das zitierte Urteil aber CA Versailles 31.12.1991, Bull. Joly 1992, 415; sowie aus dem Schrifttum Garçon, JCP N 1998, 490 (492). 511 Vgl. Fleischer, DStR 1999, 1774 (1777); Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 240. 512 Vgl. Fleischer, DStR 1999, 1774 (1777). 513 In der Praxis üblich sind Befristungen von drei bis fünf Jahren, was daher rührt, dass dies laut den Statistiken der INSEE die Zeitspanne ist, innerhalb derer sich in der Regel entscheidet, ob die Gesellschaft überlebensfähig ist oder nicht. Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). 514 Der Druck der Banken ist auch häufig der Grund, warum überhaupt ein Gesellschafterdarlehen ausgereicht wird, so dass die Banken mit zur weiten Verbreitung dieses Finanzierungsinstruments beitragen. Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). Allerdings kann die Gesellschaft den Gesellschafter-Darlehensgeber nicht zur Zustimmung zu einem Abzugsverbot zwingen, auch wenn die Bank andernfalls ihrerseits nicht gewillt ist, weitere Mittel bereitzustellen. Denn ein solcher Zwang käme einer un-

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Mit Rücksicht auf das Gesellschaftsinteresse werden häufig auch Klauseln vereinbart, die die Rückforderung mit einer angemessenen Kündigungsfrist verknüpfen.516 Auch die Rechtsfolge des § 32a Abs. 1 GmbHG wird in Frankreich nicht selten auf vertraglicher Basis herbeigeführt, indem für Gesellschafterdarlehen vermittels einer Nachrangigkeitsabrede (clause de subordination) ein Rangrücktritt (déclassement de rang) für den Fall der Liquidation der Gesellschaft vereinbart wird, wiederum hauptsächlich zur Erleichterung der Kreditaufnahme bei Banken.517 Und schließlich besteht die Möglichkeit, im Falle einer Aufzehrung der Eigenmittel der Gesellschaft durch wirtschaftlichen Misserfolg diese, auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen, durch die Inkorporierung von Gesellschafterdarlehen in das Stammkapital wieder aufzufüllen. Eine Besonderheit im Hinblick auf die Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Krise stellt die Regelung des Art. L. 611-11 C. com. dar. Sie steht unter der Überschrift „De la prévention des difficultés de l’entreprise“ (Sechstes Buch, Erster Titel des Code de commerce) und gehört dort zum Kontext von Vorschriften über das Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation, Artt. L. 611-4 ff. C. com.).518 Wird in diesem Verfahren ein gerichtlich bestätigtes Einvernehmen zwischen Gläubigern und Gesellschaft hergestellt (accord amiable homologué), verpflichten sich darin unter Umständen Gesellschafter oder Gläubiger, der Gesellschaft zur Überwindung ihrer Krise zeitweilig Geldmittel, Güter oder Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Gelingt es hierdurch nicht, die nachhaltige wirtschaftliche Gesundung der Gesellschaft herbeizuführen, und wird dementsprechend eine procédure collective eröffnet, so wird die Rückforderung von solchen vorübergehenden Sanierungshilfen privilegiert: Art. L. 611-11 Abs. 1 C. com. ordnet an, dass diesbezügliche Forderungen auf Darlehensrückerstattung oder Bezahlung für erbrachte Sach- oder Dienstleistungen bevorzugt vor allen sonstigen Ansprüchen, die vor der Eröffnung des Schlichtungsverfahrens entstanden waren, befriedigt werden.

zulässigen Nachschussverpflichtung gleich. Vgl. Cass. com. 24.06.1997, Bull. Joly 1997, 871 m. Anm. Saintourens; Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 242. Allerdings wird in der Literatur darauf hingewiesen, eine Stundung des Darlehens oder eine Ratenzahlung könne gemäß Art. 1244 C. civ. auch gerichtlich angeordnet werden, wenn andernfalls die Existenz der Gesellschaft gefährdet sei. In diesem Sinne Couret, Bull. Joly 1992, 7 (10); Sortais, Anm. zu CA Aix-en-Provence 06.10.1981, Rev. sociétés 1982, 308 (314). Ein entsprechendes Urteil steht, soweit ersichtlich, noch aus. 515 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 242: „En cas de blocage, le compte courant présente la même vertu d’intangibilité que le capital, ce qui est de nature à renforcer le droit de gage des créanciers.“ Dadurch wiesen Gesellschafterdarlehen in diesem Falle „allures de quasi-fonds propres“ auf. 516 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 240. 517 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 242. 518 Näher dazu unten, § 5 I. 2. f) cc).

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Eine solche Vorschrift überrascht auf den ersten Blick, stellt sie doch nachgerade die gegenteilige Konzeption des deutschen Eigenkapitalersatzrechtes dar: Gesellschafterdarlehen in der Krise werden nicht nur nicht der Bindung des Stammkapitals unterworfen und in der Insolvenz zu Forderungen letzten Ranges degradiert, sondern im Gegenteil sogar bevorzugt vor allen anderen Forderungen zurückgezahlt. Die Funktion einer solchen Regelung liegt jedoch auf der Hand: Sie soll Gesellschafter wie Außenstehende ermutigen, der kriselnden Gesellschaft neue Mittel zuzuführen und damit ihr Überleben zu sichern. Der Anreiz dazu ist ungleich geringer, wenn der Geldgeber angesichts des ungewissen Ausgangs der Sanierung damit rechnen muss, als ein Gläubiger unter vielen – als Gesellschafter-Darlehensgeber sogar gegebenenfalls als letztrangiger Eigenkapitalgeber – bestenfalls einen mageren Bruchteil seines Vermögenseinsatzes zurückzuerhalten. Der Ansatz ist also ein anderer als in Deutschland: Statt auf die unternehmerische Eigenmotivation der Gesellschafter zu Sanierungsanstrengungen zu hoffen und jeden Cent, den diese nachzuschießen bereit sind, zum (vermeintlichen) Wohle der Gesellschaftsgläubiger mit den eisernen Klauen des Kapitalschutzregimes festzuhalten, so dass potentielle Retter eventuell von einem Engagement gänzlich absehen, wird diesen großzügig eine Fluchttür für den Fall des Scheiterns der Rettungsmaßnahmen eröffnet.519 Die legislative Großzügigkeit kennt jedoch bekanntermaßen Grenzen. Ausgenommen von der privilegierten Rückerstattung sind echte Einlageleistungen, die im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung zur Überwindung der Krise erbracht werden, Art. L. 611-11 Abs. 2 C. com. Es handelt sich allerdings nicht um eine echte Einschränkung, denn es liegt in der Natur von Einlageleistungen, dass sie als dauerhaftes Risikokapital erbracht werden und nicht nur als vorübergehende Sanierungshilfe. Genauso logisch konsequent erscheint es, dass gemäß Art. L. 611-11 Abs. 3 C. com. Forderungen Dritter nur insoweit privilegiert werden, als sie tatsächlich auf Leistungen aufgrund des accord amiable beruhen und nicht auf früheren Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft. Für die Einordnung der Bedeutung des Art. L. 611-11 C. com. im Rahmen des Eigenkapitalersatzrechtes bleibt schließlich zu bedenken, dass überhaupt nur Gesellschafterdarlehen (und sonstige Leistungen, auch Dritter) innerhalb des formalisierten Schlichtungsverfahrens von der Privilegierung erfasst werden; sonstige Sanierungshilfen werden nach den allgemeinen Regeln behandelt. 519 Vgl. zum deutschen Sanierungsprivileg gemäß § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG oben, § 4 I. 5. b). Diese Vorschrift betrifft jedoch den umgekehrten Fall, dass ein Darlehensgeber zum Zweck der Sanierung Geschäftsanteile erwirbt, und reicht insofern weniger weit als Art. L. 611-11 C. com. Zu dem Vorschlag, auch in Deutschland ein umfassenderes Sanierungsprivileg einzuführen, s. unten, § 7 II. 4. b). Auch diese Überlegungen bleiben jedoch noch hinter der Regelung des Art. L. 611-11 C. com. zurück, da sie Sanierungsdarlehen der Gesellschafter nur insgesamt von der Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts ausnehmen und Drittforderungen gleichstellen wollen, während das französische Recht solche Darlehen u. U. sogar gegenüber Drittforderungen bevorzugt.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

Insgesamt kann man trotz der beschriebenen Unterschiede sagen, dass die Probleme eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen in Frankreich grundsätzlich einem ähnlichen Ergebnis zugeführt werden wie in Deutschland. Dies geschieht allerdings nicht auf der Basis von gesetzlichen und richterlichen Anordnungen, sondern mittels einer hauptsächlich von den Anforderungen des Kreditmarktes diktierten Vertragspraxis. Beide Herangehensweisen führen zu einer Privilegierung der Gläubigerinteressen. Der Vorteil einer größeren Flexibilität vertraglicher Regelungen erweist sich dabei in der Praxis weitgehend als Trugschluss, da die Forderung nach conventions de blocage oder clauses de subordination in Bezug auf Gesellschafterdarlehen zum standardisierten Repertoire formularvertraglicher Bankenpraxis in Frankreich gehört, auf die jedenfalls kleine und mittlere Unternehmen als Kreditnehmer nur geringen oder keinen Einfluss haben. Angesichts dieser verfestigten, durch Marktmechanismen abgesicherten Realität ist das Argument größerer Rechtssicherheit, das man für den deutschen Ansatz ins Feld führen könnte, ebenfalls kaum mehr als theoretischer Natur. Dennoch bleibt der Befund, dass es bislang an einer angemessenen Durchdringung des Problems in der französischen Rechtswissenschaft und Jurisdiktion zu fehlen scheint. Der früher anerkannten deliktischen Schadensersatzhaftung von Darlehensgebern gegenüber den übrigen Gesellschaftsgläubigern im Insolvenzfall gemäß Art. 1382 C. civ. wegen missbräuchlicher Darlehensgewährung an eine moribunde Gesellschaft (soutien abusif, auch octroi abusif de crédit), teilweise als zweites Standbein des französischen Eigenkapitalersatzrechts neben der Vertragspraxis genannt520, ist durch den im Rahmen der loi de sauvegarde neu eingeführten Art. L. 650-1 C. com. die Grundlage entzogen.521 Darüber hinaus wird in deutschen Abhandlungen über das französische Eigenkapitalersatzrecht 522 häufig auch auf eine mögliche Haftung „en comblement du passif“ gemäß Art. L. 651-2 C. com. hingewiesen.523 Diese ist jedoch nicht ohne weiteres dem Eigenkapitalersatzrecht zuzuordnen, unterscheidet sie sich doch in Vorausset520

Vgl. Heinert, S. 78 ff.; Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (443). Die genannte Vorschrift schließt ausdrücklich jegliche Schadensersatzhaftung der Gläubiger für Geschäfte mit der Gesellschaft grundsätzlich aus. In Betracht kommt eine Haftung demnach nur dann, wenn entweder (1) ein Fall des Betrugs (fraude) oder (2) eine qualifizierte Einmischung in die Geschäftsführung der Gesellschaft gegeben ist oder (3) der Darlehensgeber sich für seine Forderung übermäßige Sicherheiten hat stellen lassen. Erforderlich ist also ein über die bloße Darlehensgewährung hinausgehendes, spezifisches Missbrauchsverhalten, so dass insoweit ein klarer Unterschied zum Eigenkapitalersatzrecht nach deutschem Verständnis besteht. Allerdings war auch schon nach altem Recht fraglich, ob ein Gesellschafter-Darlehensgeber überhaupt wegen soutien abusif hätte haften können. Ein entsprechendes Urteil ist, soweit ersichtlich, nicht ergangen. Vgl. auch Höhn, S. 208 f. 522 Vgl. z. B. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (388). 523 Ausführlich dazu unten, § 5 I. 2. g) aa). 521

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zungen, Rechtsfolgen und Zielsetzung maßgeblich von der Konzeption dieser Rechtsmaterie.524 f) Insolvenzrechtliche Schutzinstrumente Trotz aller gesetzlichen Kapitalschutzbemühungen bleibt das Problem einer Aufzehrung des zur Erhaltung des Stammkapitals notwendigen Gesellschaftsvermögens durch den normalen, zeitablaufbedingten Wertverlust und insbesondere durch wirtschaftlichen Misserfolg.525 Dadurch kommt es zu einer Diskrepanz zwischen publizierter Stammkapitalziffer und tatsächlich vorhandener Haftungsmasse. Schlimmstenfalls wird die Gesellschaft zahlungsunfähig und ist damit überhaupt nicht mehr in der Lage, ihre Gläubiger zu befriedigen. Das französische Recht reagiert darauf mit einem abgestuften Instrumentarium gesellschaftsund insolvenzrechtlicher Verfahren, die mit fortschreitender Intensivierung der finanziellen Krise aufeinander folgen und deren Behebung dienen. Die verschiedenen Verfahren sollen hier nur überblicksweise und auf die gläubiger- und kapitalschützenden Aspekte beschränkt erörtert werden. Die Darstellung folgt dabei der chronologischen und auch materiellen Reihenfolge der Verfahren, die auf der Tatbestandsseite auf der zunehmenden Schwere der Krise der Gesellschaft, auf der Rechtsfolgenseite auf der immer stärkeren Übertragung von Befugnissen auf das Handelsgericht bzw. auf von ihm bestellte Verwalter gründet. Zunächst sieht Art. L. 223-42 C. com. einen rein gesellschaftsinternen Warnmechanismus vor (aa). Darüber hinaus existieren verschiedene formalisierte Verfahren, durch die eine Krise der Gesellschaft nach Möglichkeit behoben werden soll, namentlich das gesellschaftsrechtliche Warnverfahren (bb) und die Verfahren des Sechsten Buches des Code de commerce, das sich mit Unternehmen in der Insolvenz bzw. in deren unmittelbarem Vorfeld befasst (cc bis ff). Durch die loi de sauvegarde sind die letztgenannten Verfahren jüngst reformiert worden. Sie lassen sich seither einteilen in zwei procédures amiables (Einsetzung eines mandataire ad hoc und Schlichtungsverfahren) und drei procédures collectives (Sicherungs-, Sanierungs- und Liquidationsverfahren).526 Die loi de sauvegarde 524 Eine knappe Übersicht über eigenkapitalersatzrechtliche Regelungen in den USA und im europäischen Ausland findet sich bei Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (381 ff.). 525 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 126, die plastisch den Unterschied beschreiben zwischen der Stammkapitalziffer, die dauerhaft gleich bleibend als Schuld der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern auf der Passivseite der Bilanz steht, und dem Wert der entsprechenden Einlageleistungen auf der Aktivseite, die unabhängig von ihrer Natur einem Wertverlust ausgesetzt sind, ohne dass dies gegen das Prinzip der Kapitalerhaltung verstieße. 526 Vgl. „À l’Ouest, la loi de la sauvegarde contre les vents contraires“, SIC Nr. 235, Oktober 2005, 10 (ohne Autorenangabe). Vor der Neueinführung des Sicherungsverfahrens durch die loi de sauvegarde bezeichnete der Begriff „procédure collective“ nur die insolvenzrechtlichen Verfahren

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

hat das französische Recht der Unternehmen in der Krise grundlegend umstrukturiert und teilweise neu geregelt.527 Dadurch wurde, wie auch schon durch vorangehende Reformen, im Gegensatz zum alten französischen Konkursrecht der Akzent von der Sicherung der Insolvenzmasse zur unmittelbaren Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger weg und hin zur Sanierung und Fortführung des Unternehmens verschoben.528 Die Gläubigerinteressen werden dadurch jedoch nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern nur in anderer Weise berücksichtigt, gibt eine erfolgreiche Sanierung ihnen doch die Aussicht auf vollständige und nicht nur anteilsmäßige Begleichung ihrer Forderungen. Scheitert die Sanierung jedoch, steht mancher Gläubiger nach neuem Recht schlechter als vor der Reform.529 aa) Zwingende Entscheidung über die Fortführung oder Auflösung Zunächst müssen die Gesellschafter gemäß Art. L. 223-42 Abs. 1 C. com. in einer Situation, wo die verfügbaren Aktiva der Gesellschaft aufgrund buchmäßig festgestellter Verluste unter die Hälfte des Nominalkapitals gefallen sind, innerhalb von vier Monaten ab Aufstellung des entsprechenden Abschlusses, in dem diese Verluste offenbar wurden, eine Entscheidung darüber treffen, ob die Gesellschaft fortgeführt oder aufgelöst wird. Sofern nicht die Auflösung mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen wird, muss die Gesellschaft spätestens bis zum Schluss der zweiten darauf folgenden Rechnungslegungsperiode ihr Kapital mindestens um den Betrag der Verluste reduzieren, die nicht durch Rücklagen ausgeglichen werden konnten, es sei denn, bis dahin verfügt sie wieder über Ak-

redressement judiciaire und liquidation judiciaire. Sie unterscheiden sich von dem neuen Sicherungsverfahren vor allem dadurch, dass sie den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit voraussetzen und dass der Antrag auf Eröffnung zwingend und fristgebunden gestellt werden muss. Da der Begriff „procédure collective“ nach der Erweiterung nicht mehr nur diese beiden Verfahren erfasst, er aber dennoch in älteren Abhandlungen als Sammelbezeichnung für sie verwendet wird und ihre begriffliche Zusammenfassung auch u. U. sinnvoll ist, da sie die beiden Stufen des eigentlichen Insolvenzverfahrens darstellen, wird hier als Sammelbegriff „obligatorische procédures collectives“ (im Gegensatz zur nur auf freiwilligen Antrag eingeleiteten procédure collective des Sicherungsverfahrens) oder „Insolvenzverfahren“ (aufgrund des Tatbestandsmerkmals der Zahlungsunfähigkeit, das die anderen Verfahren nicht voraussetzen) verwendet. 527 Für eine Übersicht über die Neuerungen der loi de sauvegarde vgl. Bellot, SIC 2005, 24 f.; sowie aus deutscher Sicht Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 und 1091. Näher die Nachweise bei Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (931 Fn. 92). 528 Vgl. Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1032 f.), die insbesondere auf die Annäherung an das US-amerikanische Recht hinweisen; sowie Höhn, S. 211. 529 Vgl. z. B. die bereits oben, § 5 I. 2. e), angesprochene bevorzugte Befriedigung von Gläubigern, die der Gesellschaft in der Krise vorübergehende Sanierungshilfen gewährt haben, Art. L. 611-11 C. com. Diese geht selbstverständlich zu Lasten der früheren Gläubiger, da weniger Masse zu ihrer Befriedigung zur Verfügung steht.

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tiva in Höhe von mindestens der Hälfte ihres ursprünglichen Stammkapitals, Art. L. 223-42 Abs. 2 C. com.530 Die Vorschrift des Art. L. 223-42 C. com. dient der Warnung der Gesellschafter und damit der inneren Selbstkontrolle einer in wirtschaftliche Schieflage geratenen SARL. Die Gesellschafter sollen gezwungen werden, sich über die wirtschaftliche Zukunft ihres Unternehmens Gedanken zu machen, um rechtzeitig wirksame Maßnahmen gegen eine drohende Insolvenz einzuleiten oder aber zur Sicherung der Gläubigerinteressen die Liquidation der Gesellschaft zu betreiben. Mit dieser Regelung liegt das französische Recht der SARL zwischen den entsprechenden deutschen Vorschriften zur GmbH bzw. zur AG. § 92 Abs. 1 AktG sieht ebenfalls eine Warnprozedur schon im Vorfeld der Insolvenz vor und knüpft ähnlich wie Art. L. 223-42 C. com. an Verluste in Höhe von 50% des Grundkapitals an, schreibt als Rechtsfolge allerdings nur eine Vorstandspflicht zur Einberufung und Unterrichtung der Hauptversammlung vor. § 64 GmbHG greift demgegenüber erst im Falle der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung ein, statuiert dafür aber eine Pflicht der Geschäftsführer zur unverzüglichen Stellung des Insolvenzantrages; ein vorgelagertes Verfahren zur Warnung oder Information der Gesellschafter bei Aufzehrung des Stammkapitals vor Eintritt der Insolvenz ist nicht vorgesehen. Damit das Schicksal der angeschlagenen Gesellschaft nicht zu lange in der Schwebe bleibt und der Rechtsverkehr geschützt wird, sieht das französische Handelsgesetzbuch einen strafrechtlichen Disziplinierungs- und einen gerichtlichen Klärungsmechanismus vor. Ersterer ist in Art. L. 241-6 C. com. geregelt. Versäumt der Geschäftsführer es, innerhalb der Viermonatsfrist die Gesellschafter zwecks einer Entscheidung über die Zukunft der Gesellschaft zu konsultieren oder ihre Entscheidung vorschriftsmäßig zu publizieren, ist die Strafe sechs Monate Haft und/oder 4.500 Euro Geldstrafe. Gerichtlich geklärt werden kann die Zukunft der Gesellschaft gemäß Art. L. 223-42 Abs. 4 C. com. Wenn der Geschäftsführer oder gegebenenfalls der Rechnungsprüfer es unterlässt, eine Entscheidung der Gesellschafter über die Fortführung der Gesellschaft herbeizuführen, oder wenn die Gesellschafter, aus welchem Grund auch immer, zu keiner wirksamen Entscheidung kommen, so kann jeder betroffene Dritte die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft verlangen. Das gleiche gilt, wenn trotz Fortführungsbeschlusses nicht die dann obligatorische Kapitalherabsetzung vorgenommen wird. Um aber die vorschnelle Auflösung einer noch sanierungsfähigen Gesellschaft zu verhindern, kann das Gericht der Gesellschaft eine Frist von bis zu sechs Monaten gewähren, um ihr Stammkapital wieder über die Grenze von 50%

530 Bis zum Inkrafttreten der loi Dutreil im Jahr 2003 war eine Fortführung der Gesellschaft im Hinblick auf Art. L. 223-2 C. com. a. F. natürlich nur möglich, wenn auch nach der obligatorischen Kapitalreduktion das gesetzliche Stammkapitalminimum nicht unterschritten wurde.

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aufzufüllen. Hat sie dies bis zum Tag des Urteilsspruchs getan, so darf das Gericht nicht die Auflösung anordnen. Aus dem gleichen Grund, nämlich der vorrangigen Ermöglichung einer Sanierung und Fortführung der Gesellschaft, gilt Art. L. 223-42 C. com. gemäß seinem fünften Absatz nicht für Gesellschaften, die sich im Sicherungs- oder Sanierungsverfahren (procédure de sauvegarde bzw. de redressement judiciaire)531 befinden oder für die ein Sicherungs- oder Sanierungsplan besteht. bb) Warnverfahren (procédure d’alerte) Nicht am Verhältnis der verfügbaren Aktiva zum Stammkapital, sondern an der wirtschaftlichen Gesamtsituation und den Zukunftsaussichten der Gesellschaft orientiert sich das Warnverfahren (procédure d’alerte) gemäß Artt. L. 2341 ff. C. com. Es ist nicht wie Art. L. 223-42 C. com. als rein gesellschaftsinternes Verfahren ausgestattet, sondern sieht eine kontinuierliche Information des zuständigen Handelsgerichts über die getroffenen Maßnahmen vor. Die procédure d’alerte greift ein, wenn der Rechnungsprüfer bei der Ausübung seiner Funktion Umstände feststellt, die die Fortführung des Unternehmens in Frage stellen. Gemäß Art. 234-2 Abs. 1 C. com. muss er dann bei Handelsgesellschaften, die nicht Aktiengesellschaften sind, vom Geschäftsführer eine Erklärung darüber fordern, die dieser innerhalb von zwei Wochen abzugeben hat. Die Erklärung wird dem Betriebsrat bzw. den Arbeitnehmervertretern, gegebenenfalls dem Aufsichtsrat und auch dem Handelsgericht mitgeteilt. Gibt der Geschäftsführer keine Erklärung ab oder hält der Rechnungsprüfer die vom Geschäftsführer getroffenen Entscheidungen nicht für ausreichend, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, so fertigt der Rechnungsprüfer gemäß Art. 234-2 Abs. 2 C. com. einen gesonderten Bericht (rapport spécial) hierüber an und fordert den Geschäftsführer schriftlich zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung auf, die über das weitere Vorgehen entscheiden soll. Wenn auch deren Beschlüsse aus Sicht des Rechnungsprüfers nicht ausreichen, den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten, so informiert er auf der letzten Stufe des Verfahrens das Handelsgericht über die von ihm unternommenen Schritte und deren Resultate, Art. 234-2 Abs. 3 C. com. Das Warnverfahren dient dazu, schon bei ersten Anzeichen einer bevorstehenden Krise alle Entscheidungsträger zu sensibilisieren und freiwillige Sanierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Es findet sich deshalb nicht im Sechsten Buch des Code de commerce, das sich mit Gesellschaften in der Krise befasst, sondern es gehört zu den allgemeinen Vorschriften über Handelsgesellschaften. Es ist nicht einschlägig, wenn bereits eines der folgenden, weitergehenden Verfahren eingeleitet wurde, Art. L. 234-4 C. com. 531

Näher dazu sogleich, § 5 I. 2. f) dd) bzw. ee).

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cc) Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) Das Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) gemäß Artt. L. 6114 ff. C. com. dient ausweislich der Überschrift des entsprechenden Kapitels des Handelsgesetzbuches ebenfalls der Verhinderung einer Krise der Gesellschaft.532 Es wurde erst durch die loi de sauvegarde als förmliches Verfahren beim Handelsgericht etabliert, die Artt. L. 611-4 ff. C. com. a. F. enthielten vorher nur einige wenige begrenzte Regelungen zu einem kaum formalisierten règlement amiable. Sowohl juristische Personen des Privatrechtes als auch selbständig beruflich tätige natürliche Personen, die sich in einer Krise befinden oder voraussichtlich bald in eine solche geraten werden, können sich des Schlichtungsverfahrens bedienen, sofern sie noch nicht länger als 45 Tage533 zahlungsunfähig sind, Art. L. 611-4 C. com. Das Verfahren dient der Abwendung der drohenden bzw. der Behebung der seit kurzem bestehenden Zahlungsunfähigkeit und wird auf Antrag des Schuldners, der in Schwierigkeiten geraten ist, vor dem Handelsgericht eröffnet. Dieses setzt gemäß Art. L. 611-6 Abs. 3 C. com. einen Schlichter (conciliateur) für höchstens vier Monate ein.534 Die Funktion des Schlichters ist in Art. L. 611-7 Abs. 1 C. com. dergestalt umrissen, dass er eine einvernehmliche Vereinbarung (accord amiable) zwischen dem Schuldner und seinen wichtigsten Gläubigern und regelmäßigen Geschäftspartnern vermitteln soll, durch die die Krise der Gesellschaft und die (drohende) Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden kann. Er kann auch sonstige Sanierungsvorschläge machen. Er verfügt hierfür über umfassende Informationsrechte bezüglich der wirtschaftlichen Situation des Schuldners. Scheitert der Schlichter mit seinen Bemühungen um einen accord amiable, so wird er durch das Handelsgericht abberufen und das Verfahren beendet, Art. L. 611-7 Abs. 6 C. com.535 Wird ein Einvernehmen erreicht, so wird dies gemäß Art. L. 611-8 I C. com. auf gemeinsamen Antrag beider Parteien gerichtlich festgestellt (constatation), wodurch die Vereinbarung Vollstreckbarkeit erlangt. Der Schuldner kann zudem eine gerichtliche Bestätigung (homologation) der Vereinbarung beantragen.536 Diese wird gemäß Art. L. 611-8 II C. com. nur erteilt, 532 Die Überschrift ist insofern nicht ganz passend, als das Schlichtungsverfahren auch noch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beantragt werden kann. Vgl. Art. L. 631-4 Abs. 1 C. com. 533 Dies entspricht der Frist, innerhalb derer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt werden muss, Art. L. 631-4 Abs. 1 C. com. Im Falle einer Insolvenzverschleppung ist also das Schlichtungsverfahren gesperrt. 534 Auf Antrag des Schlichters kann sein Mandat durch das Gericht um höchstens einen weiteren Monat verlängert werden. 535 In diesem Fall eröffnet das Gericht gemäß Art. L. 631-4 Abs. 2 C. com. von Amts wegen ein Sanierungsverfahren, sofern der Schuldner zahlungsunfähig ist. 536 Die gerichtliche Bestätigung (homologation) des accord amiable ist publizitätspflichtig, Art. L. 611-10 Abs. 2 C. com. Allein durch das Öffentlichwerden einer Krise

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wenn (1) der Schuldner nicht zahlungsunfähig ist bzw. dieser Zustand durch Abschluss der Vereinbarung beseitigt wird, (2) die Vereinbarung geeignet ist, die dauerhafte Fortführung des Unternehmens zu garantieren, und (3) die Interessen der nicht an der Vereinbarung beteiligten Gläubiger gewahrt bleiben. Für die Dauer ihrer Wirksamkeit sperrt die gerichtlich bestätigte Vereinbarung alle Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich auf unter die Vereinbarung fallende Forderungen beziehen, Art. L. 611-10 Abs. 3 C. com. Scheitern die Sanierungsbemühungen aus dem Schlichtungsverfahren und wird dementsprechend eines der im Folgenden beschriebenen weitergehenden Verfahren eingeleitet, so beendet dies die Wirksamkeit des accord amiable gemäß Art. L. 611-12 C. com. Auf die in diesem Fall privilegierte Rückzahlung von aufgrund eines accord amiable homologué geleisteten Sanierungshilfen gemäß Art. L. 611-11 C. com. wurde bereits oben näher eingegangen.537 dd) Sicherungsverfahren (procédure de sauvegarde) Auch das Sicherungsverfahren538 (procédure de sauvegarde) gemäß Artt. L. 620-1 ff. C. com. greift noch im Vorfeld der Insolvenz ein.539 Es wurde durch die des Unternehmens kann sich diese jedoch verschärfen, da Kreditgeber möglicherweise verstärkt versuchen werden, ihre Darlehen abzuziehen, und bei der Zuführung neuer Mittel sehr zurückhaltend sein werden. Deshalb wird der Schuldner u. U. auf die Beantragung der Bestätigung verzichten, um die Vertraulichkeit des Verfahrens zu gewährleisten. Vollstreckbar wird die Vereinbarung auch ohnedies allein durch die gerichtliche Feststellung, allerdings greifen in diesem Fall die Rechtsfolgen eines accord homologué nicht, insbesondere die privilegierte Rückzahlung von Sanierungsdarlehen gemäß Art. L. 611-11 C. com. Um ein öffentliches Bekanntwerden der Krise zu verhindern, kann der Unternehmensleiter im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten als Vorstufe zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens auch jederzeit die gerichtliche Benennung eines mandataire ad hoc beantragen, Art. L. 611-3 C. com. Das Gericht bestimmt dessen Aufgabe und Befugnisse. Der mandataire ad hoc wird als eigenständiges Instrument zur Krisenverhinderung und -bewältigung angesehen und hat den Vorteil, dass seine Beantragung und Ernennung keinerlei Publizitätsvorschriften unterliegen, also vertraulich erfolgen können. Dies wie auch der hohe Grad an Flexibilität und eine beeindruckende Erfolgsquote von 70% müssten dieses Instrument eigentlich sehr attraktiv für Unternehmen in der Krise machen, doch wird von ihm in der Praxis nur zurückhaltend Gebrauch gemacht. Vgl. „À l’Ouest, la loi de la sauvegarde contre les vents contraires“, SIC Nr. 235, Oktober 2005, 10 (ohne Autorenangabe). 537 Siehe oben, § 5 I. 2. e). 538 Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1034), übersetzen die französische Bezeichnung mit „Reorganisationsverfahren“. Dieser Begriff ist m. E. nicht ganz glücklich gewählt. Denn erstens ist er weiter entfernt vom französischen Wortsinn, und zweitens trifft er auch inhaltlich nicht unbedingt das Richtige, da das Sicherungsverfahren möglicherweise häufig aber nicht zwangsläufig eine Reorganisation des Unternehmens mit sich bringt und die Mechanismen dieses Verfahrens auch nicht speziell auf eine solche ausgerichtet sind. Es geht vielmehr allgemein um die Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens.

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loi de sauvegarde neu eingeführt und stellt deren wichtigsten Reformpunkt dar. Die Eröffnung erfolgt gemäß Art. L. 620-1 C. com. auf Antrag eines Schuldners, der sich in gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, die er aus eigener Kraft nicht überwinden kann und die zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit führen werden.540 Die genannte Vorschrift zählt explizit die Zwecke dieses Verfahrens auf: Die Weiterführung des Unternehmens, den Erhalt der Arbeitsplätze und die Tilgung der Schulden. Durch den gerichtlichen Eröffnungsbeschluss beginnt zunächst eine Beobachtungsphase von sechs Monaten, die einmal um den gleichen Zeitraum verlängert werden kann, Art. L. 621-3 Abs. 1 C. com. Gleichzeitig bestimmt das Gericht gemäß Art. L. 621-4 C. com. einen für das weitere Verfahren zuständigen Richter (juge-commissaire)541 sowie zwei gerichtliche Bevollmächtigte, von denen der eine allein befugt ist, die kollektiven Interessen der Gläubiger zu vertreten und in ihrem Namen zu handeln (mandataire judiciaire), der andere die Geschäftsleitung des Schuldners überwacht und berät (administrateur judiciaire). Außerdem werden auch auf Antrag der Gläubiger aus ihrer Mitte bis zu fünf Personen ernannt, die ebenfalls die Geschäftsleitung des Schuldners überwachen, Artt. L. 621-10 f. C. com. Der administrateur judiciaire erstellt auf der Basis seiner Beobachtungen eine Übersicht über die wirtschaftliche und soziale Situation des Schuldners und die Ursachen seiner Krise. Darauf aufbauend erarbeitet er einen Plan zur Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens (plan de sauvegarde), Art. L. 623-1 C. com. Wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden, so verleiht das Handelsgericht diesem Plan durch Beschluss Rechtsgültigkeit und Verbindlichkeit für eine Dauer von höchstens zehn Jahren, Art. L. 626-1 i.V. m. Artt. L. 626-9 ff. C. com.542 Durch diesen Beschluss wird die Beobachtungsphase beendet. Der Plan kann dabei die Veräußerung bestimmter Unternehmensteile, die Einstellung oder Neuaufnahme bestimmter Tätigkeiten, die Ersetzung der Geschäftsleitungspersonen und andere detaillierte Maßnahmen vorsehen. Die Gläubiger werden in aller Regel an seiner Erarbeitung 539 Stellt sich nach Eröffnung des Sicherungsverfahrens heraus, dass der Schuldner bereits zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war, so wird das Verfahren von Amts wegen per Gerichtsbeschluss in ein Sanierungsverfahren umgewandelt, Art. L. 621-12 Abs. 1 C. com. Ein Sicherungsverfahren ist also nur für einen noch nicht insolventen Schuldner vorgesehen. 540 Die Einführung eines solchen der Zahlungsunfähigkeit vorgelagerten Insolvenzauslösetatbestandes wurde in der früheren französischen Rechtsliteratur wegen der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit und eingeschränkten Justiziabilität noch abgelehnt. Vgl. Cabrillac/Pétel, JCP E 1991, I, 44, Nr. 1; Jacquemont, Rn. 157 ff. 541 Seine Funktion besteht im Wesentlichen darin, für einen zügigen Fortgang des Verfahrens und für die Wahrung der Interessen der Beteiligten zu sorgen, Art. L. 621-9 Abs. 1 C. com. Zu diesem Zweck müssen ihn die gerichtlichen Bevollmächtigten über den Stand des Verfahrens laufend unterrichten, Art. L. 621-8 Abs. 1 C. com. 542 Die Aufhebung des Plans vor Ablauf der gerichtlich bestimmten Geltungsdauer bedarf ebenfalls eines Gerichtsbeschlusses.

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vermittels zweier Gläubigergremien (comités de créanciers) beteiligt, in denen die Kreditinstitute bzw. die wichtigsten Lieferanten des Schuldners vertreten sind, Artt. L. 626-29 ff. C. com. ee) Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) Tritt – trotz oder ohne Anwendung eines der vorgenannten freiwilligen Verfahren – die Zahlungsunfähigkeit543 ein, so wird ein Insolvenzverfahren in Form einer der beiden obligatorischen procédures collectives über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Die erste Stufe stellt dabei das Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) gemäß Artt. L. 631-1 ff. C. com. dar.544 Seine Eröffnung muss gemäß Art. L. 631-4 C. com. vom Schuldner spätestens 45 Tage545 nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beantragt werden, es sei denn, er beantragt innerhalb dieses Zeitraumes die Eröffnung eines Schlichtungsverfahrens.546 Das französische Recht sieht also ebenso wie das deutsche eine Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages vor. Die Sanktion für eine Verletzung dieser Pflicht mutet im Ergebnis wie eine Kombination der deutschen Haftungstatbestände des § 64 GmbHG bzw. des § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. (jetzt § 15a Juso) an: Die Insolvenzverschleppung stellt einen Geschäftsführungsfehler dar, aufgrund dessen der Geschäftsführer im Rahmen einer action en comblement du passif gemäß Art. L. 651-2 C. com.547 ganz oder teilweise für die Gesellschaftsschulden haftbar gemacht werden kann.548 Hierbei handelt es sich nicht 543 Zahlungsunfähigkeit ist parallel zum deutschen Insolvenzrecht dann gegeben, wenn die verfügbaren Aktiva nicht zur Deckung der fälligen Schulden ausreichen. Vgl. Art. L. 631-1 Abs. 1 C. com. 544 Vor der Reform durch die loi de sauvegarde geregelt in Artt. 621-1 ff. C. com. a. F. 545 Bemerkenswert ist, dass diese Frist vor Erlass der loi de sauvegarde gemäß Art. L. 621-1 C. com. a. F. nur 15 Tage betrug, durch die Reform also verdreifacht wurde. Das französische Recht ist hier sehr großzügig, verglichen mit § 64 Abs. 1 GmbHG a. F., der eine Pflicht zur unverzüglichen Antragstellung mit der absoluten Obergrenze von drei Wochen vorsieht. 546 Gemäß Art. 631-5 C. com. kann das Gericht das Sanierungsverfahren auch von Amts wegen oder auf Antrag eines Gläubigers eröffnen. In beiden Fällen gilt keine Frist, abgesehen von einer Jahresfrist für den Fall, dass ein Gläubiger den Antrag stellen will und der Schuldner seine gewerbliche Tätigkeit bereits aufgegeben hat. Die genannte Vorschrift ist jedoch nur anwendbar, wenn kein Schlichtungsverfahren läuft. Andernfalls ist ein Antrag seitens eines Gläubigers ausgeschlossen, und eine Eröffnung von Amts wegen kann erst nach Scheitern des Schlichtungsverfahrens erfolgen, wenn der Schlichter in seinem Bericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit feststellt, Art. L. 631-4 Abs. 2 C. com. 547 Näher zu dieser Haftung unten, § 5 I. 2. g) aa). 548 Die französische Sanktion ist insoweit potentiell schärfer als die deutsche, da der Richter nach eigenem Ermessen entscheiden kann, für welchen Anteil der Gesellschaftsschulden der Geschäftsführer einzustehen hat, während die Haftung in Deutschland gemäß § 64 GmbHG auf nach Eintritt der Insolvenzreife geleistete Zahlungen,

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um einen Direktanspruch der Gläubiger, die Zahlung erfolgt vielmehr in das Gesellschaftsvermögen bzw. in die Insolvenzmasse. Gemäß den verschiedenen Verweisungen in den Artt. L. 631-1 ff. C. com. finden hinsichtlich des weiteren Verfahrensganges weitestgehend die Vorschriften über das Sicherungsverfahren Anwendung. So ist insbesondere zunächst eine sechsmonatige Beobachtungsphase vorgesehen, die aber nur dann in voller Länge eingehalten wird, wenn die finanziellen Mittel des Unternehmens dies erlauben. Außerdem wird am Ende dieser Phase ein Sanierungsplan (plan de redressement) erstellt, sofern eine ernsthafte Erfolgsaussicht besteht. Andernfalls beschließt das Gericht die Auflösung des Unternehmens. Der Unterschied zwischen Sanierungsund Sicherungsverfahren besteht hauptsächlich darin, dass ersteres erst im Fall der Zahlungsunfähigkeit eingreift, dann aber zwingend vorgeschrieben ist. Hinzu kommt, dass nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bestimmte Maßnahmen gemäß Artt. L. 632-1 ff. C. com. verboten und nichtig sind, so z. B. Veräußerungen von Vermögensgegenständen des Schuldners ohne oder gegen deutlich zu geringe Gegenleistung sowie Zahlungen auf nicht fällige Forderungen. ff) Liquidationsverfahren (liquidation judiciaire) Scheitern alle Sanierungsbemühungen und ist damit die Fortführung des Unternehmens unmöglich, wird als letzte Stufe das Liquidationsverfahren (liquidation judiciaire) gemäß Artt. L. 640-1 ff. C. com. eingeleitet.549 Für die Eröffnung gilt das zum Sanierungsverfahren Gesagte, also insbesondere auch die Frist von 45 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, innerhalb derer der Eröffnungsantrag gestellt werden muss, sofern das Liquidationsverfahren nicht ohnehin nach Scheitern eines vorangegangenen Sanierungsverfahrens durch Gerichtsbeschluss eröffnet wird. Auf die action en comblement du passif, die zu jedem Zeitpunkt während des Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens erhoben werden kann, wird sogleich näher eingegangen.550 Zudem sehen die Artt. L. 237-6 ff. C. com. Verfügungsbeschränkungen bezüglich der Aktiva einer Gesellschaft in Liquidation vor, um Missbräuchen vorzubeugen und die Gesellschaftsgläubiger zu schützen. Erwähnenswert erscheint noch, dass durch die loi de sauvegarde ein vereinfachtes Liquidationsverfahren für kleine Unternehmen mit nicht nennenswertem Bestand an Aktiva eingeführt worden ist. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. im Falle von Altgläubigern auf deren Quotenschaden begrenzt ist. 549 Gemäß Art. L. 640-1 Abs. 1 C. com. wird das Liquidationsverfahren eingeleitet, wenn der Schuldner zahlungsunfähig und eine Sanierung offensichtlich unmöglich ist. Das trifft jedenfalls dann zu, wenn ein Sanierungsverfahren erfolglos durchgeführt wurde. Dieses kann jedoch „übersprungen“ und direkt zur Liquidation übergegangen werden, wenn die Aussichtslosigkeit der Sanierung aus anderen Gründen von vornherein feststeht. 550 Siehe unten, § 5 I. 2. g) aa).

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g) Haftungstatbestände Das französische Recht sieht diverse Haftungssanktionen vor, die sich gegen gläubiger- oder gesellschaftsschädliches Handeln der verschiedenen Akteure innerhalb einer Gesellschaft richten. Für den Zweck der vorliegenden Untersuchung genügt es, nur solche Tatbestände in den Blick zu nehmen, die mit dem System des Kapital- und Gläubigerschutzes zusammenhängen. Außer Betracht bleiben sollen deshalb Normen, die ein davon unabhängiges Fehlverhalten sanktionieren, oder auch solche, die nach ihrer Zielsetzung nur das Innenverhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft betreffen. Die verbleibenden Regelungen lassen sich nach dem Haftungssubjekt einteilen in Sanktionen gegenüber Geschäftsführern einerseits [aa)] und Gesellschaftern andererseits [bb)]. aa) Geschäftsführer Die ersten Geschäftsführer einer neu gegründeten SARL haften zunächst, gemeinsam mit den Gründungsgesellschaftern, für Schäden, die durch Rechtsverstöße im Rahmen der Gründung entstanden sind. Im Einzelnen ordnet Art. L. 210-8 Abs. 1 C. com. eine solidarische Schadensersatzhaftung für Fälle an, wo eine obligatorische Angabe in den Statuten fehlt oder eine sonstige gesetzliche Gründungsformalität gar nicht oder fehlerhaft beachtet wurde. Allerdings werden materielle Gründungsfehler, wie z. B. eine unvollständige Kapitalaufbringung, von dieser Haftungsnorm nicht erfasst.551 Ist der Fehler so gravierend, dass er die Nichtigkeit der Gesellschaft zur Folge hat, so haften die genannten Personen gemäß Art. L. 223-10 C. com. für den daraus resultierenden Schaden, sofern sie für die Nichtigkeit verantwortlich sind. Dieser Anspruch hat angesichts der europarechtlich induzierten Beschneidung der Nichtigkeitsgründe in Art. 1844-10 Abs. 1 C. civ. viel von seiner Bedeutung eingebüßt552, allerdings ist eine Nichtigkeit aufgrund unvollständiger Aufbringung des Stammkapitals nach wie vor möglich.553 Hierin liegt also ein zusätzlicher Ansporn für Gründungsgesellschafter und -geschäftsführer, auf die Einhaltung der Kapitalaufbringungsregeln zu achten. Als Grundnorm der Haftung des SARL-Geschäftsführers von wesentlich größerer Reichweite ist die Vorschrift des Art. L. 223-22 C. com. Gemäß Abs. 1 haften die Geschäftsführer individuell oder gegebenenfalls solidarisch der Gesellschaft und Dritten gegenüber für alle Schäden, die sie durch Verletzung gesetzlicher oder statutarischer Vorschriften oder durch Geschäftsführungsfehler verursachen.554 Trotz dieser Gleichrangigkeit in der Formulierung stellt in der 551

Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1290, 1499. Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1290. 553 Siehe oben, § 5 I. 2. a). 554 Hier ist nach der französischen Konzeption die Haftung für anfängliche Unterkapitalisierung außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verorten: Die Aufnahme des Ge552

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Praxis die Außenhaftung des Geschäftsführers wie in Deutschland die Ausnahme, die Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft die Regel dar.555 Insbesondere die heutige Rechtsprechung des Kassationshofes schränkt die Tragweite der Außenhaftung maßgeblich dadurch ein, dass sie bei Geschäftsführungsfehlern als ungeschriebene Voraussetzung auf Seiten des Geschäftsführers eine „faute personnelle détachable de ses fonctions“ fordert.556 Im Ergebnis werden Geschäftsführer dadurch grundsätzlich selbst im Falle schwerer Verfehlungen, die sie in ihrer Organfunktion begangen haben, von einer Direkthaftung gegenüber Dritten freigestellt.557 Gegen diese „irresponsabilité de fait“ im Außenverhältnis wenden sich nicht nur Stimmen aus dem Schrifttum.558 Auch diverse Instanzgerichte versuchen immer wieder, die Außenhaftung zumindest auf Fälle strafbaren, vorsätzlichen oder grob kompetenzwidrigen Fehlverhaltens auszuweiten.559 Dem ist der Kassationshof in der Regel konsequent entgegengetreten.560 In einem viel beachteten Grundsatzurteil vom 20. Mai 2003561 hat er allerdings nicht nur – was einen gewissen Seltenheitswert besitzt – eine Außenhafschäftsbetriebs einer Gesellschaft mit einem lächerlich geringen Stammkapital im Verhältnis zu ihren tatsächlichen Finanzierungsbedürfnissen stellt für sich genommen bereits einen relevanten Geschäftsführungsfehler dar. Vgl. CA Rouen 20.10.1983, D. 1983, 163 m. Anm. Daigre = RJ com. 1985, 132 m. Anm. Cherchouly-Sicard = Rev. sociétés 1984, 764 m. Anm. Legrand. Allerdings bestehen einige Unterschiede zur deutschen Unterkapitalisierungshaftung. So haften gemäß Art. L. 223-22 C. com. die Geschäftsführer, nicht die Gesellschafter, und die Rechtsfolge ist Schadensersatz, keine Durchgriffshaftung im Sinne einer Einstandspflicht im Außenverhältnis für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Zur Haftung für eine nachträglich in der Insolvenz festgestellte Unterkapitalisierung s. unten, § 5 I. 2. g) aa). Die entsprechende Haftungsnorm für Fehler des Insolvenzverwalters (liquidateur) findet sich in Art. L. 237-12 C. com. 555 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 273; Fleischer, RIW 1999, 576 (581). 556 Diese Formel wurde, nach einer Andeutung im Urteil Cass. soc. 10.05.1973, Bull. civ. V, Nr. 299, erstmals im Urteil Cass. soc. 09.04.1975, Bull. civ. V, Nr. 174 = Rev. trim. dr. civ. 1976, 137 m. Anm. Durry verwendet. Dem schlossen sich in der Folge die übrigen Kammern des Kassationshofes an. Es handelte sich um eine Kehrtwende im Vergleich zur traditionellen Rechtsprechung, die wie selbstverständlich von einer Außenhaftung für fautes de gestion ausging. Vgl. ausführlich Fleischer, RIW 1999, 576 (578 f.) mit umfassenden Nachweisen. Die Assoziation zum Tatbestandsmerkmal „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ in § 31 BGB liegt nahe. 557 Vgl. für einen vorsätzlich handelnden Geschäftsführer Cass. com. 28.04.1998, Rev. sociétés 1998, 767 m. Anm. Saintourens; für eine Kompetenzüberschreitung Cass. com. 20.10.1998, JCP 1998, 2025 m. Anm. Couret. 558 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 274; Le Cannu, Anm. zu Cass. com. 28.04. 1998, Bull. Joly 1998, 888, der auf den „aspect immoral“ dieser Rechtsprechung hinweist: „Le président peut mentir, pourvu que ce soit dans l’intérêt social.“ 559 Vgl. die Nachweise bei Fleischer, RIW 1999, 576 (580). 560 Vgl. die in 2. Teil Fn. 557 zitierten Urteile. 561 Cass. com. 20.05.2003, D. 2003, 1502 m. Anm. Lienhard = JCP E 2003, 1203, Nr. 2 m. Anm. Caussain/Deboissy/Wicker.

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tung bejaht562, sondern zugleich erstmalig abstrakt die Kriterien dafür präzisiert, wann eine Verfehlung, die eigentlich in Ausübung der Organfunktion begangen wurde, dennoch persönlicher und nicht dienstlicher Natur ist und damit eine Außenhaftung des Geschäftsleiters zu begründen vermag: Eine faute détachable liege dann vor, wenn der Geschäftsführungsfehler unvereinbar mit der normalen Ausübung der Geschäftsleiterfunktionen ist, wobei die Unvereinbarkeit aus der vorsätzlichen Begehung sowie der besonderen Schwere der Verfehlung folge.563 Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so bleibt es bei der Haftung der Gesellschaft gegenüber dem geschädigten Dritten und der Innenhaftung des Geschäftsführers. Ebenfalls eine Haftung des Geschäftsleiters für Geschäftsführungsfehler sieht die Vorschrift des Art. L. 651-2 C. com. vor. Sie enthält seit der Umstrukturierung und teilweisen Neuregelung der Sanierungs- und Insolvenzvorschriften des Code de commerce durch die loi de sauvegarde die vorher in Art. L. 624-3 C. com. a. F. geregelte action en comblement du passif.564 Diese Klage (bzw. der dadurch verfolgte Anspruch) verdient eine etwas eingehendere Betrachtung, da sie in deutschen rechtsvergleichenden Untersuchungen vielfach zitiert und manchmal missverstanden wird.565 Die Voraussetzungen einer Verurteilung „en 562 Der zu entscheidende Fall ließ allerdings auch kaum Spielraum für ein anders lautendes Urteil, denn die beklagte Geschäftsführerin hatte dort vorsätzlich einen offensichtlichen, gravierenden Geschäftsführungsfehler begangen: Sie hatte zwei Forderungen der Gesellschaft als Gegenleistung für eine Lieferung an den klagenden Lieferanten abgetreten, obwohl sie dieselben Forderungen zuvor bereits an eine Bank abgetreten hatte. 563 Cass. com. 20.05.2003, D. 2003, 1502 m. Anm. Lienhard: Eine faute détachable liegt vor, wenn „le dirigeant commet intentionnellement une faute d’une gravité particulière incompatible avec l’exercice normal des fonctions sociales.“ 564 Anscheinend ist dem französischen Gesetzgeber bei der genannten Reform ein Redaktionsversehen unterlaufen. Für die SARL verwies vor der Reform Art. L. 223-24 C. com. auf die Haftung für die Gesellschaftsschulden nach dem Zweiten Titel des Sechsten Buches des Code de commerce, in dem nach a. F. das Sanierungs- und das Liquidationsverfahren und dementsprechend auch die action en comblement du passif geregelt war. Art. L. 223-24 C. com. ist durch die Reform unberührt geblieben, die entsprechenden Vorschriften finden sich jedoch inzwischen im Dritten bis Fünften Titel des Sechsten Buches, so dass der Verweis nun fehlgeht. 565 So werden immer wieder Parallelen zwischen dieser Klage und deutschen Rechtsinstituten, insbesondere der Insolvenzverschleppungshaftung, gezogen, vgl. nur die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 126 f. Diese Vergleiche sind nicht unproblematisch, denn ein der action en comblement du passif vergleichbares Rechtsinstitut gibt es in Deutschland nicht. Eine Vergleichbarkeit etwa mit der deutschen Haftung gemäß § 64 GmbHG ist angesichts der gravierenden Unterschiede in Voraussetzungen und Rechtsfolgen nur in einem sehr kleinen funktionalen Überschneidungsbereich gegeben. Das deutsche Recht knüpft nämlich an das Vorliegen eines Insolvenzauslösetatbestandes an und dient der Rückgängigmachung von konkreten Masseschmälerungen. Der französische Tatbestand geht wesentlich weiter und erfasst jeglichen Geschäftsführungsfehler, der zur Deckungslücke beigetragen hat. Andererseits ist Anwendungsvoraussetzung, dass das Insolvenzverfahren bereits eröffnet wurde. Die

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comblement du passif“ 566, die durch die angesprochene Gesetzesänderung inhaltlich und im Wesentlichen auch dem Wortlaut nach unberührt geblieben sind, sind die folgenden: Zunächst muss (1) eine procédure collective (Sicherungs-, Sanierungs- oder Liquidationsverfahren) eröffnet worden, die Gesellschaft also zahlungsunfähig bzw. im Falle des neu eingeführten Sicherungsverfahrens von einer derartigen Krise betroffen sein, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit absehbar ist. Weiterhin muss (2) sich am Ende des betreffenden Verfahrens eine Unterdeckung der bestehenden Verbindlichkeiten durch die vorhandenen Aktiva ergeben (insuffisance d’actif). Außerdem muss (3) dem Geschäftsführer eine faute de gestion567 zur Last fallen, die (4) ganz oder teilweise kausal für die Unterdeckung ist. Sind diese vier Tatbestandsmerkmale erfüllt, so ist die Rechtsfolge eine Einstandspflicht für einen Teil oder die Gesamtheit der offenen Gesellschaftsverbindlichkeiten; welchen Anteil der Unterdeckung die verurteilten Geschäftsführer auszugleichen haben, wird vom Richter in freiem Ermessen nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwere des Geschäftsfüh-

Rechtsfolge schließlich ist nicht die Revidierung eines bestimmten Vermögensabflusses, sondern eine Einstandspflicht für die Gesellschaftsschulden nach dem Ermessen des Gerichts. 566 Wörtlich „Auffüllung der Passiva“, was aus bilanztechnischer Sicht eine zumindest ungenaue Bezeichnung ist, da es um einen Ausgleich der Differenz zwischen Aktiva und Passiva, also um eine Auffüllung der Aktiva geht. Der zutreffendere, allerdings auch deutlich weniger griffige Ausdruck „action en comblement de l’insuffisance d’actif“ hat sich nicht durchsetzen können, wird aber vereinzelt verwendet. Vgl. T. com. Paris 07.09.1998, Gaz. Pal. 1999, 2. Somm. 612. 567 Ausreichend ist hier jeglicher Geschäftsführungsfehler eines dirigeant de droit ou de fait, unabhängig von seiner Schwere. Das Vorliegen einer faute détachable ist nicht erforderlich. Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 277. Das Verhalten des Geschäftsführers muss jedoch in irgendeiner Weise pflichtwidrig sein, allein das Ergebnis einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft reicht nicht aus, vgl. CA Bourges 03.06.1998, JCP E 1999, 1417; CA Paris 08.09.2000, Dr. sociétés 2001, Nr. 5 m. Anm. Chaput. Auch Frankreich kennt insoweit eine Art „business judgment rule“, vgl. Jacquemont, Rn. 868. Ein relevanter Geschäftsführungsfehler ist lt. Rspr. bereits dann anzunehmen, wenn eine Gesellschaft den Geschäftsbetrieb aufnimmt, deren Stammkapital zwar oberhalb des gesetzlichen Minimums liegt, aber im Verhältnis zum tatsächlichen Geschäftsumfang lächerlich gering ist. Die Geschäftsführer einer anfänglich unterkapitalisierten Gesellschaft können also in der Insolvenz zum Ausgleich der Gesellschaftsschulden verpflichtet sein. Vgl. Cass. com. 23.11.1999, RJDA 2000, Nr. 457; CA Rouen 20.10.1983, D. 1983, 163 m. Anm. Daigre = RJ com. 1985, 132 m. Anm. Cherchouly-Sicard = Rev. sociétés 1984, 764 m. Anm. Legrand. Auch der Umstand, dass in einer SA ein Verwaltungsratsmitglied es unterlässt, den P-DG (Präsident des Verwaltungsrates, der zugleich Generaldirektor ist) zur Erklärung der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft aufzufordern, kann eine faute de gestion i. S. d. Art. L. 651-2 C. com. darstellen. Hier fungiert die action en comblement du passif als eine Art „erweiterte“ Insolvenzverschleppungshaftung, die eingreift, obwohl der Betroffene gar nicht selbst zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist.

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rungsfehlers und dessen Verursachungsanteil an der Unterdeckung festgelegt.568 Aus der Gesamtbetrachtung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Art. L. 651-2 C. com. erhellt sich dessen hybride Natur: Einerseits setzt die Norm einen Geschäftsführungsfehler voraus, so dass sie wie eine deliktische Sanktion für ein gläubigerschädigendes Fehlverhalten der Geschäftsleitung erscheint. Andererseits soll es ihr laut Rechtsprechung an einer repressiven Zielrichtung fehlen569, und die Rechtsfolge ist, anders als bei der dogmatisch streng davon zu unterscheidenden allgemeinen Geschäftsführerhaftung gemäß Art. L. 223-22 C. com.570, kein Schadensersatz, sondern eine Ausfallhaftung für Schulden der Gesellschaft.571 Diese ist als reine Innenhaftung ausgestaltet, obgleich gemäß Art. L. 651-3 Abs. 2 C. com. die Klage auch von Seiten der Gläubiger erhoben werden kann: Nach Art. L. 651-2 Abs. 3 C. com. gehen die von den verurteilten Geschäftsführern gezahlten Beträge in das Vermögen der Gesellschaft über und werden dann zur Befriedigung der Gläubiger gemäß ihrer jeweiligen Quote verwendet. Hier ist der französische Gesetzgeber einen anderen Weg gegangen als sein deutsches Pendant. Hierzulande ist eine zwingende Wiederauffüllung des Stammkapitals nach Eintragung der Gesellschaft grundsätzlich nicht vorgesehen, es sei denn die entsprechenden Vermögenswerte wurden entgegen § 30 GmbHG ausgeschüttet. Kapitalverluste durch Missmanagement gehen also nach der gesetzlichen Konzeption außerhalb des Anwendungsbereichs deliktischer Haftungstatbestände voll zu Lasten der Gläubiger. Ein Ausgleich der Unterdeckung des Stammkapitals durch eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen ist zwar möglich, doch besteht kein entsprechender Leistungsanspruch der Gesellschaft oder der Gläubiger; der Gesetzgeber qualifiziert nur freiwillige Leistungen nach-

568 Vgl. Dalloz, Code de commerce, Art. L. 624-3 C. com. (a. F., heute Art. L. 651-2 C. com.) Rn. 34 m.w. N. 569 Vgl. Cass. com. 09.02.1988, D. 1989, Somm. 1 m. Anm. Derrida. 570 Näher zu den Unterschieden der beiden Ansprüche CA Rouen 20.10.1983, Rev. sociétés 1984, 764 (766). 571 Schaden und offene Gesellschaftsschulden können im Einzelfall äquivalent sein. Dies muss jedoch nicht der Fall sein, so dass der Unterschied in der Rechtsfolge durchaus auch praktisch relevant ist. Vgl. Höhn, S. 210. Umstritten ist, ob im Falle des Vorliegens aller Voraussetzungen der action en comblement du passif konkurrierende Schadensersatzansprüche wegen des Geschäftsführungsfehlers, etwa aus Art. L. 223-22 C. com. oder aus allgemeinem Deliktsrecht, gesperrt sind. Nachdem der Kassationshof früher eine Wahlmöglichkeit zwischen Schadensersatz- und Ausfallhaftung anerkannte, geht er inzwischen von einer grundsätzlichen Sperrwirkung des heutigen Art. L. 651-2 C. com. aus. Vgl. Cass. com. 28.02.1995, Bull. Joly 1995, § 684 m. Anm. Daigre; sowie die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise bei Dalloz, Code de commerce, Art. L. 624-3 (jetzt L. 651-2) Rn. 4 ff. Vgl. auch CA Rouen 20.10.1983, D. 1983, 163 m. Anm. Daigre = RJ com. 1985, 132 m. Anm. Cherchouly-Sicard = Rev. sociétés 1984, 764 m. Anm. Legrand, wo klargestellt wird, dass beide Ansprüche nur dann nebeneinander bestehen können, wenn sie nicht auf Ausgleich ein und desselben Nachteils gerichtet sind.

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träglich in Eigenkapital um. Eine persönliche Haftung für Gesellschaftsschulden ist nur in den engen Grenzen der Durchgriffstatbestände möglich. In Frankreich hingegen sind die fehlerhaft handelnden Geschäftsführer verpflichtet, nicht nur die Unterdeckung des Stammkapitals, sondern gegebenenfalls sämtliche Verluste der Gesellschaft im Innenverhältnis auszugleichen. In ihren Voraussetzungen gleicht diese Pflicht einer deliktischen Organhaftung, die Rechtsfolge ist jedoch keine Schadensersatz- sondern eine Ausfallhaftung. Man könnte also – auch angesichts ihrer Sperrwirkung für die allgemeinen Deliktstatbestände – von einer (quasi-)deliktischen Ausfallhaftung sprechen.572 Jedenfalls orientiert sich auch hier der Gläubigerschutz wiederum nicht am Betrag des Stammkapitals, sondern am gesamten Kapital der Gesellschaft. Die Haftung aus Art. L. 651-2 C. com. ist in ihren Voraussetzungen sehr weit gefasst573, greift dafür aber auch nur im Insolvenzfall ein.574 Die action en comblement du passif ist damit ein Indikator für die teilweise unterschiedliche Gewichtung der Gläubigerschutzinstrumente in Frankreich und Deutschland: Hier ein vornehmlich stammkapitalorientierter ex-ante-Schutz, dort ein stärker diversifiziertes Instrumentarium mit einem weiten Haftungstatbestand, der die Gläubiger ex post schützt. Ebenfalls eine Einstandspflicht des Geschäftsführers für Schulden der Gesellschaft begründet Art. L. 652-1 C. com. Hier haftet dieser allerdings unmittelbar im Außenverhältnis. Die Vorschrift ist ebenfalls durch die loi de sauvegarde eingefügt worden. Ihre Vorgängernorm, Art. L. 624-5 C. com. a. F., enthielt fast 572 Zur Rechtsnatur der action en comblement du passif vgl. Jacquemont, Rn. 865. Fleischer, RIW 1999, 576 (578) weist zutreffend darauf hin, dass diese Haftung – obwohl nur im Insolvenzverfahren anwendbar – keine spezifisch konkursrechtliche Sanktion, sondern eine Verlängerung der zivilrechtlichen Organhaftung in das Insolvenzrecht hinein darstellt. Zwar besteht ein wesentlicher dogmatischer Unterschied in der Rechtsfolge – eine der Höhe nach vom Gericht zu bestimmende Ausfallhaftung statt des bei der Organhaftung üblichen Schadensersatzes –, doch macht dies im Ergebnis in der Regel keinen entscheidenden Unterschied, da die Unterdeckung der Gesellschaftsschulden gleichzeitig den Schaden der Gläubiger ausmacht und das Gericht bei der Festlegung der Höhe der Ausfallhaftung auch den Verursachungsbeitrag des Geschäftsführers und den Grad seines Verschuldens berücksichtigt. 573 Sie bezieht sich auf jeglichen Geschäftsführungsfehler, der für Gläubigerausfälle in der Insolvenz kausal war, unabhängig davon, ob sich die Gesellschaft zu dem Zeitpunkt bereits in einer Krise befand oder nicht, vgl. CA Paris 05.07.1996, D. 1996, IR.228. Nicht erfasst werden jedoch Fehler, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen wurden; die hierdurch verursachten Vermögensabflüsse oder Verbindlichkeiten bleiben bei der Berechnung der bilanziellen Unterdeckung außer Betracht, vgl. Cass. com. 28.02.1995, RJDA 1995, Nr. 651. Die sachliche Bandbreite der relevanten Geschäftsführungsfehler reicht von der unterkapitalisierten Geschäftsaufnahme über ruinöse Unternehmenspolitik bis hin zur Insolvenzverschleppung. Vgl. näher Gibirila, Rn. 594. 574 Die praktische Bedeutung der action en comblement du passif ist vergleichsweise groß, vgl. die Zahlen bei Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1038).

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wortgleich dieselben Tatbestandsvoraussetzungen575, allerdings eine abweichende Rechtsfolge: Sie sah die Eröffnung eines Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens über das Privatvermögen des betroffenen Geschäftsführers vor.576 Nach neuem Recht kann nunmehr das Gericht nach eigenem Ermessen in einem laufenden Liquidationsverfahren beschließen, dass ein Geschäftsführer mit seinem Privatvermögen für einen Teil oder die Gesamtheit der Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen hat, wenn er durch Erfüllung einer der fünf Tatbestandsvarianten zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft beigetragen hat. Diese betreffen alle einen Missbrauch der juristischen Person bzw. ihres Vermögens durch den Geschäftsführer und reichen vom abus de biens sociaux über verschiedene Formen des Handelns im Eigeninteresse unter dem Deckmantel und zum Schaden der Gesellschaft bis zur böswilligen Vermögensschädigung. Damit weist die Norm in Voraussetzungen und Rechtsfolgen offensichtliche Parallelen zur Rechtsfigur des „veil piercing“ im anglo-amerikanischen Rechtskreis auf. Die Sanktionsfunktion steht nicht im Vordergrund, ist jedoch stärker ausgeprägt als bei der action en comblement du passif: Es handelt sich um eine gesetzlich angeordnete Durchgriffshaftung wegen Verursachung der Zahlungsunfähigkeit durch missbräuchliches Verhalten. Art. L. 652-1 C. com. ist in seinen Voraussetzungen enger, geht in seinen Rechtsfolgen mit der Anordnung einer unmittelbaren Außenhaftung für einzelne oder alle Gesellschaftsverbindlichkeiten577 aber über Art. L. 651-2 C. com. hinaus und sperrt deshalb dessen Anwendung, Art. L. 652-1 Abs. 2 C. com. Die vom Verurteilten gezahlten Beträge gehen nicht in die Insolvenzmasse ein, sondern werden unmittelbar zur Befriedigung der einzelnen Gläubiger gemäß dem Rang ihrer Sicherheiten verwendet, Art. L. 652-3 C. com. Neben den genannten zivilrechtlichen Haftungstatbeständen sieht das französische Handelsgesetzbuch auch verschiedene strafrechtliche Sanktionen für gläubiger- und gesellschaftsschädigendes Handeln der Geschäftsleiter vor. Im Kontext der vorliegenden Untersuchung relevant sind insbesondere Art. L. 241-3 Nr. 3, 4 575 Allerdings enthielt Art. L. 624-5 C. com. zwei zusätzliche Anwendungsfälle, die in der Neufassung gestrichen wurden. Beide betrafen Unregelmäßigkeiten in der Buchführung, die nunmehr nur noch gemäß Art. L. 654-2 Nr. 4, 5 i.V. m. Art. L. 654-3 C. com. strafrechtlich sanktioniert werden. Diese Reduzierung des Anwendungsbereichs lässt eine Rückbesinnung auf die Ursprünge der Vorschrift erkennen, die in der Durchgriffshaftung des Geschäftsführers wegen Missbrauchs der juristischen Person oder ihres Vermögens liegen und nicht in der Sanktionierung von Geschäftsführungsfehlern. Zu diesen Ursprüngen Höhn, S. 217 f. 576 Eingehend zum alten Recht Höhn, S. 216 ff. Die Eröffnung einer procédure collective über das Privatvermögen des Geschäftsführers sollte dabei selbstverständlich ebenfalls der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienen. Durch die Gesetzesänderung wurde also nicht die persönliche Einstandspflicht des Geschäftsführers neu eingeführt, sondern nur auf die Eröffnung einer procédure collective verzichtet. 577 Die Haftung ist also, anders als bei Art. L. 651-2 C. com., nicht auf den Betrag der Unterdeckung begrenzt, sondern erfasst potentiell alle Gesellschaftsschulden.

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C. com. und Art. L. 654-2 f. C. com. Erstere Vorschrift stellt, neben den bereits früher erwähnten Tatbestandsvarianten der betrügerischen Überbewertung von Sacheinlagen und der Ausschüttung fiktiver Dividenden, in ihren Nummern 3 und 4 die Täuschung der Gesellschafter über die Vermögenslage durch beschönigende, nicht wahrheitsgetreue Rechnungslegung bzw. den Missbrauch von Gegenständen aus dem Gesellschaftsvermögen zu eigenen Zwecken unter Strafe. Insbesondere die Nr. 4 dient hierbei nicht allein dem Schutz der Gesellschaft, sondern auch dem der Gläubiger vor Aushöhlung ihres Haftungsfonds. Die Artt. L. 654-2 f. C. com. definieren den Bankrott (banqueroute) als Straftat578 und setzen eine Strafe von fünf Jahren Haft sowie 75.000 Euro Geldstrafe fest. Zusätzlich können weitere Sanktionen wie ein befristetes Berufsverbot verhängt werden. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn eine procédure collective eröffnet wurde und der Geschäftsführer entweder (1) in der Absicht, die Eröffnung des Sanierungsverfahrens zu verhindern oder zu verzögern, bestimmte Maßnahmen getroffen hat, wenn er (2) missbräuchlich die Aktiva der Gesellschaft verringert oder (3) ihre Passiva vergrößert oder wenn (4, 5) seine Buchführung gegen gesetzliche Regelungen verstoßen hat. Auch hier stehen die Interessen der Gesellschaft im Vordergrund, allerdings kommt der Schutz des Gesellschaftsvermögens wiederum auch den Gläubigern zugute. bb) Gesellschafter Außer der bereits beschriebenen Haftung der Gesellschafter wegen einer Unterbewertung von Sacheinlagen gemäß Art. L. 223-9 Abs. 4 C. com. (Außenhaftung) und wegen Empfangs fiktiver Dividenden gemäß Art. L. 223-40 Abs. 1 i.V. m. Art. L. 232-17 C. com. (Innenhaftung) gibt es nur wenige gesetzliche Regelungen zu einer Haftung der Gesellschafter. Insbesondere trifft sie keine Ausfallhaftung wegen Unterkapitalisierung, die action en comblement du passif ist auf sie nicht anwendbar.579 Nur der Vollständigkeit halber sei hier erneut darauf 578 Dieser ist in Voraussetzungen und Strafmaß ähnlich ausgestaltet wie der deutsche Bankrott-Tatbestand des § 283 Abs.1 StGB. 579 Etwas anderes gilt selbstverständlich im praktisch häufigen Fall eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der dann allerdings aufgrund letzterer Funktion und eben nicht aufgrund seiner Gesellschafterstellung haftet. Außerdem ist zu bedenken, dass die action en comblement du passif auch auf faktische Geschäftsführer anwendbar ist, wobei dieser Begriff in Frankreich wesentlich weiter gefasst wird als nach deutschem Verständnis. So genügt bereits jede qualifizierte Einflussnahme auf die Geschäftsführung, ohne dass ein Auftreten nach außen erforderlich wäre. Die Gesellschafter als solche haften jedoch ausnahmsweise persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn diese bereits liquidiert und aufgelöst wurde und danach noch ein Gläubiger auftaucht. Der Kassationshof hat entschieden, dass in einem solchen Fall die ehemaligen Gesellschafter gesamtschuldnerisch für die Gesellschaftsschuld haften, allerdings für jeden einzelnen beschränkt auf den Betrag der am Ende der Liquidation jeweils an ihn ausgekehrten Aktiva der Gesellschaft. Insbesondere die

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hingewiesen, dass sie allerdings selbstverständlich ihre Einlageleistungen, sofern sie sie von der Gesellschaft trotz des Verbotes der Einlagenrückgewähr zurückerhalten haben, erneut an diese erbringen müssen. Diese Haftung der Gesellschafter ist auf den Betrag der zurückerhaltenen Einlage begrenzt.580 Ebenfalls im Zusammenhang mit nicht erbrachten Einlageleistungen kann aber auch die Schadensersatzhaftung gemäß Art. L. 223-10 C. com. eingreifen. Wie oben bereits erwähnt,581 trifft sie neben den ersten Geschäftsführern der SARL auch ihre Gründungsgesellschafter, wenn sie dafür verantwortlich sind, dass die Gesellschaft nichtig ist. Dies kann insbesondere bei Nichterbringung der Einlagen der Fall sein. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter kommt des Weiteren bei Verbindlichkeiten in Betracht, die vor der Eintragung der Gesellschaft in deren Namen eingegangen wurden. Parallel zu § 11 GmbHG ordnet Art. L. 210-6 C. com. an, dass die Gesellschaft erst mit ihrer Eintragung die Qualität einer juristischen Person erlangt und dass bis dahin diejenigen, die im Namen der Gesellschaft gehandelt haben, solidarisch und unbegrenzt für daraus entstehende Verpflichtungen haften. Anders als die Vorgesellschaft in Deutschland wird die société en formation jedoch nicht als rechtsfähige Gesellschaft sui generis angesehen, sondern es fehlt ihr an jeder Rechtsträgerqualität. Schulden der société en formation selbst kann es damit nicht geben582, dementsprechend gibt es auch kein der deutschen Verlustdeckungshaftung vergleichbares Rechtsinstitut.583 Vielmehr sind Schuldner der im Namen der in Gründung befindlichen Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten zunächst stets die Gründer selbst.584 Nur wenn die ordnungsgemäß eingetragene Gesellschaft diese Verpflichtungen später übernimmt, gelten sie als von Anfang an von der Gesellschaft selbst eingegangen, Art. L. 210-6 Abs. 2 C. com.585 In diesem Fall tritt die Gesellschaft mit einer bereits von AnAnordnung einer solidarischen an Stelle einer pro-rata-Haftung ist in der Literatur jedoch auf Unverständnis gestoßen. Vgl. Cass. com. 03.07.2001, Dr. sociétés 2001, Comm. 163, 16 f. m. Anm. Lucas („décision [. . .] mystérieuse“). 580 Vgl. Cass. com. 17.12.1979, Bull. Joly 1980, 176. 581 Siehe oben, § 5 I. 2. g) aa). Dort wurde auch bereits darauf hingewiesen, dass die Gründungsgesellschafter bei formellen Gründungsfehlern schadensersatzpflichtig sein können, Art. L. 210-8 C. com. 582 Vgl. Cass. civ. 21.11.2002, RJDA 2003, Nr. 260. 583 Vgl. allgemein zu Aktivitäten der société en formation Paillet, Rev. sociétés 1980, 419; Garaud, Bull. Joly 1992, 728; Plantamp, Rev. trim. dr. com. 1994, 1. 584 Aufgrund der ausdrücklichen Ausgestaltung als Handelndenhaftung sind selbstverständlich nur die Gründer verpflichtet, die an dem betreffenden Geschäft aktiv mitgewirkt haben. Vgl. Cass. com, 04.05.1981, D. 1982, 482 m. Anm. Daigre. 585 Gemäß dem décret vom 03.07.1978 kann diese Übernahme in dreierlei Weise geschehen: (1) In der Vorgründungsphase, also vor Unterschrift der Gesellschaftsstatuten eingegangene Verpflichtungen gehen automatisch mit der Eintragung auf die Gesellschaft über, wenn sie in einem Anhang zu den Statuten aufgeführt sind; die Unterschrift unter die Statuten stellt dann gleichzeitig die Ratifikation der Übernahme dar. (2) In der

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fang an durch diese Verbindlichkeiten belasteten Bilanz ins Leben, eine der deutschen Vorbelastungshaftung entsprechende Nachschusspflicht der Gesellschafter existiert nicht.586

II. Kritik aus dem Schrifttum 1. Allgemeine Systemkritik Auch in Frankreich wird zum Teil das stammkapitalbasierte Gläubigerschutzsystem als Ganzes kritisiert und für seine Abschaffung plädiert.587 Die Argumente zielen dabei naturgemäß in eine ähnliche Richtung wie in Deutschland. So wird häufig angeführt, das Stammkapital könne die Gläubiger nicht effektiv schützen, da es in den meisten Fällen – auch noch unter Geltung der alten Untergrenze von 7.500 Euro – viel zu niedrig sei, um den Finanzbedarf auch kleiner Unternehmen nur über einen kurzen Zeitraum zu decken.588 Dies ergebe sich Phase zwischen Unterzeichnung der Statuten und Eintragung der Gesellschaft eingegangene Verbindlichkeiten gehen ebenfalls automatisch über, wenn die Gründer den handelnden Gesellschafter spezifisch zum Abschluss des betreffenden Rechtsgeschäfts ermächtigt hatten. (3) Kommt eine automatische Übernahme nicht in Betracht, so bleibt noch die Möglichkeit einer expliziten Pauschalübernahme (sog. „reprise-balai“, wörtlich Kehrbesen-Übernahme). Diese kann nach der Eintragung jederzeit im Wege eines ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses für Verpflichtungen aus den beiden vorgenannten Stadien durchgeführt werden. Näher hierzu Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (12); Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1406. 586 Ebenso Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, 1070 (1073). 587 Guyon, JCP G 1982, I, Nr. 3067, spéc. Nr. 1, bezeichnet das Stammkapital als „institution qui paraît vieillotte et dépassée“. Ähnlich Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127, 135: „concept secondaire, vieilli [. . .]“. Couret/Le Nabasque, propos introductif, in: dies., S. IX, vergleichen das Stammkapital metaphorisch mit einem toten Stern, der zwar im Innern keinerlei Lebenszeichen mehr zeigt, aber nach außen immer noch leuchtet und damit der Praxis als beruhigender Bezugspunkt dient. Conac, in: Couret/Le Nabasque, S. 153; sowie Bissara, in: Couret/Le Nabasque, S. 217 (219), gehen weiter: Das Stammkapital sei – jedenfalls in seiner gläubigerschützenden Funktion – kein erodiertes, sondern ein von Anfang an verfehltes rechtliches Konzept, eine „Totgeburt“. Noch deutlicher die Polemik von Coudin, in: Couret/Le Nabasque, S. 31 (42): „L’attachement fétichiste du droit français à un concept impropre à assurer la protection des créanciers pourrait faire dire du capital ce que Keynes disait de l’or: c’est une relique barbare.“ Zurückhaltender Le Nabasque, in: Couret/Le Nabasque, S. 103 (124), der es zwar aufgrund des strukturellen Bedeutungsverlusts des Stammkapitals für unproblematisch möglich hält, dieses gänzlich abzuschaffen und zu ersetzen „par quelque chose d’un peu moins ,bête‘“. Angesichts der Tendenz der europäischen Harmonisierung geht er aber prognostisch eher von einer Beibehaltung des Stammkapitalsystems in Frankreich aus. Dieses System sei auch nicht prinzipiell schlechter als andere, zumal sich alle verschiedenen internationalen Regelungsmodelle, insbesondere die kontinentaleuropäischen einerseits und die angloamerikanischen andererseits, in ihren praktischen Ergebnissen mehr und mehr einander annäherten. 588 So wiesen im Februar 2003 – vor der Abschaffung des Mindestkapitals – von 140.000 in Paris eingetragenen SARL 72% ein Stammkapital von weniger als 8.000 Euro auf, also praktisch nicht mehr als das gesetzliche Minimum. 21% hatten

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nicht zuletzt daraus, dass die Unterkapitalisierung die Hauptursache für Unternehmensinsolvenzen in Frankreich ist.589 Zusätzlichen Auftrieb hat dieses Argument durch die Abschaffung des Mindestkapitals bei der SARL erhalten. So wird darauf verwiesen, dass das Stammkapital – wenn überhaupt – am besten bei KMU als Gläubigerschutzinstrument geeignet sei, da bei ihnen in der Regel geringere Verbindlichkeiten anfallen als bei Großunternehmen. Die Abschaffung des gesetzlichen Kapitalminimums gerade für die SARL, die als Gesellschaftsform auf die KMU zugeschnitten ist, komme deshalb dem mit gesetzgeberischer Autorität versehenen Eingeständnis gleich, dass das Konzept eines stammkapitalbasierten Gläubigerschutzes gescheitert ist.590 Die ihm vielfach zugesprochene Garantiefunktion als Haftungsfonds zugunsten der Gläubiger kann das Stammkapital aus Sicht der Kritiker aber unabhängig von der Geltung einer gesetzlichen Untergrenze nicht erfüllen.591 Es spiegele die real nicht garantierte dauerhafte Existenz einer Haftungsmasse für die Gläubiger und einer finanziellen Basis der Geschäftstätigkeit vor.592 Es entspreche aber nur für eine logische Sekunde, nämlich bei Eintragung der Gesellschaft, tatsächlich einer garantiert vorhandenen Vermögensmasse593, danach sei es als normales Beeine Stammkapitalziffer von zwischen 8.000 und 50.000 Euro, und weniger als 1% lag oberhalb von 500.000 Euro. Zahlen nach Hyest/Bocandé/Trégouët, Rapport Sénat Nr. 217 vom 19.03.2003. Vgl. dazu Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132); Simon, EBLR 2004, 1037 (1039). 589 Vgl. Cherchouly-Sicard, Anm. zu CA Rouen 20.10.1983, RJ com. 1985, 132 (140). 590 Vgl. Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (3 f.). In eine ähnliche Richtung Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (916). Laut Bissara, in: Couret/Le Nabasque, S. 217 (220), hat der Gesetzgeber mit Abschaffung des Mindestkapitals in der SARL dem Stammkapitalkonzept insgesamt den „coup de grâce“ versetzt. 591 Vgl. Couret, in: Couret/Le Nabasque, S. 85 (95); Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3 (6); Massart, Bull. Joly 2002, 1361; Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (925). A. A. aber Ouachem, S. 7 f. und S. 19: Das Stammkapital erfülle eine rein rechtliche Funktion, nämlich eine Beteiligung der Gesellschafter an den Verlusten der Gesellschaft sicherzustellen und damit zu einer angemessenen Risikoverteilung beizutragen. Trotz der Interdependenz von Rechts- und Wirtschaftswissenschaft, von Gesellschafts- und Unternehmensbegriff dürften deshalb nicht die Defizite des Stammkapitals im Hinblick auf ökonomische Kategorien wie Unternehmensfinanzierung oder Rechnungslegung als Argumente für seine Abschaffung angeführt werden. Vielmehr dürfe es als juristische Figur nur an seiner rechtlichen Funktion gemessen werden, die es nach wie vor erfülle. Das eigentliche Effektivitäts- und Glaubwürdigkeitsproblem des Stammkapitals rühre deshalb nicht daher, dass es nicht der modernen wirtschaftlichen Realität und dem Stand der Wirtschaftswissenschaft entspreche, sondern daher, dass der Gesetzgeber selbst – zu Unrecht – mehr und mehr von diesem Konzept Abstand nehme. 592 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1363): „leurre“; Reinhard, Vorwort zu Dana-Démaret, Le capital social (1989): „publicité mensongère“. 593 Vgl. Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3 (6). Damit ist natürlich nicht gemeint, dass bei Eintragung schon alle Einlageleistungen voll erbracht sein müssen. Jedenfalls verfügt die Gesellschaft aber zu diesem Zeitpunkt über die bereits geleisteten Vermögenswerte und im Übrigen über gesetzlich abgesicherte Ansprüche gegen ihre Gesellschafter zur Erbringung der noch offenen Einlagen.

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triebskapital594 nicht gegen Wertverlust oder Aufzehrung durch geschäftlichen Misserfolg geschützt.595 Dass die Kreditgeber in der Praxis den stammkapitalbasierten Gläubigerschutz als unzureichend empfinden, zeige sich auch an der gängigen Vertragspraxis, die zumindest von den Hauptgesellschaftern oder den Geschäftsführern in der Regel die Stellung zusätzlicher persönlicher Sicherheiten verlangt. Dadurch werde aber das Haftungsprivileg entwertet.596 Der Vorwurf zielt darauf ab, dass sich das strenge Kapitalschutzsystem auf diese Weise selbst seiner Rechtfertigung beraubt. Dies wiegt in den Augen der Kritiker umso schwerer, als ein so rigides System die unternehmerische Freiheit im Hinblick auf die Finanzierung der Geschäftstätigkeit stark einschränke und somit schädlich für die Entwicklung der Gesamtwirtschaft und des Arbeitsmarktes sei. Diese sei aber grundsätzlich ein höherrangiges Gut als der Gläubigerschutz.597

594 Zu den Funktionen des capital social aus ökonomischer und juristischer Sicht vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés, 915 f.: „Économiquement, le capital social est une source de financement utilisée non seulement pour démarrer, mais aussi tout au long de la vie sociale. Juridiquement, c’est une garantie tant pour la société que pour ses créanciers.“ 595 Vgl. Cherchouly-Sicard, Anm. zu CA Rouen 20.10.1983, RJ com. 1985, 132 (140): „Cette garantie qu’est le capital pour les créanciers est en fait bien légère pour ne pas dire illusoire car elle n’est nullement une protection contre la chute de l’actif.“ Hinzu kommt, dass manche Einlagegegenstände schon ihrer Natur nach nur zeitweise im Gesellschaftsvermögen verbleiben, wenn z. B. ein Nutzungs- oder Nießbrauchsrecht an einer Sache als Einlage geleistet wird. Die betreffende Sache wird dem Gesellschaftsvermögen nach Ablauf des Nutzungsrechtes wieder entzogen, während der Wert der Einlage dauerhaft in der Stammkapitalziffer enthalten bleibt. Vgl. dazu und insgesamt zur fortschreitenden Auflösung der konzeptionellen Verbindung von Stammkapital und Einlageleistungen Le Nabasque, in: Couret/Le Nabasque, S. 103 (110 ff.). Bei der Nutzungsüberlassung handelt es sich allerdings nicht um eine bloß temporäre Zuführung von Vermögenswerten, da der Wert des (zeitlich begrenzten) Nutzungsrechts, anders als die Sache selbst, dem Vermögen der Gesellschaft endgültig zugeführt wurde. Das Problem liegt vielmehr darin, dass bei solchen Einlagen von vornherein sicher ist, dass nach Ende der Laufzeit kein der Vollstreckung zugänglicher Vermögenswert mehr im Gesellschaftsvermögen verbleibt, der der Gesellschaft als Betriebskapital und den Gläubigern als Haftungsfonds dienen könnte. Dies ist bei Bar- und Sacheinlagen anders, die zwar durch Wertentwicklung oder wirtschaftlichen Misserfolg aufgezehrt werden können, aber nicht müssen. 596 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 951. Pointiert Merle, Rn. 175: „La pratique bancaire est venue, en fait, ruiner le principe de responsabilité limitée du gérant ou de l’associé principal.“ 597 Vgl. Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (4 f.), mit der – ironisch überspitzten – Anmerkung, dass deshalb die Hauptnutznießer eines zwingenden Kapitalschutzsystems nicht die Gläubiger, sondern Anwälte und Buchhalter seien, die dafür bezahlt werden, Strategien zur Umgehung der gesetzlichen Vorschriften zu entwickeln. Sie unterschlagen allerdings die Erkenntnis, dass ein ausreichendes Gläubigerschutzniveau zu den entscheidenden Voraussetzungen gehört, damit Kapitalgesellschaften im Wirtschaftsleben akzeptiert werden und ihre investitions- und wohlstandsfördernde Wirkung entfalten können. Gläubigerschutz und positive gesamtwirtschaftliche Effekte stehen deshalb nicht im Gegensatz zueinander, sondern bedingen sich in gewissem Maße sogar gegenseitig.

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Auch seine sonstigen Funktionen erfüllt das Stammkapital aus Sicht der Kritiker nicht mehr oder nur noch unzureichend.598 Die Nominalkapitalziffer besitze kaum Informationswert für potentielle Geschäftspartner, da sich aus ihr allenfalls ein historischer Rückschluss auf die finanzielle Ausgangssituation der Gesellschaft ziehen lasse.599 Sie sei somit kein verlässliches Solvenzindiz, da es ihr für die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unternehmens an jeder Aussagekraft fehle.600 Dafür sei das verfügbare Nettoaktivvermögen oder der Cash Flow die bessere Bezugsgröße, weshalb sich die Geschäftspartner der Gesellschaft in der Praxis regelmäßig nicht mit der obligatorischen Angabe der Stammkapitalziffer auf den Geschäftsbriefen begnügten, sondern die Vorlage aktueller Buchführungsdokumente oder eine Solvenzprüfung durch unabhängige Dritte601 verlangten.602 Die Bedeutung des Stammkapitals als Finanzierungsinstrument sei ebenfalls gering603, da angesichts anhaltend niedriger Fremdkapitalzinsen und einer fortschreitenden Diversifizierung der Finanzinstrumente genügend Alternativen zur Verfügung ständen, die preisgünstig und flexibel seien.604 Selbst die Funktion als Schlüssel zur Verteilung der Vermögens- und Verwaltungsrechte sei durch die zunehmende Flexibilisierung der statutarischen Ausgestaltung von Wahl- und Gewinnbezugsrechten einer fortschreitenden Erosion ausgesetzt.605 2. Kritik an der konkreten Ausgestaltung a) Mindestkapital Vor seiner Abschaffung wurde auch in Frankreich das gesetzliche Mindestkapital kritisiert, und dies mit ähnlichen Argumenten wie in Deutschland, die hier 598

Vgl. den Überblick bei Bissara, in: Couret/Le Nabasque, S. 217 (218 ff.). Vgl. Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (4 f.). Deutlich Le Nabasque, in: Couret/Le Nabasque, S. 103 (124): „[Pour les créanciers sociaux, le capital social] n’est qu’une ligne d’horizon, une ligne de sécurité, plus ou moins arbitraire, totalement historique [. . .].“ 600 Vgl. Massart, Bull. Joly 2002, 1361 (1363); Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (135). 601 Vgl. Simon, EBLR 2004, 1037 (1040), die auf drei verschiedene Spielarten einer solchen Solvenzprüfung verweist: (1) die Überprüfung des Geschäftsplanes durch externe Experten, (2) die Versicherung eines unabhängigen Prüfers, dass keine Bedrohung der dauerhaften Fortführung der Geschäftstätigkeit ersichtlich sei, und (3) eine Prüfung, dass die Gesellschaft im normalen Geschäftsgang in Zukunft in der Lage sein wird, ihre Schulden zu begleichen. 602 Vgl. Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (4 f.); Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 233; Massart, Bull. Joly 2002, 1361 (1363). 603 Vgl. Coudin, in: Couret/Le Nabasque, S. 31 (42): „L’importance excessive que le droit des sociétés français attache au capital social paraît démesurée par rapport à la place quantitative qu’il occupe au sein des capitaux propres.“ 604 Vgl. Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3 (7). 605 Vgl. Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3 (8 f.); Le Nabasque, in: Couret/Le Nabasque, S. 103. 599

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jedoch nicht im einzelnen wiederholt werden sollen, da sie durch die loi Dutreil obsolet geworden sind. Allerdings erscheint es angebracht, im Hinblick auf die später vorzunehmende Bewertung der untersuchten Regelungssysteme zumindest die groben Argumentationslinien nachzuzeichnen.606 Die aus Deutschland bekannte Kritik, der Betrag des Mindestkapitals sei zu hoch und behindere so in unnötiger Weise Unternehmensgründungen, spielte in der französischen Rechtsliteratur, soweit ersichtlich, keine nennenswerte Rolle. Daraus folgt, dass auch der Vorschlag, das gesetzliche Mindestkapital an sich beizubehalten, aber den Betrag zu verringern, so wie es der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des MoMiG ursprünglich geplant hatte607, nicht vorgebracht wurde.608 Das lässt sich unschwer damit erklären, dass das zwingende Minimum mit 7.500 Euro bereits vergleichsweise niedrig war609, zumal bei einer reinen Bargründung nur ein Fünftel, also 1.500 Euro, sofort aufgebracht werden musste. Näher lag die Kritik, das Mindestkapital von 7.500 Euro sei viel zu niedrig.610 Diese Kritik fand Gefolgschaft bis in die höheren Etagen der französischen Politik, namentlich in einem Bericht des Senators Marini an den Premierminister vom 13. Juli 1996 unter dem Titel „La modernisation du droit des sociétés“. Dort wurde kurz und bündig festgestellt, das damalige Mindestkapital von 50.000 FF sei „manifestement insuffisant“ und müsse deshalb auf 100.000 FF verdoppelt werden.611 Als Argument wurde neben dem Verweis auf die größtenteils höheren Mindestkapitalziffern in den Rechtsordnungen der anderen EU-Mitgliedstaaten besonders hervorgehoben, dass ein zu niedriges Stammkapital dazu führe, dass Kreditgeber verstärkt persönliche Sicherheiten der Geschäftsleiter einfordern und

606 Auf die Resonanz, die die Abschaffung des Mindestkapitals in Frankreich erfahren hat, soll erst weiter unten bei der näheren Betrachtung der Reform eingegangen werden, s. § 8 I. 2. 607 Siehe § 7 I. 1. a) aa). 608 Dass ein solcher Vorschlag jedoch nicht undenkbar gewesen wäre, lässt sich zum einen daraus schließen, dass vor der Reform gemäß Art. L. 223-2 Abs. 3 C. com. a. F. für Presseunternehmen in der Rechtsform der SARL ein noch niedrigeres (rein symbolisch erscheinendes) Mindestkapital von 300 Euro vorgesehen war. Zum anderen hat der französische Gesetzgeber selbst das Mindestkapital von 7.500 Euro als zu hohe Belastung jedenfalls für Unternehmensgründer angesehen, hielt er doch die Abschaffung dieser zwingenden Untergrenze ausweislich des offiziellen Titels der loi Dutreil vom 01.08.2003 offensichtlich für ein Mittel, die „initiative économique“ zu fördern. Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés, 915. Letztlich fiel die Entscheidung aber gegen eine bloße Absenkung und für eine gänzliche Abschaffung des Mindestkapitals. 609 Im europäischen Vergleich lag es im unteren Bereich, zum Vergleich etwa Belgien (SPRL): 18.550 Euro; Italien (SRL): 10.000 Euro. Noch niedriger liegt das Mindestkapital hingegen in Spanien: 3005,06 Euro, vgl. näher unten, § 6 I. 2. b). 610 Vgl. nur Legrand, Anm. zu CA Rouen 20.10.1983, Rev. sociétés 1984, 764 (771). 611 Vgl. Marini, S. 24. Viele Reformvorschläge dieses Berichtes sind später Gesetz geworden, wie z. B. die Aufhebung der Pflicht zur vollen Leistung aller Bareinlagen vor der Eintragung.

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damit die Vorteile der Haftungsbeschränkung zunichte machen.612 Der Gesetzgeber ist dieser Argumentation seinerzeit bekanntermaßen nicht gefolgt und beließ es bei der ursprünglichen Untergrenze. Er griff sie jedoch später – allerdings mit umgekehrter Schlussfolgerung – in der Begründung für die Abschaffung des Mindestkapitals auf: Die gesetzlich erzwungene Aufbringung von 7.500 Euro (bzw. bei Gründung nur 1.500 Euro) sei keine nennenswerte Garantie für die Gläubiger und deshalb gänzlich verzichtbar, zumal sich jede gesetzliche Festlegung eines Kapitalminimums dem berechtigten Vorwurf der Willkür ausgesetzt sehe.613 b) Auflösung der Gesellschaft aufgrund von Verlusten Im Übrigen findet die französische Doktrin an der konkreten Ausgestaltung der Finanzverfassung der SARL vergleichsweise wenig auszusetzen.614 Erwähnenswert erscheint allenfalls noch ein Kritikpunkt im Zusammenhang mit Art. L. 223-42 Abs. 1 C. com.615 Die Vorschrift schreibt, um die Ausstattung der Gesellschaft mit einem Mindestmaß an Vermögensmasse zu gewährleisten, einen Gesellschafterbeschluss über die Fortführung oder Auflösung der Gesellschaft vor, wenn die verfügbaren Aktiva betragsmäßig unter die Hälfte des Nominalkapitals gesunken sind. Hierfür ist den Gesellschaftern eine Frist von vier Monaten eingeräumt. Beschließen sie die Fortführung der Gesellschaft, hat diese noch einmal zwei Geschäftsjahre Zeit, um ihr Kapital entsprechend den Verlusten zu reduzieren. Während dieser langen Zeitspanne verlassen sich die Gläubiger aber immer noch auf das erhöhte Stammkapital als Garantiesumme, obwohl längst nicht mehr genügend Aktiva zu dessen Deckung vorhanden sind. Darin wird teilweise eine unbillige Bevorzugung der Gesellschafterinteressen zu Lasten der Gläubiger und eine Irreführung der letzteren gesehen und dementsprechend eine Verkürzung der Frist gefordert.616

612

In die gleiche Richtung Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (13). Vgl. Rép. min. PME Nr. 15641, Bull. Joly Sociétés 2003, 962, § 203. In die gleiche Richtung Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). Eine Zusammenfassung der Kritikpunkte, die den Gesetzgeber im Rahmen der Reform von 2003 zur Abschaffung des Mindestkapitals bewogen haben, findet sich in der entsprechenden Gesetzesbegründung. Näher dazu unten, § 8 I. 1. 614 Kritisiert werden allerdings immer wieder die zu komplizierten und langwierigen Gründungsformalitäten, was den Gesetzgeber auch in jüngster Vergangenheit über die loi Dutreil hinaus zu weiteren Reformen in diesem Bereich veranlasst hat. Diese sind jedoch für das hier untersuchte Thema ohne Belang. 615 Vgl. dazu Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (13); Massart, Bull. Joly 2002, 1361 (1363). 616 Vgl. Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (13). Ansatzweise auch Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3 (6); Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (925). 613

§ 6 Finanzverfassung der spanischen S.L.

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§ 6 Finanzverfassung der spanischen S.L. I. Geltendes Recht Die spanische sociedad limitada (S.L.), auch sociedad de responsabilidad limitada (S.R.L.) genannt, folgt, wie die beiden bereits beschriebenen Gesellschaftsformen GmbH und SARL, in ihrer Finanzverfassung dem kontinentaleuropäischen Modell des festen Stammkapitals. Bevor auf die heute geltenden diesbezüglichen Regelungen eingegangen wird (2.), soll jedoch zunächst ein kurzer Blick auf die Historie und die Rechtsgrundlagen dieser Gesellschaftsform geworfen werden (1.). 1. Historische Entwicklung, Rechtsquellen Die spanische S.L. erscheint im europäischen Vergleich als Spätgeburt. Während bis zum Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts die wichtigsten kontinentaleuropäischen Volkswirtschaften dem deutschen Beispiel durch Einführung einer der GmbH vergleichbaren Rechtsform gefolgt waren617, ließ sich der spanische Gesetzgeber damit bis 1953 Zeit. Trotz des Fehlens spezifischer gesetzlicher Regelungen trat die sociedad de responsabilidad limitada jedoch schon viel früher tatsächlich im spanischen Wirtschaftsleben in Erscheinung. Das spanische Handelsgesetzbuch (Código de Comercio, CCom) von 1885618 kannte zwar nur drei Typen von Handelsgesellschaften, nämlich die „sociedad colectiva“ (vergleichbar mit der deutschen oHG), die „sociedad comanditaria“ (Kommanditgesellschaft) und die „sociedad anónima“ (Aktiengesellschaft). Allerdings stellte es keinen abschließenden numerus clausus der Gesellschaftsformen auf, sondern nur eine Art Modellregelung, die Raum für individuelle statutarische Gestaltungen ließ.619 Dadurch konnten sich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anerkennung bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Spanien Gesellschaften im Bereich zwischen Personen- und Aktiengesellschaften konstituieren, die von ersteren die personalistische Struktur, von letzteren die beschränkte Haftung der Gesellschafter übernahmen.620 Der Bedarf nach einer solchen „Zwischenform“ resultierte, wie 617

Vgl. dazu oben, 2. Teil Fn. 410. In Kraft bis 1989. 619 Vgl. Art. 122 CCom 1885, der bestimmte: „[P]or regla general, las compañías mercantiles se constituirán adoptando algunas de las siguientes formas [scil. colectiva, comanditaria, anónima] [Hervorhebung durch den Verf.] [. . .].“ Wegen dieser offenen, flexiblen Bestimmung, die neben den drei ausdrücklich anerkannten Gesellschaftstypen weitere zuließ, wurde in den dem Erlass des Handelsgesetzbuches von 1885 vorangehenden Debatten der Vorschlag, eine „sociedad colectiva de responsabilidad limitada“ einzuführen, als unnötig verworfen. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 38 f.; Lora-Tamayo, S. 2. 620 Vgl. Ávila, Bd. I, S. 5. 618

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in anderen Ländern auch, aus dem Wunsch der Unternehmer nach einer Rechtsform, die einen Ausschluss der persönlichen Haftung mit einem weniger rigiden Regelungsregime als dem der Aktiengesellschaft kombinierte.621 Eine eigenständige offizielle Bezeichnung für diese Gesellschaften existierte nicht, vielmehr firmierten sie stets als eines der drei explizit anerkannten Modelle.622 Im Jahre 1913 legte der damalige Justizminister Roig y Bergadá einen Gesetzesentwurf vor, der dem unkontrollierten Wildwuchs623 ein Ende bereiten und der S.L. eine feste gesetzliche Grundlage geben sollte.624 Die Verabschiedung scheiterte jedoch aufgrund eines Regierungswechsels.625 Erst 1919 erfolgte eine Anerkennung der S.L. durch den Gesetzgeber, und dies auch nur indirekt: Art. 108 des Reglamento del Registro Mercantíl (R.R.M.) vom 20. September 1919 setzte sie als zulässige Rechtsform voraus, indem er vorsah, dass solche Gesellschaften, die sich durch eine Haftungsbeschränkung der Gesellschafter unter gleichzeitigem Ausschluss der freien Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile auszeichneten, mit dem Zusatz „sociedad limitada“ oder „sociedad de responsabilidad limitada“ oder einer ähnlichen, die Haftungsbeschränkung kenntlich machenden Bezeichnung in das Handelsregister einzutragen waren, unabhängig davon, welche der drei anerkannten Rechtsformbezeichnungen in den Statuten verwendet wurde.626 Angesichts der anhaltenden Untätigkeit des Gesetzgebers oblag es der rechtswissenschaftlichen Literatur, der Praxis von Notaren und Registerstellen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ein Konzept der S.L. auszuarbeiten, um die vielfältigen Gestaltungsansätze der individuell von Gesellschaftsgründern mit verschiedensten Ideen und Zielsetzungen ausgearbeiteten Statuten in geordnete Bahnen zu lenken. Nicht zuletzt mit Hilfe der Rezeption des ausländischen Rechts bildeten sich so gewisse Grundsätze heraus, wie z. B. die Trennung des Gesellschafts- vom Privatvermögen der Gesellschafter, Regeln für die Kapitalaufbringung und die Nichtverkehrsfähigkeit der Gesellschaftsanteile.627 621

Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 37. Vgl. Mora/Mora, S. 19. 623 Bercovitz/Bercovitz, S. 39, spricht von „una libertad casi anárquica“. 624 In diesem Entwurf war die S.L., anders als in dem oben, 2. Teil Fn. 619, angeführten Vorschlag, nicht als Personengesellschaft mit beschränkter Haftung, sondern umgekehrt als personalistische Aktiengesellschaft konzipiert. Vgl. Lora-Tamayo, S. 2. 625 Bercovitz/Bercovitz, S. 39, merkt an, dass eine spezifische Regelung der S.L. auch zu diesem Zeitpunkt nach wie vor weithin für unnötig gehalten wurde, da die allesamt abdingbaren Rahmenregelungen des Código de Comercio aufgrund ihrer Flexibilität genügend Raum für diese Gesellschaftsform ließen. Erst die Neuregelung der S.A. durch zwingende Normen im Jahre 1951 habe deshalb eine eigene gesetzliche Grundlage für die S.L. notwendig werden lassen. 626 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 39. 1943 erfolgte eine Erweiterung dieser indirekten gesetzlichen Anerkennung dergestalt, dass die Gründungsdokumente der S.L. bestimmten Publizitätsvorschriften unterworfen wurden, vgl. Mora/Mora, S. 19. 627 Vgl. Mora/Mora, S. 19. 622

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Erst Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts lenkte der spanische Gesetzgeber seine Aufmerksamkeit verstärkt auf das Recht der Kapitalgesellschaften: Art. 4 des Gesetzes über die Aktiengesellschaften von 1951 (LSA 1951)628 schrieb vor, dass Gesellschaften, die in irgendeiner Weise eine Haftungsbeschränkung für die Gesellschafter vorsahen und ein Kapital von mehr als fünf Mio. Peseten hatten, die Rechtsform der Aktiengesellschaft (S.A.) annehmen mussten. Der Anwendungsbereich der S.L. wurde demnach auf geringer kapitalisierte Gesellschaften beschränkt.629 Durch das Gesetz vom 17. Juli 1953630 (LSL bzw. LSRL) wurde schließlich auch die S.L. Gegenstand einer umfassenden, spezifischen gesetzlichen Regelung und damit erstmals legislativ als eigenständige Gesellschaftsform etabliert. Insgesamt brachten die gesetzlichen Regelungen keine wesentlichen Neuerungen gegenüber dem, was in der praktischen Handhabung der S.L. bereits üblich war. Sie folgten auch weitgehend den bekannten ausländischen Vorbildern, mit Abweichungen im Einzelnen.631 Im Großen und Ganzen blieb die LSL 1953 fast vierzig Jahre lang unverändert, und dies, obwohl der S.L. nicht der gleiche durchschlagende Erfolg wie vergleichbaren Rechtsformen in anderen europäischen Ländern beschieden war. Spanische Unternehmen bedienten sich vielmehr nur in begrenztem Maße dieses Gesellschaftstyps632, selbst kleine und mittlere Unternehmen konstituierten sich vornehmlich als S.A.633 In Praxis und Rechtswissenschaft mehrten sich deshalb

628 Ley sobre régimen jurídico de Sociedades Anónimas vom 17.07.1951, RCL 1951, 811 und 945. 629 Die Obergrenze von fünf Mio. Peseten für das Stammkapital der S.L. wurde in Art. 3 LSL 1953 übernommen. Hieraus wie auch aus der Begrenzung der Anzahl der Gesellschafter auf höchstens fünfzig gemäß Art. 1 LSL 1953 lässt sich der Zuschnitt dieser Gesellschaftsform auf kleinere Unternehmen erkennen. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 40 f. Durch die Ley 84/1968 vom 05.12.1968, RCL 1968, 2128, wurde das Höchstkapital auf 50 Mio. Peseten angehoben, bevor es 1989 gänzlich abgeschafft wurde, vgl. unten, § 5 I. 2. b). 630 Ley sobre régimen jurídico de las Sociedades de Responsabilidad Limitada vom 17.07.1953, BOE vom 18.07.1953, 4319. 631 Vgl. für eine knappe Übersicht über die Regelungen der LSL 1953 Bercovitz/Bercovitz, S. 39 ff.; Mora/Mora, S. 20 ff. 632 Vgl. die Zahlen bei Bercovitz/Bercovitz, S. 42 f., nach denen in den Jahren 1979 bis 1981 jeweils im Jahresvergleich mehr als zwei- bis fast dreimal so viele S.A. gegründet wurden wie S.L., wobei die gesamte Kapitalisierung der neu gegründeten S.A. teilweise sogar mehr als das zehnfache derer der S.L.-Neugründungen betrug. Noch im Jahr 1988, ein Jahr vor der Reform von 1989, wurden 45.759 S.A. mit einem Gesamtkapital von knapp 491 Mrd. Peseten gegründet, wohingegen die entsprechenden Zahlen für die S.L. sich nur auf 24.322 bzw. rund 48 Mrd. Peseten beliefen. Zahlenmaterial zur S.L. findet sich im deutschen Schrifttum etwa bei Lindner, ZfRV 2004, 204 (204 f.). 633 Michalski/Leible (1. Aufl.), Syst. Darst. 2 Rn. 174, führt dies unter anderem auf das Mindestkapital der S.L. zurück, was im Verhältnis zu S.A. ein Attraktivitätsnachteil gewesen sei, da für letztere bis 1989 kein solches vorgesehen war. Hierbei verkennt er

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die Stimmen, die die LSL 1953 für unzureichend, mangelhaft und demzufolge dringend reformbedürftig hielten.634 Eine erste, wenn auch sehr begrenzte Modernisierung wurde im Jahre 1989 vorgenommen.635 Sie brachte insbesondere die Abschaffung des Maximalkapitals und die Einführung des noch heute gültigen Mindestkapitals mit sich.636 Gestrichen wurde zudem der Verweis in Art. 3 Abs. 2 LSL 1953 auf den Código de Comercio als subsidiär anwendbares Recht637, so dass das Recht der S.L. nunmehr vollends als eigenständige Rechtsmaterie etabliert war. Die Maßnahmen der Ley 19/1989 wurden jedoch allgemein für nicht ausreichend gehalten, um die Unzulänglichkeiten der LSL 1953 wirksam zu beheben.638 Sie hatten umgekehrt sogar noch zu einer Verschärfung des Reformdruckes geführt, da das Gesetz durch die Neueinführung eines Mindestkapitals von zehn Mio. Peseten für die Aktiengesellschaft639 viele kleinere Unternehmen zu einer Umwandlung von einer S.A. in eine S.L. zwang, ohne letztere mit einem angemessen modernen und verlässlichen Regelungsregime auszustatten.640 Der Gesetzgeber sah sich deshalb zu einer grundlegenden Überarbeitung der LSL veranlasst, die 1995 im Erlass eines neuen, das Recht der S.L. vollständig und

jedoch, dass auch für die S.L. erst 1989 ein Mindestkapital eingeführt wurde, vgl. unten § 5 I. 2. b). Der Grund für die geringe Beliebtheit der S.L. war vielmehr ein generelles Misstrauen dieser Rechtsform gegenüber, das insbesondere von der Rechtsunsicherheit aufgrund des Fehlens jeglicher spezifischen gesetzlichen Regelung bis 1953 herrührte, die durch die LSL 1953 mit ihren zahlreichen Regelungslücken und Unklarheiten bzgl. des subsidiär anwendbaren Rechts kaum beseitigt wurde. Die LSA 1951 bot demgegenüber einen vollständigen, verlässlichen Regelungskanon, der zudem flexibel genug war, um auch an die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen angepasst werden zu können. Ein weiterer Grund war, dass der S.A. in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft weitaus größere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so dass die S.L. als untergeordneter, unbedeutender Gesellschaftstyp wahrgenommen wurde. Vgl. ausführlich dazu Bercovitz/Bercovitz, S. 43 f. 634 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 48; Bolás, Art. 1 LSL, S. 36; Mora/Mora, S. 25; ebenso der Gesetzgeber selbst in Ley 2/1995, Exposición de Motivos I.1. 635 Ley 19/1989 vom 25.07.1989, RCL 1989, 1660, die übergreifend das Recht der Handelsgesellschaften reformierte. Vgl. Ávila, Bd. I, S. 6; Bercovitz/Bercovitz, S. 46 ff.; Mora/Mora, S. 25 f. 636 Vgl. näher unten, § 5 I. 2. b). 637 Dieser Verweis hatte zu gewissen Unklarheiten geführt, da die LSL 1953 dadurch ausdrücklich für nicht abschließend erklärt wurde, sich aber in weiten Teilen eng an die LSA 1951 anlehnte. Deshalb stellte sich die Frage, inwieweit die zahlreichen Regelungslücken der LSL 1953 auch durch entsprechende Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften geschlossen werden dürften, anstatt auf den Código de Comercio zu rekurrieren. Vgl. dazu näher Bercovitz/Bercovitz, S. 44 m.w. N. sowie S. 48. 638 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 48; Bolás, Art. 1 LSL, S. 38; Mora/Mora, S. 25. Dies erkannte auch der Gesetzgeber, vgl. Ley 2/1995, Exposición de Motivos I.2. 639 Art. 4 Ley 19/1989, der Art. 4 LSA 1951 entsprechend modifizierte. 640 Vgl. Ley 2/1995, Exposición de Motivos I.1; Mora/Mora, S. 25.

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abschließend641 regelnden Gesetzes (LSL 1995)642 mündete, das die LSL 1953 ersetzte und die heutige Rechtsgrundlage der S.L. darstellt.643 Der spanische Gesetzgeber hatte sich, ähnlich wie der französische und anders als der deutsche, bereits 1953 dafür entschieden, in Art. 1 LSL das Konzept der S.L. abstrakt zu umreißen. Dies wurde in der LSL 1995 beibehalten, allerdings unter Straffung der Formulierung. Gemäß Art. 1 LSL 1995 hat die S.L. ein (Stamm-)Kapital, das in Gesellschaftsanteile (participaciones sociales) aufgeteilt ist und durch die Einlagen (aportaciones) aller Gesellschafter gedeckt wird, wobei die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden ausgeschlossen ist.644 Die herausgehobene Funktion des Stammkapitals wird schon an dieser Stelle deutlich und wird abgesichert durch insbesondere den Gläubigerschutz in den Blick nehmende Kapitalschutzvorschriften. Insgesamt beruhte die Reform von 1995 auf drei Leitideen, die zusammen die heutige Grundkonzeption der S.L. ausmachen: (1) Die S.L. ist eine Art hybrider Rechtsform, die Elemente einer Personen- wie auch einer Kapitalgesellschaft in 641

Vgl. Ávila, Bd. I, S. 7; Bercovitz/Bercovitz, S. 56. Ley 2/1995 de Sociedades de Responsabilidad Limitada vom 23.03.1995, BOE vom 24.03.1995, 2690. Auch wenn die Reform der S.L. den Schwerpunkt dieses Gesetzes bildete, wurden zusätzlich wichtige Neuerungen in anderen gesellschaftsrechtlichen Bereichen vorgenommen. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 49 ff. für eine umfassende Darstellung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes; sowie Ávila, Bd. I, S. 7; Mora/Mora, S. 27 f. für einen kurzen Überblick. Letztere weisen auf die stärkere Akzentuierung des Schutzes der Gesellschafterinteressen hin, insbesondere die erstmalige Anerkennung der Notwendigkeit eines Minderheitenschutzes. Außerdem wurde 1995, unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts, erstmals die Einpersonen-Kapitalgesellschaft generell für zulässig erklärt. 643 Mit Real Decreto Legislativo 1/2010 vom 02.07.2010, BOE vom 03.07.2010, Sec. I, S. 58472, wurden u. a. die Regelungen der LSL und der LSA – ohne wesentliche inhaltliche Änderungen – in der neuen Ley de Sociedades de Capital zusammengeführt. Im Folgenden wird zum besseren Verständnis weiterhin auf die früheren Normen der LSL Bezug genommen, da die unten im 3. Teil zu beschreibenden Reformen und auch die hierzu zitierte Literatur und Rechtsprechung an diese anknüpften. 644 Vgl. Mora/Mora, S. 21, die darauf verweisen, dass diese absolute Formulierung bzgl. des Haftungsausschlusses, die auch noch in der heutigen Fassung der LSL enthalten ist, jegliche Form von persönlicher Haftung über die Einlagen hinaus grundsätzlich ausschließt, auch eine in ihrer Höhe anderweitig begrenzte oder eine bloß subsidiäre Haftung. Die völlige Haftungsfreistellung der Gesellschafter hat damit den Status eines grundlegenden, unverzichtbaren Elements der S.L. Ähnlich Bercovitz/Bercovitz, S. 40, dem zufolge die gesetzliche Definition jedoch unvollständig ist. Auf S. 70 schlägt er deshalb eine umfassendere Definition vor, die als Wesensmerkmale der S.L. folgende aufzählt: Geschlossene Handelsgesellschaft ohne Zugang zum Kapitalmarkt, mit je nach statutarischer Ausgestaltung stärker oder schwächer ausgeprägtem personalistischem Charakter im Innenverhältnis, mit einem durch die Einlagen der Gesellschafter vollständig gedeckten Stammkapital, das in Geschäftsanteile aufgeteilt ist, die unteilbar und akkumulierbar sind, nicht notwendigerweise den gleichen Nominalwert haben müssen und nicht verkehrsfähig sind, wobei die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft ausgeschlossen ist. 642

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sich vereint645; (2) sie weist grundsätzlich eine geschlossene Struktur auf, weswegen die Übertragbarkeit der Geschäftsanteile stark eingeschränkt ist und der Schwerpunkt ihrer Finanzierung auf Eigenkapital gelegt wird646; (3) ihr Regelungsregime zeichnet sich im Vergleich zur S.A. durch eine hohe Flexibilität aus.647 In der Folge dieser umfassenden Modernisierung ihres Regelungsregimes setzte sich die S.L. endgültig in der spanischen Unternehmenslandschaft durch.648 Nur acht Jahre später folgte im Jahre 2003 eine weitere bedeutende Reform. Inspiriert durch die vielfältigen Initiativen auf europäischer Ebene zur Förderung von Unternehmen im allgemeinen und KMU im besonderen wurde die LSL 1995 modifiziert, um sie noch stärker an die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen anzupassen.649 Ebenfalls 2003 wurde außerdem das Insolvenzrecht durch Einführung eines neuen Konkursgesetzes grundlegend reformiert.650

645 Wobei ihr kapitalistischer Charakter eindeutig überwiegt, vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 40; Mora/Mora, S. 35. 646 Konsequenterweise verbietet Art. 9 LSL 1995, dass die S.L. Obligationen oder andere verkehrsfähige Wertpapiere ausgibt. Dies war ihr zuvor nach dem Gesetz vom 14.12.1964 erlaubt. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 67. 647 Vgl. Ley 2/1995, Exposición de Motivos II; sowie Ávila, Bd. I, S. 7; Mora/Mora, S. 27 f. 648 Vgl. die Zahlen der Statistik des Registro Mercantíl Central in Madrid, zitiert nach Bercovitz/Bercovitz, S. 43, 45. Seit Anfang der 1990er Jahre ist ein sprunghafter Anstieg der S.L.-Neugründungen zu verzeichnen. Diese betrugen noch im Jahr 1988, ein Jahr vor der Reform von 1989, 24.322, im Vergleich zu 45.759 neu gegründeten S.A. Bereits im Jahr 1990 hatte sich das Bild umgekehrt, das Verhältnis der Neugründungen betrug nun 41.746 S.L. zu 10.563 S.A. In den Folgejahren wuchs der Vorsprung der S.L. rasant an, so dass im Jahr 1995 das Verhältnis bei 102.363 S.L.- zu 3.653 S.A.Neugründungen lag, ähnlich wie im Jahr 2000 mit 105.057 zu 4.881, und noch deutlicher im Jahr 2002 mit 113.849 S.L. zu 780 sonstigen Gesellschaften aller übrigen Typen. Inzwischen entfallen durchschnittlich 98% aller Gesellschaftsgründungen in Spanien auf die S.L. Ähnlich fällt der Vergleich der jeweiligen Gesamtsumme des Stammkapitals der Neugründungen aus: Im Jahr 1988 betrug dieses Verhältnis rund 48 Mrd. Peseten (S.L.) zu 491 Mrd. Peseten (S.A.), 1990 nur noch fast 132 Mrd. zu knapp 324 Mrd. und 1993 sogar bereits 318 Mrd. zu 230 Mrd. Im Zeitraum zwischen den Reformen von 1989 und 1995 war der Zuwachs an neu gegründeten S.L. jedoch zu einem beträchtlichen Anteil dadurch bedingt, dass viele kleinere Unternehmen durch das für die S.A. neu eingeführte Mindestkapital gezwungen wurden, sich in eine S.L. umzuwandeln. Erst die LSL 1995 schaffte als flexible und gleichzeitig durch ihren abschließenden Charakter Rechtssicherheit vermittelnde Regelung die Voraussetzungen für eine wirkliche Akzeptanz der S.L. 649 Vgl. dazu ausführlich unten, § 9 I. 1. 650 Dazu näher unten, § 6 I. 2. f).

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2. Inhalt der gesetzlichen Regelung a) Grundsätzliche Funktion des Stammkapitals Die Finanzverfassung der S.L. basiert auf dem kontinentaleuropäischen Modell, in dem das Stammkapital eine zentrale Rolle spielt.651 Dies wird schon daraus deutlich, dass es in Art. 1 LSL 1995 als eines der Wesensmerkmale der S.L. aufgezählt wird. Seine Funktionen sind die gleichen wie in den zuvor beschriebenen Rechtsordnungen, weshalb an dieser Stelle keine eingehende Darstellung mehr vonnöten ist.652 Es dient, wie in allen stammkapitalbasierten Systemen, zunächst dazu, den anfänglichen Vermögenseinsatz der Gesellschafter sicherzustellen; sie müssen die Gesellschaft mit einem Minimum an eigenem Anfangsvermögen ausstatten, um die Beschränkung der Haftung für Gesellschaftsschulden auf das Vermögen der Gesellschaft zu rechtfertigen653 und ein Mindestmaß an Gläubigerschutz zu gewährleisten. Gleichzeitig soll das Stammkapital auch dauerhaft garantieren, dass ein entsprechender Grundstock an Vermögenswerten nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden darf.654 Insbesondere die Gläubigerschutzfunktion hat den spanischen Gesetzgeber dazu bewogen, trotz des rechtspolitischen Ziels eines möglichst flexiblen legislativen Korsetts für die S.L. ein restriktives Kapitalschutzregime zu schaffen.655 Dieses folgt im Wesentlichen den gleichen Leitprinzipien wie in anderen ver651 Für eine knappe Übersicht über das Regime der S.L. unter Berücksichtigung der Reform von 2003 im deutschen Schrifttum vgl. Bascopé/Hering, GmbHR 2005, 609; Funke Gavilá, GmbHR Sonderheft 09/2006, 59; Sánchez Weickgenannt, GmbHR 2003, 760. 652 Näher Bercovitz/Bercovitz, S. 80 ff.; sowie zur insoweit nicht abweichenden Rechtslage vor Erlass der LSL 1995 Bolás, Art. 3 LSL, S. 64 ff.; kurz auch Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (680 f.), der eine organisatorische (Verteilungsschlüssel für die internen Rechte der Gesellschafter), eine ökonomisch-produktive (Aufbringung von Betriebskapital) und eine Garantiefunktion (Erhaltung einer Haftungsmasse zugunsten der Gläubiger) unterscheidet. 653 Bercovitz/Bercovitz, S. 79, bezeichnet Kapitalschutz und Haftungsprivileg als untrennbare Prinzipien: „[. . .] la regulación del capital social se vincula indisolublemente a la falta de responsabilidad de los socios por las deudas sociales [. . .].“ 654 Die Funktion des Stammkapitals als Verteilungsschlüssel für Vermögens- und Verwaltungsrechte in der S.L. steht seit der Reform von 1995 vollständig zur Disposition der Gesellschafter. Die LSL 1995 schreibt, anders als Art. 1 Abs. 1 LSL 1953, nicht mehr vor, dass die Geschäftsanteile alle den gleichen Nennwert aufweisen müssen. Und Art. 5 Abs. 1 S. 2 LSL 1995 ordnet zwar als Grundsatz an, dass die Geschäftsanteile allen Gesellschaftern die gleichen Rechte verleihen, außer in den ausdrücklich im Gesetz vorgesehenen Ausnahmefällen. Diese „Ausnahmefälle“ betreffen aber gerade die grundlegendsten Rechte der Gesellschafter, nämlich das Stimmrecht (Art. 53 Abs. 4 LSL), das Gewinnbezugsrecht (Art. 85 LSL) und den Anteil am Liquidationserlös (Art. 119 Abs. 1 LSL). Die Verteilung dieser Rechte kann in den Statuten an andere Kriterien als den Anteil am Stammkapital angeknüpft werden. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 88. 655 Vgl. Ley 2/1995, Exposición de Motivos II.3.

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gleichbaren Rechtsordnungen. Die spanische Literatur656 unterscheidet insoweit: (1) den Bestimmtheitsgrundsatz (principio de determinación), der besagt, dass die Stammkapitalziffer zwingend in den Statuten anzugeben ist (Art. 13 lit. e) LSL), andernfalls ist die Gesellschaft nichtig (Art. 16 Abs. 1 lit. e) LSL); (2) das Prinzip der Mindestkorrespondenz (principio de la correspondencia mínima), d. h. alle Geschäftsanteile müssen übernommen sein (Prinzip der notwendigen Vollübernahme) und die entsprechenden Einlagen müssen in werthaltiger Weise erbracht sein (Grundsatz der realen Kapitalaufbringung), damit das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft im Gründungszeitpunkt zumindest die Stammkapitalziffer vollständig abdeckt; (3) den Grundsatz der Kapitalerhaltung (principio de conservación del capital), dem zufolge Veränderungen der Stammkapitalziffer und Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen restriktiven Regeln unterliegen, um die Mindestkorrespondenz während der Lebensdauer der Gesellschaft bestmöglich zu erhalten. Die folgende Beschreibung der geltenden Regelungen orientiert sich wiederum an dem in Deutschland üblichen Aufbau, um den Vergleich der Systeme zu erleichtern. b) Mindestkapital Seit der Einführung des Mindestkapitals für S.A. und S.L. wird auch dieses verbreitet zu den Grundprinzipien des Stammkapitals gezählt.657 Art. 3 Abs. 1 LSL 1953 sah ursprünglich lediglich vor, dass das Stammkapital einer S.L. fünf Mio. Peseten nicht überschreiten dürfe.658 Abgesehen von dieser Obergrenze enthielt das Gesetz keinerlei Vorgaben bezüglich der Höhe des Stammkapitals, ein zwingendes Minimum existierte nicht. Dies führte dazu, dass in Spanien das Phänomen völlig unterkapitalisierter Kapitalgesellschaften besonders verbreitet war, was im Schrifttum den Ruf nach einem legislativen Eingreifen immer lauter werden ließ.659 Jedoch wurde erst in der Folge des Beitritts Spaniens zur EU und der damit verbundenen Anpassung des nationalen Rechts an das Gemeinschaftsrecht der Höchstbetrag durch die Ley 19/1989 abgeschafft und dafür ein Mindestkapital von 500.000 Peseten eingeführt.660 Die entsprechende Regelung fand sich in656 Vgl. Díaz/Carbajo/Díaz, S. 54 f. Für die S.A. Garrido/ders., S. 49 f.; Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (681). 657 Vgl. Díaz/Carbajo/Díaz, S. 55; Garrido/ders., S. 50 ff.; Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (681); Bolás, Art. 3 LSL, S. 66. 658 Alle Gesellschaften mit Haftungsbeschränkung und einem höheren Nominalkapital mussten sich zwingend in der Rechtsform der S.A. konstituieren 659 Vgl. García, S. 111 (125), dem zufolge das Mindestkapital in der S.L. vornehmlich aus diesem Grund eingeführt wurde, nämlich um unterkapitalisierte Gesellschaftsgründungen zurückzudrängen, während es in der S.A. dazu dient, kleine Unternehmen von dieser Rechtsform fernzuhalten. Aus der Zeit vor der Reform vgl. nur Paz-Ares, ADC 1983, 1587 ff. 660 Art. 11 Ley 19/1989, der Art. 3 LSL 1953 entsprechend neu fasste. Vgl. Ávila, Bd. I, S. 6; Bercovitz/Bercovitz, S. 46; Neila, Comentario Art. 3 LSL (jetzt Art. 4 LSL

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haltsgleich, wenn auch geringfügig umformuliert, in Art. 4 LSL 1995, der vorschrieb: „El capital no podrá ser inferior a quinientas mil pesetas [. . .].“ 661 Der spanische Gesetzgeber hielt es erst 2010 für angezeigt, diese Vorschrift an die Währungsumstellung auf Euro anzupassen.662 Anders als in Frankreich oder Deutschland, wo das Mindestkapital von der alten Landeswährung umgehend in Euro umgerechnet und der neue Betrag dann gerundet in das jeweilige Gesetz übernommen wurde, war deshalb für das Mindestkapital der spanischen S.L. bis vor Kurzem eine Umrechnung in Euro vonnöten, die zu dem etwas befremdlichen Betrag von 3005,06 Euro führte.663 Eine Kapitalherabsetzung unter das gesetzliche Minimum ist gemäß Art. 83 Abs. 1 LSL nur zulässig unter der Bedingung einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung auf mindestens den gesetzlichen Minimalbetrag oder einer Umwandlung der Gesellschaft.664 Wird das Kapital entgegen dieser Vorschrift reduziert, so muss die Gesellschaft gemäß Art. 104 Abs. 1 lit. f) S. 1 LSL aufgelöst werden.665 Für den Sonderfall, dass die Kapitalherabsetzung aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen der Gesellschaft vorgenommen wird, sieht Art. 104 Abs. 1 lit. f) S. 2 i.V. m. Art. 108 LSL eine Karenzfrist von einem Jahr ab dem Kapitalherabsetzungsbeschluss vor.666 Wird innerhalb dieser Frist jedoch nicht die Umwandlung oder Auflösung der Gesellschaft bzw. eine Kapitalerhöhung auf wenigstens das gesetzliche Mindestkapital in das Handelsregister eingetragen, so ist die Gesellschaft mit Fristablauf automatisch per Gesetz aufgelöst, ohne dass es eines Gesellschafterbeschlusses bedürfte, Art. 108 Abs. 1 LSL. Die Auflösung wird 1995). Gleichzeitig wurde auch für die S.A. ein Mindestkapital von zehn Mio. Peseten eingeführt, vgl. oben, § 6 I. 1. 661 Übersetzt: „Das Stammkapital darf nicht weniger als 500.000 Peseten betragen.“ 662 Seit der Zusammenführung von LSL und LSA in der neuen Ley de Sociedades de Capital von 2010 ist dort in Art. 4 Abs. 1 geregelt, dass das Mindestkapital der S.L. 3.000 Euro beträgt. Die Umrechnung der nach wie vor in Peseten angegebenen Beträge im spanischen Recht ist geregelt in der Ley 46/1998 sobre introducción del euro vom 17.12.1998, BOE vom 18.12.1998, 302. Gemäß dem Erlass der DGRN (Dirección General de los Registros y del Notariado) vom 10.07.2001 steht es den Gesellschaften frei, die Beträge ihres Stammkapitals und der einzelnen Geschäftsanteile in Euro umzurechnen oder nicht. Ebenso wenig ist vorgeschrieben, die umgerechneten Eurobeträge auf den nächsten Cent zu runden, so dass auch Beträge mit mehr als zwei Nachkommastellen möglich sind. 663 1 Euro entspricht 166,386 Peseten. Zum geringfügig abweichenden Mindestkapital der S.L.N.E. vgl. unten, § 9 I. 1. a). 664 Bemerkenswert ist insoweit, dass die Vorschrift neben einer Kapitalherabsetzung unter das gesetzliche Minimum ausdrücklich auch eine Kapitalreduktion auf null erwähnt, die demzufolge, unter der Bedingung einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung, zulässig ist. 665 Die Auflösung setzt einen Beschluss der Gesellschafterversammlung (Junta General) voraus, Art. 105 Abs. 1 S. 1 LSL. Näher Mora/Mora, S. 327 f. 666 Art. 108 LSL erwähnt allerdings, anders als Art. 83 LSL, nicht die Kapitalreduktion auf null, auf die er dementsprechend nicht anzuwenden ist. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 530.

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von Amts wegen oder auf Antrag jedes betroffenen Dritten eingetragen. Daneben ordnet Art. 108 Abs. 2 S. 1 LSL an, dass ab diesem Zeitpunkt die Geschäftsführer persönlich und solidarisch neben der Gesellschaft für die Gesellschaftsschulden haften.667 c) Kapitalaufbringung Die Einlagen der Gesellschafter, die in ihrer Summe als Anfangsvermögen der Gesellschaft die Entsprechung des auf der Passivseite der Bilanz stehenden Stammkapitals sind, werden in Art. 1 LSL gleichberechtigt neben letzterem als ein Wesensmerkmal der S.L. aufgeführt. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Gläubigerschutz wird ihre werthaltige Erbringung durch ein restriktives System zwingender gesetzlicher Regeln abgesichert.668 In einem wichtigen Punkt ist der spanische Gesetzgeber in diesem Kontext strenger als der deutsche und der französische: Art. 4 LSL schreibt vor, dass das Stammkapital von Anfang an vollständig gedeckt sein muss, andernfalls ist die Gesellschaft gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) LSL nichtig.669 Alle Einlagen müssen also zum Zeitpunkt der notariellen Errichtung der Gesellschaft zur Gänze geleistet sein670, eine gestaffelte Aufbringung ist selbst für Bareinlagen nicht vorgesehen.671 Ein gesetzlicher Anspruch der Gesellschaft auf Erbringung der Einlagen existiert zwar in Spanien nicht, ebenso wie in Deutschland und anders als in Frankreich. Für den Fall, dass die Gesellschaft wegen nicht vollständiger Erbringung aller Einlagen nichtig ist, ordnet Art. 17 Abs. 3 LSL jedoch an, dass die (vertragliche) Pflicht der Gesellschafter zur Erfüllung der noch offenen Einlageforderungen von der Nichtigkeit unberührt bleibt. 667

Vgl. unten, § 6 I. 2. g) aa) (3). Vgl. Ley 2/1995, Exposición de Motivos II.3. Der in diesen Regeln zum Ausdruck kommende Grundsatz der realen Kapitalaufbringung gilt selbstverständlich auch im Falle einer Kapitalerhöhung. Von den Einlagen zu unterscheiden sind die auch in Spanien gemäß Art. 22 LSL zulässigen statutarischen Nebenleistungspflichten (prestaciones accesorias), die nicht zum Stammkapital gehören und demgemäß nicht dem Kapitalschutzregime unterfallen. Näher zu ihnen Bercovitz/Barba de Vega, S. 154 ff. 669 Im Falle einer Kapitalerhöhung ist die Rechtsfolge einer nicht vollständigen Erbringung aller Einlagen weniger streng: Wenn nach Ablauf der im Kapitalerhöhungsbeschluss festgelegten Frist für die Leistung der Einlagen diese nicht vollständig erbracht wurden, so ordnet Art. 77 LSL an, dass die Kapitalerhöhung nur für den Betrag der tatsächlich geleisteten Einlagen wirksam wird, wenn der Beschluss insoweit nicht die vollständige Nichtigkeit der Kapitalerhöhung vorsieht. 670 Art. 4 LSL nennt diesen Zeitpunkt nicht explizit, sondern formuliert: „El capital [. . .] desde su origen habrá de estar totalmente desembolsado.“ Aus Art. 11 Abs. 1 LSL folgt aber, dass der „Ursprung“ der Gesellschaft und des Stammkapitals die notarielle Errichtung und nicht etwa die Eintragung ist. Letztere verleiht der existierenden Gesellschaft lediglich die Rechtspersönlichkeit. 671 Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft, bei der gemäß Art. 12 LSA die anfängliche Aufbringung von einem Viertel des Nominalkapitals ausreicht. 668

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Neben der Verpflichtung zur vollständigen Leistung aller Einlagen bei Gründung der Gesellschaft enthält Art. 4 LSL implizit noch eine weitere Regelung, die für die angestrebte Deckung des Stammkapitals durch real vorhandenes Gesellschaftsvermögen im Gründungszeitpunkt erforderlich ist: den Grundsatz der notwendigen Vollübernahme. Dieser wird in der genannten Vorschrift stillschweigend vorausgesetzt, da ohne eine Übernahme sämtlicher Geschäftsanteile für einen Teil der Einlagen kein Schuldner vorhanden, eine vollständige Erbringung aller Einlagen zum Gründungszeitpunkt also unmöglich ist.672 Ergänzend untersagt Art. 39 Abs. 1 LSL ausnahmslos eine originäre Übernahme von Geschäftsanteilen durch die Gesellschaft selbst, da sonst diesen Geschäftsanteilen ebenfalls keine von außen dem Gesellschaftsvermögen zugeführten Einlageleistungen gegenüberstehen. Die Rechtsfolge eines Verstoßes ist nach der allgemeinen Regel des Art. 6 Abs. 3 CCiv die Nichtigkeit der Übernahme, der Nennwert der betroffenen Anteile ist also vom Stammkapital abzuziehen.673 Art. 18 LSL regelt, was zulässiger Gegenstand einer Einlagepflicht sein kann. Gemäß Abs. 1 S. 1 der Vorschrift sind dies nur vermögenswerte Güter oder Rechte.674 Hierzu zählen auch Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, wie Art. 73 Abs. 2 LSL für den Fall einer Kapitalerhöhung feststellt.675 Art. 18 Abs. 1 S. 2 LSL schließt ausdrücklich Arbeitskraft oder sonstige Dienstleistungen als Einlagegegenstand aus. Auch im spanischen Recht gilt der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung676, dessen Einhaltung je nach Einlageart durch gesonderte Regeln sicherge672

Vgl. Neila, Comentario Art. 3 LSL (jetzt Art. 4 LSL 1995). Vgl. Bercovitz/Barba de Vega, S. 198 f., der auf den Unterschied zur Regelung für Aktiengesellschaften in Art. 74 Abs. 2 LSA hinweist. Die Nichtigkeit der Übernahme kann eine Auflösung der Gesellschaft gemäß Art. 104 Abs. 1 lit. f) LSL zur Folge haben, wenn dadurch das Stammkapital unter das gesetzliche Minimum fällt. Art. 39 Abs. 2 LSL ordnet für den Fall, dass die Gesellschaft ihre eigenen Anteile über einen Strohmann erwirbt, eine solidarische Haftung von Gründern und Geschäftsführern für die Rückerstattung der Anteile an. Allerdings sieht Art. 39 Abs. 3 LSL eine Exkulpationsmöglichkeit vor. Vgl. dazu auch unten, § 6 I. 2. g) aa) (2) (b). 674 Art. 18 Abs. 2 LSL stellt klar, dass vorbehaltlich ausdrücklicher anderweitiger Vereinbarungen stets das Eigentum an der Einlageleistung an die Gesellschaft übertragen wird. 675 In der spanischen Literatur wird teilweise die Zulässigkeit einer Einlageleistung durch Verzicht auf eine Forderung gegen die Gesellschaft grundsätzlich in Frage gestellt, weil ein Verzicht auf zukünftige Forderungen möglich ist, dies aber bedeuten würde, dass im Moment der Ausgabe des Geschäftsanteils keine Einlage erbracht und damit gegen den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung verstoßen wird. Jedenfalls der Verzicht auf oder die Aufrechnung mit tatsächlich bestehenden, werthaltigen Forderungen wird jedoch überwiegend für zulässig gehalten. Vgl. Mora/Mora, S. 149. Art. 74 Abs. 2 LSL stellt für den Fall der Kapitalerhöhung insoweit ausdrücklich klar: Eine Einlageleistung in Form der Aufrechnung der Einlageschuld mit einer Forderung gegen die Gesellschaft ist nur zulässig, wenn letztere fällig und werthaltig ist. 676 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 82. 673

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stellt werden soll. Art. 19 LSL regelt die Aufbringung von Bareinlagen: Diese müssen – abgesehen davon, dass sie stets in nationaler Währung auszudrücken sind677 (Abs. 1) – zur Gewährleistung ihrer Werthaltigkeit dergestalt erbracht werden, dass entweder dem mit der Gründung (bzw. Kapitalerhöhung) befassten Notar eine Bescheinigung über die Hinterlegung des Betrages im Namen der Gesellschaft bei einem Kreditinstitut vorgelegt wird, die dieser dann den publizitätspflichtigen Gründungsdokumenten hinzufügt, oder der Betrag dem Notar selbst in bar übergeben wird, damit er ihn für die Gesellschaft bei einer Bank hinterlegt (Abs. 2).678 Das Hinterlegungszertifikat ist zwei Monate lang gültig, Art. 19 Abs. 2 S. 2 LSL. Während dieser Zeitspanne ist eine Rücknahme des eingezahlten Betrages durch den Leistenden nur gegen gleichzeitige Rückgabe der Bescheinigung an die Bank möglich.679 Das spanische Recht ist insoweit flexibler als das französische, das ebenfalls eine Hinterlegung der Einlageleistungen bis zur Eintragung vorsieht, allerdings dem Inferenten danach grundsätzlich den Zugriff darauf verwehrt.680 Mit der Sicherstellung der mangelfreien Erfüllung einer Sacheinlagepflicht befasst sich zunächst Art. 20 LSL. Abs. 1 schreibt vor, dass in der Satzung die Sacheinlagen eindeutig identifiziert werden müssen. Ferner sind ihre Bewertung sowie die im Gegenzug ausgegebenen Geschäftsanteile anzugeben. Ein durch externe Sachverständige angefertigter Sachgründungsbericht ist, anders als für die S.A. in Art. 38 LSA, nicht vorgeschrieben.681 Art. 20 Abs. 2 LSL i.V. m. Art. 39 LSA682 regelt die Gewährleistung des Inferenten für Mängel des Einlagegegenstandes. Gemäß Art. 39 Abs. 1 LSA haftet er bei Einbringung einer unbeweg-

677 Wobei auch hier nach wie vor Peseten die nationale spanische Währung darstellen, eine Umstellung der Gesetzesformulierung auf Euro hat nicht stattgefunden. Einlagen in ausländischer Währung sind demnach zunächst in Peseten umzurechnen. 678 Im letzteren Fall wird den Gründungsdokumenten ein Vermerk beigefügt, dass der Notar mit der Hinterlegung beauftragt wurde. Er ist dann verpflichtet, innerhalb von fünf Werktagen die Hinterlegung vorzunehmen, Art. 189 Abs. 2 S. 2 RRM. Das System der Sicherstellung der Werthaltigkeit von Bareinlagen gemäß Art. 19 Abs. 2 LSL ist erst durch die LSL 1995 eingeführt worden. Es lehnt sich an Art. 40 Abs. 1 LSA an, allerdings mit Verbesserungen im Einzelnen. Vgl. Bercovitz/Barba de Vega, S. 148. 679 Die LSL 1953 sah keine Hinterlegungspflicht für Bareinlagen vor, eine Erklärung über die Einzahlung in die Kasse der Gesellschaft genügte. Diese Erklärung entsprach jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht der Realität, so dass sich der Gesetzgeber zur Verschärfung der Regeln über Bareinlagen gezwungen sah. Vgl. Díaz/Carbajo/Díaz, S. 100. 680 Vgl. Art. 223-8 C. com. Näher dazu oben, § 5 I. 2. c). 681 Vgl. Díaz/Carbajo/Díaz, S. 101. 682 Wenn im Folgenden Artikel der LSA zitiert werden, so handelt es sich, wenn nicht anders angegeben, um die LSA in der Fassung der Reform von 1989, die als „Texto Refundido de la LSA“ bezeichnet wird und durch Real Decreto Legislativo 1564/1989 vom 22.12.1989 in Kraft gesetzt wurde.

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lichen oder beweglichen Sache wie ein Verkäufer.683 Im Falle der Einbringung einer Forderung haftet er gemäß Abs. 2 der Vorschrift nicht nur für deren Existenz, sondern auch für die Bonität des Schuldners.684 Ist ein Unternehmen oder eine Niederlassung Gegenstand der Einlage, so haftet der Gesellschafter für dessen/deren Mangelfreiheit in seinen/ihren wesentlichen Elementen, Art. 39 Abs. 3 LSA. Art. 21 LSL sieht eine allgemeine Haftung für die Werthaltigkeit sowie für die Richtigkeit der satzungsmäßigen Bewertung des Sacheinlagegegenstandes vor. Die Vorschrift ist in ihrem persönlichen Anwendungsbereich relativ weit ausgestaltet: Abs. 1 S. 1 erfasst alle diejenigen, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Sacheinlage eine Gesellschafterstellung innehaben (also die Gründer bzw. die zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung vorhandenen Gesellschafter, unabhängig davon, ob sie diese Stellung später verlieren)685, sowie alle Personen, die später einen Geschäftsanteil erwerben, auf den eine Sacheinlage erbracht wurde686. Die Rechtsfolge des Art. 21 Abs. 1 S. 1 LSL ist eine generelle solidarische Haftung der genannten Personen für die reale Erbringung und richtige Bewertung der Sacheinlage, und zwar sowohl gegenüber der Gesellschaft selbst als auch gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Gleichermaßen haften gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 2 LSL die Geschäftsführer solidarisch für die von ihnen gemäß Art. 74 Abs. 3 LSL vorgenommene Bewertung einer Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalerhöhung687, allerdings nur für die Differenz zwischen angegebenem und wirklichem Wert. Befreit von der Haftung des Art. 21 Abs. 1 S. 1 LSL sind im Falle von Sacheinlagen zur Realisierung einer Kapitalerhöhung diejenigen Gesellschafter, die ihren Widerspruch gegen die Kapitalerhöhung oder gegen die Bewertung der

683 Dies bedeutet im Einzelnen die Anwendbarkeit der Artt. 1462 ff. CCiv bezüglich der Übergabe der Sache, der Artt. 1474 ff. CCiv über die Mangelfreiheit und der Artt. 331 ff. CCom, die den Gefahrübergang regeln. 684 Die Haftung ist insoweit schärfer als die allgemeine Regelung für Forderungsabtretungen: Gemäß Art. 348 CCom haftet der Zedent grundsätzlich nur dann für die Bonität des Schuldners, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. 685 Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sie selbst eine Bar- oder Sacheinlage erbracht haben. 686 Hier ist die gesetzliche Formulierung etwas zu weit geraten. Nach weithin anerkannter Lesart sind damit nur diejenigen gemeint, die den konkreten Geschäftsanteil erworben haben, auf den eine nicht werthaltige oder überbewertete Sacheinlage erbracht wurde. Vgl. Bercovitz/Barba de Vega, S. 151. 687 Die Haftung entfällt allerdings gemäß Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Art. 133 Abs. 3 LSA für diejenigen Geschäftsführer, die nicht an der falschen Bewertung beteiligt waren und nichts von ihr wussten, sowie für die, die in Kenntnis der Falschbewertung sich ihr ausdrücklich widersetzt oder alle angebrachten Maßnahmen zur Verhinderung eines Schadens getroffen haben. Näher zur Haftung der Geschäftsführer im allgemeinen unten, § 6 I. 2. g) aa).

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Sacheinlage zu Protokoll gegeben haben, Art. 21 Abs. 1 S. 3 LSL.688 Zudem ist gemäß Art. 21 Abs. 5 LSL die Haftung sämtlicher Gesellschafter ausgeschlossen, sofern eine Sacheinlage Gegenstand einer Bewertung durch einen sachverständigen Gutachter gemäß Art. 38 LSA war.689 Zur gerichtlichen Geltendmachung der Ausgleichsansprüche sind zunächst die Geschäftsführer und Liquidatoren der Gesellschaft befugt690, Art. 21 Abs. 2 S. 1 LSL, ferner gemäß Art. 21 Abs. 3 LSL jeder Gesellschafter, der gegen die betreffende Vereinbarung gestimmt hat und mindestens fünf Prozent des Stammkapitals repräsentiert, sowie schließlich im Insolvenzfall auch jeder Gesellschaftsgläubiger.691 d) Kapitalerhaltung Auch im spanischen Modell kann das Stammkapital keine Garantie dafür sein, dass die Gesellschaft entsprechende Vermögenswerte während ihrer gesamten Lebensdauer vorhält.692 Es lässt vielmehr nur im Zeitpunkt der Gründung eine Aussage über den Bestand der Aktiva zu, danach kann dieser je nach geschäftlichem Erfolg wachsen oder sinken, ohne dass dies die Stammkapitalziffer berühren würde.693 Eine gewisse vermögenserhaltende Funktion hat es aber, wie im deutschen Recht auch, in dem Sinne, dass es als Staumauer gegen übermäßige Ausschüttungen von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter wirkt.694 Divi688 Ein entsprechendes Abstimmungsverhalten allein oder die Nichtteilnahme an der Gesellschafterversammlung reichen nicht aus, um eine Haftungsbefreiung herbeizuführen, vgl. Bercovitz/Barba de Vega, S. 152. 689 Art. 21 Abs. 5 LSL ist insoweit missverständlich formuliert, als er die Haftungsfreistellung bezieht auf „los socios cuyas aportaciones no dinerarias sean sometidas a valoración pericial [. . .].“ Man könnte deshalb annehmen, nur diejenigen Gesellschafter, deren Sacheinlage durch externe Prüfer bewertet wurde, seien von der Haftung ausgenommen, nicht jedoch die übrigen Gesellschafter. Richtigerweise muss man aber wohl aus teleologischen Gründen von einer Haftungsbefreiung sämtlicher Gesellschafter hinsichtlich der betreffenden Sacheinlage ausgehen. Vgl. dazu Bercovitz/Barba de Vega, S. 153. 690 Das Gesetz trifft keine Aussage darüber, ob sie zur Geltendmachung auch verpflichtet sind. Dies ist wohl zu bejahen, vgl. Bercovitz/Barba de Vega, S. 152. 691 Vgl. Mora/Mora, S. 147. 692 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 84. 693 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 82. 694 Manche spanische Autoren betonen, dass es sich bei der Funktion des Stammkapitals als Ausschüttungssperre um einen „bilanztechnischen Kniff“ handelt: Das Stammkapital sei keine Verbindlichkeit der Gesellschaft, stehe aber trotzdem an erster Stelle auf der Passivseite der Bilanz und zwinge somit als fiktive Verbindlichkeit die Gesellschaft, zur Erhaltung einer ausgeglichenen Bilanz entsprechende Vermögenswerte auf der Aktivseite vorzuhalten. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 83 f. Die Annahme einer Fiktion ist jedoch unnötig, da das Stammkapital ohne weiteres als Verbindlichkeit der Gesellschaft angesehen werden kann: Es repräsentiert deren Verpflichtung zur Rückerstattung der Einlagen an die Gesellschafter. Diese Verpflichtung wird jedoch erst in der Liquidation fällig und ist in ihrem Rang sämtlichen Fremdverbindlichkeiten nachgeordnet.

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dendenausschüttungen dürfen nur aus dem Geschäftsgewinn der Gesellschaft, abzüglich gesetzlich695 oder statutarisch vorgeschriebener Rücklagenbildungen, sowie aus bereits vorhandenen, frei verfügbaren Rücklagen erfolgen, dies aber auch nur dann, wenn nach der Ausschüttung das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft noch den Betrag des Stammkapitals vollständig abdeckt, Art. 84 LSL i.V. m. Art. 213 Abs. 2 LSA. Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtslage in Frankreich. Rechtswidrig ausgezahlte Dividenden sind gemäß Art. 84 LSL i.V. m. Art. 217 LSA vom Empfänger zurückzuzahlen, sofern er die Rechtswidrigkeit kannte oder hätte kennen müssen.696 Eine Rückerstattung der Einlagen ist also grundsätzlich unzulässig, außer im Zusammenhang mit einer entsprechenden Kapitalherabsetzung unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens.697 Doch auch bei einer Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen aufgrund einer ordnungsgemäß beschlossenen Kapitalreduktion bedürfen die Gesellschaftsgläubiger gesetzlichen Schutzes, stellt doch das Stammkapital als Ausschüttungssperre konzeptionell eines der wichtigsten Gläubigerschutzinstrumente dar, das nicht zur freien Disposition der Gesellschafter stehen darf.698 Das spanische Recht unterscheidet insoweit, wie das französische, in Art. 79 Abs. 1 LSL zwischen Kapitalreduktionen, die lediglich der Anpassung der Stammkapitalziffer an das durch Verluste bereits geminderte Aktivvermögen der Gesellschaft dienen, und solchen, bei denen den Gesellschaftern ein Teil ihrer Einlagen zurückerstattet wird. Bei ersteren sieht das Gesetz keine besonderen Gläubigerschutzmechanismen vor, da es sich lediglich um eine Anpassung der publizierten Stammkapitalziffer an die reale wirtschaftliche Situation der Gesellschaft handelt, was für sich genommen den Informationsinteressen außenstehender Dritter dient.699 Anders liegt der Fall bei Kapitalreduktionen zur Rückerstattung von Einlagen: Hier sind die Gläubigerinteressen unmittelbar ge695 Art. 84 LSL i.V. m. Art. 214 Abs. 1 LSA schreibt vor, dass jeweils 10% des Jahresüberschusses der gesetzlichen Rücklage zuzuführen sind, bis diese insgesamt mindestens 20% des Stammkapitals beträgt. 696 Die Rückerstattung von Nebenleistungen (prestaciones accesorias) ist seit Einführung der LSL 1995 auch in Abwesenheit von Gewinnen zulässig, solange der Betrag der Rückerstattung den Wert der ursprünglichen Leistung nicht übersteigt (Art. 23 LSL 1995). In der Vorgängervorschrift des Art. 10 LSL 1953, der Nebenleistungen regelte, war dies nicht vorgesehen. 697 Eine weitere Ausnahme gilt gemäß Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 16 Abs. 1 LSA im Falle einer fehlerhaften Gesellschaft (sociedad irregular): Wird nachgewiesen, dass die Gesellschafter einer nicht eingetragenen Gesellschaft die Eintragung gar nicht anstreben, oder ist seit der Errichtung der Gesellschaft ein Jahr vergangen, ohne dass die Eintragung beantragt wurde, so kann jeder Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft betreiben und schon vor deren Liquidation seine Einlagen zurückfordern. 698 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 503. 699 Art. 82 LSL schreibt lediglich vor, dass Verluste zunächst durch jegliche vorhandenen Rücklagen auszugleichen sind, bevor eine Kapitalreduktion vorgenommen wird, und dass die der Maßnahme zugrunde gelegte Bilanz nicht älter als sechs Monate sein darf sowie von einem externen Prüfer verifiziert werden muss.

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fährdet. Art. 80 Abs. 1 LSL sieht deshalb eine solidarische Haftung der begünstigten Gesellschafter für die vor der Kapitalherabsetzung entstandenen Gesellschaftsschulden vor.700 In engem sachlichem Zusammenhang mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr stehen die Beschränkungen, die das Gesetz für den derivativen Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft vorsieht: Auch sie sollen verhindern, dass gebundenes Vermögen ausgeschüttet wird, ohne dass es zu einer Anpassung der Stammkapitalziffer kommt. Zulässig ist ein derivativer Erwerb nur, wenn er im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge, ohne Gegenleistung, in Ausführung einer ordnungsgemäß beschlossenen Kapitalherabsetzung oder im Zusammenhang mit einer erzwungenen Anteilsübertragung i. S. d. Art. 31 Abs. 3 LSL erfolgt sowie, mit weiteren Einschränkungen, wenn er aus frei verfügbaren Rücklagen oder Überschüssen der Gesellschaft finanziert wird. Ein Erwerb außerhalb dieser in Art. 40 Abs. 1 LSL abschließend aufgezählten Fälle ist gemäß Art. 40 ter S. 1 LSL nichtig. Auch das dauerhafte Halten eigener Anteile ist der Gesellschaft generell untersagt; zulässigerweise erworbene Anteile müssen gemäß Art. 40 Abs. 2 LSL innerhalb von drei Jahren eingezogen oder zu einem angemessenen Preis veräußert werden.701 Ebenfalls der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens dient Art. 10 LSL. Die Vorschrift ist von allgemeinerer Tragweite als das Verbot der Einlagenrückgewähr, sieht aber weniger restriktive Rechtsfolgen vor. Sie reglementiert die finanzielle Unterstützung eines Gesellschafters oder Geschäftsführers aus Mitteln der Gesellschaft: Ohne konkreten, einzelfallbezogenen Beschluss der Gesellschafterversammlung darf die Gesellschaft an ihre Gesellschafter oder Geschäftsführer keine Darlehen oder Kredite ausreichen noch ihnen Sicherheiten gewähren oder anderweitige finanzielle Unterstützung leisten. Der spanische Gesetzgeber hat das Problem der Darlehensgewährung der Gesellschaft an einen Gesellschafter oder Geschäftsführer also, anders als der deutsche, explizit geregelt.702 Die grundsätzliche Unzulässigkeit solcher Geschäfte ist unabhängig von einer bereits vorliegenden oder dadurch hervorgerufenen Unterbilanz. Eine Schmälerung des Gesellschaftsvermögens durch Ausschüttungen kann das Gesetz verbieten, aber nicht sein Absinken aufgrund äußerer Umstände wie z. B. wirtschaftlichen Misserfolges verhindern. Doch auch letzteres bedingt ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Gesellschaftsgläubiger, da bei einer länger andau700

Näher dazu unten, § 6 I. 2. g) bb) (1). Die Einziehung hat eine Reduktion der Stammkapitalziffer zur Folge, so dass grundsätzlich die §§ 79 bis 82 LSL anwendbar sind. Die Gläubigerschutzvorschriften der §§ 80, 81 LSL greifen jedoch nicht ein, wenn die eingezogenen Anteile von der Gesellschaft ohne Gegenleistung erworben wurden, da es in diesem Fall nicht zu einer Rückerstattung von Einlagen gekommen ist. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 504. 702 Vgl. zur Behandlung solcher Darlehen in Deutschland oben, § 4 I. 4. 701

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ernden, wesentlichen Unterdeckung des Stammkapitals Dritten durch die publizierte Stammkapitalziffer eine in Wahrheit nicht vorhandene Solvenz der Gesellschaft vorgespiegelt wird. Diesem Problem begegnet das spanische Recht zunächst durch die Publizität der Rechnungslegung gemäß Art. 84 LSL i.V. m. Art. 218 LSA.703 Dritte können sich so über Abweichungen des Gesellschaftsvermögens von der Stammkapitalziffer informieren. Die Stammkapitalziffer ist jedoch mit einem wesentlich höheren Grad an Publizität ausgestattet als die Jahresabschlüsse, z. B. durch die obligatorische Angabe auf Geschäftsbriefen. Deshalb bedarf es eines weitergehenden Schutzes der Gläubiger.704 Hierfür sieht die LSL einen dem französischen Art. 223-42 C. com.705 vergleichbaren Mechanismus vor: Gemäß Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL muss die Gesellschafterversammlung die Auflösung der Gesellschaft beschließen, wenn aufgrund von Verlusten das buchmäßige Nettoaktivvermögen der Gesellschaft betragsmäßig unter die Hälfte der Stammkapitalziffer absinkt und die notwendige Anpassung der Stammkapitalziffer nicht vorgenommen wird.706 Die Geschäftsführer sind verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten ab Feststellung des Auflösungsgrundes die Gesellschafterversammlung einzuberufen, damit diese die entsprechenden Beschlüsse fasst, Art. 105 Abs. 1 LSL. Treten die Gesellschafter nicht zusammen oder fassen sie keinen der erforderlichen Beschlüsse, so sind die Geschäftsführer – sofern nicht ohnehin der insoweit vorrangige Konkursantrag im Sinne der Ley Concursal gestellt werden muss – gemäß Art. 105 Abs. 4 LSL zur Stellung eines Antrages auf gerichtliche Auflösung der Gesellschaft verpflichtet.707 Hierfür gilt wiederum eine Frist von zwei Monaten ab dem (geplanten) Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung. Das Versäumnis der Geschäftsführer, einer der genannten Pflichten nachzukommen, hat gemäß Art. 105 Abs. 5 LSL zur Folge, dass sie persönlich und solidarisch für alle Gesellschaftsschulden einstehen müssen, die nach dem Eintreten des gesetzlichen Auflösungsgrundes entstanden sind.708 Der spanische Gesetzgeber ist hier, wie gesagt, einen ähnlichen Weg gegangen wie der französische.709 Dennoch ist er im Detail strenger. So sieht er eine Frist 703 Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft müssen gemäß dieser Vorschriften beim Handelsregister hinterlegt werden und sind für jedermann einsehbar. 704 Vgl. Mora/Mora, S. 325. 705 Eingehend dazu oben, § 5 I. 2. f) aa). 706 Eine Ausnahme ist für den Fall vorgesehen, dass die Gesellschaft außerdem insolvent ist, so dass eine gerichtliche declaración de concurso im Sinne der Ley Concursal beantragt werden muss. Das Insolvenzverfahren ist dann vorrangig vor der Auflösung. Näher dazu unten, § 6 I. 2. f). 707 Gemäß Art. 105 Abs. 3 LSL ist auch jeder betroffene Dritte berechtigt, die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft zu beantragen. 708 Vgl. dazu unten, § 6 I. 2. g) aa) (2). 709 Allerdings wird in der spanischen Literatur mit einer gewissen Verwunderung angemerkt, dass der Auflösungsgrund des Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL vollständig dem des

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von zwei an Stelle von vier Monaten für die Einberufung der Gesellschafterversammlung vor sowie eine Pflicht der Geschäftsführer, ggf. selbst die gerichtliche Auflösung zu beantragen. Außerdem muss im Falle der Fortführung der Gesellschaft die notwendige Kapitalreduktion bzw. die Umwandlung sofort und nicht erst bis zum Ende der zweiten darauf folgenden Rechnungslegungsperiode beschlossen werden. Und schließlich ist in Frankreich neben der strafrechtlichen Sanktion für pflichtvergessene Geschäftsführer eine Einstandspflicht derselben für die Gesellschaftsschulden nur unter der Voraussetzung eines Geschäftsführungsfehlers im Rahmen der action en comblement du passif denkbar, während in Spanien eine generelle persönliche Haftung mit Beweislastumkehr angeordnet ist. e) Eigenkapitalersatzrecht Ein eigenständiges Regime eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen gibt es in Spanien ebenso wenig wie in Frankreich. Das am 01. September 2004 in Kraft getretene neue Konkursgesetz (Ley Concursal, LC)710 hat allerdings ein System eingeführt, das mit den deutschen Novellenregelungen der §§ 32a, 32b GmbHG vergleichbar ist, wobei es im Ergebnis über diese hinausgeht.711 Art. 89 Abs. 1 LC klassifiziert zunächst die Gläubigerforderungen für die Zwecke des Konkursverfahrens in privilegierte (privilegiados), subordinierte (subordinados) und gewöhnliche (ordinarios). Nach Art. 122 LC haben Gläubiger subordinierter Forderungen kein Stimmrecht in der Gläubigerversammlung (Junta de Acreedores). Vor allem aber werden ihre Forderungen, wie die Bezeichnung nahe legt, gemäß Art. 158 Abs. 1 LC erst nach der vollständigen Befriedigung aller privilegierten und sonstigen Gläubiger bedient. Art. 92 LC zählt sodann enumerativ auf, welche Forderungen im Konkursverfahren als subordiniert anzusehen sind. Gemäß der im Kontext des Eigenkapitalersatzrechts allein interessierenden Nr. 5 dieser Liste zählen hierzu Forderungen von Personen, die zum Konkursschuldner in einer Sonderbeziehung stehen.712 Art. 93 LC definiert näher, was darunter zu verstehen ist. Handelt es sich bei Art. 260 Abs. 1 Ziff. 4 LSA für Aktiengesellschaften nachgebildet ist, aber eine dem Art. 163 Abs. 1 S. 2 LSA vergleichbare Regelung für die S.L. fehlt. Letztere Vorschrift schreibt nämlich Aktiengesellschaften eine obligatorische Kapitalreduktion vor, wenn aufgrund von Verlusten ihr Vermögen unter zwei Drittel der Stammkapitalziffer abgesunken und nicht innerhalb der nächsten Rechnungslegungsperiode wieder hergestellt worden ist. Eine solche Anordnung habe bei der S.L. die gleiche Berechtigung wie bei der S.A. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 85 und S. 520. 710 Ley 22/2003 vom 09.07.2003, BOE vom 10.07.2003, 26905. Näher dazu sogleich, § 6 I. 2. f). 711 Vgl. sehr knapp Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (691 f.); sowie Huber/Habersack, ibid., S. 370 (384 f.). 712 Art. 92 Nr. 5 LC spricht wörtlich von „personas especialmente relacionadas con el deudor“.

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dem Konkursschuldner um eine juristische Person, so stehen insbesondere seine Gesellschafter gemäß Art. 93 Abs. 2 Nr. 1 LC zu ihm in einer solchen Sonderbeziehung, sofern sie entweder persönlich und unbegrenzt für die Gesellschaftsschulden haften oder im Falle von börsennotierten Gesellschaften mit mindestens fünf Prozent bzw. in allen sonstigen Fällen mit mindestens zehn Prozent am Grundkapital des Schuldners beteiligt sind.713 Auf die S.L. bezogen bedeutet dies, dass alle Darlehensforderungen und sonstigen Ansprüche von Gesellschaftern, die mit mindestens zehn Prozent am Grundkapital beteiligt sind714, gegen die Gesellschaft im Konkursverfahren einem zwingenden Rangrücktritt unterliegen, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt ihrer Entstehung eine Krise der Gesellschaft vorlag oder nicht.715 Die Subordination knüpft nicht an den eigenkapitalersetzenden Charakter einer speziellen Gesellschafterleistung an, sondern an das generelle Näheverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem mit einer wesentlichen Quote beteiligten Gesellschafter.716 Dies kommt der unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung gleich, dass der entsprechend beteiligte Gesellschafter in seinen Geschäften mit der Gesellschaft jedenfalls auch unternehmerische Interessen in Bezug auf „seine“ Gesellschaft verfolgt sowie von seinen gesellschaftsinternen Einflussmöglichkeiten Gebrauch macht und deshalb nicht wie ein außenstehender Drittgläubiger anzusehen ist. Insoweit besteht auf den ersten Blick eine gewisse Parallele zur Argumentation der deutschen Rechtsprechung bzgl. der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ der Gesellschafter. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch der grundlegende Unterschied im konzeptionellen Ansatz: In Deutschland werden das Rückzahlungsverbot und der insolvenzrechtliche Rangrücktritt darauf gestützt, dass der Gesellschafter den Pflichten eines ordentlichen Kaufmannes nicht genügt hat, indem er in einer Unternehmenskrise statt Eigen- nur Fremdkapital zugeführt hat.

713 Vgl. näher Alonso, in: García/Alonso/Pulgar, S. 403 ff.; Rojo/Beltrán/Garrido, Art. 93 LC, S. 1677 f. 714 Vgl. zum entsprechenden deutschen Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 32a Abs. 2 S. 3 GmbHG, das ebenfalls eine Grenze von zehn Prozent vorsieht, oben § 4 I. 5. b). 715 Die Reform des deutschen Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG und die damit verbundene Neufassung der §§ 135 InsO, 6 AnfG ähnelt dieser Regelung insofern, als sie alle Forderungen aus Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich gleichstehenden Geschäften in der Insolvenz hinter Drittforderungen zurückstuft, ohne Rücksicht auf ihren eigenkapitalersetzenden Charakter. Vgl. näher dazu unten, § 7 I. 1. b) cc). Die spanische Regelung geht jedoch in doppelter Hinsicht noch über das deutsche Reformprojekt hinaus: Erstens betrifft sie auch andere nahe stehende Personen, nicht nur Gesellschafter; zweitens erfasst sie sämtliche Forderungen dieser Personen, das zugrunde liegende Rechtsgeschäft muss also kein Darlehen sein oder einem solchen wirtschaftlich gleichstehen. 716 Ebenso Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (691 f.).

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Die spanische Regelung stellt demgegenüber keine Sanktion für pflichtvergessenes oder gläubigerschädigendes Verhalten in Bezug auf ein einzelnes Geschäft dar, sondern eine Remedur für eine abstrakte Gefährdungslage zu Lasten außenstehender Gläubiger: Sie geht von der Prämisse aus, dass Geschäfte zwischen der Gesellschaft und ihr „nahe stehenden“ Personen aufgrund eventueller gesellschaftsinterner Einflussmöglichkeiten und eines zumindest partiellen Interessengleichlaufs der Vertragspartner nicht unbedingt den üblichen Regeln des freien Marktes unterliegen, innerhalb wie außerhalb einer Krise. Die daraus resultierende, zumindest regelmäßig denkbare Bevorzugung der nahe stehenden Personen wird vom Gesetzgeber typisierend vermutet und im Insolvenzverfahren durch eine Rückstufung ausgeglichen. Von „Eigenkapitalersatzrecht“ nach deutschem Verständnis kann man deshalb nicht sprechen, zumal in einer solchen Sonderbeziehung zur Gesellschaft auch deren rechtliche und faktische Geschäftsführer, die Liquidatoren und die Generalbevollmächtigten stehen sowie all jene Personen, die eines dieser Ämter innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Konkurserklärung innehatten (Art. 93 Abs. 2 Nr. 2 LC). Das gleiche gilt für mit dem Konkursschuldner konzernverbundene Gesellschaften und deren Gesellschafter (Art. 93 Abs. 2 Nr. 3 LC). Einen Umgehungsschutz sieht Art. 93 Abs. 3 LC in der Weise vor, dass im Falle der Abtretung eines Anspruchs gegen die Gesellschaft durch eine nahe stehende Person innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Konkurserklärung regelmäßig auch der Zessionar als nahe stehende Person angesehen wird; allerdings ist ausdrücklich ein Gegenbeweis möglich, der den Erwerber von der Rückstufung seiner Forderung befreit. Ein darüber hinausgehendes generelles Befriedigungsverbot der von der Rückstufung betroffenen nahe stehenden Gläubiger nach dem Modell der deutschen Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatzrecht sieht das spanische Recht nicht vor. Ist jedoch innerhalb des genannten Zeitraumes von zwei Jahren vor der Konkurseröffnung eine Forderung i. S. d. Art. 93 LC befriedigt oder besichert worden, so wird gemäß Art. 71 Abs. 3 Nr. 1 LC widerleglich vermutet, dass dies zu einer gläubigerschädigenden Masseschmälerung geführt hat; das entsprechende Geschäft ist dann nach Eröffnung des Konkursverfahrens gemäß Art. 71 Abs. 1 LC anfechtbar, ohne dass es auf das Vorliegen einer Schädigungsabsicht auf Seiten des Konkursschuldners ankäme.717 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das deutsche Eigenkapitalersatzrecht an eine einzelne Gesellschafterleistung in der Krise der Gesellschaft anknüpft, diese wegen der Fortführung einer nicht mehr aus eigener Kraft lebensfähigen Gesellschaft zu Lasten der Drittgläubiger als mit den Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns unvereinbar ansieht und deshalb daran die Rechtsfolgen 717 Nicht anfechtbar sind allerdings gemäß Art. 71 Abs. 5 LC solche Geschäfte, die zum normalen Geschäftsbetrieb des Schuldners gehören und zu marktüblichen Konditionen abgeschlossen wurden.

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des Rückzahlungsverbots (Rechtsprechungsregeln) und des Rangrücktritts in der Insolvenz (§ 32a GmbHG) knüpft. Das spanische Recht stellt demgegenüber auf die abstrakte Gefährdung der Drittgläubiger durch Geschäfte zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern mit wesentlicher Kapitalbeteiligung, Geschäftsleitungspersonen oder konzernverbundenen Unternehmen ab und lässt dies als Grund für den Rangrücktritt aller offenen Forderungen solcher nahe stehender Gläubiger in der Insolvenz sowie für die widerlegliche Vermutung einer Masseschmälerung im Rahmen der Insolvenzanfechtung ausreichen. Es dient damit nicht der Verhinderung von Umgehungen des Kapitalschutzregimes, wie dies insbesondere für die deutschen Rechtsprechungsregeln zur analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG gilt, sondern dem allgemeinen Schutz des Gesellschaftsvermögens vor einer Schmälerung durch Begünstigung nahe stehender Personen zu Lasten der übrigen Gläubiger. f) Insolvenzrechtliche Schutzinstrumente Das spanische Insolvenzrecht ist jüngst durch die Einführung der Ley Concursal718 grundlegend überarbeitet und an europäische Standards angepasst worden.719 Die Reform vereinigte die verstreuten insolvenzrechtlichen Vorschriften in einem einzigen legislativen Korpus und fasste die vormals unterschiedlichen Prozeduren für die Insolvenz einer natürlichen bzw. juristischen Person zu einem einheitlichen Verfahren zusammen, das seither unter der bis dato nur für die Insolvenz juristischer Personen gebräuchlichen Bezeichnung „Konkursverfahren“ (concurso) firmiert.720 Eröffnet wird das Verfahren durch die gerichtliche Konkurserklärung (declaración de concurso), für die gemäß Art. 8 LC das Handelsgericht zuständig ist. Sie ergeht gemäß Art. 3 Abs. 1 LC auf Antrag des Schuldners oder eines seiner Gläubiger721 und setzt nach Art. 2 Abs. 1 LC grundsätzlich die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus, die laut Abs. 2 dieser Vorschrift dann gegeben ist, wenn er seine fälligen Verpflichtungen nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann. Nach Art. 2 Abs. 3 LC steht dem Schuldner schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit ein Recht zur Stellung des Antrags zu. Ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sieht Art. 5 Abs. 1 LC eine generelle Konkursantragspflicht des Schuldners vor, ist allerdings in zweifacher Hinsicht großzügiger als § 64 Abs. 1 GmbHG: Die deutsche Vorschrift gewährt dem Schuldner keine Entscheidungsfrist, sondern statuiert eine Pflicht zur unverzüglichen Antragstellung ab Eintritt des Aus718

Ley 22/2003 vom 09.07.2003, BOE vom 10.07.2003, 26905. Vgl. bereits oben, § 6 I. 2. e). 720 Vgl. Ley Concursal, Exposición de Motivos II. 721 Gläubiger sind allerdings gemäß Art. 3 Abs. 2 LC dann nicht antragsbefugt, wenn sie die Forderung nach deren Fälligkeit durch Einzelabtretung unter Lebenden innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Konkursantrag erworben haben. 719

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lösungstatbestandes und sieht hierfür eine Höchstdauer von drei Wochen vor; das spanische Recht verlangt demgegenüber lediglich eine Antragstellung innerhalb von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem der Schuldner von der Zahlungsunfähigkeit Kenntnis hatte oder hätte haben müssen.722 Die Kenntnis wird jedoch gemäß Art. 5 Abs. 2 LC widerleglich vermutet, wenn einer der Fälle offenkundiger Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung eines notwendigen Konkurses i. S. d. Art. 2 Abs. 4 LC vorliegt.723 Zuständig für die Stellung des Konkursantrages sind grundsätzlich die Geschäftsführer.724 Verschärft wird die Insolvenzantragspflicht dadurch, dass ihre Nichtbeachtung nicht nur einen haftungsrelevanten Geschäftsführungsfehler darstellen kann725, sondern auch gemäß Art. 165 Nr. 1 LC die widerlegliche Vermutung begründet, dass der Zustand der Zahlungsunfähigkeit durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Schuldners herbeigeführt oder verstärkt wurde. Dies hat zur Folge, dass der Konkurs gemäß Art. 164 Abs. 1 LC als schuldhafter anzusehen ist, was für die Geschäftsführer gravierende Rechtsfolgen nach sich zieht.726 So trifft das zu722 Die Zweimonatsfrist des Art. 5 Abs. 1 LC ist zu unterscheiden von der des Art. 105 Abs. 1 LSL i.V. m. Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL, auch wenn beide für die Erfüllung einer Geschäftsführerpflicht im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft gelten. Fällt das Gesellschaftsvermögen betragsmäßig unter die Hälfte des Stammkapitals, so muss der Geschäftsführer gemäß Art. 105 Abs. 1 LSL innerhalb von zwei Monaten ab Eintritt dieser Situation die Gesellschafterversammlung einberufen, damit sie die notwendigen Entscheidungen trifft. Ist die Gesellschaft zusätzlich auch zahlungsunfähig, so hat sie ab Kenntnis davon insgesamt zwei Monate Zeit, den Konkursantrag zu stellen. Hierfür ist dann ausnahmsweise gemäß Art. 105 Abs. 1 LSL ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, so dass in diesem Fall innerhalb von zwei Monaten die Gesellschafterversammlung nicht nur einberufen werden muss, sondern auch beschließen und der Beschluss (Stellung des Konkursantrages) ausgeführt werden muss. 723 Gemäß Art. 22 Abs. 1 LC ist der Konkurs als freiwillig anzusehen, wenn der Schuldner selbst den ersten Antrag auf Einleitung gestellt hat. Ansonsten, insbesondere also im Falle eines Gläubigerantrages, ist der Konkurs ein notwendiger, und zwar gemäß Art. 22 Abs. 2 LC auch dann, wenn vor dem Schuldnerantrag ein anderer Berechtigter einen Antrag gestellt, dieser aber nicht zur Einleitung des Insolvenzverfahrens geführt hatte. Gemäß Art. 2 Abs. 4 LC muss der Gläubiger seinen Antrag grundsätzlich darauf stützen, dass er zuvor erfolglos die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen betrieben hat. Dies ist allerdings dann entbehrlich, wenn einer der in der Vorschrift aufgezählten speziellen Fälle offenkundiger Zahlungsunfähigkeit gegeben ist, z. B. wenn der Schuldner die Bedienung seiner laufenden Verbindlichkeiten generell eingestellt hat. Auf diese Fälle nimmt Art. 5 Abs. 2 LC Bezug. 724 Etwas anderes gilt nur, wenn neben der Zahlungsunfähigkeit auch der Auflösungsgrund des Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL gegeben ist, weil das Gesellschaftsvermögen unter die Hälfte des Stammkapitals abgesunken ist. Dann erfordert der Konkursantrag einen vorherigen Beschluss der Gesellschafterversammlung, Art. 105 Abs. 1 LSL. 725 Vgl. zur Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern näher unten, § 6 I. 2. g). 726 Die Qualifikation als schuldhafter (culpable) oder zufälliger (fortuito) Konkurs richtet sich nach den Artt. 163 ff. LC. Sie erfolgt erst dann, wenn die Liquidationsphase als zweite und letzte Phase des Konkursverfahrens eröffnet wird bzw. ausnahmsweise schon vorher, wenn auf der ersten Verfahrensstufe eine förmliche Übereinkunft (conve-

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ständige Konkursgericht regelmäßig die Anordnung, dass sie für einen Zeitraum von zwei bis 15 Jahren kein fremdes Vermögen verwalten noch als Bevollmächtigte für andere handeln dürfen, weiterhin jegliche Ansprüche gegen die Gesellschaft bzw. die Masse verlieren, alle rechtsgrundlos aus dem Vermögen des Schuldners bzw. aus der Masse erhaltenen Gegenstände rückzuerstatten und entstandene Schäden zu ersetzen haben, Art. 172 Abs. 2 LC.727 Darüber hinaus können die offiziellen und faktischen Geschäftsführer und Liquidatoren sowie diejenigen Personen, die eine solche Stellung in den letzten zwei Jahren vor der Konkurserklärung innehatten, verpflichtet werden, den Gläubigern den Betrag, für den diese im Konkursverfahren keine Befriedigung aus der Masse erlangen können, persönlich ganz oder zum Teil zu ersetzen, Art. 172 Abs. 3 LC.728 Zur Absicherung dieser Ausfallansprüche der Gläubiger sieht Art. 48 Abs. 3 LC vor, dass der zuständige Konkursrichter ab dem Zeitpunkt der Konkurserklärung auf Antrag des Konkursverwalters oder von Amts wegen die Beschlagnahme von Gütern und Rechten der genannten Personen anordnen kann. Voraussetzung ist, dass er aufgrund der vorgetragenen Tatsachen hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass der Konkurs als schuldhafter qualifiziert und dass die Masse nicht zur Begleichung aller Forderungen ausreichen werde; ersteres ist im Falle einer Insolvenzverschleppung aufgrund der gesetzlichen Vermutung des Art. 165 Nr. 1 LC regelmäßig gegeben, so dass es nur noch auf die Prognose einer unzureichenden Masse ankommt.729 Die Erwartung des Richters hinsichtlich der Ausfallquote der Gläubiger bestimmt den Umfang der Beschlagnahme. Der Betroffene kann diese allerdings durch Beibringung eines Bankavals abwenden. Hat das zuständige Gericht die Konkurserklärung erlassen und sind Inventar und Gläubigerlisten rechtskräftig erstellt (fase común del concurso), so wird die nächste Stufe des Konkursverfahrens (fase de convenio) eröffnet. Sie zielt auf die Sanierung des Unternehmens ab und strebt zu diesem Zweck den Abschluss einer nio) i. S. d. Artt. 99 ff. LC zwischen dem Schuldner und allen Gläubigern einer oder mehrerer Kategorien oder der Gesamtheit der Gläubiger geschlossen wurde, in der diese auf mehr als ein Drittel ihrer Forderungen verzichtet bzw. eine Stundung von mehr als drei Jahren gewährt haben. Ein schuldhafter Konkurs liegt gemäß Art. 164 Abs. 1 LC dann vor, wenn der Schuldner bzw. im Falle von juristischen Personen seine offiziellen und faktischen Geschäftsleiter und Liquidatoren den Zustand der Zahlungsunfähigkeit durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt oder verstärkt haben. Art. 164 Abs.2 LC vermutet dies unwiderleglich für eine Reihe typischer, konkursrelevanter Pflichtverletzungen, wie z. B. bei grob gesetzeswidriger Buchführung, missbräuchlicher Schmälerung des Schuldnervermögens oder Verschleierung von dessen wahrer Vermögenslage. Art. 165 LC enthält für weitere typische Fälle eine entsprechende widerlegliche Vermutung. 727 Vgl. auch den Überblick in Ley Concursal, Exposición de Motivos VIII. 728 Vgl. unten, § 6 I. 2. g) aa) (3). 729 Vgl. Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (692).

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förmlichen Vereinbarung (convenio) zwischen Schuldner und Gläubigern an, die gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 LC den (Teil-)Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen oder deren Stundung oder beides enthalten muss. Entsprechende Vorschläge können von Schuldner- wie von Gläubigerseite eingebracht werden.730 Diese Verfahrensphase ist dem französischen Schlichtungsverfahren gemäß Artt. L. 611-4 ff. C. com. ähnlich, allerdings mit dem Unterschied, dass sie bereits Teil des eigentlichen Konkursverfahrens ist und deswegen der Zuständigkeit des Konkursrichters sowie vergleichsweise restriktiven gesetzlichen Regeln unterliegt. So untersagt z. B. Art. 100 Abs. 1 S. 2 LC eine übermäßige Benachteiligung von Gläubigern, deren Forderungen weder privilegiert noch subordiniert sind, indem er Teilverzicht und Stundung i.R. d. convenio insoweit auf die Hälfte des Forderungsbetrages bzw. auf fünf Jahre begrenzt. Außerdem darf die Vereinbarung in keinem Fall die Veräußerung von Gegenständen aus dem Gesellschaftsvermögen zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger vorsehen und dadurch die Liquidation vorwegnehmen, Art. 100 Abs. 3 LC. Dies soll die Gleichbehandlung der Gläubiger bei einem Scheitern der Sanierung gewährleisten. Die Gläubigerversammlung stimmt über den endgültigen Vereinbarungsvorschlag ab. Wird er angenommen und nicht fristgerecht angegriffen, so verleiht der Konkursrichter der Vereinbarung durch Beschluss Rechtswirksamkeit, Art. 130 LC. Die Folge ist eine Aussetzung des Konkursverfahrens; an die Stelle der konkursrechtlichen Vorschriften treten die Regelungen innerhalb der Vereinbarung, Art. 133 Abs. 2 LC. Letztere binden grundsätzlich den Schuldner und alle Gläubiger bezüglich aller vor der Konkurserklärung entstandenen Forderungen, Art. 134 Abs. 1 LC.731 Wird die Vereinbarung vollständig erfüllt, so stellt der Konkursrichter dies auf Antrag des Schuldners fest und beendet das Konkursverfahren, Artt. 139, 141 LC. Im Falle der Nichterfüllung erfolgt die entsprechende Feststellung durch den Richter, was die Nichtigkeit der Vereinbarung zur Folge hat, Art. 140 Abs. 4 LC. In diesem Falle, wie auch dann, wenn gar keine Vereinbarung erreicht wurde, wird die letzte Phase des Konkursverfahrens (fase de liquidación) eingeleitet und die Gesellschaft liquidiert.

730 Der Schuldner kann auch schon vor Ablauf der Widerspruchsfristen für Inventar und Gläubigerliste einen sog. antizipierten Vereinbarungsvorschlag unterbreiten. Wird dieser von den Gläubigern, die mindestens die Hälfte aller Forderungen gegen den Konkursschuldner repräsentieren, angenommen, so wird die fase de convenio übersprungen und der Vereinbarung sofortige Rechtswirksamkeit verliehen, Art. 109 Abs. 2 LC. 731 Hier zeigt sich ein weiterer wichtiger Unterschied in der Behandlung privilegierter, subordinierter und sonstiger Forderungen, deren Klassifizierung bereits oben, § 6 I. 2. e), angesprochen wurde. Für die subordinierten Forderungen gilt nämlich grundsätzlich die gleiche Stundungsfrist wie für die sonstigen, sie beginnt aber gemäß Art. 134 Abs. 1 S. 2 LC erst dann zu laufen, wenn die Vereinbarung hinsichtlich der sonstigen Forderungen vollständig erfüllt wurde. Und für die privilegierten Gläubiger gilt die gesamte Vereinbarung nur dann, wenn sie ausdrücklich für diese gestimmt haben, Art. 134 Abs. 2 LC.

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g) Haftungstatbestände Das spanische Recht sieht ein diversifiziertes Instrumentarium an Haftungstatbeständen vor, die teilweise ein schuldhaftes gläubiger- oder gesellschaftsschädigendes Verhalten sanktionieren, teils aber auch, zumeist aus Gläubigerschutzgründen, eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung anordnen. Wie schon bei den vorhergehenden Untersuchungen zum deutschen und französischen Recht sollen nur diejenigen Tatbestände erörtert werden, die im Zusammenhang mit dem Gläubiger- und Kapitalschutz stehen. Die systematische Einteilung der Darstellung richtet sich wiederum nach dem Haftungssubjekt, welches einerseits die Geschäftsführer [aa)], andererseits die Gesellschafter [bb)] sein können. Sofern Haftungssanktionen beide Gruppen betreffen, werden diese zur Vermeidung von Wiederholungen nur einmal im Rahmen der Haftung der Geschäftsführer näher erörtert, unter Hinweis auf den erweiterten persönlichen Anwendungsbereich. aa) Geschäftsführer Die Haftung der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft wird in der spanischen Doktrin nach der Rechtsfolge in zwei Klassen unterteilt: einerseits die Schadensersatzhaftung (responsabilidad por daño), andererseits die Einstandspflicht für Gesellschaftsschulden (responsabilidad por deudas).732 An dieser Klassifizierung orientiert sich die folgende Darstellung, indem zunächst auf die allgemeine Schadensersatzhaftung [(1)], sodann auf diesbezügliche Sondertatbestände [(2)] und schließlich auf diejenigen Vorschriften eingegangen wird, die eine Einstandspflicht für die Gesamtheit oder einen Teil der Gesellschaftsschulden zur Folge haben [(3)]. (1) Allgemeine Schadensersatzhaftung Die allgemeine Regelung zur Schadensersatzhaftung für Geschäftsführungsfehler in der S.L. findet sich in Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Artt. 133 ff. LSA. Die S.L. verfügt also insoweit über kein eigenständiges, von der S.A. abweichendes Haftungsregime. Die Grundnorm des Regimes der Geschäftsführerhaftung ist Art. 133 Abs. 1 LSA.733 Sie ist, ähnlich wie die entsprechende französische Vorschrift des Art. 223-22 C. com., weit gefasst: Die Geschäftsführer haften gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern und den Gesellschaftsgläubigern für alle Schäden, die sie durch Handlungen oder Unterlassungen verursachen, die

732 Vgl. zu dieser systematischen Einteilung der Geschäftsführerhaftung STS 29.12. 2000; Mora/Mora, S. 247 ff. 733 Vgl. Mora/Mora, S. 253: „cláusula general“.

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gegen das Gesetz oder die Statuten oder gegen die Sorgfalt734 verstoßen, die ihnen bei der Ausführung ihres Geschäftsführeramtes obliegt.735 Besonders betont wird, dass nach den allgemeinen Grundsätzen nur solches Verhalten oder Unterlassen des Geschäftsführers zu einer Haftung führt, das für den eingetretenen Schaden adäquat kausal war.736 Auch ein Verschulden des Geschäftsführers in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit ist grundsätzlich erforderlich.737 Trotzdem kommt die Haftung in den Fällen eines Gesetzes- oder Satzungsverstoßes in der gerichtlichen Praxis einer Gefährdungshaftung gleich: Wird dem Geschäftsführer die Verursachung eines Schadens durch gesetzesoder satzungswidriges Verhalten nachgewiesen, so ist seine Haftung praktisch unausweichlich, da sein Verschulden in diesem Fall vermutet wird.738 Lediglich bei sonstigen Sorgfaltspflichtverstößen wird der positive Nachweis eines Verschuldens des Geschäftsführers für nötig gehalten.739 Die Haftungsvoraussetzungen des Art. 133 Abs. 1 LSA sind demnach im rechtstatsächlichen Zugriff die folgenden: erstens ein wegen Gesetzes- oder Satzungsverstoßes objektiv rechtswidriges oder ein schuldhaft sorgfaltswidriges Verhalten des Geschäftsführers, zweitens ein (Vermögens-)Schaden und drittens eine adäquat kausale Verbindung zwischen Verhalten und Schaden.740 Die Rechtsfolge ist Schadensersatz in Form der Naturalrestitution oder eines Wertersatzes in Geld.741

734 Der objektive Sorgfaltsmaßstab ist gemäß Art. 127 Abs. 1 LSA das Verhalten eines ordentlichen Unternehmers (ordenado empresario) und treuen Repräsentanten (representante leal). 735 Gemäß Art. 98 Abs. 1 LSL stellt eine entsprechende Verurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers zum Schadensersatz einen Grund für seinen Ausschluss aus der Gesellschaft dar. 736 Vgl. STS 16.02.2000; 28.06.2000, RJ 2000, 5912; 06.10.2000; 19.04.2001; 20.12.2002; Mora/Mora, S. 254. 737 Vgl. Ávila, Bd. I, S. 537; Mora/Mora, S. 247. Die Geschäftsführerhaftung wurde durch die Aktienrechtsreform von 1989 grundlegend novelliert; insbesondere wurde der Haftungstatbestand in Bezug auf den erforderlichen Verschuldensgrad an die allgemeine zivilrechtliche Haftung gemäß Artt. 1101 CCiv, 156 CCom angepasst, indem die frühere Haftungsbefreiung für leicht fahrlässige Geschäftsführungsfehler abgeschafft wurde. Die Vorgängernorm, Art. 79 LSA 1951, sanktionierte nur böswilliges oder grob fahrlässiges Verhalten oder den Missbrauch der Geschäftsführerstellung. Vgl. dazu Mora/Mora, S. 248; Polo, Art. 133 LSA II.1, S. 287 f. 738 Vgl. STS 23.09.2003; Mora/Mora, S. 248, 256; Polo, Art. 133 LSA II.2, S. 290; kritisch insoweit Ávila, Bd. I, S. 537, dem zufolge die Gerichte zwar einen größeren Spielraum bei der Beurteilung des Verschuldens des Geschäftsführers haben als nach der LSA 1951, aber dennoch auch bei Gesetzes- und Satzungsverstößen das Verschulden feststellen müssen, so dass von einer Gefährdungshaftung nicht gesprochen werden könne. 739 Vgl. STS 23.09.2002; Mora/Mora, S. 256. 740 Vgl. Mora/Mora, S. 256. 741 Vgl. STS 21.09.1999; Mora/Mora, S. 255.

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Gemäß Art. 133 Abs. 1 LSA zum Schadensersatz verpflichtet sind die Geschäftsführer, wobei Art. 133 Abs. 2 LSA ausdrücklich auch faktische Geschäftsführer einbezieht.742 Abs. 3 der Vorschrift ordnet darüber hinaus an, dass für Kollektiventscheidungen eines mehrere Personen umfassenden Geschäftsführungsorgans dessen sämtliche Mitglieder persönlich und solidarisch haften.743 Jedes einzelne Mitglied kann sich allerdings entlasten, indem es nachweist, dass es weder an Beschluss noch Ausführung der schädigenden Maßnahme beteiligt war und nichts von ihr wusste, oder dass es zwar von der Maßnahme wusste, aber sich ihr ausdrücklich widersetzt bzw. alles Angebrachte zur Verhinderung des Schadens unternommen hat.744 Der Umstand, dass die schädigende Maßnahme von der Gesellschafterversammlung beschlossen, autorisiert oder nachträglich genehmigt wurde, führt in keinem Fall zu einer Haftungsbefreiung, Art. 133 Abs. 4 LSA.745 Im Hinblick auf das Verhältnis von Außen- und Innenhaftung ist, ähnlich wie in der französischen Parallelvorschrift, die Formulierung des Art. 133 Abs. 1 LSA auf den ersten Blick irreführend: Die Haftung gegenüber den Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern wird gleichwertig neben der Haftung gegenüber der Gesellschaft genannt. Dass jedoch, wie in den anderen untersuchten Rechtsordnungen auch, die Innenhaftung den Regelfall und die Außenhaftung die Ausnahme darstellt, erhellt sich aus einer näheren Betrachtung der Artt. 134, 135 LSA, die die gerichtliche Geltendmachung der Innenhaftung [(a)] bzw. der Außenhaftung [(b)] regeln.746

742 Allerdings haften faktische Geschäftsführer ausdrücklich nur für aktives Tun, nicht für Unterlassungen, und auch nicht für Verstöße gegen ungeschriebene Geschäftsführungspflichten. 743 Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang anerkannt, dass ein Mitglied eines solchen Kollegialorgans auch dann gemäß Art. 133 Abs. 1 LSA haftet, wenn es in keiner Weise selbst an der schädigenden Maßnahme beteiligt war. Es handelt sich hierbei um eine Haftung „für Schweigen und Nichtstun“ (responsabilidad tácita pasiva). Vgl. STS 28.10.2002. 744 Zur Kritik an der Exkulpationsmöglichkeit vgl. unten, § 6 II. 2. d). 745 Für die Aktiengesellschaft gilt, dass sie durch eine entsprechende vorherige oder nachträgliche Ratifikation der schädigenden Maßnahme seitens der Hauptversammlung auch nicht nach den Grundsätzen des venire contra factum proprium an einer Klage gegen die Geschäftsführer gehindert ist. Zulässig ist aber selbstverständlich ein ausdrücklicher Verzicht der Hauptversammlung auf die Klage. Vgl. näher Polo, Art. 133 LSA IV.2, S. 309 ff. Bei der S.L. ist die Geschäftsleitung jedoch weniger unabhängig von der Gesellschafterversammlung als in der S.A.: Art. 44 Abs. 2 LSL sieht ausdrücklich vor, dass die Gesellschafter den Geschäftsführern bindende Instruktionen geben oder auf deren Antrag bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen autorisieren können. In der S.L. widerspräche eine Schadensersatzklage seitens der Gesellschaft wegen einer zuvor von der Gesellschafterversammlung angeordneten oder autorisierten Maßnahme also dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens und ist deshalb unzulässig. Vgl. Ávila, Bd. I, S. 539. 746 Zu diesem systematischen Zusammenhang zwischen Art. 133 LSA als Anspruchsgrundlage und Artt. 134, 135 LSA als Regelungen der Berechtigung zur gerichtlichen

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(a) Innenhaftung Art. 134 LSA enthält Vorschriften für das gesellschaftsinterne Verfahren im Zusammenhang mit einer Klage der Gesellschaft (acción social) gegen den Geschäftsführer auf Schadensersatz gemäß Art. 133 Abs. 1 LSA. Hierbei gibt Art. 134 Abs. 1 LSA auch das Verhältnis von Innen- und Außenhaftung vor, indem er anordnet: „La acción de responsabilidad contra los administradores se entablará por la sociedad [. . .].“ Der Grundsatz ist also, dass die Gesellschaft selbst den Geschäftsführer in Anspruch nimmt.747 Diese Innenhaftung gemäß Art. 133 Abs. 1 i.V. m. Art. 134 LSA umfasst alle unmittelbaren Schäden am Vermögen der Gesellschaft, ungeachtet der Tatsache, dass diese sich ggf. mittelbar auch als Vermögensschäden der Gesellschafter oder Dritter darstellen.748 Anspruchsberechtigt ist deshalb allein die Gesellschaft, die Rechtsfolge ist immer eine Schadensersatzleistung in das Gesellschaftsvermögen bzw. in die Insolvenzmasse. Dies vorausgesetzt, ist die Formulierung des Art. 133 Abs. 1 LSA tatsächlich irreführend: Die Vorschrift erfasst primär nur Schäden der Gesellschaft, nicht solche der ebenfalls genannten Gesellschafter und Gläubiger. Auf letztere bezieht sich demgegenüber Art. 135 LSA mit seinem Verweis auf das allgemeine Haftungsrecht.749 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Art. 134 Abs. 5 LSA den Gesellschaftsgläubigern ein eigenes Klagerecht einräumt. Voraussetzung dieses – subsidiären, weil ausdrücklich an die Nichterhebung der Klage durch Gesellschaft oder Gesellschafter750 geknüpften751 – Klagerechtes ist nämlich, dass das GesellGeltendmachung („legitimación activa“) der Geschäftsführerhaftung vgl. STS 28.10. 2002; Mora/Mora, S. 248 f., 255. 747 Die Rechtsnatur der Innenhaftung ist in der spanischen Literatur umstritten. Mehrheitlich wird nach wie vor die traditionelle Position vertreten, dass es sich um eine vertragliche Haftung aus dem Schuldverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft handelt. Vgl. Polo, Art. 133 LSA II.4, S. 295. 748 Vgl. STS 26.11.1990; Mora/Mora, S. 248; sowie ausführlich Polo, Art. 133 LSA III.1, S. 287 m.w. N. 749 Vgl. Sánchez, in: FS Girón (1991), S. 903 (908 f.). 750 Art. 134 Abs. 4 LSA räumt den (Minderheits-)Gesellschaftern das Recht zur Klage ein, sofern die Gesellschaft nach einem positiven Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Klageerhebung nicht innerhalb eines Monats tatsächlich klagt oder wenn die Gesellschafterversammlung sich gegen eine Klageerhebung ausgesprochen hat. 751 Diese Subsidiarität ist, trotz der leicht missverständlichen gesetzlichen Formulierung, nach herrschender Meinung nicht dahingehend zu verstehen, dass die Gesellschaftsgläubiger nur Klageberechtigte dritten Grades sind. Dies würde bedeuten, dass sie nur dann klagen dürften, wenn neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter zur Klage berechtigt gewesen wären, aber nicht geklagt haben. Ein Klagerecht der Gläubiger ist jedoch schon dann zu bejahen, wenn die Gesellschaft nicht geklagt hat und die Gesellschafter (noch) nicht zur Klage berechtigt sind, weil eine der Voraussetzungen des Art. 134 Abs. 4 LSA nicht erfüllt ist. Vgl. Polo, Art. 134 LSA V.2, S. 359 f. m.w. N.

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schaftsvermögen infolge des schädigenden Verhaltens des Geschäftsführers nicht mehr ausreicht, um alle Gesellschaftsschulden zu begleichen.752 Der Grund für die Haftung ist also nach wie vor die Minderung des Gesellschaftsvermögens, die unter der genannten Voraussetzung allerdings reflexartig zu einer Schädigung des Vermögens der Gesellschaftsgläubiger führt und diese deshalb ausnahmsweise zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs berechtigt. Die Klage bleibt jedoch auch in diesem Fall eine solche im Interesse der Gesellschaft753 mit dem Ziel der Wiederherstellung von deren Vermögen.754 Die Geltendmachung der Innenhaftung obliegt also primär der Gesellschaft selbst, und nur, wenn diese aus irgendwelchen Gründen ihre eigenen Interessen nicht in ausreichendem Maße verfolgt, können andere, die an der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens ein indirektes Interesse haben, – namentlich die Minderheitsaktionäre und die Gesellschaftsgläubiger – subsidiär an ihre Stelle treten und den Schutz des Gesellschaftsvermögens gerichtlich durchsetzen.755 In der Praxis machen die Gesellschaftsgläubiger jedoch nur sehr selten Gebrauch von ihrem Klagerecht aus Art. 134 Abs. 5 LSA, da der Nachweis des Vorliegens aller KlaFraglich ist aber, wie lange die Gesellschaftsgläubiger im Angesicht der Untätigkeit der vorrangig Klageberechtigten warten müssen, bis sie selbst Klage erheben dürfen, ab welchem Zeitpunkt also dem Subsidiaritätserfordernis Genüge getan ist. Verbreitet wird hier eine Analogie zu der Monatsfrist des Art. 134 Abs. 4 LSA vorgeschlagen, die zu laufen beginnt, sobald die Gesellschafter klagen dürften. Diese Definition des Fristbeginns bereitet jedoch Schwierigkeiten, wenn Gesellschaft und Gesellschafter völlig untätig bleiben, also nicht einmal die Einberufung der Gesellschafterversammlung beantragt wird. In diesem Fall wird deshalb ein sofortiges Klagerecht der Gläubiger befürwortet. Vgl. Polo, Art. 134 LSA V.2, S. 361 ff. 752 Die Gesellschaft muss also überschuldet und damit insolvent sein. Unklar ist, ob die Insolvenz gerichtlich festgestellt sein oder nur faktisch gegeben sein muss. Die spanische Literatur tendiert dazu, zumindest einen vorherigen erfolglosen Versuch des betreffenden Gläubigers zu verlangen, die Begleichung seiner Forderung durch Klage und Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen zu erreichen. Stellt sich im Zuge der Zwangsvollstreckung das Gesellschaftsvermögen als unzureichend heraus, so ist die individuelle Erhebung der acción social gegen den Geschäftsführer gemäß Art. 134 Abs. 5 LSA eröffnet. Nicht erforderlich ist also eine gerichtliche Insolvenzerklärung (declaración de quiebra). Vgl. näher Polo, Art. 134 LSA V.1, S. 358. 753 Vgl. die Formulierung in Art. 134 Abs. 4 LSA zum Klagerecht der Gesellschafter: Die Gesellschafter können Klage erheben „en defensa del interés social“. 754 Dies war vor der Reform von 1989 ausdrücklich für die Klage der Gesellschaftsgläubiger angeordnet. Der entsprechende Passus wurde nur deshalb gestrichen, weil er als überflüssig erachtet wurde, da die Klage aus Art. 133 Abs. 1 i.V. m. Art. 134 LSA immer auf Schadensersatz zugunsten der Gesellschaft gerichtet sei, unabhängig davon, wer sie erhebt. Vgl. Polo, Art. 134 LSA V, S. 355. 755 Diese Darstellung entspricht, soweit ersichtlich, der herrschenden Auffassung im spanischen Schrifttum, ist jedoch nicht unbestritten. Teilweise wird die Vorschrift des Art. 134 Abs. 4, 5 LSA nicht als bloße Erstreckung des Rechts zur gerichtlichen Geltendmachung des Schadensersatzanspruches der Gesellschaft angesehen. Vielmehr erhebe sie die Gesellschaftsgläubiger zu subsidiären oder sogar gleichberechtigten Anspruchsinhabern neben der Gesellschaft. Vgl. die Nachweise bei Polo, Art. 133 LSA III.1, S. 298 f.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

gevoraussetzungen häufig aufwendig ist und bei Obsiegen die Schadensersatzleistung nicht unmittelbar an den klagenden Gläubiger sondern in das Gesellschaftsvermögen fließt. Die Gläubiger bevorzugen deshalb den direkten Weg einer Klage gemäß Art. 135 LSA.756 Der systematische Zusammenhang der Artt. 133 ff. LSA lässt sich also dergestalt umreißen, dass Art. 133 LSA die spezielle Anspruchsgrundlage für die Haftung der Geschäftsführer enthält, die sich primär auf die Innenhaftung bezieht, Art. 134 LSA die Berechtigung zur gerichtlichen Geltendmachung dieser Innenhaftung regelt und Art. 135 LSA klarstellt, dass daneben auch Raum verbleibt für Klagen der Gesellschafter oder Dritter gegen die Geschäftsführer nach allgemeinem Haftungsrecht auf Ersatz von Schäden, die diese ihnen unmittelbar zugefügt haben. (b) Außenhaftung Die eigentliche Außenhaftung der Geschäftsführer richtet sich nach dem bisher Gesagten nach Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Art. 135 LSA. Gemäß Art. 135 LSA bleiben Ansprüche der Gesellschafter sowie Dritter757 gegen die Geschäftsführer auf Ersatz des Schadens, den diese ihnen unmittelbar an ihrem persönlichen Vermögen zugefügt haben758, von der Innenhaftung gemäß Art. 133 Abs. 1 i.V. m. Art. 134 LSA unberührt.759 Der Unterschied zwischen den Schadensersatzklagen gemäß Art. 134 LSA (acción social) und Art. 135 LSA (acción individual) liegt also, anders als dies die jeweilige Bezeichnung nahe legen könnte, nicht darin, wer die Klage geltend macht – denn dies ist im Falle der acción social nicht unbedingt die Gesellschaft selbst760 –, sondern darin, wessen Vermögensinteressen sie unmittelbar schützt: hier die der Gesellschaft, dort die einzelner Gesellschafter oder Dritter.761 Folge einer erfolgreichen acción social ist dementspre756

Vgl. Ávila, Bd. I, S. 543. Näher zu Art. 135 LSA sogleich, § 6 I. 2. g) aa) (1) (b). Mora/Mora, S. 250, verweisen auf die Besonderheit, dass das Gesetz grundsätzlich im Zusammenhang mit der Geschäftsführerhaftung, wie z. B. auch in Art. 133 Abs. 1 LSA, von Aktionären (accionistas) und Gesellschaftsgläubigern (acreedores) spricht, im Rahmen des Art. 135 LSA aber von Gesellschaftern (socios) und Dritten (terceros). Sie schließen daraus, dass Gesellschaftsgläubiger nur aus Art. 135 LSA gegen die Geschäftsführer vorgehen können, wenn sie dies nicht als Gläubiger, sondern als Dritte tun, wenn also ihr geltend gemachter Schaden nicht in einer Beeinträchtigung ihrer Forderung gegen die Gesellschaft, sondern an ihrem sonstigen Vermögen besteht. 758 Vgl. STS 12.04.1989. 759 Vgl. die Formulierung des Art. 135 LSA: „No obstante lo dispuesto en los artículos precedentes [. . .]“ Ebenso Polo, Art. 135 LSA II.1, S. 376. 760 Vgl. oben, § 6 I. 2. g) aa) (1) (a). 761 Vgl. Mora/Mora, S. 250. Mittelbar schützt auch die acción social die Vermögensinteressen der Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger, da der Schutz des Gesellschaftsvermögens indirekt auch ihnen zugute kommt. Vgl. Polo, Art. 135 LSA I.1, S. 371. 757

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chend eine Zahlung in das Gesellschaftsvermögen, bei der acción individual hingegen eine Leistung an den geschädigten Gesellschafter oder Dritten selbst. Ein weiterer Unterschied besteht in der Rechtsnatur der Haftung: Die Innenhaftung gemäß Artt. 133, 134 LSA ist nach überwiegender Auffassung vertraglicher Natur, da sie ihren Ursprung in der vertraglichen bzw. organschaftlichen Verbindung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer hat, während die Außenhaftung des Art. 135 LSA vertraglicher oder außervertraglicher Natur sein kann, je nach der Art der schädigenden Handlung und des daraus resultierenden Schadens.762 Wenn aber Art. 135 LSA nur klarstellt, dass Klagen der Gesellschafter oder Dritter auf Ersatz ihrer eigenen, unmittelbaren Vermögensschäden unabhängig davon sind, ob die Innenhaftung gemäß Artt. 133, 134 LSA eingreift, so stellt sich die Frage nach den Tatbestandsvoraussetzungen der Außenhaftung.763 Art. 135 LSA wird insoweit als Verweisung auf die allgemeinen Regeln des Haftungsrechts interpretiert764, insbesondere auf die deliktische Generalklausel des Art. 1902 CCiv765, der zufolge jedermann für Schäden Ersatz zu leisten hat, die er einem anderen durch eine pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung vorsätzlich oder fahrlässig zugefügt hat.766 Zur Ausfüllung dieser Generalklausel wird verbreitet auf die Kriterien des Art. 133 Abs. 1 LSA als spezieller Anspruchsgrundlage für die Haftung der Geschäftsführer zurückgegriffen.767 Voraussetzung der Außenhaftung ist somit eine gesetzes-, satzungs- oder sonst sorgfaltswidrige Handlung oder Unterlassung des Geschäftsführers, die dem anspruchstellenden Gesellschafter oder Dritten persönlich in adäquat kausaler Weise768 unmittelbar einen Vermögensschaden zugefügt hat, wobei dem Geschäftsführer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fallen muss. Diesen Schaden kann der Betroffene dann gemäß Art. 135 LSA unabhängig von den Voraussetzungen der Innenhaftung gerichtlich geltend machen. Die weitere tatbestandliche Konkretisierung bereitet jedoch Schwierigkeiten und ist in der spanischen Literatur dementsprechend umstritten. Insbesondere ist fraglich, welche Art von Handlungen der Geschäftsführer ihre persönliche Außenhaftung auslösen kann. Denn grundsätzlich werden Handlungen der Gesell762

Vgl. Polo, Art. 135 LSA I.1, S. 372. Näher sogleich, in diesem Abschnitt. Art. 135 LSA betrifft zwar nicht nur die eigentliche Außenhaftung, nämlich gegenüber gesellschaftsfremden Dritten, sondern auch Ansprüche der Gesellschafter, doch wird im Folgenden der Einfachheit halber der Terminus „Außenhaftung“ verwendet. 764 Vgl. Sánchez, in: FS Girón (1991), S. 903 (909). 765 Vgl. Mora/Mora, S. 250. 766 Vgl. STS 26.11.1990; 11.10.1991; 25.11.2002. 767 Allerdings ist dafür ein Rückgriff auf Art. 133 LSA nicht notwendig, da sich die gleichen Kriterien auch nach allgemeinem Haftungsrecht ergeben. Eine direkte Anwendung des Art. 133 LSA i.R. d. Art. 135 LSA wird aufgrund des Wortlautes der letzteren Vorschrift („No obstante lo dispuesto en los artículos precedentes . . .“) ohnehin in der Regel abgelehnt. Vgl. Polo, Art. 135 LSA II.1, S. 377 f. 768 Vgl. STS 28.06.2000, RJ 2000, 5912. 763

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schaftsorgane der Gesellschaft selbst zugerechnet, sofern sie mit der Organstellung in Zusammenhang stehen. Die Gesellschaft ist also in der Regel im Außenverhältnis Dritten gegenüber allein und ausschließlich für Handlungen verantwortlich, die ihre Organe in ihrem Namen vornehmen. Für einen Regress der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer im Innenverhältnis für von ihr an Dritte geleisteten Schadensersatz steht ihr die Klage gemäß Artt. 133, 134 LSA zur Verfügung. Art. 135 LSA muss demnach andere als die genannten Organhandlungen der Geschäftsführer im Auge haben, um eine direkte Außenhaftung derselben zu begründen.769 Die Differenzierung nach der Art der schädigenden Handlung wird von einem bedeutenden Teil der (insbesondere älteren) rechtswissenschaftlichen Literatur dergestalt vorgenommen, dass die Geschäftsführer gemäß Art. 135 LSA den Gesellschaftern und Dritten gegenüber nur für solche Handlungen persönlich haften, bei deren Vornahme sie zwar das Amt des Geschäftsführers innehaben, ohne aber in ihrer Funktion als Gesellschaftsorgan zu handeln und damit die Haftung der Gesellschaft selbst auszulösen; für Handlungen also, die außerhalb der organschaftlichen Beziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer liegen und sich als rein persönliche Handlungen des Geschäftsführers darstellen.770 Das Kriterium der „Organschaftlichkeit“ (organicidad) der Handlung versagt jedoch in vielen Fällen. So können Organhandlungen, die sich innerhalb der Gesellschaft abspielen und damit nicht in den Bereich der Zurechnung von Organhandlungen im Außenverhältnis fallen, dennoch Dritte unmittelbar schädigen und deshalb eine persönliche Außenhaftung des Geschäftsführers rechtfertigen.771 Noch weniger überzeugend erscheint die Differenzierung in Fällen einer Schädigung einzelner Gesellschafter, sofern es um die Verletzung von Rechten geht, die gerade aus der Gesellschafterstellung resultieren.772 Denn solche Rechte kann der Geschäftsführer in der Regel nur in seiner Funktion als Organ verletzen, und dennoch muss er für die Schäden persönlich haften und nicht die Gesellschaft. Die (inzwischen) wohl herrschende Ansicht will deshalb danach differenzieren, ob der Geschäftsführer bei seiner Handlung die Gesellschaft nach außen repräsentiert hat oder nicht. Handelt er als Repräsentant der Gesellschaft, so haftet 769 Vgl. Polo, Art. 135 LSA I.2, S. 372 f. Zur Parallelproblematik in Frankreich und der Lösung über die Rechtsfigur der „faute détachable“ s. oben, § 5 I. 2. g) aa). 770 Vgl. Polo, Art. 135 LSA I.2, S. 373 m.w. N. Diese Ansicht ähnelt im Ergebnis der französischen Rechtsprechung zur „faute détachable“. Ávila, Bd. I, S. 544, verweist zu ihrer Begründung auf die Stellvertretungsvorschriften der Artt. 1717, 1725 CCiv, die analog herangezogen werden könnten, wenn man die organschaftliche Beziehung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft als eine Art Stellvertretung verstehe. 771 Genannt wird hier insbesondere das Aufstellen einer falschen Bilanz, vgl. Polo, Art. 135 LSA I.2, S. 374. 772 Polo, Art. 135 LSA I.2, S. 374, nennt hier beispielhaft für die Aktiengesellschaft eine Beeinträchtigung der Verwaltungsrechte des Aktionärs in der Hauptversammlung oder die Versagung eines Bezugsrechtes.

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nur diese, selbst wenn er aus dem Innenverhältnis resultierende Beschränkungen der Vertretungsmacht im Außenverhältnis überschreitet.773 In allen anderen Fällen, wenn der Geschäftsführer also als Privatperson handelt oder aber in seiner Organfunktion Handlungen vornimmt, die nicht der Repräsentation nach außen sondern nur der internen Geschäftsführung dienen774, haftet er den Gesellschaftern und Dritten persönlich gemäß Art. 135 LSA für alle aus einer schuldhaften Pflichtverletzung resultierenden Schäden.775 Die persönliche Außenhaftung des Geschäftsführers ist in Spanien insoweit schärfer als in Deutschland und Frankreich, da sie auch in bestimmten Fällen organschaftlichen Handelns eingreift. Die Rechtsnatur dieser Haftung ist dabei unterschiedlich zu beurteilen. Die Haftung gegenüber gesellschaftsfremden Dritten ist immer eine außervertragliche.776 Gegenüber den Gesellschaftern wird differenziert, und hier spielt die „organicidad“ der Handlung doch noch eine Rolle: Hat der Geschäftsführer den Schaden durch eine Handlung verursacht, die der Sphäre seiner organschaftlichen Kompetenzen zuzuordnen ist, so ist seine persönliche Haftung aus Art. 135 LSA vertraglicher Natur, da sie aus der (vertraglichen) Organbeziehung im Innenverhältnis resultiert. Liegt die Handlung außerhalb dieser Sphäre, hat der Geschäftsführer also als Privatperson gehandelt, so ist die Haftung, wie gegenüber gesellschaftsfremden Dritten, eine deliktische.777 Die Frage nach der Rechtsnatur ist hauptsächlich deshalb relevant, weil sich aus ihr ableiten lässt, welchen Grundsätzen die Haftung unterliegt, insbesondere, ob mehrere Geschäftsführer nach den allgemeinen Prinzipien der Deliktshaftung aus Art. 1902 CCiv unabhängig voneinander nur für ihren Anteil am Gesamtschaden haften, oder ob die solidarische Haftung gemäß der Sondervorschrift des Art. 133 Abs. 3 LSA greift. Im Ergebnis ist letzteres nur für die Haftung der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern für organschaftliches Verhalten anzunehmen, im Übrigen greifen die allgemeinen Grundsätze.778 Ebenfalls nach der Rechtsnatur der Haftung richtet sich die anwendbare Verjährungsfrist.779 773 Vgl. Art. 129 Abs. 1 S. 2 LSA, dem zufolge jedwede Beschränkung der Vertretungsmacht Dritten gegenüber unwirksam ist, selbst wenn sie im Handelsregister eingetragen ist. 774 Vgl. Polo, Art. 135 LSA I.2, S. 375: „actos de gestión y no de representación“. 775 Vgl. Polo, Art. 135 LSA I.2, S. 373 ff. 776 Vgl. Mora/Mora, S. 250. Eine vertragliche Haftung des Geschäftsführers gemäß Art. 135 LSA ist gegenüber Dritten nicht denkbar, da es insoweit nur um Handlungen gehen kann, durch die der Geschäftsführer vertragliche Pflichten der Gesellschaft verletzt. Wird er aber im Rahmen solcher Pflichten tätig, sind seine Handlungen der Gesellschaft zurechenbar. Zur Erfüllung seiner eigenen, persönlichen vertraglichen Verpflichtungen ist er unabhängig von seiner Geschäftsführerstellung verpflichtet, Art. 135 LSA ist insoweit nicht anwendbar. 777 Vgl. Polo, Art. 135 LSA I.2, S. 375 f. 778 Die Formulierung des Art. 135 LSA („No obstante lo dispuesto en los artículos precedentes . . .“) spricht zwar eher gegen eine auch nur teilweise Anwendung des

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(2) Sondertatbestände Neben der allgemeinen Schadensersatzhaftung sieht das Gesetz diverse Haftungstatbestände für Verstöße der Geschäftsführer gegen spezifische Einzelpflichten vor. Bevor ein Überblick über diese gegeben wird [(b)], ist kurz von der Sonderfrage der Haftung in der in Gründung befindlichen Gesellschaft zu handeln [(a)]. (a) Haftung in der Vorgesellschaft Für die Geschäftsführer einer in Gründung befindlichen, noch nicht eingetragenen Gesellschaft (sociedad en formación)780 ordnet Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 15 Abs. 1 LSA eine dem § 11 Abs. 2 GmbHG vergleichbare Handelndenhaftung an.781 Unklar und umstritten ist, auf welchen Zeitraum sich die Vorschrift bezieht782: Art. 15 Abs. 1 LSA stellt nur auf die noch fehlende Eintragung ab, präzisiert aber nicht, ob die Haftung schon vor oder erst nach der Errichtung der Gesellschaft durch Aufsetzen der notariellen Gründungsdokumente (escritura pública) eingreift. Die wohl überwiegende Ansicht nimmt letzteres an, so dass die sociedad en formación nur in dem durch Art. 11 Abs. 1 LSL umrissenen ZeitArt. 133 LSA, doch ist die Haftung gegenüber Gesellschaftern aufgrund organschaftlichen Verhaltens gleichen Ursprungs wie die Innenhaftung gemäß Art. 133 LSA: Beide beruhen auf den vertraglichen Bindungen zwischen der Gesellschaft und ihrem Organ. Aus diesem Grund wird eine Anwendbarkeit des Art. 133 Abs. 3 LSA im Rahmen des Art. 135 LSA insoweit nach verbreiteter, aber nicht unbestrittener Auffassung für angebracht gehalten, vgl. Polo, Art. 135 LSA II.1, S. 378. 779 In Betracht kommen insofern die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften der Artt. 1964 (allgemeine Verjährungsfrist, 15 Jahre) und 1968, 2. Alt. CCiv (Verjährung deliktischer Ansprüche aus Art. 1902 CCiv, ein Jahr) sowie die spezielle handelsrechtliche Vorschrift des Art. 949 CCom (Verjährung der Geschäftsführerhaftung, vier Jahre). Die h. L. in der spanischen Literatur will Art. 1968, 2. Alt. CCiv anwenden, da Art. 135 LSA ein Unterfall der allgemeinen deliktischen Haftung aus Art. 1902 CCiv sei. Die Rechtsprechung hält dagegen Art. 949 CCom als lex specialis für vorrangig, da es um eine spezifisch handelsrechtliche Haftung gehe. Vgl. STS 30.11.2001; Mora/Mora, S. 258 f. 780 Diese muss von der fehlerhaften Gesellschaft i. S. d. Art. 16 LSA unterschieden werden. Bei beiden handelt es sich um noch nicht eingetragene Gesellschaften. Die Vorgesellschaft setzt jedoch voraus, dass die Eintragung noch angestrebt und später auch beantragt wird. Fehlerhaft ist die Gesellschaft hingegen, wenn den Gesellschaftern nachweislich der Wille zur Eintragung fehlt oder wenn ein Jahr seit Errichtung der Gesellschaft vergangen ist, ohne dass die Eintragung beantragt wurde. 781 Art. 15 LSA wurde erst im Zuge der Reform von 1989 in die LSA eingefügt. Seither erkennt der spanische Gesetzgeber explizit die Vorgesellschaft als eigenständige, (zumindest teilweise) rechtsfähige korporative Entität an. Nach altem Recht wurden die Beziehungen der Gesellschafter untereinander und zu Dritten vor der Eintragung nur aus einem vertraglichen und nicht aus einem korporativen Blickwinkel betrachtet, vgl. Bercovitz/Rodríguez, S. 123. 782 Vgl. die Nachweise für beide Ansichten und die Argumente bei Bercovitz/Rodríguez, S. 124 f.

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raum zwischen Errichtung des Gründungsvertrages und der Erlangung der Rechtspersönlichkeit durch Eintragung im Handelsregister existiert.783 Sie entspricht insoweit der deutschen Vorgesellschaft. Für alle während dieser Gründungsphase im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen und abgeschlossenen Verträge haften die Handelnden persönlich und solidarisch, sofern die Geschäfte nicht unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung bzw. ihrer späteren Übernahme durch die eingetragene Gesellschaft standen. Die Haftung umfasst sowohl Verträge im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft als auch Rechtsgeschäfte, die auf den Abschluss der Gründungsprozedur, insbesondere die Eintragung, hinwirken.784 Eine dreifache Ausnahme von dieser Haftung ist allerdings in Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 15 Abs. 2 S. 1 LSA vorgesehen: Für die Rechtsgeschäfte und Verträge, die (1) für die Eintragung der Gesellschaft notwendig sind oder (2) die die Geschäftsführer im Rahmen der ihnen durch die Gründungsvereinbarungen ausdrücklich für die Phase vor der Eintragung zugewiesenen Befugnisse abschließen, sowie (3) für diejenigen Geschäfte, für die die Gesellschafter einstimmig bestimmten Personen einen konkreten Auftrag erteilt haben, haftet die Vorgesellschaft selbst mit ihrem Vermögen, das sich aus den bereits erbrachten Einlageleistungen zusammensetzt.785 Die daraus resultierenden Verpflichtungen werden von der später eingetragenen Gesellschaft automatisch übernommen, während dies bei allen übrigen Verpflichtungen aus der Phase der Vorgesellschaft nur dann der Fall ist, wenn die Gesellschaft innerhalb von drei Monaten ab der Eintragung deren Übernahme erklärt, Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 15 Abs. 3 S. 1 LSA.786 Mit der (gesetzlichen oder gewillkürten) Übernahme der Verbindlichkeiten durch die eingetragene Gesellschaft erlischt gemäß Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 15 Abs. 3 S. 1 LSA in jedem Fall die Handelndenhaftung aus Art. 15 Abs. 1 LSA, im Übrigen bleibt sie bestehen. (b) Spezifische Geschäftsführungsfehler Um die Zeitspanne zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft möglichst kurz zu halten, sieht Art. 15 Abs. 1 LSL eine Höchstfrist von zwei Monaten 783 Vor der notariellen Errichtung der Gründungsdokumente können gemäß Art. 14 Abs. 1 LSL ohnehin keine Geschäfte im Namen der Gesellschaft getätigt werden. Die genannte Vorschrift legt diesen Zeitpunkt als frühestmöglichen Beginn der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft fest, sofern es sich um eine neu gegründete Gesellschaft handelt. 784 Vgl. Bercovitz/Rodríguez, S. 125. 785 Im Umkehrschluss ergibt sich aus dieser Regelung, dass gemäß Art. 15 Abs. 1 LSA grundsätzlich nur die Handelnden persönlich haften und nicht neben ihnen auch die Vorgesellschaft, vgl. Bercovitz/Rodríguez, S. 126. 786 Die Übernahme kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und liegt in der Zuständigkeit der Geschäftsführer, vgl. Bercovitz/Rodríguez, S. 128.

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vor, innerhalb derer die notariellen Gründungsdokumente dem Handelsregister zur Eintragung vorzulegen sind. Wird diese Frist nicht eingehalten, so haften die Gründungsgesellschafter gemeinsam mit den Geschäftsführern solidarisch für die daraus entstandenen Schäden, Art. 15 Abs. 2 LSL.787 Auf die Differenzhaftung der Geschäftsführer für die Falschbewertung von Sacheinlagen im Rahmen einer Kapitalerhöhung gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 2 LSL wurde bereits oben788 hingewiesen. Ebenso wurde schon zuvor erwähnt, dass der originäre Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft gemäß Art. 39 Abs. 1 LSL untersagt ist.789 Wird ein solcher Erwerb durch einen Strohmann der Gesellschaft getätigt, so haften die Geschäftsführer und die Gründer gemäß Art. 39 Abs. 2 LSL solidarisch für die Rückerstattung der Anteile. Allerdings ist gemäß Art. 39 Abs. 3 LSL von der Haftung befreit, wer nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Über die genannte Haftung hinaus werden die Geschäftsführer generell bei Verstößen gegen das Regime des derivativen Erwerbs eigener Anteile gemäß Art. 42 Abs. 1 LSL mit einer Geldstrafe bei bis zur Höhe des Nennwertes der betroffenen Anteile bestraft. (3) Einstandspflicht für Gesellschaftsschulden Führt schuldhaftes Fehlverhalten der Geschäftsführer grundsätzlich zu einer Schadensersatzverpflichtung, so kann es doch auch in besonderen Fällen eine Pflicht zum persönlichen Einstehen für die Gesamtheit oder einen Teil der Gesellschaftsschulden nach sich ziehen. Eine solche ist in Frankreich in Art. L. 651-2 C. com. generalklauselartig vorgesehen, allerdings an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geknüpft.790 In Spanien ist sie als Ausnahmefall nur in drei speziellen Vorschriften angeordnet. Zunächst ist hier Art. 172 Abs. 3 LC zu nennen, der ebenfalls nur im Rahmen des Konkursverfahrens Anwendung findet. Wird der Konkurs bei der Eröffnung der Liquidationsphase als schuldhafter qualifiziert791, so kann das zuständige Gericht gleichzeitig mit dieser Qualifikation bestimmen, dass die offiziellen und faktischen Geschäftsführer und Liquidatoren sowie all diejenigen, die eine solche Stellung innerhalb der der Konkurserklärung 787 Unklarheiten bestehen hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereiches dieser Haftung. So wird vertreten, dass mit „fundadores“ nicht alle Gründungsgesellschafter gemeint seien, sondern nur diejenigen, die in irgendeiner Weise für die Bewirkung der Eintragung verantwortlich sind. Für eine solche Einschränkung wird angeführt, dass es sich zwar um eine allgemeine gesetzliche Haftung handele, deren Grundlage jedoch ein bestimmtes pflichtwidriges Unterlassen sei, das nur bei demjenigen sanktioniert werden könne, den auch eine entsprechende Handlungspflicht traf. Zur Geltendmachung der Haftung sind jedenfalls neben den geschädigten (übrigen) Gesellschaftern auch die Gesellschaft selbst und Dritte befugt. Vgl. insgesamt Mora/Mora, S. 84. 788 § 6 I. 2. c). 789 § 6 I. 2. c). 790 Vgl. oben, § 5 I. 2. g) aa). 791 Vgl. dazu oben, § 6 I. 2. f).

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vorausgehenden zwei Jahre innehatten, den Konkursgläubigern unmittelbar für ihren gesamten Ausfallbetrag oder einen Teil davon haften. Wie hoch eine bloß anteilige Haftung ausfällt, liegt im Ermessen des Gerichts. Auch außerhalb dieser insolvenzrechtlichen Ausfallhaftung müssen die Geschäftsführer im Falle von Fehlverhalten eine Einstandspflicht für zumindest einen Teil der Gesellschaftsschulden gewärtigen: Art. 105 Abs. 5 LSL, auf den bereits hingewiesen wurde792, betrifft Pflichtverletzungen der Geschäftsführer im Zusammenhang mit einer gesetzlich angeordneten Auflösung der Gesellschaft, z. B. im Fall des Absinkens des Aktivvermögens unter die Hälfte der Stammkapitalziffer. Berufen die Geschäftsführer nicht fristgerecht die Gesellschafterversammlung ein, damit sie die Auflösung beschließen kann, oder versäumen sie es, in Abwesenheit eines Auflösungsbeschlusses die gerichtliche Auflösung oder die Einleitung des Konkursverfahrens selbst zu beantragen, so haften sie solidarisch für alle Gesellschaftsschulden, die nach Eintritt des gesetzlichen Auflösungsgrundes entstanden sind.793 Dieser Haftungstatbestand erfreut sich reger Anwendung in der Praxis und leistet somit rechtstatsächlich einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Gläubiger von Gesellschaften, die in erhebliche wirtschaftliche Schieflage geraten sind.794 In der Rechtsfolge noch weiter geht die Haftung gemäß Art. 108 Abs. 2 S. 1 LSL. Die Vorschrift ordnet eine persönliche und solidarische Haftung der Geschäftsführer neben der Gesellschaft für die Gesamtheit der Gesellschaftsschulden an. Sie greift dann ein, wenn die Gesellschaft zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht ihr Kapital auf einen Betrag unterhalb der gesetzlichen Untergrenze 792

Vgl. oben, § 6 I. 2. d). Jüngst hat der Gesetzgeber im Rahmen der Ley 19/2005 vom 14.11.2005, BOE vom 15.11.2005, diese Haftung noch verschärft durch Einfügung einer Beweislastumkehr in Art. 105 Abs. 5 S. 2 LSL. Seither gelten alle Schulden der Gesellschaft als nach Eintritt des Auflösungsgrundes entstanden, sofern nicht die Geschäftsführer das Gegenteil beweisen. 794 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 85; Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (691). Umfangreiche Nachweise aus Rechtsprechung und Literatur bei Rojo, S. 1437 ff. Der spanische Oberste Gerichtshof hat allerdings in einer bemerkenswerten jüngeren Entscheidung die Haftung der Geschäftsführer gemäß Art. 105 Abs. 5 LSL eingeschränkt: Der Gläubiger muss demnach bei der Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 105 Abs. 5 LSL das Gebot von Treu und Glauben gemäß Art. 7 Abs. 1 CCiv beachten. Zwar treffe ihn im Interesse eines reibungslosen Geschäftsverkehrs keine allgemeine Pflicht, sich durch Einsichtnahme in die Bilanzen der Gesellschaft beim Handelsregister ein Bild von deren Vermögenssituation zu machen. Wenn aber qualifizierte Indizien für Solvenzprobleme der Gesellschaft vorlägen, gebiete es die kaufmännische Vernunft, nachzuforschen oder sich abzusichern und nicht im Vertrauen auf die Haftung des Art. 105 Abs. 5 LSL weiter vorbehaltlos Geschäfte mit der Gesellschaft zu machen. Tue der Gläubiger dies dennoch, so handele er treuwidrig und könne deshalb für den Anteil seiner Forderungen, der nach dem Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Solvenzprobleme entstanden ist, keinen Ersatz vom Geschäftsführer verlangen. Vgl. STS 12.02. 2003. 793

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

reduziert hat und nicht innerhalb eines Jahres seit dem entsprechenden Gesellschafterbeschluss (Art. 108 Abs. 1 LSL) die Umwandlung oder Auflösung der Gesellschaft oder eine Erhöhung des Kapitals auf mindestens diese Untergrenze eingetragen wurde. Die Schärfe der Sanktion ist der konzeptionell tragenden Rolle des Stammkapitals für den Gläubigerschutz in Abwesenheit persönlich haftender natürlicher Personen geschuldet und zeigt, welche Bedeutung der spanische Gesetzgeber dem Mindestkapital beimisst. bb) Gesellschafter Zu den grundlegenden Wesensmerkmalen der S.L. gehört, entsprechend der Rechtslage in Deutschland und Frankreich, die Haftungsbefreiung der Gesellschafter, Art. 1 LSL. Genauso gehört es jedoch zu deren unabdingbaren Pflichten, das Stammkapital der Gesellschaft aufzubringen und während der gesamten Lebensdauer derselben unangetastet zu lassen. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter kann sich deshalb vor allem dann ergeben, wenn sie gegen dieses absolute Grundprinzip des Kapitalschutzes verstoßen [(1)]. Hinzu kommen bestimmte Pflichtverletzungen und Sonderkonstellationen, aus denen eine Zahlungspflicht der Gesellschafter resultieren kann [(2)]. (1) Verstöße gegen das Kapitalschutzprinzip Die Vorschrift des Art. 17 Abs. 3 LSL dient zunächst dazu, die vollständige Aufbringung des Stammkapitals auch dann sicherzustellen, wenn die Gesellschaft nichtig ist und deshalb liquidiert wird. Sie ordnet eine Verpflichtung der Gesellschafter zur Erfüllung noch offener Einlageforderungen an, wenn die Gesellschaft trotz nicht vollständig geleisteter Einlagen eingetragen und später deshalb gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) LSL gerichtlich für nichtig erklärt wurde. Diese Verpflichtung muss im Zusammenhang mit den übrigen Absätzen des Art. 17 LSL betrachtet werden, die vorsehen, dass die gerichtliche Nichtigkeitserklärung die Liquidation der Gesellschaft eröffnet (Abs. 1), wobei die bestehenden Ansprüche und Verpflichtungen Dritten gegenüber unberührt bleiben (Abs. 2). Die vollständige Leistung aller geschuldeten Einlagen ist also auch nachträglich zum Schutze der Gläubiger erforderlich, die im Vertrauen auf die Eintragung der Gesellschaft mit dieser Geschäfte gemacht haben. Das Kapitalaufbringungsrecht der S.L. sieht daneben noch andere Haftungstatbestände vor, die insbesondere die Werthaltigkeit von Sacheinlagen sicherstellen sollen. So haftet der Inferent einer Sacheinlage für deren Mangelfreiheit grundsätzlich wie ein Verkäufer, Art. 20 Abs. 2 LSL i.V. m. Art. 39 LSA.795 Außerdem haften die Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und Dritten für die reale 795

Vgl. oben, § 6 I. 2. c).

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Erbringung und richtige Bewertung von Sacheinlagen, Art. 21 Abs. 1 S. 1 LSL.796 Ebenfalls der Sicherung der Kapitalaufbringung dient die Haftung der Gründer im Falle eines Erwerbs eigener Anteile durch die Gesellschaft über zwischengeschaltete Strohmänner, Art. 39 Abs. 2 LSL.797 Den Kapitalschutz im Falle einer Kapitalherabsetzung bezweckt die Haftung aus Art. 80 Abs. 1 LSL. Die Vorschrift ordnet für eine Kapitalherabsetzung zur Rückerstattung von Einlagen798, die also nicht lediglich der Anpassung der Stammkapitalziffer an bereits erlittene Verluste dient, an, dass diejenigen Gesellschafter, die ihre Einlagen ganz oder teilweise zurückerhalten haben, solidarisch untereinander und gemeinsam mit der Gesellschaft gegenüber Dritten für alle Gesellschaftsschulden einzustehen haben, die entstanden sind, bevor die Kapitalherabsetzung nach außen wirksam geworden ist.799 Es haften demnach nicht alle Gesellschafter, anders als z. B. im Falle einer Überbewertung von Sacheinlagen gemäß Art. 21 LSL. Seine Rechtfertigung findet dieser Umstand darin, dass der Grund für die Haftung in Art. 21 LSL der fehlerhafte Bewertungsbeschluss ist, wie sich aus der Haftungsbefreiung des widersprechenden Gesellschafters gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 3 LSL schließen lässt, während die Haftung gemäß Art. 80 Abs. 1 LSL an die tatsächlich zurück empfangenen Einlageleistungen anknüpft. Deshalb kann ein Gesellschafter sich auch nicht allein dadurch von der Haftung gemäß Art. 80 Abs. 1 LSL befreien, dass er seinen Widerspruch gegen die Kapitalreduktion zu Protokoll gibt; er muss vielmehr auch die Annahme der Rückerstattung verweigern.800 Die logische Konsequenz des genannten Haftungsgrundes des Art. 80 Abs. 1 LSL ist, dass die Haftung jedes einzelnen Gesellschafters gemäß Art. 80 Abs. 2 LSL der Höhe nach begrenzt ist auf den Betrag dessen, was er selbst im Zuge der Kapitalherabsetzung von der Gesellschaft ausgezahlt bekommen hat.801 Diese 796

Vgl. oben, § 6 I. 2. c). Vgl. oben, § 6 I. 2. c) und § 6 I. 2. g) aa) (2) (b). 798 Die Vorschrift gilt gemäß Art. 103 Abs. 1 LSL auch für Gesellschafter, die aus der Gesellschaft ausgetreten sind oder ausgeschlossen wurden und dementsprechend den Gegenwert ihrer Anteile ausbezahlt bekommen haben. 799 Erfasst werden demnach in Anwendung des Art. 21 CCom, der mit § 15 HGB vergleichbar ist, alle Gesellschaftsschulden, die durch Rechtsgeschäft mit gutgläubigen Dritten vor der Veröffentlichung der Kapitalreduktion im BORME (Boletín Oficial del Registro Mercantil) entstanden sind. Das gleiche gilt für Schulden, die innerhalb von 15 Tagen nach der Veröffentlichung entstanden sind, sofern der Gläubiger beweist, dass er nicht von der Kapitalreduktion wissen konnte (Art. 21 Abs. 2 CCom). 800 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 506. 801 Dieser Betrag kann unter Umständen höher sein als der Nennwert der von der Kapitalherabsetzung betroffenen Anteile. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 504. Allerdings ist fraglich, wie zu verfahren ist, wenn ein Gesellschafter seine Rückerstattung in Sachleistungen erhält und diese unterbewertet sind. Das Gesetz trifft hierüber keine Aussage. In der Literatur wird eine analoge Anwendung des Art. 21 LSL befürwortet, da die Ausschüttung einer unterbewerteten Sache im Rahmen einer Kapi797

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

Begrenzung gilt absolut, so dass der Gesellschafter frei wird, sobald er einmal den zurück erhaltenen Betrag an einen Gesellschaftsgläubiger bezahlt hat.802 Außerdem ist die Haftung gemäß Art. 80 Abs. 4 S. 1 LSL gänzlich ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft gleichzeitig mit der Ausschüttung eine Rücklage aus ihrem ausschüttungsfähigen Vermögen bildet, die dem ausgeschütteten Betrag entspricht803 und damit die mögliche Haftung der ausbezahlten Gesellschafter vollständig abdeckt.804 Die Haftungsfreistellung bleibt auch bestehen, wenn die Rücklage zunächst gebildet wurde und später durch Verluste der Gesellschaft aufgezehrt wird.805 Für den Fall, dass die Gesellschaft zwar eine Rücklage bildet, diese den ausgeschütteten Betrag aber nicht vollständig abdeckt, ist Art. 80 Abs. 4 LSL entsprechend anzuwenden, so dass die persönliche Haftung jedes einzelnen Gesellschafters gemäß seinem Anteil an der Ausschüttung um den entsprechenden Bruchteil der Rücklage reduziert wird.806 Darüber hinaus können die Gesellschafter der persönlichen Haftung entgehen, wenn sie in der Satzung Regelungen i. S. d. Art. 81 LSL zum Schutze der Gläubiger vorsehen807, insbesondere ein Oppositionsrecht gemäß Art. 81 Abs. 3 LSL.808 Eine trotz Gläubigerwiderspruchs durchgeführte Auszahlung ist nichtig. Die Gesellschaft kann dem Widerspruch allerdings durch Befriedigung des betalreduktion aus Kapitalschutzaspekten mit der Einbringung einer überbewerteten Sacheinlage bei einer Kapitalerhöhung vergleichbar sei. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich die Höhe der Haftung aus Art. 80 LSL nach der (falschen) Bewertung der Sache richtet und gleichzeitig alle Gesellschafter gemeinsam gemäß Art. 21 Abs. 1 LSL analog für die Bewertung haften, wobei auch die Haftungsausschlüsse des Art. 21 LSL analog anwendbar sein sollen. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 507 f. 802 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 506. 803 Maßgeblich ist – nach umstrittener, aber gemäß Wortlaut und Sinn der Norm wohl zutreffender Auslegung – der Betrag des Abflusses aus dem Gesellschaftsvermögen im Zuge der Kapitalreduktion, nicht der Nennbetrag, um den das Kapital herabgesetzt wird, vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 510 m.w. N. 804 Diese Rücklage ist für den Zeitraum von fünf Jahren gebunden, was der in Art. 80 Abs. 3 LSL festgeschriebenen Verjährungsfrist der Haftung aus Art. 80 Abs. 1 LSL entspricht. Daran lässt sich deutlich ihre Funktion als Surrogat für die persönliche Haftung der Gesellschafter erkennen. Die Bindung endet dementsprechend vorzeitig, wenn vor Ablauf der Frist bereits alle Altgläubiger, deren Ansprüche vor der Kapitalreduktion entstanden waren, befriedigt wurden. Die Bindung dieser speziellen Rücklage bedeutet, dass das zu ihrer Deckung erforderliche Gesellschaftsvermögen nicht ausschüttungsfähig ist. Außerdem müssen Verluste der Gesellschaft zunächst durch frei verfügbare oder statutarische Rücklagen und in deren Ermangelung durch die gesetzlichen Rücklagen aufgefangen werden, bevor auf die Rücklage i. S. d. Art. 80 Abs. 4 LSL zugegriffen werden darf. Sie ist damit die letzte Reserve vor dem eigentlichen Stammkapital und wird deshalb gelegentlich auch als „reserva de capital“ bezeichnet, vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 513. 805 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 513. 806 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 511. 807 Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 86. 808 Ein solches Oppositionsrecht gewährte Art. 19 Abs. 2 LSL 1953 generell für jede Kapitalherabsetzung. Nach neuem Recht ist es nur noch bei Kapitalreduktionen vorge-

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treffenden Gläubigers oder durch die Stellung angemessener Sicherheiten begegnen. Zum Schutz der Gläubigerinteressen bei Kapitalherabsetzungen sind also drei Instrumente vorgesehen: Ein präventives Oppositionsrecht der Gläubiger, das allerdings vom Willen der Gesellschafter abhängt und in der Satzung ausdrücklich vorgesehen sein muss, sowie zwei postventive Schutzmechanismen in Form der persönlichen Haftung der Gesellschafter bzw. der Bildung einer zeitweilig gebundenen Rücklage, die alternativ eingreifen und den Gläubigern einen gesicherten Haftungsfonds über das reduzierte Stammkapital hinaus erhalten sollen.809 Art. 123 Abs. 3 LSL ordnet gewissermaßen eine Verlängerung des Kapitalschutzes über die Liquidation und das Erlöschen der Gesellschaft hinaus an. Die Vorschrift ist Bestandteil der erst durch die LSL 1995 vorgenommenen umfassenden Regelung der Liquidation der S.L., die vom allgemeinen Konzept des Código de Comercio und dem der LSA abweicht und im Vergleich zum alten Recht den Gläubigerschutz wesentlich stärker akzentuiert. Demnach haften die ehemaligen Gesellschafter einer gelöschten Gesellschaft persönlich und solidarisch für nachträglich festgestellte Gesellschaftsschulden, aber nur bis zu der Höhe dessen, was sie als Liquidationserlös erhalten haben. Das am Ende der Liquidation noch vorhandene Gesellschaftsvermögen wird also praktisch über die Löschung der Gesellschaft hinaus zumindest wertmäßig gebunden. Davon unberührt bleibt die Haftung der Abwickler für schuldhafte Pflichtverletzungen im Rahmen des Liquidationsverfahrens. (2) Pflichtverletzungen und Sonderkonstellationen Eine persönliche Haftung der Gesellschafter kommt zunächst in Fällen der Vorgesellschaft und der fehlerhaften Gesellschaft in Betracht. Für beide verweist Art. 11 Abs. 3 LSL auf die entsprechenden aktienrechtlichen Vorschriften. Auf die Handelndenhaftung in der Vorgesellschaft gemäß Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. sehen, die nicht dem Ausgleich von Verlusten dienen, und auch dann nur, wenn die Statuten eine entsprechende Regelung enthalten. Weder Art. 80 LSL noch Art. 81 LSL erwähnen ausdrücklich, dass ein statutarisches Oppositionsrecht der Gläubiger die Haftung der Gesellschafter gemäß Art. 80 Abs. 1 LSL ausschließt. Die Frage ist deshalb umstritten, aber wohl zu bejahen. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Recht der S.A., wo keine persönliche Haftung der Gesellschafter bei Kapitalherabsetzungen vorgesehen ist, dafür aber ein zwingendes Oppositionsrecht der Gläubiger. Die entsprechende Regelung in der LSL 1953 wurde aus Gründen der Flexibilisierung des Regimes der S.L. durch ein dispositives Modell ersetzt. Diesem gesetzgeberischen Ziel liefe es zuwider, würde man zusätzlich zu einem (statutarischen) Oppositionsrecht eine Haftung der Gesellschafter annehmen, da dann im Ergebnis für die S.L. strengere Regeln gälten als für die S.A. Aus dem Grund bestünde auch keinerlei Anreiz, eine solche Regelung in den Statuten vorzusehen, so dass Art. 81 LSL insoweit praktisch überflüssig wäre. Vgl. Bercovitz/Bercovitz, S. 515. 809 Vgl. Mora/Mora, S. 156.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

Art. 15 Abs. 1 LSA, die auch Gesellschafter treffen kann, die nicht Geschäftsführer sind, wurde bereits oben ausführlich hingewiesen.810 Außerdem sieht Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 15 Abs. 4 LSA eine allgemeine Differenzhaftung der Gesellschafter vor, wenn das Gesellschaftsvermögen zuzüglich des Betrages der für die Eintragung notwendigen Ausgaben bei Eintragung nicht den Betrag des Grundkapitals abdeckt.811 Für die fehlerhafte Gesellschaft schließlich ordnet Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 16 Abs. 2 S. 1 LSA an, dass die Gesellschafter für alle im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten nach den Vorschriften über die sociedad colectiva bzw. civil 812 persönlich haften, und dies gemäß Art. 16 Abs. 2 S. 2 LSA mit der Maßgabe, dass selbst bei einer späteren Eintragung der Gesellschaft diese die genannten Verbindlichkeiten nicht nach Art. 15 Abs. 3 LSA übernimmt. Auf die Schadensersatzhaftung der Gesellschafter aus Art. 15 Abs. 2 LSL bei verspäteter Einreichung der Gründungsdokumente zur Eintragung, die der Verkürzung der Gründungsperiode dient, wurde oben im Rahmen der Geschäftsführerhaftung hingewiesen. Neben den gesetzlich festgeschriebenen Haftungstatbeständen kennt das spanische Recht jedoch auch ungeschriebene Durchgriffshaftungsfälle unter dem Oberbegriff „piercing/lifting the corporate veil“ (levantamiento del velo). Voraussetzungen und Umfang einer solchen Haftung sind bisher in Spanien wenig klar umrissen, jedoch knüpft sie – wie in anderen Rechtsordnungen auch – prinzipiell an einen Missbrauch oder Betrug seitens der Gesellschafter an.813 Anerkannt ist insbesondere die auch in Deutschland diskutierte Fallgruppe der materiellen Unterkapitalisierung. Sie greift ein, wenn aus der ex-post-Perspektive die der (gescheiterten) Gesellschaft insgesamt von den Gesellschaftern zugeführten Mittel gemessen an den mit dem Gesellschaftszweck verbundenen Risiken offensichtlich unzureichend waren.814 Die Durchgriffshaftung ist also ein Instrument nachträglicher Korrektur im Falle der Insolvenz der Gesellschaft; sie begründet jedoch keine allgemeine Pflicht der Gesellschafter, die Gesellschaft mit einer angemessenen Kapitaldecke auszustatten.815 810 Siehe oben, § 6 I. 2. g) aa) (2) (a). Darüber hinaus ordnet Art. 15 Abs. 2 S. 2 LSA für die Fälle, in denen die Vorgesellschaft selbst haftet (Art. 15 Abs. 2 S. 1 LSA), daneben eine persönliche Haftung der Gesellschafter bis zu dem Betrag ihrer noch offenen Einlageschuld an. Diese Haftung ist in der S.L. jedoch gegenstandslos, da alle Einlagen zwingend schon zum Zeitpunkt der notariellen Errichtung der Gesellschaft vollständig erbracht sein müssen, Art. 4 LSL. Eine Vorgesellschaft mit nicht vollständig aufgebrachtem Kapital ist demnach bei der S.L., anders als bei der S.A., nicht möglich. Vgl. Bercovitz/Rodríguez, S. 128. 811 Die notwendigen Kosten der Eintragung dürfen also aus dem gebundenen Vermögen bestritten werden. 812 Die sociedad colectiva entspricht im Wesentlichen der deutschen oHG, die sociedad civil der GbR. 813 Vgl. näher Embid, RdS 11 (1999), 363 ff. 814 Vgl. Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (683 f.).

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II. Kritik aus dem Schrifttum 1. Allgemeine Systemkritik In der spanischen Literatur wird, wie in Deutschland und Frankreich auch, eine rechtstatsächliche Erosion des Stammkapitals als Grundkonzept der Kapitalgesellschaft festgestellt. So spiele es aus Gläubigersicht eine geringe Rolle zur Bewertung der wirtschaftlichen Prosperität einer Gesellschaft. Eine hohe Stammkapitalziffer erhöhe das Vertrauen der Gläubiger in eine Gesellschaft als potentiellen Vertragspartner nicht, wichtiger seien hier andere Indikatoren wie Jahresabschlüsse und Cash Flow.816 Zudem sei in der Praxis eine Tendenz hin zur immer häufigeren Vereinbarung persönlicher Garantien seitens der Gesellschafter zu beobachten, die den durch das Stammkapital vermittelten Gläubigerschutz in den Hintergrund dränge.817 Und schließlich führe die Dynamik und Innovationskraft der Finanzmärkte dazu, dass auch die Bedeutung des Stammkapitals als Instrument der Unternehmensfinanzierung immer weiter abnehme.818 Alle diese Beobachtungen decken sich mit den bereits zu Deutschland und Frankreich getroffenen Feststellungen. Sie führen allerdings, soweit ersichtlich, in Spanien bisher nicht dazu, dass das Stammkapital insgesamt als Grundelement der Finanzverfassung der Kapitalgesellschaft in vergleichbar fundamentaler Weise in Zweifel gezogen wird. Vielmehr wird darauf verwiesen, dass es trotz allem eine Garantiefunktion erfülle, indem es einen bestimmten Vermögensgrundstock gegen Ausschüttungen sichere.819 Zwar wird das geltende System in einzelnen Punkten durchaus für reformbedürftig gehalten, worauf sogleich zurückzukommen ist. Eine Grundsatzdiskussion über Sinn und Nutzen des Stammkapitals an sich wird jedoch kaum geführt. 2. Kritik an der konkreten Ausgestaltung An Ansatzpunkten für konkrete Kritik an Einzelheiten des geltenden Regimes der S.L. mangelt es der spanischen Rechtswissenschaft nicht. Diese zielte in der 815 Vgl. Ávila, S. 148 f.; Embid, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 679 (684). Zur insoweit ähnlichen Lage in Deutschland und Frankreich siehe oben, § 4 I. 7. bzw. § 5 I. 2. g) bb). Bei schon ex ante offensichtlich völlig unzureichender Kapitalausstattung kommt darüber hinaus eine Auflösung der Gesellschaft gemäß Art. 104 Abs. 1 lit. c) LSL wegen offenkundiger Unmöglichkeit der Verfolgung des Gesellschaftszwecks in Betracht. Die Auflösung erfolgt jedoch nicht ex lege, erforderlich ist ein Auflösungsbeschluss der Gesellschafterversammlung bzw. ein entsprechender Gerichtsbeschluss, Art. 105 LSL. 816 Vgl. Garrido/ders., S. 48. 817 Vgl. Garrido/ders., S. 48. 818 Vgl. Garrido/ders., S. 48. 819 Vgl. Garrido/ders., S. 48.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

Vergangenheit besonders häufig auf die zu komplizierte und langwierige Gründungsprozedur.820 Aber auch hinsichtlich der Finanzverfassung wird in einzelnen Bereichen Reformbedarf konstatiert. a) Mindestkapital Die Kritik am Mindestkapital von 3.005,06 Euro fällt dabei im Vergleich zu den zuvor untersuchten Rechtsordnungen äußerst zurückhaltend aus, und dies wohl aus zwei Gründen: Erstens weist das Mindestkapital in Spanien mit seiner noch nicht einmal zwanzig Jahre währenden Existenz keineswegs die rechtshistorische Patina auf, die ihm in Deutschland und bis 2003 auch in Frankreich eine gewisse Aura des Althergebrachten aber gleichzeitig auch den Ruch einer veralteten, unmodernen Institution verliehen hat. Zweitens ist der Betrag des Mindestkapitals in Spanien so niedrig, dass er kaum als Hindernis für die wirtschaftliche Entfaltung kleiner Unternehmen wahrgenommen werden kann, was einen zumindest in Deutschland bedeutsamen Kritikpunkt entfallen lässt. Insbesondere die auch im europäischen Vergleich bemerkenswert geringe Höhe des Mindestkapitals wird in der spanischen Literatur zwar festgestellt821, ohne dass dies jedoch unbedingt als Kritik gemeint wäre.822 Teilweise wird allerdings bezweifelt, ob die Funktion, eine gewisse Kapitalausstattung der Gesellschaft zu garantieren, durch einen so geringen Betrag erfüllt werden kann.823 Außerdem sei insgesamt fragwürdig, ob es hierfür eines gesetzlichen Mindestkapitals überhaupt bedarf, da es neben Einlagen auch andere Möglichkeiten gebe, der Gesellschaft Finanzmittel zuzuführen, und da eine pauschale Untergrenze nicht für alle Arten von S.L. und die von ihnen betriebenen Unternehmen gleichermaßen geeignet sei.824 Der Ruf nach einer Abschaffung des Mindestkapitals wird jedoch, soweit ersichtlich, nicht ernsthaft erhoben.

820 Vgl. nur Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (8), denen zufolge die Gründung einer S.L. in der Regel 30 bis 60 Tage dauert. Eine auf Untersuchungen der Weltbank basierende Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft von 2004 ergab, dass die Gründung sogar bis zu 115 Tage dauern kann. Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (361 in Fn. 14). Diese Kritik spielt jedoch für die Reform der Finanzverfassung bestenfalls eine untergeordnete Rolle, so dass darauf hier nicht näher einzugehen ist. Vgl. aber kurz zu den Reformmaßnahmen, die diesem Missstand abhelfen sollen, unten § 9 I. 1. b). 821 Bercovitz/Bercovitz, S. 528, spricht von einer „cuantía bajísima“. 822 Bei der S.A. wird das Mindestkapital von zehn Mio. Peseten (60.101,20 Euro) allerdings als zu niedrig kritisiert, da es dort ein Instrument sei, das die Rechtsform der S.A. für große Unternehmen reservieren solle. Dafür sei ein so geringer Betrag aber nicht geeignet, zumal bei Gründung nur ein Viertel aufgebracht werden müsse. Vgl. García, S. 111 (121 m.w. N.). 823 Vgl. García, S. 111 (125). 824 Vgl. García, S. 111 (125).

§ 6 Finanzverfassung der spanischen S.L.

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b) Verbot der gestaffelten Einlageleistungen Das Augenmerk der Kritiker richtet sich demgegenüber stärker auf andere Bereiche der Finanzverfassung der S.L., und hier zumeist auf spezifische Einzelprobleme und nicht auf das Gesamtkonzept. Ein erstes Problem wird in dem Verbot der gestaffelten Einlageleistung gesehen. Art. 4 LSL schreibt, anders als Artt. 12, 152 Abs. 3 LSA im Fall der Aktiengesellschaft, für die S.L. zwingend vor, dass alle Einlagen von Anfang an vollständig erbracht sein müssen.825 Dies erhöhe unnötig die Gründungskosten einer S.L., insbesondere wenn das Unternehmen keinen hohen anfänglichen Kapitalbedarf hat, und ermuntere die Gründer dazu, das Stammkapital möglichst niedrig anzusetzen.826 Letzteres habe wiederum den Nachteil, dass bei späterem Bedarf an Eigenkapital der komplizierte Weg der Kapitalerhöhung beschritten werden müsse, mit der Unsicherheit, dass die Gesellschafter nicht zur Beteiligung an dieser Maßnahme verpflichtet sind. Um schon bei der Gründung eine flexible und gleichzeitig sichere Möglichkeit späterer Eigenkapitalzufuhr zu schaffen, bleibe den Gesellschaftern also nichts anderes übrig, als ein niedriges Stammkapital zu vereinbaren und dieses mit einem Agio auf die jeweilige Einlage (Überpari-Emission) oder einer sonstigen Nebenleistungspflicht zu kombinieren, die erst später von der Gesellschaft je nach Bedarf eingefordert wird.827 Dies führe aber zu einem Gläubigerschutzdefizit gegenüber der Variante eines höheren Stammkapitals, das gestaffelt aufgebracht werden darf. Dennoch wird Kritik an der Vorschrift des Art. 4 LSL nur verhalten geäußert, da das Prinzip der vollständigen anfänglichen Kapitalaufbringung schon in der LSL 1953 enthalten war, deshalb zu den traditionellen Merkmalen der S.L. gezählt wird und zudem dem Schutz der Gläubiger diene.828 c) Haftung bei Sacheinlagen Problematisiert wird auch die Ausgestaltung der Haftung für nicht werthaltig erbrachte bzw. überbewertete Sacheinlagen. Die entsprechende persönliche Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer verjährt in fünf Jahren ab Leistung der Einlage, Art. 21 Abs. 4 LSL. Die Gesellschaftsgläubiger, die im Ergebnis regelmäßig die Hauptgeschädigten einer nicht werthaltigen Einlageleistung sind, können diese Haftung jedoch gemäß Art. 21 Abs. 3 Hs. 2 LSL erst im Insolvenzfall geltend machen. Nicht selten sei dann die Verjährungsfrist bereits verstrichen.829

825 826 827 828 829

Näher oben, § 6 I. 2. c). Vgl. Ávila, S. 149. Vgl. Ávila, S. 149. Vgl. Ávila, S. 149. Vgl. Bercovitz/Barba de Vega, S. 154.

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2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

Das Problem lässt sich jedoch bereits de lege lata sachgerecht lösen, und zwar über die Schadensersatzhaftung der Geschäftsführer gemäß Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Art. 133 Abs. 1 LSA. Zumindest in Fällen offensichtlicher Überbewertung der Sacheinlage ist nämlich anzunehmen, dass die Geschäftsführer zur sofortigen Geltendmachung der Ausgleichsansprüche aus Art. 21 LSL nicht nur gemäß Art. 21 Abs. 2 LSL berechtigt, sondern verpflichtet sind.830 Verstoßen sie gegen diese Geschäftsführerpflicht und verjährt infolge dessen der entsprechende Ausgleichsanspruch, so sind sie der Gesellschaft gegenüber persönlich gemäß Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Artt. 133 Abs. 1, 134 LSA zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens am Gesellschaftsvermögen verpflichtet. Diesen Anspruch der Gesellschaft können wiederum auch die Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzfalle gemäß Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Art. 134 Abs. 5 LSA selbst geltend machen.831 Er verjährt gemäß Art. 949 CCom in vier Jahren ab dem Ausscheiden des Geschäftsführers aus dieser Funktion. d) Allgemeine Geschäftsführerhaftung Teilweise wird auch eine Verschärfung der Geschäftsführerhaftung gemäß Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Art. 133 Abs. 1 LSA gefordert. Zwar sei deren Anwendungsbereich bereits mit der Reform von 1989 deutlich ausgeweitet worden832, doch sei die Möglichkeit des Entlastungsbeweises für Mitglieder von Kollegialorganen in Art. 133 Abs. 3 LSA nach wie vor zu großzügig ausgestaltet.833 Nach der Vorschrift kann sich ein nicht an der konkreten schädigenden Maßnahme beteiligter Geschäftsführer bereits mit dem Hinweis entlasten, er habe von der fraglichen Maßnahme keine Kenntnis gehabt. Es gehöre jedoch zu den Geschäftsführerpflichten, an den Sitzungen des Verwaltungsrates teilzunehmen bzw. sich bei gerechtfertigter Abwesenheit später über die Beschlüsse zu informieren. Die Geschäftsführer würden durch die Vorschrift des Art. 133 Abs. 3 LSA aber zum Desinteresse an der Geschäftsführung und zur Nichtteilnahme ermutigt. Deshalb sollte ihnen eine Entlastung nur möglich sein, wenn sie, wie bereits in Art. 133 Abs. 3 LSA vorgesehen, aktiv die Verhinderung des betreffenden Beschlusses oder des Schadenseintritts betrieben haben, oder wenn sie ausnahmsweise aus besonderen Gründen keine Kenntnis von der Maßnahme erlangen konnten, etwa weil sie in der Sitzung des Verwaltungsrates berechtigterweise abwesend waren und ihnen die übrigen Geschäftsführer später auch auf Nachfrage den Beschluss bewusst verheimlichten.834

830 831 832 833 834

Das Gesetz schweigt zu dieser Frage, vgl. oben, 2. Teil Fn. 690. Vgl. Bercovitz/Barba de Vega, S. 154. Vgl. oben, § 6 I. 2. g) aa) (1) (a). Vgl. Polo, Art. 133 LSA III.3, S. 303 f. Vgl. Polo, Art. 133 LSA III.3, S. 305 f.

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e) Haftung in der Vorgesellschaft Ein Gläubigerschutzdefizit wird auch im Rahmen der Haftung in der Vorgesellschaft ausgemacht.835 Die Gesellschaft sei vor der Eintragung bereits mit zu vielen Attributen einer Rechtspersönlichkeit ausgestattet. So profitierten die Gesellschafter bereits in diesem Stadium grundsätzlich von einer umfassenden Haftungsfreistellung, abgesehen von der Handelndenhaftung und der Verlustdeckungshaftung gemäß Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 15 Abs. 1, 4 LSA.836 Es sei aber widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber einerseits die Eintragung als den entscheidenden Schritt hin zur Verleihung der Rechtspersönlichkeit ansehe (Art. 11 Abs. 1 LSL), andererseits aber das Haftungsregime für die nicht handelnden Gesellschafter vorher und nachher praktisch das gleiche sei. Der Wertungswiderspruch werde durch den Vergleich mit der Haftung in der fehlerhaften Gesellschaft noch verschärft. So stünden einem Dritten, der mit der Vorgesellschaft einen Vertrag i. S. d. Art. 15 Abs. 2 LSA abgeschlossen hat, unterschiedliche Schuldner gegenüber, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt er seine Forderung geltend macht: Tut er dies innerhalb eines Jahres ab Errichtung der Gesellschaft, so haftet nur die Vorgesellschaft mit ihrem Vermögen, Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 15 Abs. 2 LSA. Nach Ablauf der Jahresfrist wird die Gesellschaft aber nicht mehr als sociedad en formación betrachtet, sondern als sociedad irregular.837 Dies hat zur Folge, dass gemäß Art. 11 Abs. 3 LSL i.V. m. Art. 16 Abs. 2 S. 1 LSA die Gesellschafter persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften wie in einer sociedad colectiva oder civil. Die praktische Gleichbehandlung von Vorgesellschaft und eingetragener Gesellschaft bei gleichzeitig völlig anderer Behandlung der fehlerhaften Gesellschaft erscheine insoweit inkohärent. Vorgesellschaft und fehlerhafte Gesellschaft sollten vielmehr im Prinzip ähnlich behandelt werden, da sie beide nicht eingetragen und daher gleichermaßen „fehlerhaft“ sind. Sie ließen sich nur im Rückblick unterscheiden, wenn nämlich die Jahresfrist abgelaufen ist und somit feststeht, ob die Gesellschaft inzwischen eingetragen wurde oder nicht. Deshalb sei es sinnvoller, in der Vorgesellschaft – parallel zur fehlerhaften Gesellschaft – zunächst eine subsidiäre persönliche Haftung der Gesellschafter anzuordnen, und erst dann, wenn die Gesellschaft eingetragen wurde, die Regelung des Art. 15 LSA ex tunc eingreifen zu lassen. Dies hätte eine rückwirkende Haftungsbefreiung für die Gesellschafter der Vorgesellschaft zur Folge, in deren Genuss lediglich diejenigen nicht kommen, die der Handelndenhaftung i. S. d. Art. 15 Abs. 1

835

Vgl. Bercovitz/Rodríguez, S. 128 f. Vgl. näher oben, § 6 I. 2. g) bb) (2). 837 Eine sociedad irregular liegt gemäß Art. 16 Abs. 1 LSA außerdem in dem – praktisch weniger bedeutsamen – Fall vor, dass nachgewiesen wird, dass die Gründer die Gesellschaft gar nicht eintragen lassen wollen. 836

218

2. Teil: Vergleich der geltenden Rechtslage und Kritik

LSA unterliegen und deren Verpflichtung nicht von der eingetragenen Gesellschaft übernommen wurde. Damit wäre ein Gleichlauf in der Behandlung von Gesellschaften, die noch nicht eingetragen sind, erreicht, und erst die Eintragung als Geburtsmoment der Rechtspersönlichkeit würde eine Veränderung des Haftungsregimes nach sich ziehen.838

838

Vgl. Bercovitz/Rodríguez, S. 128 f.

3. Teil

Reformprojekte und -vorschläge Die vielstimmige Kritik, die in allen drei untersuchten Rechtsordnungen, wenn auch mit Unterschieden in der Dringlichkeit und Zielrichtung, am bestehenden Regime der kleinen Kapitalgesellschaft geäußert wird, bildet nicht den Endpunkt der Untersuchung, sondern ihren Ausgangspunkt. Denn gerade aus der Systembildung und der Entwicklung von grundlegenden Verbesserungsvorschlägen für den Gesetzgeber erwächst der gesteigerte Nutzwert der modernen Rechtswissenschaft gegenüber dem traditionellen Ansatz, der nur das bestehende, durch das positive Recht vorgegebene und entsprechend wandelbare System darzustellen und in Einzelpunkten zu optimieren strebte.1 Die Vorschläge, die von der Literatur zur Beseitigung der Schwächen der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft unterbreitet werden, sind zahlreich und gehen, wie die Kritikpunkte, in sehr unterschiedliche Richtungen. Aber auch der Gesetzgeber selbst hat in jedem der drei hier untersuchten Länder bereits ein zentrales Reformprojekt auf den Weg gebracht, das den Rechtsrahmen der kleinen Kapitalgesellschaft mehr oder weniger grundlegend verändert und teils auf den Vorarbeiten der Rechtswissenschaft aufbaut, teils ganz neue Ansätze präsentiert.2

§ 7 Deutschland In Deutschland lagen zwischen der jetzt in Kraft getretenen und der letzten vorherigen größeren Reform des GmbH-Rechts mehr als 25 Jahre3, zwischenzeitlich wurden nur punktuelle Neuerungen eingeführt.4 Insbesondere in jüngster Zeit ist aber der Ruf nach einer erneuten grundlegenden Überarbeitung immer 1 Fleischer, in: Engel/Schön (Hrsg.), Das Proprium der Rechtswissenschaft (2007), S. 50 (63). Siehe zum Ziel der Systembildung in der Rechtswissenschaft im Allgemeinen und der Rechtsvergleichung im Besonderen auch Gloger, S. 6 f. m.w. N. 2 Überblicksweise zu europäischen und internationalen Ansätzen zur Reform der kleinen Kapitalgesellschaft jüngst Seibert, EBOR 8 (2007), 83 ff. 3 Auch die GmbH-Novelle aus dem Jahr 1980, BGBl. I 1980, 836, war eigentlich nur eine „kleine Reform“ im Vergleich zu den letztlich gescheiterten Plänen zu einer umfassenden Novellierung des GmbH-Rechts aus den siebziger Jahren, vgl. den Regierungsentwurf von 1971/1973, BT-Drucks. VI/3088 und VII/253. 4 Einen Überblick über gescheiterte und geglückte GmbH-Reformen der letzten 100 Jahre liefert Fleischer, GmbHR 2009, 1 ff.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

lauter geworden, und dies einerseits aufgrund der bereits oben ausführlich dargestellten Kritik am bestehenden System, andererseits aufgrund des hierzulande häufig beschworenen Wettbewerbs der Rechtsordnungen, für den die GmbH bisher schlecht gerüstet sei.5 Zwei unterschiedlich ambitionierte Reformanläufe aus den Jahren 20046 und 20057 gingen in den allgemeinen politischen Verwerfungen, die schließlich im Herbst 2005 zu Neuwahlen führten, unter.8 Welche rechtspolitische Bedeutung dem Projekt dennoch weiterhin beigemessen wurde, zeigte sich daran, dass die neue Große Koalition das Vorhaben einer umfassenden GmbH-Reform in ihren Koalitionsvertrag aufnahm.9 In der Folge wurde ein neues Reformgesetz erarbeitet und verabschiedet, dessen Inhalt zunächst dargestellt werden soll (I.), bevor auf sonstige Reformvorschläge aus Rechtswissenschaft und Praxis eingegangen wird (II.).

I. Die Reformen des MoMiG Am 01. November 2008 ist das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)10 in Kraft getreten – ein5 Vgl. die Stellungnahmen von Hartenbach, Voßhoff und Scholz in der Ersten Beratung des Regierungsentwurfs des MindestkapG in der Plenarsitzung des Bundestages vom 16.06.2005, BT-Sitzungsprotokolle, 15. Wahlperiode, 181. Sitzung, S. 17145 und 17148. In die gleiche Richtung Lutter, BB-Special 7/2006, 2; Schiffer, BB-Special 7/ 2006, 14 (15); Vossius/Wachter, BB 2005, 2539; Zypries, BB-Special 7/2006, Die erste Seite. Zum Wettbewerb der Rechtsformen vgl. ferner die Nachweise oben, Einführung Fn. 9. 6 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht (MiKaTraG) vom 30.11.2004, der weit reichende Reformen, u. a. die Freigabe des Stammkapitalbetrages, vorsah, aber nicht über das Stadium eines Referentenentwurfs hinauskam und nur einer Bereichsöffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Vgl. dazu etwa Schmidt, DB 2005, 1095; sowie knapp Westermann, ZIP 2005, 1849 (1850). 7 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG) aus dem Sommer 2005, (Fraktionsentwurf: BT-Drucks. 15/5673 vom 14.06. 2005; Regierungsentwurf: BR-Drucks. 619/05 vom 12.08.2005), der nach dem Regierungswechsel im Herbst desselben Jahres in dieser Form nicht wieder aufgenommen wurde. Er befasste sich fast ausschließlich mit der Absenkung des Mindestkapitals von 25.000 Euro auf 10.000 Euro. Zu den Gründen für das MindestkapG näher Seibert, BB 2005, 1061. Teilweise findet sich im Schrifttum eine irrtümliche Gleichsetzung bzw. Verwechslung des MindestkapG mit dem in der vorigen Fußnote genannten MiKaTraG, vgl. z. B. Noack, DB 2007, 1395. Das MiKaTraG war der frühere und umfassendere Entwurf, aus dem das MindestkapG nach den Worten des zuständigen Referenten Seibert, BB 2005, 1061 (1062), einen „kleinen, weit gehend ausdiskutierten und letztlich politisch zu entscheidenden“ Punkt herauslöste, um diesen vorab zu regeln. 8 Vgl. knapp Merz/Gottschalk, GmbHR 2006, R 1. 9 Vgl. den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005, S. 123; sowie Zypries, Recht und Politik 2006, 5. 10 BGBl. I 2008, 2026 ff.

§ 7 Deutschland

221

einhalb Jahre nach Präsentation des Regierungsentwurfs11, sogar zweieinhalb Jahre nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs12 und nach ausgiebiger Erörterung der Reformpläne in der Literatur.13 Der von manchem Skeptiker befürchtete legislative Aktionismus ist damit im Fall der GmbH-Reform notwendiger- wie erfreulicherweise14 zugunsten eines breiten Austausches zwischen Gesetzgeber, Wissenschaft und interessierten Verbänden ausgeblieben.15 Nach den Worten der Bundesjustizministerin soll diese „größte Reform des GmbH-Rechts seit 1980“ 16 vornehmlich die GmbH als „Rechtsform für den deutschen Mittelstand“ attraktiver machen und den Wirtschaftsstandort Deutschland im Ganzen

11

BR-Drucks. 354/07 vom 25.05.2007; sowie BT-Drucks. 16/6140 vom 25.07.2007. Dieser datierte vom 29.05.2006. Einen Überblick über die verschiedenen Entwicklungsstadien des MoMiG geben MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 116 ff.; sowie Ulmer/ders., Einl. A II 1 Rn. 1 ff. 13 Das Inkrafttreten war ursprünglich deutlich früher, nämlich für das erste Quartal 2008, geplant, vgl. die damalige Einschätzung des zuständigen Referenten Seibert, GmbHR 2007, 673 (677). 14 Böse Zungen möchten hinzufügen: ausnahmsweise, was ein Blick in die jüngere deutsche Gesetzgebungsgeschichte ebenso nahe legt wie die Untersuchung der Reform der kleinen Kapitalgesellschaft in Frankreich und Spanien. Es sah auch nicht immer danach aus, als sei der deutsche Gesetzgeber bereit, einer so ausführlichen Diskussion Raum geben. Geplant war, das MindestkapG am 01.01.2006 in Kraft treten zu lassen – keine vier Monate nach Beschluss des Regierungsentwurfs. Auch das wesentlich weitergehende MiKaTraG sollte noch vor dem regulären Ende der Legislaturperiode 2006 verabschiedet werden. Diese Planungen wurden durch die vorgezogenen Neuwahlen 2005 zur Makulatur, nicht etwa durch selbst auferlegte legislative Zurückhaltung. Durch die lange Zeitspanne zwischen Referenten- und Regierungsentwurf des MoMiG sollte nunmehr jedoch offenbar bewusst die möglichst weit gehende Einbeziehung des Sachverstandes aus Wissenschaft und Praxis ermöglicht werden, vgl. Seibert, GmbHR 2007, 673. 15 Ebenso Noack, DB 2007, 1395, unter Hinweis auf die Einbeziehung der Ergebnisse des 66. Deutschen Juristentags vom September 2006 und der Fachtagungen von ZGR (Sondersymposion „Die GmbH-Reform (MoMiG) inklusive der Europäischen Dimension“ am 04.11.2006, veröffentlicht in ZGR 2/2007) und VGR (Sondertagung „GmbH-Reform“ am 21./22.04.2006, Tagungsband veröffentlicht unter dem Titel „Die GmbH-Reform in der Diskussion“). In Bezug auf einzelne Maßnahmen, wie z. B. die UG (haftungsbeschränkt), deren Einführung eher überraschend erfolgte, mag man dem Gesetzgeber allerdings zu Recht Aktionismus unterstellen. Diesen Vorwurf erheben, allerdings auf die Reform insgesamt bezogen, etwa Heckschen, DStR 2007, 1442; Niemeier, Status: Recht 2007, 246; ders., ZIP 2006, 2237; Ries, NotBZ 2007, 244 (245 f.); jeweils aufgrund angeblich mangelhafter Auswertung der Rechtstatsachen durch den Gesetzgeber, vor allem im Hinblick auf die Bedeutung der Ltd. als Konkurrenz für die GmbH. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Verbreitung der Ltd. in Deutschland nicht der wichtigste, geschweige denn der einzige Grund für die GmbH-Reform ist. 16 Vgl. noch zum Referentenentwurf Zypries, BB-Special 7/2006, Die erste Seite. Die Pressemitteilung zur Veröffentlichung des Regierungsentwurfs geht noch weiter und spricht von der „umfassendste[n] Reform seit Bestehen des GmbH-Gesetzes“. Ähnlich auch Schmidt, GmbHR 2007, 1: „der erste substantielle Reformversuch nach 114 Jahren GmbH-Gesetz“. 12

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

stärken.17 Der folgende Abschnitt widmet sich der Darstellung des Reforminhaltes18 (1.), anschließend wird die Reaktion des Schrifttums darauf untersucht (2.). 1. Inhalt des Reformgesetzes Die Defizite des geltenden GmbH-Rechts, die aus Sicht der Praxis eine legislative Abhilfe dringend erforderlich machen, sind vor allem die folgenden19: (1) Die GmbH steht im Inland im Wettbewerb zu ausländischen Rechtsformen, kann aber selbst nicht im Ausland zu diesen in Konkurrenz treten; (2) das deutsche Kapitalschutzregime, insbesondere das Eigenkapitalersatzrecht, ist durch zunehmende Strenge und Verkomplizierung zu einem Wettbewerbsnachteil für die GmbH geworden und verliert an Akzeptanz in der Praxis; (3) das Gläubigerschutzniveau ist trotzdem häufig unbefriedigend, etwa gegenüber Missbrauchspraktiken wie den sog. „Bestattungsfällen“ 20 oder im Falle der (praktisch häufigen) masselosen Insolvenz; (4) die Feststellung der Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft ist von außen oft kaum möglich, was Rechtsunsicherheit verursacht und die Nutzung von Geschäftsanteilen als Kreditsicherheiten erschwert. Die Reform trägt dem Rechnung, indem sie eine doppelte Zielrichtung verfolgt.21 Einerseits sollen die Wettbewerbsnachteile der GmbH gegenüber ausländischen Konkurrenzrechtsformen, die hauptsächlich aus den verhältnismäßig

17

Vgl. Zypries, BB-Special 7/2006, Die erste Seite. Soweit in diesem Zusammenhang auf Vorschriften des GmbHG oder anderer Gesetze in der Fassung des MoMiG verwiesen wird, werden diese mit dem Zusatz „n. F.“ zur jeweiligen Gesetzesangabe zitiert. Wenn, um den Gang der Reform zu verdeutlichen, auf Vorschriften in der Fassung des Referenten- bzw. des Regierungsentwurfs des MoMiG und auf die jeweilige Begründung Bezug genommen wird, werden die entsprechenden Verweise mit dem Zusatz „-RefE“ bzw. „-RegE“ kenntlich gemacht. 19 Vgl. die Übersicht bei Vossius/Wachter, BB 2005, 2539; sowie knapp Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 58. 20 Damit gemeint sind Vorgehensweisen, die die ordnungsgemäße Insolvenz oder Liquidation einer moribunden Gesellschaft verhindern sollen, indem die Geschäftsanteile mehrfach – vorzugsweise ins Ausland – übertragen werden und die Geschäftsführer ihr Amt niederlegen, ohne dass Nachfolger bestimmt würden. Die Rechtsverfolgung der Gesellschaftsgläubiger wird dadurch erheblich erschwert. 21 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 55. Zur Entwicklung der Zielsetzung der Reform, die anfangs nur die Missbrauchsbekämpfung in den Blick nahm und dann schrittweise erweitert wurde, vgl. Seibert, BB 23/2007, Die erste Seite. Der Fokus der Reform hat sich im Laufe der Diskussion immer weiter verschoben und liegt inzwischen weniger auf der Missbrauchsbekämpfung als auf der Stärkung der Attraktivität der GmbH. Wie Thiessen, DStR 2007, 202 (203), zutreffend anmerkt, sind die beiden Ziele der Reform im Grunde gegenläufig: Modernisierung bedeutet vor allem Liberalisierung im Interesse der Unternehmer, während die Missbrauchsbekämpfung deren Handlungsspielraum zugunsten der Allgemeinheit einschränkt. In diese Richtung auch MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 118 ff. 18

§ 7 Deutschland

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strengen Anforderungen bei Gründungsformalien, Mindestkapital und Kapitalschutz resultieren22, durch Flexibilisierung und Deregulierung gemildert oder beseitigt werden. Andererseits soll die Rechtsform der GmbH gegenüber Missbrauchspraktiken sicherer werden.23 Die Maßnahmen, die Abhilfe schaffen sollen, lassen sich dementsprechend drei Rubriken zuordnen24: einerseits Stärkung der Attraktivität und internationalen Wettbewerbsfähigkeit der GmbH als Rechtsform durch (a) Vereinfachung und Beschleunigung von GmbH-Gründungen und (b) Deregulierung und Modernisierung des Kapitalschutzregimes sowie andererseits (c) Missbrauchsbekämpfung durch Verbesserung des Gläubigerschutzes in Krise und Insolvenz25. Die folgende Darstellung konzentriert sich gemäß dem Gegenstand der Untersuchung auf diejenigen Bestandteile der Reform, die für den Kapital- und Gläubigerschutz relevant sind, ohne aus Gründen der Vollständigkeit die übrigen Aspekte gänzlich unerwähnt zu lassen.26

22 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457; Zypries, BB-Special 7/2006, Die erste Seite. 23 Dieser Reformpunkt geht ausweislich der Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 55, maßgeblich zurück auf die Bitte der Landesjustizminister an das Bundesjustizministerium vom 14.11.2002, den Reformbedarf der GmbH im Hinblick auf Missbrauchsfälle zu prüfen. Vgl. dazu auch Seibert, in: FS Röhricht (2005), S. 585 ff. 24 Ähnlich Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457; dies., BB 2007, 1457; Zypries, BB-Special 7/2006, Die erste Seite. 25 Einen Überblick zu den Auswirkungen des MoMiG auf das deutsche Gläubigerschutzsystem und möglichen Alternativen bieten auch Pellens/Kemper/Schmidt, ZGR 2008, 381 ff. 26 Für eine knappe Zusammenfassung des Inhaltes des RefE MoMiG vgl. nur Römermann, GmbHR 2006, 673; Seibert, BB 2006, Nr. 26, Die erste Seite. Einen Überblick über die „für die Industrie wesentlichen Änderungen“ bietet Wulfetange, BB-Special 7/ 2006, 19. Die Auswirkungen auf inländische Zweigniederlassungen von Auslandsgesellschaften werden untersucht von Wachter, GmbHR 2006, 793. Zum Inhalt des Regierungsentwurfs s. zusammenfassend Seibert, GmbHR 2007, 673; sowie die synoptische Gegenüberstellung von früherem Recht und RegE MoMiG bei Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1460). Ausführlicher die Beiträge in Römermann/Wachter (Hrsg.), GmbHR-Sonderheft 10/2008. Eine Zusammenfassung zum Inhalt der letztendlich verabschiedeten Fassung des MoMiG findet sich bei Oppenhoff, BB 2008, 1630, mit synoptischem Vergleich mit dem bisher geltenden Recht; und Wälzholz, GmbHR 2008, 841; jeweils m.w. N. Für eine Darstellung der Veränderungen der endgültigen Gesetzesfassung gegenüber dem Regierungsentwurf vgl. Fliegner, DB 2008, 1668. Thiessen, DStR 2007, 202 und 260 (262), zeigt rechtshistorische Entwicklungslinien der Reformen des MoMiG auf und garniert diese mit amüsanten Parallelen zu Thomas Manns „Buddenbrooks“. Seiner Meinung nach gleicht die Entwicklung der GmbH einer Pendelbewegung: Ursprünglich konzipiert als liberale Variante der AG in Zeiten wirtschaftlicher Dynamik, erstarrte ihr rechtliches Korsett im Zuge verschiedener Krisen zusehends, um nun wieder liberalisiert zu werden. Eine ähnliche Entwicklung kennzeichne auch das Recht der englischen Ltd.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

a) Gründungserleichterungen aa) Beibehaltung des Mindestkapitals In der Reformdiskussion tauchte bislang immer wieder das Mindestkapital als unnötige, in anderen Rechtsordnungen geringere oder nicht existente Gründungshürde auf, die zum Gläubigerschutz wenig oder nichts beitrage.27 Diese Kritik machte sich der Reformgesetzgeber zunächst zu Eigen, indem er sowohl im Referenten- als auch im Regierungsentwurf eine Absenkung des Mindestkapitals von 25.000 Euro auf 10.000 Euro vorsah.28 Schon der Regierungsentwurf des MindestkapG29, der später im Wesentlichen in den Entwurf des MoMiG integriert wurde30, enthielt diese Maßnahme. Das wesentliche Ziel bestand dabei in der Erleichterung von Existenzgründungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das bisherige Mindestkapital von 25.000 Euro sei aufgrund des Wandels der ökonomischen Rahmenbedingungen eine nicht mehr zu rechtfertigende Gründungshürde.31 Gleichzeitig sollte dadurch die Position der GmbH im europäischen Wettbewerb gegenüber Rechtsformen wie der englischen Ltd. und auch der französischen SARL, die kein (nennenswertes) gesetzliches Mindestkapital kennen, gestärkt werden.32 Die Wahl des Betrages von 10.000 Euro anstelle der zuvor im Entwurf des MiKaTraG vorgesehenen und auch später noch vielfach geforderten gänzlichen Freigabe des Stammkapitals wie in Frankreich wurde damit begründet, dass das gewählte Mindestkapital eine gewisse Seriositätsschwelle darstelle und den Schutz der Gläubiger zumindest in der Gründungsphase verbessere.33 Eine Un27

Vgl. die Kritik oben, § 4 II. 2. a). Vgl. § 5 Abs. 1 GmbHG-RegE sowie die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 66. 29 Vgl. oben, 3. Teil Fn. 7. 30 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 56. 31 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 66; Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1457 f.); Zypries, BB-Special 7/2006, Die erste Seite. Zum vorhergehenden Entwurf des MindestkapG ebenso Hartenbach, BT-Sitzungsprotokolle, 15. Wahlperiode, 181. Sitzung, S. 17144 f. 32 Vgl. Hartenbach, BT-Sitzungsprotokolle, 15. Wahlperiode, 181. Sitzung, S. 17144 f. 33 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 66. Zum MindestkapG Hartenbach, BT-Sitzungsprotokolle, 15. Wahlperiode, 181. Sitzung, S. 17145 B; sowie Seibert, BB 2005, 1061, die dem Vorwurf, der neue Betrag sei willkürlich gewählt und man hätte genauso gut das alte Mindestkapital beibehalten können, vor allem mit dem – wenig überzeugenden – Argument begegneten, Deutschland bewege sich damit im europäischen Vergleich nicht mehr am oberen Ende der Skala, sondern „in einem angemessenen mittleren Rahmen“. Allein aus der Rechtsvergleichung lässt sich kein Schluss über die Angemessenheit eines bestimmten Betrages oder die Berechtigung des Mindestkapitals überhaupt ziehen. Dennoch hat der Gesetzgeber dieses Argument für den Regierungsentwurf des MoMiG zunächst übernommen, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 66. Kritisch dazu Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512). 28

§ 7 Deutschland

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terkapitalisierungshaftung als Ausgleich für die durch die Absenkung der Mindestkapitalziffer zu erwartende verminderte Eigenkapitalausstattung der GmbH wurde ausdrücklich abgelehnt, vielmehr sollte es den Gesellschaftern selbst überlassen werden, ob sie ihre Gesellschaft mit mehr als dem gesetzlich vorgeschriebenen Eigenkapitalpolster ausstatten, um das Gläubigervertrauen zu steigern und damit die Kreditaufnahme zu erleichtern.34 Nach entsprechender Empfehlung des Rechtsausschusses35 hat der Gesetzgeber jedoch beschlossen, in der letztlich verabschiedeten Gesetzesfassung das bisherige Mindestkapital von 25.000 Euro beizubehalten. Dies ist erstaunlich, galt doch gerade die Absenkung des Mindestkapitals auf 10.000 Euro zu Beginn des Reformprozesses als so wenig umstritten, dass sie noch vor der Ausarbeitung der angestrebten umfassenden Gesetzesnovelle separat durch das MindestkapG vorweggenommen werden sollte.36 Der Rechtsausschuss begründet seine Empfehlung der Beibehaltung des alten Betrages damit, dass einerseits durch Einführung der UG (haftungsbeschränkt)37 gänzlich ohne Mindeststammkapital kein Bedürfnis mehr für eine Herabsetzung des Minimalbetrages für die „normale“ GmbH bestehe.38 Andererseits diene es der Seriosität der bestehenden fast eine Mio. Gesellschaften, wenn weiterhin ein einheitlicher Betrag vorgeschrieben sei und insoweit nicht in jedem Einzelfall zwischen Alt- und Neugesellschaften unterschieden werden müsse.39 bb) Einführung der „UG (haftungsbeschränkt)“ Während der verschiedenen Entwurfsphasen des MoMiG hat von allen Reformvorschlägen die Absenkung der Mindestkapitalziffer vor allem in der fachfremden Öffentlichkeit die größte Aufmerksamkeit auf sich gezogen.40 Seit Inkrafttreten der Reform hat ihr jedoch eine Maßnahme den Rang abgelaufen, die 34

Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 66. BT-Drucks. 16/9737, S. 8. 36 Vgl. die Begründung des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMJ Hartenbach, BT-Sitzungsprotokolle, 15. Wahlperiode, 181. Sitzung, S. 17144, zum MindestkapG, ausweislich derer die Absenkung des Mindestkapitals der Teil der angestrebten umfassenden Reform war, der „schon im jetzigen Stadium unproblematisch ist“. 37 Dazu sogleich, bb). 38 Gleichsinnig die Stellungnahme von Jung zum Regierungsentwurf, S. 8 f. An diesem Punkt erscheint schon die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 6140, Anlage 1, selbst widersprüchlich, wenn sie auf S. 56 ausführt, die Absenkung des Mindestkapitals diene der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der GmbH, andererseits aber darauf verweist, dass die Einführung der UG als Variante der GmbH den Druck zur Absenkung oder Abschaffung des Mindestkapitals auffange. Wenn letzteres der Fall ist, kann der Hinweis auf den Wettbewerb der Rechtsordnungen nichts mehr zur Begründung der Absenkung des Mindestkapitals der „normalen“ GmbH beitragen. 39 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 83. 40 Gleicher Befund bei Römermann, GmbHR 2006, 673 (675). 35

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

erst im Zuge des Regierungsentwurfs etwas überraschend Eingang in die Reformüberlegungen des Gesetzgebers gefunden hat41: die Einführung der Unternehmergesellschaft (UG).42 Eine einzige Vorschrift, der neue § 5a GmbHG n. F., regelt die Besonderheiten dieser „Variante der Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ abschließend, im Übrigen ist sie als GmbH anzusehen und unterliegt sämtlichen diese betreffenden Regelungen.43 Der Gesetzgeber hat sich also ausdrücklich gegen die (teilweise ebenfalls unter der Bezeichnung „UG“ vorgeschlagene) Einführung einer gänzlich neuen Rechtsform entschieden und stattdessen, angelehnt an das spanische Beispiel44, eine Unterart der GmbH für Unternehmensgründer geschaffen.45 Der Grund, warum hierfür ein „einziger, kleiner Paragraph“ 46 im GmbHG ausreicht47, liegt darin, dass sich die Besonderheiten dieser „kleinen Schwester“ der GmbH auf wenige Punkte beschränken. Entscheidendes Differenzierungsmerkmal ist das Mindeststammkapital: Eine Gesellschaft, deren Stammkapital bei der Gründung das in § 5 Abs. 1 GmbHG vorgeschriebene Minimum unterschreitet, darf gemäß § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. abweichend von § 4 GmbHG nicht als GmbH im Rechtsverkehr auftreten, sondern muss in ihrer Firma den Rechtsformzusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bzw. die Kurzform „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. Die UG ist damit im Grunde nichts anderes als

41 Vorüberlegungen in diese Richtung existierten aber bereits, vgl. die Nachweise unten zur Einführung einer neuen Gesellschaftsform neben der GmbH, 3. Teil Fn. 510. Die Entwicklungslinie überblicksweise nachzeichnend Ulmer/Paura, § 5a GmbHG Rn. 12 ff. 42 MüKoGmbHG/Rieder, § 5a GmbHG Rn. 6, konstatiert eine „erhebliche Aufmerksamkeit des Schrifttums“. Von großem Widerhall in der Tagespresse spricht Wilhelm, DB 2007, 1510, unter Verweis auf FAZ vom 23.05.2007, S. 15. Vgl. auch FAZ vom 16.05.2007, S. 21, wo allerdings fälschlich von einer neuen „Mini-GmbH ohne Stammkapital“ berichtet wird. Dass die UG (haftungsbeschränkt) sehr wohl ein Stammkapital aufweist, für das lediglich die Untergrenze des § 5 Abs. 1 GmbHG nicht gilt, wird sogleich ausgeführt. 43 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 71; MüKoGmbHG/ Rieder, § 5a GmbHG Rn. 1. 44 Vgl. dazu unten, § 9 I. 1. a). Ähnliche Überlegungen zur Schaffung einer „einfachen GmbH“ ohne Mindestkapital neben der traditionellen GmbH finden sich auch in Österreich, vgl. Kalss/Schauer, S. 482 ff. 45 Die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 2, stellt hierzu bündig fest: „Anstelle einer diskutierten neuen, eigenen Rechtsform sieht der Entwurf eine Variante der GmbH vor [. . .] und erreicht damit dasselbe Ziel mit sehr viel weniger Regelungsaufwand.“ 46 Seibert, GmbHR 2007, 673 (675). 47 Der spanische Gesetzgeber hat demgegenüber einen etwas größeren Regelungsaufwand betrieben und der LSL ein komplettes neues Kapitel hinzugefügt. Auch die Vorschläge zur Einführung einer ganz neuen Rechtsform in Deutschland waren deutlich umfangreicher und umfassten bis zu 75 neue Paragraphen, vgl. Seibert, GmbHR 2007, 673 (675).

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eine GmbH, die mit einem Stammkapital unterhalb von 25.000 Euro gegründet wird. Für die UG gelten – von der Firma abgesehen – ganze drei Sonderregeln (§ 5a Abs. 2 bis 4 GmbHG n. F.). Erhöht die UG später ihr Stammkapital auf das gesetzliche Minimum oder darüber, so endet die Anwendbarkeit dieser Sonderregeln gemäß § 5a Abs. 5 Hs. 1 GmbHG n. F. und die Gesellschaft wird damit automatisch zur normalen GmbH, auch wenn sie gemäß § 5a Abs. 5 Hs. 2 GmbHG n. F. ihre Firmierung als UG beibehalten darf. Einer Umwandlung bedarf es nicht, da die Gesellschaft vorher wie nachher eine GmbH ist.48 Umgekehrt ist die Absenkung des Stammkapitals einer „normalen“ GmbH unter die zwingende Untergrenze unter Umfirmierung in eine UG jedoch ausgeschlossen.49 Der Weg in die UG ist also, wie bei der spanischen S.L.N.E., nur bei der Gesellschaftsgründung eröffnet, es handelt sich um eine reine „Einstiegsvariante“ für Unternehmensgründer.50 Die die UG charakterisierenden Spezialregelungen des § 5a Abs. 2 bis 4 GmbHG n. F. beruhen letztlich alle auf dem Verzicht auf ein Mindeststammkapital.51 § 5a Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F. schreibt vor, dass die UG erst dann zur Eintragung angemeldet werden darf, wenn das gesamte Stammkapital aufgebracht wurde. Denn die Gesellschafter haben kein berechtigtes Interesse an der Beschränkung der anfänglichen Einzahlungspflicht in § 7 Abs. 2 GmbHG, wenn sie den Gesamtumfang ihrer Einlageverpflichtungen ohnehin völlig frei bestimmen können.52 Aus dem gleichen Grund bedürfen sie nicht der Möglichkeit, das Stammkapital teilweise durch Sacheinlagen aufzubringen. Deshalb ist die UGGründung gemäß § 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F. immer zwingend eine reine Bargründung, um die Schwierigkeiten der Werthaltigkeitskontrolle von Sacheinlagen zu vermeiden und die Gründung der UG zu beschleunigen. Das Fehlen eines Kapitalpolsters in Form des Mindestkapitals ist auch der Grund für die Vorschrift des § 5a Abs. 3 GmbHG n. F., der zufolge die Gesellschaft eine gesetzliche Rücklage bilden muss, in die jeweils ein Viertel des Jahresgewinns einzustellen ist. Diese darf nur (1) zum Zwecke einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln i. S. d. § 57c GmbHG, (2) zum Ausgleich eines 48

Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 72. Der Wortlaut des § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. ist insoweit eindeutig: „Eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital gegründet wird, das [. . .] [Hervorhebung durch den Verf.].“ Ebenso Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485; Seibert, GmbHR 2007, 673 (675); Wachter, GmbHR Sonderheft 10/2008, 25 (35); Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114 (119). 50 Aus dem Wortlaut des § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. folgt auch eindeutig, dass eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital von 25.000 Euro oder mehr gegründet wird, nicht optional als UG (haftungsbeschränkt) oder als GmbH firmieren darf; sie muss den Rechtsformzusatz GmbH führen. 51 Wie hier Wilhelm, DB 2007, 1510. 52 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 71. 49

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Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist, oder (3) zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist, aufgelöst werden darf.53 Diese Verpflichtung dient der Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der ggf. mit einem verschwindend geringen Stammkapital operierenden Gesellschaft.54 Sie endet nicht etwa, wenn die Rücklage betragsmäßig die Schwelle des § 5 Abs. 1 GmbHG erreicht oder überschreitet, sondern erst, wenn durch eine Kapitalerhöhung – aus Gesellschaftsmitteln oder gegen Einlagen – das Stammkapital der Gesellschaft auf den Betrag des gesetzlichen Mindestkapitals oder darüber erhöht wird.55 Die letzte Besonderheit der UG betrifft die zwingende Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Absinken des Gesellschaftsvermögens auf die Hälfte des Stammkapitals oder darunter gemäß § 49 Abs. 3 GmbHG. Eine solche Regelung ist sinnlos bei einer Gesellschaft, deren Stammkapital auch lediglich einen Euro betragen kann. Deshalb ersetzt § 5a Abs. 4 GmbHG n. F. den genannten Zeitpunkt, ab dem die Pflicht zur unverzüglichen Einberufung der Versammlung eingreift, für die UG durch den der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Der Grund für die Einführung der UG (haftungsbeschränkt) ist laut Gesetzgeber die Förderung „junger Existenzgründer“, denen in Kombination mit den übrigen Gründungserleichterungen56 ein „der GmbH bisher unbekanntes Maß an 53

Ein Verstoß hat, neben der Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 GmbHG, die Nichtigkeit von Jahresabschluss (§ 256 AktG analog) und Gewinnverwendungsbeschluss (§ 253 AktG analog) und damit Rückerstattungsansprüche der Gesellschaft zur Folge. Der Gesetzgeber erwog zunächst, diese Ansprüche in der endgültigen Gesetzesfassung auf einen Verweis auf die §§ 30, 31 GmbHG zu stützen, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 72. Dies hätte die praktische Funktion der Rücklage als Ausgleich für das sehr geringe Stammkapital betont, allerdings der systematischen Unterscheidung zwischen (aus Gesellschaftereinlagen gebildetem, den Kapitalschutzregeln unterliegendem) Stammkapital und (aus Gesellschaftsgewinnen gebildeter, zweckgebundener) Rücklage widersprochen. Die Regelung des § 5a Abs. 3 GmbHG n. F., die einen solchen Verweis nicht enthält, ist deshalb aus Gründen der dogmatischen Klarheit zu begrüßen. 54 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 72. Noack, DB 2007, 1395 (1396), spricht von einer „Art Kapitalaufholung“. Dies trifft zu, allerdings mit der Klarstellung, dass es sich um eine Eigenkapitalaufholung handelt und nicht etwa um eine Stammkapitalaufholung. Die Umwandlung der Rücklage in Stammkapital (im Wege der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) steht im freien Ermessen der Gesellschafter. 55 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 72. Insoweit missverständlich Wilhelm, DB 2007, 1510: „[D]er Regierungsentwurf [sichert] den Vermögensaufbau [. . .] bis zur Erreichung des Mindeststammkapitals [. . .].“ Missverständlich deshalb, weil die Thesaurierungspflicht gerade nicht endet, wenn die Rücklage den Mindestkapitalbetrag des § 5 Abs. 1 GmbHG erreicht, sondern während der gesamten Lebensdauer der UG fortbesteht, solange das Stammkapital nicht auf mindestens 25.000 Euro erhöht wird. 56 Siehe dazu sogleich, § 7 I. 1. a) cc).

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Flexibilität, Schnelligkeit, Einfachheit und Kostengünstigkeit“ geboten werde.57 Die Regelungstechnik, eine „Einstiegsvariante“ der GmbH zu schaffen, wird damit begründet, dass vor allem durch den Verzicht auf ein Mindestkapital die Unternehmensgründung erleichtert werden soll, dass aber andererseits der diesbezüglich vielfach befürchtete Prestigeverlust für die „Mutterrechtsform“ GmbH vermieden werden soll.58 Der hierauf gründenden Aussage, die Neuerung ziele deshalb „nicht auf eine generelle Aufgabe des Mindeststammkapitals der GmbH“ 59, ist jedoch bei genauerer Betrachtung zu widersprechen.60 Denn das, was die UG von ihrer Mutterrechtsform unterscheidet, genügt nicht, um das Etikett einer Rechtsformvariante wirklich zu rechtfertigen, anders als etwa im Falle der S.L.N.E. in Spanien.61 Die UG ist eine GmbH62, ihre einzige Besonderheit ist der Verzicht auf ein Mindestkapital bei der Gründung (sowie eine Handvoll darauf aufbauender Folgeregeln).63 Wenn dem aber so ist, dann wird durch die Reform trotz gegenteiliger Beteuerungen das Mindestkapital der GmbH abgeschafft.64 Es bleibt nur insoweit bestehen, als es, einmal erreicht oder überschritten, nicht nachträglich wieder unterschritten werden darf. Künftig wird es aber Gesellschaften geben, die während ihrer gesamten Lebensdauer ein Stammkapital unterhalb des Mindestbetrages des § 5 Abs. 1 GmbHG aufweisen und trotzdem im Wesentlichen GmbH sind, auch wenn sie sich nicht so nennen dürfen.65 57

Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 70. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 70 f. 59 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 70. 60 Ähnlich Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite: „[J]enes Bekenntnis ist nicht viel wert.“ 61 Für die S.L.N.E. gelten diverse Sonderregeln, vor allem Beschränkungen, die sie klar von der gewöhnlichen S.L. unterscheiden, vgl. unten, § 9 I. 1. a). 62 So auch ausdrücklich die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 72; sowie Wilhelm, DB 2007, 1510. Bildhaft Noack, DB 2007, 1395 (1396): „Das Etikett ist anders, der Inhalt ist GmbH.“ 63 Die Aussage der Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 71, innerhalb der GmbH würden „einige Erleichterungen [vorgesehen], die durch eine deutlich andere Firmierung flankiert sind [Hervorhebung durch den Verf.]“, ist übertrieben. Die einzige Erleichterung der UG gegenüber der GmbH ist der Verzicht auf das Mindestkapital, die anderen Sonderregeln (sofortige volle Einzahlung, reine Bargründung, Thesaurierungspflicht) sind Belastungen der Gesellschafter bzw. Einschränkungen ihrer Gestaltungsfreiheit. 64 So auch Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite; Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512 f.). Letzterer verweist auch darauf, dass es damit zu einer bemerkenswerten späten Versöhnung der GmbH mit dem Gegenentwurf von Oechelhäuser aus dem Jahr 1892 kommt, der ein Mindestkapital nicht vorsah. 65 Dabei darf selbstverständlich nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber einen nicht unerheblichen Anreiz geschaffen hat, bei entsprechender Vermögens- und Gewinnsituation der Gesellschaft das Stammkapital auf die gesetzliche Untergrenze oder darüber anzuheben. Denn dann entfällt die jedenfalls bei profitablen Gesellschaften unangenehme Thesaurierungspflicht von einem Viertel des Jahresgewinns gemäß § 5a 58

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Eine Aufgabe des Stammkapitals an sich – also der teilweise geforderte radikale Systemwechsel – ist damit keineswegs verbunden. Auch die GmbH des MoMiG bedarf eines Stammkapitals, egal, ob sie nun als GmbH oder als UG (haftungsbeschränkt) firmiert.66 Das Gesetz verzichtet nur fortan auf die Festlegung eines nennenswerten67 Mindestbetrages. Das Mindestkapital von 25.000 Euro in § 5 Abs. 1 GmbHG ist eigentlich kein solches mehr, denn selbst seine dauerhafte Unterschreitung führt nicht zu einer wesentlichen Änderung des anwendbaren materiellen Rechts oder zu Sanktionen.68 Dieser Umstand wird allerdings kaschiert durch eine vollständig anders klingende Firma, die jede Assoziation mit der GmbH vermeidet. Zusammenfassend lässt sich damit folgendes festhalten: Die neu eingeführte UG (haftungsbeschränkt) verdient, entgegen der Aussage der Gesetzesbegründung und der Stellungnahmen aus dem Schrifttum, kaum das Etikett „Rechtsformvariante“. In der Sache bewirkt sie nichts anderes als die Abschaffung des Mindestkapitals der GmbH, wobei für die Spanne zwischen einem Euro und dem „Mindestkapital“ des § 5 Abs. 1 GmbHG einige wenige Sonderregeln gelten, deren Bedeutung durch die Sprechweise von einer „Rechtsformvariante“ deutlich überbetont wird. UG und GmbH sind im Wesentlichen das Gleiche, trotz völlig unterschiedlicher Firmierung. Die Unterschiede zwischen der UG (haftungsbeschränkt) und der spanischen S.L.N.E. sind hingegen so bedeutend, dass es sich eigentlich verbietet, letztere als rechtsvergleichenden Vorläufer der ersteren zu bezeichnen, auch wenn sich dies auf den ersten Blick aufdrängt. Gemeinsam haben beide nur die Regelungstechnik, bestimmte Sondervorschriften innerhalb der Rechtsform der GmbH an eine unterschiedliche Firma zu knüpfen. Die S.L.N.E. ist jedoch eine echte Rechtsformvariante, sie profitiert von diversen Erleichterungen der Gründungsprozedur gegenüber der der S.L. und schränkt dafür die Gestaltungsfreiheit der Gründer erheblich ein. Beide Rechtsformen können parallel existieren, die Gesellschafter können jederzeit die Fortführung einer S.L.N.E. als S.L. beschlie-

Abs. 3 GmbHG n. F. Dieser Anreiz mag allerdings dann versagen, wenn, wie zumindest bei kleineren Gesellschaften häufig, der Haupt- oder Alleingesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer ist und damit seine Bezüge unabhängig von Gewinnausschüttungen festlegen kann, worauf Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite, hinweist. § 64 S. 3 GmbHG n. F. begrenzt solche Auszahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer nur insoweit, als sie nicht unmittelbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen dürfen. 66 Vgl. § 5a Abs. 1 GmbHG n. F., dessen Wortlaut eindeutig voraussetzt, dass auch die UG ein Stammkapital aufweist. Ebenso Seibert, GmbHR 2007, 673 (675). 67 Die Untergrenze von einem Euro für den Nennbetrag eines Geschäftsanteils gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F. ist die absolute Untergrenze des Stammkapitals. So auch Wilhelm, DB 2007, 1510. 68 Etwas anderes gilt, wie bereits hervorgehoben, nur dann, wenn die Schwelle des § 5 Abs. 1 GmbHG einmal überschritten wurde. Dann sind nachträgliche Unterschreitungen nicht mehr zulässig.

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ßen.69 UG (haftungsbeschränkt) und GmbH weichen demgegenüber kaum voneinander ab, dafür stehen sie in einem Exklusivitätsverhältnis, wobei das Mindestkapital des § 5 Abs. 1 GmbHG die Grenze darstellt70: Darunter gibt es nur die UG, darüber nur die (ggf. weiterhin als UG firmierende) GmbH.71 Eine Gesellschaft, auf die § 5a GmbHG n. F. anwendbar ist, obwohl sie auch „normale“ GmbH sein könnte, gibt es nicht. Eine Wahl zwischen beiden besteht nur bei der Gründung. cc) Sonstige Neuerungen Neben den genannten Punkten sieht das MoMiG noch weitere Erleichterungen bei der Gesellschaftsgründung vor. Diese soll vor allem entbürokratisiert und beschleunigt werden. So war noch im Regierungsentwurf – im Gefolge bereits früher geäußerter Vorschläge72 sowie einiger kritischer Stellungnahmen zum Referentenentwurf 73, der eine entsprechende Regelung nicht enthielt – dem Regierungsentwurf als Anlage eine Mustersatzung74 sowohl für die „normale“ GmbH als auch für die UG (haftungsbeschränkt) beigefügt, die durch weitere Gründungsformulare zu einem online verfügbaren „Gründungs-Set“ ergänzt werden sollte.75 Der Gesetzgeber wollte dies als „rechtspolitisches Signal [. . .], dass die Gründung einer GmbH sehr kostengünstig, unbürokratisch und schnell erfolgen kann“ 76, verstanden wissen. Bei Verwendung des Musters sollte das Erfordernis der notariellen Beurkundung des gesamten Gesellschaftsvertrages entfallen.77 69 Der Übergang von einer S.L. zur S.L.N.E. ist jedoch, wie bei der UG, ausgeschlossen. Vgl. näher unten, § 9 I. 1. a). 70 So auch Römermann, GmbHR 2007, R 193. 71 S.L. und S.L.N.E. stehen nur insoweit in einem Exklusivitätsverhältnis, als für letztere ein Höchstkapital vorgesehen ist, oberhalb dessen diese Rechtsformoption nicht zur Verfügung steht. 72 Vgl. Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (91 f.); Karsten, GmbHR 2006, 57 (61 ff.); sowie ansatzweise auch Römermann, GmbHR 2006, 673 (674). 73 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20). Vgl. zu weiteren diesbezüglichen Vorschlägen auch BDI/Hengeler, Rn. 15 ff. 74 Nach der Diktion des Gesetzgebers: „Mustervertrag“, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 60. 75 Die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 62, nimmt ausdrücklich Bezug auf das spanische Recht der S.L.N.E. als rechtsvergleichendes Vorbild. Dazu näher unten, § 9.I. 2. Allerdings sollte die Mustersatzung nach dem Regierungsentwurf für GmbH und UG (haftungsbeschränkt) gleichermaßen gelten und das Beurkundungserfordernis gänzlich entfallen lassen, während sie in Spanien auf die S.L.N.E. beschränkt ist und ihre Verwendung lediglich bewirkt, dass den beteiligten Stellen bestimmte Höchstfristen für die Ausübung ihrer Kontrollfunktionen gesetzt werden, ohne letztere in der Sache anzutasten, was Anlass zu heftiger Kritik gegeben hat. 76 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 57. 77 Nach Angaben auf der Internetseite des Deutschen Notarvereins (www.dnotv.de) belaufen sich die Notarkosten für eine Mehrpersonen-GmbH-Gründung auf 278 bis 421 Euro.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Nach Kritik daran in der Stellungnahme des Bundesrates78 wurde die beurkundungsfreie Mustersatzung auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages hin nicht in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen. Dort findet sich nur mehr in § 2 Abs. 1a GmbHG n. F. ein vereinfachtes Gründungsverfahren unter Verwendung eines dem Gesetz in der Anlage beigefügten Musterprotokolls, in dem Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführerbestellung und Gesellschafterliste zusammengefasst sind. Auch das Musterprotokoll unterliegt dem Beurkundungserfordernis, § 2 Abs. 1a S. 5 i.V. m. Abs. 1 S. 1 GmbHG n. F. Lediglich eine kostenrechtliche Privilegierung für Kleingründungen ist vorgesehen.79 Es kann für die Gründung sowohl einer GmbH als auch einer UG (haftungsbeschränkt) verwendet werden, sofern die Gesellschaft höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat. Eine in der Literatur schon früher angemahnte80 deutliche Beschleunigung des Gründungsprozesses verspricht weiterhin die Streichung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG. Demnach soll zukünftig die Erteilung einer eventuell erforderlichen staatlichen Genehmigung nicht mehr Eintragungsvoraussetzung sein.81 Dies war auch schon im Referentenentwurf vorgesehen, allerdings mit dem Unterschied, 78 Vgl. BR-Drucks. 354/07, S. 2 ff. Der Bundesrat kritisierte insbesondere, dass das Fehlen notarieller Beratung bei der Gesellschaftsgründung für die Gründer keine Erleichterung, sondern eher eine Belastung darstelle. Denn sie würden nicht mehr in jedem Fall über die Risiken einer Unternehmensgründung aufgeklärt, und außerdem laufe die Gründung unter Umständen nicht so reibungslos ab wie bei fachkundiger Begleitung durch einen Notar, so dass die zu erwartenden zahlreichen Zwischenverfügungen der Registergerichte die Eintragung der Gesellschaft letztlich deutlich verzögern könnten. Zudem wurde angeführt, dass die notarielle Beurkundung gleichzeitig auch Voraussetzung für die Anzeigepflicht der Notare gegenüber der Finanzverwaltung gemäß § 54 EStDV sei. 79 Gemäß § 41d KostO n. F. gilt der Mindestgeschäftswert für die Notargebühren in diesem Fall nicht, was zumindest bei Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) mit sehr geringem Stammkapital die Notarkosten reduziert. In ersten Stellungnahmen wird das Musterprotokoll nicht nur wegen der in den meisten Fällen ausbleibenden Kosten- und Zeitersparnis kritisiert, sondern auch wegen der weit reichenden Einschränkung der gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsfreiheit. MüKoGmbHG/Rieder, § 5a GmbHG Rn. 10, bezeichnet das Musterprotokoll deshalb gerade bei Mehrpersonengründungen als „Prokrustesbett, vor dem nur gewarnt werden kann.“ 80 Vgl. Koegel, GmbHR 2003, 1225 (1228); Melchior, GmbHR 2005, R 165 (R 166); Priester, DB 2005, 1315 (1319). 81 Der Gesetzgeber führt dies auch als Grund dafür an, warum er in der Mustersatzung in Abweichung von der h. M. zum bisherigen Recht eine sehr weite Umschreibung des Unternehmensgegenstandes (Warenhandel, Warenproduktion oder Dienstleistungen) ausreichen lässt. Denn das Argument der h. M., eine genaue Eingrenzung des Unternehmensgegenstandes sei Voraussetzung dafür, dass das Registergericht die Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmens überprüfen kann, sei nach Abschaffung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG obsolet. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 62. In diese Richtung zuvor schon Heckschen, GmbHR 2007, 198. Für die genannte h. M. vgl. nur BGH DB 1981, 466; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 3 GmbHG Rn. 8.

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dass die Genehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG-RefE innerhalb einer bestimmten Frist, grundsätzlich drei Monate ab Eintragung, nachgereicht werden musste, andernfalls sollte die Gesellschaft von Amts wegen gelöscht werden.82 Der Kritik an dieser halbherzigen Reform83 folgend wurde die Verknüpfung von staatlicher Genehmigung und Handelsregistereintragung im Regierungsentwurf und der endgültigen Gesetzesfassung gänzlich aufgegeben. Weitere Flexibilisierungen sind im Bereich der Einlagen und Geschäftsanteile vorgesehen. Der bisherige Mindestbetrag von 100 Euro je Stammeinlage gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG und die Stückelung in Fünfzig-Euro-Schritten werden aufgegeben, da beides für den Gläubigerschutz irrelevant und damit eine unnötige Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter sei.84 Folglich werden nunmehr auch Geschäftsanteile mit einem Nennwert von einem Euro zulässig sein, § 5 Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F.85 Daneben wird den Gesellschaftern gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F. die Möglichkeit der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile schon bei der Gründung eröffnet, wobei gemäß § 5 Abs. 3 GmbHG n. F. deren Nennwerte unterschiedlich sein können, die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile aber stets dem Stammkapital entsprechen muss.86 Dadurch können die Beteiligungsverhältnisse besser den Bedürfnissen der Gesellschafter angepasst werden, was insbesondere für kleinere Familienunternehmen von Vorteil

82 Durch diese scharfe, nur vom Fristablauf abhängige Sanktion sollte verhindert werden, dass Unternehmen dauerhaft ohne Genehmigung betrieben werden. Vgl. Begründung RefE MoMiG, S. 44. 83 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20). 84 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 67. 85 Das MoMiG passt, was der Referentenentwurf noch nicht vorsah, das GmbHG umfassend an den in der Praxis bereits üblichen diesbezüglichen Sprachgebrauch an. Dementsprechend wird künftig auch im Gesetzeswortlaut klar unterschieden zwischen dem Geschäftsanteil einerseits, dessen Nennbetrag den Anteil des Inhabers am Stammkapital ausweist und damit Ausdruck seiner Beteiligung an der Gesellschaft ist, und andererseits der (Stamm-)Einlage, die allein den Umfang der Einlagepflicht des betreffenden Gesellschaft angibt. Gemäß § 14 GmbHG n. F. bestimmt sich der Umfang der Einlagepflicht nach dem bei der Gründung oder Kapitalerhöhung festgelegten Nennbetrag des Geschäftsanteils, nicht, wie nach dem bisherigen § 14 GmbHG, umgekehrt. Nennbetrag des Geschäftsanteils und Einlagebetrag können aber später auseinander fallen, da nur letzterer konstant bleiben muss, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 6140, Anlage 1, S. 63 f., wo mittelfristig die Aufgabe des „veralteten“ Begriffs der Stammeinlage zugunsten des Ausdrucks „Einlage“ oder „Einlageverpflichtung“ vorgeschlagen wird. 86 Die nach geltendem Recht bestehende Möglichkeit eines Auseinanderfallens der Stammkapitalziffer und der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile soll also künftig unzulässig sein. Die Gesellschafter müssen auf die Einziehung eines Geschäftsanteils reagieren, indem sie das Stammkapital herabsetzen, die bestehenden Geschäftsanteile nominell aufwerten oder einen neuen Geschäftsanteil schaffen, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 69.

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ist, sowohl bei der Gründung als auch bei der späteren Anteilsübertragung und im Erbfall.87 Darüber hinaus verzichtet das Gesetz künftig bei der Einmann-GmbH auf Sicherheitsleistungen für noch nicht erbrachte Einlagen i. S. d. bisherigen §§ 7 Abs. 2 S. 3, 19 Abs. 4 GmbHG. Daneben wird die Kontrolle des Registergerichts über die werthaltige Aufbringung des Stammkapitals zurückgeschnitten. Der bisher regelmäßig z. B. in Form von Einzahlungsbelegen zu erbringende Nachweis der Einlageleistung zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführer wird gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F. auf die Fälle beschränkt, in denen das Gericht „erhebliche Zweifel“ an der Richtigkeit der Versicherung der ordnungsgemäßen Leistung hat.88 Zudem hat das Gericht bei Sachgründungen die Eintragung gemäß § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. nur noch bei einer „nicht unwesentlichen“ Überbewertung der Sacheinlagegegenstände zu verweigern. Der Wegfall der bisher in der Praxis schon unterschiedlich gehandhabten genauen Werthaltigkeitskontrolle soll das Gründungsverfahren beschleunigen89 und beseitigt den sachlich nicht gerechtfertigten Unterschied zur aktienrechtlichen Parallelregelung des § 38 Abs. 2 S. 2 AktG.90 b) Modernisierung des Kapitalschutzregimes Um die GmbH nicht nur für Unternehmensgründer, sondern auch für bestehende Unternehmen attraktiver zu gestalten, sieht das MoMiG eine Reihe von Neuregelungen insbesondere im Bereich des Kapitalschutzes vor, mit denen der Gesetzgeber nach eigener Aussage „zu den in den letzten Jahren in der Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft am meisten umstrittenen Themen des GmbHRechts Stellung [nimmt]“.91 Eines der Leitmotive ist dabei die Rückkehr zu einer bilanziellen Betrachtungsweise im Rahmen der Kapitalaufbringung und -erhaltung.92

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Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 69. Nach Ansicht von Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1458), bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahme für die Gründer tatsächlich zu Erleichterungen führt, da sie auch nach neuem Recht sicherheitshalber Einzahlungsbelege bereithalten müssten für den Fall, dass das Gericht entsprechende Zweifel anmeldet. 89 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1397). 90 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 82. 91 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 56. 92 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 78: „roter Faden“. Ähnlich Seibert, GmbHR 2007, 673. 88

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aa) Kapitalaufbringung (1) Gesetzliche Fixierung der verdeckten Sacheinlage Der wohl bedeutendste Streitpunkt des Rechts der Kapitalaufbringung, der Anlass zu einer breiten Palette von höchstrichterlichen Entscheidungen und einer überaus kontroversen Diskussion im Schrifttum gegeben hat, ist die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage.93 Der Referentenentwurf enthielt sich – entgegen früherer Vorschläge aus dem Schrifttum94 – jeder Festlegung zu diesem Problemkreis, was teilweise als verpasste Gelegenheit bedauert wurde.95 Der Gesetzgeber nahm sich diese Kritik zu Herzen, indem er die verdeckte Sacheinlage in § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. legaldefinierte und ihre Rechtsfolgen gesetzlich fixierte. Eine verdeckte Sacheinlage liegt gemäß § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG n. F. vor, wenn formal eine Bareinlage geleistet wird, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Gesellschaft aber aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede einen Sachwert erhält. Tatbestandlich ändert sich damit nichts im Vergleich zum früheren Recht.96 Eine wesentliche Änderung findet sich jedoch in den Rechtsfolgen, wobei der Regierungsentwurf insoweit noch weiter ging als die letztlich in Kraft getretene Gesetzesfassung. Während nach bisheriger Rechtsprechung eine verdeckte Sacheinlage zur Folge hatte, dass die Bareinlageverpflichtung als nicht erfüllt galt, die Einlage also erneut in bar zu leisten war, wollte der Regierungsentwurf in § 19 Abs. 4 GmbHG-RegE eine rein bilanzielle Betrachtungsweise einführen. Gemäß Satz 1 der Vorschrift sollte die Erbringung einer verdeckten Sacheinlage grundsätzlich zur Erfüllung der Bareinlageschuld führen (Erfüllungslösung).97 Satz 2 sah eine Differenzhaftung entsprechend § 9 GmbHG vor, wenn der Wert des eingebrachten Vermögensgegenstandes den Betrag der Bareinlage unterschritt, wobei gemäß Satz 3 die Beweislast für die Werthaltigkeit den Inferenten treffen sollte. 93

Vgl. dazu oben, § 4 I. 3. b). Vgl. etwa Brandner, in: FS Boujong (1996), S. 37 (45 f.); DAV-Handelsrechtsausschuss, WiB 1996, 707 ff.; Grunewald, in: FS Rowedder, S. 111 (114 ff.); Roth/Altmeppen (6. Aufl.), § 19 GmbHG Rn. 61; Schmidt, GesR, § 37 II.4.b, S. 1124 f. 95 Vgl. etwa die gemeinsame Stellungnahme des BDI und GDV zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), S. 13; sowie Heidenhain, GmbHR 2006, 455 (457 f.); Triebel/ Otte, ZIP 2006, 1321 (1323); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (23). Ebenso mit konkretem Regelungsvorschlag DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2007, 211 (212, 221 ff.). 96 So auch ausdrücklich die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 92. Dem mit nicht ganz nachvollziehbarer Argumentation widersprechend Pentz, GmbHR 2009, 126 (131). 97 Anders noch der konkrete Regelungsvorschlag des DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2007, 211 (222), der statt der Erfüllungswirkung der Sachleistung nur deren automatische wertmäßige Anrechnung auf die fortbestehende Bareinlagepflicht vorsah, wobei der Gesellschafter für den Wert der Sache beweispflichtig sein sollte. 94

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Die Erfüllungslösung des Regierungsentwurfes wurde in den diesbezüglichen Stellungnahmen der Literatur jedoch – neben vereinzelten positiven Beurteilungen98 – stark kritisiert.99 Die Differenzhaftung als einzige verbleibende Rechtsfolge einer verdeckten Sacheinlage führe zum Verlust jeglicher generalpräventiver Wirkung, die der früheren strengen Sanktion einer vollen Neueinzahlungspflicht innewohnte.100 Dadurch werde die Einhaltung der Sacheinlagevorschriften faktisch zur Disposition der Gesellschafter gestellt101, die die verdeckte Sacheinlage in Zukunft als bewusstes Gestaltungsmittel einsetzen könnten102. Die publizierte Stammkapitalziffer verliere in der Folge an Glaubwürdigkeit, was zu einer Gläubigerbenachteiligung führe.103 Gleiches gelte für die ebenfalls publizitätspflichtigen gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Form der Einlagenerbringung.104 Zudem würden dem Geschäftsführer diesbezügliche Lügen gegenüber dem Registergericht gestattet, obwohl § 82 GmbHG gerade hierfür strafrechtliche Sanktionen vorsehe.105 In Reaktion auf diese Kritik hat der Rechtsausschuss des Bundestages empfohlen, die Erfüllungslösung durch eine Anrechnungslösung zu ersetzen.106 Dieser Empfehlung ist der Gesetzgeber gefolgt.107 Gemäß § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG n. F. befreit eine verdeckte Sacheinlage den Gesellschafter ausdrücklich nicht von sei98 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1397), dem zufolge die Regelung des Regierungsentwurfs die frühere „überschießende Rechtsfolge“ durch eine angemessene ersetzte. Er plädierte allerdings noch weitergehend für eine vollständige Aufgabe der Unterscheidung zwischen Bar- und Sacheinlagen parallel zum KG-Modell. Dem folgend Heckschen, DStR 2007, 1442 (1449). 99 Vgl. Bayer, ZGR 2007, 220 (230); Römermann, GmbHR 2007, R 193 (R 194); Veil, ZIP 2007, 1241 (1243); Wirsch, GmbHR 2007, 736. Schon vor Veröffentlichung des Regierungsentwurfs skeptisch gegenüber einer Lockerung der Sacheinlagevorschriften Habersack, ZHR 170 (2006), 607 (608); Thiessen, DStR 2007, 202 (205). 100 Vgl. Römermann, GmbHR 2007, R 193 (R 194); Wirsch, GmbHR 2007, 736 (739 f.). Letzterer merkt an, dass die Beweislastumkehr für die Werthaltigkeit der verdeckten Sacheinlage keinen ausreichenden Anreiz zur Einhaltung der Sacheinlagevorschriften biete, da dieser Nachteil für den Inferenten durch die Umgehung des kostspieligen und langwierigen ordnungsgemäßen Verfahrens mehr als kompensiert werde. Den Nutzen einer präventiven Werthaltigkeitskontrolle durch das Registergericht generell bezweifelnd aber Heidenhain, GmbHR 2006, 455 (456). 101 Vgl. Bormann, GmbHR 2007, 897 (900); Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1070); Ries, Stellungnahme, S. 11. 102 Vgl. Bormann, GmbHR 2007, 897 (900). 103 Vgl. Wirsch, GmbHR 2007, 736 (740). Ähnlich Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754 (755 f.), die die Abmilderung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage für zu weit gehend hält und stattdessen eine tatbestandliche „Rückbesinnung“ auf die Kernfälle dieser Rechtsfigur fordert, die nur die wirtschaftliche Erbringung einer Sachleistung anstelle der vereinbarten Bareinlage umfassen. 104 Vgl. Heckschen, DStR 2007, 1442 (1448). 105 Lutter, Stellungnahme, S. 8. 106 Vgl. Empfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 13; in Anlehnung an den entsprechenden Vorschlag von DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2007, 211 (222).

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ner Bareinlageverpflichtung. Die die Sachleistung betreffenden Verträge und Ausführungshandlungen sind jedoch gemäß S. 2 nicht unwirksam. Der Wert der Sachleistung, für den der Gesellschafter gemäß S. 5 beweispflichtig ist, wird frühestens mit Eintragung der Gesellschaft ipso iure auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht angerechnet, § 19 Abs. 4 S. 3 und 4 GmbHG n. F.108 Der Unterschied zur der Erfüllungslösung des Regierungsentwurfes besteht vor allem darin, dass die Einlagepflicht zumindest bis zur Eintragung in voller Höhe fortbesteht. Der Geschäftsführer kann und darf also in der Anmeldung nach § 8 GmbHG nicht versichern, die Geldeinlagepflicht sei erfüllt bzw. zumindest durch Anrechnung erloschen. Gleichzeitig kann dementsprechend das Registergericht die Eintragung auch in dem Fall, dass der Wert der verdeckten Sacheinlage den Betrag der geschuldeten Geldeinlage voll abdeckt, die Eintragung nach § 9c GmbHG ablehnen.109 Mit der Neuregelung trägt der Gesetzgeber der Kritik an der bisherigen Rechtslage Rechnung, die jedenfalls für rechtsunkundige Gesellschafter in ihren Voraussetzungen oft unvorhersehbar war und für einen bloßen formellen Verfahrensverstoß eine drastische Rechtsfolge, die Pflicht zur erneuten vollständigen Erbringung der Bareinlage, vorsah.110 Während jedoch der Regierungsentwurf verdeckte Sacheinlagen weit gehend wie „normale“ Sacheinlagen behandeln wollte, behält § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. ein deutlicheres „Sanktionsgefälle“ 111 bei. Vor der Eintragung bleibt es bei der Versagung der Erfüllungswirkung der Sachleistung, wenn das formelle Sacheinlageverfahren nicht beachtet wurde. Erst nach der Eintragung findet der Übergang zur bilanziellen Betrachtungsweise statt, und der Gesellschafter wird vor der Gefahr der Doppelleistung bewahrt, soweit er den Beweis der Werthaltigkeit seiner Leistung erbringen kann. (2) Zulässigkeit des Hin- und Herzahlens bei Bargründung Eng mit der Problematik der verdeckten Sacheinlage verknüpft sind die Fälle des sog. Hin- und Herzahlens112, in denen der Gesellschafter eine Bareinlage 107 Der vermittelnde Vorschlag der Centrale für GmbH, GmbHR 2006, 978 (979), verdeckten Sacheinlagen nur dann befreiende Wirkung beizumessen, wenn der Rückfluss der Barmittel an den Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde, fand demnach keine Berücksichtigung. Zur Rückwirkung der neuen Regelung auf Altfälle vgl. Fuchs, BB 2009, 170. 108 Zur nicht ganz eindeutigen Rechtsnatur und Funktionsweise der Anrechnung vgl. Heinze, GmbHR 2008, 1065 (1066); Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 (1451); Markwardt, BB 2008, 2414 (2415 ff.), Pentz, GmbHR 2009, 126 (127 ff.). 109 Vgl. Bericht des Rechtausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 97. 110 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 91. 111 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 92. 112 Die verdeckte Sacheinlage ist im Prinzip auch ein Fall des Hin- und Herzahlens, wenn nämlich eine Bareinlage geleistet wird und die betreffenden Mittel umgehend

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

leistet und diese ihm unmittelbar danach aufgrund einer vorhergehenden Vereinbarung darlehensweise wieder ausgezahlt wird. Auch hier erfolgt die Leistung der Bareinlage nur formal, wirtschaftlich gesehen verbleibt der Gesellschaft etwas anderes, nämlich der schuldrechtliche Rückgewähranspruch. In der Praxis kommen solche Gestaltungen nicht selten vor, insbesondere im Rahmen von Cash-Pool-Systemen113, die die Begründung des Regierungsentwurfs ausdrücklich in den Blick nahm.114 Laut Rechtsprechung zum bisher geltenden Recht fehlte es in solchen Fällen an einer Einlageleistung „zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ i. S. d. § 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG, so dass keine Befreiung von der Einlagepflicht eintrat, unabhängig von der Werthaltigkeit eines eventuellen Rückzahlungsanspruchs der Gesellschaft.115 Allerdings wurde die Darlehensrückzahlung als nachträgliche Erfüllung der offen gebliebenen Einlageschuld angesehen. Die durch diese Handhabung entstandene Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Vereinbarkeit von Cash-Pool-Systemen mit dem Kapitalaufbringungsrecht116 sucht der Reformgesetzgeber zu beseitigen, indem er die bilanzielle Betrachtungsweise des neuen § 30 GmbHG n. F.117 in das Recht der Kapitalaufbringung hinein verlängert und damit der bisherigen Rechtsprechung insoweit den Boden entzieht.118 Eine vor der Einlageleistung getroffene Vereinbarung über eine Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter, die wirtschaftlich einer Einlagenrückgewähr entspricht und nicht bereits als verdeckte Sacheinlage i. S. d. neuen § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. anzusehen ist, soll gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F. künftig der wirksamen Befreiung von der Einlageschuld nicht entgegenstehen, wenn die Auszahlung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig bzw. durch fristlose Kündigung der Gesellschaft fällig stellbar ist.119 Die Formulierung der neuen Vorschrift ist etwas sperrig und wieder an den Gesellschafter als Gegenleistung für die Übereignung einer Sache oder zur Tilgung einer sonstigen bereits bestehenden Forderung ausgezahlt werden. Insoweit bestand bisher keine klare Grenzziehung zwischen beiden Rechtsfiguren, war aber wegen der einheitlichen Rechtsfolge auch nicht notwendig, vgl. nur OLG Köln, ZIP 1999, 400. Siehe dazu auch bereits oben, § 4 I. 3. b). Für die verdeckte Sacheinlage gilt aber künftig die Spezialregelung des § 19 Abs. 4 GmbHG n. F., was § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. ausdrücklich klarstellt. Letztere Vorschrift findet demnach nur auf Fälle einer Einlagenrückgewähr Anwendung, durch die nicht eine bestehende Forderung getilgt wird, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 78. 113 Vgl. zu solchen Systemen des konzerninternen Liquiditätsmanagements Schäfer, BB-Special 7/2006, 5 (5 f.); Priester, ZIP 2006, 1557; sowie ausführlich Lutter/Scheffler/Schneider, Rz. 23.1 ff. 114 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 78. 115 Vgl. BGH DB 2005, 2743; DB 2006, 443; DB 2006, 1889. 116 Vgl. dazu die Nachw. unten, 3. Teil Fn. 124. 117 Dazu sogleich, § 7 I. 1. b) bb). 118 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 78. 119 Der Regierungsentwurf erforderte in § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG-RegE nur die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruches. Die Regelung wurde in der endgültigen Fassung

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nur vor dem Hintergrund erklärlich, dass sie für die genannten Fälle die Fortgeltung der Rechtsprechung ausdrücklich untersagen will.120 Dem Einwand, ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch sei im Hinblick auf den Kapital- und Gläubigerschutz „schwächer“ als tatsächlich verfügbare Liquidität121, begegnete die Begründung des Regierungsentwurfs präventiv mit dem Hinweis darauf, dass nur gleich- und vollwertige Gegenansprüche die Zulässigkeit der Einlagenrückgewähr begründen könnten und dass damit „ein angemessener Ausgleich zwischen Gesellschafts- und Gläubigerinteressen erreicht“ sei.122 Zugleich wurde in § 19 Abs. 5 S. 2 GmbHG n. F. die Pflicht verankert, das Hin- und Herzahlen oder die entsprechende Vereinbarung schon in der Anmeldung nach § 8 GmbHG anzugeben, um dem Registergericht die Überprüfung der Einhaltung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F. zu ermöglichen. bb) Kapitalerhaltung Im Bereich der Kapitalerhaltung sind insbesondere zwei Reformmaßnahmen von Relevanz, die beide die Behandlung von Darlehen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter betreffen. Zunächst ist hier die schon lange von der Praxis geforderte Schaffung eines gesicherten Rechtsrahmens für Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter (sog. „aufsteigende Darlehen“ oder „Upstream Loans“) im Allgemeinen und für das Cash Pooling im Besonderen zu nennen. Die durch die so genannte „November-Rechtsprechung“ des BGH123 entstandene Rechtsunsicherheit124 bezüglich der Zulässigkeit solcher Gestaltungen im Hinin § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. überführt, um die inhaltliche Nähe zur verdeckten Sacheinlage zu verdeutlichen. Außerdem wurde die sofortige Fälligkeit bzw. Fälligstellbarkeit als zusätzliche Voraussetzung aufgenommen, um Unsicherheiten aufgrund möglicher Werthaltigkeitsverluste des Rückgewähranspruchs während einer längeren Kündigungsfrist zu vermeiden. Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 97 f. 120 Ebenso Noack, DB 2007, 1395 (1397), zur Formulierung des § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG-RegE. 121 So etwa Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, 119 (120). 122 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 79. 123 Vgl. insbesondere BGHZ 157, 72, sog. „November-Urteil“. Zudem hat der BGH jüngst festgestellt, dass die GmbH auch im Rahmen eines Cash-Pool-Systems uneingeschränkt dem geltenden Kapitalschutzrecht unterliegt, ein Sonderrecht für solche konzerninternen Finanzierungsmodelle also nicht existiert, s. BGH BB 2006, 847. Kritisch zu dieser Rechtsprechung Habersack/Schürnbrand, BB 2006, 288 (289); Vetter, ZGR 2005, 788 (822 f.). 124 Das „November-Urteil“ BGHZ 157, 72, hat in der Literatur eine lebhafte Debatte über die Vereinbarkeit des Cash Pooling mit dem Kapitalschutzrecht ausgelöst. Vgl. nur Bayer, GmbHR 2004, 445; ders., ZGR 2007, 220 (231); Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449; dies., GmbHR 2006, 1121; Gehrlein, MDR 2006, 789; Mildner, GmbHR 2006, R 161; Priester, ZIP 2006, 1557; Ulmer, ZHR 169 (2005), 1 (3 f.); Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, 407 (412). Zusammenfassend Joost, in: VGR (Hrsg.), Die GmbHReform in der Diskussion (2006), S. 31 ff.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

blick auf die Kapitalerhaltung125 soll durch die Neuregelung beseitigt werden.126 Der neu einzufügende § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. nimmt Leistungen der Gesellschaft, die das Stammkapital angreifen, vom Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG aus, wenn die Leistung im Rahmen eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrages (§ 291 AktG) erfolgt oder wenn sie durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist.127 Die Vollwertigkeit der Forderung schließt dabei deren Durchsetzbarkeit ein und ist ex ante zu beurteilen.128 Die höchstrichterliche Rechtsprechung betrachtete aufsteigende Darlehen aus dem gebundenen Gesellschaftsvermögen bisher unabhängig von der Vollwertigkeit eines eventuellen Gegenanspruchs als verbotene Auszahlung i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG. Diese gegenstands- bzw. liquiditätsbezogene Sichtweise der Kapitalerhaltung129, die vorhandenes Bar- oder Sachvermögen als „realer“ 130 betrachtete als eine (werthaltige!) Forderung der Gesellschaft, wird durch die Neuregelung ausdrücklich durch eine strikt bilanzielle Betrachtung des Gesellschaftsvermögens ersetzt.131 Auszahlungen, die einen bloßen Aktiventausch darstellen und damit das bilanzielle Gesellschaftsvermögen nicht schmälern, werden grundsätzlich zugelassen. Dadurch wird insbesondere der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Cash Pooling prinzipiell ökonomisch sinnvoll ist und damit auch im 125 Zur gleichen Problematik im Zusammenhang mit dem Kapitalaufbringungsrecht vgl. oben, § 7 I. 1. b) aa) (2). 126 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 93 f. Zum RefE MoMiG bereits Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1460); sowie ausführlich Schäfer, BB-Special 7/2006, 5. 127 Näher dazu im einzelnen Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1293 ff.). 128 Wertverluste oder unvorhersehbare Durchsetzungsprobleme führen also nicht nachträglich zu einem Eingreifen des Auszahlungsverbots, können aber Grundlage einer Haftung des Geschäftsführers sein, wenn dieser die mögliche Eintreibung der offenen Forderung pflichtwidrig unterlassen hat. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BTDrucks. 16/6140, Anlage 1, S. 94. 129 Grundlegend hierfür Schön, ZHR 159 (1995), 351 (359 ff.); sowie Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335 (440 ff.), unter dem programmatischen Titel „Befreiung vom handelsbilanziellen Denken“. 130 Vgl. Joost, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 31 (36): „Eigenkapitaldeckung bedeutet reale Deckung durch vorhandenes Vermögen der GmbH [. . .].“ 131 Vgl. Hölzle, GmbHR 2007, 729 (734: „Nichtanwendungserlass“). Die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 93 f., spricht explizit von einer „Rückkehr“ zum bilanziellen Denken, da § 30 Abs. 1 GmbHG nach seinem Wortlaut ohnehin nur das Gesellschaftsvermögen gegen Ausschüttungen schütze. Ein Austausch einzelner gleichwertiger Posten auf der Aktivseite der Bilanz führe aber nicht zu einer Schmälerung des Gesellschaftsvermögens als Summe aller Aktiva. Das Stammkapital stelle eine bilanzielle Ausschüttungssperre dar und bezwecke nicht die Erhaltung der konkreten gegenständlichen Zusammensetzung des Gesellschaftsvermögens. Die Rechtsprechung habe diesen rein bilanziellen Schutz zu einem gegenständlichen erweitert, was durch die Neuregelung im Interesse der Praxis korrigiert werde.

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Interesse der Tochtergesellschaft liegt, und dass die Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln auf solche konzerninternen Gestaltungen vor allem international tätige Konzerne vor erhebliche praktische Schwierigkeiten stellt.132 Der BGH hat jüngst klargestellt, dass er nach Inkrafttreten des MoMiG auch für Altfälle nicht an seiner „November-Rechtsprechung“ festhalten wird.133 cc) Recht der Gesellschafterdarlehen Die zweite, nicht nur vom wissenschaftlichen Standpunkt noch wesentlich bedeutsamere Maßnahme ist die Reform des Eigenkapitalersatzrechts. 134 In § 30 Abs. 1 GmbHG soll zunächst ein neuer dritter Satz eingefügt werden, der lautet: „Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.“ Durch diese Vorschrift wird eindeutig klargestellt, dass die Rechtsprechungsregeln zur analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nicht weiter Geltung beanspruchen können.135 Dadurch wird die „verwirrende Doppelspurigkeit“ zwischen Rechtsprechungs- und Novellenregeln beseitigt, um das Recht der Gesellschafterdarlehen rechtssicherer und einfacher handhabbar zu gestalten.136 132

Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 93. Vgl. BGH GmbHR 2009, 199 („MPS“). 134 Vgl. den Überblick bei Flitsch, DZWIR 2006, 397. 135 Verschiedene Autoren zeigen sich erstaunt angesichts der unüblichen Gesetzestechnik, ausdrücklich die Nichtanwendung einer Norm für einen bestimmten Fall anzuordnen („Nichtanwendungserlass“). Dies war in der Fassung des Referentenentwurfs noch deutlicher, wo der Nichtanwendungserlass sich spezifisch auf kapitalersetzende Darlehen bezog. Vgl. Noack, DB 2006, 1475 (1482); Römermann, GmbHR 2006, 673 (677); Schäfer, BB-Special 7/2006, 5 (8). Angesichts der Tatsache, dass die Rechtsprechung entgegen dem ausdrücklich in der Begründung zur Einführung der Novellenregeln der §§ 32a, b GmbHG geäußerten gesetzgeberischen Willen die Fortgeltung der analogen Anwendbarkeit der §§ 30, 31 GmbHG angenommen hat, erscheint eine derartige Anordnung im Gesetzestext selbst jedoch sinnvoll. Ebenso Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (16). Eine solche aufgrund des gewohnheitsrechtlichen Geltungsanspruchs der Rechtsprechungsregeln sogar für notwendig haltend Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (422). 136 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 58 und 95. Diesen Weg zeichnete die jüngste BGH-Rechtsprechung bereits vor, vgl. BGH GmbHR 2006, 421. Allerdings wird die Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital, die die Rechtsprechung vornahm, nicht wirklich aufgegeben, auch wenn die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 58, dies glauben machen will. Sie wird vielmehr modifiziert in das Insolvenzrecht verlagert und kommt nur noch ex post zum Tragen. Denn die generelle Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz und ihre Nichtberücksichtigung im Überschuldungsstatus bedeutet faktisch ihre Behandlung wie Eigenkapital. Wie Thiessen, DStR 2007, 202 (207), treffend anmerkt: „Der Eigenkapitalersatzgedanke wird im Gesellschaftsrecht verboten, damit er im Insolvenzrecht neu gedacht wird.“ 133

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Auch die Novellenregeln der §§ 32a, b GmbHG werden aufgehoben, ihr Regelungsgehalt wird – in leicht geänderter Fassung – in das Insolvenzrecht überführt, was dessen insolvenzrechtlicher Funktion Rechnung tragen und Regelungsredundanzen mit § 39 InsO beseitigen soll.137 Hierbei kommt es zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs, die für Theorie und Praxis von großer Tragweite ist: Die Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen und gesellschafterbesicherte Drittdarlehen knüpfen künftig nicht mehr an deren eigenkapitalersetzenden Charakter an. Gesellschafterdarlehen138 innerhalb und außerhalb der Krise werden fortan gleich behandelt, indem sie gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F. im Insolvenzfall stets nachrangig nach Drittforderungen befriedigt werden.139 In § 135 InsO n. F. wird ebenfalls das Tatbestandsmerkmal „kapitalersetzend“ gestrichen, so dass nunmehr die Gewährung von Sicherheiten und die Rückzahlung bei sämtlichen Gesellschafterdarlehen innerhalb der unverändert gebliebenen Fristen der Insolvenzanfechtung unterliegen.

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Ausführlich dazu Huber/Habersack, BB 2006, 1 (4 f.). Den Gesellschafterdarlehen gleichgestellt sind Forderungen aus ihnen wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen. Das bedeutet in persönlicher Hinsicht, dass wie bisher auch gesellschaftergleiche Dritte mit erfasst werden, vgl. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1659); Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (354). Allerdings sollte durch den Regierungsentwurf der bisherige sachliche Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzrechts reduziert werden: Die Fallgruppe der „eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung“ sollte entfallen. Vgl. dazu Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1659); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (5); Mülbert, WM 2006, 1977 (1980 f.); Noack, DB 2007, 1395 (1398); ders., DB 2006, 1475 (1481); Schmidt, GmbHR 2007, 1 (9 f.); Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (354); kritisch Hölzle, ZInsO 2007, 421; ders., GmbHR 2007, 729 (735); Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbHReform in der Diskussion (2006), S. 115 (130 ff.). Die Rechtsprechung ging in diesen Fällen bisher im Ergebnis davon aus, dass der Gesellschaft im Insolvenzfall ein Anspruch auf unentgeltliche Überlassung des Gegenstandes für die vertraglich vereinbarte oder für eine angemessene Dauer zustehen kann, vgl. zuletzt die Bestätigung der st. Rspr. durch BGH NZG 2005, 180 = ZIP 2005, 484. Da dieser Anspruch mit dem eigenkapitalersetzenden Charakter der Überlassung begründet werde, das MoMiG aber die Unterscheidung zwischen eigenkapitalersetzenden und sonstigen Gesellschafterleistungen vollständig aufgebe, entziehe die Reform dieser Rechtsprechung jegliche Grundlage, so die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 6140, Anlage 1, S. 130. Die Abschaffung dieser Rechtsfigur befürwortend, aber kritisch zur Begründung des Gesetzgebers Haas, ZInsO 2007, 617 (622 f.). Aufgrund von Bedenken, dass die Möglichkeit der Entziehung betriebsnotwendiger Gegenstände und Rechte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens viele Sanierungsbemühungen zum Scheitern verurteile, wurde die Nutzungsüberlassung doch beibehalten und in § 135 Abs. 3 InsO n. F. geregelt, vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/ 9737, S. 106. Der Gesellschafter muss demnach die der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen Gegenstände für die Dauer von bis zu einem Jahr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei ihr belassen, erhält jedoch als Gegenleistung die im letzten Jahr vor der Eröffnung dafür tatsächlich geleisteten Vergütungen weitergezahlt. Diese Regelung begrüßend Fliegner, DB 2008, 1668 (1670). 139 Zur vergleichbaren, allerdings noch weitergehenden Regelung im spanischen Recht vgl. oben, § 6 I. 2. e). 138

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Das eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen als eigenständige Rechtsfigur, in dieser Form durchaus eine Besonderheit des Kapitalgesellschaftsrechts im deutschsprachigen Raum140, wird damit aufgegeben.141 Der Gesetzgeber hat also durch den sprichwörtlichen „Federstrich“ ganze Regale rechtswissenschaftlicher Bibliotheken obsolet werden lassen.142 Die neuen Regelungen gelten zudem nicht mehr nur für Kapitalgesellschaften, sondern sind rechtsformneutral ausgestaltet.143 In ihrer systematischen Verlagerung manifestiert sich die international zu beobachtende Tendenz, dass die Bedeutung des Gesellschaftsrechts 140 Dies wird teilweise bezweifelt unter Hinweis auf angeblich funktional vergleichbare Regelungen in anderen Rechtsordnungen, namentlich Frankreich (action en comblement du passif), vgl. nur Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (388). Dabei wird jedoch zumeist verkannt, dass ausländische Rechtsordnungen zwar durchaus das Problem der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen adressieren, aber außerhalb des deutschsprachigen Raums nicht unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes und damit unabhängig von gesetzlichen Kapitalschutzregeln. I. E. wie hier Grunewald, GmbHR 1997, 7 (9); Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (443); Thiessen, DStR 2007, 202 (205). Zu Frankreich und Spanien insoweit näher oben, § 5 I. 2. e) bzw. § 6 I. 2. e). Zu anderen Rechtsordnungen überblicksweise Haas, Gutachten, S. E 58 f.; Heinert, S. 65 ff.; Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (381 ff.); Skeel/Krause-Vilmar, EBOR 7 (2006), 259. 141 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 129. Ebenso Gehrlein, BB 2008, 846 (851); Noack, DB 2007, 1395 (1397); Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1290). Vgl. dazu auch Bork, ZGR 2007, 250; Ekkenga, WM 2006, 1986; Flitsch, DZWiR 2006, 397; Haas, Gutachten, S. E 51 ff.; Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370; Mülbert, WM 2006, 1977. Kritisch Schmidt, ZIP 2006, 1925. 142 Teilweise anders Haas, ZInsO 2007, 617 (617 f.), der die inhaltlichen Veränderungen weder auf Tatbestands- noch auf Rechtsfolgenseite für sonderlich bedeutend hält. Im Tatbestand werde nur auf das Merkmal der „Krise“ verzichtet, im Übrigen bleibe er im Grundsatz unverändert. Und die Rechtsfolgen der Subordination und der Rückzahlungssperre seien auch nach geltendem Recht schon vorgesehen, lediglich der präventive Schutz der Rechtsprechungsregeln entfalle. Dem ist zu widersprechen. Denn das Tatbestandsmerkmal der „Krise“ ist gerade das Spezifikum des deutschen Eigenkapitalersatzrechts, es entscheidet darüber, ob ein Gesellschafterdarlehen kapitalersetzend ist oder nicht. Und auf Rechtsfolgenseite ergeben sich ebenfalls erhebliche Unterschiede, da die Rechtsprechungsregeln in der bisherigen Praxis eine weitaus gewichtigere Rolle spielten als die Novellenregeln. 143 Gemäß dem sprachlich missglückten § 39 Abs. 4 S. 1 InsO n. F. soll die insolvenzrechtliche Rangrückstufung von Gesellschafterdarlehen Anwendung finden auf „Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.“ In der Fassung des Referentenentwurfs war die Vorschrift noch sperriger formuliert, brachte allerdings sprachlich zutreffender ihre Reichweite zum Ausdruck. Im Klartext: Erfasst werden alle Gesellschaften, bei denen weder unmittelbar (als Gesellschafter) noch mittelbar (als „Gesellschafter eines Gesellschafters“) eine natürliche Person mit ihrem Privatvermögen für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet. Dies betrifft demnach GmbH, AG sowie bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen auch KGaA, oHG, KG und Genossenschaft, ferner entsprechende Auslandsgesellschaften und die SE. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 130.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

zugunsten des Insolvenzrechts zurückgedrängt wird.144 Allerdings wurde der vereinzelt geäußerten weitergehenden Forderung aus dem Schrifttum, jegliche Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen gänzlich abzuschaffen, nicht gefolgt.145 Durch diese radikale Reform des Rechts der Gesellschafterdarlehen146 wird der schon seit längerem geäußerten Kritik, das deutsche Eigenkapitalersatzrecht sei zu kompliziert und deshalb besonders für die Mitglieder kleinerer Gesellschaften ein unüberschaubares Haftungsrisiko147, Rechnung getragen, um die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen zu stärken.148 Die neue Regelung befindet sich laut Gesetzesbegründung149 im Einklang mit international verbreiteten Regelungsmustern und benachteiligt die Gesellschafter nicht unangemessen, da auch schon nach bisherigem Recht außerhalb der Krise gewährte Darlehen durch „Stehenlassen“ in der Krise regelmäßig zu Eigenkapitalersatz umqualifiziert wurden.150 Die ausnahmslose Subordination von bei Eröffnung des Insolvenzver144 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1519); Ungan, ZVglRWiss 104 (2005), 355 (375); sowie Schmidt, GmbHR 2007, 1, der allerdings die sachliche Überzeugungskraft dieser Verlagerung bezweifelt, da allein aus der Tatsache, dass der Insolvenzverwalter eine Klage auf eine bestimmte Norm stützt, nicht gefolgert werden dürfe, dass diese Norm eine insolvenzrechtliche sei. 145 Ebenso Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (17). Näher zu diesen weitergehenden Forderungen unten, § 7 II. 4. 146 Die Bezeichnung „Eigenkapitalersatzrecht“ ist durch die Reform obsolet geworden, denn weder Subordination noch Insolvenzanfechtung von Rückzahlungen knüpfen daran an, ob das Darlehen zum Zeitpunkt seiner Ausreichung durch den Gesellschafter im Einzelfall eigenkapitalersetzenden Charakter hatte oder nicht. Zwar ließe sich argumentieren, dass die Anfechtungsfrist des § 135 InsO n. F. als gesetzlich typisierte, unwiderlegliche Vermutung des Eigenkapitalersatzcharakters anzusehen ist. Dagegen spricht jedoch, dass die Frist nicht den Zeitpunkt der Darlehensausreichung, sondern den der Rückzahlung in den Blick nimmt. Zwar ist zu vermuten, dass sich die altbekannte Sprechweise aus Gründen der Gewohnheit noch eine Weile halten wird, zumal Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz durch Subordination und Anfechtung der Rückzahlung in die Nähe des haftenden Stammkapitals gerückt werden. Vorzugswürdig erscheint jedoch fortan die Bezeichnung „(Sonder-)Recht der Gesellschafterdarlehen“. In diesem Sinne auch die Änderung der Überschrift des § 6 AnfG sowie die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 133. 147 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1519); Fastrich, DStR 2006, 656 (659 f.); sowie die Nachweise oben, § 4 II. 2. d). 148 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 130. Blöse, GmbHR 2007, R 65, äußert allerdings Zweifel, ob das geltende Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis wirklich ein Wettbewerbsnachteil für die GmbH ist, da die meisten Unternehmensgründer nichts von dessen Existenz wüssten und sich somit dadurch auch nicht von der Gründung einer GmbH abhalten ließen. Dieses Argument mag zwar zutreffen, ändert jedoch nichts daran, dass ein sorgfältig informierter oder beratener Gründer auch um die möglichen Konsequenzen des Eigenkapitalersatzrechts weiß und diese insofern in seine Rechtsformwahl einbeziehen kann. Dass viele Gründer nicht um die „Nachteile“ der GmbH wissen, kann nicht als Begründung herhalten, diese nicht zu beseitigen. 149 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 130. 150 Vgl. nur BGH DB 1995, 89; DB 1995, 206.

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fahrens noch offenen Darlehensforderungen schreibt also nur das fest, was in den meisten Fällen ohnehin bereits der Rechtspraxis entspricht. Für die Darlehensrückzahlung im Vorfeld der Insolvenz ergeben sich hingegen durchaus praktische Unterschiede zwischen geltendem und neuem Recht, wird doch das bisherige einzelfallbezogene, sachliche Abgrenzungsmerkmal der Krise durch ein pauschales, zeitliches Kriterium abgelöst. Maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit der Rückzahlung ist zudem künftig deren Zeitpunkt, nicht mehr der der Darlehensausreichung. Hierin liegt eine vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene, der Vereinfachung und Rechtssicherheit dienende Typisierung.151 Das bisherige Kleinbeteiligungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG bleibt in § 39 Abs. 5 InsO n. F. erhalten, ebenso wie das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG in § 39 Abs. 4 S. 2 InsO n. F., da beide Regelungen sich in der Praxis bewährt haben.152 Für letzteres wird allerdings das Tatbestandsmerkmal der „Krise“ durch die in den §§ 17 bis 19 InsO definierten Insolvenzeröffnungsgründe ersetzt. Privilegiert werden demnach bestehende oder neu begründete Forderungen aus Darlehen und gleichgestellten Rechtsgeschäften, sofern der Gesellschafter seine Anteile erst bei Vorliegen eines der genannten Eröffnungsgründe und zum Zwecke der Sanierung der Gesellschaft erworben hat153; die Privilegierung endet mit der nachhaltigen Sanierung154. Die Vorschriften der bisherigen §§ 32a Abs. 2 und 3, 32b GmbHG über gesellschafterbesicherte Drittdarlehen werden in angepasster Form in die neu geschaffenen §§ 44a, 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO n. F. überführt155, wobei ebenfalls auf das Tatbestandsmerkmal 151 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 58, wo der Anfechtungszeitraum von einem Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als „typischerweise kritische Zeitspanne“ bezeichnet wird. 152 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 131; Huber/ Habersack, BB 2006, 1 (3). Entgegen der bisherigen Rechtsprechung (insbesondere BGHZ 90, 381; BGH ZIP 2005, 1316) gilt nunmehr auch für die AG das Kleinbeteiligungsprivileg bis zu einer Beteiligungsgrenze von 10% des Grundkapitals, die frühere 25%-Schwelle wurde aufgegeben. 153 Zur Kritik an dieser mit dem bisherigen Recht im Wesentlichen übereinstimmenden Regelung unten, § 7 I. 2. d). 154 Der Referentenentwurf wollte das Sanierungsprivileg bereits mit der Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit wieder entziehen. Dies wurde als unsinnig kritisiert, da vielfach bereits die Hingabe des Sanierungsdarlehens die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigen könne, so dass das Privileg weit gehend leer liefe, vgl. Noack, DB 2006, 1475 (1481); sowie ihm folgend Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1658); Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1295). 155 Der Regierungsentwurf hat an dieser Stelle ein systematisches Defizit des Referentenentwurfs korrigiert, der in § 44a InsO-RefE sowohl die Reduzierung der Insolvenzforderung des Dritten auf den Ausfallbetrag nach Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit (Abs. 1, bisher § 32a Abs. 2 GmbHG) als auch die Erstattungspflicht des sicherungsgebenden Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft für an den Dritten geleistete Darlehensrückzahlungen (Abs. 2, bisher § 32b GmbHG) regelte. In der end-

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der „Krise“ verzichtet und eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf andere Rechtsformen vorgenommen wird. Die neuen Regelungen zur Insolvenzanfechtung und Rangrückstufung bei Gesellschafterdarlehen schützen die Gläubiger jedoch nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Für den praktisch nicht seltenen Fall, dass der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen oder erst gar nicht gestellt wird, steht den Gläubigern nur die Möglichkeit einer Anfechtung gemäß § 6 AnfG offen. Die Vorschrift wurde jedoch bisher schon vielfach für unzureichend gehalten, insbesondere aufgrund der kurzen Frist des § 6 Nr. 2 AnfG, der nur Darlehensrückzahlungen innerhalb eines Jahres vor der Anfechtung erfasst.156 Mit der daraus resultierenden Gläubigerschutzlücke begründete der BGH maßgeblich sein Festhalten an der analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG trotz Inkrafttreten der Novellenregeln.157 Dieser Weg soll in Zukunft jedoch durch § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. versperrt werden, so dass der Gesetzgeber anderweitig Abhilfe schaffen musste. Er tut dies zunächst durch die Erleichterung der Zustellung rechtserheblicher Erklärungen an die Gesellschaft, was die Rechtsverfolgung der Gläubiger beschleunigen soll.158 Darüber hinaus wird auch § 6 AnfG geändert. Zwar werden nicht die Anfechtungsfristen verlängert159, aber der Anknüpfungspunkt für die Zurückrechnung wird entscheidend vorverlagert: Maßgeblich soll gemäß § 6 Abs. 1 AnfG n. F. nicht mehr der Zeitpunkt der Anfechtung sein, sondern der der Erlangung des Vollstreckungstitels bzw., wenn schon vorher der Insolvenzantrag mangels Masse gemäß § 26 Abs. 1 InsO abgelehnt wurde, der des Insolvenzantrags.160 Dem Gläubiger entstehen demnach dadurch, dass er zunächst erfolggültigen Gesetzesfassung entfällt § 44a Abs. 2 InsO-RefE, dafür wird in inhaltlich identischer, aber systematisch stimmigerer Weise die Darlehensrückzahlung an den Dritten gemäß § 135 Abs. 2 InsO n. F. für anfechtbar erklärt, wobei die Erstattungspflicht in Abweichung vom Grundsatz des § 143 Abs. 1 InsO nicht den Dritten als Leistungsempfänger trifft, sondern gemäß § 143 Abs. 3 InsO n. F. bis zur Höhe des Wertes der Sicherheit den Gesellschafter. Vgl. dazu knapp Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 6140, Anlage 1, S. 132. 156 Diese Frist schützt den Gläubiger deshalb nicht ausreichend, weil er in aller Regel zunächst viel Zeit damit verlieren wird, einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner zu erlangen und aus diesem zu vollstrecken. Erst nach dem misslungenen Vollstreckungsversuch kommt es normalerweise zur Anfechtung. Die von diesem Zeitpunkt zurückgerechnete Anfechtungsfrist wird dann jedoch häufig die relevanten Darlehensrückzahlungen nicht mehr erfassen. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 133: „Dilemma“; ähnlich Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (18). 157 Vgl. BGHZ 90, 370. 158 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 133. Näher zu den Zustellungserleichterungen unten, § 7 I. 1. c) cc). 159 Dies forderte etwa der 66. Deutsche Juristentag in seinem Beschluss IV.20 mit 64:48:22 Stimmen (Ja:Nein:Enthaltung), abgedruckt in Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 141 (P 144). 160 Da die Anfechtungsfrist künftig nicht mehr an den Zeitpunkt der Anfechtung selbst anknüpft, musste der Gesetzgeber den Zeitraum eingrenzen, innerhalb dessen die

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los die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen betreibt, keine Nachteile mehr.161 Eine bislang bestehende, unbeabsichtigte Gläubigerschutzlücke wird zudem durch Einführung eines neuen § 6a AnfG geschlossen, der auch die Rückzahlung gesellschafterbesicherter Drittdarlehen der Anfechtung in den Fristen des § 6 Abs. 1 AnfG n. F. unterwirft.162 dd) Genehmigtes Kapital Weder im Referenten- noch im Regierungsentwurf vorgesehen war die erst auf Empfehlung des Bundesrates163 in § 55a GmbHG n. F. aufgenommene Möglichkeit eines genehmigten Kapitals bei der GmbH. Demnach kann der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführer für höchstens fünf Jahre ab Eintragung der Gesellschaft (Abs. 1) bzw. der entsprechenden Satzungsänderung (Abs. 2) ermächtigen, das Stammkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile gegen Einlagen zu erhöhen. Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals darf dabei die Hälfte der zum Zeitpunkt der Ermächtigung geltenden Stammkapitalziffer nicht überschreiten. Die Ausgabe von Geschäftsanteilen gegen Sacheinlagen muss in der Ermächtigung ausdrücklich vorgesehen werden. Sinn der dem § 202 AktG nachgebildeten Regelung ist, die flexible Aufnahme weiterer Gesellschafter gegen Kapitalzufuhr ohne die für Kapitalerhöhungen sonst notwendige Prozedur zu ermöglichen.164 c) Missbrauchsbekämpfung Missbräuche der Rechtsform GmbH, vor allem in der Unternehmenskrise, werden durch die Reform in zweifacher Richtung bekämpft165: erstens durch die Umgestaltung der Insolvenzantragspflicht und der Geschäftsführerhaftung des § 64 GmbHG; zweitens durch verschiedene Regelungen, die die Zustellung rechtserheblicher Dokumente an die Gesellschaft erleichtern sollen. Anfechtung vorgenommen werden darf. Zu diesem Zweck wird in § 6 Abs. 2 AnfG n. F. eine dreijährige Ausschlussfrist eingeführt. Der Referentenentwurf sah an gleicher Stelle eine Verjährung des Anfechtungsanspruchs unter Verweis auf die Fristen des BGB vor, lt. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 133, entspricht eine Ausschlussfrist jedoch besser der Systematik des AnfG. 161 Vgl. Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (18). 162 Die bisherige Regelung des § 32b GmbHG ist nur im Insolvenzverfahren anwendbar, ebenso wie die Nachfolgevorschrift des § 135 Abs. 2 InsO n. F. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 134; Schiffer, BB-Special 7/ 2006, 14 (18). 163 Vgl. BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 19, allerdings mit dem Vorschlag, die Möglichkeit des genehmigten Kapitals bei der GmbH, anders als bei der AG, wertmäßig nicht zu begrenzen. 164 Vgl. BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 19. 165 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 58.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

aa) Ausdehnung der Insolvenzantragspflicht Der bisherige § 64 Abs. 1 GmbHG wird aufgehoben, die Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers wird – Vorschlägen aus der Literatur folgend166 – in den neuen, rechtsformneutralen § 15a Abs. 1 InsO n. F. umgelagert.167 Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden, insbesondere bleibt es bei der bisherigen Drei-Wochen-Frist.168 Allerdings trifft gemäß § 15a Abs. 3 InsO n. F. die Gesellschafter eine subsidiäre Antragspflicht im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft169: Ist die Gesellschaft führungslos i. S. d. § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F.170, müssen die Gesellschafter den Insolvenzantrag stellen, sofern sie vom Vorliegen eines entsprechenden Auslösetatbestandes und der Führungslosigkeit

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Vgl. etwa Poertzgen, ZInsO 2006, 561 (567 f.); ders. NZI 2007, 15 (17). Der Referentenentwurf sah eine entsprechende Regelung noch nicht vor und behielt demgegenüber die rechtsformspezifischen Einzelvorschriften zur Insolvenzantragspflicht bei. Der Gesetzgeber begründet deren Zusammenführung in der InsO mit der rein insolvenzrechtlichen Zwecksetzung der Insolvenzantragspflicht, die die rechtzeitige Verfahrenseröffnung gewährleisten und damit – wie das gesamte Insolvenzrecht – die Masse zugunsten der Altgläubiger weitestmöglich erhalten und Neugläubiger vor einem Vertragsschluss mit einer Not leidenden Gesellschaft schützen soll. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 126 f. Dem ist beizupflichten. Verfehlt ist allerdings der rechtsvergleichende Hinweis an gleicher Stelle auf die französische action en comblement du passif, mit dem die Verlagerung des § 64 Abs. 1 GmbHG in das Insolvenzrecht zusätzlich untermauert wird, da auch Art. L. 651-2 C. com. lt. EuGH-Rechtsprechung dem Insolvenzrecht zuzurechnen sei. Zunächst einmal regelt § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 15a InsO n. F. keine Haftung, sondern nur die Antragspflicht, so dass es schon insoweit offensichtlich an einer Vergleichbarkeit mit Art. L. 651-2 C. com. fehlt. Der Haftungstatbestand des § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. verbleibt auch nach der Reform formal im Gesellschaftsrecht, nämlich in § 64 S. 1 GmbHG n. F., auch wenn der Gesetzgeber aufgrund des „starken insolvenzrechtlichen Bezug[s]“ der Vorschrift diese kollisionsrechtlich dem Insolvenzstatut zuschlagen will, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 107 f. Aber auch ein Vergleich zwischen deutscher Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. bzw. § 15a Abs. 1 InsO n. F. und französischer action en comblement du passif ist aufgrund der gravierenden Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten zumindest nicht ohne weitere Erläuterung und Eingrenzung möglich, vgl. oben § 5 I. 2. g) aa). Dass Art. L. 651-2 C. com. vom EuGH dem Insolvenzrecht zugeordnet wird, ist wenig überraschend, denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (procédure collective) ist eine Anwendungsvoraussetzung der Vorschrift. Daraus lässt sich jedoch kein Argument für die dogmatische Verortung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung und noch weniger der deutschen Insolvenzantragspflicht gewinnen. 168 Vgl. ausführlich zu Inhalt und Auswirkungen des § 15a InsO n. F. Poertzgen, ZInsO 2007, 574. 169 Das Antragsrecht als logische Voraussetzung einer entsprechenden Pflicht wird den Gesellschaftern einer juristischen Person für den Fall der Führungslosigkeit durch § 15 Abs. 1 S. 2 InsO n. F. eingeräumt. 170 Durch die neue Rechtsfigur der führungslosen Gesellschaft soll die Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer und deren weitere Entwicklung nicht berührt werden, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 128. 167

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der Gesellschaft wissen.171 Dem Erfordernis der Kenntnis beider Umstände ist laut Gesetzesbegründung eine Art Kleinbeteiligungsprivileg immanent, so dass von einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung abgesehen wurde.172 Die Verschleppung des Insolvenzantrags steht gemäß § 15a Abs. 4, 5 InsO n. F. unter Strafe. bb) Erweiterung der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 GmbHG Der bisherige zweite Absatz des § 64 GmbHG wird infolge der Aufhebung des Abs. 1 künftig zum einzigen Absatz des § 64 GmbHG n. F. Inhaltlich wird die Rückerstattungspflicht des Geschäftsführers durch Einfügung eines neuen dritten Satzes dergestalt erweitert, dass sie nicht nur Auszahlungen erfasst, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet wurden, sondern auch solche, die die Zahlungsunfähigkeit „herbeiführen mussten“.173 Dadurch wird die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG n. F., die durch die Abschaffung des Mindestkapitals in der UG (haftungsbeschränkt) an Bedeutung eingebüßt hat, ergänzt.174 Denn § 64 S. 3 GmbHG n. F. untersagt Auszahlungen, die zwar nicht die Erhaltung des Stammkapitals, wohl aber die Fähigkeit der Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gefährden. Die Vorschrift kodifiziert damit eine Art Existenzvernichtungshaftung des Geschäftsführers175 und verknüpft diese mit Elementen eines Solvenztests als situativer Ausschüttungssperre.176 171 Der Referentenentwurf sah in § 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG-RefE eine Antragspflicht der Gesellschafter bereits im Vorfeld der Führungslosigkeit vor, wenn ein Geschäftsführer zwar noch vorhanden, aber dessen Aufenthaltsort unbekannt ist. Die Regelung wurde wegen Zweifeln bzgl. ihrer praktischen Handhabbarkeit im Regierungsentwurf fallengelassen, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 127; sowie die diesbezügliche Kritik am Referentenentwurf bei Noack, DB 2006, 1475 (1476). 172 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 128, wo ausgeführt wird, dass dem mit bis zu 10% beteiligten Gesellschafter, der von einer der beiden Tatbestandsvoraussetzungen Kenntnis hat, im Gegensatz zu stärker beteiligten Gesellschaftern keine Nachforschungspflicht bezüglich des jeweils anderen Umstands obliege, so dass ihm der Entlastungsbeweis „regelmäßig und ohne Schwierigkeiten gelingen wird“. 173 Der Wortlaut wurde im Vergleich zu § 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG-RefE dahingehend geändert, dass nicht mehr vorausgesetzt wird, dass durch die Auszahlung die Zahlungsunfähigkeit „herbeigeführt wird“. Die ursprüngliche Formulierung wurde kritisiert, da unklar war, ob unmittelbar infolge der Zahlung der volle Tatbestand des § 17 InsO erfüllt sein musste. Vgl. dazu Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731). 174 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 105 f., zur seinerzeit geplanten Absenkung des Mindestkapitals auf 10.000 Euro. 175 Ebenso Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731), mit dem zutreffenden Hinweis, dass § 64 S. 3 GmbHG n. F. in den Rechtsfolgen deutlich hinter der Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters zurückbleibt, da der Erstattungsanspruch auf den Betrag der Auszahlung begrenzt ist und nicht sämtliche Ausfallschäden der Gesellschaftsgläubiger erfasst. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 106, wo auch ausdrücklich klargestellt wird, dass damit der weiteren Rechtsfortbildung zur Exis-

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Voraussetzung der Haftung gemäß § 64 S. 3 GmbHG n. F. ist zunächst, dass der Gesellschaft tatsächlich Liquidität entzogen wurde, dass ihr also kein Ausgleich in Form einer gleichwertigen Gegenleistung zugeflossen ist. Weiterhin muss die Auszahlung ohne Hinzutreten weiterer Faktoren den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit verursacht haben177, und dies muss ex ante eindeutig objektiv vorhersehbar gewesen sein.178 Der Geschäftsführer kann sich allerdings entlasten, wenn er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns beachtet hat, etwa wenn es an der subjektiven Vorhersehbarkeit fehlte. Die Neuregelung schließt eine bis dato bestehende Haftungslücke179 und nähert die Geschäftsführerhaftung des § 64 GmbHG der englischen wrongful-trading-Haftung an.180 cc) Sonstige Neuerungen Der Missbrauchsbekämpfung vor allem in Bezug auf die sog. „Bestattungsfälle“ dient die Erleichterung der Zustellung rechtserheblicher Dokumente und Erklärungen an die GmbH. Hierdurch sollen im Zusammenspiel mit den erweiterten Pflichten der §§ 64 GmbHG, 15a Abs. 3 InsO n. F. „redliche Unternehmer und ihre Geschäftspartner geschützt werden“.181 Zu diesem Zweck muss gemäß § 8 Abs. 4 GmbHG n. F. in der Anmeldung eine inländische Geschäftsanschrift tenzvernichtungshaftung des Gesellschafters nicht vorgegriffen werden soll. Ähnlich Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6 f.) („Insolvenzverursachungshaftung“), der die neue Vorschrift im Hinblick auf die Rechtsfolgen als „bei weitem zu zaghaft“ bezeichnet, aber dennoch in der Verschärfung des in § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. enthaltenen Auszahlungsverbotes ein „nützliches Signal“ sieht. 176 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 106. § 64 S. 3 GmbHG weist damit einen Doppelcharakter auf als Haftungssanktion einerseits und dahinter stehende Handlungsanordnung (Auszahlungssperre) andererseits. Ähnlich Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731 f.), dem zufolge der Geschäftsführer haftungsbegründende Ausschüttungen nicht (bewusst) vornehmen darf, da sonst zu Lasten der Gläubiger Liquidität der Gesellschaft gegen einen möglicherweise wertlosen Anspruch ausgetauscht würde. Der Gesetzgeber halte damit im Grundsatz an der stammkapitalorientierten Ausschüttungsbegrenzung fest, auf diese werde aber gemäß § 64 S. 3 GmbHG n. F. (ergänzend) eine Solvenzprüfung „aufgesattelt“. Ähnlich die Einschätzung von Schmidt, GmbHR 2007, 1 (5 f.) 177 Nach Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731), muss die Auszahlung nicht sofort die Zahlungsunfähigkeit zur Folge gehabt haben, es genügt die Ingangsetzung einer Kettenreaktion, die nach dem typischen Ablauf in die Zahlungsunfähigkeit mündet. 178 Nach dem Wortlaut des § 64 S. 3 GmbHG n. F. werden Zahlungen erfasst, die zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit „führen mussten“, was die Kausalität für den späteren tatsächlichen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit genauso voraussetzt wie dessen objektive Vorhersehbarkeit in dem Sinne, dass er sich zum Zeitpunkt der Zahlung „klar abzeichnen“ muss. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 106 f. 179 Vgl. Begründung RefE MoMiG, S. 63 f., zur dort bereits vorgesehenen, mit § 64 S. 3 GmbHG n. F. fast inhaltsgleichen Regelung des § 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG-RefE. 180 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462). 181 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 58.

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angegeben werden.182 Daran anknüpfend werden die Voraussetzungen, unter denen eine öffentliche Zustellung an eine juristische Person erfolgen kann, in den neuen §§ 15a HGB, 185 Nr. 2 ZPO n. F. verringert.183 Außerdem sind gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. die Gesellschafter im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft deren Empfangsvertreter. Die Verschärfung der Geschäftsführer- und Gesellschafterpflichten in der Insolvenz wird flankiert durch eine Erweiterung der Bestellungshindernisse für Geschäftsführer gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG n. F. auf „zentrale Bestimmungen des Wirtschaftsstrafrechts“ 184, z. B. §§ 82, 84 GmbHG oder § 15a InsO n. F. Zur Gewährleistung eines einheitlichen Schutzstandards werden auch vergleichbare ausländische Straftaten erfasst. Der Gesetzgeber lässt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als Ausschlussgrund nur vorsätzlich begangene Straftaten genügen und verzichtete zunächst im Regierungsentwurf auf die Einbeziehung allgemeiner Straftatbestände wie der §§ 263 bis 264a StGB.185 Auf entsprechende Empfehlung des Bundesrates186 wurden letztere Vorschriften noch in den Katalog des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG n. F. aufgenommen. Ebenso wurde in einem neuen Abs. 5 der Vorschrift ein Umgehungsschutz in Form einer Schadensersatzhaftung der Gesellschafter bei Überlassung der Geschäftsführung an einen gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG davon ausgeschlossenen Strohmann eingeführt. d) Weitere Reformmaßnahmen Eine Stärkung der Attraktivität der GmbH wird auch durch Veränderungen in anderen als den bereits angesprochenen Bereichen bezweckt, die allerdings keinen Bezug zu Finanzverfassung und Gläubigerschutz aufweisen und hier deshalb nur der Vollständigkeit halber in der gebotenen Kürze dargestellt werden. Zunächst wird durch Streichung des bisherigen § 4a Abs. 2 GmbHG den Gesellschaftern die Option eröffnet, einen Verwaltungssitz im In- oder Ausland zu wählen, der vom Satzungssitz abweicht.187 Daneben soll eine Stärkung der Gesell182

Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 80. Näher zu den neuen Zustellungsmöglichkeiten Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (18); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1164 f.). Diese wurden bereits vor Veröffentlichung des MoMiG-Entwurfs vorgeschlagen von BDI/Hengeler, Rn. 123. 184 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 73. 185 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 74. Das MoMiG verzichtet bewusst auf die Einführung einer Schadensersatzhaftung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft wegen verbotswidriger Geschäftsführerbestellung, wie sie im Bundesratsentwurf eines Forderungssicherungsgesetzes (FoSiG, BT-Drucks. 16/511) vorgesehen war. Eine solche widerspreche der Gesetzessystematik und sei zur Verhinderung von Umgehungen der Bestellungshindernisse ungeeignet, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 74 f. 186 Vgl. BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 8 f. 187 Dies beseitigt einen bedeutenden Wettbewerbsnachteil der GmbH im Vergleich zu verwandten ausländischen Rechtsformen, da nunmehr ausländische Unternehmer für 183

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schafterliste gemäß §§ 16, 40 GmbHG n. F.188 die Transparenz des Gesellschafterbestandes erhöhen189 und die Grundlage bilden für die in § 16 Abs. 3 GmbHG n. F. neu geschaffene Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen.190 Auch in anderer Hinsicht wird die Übertragung von Geschäftsanteilen erleichtert, allerdings ohne das notarielle Formerfordernis anzutasten.191 2. Die Reaktion des Schrifttums Auch wenn die Fachöffentlichkeit sich das überschwängliche Pathos, mit dem die Politik das MoMiG als „großen Wurf“ feiert, größtenteils nicht zu eigen macht192, ernten die Reformen doch ein überwiegend positives Echo193, und dies Tätigkeiten in ihrem Heimatland das Rechtskleid der deutschen GmbH wählen können und deutsche Unternehmen ihre ausländischen Töchter in dieser Rechtsform betreiben können. Ebenso Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1459); sowie Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 65. Diese Maßnahme wird begrüßt von Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (93); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326). Seibert, BB 23/2007, Die erste Seite, sieht in der damit verbundenen Aufgabe der Sitztheorie zugunsten der Gründungstheorie eine „kleine, unblutige Revolution“. 188 Ein entsprechender Reformvorschlag findet sich bereits bei BDI/Hengeler, Rn. 114 ff. 189 So soll, entsprechend § 67 Abs. 2 AktG, im Verhältnis zur Gesellschaft nur noch derjenige als Gesellschafter gelten, der als solcher in die entsprechende Liste eingetragen ist. Dies soll u. a. die Verwendung von Gesellschaftsanteilen als Kreditsicherheiten erleichtern. Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457; Vossius/Wachter, BB 2005, 2539. Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (21), sieht in dieser Maßnahme eine enorme Stärkung der Position der Gesellschaftsgläubiger. 190 Dadurch sollen die erheblichen Kosten und Rechtsunsicherheiten vermieden werden, die nach geltendem Recht eine Unternehmensübernahme mit sich bringt, da die Verifizierung der Berechtigung des Veräußerers im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung nur unter großem Aufwand und auch dann häufig nicht zweifelsfrei möglich ist. Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 87; Breitenstein/ Meyding, BB 2006, 1457 (1459 f.); Müller, GmbHR 2006, 953. Nach dem Referentenentwurf sollte der Erwerb allerdings nur möglich sein, wenn die unrichtige Eintragung in der Gesellschafterliste mindestens drei Jahre alt und in dieser Zeit unbeanstandet geblieben war. Nach Kritik aus der Literatur, z. B. bei Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841 (1847); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (21 f.), wurde dies im Regierungsentwurf geändert, die Frist jedoch nicht, wie gefordert, gänzlich gestrichen. Der Erwerb vom Nichtberechtigten soll nunmehr gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG n. F. grundsätzlich immer möglich sein, wenn der Veräußerer in der Gesellschafterliste eingetragen, dieser kein Widerspruch zugeordnet und der Erwerber gutgläubig ist. Wenn die unrichtige Eintragung aber jünger als drei Jahre ist, dann ist der Erwerb ausgeschlossen, sofern die Unrichtigkeit dem wahren Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ausführlich dazu Bohrer, DStR 2007, 995. 191 Ausführlich zu den Neuerungen im Bereich der Geschäftsanteile und ihrer Übertragung Ziemons, BB-Special 7/2006, 9. Zu den Grundlagen des Beurkundungserfordernisses und Möglichkeiten seiner Abschwächung oder Abschaffung knapp BDI/Hengeler, Rn. 124 ff. Zu rechtsgeschichtlichen Hintergründen vgl. Thiessen, DStR 2007, 260. 192 Vgl. allerdings die Schlagzeile des Beitrags von Hirte in der FAZ vom 06.06. 2007, S. 23: „Die Wiedergeburt der GmbH“.

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sowohl im Hinblick auf die einzelnen Bestandteile als auch bezüglich des „Gesamtpaketes“.194 Der Gesetzgeber nehme die notwendigen, z. T. tief greifenden195 Veränderungen insbesondere am Kapitalschutzregime vor, ohne das bewährte und vertraute Stammkapitalkonzept im Grundsatz anzutasten.196 Allerdings bleibt die Reform nicht von Fundamentalkritik verschont. Diese entzündet sich teils an den Regelungen des MoMiG, teils aber auch daran, was es zu regeln unterlässt.197 Bemängelt wird vor allem von den Vertretern der besonders weit reichenden Alternativvorschläge198, dass die Maßnahmen nicht ausreichten, um die GmbH nachhaltig zukunftsfähig zu machen und für den internationalen Wettbewerb zu rüsten.199 Teilweise wurden diese Bedenken im laufenden Entwurfsverfahren berücksichtigt und inspirierten wichtige Änderungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf, etwa im Hinblick auf die Regelungen zur verdeckten Sacheinlage200 oder zur UG.201 Andere fürchten aber 193 Ebenso der Befund bei Noack, DB 2007, 1395 (1396); Wachter, GmbHR 2007, R 1; ders., GmbHR 2007, R 209. Zusammenfassend m.w. N. MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 121. 194 Vgl. Oppenhoff, BB 2008, 1630 (1635); sowie die zusammenfassende, differenzierte Stellungnahme der Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754. Eine positive Resonanz seitens der Praxis erwartend Vetter, BB 2008, M 1. 195 Insoweit zweifelnd Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (187), allerdings noch zum weniger weit reichenden Referentenentwurf. Er hält die dort vorgesehenen Modifikationen am bestehenden Festkapitalsystem für weniger bedeutend und betont demgegenüber die – von ihm kritisierte – Beibehaltung von dessen Grundstruktur. 196 Vgl. Mülbert, WM 2006, 1977; Noack, DB 2007, 1395 (1396); Römermann, GmbHR 2006, 673 (681); Schäfer, DStR 2006, 2085 (2090); Seibert, Status:Recht 2007, 22. 197 Vgl. etwa MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 122, der eine Regelung zum Gesellschafterausschluss aus wichtigem Grund oder zur Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen vermisst. Zu letzterem auch Ulmer/ders., Einl. A Rn. 104. 198 Vgl. unten, § 7 II. 6. und 7. 199 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (3), dem zufolge die Reform völlig unzureichend ist, um die GmbH international wettbewerbsfähig zu machen. I. E. ähnlich, wenn auch mit Unterschieden in der Begründung und den geforderten Reformschritten, Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326 f.); sowie deutlich Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (188: „konzeptionslos“, und 207: „missglückt“). 200 Das Fehlen einer gesetzlichen Klarstellung zu diesem komplexen Problem im Referentenentwurf ausdrücklich bedauernd Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (23). Die jetzt eingeführte Regelung wurde im Wesentlichen schon vor mehr als einem Jahrzehnt vorgeschlagen von Grunewald, in: FS Rowedder (1994), S. 111. 201 Vgl. vor allem Lutter, BB-Special 7/2006, 2, der – hauptsächlich gestützt auf den Vergleich der GmbH mit der englischen Ltd. – den Referentenentwurf für ungeeignet zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Rechtsform der GmbH hielt und deshalb die Einführung einer der Ltd. entsprechenden deutschen Rechtsform fordert. Näher dazu unten, § 7 II. 6. Diesen Vorschlag hat sich der Reformgesetzgeber zwar nicht zu eigen gemacht, ist ihm aber doch mit der UG einen Schritt entgegengekommen. Andere Stellungnahmen zum Referentenentwurf äußerten sich allerdings ausdrücklich positiv zu dessen Verzicht auf die Einführung einer neuen Rechtsform, vgl. nur Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462).

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umgekehrt, dass die Tendenz zur Liberalisierung weder den Gläubigern noch den Gesellschaftern nütze, da sie die GmbH insolvenzanfälliger mache und die Gesellschafter ihre neu gewonnene Freiheit mit verschärften Sanktionen in der Insolvenz bezahlen müssten.202 a) Beibehaltung des Mindestkapitals Ein ähnlich gemischtes Bild der wissenschaftlichen Resonanz vermittelt die Betrachtung der Einzelaspekte des MoMiG: mehrheitlich positiv im Grundsatz, doch nicht ohne ernsthafte Kritik im Detail. Besonders ambivalent fiel dabei die Bewertung der ursprünglich geplanten Absenkung des Mindestkapitals von 25.000 auf 10.000 Euro aus.203 Sie wurde als isolierte Maßnahme im MindestkapG seinerzeit fast einhellig als unüberlegter Schnellschuss abgelehnt.204 Die Maßnahme sei nichts weiter als politischer Aktionismus und ungeeignet zur Stärkung der Rechtsform der GmbH, da eine umfassende Deregulierung und vor allem Gründungserleichterungen nötig seien.205 Als Einzelbaustein einer größer angelegten Reform, wie sie das MoMiG vornimmt, erntete sie jedoch deutlich stärkere Zustimmung.206 Die Absenkung „auf ein europäisches Durchschnittsniveau“ 207 sei sinnvoll angesichts des freien Zuzugs von ausländischen Gesellschaften mit sehr geringem oder ohne Mindestkapital.208 Außerdem werde die Gründung kleiner Dienstleistungsunternehmen mit geringem Kapitalbedarf erleichtert, ohne das Mindestkapital als Seriositätsschwelle gänzlich aufzugeben.209 202 Vgl. etwa Thiessen, DStR 2007, 260 (261), der in den Reformen (in der Fassung des RefE MoMiG) eine Angleichung der GmbH an die Ltd. erkennt, in der es sich zu Anfang unbeschwert lebe, das böse Ende aber nachkomme. Ansatzweise in diese Richtung, aber mit einem differenzierten Gesamturteil Heckschen, DStR 2007, 1442; Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347 f.). 203 Überblicksweise zu Vor- und Nachteilen der Absenkung Leuering, ZRP 2006, 201 (202 f.). 204 So Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321. Gleichsinnig die Stellungnahmen von DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2005, 548; Kleindiek, DStR 2005, 1366; Melchior, GmbHR 2005, R 165; Mellert, BB 2005, 1809; Priester, ZIP 2005, 921; ders., DB 2005, 1315 (1319 f.); Schmidt, DB 2005, 1095 (1097); Triebel, NJW 32/2005, Editorial; Vossius/ Wachter, BB 2005, 2539. A.A. aber Seibert, BB 2005, 1061 (1061 f.). 205 Vgl. Voßhoff, BT-Sitzungsprotokolle, 15. Wahlperiode, 181. Sitzung, S. 17146: „Nichts halbes und nichts ganzes“. Ähnlich Priester, DB 2005, 1315 (1320); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14, die „Basteleien am Detail“ ablehnen. In diese Richtung auch Ihrig, BB-Aktuell 20/2005, IV. Ebenso aus der Tagespresse Jahn, FAZ vom 02.06.2005, S. 11: „Eine solch halbherzige Mini-Novelle ist [. . .] weit gehend nutzlos.“ 206 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1458); Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754; dies., GmbHR 2006, 978 (978 f.); Karsten, GmbHR 2006, 57 (60); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20 f.). Ansatzweise auch Gloger, S. 398. 207 Vgl. Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20 f.). 208 Vgl. Wachter, GmbHR 2005, 717 (724). 209 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458), die auf den begrenzten bisherigen Erfolg der Abschaffung des Mindestkapitals in Frankreich (dazu näher unten, § 8

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Allerdings äußerten sich im Entwurfsstadium des MoMiG auch viele kritische Stimmen, die die Absenkung des Mindestkapitals ablehnten und eine Beibehaltung des bisherigen Betrages forderten.210 Ein Mindestkapital von 10.000 Euro als „willkürliche Größe“ 211 weise keine größere Legitimität auf als der bisherige Betrag von 25.000 Euro. Die Maßnahme könne deshalb nur als Zwischenstufe auf dem Weg zur Ein-Euro-GmbH gewertet werden, als erster Schritt zur „Abschaffung des Mindestkapitals in Raten“. Sie nehme damit das Ergebnis der noch offenen Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines gesetzlichen Mindestkapitals an sich vorweg212 und könne die Rechtsprechung dazu veranlassen, eine generelle Unterkapitalisierungshaftung zuzulassen213. Gerade das Mindestkapital als sicherer Hafen, der die Gesellschafter vor weiteren Haftungsrisiken schützt, sei aber ein großer Vorteil der GmbH gegenüber ausländischen Ein-Euro-Gesellschaften.214 Zur Förderung von Unternehmensgründungen und zur Steigerung der Attraktivität der GmbH im Inland sei die Absenkung auch weder geeignet noch ökonomisch sinnvoll. Denn die GmbH sei bereits jetzt die beliebteste Gesellschaftsform in Deutschland, und für Kleinstunternehmen, für die das bisherige Mindestkapital von 25.000 Euro eine wirkliche Gründungshürde darstelle, stehe I. 3.) verweisen, der nahe lege, dass die Beibehaltung eines moderaten Mindestkapitals kein entscheidender Attraktivitätsnachteil sei. Ähnlich Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20 f.), der im Hinblick auf diese Filterfunktion des Mindestkapitals aber dafür plädierte, dessen vollständige Einzahlung zum Gründungszeitpunkt zwingend vorzuschreiben, anstatt gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 i.V. m. § 5 Abs. 1 GmbHG 12.500 Euro genügen zu lassen. Zur Entbehrlichkeit einer absoluten Mindesteinlagepflicht vgl. aber unten, § 11 II. 3. g) aa). 210 Vgl. den entsprechenden Beschluss I.3 des 66. Deutschen Juristentages, abgedruckt in Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 141, der sich mit 112:58 Stimmen bei 10 Enthaltungen eindeutig gegen eine Absenkung des Mindestkapitals aussprach. Ebenso die Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates, BR-Drucks. 354/1/07, S. 6 f. Gegen eine Absenkung auch Bormann, GmbHR 2006, 1021 (1022); DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2007, 211 (212); Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445); sowie dezidiert Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (24): „inkonsequent und kontraproduktiv“. Eine Absenkung nur unter der Bedingung einer späteren Aufstockungspflicht befürwortend Schärtl, GmbHR 2007, 344 (348 f.). Dazu näher unten, § 7 II. 1. c). 211 Vgl. Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates, BR-Drucks. 354/1/07, S. 7. 212 Vgl. DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2005, 548, noch zum MindestkapG. Ebenso Ihrig, BB-Aktuell 20/2005, IV, der in der Absenkung des Mindestkapitals eine „halbherzige Distanzierung vom Institut des gebundenen Garantiekapitals“ sieht. Wolle man am geltenden System festhalten, so sei eher an eine Erhöhung der Mindestkapitalziffer zu denken als an deren Absenkung. 213 Vgl. Bormann, GmbHR 2006, 1021 (1023); Priester, DB 2005, 1315 (1319); ders., ZIP 2005, 921 (922). A.A. Römermann, GmbHR 2006, 673 (676), der davon ausgeht, dass die Unterkapitalisierungshaftung auch weiterhin „ein Schattendasein fristen“ werde. 214 Eine generelle Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ablehnend etwa Schaefer/Fackler, NZG 2007, 377. Die Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 6140, Anlage 1, S. 66, stellt ausdrücklich klar, dass der Gesetzgeber eine Unterkapitalisierungshaftung bewusst nicht einführen wollte.

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im Reformentwurf selbst mit der UG eine Rechtsformalternative ohne Mindestkapital zur Verfügung.215 Außerdem sei zu befürchten, dass das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die GmbH als Gesellschaftsform Schaden nehme und es zu einer Häufung von Fällen materieller Unterkapitalisierung216 und deliktischer Insolvenzen217 komme. Denn eine Absenkung des Mindestkapitals führe zu einer Verringerung der Risikobeteiligung der Gesellschafter und der Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger, ohne dass dies im Regierungsentwurf durch anderweitige Gläubigerschutzmaßnahmen wie eine Ausweitung der Haftungstatbestände kompensiert worden wäre.218 Eine nur mit 10.000 Euro Stammkapital ausgestattete Gesellschaft sei nicht nur kreditunwürdig, sondern regelmäßig schon aufgrund der Kosten der Geschäftsaufnahme insolvent.219 Das Bedürfnis von Fremdkapitalgebern nach persönlichen Sicherheiten werde deshalb zunehmen und das Haftungsprivileg weiter entwerten.220 Eine nennenswerte Stärkung der GmbH im Wettbewerb der Rechtsordnungen sei also nicht zu erwarten221, zumal eine GmbH mit 10.000 Euro Mindestkapital gegenüber ausländischen „Ein-Euro-Gesellschaften“ wie der SARL und der Ltd. genauso im Nachteil sei wie bei einem Mindestkapital von 25.000 Euro.222 Alle diese Kritikpunkte greifen andere Kritiker auf, argumentieren aber in die entgegengesetzte Richtung: Das Mindestkapital sei mit dem geltenden wie mit dem reduzierten Betrag zum effektiven Schutz der Gläubiger ungeeignet. Die

215 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1396); sowie die Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates, BR-Drucks. 354/1/07, S. 6. Die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), schließt sich dieser Empfehlung nicht an und fordert nicht die Beibehaltung der geltenden Mindestkapitalziffer. Zum Entwurf des MindestkapG merkte Mellert, BB 2005, 1809 (1810), an, dass rein unter dem Aspekt der Förderung von Unternehmensgründungen die Alternative einer ausländischen Rechtsform ohne Mindestkapital ausreiche, da es insoweit irrelevant sei, ob das Unternehmen in einer deutschen oder ausländischen Rechtsform gegründet wird. 216 Vgl. Ihrig, BB-Aktuell 20/2005, IV. 217 Vgl. die Studie der Creditreform AG, zitiert nach GmbHR 2006, R 70 f., der zufolge Gesellschaften mit lediglich dem gesetzlichen Mindestkapital im Vergleich zu Gesellschaften mit einem höheren Stammkapital eine um ca. 50% höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, binnen Jahresfrist nach der Gründung in ernste Zahlungsschwierigkeiten zu geraten. 218 Vgl. Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates, BR-Drucks. 354/1/07, S. 6. In diese Richtung auch Bormann, GmbHR 2006, 1021 (1022 f.); Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347 f.). 219 Vgl. Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445); Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1800). 220 Vgl. Bormann, GmbHR 2006, 1021 (1022). 221 Die Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates, BR-Drucks. 354/1/07, S. 7, spricht von einem „halbherzigen Kompromiss“, der die GmbH weder für Investoren noch für Unternehmer interessanter mache. 222 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 47; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (23).

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Absenkung reiche auch nicht aus, um die Wettbewerbsnachteile der GmbH zu beseitigen, weshalb eine gänzliche Freigabe des Stammkapitalbetrages nach französischem Vorbild vonnöten sei.223 Angesichts dieser verbreiteten Kritik an der Absenkung des Mindestkapitals nimmt es nicht Wunder, dass die Kehrtwende des Gesetzgebers in letzter Sekunde in den Stellungnahmen der Literatur auf Zustimmung stößt.224 Die Möglichkeit der Gründung einer mindestkapitalfreien 225 UG (haftungsbeschränkt) mache die Absenkung für die „normale“ GmbH überflüssig, da erstere Unternehmensgründern ohne nennenswerten Kapitalbedarf eine auch international betrachtet konkurrenzfähige Gesellschaftsform zur Verfügung stelle.226 Die Beibehaltung des geltenden Mindestkapitals verhindere außerdem einen Ansehensverlust der bestehenden GmbH.227 b) Einführung der „UG (haftungsbeschränkt)“ Die Einführung der UG (haftungsbeschränkt) als Einstiegsvariante der GmbH erregte in der Literatur großes Aufsehen, war diese Maßnahme doch in keinem der früheren Reformentwürfe auch nur angedeutet worden.228 Inhaltlich stößt sie auf ein geteiltes Echo. Einige halten sie für einen gelungenen Kompromiss zwischen den Forderungen nach einer Abschaffung des Mindestkapitals oder der Einführung einer gänzlich neuen, der Ltd. nachempfundenen Rechtsform einerseits und den Warnungen vor einer Aushöhlung des bestehenden, bewährten Regimes der GmbH andererseits.229 Von den Befürwortern werden – wenn über223 Vgl. Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (189); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1321 f.: „fauler Kompromiss“). In diese Richtung ansatzweise auch Römermann, GmbHR 2006, 673 (675); Thiessen, DStR 2007, 202 (204). 224 Vgl. etwa Fliegner, DB 2008, 1668 (1669); Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114 (124). 225 Fliegner, DB 2008, 1668 (1669), spricht von der UG (haftungsbeschränkt) als einer „stammkapitalfreien GmbH [Hervorhebung durch den Verf.]“. Dies trifft nicht zu. Denn die UG (haftungsbeschränkt) verfügt sehr wohl über ein Stammkapital. § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. definiert die UG (haftungsbeschränkt) als eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital unterhalb der gesetzlichen Mindestziffer gegründet wird. Die UG (haftungsbeschränkt) ist demnach eine GmbH ohne Mindestkapital, aber nicht ohne Stammkapital. 226 Vgl. Fliegner, DB 2008, 1668 (1669). 227 Vgl. Fliegner, DB 2008, 1668 (1669); Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114 (124). 228 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1396): „sensationell“; Seibert, GmbHR 2007, 673 (674): „Überraschungs-Coup“. Ebenso Römermann, GmbHR 2007, R 193, im Aufsatztitel. 229 Vgl. Ulmer/Paura, § 5a GmbHG Rn. 3, unter Verweis auf den rechtstatsächlichen Erfolg der UG (haftungsbeschränkt) seit ihrer Einführung; sowie Seibert, GmbHR 2007, 673 (677): „Die Unternehmergesellschaft nach § 5a GmbHG-RegE dürfte nun aber alle zufrieden stellen [. . .].“ Andeutungsweise auch Breitenstein/Meyding, BB

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haupt – hauptsächlich kleinere Änderungen des § 5a GmbHG n. F. angemahnt, so etwa die Wahl eines aussagekräftigeren Rechtsformzusatzes230 oder die Einführung einer Soll-Vorschrift in § 5a Abs. 3 S. 2 GmbHG n. F., die eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht nur erlaubt, sondern grundsätzlich vorschreibt, sobald die gesetzliche Rücklage der UG (haftungsbeschränkt) gemäß § 5a Abs. 3 S. 1 GmbHG n. F. den Betrag des Mindestkapitals der GmbH erreicht.231 Weiterhin solle die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals auch für die UG (haftungsbeschränkt) beibehalten und nur durch die zusätzliche Pflicht gemäß § 5a Abs. 4 GmbHG n. F. ergänzt werden.232 Teilweise werden allerdings von Seiten der Befürworter auch grundlegendere inhaltliche Einwände gegen die Regelung zur UG (haftungsbeschränkt) erhoben. Sie vernachlässige den Gläubigerschutz, da sie auf das Mindestkapital verzichte, ohne anderweitig für eine ausreichende Kompensation zu sorgen. Die „unausgewogene Risikoverteilung“ zwischen Gläubigern und Gesellschaftern könne diese Gesellschaftsform attraktiv für unseriöse Gründer machen.233 Die einzige Gläubigerschutzvorschrift des § 5a GmbHG n. F., die Thesaurierungspflicht von einem Viertel des Jahresüberschusses, sei nicht nur ineffektiv, da gerade bei kleineren Gesellschaften der Hauptgesellschafter als Geschäftsführer über die Höhe seines Gehaltes indirekt auch die des Jahresüberschusses beeinflussen könne; sie sei bei neu gegründeten Unternehmen, die in der Regel ihren Gewinn vollständig wieder reinvestieren wollen oder müssen, sogar u. U. kontraproduktiv.234 Deshalb müsse der Schutz der Gläubiger einer UG (haftungsbeschränkt) anderweitig ge2007, 1457. Dezidiert a. A. Noack, DB 2007, 1395 (1396), für den die UG als Rechtsformvariante innerhalb des GmbHG „aus Sicht der GmbH-Traditionalisten [. . .] die wohl schlechteste Lösung [ist]: das Balg wird in die Familie aufgenommen.“ 230 Vgl. dazu schon oben, § 7 I. 1. a) bb). 231 Vgl. Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates, BR-Drucks. 354/1/07, S. 10, unter zutreffendem Hinweis darauf, dass die bloß fakultative Möglichkeit einer späteren Kapitalerhöhung die Höhe des Stammkapitals der GmbH dauerhaft zur Disposition stellt, was nichts anderes als die bereits oben, § 7 I. 1. a) bb), festgestellte generelle Aufgabe des Mindestkapitals bedeutet. Dies sei bei einer entsprechenden Sollvorschrift anders. Dann könnten GmbH und UG (haftungsbeschränkt) nicht dauerhaft nebeneinander existieren, die UG (haftungsbeschränkt) sei vielmehr – gemäß ihrem eigentlichen Zweck – nur ein Durchgangsstadium auf dem Weg zur „Voll-GmbH“. Anders aber Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754 (755): Die Rücklage des § 5a Abs. 3 GmbHG n. F. unterliege faktisch dem Kapitalschutzregime, da sie nur für eine Kapitalerhöhung verwendet werden darf, und sei dem Stammkapital deshalb ohne weiteres vergleichbar. Dann sei aber nicht verständlich, warum die Thesaurierungspflicht nicht ende, wenn Rücklage und Stammkapital zusammen den Betrag des gesetzlichen Mindestkapitals bzw. dessen Hälfte als bei der „normalen“ GmbH mindestens sofort aufzubringenden Anteil erreiche. 232 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 7. 233 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 8. 234 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 8.

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währleistet werden, etwa durch Verschärfung von Unterkapitalisierungs- und Durchgriffshaftung und durch erhöhte Transparenzanforderungen.235 Viele Autoren lehnen die UG (haftungsbeschränkt) insgesamt ab236, allerdings mit teilweise gegenläufiger Begründung. Diejenigen, die ein Mindestkapital ohnehin für überflüssig halten, fordern dessen generelle Abschaffung auch für die Mutterrechtsform.237 Diese Maßnahme auf eine anders firmierende Einstiegsvariante zu begrenzen, sei nicht nur inkonsequent238, sondern stifte im Rechtsverkehr auch unnötige Verwirrung.239 Andere erinnern an die „ordnungspolitische Funktion des Mindestkapitals“ 240: Der eigene Risikobeitrag der Gründer sei unverzichtbare Voraussetzung der Gewährung einer Haftungsbeschränkung, um unsolide Unternehmensgründungen jedenfalls zu erschweren.241 Durch die Abschaffung des Mindestkapitals mache sich der Gesetzgeber einseitig zum Mentor der Interessen der Gesellschaftsgründer und vernachlässige die der Gläubiger. Die Thesaurierungspflicht gemäß § 5a Abs. 3 GmbHG n. F. schaffe hierfür keinen angemessenen Ausgleich, da sie sich gerade in kleinen Gesellschaften über die Bemessung der Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers leicht aushebeln lasse.242 Außerdem könne sie die Funktion des Mindestkapitals als An235 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 8. Dagegen ausdrücklich Noack, DB 2007, 1395 (1396 f.), da die Abschaffung des Mindestkapitals zu keinen nennenswerten Gläubigerschutzeinbußen führe und deshalb auch nicht kompensiert werden müsse. 236 Vgl. Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite; Noack, DB 2007, 1395 (1396 f.); Römermann, GmbHR 2007, R 193 f. Für Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445), stellt die UG (haftungsbeschränkt) sogar „den fatalsten Irrweg der GmbH-Reform“ dar. Ähnlich MüKoGmbHG/Rieder, § 5a GmbHG Rn. 58 f., dem zufolge die UG (haftungsbeschränkt) ungeachtet ihres rechtstatsächlichen Erfolges „aus rechtpolitischer Sicht eine Fehlentwicklung“ darstellt. Bemerkenswerterweise bezeichnet selbst die Bundesjustizministerin Zypries, FAZ vom 23.05.2007, S. 17, die UG (haftungsbeschränkt) als „Konzession an den Koalitionspartner“, was hinsichtlich des rechtspolitischen Rückhalts dieser neuen Gesellschaftsform bei ihren eigenen Urhebern tief blicken lässt. 237 Vgl. Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512 f.). 238 Wilhelm, DB 2007, 1510 (1513), spricht von einem unhaltbaren Kompromiss, der zum Scheitern verurteilt sei. 239 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1397). Wachter, GmbHR 2007, R 209 (R 210), sieht durch die Reform eine „neue Dreiklassengesellschaft im GmbH-Recht“ entstehen: klassische GmbH („Maßanzug“), GmbH mit Mustersatzung („Anzug von der Stange“) und UG („Trainingsanzug“). Dies widerspreche dem Bedürfnis des Mittelstandes nach einer homogenen, standardisierten Rechtsform GmbH. 240 Vgl. Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite. Ähnlich Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445 f.). 241 Vgl. Goette, NZG 13/2007, VI. Ebenso MüKoGmbHG/Rieder, § 5a GmbHG Rn. 58 f. Ähnlich, aber leicht polemisierend Römermann, GmbHR 2007, R 193, der in der Aufgabe der zwingenden Pflicht zur Aufbringung eines bestimmten Vermögensgrundstocks legislativen „Idealismus, unverdorben durch die harte Realität des 21. Jahrhunderts“, erblickt. 242 Vgl. Heckschen, DStR 2007, 1442 (1446); Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite; Römermann, GmbHR 2007, R 193.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

lauffinanzierung der Gesellschaft nicht übernehmen. Der Großteil aller neu gegründeten Unternehmen mache aber zunächst Verluste. Es stehe deshalb zu erwarten, dass ein beachtlicher Anteil neu gegründeter, „nahezu stammkapitalloser“ Unternehmergesellschaften schon aufgrund der anfänglichen Kosten der Geschäftsaufnahme alsbald in die Insolvenz fallen werde. Viele verschwänden damit wieder vom Markt, bevor jemals thesaurierungsfähige Gewinne gemacht wurden.243 Entsprechendes lasse sich bereits bei der Ltd. in Deutschland beobachten, die insgesamt eine hohe Anfangssterblichkeit aufweise und deren Beliebtheit bei Unternehmensgründern inzwischen rückläufig sei.244 Die höhere Insolvenzwahrscheinlichkeit der UG (haftungsbeschränkt) fügt nach Auffassung der Kritiker nicht nur den Gläubigern und Arbeitnehmern, sondern auch dem Ansehen der Rechtsform GmbH insgesamt Schaden zu.245 Die Folgewirkungen dieser Maßnahme für die GmbH seien deshalb kaum abschätzbar.246 Das Argument der Befürworter, nur die Ein-Euro-GmbH könne den Wettbewerb der Rechtsformen bestehen, rechtfertige einen solch bedeutenden Eingriff in die Grundprinzipien des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts nicht, vor allem angesichts der insgesamt geringen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ausländischer „Billigrechtsformen“ in Deutschland.247 Erste rechtstatsächliche Erhebungen haben ergeben, dass die UG (haftungsbeschränkt) von Unternehmensgründern gut angenommen wird.248 Schon gut zwei 243 Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1800), bezeichnet deshalb die Thesaurierungspflicht gemäß § 5a Abs. 3 GmbHG n. F. als „Schutz bei Schönwetter“ für die Gläubiger. Er fordert eine solche Pflicht allerdings für die GmbH als Ergänzung zur seinerzeit noch im MoMiG-Entwurf vorgesehenen Absenkung des Mindestkapitals auf 10.000 Euro, um dem Stammkapitalsystem eine ökonomisch fundiertere Grundlage zu geben, vgl. ibid., S. 1801. 244 Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1800). 245 Vgl. Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite, der eine „epidemisch drohende Frühsterblichkeit auf dem untersten Stockwerk des Hauses GmbH“ befürchtet, die „schnell das ganze Gebäude in Verruf“ bringen könne. Ähnlich Wachter, GmbHR 2007, R 209 (R 210). Seibert, GmbHR 2007, 673 (675), räumt ein, dass eine Gesellschaft mit einem Euro Stammkapital vom Moment ihrer Eintragung an überschuldet wäre, da die Gründungskosten unter Ausschöpfung aller Einsparmöglichkeiten immer noch ca. 260 Euro betrügen. Er verweist jedoch auf die Erfahrungen mit der Abschaffung des Mindestkapitals in Frankreich, wo das Stammkapital der SARL-Neugründungen trotzdem durchschnittlich 3.000 Euro beträgt, weshalb er auf die Vernunft der Unternehmensgründer auch in Deutschland hofft. 246 Römermann, GmbHR 2007, R 193 (R 194), spricht von einem „gesellschaftsrechtlichen Blindflug in unbekanntes Terrain“. 247 Vgl. Kleindiek, BB 27/2007, Die erste Seite, unter Hinweis auf die von Niemeier, ZIP 2006, 2237, zusammengestellten empirischen Daten. Mit neuestem Datenmaterial dieses Ergebnis untermauernd Niemeier, ZIP 2007, 1794. Ebenso Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445 f.), dem zufolge der Großteil der Ltd.-Gründungen nicht in eine nennenswerte Unternehmenstätigkeit von gewisser Dauer münde, der Rest aber diese Rechtsform hauptsächlich zu Umgehungszwecken nutze, die der Volkswirtschaft eher schadeten als nützten. Näher zur Verbreitung der Ltd. in Deutschland unten, § 10 III. 1.

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Wochen nach Inkrafttreten des MoMiG überschritt die Zahl der existierenden Unternehmergesellschaften die Grenze von 100, und der Trend verstärkte sich in der Folge.249 Ende 2008 zählte man bereits über 1.000 Eintragungen im Handelsregister, Ende 2009 war die Marke von 20.000 Gesellschaften überschritten.250 Sie scheint damit zumindest das gesetzgeberische Ziel, den Wettbewerb mit der Ltd. aufzunehmen und Gründern kleiner und kleinster Unternehmen eine Alternative zur klassischen GmbH mit ihrem unveränderten Mindestkapital zu bieten, vorerst zu erfüllen. Wie groß ihr Nutzen jenseits der Gründungsphase ist, ist jedoch zweifelhaft.251 Insoweit bleibt abzuwarten, ob sie sich als echte Rechtsformvariante neben der GmbH dauerhaft etablieren kann, oder ob ihre Funktion auf die eines Gründungsstimulans beschränkt bleibt. Was die Kapitalausstattung der UG (haftungsbeschränkt) betrifft, lässt sich bereits jetzt absehen, dass von der Möglichkeit eines sehr geringen Stammkapitals rege Gebrauch gemacht wird. Rund 92% der bis Ende 2008 eingetragenen UG wiesen ein Stammkapital von unter 5.000 Euro aus, wobei das durchschnittliche Stammkapital bei erkennbar als Vorratsgesellschaften gegründeten UG 286 Euro, bei den übrigen Gesellschaften 1.173 Euro betrug.252 c) Reform des Kapitalschutzes Die Neuerungen im Bereich der Kapitalaufbringung sind im Schrifttum grundsätzlich positiv aufgenommen worden. Dies gilt sowohl für die Regelung der verdeckten Sacheinlage in § 19 Abs. 4 GmbHG n. F.253 als auch für den damit eng 248 Vgl. die Zahlen bei MüKoGmbHG/Rieder, § 5a GmbHG Rn. 5. Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise und der vom Gesetzgeber ergriffenen legislativen Gegenmaßnahmen auf die UG (haftungsbeschränkt) untersucht Wachter, BB 2008, 1296. 249 Vgl. die Studien von Bayer/Hoffmann, GmbHR 2008, 1302; sowie dies., GmbHR 2009, 124. 250 Vgl. MüKoGmbHG/Rieder, § 5a GmbHG Rn. 5; Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, 124. 251 Ebenso Vetter, BB 2008, M 1. Vgl. dazu aber auch Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114 (121 ff.). Diese führen als Verwendungsmöglichkeit z. B. eine Gesellschaft an, die hauptsächlich mit ihren Gesellschaftern in Leistungsbeziehungen treten soll, wo es also auf ein gläubigerschützendes Stammkapital weniger ankommt. Auch als Vorratsgesellschaft sei die UG (haftungsbeschränkt) besser geeignet als die GmbH. 252 Vgl. Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, 124 (125). 253 Vgl. Fliegner, DB 2008, 1668 (1669); Hirte, NZG 2008, 761 (763); König/Bormann, DNotZ 2008, 652 (660 f.); Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 (1450 ff.); Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (844 f., 850); Wedemann, WM 2008, 1381 (1382, 1386). Für eine noch weitergehende Deregulierung im Hinblick auf die Umwandlung von Gesellschafter-Fremdkapital in Eigenkapital (sog. „debt-equity-swap“) durch Aufrechnung aber Krolop, GmbHR 2007, 117. Differenzierend MüKoGmbHG/Märtens, § 19 GmbHG Rn. 168 ff., der die faktisch sanktionslose Hinnahme einer Umgehung der präventiven Werthaltigkeitskontrolle als Systembruch kritisiert, andererseits die rechtspolitische Zielsetzung der Neuerung anerkennt.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

zusammenhängenden § 19 Abs. 5 GmbHG n. F.254, der das Hin- und Herzahlen unter bestimmten Umständen erlaubt und damit Cash-Pool-Systeme künftig von Anfang an für zulässig erklärt. Viele Autoren begrüßen ausdrücklich die Rückkehr zum bilanziellen Denken im Recht des Kapitalschutzes255, trotz der Kritik an der insoweit von einigen als zu weit gehend angesehenen Regelung im Regierungsentwurf, § 19 Abs. 4 GmbHG-RegE, die in der endgültigen Gesetzesfassung abgemildert wurde256. Auch in diesem Kontext fehlt es allerdings nicht an kritischen Stimmen257, insbesondere zur Problematik des Hin- und Herzahlens.

254 Allerdings wurde zu § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG-RegE darauf hingewiesen, dass die Vorschrift missverständlich formuliert sei. Sie könne so verstanden werden, dass das Hin- und Herzahlen im Falle eines nicht vollwertigen Gegenanspruchs der Erfüllung der Einlageschuld insgesamt nach dem Prinzip „alles oder nichts“ entgegenstehe, während bei einer nicht vollwertigen verdeckten Sacheinlage gemäß § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. zumindest eine anteilige Anrechnung auf die Einlageschuld stattfinde. Aufgrund der Nähe beider Rechtsfiguren sei aber eine unterschiedliche Rechtsfolge nicht sachgerecht, was durch eine Anpassung des Wortlauts des § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG-RegE klarzustellen sei, vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 13 f. Eine solche Klarstellung wurde jedoch in der endgültigen Fassung der Vorschrift, dem neuen § 19 Abs. 5 GmbHG n. F., nicht vorgenommen, es bleibt bei der im Vergleich zu § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. strengeren „Alles-oder-nichts-Lösung“. So auch Herrler, DB 2008, 2347 (2348); Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 (1453 f.). Als Grund für den allgemein missglückten Wortlaut führt Noack, DB 2007, 1395 (1397), das Bestreben des Gesetzgebers an, sich von der bisherigen Rechtsprechung zu distanzieren. Er schlägt vor, den „Trend zur Vereinfachung“ konsequent fortzuführen und eine der Kommanditistenhaftung nachempfundene Außenhaftung der Gesellschafter einzuführen. In diese Richtung auch Bayer, ZGR 2007, 220 (236); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379). In eine ähnliche Richtung Drygala, ZIP 2006, 1797 (1803), der hierfür allerdings als neue Rechtsform neben der GmbH eine „Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung (KmbH)“ einführen will. Kritisch zu der Neuregelung insgesamt Heckschen, DStR 2007, 1442 (1447): Durch sie werde die Kapitalaufbringung praktisch abgeschafft, was systemwidrig und zur Ermöglichung von Cash-Pool-Systemen nicht erforderlich sei. Ebenfalls ablehnend Hölzle, GmbHR 2007, 729 (734), der eine Verkürzung des durch die Rechtsprechung zu aufsteigenden Darlehen erreichten Gläubigerschutzes feststellt und deshalb einen Bedeutungszuwachs der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs erwartet. Ebenfalls einen Verlust an Gläubigerschutz befürchtend Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754 (755), die allerdings den Aktivtausch vorhandener Liquidität gegen einen vollwertigen Gegenanspruch für unbedenklich hält, wenn er gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG in der Satzung ausdrücklich vereinbart und damit den Gläubigern zur Kenntnis gebracht wird. 255 Vgl. Herrler, DB 2008, 2347 (2352); Leuering, NJW-Spezial 2007, 315 (316); Noack, DB 2007, 1395 (1397). Deutlich auch Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1291): Eventuelle Schwierigkeiten der Gesellschaftsgläubiger bei der Verwertung eines (vollwertigen) Darlehensrückzahlungsanspruchs seien deren normales Risiko, da das Kapitalschutzrecht sie nur „gegen Vermögensminderungen, aber nicht gegen Vermögensumschichtungen“ schütze. 256 Vgl. dazu oben, § 7 I. 1. b) aa). Auch die Regelung des § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. – trotz grundsätzlicher Befürwortung der bilanziellen Betrachtungsweise – als Förderung der „systematischen Umgehung der Sacheinlagevorschriften“ kritisierend Herrler, DB 2008, 2347 (2352).

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Die neue Vorschrift degradiere die Prüfung der Einlagenerbringung durch das Registergericht zur „bloßen Förmelei“ und privilegiere ohne sachlichen Grund Forderungen gegen die Gesellschafter gegenüber anderen Sacheinlagen.258 Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für aufsteigende Darlehen und Cash Pooling in § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. wird vor allem von Seiten der Praxis begrüßt, da die bisherige unklare Rechtslage einen ökonomisch sinnvollen Einsatz vorhandener Liquidität der Gesellschaft vielfach behinderte.259 Die neue Regelung beseitige die entstandene Rechtsunsicherheit, was insbesondere international tätigen Konzernen zugute komme.260 In der Fassung des MoMiG-Referentenentwurfs261 war sie hierzu nach Ansicht der Literatur nur begrenzt geeignet, da sie Ausnahmen von dem grundsätzlich weiterhin anwendbaren § 30 GmbHG formulierte, anstatt die Nichtanwendbarkeit bereits auf Tatbestandsebene anzuordnen.262 Außerdem hätte die Verwendung unklarer Begriffe wie „Gesellschaftsinteresse“, „Vorleistung“ und „angegriffenes Stammkapital“ neue Auslegungs257 Vgl. etwa allgemein Goette, NZG 13/2007, VI (VII), dessen Meinung nach „der Mittelstand am allerwenigsten“ von der Reform des Kapitalschutzregimes profitieren werde. Kritisch zur Regelung der verdeckten Sacheinlage Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG § 19 GmbHG Rn. 19; Pentz, GmbHR 2009, 126 (131): Die Reform bringe keine Vereinfachung, sondern werfe zahlreiche neue Probleme auf. Vor den Haftungsgefahren für Geschäftsführer aufgrund des § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG n. F. warnend Markwardt, BB 2008, 2414 (2422). Die Regelung des § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. als „Fremdkörper im Recht der Kapitalaufbringung“ bezeichnend MüKoGmbHG/Märtens, § 19 GmbHG Rn. 284. 258 Vgl. Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, 119 (120). Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. ein konsequenter Ausdruck der bilanziellen Betrachtungsweise ist, die künftig das Kapitalschutzrecht bestimmen soll. Forderungen gegen den Gesellschafter werden nicht etwa gegenüber sacheinlagefähigen Forderungen (des Gesellschafters gegen Dritte) privilegiert, sondern im Gegenteil strenger behandelt: Während eine Gesellschafterforderung gegen Dritte als (verdeckte) Sacheinlage eingebracht werden kann und im Falle ihrer Überbewertung zumindest in Höhe ihres tatsächlichen Wertes gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG n. F. auf die Einlageschuld angerechnet wird, setzt die Befreiung von der Einlagepflicht durch Hin- und Herzahlen, also die „Einbringung“ einer Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, schon tatbestandlich voraus, dass die Forderung vollwertig ist. I. E. wie hier Veil, ZIP 2007, 1241 (1247). 259 Vgl. Bormann, GmbHR 2006, 1021 (1025); Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1296); Wirsch, GmbHR 2007, 736. Im Grundsatz befürwortend, aber mit unwesentlichen Änderungsvorschlägen auch Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754 (756). Kritisch aber Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1323), die für eine gänzliche Abschaffung des Kapitalerhaltungsrechts zugunsten eines Solvenztests plädieren. Näher dazu unten, § 7 II. 3. b). 260 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 93 f.; Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (23). 261 Diese lautete: „Wird das Stammkapital durch eine Vorleistung aufgrund eines Vertrags mit einem Gesellschafter angegriffen, so gilt das Verbot des Satzes 1 nicht, wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt.“ 262 Vgl. Grunewald, WM 2006, 2333 (2334); Vetter, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 75 (P 115 f.).

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

probleme aufgeworfen.263 Der Forderung nach einer klareren Gesetzesfassung264 sei der Gesetzgeber nachgekommen. Die Neuregelung schränke die teils überschießende Folgen des geltenden Kapitalschutzsystems ein, ohne dieses insgesamt aufzugeben.265 Grundsätzlich für gut befunden wird auch die erst spät in das Gesetz integrierte Möglichkeit, in der Satzung die Geschäftsführer in Form eines genehmigten Kapitals gemäß § 55a GmbHG n. F. zu einer begrenzten Kapitalerhöhung zu ermächtigen. Dadurch könne die Gesellschaft flexibel auf sich bietende Gelegenheiten reagieren und stärke die Möglichkeiten der Eigenkapitalfinanzierung. Gleichzeitig werde die GmbH so für Investoren attraktiver.266 d) Recht der Gesellschafterdarlehen Die Überarbeitung des Eigenkapitalersatzrechts, die einen der Kernpunkte der Reform darstellt, erfreut sich ebenfalls mehrheitlich positiver Resonanz267, be263 Vgl. Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 1121 (1126); Centrale für GmbH, GmbHR 2006, 978 (980); Grunewald, WM 2006, 2333 (2334); Noack, DB 2006, 1475 (1482); Römermann, GmbHR 2006, 673 (679); Schmidt, GmbHR 2007, 1 (5); Wulfetange, BBSpecial 7/2006, 19 (23). Die Begründung RefE MoMiG, S. 54, zählte jedoch Indizien auf, wann eine Leistung im Gesellschaftsinteresse liegen kann. Deswegen hielt Schäfer, BB-Special 7/2006, 5 (8), die Verwendung dieses unbestimmten Begriffs für unbedenklich. 264 Vgl. Priester, ZIP 2006, 1557 (1559); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (23). Angesichts der Kritik an der Regelung des Referentenentwurfs tendenziell für eine Lösung des Problems durch Fortentwicklung der Rechtsprechung anstelle einer gesetzlichen Normierung Habersack/Schürnbrand, BB 2006, 288 (289); Pentz, ZIP 2006, 481 (484). 265 Vgl. Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1296). Kritisch aber Ulmer/Habersack (Erg.-Band), § 30 GmbHG Rn. 4, der unter anderem aufgrund der strengen bilanziellen Betrachtungsweise des neuen § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG eine nicht unerhebliche Erosion der bisherigen Schutzinstrumentarien befürchtet. 266 Vgl. Klett, GmbHR 2008, 1312; Priester, GmbHR 2008, 1177, beide allerdings auch mit kritischen Anmerkungen. 267 Vgl. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1659); Bork, ZGR 2007, 250 (268); Hirte, WM 2008, 1429 (1435); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (2); Mülbert, WM 2006, 1977 (1978); Noack, DB 2007, 1395 (1398); ders., DB 2006, 1475 (1486 f.); Schäfer, DStR 2006, 2085 (2087 f.); Tillmann, GmbHR 2006, 1289; sowie sehr ausführlich Haas, ZInsO 2007, 617. Seibert, BB 23/2007, Die erste Seite, spricht von „überwältigender Zustimmung“ für diese „bestechend einfache Lösung“. Auch der 66. Deutsche Juristentag begrüßte in seinem Beschluss IV.17, abgedruckt in Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 141 (P 143), mit deutlicher Mehrheit (141:3:5 Stimmen) ausdrücklich die Grundlinie dieses Reformschrittes. Kritisch aber Goette, NZG 13/2007, VI (VII); Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 115 ff.; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (356); Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355 f.). Differenzierend Schmidt, GmbHR 2007, 1 (7 ff.); ders., ZIP 2006, 1925 (1932 f.); Scholz/Schmidt, Nachtrag MoMiG §§ 32a/b GmbHG a. F. Rn. 9; sowie Römermann, GmbHR 2007, R 193 (R 194); ders., GmbHR 2006, 673 (678), der die Reform im Prin-

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ruht sie doch ohnehin in weiten Teilen auf konkreten Vorschlägen des Schrifttums268. Die Abschaffung des Dualismus von Rechtsprechungs- und Novellenregeln vereinfache diese zuvor übertrieben komplexe Materie entscheidend.269 Dies sei notwendig und überfällig, da die GmbH die Rechtsform des Mittelstandes sei, der einen flexiblen, einfach handhabbaren Rechtsrahmen brauche.270 Angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel der existierenden GmbH nur das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital aufweisen271, was allenfalls bei kleinsten Unternehmen den eigentlichen Kapitalbedarf abdecken könne, stellten Gesellschafterdarlehen ein wichtiges Finanzierungsinstrument dar272, dessen Verwendung aber durch das komplizierte und strenge Eigenkapitalersatzrecht bisher unnötig erschwert werde, nicht zuletzt als Sanierungsinstrument in der Krise.273 Durch das neue Recht seien die Gesellschafter grundsätzlich frei, den Finanzbedarf der Gesellschaft durch Darlehen zu decken, auch im Falle einer Unterbilanz, und die Gesellschaft sei jederzeit, auch in der Krise, zur Darlehensrückzahlung befugt. Die Gläubiger bedürften nur eines legislativen Schutzes, wenn die Gesellschaft insolvent werde; diesen Schutz gewährleisteten aber die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, 6 AnfG n. F. in angemessener Weise.274 Auch die systematische Neuordnung des Rechts der Gesellschafterdarlehen durch Verlagerung in das Insolvenzrecht wird für richtig gehalten275, da sie die bisherige, fragwürdige Verortung der im Kern insolvenzrechtlichen Regelungen276 im Gesellschaftsrecht beseitige und Regelungsredundanzen behebe.277 zip gutheißt, sich aber keine nennenswerte Attraktivitätssteigerung für die GmbH davon verspricht. 268 Vgl. insbesondere die „zwölf Thesen“ von Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff., die vom BGH, GmbHR 2006, 421 (422), ausdrücklich unterstützt wurden. Für Nachweise der früheren Vorschläge s. unten, § 7 II. 4. 269 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1459); Centrale für GmbH, GmbHR 2006, 978 (978, 981); Gehrlein, BB 2008, 846 (854); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (15); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (22). 270 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1461); sowie Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754, die insoweit moniert, dass das komplizierte, „international einmalige“ deutsche Eigenkapitalersatzrecht „das GmbH-Recht zu einer Materie für Spezialisten gemacht hat.“ 271 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 105, zum Zustand vor dem MoMiG. 272 Vgl. Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1912); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14. 273 Vgl. Schiffer, BB-Special 7/2006, 14; sowie die Nachweise bei der Darstellung der Kritik am geltenden Eigenkapitalersatzrecht oben, § 4 II. 2. d). 274 Vgl. Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (22). 275 Schon vor dem MoMiG-Entwurf in diese Richtung Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (3); Röhricht, ZIP 2005, 505 (512 f.). 276 Zu dieser Qualifizierung der §§ 32a, b GmbHG Haas, Gutachten, S. E 65; Huber/Habersack, BB 2006, 1 (4). 277 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1461); dies., BB 2007, 1457 (1459); Haas, ZInsO 2007, 617; Huber/Habersack, BB 2006, 1 (4); Mülbert, WM 2006, 1977

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Außerdem folge daraus eine gesetzessystematisch sinnvolle, rechtsformunabhängige Vereinheitlichung der bisher verstreuten Einzelregelungen278 sowie eine wesentliche Verbesserung des Gläubigerschutzes in der Praxis: Die neuen Regeln zu Gesellschafterdarlehen sind auch auf Auslandsgesellschaften mit deutschem Verwaltungssitz anwendbar, sofern sie die Voraussetzungen des § 39 Abs. 4 S. 1 InsO n. F. erfüllen und ihre Insolvenz gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 4 EuInsVO nach deutschem Recht abgewickelt wird. Die Verortung des Eigenkapitalersatzrechts im Gesellschaftsrecht verhinderte bisher dessen Anwendung auf Auslandsgesellschaften in Deutschland, da diese nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich nur dem Gesellschaftsstatut des Gründungsstaates unterliegen.279 Im Gegensatz dazu ist das Insolvenzrecht als Verfahrensrecht auf alle in Deutschland tätigen Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform anwendbar.280 Somit führt die Reform zu einer aus Sicht der Praxis wünschenswerten und notwendigen Rechtsangleichung zwischen in Deutschland tätigen Gesellschaften deutscher und ausländischer Rechtsform.281 Neben der großen Zahl positiver Stellungnahmen finden sich auch einige kritische Stimmen zur Reform des Eigenkapitalersatzrechts. Zum Teil bemängeln diese einzelne Vorschriften, etwa die Regelung zum Sanierungsprivileg in § 39 Abs. 4 S. 2 InsO n. F., die wie der bisherige § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG nur dann eingreift, wenn der Gesellschafter seine Anteile erst in der Krise bzw. nach der Neuregelung bei bereits vorliegender Insolvenzreife zum Zwecke der Sanierung erwirbt.282 Die Forderung, das Privileg auch auf den umgekehrten Fall zu er-

(1978); Schäfer, DStR 2006, 2085 (2087 f.); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (18). Zur dogmatischen Einordnung des Eigenkapitalersatzrechts allgemein auch Haas, Gutachten, S. E 64 f.; Michalski/Heidinger, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 13; Scholz/Schmidt, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 15 ff.; sowie jüngst Gloger, S. 77 f. Das Kapitalerhaltungsrecht im Rückblick als historisch zufällige „Krücke“ zur Aufhängung des Eigenkapitalersatzrechts bezeichnend Röhricht, ZIP 2005, 505 (512). Ebenso Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1656), die zusätzlich darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber seit jeher Gesellschafterdarlehen als insolvenzrechtliche Problematik eingestuft habe, denn sowohl der GmbHG-Entwurf von 1939 als auch die Novellenregeln von 1980 hätten nur in der Insolvenz diesbezügliche Sonderregeln vorgesehen. 278 Vgl. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (8); ders., ZIP 2006, 1925 (1928). 279 Vgl. nur Seibert, ZIP 2006, 1157 (1162 m.w. N.). 280 Vgl. Römermann, GmbHR 2006, 673 (678). 281 Vgl. Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (414); Schiffer, BB-Special 7/ 2006, 14 (17); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161 f.). 282 Vgl. aber z. B. Hölzle, GmbHR 2007, 729 (733), der positiv hervorhebt, dass der Regierungsentwurf das Sanierungsprivileg im Vergleich zum Referentenentwurf erweitert und damit der Kritik aus der Literatur zum Teil Rechnung getragen hat. Während es nach § 39 Abs. 4 S. 2 InsO-RefE erst bei drohender Zahlungsunfähigkeit eingreifen und mit deren Beseitigung enden sollte, gilt es in der endgültigen Gesetzesfassung von der – der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit regelmäßig vorgelagerten – Überschuldung bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft. Er hält allerdings den Begriff der

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strecken, dass die Gesellschafterstellung schon früher begründet wurde und erst in der Krise bzw. bei Insolvenzreife ein Sanierungsdarlehen ausgereicht wird, wurde schon früher geäußert283 und ist in den Stellungnahmen zum MoMiG erneuert worden.284 Das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO n. F. (bzw. des bisherigen, inhaltsgleichen § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG) wiederum wird vereinzelt als zu weit gehend kritisiert. Es solle nicht als „sicherer Hafen“ ausgestaltet sein, sondern als widerlegliche Vermutung, die den Nachweis einer unternehmerischen Stellung des kleinbeteiligten Gesellschafters durch den Insolvenzverwalter zulasse.285 Grundlegende Kritik an der Reform zielt vor allem in zwei Richtungen: Die Neuregelung führe einerseits durch Abschaffung der Rechtsprechungsregeln zu einem Verlust an Gläubigerschutz286 und andererseits gleichzeitig zu einer unangemessenen Haftungsverschärfung für die Gesellschafter287. Die generelle Subordination von Gesellschafterdarlehen bzw. die undifferenzierte Anfechtbarkeit ihrer Rückzahlung zeitige einen Verlust an Einzelfallgerechtigkeit288, so dass Ge„nachhaltigen Sanierung“ für zu unbestimmt und damit problematisch. Zu diesem Begriff vgl. OLG München, GmbHR 2006, 424. 283 Vgl. Engert, ZGR 2004, 813 (839). Zur noch weitergehenden Privilegierung von Sanierungsdarlehen in Frankreich vgl. oben, § 5 I. 2. e). 284 Vgl. näher unten, § 7 II. 4. b). 285 So Haas, Gutachten, S. E 43; sowie Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1291), der allerdings davon ausgeht, bereits eine solche widerlegliche Vermutung stelle einen „Safe Harbour“ dar. Gegen eine widerlegliche Vermutung aus Gründen der Rechtssicherheit Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1658); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (4). 286 Vgl. etwa Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 115 (132 ff.); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (356). Skeptisch gegenüber der Neuregelung auch Schmidt, GmbHR 2007, 1 (9); ders., ZIP 2006, 1925 (1930, 1933 f.), dessen Meinung nach es dem BGH für den Fall, dass sich die neuen §§ 135 InsO, 6 AnfG n. F. als unzureichend erweisen sollten, unbenommen bleiben müsse, seine Kapitalschutzrechtsprechung fortzusetzen. Einen möglichen Verlust an Gläubigerschutz problematisierend, im Ergebnis aber verneinend Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (15). 287 Vgl. Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 115 (124 ff.); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (358). Ansatzweise auch Hölzle, GmbHR 2007, 729 (734). 288 Vgl. Kleindiek, ZGR 2006, 335 (358); sowie schon früher ders., DStR 2005, 1366 (1368). Auch der 66. Deutsche Juristentag hatte den Vorschlag, die Subordination von Gesellschafterdarlehen nicht generell anzuordnen, sondern von einer widerleglichen Vermutung des kapitalersetzenden Charakters abhängig zu machen, nur mit einem denkbar knappen Votum von 59 Ja- zu 63 Nein-Stimmen bei 15 Enthaltungen abgelehnt. Vgl. Beschluss IV.21.a), abgedruckt in Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 141 (P 144). Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194), bezeichnen den undifferenzierten Nachrang aller Gesellschafterdarlehen als „Prokrustes-Lösung“, wobei sie sogar noch von einem weniger weit gehenden Modell ausgehen als das MoMiG, nämlich nur eine Subordination von Gesellschafterdarlehen, die innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags ausgereicht wurden, andenken. § 39 InsO n. F. erfasst demgegenüber sämtliche Gesellschafterdarlehen unabhängig vom Zeitpunkt der Ausreichung, die Jahresfrist ist nur für die Anfechtung von Darlehensrückzahlungen gemäß § 135 InsO n. F. von Bedeutung.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

sellschafterdarlehen weniger attraktiv und damit die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter beschnitten werde.289 Die pauschale gesetzliche Typisierung eines einjährigen Krisenzeitraums vor der Insolvenz könne den Gesellschafter nämlich unangemessen belasten.290 Außerdem lade sie zu Umgehungen durch Hinauszögern des Insolvenzantrages ein.291 Der Rechtsprechung bleibe aufgrund des „Nichtanwendungserlasses“ in § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. als Korrektiv nur der Rückgriff auf das Deliktsrecht, insbesondere die vage Generalklausel des § 826 BGB.292 Demgegenüber sei das Tatbestandsmerkmal der Krise zielgenauer. Rechtsunsicherheiten ergäben sich aus seiner Beibehaltung nicht, da es inzwischen durch die Rechtsprechung293 hinreichend ausgeformt sei.294

289 Vgl. Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355). Die Centrale für GmbH, GmbHR 2006, 978, bezeichnet den Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal des Eigenkapitalersatzcharakters als „Danaer-Geschenk an den mittelständischen Unternehmer“, das zu einer „nicht gerechtfertigten Diskriminierung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung“ führe. Vor allem die Sanierungsfeindlichkeit der Neuregelung monierend Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324). 290 Vgl. Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355), die die Anfechtungsfrist aus Gesellschaftersicht für unbillig, aus Gläubigersicht für zu kurz halten. In diese Richtung auch Ziemons, BB-Special 7/2006, 9, die als Beispiel für die mangelnde Ausgewogenheit der neuen Regelungen auf den theoretischen Fall eines Private-Equity-Investors verweist, der seine Beteiligung an einer gesunden GmbH veräußert und dem seine Darlehen von der Gesellschaft zurückgezahlt werden. Dieser könne elf Monate nach der Veräußerung mit einer Insolvenzanfechtung der Darlehensrückzahlung nach § 135 InsO n. F. konfrontiert werden, weil der Käufer die GmbH zugrunde gerichtet hat. Die Gesellschafter erhielten deshalb durch die Reform des Eigenkapitalersatzrechtes „Steine statt Brot“. In diesem speziellen Fall mag das neue Recht zugegebenermaßen hart erscheinen. Dafür ist es insgesamt viel klarer und einfacher als das geltende, bringt also auch für die Gesellschafter in den meisten Fällen eine Verbesserung mit sich. Der Zeitraum von einem Jahr, innerhalb dessen Darlehen vor der Insolvenz rückwirkend erfasst werden, erscheint auch nicht übermäßig lang, so dass die Interessen der Gesellschafter angemessen berücksichtigt erscheinen. I. E. wie hier Noack, DB 2007, 1395 (1398), der argumentiert, Härten im Einzelfall könnten nicht die Sinnhaftigkeit der Regelung an sich in Zweifel ziehen. Der Veräußerer müsse sich gegen solche Situationen vertraglich absichern. 291 Vgl. MüKoGmbHG/Ekkenga, § 30 GmbHG Rn. 21; Hölzle, GmbHR 2007, 729 (733); Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355). 292 Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202 (208 f.): Der Gesetzgeber dränge die Gerichte dazu, statt einer nüchternen, an die klar judizierbare Unversehrtheit des Stammkapitals anknüpfenden Norm wie § 30 GmbHG auf eine ungewisse deliktische Generalklausel zurückzugreifen, die in problematischer Weise den vagen Begriff der guten Sitten zum Maßstab des rechtlich Erlaubten mache und deshalb nur als ultima ratio Anwendung finden dürfe. Er räumt zwar ein, dass die Darlehensrückstufung nach richterlichem Ermessen ein im Ausland verbreitetes Regelungsmuster sei; sie sei jedoch für die deutsche Rechtsordnung „ungewohnt“. 293 Vgl. zuletzt BGH GmbHR 2006, 703; sowie ausführlich Goette/Kleindiek, Rn. 38. 294 Vgl. Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 115 (124); Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355). Ebenso Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194), die die „Hinnahme eines unklar einsetzenden, aber immerhin

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Ohnehin sei fraglich, welche Wertungen den generellen Nachrang von Gesellschafterdarlehen bzw. die Anfechtbarkeit der Rückzahlung legitimieren sollten.295 Die bisher gültige, seit Jahrzehnten anerkannte materielle Legitimation296, die Finanzierungsfolgenverantwortung, werde durch die unklare Begründung der Nähe zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ersetzt.297 Die Abschaffung der Pflicht zu verantwortungsvollem Finanzierungsverhalten in der Krise könne von den Gesellschaftern als Freibrief verstanden werden, sorglos mit der darlehensweisen Unternehmensfinanzierung umzugehen, was vermehrte Unternehmenszusammenbrüche zur Folge habe.298 Gleichzeitig bedeute sie den völligen Verzicht auf eine tragfähige Rechtfertigung für den Eingriff in die Rechte der Gesellschafter-Darlehensgeber.299 Diese Kritik halten die Befürworter der Reform jedoch für nicht stichhaltig. Insgesamt sei die Novellierung des Rechts der Gesellschafterdarlehen richtig, da die Darlehensrückzahlung an Gesellschafter grundsätzlich nur in der Insolvenz bzw. in deren unmittelbarem Vorfeld Gläubigerschutzprobleme aufwerfe und deshalb auch nur insoweit eine Sonderbehandlung rechtfertige.300 In der Insolvenz würden aber zu Recht alle Gesellschafterdarlehen ausnahmslos als nachrangige Forderungen behandelt.301 Die Legitimation dafür folge aus der Insiderstellung von Gesellschafter-Darlehensgebern, die ihnen grundsätzlich einen Informationsvorsprung302 und einen Anreiz zu spekulativem Verhalten vermittle.303 Zudem durch viel Kasuistik konturierten Krisentatbestands“ einer generellen, undifferenzierten Subordination vorziehen. 295 Vgl. Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (192 f.); Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1931 ff.). Die Frage nach der diesbezüglichen Legitimationsgrundlage trotz grundsätzlicher Befürwortung der Reformvorschläge aufwerfend auch Bork, ZGR 2007, 250 (257 f.). 296 Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355). 297 Dagegen Haas, ZInsO 2007, 617 (618): Auch bisher sei die Rechtfertigung des Eigenkapitalersatzrechts alles andere als klar und überzeugend, was ein Grund für die wachsende Kritik am bestehenden System sei. In diese Richtung auch Cahn, AG 2005, 217 (218 ff.); sowie früher schon Grunewald, GmbHR 1997, 7 (8 ff.); Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (420 ff.); und monographisch Schummer, Das Eigenkapitalersatzrecht (1998). Vgl. auch Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914), der schon zum alten Recht die Kreditgewährung causa societatis zur Rechtfertigung des Eigenkapitalersatzrechtes heranzog. 298 Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202 (208). 299 Vgl. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1932); Thiessen, DStR 2007, 202 (206). 300 Vgl. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1656); Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1459); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (15). Schon zum alten Recht in diese Richtung argumentierend Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914). 301 Eine solche Regelung bereits vor der Reform de lege ferenda fordernd Huber/ Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (390 und 405 ff.); Röhricht, ZIP 2005, 505 (512). 302 Diese Begründung klang bereits in früheren BGH-Urteilen an, vgl. etwa BGHZ 76, 326; 90, 381. Allerdings wurde der typisierte Informationsvorsprung der Gesellschafter vor den Fremdgläubigern nur als ein zusätzliches, allein nicht hinreichendes Argument für die Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen angesehen, vgl. BGHZ

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liege darin nur die logische Fortführung des dem geltenden Eigenkapitalersatzrecht bereits zugrunde liegenden Gedankens304: Die Gesellschafter könnten in den Genuss der Haftungsbefreiung nur um den Preis eines (begrenzten) eigenen Vermögenseinsatzes kommen. Dieser Vermögenseinsatz solle in der Insolvenz die möglichst weit gehende Befriedigung der außen stehenden Gläubiger sicherstellen. Dann sei aber eine Unterscheidung zwischen Eigenkapital, Krisendarlehen und sonstigen Darlehen nicht sinnvoll. Befinde sich die Gesellschaft nämlich in der Insolvenz oder in deren Vorfeld, seien die Gläubiger grundsätzlich schutzbedürftig, und deshalb müsse der Gesellschafter das vorhandene Gesellschaftsvermögen insgesamt den Gläubigern zu deren vorrangiger Befriedigung überlassen.305 Auch die einjährige Anfechtungsfrist des § 135 InsO n. F. für sämtliche Gesellschafterdarlehen erscheint den Befürwortern als angemessene gesetzliche Typisierung eines der Insolvenz vorgelagerten „Krisenzeitraums“.306 Der Verzicht auf das Kriterium des „eigenkapitalersetzenden Charakters“ der Gesellschafterleistung, das auf dem unbestimmten Rechtsbegriff der „Krise“ basiert, führe zwar zu einer gewissen Einbuße an Einzelfallgerechtigkeit307, beseitige jedoch die be76, 326 (330 f.); Schmidt, GesR, § 18 III 4. Einen solchen Informationsvorsprung generell jedenfalls im Vergleich zu Vertragsgläubigern bezweifelnd Grunewald, GmbHR 1997, 7 (8); Oppenhoff, in: FS Stiefel (1987), S. 551 (558). Jedenfalls insoweit kein Gläubigerschutzbedürfnis anerkennend Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), S. 23 (35), da das Gesetz den Gläubigern keine Informationsgleichheit garantiere. 303 Vgl. Cahn, AG 2005, 217 (222); Noack, DB 2007, 1395 (1398). Letzterer merkt zwar an, dass im Einzelfall die Hausbank als Fremdgläubiger wesentlich kenntnis- und einflussreicher sein könne als mancher Gesellschafter, dass aber solche Extremkonstellationen nicht die allgemeine Regel widerlegen könnten. Ähnlich auch Haas, Gutachten, S. E 51 ff.; ders., ZInsO 2007, 617 (618): Der Gesellschafter gewähre sein Darlehen in der Regel „causa societatis“ unter Ausnutzung seiner Insiderstellung. Allerdings stellt Haas unter anderem darauf ab, dass der Gesellschafter durch Darlehensgewährung in der Krise den Todeskampf der Gesellschaft verlängere. Dies ist als Begründung zum geltenden Recht bereits fraglich [vgl. unten, § 11 IV. 1. a)] und passt zum neuen Recht noch weniger. Zur Legitimation der ähnlichen Regelung im spanischen Konkursgesetz vgl. oben, § 6 I. 2. e). 304 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (405). 305 So i. E. schon vor dem MoMiG Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914). 306 Vgl. Haas, ZInsO 2007, 617 (621), dem zufolge die unwiderlegliche Vermutung eines einjährigen Krisenzeitraums zwar eine „grobe Pauschalierung“ ist, der aber die empirisch belegbare Erkenntnis zugrunde liege, dass vor der Stellung des Insolvenzantrags in aller Regel eine nicht unerhebliche Zeitspanne verstreicht, in der sich die Gesellschaft bereits in der Krise befindet. Und der Gesetzgeber gehe in anderen insolvenzrechtlichen Vorschriften, etwa § 136 InsO, auch davon aus, dass ein Insider die Insolvenz grdsl. bis zu ein Jahr vor der Antragstellung vorhersehen kann. Ähnlich Heckschen, DStR 2007, 1442 (1448), der die Jahresfrist jedenfalls „in der Mehrzahl der Fälle“ für angemessen hält. 307 Auf das Spannungsverhältnis zwischen Anwendungsvorteilen einer Typisierung und Einzelfallgerechtigkeit hinweisend auch Mülbert, WM 2006, 1977 (1978); Noack, DB 2006, 1475 (1480); sowie andeutungsweise Schäfer, DStR 2006, 2085 (2088). Haas,

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stehenden, teils erheblichen Rechtsunsicherheiten und erhöhe damit sogar die Attraktivität von Gesellschafterdarlehen als Finanzierungsoption. Dadurch werde der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter wieder ein breiterer Spielraum gewährt, was die Finanzkraft und Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen stärke und deshalb auch gesamtwirtschaftlich gesehen von Vorteil sei.308 Teilweise wird zwar die Frage aufgeworfen, ob der Gesetzgeber nicht im Bestreben zur Deregulierung zu weit gegangen sei und durch Abschaffung der Rechtsprechungsregeln eine nicht hinnehmbare Gläubigerschutzlücke geschaffen habe.309 Dies wird jedoch von den Reformbefürwortern im Ergebnis verneint.310 Denn das neue Recht schließe seinerseits verschiedene Gläubigerschutzlücken der geltenden Novellenregeln.311 Ein Unterschied ergebe sich zwar bei Darlehensrückforderungen vor Eintritt der Insolvenzreife312: Hier ist nach den Rechtsprechungsregeln eine Rückzahlung von Krisendarlehen gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG analog verboten, nach neuem Recht soll sie erlaubt sein. Ein relevantes Gläubigerschutzdefizit resultiere daraus aber nicht, denn auch bisher werde in der Praxis eine Darlehensrückzahlung jedenfalls an den Mehrheitsgesellschafter selten verweigert, zumal dieser häufig selbst Geschäftsführer sei.313 In einem Großteil der Fälle böten die Rechtsprechungsregeln deshalb ohnehin keinen effektiven Gläubigerschutz. Außerdem enthalte die neu gefasste Vorschrift des § 64 S. 3 GmbHG n. F. eine begrüßenswerte, den Gläubigerschutz verbessernde Klarstellung, dass nämlich der Geschäftsführer auch zur Erstattung von Zahlun-

ZInsO 2007, 617 (622), merkt allerdings an, dass zur Vermeidung unzumutbarer Härten ggf. § 136 Abs. 2 InsO analog herangezogen werden könne. Außerdem könne sich die Typisierung im Einzelfall auch durchaus zugunsten des Gesellschafters auswirken, wenn sich nämlich die Krise länger als ein Jahr hinziehe. In diese Richtung auch Huber/Habersack, BB 2006, 1 (5). 308 Vgl. Huber/Habersack, BB 2006, 1 (3); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (16). 309 Vgl. Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (15). 310 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 60 ff.; ders., ZInsO 2007, 617 (619); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (3); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (15 f.). 311 Vgl. Haas, ZInsO 2007, 617 (625 f.), der sich allerdings kritisch zu § 19 Abs. 2 InsO-RegE äußert. Nach der Entwurfsfassung der Vorschrift hätten – im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung, vgl. BGHZ 146, 264 (272 ff.) – Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus generell nicht mehr passiviert werden müssen. Dies führe zu einer Verzögerung des Eingreifens der Insolvenzantragspflicht, was mehr masselose Verfahren zur Folge habe. Ähnlich Schmidt, BB 2008, 461. Dementsprechend wurde diese Neuerung in die endgültige Gesetzesfassung nicht aufgenommen, um die bewährte Warnfunktion der qualifizierten Rangrücktrittserklärung gemäß § 39 Abs. 2 InsO zu erhalten. 312 Bei Insolvenzreife der Gesellschaft kann der Geschäftsführer auch nach neuem Recht unter Hinweis auf seine Insolvenzantragspflicht und eventuell drohende Erstattungsansprüche aus § 64 GmbHG n. F. eine Darlehensrückzahlung verweigern. Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, greifen de lege lata die §§ 32a, b GmbHG, 39, 135 InsO, die praktisch inhaltsgleich in den neuen §§ 44a, 39, 135 InsO n. F. enthalten sind. 313 Vgl. Huber/Habersack, BB 2006, 1 (3); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (15 f.).

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gen verpflichtet ist, wenn diese die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft erst herbeiführen. Ein Nachteil für die Gläubiger könne sich zwar daraus ergeben, dass die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter für die Rückerstattung verbotswidrig zurückgezahlter Darlehensbeträge gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG analog nunmehr wegfällt. Diese habe nach der Rechtsprechung jedoch bisher schon nicht für geringfügig beteiligte Gesellschafter gegolten314 und sei auch im Übrigen kein Gebot des Gläubigerschutzes, sondern ein zufälliges Nebenprodukt der Rechtsprechungsregeln und ein unberechtigtes Geschenk an die Gläubiger.315 Etwas ähnliches gelte für die Frist, innerhalb derer die Rückerstattung verbotswidriger Auszahlungen auf Gesellschafterdarlehen außerhalb des Insolvenzverfahrens verlangt werden kann. Nach § 31 Abs. 5 GmbHG analog beträgt die Verjährungsfrist des Erstattungsanspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG analog zehn Jahre316, die Anfechtungsfrist des § 6 Nr. 2 AnfG jedoch nur ein Jahr. Die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln führt deshalb insoweit zu einer Schlechterstellung der Gläubiger. Diese entspreche jedoch der in § 6 Nr. 2 AnfG klar zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, während die bisherige analoge Anwendung des § 31 Abs. 5 GmbHG die Gläubiger gegen den Willen des Gesetzgebers bevorzugte.317 e) Ausweitung von Insolvenzantragspflicht und Geschäftsführerhaftung Die Einführung einer subsidiären Insolvenzantragspflicht der Gesellschafter einer führungslosen Gesellschaft gemäß § 15a Abs. 3 GmbHG n. F. wird von Seiten des Schrifttums allgemein für eine sinnvolle Verbesserung des Gläubigerschutzes gehalten.318 Die Entlastungsmöglichkeit des Gesellschafters, die in der Formulierung des Referentenentwurfs noch teilweise als zu eng kritisiert wurde319, wurde im Regierungsentwurf dahingehend angepasst, dass bereits die 314

Vgl. BGH BB 2005, 2094: Schwelle von 10%. Vgl. Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (16); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161). 316 § 31 Abs. 5 GmbHG ist lt. Rechtsprechung analog auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen anwendbar, vgl. nur BGHZ 90, 370. 317 So Huber/Habersack, BB 2006, 1 (3); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161); Schiffer, BB-Special 7/2006, 14 (16). 318 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1460 f.); Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756 (1762); Haas, GmbHR 2006, 729 (733 f.); Kleindiek, ZGR 2007, 276 (290 ff.); Poertzgen, ZInsO 2007, 574 (577) („konzeptionell angemessen“); Schmidt, GmbHR 2007, 1 (2); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326). Die genannten Beiträge äußern sich zumeist auch zustimmend zur Regelung des § 15a InsO n. F. insgesamt. Schon vor dem MoMiG-Entwurf in diese Richtung Hirte, ZInsO 2003, 833 (839); Ries, RPfleger 2004, 226. 319 Vgl. Ehinger, BB-Special 7/2006, 24 (25); Noack, DB 2006, 1475 (1476); unter Hinweis darauf, dass nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG-RefE die Antragspflicht des Gesellschafters nur dann entfallen sollte, wenn er „von der Zahlungs315

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Unkenntnis des Gesellschafters von der Insolvenzreife oder der Führungslosigkeit zu einem Wegfall der Antragspflicht führt, wobei allerdings zumindest bei Gesellschaftern, die mit wenigstens 10% an der Gesellschaft beteiligt sind, bei Kenntnis des einen Umstandes die Kenntnis des anderen vermutet werden soll.320 An dieser neuen Fassung der Entlastungsmöglichkeit wird allerdings nunmehr bemängelt, dass sie zu weit geraten sei. Der Gesellschafter sei nur zur Antragstellung verpflichtet, wenn er vom Vorliegen eines Insolvenzgrundes und der Führungslosigkeit positive Kenntnis habe. Es sei jedoch nicht einzusehen, warum nicht auch grob fahrlässige Unkenntnis zur Begründung einer Antragspflicht ausreiche.321 Die vorsichtige Ausweitung der Geschäftsführerhaftung im neuen § 64 GmbHG n. F. wird in den meisten Stellungnahmen im Schrifttum als richtig und ausreichend beurteilt.322 Eine weitere Verschärfung oder Annäherung an die wrongful-trading-Haftung nach englischem Vorbild sei nicht wünschenswert323, da diese Haftung auch in England praktisch keine große gläubigerschützende Wirkung entfalte, sondern hauptsächlich der Abschreckung diene.324 Dies verunfähigkeit [bzw. der Überschuldung] und der Führungslosigkeit keine Kenntnis [Hervorhebung durch den Verf.]“ hat. 320 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 128. 321 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 26, unter Hinweis darauf, dass auch nach der Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 6140, Anlage 1, S. 128, der Gesellschafter bereits dann zum Antrag verpflichtet ist, wenn er sich bewusst der Kenntnis verschließt. Letzteres ist, entgegen der Interpretation des Bundesrates, jedoch nicht als Fahrlässigkeitselement zu werten, das vermeintlich „in gewissem Widerspruch“ zum Wortlaut der Entwurfsregelung steht. Vielmehr ist in ständiger Rechtsprechung zu vergleichbaren Normen, die auf subjektiver Tatbestandsseite positive Kenntnis voraussetzen, anerkannt, dass bewusstes Sichverschließen der positiven Kenntnis gleichsteht und nicht etwa als grob fahrlässige Unkenntnis zu werten ist. 322 Vgl. etwa Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 ff.; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (22). Differenzierend Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731). Kritisch Poertzgen, ZInsO 2007, 574 (578): Die „Insolvenzverursachungshaftung“ des § 64 S. 3 GmbHG n. F. sei praktisch schwer zu handhaben und haftungspolitisch nicht erforderlich. Vorzugswürdig sei eine Aufgabe der Innenhaftung zugunsten einer Außenhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB. Ähnlich Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6 f.). Ausführlich dazu Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203 ff. Eine Regelung im MoMiG zur Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters vermisst Jacob, GmbHR 2007, 796. 323 So auch die Begründung RefE MoMiG, S. 65, unter Hinweis auf die Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers. Eine Verschärfung der Insolvenzverschleppungshaftung durch Einführung einer Beweislastumkehr fordert allerdings die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 27 f.: Der „Insolvenzverschlepper“ müsse beweisen, dass durch seine Pflichtverletzung den Gläubigern kein Quotenschaden entstanden ist. Dadurch werde die Effektivität der Haftungssanktion gesteigert. 324 Gerade wegen der Abschreckungswirkung für eine Ergänzung der deutschen Geschäftsführerhaftung durch einen an die Grundsätze des englischen wrongful trading angelehnten Haftungstatbestand eintretend aber Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324).

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

ursache wiederum höhere Kosten, da die Geschäftsführer wegen des gesteigerten Risikos eine erhöhte Vergütung verlangen würden und außerdem entsprechende D&O-Versicherungen abgeschlossen werden müssten.325 Allerdings wird eine gesetzliche Klarstellung vermisst, dass das dem § 64 S. 3 GmbHG n. F. immanente Auszahlungsverbot dem Geschäftsführer gegenüber einem Auszahlungsverlangen eines Gesellschafters, das nicht schon von § 30 GmbHG erfasst wird326, ein Leistungsverweigerungsrecht verleihe, die Vorschrift also eine Ausschüttungssperre darstelle. Andernfalls könne der Gesellschafter den Geschäftsführer durch sein Weisungsrecht zu einer haftungsbegründenden Zahlung zwingen.327 Neben der Krisenhaftung des § 64 GmbHG n. F. wird teilweise die Einführung einer allgemeinen „Intransparenzhaftung“ des Geschäftsführers und ggf. des Gesellschafters in § 41 GmbHG gefordert. Diese solle dann eingreifen, wenn aufgrund völlig unzureichender oder nicht vorhandener Buchführung Ansprüche der Gesellschaft, etwa gegen ihre Gesellschafter oder Geschäftsführer, nicht durchsetzbar sind, so dass das der Gläubigerbefriedigung dienende Gesellschaftsvermögen geschädigt wird.328 f) Sonstige Reformmaßnahmen Gleichfalls grundsätzlich positiv aufgenommen werden die Veränderungen an anderen Einzelelementen des geltenden Regimes wie z. B. die Vereinfachungen im Bereich des Gründungsverfahrens. Insbesondere die Pflicht zur Vorlage einer eventuell erforderlichen staatlichen Genehmigung als Eintragungsvoraussetzung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG führe bisher zu unnötigen Verzögerungen bei der Gesellschaftsgründung, die das MoMiG beseitige.329 Viele Autoren sahen auch in der Möglichkeit einer vereinfachten Bargründung mit Mustersatzung, bei der das Beurkundungserfordernis entfällt, eine begrüßenswerte Neuerung.330 325 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1519). Der englische Gesetzgeber will dennoch die Geschäftsführerhaftung weiter verschärfen und einen konkreten Katalog mit Geschäftsführerpflichten festlegen. Vgl. Department of Trade and Industry, Company Law Reform Bill (CLRB – White Paper), Part B (Directors), Chapter 1 (General Duties), abrufbar unter www.dti.gov.uk/consultations/page13957. 326 Dies betrifft insbesondere Gesellschafterdarlehen, auf die bisher § 30 GmbHG analog anwendbar war. 327 Vgl. Bormann, DB 2006, 2616; Hölzle, GmbHR 2007, 729 (732); die aber beide davon ausgehen, dass auch ohne eine solche Klarstellung dem § 64 S. 3 GmbHG n. F. im Wege systematischer und teleologischer Auslegung eine solche Ausschüttungssperre zu entnehmen ist. 328 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 18. 329 Vgl. Heckschen, DStR 2007, 1442 (1447); sowie Noack, DB 2007, 1395 (1398), die ausdrücklich positiv hervorheben, dass der Regierungsentwurf in diesem Punkt noch weiter geht als der Referentenentwurf. 330 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1398), der allerdings inhaltliche Mängel der Mustersatzung konstatiert und außerdem die fehlende Möglichkeit einer reinen Online-Regis-

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Diese Maßnahme fand jedoch keine einhellige Zustimmung; sie wurde vereinzelt für zu weit gehend gehalten331, anderen ging sie nicht weit genug.332 Die Beschränkung auf ein beurkundungspflichtiges Gründungsprotokoll wird nunmehr nicht nur von den erstgenannten Kritikern gelobt, insbesondere aufgrund der Beibehaltung der obligatorischen notariellen Begleitung des Gründungsvorgangs und der damit einhergehenden Beratung der Gründer.333 Die Vereinfachungen bei der Stückelung der Stammeinlagen und Geschäftsanteile werden einhellig für sinnvoll gehalten, da die geltenden Vorschriften in der Praxis keinerlei gläubigerschützende Wirkung entfalteten und deshalb eine unnötige Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter darstellten.334 Das gleiche gilt für die Veränderungen bei der Übertragung von Geschäftsanteilen, insbesondere die von der Praxis schon lange geforderte Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs auf der Basis der Gesellschafterliste.335 Das bisherige System der Übertragung sei schwerfällig, teuer und trotzdem unsicher. Es erschwere destrierung bedauert („Modernisierungsbremse“). Für eine solche Registrierung mittels online verfügbarer, mit einer elektronischen Signatur i. S. d. § 126a BGB zu versehender Formulare auch Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (199). Zum spanischen Recht, das für die S.L.N.E. eine solche Möglichkeit vorsieht, vgl. unten § 9 I. 1. b). 331 Vgl. Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754; Heckschen, DStR 2007, 1442 (1442 f.); Heidinger, Status:Recht 2007, 243; Römermann, GmbHR 2007, R 193 (R 194); Wachter, GmbHR 2007, R 209 (R 210); ders., in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 55 (88 ff.); Wicke, ZIP 2006, 977 (978). Die Kritik gründet zumeist darauf, dass die Verwendung der Mustersatzung nicht zu einer nennenswerten Beschleunigung der Gründung führe, den Gründern dafür aber eine erhebliche Einbuße an Gestaltungsfreiheit und rechtlicher Beratung beschere. Vgl. dazu auch die Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrats, BR-Drucks. 354/1/07, S. 1 ff., wonach die Notarkosten momentan bei einer Gesellschaftsgründung mit 25.000 Euro Stammkapital lediglich 84 Euro bei Ein- und 168 Euro bei Mehrpersonengesellschaften betrügen und demnach die Einschränkung der Beurkundungspflicht nicht rechtfertigen könnten. Als Alternative wird dort auf S. 8 ff. ein vereinfachtes Gründungsverfahren für die UG (haftungsbeschränkt) vorgeschlagen, bei dem die individuell zu bestimmenden Satzungsbestandteile in einem knappen, beurkundungspflichtigen Gründungsprotokoll erhalten sind, während alle anderen Regelungen der Mustersatzung in das Gesetz selbst aufgenommen werden. Dieser Empfehlung ist der Bundesrat in seiner Stellungnahme, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 1 und 5 ff., gefolgt. 332 Vgl. die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates, BR-Drucks. 354/1/07, S. 3 f., die eine gänzliche Abschaffung der Beurkundungspflicht fordert, unabhängig von der Verwendung der Mustersatzung. Rechtsunkundigen Gründern bleibe es unbenommen, sich auf freiwilliger Basis notariell beraten zu lassen. 333 Vgl. etwa Fliegner, DB 2008, 1668; Vetter, BB 2008, M 1. 334 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458 f.); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322). 335 Vgl. dazu Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (200 ff.); Gehling, ZIP 2006, 689; Grunewald, ZIP 2006, 685; Müller, GmbHR 2006, 953; Noack, DB 2007, 1395 (1399); Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324); Ziemons, BBSpecial 7/2006, 9; sowie schon vor Veröffentlichung des RefE MoMiG Zöllner, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 175 (182). Differenzierend Rau, DStR 2006, 1892 (1896 ff.).

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halb Unternehmensübernahmen in unnötiger Weise, während das neue System mehr Rechtssicherheit, Transparenz und Gläubigerschutz biete.336 g) Zusammenfassung Insgesamt wird das MoMiG von der Mehrzahl der Autoren als ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung gesehen.337 Es verfolge eine Tendenz der vorsichtigen Akzentverschiebung von der Prävention zur Repression unter Beseitigung einiger Auswüchse des bestehenden Kapitalschutzsystems, ohne dieses in seinen Grundzügen zu verändern.338 Der Weg einer gezielten, systemimmanenten Reform als Mittelweg zwischen Tatenlosigkeit und radikalem Systembruch sei der richtige339, nicht zuletzt angesichts der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der GmbH.340 Das MoMiG sei damit zwar nicht die angekündigte „große Reform“, aber behebe doch einige als besonders drängend empfundene Probleme des bestehenden Regimes der GmbH, mache diese Rechtsform dadurch rechtssicherer und „praxisfreundlich“ 341 und rüste sie somit besser für den Wettbewerb der Rechtsformen.342 Dieser werde durch die Attraktivität der jeweiligen nationalen 336 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1459); sowie Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (21 f.), der allerdings eine Regelung zur Lastenfreiheit des Erwerbs vermisst. Differenzierend Hamann, NZG 2007, 492 (494). Kritisch zur Gesellschafterliste als Basis für den gutgläubigen Erwerb Ziemons, BB-Special 7/2006, 9 (12 f.), die stattdessen für eine Verbriefung des GmbH-Anteils eintritt, so dass sein (gutgläubiger) Erwerb wertpapierrechtlichen Grundsätzen unterliegt. Noack, DB 2007, 1395 (1399), macht eine „(gesellschaftsrechtliche) Haftungslücke in den weitaus meisten Fällen“ im Rahmen der Haftung gemäß § 40 Abs. 3 GmbHG n. F. aus, da diese nur den Geschäftsführer trifft, obwohl bei rechtsgeschäftlicher Anteilsübertragung der Notar an Stelle des Geschäftsführers für die Einreichung der aktualisierten Gesellschafterliste verantwortlich ist. 337 Vgl. Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462); dies., BB 2007, 1457 (1461); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326 f.); MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 120 f. Gleichsinnig Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (24): „wichtiger Modernisierungsschritt“. 338 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1400). 339 Vgl. Haas, ZInsO 2007, 617 (629). Ähnlich Seibert, BB 23/2007, Die erste Seite, der von einem Kompromiss zwischen Progressivität und Konsensfähigkeit spricht. MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 121 erblickt in dieser Strategie „kleiner Reformschritte“ eine wesentliche Ursache für die überwiegend positive Resonanz im Schrifttum, da Juristen „nicht radikale, sondern inkrementale Reformmaßnahmen“ bevorzugten. 340 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1400). In diese Richtung auch Thiessen, DStR 2007, 202 (203). 341 Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754. 342 Noack, DB 2007, 1395 (1400), merkt allerdings an, dass angesichts der unsicheren empirischen Grundlagen eine sichere Aussage über das tatsächliche Ausmaß des Wettbewerbs der Rechtsformen in Deutschland nicht zu treffen sei. Deshalb solle der Reformprozess nicht von dem besorgten Blick auf die Konkurrenz sondern von dem Bestreben geleitet werden, die „im Grunde ausgezeichnete Rechtsform der GmbH zu optimieren“.

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Gesellschaftsformen für die Gründer bzw. Gesellschafter entschieden, so dass die weit gehende Berücksichtigung von deren Interessen und Bedürfnissen bei der Reform zu einer bedeutenden Stärkung der GmbH führe.343 Dies werde auch nicht etwa durch Abstriche beim Gläubigerschutz erreicht, vielmehr werde die Position der Gläubiger durch die Förderung der Transparenz des Gesellschafterbestandes und andere Maßnahmen der Missbrauchseindämmung sogar „enorm“ verbessert.344 Durch die Möglichkeit der Verwaltungssitzverlegung ins Ausland werde die GmbH nun außerdem erstmals dazu befähigt, im Ausland mit anderen Rechtsformen in Konkurrenz zu treten.345 Eine weitere Annäherung an die englische Ltd. sei weder notwendig noch angesichts der Unterschiede in Rechtskultur und ökonomischen Rahmenbedingungen zwischen Kontinentaleuropa und Großbritannien wünschenswert.346 Vielmehr solle die GmbH durchaus ein Gegenmodell zur Ltd. darstellen, das insbesondere in Rechtsordnungen, die der deutschen ähnlich sind, z. B. in Osteuropa, attraktiv sein und damit die Erfolgsgeschichte der GmbH als deutscher „Exportschlager“ fortsetzen könne.347

II. Weitere Reformvorschläge Die insgesamt positive Resonanz auf die Reformen des MoMiG kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gesetzgeber keinesfalls alle Kritikpunkte am bestehenden System aufgegriffen hat.348 Es verbleibt also trotz des zu erwartenden Inkrafttretens der Reform noch Raum für weitergehende Reformansätze, auf die im Folgenden eingegangen werden soll, wobei allerdings solche Vorschläge,

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Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1522 f.). Vgl. Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (21). Anders insoweit Noack, DB 2007, 1395 (1400), der unter Verweis auf die Vorschläge von Haas, Gutachten; und Hirte, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 11 ff., weitere gläubigerschützende Maßnahmen in diesem Bereich anmahnt. 345 Dieser Reformpunkt hat sogar Widerhall in der Tagespresse gefunden, vgl. Noack, FAZ vom 07.06.2006, S. 23, dem zufolge der Reformgesetzgeber der GmbH durch die Möglichkeit der Verlegung des Verwaltungssitzes erstmals ein weltweites Betätigungsfeld eröffnet habe. Ähnlich Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (21), der allerdings moniert, dass nicht auch die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland ermöglicht wird. 346 Vgl. Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (21): Angesichts des noch im Gange befindlichen Diskussionsprozesses über Vor- und Nachteile des Nennkapitalsystems gegenüber alternativen Regelungsmodellen sei die Zeit noch nicht reif für eine Entscheidung über einen grundlegenden Systemwechsel. Ebenso bereits Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (872). 347 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1523): „Die GmbH ist keine Ltd. und sollte es auch nicht werden.“ 348 So auch Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462); Noack, DB 2007, 1395 (1400). 344

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

die keinen unmittelbaren Bezug zum Thema dieser Untersuchung aufweisen, außer Betracht bleiben sollen. 1. Reform des Mindestkapitals Wie oben bereits angesprochen349, nimmt in der Reformdiskussion die Frage nach Sinn und Nutzen des gesetzlichen Mindestkapitals breiten Raum ein. Dementsprechend groß ist die Zahl der hierzu vorgebrachten Reformvorschläge, die in ganz unterschiedliche Richtungen zielen. Außer Betracht bleiben soll in der folgenden Darstellung der „Reformvorschlag“, alles so zu belassen wie es ist. Die Argumente dafür spielen nur in der später vorzunehmenden Gesamtbewertung eine Rolle. a) Abschaffung des Mindestkapitals Verbreitet findet sich im Schrifttum die Forderung nach einer gänzlichen Abschaffung des Mindestkapitals.350 Sie ist auch nach Veröffentlichung des MoMiG-RegE erneuert worden351, der diesen Schritt durch Einführung der UG (haftungsbeschränkt) im Ergebnis vornimmt352, das Mindestkapital für die „normale“ GmbH aber formal aufrechterhält. Sie wird regelmäßig mit zwei unterschiedlichen, allerdings zusammenhängenden Argumentationsmustern begründet. Zunächst wird darauf verwiesen, dass das Mindestkapital in seiner derzeitigen Form und Höhe im System des stammkapitalbasierten Gläubigerschutzes nur noch eine gänzlich untergeordnete Rolle spiele und deshalb bedenkenlos abge349

Siehe § 4 II. 2. a). Vgl. Barta, GmbHR 2005, 657 (662); BDI/Hengeler, Rn. 48 ff.; Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 30; Escher-Weingart, S. 235 (239); Grunewald/ Noack, GmbHR 2005, 189 (193 f.); Haas, ZIP 2006, 1373 (1382); Krüger, Mindestkapital, S. 305 ff.; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (732); Oelkers, GesRZ 2004, 360 (368); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (484 f.); Triebel/Otte, ZIP 2006, 311; dies., ZIP 2006, 1321 (1322); Wilhelm, DB 2007, 1510 (1513). Eine Abschaffung befürwortend auch Schön, Der Konzern 2004, 162 (166); sowie Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1894 f.), letzterer allerdings nur unter der Voraussetzung, dass diese durch Einführung eines Insolvenzeröffnungskapitals kompensiert wird [vgl. näher unten, § 7 II. 1. e)]. Andeutungsweise für eine Abschaffung ferner Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (157 f.), der jedenfalls den vom Mindestkapital ausgehenden Gläubigerschutz unabhängig vom konkreten Betrag für „sehr begrenzt“ hält. Vgl. weiter dazu Böckmann, S. 50 ff.; Gehb/ Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 607 ff.; Hopt, in: FS Wiedemann (2002), S. 1013 (1018); Noske, ZRP 2006, 232 (234); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (11). Auch auf europäischer Ebene wird namentlich von britischer Seite mit Nachdruck eine Aufgabe des Mindestkapitalerfordernisses der gemeinschaftsrechtlichen Kapitalrichtlinie gefordert, vgl. nur Armour, EBOR 7 (2006), 5 (17 ff.); sowie den Bericht der englischen Rickford-Gruppe, EBLR 15 (2004), 919. 351 Vgl. z. B. Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512 f.). 352 Vgl. oben, § 7 I. 1. a) bb). Dies ausdrücklich begrüßend Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512). 350

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schafft werden könne.353 Zum unmittelbaren Schutz der Gläubiger trage es nichts bei und erfülle nurmehr die Funktion einer Seriositätsschwelle.354 Als solche sei es aber vornehmlich ein psychologisches Instrument zur Stärkung des Marktvertrauens in die Rechtsform der GmbH und könne deshalb sinnvollerweise in das Ermessen der Gesellschafter gestellt werden. Diese müssten selbst entscheiden können, wie stark das Seriositätssignal ausfallen soll, das sie an den Markt aussenden, um ihre Position gegenüber Kreditgebern und Geschäftspartnern zu stärken.355 Der Markt ermittle auf diese Weise autonom einen ökonomisch angemessenen Mindestbetrag des Stammkapitals im freien Spiel der Kräfte, der ggf. auch nahe bei null liegen könne. Der zweite Begründungsansatz zielt darauf ab, dass das Mindestkapital die Gründer unnötig belaste und deshalb abgeschafft werden müsse, um die Attraktivität der GmbH vor allem im Hinblick auf konkurrierende ausländische Rechtsformen zu steigern. Letztere erforderten teilweise keinerlei nennenswerte anfängliche Kapitalaufbringung, so dass bei der Gründung nur die Verfahrenskosten aufzubringen seien. Sie seien deshalb gerade für kleinere Unternehmen attraktiver als die GmbH mit ihrer Pflicht, bereits vor der Anmeldung mindestens 12.500 Euro einzuzahlen. Eine Freigabe der Stammkapitalziffer bringe aber nicht nur den Vorteil einer Verringerung der „Gründungskosten“ der GmbH356, sondern reduziere auch die Bedeutung der komplizierten, schwerfälligen und deshalb der Unternehmensgründung und -tätigkeit hinderlichen Kapitalschutzregeln. Die registergerichtliche Überprüfung bei der Gesellschaftsgründung werde wesentlich vereinfacht und beschleunigt, der Zugang zur Rechtsform der GmbH insgesamt erleichtert. Zudem wären die Gesellschafter bei der Finanzierung der Gesellschaft flexibler, ohne dass es für die Gläubiger zu nennenswerten Schutzeinbußen käme, da das Stammkapital ohnehin nur eine untergeordnete Rolle für den Gläubigerschutz spiele.357 353

Vgl. näher oben, § 4 II. 2. a). Schön, Der Konzern 2004, 162 (165), bezeichnet das Mindestkapital plakativ als „das schwächste Glied in der Normenkette des kapitalorientierten Gläubigerschutzes“. 354 Selbst dies bezweifelnd Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (157 f.), der zu Recht anmerkt, dass die eigentliche Seriositätsschwelle in der anfänglichen Leistungspflicht gemäß § 7 Abs. 2 GmbHG liegt, nicht in der Mindestkapitalziffer insgesamt. Näher dazu unten, § 11 I. 1. b) und II. 2. a). 355 Vgl. Barta, GmbHR 2005, 657 (661 f.); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (484). 356 Dass es sich bei der Einlagepflicht der Gesellschafter nicht um Gründungskosten im eigentlichen Sinne handelt, wird von den Vertretern der Abschaffung des Mindestkapitals häufig nicht klargestellt. Vgl. dazu unten § 11 I. 2. a) bei Fn. 230. 357 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 50 f. Eine gläubigerschützende Funktion nicht nur im Ergebnis, sondern schon nach der Zwecksetzung des Stammkapitals verneinend Barta, GmbHR 2005, 657 (658 ff.): Das Stammkapital diene nur der Versorgung der Gesellschaft mit Betriebskapital, und der gesetzliche Mindestbetrag solle die Rechtsformen der GmbH und AG für kapitalintensive Unternehmungen reservieren, was er in seiner aktuellen Höhe nicht mehr gewährleisten könne, aber auch nicht müsse.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Angesichts der genannten Nachteile des Mindestkapitals hielten die Vertreter dieser Auffassung auch dessen Absenkung auf 10.000 Euro nicht für ausreichend, da dadurch der Zweck der Reform nicht erreicht werde358: Die Attraktivität der GmbH als Rechtsform für den Mittelstand könne und müsse aus der nationalen Perspektive nicht gesteigert werden, da sie bereits jetzt die beliebteste Rechtsform sei. Auch als gesamtwirtschaftlicher Impuls zur Erleichterung von Unternehmensgründungen sei die Absenkung, jedenfalls rein ökonomisch betrachtet, nicht notwendig, da ausländische Rechtsformen ganz ohne Mindestkapital und mit Haftungsbeschränkung zur Verfügung stünden. Der einzige wirkliche Zweck der Absenkung könne also nur die Stärkung der GmbH im internationalen Wettbewerb sein. Um diesen Zweck zu erreichen, sei aber mehr erforderlich als eine bloße Reduzierung des Mindestkapitals. Der Hauptkonkurrent der GmbH in Deutschland sei die englische Ltd., vor allem im Bereich von Kleinunternehmen wie Handwerkern oder Dienstleistern. Eine Ltd.-Gründung sei aber wesentlich billiger als eine GmbH-Gründung, vor allem wegen des gänzlichen Fehlens eines Mindestkapitalerfordernisses. Dies sei für Gründer solcher Kleinunternehmen das maßgebliche Entscheidungskriterium, die Nachteile der Ltd., z. B. ein erhöhter Beratungsaufwand, wögen bei kleinen Unternehmen nicht so schwer. Im internationalen Wettbewerb sei folglich selbst ein Mindestkapital von 10.000 Euro noch zu hoch.359 Argumente des Gläubigerschutzes können nach dieser Ansicht nicht gegen die Abschaffung des Mindestkapitals ins Feld geführt werden. Denn der Verlust der zwingenden Seriositätsschwelle360 sei das geringere Übel gegenüber einer drohenden Verdrängung der GmbH auf ihrem Heimatmarkt durch ausländische Rechtsformen. Selbst wenn infolge der Freigabe der Stammkapitalziffer die Zahl der GmbH-Insolvenzen wegen unseriöser Gründungen zunähme, sei dies zu verschmerzen, da die Gesellschaftsgläubiger einer insolventen GmbH wegen des höheren Maßes an Rechtssicherheit immer noch besser stünden als die einer insolventen Ltd.361 Der Wettbewerb gegen die Ltd. müsse deshalb im Interesse der Gläubiger in Deutschland gewonnen werden, und dies könne nur durch eine Abschaffung des Mindestkapitals und Einführung der „Ein-Euro-GmbH“ wie in Frankreich gelingen. Denn über die Konkurrenzfähigkeit einer Gesellschaftsform 358 Vgl. Mellert, BB 2005, 1809 (1810), zum Entwurf des MindestkapG. I. E. ebenso Barta, GmbHR 2005, 657 (662); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322). 359 Vgl. Mellert, BB 2005, 1809 (1810). Gleicher Befund auch bei Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (3), der allerdings daraus die Notwendigkeit einer neuen Gesellschaftsform in Deutschland ableitet. Dazu näher unten, § 7 II. 6. 360 Bezweifelnd, dass ein Mindestkapital von 10.000 Euro mit bloß hälftiger anfänglicher Aufbringungspflicht irgendeine Seriositätsgewähr bietet, Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321. 361 Vgl. Mellert, BB 2005, 1809 (1810).

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entscheide letztlich nicht die Sicht der Gesellschaftsgläubiger, sondern die der Gründer, die die günstigste und schnellste Möglichkeit zur Geschäftsaufnahme bevorzugten.362 Nach alldem solle der Gesetzgeber den Betrag des Stammkapitals gänzlich in das Ermessen der Gesellschafter stellen, so dass es, verknüpft mit entsprechenden Offenlegungspflichten, auf seine Funktion als (nunmehr freiwilliges) Seriositätssignal an die Gläubiger reduziert werde.363 Auf diese Weise könne – unter Beibehaltung des geltenden Kapitalschutzregimes – ein Kompromiss zwischen kontinentalem und angelsächsischem System hergestellt werden: In Abwesenheit einer zwingenden gesetzlichen Untergrenze stelle das Stammkapital nur mehr eine gänzlich freiwillige Haftungszusage der Gesellschafter in den Statuten dar, an die sie aber nach den allgemeinen Bilanz- und Kapitalschutzregeln gebunden sind.364 Etwaige Einbußen an Gläubigerschutz könnten durch andere Instrumente, namentlich eine Verschärfung der Haftung für materielle Unterkapitalisierung, kompensiert werden.365 Ganz auf dieser Linie liegt auch der Vorschlag eines „optionalen Mindestkapitals“, der vorsieht, dass es den Gesellschaftern künftig freigestellt sein soll, ob sie die Gesellschaft mit dem gesetzlichen Mindestkapital ausstatten wollen oder nicht, wobei sie letzteres schon in der Firma („GmbH ohne Mindeststammkapital“) offenlegen müssen.366 Der dadurch eintretende Verlust an Gläubigerschutz bzw. das gesteigerte Missbrauchsrisiko könne durch anderweitige gesetzliche Instrumente ausgeglichen werden, wie dies in ausländischen Rechtsordnungen ohne 362

Vgl. Mellert, BB 2005, 1809 (1810). Vgl. Barta, GmbHR 2005, 657 (662); Wilhelm, DB 2007, 1510 (1513). So neuerdings auch der Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) vom 25.06.2008, KOM(2008) 396, der in Art. 19 Abs. 4 das Mindestkapital der SPE auf einen Euro festsetzt und dafür in der Begründung, S. 8, einige der hier genannten Argumente anführt. Kritisch dazu allerdings Steinberger, BB 2008, M 1, der befürchtet, die SPE werde so zum „Auffangbecken für unseriöse Gründer“. 364 Vgl. Schön, Resümee, S. 1170 f.; ders., ZGR 2000, 706 (728); ders., Der Konzern 2004, 162 (166 f.); ders., EBOR 5 (2004), 429 (438 ff.). Ihm zufolge soll das Stammkapital dann als kollektives Vertragsangebot der Gesellschafter an die Gläubiger anzusehen sein. 365 Vgl. Banerjea, ZIP 1999, 1153 (1158); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 619, 781; Hommelhoff, in: Roth (Hrsg.), Die Zukunft der GmbH (1983), S. 15 (19 ff.); Schmidt, GmbHR 2005, 797 (806). Ebenso Krüger, Mindestkapital, S. 287, der allerdings auf S. 270 f. einen Verlust an Gläubigerschutz bei Aufgabe des Mindestkapitalerfordernisses generell bezweifelt, da das Mindestkapital keinerlei gläubigerschützende Wirkung habe. Siehe dazu auch Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 159 (187); Raiser, in: FS Lutter (2000), S. 637 (647 ff.); Vetter, ZGR 2005, S. 788 (817 ff.). Bereits früher in diese Richtung Stimpel, in: FS Goerdeler (1987), S. 601 (607 ff.). 366 Vgl. Bachmann, ZGR 2001, 351 (365 ff.). Dieser Vorschlag wird im Rahmen des MoMiG praktisch durch die Einführung der UG (haftungsbeschränkt) umgesetzt. Vgl. dazu oben, § 7 I. 1. a) bb). 363

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Mindestkapital bereits der Fall sei.367 Zu denken sei etwa an die Einführung von Pflichtversicherungen und Solvenzerklärungen (an die im Insolvenzfall eine persönliche Haftung geknüpft wird) oder an die obligatorische anfängliche oder periodische Aufstellung eines Finanzplans.368 Erwägenswert sei auch eine Verschärfung der Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern, insbesondere eine Ausweitung der Existenzvernichtungshaftung zu einer allgemeinen Haftung für zu geringe Kapitalausstattung369, entweder in Form eines neuen Haftungstatbestandes oder durch Ausnutzung der Spielräume der bürgerlichrechtlichen Generalklauseln.370 Im übrigen könnten sich zumindest Vertragsgläubiger weit gehend durch individuell vereinbarte financial covenants selbst schützen. b) Erhöhung des Mindestkapitals Entgegen der zu beobachtenden Regelungstendenz der aktuellen deutschen und europäischen Reformprojekte fordern manche statt einer Absenkung eine deutliche Erhöhung des Mindestkapitals. Ausgangspunkt dieses Vorschlags ist die Kritik, dem Stammkapital fehle es in der Praxis an gläubigerschützender Wirkung371, was aus dessen generell zu geringer Höhe resultiere. Um die Eigenkapitalausstattung der GmbH insgesamt spürbar zum Nutzen der Gesellschaftsgläubiger zu verbessern, müsse der Gesetzgeber ein Mindestkapital vorschreiben, das deutlich über dem geltenden Betrag von 25.000 Euro liege.372 Das nahe liegende Gegenargument, die GmbH verliere bei einer Anhebung des Mindestkapitals ihre Eignung als Gesellschaftsform für KMU, wird neuerdings durch die Einführung der UG (haftungsbeschränkt) als mindestkapitallose Einstiegsvariante der GmbH entkräftet. Denn sehr kleine Unternehmen ohne nennenswerten Kapitalbedarf können nunmehr ohne Mindestkapital gegründet werden und werden folglich durch dessen Anhebung auf einen grundsätzlich angemessenen Betrag nicht übermäßig belastet. 367

Vgl. dazu knapp Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (437). Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (368). 369 Vgl. Barta, GmbHR 2005, 657 (662), unter Hinweis auf die Haftungstatbestände des wrongful und fraudulent trading in England. Inwiefern sich eine solche „Haftung für zu geringe Kapitalausstattung“ von einer generellen Haftung für materielle Unterkapitalisierung unterscheidet, die Barta wegen der Schwierigkeiten, einen angemessenen Betrag für die Kapitalausstattung zu bestimmen, gerade nicht einführen will, wird allerdings nicht deutlich. 370 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (437). 371 Vgl. dazu oben, § 4 II. 1. 372 Vgl. Ihrig, BB-Aktuell 20/2005, IV; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (341); ders., DStR 2005, 1366 (1368); Merkt, EBLR 2004, 1045 (1053); Oelkers, GesRZ 2004, 360 (365); Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 159 (161, 187); ders., DB 2005, 1315 (1317). Eine Erhöhung als Umkehrschluss aus der Erkenntnis, dass das geltende Mindestkapital zu niedrig sei, jedenfalls „formallogisch“ für geboten haltend Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1912). Zur Diskussion um eine Anhebung im Zuge der GmbHReform von 1980 vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 74 ff. 368

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c) Das „akkumulierende Stammkapitalkonzept“ Bei der Frage, ob zur Verbesserung des Gläubigerschutzes im bestehenden System die gesetzliche Mindestkapitalziffer erhöht werden sollte oder ob zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der GmbH eher eine Absenkung angezeigt ist, setzt auch der Vorschlag des sog. „akkumulierenden Stammkapitalkonzepts“ (ASK) an.373 Er versucht, beide Alternativen miteinander zu kombinieren. Seine Grundlage ist die Feststellung der Doppelfunktion des (Mindest-)Stammkapitals als Finanzierungsgrundlage des Unternehmens einerseits und als Gläubigerschutzinstrument andererseits. Das Stammkapital bestimme den Umfang des der Gesellschaft von Seiten der Gesellschafter real zufließenden Aktivvermögens („Realfunktion“) und spiele gleichzeitig aufgrund seiner bilanziellen Passivierungspflicht eine wichtige Rolle für den Gläubigerschutz („Bilanzfunktion“), da eine Vielzahl gesetzlicher Schutzinstrumente an die Entstehung einer Unterbilanz anknüpften.374 Die Mindestkapitalziffer fungiere dabei als gesetzlich zwingender „Puffer“, der eine Versorgung der Gesellschaft mit einem Mindestbetriebsvermögen und einer Befriedigungsreserve für die Gläubiger sowie das frühzeitige Eingreifen der bilanzorientierten gesetzlichen Schutzinstrumente sicherstelle.375 Aufgrund der Realfunktion des Stammkapitals stelle dessen gesetzlicher Mindestbetrag jedoch eine bedeutende Gründungserschwernis dar. Die Gründer seien zur Aufbringung eines beträchtlichen Geldbetrages bzw. entsprechender Sachwerte verpflichtet. Den dadurch im Verhältnis zu ausländischen Rechtsformen entstehenden Wettbewerbsnachteil376 versuche der Gesetzgeber im Rahmen des MoMiG durch eine Absenkung des Mindestkapitals auszugleichen. Dies schwäche jedoch nicht nur – wie beabsichtigt – die Realfunktion des Stammkapitals, sondern auch dessen Bilanzfunktion und damit seine gläubigerschützende Wirkung, ohne dies durch andere Schutzinstrumente zu kompensieren.377 Um die Attraktivität der GmbH ohne Verlust an Gläubigerschutz zu stärken, sei deshalb die – grundsätzlich zu befürwortende – Absenkung des Mindestkapi-

373

Vgl. dazu Schärtl, GmbHR 2007, 344; sowie ausführlich ders., S. 185 ff. Vgl. Schärtl, GmbHR 2007, 344 (346). 375 Vgl. Schärtl, GmbHR 2007, 344 (346 f.), unter zutreffendem Hinweis darauf, dass das Mindestkapital daneben auch noch eine ordnungspolitische Funktion erfüllt, indem es dafür sorgt, dass die Gesellschafter einen gewissen Anteil des unternehmerischen Risikos übernehmen müssen, um die Interessendivergenz zwischen ihnen und den Fremdgläubigern und die daraus resultierenden Prinzipal-Agenten-Probleme zu reduzieren. Siehe dazu auch Barta, GmbHR 2005, 657 (659, 661 f.); Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435); Engert, GmbHR 2007, 337 (338); Krüger, Mindestkapital, S. 46 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 268 (289). 376 Vgl. Schärtl, Doppelfunktion, S. 187. 377 Vgl. Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347). 374

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tals378 durch eine Regelung zu flankieren, die ein späteres Anwachsen des Stammkapitals im Laufe des Gesellschaftslebens sicherstellt. Dies könne dadurch erreicht werden, dass sich die Stammkapitalziffer jährlich um einen bestimmten Prozentsatz des jeweils festgestellten Jahresgewinns erhöht, bis eine bestimmte Obergrenze erreicht ist, die ihrerseits von einer so erheblichen Größenordnung sein müsse, dass das Stammkapital dann seine gläubigerschützende Wirkung voll entfalten kann.379 Zur Information des Rechtsverkehrs solle die jeweils aktuelle Stammkapitalziffer auf den Geschäftsbriefen angegeben werden. Auf diese Weise werde die gläubigerschützende Funktion des Stammkapitals gestärkt, ohne den Gesellschaftern zusätzliche Leistungen abzuverlangen. Diese seien lediglich bis zum Erreichen der Obergrenze in ihrer Gewinnverwendungsautonomie eingeschränkt, danach könnten sie ungehindert Gesellschaftsvermögen bis zur Grenze des (nunmehr erhöhten) Stammkapitals entnehmen.380 Außerdem werde der Informationswert der Stammkapitalziffer erhöht, da der Geschäftsverkehr aus einem höheren Betrag auf wirtschaftlichen Erfolg des potentiellen Geschäftspartners oder zumindest auf einen erhöhten Risikobeitrag der Gesellschafter schließen könne.381 Und schließlich werde auch die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft verbessert, was ihre Kreditwürdigkeit steigere und damit Fremdkapitalkosten senke.382

378 Schärtl, Doppelfunktion, S. 187, schlägt für die anfänglich aufzubringende Einlagesumme einen Betrag von 2.500 bis 5.000 Euro vor, was durch eine Absenkung des Mindestkapitals genauso erreicht werden könne wie durch eine bloße Reduzierung der anfänglichen Aufbringungspflicht gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG. Ersteres hält er jedoch für vorzugswürdig. 379 Vgl. Schärtl, GmbHR 2007, 344 (348 f.); ders., S. 189 f. Er schlägt als jährlichen Erhöhungsschritt 15 bis 30% des Jahresgewinnes, gerundet auf volle 100 Euro, und als Deckelbetrag 50.000 bis 100.000 Euro vor. Dadurch werde nicht die Daseinsberechtigung der GmbH als Gesellschaftsform für KMU unterhalb der AG in Frage gestellt, da die AG z. B. im Hinblick auf Gründungsprüfung und Organisationsverfassung deutlich schärferen Regeln unterliege. 380 Schärtl, Doppelfunktion, S. 193, sieht darin einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Ausschüttungsbegrenzung durch einen Bilanz- oder Solvenztest, da diese die Entnahmen der Gesellschafter auch dann einschränke, wenn die Gesellschaft über bedeutende Eigenkapitalreserven über die Stammkapitalziffer hinaus verfüge. 381 Letzteres ist im geltenden System auch bereits der Fall: Jede über der gesetzlichen Untergrenze liegende Stammkapitalziffer indiziert einen überobligationsmäßigen Vermögenseinsatz der Gesellschafter. 382 Vgl. Schärtl, GmbHR 2007, 344 (349). Laut Schärtl, Doppelfunktion, S. 193, soll die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung jedoch nicht nur auf der zwingenden Gewinnthesaurierung beruhen. Vielmehr bestehe auch ein bedeutender Anreiz für die Gesellschafter, die Gesellschaft freiwillig möglichst schnell mit Eigenkapital in Höhe des Deckelbetrages auszustatten. Denn dadurch würden sie ihre „wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit“ im Hinblick auf Gewinnausschüttungen vorzeitig wiedererlangen und könnten zudem für ihre Gesellschaft bessere Kreditratings im Rahmen von Basel II und somit vorteilhaftere Fremdkapitalkonditionen erreichen.

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d) Einzelfallbezogenes Mindestkapital Um den durch das Mindestkapital vermittelten Gläubigerschutz zu optimieren und gleichzeitig eine übermäßige Belastung der Gesellschafter zu vermeiden, wird weiterhin angedacht, das Mindestkapital nicht mehr in Form einer absoluten, starren Ziffer vorzuschreiben. Stattdessen könnten die Gründer verpflichtet werden, die Gesellschaft mit einem für den konkreten Einzelfall angemessenen Eigenkapitalpolster auszustatten.383 Der Vorteil bestünde bei einer solchen Lösung darin, dass die Geschäftschancen und -risiken der konkreten Unternehmung in die Bestimmung des Risikobeitrages der Gesellschafter einfließen würden und so in jedem Einzelfall ein Abgleich zwischen ihren Interessen und denen der Gesellschaftsgläubiger getroffen würde, was die Zielgenauigkeit des Mindestkapitals als Gläubigerschutzinstrument deutlich erhöhen würde. Schon früher, noch vor der Reform von 1980, wurden ähnliche Vorschläge diskutiert, die allerdings keine gänzlich einzelfallbezogene Festlegung des Mindestkapitals propagierten, sondern an einer gesetzlichen Fixierung absoluter Grenzwerte festhalten wollten, Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Vom Kreditmarkt geht immer ein gewisser Anreiz zu einer angemessenen Eigenkapitalausstattung aus, da eine solche in aller Regel durch günstigere Fremdkapitalzinsen honoriert wird. Hierfür ist es aber gleichgültig, ob Eigenkapital in Form von Stammkapital oder von Rücklagen vorhanden ist. Insoweit unterscheidet sich das ASK weder vom bestehenden noch von irgendeinem anderen System. Übrig bleibt also allenfalls der Anreiz für die Gesellschafter, ihre „Ausschüttungsfreiheit“ wiederzuerlangen. Das ASK schreibt aber ohnehin schon eine gewisse Gewinnthesaurierung vor, die idealerweise irgendwann zum Erreichen des Deckelbetrages und damit zu einem Ende der Thesaurierungspflicht führt. Dies können die Gesellschafter nur durch eine Kapitalerhöhung beschleunigen. Ob das ASK hierzu einen Anreiz liefert, darf bezweifelt werden. Warum sollten die Gesellschafter ihren persönlichen Vermögenseinsatz freiwillig erhöhen, um schneller die Möglichkeit zu haben, ungewisse zukünftige Gewinne wieder voll entnehmen zu können? Das Risiko dieser Entscheidung trügen allein sie selbst. Erwirtschaftet die Gesellschaft in der Folge Gewinne, können sie diese zwar sofort zu 100% entnehmen. Auch ohne eine Kapitalerhöhung wäre aber eine Ausschüttung von 70% zulässig gewesen (bei einer Thesaurierungsquote des ASK von 30%). Die Kapitalerhöhung bringt also letztlich keinen Vorteil sondern eher Nachteile, da die Gesellschafter dadurch eine Investition sofort vornehmen, die sie sonst in Raten (in Form der jährlichen Gewinnthesaurierung) getätigt hätten. Hinzu kommt, dass infolge der schneller erfolgten Kapitalerhöhung auch sämtliche anderen Gläubigerschutzinstrumente, die an die Stammkapitalziffer anknüpfen, früher eingreifen als bei einer langsam akkumulierenden Erhöhung. Auch wenn also im Einzelfall durchaus ein Anreiz zu einer Kapitalerhöhung bestehen kann, wird er jedenfalls nicht durch das ASK verursacht oder verstärkt. Worin also die von Schärtl konstatierte „nicht zu unterschätzende Steuerungsfunktion“ der „Anreizwirkung“ des ASK bestehen soll, ist nicht erkennbar. Das ASK verpflichtet in gewissem Umfang zu einer Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft; darüber hinausgehende Anreize setzt es nicht. 383 Vgl. etwa monographisch ausführlich Esser, Insolvenzschutz durch Dynamisierung des Stammkapitals bei der GmbH (1989). Siehe dazu auch Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 84, der diese Idee für „theoretisch elegant, praktisch allerdings kaum durchführbar“ hält. Zu den praktischen Bedenken gegen diesen Vorschlag näher unten, § 11 I. 3. d).

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

für diese aber eine feinere Abstufung anstelle eines für alle GmbH geltenden Pauschalbetrages vorsahen.384 Angedacht wurde insoweit eine Differenzierung nach Art der Betätigung, nach branchenspezifischen Durchschnittswerten für Kapitalbedarf und Gläubigergefährdung oder nach der geplanten Betriebsorganisation. e) Einführung eines „Insolvenzeröffnungskapitals“ Einer der grundlegenden Kritikpunkte am stammkapitalbasierten Gläubigerschutzmodell ist der, dass das Stammkapital – unabhängig von der Existenz einer gesetzlichen Untergrenze – nicht geeignet sei, die Doppelfunktion als Betriebskapital und Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger angemessen zu erfüllen und masselose Insolvenzen zu verhindern.385 Das Mindestkapital in Verbindung mit den Kapitalschutzregeln stellt zwar sicher, dass die Gesellschaft mit einem gewissen Grundstock an Betriebskapital ausgestattet wird. In einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft ist dieses aber zumeist sehr schnell vollständig aufgezehrt, und die Gesellschafter sind nach ordnungsgemäßer Erbringung ihrer Einlagen nicht zu weiteren Leistungen verpflichtet. Die Folge ist eine Vielzahl masseloser GmbH-Insolvenzen386, die für die einzelnen Gläubiger zu Forderungsausfällen und für die Allgemeinheit zu zusätzlichen Kosten führen. Hier setzt ein weiterer Reformvorschlag an, der die fehlende Eignung des Stammkapitals als Haftungsfonds in der Insolvenz auszugleichen sucht. Dies lasse sich theoretisch dadurch erreichen, dass das bei der Gründung (und bei späteren Kapitalerhöhungen) aufgebrachte Stammkapital dauerhaft dem Zugriff auch der Gesellschaft entzogen wird, um im Insolvenzfall allein der Befriedigung der Gläubiger zu dienen. Eine solche Bindung von Kapital, das nicht für Unternehmenszwecke eingesetzt werden darf, sei jedoch weder ökonomisch sinnvoll noch zum Schutz der Gläubiger notwendig. Der Zielkonflikt zwischen Gesellschafter- und Gläubigerinteressen dürfe nicht durch eine solche einseitige Belastung der Gesellschafter gelöst werden, solle nicht die GmbH als wichtigste Gesellschaftsform in der deutschen Unternehmenslandschaft entscheidend an Attraktivität einbüßen.387 Die geeignete Alternative sei, die praktisch ohnehin überholte Funktion des Stammkapitals als Haftungsfonds für die Gläubiger auch konzeptionell aufzu384 Vgl. zu diesen Ansätzen knapp referierend m.w. N. Krüger, Mindestkapital, S. 258 f. 385 Vgl. dazu oben, § 4 II. 1. 386 Relativ aktuelle Zahlen bei Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (809): Anteil der GmbH an der Gesamtzahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2004: 49,07% bei einer Eröffnungsquote von 49,17%, die deutlich unter der anderer Gesellschaftsformen liegt. Weitere Erhebungen bei Fastrich, DStR 2006, 656 (658); Goette, ZGR 2006, 261 (268); Haarmeyer, ZInsO 2006, 449; Ulmer/ders., Einl. A Rn. 91. 387 Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1893).

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geben und die Verhinderung masseloser Insolvenzen als eines der wichtigsten Gläubigerschutzanliegen anderen Instrumenten zu überlassen. Deshalb solle die Höhe des Stammkapitals in das freie Ermessen der Gesellschafter gestellt und dafür eine insolvenzrechtliche Vorschusspflicht der Gesellschafter bei Masselosigkeit gesetzlich verankert werden.388 Dieses „Insolvenzeröffnungskapital“ sei in § 26 Abs. 1 InsO dergestalt zu regeln, dass das Insolvenzgericht bei drohender Abweisung des Antrags mangels Masse durch Beschluss von den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung einen Vorschuss von insgesamt höchstens 10.000 Euro verlangen kann.389 In eine ähnliche Richtung gehen Vorschläge für eine gesellschaftsrechtliche Nachschusspflicht der Gesellschafter bei masseloser Insolvenz.390 Im Ergebnis bedeutet dies die Einführung einer Art „nachträglichen Mindestkapitals“, das erst in der Insolvenz und nur bei Bedarf aufzubringen ist. Gerade letzteres wird als wichtiger Vorteil dieses Modells angeführt. Es führe, anders als das Mindeststammkapital, zunächst zu keiner Belastung der Gesellschafter und werde erst dann, wenn die Gläubigerinteressen in der masselosen Insolvenz unmittelbar gefährdet werden, abgerufen.391 Außerdem schaffe es 388 Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1893); ders., DStR 2007, 202 (204). In diese Richtung auch Bachmann, in: VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion (2005), S. 126; ders., ZGR 2001, 351 (366); Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568; Engert, GmbHR 2007, 337 (343). Ähnlich Bitter, WM 2004, 2190 (2192), der die Gesellschafter und/oder Geschäftsführer zur Leistung eines allgemeinen Verfahrenskostenbeitrags i. H. v. 10.000 Euro verpflichten will. Für einen nicht erstattungsfähigen Massekostenvorschuss seitens der Geschäftsführer und der mit mehr als 10% beteiligten Gesellschafter aufgrund der Verantwortung für die Masselosigkeit plädiert Schmidt, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 143 (162 f., 168). In eine vergleichbare Richtung tendierte schon gut 20 Jahre nach Einführung der GmbH Fränkel, S. 270, der eine Absicherung der Gläubigerschutzfunktion des Stammkapitals durch eine anteilige Garantiehaftung der Gesellschafter forderte. Eine Art Insolvenzeröffnungskapital nicht als Ergänzung, sondern anstelle des Stammkapitals wird vorgeschlagen von Kallmeyer, GmbHR 2004, 377. Näher zu letzterem unten, § 7 II. 7. c). 389 Nach Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1894), sollen primär nur die Gesellschafter zur Leistung des Vorschusses verpflichtet sein. Ihnen soll aber im Fall der Insolvenzverschleppung gemäß § 26 Abs. 3 InsO ein Erstattungsanspruch gegen die Geschäftsführer zustehen, sofern sie nicht gemäß § 15a Abs. 3 InsO n. F. (zuvor § 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG-RefE) selbst zur Stellung des Antrags verpflichtet waren. Dadurch werde dem Umstand Rechnung getragen, dass in Deutschland die Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern weisungsbefugt sind. 390 So Bachmann, in: VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion (2005), S. 126, wenn die Masselosigkeit auf einem existenzvernichtenden Eingriff beruht. Mit dieser Einschränkung geht die Nachschusspflicht aber nicht über das bereits existierende Haftungsmodell des existenzvernichtenden Eingriffs hinaus, das die Gesellschafter ohnehin bisher zur Begleichung sämtlicher Gesellschaftsschulden verpflichtete bzw. seit der jüngsten Rechtsprechungsänderung durch BGH NJW 2007, 2689 („Trihotel“), im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft in die Schadensersatzhaftung gemäß § 826 BGB nimmt. 391 Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1893).

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durch die drohende Zahlungspflicht einen Anreiz für die Gesellschafter, selbst durch eine ausreichende Kapitalausstattung der Gesellschaft, durch Hinwirkgen auf eine rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrags oder durch geeignete Sanierungsmaßnahmen die Gefahr einer masselosen Insolvenz zu verringern.392 Schließlich, und das ist das eigentlich entscheidende, schütze es die Gläubiger tatsächlich effektiv, denn es sei den Gesellschaftern versagt, schon zu Lebzeiten der Gesellschaft ihre Leistungspflichten mit befreiender Wirkung zu erfüllen. Ordnungsgemäß erbrachte, aber aufgezehrte Einlageleistungen nützten den Gläubigern in der Insolvenz nicht, da sie nicht mehr in der Masse vorhanden sind. Paradoxerweise stünden die Gläubiger einer insolventen Gesellschaft deshalb bislang besser, wenn ein möglichst großer Anteil der Einlageforderungen noch nicht erfüllt ist, so dass der Insolvenzverwalter von den säumigen Gesellschaftern Leistung in die Masse verlangen kann. Die der Gesellschaft bzw. der Masse aufgrund des Insolvenzeröffnungskapitals zugeflossenen Werte stünden demgegenüber den Gläubigern stets vollständig zu ihrer Befriedigung zur Verfügung, da sie nicht im Vorhinein geleistet werden könnten.393 Aufgrund dieses effektiven Zuwachses an Gläubigerschutz könne auf ein gesetzliches Mindestkapital verzichtet werden. Für den Massekostenvorschuss wird jedoch eine Obergrenze von 10.000 Euro gefordert.394 Dies wird zum einen damit begründet, dass der deutsche Rechtsverkehr an eine feste, pauschale Schwelle in Form des Mindestkapitals gewöhnt sei, die auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit höhere Rechtssicherheit biete. Equity-Erwägungen seien dem deutschen Rechtsanwender weniger vertraut als z. B. dem englischen. Außerdem hätte eine flexible Bestimmung des Vorschusses proportional zum Geschäftsumfang zur Folge, dass das Haftungsprivileg bei größeren Gesellschaften stark entwertet würde. Eine Anknüpfung an die Höhe des Nennkapitals wiederum hätte zur Folge, dass diejenigen Gesellschafter stärker in die Pflicht genommen würden, die sich ohnehin schon zu einer höheren Kapitalausstattung der Gesellschaft verpflichtet haben.395 Als Höchstbetrag biete sich die (seinerzeit geplante) Mindestkapitalziffer von 10.000 Euro an, da sie den Nutzern der GmbH vertraut sei.396

392

Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1893 f.). Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1893). 394 Vgl. Bitter, WM 2004, 2190 (2192); Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1895). 395 Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1895). 396 Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1895), der insoweit noch davon ausging, dass mit dem MoMiG das Mindestkapital abgesenkt werden würde, was bekanntlich letztlich nicht geschehen ist. Aber selbst wenn die Maßnahme Gesetz geworden wäre, verwunderte dieses Argument ein wenig. Warum sollte der erst noch einzuführende bzw. gerade erst eingeführte Betrag von 10.000 Euro den GmbH-Nutzern bereits vertraut sein? Möglicherweise gründet diese Annahme darauf, dass der Betrag schon länger zur Diskussion stand, was allerdings den wenigsten GmbH-Nutzern bekannt gewesen sein dürfte. 393

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Sie sei auch ausreichend, da die Gefahr der Masselosigkeit hauptsächlich bei insolventen Kleinunternehmen bestehe.397 Das Stammkapital bleibe bestehen und behalte seine Funktion als (nunmehr vollständig) freiwillige Haftungszusage an die Gläubiger.398 Das Nebeneinander von Insolvenzeröffnungs- und Stammkapital führe nicht zu einer Doppelbelastung der Gesellschafter399, denn beide seien einander ergänzende Bestandteile der Finanzierungsverantwortung, die die Gesellschafter als Ausgleich für das Haftungsprivileg zu tragen hätten: Ersteres sei eine begrenzte Gewähr für eine ordnungsgemäße Liquidation der Gesellschaft im Insolvenzverfahren, letzteres diene der Finanzierung der Geschäftstätigkeit der werbenden Gesellschaft.400 2. Reform der Kapitalaufbringung Auch für das Recht der Kapitalaufbringung kursieren im Schrifttum diverse Reformvorschläge, teilweise mit entgegengesetzter Zielrichtung: Manche fordern eine Verschärfung der existierenden Regelungen (a), andere hingegen verlangen eine Deregulierung (b). a) Verschärfung der Kapitalaufbringungsregeln Die Ideen zur Verschärfung der Kapitalaufbringungsregeln zielen im Ergebnis hauptsächlich darauf ab, die anfängliche Vermögensausstattung der Gesellschaft zu verbessern, um der hohen „Säuglingssterblichkeit“ 401 der GmbH entgegenzuwirken und damit die gläubigerschützende Funktion des Stammkapitals zu stärken. aa) Pflicht zur anfänglichen Voll- oder Bareinzahlung Zur Verringerung der gerade in der Anfangsphase häufig auftretenden Liquiditätsengpässe kommt es weniger darauf an, wie hoch das Stammkapital insgesamt ist, sondern in erster Linie darauf, wann die Gesellschafter ihre Einlagen tatsächlich erbringen müssen. Ausländische Rechtsordnungen sind hier vielfach strenger als die deutsche, die sich gemäß § 7 Abs. 2 GmbHG mit einer sofortigen Auf397 Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1895). Nach Buse, ZInsO 2006, 617; sowie Haarmeyer, ZInsO 2006, 449 (450), belaufen sich die zu deckenden Insolvenzkosten durchschnittlich auf Beträge zwischen 3.000 und knapp 8.000 Euro. 398 Vgl. dazu auch Schön, Der Konzern 2004, 162 (166 ff.). 399 A.A. Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (195), allerdings zum Modell eines „Soll-Eigenkapitals“ als Ersatz für die vollständige Abschaffung des Stammkapitals. Vgl. dazu auch unten, § 7 II. 7. c). 400 Vgl. Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1895). 401 Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 89.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

bringung von der Hälfte des gesetzlichen Mindestkapitalbetrages begnügt.402 Deshalb wird teilweise vorgeschlagen, die Gesellschafter zur anfänglichen Volleinzahlung sämtlicher Einlagen zu verpflichten.403 Dadurch werde die Liquidität der Gesellschaft gerade in der kritischen, kostenintensiven Phase der Geschäftsaufnahme verbessert, und der Geschäftsführer hätte keine Schwierigkeiten mehr mit einer eventuell mangelnden Zahlungsmoral der Gesellschafter bzgl. noch offener Einlageforderungen.404 Sofern es bei der anfänglichen Einzahlungspflicht von lediglich der Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG bleiben sollte, regen manche Autoren alternativ an, diese Pflicht jedenfalls dahingehend zu ergänzen, dass der Betrag zwingend in bar aufzubringen ist. Bei einer reduzierten anfänglichen Aufbringungspflicht sei das Bedürfnis nach Sacheinlagen relativ gering, eine reine Baraufbringung führe hingegen zu einer deutlichen Vereinfachung und Straffung des Gründungsvorgangs.405 bb) Unabhängige Gründungsprüfung Ein weiterer Vorschlag geht dahin, parallel zur aktienrechtlichen Regelung des § 33 Abs. 2 bis 4 AktG eine Gründungsprüfung durch unabhängige Sachverständige einzuführen, um die Kontrolle der Werthaltigkeit von Sacheinlagen zu verbessern.406 Rechtsvergleichende Vorbilder finden sich etwa im französischen Recht, wo Art. L. 223-9 C. com. grundsätzlich eine Anfertigung des Sachgründungsberichts einschließlich Bewertung der Sacheinlagen durch einen unabhängigen Experten zwingend vorschreibt.407 Dadurch werde die registergerichtliche Kontrolle bei der Gründung erleichtert, und dem Gesellschafter stehe bei even402 Spanien etwa schreibt in Art. 4 LSL eine Pflicht zur Vollliberierung des gesamten Stammkapitals vor der notariellen Errichtung der Gesellschaft vor. In Frankreich war die Rechtslage bis zur Reform durch die loi NRE von 2001 ähnlich. Seither ist das französische Kapitalaufbringungsrecht insoweit dem deutschen angeglichen, jedoch im Einzelnen noch großzügiger: Art. L. 223-7 Abs. 1 C. com. regelt für Bareinlagen nur eine anfängliche Einzahlungspflicht von einem Fünftel und keinerlei absoluten Mindestbetrag der Summe der anfänglichen Einlageleistungen. 403 Vgl. Karsten, GmbHR 2006, 57 (60); Koegel, GmbHR 2003, 1225 (1227); Priester, DB 2005, 1315 (1318); Priester, DB 2005, 1315 (1318). 404 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 89, unter Verweis auf Haas, in: Hommelhoff/Helms (Hrsg.), Neue Wege in die Europäische Privatgesellschaft (2001), S. 155 (186 mit Fn. 118). 405 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 13, allerdings noch zum Regierungsentwurf, der eine Herabsetzung des Mindestkapitals auf 10.000 Euro mit einer entsprechend verringerten anfänglichen Aufbringungspflicht vorsah. 406 In diese Richtung Wiedemann, GesR I, § 10 IV 2, S. 560. 407 Die Gesellschafter sind zwar letztlich in der Wertbestimmung der Sacheinlage in den Statuten frei, haften aber für eine eventuelle Überbewertung gegenüber dem im Sachgründungsbericht festgestellten Wert persönlich. Vgl. näher oben, § 5 I. 2. c).

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tuellen späteren Haftungsfragen ein belastbarer Werthaltigkeitsnachweis zur Verfügung. Die mit einer externen Gründungsprüfung verbundenen Kosten führten auch nicht zu einer übermäßigen zusätzlichen Belastung der Gesellschafter, da ohnedies die Vorlage von Wertgutachten unabhängiger Wirtschaftsprüfer bereits gängiger Praxis entspreche.408 cc) Obligatorischer Finanzplan Eine dritte Anregung schließlich sieht vor, den Gründern bei der Planung der Finanzierung ihrer Unternehmung eine größere Sorgfalt abzuverlangen, um vorschnelle, nicht lebensfähige Gründungen, die alsbald in die Insolvenz führen, zu verhindern. Zu diesem Zweck könnte eine gesetzliche Pflicht zur Anfertigung eines Finanzplanes eingeführt werden, der bei der Gründung oder sogar dauerhaft in bestimmten Zeitabständen vorgelegt werden müsste. Ausgangspunkt dieses Vorschlages ist die Erkenntnis, dass eine unzureichende Finanzplanung in der Gründungsphase und auch später eine der Hauptursachen für Gesellschaftsinsolvenzen darstellt.409 Der belgische Code des sociétés410 enthält bereits ein entsprechendes Modell und wird deshalb europaweit von den Befürwortern einer solchen Regelung als mögliches Vorbild herangezogen.411 Zunächst bestimmt Art. 215 belg. C. soc., dass die Gründer einer belgischen SPRL (société privée à responsabilité limitée) dem mit der Gründung befassten Notar einen Finanzplan vorlegen müssen, der die Angemessenheit der Höhe des Stammkapitals erläutert und begründet.412 Art. 229 Nr. 5 belg. C. soc. ergänzt diese Vorschrift sodann durch eine persönliche, solidarische Außenhaftung der Gründer für einen vom Richter festzusetzenden Anteil der Gesellschaftsschulden, wenn die Gesellschaft innerhalb von drei Jahren nach ihrer Errichtung insolvent wird und das Stammkapital zum Zeitpunkt der Gründung offensichtlich unzureichend war, um unter normalen Umständen die Durchführung der geplanten Geschäftstätigkeit für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren zu gewährleisten. Ob der Haftungstatbestand erfüllt ist, wird maßgeblich auf der Grundlage des ursprünglichen Finanzplans beurteilt, der deshalb dem Gericht vorzulegen ist.413 408

Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 89. Vgl. Fleischer, DStR 2000, 1015 (1021); Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 89. 410 Im Folgenden als belg. C. soc. zitiert. 411 Vgl. etwa Wouters, CMLR 2000, 257 (301 mit Fn. 182). Für Frankreich vgl. unten, § 8 II. 2. Aus deutscher Sicht Bachmann, ZGR 2001, 351 (365); sowie Michalski/ Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 89 m.w. N. in Fn. 174. Aus dem österreichischen Schrifttum Oelkers, GesRZ 2004, 360 (366 f.). 412 Der Finanzplan wird allerdings nicht mit den übrigen Gründungsdokumenten veröffentlicht, sondern beim Notar hinterlegt. 413 Daraus folgt auch, dass der Finanzplan mindestens einen Zeitraum von zwei Jahren ab der Gründung abdecken muss. 409

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Der Vorteil einer solchen Regelung besteht nach Ansicht der Befürworter darin, dass sie eine stärkere Gewähr für eine seriöse Unternehmensgründung und -führung bietet als die Pflicht zur Aufbringung eines bestimmten Mindestkapitals.414 b) Vereinfachung der Kapitalaufbringung Vorschläge zur Vereinfachung des Kapitalaufbringungsregimes haben in aller Regel zum Ziel, im Interesse der Gesellschafter die Handhabbarkeit der Rechtsform der GmbH zu verbessern und damit deren Attraktivität im Wettbewerb der Rechtsformen zu steigern.415 aa) Punktuelle Deregulierung Hierfür wird zunächst eine punktuelle Deregulierung angedacht: Bestimmte, als überschießend und unnötig empfundene Gläubigerschutzregeln, die die Gesellschafter übermäßig belasten, sollten vereinfacht oder ganz abgeschafft werden. Manche der hierzu geäußerten Vorschläge wurden bereits in das MoMiG integriert. An erster Stelle ist hier die Idee zu nennen, dass auch formell fehlerhaft, aber werthaltig erbrachte Einlagen zu einer Befreiung des Gesellschafters führen sollten, so dass insbesondere die unüberschaubaren Haftungsrisiken bei verdeckten Sacheinlagen beseitigt würden.416 Sie hat in der abgeschwächten Form einer Anrechnungslösung Eingang in § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. gefunden. Es finden sich jedoch auch weitergehende, vom Gesetzgeber bisher nicht berücksichtigte Deregulierungsansätze. So sei es denkbar, die Pflicht zur anfänglichen Leistung von zumindest 12.500 Euro gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG aufzuheben und den Gesellschaftern den Zeitpunkt der Einlageleistung freizustellen. Dadurch werde der Gründungsvorgang erleichtert und beschleunigt und die Kapitalaufbringung stelle keine Gründungshürde mehr dar.417 Daneben könne auch das Erfordernis der Leistung „zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ gemäß § 8 Abs. 2 GmbHG aufgegeben werden. Entscheidend solle nur sein, ob die Leistung tatsächlich in das Vermögen der Gesellschaft gelangt ist und der Geschäftsführer der Art der Leistung zugestimmt hat.418 414

Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (366 f.). Vgl. etwa allgemein Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (195). 416 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 59. In diese Richtung wohl auch Hellwig, in: FS Peltzer (2001), S. 163 (171 ff.). 417 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 58. Andeutungsweise auch Seibert, zitiert bei Winter, Der Konzern 2004, 171. Die Belastung der Gesellschafter durch die anfängliche Aufbringungspflicht ist durch das MoMiG jedoch praktisch wesentlich reduziert worden, da kapitalschwachen Gründern künftig die UG (haftungsbeschränkt) als gänzlich mindestkapitallose Alternative offensteht. Kritisch zur Abschaffung der anfänglichen Mindesteinlage knapp Schön, zitiert bei Winter, Der Konzern 2004, 171. 418 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 58. 415

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Ebenfalls für abschaffungswürdig wird die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter für nicht gedeckte Einlageforderungen gemäß § 24 GmbHG gehalten.419 Die Regelung bewirke einen überschießenden Gläubigerschutz, den Rechtsordnungen außerhalb des deutschsprachigen Raums nicht kennten. Eine gemeinsame Haftung der Gesellschafter sei nur angemessen, wenn eine gemeinschaftliche Täuschung des Rechtsverkehrs über die Kapitaldeckung vorliege, etwa bei statutarischer Überbewertung von Sacheinlagen, nicht aber z. B. dann, wenn ein Gesellschafter insolvent wird, bevor er seine Einlageschuld beglichen hat. Denn im letzteren Fall versuchten sich die Gesellschafter nicht ihrer Zusage, einen bestimmten Risikobeitrag zu leisten, missbräuchlich zu entziehen. bb) Abschaffung der präventiven Aufbringungskontrolle (Kommanditistenmodell) Noch weiter geht der Vorschlag, das präventive Kapitalschutzsystem gänzlich aufzugeben und durch ein System nachgelagerter Wertkontrolle parallel zur Regelung der Kommanditeinlagen zu ersetzen420: Die Einlageleistung des Gesellschafters soll nicht mehr vorab gerichtlich kontrolliert werden, sogar noch nicht einmal vor der Eintragung überhaupt erbracht werden müssen421, und auch die spätere Einlagenrückgewähr soll nicht verboten sein. Die Gesellschafter „erkaufen“ sich also das Haftungsprivileg nicht mit der Aufbringung einer bestimmten Vermögensmasse, sondern mit der Übernahme eines summenmäßig beschränkten Haftungsrisikos.422 Die Gesellschafter hafteten dann, ähnlich wie der Kommanditist gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 und 4 HGB, erst in der Insolvenz für nicht erbrachte oder zurückgewährte Einlagen, wobei sie für die werthaltige Erbringung und Belassung ihrer Einlagen als Haftungsbefreiungstatbestand beweis-

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Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (487). Vgl. Bayer, ZGR 2007, 220 (234 ff.); Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 1121 (1128 f.); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (486); sowie den detaillierten Gesetzgebungsvorschlag von Vossius/Wachter, Entwurf eines GmbH-Reformgesetzes. In diese Richtung auch Noack, DB 2007, 1395 (1397); Vetter, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 75 (P 91 f., P 116). Dagegen aber etwa Priester, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 1 (16): „Vorsorge ist besser als Nachsorge.“ 421 Vgl. Vetter, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 75 (P 89 ff.). 422 Vgl. Vossius/Wachter, Begründung zum Entwurf eines GmbH-Reformgesetzes, S. 8, denen zufolge der Unterschied zum geltenden System vor allem darin besteht, dass der Staat auf „Vorkasse“ der Gesellschafter verzichtet. Dieser Vorschlag hängt eng mit Ansätzen zusammen, die neben oder anstelle des Stammkapitals eine „Garantiesumme“ einführen wollen. Vgl. unten, § 7 II. 1. e) („Insolvenzeröffnungskapital“) sowie II. 7. c) („Soll-Eigenkapital“). Der Unterschied besteht darin, dass hier das Stammkapital im Prinzip in seiner jetzigen Form erhalten bleibt und nur auf die präventive Aufbringungskontrolle verzichtet wird, während es nach den genannten Alternativmodellen durch ein neues Gläubigerschutzinstrument ergänzt oder ersetzt wird. 420

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pflichtig seien.423 Zur Gewährleistung der Aufbringung eines ausreichenden anfänglichen Betriebskapitals soll außerdem den Gesellschaftern ein Einforderungsrecht im Namen der Gesellschaft bzgl. der Einlagen der Mitgesellschafter zustehen.424 Begründet wird dieser Vorschlag unterschiedlich. Teilweise wird darauf verwiesen, dass der Kapitalschutz nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers von 1892 allein ein Instrument des Minderheitenschutzes und der Seriositätsgewähr gewesen sei. Das Stammkapital habe nicht als stets zu erhaltender Haftungsfonds für die Gläubiger gedient, sondern als Garantiezusage eines eigenen Vermögenseinsatzes seitens der Gesellschafter, der vornehmlich der Bemessung ihrer Beteiligung diente und nur reflexhaft die Gläubiger schützte. Die gläubigerschutzorientierte, interventionistische Ausuferung des Kapitalschutzregimes sei erst später entstanden und ein Ausfluss des Misstrauens gegenüber der juristischen Person, das mit der wachsenden Kapitalismuskritik und der zunehmenden Betonung der Gemeinnützigkeit des Privateigentums zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden sei.425 Dieses Misstrauen sei jedoch unangebracht und behindere die unternehmerische Entfaltung.426 Deshalb solle das Kapitalschutzregime durchgreifend dereguliert und das Stammkapital auf seine ursprüngliche Funktion als Instrument des Minderheitenschutzes und als Seriositätssignal reduziert werden.427 Andere wollen dem Stammkapital durchaus eine Gläubigerschutzfunktion zubilligen. Diese könne es aber bereits dann vollauf erfüllen, wenn die Gesellschafter ihre Einlagen zu irgendeinem Zeitpunkt vollständig und werthaltig erbringen, spätestens in der Insolvenz. Ein strenges, formalisiertes, präventives Kontrollsystem sei deshalb unnötig, die damit verbundenen Compliance-Kosten also nicht zu rechtfertigen.428 3. Reform der Kapitalerhaltung Die Vorschläge, die in der Literatur zur Reform des Kapitalerhaltungsregimes vorgebracht werden, zielen hauptsächlich auf eine Verstärkung des Gläubiger423

Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (486). Vgl. Vossius/Wachter, Entwurf eines GmbH-Reformgesetzes, § 15 Abs. 2 GmbHG-E. In der Einmann-Gesellschaft soll das Problem durch eine allgemeine, deliktsähnliche Geschäftsführerhaftung für gesellschaftsschädliche Vermögensverschiebungen, die auch durch Unterlassen der Geltendmachung eines Anspruch begründet werden kann, gelöst werden, § 28 GmbHG-E. 425 Vgl. Vossius/Wachter, Begründung zum Entwurf eines GmbH-Reformgesetzes, S. 3. 426 Kritisch dazu Thiessen, DStR 2007, 202 (203): Das Misstrauen gegenüber juristischen Personen sei angebracht angesichts der verbreiteten Missbrauchsfälle, die in wirtschaftlichen Krisenzeiten dem Wohlstand des gesamten Volkes schaden könnten. 427 Vgl. Vossius/Wachter, Begründung zum Entwurf eines GmbH-Reformgesetzes, S. 5 f., die aber das Mindestkapital von 25.000 Euro beibehalten wollen. 428 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (486). 424

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schutzes ab. Sie knüpfen an an die Kritik, die Stammkapitalziffer als einzige Ausschüttungsschranke sei in doppelter Hinsicht ineffizient, da sie in aller Regel nur einen geringen Anteil des Gesellschaftsvermögens vor Zugriffen der Gesellschafter schütze und außerdem keine Rücksicht auf die aktuelle wirtschaftliche Situation des Unternehmens nehme. Den Reformansätzen ist deshalb im Grunde gemeinsam, dass sie den Übergang von einer Stammkapitalerhaltung zu einer Eigenkapitalerhaltung vorsehen. a) Ausschüttungsbegrenzung auf den Unternehmensgewinn Angedacht wird zunächst, parallel zur aktienrechtlichen Regelung des § 57 Abs. 3 AktG nur mehr die Ausschüttung des Bilanzgewinns zu gestatten.429 Dies würde unbestreitbar die Ausschüttungsmöglichkeiten für die Gesellschafter reduzieren und damit den Gläubigerschutz verbessern, da nicht mehr das gesamte vorhandene Aktivvermögen der Gesellschaft abzüglich eines relativ unbedeutenden Stammkapitalbetrages ausschüttbar wäre, sondern nur noch tatsächlich erwirtschaftete Überschüsse. Hinzu kommt, dass die stammkapitalbasierte Ausschüttungssperre im Zuge der Verbreitung der Rechnungslegung nach IAS/IFRS auch bei mittelständischen Unternehmen zunehmend an praktischer Bedeutung einbüßt.430 Gegen eine solche Reform der Kapitalerhaltung wird vorgebracht, dass sie die Flexibilität der Gesellschafter erheblich einschränke und insofern im Widerspruch zur bisherigen Regelungsphilosophie der GmbH stehe.431 Dem halten die Kritiker entgegen, dass sie der GmbH jedenfalls international keinen Wettbewerbsnachteil zufüge, da die Ausschüttungsbegrenzung auf den Gesellschaftsgewinn internationalen Regelungsmustern entspreche und das deutsche GmbH-Recht aus rechtsvergleichender Perspektive bisher zu Lasten der Gläubiger übermäßig großzügig sei.432 Entsprechende Regelungsvorbilder finden sich sowohl im französischen als auch im spanischen Recht, die jeweils nur die Ausschüttung des festgestellten Geschäftsgewinns gestatten und daneben das Stammkapital als äußerste, absolute Ausschüttungssperre vorschreiben.433 Auch andere Rechtsordnungen folgen die-

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Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 90. Vgl. zu den Auswirkungen von IAS/IFRS auf die stammkapitalorientierte Ausschüttungssperre Ekkenga, AG 2006, 389; Naumann, Der Konzern 2007, 422; sowie monographisch ausführlich Merschmeyer, Die Kapitalschutzfunktion des Jahresabschlusses (2005). 431 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 69. 432 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 90. 433 Vgl. oben, § 5 I. 2. d) (Frankreich) bzw. § 6 I. 2. d) (Spanien), allerdings mit dem Unterschied, dass in Frankreich der Betrag der gesetzlichen Rücklage zum Stammkapitalbetrag als absoluter Ausschüttungssperre hinzuaddiert wird, während es in Spanien allein auf das Nennkapital ankommt. 430

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sem Ansatz.434 Weitergehend halten manche Autoren daneben eine gesetzliche Pflicht zur Thesaurierung eines geringen Prozentsatzes des Jahresgewinns für sinnvoll.435 Die so gebildete gesetzliche Rücklage stärke die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft in Ergänzung zum Stammkapital.436 Auch insoweit ist eine Anlehnung sowohl an das deutsche Aktienrecht (§ 150 AktG) als auch an ausländische GmbH-Rechte möglich.437 b) Situative Ausschüttungssperre Im Vordringen befindet sich überdies die Idee, eine flexible, situative Ausschüttungsbegrenzung in Gestalt eines Solvenztests einzuführen438, teils als Ergänzung, zumeist aber als Ersatz für die existierende, an die Stammkapitalziffer anknüpfende Sperre.439 Wie der vorgenannte Reformvorschlag basiert sie auf der Kritik, dass das Stammkapital als rein historische Bilanzgröße ein ineffizientes Gläubigerschutzinstrument darstelle. Die Fähigkeit einer Gesellschaft, Ausschüttungen aus ihrem Vermögen vorzunehmen, ohne dass die Interessen der Gläubiger beeinträchtig werden, hänge nicht von der einmal von den Gesellschaftern vereinbarten Stammkapitalziffer ab, sondern von der aktuellen wirtschaftlichen Situation der einzelnen Gesellschaft.440 Das Stammkapital mit seiner pauschalen gesetzlichen Untergrenze und den strengen Erhaltungsregeln führe zu einem undifferenzierten Gläubigerschutz nach dem Leitsatz „one size fits all“ 441 und da434 Vgl. etwa zum englischen und US-amerikanischen Recht knapp Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 90; sowie ausführlich Marx, S. 102 ff. 435 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 90. 436 Vgl. zur Thesaurierungspflicht in der UG (haftungsbeschränkt) gemäß § 5a Abs. 3 GmbHG n. F., die das Fehlen eines gesetzlichen Mindestkapitals kompensieren soll, oben, § 7 I. 1. a) bb). 437 Vgl. etwa Frankreich: Rücklagepflicht von 5% des Jahresgewinns bis zu einer Gesamthöhe von 10% des Stammkapitals; Spanien: Rücklagepflicht von 10% des Jahresgewinns, Deckelbetrag von 20% des Stammkapitals. Näher dazu oben, § 5 I. 2. d) (Frankreich) bzw. § 6 I. 2. d) (Spanien). 438 Vgl. Böcking/Dutzi, Der Konzern 2007, 435; Engert, ZHR 170 (2006), 296; Jungmann, ZGR 2006, 638; Kuhner, ZGR 2005, 753 (777 ff.); Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393 (1398); Pellens/Jödicke/Schmidt, Der Konzern 2007, 427; Schmidt, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 188 (205); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1323 f.) sowie ausführlich für die AG Marx, Der Solvenztest als Alternative zur Kapitalerhaltung in der Aktiengesellschaft (2006). In diese Richtung auch der Bericht der High Level Group, S. 16 ff. und 94 ff.; sowie der Bericht der Rickford-Gruppe, EBLR 15 (2004), 919 (980). Vgl. weiterhin Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (874); Haas, Gutachten, S. E 123 ff. 439 Die Forderung nach einer gänzlichen Abschaffung des Stammkapitals geht damit nicht unbedingt einher, vielmehr soll dieses nur seine Funktion als Ausschüttungssperre einbüßen. 440 Vgl. zu dieser Kritik oben, § 4 II. 2. c). 441 Vgl. Kahan, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Capital Markets and Company Law (2003), S. 145.

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mit zu einer ineffizienten Risikoverteilung zwischen Gläubigern und Gesellschaftern.442 Zudem sei es zu inflexibel und behindere damit u. U. eine sinnvolle Unternehmensfinanzierung.443 Insgesamt sei das Kapitalerhaltungsregime deshalb in seiner bestehenden Form ein Anachronismus, der durch die dynamische Entwicklung der Finanzmärkte überholt sei und sich zu einem Wachstumshemmnis und einem Nachteil im internationalen Wettbewerb der Rechtsformen entwickelt habe.444 Zur Lösung dieses Problems wird in Anlehnung vor allem an angelsächsische Rechtsordnungen445 vorgeschlagenen, die Zulässigkeit von Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen künftig nach einem einzelfallabhängigen Solvenztest zu beurteilen. Der Geschäftsführer müsste demnach vor jeder Ausschüttung prüfen, ob das Gesellschaftsvermögen danach noch ausreichen wird, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft abzudecken. Diese Prüfung müsste auch einen gewissen Prognosezeitraum umfassen, um absehbare wirtschaftliche Entwicklungen mit einzubeziehen.446 Weiterhin soll den Geschäftsführern die Pflicht auferlegt werden, durch Ausstellung eines publizitätspflichtigen „Solvenzzertifikats“, das ggf. durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestätigt werden müsste447, zu erklären, dass die Solvenzprüfung mit positivem Ergebnis durchgeführt wurde.448

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Vgl. Marx, S. 81 ff. So zur AG, die allerdings deutlich strengeren Kapitalschutzregeln unterliegt als die GmbH, Marx, S. 81 ff. Seine Überlegungen lassen sich z. T. mutatis mutandis auf die GmbH übertragen, so etwa die Kritik am grundsätzlichen Verbot des Rückkaufs eigener Anteile, vgl. ibid, S. 91 f. 444 Vgl. Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 71 (88); Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (162); sowie im Anschluss daran Marx, S. 100 f. 445 Vgl. zum US-amerikanischen, neuseeländischen und englischen Recht Marx, S. 102 ff. 446 Marx, S. 190 ff., schlägt insoweit einen zweistufigen Solvenztest für das Aktienrecht vor: Auf der ersten Stufe müssten die Vorstände anhand einer Cashflow-Analyse prüfen, ob die Gesellschaft infolge der Ausschüttung innerhalb der nächsten zwei Jahre in einen Zustand drohender Zahlungsfähigkeit i. S. d. § 18 InsO geraten wird. Im Einzelfall könnten bzw. müssten auch bereits konkret absehbare Entwicklungen der Zahlungsströme in einem längeren Zeitfenster berücksichtigt werden. Auf der zweiten Stufe soll dann eine weiter in die Zukunft greifende, wertende Kapitalbedarfsplanung vorgenommen werden, die in die Bewertung der prognostizierten Zahlungsströme unsicherheitsbedingte Diskontierungen mit einbezieht, so dass Ausschüttungen nur zulässig sind, wenn sie auch die langfristigen Fortführungsaussichten der Gesellschaft nicht absehbar gefährden. 447 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 137 f.; Marx, S. 200; Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393 (1401); Veil, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 91 (108). 448 Vgl. High Level Group, S. 16 ff.; Marx, S. 200; Rickford-Gruppe, EBLR 15 (2004), 919 (980). 443

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Flankiert werden sollen diese Pflichten durch eine entsprechende Haftungssanktion: Der Geschäftsleiter muss demnach pflichtwidrige Ausschüttungen persönlich erstatten, wie dies auch bisher schon nach den §§ 43 Abs. 2, 64 Abs. 2 GmbHG der Fall ist.449 Pflichtwidrig sind Ausschüttungen dann, wenn der vorherige Solvenztest negativ ausgefallen ist oder bei ordnungsgemäßer Ausübung der unternehmerischen Beurteilungsspielräume hätte ausfallen müssen.450 Daneben soll auch der unrechtmäßig begünstigte Gesellschafter zur Rückzahlung des Empfangenen verpflichtet sein, und dies im Wege der Insolvenzanfechtung gemäß § 134 InsO.451 Zur Verbesserung des Gläubigerschutzes in diesem Haftungssystem, das sich infolge der Anwendung der business judgment rule in der Praxis als wenig schneidig erweisen dürfte, sei ergänzend an eine Verschärfung der Insolvenzverschleppungshaftung zu denken.452 Der Vorteil eines solchen Modells wird vor allem in der höheren Zielgenauigkeit im Einzelfall mit den daraus resultierenden Effizienzgewinnen und Kostenvorteilen gesehen, die eine flexible, am tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft orientierte Ausschüttungssperre bietet.453 Allerdings äußern sich auch ablehnende Stimmen, die den Solvenztest als Fremdkörper im Stammkapitalsystem ansehen. Das durch Einlageleistungen aufgebrachte Stammkapital sei der Risikobeitrag der Gesellschafter, den sie als Ausgleich für ihr Haftungsprivileg zu leisten hätten. Seine Rückerstattung müsse das Gesetz verbieten, um ein Leerlaufen dieses Gläubigerschutzinstruments zu verhindern.454 Dieses tradierte System sei in der deutschen Rechtsordnung tief verwurzelt und dem Alternativmodell nicht prinzipiell unterlegen. Seine Aufgabe zugunsten des Solvenztests verspreche deshalb keine erheblichen Vorteile, bringe aber Rechtsunsicherheit, Anpassungsschwierigkeiten und Kosten mit sich.455

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Vgl. Marx, S. 208 f. Vgl. Marx, S. 201 ff., der auf die Prognoseentscheidung des Geschäftsleiters die business judgment rule anwenden will. 451 Vgl. Marx, S. 215 ff. 452 Vgl. Marx, S. 219 ff. 453 Vgl. Marx, S. 171 ff. 454 Nicht überzeugend erscheint insoweit der Vorschlag von Jungmann, ZGR 2006, 638 (674 ff.), der die Kapitalerhaltungsregeln durch einen Solvenztest ersetzen, die Kapitalaufbringungsregeln jedoch ausdrücklich beibehalten will. Warum sollte die werthaltige Aufbringung der Einlagen durch die Gesellschafter gesetzlich erzwungen und überwacht werden, wenn danach deren Rückgewähr nicht unterbunden wird? Damit verliert das Kapitalaufbringungsrecht seinen Zweck, einen realen Vermögenszufluss an die Gesellschaft als dauerhaften Risikobeitrag der Gesellschafter zu gewährleisten. Näher unten, § 11 III. 2. b). Sinnvoll erscheint insofern nur eine Regelung wie § 57 AktG, die das Verbot der Einlagenrückgewähr (Abs. 1) mit einer vom Stammkapital losgelösten Ausschüttungssperre (Abs. 2) kombiniert. 455 Vgl. Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (871 f.), die insbesondere die Pfadabhängigkeit als Argument gegen eine Abschaffung des kontinentaleuropäischen Kapitalschutzmodells anführt. 450

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Letztere resultierten etwa aus einem erhöhten Haftungsrisiko für Geschäftsführer, die bei ihrer Ausschüttungsentscheidung nicht mehr in den Genuss eines sicheren Hafens in Form der bilanziellen Stammkapitalziffer kämen und deshalb eine höhere Vergütung und den Abschluss von D&O-Versicherungen fordern würden. Hinzu komme der Aufwand bei der Erstellung einer Solvenzprognose, für die regelmäßig die Hilfe sachverständiger externer Wirtschaftsprüfer vonnöten sei, was bei kleinen Gesellschaften, die keinen umfassenden Buchführungspflichten unterliegen, umso schwerer wiege. Das Stammkapital als feste Referenzgröße sei deshalb der schwierig durchzuführenden Solvenzprüfung vorzugswürdig, zumal letztere im Gegensatz zu ersterem keinen klaren gesetzlichen Kriterien unterliege und außerdem ein subjektives Einschätzungselement enthalte, so dass eine nachträgliche objektive Überprüfung der Ausschüttungsentscheidung unmöglich sei.456 Dem halten die Befürworter entgegen, dass die Kapitalerhaltungsregeln als Gläubigerschutzrecht allein der Erhaltung von ausreichender Haftungsmasse im Gesellschaftsvermögen dienten. Dieser Funktion werde ein am aktuellen und zukünftigen Gesellschaftsvermögen orientierter Solvenztest gerecht, die stammkapitalbasierte Ausschüttungsbegrenzung jedoch nicht.457 Auch zusätzliche Kosten und Anpassungsprobleme aufgrund der Pfadabhängigkeit befürchten sie nicht. Denn auch das deutsche Recht kenne in Gestalt der Rechtsprechung zur Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs458 bereits ein Rechtsinstitut, das in Voraussetzungen und Zielrichtung mit der Solvenzprüfung als Ausschüttungssperre vergleichbar sei:459 Die Gesellschafter sollen den Gläubigern gegenüber unmittelbar persönlich haften, wenn die Gesellschaft infolge von Vermögensentnahmen nicht mehr in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Auf dieser Rechtsprechung könne die Einführung einer Solvenzprüfung aufbauen. Zwar erfordere sie vom Geschäftsführer eine Prognose der Zahlungsunfähigkeit, während die Existenzvernichtungshaftung an eine ex-post-Betrachtung anknüpft. Doch auch eine solche Prognose sei dem deutschen Recht nicht fremd und finde einen Anknüpfungspunkt in den Grundsätzen, die zur Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 18 InsO und zur Fortführungsprognose i.R. d. § 19 InsO entwickelt wurden.460 Damit entfalle auch der Vorwurf der mangelnden Nachprüfbarkeit einer solvenztestgestützten Ausschüttungsentscheidung.461 Allerdings müsse sichergestellt werden, dass die Erstellung der Prog456 Vgl. Schön, Der Konzern 2004, 162 (169); ders., ZHR 166 (2002), 1 (5), der insoweit auch bemängelt, dass der Solvenztest nicht zwingend auf der Bilanz aufbauen muss. 457 Vgl. Marx, S. 179; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324). 458 Näher dazu oben, § 4 I. 7. 459 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 71; Marx, S. 181. 460 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 73; Marx, S. 181. 461 Vgl. Marx, S. 184; Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393 (1401); Pellens/Sellhorn, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 451 (482 f.).

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nose insbesondere KMU keinen wesentlichen zusätzlichen finanziellen und zeitlichen Aufwand abverlangt.462 Andere Kritiker halten die Einführung eines Solvenztests nicht nur für unnötig, sondern befürchten eine Einbuße an Gläubigerschutz. Denn die Ausschüttungsentscheidung werde von einer Beurteilung der aktuellen und prognostizierten Zahlungsfähigkeit abhängig gemacht, wie sie auch Bestandteil der geltenden Insolvenzauslösungstatbestände seien. Die große Zahl masseloser Insolvenzen zeige aber, dass diese Kriterien nicht geeignet seien, die Erhaltung von Haftungsmasse für die Gläubiger in angemessenem Umfang zu gewährleisten. Die Begrenzung von Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen dürfe deshalb nicht nach den gleichen (unzulänglichen) Maßstäben erfolgen wie die Insolvenzauslösung.463 Darauf wird entgegnet, Ausschüttungsbegrenzung und Insolvenzantragspflicht seien nicht vergleichbar. Sie erfüllten unterschiedliche Funktionen im Gläubigerschutzsystem, so dass von der Unzulänglichkeit des einen Instruments nicht auf die fehlende Übertragbarkeit seiner Maßstäbe auf das andere geschlossen werden dürfe.464 Aufgrund der Rechtsunsicherheiten und Kosten, die mit einem Solvenztest verbunden sind, wird auch eine situative Ausschüttungssperre in Form eines von der Stammkapitalziffer unabhängigen Bilanztests vorgeschlagen. Sie soll an bestimmte Bilanzrelationen, etwa das Verhältnis von Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten anknüpfen, die auch nach der Ausschüttung noch eingehalten werden müssen.465 Rechtsvergleichenden Rückhalt findet dieser Vorschlag im US-amerikanischen Revised Model Business Corporation Act von 1980 und in den Gesellschaftsrechten einiger US-Bundesstaaten unter der Bezeichnung „balance sheet test“.466 Auch das von der Kommission vorgeschlagene Statut der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) sieht in Art. 21 Abs. 1 einen Bilanztest als Ausschüttungssperre vor.467 Der Vorteil sei, dass der Bilanztest, anders als der Solvenztest, nicht an subjektive Fortführungsprognosen, sondern an feste, nachprüfbare Bilanzziffern anknüpfe, gleichzeitig aber, anders

462

Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 72. In diese Richtung etwa Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 186; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 954. Referierend m.w. N. Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393 (1401). 464 Vgl. Marx, S. 187 f. 465 Vgl. High Level Group, S. 95; Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (160). Einen Bilanztest als Ergänzung zum geltenden Kapitalerhaltungsrecht vorsichtig erwägend auch Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). 466 Vgl. knapp Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (160). 467 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vom 25.06.2008, KOM(2008) 396. Demzufolge sollen Ausschüttungen nur zulässig sein, wenn „die Vermögenswerte der SPE nach dieser Ausschüttung ihre Schulden in vollem Umfang abdecken.“ 463

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als das Stammkapital, die aktuelle wirtschaftliche Lage der Gesellschaft abbilde.468 4. Reform des Eigenkapitalersatzrechts Die Vorschläge zur Reform des Eigenkapitalersatzrechts nahmen bereits einen Gutteil von dem vorweg, was der Gesetzgeber nunmehr in das MoMiG übernommen hat.469 So wurde verbreitet eine Aufgabe der Rechtsprechungsregeln angemahnt, um die Rechtsmaterie zu vereinfachen und überschießenden, unnötigen Gläubigerschutz abzubauen.470 Ebenso wurden die grundsätzliche Beibehaltung der Novellenregeln und ihre Überführung in das Insolvenzrecht vorgeschlagen.471 Diese wissenschaftlichen Anregungen und Vorarbeiten haben ihr Ziel absehbar erreicht, so dass auf sie nicht weiter einzugehen ist. Vielmehr sollen im Folgenden nur die Ideen aufgegriffen werden, die von den bereits in Kraft getretenen Reformen abweichen bzw. über sie hinausgehen. a) Einheitliche Kodifizierung im Insolvenzrecht ohne inhaltliche Änderungen Unter den Stellungnahmen zur Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG finden sich zunächst Stimmen, denen diese Maßnahme des Gesetzgebers zu weit geht.472 Vor allem die gänzliche Abschaffung der Rechtsprechungsregeln mit ihrem präventiven Rückzahlungsverbot für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen führe zu erheblichen Einbußen an Gläubigerschutz, ohne dass eine solch drastischer Eingriff in das bestehende System aus Vereinfachungsgründen notwendig wäre. Das bisherige Eigenkapitalersatzrecht sei in sich wertungsmäßig stimmig, führe aufgrund der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung 468

Vgl. Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). Vgl. vor allem die umfassenden Vorarbeiten von Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 ff.; sowie außerdem Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), S. 23 ff.; Haas, Gutachten, S. E 60 ff.; Röhricht, ZIP 2005, 505 (512 f.). Näher oben, § 7 I. 2. d). 470 Vgl. Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914); Fastrich, in: FS Zöllner (1998), S. 143 (158); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (392); Röhricht, ZIP 2005, 505 (512 f.). Ähnlich Ulmer/ders., Einl. A Rn. 104. Für die Ungültigkeit der Rechtsprechungsregeln schon de lege lata Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), 23 (45 f.) Im Ergebnis offen, aber einer gänzlichen Abschaffung der Rechtsprechungsregeln oder zumindest einer Ersetzung des Tatbestandsmerkmals der „Krise“ durch das der drohenden Zahlungsunfähigkeit zuneigend BDI/Hengeler, Rn. 92. 471 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 99 f.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (410 ff.). Früher bereits in diese Richtung Fastrich, in: FS Zöllner (1998), S. 143 (155 ff.). 472 Vgl. oben, § 7 I. 2. d). 469

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

nicht zu großen Unsicherheiten und sei ein effektives Gläubigerschutzinstrument. Deshalb solle es nicht, wie jetzt geschehen, weit gehend abgeschafft werden, sondern in seinen bestehenden Grundzügen – unter Einschluss der Rechtsprechungsregeln – rechtsformneutral in der Insolvenzordnung kodifiziert werden. Auf diesem Wege würde durch Abschaffung der Doppelspurigkeit von Rechtsprechungsund Gesetzesregeln die angestrebte Vereinfachung erreicht, ohne die inhaltlichen Vorzüge des geltenden Rechts aufzugeben.473 b) Einzelne Modifikationen der MoMiG-Reform Ein Großteil der Autoren heißt demgegenüber Zielrichtung und Reichweite der Reform gut. Trotzdem werden auch von dieser Seite Korrekturen an spezifischen Einzelaspekten gefordert. So soll der vielfach konstatierten Sanierungsfeindlichkeit des Eigenkapitalersatzrechts entgegengewirkt werden, indem das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F. auf den umgekehrten Fall erweitert wird, dass ein Altgesellschafter der Gesellschaft in der Krise – bzw. nach § 39 Abs. 4 S. 2 InsO n. F. bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes – ein Darlehen zum Zwecke der Sanierung gewährt.474 Die Privilegierung von Sanierungsversuchen wäre dann nicht mehr von einem Anteilserwerb abhängig, vielmehr würde jedes Sanierungsdarlehen, das in der Krise zu deren Überwindung gewährt wird, von der Rangrückstufung in der Insolvenz befreit475, zumindest dann, wenn es objektiv sanierungstauglich ist476. Gründe für die Beschränkung nach geltendem Recht seien nicht ersichtlich. Vor allem diene sie nicht dem Schutz der Gläubiger und behindere Sanierungsdarlehen in ökonomisch unsinniger Weise. Im Hinblick auf den Zweck des Eigenkapitalersatzrechts, missbräuchliche Gläubigerschädigungen durch Liquiditätszufuhr in Darlehensform zu verhindern, sei allein entscheidend, ob das Darlehen Teil eines Konzepts sei, das ex ante realistische Sanierungschancen eröffne. Auch eine Mittelzufuhr ohne Anteilserwerb könne eine solche Chance bieten, was im Interesse der Gläubiger liege.477

473 So Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355), mit konkreten Gesetzgebungsvorschlägen; sowie Thiessen, ZIP 2007, 253 ff. 474 Vgl. den Beschluss IV.19 des 66. Deutschen Juristentages, abgedruckt in Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 141 (P 144), der mit 103:6 Stimmen bei 33 Enthaltungen forderte, das Sanierungsprivileg vom Beteiligungserwerb zu entkoppeln. In diesem Sinne auch Bork, ZGR 2007, 250 (259). Dagegen Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1658); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (402 ff.); Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1928). Zur geringen praktischen Bedeutung des Sanierungsprivilegs in seiner jetzigen Fassung vgl. Goette, ZGR 2006, 261 (272). 475 Vgl. Engert, ZGR 2004, 813 (839). Zur noch weitergehenden Privilegierung von Sanierungsdarlehen in Frankreich vgl. oben, § 5 I. 2. e). 476 Für diese Einschränkung Haas, ZInsO 2007, 617 (625). 477 Vgl. Haas, ZInsO 2007, 617 (625).

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Weiterhin wird teilweise zusätzlich zu der Reform der Anfechtungsfristen in den §§ 135 InsO n. F., 6 AnfG n. F. deren Verlängerung gefordert.478 Denn den Geschäftsführern könne es gelingen, die Gesellschaft trotz Insolvenzreife noch eine ganze Weile fortzuführen, auch länger als ein Jahr. Eine einjährige Anfechtungsfrist sei deshalb zu kurz bemessen und wirke zudem als ungerechtfertigte Privilegierung von Gesellschafterdarlehen gegenüber der Zweijahresfrist des § 133 Abs. 2 i.V. m. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO.479 c) Ausweitung auf sämtliche Gesellschafterforderungen Weitergehend wird vorgeschlagen, den Anwendungsbereich von insolvenzrechtlicher Rangrückstufung und Anfechtung auf sämtliche Gesellschafterforderungen auszudehnen.480 Erfasst würden dann nicht nur Forderungen aus Darlehen und wirtschaftlich vergleichbaren Geschäften, sondern auch solche aus anderen Arten von Geschäften, etwa Kaufpreis- oder Mietzinsforderungen des Gesellschafters. Begründet wird dieser Vorschlag vor allem mit dem Argument, dass dadurch eine noch weitergehende Vereinfachung der Rechtsmaterie erreicht werde: In der Insolvenz würden alle Gesellschafterforderungen gleich behandelt, es käme nicht mehr auf die Abgrenzung an, ob ein Geschäft Darlehenscharakter aufweist oder nicht. Gleichzeitig resultiere daraus zwar eine stärkere Belastung der Gesellschafter in der Insolvenz, die jedoch gerechtfertigt sei. Denn die Gesellschafter seien während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft von jeder persönlichen Haftung befreit, dafür müssten sie aber in der Insolvenz das Gesellschaftsvermögen primär den Fremdgläubigern überlassen und könnten erst nach deren vollständiger Befriedigung die Begleichung ihrer eigenen Forderungen verlangen.

478 Vgl. Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914); Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657 f.); Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 115 (123): zwei Jahre; Thiessen, ZIP 2007, 253 (259): drei Jahre; Fischer, ZIP 2004, 1477 (1483): vier Jahre. Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355), halten sogar eine Fünfjahresfrist für angemessen, wie sie bisher im Eigenkapitalersatzrecht analog § 31 Abs. 5 GmbHG galt. Kritisch dazu Cahn, AG 2005, 217 (225); Haas, ZInsO 2007, 617 (621 f.); Huber/ Habersack, BB 2006, 1 (5); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (358 f.). 479 Vgl. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657). Im Anschluss an Hölzle, GmbHR 2007, 729 (733), wäre allenfalls überlegenswert, im Falle einer Insolvenzverschleppung unter Mitwirkung des betroffenen Gesellschafters den Anfechtungszeitraum in Anlehnung an § 162 Abs. 2 BGB ab dem Zeitpunkt der Insolvenzreife und nicht der Antragstellung zurückzurechnen. Damit würde dem Ruf nach einer Verlängerung der Anfechtungsfrist m. E. vollends der Boden entzogen. 480 Vgl. Huber/Habersack, BB 2006, 1 (2).

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

d) Abschaffung des gesamten Eigenkapitalersatzrechts In die entgegengesetzte Richtung weist der radikale Vorschlag, sämtliche Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen abzuschaffen.481 Das Eigenkapitalersatzrecht insgesamt sei als zusätzliches Gläubigerschutzinstrument – neben der Insolvenzverschleppungshaftung482 oder der Insolvenzanfechtung483 – überflüssig und entbehre einer überzeugenden ratio legis.484 Seine Legitimationsbasis in Form der Finanzierungsfolgeverantwortung entfalle mit der Abschaffung des Mindestkapitals.485 Ein rechtspolitisches Bedürfnis bestehe weder für ein Rückzahlungsverbot noch für eine insolvenzrechtliche Rückstufung von Gesellschafterdarlehen.486 Zudem hätten die Regeln in der Praxis einen dem Gläubigerschutzziel gerade zuwiderlaufenden Effekt, da sie im Krisenfall die Gesellschafter von einer Mittelzuführung abhalten und damit die Sanierung der Gesellschaft erschweren könnten.487 Die Insolvenzverschleppungshaftung schütze demgegenüber die Gläubiger effektiv vor der missbräuchlichen Fortführung einer nicht lebensfähigen Gesellschaft, da Neugläubiger einen Anspruch auf Ersatz ihres gesamten Ausfallschadens hätten488, während sie nach bisherigem Recht nur ihre Quote an der um 481 Vgl. Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 ff.; Grunewald, GmbHR 1997, 7 (10); Koppensteiner, AG 1998, 308 ff.; Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (232); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324). Ähnlich Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), S. 23 (43 f.); Cahn, AG 2005, 217 (223 f.); Claussen, GmbHR 1996, 316 (320 ff.). Aus rechtsökonomischen Erwägungen in diese Richtung tendierend Rudolph, ZBB 2008, 82 (90 f.). Dazu auch knapp BDI/Hengeler, Rn. 91. 482 Vgl. Reiner, in: FS Boujong 1996, 415 (440 ff.); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324). 483 Vgl. Cahn, AG 2005, 217 (224); Engert, ZGR 2004, 813 (818); Götz, S. 61 ff. Dagegen Schmidt, GmbHR 2005, 797 (799): Gerade die Rangrückstufung im Insolvenzverfahren sei das entscheidende Instrument des Eigenkapitalersatzrechts, nicht die Anfechtung gemäß § 135 InsO. 484 Vgl. Grunewald, GmbHR 1997, 7 (8 f.); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (226 ff.). 485 Vgl. Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324), ohne nähere Ausführung. Das Argument zielt anscheinend darauf ab, dass der Gesetzgeber nach Abschaffung des Mindestkapitals keinerlei Anforderungen mehr an die Finanzierung der Gesellschaft durch ihre Gesellschafter stellt und damit auch keine Finanzierungsfolgeverantwortung mehr begründbar ist. Dass dies so nicht haltbar ist, dass vielmehr auch nach neuem Recht die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen über die Finanzierungsfolgenverantwortung der Gesellschafter sinnvoll begründet werden kann, wird unten, § 11 IV. 3. b) aa), näher ausgeführt. 486 Vgl. Koppensteiner, AG 1998, 308 (317). 487 Vgl. Drukarczyk, in: FS Schneider (1995), S. 171 (193 ff.); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378). Engert, ZGR 2004, 813 (839), kritisiert dies ebenfalls, fordert jedoch nicht die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes, sondern lediglich eine Ausnahme von der Rückstufung für solche Darlehen, die „in der Krise zur Überwindung der Krise“ gewährt werden. Dieses „allgemeine Sanierungsprivileg“ ist zu unterscheiden von dem des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG, das nicht an den Sanierungszweck des Darlehens anknüpft, sondern umgekehrt an den des Erwerbs von Geschäftsanteilen seitens eines Darlehensgebers. Vgl. zu diesem Vorschlag unten, § 7 II. 4. b).

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die noch vorhandenen Darlehensvaluta erweiterten Masse erhielten.489 Zudem enthalte die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG ein subjektives Element und bewirke damit eine angemessenere Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern als das bisherige Recht.490 Die Einbeziehung der Gesellschafter in die Insolvenzverschleppungshaftung soll demnach über eine Ausweitung der Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers oder über den Teilnahmetatbestand des § 830 Abs. 2 BGB bewerkstelligt werden.491 5. Verschärfung der Krisenverantwortung der Geschäftsführer Unabhängig von den Kapitalschutzregeln wird zur Akzentuierung des Gläubigerschutzes in der GmbH vorgeschlagen, die Geschäftsführerhaftung in der Krise zu verschärfen. Sie solle nicht, wie nach bisherigem Recht, auf eine Fortführung des Unternehmens nach Eintritt der Insolvenzreife beschränkt sein, sondern auch Maßnahmen erfassen, die nicht im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz vorgenommen wurden.492 Rechtsvergleichende Anleihen zur Ausgestaltung dieser Haftung entnimmt dieser Vorschlag vor allem dem wrongful-trading-Tatbestand des englischen Rechts: Sec. 214 des englischen Insolvency Act (IA) von 1986 begründet im Insolvenzverfahren einen Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Ersatzleistung in die Masse, wenn dieser die Gesellschaft weitergeführt hat, obwohl keine vernünftige Aussicht bestand, die Insolvenz abzuwenden, und dabei nicht alle erforderlichen Maßnahmen zur Minimierung der potentiellen Verluste der Gläubiger getroffen hat,.493 Der Anspruch wird durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht, steht also nicht den Gläubigern unmittelbar zu. Die Höhe der Ausgleichsleistung des Geschäftsführers in das Gesellschaftsvermögen steht, ähnlich wie in Frankreich, im Ermessen des Gerichts, das sich dabei in erster Linie an dem Betrag orientiert, um den das Gesellschaftsvermögen durch den Pflichtverstoß des Geschäftsführers gemindert wurde, aber im Einzelfall auch den Verschuldensgrad oder andere Umstände berücksichtigen kann.494 488

Vgl. BGHZ 126, 181. Vgl. Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (446). 490 Vgl. Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (447). 491 Vgl. Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (450 f.); sowie ders., Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung (1995), S. 139. 492 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 76 ff.; Lutter/Hommelhoff/dies. (16. Aufl.), § 13 GmbHG Rn. 7 ff.; Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 (351); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324); Wachter, GmbHR 2004, 88 (101). In die gleiche Richtung der Vorschlag der High Level Group, S. 73. Für eine Verschuldenshaftung der Gesellschafter wegen Gründung oder Fortführung einer Gesellschaft mit zu geringer Kapitalausstattung etwa Barta, GmbHR 2005, 657 (662); Ulmer, JZ 2002, 1049. 493 Deutsche Darstellungen etwa bei Rajak, EWS 2005, 539 ff.; Gräfe, DZWIR 2005, 410 ff. 494 Vgl. Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (310 ff.); ders., in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 526; Gower/Davies, S. 220; Schall, ZIP 2005, 965 (967). 489

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Damit können Geschäftsführer in England auch schon dann in die Haftung geraten, wenn eine Insolvenzantragspflicht (noch) nicht bestand, aber eine Sanierung der Gesellschaft trotzdem aussichtslos war. Die wrongful-trading-Haftung greife damit – so die Befürworter einer deutschen Parallelregelung – unter Umständen wesentlich früher ein als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung.495 Zwar trägt diese Haftung in der englischen Praxis im Ergebnis unmittelbar nur wenig zum Schutz der Gläubiger bei, da von den Geschäftsführern häufig kein vollständiger Ersatz der Ausfallschäden zu erlangen ist und die Gerichte sich, möglicherweise aufgrund der Schärfe der Sanktion, bei der Anwendung der Sec. 214 IA 1986 in einer auffallenden Zurückhaltung üben.496 Dennoch verbleibe gerade wegen der einschneidenden Rechtsfolge eine präventive Funktion der Haftung, die wohl den Großteil der Gläubigerschutzwirkung ausmache.497 Der vielzitierten Rechtslage in England ist die Krisenverantwortung der Geschäftsführer in Frankreich nicht unähnlich. Die action en comblement du passif gemäß Art. L. 651-2 C. com. greift zwar, wie die wrongful-trading-Haftung, erst in der Insolvenz ein, erfasst dann aber u. U. auch Geschäftsführungsfehler lange vor der Insolvenz, die zur Unterdeckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten beigetragen haben.498 Auch ohne ausdrückliche Anlehnung an solche ausländischen Vorbilder wird eine Vorverlagerung des Beginns der Krisenverantwortung des Geschäftsführers vorgeschlagen.499 Mit Beginn der wirtschaftlichen Abwärtsentwicklung des Unternehmens, also häufig schon weit im Vorfeld der Insolvenzauslösetatbestände, begännen die Interessen von Gesellschaft und Gläubigern auseinanderzudriften500 und die Anreize zu opportunistischem Verhalten der Geschäftsleitung zuzunehmen.501 Dem trage die bisherige Haftung gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG nicht ausreichend Rechnung. Eine früher eingreifende, haftungsbewehrte Pflicht des Geschäftsführers zur Minimierung des Ausfallrisikos sei besser geeignet, um präventiv Gläubigerschädigungen, insbesondere durch masselose Insolvenzen, zu bekämpfen.502 495 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 80. Zu den berechtigten Zweifeln an dieser Beurteilung unten, 4. Teil Fn. 588. 496 Es gibt kaum gerichtliche Klarstellungen zu den entscheidenden Fragen der wrongful-trading-Haftung, etwa, wann keine vernünftige Aussicht auf Abwendung der Insolvenz mehr besteht. Vgl. Just, Rn. 171; Rajak, EWS 2005, 539 (542). 497 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1520); Schall, ZIP 2005, 965 (967); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324). 498 Vgl. näher dazu oben, § 5 I. 2. g) aa). 499 Vgl. Hirte, ZInsO 2003, 833 (842). 500 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 30. 501 Siehe oben, § 2 I. 2. c) bb) (2). 502 Vgl. Hirte, ZInsO 2003, 833 (842). Siehe dazu auch Haas, Gutachten, S. E 30 ff., der allerdings im Ergebnis aufgrund der Schwierigkeiten, einen geeigneten Anknüpfungszeitpunkt im Vorfeld der Insolvenzreife objektiv zu bestimmen, und aufgrund des

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Als möglicher Anknüpfungspunkt für eine zeitliche Vorverlagerung der Geschäftsführerpflichten im deutschen Recht wird zunächst der Zeitpunkt des Eintritts einer „Krise“ i. S. d. § 32a Abs. 1 GmbHG erwogen.503 Andere schlagen die „drohende Zahlungsunfähigkeit“ i. S. d. § 18 InsO vor.504 Wieder andere wollen an bestimmte bilanzielle Relationen anknüpfen, z. B. den Verlust der Hälfte des Stammkapitals.505 Zwar berge eine zeitliche Ausweitung der Haftung die Gefahr, dass unter Umständen der Geschäftsführer einer noch sanierungsfähigen Gesellschaft einen verfrühten Insolvenzantrag stellt, um der Haftung zu entgehen. Allerdings ermögliche die Insolvenzordnung unter gewissen Voraussetzungen die Vermeidung der Liquidation einer insolventen Gesellschaft. Der Vorteil liege andererseits vor allem darin, dass der Geschäftsführer schon früher als bisher die Interessen der Gläubiger in seine Planungen über die Fortführung der Gesellschaft einbeziehen müsse. Vor diesem Hintergrund sei die Steigerung seines Haftungsrisikos vertretbar.506 Auch in sachlicher Hinsicht wird eine Verschärfung der Haftung vorgeschlagen. Hierfür werden wiederum häufig das französische oder englische507 Recht als Vorbild herangezogen. In beiden Rechtsordnungen werden die Krisenpflichten des Geschäftsführers nicht einzeln im Gesetz definiert, vielmehr ist der jeweilige Haftungstatbestand generalklauselartig weit formuliert.508 Die Haftung nach Art. L. 651-2 C. com. setzt nur allgemein einen Geschäftsführungsfehler voraus. Die Konkretisierung dieses Begriffs bzw. der Geschäftsführerpflichten bleibt Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen, so dass Raum für einzelfallbezogene Erwägungen bleibt. Das deutsche Recht kennt demgegenüber nur zwei klar umrissene Verhaltensanforderung an den Geschäftsführer in der Krise: die Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. und das Auszahlungs-

bereits relativ früh eingreifenden Insolvenzauslösetatbestandes der Überschuldung eine zeitliche Vorverlagerung der Krisenhaftung ablehnt. 503 Vgl. Hirte, ZInsO 2003, 833 (842); Seibert, in: FS Röhricht 2005, S. 585 (600 f.). 504 Vgl. den Vorschlag bei BDI/Hengeler, Rn. 82 ff., dem zufolge sowohl die Insolvenzverschleppungshaftung als auch die Ausschüttungssperre in Form eines Solvenztests sowie die Qualifikation einer Gesellschafterleistung als Eigenkapitalersatz an das Kriterium der drohenden Zahlungsunfähigkeit anknüpfen sollten, um ein einheitliches, transparentes Gläubigerschutzregime zu schaffen. Der Vorschlag datiert allerdings aus der Zeit vor Veröffentlichung des MoMiG-Entwurfs. Kritisch dazu Schmidt, GmbHR 2007, 1 (7); ders., in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 143 (158). 505 Vgl. Blöse, GmbHR 2005, 832 (835 ff.); Drukarczyk, Finanzierung, S. 57 ff.; Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 (350); Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (155); Roth, NZG 2003, 1081 (1083 f.); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (22). 506 Vgl. BDI/Hengeler, Rn. 83. 507 Vgl. Borges, ZIP 2004, 733 (735); Sandrock, BB 2004, 897 (899). 508 Für einen rechtsvergleichenden Überblick vgl. Schmidt, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 188 (198 f.). Zum englischen Recht näher Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174; Hirt, ECFR 1 (2004), 71; Schall, ZIP 2005, 965.

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verbot gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. Hierin wird teilweise eine unangemessene Beschränkung der Krisenverantwortung der Geschäftsführer zu Lasten der Gläubiger gesehen. Ein allgemeiner Haftungstatbestand, der an die generelle Pflicht des Geschäftsführers anknüpft, in der Krise das Ausfallrisiko der Gläubiger zu minimieren, sei vorzuziehen, da er einen flexiblen Interessenausgleich zwischen Gläubigern und Gesellschaft erlaube.509 6. Einführung einer neuen Gesellschaftsform Vor allem mit Blick auf den internationalen Wettbewerb der Rechtsformen wird vielfach auch gefordert, die gesellschaftsrechtliche Typologie in Deutschland um eine ganz neue Gesellschaftsform zu erweitern.510 Zur Begründung wird zumeist auf die wachsende Zahl von Unternehmen verwiesen, die von Deutschen gegründet werden und allein oder hauptsächlich in Deutschland tätig sind, aber in der Rechtsform der englischen Ltd. betrieben werden. Als Gründe für die Entscheidung vieler deutscher Unternehmensgründer für die Ltd. werden vor allem die schnelle, kostengünstige Gründung ohne Pflicht zur Aufbringung eines Mindestkapitals sowie das Fehlen eines strengen Kapitalschutzregimes angeführt.511 Angesichts dieser für Gesellschaftsgründer entscheidenden Vorzüge könne die GmbH nach geltendem Recht nicht mit der Ltd. konkurrieren, was sich auch durch die Reformen des MoMiG nicht ändere.512 509

Vgl. Schall, ZIP 2005, 965 (970). Vgl. vor allem Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (4), der allerdings fälschlicherweise anführt, Spanien sei diesem Gedanken bereits durch Einführung der S.L.N.E. als „neue Gesellschaftsform“ gefolgt. Dass es sich bei der S.L.N.E. keineswegs um eine solche handelt, sondern nur um eine spezielle Unterform der S.L., wird unten, § 9 I. 1. a), näher ausgeführt. Für eine neue Gesellschaftsform plädieren ferner – in unterschiedlicher Ausgestaltung – Drygala, ZIP 2006, 1797; Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88; Gehb/Heckelmann, GmbHR 2006, R 349; Leuering, ZRP 2006, 201 (203); Priester, ZIP 2006, 161; ders., in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 1 (12 f.); Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381; dies., GmbHR 2005, R 357; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2005, 1517; Vossius/Wachter, BB 2005, 2539; sowie vorsichtig auch Westhoff, GmbHR 2006, 525 (528). 511 Interessanterweise erfreuen sich die französische SARL und die spanische S.L. bzw. S.L.N.E., die ebenfalls deutlich schneller und kostengünstiger gegründet werden können als die GmbH nach geltendem Recht und für die kein oder nur ein geringes Mindestkapital vorgeschrieben ist, nicht einer ansatzweise vergleichbaren Beliebtheit bei deutschen Unternehmensgründern. Die genannten Vorzüge der Ltd. sind also nicht der einzige Grund für deren Verbreitung, sondern vor allem auch der leichtere Zugang zur englischen Sprache. So auch treffend Wachter, in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich (2005), S. 27 (30). 512 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (3). So auch Gehb/Heckelmann, GmbHR 2006, R 349, die das MoMiG als deutliche Verbesserung des Gläubigerschutzes in der GmbH unbedingt befürworten, aber daneben die Einführung einer neuen Gesellschaftsform mit „innovativen Gläubigerschutzmechanismen“ fordern, um auch den Interessen der Unternehmensgründer gerecht zu werden. Dies steht allerdings im Widerspruch zu der Inten510

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Punktuelle Eingriffe in das Regime der GmbH könnten diese strukturellen Nachteile nicht beseitigen. Abhilfe könne nur eine Radikalreform schaffen, die die GmbH von ihrer gesamten Regelungsphilosophie her der Ltd. angleiche und deshalb die vollständige Aufgabe des geltenden Systems bedeuten würde. Dies sei jedoch nicht wünschenswert, da das bisherige Regelungsmodell der GmbH zwar den Nachteil strenger Kapitalschutzregeln und höherer staatlicher Überwachungskosten aufweise, andererseits aber den Gesellschaftern bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften eine weitestgehende Befreiung von der persönlichen Haftung biete. Demgegenüber betone die Ltd. stärker die Verantwortung der Gesellschafter und Geschäftsführer für die Vermeidung von Gläubigerschädigungen, und die im Vergleich zur GmbH weiter gefassten Haftungstatbestände bei Pflichtverletzungen entwerteten deshalb das Haftungsprivileg als „sicheren Hafen“.513 Deshalb habe die GmbH als Rechtsformalternative weiterhin ihre Berechtigung und müsse in ihrer jetzigen Gestalt prinzipiell erhalten bleiben, nicht zuletzt wegen der mit einem vollständigen Systemwechsel verbundenen erheblichen Übergangskomplikationen für bestehende Kapitalgesellschaften.514 Dass daneben aber auch eine gewisse Nachfrage nach einer weniger strengen, dafür mehr Eigenverantwortung verlangenden Gesellschaftsform besteht, zeige der Erfolg der Ltd. Der deutsche Gesetzgeber müsse deshalb aktiv werden und eine neue Rechtsform schaffen, die den Wettbewerb mit der Ltd. bestehen kann.515 Denn wenn deutsche Unternehmen zunehmend in ausländischer Rechtsform in Deutschland tätig würden, wachse die Rechtsunsicherheit im deutschen Geschäftsverkehr. Außerdem gingen den rechtsberatenden Berufen hierzulande Marktanteile verloren, da die Gesellschafter im Zweifel Rechtsrat bei Experten aus der „Mutterrechtsordnung“ ihrer Gesellschaft suchten.516 Dieses Problem könne am sinnvollsten dadurch gelöst werden, dass das inländische gesellschaftsrechtliche Angebot an die Unternehmer um einen Gesellschaftstypus erweitert wird, an den im Gegensatz zur GmbH nur geringste Gründungsanforderungen gestellt werden, bei dessen Führung aber dafür die Gesellschafter und Geschäftsführer stärker in die persönliche Verantwortung genommen werden, die Gläubigerinteressen angemessen zu berücksichtigen.517 Kurz gesagt geht es darum, eine „deutsche Ltd.“ neben der traditionellen GmbH zu schaffen. Mehr oder weniger konkrete Vorschläge, wie eine solche neue Gesellschaftsform aussehen könnte, sind von verschiedener Seite geäußert worden. Das Schrift-

tion des Gesetzgebers, der durch das MoMiG die GmbH gerade auch aus der Perspektive der Gründer wieder attraktiver machen will. 513 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (4). 514 Vgl. Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381. 515 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (4). 516 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (3). 517 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (4).

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tum orientiert sich dabei in der Regel deutlich – zumeist auch explizit – an der Ltd.518 Die neue Gesellschaftsform soll, parallel zu ihrem englischen Vorbild, kein Mindestkapital und keine strengen Kapitalschutzregeln vorsehen. Sie soll dabei insgesamt völlig unabhängig von der GmbH geregelt werden, um deren strukturelle Nachteile gegenüber der Ltd. nicht zu übernehmen.519 Auch müsse es sich um eine juristische Person handeln, da kein Bedarf nach einer neuen Personengesellschaftsform bestehe.520 Der Gläubigerschutz soll zunächst als „Hilfe zur Selbsthilfe“ über erweiterte Offenlegungspflichten sichergestellt werden.521 Weiterhin sei eine – vorzugsweise vom Stammkapital unabhängige – Ausschüttungssperre vorzusehen.522 Hinzutreten sollen verschärfte Haftungstatbestände für Geschäftsführer und Gesellschafter, vor allem in der Krise der Gesellschaft, sowie erleichterte Insolvenzantragsrechte für die Gläubiger.523 Diese neue Gesellschaftsform soll die GmbH keineswegs ersetzen. Sie soll vielmehr ein Stufenverhältnis der Gesellschaftsformen etablieren, das sich an einer bestimmten Unternehmensgröße als Zielgruppe orientiert: die AG für große, die GmbH für mittlere und die neue Gesellschaftsform für kleine Unternehmen.524 Denn gerade für sehr kleine Unternehmen sei sie als Rechtsform attraktiv, die einen kostengünstigen Einstieg in die Haftungsbeschränkung mit einer besonders einfachen Handhabung kombiniere, wenn auch um den Preis einer verschärften Haftung im Krisenfall.525 Die Nähe zur Ltd. biete die Chance, dass 518 Vgl. Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88; Lutter, BB-Special 7/2006, 2; Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381. 519 Auch in ihrer Bezeichnung soll sie sich klar von der GmbH unterscheiden, vgl. Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (Unternehmensgründergesellschaft, UGG); Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (Unternehmergesellschaft, UG); Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381 (Flexible Kapitalgesellschaft, FlexCap). Die Bezeichnung UG ist von den angebotenen Ideen wohl die einzige vergleichsweise geglückte. Deshalb hat sie sich der Reformgesetzgeber des MoMiG für seine Idee einer neuen Unterform der GmbH zu eigen gemacht, deren Gemeinsamkeiten mit den hier diskutierten Konzepten sich allerdings in der Namensgebung erschöpfen. 520 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2. Anders allerdings die Vorschläge von Drygala, ZIP 2006, 1797 für eine „Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung (KmbH)“; sowie der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen für eine „Personengesellschaft mit beschränkter Haftung [PmbH]“. Zu letzterem vgl. Seibert, GmbHR 2007, R 33 f., der das Hauptinteresse an einer haftungsbeschränkten Personengesellschaft in der Besteuerung sieht. Dies könne aber auch leichter durch eine freie Wahl zwischen Personengesellschafts- und Körperschaftsbesteuerung für die GmbH erreicht werden. 521 Vgl. Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381. 522 Lutter, BB-Special 7/2006, 2, führt hier als mögliche Varianten einen Bilanztest oder einen Solvenztest an, wobei ersterer als Mindestgrenze das Verbot der Herbeiführung oder Verstärkung einer Unterbilanz vorsehen oder besser noch, ähnlich wie im kalifornischen Recht, die Einhaltung einer bestimmten „Sicherheitsmarge“ anordnen könne, um die die Aktiva die Passiva nach der Ausschüttung noch übersteigen müssen. 523 Vgl. Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381. 524 Vgl. Lutter, BB-Special 7/2006, 2; Noack, DB 2007, 1395 (1396). 525 Vgl. Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381 f.

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deutsche Unternehmen, die bisher auf die Ltd. zurückgegriffen haben, ihre Gesellschaften in die neue Rechtsform umwandeln, was für sie praktisch keine inhaltlichen Veränderungen bedeute, für den deutschen Rechtsverkehr aber die Unsicherheiten des Umgangs mit nicht vertrauten ausländischen Rechtsformen beseitige.526 Ganz auf der Linie dieser Vorschläge liegt eine andere Idee, die ebenfalls die Schaffung einer neuen Rechtsform unterhalb der GmbH vorsieht, dafür allerdings ihre Inspirationsquelle aus deutschen statt aus ausländischen Alternativrechtsformen bezieht. Die Vertreter dieser Auffassung halten die Einführung einer parallel zur Ltd. ausgestalteten neuen Gesellschaftsformen als Fremdkörper im deutschen Rechtssystem weder für notwendig noch für sinnvoll. Die vielfach beklagten Wettbewerbsnachteile der GmbH könnten vielmehr schon dann ausgeglichen werden, wenn bei der neuen Rechtsform auf strenge, präventive Kapitalschutzregeln verzichtet werde und das Gläubigerschutzsystem sich stattdessen am KGModell orientiere.527 Demnach solle nur noch ex post in der Insolvenz überprüft werden, ob die Gesellschafter ihre Einlagen werthaltig erbracht und in der Gesellschaft belassen haben. Dies vereinfache die Handhabung der GmbH während ihrer gesamten Lebensdauer, führe aber vor allem zu entscheidenden Kosten- und Zeitersparnissen bei der Gründung. Auch von Seiten der Landespolitik sind – unabhängig von den Reformvorhaben auf Bundesebene – konkrete Entwürfe für eine neue Rechtsform vorgelegt worden, die unterhalb der GmbH direkt in Konkurrenz zur Ltd. treten könnte. So veröffentlichte das Justizministerium von NRW einen Gesetzesvorschlag528, dessen Kernanliegen neben einer Erleichterung und Beschleunigung der GmbHGründung529 eine Antwort auf die Zunahme von Ltd.-Gründungen in Deutschland ist. Zu diesem Zwecke soll eine „Basis-GmbH (BGmbH)“ eingeführt werden, die mit einem Mindestkapital von 2.500 Euro auskommt, allerdings nur von höchstens fünf natürlichen Personen gegründet werden kann, und bei der Sacheinlagen generell unzulässig sind. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine eigenständige Rechtsform, sondern vielmehr um eine Unterart der GmbH, 526

Vgl. Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381 f. So etwa Drygala, ZIP 2006, 1797. Vorsichtig in diese Richtung tendierend auch Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1291 mit Fn. 34). Näher zu Vorschlägen, das KGModell in die GmbH selbst zu implementieren, vgl. oben, § 7 II. 2. b) bb). 528 Vgl. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GVGG) vom 01.02.2006, Entwurfstext und Begründung abrufbar auf der Internetseite des Justizministeriums NRW, www.justiz. nrw.de/JM/justizpolitik/gesetzgebung/gesetzgebungsvorhaben/gmbh_recht/index.php (zuletzt aufgerufen am 22.10.2007). Dieser Entwurf hat erkennbar einige nunmehr im MoMiG enthaltene Reformmaßnahmen inspiriert. 529 So ist für die „normale“ GmbH eine fakultative Mustersatzung für reine Bargründungen vorgesehen, bei deren Verwendung nur eine reduzierte Notargebühr anfallen soll. Das Mindeststammkapital von 25.000 Euro soll jedoch beibehalten werden. 527

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ganz ähnlich der nunmehr durch das MoMiG neu eingeführten UG (haftungsbeschränkt).530 Die Begründungsmuster für beide GmbH-Varianten gleichen sich dementsprechend: Durch die neue Gesellschaftsform werde der Nachfrage nach einer vereinfachten und verbilligten Gesellschaftsform mit Haftungsbeschränkung entsprochen und damit das Bedürfnis nach einem Rückgriff auf ausländische Alternativen beseitigt; gleichzeitig werde aber jeder Anschein der Unseriosität von der GmbH selbst ferngehalten, so dass diese für kapitalstärkere Gründer attraktiv bleibe.531 Keine neue Gesellschaftsform, aber eine andere Möglichkeit, die Vorteile der Haftungsbeschränkung auch außerhalb von GmbH und AG zu erlangen, schlägt ein Gesetzesentwurf des bayerischen Justizministeriums vor.532 Demnach soll Kaufleuten die Möglichkeit eingeräumt werden, durch Erklärung gegenüber dem Registergericht ihre Haftung für Verbindlichkeiten aus dem Handelsgewerbe auf bestimmte, inventarisierte Vermögensgegenstände („haftendes Vermögen“) zu beschränken.533 Die Haftungsbeschränkung ist im Firmenzusatz anzugeben (z. B. „Kaufmann mbH“) und erlangt Wirksamkeit mit ihrer Eintragung im Handelsregister. Der Entwurf sieht verschiedene Vorschriften zum Schutz des haftenden Vermögens vor willkürlichen Eingriffen des Kaufmannes vor und ordnet für eine Verletzung dieser spezifischen Pflichten einen Verlust der Haftungsbeschränkung an.534 Der Kaufmann mbH ist damit eine Art Zwischenstufe zwischen verselbständigter Vermögensmasse und juristischer Person.535 Die Begründung für die530 So auch die Entwurfsbegründung zum GVGG, S. 15. Die Besonderheiten der BGmbH sollen allesamt in den neu einzuführenden §§ 12a bis 12h GmbHG enthalten sein, im Übrigen unterläge sie dem Regime der „normalen“ GmbH. Die Anwendung der Sonderregeln soll automatisch enden, wenn die BGmbH ihr Stammkapital auf den gesetzlichen Mindestbetrag für die „normale“ GmbH gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG erhöht, ohne dass es einer Umwandlung bedürfte. Allerdings soll damit, anders als jetzt für die UG (haftungsbeschränkt) geregelt, zwingend eine Änderung der Firma hin zum traditionellen Rechtsformzusatz „GmbH“ verbunden sein, vgl. Entwurfsbegründung zum GVGG, S. 17. 531 Vgl. Entwurfsbegründung zum GVGG, S. 2 f. Zur UG (haftungsbeschränkt) vgl. oben, § 7 I. 1. a) bb). 532 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Kaufmanns mit beschränkter Haftung vom 30.03.2006, Stand 16.05.2007, nebst Begründung abrufbar unter www. justiz.bayern.de/ministerium/gesetzgebung/gesetzentwurf/(zuletzt aufgerufen am 22.10. 2007). 533 Vgl. § 4 HGB-E. Laut Abs. 3 der Vorschrift ist diese Rechtsform insbesondere für Unternehmensgründer, Kaufleute und sonstige Einzelunternehmer konzipiert. Sie steht damit nur Einzelpersonen offen. Vgl. auch Entwurfsbegründung, S. 13. 534 Vgl. § 4f HGB-E. 535 So muss der Kaufmann mbH gemäß § 4b Abs. 1 HGB-E für Ansprüche und Verbindlichkeiten aus dem Handelsgewerbe unter seiner Firma klagen und verklagt werden. Die Nennung des Inhabers ist daneben erlaubt, aber nicht notwendig. Für die Zwangsvollstreckung in das haftende Vermögen ist außerdem gemäß § 4b Abs. 2 HGB-E ein Titel gegen den Kaufmann mbH erforderlich, ein Titel gegen den Inhaber persönlich genügt also nicht.

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sen Vorschlag ist im Wesentlichen die gleiche wie für die Einführung einer neuen Gesellschaftsform oder einer neuen Unterart der GmbH: Die Nachfrage nach Ltd. in Deutschland zeige ein Bedürfnis des Geschäftsverkehrs nach einer haftungsbeschränkten, unkomplizierten Rechtsform ohne Mindestkapital. Gleichzeitig solle aber nicht durch eine „Nivellierung nach unten“ die bewährte Rechtsform der GmbH entwertet werden.536 7. Abkehr vom System des gesetzlichen Nominalkapitals Einigen Autoren schließlich gehen alle systemimmanenten Reformbemühungen nicht weit genug. Sie fordern den radikalen Systembruch, und dies nicht innerhalb einer neuen Gesellschaftsform, sondern für die GmbH selbst: Das kontinentaleuropäische System aus Nennkapitalziffer und Kapitalschutzregeln müsse gänzlich zugunsten eines Alternativmodells abgeschafft werden.537 Nur so sei dem Reformbedarf der GmbH wirksam zu begegnen und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.538 Wie in der somit völlig neu gestalteten GmbH der notwendige Gläubigerschutz sichergestellt werden soll, darüber gehen die Vorstellungen auseinander.539 a) Haftungs- und insolvenzrechtlicher Gläubigerschutz Verbreitet wird zur Begründung der Notwendigkeit einer Abschaffung des Stammkapitalsystems auf die US-amerikanische Entwicklung verwiesen, die im freien Wettbewerb der bundesstaatlichen Rechtsordnungen zu einem praktisch völligen Verschwinden des legal capital geführt habe.540 Daran zeige sich, dass das stammkapitalbasierte Gläubigerschutzsystem nicht die optimale Lösung sei541: Es leiste keinen wirksamen Beitrag zu einer besseren Eigenkapitalausstat536

Vgl. Entwurfsbegründung, S. 11 f. Vgl. etwa Engert, ZHR 170 (2006), 296; Jungmann, ZGR 2006, 638 (680 ff.); Kuhner, ZGR 2005, 753 (776 ff.). Dafür auch Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (187 ff.), der im MoMiG ausdrücklich einen solchen Systemwechsel vermisst. 538 Vgl. nur Kallmeyer, GmbHR 2004, 377, (379): „Abhilfe in allen Bereichen könnte dadurch geschaffen werden, dass man das Stammkapital und dessen Aufbringung durch Stammeinlagen abschafft. [. . .] Man sollte sie [i. e. die Systemänderung] im Interesse einer Europäisierung und durchgreifenden Deregulierung unserer deutschen GmbH erwägen.“ 539 Überblicksweise und insgesamt kritisch zu den Alternativvorschlägen Priester, DB 2005, 1315 (1318). Differenzierend Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 607 ff.; Schön, ZGR 2000, 706 (725 ff.). 540 Vgl. ausführlich Manning/Hanks, Legal Capital; sowie aus dem deutschen Schrifttum knapp Krüger, Mindestkapital, S. 121 ff. 541 Ausführlich zur Kritik am Stammkapitalsystem oben, § 4 II. 1. Zusammenfassend Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 85 ff. 537

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tung der Unternehmen und zur Insolvenzprophylaxe, zumal die pauschale gesetzliche Mindestziffer dem völlig unterschiedlichen Finanzbedarf der einzelnen Unternehmen und dem konkreten Schutzbedarf verschiedener Gläubiger nicht gerecht werden könne. Damit sei es als Gläubigerschutzinstrument ineffektiv, verursache gleichzeitig aber hohe Compliance-Kosten. Außerdem bedürften die Gläubiger keines umfassenden Schutzes durch zwingende gesetzliche Vorgaben, da sich zumindest Vertragsgläubiger durch eine entsprechende Vertragsgestaltung selbst ausreichend zu schützen vermögen. Das inzwischen in den USA vorherrschende Modell, das mit dem der englischen Ltd. in den Grundzügen vergleichbar ist, verzichte deshalb auf ein gesetzlich abgesichertes Stammkapital. Damit werde nicht nur die Gesellschaftsgründung beschleunigt und vereinfacht, sondern auch die Finanzierung des laufenden Unternehmens flexibilisiert, da sowohl die Aufnahme benötigter als auch die Ausschüttung überschüssiger Mittel leichter möglich sei, was zudem die Transaktionskosten für das Finanzmanagement senke.542 Diese wohlfahrtsfördernden Auswirkungen und die Vermeidung der genannten Nachteile des Stammkapitalsystems sind somit die entscheidenden Argumente, die für eine Abschaffung des Stammkapitals angeführt werden. Das Stammkapital soll demnach durch ein an das angelsächsische Modell angelehntes Gläubigerschutzsystem ersetzt werden, das aus dem Gesellschaftsrecht weitestgehend ausgelagert ist und vornehmlich auf dem Selbstschutz der Gläubiger sowie nachgelagerten Haftungstatbeständen und dem Insolvenzrecht basiert. Um dieses System effektiv zu gestalten, müsse die Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter für gläubigerschädigendes Verhalten verschärft werden. Vorschläge hierzu reichen von einer Erweiterung der bisherigen Insolvenzverschleppungshaftung zu einem allgemeinen, eigenständigen Deliktstatbestand der Gläubigerschädigung543 bis hin zur Einführung eines am englischen Vorbild orientierten wrongful-trading-Gesetzes544. 542

Vgl. dazu Kübler, AG 1998, 345; Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 85. Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045 (1057), der bei einer solchen deliktsrechtlichen Lösung den zusätzlichen Vorteil sieht, dass eine Gleichbehandlung deutscher und ausländischer Gesellschaften in Deutschland sichergestellt sei, da Deliktsrecht als allgemeines Rechtsprinzip nicht gegen europäische Grundfreiheiten verstoßen könne. Ähnlich Barta, GmbHR 2005, 657 (662); Ulmer, JZ 2002, 1049, die für eine Verschuldenshaftung der Gesellschafter wegen Gründung oder Fortführung einer Gesellschaft mit zu geringer Kapitalausstattung eintreten. Der Unterschied zu einer – gerade nicht gewollten – generellen Haftung für materielle Unterkapitalisierung dürfte in dem Verschuldenserfordernis liegen. Aus US-amerikanischer Sicht für eine allgemeine deliktische Durchgriffshaftung der Gesellschafter Hansmann/Kraakman, 100 Yale L.J. 1879 (1991). Zur erweiterten Deliktshaftung der Geschäftsführer vgl. etwa Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 71 (88 ff.). 544 In diese Richtung Haas, Gutachten, S. E 25, E 33; Lutter, AG 1998, 375 (376); Lutter/Hommelhoff/dies. (16. Aufl.), § 13 GmbHG Rn. 7 ff.; Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 (351); Wachter, GmbHR 2004, 88 (101). Vgl. auch die Empfehlungen der 543

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Daneben müssten die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger verbessert werden, vor allem durch eine Verringerung des Bewertungsrisikos. Mögliche Instrumente hierfür seien verstärkte gesetzliche Offenlegungspflichten und die Hinzuziehung von Rating-Agenturen, deren Bedeutung infolge von Basel II ohnehin zunehme. Hinzukommen könnten obligatorische Kreditversicherungen als flankierende Absicherung.545 Die Belastung, die dies für die Gesellschaften bedeute, sei begrenzt, da Banken ohnehin in aller Regel zusätzliche Sicherheiten verlangten, sei es von der Gesellschaft selbst oder von den Gesellschaftern.546 Deliktsgläubiger, die zu einem vertraglichen Selbstschutz nicht in der Lage sind, könnten durch eine Privilegierung in der Insolvenz geschützt werden.547 b) Pflichtversicherungen Ergänzend wird angedacht, den Schutz der Gläubiger in Abwesenheit eines gesetzlich abgesicherten Stammkapitals dadurch zu gewährleisten, dass die Gesellschafter bei der Gründung verpflichtet werden, eine Versicherung abzuschließen. Diese soll dann in der Insolvenz die Ausfälle der Gläubiger übernehmen und deren Forderungen begleichen.548 Dieses Modell wird schon seit einiger Zeit in der US-amerikanischen Literatur diskutiert, um vor allem Deliktsgläubiger zu schützen, die nicht über vertragliche Selbstschutzmöglichkeiten verfügen.549 Dadurch würde den Gesellschaftern in Form der Versicherungsprämien eine eigene Leistung abverlangt, die der Preis für die Befreiung von jeglicher persönlicher Haftung wäre. Die Gläubiger würden dadurch effektiv geschützt, da ihnen in Gestalt der Versicherung ein solventer Schuldner gegenüberstehe, und die Risikotragungskosten würden in angemessener Weise internalisiert.

High Level Group, S. 73; sowie die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, vom 21. Mai 2003, KOM (2003) 284 endg., S. 19. Zu den Konturen einer gemeinschaftsrechtlichen wrongful-trading-Haftung vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (455 ff.). 545 Vgl. Wymeersch, in: Referate für den Ersten Europäischen Juristentag, S. 85 (127). 546 Vgl. Wymeersch, in: Referate für den Ersten Europäischen Juristentag, S. 85 (130). 547 In diese Richtung etwa Wagner, in: FS Gerhardt (2004), S. 1043 (1067 ff.); sowie aus dem US-amerikanischen Schrifttum LoPucki, 80 Va. L. Rev. 1887 (1994). 548 Vgl. Armour, 63 Mod. L. Rev. 355, 371 (2000); Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (437); Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (157); Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (725 f.); Schön, Der Konzern 2004, 162 (165). Skeptisch Freedman, 63 Mod. L. Rev. 317, 340 ff. (2000); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (19 f.). 549 Als Alternative zur Pflichtversicherung wird dort zumeist auch zugelassen, dass die Gesellschaft ein bestimmtes Mindestvermögen (minimum assets) vorhält. Vgl. nur Easterbrook/Fischel, 52 U. Chi. L. Rev. 89, 115 (1985); sowie die umfangreichen Nachw. bei Krüger, Mindestkapital, S. 285 ff.

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c) Einführung eines „Soll-Eigenkapitals“ Ein anderes Modell sieht ebenfalls die Abschaffung des Stammkapitals vor, emanzipiert sich dabei aber von den angelsächsischen Alternativsystemen. Die zentrale Rolle für den Gläubigerschutz soll nach diesem Vorschlag nicht haftungs- und insolvenzrechtlichen Instrumenten zukommen, sondern einer freiwilligen Haftungszusage der Gesellschafter.550 In der Sache handelt es sich um eine Konzeption, die der des oben551 beschriebenen „Insolvenzeröffnungskapitals“ nicht unähnlich ist, allerdings mit dem Unterschied, dass hier auf ein Stammkapital und gesetzliche Regeln zu dessen Absicherung sowie auf eine zwingende Untergrenze gänzlich verzichtet wird. Die Gesellschafter können in diesem Regelungsmodell nach wie vor in den Statuten und in späteren Übernahmeverträgen Einlagepflichten vereinbaren. Allerdings bedarf es keiner genauen betragsmäßigen Festlegung mehr, da es sich nicht um Einlagen auf das statutarische Stammkapital handelt, sondern allein um ein Mittel der Unternehmensfinanzierung. Dementsprechend genügt die Bestimmung von Leistungsgegenstand und Art der Leistungserbringung. Die Einlageforderungen werden unter dem Bilanzposten „Einlagen“ im Rahmen des Eigenkapitals passiviert, geleistete Einlagen werden mit dem Betrag aktiviert, der durch Bewertung der Einlage nach den Vorschriften des Bilanzrechts ermittelt wurde. Eine Werthaltigkeitskontrolle durch das Registergericht findet nicht mehr statt und wird durch die Bewertung durch den Abschlußprüfer ersetzt. Die Einlagen sind damit nichts mehr als freiwillige Finanzierungsverpflichtungen der Gesellschafter im Gesellschafts- oder Übernahmevertrag. Sie können flexibel an die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden. Gesetzliche Vorschriften zu Mindesteinlagen oder Einlagefähigkeit bestimmter Gegenstände sind damit überflüssig.552 Die Summe aller Einlagebeträge (das gezeichnete Kapital) spielt demnach keine eigenständige Rolle mehr, sie muss weder in der Bilanz gesondert ausgewiesen noch in das Handelsregister eingetragen werden. An die Stelle des gesetzlich umhegten Stammkapitals tritt zum Schutz der Gläubiger ein in der Satzung festgelegtes „Soll-Eigenkapital“. 553 Es handelt sich hierbei um eine von den Gesellschaftern grundsätzlich frei bestimmbare Sollgröße für das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft.554 Es besteht keinerlei Verpflichtung, bei der Gründung diesen Betrag tatsächlich auch nur anteilig aufzubringen; er steht in keiner direk550

Vgl. zum Folgenden insgesamt Kallmeyer, GmbHR 2004, 377. Vgl. oben, § 7 II. 1. e). 552 Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379). 553 Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379). 554 Allerdings soll zum Schutz vor unseriösen, strukturell unterfinanzierten Gründungen ein Mindestbetrag von 25.000 Euro gesetzlich vorgeschrieben werden, vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379). 551

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ten Beziehung zu den Einlageverpflichtungen der Gesellschafter. Vielmehr gehen die Gesellschafter durch die Festlegung des Soll-Eigenkapitals die Verpflichtung ein, im Insolvenzfall – und erst dann – die Differenz zwischen diesem Sollbetrag und dem tatsächlich vorhandenen Eigenkapital der Gesellschaft auszugleichen.555 Das Soll-Eigenkapital wird anstelle des Stammkapitals als konstitutives Eintragungselement in das Handelsregister eingetragen und soll zu den zwingenden Angaben auf den Geschäftsbriefen gemäß § 35a Abs. 1 S. 1 GmbHG gehören. Es ist jedoch nur eine Sollgröße, gleichsam eine Prognose und gleichzeitig Zielvorgabe für das Eigenkapital der Gesellschaft. Der Sollbetrag ist nicht identisch mit dem tatsächlichen bilanziellen Eigenkapital und muss dies auch weder zum Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft noch später sein. Sein Sinn erschöpft sich darin, dass im Insolvenzfall eine Kapitaldeckungspflicht der Gesellschafter in dieser Höhe entsteht, um masselose Insolvenzen zu vermeiden. Die Gesellschafter trifft demnach in der Insolvenz eine subsidiäre Einlagepflicht, wenn und soweit das bilanzielle Eigenkapital nicht dem satzungsmäßigen Soll-Eigenkapital entspricht. Regelmäßig wird bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Eigenkapital aufgebraucht sein, in jedem Fall steht dem Insolvenzverwalter aber aufgrund der Einstandspflicht der Gesellschafter das satzungsmäßige Eigenkapital in voller Höhe zur Verfügung. Ihre innere Rechtfertigung soll diese nachgelagerte Haftung darin finden, dass „die Gesellschafter durch die publizierte Eigenkapitalziffer einen Vertrauenstatbestand für alle Vertragsgläubiger geschaffen haben.“ 556 Der hierdurch gewährleistete Gläubigerschutz geht über den durch die gesetzlich abgesicherte Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals hinaus, da die satzungsmäßige Eigenkapitalziffer weiter gefasst ist: Sie umfasst nicht nur das gezeichnete Kapital als Summe der bilanzierten Einlagebeträge, sondern auch Kapital- und Gewinnrücklagen (vgl. § 266 Abs. 3 HGB). Ausgangspunkt dafür ist die Erkenntnis, dass aus Sicht der Gläubiger das gesamte Eigenkapital und nicht nur das Stammkapital die eigentliche Kreditgrundlage der Gesellschaft darstellt. Außerdem werde auf diese Weise gewährleistet, dass im Insolvenzfalle auch tatsächlich Insolvenzmasse vorhanden ist, anders als bei einem gesetzlichen Mindestkapital, das nur gegenüber mutwilliger Auszehrung, nicht aber gegenüber wirtschaftlicher Erfolglosigkeit beständig ist. Die Interessen der Gesellschafter würden ebenfalls gewahrt, denn sie hätten einerseits Einfluss auf die Höhe der Soll-Eigenkapitalziffer und profitierten andererseits von einem echten Haftungsprivileg, da sie nicht über die zugesagte Eigenkapitalziffer hinaus haften.557

555 556 557

Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379). Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379). Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379).

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Gleichgültig ist, wann und wie das satzungsmäßige Eigenkapital letztendlich aufgebracht wird, ob durch Gewinnthesaurierung, Kapitaleinlagen oder Zuzahlungen der Gesellschafter. Für die Festlegung der Höhe der Sollziffer im Gesellschaftsvertrag kommt es folglich nicht auf die Leistungsfähigkeit der Gründer an, sondern auf die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft, ihre voraussichtliche Bilanzsumme und die von den Fremdkapitalgebern erwartete Eigenkapitalquote. Dies sei der aus ökonomischer Sicht richtige und sinnvolle Anknüpfungspunkt für ein angemessenes Gläubigerschutzniveau.558 Die Nennbeträge der Geschäftsanteile sollen trotz Wegfalls des Stammkapitals beibehalten werden, nämlich als Bruchteile des statutarischen Soll-Eigenkapitals, um den Umfang des von den einzelnen Gesellschaftern übernommenen unternehmerischen Risikos anzuzeigen.559 Aufgrund der Einstandspflicht der Gesellschafter im Insolvenzfall würde ein generelles Auszahlungsverbot mit Erstattungspflicht, wie es momentan die §§ 30, 31 GmbHG vorsehen, ebenso überflüssig wie das komplizierte Eigenkapitalersatzrecht. Bei Gestattung durch die Statuten oder alle Gesellschafter sollen vielmehr jederzeit Entnahmen aus dem Eigenkapital, auch unter die Sollgrenze, möglich sein. Allein das erhöhte Risiko einer Einstandspflicht im Insolvenzfall sei Anreiz genug, die Gesellschafter von Entnahmen abzuhalten, die die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährden.560 Eine Grenze müsse erst dort gezogen werden, wo die Gesellschaft i. S. d. § 19 InsO überschuldet ist oder dies durch die Entnahme würde.561 Allerdings könne echtes Eigenkapital durch Gesellschafterdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt ersetzt und so eine Überschuldung gegebenenfalls beseitigt oder vermieden werden.562 Werde ein solches Darlehen vorzeitig zurückgezahlt, genüge eine Haftung des Geschäftsführers aus § 64 Abs. 2 GmbHG, eines Rückgriffs auf Regeln des Eigenkapitalersatzrechts bedürfe es nicht.563 Erhöhungen und Herabsetzungen des satzungsmäßigen Soll-Eigenkapitals sollen grundsätzlich durch einfache Satzungsänderung möglich sein, insbesondere bedürfe es für eine Reduktion keiner besonderen Schutzmaßnahmen wie Gläubigeraufruf oder Sperrfristen. Die Interessen der Gläubiger würden dadurch gewahrt, dass für die Bezifferung der Einstandspflicht der Gesellschafter im Insolvenzfall alle Kapitalreduktionen im letzten Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Berücksichtigung fänden.564 Das bisherige Sperrjahr werde also 558 559 560 561 562 563 564

Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379). Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (380). Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (380). Vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97 (102); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (380). Vgl. dazu BGH GmbHR 2001, 190. Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (380). Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (380).

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durch einen Referenzzeitpunkt für die Berechnung des jeweiligen Haftungsumfangs ersetzt, der in der Zeit vor der Insolvenz liegt und nur bei deren Eintritt nachträglich relevant wird, was für die Gesellschaft einen Zugewinn an Flexibilität bedeute, ohne den Gläubigerschutz nennenswert zu beeinträchtigen. Im Ergebnis kombiniert dieser Vorschlag verschiedene Elemente und Argumentationslinien der o. g. Ideen. Das Stammkapital soll abgeschafft bzw. in Form der Einlagen auf seine Finanzierungsfunktion reduziert werden, da es zum Gläubigerschutz ungeeignet sei. Die persönliche Haftung der Gesellschafter soll aber nicht von einem Fehlverhalten abhängig gemacht werden, vielmehr soll der Gläubigerschutz wie bisher auf einer ex ante betragsmäßig festgelegten persönlichen Leistung der Gesellschafter beruhen und eine weitergehende Haftung nur in engen Ausnahmefällen möglich sein, damit das Haftungsprivileg seine Effektivität als Investitionsanreiz nicht verliert. Die Einstandspflicht der Gesellschafter soll aber erst in der Insolvenz eingreifen, damit erstens die Kapitalaufbringung und -erhaltung nicht aufwendig und mit entsprechend hohen Compliance-Kosten sichergestellt werden muss und damit zweitens den Gläubigern in der Insolvenz auch tatsächlich Verteilungsmasse zur Verfügung steht, was durch das bisherige Kapitalschutzregime nicht gewährleistet wird.

§ 8 Frankreich Auch in Frankreich ist die Diskussion um eine Reform der SARL in vollem Gange. Der Schwerpunkt liegt dabei jedoch nicht in gleichem Maße wie in Deutschland auf den Anforderungen des globalen Wettbewerbs der Rechtsordnungen, sondern der Blick richtet sich stärker nach innen, auf die Defizite der SARL im Hinblick auf die Bedürfnisse der französischen Wirtschaft,565 insbesondere der KMU.566 Einige Reformprojekte wurden in den letzten Jahren be565 Laut Monnet, Dr. sociétés 2004, repère 5, ist einer der Hauptgründe für den Reformeifer des französischen Gesetzgebers auf dem Gebiet der SARL die nationale Konkurrenz der 1999 eingeführten société par actions simplifiée (SAS), nicht etwa der Wettbewerb mit ausländischen Rechtsformen. Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit hat auch generell in Frankreich nur einen begrenzten Widerhall erfahren, der nicht mit der breiten Resonanz im deutschen Schrifttum zu vergleichen ist. In den Debatten zur loi Dutreil hat die Konkurrenzfähigkeit der SARL im Vergleich zu ausländischen Rechtsformen, insbesondere den Ein-Pfund- bzw. Ein-Euro-Gesellschaften in Großbritannien und Irland, zwar eine gewisse Rolle gespielt, vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127, 135, 140. In der Gesetzesbegründung wird der Zusammenhang zwischen der EuGH-Rechtsprechung bzw. dem internationalen Wettbewerb der Rechtsordnungen und der Reform der SARL jedoch an keiner Stelle erwähnt, war also offenbar jedenfalls kein offiziell tragender Beweggrund. Im Ergebnis ebenso Wachter, GmbHR 2003, R 377 (R 378). Vgl. dazu auch Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459. 566 Die kleinen und mittleren Unternehmen erfreuen sich in Frankreich, entsprechend dem Trend in der EU und ihren Mitgliedstaaten, in jüngerer Zeit gesteigerter legislati-

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

reits legislativ umgesetzt. Auf sie wurde, soweit sie für den Gegenstand dieser Untersuchung von Relevanz sind, im jeweiligen Kontext bei der Beschreibung der aktuell geltenden Rechtslage hingewiesen. Eine herausgehobene Einzelbetrachtung verdient jedoch die loi Dutreil, da sie mit der Abschaffung des Mindestnominalkapitals die Frage nach der systematischen Konzeption und den Grundlagen der Finanzverfassung der SARL in besonders plastischer Weise aufgeworfen hat. Dieses Reformgesetz soll deshalb in einem ersten Schritt einer genaueren Analyse unterzogen werden (I.), um anschließend auf weitergehende Vorschläge aus der rechtswissenschaftlichen Doktrin einzugehen (II.).

I. Die Reformen der loi Dutreil Von seiner grundlegenden Novellierung im Jahre 1966 bis zur Jahrtausendwende zeichnete sich das Recht der SARL durch weit gehende Kontinuität aus. Neuerdings ist jedoch eine beinahe hektisch anmutende Aktivität des Gesetzgebers auf diesem Gebiet zu verzeichnen.567 Ähnlich wie in vielen Bereichen des deutschen Rechts folgt in immer schnellerem Rhythmus ein Reformgesetz dem anderen, ohne dass immer eine klare Gesamtkonzeption erkennbar wäre.568 Dieser Vorwurf wird auch in Bezug auf die loi Dutreil geäußert, die im Jahr 2003 nach verhältnismäßig kurzer Entwurfsphase569 verabschiedet wurde. Im Folgenden sollen zunächst die wichtigsten Neuerungen dieses Gesetzes vorgestellt werden. Die Darstellung konzentriert sich hierbei auf die Regelungen zur Finanzverfassung der SARL und zum Gläubigerschutz (a). Sodann werden die Reaktionen des Schrifttums auf diese Reformen, insbesondere die Abschaffung des Mindestkapitals, referiert (b). Abschließend soll ein Blick auf erste statistische Erhebungen dazu beitragen, den praktischen Nutzen der Reformen zu bewerten (c).

ver Aufmerksamkeit. Für ein weiteres diesbezügliches Reformgesetz, das allerdings für diese Untersuchung keine Rolle spielt, vgl. loi n ë 2005-882 en faveur des petites et moyennes entreprises vom 02.08.2005, JO vom 03.08.2005, 12639. Näher dazu Notté, JCP E 2005, 687 ff. 567 Vgl. Monnet, Dr. sociétés 2004, repère 5: „En trois années le droit de la SARL a plus évolué qu’il ne l’avait fait depuis la loi du 7 mars 1925.“ Lécuyer, P. A. 2004, 4: „La S.A.R.L. traverse une zone de turbulences [. . .].“ 568 Dies beklagend statt vieler Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 10. 569 Castagné, JCP N 2004, 1778 (1830), bezeichnet die loi Dutreil wegen der kurzen Zeitspanne zwischen erstem Entwurf und Verabschiedung als „loi d’action“. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (130), bedauert ausdrücklich, dass der Reform keine tief gehende Grundsatzdiskussion mit Folgenabschätzung vorausgegangen ist, sieht dies aber als generelles Problem der jüngeren französischen Gesetzgebung. Ähnlich Ouachem, S. 20.

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1. Die neuen gesetzlichen Regelungen Am 01. August 2003 wurde nach zahlreichen Lesungen in Senat und Nationalversammlung das „Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Initiative“ 570 verabschiedet.571 Es enthielt verschiedene Reformmaßnahmen,572 von denen eine jedoch im In- und Ausland besonderes Aufsehen erregte:573 Das gesetzliche Mindestkapital der SARL, seit deren Einführung im Jahre 1925 trotz betragsmäßiger Schwankungen ein festes Grundelement ihrer Finanzverfassung574, wurde abgeschafft. Seither steht die Bestimmung des Stammkapitals im freien Ermessen der Gründer; die Gründung einer SARL mit einem rein symbolischen Stammkapital von nur einem Euro ist also zulässig.575 Frankreich ist damit als erster kontinen-

Loi no 2003-721 pour l’initiative économique vom 01.08.2003, JO vom 05.08. 2003, 13449, nach dem federführenden damaligen Staatssekretär für kleine und mittlere Unternehmen im Wirtschaftsministerium, Renaud Dutreil, kurz „loi Dutreil“ genannt. Im Folgenden wird dieser Name bzw. die Abkürzung LIE verwendet, wenn auf das Reformgesetz selbst verwiesen wird. In aller Regel werden aber die modifizierten Vorschriften der betroffenen Einzelgesetze, insbesondere des C. com., zitiert. 571 Vgl. zum Entstehungsprozess Becker, GmbHR 2003, 1120. 572 Für einen Überblick vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10; Pecqueur, JCP N 2003, 1645; Lienhard, D. 2003, 1900; Germain, JCP 2003, act. 401, 1493; Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (412 f.); sowie die Kurzübersicht en bref – entreprise, JCP N 2003, 183. Aus deutscher Sicht Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459; sowie sehr knapp Becker, GmbHR 2003, 1120 ff. 573 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10: „On se souviendra longtemps de l’été 2003!“; de Vendeuil, JCP E 2003, 1401: „une révolution“; Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30: „étape extraordinairement importante de l’histoire du droit de la SARL“; Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (130 f.): „véritable nouveauté“, „mini-révolution“; Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (13): „[. . .] la suppression de tout minimum légal représente sans doute l’apport le plus spectaculaire de la loi pour l’initiative économique.“ Andererseits hält eine Vielzahl von Autoren, wie auch der Gesetzgeber selbst, diese der Abschaffung des Mindestkapitals beigemessene Bedeutung für übertrieben angesichts des eher symbolischen Unterschiedes zur früheren Rechtslage, vgl. unten § 8 I. 2. a). 574 Art. 1 I LIE. Vgl. oben, § 5 I. 2. b). 575 Nicht eindeutig geklärt ist, ob auch 0,01 Euro als Stammkapital festgesetzt werden kann. Dies erscheint theoretisch möglich, wenn nur ein Gesellschafter und damit nur ein Geschäftsanteil vorhanden ist. Zwar spricht Art. L. 223-2 C. com. von „parts sociales“, also im Plural, doch ist die Pflicht zur Schaffung mehrerer Geschäftsanteile in der „Einmann-SARL“ (EURL) sinnlos. Im Übrigen würde sich ansonsten eine Untergrenze von 0,02 Euro ergeben, was praktisch keinen Unterschied macht. Vgl. dazu Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (416); Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (130 f.). A. A. wohl Castagné, JCP N 2004, 597 (599), die ohne nähere Auseinandersetzung mit der Frage einen Euro als „seuil ultime“ ansieht. Unklar ist auch, ob die Gesellschafter bei der Gründung ein Kapital von null Euro festsetzen dürfen. Dagegen spricht jedoch unter anderem, dass der Anteil am Stammkapital nach wie vor der Schlüssel für die Verteilung der Vermögens- und Verwaltungsrechte der Gesellschafter ist, was nur bei einem Wert größer als null möglich ist. Vgl. Germain, JCP 2003, act. 401, 1493. Auch wenn der Gesetzgeber, entgegen des ursprünglichen Entwurfs, jede Bezugnahme auf ein Mindestkapital im neu gefassten 570

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

taleuropäischer Staat vom gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapital abgerückt und hat die SARL insoweit dem angloamerikanischen Regelungsmodell angenähert.576 Die offizielle Bezeichnung des Gesetzes lässt eindeutig erkennen, was die Zielsetzung und der gemeinsame Nenner der ganz unterschiedliche Bereiche betreffenden Neuregelungen ist: Die Förderung der „initiative économique“, also eine Stimulierung von Unternehmensgründungen.577 Das neue Gesetz fügt sich damit ein in eine lange Reihe von Gesetzen aus den letzten 20 Jahren, die mit dem gleichen Ziel und teilweise ähnlicher Bezeichnung Neuerungen quer durch alle Rechtsgebiete eingeführt haben.578 Der Grund für das wiederholte Tätigwerden des Gesetzgebers liegt vor allem in der schon seit Jahren beklagten vergleichsweise geringen Zahl von Unternehmensgründungen in Frankreich.579 Diesem Missstand soll im Rahmen der loi Dutreil vor allem durch eine Vereinfachung der Gründungsprozedur einerseits und der Unternehmensfinanzierung andererseits abgeholfen werden.580 Art. L. 223-2 C. com. bewusst unterlassen hat, so wollte er doch nicht das Stammkapital insgesamt abschaffen. Dies wäre aber der Fall, wenn ein Stammkapital von null Euro zulässig wäre. Laut Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (133 f.), haben die Initiatoren der Reform dieses Problem kaum wahrgenommen, und wenn, dann nur unter Aspekten des politischen Marketings: Der Slogan einer „Null-Euro-SARL“ erwecke eher Misstrauen, während eine „Ein-Euro-SARL“ nach unternehmerischer Freiheit klinge. Damit existiert also weiterhin eine zwingende Untergrenze, möge sie nun bei einem Euro oder einem bzw. zwei Eurocent liegen. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409, 418, weist in dem Zusammenhang aber auf die Möglichkeit hin, dass das Stammkapital zum Ausgleich von Verlusten auf null herabgesetzt werden könne, in Anlehnung an den durch die loi Dutreil aufgehobenen Art. L. 223-2 Abs. 2 C. com. a. F. allerdings nur unter der aufschiebenden Bedingung einer unmittelbar anschließenden Erhöhung mindestens auf das neue gesetzliche Minimum. Lediglich ein negatives Stammkapital sei widersinnig und deshalb vollkommen ausgeschlossen. Für die Zulässigkeit eines negativen Stammkapitals aber Chiffaut-Moliard, JCP E 2003, 1860. 576 Vgl. Oelkers, GesRZ 2004, 360 (361); Castagné, JCP N 2004, 597; Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (140). Ausdrücklich auf die Annäherung an das angloamerikanische Modell Bezug nehmend auch der Rapport Sénat Nr. 217 vom 19.03. 2003, S. 39 ff. 577 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10; Pecqueur, JCP N 2003, 1645; Lienhard, D. 2003, 1900; Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459. 578 Vgl. die Aufzählung bei Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (409 f.), der deshalb auf S. 423 die Vorgehensweise des französischen Gesetzgebers im Bereich der Förderung von unternehmerischer Initiative als „pointilliste“ bezeichnet. Dies hat zu einem Regelungssystem geführt, dessen ausufernde Komplexität ein Oppositionsmitglied im französischen Parlament schon im Jahr 2000 plastisch anprangerte: Es gebe in Frankreich 2.005 Einzelmaßnahmen zur Förderung von Unternehmensgründungen, mit deren Durchführung 1.400 verschiedene Einrichtungen betraut seien. Vgl. Rep. min. Économie Nr. 22413, JO Sénat Q, Nr. 31, 03.08.2000, S. 2721 = Bull. Joly 2000, § 215. 579 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (410), der unter Hinweis auf die Vergleichszahlen jährlicher Unternehmensgründungen in Frankreich, Spanien und England feststellt: „[L]a nécessité commande.“

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In die erstgenannte Richtung weisen die neu geschaffene Möglichkeit, rechtserhebliche Erklärungen im Zusammenhang mit der Gründung via Internet abzugeben, oder die Einführung eines Gründungszertifikats, des sog. „récépissé de création d’entreprise“ (R.C.E.), dessen Vorlage den Gründern die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte schon vor Eintragung der Gesellschaft erlaubt.581 Das gleiche gilt für Vereinfachungen im Hinblick auf die Einrichtung des Gesellschaftssitzes am privaten Wohnsitz des Geschäftsleiters.582 Um die Erleichterung der Finanzierung des Unternehmens geht es bei den Veränderungen im Recht der Personalsicherheiten583 sowie bei der Reduzierung der Steuerlast. All diese Neuerungen betreffen jegliche Form von Handelsgesellschaften, nicht nur die SARL. 580 Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfs durch den Verfasser Dutreil, zitiert nach Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (410): „Le titre I [du projet de loi] a pour objectif de faire de la création d’entreprise un acte accessible à tous, simple et rapide. Les articles 1, 2 et 3 permettront ainsi de créer en un jour, éventuellement en ligne, une société au capital librement fixé, [. . .].“ Vgl. auch Oelkers, GesRZ 2004, 360 (361). Weitere Anliegen des Gesetzes sind die Erleichterung der Übertragung von Unternehmen sowie ein verbesserter Schutz für das Privatvermögen des Einzelunternehmers. So kann letzterer z. B. gemäß den neu eingefügten Artt. L. 526-1 ff. C. com. das Haus, in dem er seinen privaten Wohnsitz hat, im Rahmen von geschäftlichen Schulden für unpfändbar erklären lassen. Vgl. dazu die Nachweise bei Castagné, JCP N 2004, 597 (598). Zudem wurden diverse strafrechtliche Sanktionen im Zusammenhang mit der Unternehmensgründung abgeschafft, vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (423 f.). 581 Art. 123-9-1 C. com. sieht vor, dass dieses Zertifikat kostenlos erteilt wird, wenn der vollständige Antrag auf Eintragung einschließlich aller erforderlichen Unterlagen eingereicht wurde, und dass es Rechtsgeschäfte mit hoheitlichen oder privaten Trägern von Aufgaben des öffentlichen Dienstes ermöglichen soll, also etwa die Einrichtung eines Telefonanschlusses oder eines Postfachs für die Gesellschaft. Es nimmt allerdings in keiner Weise die Entscheidung über die Eintragung vorweg und erlaubt auch nicht, anders als ursprünglich im Gesetzesentwurf vorgesehen, den Zugriff des Vertreters der Gesellschaft auf die hinterlegten Einlageleistungen. Näher dazu Lienhard, D. 2003, 1900 (1902 f.). Die Einführung des R.C.E. ist dem Umstand geschuldet, dass in Frankreich die „VorSARL“ nicht rechtsfähig ist, vgl. oben, § 5 I. 2. g) bb). Die in Gründung befindliche Gesellschaft kann also noch nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten sein. Die Gründer mussten deshalb bisher zum Abschluss der genannten Rechtsgeschäfte die Eintragung der Gesellschaft durch Vorlage des Handelsregisterauszugs, des sog. „extrait K bis“, nachweisen. Von der Anmeldung bis zu dessen Ausstellung konnten allerdings einige Wochen vergehen. Diese unnötige Zeitverzögerung bei der Gründung soll durch die Neuregelung beseitigt werden. Die Gründer haften jedoch weiterhin persönlich für alle im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten, bis die Gesellschaft eingetragen ist und in der Folge diese Verbindlichkeiten mit Wirkung ex tunc übernimmt, Art. L. 210-6 Abs. 2 C. com. Daran ändert auch das R.C.E. nichts, wie Art. 1239-1 C. com. klarstellt. Es handelt sich also um eine rein formale Neuerung, die den Nachweis einer laufenden Eintragungsprozedur gegenüber den genannten Vertragspartnern ermöglichen soll, aber um keine Veränderung in der Sache. Ebenso und ausführlich dazu Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (11 f.); Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (460). 582 Näher Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (12 f.). 583 Hier wurde insbesondere der Schutz des Bürgen gegenüber gewerblich handelnden Gläubigern verbessert, vgl. Artt. L. 331-2, L. 341-2 ff. C. consomm. Der Grund

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Die Abschaffung des Mindestkapitals, die nur für die SARL, nicht aber für die SA gilt, ist als Beitrag sowohl zur Verringerung der Gründungshürden als auch zur Flexibilisierung der Unternehmensfinanzierung gedacht. Die Gesetzesbegründung äußert sich dazu wie folgt584: Zunächst sei die gläubigerschützende Wirkung des Mindestkapitals von 7.500 Euro nicht mehr als eine Illusion, da die entsprechenden Vermögenswerte meist schon nach den ersten Wochen der Geschäftstätigkeit aufgezehrt seien. Auch ein ernsthaftes Seriositätssignal gehe von der anfänglichen Aufbringung einer solchen Summe nicht aus. Außerdem habe eine wachsende Anzahl von Gesellschaften, insbesondere im Dienstleistungssektor, keinen Bedarf an nennenswertem Anfangskapital.585 Die pauschale, willkürliche Festlegung durch den Gesetzgeber, wie viel Eigenkapitaleinsatz zur Gründung eines erfolgreichen Unternehmens mindestens nötig ist, sei deshalb unlogisch und eine unnötige Gründungshürde. Eine individuelle Bestimmung der angemessenen Eigenkapitalausstattung durch die Gründer sei vorzugswürdig. Durch diese Liberalisierung ihrer Finanzverfassung soll die Rechtsform der SARL, die aufgrund ihrer Beliebtheit im französischen Mittelstand eine entscheidende Rolle im Wirtschaftsleben Frankreichs spielt, gestärkt und attraktiver gemacht werden.586 Die Aufgabe jeglicher gesetzlicher Vorgabe bezüglich der Höhe des Stammkapitals liegt ganz auf der Linie einer seit einigen Jahren, insbesondere seit der loi NRE von 2001, zu beobachtenden Entwicklung der französischen Gesetzgebung, die dem Stammkapitalsystem – gegenläufig zur Tendenz des Gemeinschaftsrechtes und der meisten nationalen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten587 und unter Annäherung an das angelsächsische Regelungsmodell – mehr und mehr den Rücken kehrt.588 Diese Entwicklung lässt sich vor der loi Dutreil

dafür liegt nicht zuletzt darin, dass Bankkredite eine Hauptfinanzierungsquelle für Unternehmen sind, solche Kredite aber meist nur unter der Bedingung einer Bürgschaft des Geschäftsführers oder Hauptgesellschafters ausgereicht werden. Ein besserer Schutz des Bürgen erleichtert den Betroffenen die Entscheidung über die Gewährung einer Bürgschaft und damit der Gesellschaft die Kreditaufnahme. Näher dazu Avena-Robardet, D. 2003, 2083; Piedelièvre, Defrénois 2003, 1371, Art. 37827; Houtcieff, JCP 2003, I, 161. 584 Vgl. die Präambel der loi Dutreil, JO vom 05.08.2003, 13449; ebenso bereits die Entwurfsbegründung: Projet de loi pour l’initiative économique, Exposé des motifs, JO vom 23.12.2002, Nr. 507. Knapp hierzu auch Wachter, GmbHR 2003, R 377. 585 Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365), Fn. 11, weist jedoch darauf hin, dass auch bei einer Tätigkeit im Dienstleistungssektor gewisse Anfangsinvestitionen wie Marktstudien, die Einholung von Rechtsrat etc. erforderlich sind, für die ein Betrag von 7.500 Euro nicht als übermäßig hoch anzusehen ist. 586 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (11). 587 Ebenso Wachter, GmbHR 2003, R 377 (R 378): „[I]n keiner Weise durch neuere Rechtsentwicklungen in Europa oder im Ausland beeinflusst.“ 588 Vgl. Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3; Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (133). Vgl. auch Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (916), der deshalb in der

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insbesondere anhand eines passiven und eines aktiven Beitrages des französischen Gesetzgebers zur Erosion der Rolle des Stammkapitals verdeutlichen:589 Zunächst hat er den inflationsbedingten Wertverlust des Mindestkapitals nicht ausgeglichen und dadurch im Ergebnis dessen kontinuierliches Absinken zugelassen.590 Sodann hat er im Rahmen der loi NRE Dienstleistungen als Einlageform generell zugelassen und zudem den anfänglich aufzubringenden Anteil des Stammkapitals reduziert.591 Die loi Dutreil stellt aber nicht nur den vorläufigen End- und Höhepunkt dieser sich abzeichnenden Neuausrichtung dar, sondern weist auch bereits die Richtung zukünftiger Reformen: Die Tendenz der Entbürokratisierung, Beschleunigung und Kostenreduzierung bei der Gesellschaftsgründung einerseits und der Flexibilisierung der Unternehmensfinanzierung andererseits wurde durch die ordonnance n ë 2004-274 vom 25 März 2004592 fortgesetzt und vertieft.593 InsgeÜberschrift seines Beitrags die Frage aufwirft, ob es sich bei der Abschaffung des Mindestkapitals um die „mort annoncée“ des Stammkapitals insgesamt handele. 589 Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (133). 590 Auch die Anhebung von 20.000 FF auf 50.000 FF im Jahr 1984 genügte nicht, um die Inflation seit Erlass der loi 1966 auszugleichen. Die Kaufkraft von 20.000 FF im Jahr 1966 hätte 1989 mehr als 100.000 FF entsprochen, vgl. Merle, Rn. 178. 591 Die loi NRE erlaubte erstmals eine gestaffelte Erbringung der Einlageleistungen: Gemäß Art. L. 223-7 Abs. 1 S. 3 C. com. müssen Bareinlagen seitdem nur noch zu einem Fünftel bei der Gründung erbracht werden, der Rest innerhalb der folgenden fünf Jahre. Bei einer reinen Bargründung war also auch schon vor der Abschaffung des Kapitalminimums die Aufbringung von zunächst 1.500 Euro ausreichend, um eine SARL zu gründen. Vgl. näher oben § 5 I. 2. c). 592 JO vom 27.03.2004, 5871, ratifiziert durch Art. 78 Abs. 15 der loi no 2004-1343 vom 09.12.2004, JO vom 10.12.2004, 20857. Auf dieses Reformpaket soll mangels direkten Bezuges zum Gegenstand dieser Untersuchung nicht näher eingegangen werden. Für einen ersten Zugriff aus deutscher Sicht vgl. den Überblick bei Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (461 ff.). Ausführlich Champaud/Danet, RTD com. 2004, 313 ff.; Lienhard, D. 2004, 930 ff.; Bonneau, Dr. sociétés 2004, 30 f.; Lécuyer, P. A. 2004, 4 ff.; Monnet, Dr. sociétés 2004, 6 ff. 593 Insbesondere ist es größeren SARL seither gestattet, außerhalb regulierter Märkte Namensschuldverschreibungen auszugeben, Art. L. 223-11 C. com. n. F. Diese Maßnahme trägt im Gegensatz zu den Reformen der loi Dutreil dazu bei, die SARL weiter der SA anzunähern, und ist eher auf die Bedürfnisse mittlerer und großer als auf die kleiner Unternehmen zugeschnitten, vgl. Lienhard, D. 2004, 930; Monnet, Dr. sociétés 2004, repère 5; Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (463). Lienhard, D. 2003, 1900 (1901), kritisiert deshalb, dass es dem Gesetzgeber an einem kohärenten Konzept fehle, wie die reformierte SARL sich stimmig in das Gesamtbild des französischen Gesellschaftsrechts einfügen lasse. Ein im Kontext dieser Arbeit aufschlussreicher Randaspekt dieser neuen Finanzierungsoption ist, dass sie nur Gesellschaften mit einem gewissen wirtschaftlichen Gewicht offen stehen soll. Als Maßstab hierfür knüpft der Gesetzgeber an die Bilanzsumme, den Umsatz und die Anzahl der Arbeitnehmer an, nicht jedoch an das Stammkapital. Er teilt also offensichtlich die Ansicht der Kreditgeber, dass die Stammkapitalziffer keinen Rückschluss auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft zulasse. Vgl. Champaud/Danet, RTD com. 2004, 313 (334).

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

samt lässt sich festhalten, dass die SARL in den Jahren seit der loi NRE verstärkt im Fokus der Reformbemühungen stand und ein Ende der legislativen Eingriffe bisher nicht abzusehen ist. Die Unterschiede zwischen SARL und SA sind dabei teils größer geworden, indem der Zuschnitt der SARL auf personalistische Strukturen und kleine Unternehmen akzentuiert wurde.594 In anderer Hinsicht wurde dies aber konterkariert durch Maßnahmen, die die SARL auch für größere Unternehmen attraktiver machen.595 Trotz des grundsätzlich nach wie vor stärker personalistischen Charakters der SARL596 wird deshalb auch in Frankreich immer häufiger die Frage gestellt, ob die Unterscheidung zwischen SA und SARL noch sinnvoll ist, und ob es nicht vielmehr einer Neueinteilung bedarf nach dem Kriterium, ob eine Kapitalgesellschaft an der Börse notiert ist oder nicht.597 2. Die Reaktion des Schrifttums Die fortschreitende legislative Verdrängung des Stammkapitals aus seiner Rolle als Grundelement der Finanzverfassung der SARL und die Abschaffung des Mindestkapitals als ihr vorläufiger Höhepunkt haben manchen französischen Gesellschaftsrechtler überrascht, liegt darin doch eine markante Richtungsänderung im Vergleich zur früher vorherrschenden Tendenz in Gesetzgebung und rechtswissenschaftlicher Reformdiskussion.598 So hatten zuvor alle gesetzlichen Veränderungen am Mindestkapital der SARL in Erhöhungen bestanden.599 Zuletzt wurde es durch Art. 55 des Gesetzes vom 01. März 1984 mehr als verdoppelt, nämlich von den ursprünglich in der loi 1966 enthaltenen 20.000 FF auf 50.000 FF (entspricht ca. den späteren 7.500 Euro)600. Noch 1996 schlug der Rapport Marini eine weitere Verdopplung auf 100.000 FF vor, die allerdings nie Gesetz wurde.601 Diskussionsbeiträge aus dem Schrifttum gingen sogar noch weiter.602 594

Etwa durch die Abschaffung des Mindestkapitals. So wurde durch die ordonnance vom 25.03.2004 nicht nur die Ausgabe von Namensschuldverschreibungen erlaubt, sondern auch die Höchstzahl der Gesellschafter von 50 auf 100 angehoben. 596 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1271. 597 Vgl. Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (463 m.w. N.). 598 Vgl. Lienhard, D. 2003, 1900, der anmerkt, dass bis zum Erlass der loi Dutreil eher der Ruf nach einer Stärkung des Stammkapitals die Reformdiskussion beherrschte und dass daher „l’annonce de cette suppression [scil. du capital social minimum] avait causé une certaine surprise“. Ähnlich Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30. 599 Vgl. oben, 2. Teil Fn. 440. 600 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Rn. 1276. 601 Vgl. Lemeunier, Rn. 117 ff.; sowie bereits oben, § 5 II. 2. a). Auch diese Anhebung hätte jedoch noch nicht einmal die Inflation seit 1984 ausgeglichen. Nach heutigem Stand müsste das Mindestkapital dafür rund 40.000 Euro betragen, vgl. Simon, EBLR 2004, 1037 (1038). 602 Vgl. Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30. 595

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Die französische Rechtswissenschaft hat dementsprechend auf die Reformen der loi Dutreil zwiespältig reagiert. Die gesellschafts- und handelsrechtlichen Lehrbücher bescheiden sich größtenteils mit der Darstellung der neuen Gesetzeslage, häufig unter wohlwollendem Hinweis auf die begrüßenswerte gesetzgeberische Zielsetzung der Förderung von Unternehmensgründungen, jedoch ohne eindeutige eigene Positionierung. Die Aufsatzliteratur äußert sich zumeist abwartend603 bis positiv in Bezug auf die Gründungserleichterungen, die für alle Handelsgesellschaften gelten.604 Vereinzelt wird allerdings die sehr komplex erscheinende Aneinanderreihung einer solchen Vielzahl von teilweise sehr unverständlich formulierten Einzelregelungen moniert, die den Unternehmern schwer als „Erleichterung“ der Unternehmensgründung vermittelbar sei.605 Hinsichtlich der Abschaffung des Mindestkapitals überwiegen die kritischen Stimmen.606 a) Ablehnende Stimmen Zunächst wird der Nutzen des letztgenannten Reformschrittes und dessen Eignung zur Erreichung des Ziels der Förderung der „initiative économique“ bezweifelt. Die Abschaffung des Mindestkapitals sei eine rein populistische Maßnahme ohne echten positiven Effekt für Existenzgründer.607 Die Vorteile gegen603 Vgl. insbesondere die Bedenken, die Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (420), äußert: Das RCE ist seiner Meinung nach wenig nützlich, da es über die Vollständigkeit des Eintragungsantrags hinaus keine Aussage enthalte. Die in Art. 123-9-1 C. com. angesprochenen Träger öffentlicher Aufgaben könnten deshalb aus Misstrauen gegenüber der neuen Bescheinigung den Abschluss der betreffenden Rechtsgeschäfte verweigern, ohne dass das Gesetz hierfür eine spezielle Sanktion vorsähe. Auch für die übrigen Geschäftspartner der „Vor-SARL“ sei das RCE eine Sicherheit ohne Wert, ohne die sie vorher auch ausgekommen sind, zumal das RCE keine Garantie dafür bietet, dass die Gesellschaft später auch wirklich eingetragen wird. Insgesamt sei daher zu befürchten, dass die Einführung des RCE die Unternehmensgründung eher bremse als beschleunige. 604 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10; sowie aus deutscher Sicht Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (460). Diese Neuerungen sind jedoch für das Thema dieser Untersuchung nur am Rande relevant, so dass auf ihren Widerhall in der französischen Literatur insoweit nicht näher eingegangen wird. 605 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (410), der allerdings zu bedenken gibt, dass eine Reform des Unternehmensrechts stets Aspekte verschiedener, komplexer Rechtsgebiete wie des Steuer- und Arbeitsrechts betreffe und deshalb kaum durch wenige, einfach formulierte Vorschriften möglich sei. 606 Gleicher Befund bei Simon, EBLR 2004, 1037 (1039). 607 Vgl. Merle, Rn. 178: „mésure démagogique“. Ebenso Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (916); Lienhard, D. 2003, 1900. Bildhaft der Aufsatztitel von Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3: „Un coup d’épée dans l’eau!“ Ähnlich Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3: „inutile“. Diplomatischer Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10, der die Abschaffung des Mindestkapitals als eine von mehreren „innovations symboliques“ des neuen Gesetzes bezeichnet. Er hält das Ziel der Förderung von Unternehmensgründungen jedenfalls auf den ersten Blick für erreicht, da nunmehr eine einzelne Person mit einem Vermögenseinsatz von nur einem Euro eine SARL mit Sitz im eigenen Wohnhaus grün-

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

über der alten Rechtslage seien marginal, da nach dieser bereits die unmittelbare Aufbringung eines Betrages von 1.500 Euro ausreichte, um eine SARL zu gründen.608 Auf der anderen Seite gehe von dieser Neuerung aber ein negatives psychologisches Signal und daraus folgend eine wirtschaftliche Gefahr für viele SARL aus:609 Die Gründer könnten zu der Annahme verleitet werden, dass die Frage der soliden Finanzierung des Unternehmens nur von nachrangiger Bedeutung sei, da sie auch ohne nennenswerten eigenen Vermögenseinsatz in den Genuss der Haftungsbeschränkung kommen können, und dass der Umfang des Gläubigerschutzes insoweit nur von ihrem guten Willen abhänge.610 Auch die Geschäftsführer könnten dem gefährlichen Irrglauben unterliegen, dass sie ihrer Verantwortung für eine gesunde Finanzplanung des Unternehmens bereits durch die strikte Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gerecht werden, dass ihnen bezüglich des Stammkapitals also keinerlei Pflichten mehr obliegen.611 Als Folge sei eine Flut von Insolvenzen unterkapitalisierter Gesellschaften zu befürchten.612 Gesellschafter und Geschäftsführer seien in diesem Fall aber unabsehbaren Haftungsrisiken ausgesetzt, weil die materielle Unterkapitalisierung den könne. Dieser Befund relativiere sich aber bei näherer Betrachtung, da keine deutliche Verbesserung im Vergleich zur früheren Rechtslage zu erkennen sei, vgl. ibid., S. 13. 608 Vgl. Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3; Lienhard, D. 2003, 1900; Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (13). 609 Knapp zusammenfassend, aber i. E. mit dem gleichen Befund Wachter, GmbHR 2003, R 377 (R 378). 610 Vgl. Merle, Rn. 178; Massart, Bull. Joly 2002, 1361; Ouachem, S. 25. Deutlich Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3: „Mais, sur le plan pratique, il n’est pas raisonnable de laisser croire aux associés qu’ils pourront créer une SARL avec un capital symbolique et qu’ils jouiront en parallèle du principe de responsabilité limitée.“ 611 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (923); Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3. De Vendeuil, JCP E 2003, 1401, verweist darauf, dass die Abschaffung des Mindestkapitals denjenigen Gründern entgegenkommen solle, die nicht sofort die benötigten Mittel aufbringen können. Allerdings solle dadurch nicht einer rein fremdkapitalbasierten Unternehmensfinanzierung der Weg geebnet werden, sondern der Finanzbedarf solle durch spätere Kapitalerhöhungen gedeckt werden. Ob dies allerdings in Abwesenheit einer gesetzlichen Pflicht tatsächlich geschieht, erscheint zweifelhaft. 612 Vgl. Fernandez, P. A. 2004, 4: „[. . .] le risque de défaillance, résultant de cette sous-capitalisation voulue, peut dégénérer, pour les créanciers sociaux, en un véritable drame économique subi.“ In die gleiche Richtung Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (918), der darauf verweist, dass gerade die große Zahl unterkapitalisierter Gesellschaften den Gesetzgeber dazu veranlasst hatte, 1984 das Mindestkapital für die SARL zu verdoppeln. Derlei Kritik begegnet die französische Regierung in einer ministeriellen Stellungnahme, die die Gründe für die Abschaffung des Mindestkapitals darlegt, mit dem Argument, viele Unternehmen bräuchten kaum Kapital, um erfolgreich zu sein, z. B. Anbieter von Dienstleistungen per Internet. Vgl. Rép. min. PME Nr. 15641, Bull. Joly Sociétés 2003, 962, § 203. Ähnlich Rép. min. PME Nr. 41247, JOAN Q, 17.08.2004, S. 6494. Nach den weiter unten, § 8 I. 3., referierten statistischen Angaben ist tatsächlich ein großer Anteil der SARL mit einem Stammkapital von unter 7.500 Euro in Branchen ohne besonderen Investitionsbedarf tätig.

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nach ständiger Rechtsprechung einen Geschäftsführungsfehler darstellt, der außerhalb der Insolvenz eine Haftung des Geschäftsführers613 gemäß Art. L. 22322 C. com. oder im Insolvenzfall dessen Verurteilung en comblement du passif nach sich ziehen kann614, selbst wenn die gesetzlichen Regeln bzgl. des Stammkapitals eingehalten wurden.615 Beides zusammengenommen – der Anreiz zur Gründung unterkapitalisierter Gesellschaften und die Rechtsprechung zur persönlichen Haftung bei Unterkapitalisierung – führe zu dem Ergebnis, dass die Beteiligten die neu gewonnene Freiheit bei der Bestimmung des Stammkapitals de facto mit einer Aufgabe des Haftungsprivilegs im Insolvenzfall bezahlen müssten.616 Die Haftungsfreistellung werde aber nicht nur in der Insolvenz, sondern auch schon vorher während der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft entwertet. Denn durch die Abschaffung des Mindestkapitals werde das ohnehin begrenzte Vertrauen der Fremdkapitalgeber in die Rechtsform der SARL noch erheblich tiefer erschüttert.617 Kein Gläubiger sei bereit, ohne zusätzliche Sicherheiten mit einem Geschäftspartner ohne nennenswertes eigenes Vermögen zu kontrahieren. Die Banken würden deshalb einer SARL nur noch Kredite gewähren, wenn die Gesellschafter oder jedenfalls die Geschäftsführer Bürgschaften oder andere persön613 Dies gilt auch für den faktischen Geschäftsführer, wobei dieser Begriff in Frankreich weiter verstanden wird als in Deutschland und kein Auftreten nach außen, sondern nur eine faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung erfordert, so dass zumindest die Hauptgesellschafter, ggf. aber auch alle Gesellschafter, u. U. hiervon erfasst werden. Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (417). 614 Vgl. dazu Cass. com. 19.03.1996, RJDA 1996, 705, Nr. 976 = Defrénois 1996, 935 m. Anm. Le Cannu = Rev. sociétés 1996, 840 m. Anm. Bruguier = Bull. Joly 1996, 614 m. Anm. Couret; Cass. com, 23.11.1999, RJDA 2000, 361, Nr. 457; CA Aix-enProvence 16.05.2001, RD banc. et fin. 2001, 291, Nr. 192 m. Anm. Lucas. Näher oben, § 5 I. 2. g) aa). 615 Vgl. de Vendeuil, JCP E 2003, 1401. In dem grundlegenden Urteil CA Rouen 20.10.1983, D. 1983, 163 m. Anm. Daigre = RJ com. 1985, 132 m. Anm. CherchoulySicard = Rev. sociétés 1984, 764 m. Anm. Legrand, ging es um einen Fall, wo eine Pressegesellschaft mit einem Stammkapital von ursprünglich 17.300 FF, das später auf 58.600 FF erhöht wurde, insolvent wurde. Das damalige gesetzliche Mindestkapital für SARL in der Pressebranche betrug 2.000 FF (umgerechnet ca. 300 Euro). Die Gründungsgeschäftsführer wurden dennoch zum Schadensersatz gemäß Art. L. 223-22 C. com., die aktuellen Geschäftsführer zum Ausgleich der Gesellschaftsschulden gemäß dem heutigen Art. L. 651-2 C. com. verurteilt, beide Verurteilungen maßgeblich gestützt auf die Tatsache der anfänglichen Unterkapitalisierung der Gesellschaft, da „la mise en fonctionnement d’une société avec un capital modique témoigne d’une légèreté certaine; l’audace à entreprendre, louable en soi, devient imprudence fautive si elle n’est pas servie par de rigoureuses qualités de gestion appliquées à un minimum de moyens.“ 616 Massart, Bull. Joly 2002, 1361 (1364), befindet deshalb kurz und bündig, der stammkapitalbasierte Gläubigerschutz sei zwar mangelhaft, aber die Lösung des Gesetzgebers, das Mindestkapital abzuschaffen, „s’avère pire que le mal“. Ähnlich Lienhard, D. 2003, 1900; Ouachem, S. 17 f. 617 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (15).

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liche Sicherheiten leisten.618 Viele Banken hätten sogar bereits interne Richtwerte eingeführt, nach denen Gesellschaften mit zu geringem Stammkapital die Eröffnung von Konten verwehrt wird.619 Möglicherweise würden auch andere Geschäftspartner dazu übergehen, nur noch unter der Bedingung einer persönlichen Sicherung Verträge mit einer SARL abzuschließen.620 Die bereits vor der Reform zu beobachtende Tendenz einer systematischen Entwertung des Haftungsprivilegs in der Praxis durch die regelmäßige Notwendigkeit persönlicher Sicherheiten621 werde sich also noch deutlich verstärken. Dies sowie die bereits angesprochene Zunahme völlig unterkapitalisierter Gesellschaften mit der Folge, dass im Insolvenzfall die Verurteilung der Geschäftsführer und der Hauptgesellschafter zur persönlichen Haftung für die Schulden der Gesellschaft zum Regelfall werden könne, führe letztendlich zu einer gänzlichen Aushöhlung des Haftungsprivilegs.622 Die SARL habe dadurch insgesamt an Überlebensfähigkeit und Attraktivität eingebüßt.623 Eine weitere Folge sei die Entstehung einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ unter den Gläubigern: Auf der einen Seite diejenigen, die sich durch persönliche Sicherheiten der Geschäftsführer oder Gesellschafter so weit wie möglich abgesichert haben, und auf der anderen die, die über keinerlei Sicherheit verfügen, weil der pauschale Schutz des Stammkapitals weggefallen ist und sie sich nicht anderweitig absichern konnten, sei es mangels Verhandlungsmacht sei es wegen ihrer

618 Vgl. Castagné, JCP N 2004, 1778 (1781). Der Gesetzgeber hat nicht zuletzt deshalb mit der loi Dutreil auch gewisse Neuerungen in das Recht der Personalsicherheiten eingeführt, die den Schutz des Bürgen gegenüber gewerblich handelnden Gläubigern verbessern sollen, vgl. Artt. L. 331-2, L. 341-2 ff. C. consomm. Näher dazu Germain, JCP 2003, act. 401, 1493; Avena-Robardet, D. 2003, 2083; Piedelièvre, Defrénois 2003, 1371, Art. 37827; Houtcieff, JCP 2003, I, 161. 619 Vgl. Rép. min. PME Nr. 9478, Bull. Joly Sociétés 2003, 1337; Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (922). 620 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (16). 621 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (16), der Verständnis für diese Vertragspraxis äußert angesichts der häufig verschwindend geringen Eigenkapitaldecke von SARL. Ähnlich Ouachem, S. 25, dem zufolge die Forderung nach persönlichen oder dinglichen Sicherheiten der Gesellschafter bzw. Geschäftsführer in der Praxis schon wie „une sorte de complément naturel à la garantie légale minimale que constitue le capital social“ erscheint. 622 Vgl. Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3; Simon, EBLR 2004, 1037 (1040); Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (16); Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). Deutlich Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365): „Cette réforme impliquerait de facto l’abandon de la responsabilité limitée [. . .].“ Ebenso Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (927). 623 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (922 f.). Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (18), stellt angesichts der gesunkenen Überlebensfähigkeit einerseits und der Haftungsgefahren für Gesellschafter und Geschäftsführer einer unterkapitalisierten SARL andererseits fest: „En somme, la S.A.R.L., version loi Dutreil, paraît à la fois non viable et suicidaire.“

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Stellung als gesetzliche Gläubiger.624 Hinzu komme, dass Gesellschafter bzw. Geschäftsführer nur dann persönliche Sicherheiten stellen können, wenn sie selbst über eine entsprechende, in den Augen der Banken ausreichende Solvenz verfügen. Dies sei aber eine weit höhere Hürde für weniger solvente Unternehmensgründer als die bis zur Reform anfänglich aufzubringenden 1.500 Euro. Damit sei die Rechtsform der SARL finanzschwächeren Unternehmensgründern faktisch verschlossen, statt der geplanten Gründungserleichterung sei ein im Einzelfall unüberwindliches Gründungshindernis eingeführt worden.625 Andere Autoren gehen in ihrer Kritik noch weiter. Sie monieren, dass die Haftungsfreistellung der Gesellschafter nicht nur, wie gezeigt, in zweifacher Hinsicht faktisch ausgehöhlt, sondern insgesamt ihrer Existenzberechtigung beraubt werde. Jeder Unternehmer könne in Form der juristischen Person eine „Feuerschutzwand“ (pare-feu) zwischen seinem Privatvermögen und dem seiner Unternehmung gewidmeten Vermögen errichten.626 Diese verhindere das Übergreifen der unternehmerischen Schulden auf das Privatvermögen, erlaube aber gleichzeitig den Abfluss unternehmerischer Gewinne in letzteres, wirke also rein defensiv zugunsten des Unternehmers. Eine solche Bevorzugung der Unternehmerinteressen gegenüber den Gläubigerinteressen sei nur dadurch gerechtfertigt, dass der Unternehmer ein bestimmtes Maß an Vermögenswerten dem unternehmerischen Zweck widme und damit den Gläubigern als Sicherheit zur Verfügung stelle.627 Andernfalls werde der bereits vor der Reform bestehende Missstand noch verschärft, dass häufig die Unternehmensgründer persönlich solventer sind als der eigentliche Unternehmensträger, die neu gegründete Gesellschaft. Diese übernehme aber mit ihrer Eintragung in der Regel alle Schulden, die zuvor in ihrem Namen von den Gründern eingegangen wurden, wodurch letztere von ihrer bis dahin bestehenden, unbegrenzten persönlichen Haftung frei werden.628 Die Aufbringung eines Minimums an Vermögen sei also gleichsam der Preis dafür, dass man sich durch den Schutzschild der juristischen Person gegen Zugriffe der Gesellschaftsgläubiger auf das Privatvermögen schützen kann. Durch die Abschaffung des Mindestkapitals habe sich die SARL damit noch weiter von der Grundkonzeption der Kapitalgesellschaft entfernt629, was den Rechtfertigungsbedarf für die Existenz einer Haftungsfreistellung erhöhe.630 624

Vgl. Simon, EBLR 2004, 1037 (1040); Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (927). Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (927). Andeutungsweise auch Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (16). 626 Vgl. Schmidt, D. 2003, 2618 (2619); Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (922). 627 Vgl. Schmidt, D. 2003, 2618 (2619); Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (922); Ouachem, S. 7. 628 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (923). 629 Vgl. Jobert, Dr. sociétés 2003, Rep. 3, der darauf verweist, dass Haftungsfreistellung und Mindestkapital untrennbar miteinander zusammenhingen, wie sich aus dem Vergleich von Kapitalgesellschaften einerseits, die traditionell beides haben, und Perso625

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Durch diesen Schritt sehen vereinzelte Autoren aber nicht bloß die Haftungsbefreiung, sondern das gesamte Gläubigerschutzsystem der SARL in Frage gestellt. Die Reform zeige, ohne dass der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hinweisen würde, dass dem Stammkapitalsystem insgesamt nur noch symbolische Bedeutung beigemessen werde, dass es also praktisch überflüssig sei.631 Als Maßstab zur Aufteilung der Vermögens- und Verwaltungsrechte der einzelnen Gesellschafter diene das Stammkapital nur noch eingeschränkt, da statutarische Regelungen schon zuvor zulässig waren, die – unterhalb der Schwelle der clause léonine – eine von der Einlageleistung unabhängige Bestimmung der Gewinnund Verlustbeteiligung oder der Verwaltungsrechte vorsahen.632 Auch als Finanzierungsinstrument habe es an Bedeutung eingebüßt, wie sich neuerdings an der durch die ordonnance vom 25. März 2004 eröffneten Möglichkeit für die SARL, Schuldverschreibungen auszugeben, ablesen lasse.633 Und nun sei auch der verbleibende Gläubigerschutzaspekt hinfällig, da die Gesellschafter die Höhe des Haftungsfonds selbst bestimmen und auf einen rein symbolischen Wert festsetzen könnten.634 Der französische Gesetzgeber habe also durch die Abschaffung des Mindestkapitals im Stillen insgesamt eine Abkehr vom Stammkapitalsystem vollzogen. Dadurch werde nicht nur der institutionelle Aspekt der SARL zugunsten der vertraglichen Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter geschwächt.635 Vielmehr sei ohne weitere legislative Maßnahmen auch ein empfindlicher Verlust an Gläubigerschutz zu verzeichnen.636

nengesellschaften andererseits, die beides nicht kennen, zeige. Der Gesetzgeber habe durch die Abschaffung des Mindestkapitals diese konzeptionelle Unterscheidung zwischen Kapital- und Personengesellschaften ihrer Kohärenz beraubt. Ähnlich Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (18): Durch die Reform sei aus der ohnehin schon als hybride Rechtsfigur zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften angesiedelten SARL „une sorte d’objet juridique non identifiable“ geworden. Andeutungsweise auch Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (139), unter Hinweis darauf, dass die SARL in Frankreich ursprünglich als vergrößerte SNC (société en nom collectif, entspricht in etwa der deutschen oHG) und nicht als kleine Aktiengesellschaft konzipiert war. 630 Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (139), stellt fest, dass durch die Abschaffung des Mindestkapitals die SARL zu einer SARTL, zu einer société à responsabilité très limitée, werde und dass damit den Gesellschaftern das Haftungsprivileg praktisch „geschenkt“ werde. 631 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (916): „Si le capital peut s’avérer symbolique, ses fonctions le sont aussi!“ Ebenso, allerdings im Ergebnis unter Befürwortung der Abschaffung des Mindestkapitals und des Stammkapitals insgesamt Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (134). 632 Näher Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (917 ff.). 633 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (930). 634 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (925). 635 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (917). 636 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (930), der eine den Gläubigerinteressen zuwiderlaufende Grundtendenz der Reformen der loi Dutreil ausmacht und feststellt: „Rien n’est fait pour rassurer les créanciers!“

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Das Mindeststammkapital habe nämlich in doppelter Hinsicht gläubigerschützende Wirkung entfaltet: Erstens habe es die Ausstattung der Gesellschaft mit einem gewissen Anfangskapital sichergestellt und damit ihre Überlebensfähigkeit verbessert. Zwar sei die gesetzliche Festlegung einer Untergrenze immer willkürlich und die Gesellschafter in der Regel selbst in der Lage, den angemessenen Anfangskapitalbedarf ihrer Unternehmung zu bestimmen.637 Allerdings zeige die hohe Anfangssterblichkeit der SARL, dass trotzdem viele unterkapitalisierte Gesellschaften gegründet würden, was durch Festlegung eines zwingenden Minimums zumindest abgemildert werden könne.638 Auch während der weiteren Existenz der Gesellschaft habe das Stammkapital als „Puffer“ gedient, der vorübergehende wirtschaftliche Krisen auffangen und dadurch die Insolvenz einer auf längere Sicht eigentlich überlebensfähigen Gesellschaft verhindern sollte.639 Zweitens habe das Mindestkapital als Seriositätsschwelle dazu beigetragen, das Vertrauen des Marktes in diese Rechtsform zu stärken und damit ihre Kreditwürdigkeit und ihre Überlebensfähigkeit insgesamt zu erhöhen.640 Durch die garantierte Bereitstellung eines Minimums an Haftungsmasse sei das Bedürfnis der Gläubiger nach individueller Absicherung geringer gewesen.641 Daneben würden auch andere Gläubigerschutzmechanismen, die an das Stammkapital anknüpfen, durch die Aufgabe des Kapitalminimums in ihrer Wirkung reduziert oder gänzlich sinnlos, wie z. B. die in Art. L. 223-42 C. com. vorgesehene Prozedur bei Absinken der Aktiva der Gesellschaft unter die Hälfte des Stammkapitals.642 637

Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612. Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (929). Der Gesetzgeber hat die Gefahr einer Zunahme unterkapitalisierter Gründungen nach Abschaffung des Kapitalminimums offenbar nicht für besonders groß oder jedenfalls keine Gegenmaßnahmen für nötig gehalten, denn entgegen dem ursprünglichen Gesetzesentwurf enthielt die endgültige Fassung der loi Dutreil keine Anreize, wie z. B. Steuererleichterungen, mehr, die Kapitalerhöhungen bis zur alten Untergrenze von 7.500 Euro begünstigten. Näher Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30 (31). 639 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (929 f.). Ob ein Mindestkapital von 7.500 Euro, von dem ggf. nur 1.500 Euro sofort aufzubringen waren, die genannten Gläubigerschutzfunktionen in der Praxis auch tatsächlich ausfüllen konnte, erscheint angesichts der zahlreichen Stimmen, die schon die deutsche Untergrenze von 25.000 Euro als bei weitem zu niedrig angreifen, jedenfalls fragwürdig. Eindeutig beantworten lässt sich diese Frage mangels empirischer Vergleichsdaten jedoch nicht. 640 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (929). 641 Allerdings wurde auch diesbezüglich schon die alte Untergrenze von 7.500 Euro als deutlich zu niedrig angesehen und die systematische Entwertung des Haftungsprivileg durch persönliche Sicherheiten von Gesellschaftern und Geschäftsführern beklagt, vgl. oben, § 5 II. 2. a). 642 Vgl. Reifegerste, P. A. 2003, Nr. 259, 10 (14 f.); Lienhard, D. 2003, 1900 (1901); Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (418), die alle darauf verweisen, dass es wenig Sinn mache, eine Gesellschaft zur Auflösung oder Wiederauffüllung ihres Eigenkapitals zu zwingen, wenn letzteres unter die Hälfte des Stammkapitals gesunken ist, dieses aber nur einen Euro beträgt. Eine solche Gesellschaft befinde sich ohnehin fast zwangsläufig in einem Zustand der Zahlungsunfähigkeit. 638

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Am fundamentalsten ist jedoch die Kritik derjenigen Autoren, die durch die Aufgabe des Mindestkapitals das Konzept der juristischen Person an sich geschwächt sehen.643 Die Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen gehört zu den Grundpfeilern dieses Konzepts: Die Gesellschaft ist selbst Rechtsträger mit eigenständigem Vermögen. Ihr Vermögen besteht aber zunächst allein aus den Einlagen der Gesellschafter. Vor diesem Hintergrund erscheine es logisch, dass die Gesellschaft erst eingetragen und damit zur Rechtspersönlichkeit wird, wenn die Einlagen zumindest zu einem gewissen Teil bereits erbracht sind, die „neugeborene“ juristische Person also ein Minimum an eigenem Vermögen aufweist. Diese Logik werde untergraben, wenn man juristische Personen praktisch ohne Kapital zulasse.644 Zumindest sei es vonnöten, die dogmatische Konzeption der Gesellschaft nach französischem Recht zu überdenken. Art. 1832 C. civ. weise nämlich die Beteiligung aller Gesellschafter an den Gesellschaftsverlusten als einen der Grundpfeiler des Gesellschaftsrechts aus. Geschehe diese Beteiligung nicht über eine persönliche Haftung der Gesellschafter, so müsse der Gesetzgeber sie aus Gründen der gerechten Risikoverteilung und der konzeptionellen Kohärenz des Gesellschaftsrechts insgesamt anderweitig sicherstellen. Ein gewisser Vermögensein643 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (921 f.), der in einer Zwischenüberschrift eine kontinuierliche „démystification de l’écran social“ konstatiert und weiter ausführt: „La disparition de l’obligation légale imposant un capital social minimum porte en germe le dévoiement de la personne morale.“ In eine ähnliche Richtung Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 127, der in der Zulassung einer Ein-Euro-Einmann-SARL eine Aufweichung wichtiger gesellschaftsrechtlicher Grundprinzipien sieht. 644 Vgl. ansatzweise Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 230, der die reformierte SARL, eine „Kapitalgesellschaft ohne (Mindest-)Kapital“, als „curiosité“ bezeichnet. Stärker noch Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (922), der davon spricht, dass die Zulässigkeit eines verschwindend geringen Stammkapitals zwar keine Aufgabe, aber doch eine Relativierung des Konzeptes der Vermögenstrennung und damit der juristischen Person bedeute. Diese Kritik geht m. E. jedoch zu weit. Es gehört zu den Grundelementen der juristischen Person, dass sie selbst Inhaber von Vermögenswerten sein kann, nicht aber, dass sie dies auch tatsächlich ist. Natürliche Personen können ebenfalls vermögenslos sein, ohne dass man deswegen an ihrer abstrakten Fähigkeit, Vermögensinhaber zu sein, oder an ihrer Rechtssubjektsqualität an sich zweifeln würde. Diese Abstraktion des Konzepts der Rechtspersönlichkeit und der Vermögenstrennung von der tatsächlichen, konkreten Inhaberschaft von vermögenswerten Rechtspositionen verkennt auch Carbonnier, S. 13, wenn er in bewusst (aber übertrieben) vereinfachender Art und Weise argumentiert, dass es „realitätsnäher“ sei anzunehmen, dass jemand, der keine aktuellen Vermögenswerte besitzt, auch kein eigenständiger Vermögensträger sei. Die Abschaffung des Mindestkapitals greift also nicht die Vermögenstrennung und damit das Konzept der juristischen Person an. Dass die Vermögenstrennung eine Voraussetzung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter ist und dass insoweit ein gewisses Minimum an Gesellschaftsvermögen zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger wünschenswert oder ggf. zwingend zu fordern ist, ist eine davon losgelöste Frage. Zuzugeben ist jedoch, dass praktisch gesehen die wirtschaftliche Autonomie einer Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern kaum realistisch ist, wenn die Gesellschaft nur über symbolische Vermögenswerte verfügt.

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satz der Gesellschafter in Form des Stammkapitals sei deshalb eine notwendige Voraussetzung dafür, dass der Gesetzgeber eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung überhaupt zulassen könne.645 Bei einem Stammkapital von einem Euro oder noch weniger, gepaart mit einer Haftungsbefreiung der Gesellschafter, könne jedoch von einer Beteiligung derselben an den Gesellschaftsverlusten i. S. d. Art. 1832 Abs. 3 C. civ. nicht mehr ernsthaft gesprochen werden.646 Wenn der Gesetzgeber sich aber dergestalt seiner Pflicht entledige, den Schutz Dritter im Umgang mit Gesellschaften zu gewährleisten, delegitimiere er die Gesellschaft als rechtliches Konstrukt insgesamt und die Kapitalgesellschaft mit ihrer auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung im besonderen, da eine „Kapitalgesellschaft ohne Kapital“ die Gesellschafter geradezu zu opportunistischem Verhalten einlade.647 b) Positive Stellungnahmen Trotz dieses vielstimmigen Chors der Kritiker verschaffen sich auch verschiedene Stimmen Gehör, die die Abschaffung des Mindestkapitals positiv beurteilen. Obgleich zumeist die praktischen Auswirkungen dieser Maßnahme als gering angesehen werden,648 sei sie doch die logische Konsequenz einer rechtlichen649 und wirtschaftlichen Entwicklung, die das Stammkapital nach und nach weit gehend seiner Bedeutung beraubt habe, insbesondere im Hinblick auf 645

Vgl. Ouachem, S. 7 und S. 22. Vgl. Ouachem, S. 16 ff., der in der Abschaffung des Mindestkapitals die „déstruction systématique de l’élément principal de l’édifice de la garantie sociale des entreprises“ sieht. Vgl. auch Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (139), der die Neuregelung im Ergebnis befürwortet, aber dennoch auf dieses und andere dogmatische Probleme hinweist, die dadurch aufgeworfen werden. 647 Vgl. Ouachem, S. 20 ff., dem zufolge der Gesetzgeber sich bei der Abschaffung des Mindestkapitals darauf beschränkt hat, ökonomischen Zwängen zu folgen, ohne diesen ein kohärentes rechtliches Konzept gegenüberzustellen. Er sieht darin einen Ausdruck der generellen legislativen Tendenz einer Reduktion zwingender gesetzlicher Regelungen. Die systematische Bevorzugung der Interessen der Unternehmer durch Abschaffung zwingender Drittschutzvorschriften führe aber letztendlich zu einem grundlegenden strukturellen Bedeutungsverlust des Gesellschaftsrechts als gesetzlichem Kontrollsystem. 648 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645: „purement symbolique“. Auch der Gesetzgeber selbst hat die Abschaffung des Mindestkapitals offenbar eher als symbolische Neuerung denn als grundlegenden Systemwechsel beurteilt, vgl. Rapport Sénat Nr. 217 vom 19.03.2003, S. 14. Ähnlich Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30 (31): „Assurément grande réforme en droit, il n’est pas sûr qu’elle le soit encore en fait“. Ebenso Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (130 ff.), der zwar die praktischen Auswirkungen für gering hält, auf rechtsdogmatischer Ebene aber fundamentale Fragen im Hinblick auf das Haftungsprivileg und die klassische Unterscheidung von Personenund Kapitalgesellschaften aufgeworfen sieht. Vgl. dazu auch soeben, § 8 I. 2. a) am Ende. 649 Vgl. dazu oben § 8 I. 1. 646

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

KMU.650 Als Finanzierungsinstrument spiele es neben Fremd- und vor allem Gesellschafterdarlehen nur mehr eine marginale Rolle.651 Die dünne Eigenkapitalbasis vieler französischer Unternehmen sei zwar nach wie vor ein Problem, das es auch von Seiten des Gesetzgebers zu bekämpfen gelte.652 Allerdings hätten sich insbesondere aufgrund der fortschreitenden Diversifikation der Finanzierungsinstrumente die Rahmenbedingungen für die Unternehmensfinanzierung derart verändert, dass eine gesetzlich erzwungene Mindestfinanzierung durch Einlagen heute weniger notwendig erscheine als noch vor wenigen Jahren.653 Auch die gläubigerschützende Wirkung des Stammkapitals werde schon seit längerem in Zweifel gezogen,654 und in der Praxis sei es als Gläubigerschutzinstrument bestenfalls noch von untergeordneter Bedeutung.655 Die Möglichkeit der Gesellschafter, ihre Einlagen und damit ihre Beteiligung am unternehmerischen Risiko auf wenige Eurocent zu begrenzen, benachteilige die Gläubiger demnach nur auf den ersten Blick. Man könne dem Gesetzgeber insoweit auch nicht vorwerfen, er hätte sich nicht mit der Abschaffung eines ineffizienten Gläubigerschutzinstrumentes begnügen dürfen, sondern hätte als Ausgleich neue, effiziente Instrumente einführen müssen. Denn eine Neujustierung der gesetzlichen Schutzinstrumente zugunsten der Unternehmer bzw. Gesellschafter sei ohnehin angebracht, da das französische und generell das kontinentaleuropäische Gesellschaftsrecht bisher zu stark die Interessen der Gläubiger bevorzuge.656 Zudem habe der Gesetzgeber auch keine wirkliche Gläubigerschutzlücke geschaffen, sondern nur den Schwerpunkt von einem pauschalen gesetzlichen auf einen individualisierten, flexiblen vertraglichen Gläubigerschutz verlagert. Die Gläubiger seien frei, sich in ihren Geschäftsbeziehungen mit unterkapitalisierten 650 Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132 f.), der die Reform deshalb als Ausdruck von legislativem Realismus und Pragmatismus wertet. 651 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646 f.). 652 Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (131), der auf das scheinbar widersprüchliche Verhalten des Gesetzgebers hinweist, einerseits die große Zahl bereits existierender unterkapitalisierter Gesellschaften in Frankreich und die daraus folgende „vulnérabilité financière“ zu beklagen und andererseits die Gründung solcher Gesellschaften durch Abschaffung des Mindestkapitals zu erleichtern. Der Widerspruch sei aber bloß ein scheinbarer, da die alte Untergrenze von 7.500 Euro ohnehin nicht zur Lösung des Problems geeignet gewesen sei. 653 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (415); Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (135). 654 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (416); sowie näher oben, § 5 II. 1. 655 Vgl. Le Cannu, in: Couret/Le Nabasque, S. 3 (6), dessen Meinung nach das Stammkapital nur für diejenigen Gläubiger interessant ist, die keine Zeit oder keine Möglichkeit haben, sich über die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft zu informieren oder persönliche Sicherheiten zu verlangen. Nur diese seien von der Abschaffung des Mindestkapitals betroffen. Die Anzahl dieser Gläubiger sei aber in der Regel kaum nennenswert und der durch das Mindestkapital von 7.500 Euro vermittelte Schutz sehr gering. 656 Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (136).

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Gesellschaften selbst zu schützen, etwa durch höhere Preise, financial covenants, Sicherheiten seitens der Gesellschaft oder der Gesellschafter bzw. Geschäftsführer etc. Im Übrigen könnten die Gesellschafter auch freiwillig dem Schutzbedürfnis der Gläubiger durch Vereinbarung eines angemessenen Stammkapitals entgegenkommen. Für eine effektive Mindestabsicherung der Gläubiger würden genügend gesetzliche Vorschriften verbleiben, wie z. B. die persönliche Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz gemäß Art. L. 651-2 C. com.657 Die Abschaffung des Mindestkapitals sei nach alledem zu begrüßen. Der Wegfall dieser unsinnigen gesetzlichen Vorgabe658 eröffne wieder eine echte Wahlfreiheit zwischen den Rechtsformen der Personen- und Kapitalgesellschaften.659 Letztere hätten vorher gegenüber ersteren einen deutlichen Attraktivitätsnachteil gehabt, da für sie die Aufbringung eines bestimmten Kapitalminimums vorgeschrieben war, aber die „Gegenleistung“ des Gesetzgebers, die Haftungsfreistellung, im Ergebnis aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten einer persönlichen Inanspruchnahme der Gesellschafter, insbesondere in der Insolvenz, ein nur mehr theoretischer Vorteil war.660 Zudem füge sich die SARL nun umso stimmiger in den Katalog der verschiedenen Gesellschaftsformen ein. Man hätte sie auch zugunsten der SAS gänzlich abschaffen können, doch habe der Gesetzgeber sie konsequent immer mehr auf die Bedürfnisse kleiner und kleinster Unternehmen zugeschnitten und ihr somit einen sinnvollen Anwendungsbereich erhalten.661 Auf der anderen Seite könne von einer Entfernung der SARL vom Leitbild der Kapitalgesellschaft und damit einhergehend einer Delegitimierung des Haftungsprivilegs nur bedingt gesprochen werden. Das Stammkapital sei schließlich nicht abgeschafft worden, sondern bleibe in der theoretischen Konzeption mit allen seinen Funktionen erhalten; lediglich der Betrag sei freigegeben worden.662 Auch ein negatives psychologisches Signal geht nach Ansicht der Befürworter von der Neufassung des Art. L. 223-2 C. com. nicht aus, da der Gesetzgeber gerade nicht das Mindestkapital auf einen Euro abgesenkt und damit die viel beschworene „Ein-Euro-SARL“ eingeführt habe.663 Vielmehr habe er jede Bezug657

Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (136 f.). Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132), bezeichnet das Mindestkapital als „barrière“, „frein“ und „charge parfois inutile“. 659 Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132). 660 Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). 661 Vgl. Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30 (31). Dem wirkt allerdings die Ordonnance n ë 2004-274 vom 25.03.2004, JO vom 27.03.2004, 5871, entgegen, die die SARL in Teilbereichen wieder etwas der SA annähert und ihre Eignung für größere Unternehmen verstärkt. 662 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (416); Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132). 663 Vgl. Castagné, JCP N 2004, 597 (599). Im ersten Entwurf der loi Dutreil war vorgesehen, ein Mindestkapital von einem Euro vorzuschreiben. Vgl. Lienhard, D. 2003, 1900. 658

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nahme auf ein Kapitalminimum vermieden und die Festlegung des Stammkapitals in das freie Ermessen der Gründer gelegt. Diese Entkopplung von (formalem) Gründungsakt einerseits und der Frage nach der Aufbringung der nötigen Mittel zur Finanzierung des Unternehmens andererseits sei vernünftig, da nur ersterer notwendigerweise vom Gesetzgeber zu regeln sei, während letztere in der Verantwortung der Gesellschafter liege.664 Dies stärke die Attraktivität der Rechtsform der SARL insgesamt,665 insbesondere für Unternehmen ohne nennenswerten Kapitalbedarf wie z. B. im Dienstleistungssektor. Gleichzeitig werde aber bewusst der Eindruck vermieden, ein Startkapital von einem Euro könne zur Gründung eines Unternehmens ausreichen; stattdessen werde die Verantwortung der Gründer für die realistische Beurteilung des Finanzbedarfs des Unternehmens betont.666 Daneben sende die Reform sogar ein positives psychologisches Signal der sozialen Gleichberechtigung aus, nämlich dass die Gründung eines Unternehmens nicht nur vermögenden Personen vorbehalten sei.667 Die Abschaffung des Art. L. 223-2 Abs. 2 C. com. (Verbot der dauerhaften Kapitalreduktion unter 7.500 Euro) wird einhellig begrüßt, ist die Regelung doch durch die Abschaffung des Mindestkapitals obsolet geworden. Zwar wurde angesichts der Befürchtung, hierdurch werde eine Täuschung des Rechtsverkehrs668 ermöglicht, zunächst erwogen, die Regelung beizubehalten und lediglich derart anzupassen, dass nunmehr Kapitalreduktionen unter das anfänglich von den Gesellschaftern vereinbarte Stammkapital unzulässig wären. Eine solche Neuregelung wäre jedoch deutlich strenger gewesen als die alte, hätte Ausnahmen für besondere Fälle unvermeidbarer Kapitalreduktionen erfordert (etwa bei Ausscheiden eines Gesellschafters oder Absinken des Eigenkapitals unter die Hälfte des Stammkapitals) und einen zusätzlichen Anreiz geboten, bei der Gründung ein möglichst niedriges Anfangs-Stammkapital zu vereinbaren.669 Trotz dieser insgesamt positiven Beurteilung der Neuregelung sind die meisten Befürworter jedoch sehr zurückhaltend, was die zu erwartenden praktischen Auswirkungen angeht. Wahrscheinlich würden nur kleine Unternehmen ohne jeden Bedarf an Anfangskapital wirklich davon profitieren. Ansonsten bringe die Re664 Vgl. Germain, JCP 2003, act. 401, 1493; Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132). 665 Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (140). 666 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1646). Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132): „C’est une démarche de liberté et de responsabilité“. 667 Vgl. Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132), unter Hinweis auf Novelli/Vautrin, Rapport Ass. Nat. Nr. 572, Bd. I. 668 Diese bestünde darin, dass eine SARL zunächst freiwillig mit einer höheren Stammkapitalziffer gegründet wird, von der nur ein Fünftel sofort aufzubringen ist, und dann später eine Kapitalreduktion auf ein Fünftel des ursprünglichen Betrages (also auf den Wert der bereits erbrachten Einlagen) vorgenommen wird. Die Gläubiger würden dann in der Zwischenzeit auf die höhere Stammkapitalziffer vertrauen. 669 Vgl. dazu Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 171, 32.

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form in der Praxis wahrscheinlich keine großen Veränderungen, da die Gesellschafter durch eine Reihe von Faktoren von der Festlegung eines zu geringen Stammkapitalbetrages abgehalten würden, insbesondere durch die Haftungsrisiken für Geschäftsführungsfehler bei Unterkapitalisierung670, ebenso wie durch die reduzierte Kreditwürdigkeit ihrer Gesellschaft und die dadurch bedingte verstärkte Notwendigkeit persönlicher Sicherheiten oder anderer vertraglicher Gläubigerschutzmechanismen. 671 Die Finanzierung des Unternehmens durch Gesellschafterdarlehen sei bei einem sehr niedrigen Stammkapital ebenfalls erschwert, da die für solche avances en compte courant gezahlten Zinsen nur bis zu einer Gesamtsumme aller Gesellschafterdarlehen von höchstens 150% des Stammkapitals steuerlich absetzbar sind.672 Letztlich werde der Markt für ein neues Gleichgewicht zwischen Gläubiger- und Unternehmerinteressen sorgen. Im Laufe dieses Prozesses könne die Forderung der Kreditgeber, ein bestimmtes Mindeststammkapital in den Statuten zu vereinbaren, die bereits jetzt verbreitet sei, zum Regelfall werden. Ein solches, als Bedingung der Kreditvergabe aufgezwungenes vertragliches Mindestkapital könne aber die tatsächliche Reichweite der Abschaffung des gesetzlichen Minimums einschränken.673 3. Rechtstatsachen Die Stichhaltigkeit der theoretischen Überlegungen zu positiven und negativen Folgen der Reformen lässt sich nur dann ernsthaft beurteilen, wenn sie dem Vergleich mit der Realität ausgesetzt werden. Allein gemessen am gesetzgeberischen Ziel einer zahlenmäßigen Stimulierung von Unternehmensgründungen kann man die Reformen mit der gebotenen Zurückhaltung als Erfolg bezeichnen. 2004, im ersten Jahr nach der Abschaffung des Mindestkapitals, wurden 224.000 Unternehmensgründungen verzeichnet, was einem Zuwachs von 12,5% gegenüber dem Vorjahr entspricht. 116.000 Gesellschaften wurden gegründet, und von diesen wiederum waren 91% SARL, deren Gründungsanzahl damit im Vergleich zum Vorjahr um 17,5% zunahm.674 Insgesamt lässt sich also als Tendenz erkennen, dass die unternehmerische Aktivität im Allgemeinen und die Attraktivität der SARL im Besonderen zugenommen haben.675 670

Vgl. dazu oben, § 8 I. 2. a). Vgl. Castagné, JCP N 2004, 597 (599). Monnet, Dr. sociétés 2003, comm. 170, 30 (31), führt noch weitere Faktoren an. Die Prognose erscheint allerdings angesichts der steigenden Zahl von Gesellschaftsgründungen mit einem Stammkapital von weniger als 7.500 Euro unzutreffend, vgl. unten § 8 I. 3. 672 Vgl. Castagné, JCP N 2004, 597 (599). 673 Vgl. Pecqueur, JCP N 2003, 1645 (1647); Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (416); Pietrancosta, in: Couret/Le Nabasque, S. 127 (132). 674 Zahlen nach INSEE, Insee première, no 1002, Januar 2005. 675 Wie hier Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (464). 671

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Spezifische Aussagen zu den Auswirkungen der Abschaffung des Mindestkapitals lassen sich aber nur treffen, wenn man näheres Augenmerk auf die Entwicklung der SARL mit einem Stammkapital unterhalb des früheren Minimums von 7.500 Euro (SARL à libre capital) legt. Zu diesem Zweck nimmt der Urkundsbeamte des Handelsgerichts Paris seit Inkrafttreten der loi Dutreil eine monatliche Analyse speziell der dort eingetragenen Neugründungen von SARL à libre capital vor.676 Diese hat für das Jahr 2004 ergeben, dass 4.786 der insgesamt 17.810 durch das Handelsgericht Paris neu eingetragenen SARL ein Nominalkapital von weniger als 7.500 Euro aufwiesen, was einem Anteil von 26,87% entspricht. Dies bedeutet umgerechnet einen Monatsdurchschnitt von 398 eingetragenen SARL à libre capital, allerdings mit steigender Tendenz von Monat zu Monat (Dezember 2004: 597 Eintragungen). Bezogen auf die Gesamtzahl der neu gegründeten Unternehmen in Paris im Jahr 2004 (33.177) erreicht die SARL à libre capital einen beachtlichen Anteil von 14,42%. Was die Stammkapitalziffer der SARL à libre capital betrifft, haben die Erhebungen einen Durchschnittswert von 2.121 Euro für das Jahr 2004 ergeben.677 Betrachtet man jedoch die einzelnen Monate gesondert, so zeigt sich ein kontinuierlicher Anstieg von 1.826 Euro im Januar 2004 bis hin zu 2.188 Euro im Dezember 2004, also ein Zuwachs von 19,82%. Im Laufe des Jahres 2005 stieg der Durchschnitt sogar auf ca. 3.000 Euro.678 Interessanterweise erhielten diese Gesellschaften gleichzeitig nur wenige Investitionskredite, was auf eine entsprechende Zurückhaltung des Bankensektors hindeuten könnte.679 Vor diesem Hintergrund könnte man die stetige Steigerung des Stammkapitals als Versuch deuten, die Kreditwürdigkeit dieser Gesellschaftsform zu steigern. Betrachtet man die absolute Dimension der Steigerung von deutlich unter 400 Euro, so erscheint eine solche Interpretation jedoch gewagt. Ein Grund für die geringe Anzahl von Investitionskrediten ist wahrscheinlich ohnehin darin zu sehen, dass der größte Anteil der neu gegründeten SARL à libre capital im Dienstleistungs- und Unternehmensberatungsbereich tätig ist (33,16%), wo keine hohen Anfangsinvestitionen nötig sind.680

676 Die im folgenden referierten Zahlen entstammen der Zusammenfassung dieser Analysen für das Jahr 2004, veröffentlicht als Communiqué in JCP E 2005, Nr. 7, act. 41. 677 Im einzelnen ergibt sich folgende Verteilung: 6% der SARL à libre capital weisen ein Stammkapital von nur einem Euro auf, 8,9% ein solches zwischen zwei und 100 Euro, weitere 33,5% liegen zwischen 101 und 1.000 Euro, die übrigen zwischen 1.001 und 7.499 Euro. Das Schlagwort von der „Ein-Euro-SARL“ geht angesichts dieser Zahlen an der Realität vorbei. 678 Vgl. Urbain-Parleani, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 575 (580). 679 Nur 176 bzw. 3,67% der betreffenden Gesellschaften haben im Jahre 2004 einen Bankkredit erhalten, um den Erwerb von Betriebsmitteln oder die Vergrößerung des Unternehmens zu finanzieren.

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Ein wichtiger Indikator für den Erfolg der Abschaffung des Mindestkapitals ist nicht zuletzt die Überlebensquote der SARL à libre capital. Hierfür liefern zwei Kennzahlen erste Anhaltspunkte: die Anzahl der Löschungen im Handels- und Gesellschaftsregister und die Anzahl der eröffneten Sanierungs- und Insolvenzverfahren. Von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der loi Dutreil am 01. August 2003 bis zum Ende des Jahres 2004 wurden insgesamt 137 SARL à libre capital wieder aus dem RCS gelöscht, was 2,45% der in diesem Zeitraum erfolgten Neugründungen entspricht. Davon waren jedoch nur 15 Gesellschaften Gegenstand einer Amtslöschung. Zudem wurde 2004 in zwölf Fällen eine obligatorische procédure collective über das Vermögen einer SARL à libre capital eröffnet, was einem Anteil von 0,21% an der Gesamtzahl dieser Gesellschaften entspricht. Im gleichen Zeitraum betrug der Prozentsatz aller Unternehmen in Paris, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens waren, 1,49%. Es sollte nicht verkannt werden, dass all diese Zahlen aufgrund des recht kurzen Zeitraumes, auf dem sie beruhen, nur einen begrenzten Aussagewert besitzen.681 Dennoch lässt sich aus ihnen ein erster tendenzieller Eindruck gewinnen. Dieser legt nahe, dass die Abschaffung des Mindestkapitals tatsächlich zu einer Zunahme der Unternehmensgründungen in der Rechtsform der SARL geführt hat, ohne allerdings die erhoffte allgemeine Aufbruchstimmung in der französischen Unternehmenslandschaft auszulösen. Zudem wird deutlich, dass jedenfalls in den ersten zwölf Monaten der Lebensdauer einer solchen Gesellschaft kein überdurchschnittlich hohes Insolvenzrisiko besteht. Das Gegenteil scheint sogar der Fall zu sein. Ob sich diese Beobachtungen auch über einen längerfristigen Zeitraum bestätigen, werden spätere Erhebungen zeigen müssen.

II. Weitere Reformvorschläge In der französischen Literatur wird intensiv darüber diskutiert, wie das Recht der SARL, insbesondere die Finanzverfassung bzw. der Gläubigerschutz, zusätzlich zu den bereits vorgenommenen Reformen verbessert werden kann. In aller Regel gehen diese Vorschläge von der Prämisse aus, dass das Stammkapital nach der Abschaffung der gesetzlichen Untergrenze seine gläubigerschützende Funktion verloren habe und dass die so entstandene Gläubigerschutzlücke ein erneutes legislatives Eingreifen notwendig mache.682

680 Die übrigen Gesellschaften verteilen sich hauptsächlich auf folgende Bereiche: Groß- und Einzelhandel (18,83%), Baugewerbe (8,74%), IT-Branche (6,76%), Verlagsund Pressewesen (6,47%), Gaststättengewerbe (5,29%). 681 Ebenso zurückhaltend Monnet, Dr. sociétés 2004, comm. 191, 23. 682 Vgl. nur Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (928).

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1. Wiedereinführung des Mindestkapitals Vereinzelt wird gefordert, die Abschaffung des Mindestkapitals schlicht rückgängig zu machen, womöglich unter Anhebung des früheren Betrags683 und ggf. ergänzt durch eine relative, flexible Untergrenze, die je nach beabsichtigter Geschäftstätigkeit und den sonstigen Plänen der Gründer variiert.684 Dies stellt sicherlich angesichts des insgesamt weit gehend unverändert fortgeltenden Kapitalschutzsystems der SARL die einfachste und kostengünstigste Variante dar, ist allerdings auch der am unwahrscheinlichsten erscheinende Lösungsweg angesichts der vom Gesetzgeber für die Abschaffung vorgebrachten Argumente und der allgemeinen Tendenz der jüngeren Reformen im französischen Gesellschaftsund Handelsrecht. 2. Verschärfung der Haftung bei Unterkapitalisierung Andere regen an, einen obligatorischen Gründungsfinanzplan und daran anknüpfend eine Geschäftsführer- oder Gründerhaftung für Unterkapitalisierung entsprechend dem belgischen Recht einzuführen, um speziell die befürchtete sprunghafte Zunahme unterkapitalisierter Gesellschaftsgründungen zu bekämpfen.685 Die französische Rechtsprechung in diesem Bereich sei nicht ausreichend, außerdem sei im Interesse der Rechtssicherheit und des Gläubigerschutzes eine gesetzliche Regelung vorzugswürdig. Das belgische Modell einer obligatorischen, den typischerweise besonders kritischen Zeitraum von zwei bis drei Jahren ab Gründung umfassenden, haftungsbewehrten Finanzplanung gemäß Artt. 215, 229 Nr. 5 belg. C. soc.686 fördere das Bewusstsein und die Verantwortung der Gründer für die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten ihres Projektes und stärke damit die Sicherheit und das Vertrauen der Gläubiger. Die Einführung vergleichbarer Regeln in Frankreich könne nicht nur unterkapitalisierte Gründungen und eine daraus resultierende regelmäßige Haftung der Geschäftsführer für die Gesellschaftsschulden in der Insolvenz zurückdrängen, sondern stärke auch das Gläubigervertrauen in die Rechtsform der SARL, so dass deren Kreditwürdigkeit

683 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (932): „Le rétablissement d’un capital minimal raisonnable apparaît donc indispensable.“ Ausdrücklich dagegen Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1364). 684 Vgl. Legrand, Anm. zu CA Rouen 20.10.1983, Rev. sociétés 1984, 764 (771), der auf eine ähnliche Regelung für Finanzdienstleistungsunternehmen im Gesetz vom 14.06.1941 verweist und deren Übertragung auf die SARL schon lange vor der Abschaffung des Mindestkapitals bzw. sogar kurz nach dessen Anhebung im Jahre 1984 andenkt. 685 Vgl. Fernandez, P. A. 2004, 4; Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (929). Zum belgischen Modell im einzelnen oben, § 7 II. 2. a) cc). 686 Näher zu Anwendungsbereich und Inhalt dieser Vorschriften Fernandez, P. A. 2004, 4 ff.

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gestärkt werde und weniger Bedarf für persönliche Sicherheiten seitens der Geschäftsführer oder Gesellschafter bestehe.687 3. Stärkung der Eigenkapitalausstattung Einen ähnlichen Zweck, nämlich den der Senkung der Insolvenzanfälligkeit der SARL, verfolgt der Vorschlag, die Eigenkapitalausstattung der SARL in anderer Weise als durch ein gesetzliches Mindeststammkapital zu stärken. So könnte für den Fall, dass die Gesellschaft Verluste macht, die Prozedur des Art. 22342 C. com. verschärft werden.688 Die Vorschrift sollte hiernach schon dann eingreifen, wenn das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft unter die Stammkapitalziffer sinkt, nicht erst bei einem Absinken unter die Hälfte des Stammkapitals, da bereits ab diesem früheren Zeitpunkt die Stammkapitalziffer Dritte über das tatsächlich vorhandene Vermögen der Gesellschaft täuscht. Außerdem müsste das entsprechende Verfahren zur Wiederherstellung der Deckung des Stammkapitals insgesamt beschleunigt werden. Dies könnte dadurch erreicht werden, dass die Entscheidung über das weitere Schicksal der Gesellschaft bereits in derselben Gesellschafterversammlung getroffen werden muss, die die Verluste feststellt, und nicht erst innerhalb von vier Monaten danach. Nachzudenken wäre auch über einen Beginn des Verfahrens nach Feststellung entsprechender Verluste in einer vorläufigen Bilanz und nicht erst in einem festgestellten Jahresabschluss.689 Eine Stärkung des Eigenkapitals im Falle, dass die Gesellschaft Gewinn macht, wäre nach diesem Vorschlag ebenfalls wünschenswert und möglich. So könnte der Betrag der gesetzlichen Rücklagen deutlich angehoben werden.690 Speziell um das in der Praxis verbreitete „Aussaugen“ der Gesellschaft durch ihren Geschäftsführer im Wege der Zahlung überhöhter Vergütungen zu verhindern, wird zudem erwogen, die Bezahlung der Geschäftsführer grundsätzlich zu sperren, bis die gesetzlichen Rücklagen vollständig gebildet worden sind. Die Geschäftsführer sollen dann so lange nur Abschlagszahlungen erhalten, die sie zurückzahlen müssen, wenn die Auffüllung der Rücklagen endgültig unmöglich wird.691 4. Gesetzliche Garantiehaftung der Gesellschafter Zusätzlich zu einer solchen Verbreiterung der Eigenkapitalbasis der Gesellschaft wird angedacht, neben dem frei wählbaren Stammkapital eine gesetzliche 687

Vgl. Fernandez, P. A. 2004, 4 (6). Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1364 f.). Zu der Kritik an der geltenden Regelung vgl. oben, § 5 II. 2. b). 689 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365). 690 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365). 691 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365). 688

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Garantiehaftung der Gesellschafter einzuführen.692 Diese Idee gründet auf der Prämisse, dass die Abschaffung des Mindestkapitals an sich sinnvoll ist, da es Gesellschaften gibt, die keinen Bedarf an nennenswertem Anfangskapital haben.693 Auch bei einer Kapitalgesellschaft dürfe das unternehmerische Risiko jedoch nicht vollends auf die Gläubiger verlagert werden. Unter der Geltung des alten Kapitalminimums sei dies dadurch gewährleistet gewesen, dass die Gesellschafter zumindest mit ihrer Einlage den Gläubigern für die Gesellschaftsschulden hafteten. Diese Garantie entfalle jedoch bei einer SARL mit einem Stammkapital von einem Euro. Deshalb müsse eine gesetzliche Pflicht der Gesellschafter eingeführt werden, im Insolvenzfall in einer vorher bestimmten Höhe persönlich für die Gesellschaftsschulden einzustehen. Die Höhe der Verpflichtung der Gesellschafter könne dabei entsprechend dem alten Mindestkapital bei 7.500 Euro festgeschrieben werden.694 Eine höhere Einstandspflicht sei abzulehnen, um die Haftungsbeschränkung nicht ihrer Effektivität zu berauben. Eine solche begrenzte Garantiehaftung stelle damit einen sinnvollen Kompromiss dar zwischen einer (nicht wünschenswerten) praktisch vollständigen Haftungsbefreiung bei einem Stammkapital von einem Euro und einer (in der Kapitalgesellschaft ebenfalls nicht gewollten) unbegrenzten persönlichen Gesellschafterhaftung.695 Der Vorteil dieses Modells – neben der Verbesserung der Befriedigungschance der Gläubiger in der Insolvenz – liege nicht zuletzt darin, dass ein Anreiz zur frühzeitigen Einleitung eines Insolvenzverfahrens geschaffen werde, da sich die Einstandspflicht der Gesellschafter entsprechend verringere, je mehr Gesellschaftsvermögen noch zur Befriedigung der Gläubiger vorhanden ist.696 Das Gegenargument, dass die Gläubiger im Falle der Insolvenz der Gesellschafter schutzlos seien, verfange nicht, da die Gläubiger dieses Risiko immer tragen müssten, sei es im Fall der gestaffelten Einlageleistung über einen

692 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365); ihm folgend Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (415). 693 Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365), akzeptiert diese Prämisse allerdings nur eingeschränkt, da selbst bei kleinen Dienstleistungsunternehmen, auf die die Regierung in der Gesetzesbegründung ausdrücklich Bezug nimmt, gewisse Anfangsinvestitionen nötig seien, etwa die Erstellung von Marktstudien oder die Einholung von Rechtsrat. Vor diesem Hintergrund erscheine der frühere Mindestbetrag von 7.500 Euro, von dem ohnehin nur 20% sofort aufzubringen waren, nicht als Gründungshürde. Die alte Regelung sei deshalb eine „bonne mésure“ gewesen, und aus Sicht sowohl der Gläubiger als auch der Gesellschafter sei festzuhalten: „Ce dispositif suffit amplement.“ Dennoch hält er die Abschaffung des Mindestkapitals nicht für grundsätzlich verfehlt, plädiert aber für weitere legislative Maßnahmen. 694 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365); Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (415). 695 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2003, 409 (415). 696 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365), der als weiteren Vorteil eine zumindest teilweise Entlastung des Geschäftsführers von der oft unverhältnismäßigen Gefahr einer Verurteilung en comblement du passif anführt.

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Zeitraum von fünf Jahren nach altem Recht, sei es im Rahmen der Geschäftsführerhaftung gemäß Art. L. 651-2 C. com., sei es gegenüber Personengesellschaften. Außerdem sei ein Gesellschafter mit wenig Vermögen immer noch ein besserer Schuldner als eine Gesellschaft, deren „Vermögen“ nur mehr aus Schulden besteht.697 5. Einführung eines gesetzlichen „Haftungskapitals“ In eine ganz ähnliche Richtung zielt der Vorschlag, ein neues Haftungskapital698 einzuführen. Dieses soll neben das Stammkapital treten, wodurch es zu einer klaren Funktionstrennung käme: Dem Schutz der Gläubiger soll allein das Haftungskapital dienen, während das Stammkapital auf seine Rolle als Instrument zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft reduziert wird.699 Dem liegt die bereits mehrfach angesprochene Erkenntnis zugrunde, dass das Stammkapital bisher beide Funktionen gleichzeitig ausfüllen muss, wodurch es zu Wertungswidersprüchen kommt. Als Finanzierungsinstrument habe es aus Sicht der Gesellschaft gegenüber anderen Möglichkeiten wie Gesellschafterdarlehen oder Bankkrediten den Vorteil, dass die im Stammkapital zusammengefassten Ansprüche der Gesellschafter auf Rückerstattung ihrer Einlageleistungen erst in der Liquidation der Gesellschaft geltend gemacht werden können. Vor diesem Hintergrund sei es unnötig und willkürlich, ein zwingendes Minimum gesetzlich festzulegen, da die Gesellschafter selbst ein Interesse an der soliden Finanzierung ihres Unternehmens haben, dessen Finanzbedarf aber selbst am besten beurteilen können. Die Abschaffung des Mindestkapitals sei deshalb insoweit zu begrüßen als „l’expression législative d’une volonté de responsibilisation des fondateurs.“ 700 Auf der anderen Seite sei das Stammkapital aber die Basis der Haftungsbeschränkung und damit ein Instrument, das die Gläubiger und die Gesellschafter schützt. Zugunsten der Gesellschafter begrenze es deren Einstandspflicht für die Schulden der Gesellschaft auf die Leistung der Einlagen. Zugunsten der Gläubiger verhindere es Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen. In diesem Kontext sei eine freie Bestimmung des Stammkapitals durch die Gesellschafter aber problematisch, da sie zur Minimierung ihrer persönlichen Verpflichtungen an der Festsetzung eines möglichst niedrigen Betrages interessiert sind. Dies ziehe verschiedene rechtspolitisch unerwünschte Folgen nach sich, wie die Zunahme unterkapitalisierter Gesellschaftsgründungen, die weitere Aushöhlung des Haftungsprivilegs durch persönliche Sicherheiten sowie die Entstehung einer 697

Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365). Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1614): „capital d’engagement“. 699 Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1615). Vgl. zum ganz ähnlichen Vorschlag eines „Insolvenzeröffnungskapitals“ in Deutschland oben, § 7 II. 1. e). 700 Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612. 698

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

„Zwei-Klassen-Gesellschaft“ unter den Gesellschaftsgläubigern.701 Dem versuchte der Gesetzgeber bisher dadurch zu begegnen, dass er die Festsetzung eines zu geringen Stammkapitals schlicht verbot und ein Kapitalminimum vorschrieb, das als „Kompromisswert“ die gegenläufigen Interessen der Beteiligten zu einem möglichst angemessenen Ausgleich bringen sollte.702 Nach dem Wegfall dieses gesetzlichen Schutzmechanismus sei eine Lösung des Interessenkonfliktes nur durch Trennung der beiden ohnehin unvereinbaren Funktionen des Stammkapitals möglich.703 Letztendlich handelt es sich auch bei dieser Idee wieder um die Einführung einer erst im Insolvenzfalle eingreifenden gesetzlichen Garantiehaftung der Gesellschafter. Sie haften für die Gesellschaftsschulden nicht mehr mit ihren zu Anfang erbrachten Einlagen, sondern erst nachträglich in Höhe ihres Anteils am Haftungskapital.704 Letzteres muss zu keinem Zeitpunkt im Leben der Gesellschaft dieser tatsächlich in Form von Vermögenswerten zugeführt werden, sondern es dient als virtuelle Rechengröße nur der Bezifferung der persönlichen Einstandspflicht der Gesellschafter. Allerdings soll die Leistung der Einlage auch weiterhin zu einer Befreiung von der Einstandspflicht führen, so dass der Gesellschafter nur für den Differenzbetrag haftet. Übersteigt der Wert der Einlage sogar die Verpflichtung aus dem Haftungskapital, so wird der Gesellschafter bezüglich des Überschusses wie jeder Drittgläubiger behandelt, seine Rückforderung in der Liquidation wird also insoweit nicht auf den allerletzten Rang zurückgestuft.705 Auch wenn es nicht ausdrücklich verlangt wird, so liegt es doch fast zwingend in der Konsequenz dieses Vorschlags, für das Haftungskapital ein nicht unerhebliches gesetzliches Minimum vorzuschreiben.706 Er ist ausdrücklich inspiriert 701

Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1613 f.). Näher oben, § 8 I. 2. a). Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1614). 703 Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1615): „L’émergence d’un capital d’engagement est la conséquence directe de la constatation de l’impossibilité à consilier en une notion unique, celle de capital social, des fonctions aux conséquences radicalement opposées.“ 704 Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1615). 705 Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1615). 706 Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1615), lässt diese Frage offen mit der Begründung, die zwingende Festlegung eines angemessenen Minimalbetrages für alle Gesellschaften erscheine zwar auf den ersten Blick vernünftig, sei praktisch aber schwierig. Sie fragt deshalb, ob nicht eine freie Bestimmung auch des Haftungskapitals durch die Gesellschafter besser sei, da das Risiko der Festsetzung eines zu geringen Haftungskapitals dadurch minimiert werde, dass die Gesellschafter sich dann verstärkt Forderungen der Gläubiger nach persönlichen Sicherheiten ausgesetzt sähen, an einer derartigen Erosion ihres Haftungsprivilegs aber kein Interesse hätten. M. E. verliert das Haftungskapital ohne eine gesetzliche Untergrenze aber jegliche – ohnehin fragliche, vgl. unten § 10 II. 2. a) cc) – Existenzberechtigung. Es bringt dann keinerlei Vorteile, die sich nicht auch innerhalb des Stammkapitalsystems erreichen ließen, etwa durch Aufgabe der Pflicht zur anfänglichen Aufbringung der Einlagen. Zudem ist es in sich widersprüchlich, einerseits vor dem durch die Abschaffung des ge702

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von der Haftungsregelung bei der landwirtschaftlichen Nutzungsgemeinschaft (groupement agricole d’exploitation en commun, GAEC), für die Art. L. 323-10 C. rur. vorschreibt, dass jedes Mitglied persönlich für Schulden der Gemeinschaft höchstens bis zum zweifachen Betrag seines Anteils am Stammkapital der Gemeinschaft einzustehen hat.707 Die Vorzüge der genannten Funktionstrennung werden, neben der Verbesserung des Gläubigerschutzes, auch darin gesehen, dass der Eintritt von Gesellschaftern, die allein an einer Investition und weniger an der Unternehmensleitung interessiert sind, erleichtert wird. Auch die Einbringung von Dienstleistungen als Stammeinlage sei kein Problem mehr, da das Stammkapital nicht mehr als Haftungsfonds für die Gläubiger diene und deshalb nicht aus dauerhaften, gegenständlichen Vermögenswerten bestehen müsse. Außerdem könne so der Aushöhlung der Haftungsbeschränkung durch die systematisch von den Banken eingeforderten persönlichen Sicherheiten der Gesellschafter begegnet werden, da das entsprechende Sicherungsbedürfnis der Banken geringer werde.708 Um den durch dieses System vermittelten Gläubigerschutz noch weiter zu akzentuieren, wird auch erwogen, die Gesellschafter zur anfänglichen Aufbringung des Haftungskapitals zu verpflichten. Die entsprechenden Leistungen müssten dann der Verfügungsmacht der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter völlig entzogen werden, etwa durch Hinterlegung; jede Belastung dieser Vermögensmasse und jeder Zugriff auf sie wäre untersagt. Eine vergleichbare Verbesserung des Gläubigerschutzes könne auch durch eine Pflichtversicherung der Gesellschafter bezüglich ihrer Einstandspflicht aus dem Haftungskapital erreicht werden.709 6. Abschaffung des Stammkapitals Die Idee der Reduktion des Stammkapitals auf ein reines Finanzierungsinstrument zeichnet bereits ansatzweise den Weg vor zu einem noch weitergehenden Vorschlag: einer gänzlichen Abschaffung des Stammkapitals.710 Allein zur Fisetzlichen Stammkapitalminimums verursachten Risiko der Aushöhlung des Haftungsprivilegs durch die Vereinbarung persönlicher Sicherheiten zu warnen, andererseits aber den Standpunkt zu vertreten, dass gerade dieses Risiko die Gesellschafter von der Vereinbarung eines verschwindend geringen Haftungskapitals abhalten wird, eben um sich die Vorteile der Haftungsfreistellung zu erhalten. Warum sich die Gesellschafter unterschiedlich verhalten sollten, nur weil man das Stamm- in Haftungskapital umetikettiert, ist wenig nachvollziehbar. 707 Vgl. Nurit-Pontier, D. 2003, Chron. 1612 (1616); Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (928). 708 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (929). 709 Vgl. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (929). 710 Vgl. Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (16): „La doctrine du capital social, basée sur des conceptions archaïques et purement formelles, est sans doute la plus facile à réformer.“ Zurückhaltender Simon, EBLR 2004, 1037 (1043), die die Zeit

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

nanzierung der Gesellschaft erscheine ein zwingendes, strenges System von Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln unnötig. Zum Gläubigerschutz stünden aber andere, effektivere Mechanismen zur Verfügung. Ein einheitliches Schutzinstrument für alle verschiedenen Kategorien von Gläubigern sei zu unflexibel und privilegiere manche Gläubiger auf Kosten der anderen. Kreditgeber könnten sich selbst am besten schützen, sei es durch Anpassung der Zinsen, so dass letztendlich nicht vertrauenswürdige bzw. nicht lebensfähige Gesellschaften durch höhere Fremdkapitalkosten aus dem Markt gedrängt werden, sei es durch zusätzliche Sicherheiten der Gesellschaft oder Garantien der Gesellschafter, Hinzuziehung von Rating-Agenturen oder Vereinbarung individueller financial covenants (z. B. Ausschüttungsgrenzen oder das Verbot neuer Schulden, das Gebot der Einhaltung bestimmter Verhältnisse bzgl. der Liquidität o. ä.). Andere Gläubiger ohne Verhandlungsmöglichkeit oder -macht könnten dies zwar nicht, aber auch ihnen nütze das Stammkapital in aller Regel nicht, da es im Insolvenzfall zumeist aufgezehrt sei. Alle Gläubiger würden demgegenüber am meisten von wirtschaftlich gesunden Gesellschaften profitieren. Dafür sei das Stammkapital aber kein sinnvoller Gradmesser, das Nettoaktivvermögen oder ein Solvenztest seien die bessere Referenzgröße.711 Auch zur Aufteilung der Vermögens- und Verwaltungsrechte der Gesellschaft bedürfe es keines Rückgriffs auf das Stammkapital; diese könne sich ebenso gut nach der Anzahl der gehaltenen Gesellschaftsanteile ohne Nominalwert richten.712 Vorgeschlagen wird deshalb eine Komplettreform des Gläubigerschutzes, basierend auf zwei Pfeilern: Erstens ein Informationsmodell, das die Gesellschaft zur Publizierung von Daten verpflichtet, die eine aktuelle und zuverlässige Aussage über ihre wirtschaftliche Situation zulassen (z. B. das Nettoaktivvermögen), und das damit die Grundlage bildet für einen in erster Linie vertraglich ausgehandelten Gläubigerschutz. Zweitens eine Reform des Insolvenzrechts, die einen stärkeren Akzent auf die Restrukturierung und Sanierung des Unternehmens vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit legt und gleichzeitig Anreize für die Geschäftsleiter schafft, ein Insolvenzverfahren so früh wie möglich bei den ersten Anzeichen drohender Insolvenz einzuleiten.713 Damit würde sich das franzönoch nicht für reif hält für einen radikalen Systemwechsel und diesbezüglich von einer Evolution statt einer Revolution ausgeht. 711 Vgl. zu dieser Argumentationslinie Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (5), deren Überlegungen sich zwar primär auf Aktiengesellschaften beziehen, aber insoweit auch auf die SARL übertragbar sind. Ähnlich Simon, EBLR 2004, 1037 (1042), die das Stammkapital als Gläubigerschutzinstrument für entbehrlich hält, aber beim Solvenztest noch Klärungsbedarf sieht, insbesondere bzgl. Publizitäts- und Periodizitätsanforderungen und der Zertifizierung durch unabhängige Dritte. 712 Vgl. High Level Group, S. 81 ff.; Simon, EBLR 2004, 1037 (1043). 713 Vgl. Caramalli/Cafritz, Banque & Droit 2004, 3 (6). Der zweite Teil dieses Vorschlages wurde durch die loi de sauvegarde, die formalisierte Verfahren wie insbesondere das neue Sicherungsverfahren auch schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit vorsieht, im Prinzip umgesetzt. Näher dazu oben, § 5 I. 2. f).

§ 9 Spanien

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sische Kapitalgesellschaftsrecht endgültig und eindeutig vom kontinentaleuropäischen Stammkapitalsystem verabschieden und sich dem angelsächsischen, insbesondere dem US-amerikanischen Modell stark annähern.

§ 9 Spanien Die Diskussion um eine grundlegende Reform der S.L. findet in Spanien nicht mit dem gleichen Nachdruck statt wie in den beiden anderen untersuchten Ländern. Dies mag, wie bereits dargelegt, daran liegen, dass ihr Regelungsregime erst vor etwas mehr als zehn Jahren grundlegend umgestaltet wurde und diese Neuerungen einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem alten Recht darstellten. Dies hat der S.L. erst in jüngerer Zeit zu einem bemerkenswerten Durchbruch in der spanischen Unternehmenslandschaft verholfen714, so dass weniger ihr Untergang als eine Verdrängung der S.A. durch die S.L. befürchtet wird.715 Dennoch fehlt es auch in Spanien nicht grundsätzlich an Bestrebungen und Vorschlägen, die S.L. noch attraktiver und im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger zu machen. In Reaktion auf die häufig geäußerte Kritik, das Gründungsverfahren sei zu langwierig und kostspielig716, wurde kürzlich die speziell für Unternehmensgründer gedachte S.L.N.E. eingeführt. Diese Reform ist deshalb bemerkenswert, weil der Gesetzgeber sich hier für die – nun im Prinzip auch in Deutschland vorgenommene717 – Einführung eines eigenständigen Regimes für Unternehmensgründergesellschaften entschieden hat, anstatt das Recht der S.L. insgesamt gründungsfreundlicher zu gestalten. Die „spanische Erfindung“ 718 S.L.N.E. soll zunächst ausführlich dargestellt werden (I.), bevor kurz auf weitergehende Reformvorschläge einzugehen ist (II.).

I. Die Reformen der LSLNE Nach der grundlegenden Novellierung der LSL von 1995 dauerte es nur acht Jahre, bis der legislative Reformeifer, der in Spanien eine ähnlich inflationäre Entwicklung genommen hat wie in anderen europäischen Ländern, sich wieder dieser Rechtsmaterie zuwandte. Die Ley 7/2003719 (LSLNE) führte wesentliche Neuerungen ein, die die Rechtsform der S.L. insbesondere für kleine und mitt714

Vgl. oben, § 6 I. 1. Vgl. García, S. 111 (132); Bolás, Art. 1 LSL, S. 38. 716 Vgl. oben, § 6 II. 2. bei Fn. 820. 717 Vgl. oben, § 7 I. 1. a) bb). 718 So Embid, RIW 2004, 760, im Aufsatztitel. 719 Ley 7/2003 de la sociedad limitada Nueva Empresa vom 01.04.2003, BOE vom 02.04.2003, 12679. 715

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

lere Unternehmen und für Unternehmensgründer attraktiver machen sollen. Der Darstellung des Inhalts dieses Reformgesetzes (1.) schließt sich ein Überblick über die Reaktion des Schrifttums (2.) und einige relevante Rechtstatsachen (3.) an. 1. Die neuen gesetzlichen Regelungen Die zweite bedeutende Reform des Rechts der S.L. innerhalb weniger Jahre ist, ähnlich wie die loi Dutreil in Frankreich, ein Beispiel für legislativen Aktionismus: Sie wurde innerhalb eines Dreivierteljahres vom ersten Vorentwurf (Anteproyecto)720 zum fertigen Gesetz721, ohne eingehende Vorbereitung, rechtswissenschaftliche Diskussion oder Abstimmung mit den Wünschen des Unternehmenssektors.722 Dennoch oder möglicherweise gerade deswegen werden Notwendigkeit und Zweck der Reform vom Gesetzgeber selbst ausführlich begründet – allerdings in sehr allgemein gehaltener Form.723 Ihr liegt das gleiche übergeordnete Ziel zugrunde, das die Richtung der gesamten europäischen Diskussion um die Reform der kleinen Kapitalgesellschaft bestimmt: Die Förderung von Unternehmensgründungen und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen, insbesondere derer kleiner und mittlerer Größe, die das

720

Dieser ist abgedruckt in RdS 18 (2002), 357 ff. und DNeg 2002, S. 120 ff. Der erste Regierungsentwurf wurde dem spanischen Parlament am 07.06.2002 vorgelegt. Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 20 mit Fn. 2, sowie S. 28, wo er verwundert anmerkt, die Gesetzesbegründung enthalte keinerlei Feststellungen über Defizite des geltenden Regimes der S.L., die es durch die Reform zu beseitigen gelte. Hinzu kommt, dass einige bedeutsame Veränderungen am Entwurf erst kurzfristig auf der letzten Verfahrensstufe, der Beratung im Senat, vorgenommen wurden, vgl. Valpuesta, S. 19. 722 Vgl. Valpuesta, S. 15 f., 155 f. Anders insoweit Convert, JCP E 2004, 1872, dem zufolge die Reform das Resultat eines umfassenden Reflexionsprozesses mit gemeinschaftsrechtlicher Dimension und keineswegs ein oberflächlicher Schnellschuss ist. Diese Sichtweise stützt sich offensichtlich auf die Gesetzesbegründung der LSLNE, die weitschweifig auf die gemeinschaftsrechtlichen Inspirationsquellen verweist. Diese geben jedoch nur das übergeordnete Ziel der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen vor, während der konkrete Reforminhalt weder auf europäischen oder mitgliedstaatlichen Vorbildern noch auf umfassenden nationalen Vorarbeiten beruht. Dass die Gesetzesbegründung den Schluss nahe legt, die Reform sei inhaltlich wohl durchdacht und abgestimmt, ist m. E. weder überraschend noch eine hinreichende objektive Bewertungsgrundlage. Eine nähere Untersuchung der LSLNE und ihres Echos in der spanischen Rechtsliteratur, auf das unten, § 9 I. 2., näher eingegangen wird, legt aber die gegenteilige Einschätzung nahe. 723 Boquera/Embid, Introducción, S. 25 f., kritisiert dies, da die Gesetzesbegründung kaum Hinweise auf die konkrete Zielsetzung einzelner Vorschriften gebe und deshalb nicht als Hilfe zu deren Auslegung tauge. Dies wiege umso schwerer, als auch den Gesellschaftern einer S.L.N.E. aufgrund der starken Einschränkung der statutarischen Gestaltungsfreiheit wenig Raum verbleibe, die durch die teilweise sehr knapp und unklar formulierten Vorschriften aufgeworfenen Fragen in der Satzung zu klären. Näher zu diesem Problem unten, § 9 I. 2. 721

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Rückgrat der europäischen Wirtschaft und den Schlüssel zur Schaffung neuer Arbeitsplätze darstellen.724 Als Insiprationsquelle wird ausdrücklich auf die zahlreichen Initiativen und Vorschläge auf Gemeinschaftsebene verwiesen, die die Vereinfachung von Unternehmensgründungen und die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen schon vor Jahren zu einer Priorität europäischer Reformbemühungen erklärten.725 Um den bestehenden KMU als „factores generadores de riqueza y empleo“ 726 die wirtschaftliche Betätigung, vor allem in der weit verbreiteten Rechtsform der S.L.727, zu erleichtern, werden zunächst verschiedene Modifikationen innerhalb der LSL und im allgemeinen Zivilrecht vorgenommen, die insbesondere drei Probleme lösen sollen728: die Schwierigkeiten bei der Beschaffung der nötigen Finanzmittel, die Organisation der gesellschaftsinternen Kontrolle und den Unternehmensübergang von Todes wegen.729 Wichtigster Bestandteil der Reform ist aber das „Proyecto Nueva Empresa“ 730, das der Förderung der unternehmerischen Initiative dient und eine Vielzahl von Maßnahmen umfasst, von denen die

724 Vgl. Ley 7/2003, Exposición de Motivos II; García, DNeg 2002, 1; Valpuesta, S. 14. In Spanien waren laut der Statistik des DIRCE am 01.01.2005 von insgesamt 3.060.409 registrierten Unternehmen 99,87% solche kleiner und mittlerer Größe (weniger als 250 Angestellte). Kleine Familienunternehmen machen 65 bis 80% der Gesamtzahl der Unternehmen aus, tragen 50 bis 65% zum BIP sowie 60% zum Export bei und stellen über 80% der Arbeitsplätze bereit (Quelle: Sonntagsbeilage zu ABC vom 02.03.2003, S. 4 f.). 725 Die Gesetzesbegründung verweist insbesondere auf die entsprechende Empfehlung der EG-Kommission vom 22.04.1997, KOM (1997) 1161 endg., und auf die Europäische Charta für Kleinunternehmen (Charta von Feira) von 2000, nennt aber auch weitere Beschlüsse und Initiativen, vgl. Ley 7/2003, Exposición de Motivos I. Vgl. auch Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (6); Valpuesta, S. 13 ff. Zur eher auf die nationalen Probleme fokussierten Sichtweise des französischen Gesetzgebers bei der Reform der SARL vgl. oben, § 8 I. 1. 726 Vgl. Ley 7/2003, Exposición de Motivos II. 727 30% aller KMU sind in Spanien in der Rechtsform der S.L. organisiert. Zahlen nach DIRCE vom 01.01.2005. 728 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (7). 729 Die diesbezüglichen Maßnahmen betreffen insbesondere die neu geschaffene Möglichkeit zur Ausgabe stimmrechtsloser Geschäftsanteile gemäß Art. 42 bis LSL, die Lockerung des Verbots des Erwerbs eigener Anteile durch die Gesellschaft in Art. 40 LSL und die Erweiterung der zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Gestaltung der Vererbung des Unternehmens. Vgl. näher Boquera/Embid, Introducción, S. 21 f.; Valpuesta, S. 125 ff. 730 Dieses Projekt war im Vorentwurf des Gesetzes einziger Reforminhalt, die weiteren Maßnahmen wurden erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen hinzugefügt. Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 21. Der Gesetzgeber selbst identifiziert drei Pfeiler dieses Projekts: Ein Netz staatlicher Informations- und Beratungsstellen für Unternehmensgründer (CIRCE) sowie die Einführung der S.L.N.E. und eines vereinfachten Rechnungslegungssystems. Vgl. Ley 7/ 2003, Exposición de Motivos III.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Einführung der sociedad limitada nueva empresa (S.L.N.E.)731 nur eine darstellt, die allerdings im In- und Ausland die größte Aufmerksamkeit erfahren hat.732 a) Regime der S.L.N.E. Durch die Ley 7/2003 wurde in die LSL ein zwölftes Kapitel eingefügt, das das Regelungsregime der S.L.N.E. enthält (Artt. 130–144 LSL). Der erste Eindruck, hierbei handele es sich um eine neue Gesellschaftsform, täuscht. Die S.L.N.E. ist vielmehr, ähnlich wie jetzt in Deutschland die UG (haftungsbeschränkt)733, eine Art vereinfachte Sonderform der S.L., für die bestimmte Sonderregeln gelten, die sich aber im Übrigen nach den Vorschriften für „gewöhnliche“ S.L. richtet.734 Ihre Besonderheiten betreffen dabei – entsprechend der beschriebenen gesetzgeberischen Zielsetzung – hauptsächlich die Gründungsphase der Gesellschaft, während die Unterschiede zur S.L. in späteren Stadien weniger ausgeprägt sind. Die Einführung der S.L.N.E. geht zwar über den rein gesellschaftsrechtlichen Horizont hinaus und berührt auch andere Disziplinen 731 Die Bezeichnung lässt sich wohl am besten sinngemäß mit „Unternehmensgründer-GmbH“ übersetzen. Anders Embid, RIW 2004, 760: „neue unternehmerische GmbH“. Diese Übersetzung ist m. E. unglücklich, da die S.L.N.E. keine neue unternehmerische Gesellschaft ist, sondern eine GmbH für neue Unternehmen. Die eingängige Benennung als „Blitz-GmbH“, verwendet z. B. von Vietz, GmbHR 2003, 26, sowie Melchior/Schulte, GmbHR 2003, R 1, passt zwar zum Inhalt der Reform, entfernt sich aber zu weit von der Bedeutung der Originalbezeichnung. 732 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 19; Valpuesta, S. 21 und passim. In Spanien sind innerhalb kurzer Zeit nach Inkrafttreten der Reform mehrere Monographien zur S.L.N.E. erschienen, neben der von Boquera herausgegebenen insbesondere auch die von Díaz/Carbajo/Díaz und Valpuesta. Aus französischer Sicht z. B. Convert, JCP E 2004, 1872 ff. Aus dem deutschen Schrifttum Bascopé/Hering, GmbHR 2005, 609; Cohnen, ZVglRWiss 104 (2005), 479; Embid, RIW 2004, 760; Fröhlingsdorf, RIW 2003, 584; Melchior/Schulte, GmbHR 2003, R 1 („sensationelles Gesetzesvorhaben“); Oelkers, GesRZ 2004, 360 (361); Schmidt/Abegg, GmbHR 2005, 1602; Vietz, GmbHR 2003, 26. 733 Dazu näher oben, § 7 I. 1. a) bb). 734 Vgl. Ley 7/2003, Exposición de Motivos V; sowie den insoweit nicht ganz eindeutigen Wortlaut des Art. 130 LSL: „La sociedad Nueva Empresa se regula por este capítulo como especialidad de la Sociedad de Responsabilidad Limitada.“ Boquera/Embid, Introducción, S. 25, hebt hervor, dass das Regime der „gewöhnlichen“ S.L. insoweit keineswegs als subsidiär anwendbares Recht anzusehen ist, dass vielmehr auch die S.L.N.E. eine S.L. ist, die ohne weiteres unmittelbar den allgemeinen Regeln der LSL unterworfen ist, soweit nicht die Sondervorschriften des zwölften Kapitels der LSL gelten. Ebenso ders., RIW 2004, 760 (762); Mora/Mora, S. 357 f. Zweifelnd, aber im Ergebnis doch zustimmend Valpuesta, S. 149 ff., dem zufolge bei Fragen der Auslegung der Vorschriften der S.L.N.E. deshalb zu beachten ist, dass es sich im Prinzip um eine S.L. handelt, obwohl der Gesetzgeber selbst im neuen zwölften Kapitel der LSL durch überflüssige Verweise auf und Wiederholungen von Vorschriften des Regimes der gewöhnlichen S.L. den Eindruck vermittele, die S.L.N.E. sei eine dritte Kapitalgesellschaftsform neben S.L. und S.A., auf die die übrigen Vorschriften der LSL nicht ohne weiteres anwendbar sind.

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wie das Steuer- oder das Registerrecht,735 allerdings konzentriert sich die folgende Darstellung auf die gesellschaftsrechtlichen Aspekte. Der Weg einer „typologischen Spezialisierung“ 736 durch Einführung einer speziellen Unterart zu einer bereits existierenden Gesellschaftsform ist nicht neu und wurde in Deutschland und Frankreich bereits auf dem Gebiet des Aktienrechts durch Einführung der „kleinen AG“ 737 bzw. der „société par actions simplifiée“ 738 beschritten. Dennoch folgt der spanische Gesetzgeber mit der Einführung der S.L.N.E. dem damit vorgezeichneten Trend zu mehr Flexibilität und Satzungsfreiheit nicht739, sondern leistet legislative Pionierarbeit in der entgegengesetzten Richtung740 und geht damit weit über den Horizont der in der Gesetzesbegründung genannten gemeinschaftsrechtlichen Inspirationsquellen hinaus.741 Die LSLNE unterscheidet sich nämlich von ihren rechtsvergleichenden Vorläufern einerseits offensichtlich darin, dass sie das Recht der S.L. an Stelle des Aktienrechts als Ausgangspunkt für die Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Typologie wählt, und andererseits flexibilisiert sie die bestehenden Regeln nicht,

735 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (6); sowie Boquera/Embid, Introducción, S. 24, dem zufolge die Einführung der S.L.N.E. auch außerrechtliche Nebenwirkungen zeitigt, wie die Verwendung von elektronischen Medien im Rechtsverkehr und die Koordination verschiedener öffentlicher Institutionen. Vgl. ausführlich zu diesen nicht gesellschaftsrechtlichen Aspekten die Kommentierung der verschiedenen, durch die Reform in die LSL eingefügten disposiciones adicionales in Boquera (Hrsg.), S. 181 ff. 736 Vgl. Embid, RIW 2004, 760 (762). 737 Vgl. Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BGBl. I 1994, 1961. 738 Vgl. Loi no 94-1 instituant la société par actions simplifiée, JO vom 04.01.2003, 129. 739 Vgl. Melchior/Schulte, GmbHR 2003, R 1: „in Europa bislang einmalig“. 740 Vgl. Embid, RIW 2004, 760; Juan-Mateu, ECFR 1 (2004), 60 (63); Valpuesta, S. 20. Der deutsche Gesetzgeber ist inzwischen dieser Pionierleistung mit der Einführung der UG (haftungsbeschränkt) gefolgt. Letztere ähnelt in ihrer Grundkonzeption stark ihrem spanischen Vorläufer, jedoch mit z. T. wesentlichen Unterschieden im Detail, vgl. näher oben, § 7 I. 1. a) bb). 741 In dieser Hinsicht erscheint die Gesetzesbegründung geradezu irreführend. Die genannten gemeinschaftsrechtlichen Initiativen, auf die der Gesetzgeber sich praktisch ausschließlich stützt, befassen sich nämlich größtenteils nur mit der Beschleunigung und Vereinfachung der Unternehmensgründung, insbesondere durch die Nutzung elektronischer Kommunikationstechnologien, was aber nur einen kleinen Anteil der Reform der Ley 7/2003 ausmacht. Insbesondere das Regime der S.L.N.E. beruht – abgesehen von der Möglichkeit der elektronischen Gründungsprozedur gemäß Art. 134 i.V. m. DA 8 a LSL – in keiner Weise auf diesen Vorarbeiten und kann deshalb auch nicht durch sie motiviert gewesen sein. Darauf verweist auch Valpuesta, S. 15 f., dem zufolge die Gesetzesbegründung insoweit sogar dem Gesetzesinhalt widerspricht, da der spanische Gesetzgeber die Gründungserleichterungen auf eine spezifische Gesellschaftsform, die S.L.N.E., beschränkt habe, die noch dazu einem sehr (möglicherweise zu) strengen Regime unterliege. Im Ergebnis werde so nur ein geringer Prozentsatz der KMU von der Reform profitieren, die deshalb dem gemeinschaftsrechtlichen Ziel der umfassenden Förderung der Gründung von KMU nicht gerecht werde.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

um der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter mehr Spielraum zu gewähren, sondern beschränkt diese im Gegenteil stärker als in der Grundform der S.L.742 Die zwingenden Vorgaben beginnen schon bei der Firma der Gesellschaft, die gemäß Art. 131 Abs. 1, 2 LSL zumindest in der Gründungsphase zwingend aus den Vor- und Nachnamen eines der Gründungsgesellschafter743, einem alphanumerischen Code und dem Rechtsformzusatz besteht.744 Des weiteren enthält Art. 132 Abs. 1 LSL eine abschließende Liste der Gesellschaftszwecke, die zulässigerweise in der Rechtsform der S.L.N.E. verfolgt werden dürfen, wobei der in der Satzung angegebene Gesellschaftszweck wörtlich dieser Liste entstammen muss und nicht etwa umschrieben werden darf.745 Alle diese Regelungen sollen der Beschleunigung der Gründung dienen. Eine weitere, nicht ohne weiteres einleuchtende746 Einschränkung gegenüber den Regeln der gewöhnlichen S.L. ist der Umstand, dass gemäß Art. 133 Abs. 1 LSL die Anzahl der Gesellschafter einer S.L.N.E. im Gründungszeitpunkt747 fünf nicht überschreiten darf.748 Außerdem dürfen grundsätzlich nur natürliche Personen Gesellschafter sein. Hieran zeigt sich, dass die personalistische Struktur in der S.L.N.E. eine noch wichtigere 742 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 26 f.; Juan-Mateu, ECFR 1 (2004), 60 (63). Zur Kritik vgl. unten, § 9 I. 2. 743 Scheidet dieser Gesellschafter später aus der Gesellschaft aus, muss die Firma unverzüglich geändert werden, Art. 140 Abs. 3 LSL. 744 Diese Vorgabe war in der ursprünglichen Fassung der LSLNE insofern noch strenger, als die Firma während der gesamten Lebensdauer der S.L.N.E. in dieser Form erhalten bleiben musste. Eine derartige Firma wurde jedoch insbesondere aus der Wirtschaft als wenig einprägsam und werbetauglich und deshalb als aus unternehmerischer Sicht sehr unattraktiv kritisiert, vgl. nur Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (10); Valpuesta, S. 33. Deshalb wurde Art. 131 Abs. 1 LSL durch die Ley 24/2005 vom 18.11.2005 dahingehend neu gefasst, dass eine Änderung der Firma nach Abschluss des Gründungsverfahrens nunmehr möglich ist. Dass eine solche Nachbesserung schon nach so kurzer Zeit notwendig wurde, zeigt, wie wenig die Reform im Vorfeld mit Vertretern des Unternehmenssektors abgestimmt wurde. 745 Die zulässigen Gesellschaftszwecke sind jedoch relativ breite Branchenbezeichnungen (z. B. actividad comercial), so dass im Ergebnis die S.L.N.E. flexibler ist als die S.L., bei der die geplanten Tätigkeiten präzise in der Satzung festgelegt werden müssen. Dieser Unterschied wird mit dem weniger beständigen Charakter kleinunternehmerischer Betätigung gerechtfertigt. Vgl. Ley 7/2003, Exposición de Motivos VI; Marín/ Guisado, DNeg 2004, 5 (11); Embid, RIW 2004, 760 (763 f.); Juan-Mateu, ECFR 1 (2004), 60 (64). Kritisch bzgl. des Zwecks dieser Vorschrift Alfaro, EBOR 5 (2004), 449 (465 mit Fn. 39); Boquera/Olavarría, Art. 132 LSL, S. 65. 746 Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (11), bezeichnen diese Vorschrift als „una de las novedades que más ha sorprendido“. Deutlicher García, DNeg 2002, 1 (6): „Imponer un número máximo de socios [. . .] carece, a nuestro parecer, de total justificación.“ 747 Spätere Überschreitungen sind zulässig. 748 Der Vorentwurf des Gesetzes sah in Artikel 4 vor, dass die Gesellschafterzahl während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft vier nicht überschreiten durfte. Die Lebensdauer war gemäß Art. 6 des Vorentwurfes auf drei Jahre begrenzt. Letztere Beschränkung wurde allerdings nicht in die spätere endgültige Gesetzesfassung übernommen.

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Rolle spielen soll als in der S.L.749 Auch darf gemäß Art. 133 Abs. 2 LSL eine natürliche Person nicht Alleingesellschafter von mehr als einer EinmannS.L.N.E. sein, um Missbräuchen vorzubeugen.750 Der Eindruck eines vergleichsweise rigiden Regelungsregimes erhärtet sich bei der weiteren Untersuchung. Der Gestaltungsfreiheit der Gründer werden nämlich nicht nur – wie in der gewöhnlichen S.L. auch – gemäß Art. 12 Abs. 3 LSL dadurch Grenzen gezogen, dass sie bei der Ausgestaltung der internen Verfassung ihrer Gesellschaft die Gesetze und die Grundprinzipien der Rechtsform der S.L. beachten müssen. Vielmehr sind sie gemäß Art. 134 Abs. 1 S. 3 LSL auch an die speziellen Regeln des zwölften Kapitels der LSL gebunden751. Damit unterscheidet sich das Regime der S.L.N.E. in einem entscheidenden Punkt von dem der gewöhnlichen S.L. und der verwandten Rechtsformen in Deutschland und Frankreich: Alle spezifisch die S.L.N.E. betreffenden Regeln sind zwingendes Recht und damit der gesellschaftsvertraglichen Disposition der Gründer entzogen, sofern sie nicht ausdrücklich für abdingbar erklärt werden.752 Dies ist umso bemerkenswerter, als gerade die Flexibilität des in weiten Teilen dispositiven Regimes der S.L. als ein wesentlicher Faktor hervorgehoben wird, warum diese Rechtsform besser den Bedürfnissen kleinerer Unternehmen entspricht als die rigide, schwerfällige S.A.753

749

Vgl. Embid, RIW 2004, 760 (763); Valpuesta, S. 50. Die Übertragung von Geschäftsanteilen inter vivos ist dementsprechend nur zulässig, wenn der Erwerber eine natürliche Person ist. Wird im Wege gesetzlicher Rechtsnachfolge eine juristische Person Gesellschafter einer S.L.N.E., so muss sie ihren Geschäftsanteil innerhalb von drei Monaten auf eine natürliche Person übertragen, Art. 136 Abs. 3 LSL. 750 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (11). 751 Die Bestimmung des Art. 134 Abs. 1 S. 3 LSL ist insoweit keine Spezialregelung zu Art. 12 Abs. 3 LSL, sondern tritt kumulativ neben diesen, vgl. Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 38. 752 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 31. Zur Kritik an dieser weit gehenden Satzungsstrenge unten, § 9 I. 2. Eine Möglichkeit, die zwingenden Vorschriften zumindest im Verhältnis der Gesellschafter untereinander abzubedingen, stellen die so genannten „pactos parasociales“ dar, die in der Praxis häufig zwischen den Gesellschaftsgründern abgeschlossen werden, ohne Teil der eigentlichen Gründungsdokumente zu werden. Diese Vereinbarungen binden die Gesellschafter, sind allerdings gemäß Art. 11 Abs. 2 LSL im Verhältnis zur Gesellschaft unwirksam. Die Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der Gründer auf solche Verträge, die keiner Publizität und keiner registerrechtlichen Kontrolle unterliegen, führe aber zu einem Verlust an Transparenz. Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 31, 33. 753 Vgl. Ley 2/1995, Exposición de Motivos II. Embid, RIW 2004, 760 (762), hält dies für „paradox“. Juan-Mateu, ECFR 1 (2004), 60 (62 f.), weist zwar darauf hin, dass auch das Regime der gewöhnlichen S.L. bereits stark überreguliert sei und von zwingenden Normen oder solchen, die eine begrenzte Anzahl von Gestaltungsmöglichkeiten vorgeben, dominiert werde. Dennoch teilt auch er den Befund, dass die S.L.N.E. noch deutlich restriktiveren Regeln unterliegt. Ebenso Valpuesta, S. 25.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Im Bereich der Finanzverfassung und des Gläubigerschutzes weicht die S.L.N.E. nur in wenigen Punkten von der gewöhnlichen S.L. ab. Art. 135 Abs. 1 LSL schreibt ein Mindestkapital von 3.012 Euro vor.754 Allerdings wurde auch das Konzept des Höchstkapitals wiederbelebt. Dieses beläuft sich auf 120.202 Euro und ist damit doppelt so hoch wie das Mindestkapital einer S.A.755 Sinn dieser Regelung ist, dass nur KMU von den Vorteilen der neuen Gesellschaftsform profitieren sollen.756 Wird das Stammkapital unter den Mindestbetrag herabgesetzt, so ist die Folge wie bei einer gewöhlichen S.L. die Auflösung der Gesellschaft gemäß Art. 104 Abs. 1 lit. f) LSL. Wird hingegen eine Kapitalerhöhung über das vorgeschriebene Maximum hinaus beschlossen, so muss gemäß Art. 140 Abs. 2 LSL innerhalb desselben Beschlusses entschieden werden, ob die Gesellschaft gemäß Art. 144 LSL als gewöhnliche S.L. fortgeführt werden oder in eine andere Gesellschaftsform umgewandelt werden soll; eine Fortführung als S.L.N.E. ist ausgeschlossen.757 Hinsichtlich des Zeitpunktes und Inhalts der Einlageleistungen gilt für die S.L.N.E. grundsätzlich nichts anderes als für die S.L. Zulässig sind Bar- und Sacheinlagen, die zum Gründungszeitpunkt vollständig geleistet sein müssen.758 Allerdings sieht Art. 135 Abs. 2 LSL eine Besonderheit vor: Nach der leicht missverständlich formulierten759 Vorschrift muss der Betrag des Mindestkapitals von 754 Die geringfügige Abweichung vom Mindestkapitalbetrag bei der gewöhnlichen S.L. hat keinen besonderen Grund, vielmehr erklärt der Gesetzgeber selbst, man habe die für die S.L. geltende Untergrenze für die S.L.N.E. beibehalten wollen. Vgl. Ley 7/ 2003, Exposición de Motivos VI. 755 Das Mindestkapital der S.A. liegt gemäß Art. 4 LSA bei 10 Mio. Peseten, was umgerechnet ca. 60.096 Euro entspricht. Im ursprünglichen Regierungsentwurf der LSLNE (abgedruckt in DNeg 2002, 119) war ein Höchstkapital für die S.L.N.E. vorgesehen, das genau diesem Mindestkapital der S.A. entsprach. Im Verlaufe der parlamentarischen Beratungen wurde jedoch die Verdopplung beschlossen, um den finanziellen Spielraum der neu gegründeten Unternehmen nicht über Gebühr einzuschränken. Spätere Versuche, diese Änderung noch vor der Verabschiedung des Gesetzes wieder rückgängig zu machen, fanden keine Mehrheit. Vgl. näher Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 112. 756 Vgl. Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 111. 757 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (12). 758 Näher oben, § 6 I. 2. c). In den parlamentarischen Beratungen war vorgeschlagen worden, wie in der S.A. nur die anfängliche Aufbringung von einem Viertel des Stammkapitals vorzuschreiben, um den Unternehmensgründern größtmögliche Flexibilität zu bieten. Vgl. BOCG, Congreso, Nr. 98-10 vom 15.10.2002, S. 38; BOCG, Senado, Nr. 101 (b) vom 12.02.2003, S. 17. Dieser Vorschlag fand jedoch keine ausreichende Gefolgschaft, hätte er doch bedeutet, dass die S.L.N.E. weniger eine spezielle Form der S.L. als der S.A. geworden wäre. Vgl. Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 113. 759 Vgl. Valpuesta, S. 57 f. Nach Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 113 f., könnte man den Wortlaut der Norm („En todo caso, la cifra de capital mínimo indicada sólo podrá ser desembolsada mediante aportaciones dinerarias.“) auch so verstehen, dass nur Gesellschaften erfasst werden, deren Stammkapital genau der gesetzlichen Mindestziffer entspricht.

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3.012 Euro zwingend durch Bareinlagen aufgebracht werden, während der ggf. darüber hinausgehende Teil des Stammkapitals den allgemeinen Kapitalaufbringungsregeln der S.L. unterliegt.760 Sinn dieser Anordnung ist eine Beschleunigung der Gründungsprozedur ohne Verlust an Gläubigerschutz, da insbesondere die Werthaltigkeitsprüfung von Sacheinlagen oft zeit- und kostenintensiv ist. Die S.L.N.E. soll also mit einem Mindestkapitalstock ausgestattet werden, dessen werthaltige Erbringung ohne großen Aufwand nachprüfbar ist.761 Was die Kapitalerhaltung betrifft, ist der Gesetzgeber in einem Punkt bei der S.L.N.E. ausnahmsweise weniger streng als bei der S.L. Während für diese ein Absinken des Gesellschaftsvermögens unter die Hälfte des Stammkapitals gemäß Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL sofort einen Auflösungsgrund darstellt, wird jener eine Karenzfrist von sechs Monaten gewährt. Erst wenn innerhalb dieses Zeitraumes eine Wiederauffüllung der Aktiva über die Schwelle nicht gelingt, muss die S.L.N.E. gemäß Art. 142 Abs. 1 lit. a) LSL aufgelöst werden.762 Die Vorschrift ist entgegen ihrem Wortlaut lex specialis gegenüber Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL und verdrängt diesen folglich.763 Dadurch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Unternehmen in der Anfangsphase mit besonderen Kosten und Risiken konfrontiert wird, die zu starken Vermögensschwankungen führen können, obwohl das Projekt insgesamt Erfolg versprechend ist.

Die Vorschrift offensichtlich in dem Sinne missverstehend, dass alle Einlagen bei der S.L.N.E. stets in bar zu erbringen sind, Convert, JCP E 2004, 1872 (1875). 760 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (12); Díaz/Carbajo/Díaz, S. 120. 761 Vgl. Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 114 f. 762 Die Zweimonatsfrist des Art. 105 Abs. 1 LSL für die Einberufung der Gesellschafterversammlung beginnt erst im Anschluss an diese Sechsmonatsfrist zu laufen. Unklar ist allerdings, wann genau letztere zu laufen beginnt, da nach allgemeiner Ansicht im spanischen Schrifttum ein bloß kurzzeitiges Absinken des Gesellschaftsvermögens unter die Schwelle keinen Auflösungsgrund darstellen kann, andererseits aber die Feststellung der Verluste in einem Jahresabschluss ebenso wenig notwendig ist. Vgl. Boquera/Bataller, Art. 142 LSL, S. 163 f. 763 Der erste Halbsatz des Art. 142 Abs. 1 LSL lautet: „La sociedad Nueva Empresa se disolverá por las causas establecidas en la presente ley [scil. u. a. Art. 104 LSL] y, además, por las siguientes: [. . .] [Hervorhebung durch den Verf.].“ Daraus folgt, dass die Auflösungsgründe des Art. 142 LSL kumulativ zu denen des Art. 104 LSL hinzutreten müssten. Allerdings liefe Art. 142 Abs. 1 lit. a) LSL dann vollkommen leer, da Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL bis auf die Sechsmonatsfrist die gleichen Voraussetzungen enthält und somit immer vorrangig eingreifen würde. Vgl. Boquera/Bataller, Art. 142 LSL, S. 162; Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (13). A. A. insoweit Valpuesta, S. 93 f., dem zufolge sich diese „interpretación lógica“ angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts verbietet, woraus er den bündigen Schluss zieht: „El legislador ha creado un absurdo, y punto.“ Zudem hält er Art. 142 Abs. 1 lit. a) LSL auch inhaltlich für misslungen, da innerhalb der Sechsmonatsfrist eine weitere Aufzehrung des Vermögens der defizitär wirtschaftenden Gesellschaft zum Schaden der Gläubiger wahrscheinlicher sei als dessen Wiederauffüllung, und zudem der Auflösungsgrund, anders als im Falle des Art. 104 Abs. 1 lit. e) LSL, nicht durch eine Kapitalherabsetzung beseitigt werden kann.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Auch über die Gründungsphase hinaus werden den Gesellschaftern jedoch strenge Vorgaben gemacht, insbesondere in bezug auf Satzungsänderungen: Art. 140 Abs. 1 LSL verbietet solche generell und lässt davon nur Ausnahmen für Modifikationen der Firma, des Sitzes und des Stammkapitals zu.764 Anderweitige Änderungen führen dazu, dass die S.L.N.E. nicht als solche, sondern nur als gewöhnliche S.L. fortgeführt werden kann oder in eine andere Gesellschaftsform umgewandelt werden muss.765 Die Fortführung als S.L. kann aber auch jenseits dieser Fälle jederzeit im Wege der Satzungsänderung beschlossen werden, wofür gemäß Art. 144 LSL lediglich ein einfacher Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter erforderlich ist.766 Vor diesem Hintergrund erscheinen die Zwänge und Beschränkungen, die den Gesellschaftern bei der Ausgestaltung der Satzung der S.L.N.E. gesetzt werden, weniger gravierend, denn sie können sich jederzeit für einen Wechsel in das Regime der S.L. entscheiden.767 Verbreitet wird deshalb davon ausgegangen, dass die S.L.N.E. in vielen Fällen lediglich eine zeitlich begrenzte Funktion erfüllen wird und dass die Gesellschafter, nachdem sie von den vielfältigen Gründungserleichterungen profitiert haben, in die Rechtsform der S.L. wechseln werden.768 Diese Wechselmöglichkeit entpuppt sich jedoch als „Einbahnstraße“ 769, sie besteht nur für die Fortführung einer S.L.N.E. als S.L., nicht umgekehrt. Die Rechtsform der S.L.N.E. ist demnach, wie die deutsche UG (haftungsbeschränkt), nur zugänglich über die Wahl bei der Gesellschaftsgründung, auch die Umwandlung einer anderen Rechtsform in eine S.L.N.E. ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht möglich.770

764 Boquera/Olavarría, Art. 140 LSL, S. 149, bezeichnet diese strenge Vorschrift als „una de las peculiaridades del régimen jurídico de la SLNE“. 765 Diese Rechtsfolge wird angesichts des klaren Wortlautes des Art. 140 Abs. 1 S. 1 LSL auch schon durch bloße stilistische oder redaktionelle Satzungsänderungen ohne rechtlichen Inhalt ausgelöst. Vgl. Boquera/Olavarría, Art. 140 LSL, S. 150. 766 Daraus wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber S.L. und S.L.N.E. nicht als unterschiedliche Rechtsformen ausgestaltet hat. Der Wechsel von der S.L.N.E. zur S.L. stellt also keine Transformation im eigentlichen Sinne dar, vielmehr wird die „spezielle S.L.“ nur als „allgemeine S.L.“ weitergeführt. Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (13). 767 Gemäß Art. 136 Abs. 3 LSL ist auch ein erzwungener Wechsel möglich, wenn nämlich eine juristische Person Gesellschafter der S.L.N.E. geworden ist und nicht innerhalb von drei Monaten ihren Anteil wieder veräußert. In diesem Fall unterliegt die S.L.N.E. automatisch ohne Gesellschafterbeschluss dem Regime der S.L. Die eventuelle Geschäftsführerhaftung dafür, dass nicht innerhalb der Fristen des Art. 144 LSL ein entsprechender Beschluss herbeigeführt wurde, wird dadurch allerdings nicht berührt. 768 Vgl. Embid, RIW 2004, 760 (761). 769 So bildhaft Boquera/Embid, Introducción, S. 30; „camino de un solo sentido“. 770 Boquera/Embid, Introducción, S. 30, bezeichnet die S.L.N.E. deshalb als „merkwürdige rechtliche Festung“ („extraña fortaleza jurídica“), zu deren Vergünstigungen nur ein einziger Zugang besteht, bezweifelt aber, dass dieser gesetzgeberische Wille auch ausreichend Rückhalt im geltenden Recht findet, da die S.L.N.E. als Unterart der S.L. den gleichen umwandlungsrechtlichen Regeln unterliegen müsse wie letztere. Anders Mora/Mora, S. 375, nach denen sich aus dem Fehlen einer spiegelbildlichen Rege-

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Über das Gesagte hinaus enthält das Regime der S.L.N.E. noch einige weitere Spezialregeln, die diese Rechtsform von der gewöhnlichen S.L. unterscheiden, die allerdings für diese Untersuchung nicht von Belang sind. Als wichtigste sei hier auf Art. 139 LSL hingewiesen, der für die Gestltungsmöglichkeiten der internen Geschäftsführungsorganisation einen engen Rahmen steckt. Die Besonderheiten der S.L.N.E. gegenüber der gewöhnlichen S.L. lassen sich also wie folgt zusammenfassen771: (1) Sie ist noch stärker personalistisch konzipiert als die S.L.; (2) die Höhe ihres Stammkapitals ist begrenzt; (3) die Ausgestaltung der Geschäftsführung ist im Wesentlichen gesetzlich zwingend vorgegeben. Sie ist damit eine für Kleinunternehmer intendierte Einstiegsvariante der S.L., die durch den Standardisierungseffekt ihres weit gehend zwingenden Regelungsregimes eine beschleunigte Gründung erlaubt. b) Sonstige Reformmaßnahmen Nur der Vollständigkeit halber soll hier – in der gebotenen Kürze – ein Schlaglicht auf die weiteren Bestandteile des „Proyecto Nueva Empresa“ geworfen werden.772 Zunächst will der Reformgesetzgeber die Unternehmensgründung insgesamt vereinfachen und beschleunigen.773 Dazu soll ein Netz staatlicher Informations- und Beratungsstellen für Unternehmensgründer (Centro de Información y Red de Creación de Empresas, CIRCE) aufgebaut werden. Solche Stellen (puntos de asesoramiento e inicio de tramitación, PAIT) sollen von überall in Spanien über das Internet erreichbar sein und den Unternehmensgründern bei der Planung ihres Projektes, bei der Abwicklung der notwendigen behördlichen Formalitäten und bei der Ingangsetzung ihres Unternehmens helfen. Sie sollen die nötigen Informationen und Hilfestellungen bieten und die Jungunternehmer auch während der ersten Jahre ihrer Tätigkeit unterstützend begleiten. Diese Hilfestellung soll mit einer größtmöglichen Straffung der Behördenformalitäten kombiniert werden, um die Barrieren für die Gründung eines eigenen Unternehmens so weit wie möglich abzusenken.774 Hierfür wurde das Documento Único Electrónico geschaffen775, das in doppelter Hinsicht eine Neuerung lung zu Art. 144 LSL ohne weiteres schließen lässt, dass die „Umwandlung“ einer S.L. in eine S.L.N.E. unzulässig ist. 771 Vgl. dazu knapp Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 40 f. 772 Vgl. den Überblick bei Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (7 ff.). 773 Valpuesta, S. 26, und andere merken an, dass die Reform zwar zu einer Beschleunigung des Verfahrens durch Nutzung elektronischer Medien führt, aber keinerlei materielle Vereinfachungen bei den erforderlichen Formalitäten vornimmt. Vgl. näher unten, § 9 I. 2. 774 Für eine genaue Darstellung der verschiedenen Schritte des elektronischen Gründungsverfahrens vgl. Valpuesta, S. 27 ff. 775 Vgl. Art. 134 Abs. 2 i.V. m. DA 8 a LSL. Die Details dieses System werden durch das Real Decreto 682/2003 vom 07.06.2003, BOE vom 10.06.2003, geregelt.

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darstellt, weil es einerseits erstmals die notwendigen Angaben und Anträge zur Erledigung der Behördenformalitäten im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung in einem Formular zusammenfasst und andererseits in elektronischer Form ausgefüllt und übermittelt wird.776 Durch diese Maßnahmen wird die Dauer der Unternehmensgründung von bisher durchschnittlich 30 bis 60 Tagen auf zwei Werktage777, die Anzahl der erforderlichen Formulare von 15 auf eins und die Anzahl der notwendigen Behördengänge von acht auf einen gesenkt.778 Die dritte Säule des Proyecto Nueva Empresa stellen – neben der S.L.N.E. und dem CIRCE-Netz – diverse bilanz- und steuerrechtliche Erleichterungen für Unternehmensgründer dar. So ist es der S.L.N.E. gemäß Art. 141 i.V. m. DA779 12 a LSL erlaubt, alle publizierungspflichtigen Angaben im Zusammenhang mit der Rechnungslegung in einem einzigen Buch („Libro Diario“) zusammenzufassen.780 Zudem müssen einer solchen Gesellschaft gemäß DA 13 a Abs. 1 LSL auf Antrag bestimmte Steuern auf Geschäfte, die mit der Gründung zusammenhängen, für ein Jahr ab der Gründung gestundet werden, ohne dass die Finanzverwaltung Sicherheiten verlangen dürfte. Das gleiche gilt für die Körperschaftssteuer für die ersten beiden Rechnungslegungsperioden; diese muss für 18 Monate gestundet werden.781

776 Vgl. Ley 7/2003, Exposición de Motivos III. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (12), bezeichnen das neue Gründungsregime als „la novedad más significativa“ der Reform. Gleichsinnig Embid, RIW 2004, 760 (761). Um die Sicherheit und Authentizität der elektronisch übermittelten Daten sicherzustellen, wurde durch die Ley 59/2003 vom 19.12.2003, BOE vom 20.12.2003, die elektronische Unterschrift (firma electrónica) eingeführt. 777 Gemäß Art. 134 Abs. 4 und 5 LSL muss der Notar die Gründungsdokumente grundsätzlich unverzüglich beglaubigen und die Eintragung beantragen. Art. 134 Abs. 6 LSL schreibt vor, dass der zuständige Registerbeamte unabhängig davon, ob die Gründer von den Möglichkeiten des elektronischen Gründungsverfahrens Gebrauch machen oder nicht, die Eintragung innerhalb von 24 Stunden nach Eingang des Antrags vornehmen muss, sofern alle Eintragungsvoraussetzungen vorliegen. Andernfalls muss er innerhalb derselben Frist dem zuständigen Notar und dem Repräsentanten der Gründer die Ablehnung des Antrags mitteilen. Dies gilt jedoch nur, sofern die Satzung der betreffenden Gesellschaft den im Verordnungswege erlassenen Modellstatuten i. S. d. DA 10 a LSL entspricht. Wird dem Antrag stattgegeben, hat der Notar erneut 24 Stunden Zeit, um sämtliche beglaubigten Gründungsdokumente in Papierform an die Gründer zu übersenden, Art. 134 Abs. 10 LSL. Die Unternehmensgründung in 48 Stunden, die als eine der zentralen Verbesserungen der Reform angepriesen wurde, ist damit zumindest unter gewissen Voraussetzungen Realität. Vgl. dazu Valpuesta, S. 32. 778 Vgl. García, DNeg 2002, 1 (5); Valpuesta, S. 32. Eine Übersicht über die Kosten und Formalitäten bei Gründung einer gewöhnlichen S.L. liefert Alfaro, EBOR 5 (2004), 449 (452 und passim). 779 Eine Disposición Adicional (DA) ist eine bindende Zusatzbestimmung zu einem spanischen Gesetz. 780 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (12); sowie ausführlich Valpuesta, S. 97 ff. Insofern handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zu Art. 25 Abs. 1 CCom. 781 Näher Valpuesta, S. 100 ff.

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2. Die Reaktion des Schrifttums Das Schrifttum ist sich weitestgehend einig in seiner ambivalenten Bewertung der Reform. Diese erntet Zustimmung hinsichtlich der rechtspolitischen Ziele782, aber die Umsetzung im Einzelnen, und hierbei insbesondere die Einführung der S.L.N.E., wird zum Teil harsch kritisiert. Die Beschleunigung und Kostensenkung bei der Unternehmensgründung wird insgesamt positiv beurteilt und sei insbesondere im Hinblick auf kleine Unternehmen gesamtwirtschaftlich gesehen sinnvoll.783 Allerdings sei fraglich, ob dafür die Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Typologie um eine neue Gesellschafts(unter)form der richtige Weg ist.784 Auch die Lösung spezifischer Probleme des Betreibens eines Unternehmens in der Rechtsform der S.L. sei eine begrüßenswerte Intention, doch seien auch andere Lösungswege als die vom Gesetzgeber gewählten denkbar, und es sei zweifelhaft, ob er jeweils die bestmögliche Wahl getroffen oder Alternativen überhaupt ernsthaft erwogen hat.785 Im Einzelnen wird dem Gesetzgeber zunächst Orientierungslosigkeit bei der Ausgestaltung und Formulierung der Reform vorgeworfen. Es fehle an einem schlüssigen Gesamtkonzept zur Förderung von KMU und dementsprechend an einer Abstimmung der LSLNE mit anderen diesbezüglichen Maßnahmen.786 Dies zeige sich schon an der unpräzisen Verwendung des Unternehmensbegriffs und dessen unzutreffender Rückkopplung an die gesellschaftsrechtliche Typologie.787 Eine klare Kongruenz zwischen den anerkannten Unternehmens- und Gesellschaftskategorien einerseits, auf die der Gesetzgeber Bezug nimmt, und den

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Vgl. Embid, RIW 2004, 760; Valpuesta, S. 156. Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (8), denen zufolge die Reform vor allem durch den Einsatz moderner Technologien zu einer erheblichen Zeit- und Kostenersparnis bei der Gesellschaftsgründung führt. Ebenso García, DNeg 2002, 1 (5); sowie Valpuesta, S. 32: „avance importante“. 784 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 22; Sánchez, RDBB 90 (2003), 273. Trotzdem die historische Dimension dieser Neuerung hervorhebend Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (7). 785 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 22, der als Beispiel die Flexibilisierung der Unternehmensfinanzierung nennt. Die einzige Reformmaßnahme in diesem Zusammenhang sei die ausdrückliche Anerkennung der Zulässigkeit stimmrechtsloser Geschäftsanteile. Der Nutzen dieser Maßnahme sei aber begrenzt, da einerseits eine große Zahl von Autoren schon vor der Reform solche Anteile in der S.L. für zulässig hielt und andererseits bei der S.A. von der Möglichkeit der Ausgabe stimmrechtsloser Aktien in der Praxis kaum in nennenswertem Umfang Gebrauch gemacht werde. 786 Vgl. Valpuesta, S. 16. 787 Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (15), bezweifeln schon, dass es überhaupt ein einheitliches Verständnis des Begriffs des kleinen und mittleren Unternehmens im spanischen Recht gebe, auf den der Gesetzgeber in der Begründung zur LSLNE so häufig Bezug nehme. Die wenigen gesetzlichen Regelungen, die diesen Begriff enthielten, seien heterogene Einzelvorschriften, die häufig nur aus Opportunitätsgründen erlassen wurden, ohne Ausdruck eines schlüssigen Konzeptes zu sein. 783

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

angeordneten Reformmaßnahmen andererseits sei nicht zu erkennen.788 So ziele die Reform ausweislich der Gesetzesbegründung auf die Lösung von Problemen des Unternehmenssektors als gesamtwirtschaftlicher Kategorie, wobei teilweise allein KMU, teilweise auch größere Unternehmen betroffen seien.789 Die angebotenen Lösungen hingegen konzentrierten sich größtenteils auf das Gesellschaftsrecht als juristische Kategorie, und hier insbesondere auf das Recht der S.L. Eine Gleichung „KMU = S.L.“ gebe es aber nicht790, so dass, abgesehen von der offensichtlichen „asimetría conceptual“, der Kreis der Unternehmen, die von der Reform profitieren könnten, willkürlich auf solche reduziert werde, die in der Rechtsform der S.L. organisiert sind bzw. gegründet werden.791 Diese beschränkte Reichweite diskriminiere KMU anderer Rechtsform ohne ersichtlichen Grund792 und laufe deshalb dem Sinn der Reform und der europäischen Politik zur Förderung dieser Unternehmenskategorie zuwider.793 Auch der gewählte Weg der Einführung einer neuen Unterform der S.L. erscheint den meisten Autoren als wenig geeignet zur umfassenden Erreichung der Reformziele. Zwar sei die reformgesetzgeberische Selbstbescheidung auf das Regime der S.L. – wenn auch nach dem soeben Gesagten kritikwürdig – zunächst konsequent angesichts der rechtspolitischen Ausrichtung der Reform auf die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, die in Spanien heutzutage größtenteils die Rechtsform der S.L. wählten und nach dem Willen des Gesetzgebers auch wählen sollten.794 Allerdings könnten und sollten von einigen der Maßnahmen wie insbesondere den Gründungserleichterungen alle Gesellschaften gleich welcher Rechtsform profitieren, mit Ausnahme vielleicht großer Publikumsge-

788 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 23. Auch die Bezeichnung als „S.L. Nueva Empresa“ wird in diesem Zusammenhang für unglücklich gehalten, da sie die Gesellschaft als Rechtssubjekt mit dem Unternehmen als Rechtsobjekt gleichsetze und außerdem eine S.L.N.E. viele Jahre als solche bestehen könne, dann aber wohl kaum mehr ein neues Unternehmen darstelle. Vgl. García, DNeg 2002, 1 (6). 789 Boquera/Embid, Introducción, S. 23, verweist auf die Gründungserleichterungen, die speziell auf kleinere Unternehmen zugeschnitten seien, während andere Maßnahmen wie die Flexibilisierung der Finanzierung und des Unternehmensübergangs auch größere Unternehmen beträfen. Als gemeinsamen Nenner der Unternehmen, die die Reform in den Blick nimmt, macht er deshalb den fehlenden Börsenzugang aus. 790 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (15). 791 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 23; Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (6). Letztere weisen auf den Widerspruch hin, dass laut Art. 129 Abs. 2 der spanischen Verfassung der Staat verpflichtet ist, die Entwicklung der sociedades cooperativas zu fördern, die Reformen der LSLNE jedoch auf diese nicht anwendbar sind, ebenso wenig wie auf alle anderen Gesellschaftsformen außer der S.L. 792 Vgl. García, DNeg 2002, 1 (4); Valpuesta, S. 17. 793 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (16); Valpuesta, S. 16. 794 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (14); García, DNeg 2002, 1 (4). Zur herausragenden Bedeutung der S.L. in der heutigen spanischen Unternehmenslandschaft vgl. die Zahlen oben, § 6 I. 1.

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sellschaften.795 Wenn der Gesetzgeber sich aber mit einer Reform des Rechts der S.L. begnüge, dann sei nicht ersichtlich, warum er diese nicht auf das Recht der S.L. insgesamt erstreckt und stattdessen eine eigene Unterform für Unternehmensgründer einführt, zumal die gewöhnliche S.L. in Spanien so verbreitet ist.796 Diese Vorgehensweise führe zu einer weiteren Zersplitterung des ohnehin schon heterogenen spanischen Gesellschaftsrechts.797 Dieser Befund wird zwar zum Teil dadurch relativiert, dass das Regime der S.L.N.E. weit gehend zwingendes Recht darstellt, was eine gewisse Homogenität dieser Gesellschaftsform garantiert und außerdem den Gründungsprozess beschleunigt und vereinfacht. Allerdings habe der Gesetzgeber in der – an sich wünschenswerten – Bemühung, die Erledigung der Gründungsformalitäten praktisch zu automatisieren, einen weniger wünschenswerten Nebeneffekt erzielt, nämlich die weit gehende Zurückdrängung der Gestaltungsfreiheit der Gründer. Diese werde in Art. 134 Abs. 1 S. 3 LSL nur auf dem Papier anerkannt798, ihre Ausnutzung sei aber in der Praxis unvereinbar mit den strengen, gemäß Art. 134 Abs. 1 S. 3 LSL größtenteils zwingenden gesetzlichen Vorgaben für die S.L.N.E.799 und der kurzen Zeit, die Notar und Registerbeamten für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Gründungsdokumente zugestanden werde.800 Der Effekt werde noch verstärkt durch den Erlass der Modellsatzung für die S.L.N.E.801 Zwar diene diese nur als dispositive Orientierungshilfe für die Gründer, und auch für andere Gesellschaftsformen werde in der Praxis häufig auf formularmäßig vorformulierte Mustersatzungen zurückgegriffen.802 Allerdings seien bestimmte Vorteile bei der Beschleunigung der Gründung an die Nutzung der Modellstatuten geknüpft, so dass ein starker Anreiz dazu geschaffen werde, 795 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 23; Juan-Mateu, ECFR 1 (2004), 60 (65); Valpuesta, S. 33. 796 Vgl. Embid, RIW 2004, 760 (762); Valpuesta, S. 153. Boquera/Embid, Introducción, S. 28, bezeichnet die gewählte Reformtechnik als „sorpresa“. 797 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 33; Embid, RIW 2004, 760 (761). Ähnlich Marín/Guisado, DNeg 2004, 5, die sich überrascht zeigen von dem Bestreben des Gesetzgebers, ein eigenes Regime für die S.L.N.E. zu schaffen, das sich „a toda costa“ von dem der S.L. unterscheiden müsse, was im Ergebnis nur „de una manera forzada y artificiosa“ gelungen sei. 798 Deutlich Valpuesta, S. 25: „declaración vacía e hipócrita“. 799 Boquera/Embid, Introducción, S. 31, spricht von einem „estilo reglamentarista“ der Reform, der zu wenig Raum für individualisierte Lösungen lasse. 800 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 24. 801 Orden JUS/1445/2003 por la que se aprueban los estatutos orientativos de la sociedad limitada nueva empresa vom 04.06.2003, BOE vom 05.06.2003, 21819. Eine ausführliche Darstellung und kritische Bewertung des Inhalts der Modellsatzung findet sich bei Valpuesta, S. 111 ff. 802 Vgl. Juan-Mateu, ECFR 1 (2004), 60 (66). Zu diesem Phänomen im europäischen Vergleich umfassend Hopt, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht (1998), S. 123 (139).

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der die Gründer unter Umständen davon abhalte, mögliche Alternativen in Erwägung zu ziehen und die Satzung stärker an die Bedürfnisse ihres konkreten Unternehmens anzupassen.803 Im Ergebnis sei deshalb von einem regelmäßigen Ausschluss der gesellschaftsrechtlichen Vertragsfreiheit auszugehen. Eine Vereinfachung der behördlichen Gründungsformalitäten sei aber auch in einem weniger rigiden System möglich.804 Vereinzelt wird dem Gesetzgeber deshalb sogar Mutlosigkeit und ein Einknicken vor den Interessengruppen derer vorgeworfen, die an der Gründungsprozedur verdienen, also vor allem Notaren und Registerbeamten, die das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen prüfen.805 Anstatt Teile dieser langwierigen, gebührenpflichtigen Prüfungen substantiell zu vereinfachen oder ganz abzuschaffen, würden sie auch für die S.L.N.E. grundsätzlich aufrecht erhalten und nur dadurch beschleunigt, dass der Prüfungsaufwand durch Standardisierungen praktisch auf null reduziert wird.806 Die Gründer müssten demnach die Zeitersparnis mit einer weit gehenden Beschränkung ihrer Gestaltungsfreiheit bezahlen807, während insbesondere die Registerbeamten weiterhin Gebühren erhielten, ohne noch eine wirkliche Prüfungsleistung erbringen zu müssen.808

803 Vgl. Valpuesta, S. 111, der hierin einen weiteren Ausdruck des „dirigismo estatal“ sieht, der umso schwerer wiege, als eine spätere Änderung der Satzung gemäß Art. Art. 140 Abs. 1 LSL nur in sehr engen Grenzen möglich ist. 804 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 24 und 31 f.; Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 41 f.; Valpuesta, S. 20, 153 f.; García, DNeg 2002, 1 (6). Lt. Valpuesta, S. 17 f., waren die zahlreichen Beschränkungen für die S.L.N.E. nach dem Konzept des Vorentwurfes noch möglicherweise sinnvoll, da dieser in Art. 6 die Lebensdauer der Gesellschaft auf drei Jahre begrenzte. Die S.L.N.E. sollte demnach ursprünglich nur eine „Gesellschaft auf Probe“ sein, die der Gesetzgeber in der labilen Aufbauphase besonders stark kontrollieren wollte. Die zeitliche Begrenzung wurde jedoch nicht in das Gesetz übernommen, die S.L.N.E. kann vielmehr dauerhaft als solche existieren, so dass ihr übermäßig restriktives Regime seine Berechtigung verloren habe bzw. im Ergebnis dazu führen könne, dass die ursprünglich beabsichtigte Begrenzung auf die ersten Jahre nach der Gründung sich in der Praxis auch ohne gesetzliche Anordnung durchsetze. Die S.L.N.E. biete nämlich für eine länger dauernde Unternehmenstätigkeit ein zu unflexibles Rechtskleid, so dass sie allenfalls Mittel zum Zweck sein könne, um in den Genuss anderweitiger Vorteile zu kommen. Dementsprechend rät er auf S. 90 und 157 explizit dazu, ein Unternehmen zunächst in der Rechtsform der S.L.N.E. zu gründen, um von den Gründungserleichterungen zu profitieren, und spätestens nach zwei Jahren, wenn die Steuervergünstigungen auslaufen, eine Fortführung als gewöhnliche S.L. zu beschließen. 805 Vgl. Alfaro, EBOR 5 (2004), 449 (454 und passim). 806 Vgl. Valpuesta, S. 26: „[. . .] no estamos ante una simplificación de los trámites, sino tan solo ante una agilización de los mismos.“ 807 Vgl. Alfaro, EBOR 5 (2004), 449 (467). 808 Fast schon polemisch überspitzt Alfaro, EBOR 5 (2004), 449 (465): „[. . .] the registrar’s intervention has not been eliminated. It simply becomes innocuous, and the registrars are paid for doing nothing.“, und noch schärfer ibid., S. 467: „[. . .] the registration of a public deed of incorporation within twenty-four hours, when the articles of

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Außerdem sei es nicht nur im Hinblick auf die Privatautonomie der Gründer bedenklich, die S.L.N.E. in ein so starres legislatives Korsett zu zwängen, sondern erschwere auch die praktische Handhabung dieser Rechtsform in mancherlei Hinsicht. Denn der Vereinfachungseffekt, der von einer weit gehenden Gleichförmigkeit der S.L.N.E.-Satzungen ausgehe, werde dadurch konterkariert, dass die an die Stelle frei vereinbarter Satzungsregeln tretenden gesetzlichen Vorschriften der Art. 130 ff. LSL teilweise so unklar und knapp formuliert seien, dass eine gesellschaftsvertragliche Klarstellung durch die Gründer an einigen Stellen wünschenswert wäre.809 Schließlich führen die Kritiker an, dem Verhältnis von S.L. und S.L.N.E. würden durch den neuen Gesetzestext nur unscharfe Konturen verliehen.810 Der Gesetzgeber hätte innerhalb des neuen zwölften Kapitels der LSL deutlicher hervorheben sollen, inwieweit die einzelnen Vorschriften bezüglich der S.L.N.E. mit den Regeln der gewöhnlichen S.L. kompatibel sind und wo sie von den hergebrachten Prinzipien abweichen. Dies sei insbesondere deshalb wichtig, weil die S.L.N.E. einer Kombination aus Spezialregeln und den allgemeinen Regeln der LSL unterliege, so dass eine klare Eingrenzung derjenigen Vorschriften der LSL, die auf die S.L.N.E. nicht anwendbar sein sollen, hilfreich gewesen wäre.811 Neben diesen gegen das allgemeine Reformkonzept gerichteten grundsätzlichen Einwänden wird auch Kritik an einzelnen Elemtenten des Regimes der S.L.N.E. geäußert.812 Die Tatsache, dass bei der Festlegung von Mindest- und Höchstkapital offensichtlich noch in Peseten „gedacht“ wurde813 und keine runden Euro-Beträge festgelegt wurden, erregt dabei zumindest Verwunderung im Schrifttum814, ebenso wie der Umstand, dass das Mindestkapital von dem der gewöhnlichen S.L. geringfügig abweicht. Beides ist aber eher ein ästhetischer Randaspekt als ein Anlass für ernsthafte Kritik.815 Letztere wird jedoch am Höchstassociation follow the standard form [. . .], does not exactly constitute a task for which they deserve to be paid.“ 809 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 26. 810 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (14). 811 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 32, der hier insbesondere das Problem sieht, dass der Gesetzgeber eine Transformation einer anderen Gesellschaftsform in eine S.L.N.E. nicht zulassen wolle, während dies nach allgemeinen Grundsätzen im Falle der gewöhnlichen S.L. ohne weiteres möglich sei. Eine solche Umwandlung in eine S.L.N.E. könne deshalb nicht a priori ausgeschlossen werden, vielmehr hätte es einer gesetzlichen Klarstellung bedurft, inwieweit in diesem Punkt die Regeln der S.L. auf die S.L.N.E. anwendbar sind. Vgl. dazu schon oben, 3. Teil Fn. 770. 812 Sánchez, RDBB 90 (2003), 273 (274) bezeichnet das Regime der S.L.N.E. insgesamt als „técnicamente muy deficiente“. 813 Vgl. Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 38. 814 Vgl. Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 112: „cifra máxima [. . .] ,extraña‘“. Ähnlich Díaz/Carbajo/Díaz, S. 120. 815 Díaz/Carbajo/Díaz, S. 120, bezeichnen die Abweichung der Mindestkapitalziffern von S.L. und S.L.N.E. als „cuestion sin importancia“, verweisen allerdings auf den

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kapital geäußert. Dass ein solches überhaupt vorgeschrieben werde, sei ein Rückschritt, da das Konzept des Maximalkapitals seit der Reform von 1989 als überwunden galt.816 Wenn diese Maßnahme aber mit dem rechtspolitischen Ziel, die S.L.N.E. auf kleinere Unternehmen zu beschränken, gerechtfertigt werde817, sei es unverständlich, warum ein Betrag gewählt wurde, der doppelt so hoch ist wie das Mindestkapital der S.A. Denn so könne im Ergebnis manche S.L.N.E. ein deutlich höheres Stammkapital aufweisen als viele S.A. und die meisten gewöhnlichen S.L.818 Außerdem sei das genannte Ziel mittels einer Obergrenze für das Grundkapital ohnehin nicht zu erreichen, da die wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaft sich nicht in ihrer Stammkapitalziffer, sondern in ihrem Vermögen und anderen ökonomischen Kennzahlen widerspiegele.819 Auch die Vorschrift des Art. 135 Abs. 2 LSL entbehrt aus Sicht mancher Autoren jeder Berechtigung. Wenn der Gesetzgeber einen Mindestanteil am Stammkapital festlege, der stets durch Bareinlagen aufzubringen sei, dann wohl deshalb, um den Gläubigern einen sicheren Mindesthaftungsfonds zu garantieren.820 Bareinlagen böten aber kein höheres Maß an Sicherheit als werthaltige Sacheinlagen, für die das Regime der gewöhnlichen S.L. ein ausreichendes und nicht übermäßig aufwendiges Kontrollsystem vorsehe. Zudem sei auch der Betrag von logischen Widerspruch, dass für die S.L.N.E. als spezieller Rechtsform für KMU ein (um 6,94 Euro) höheres Mindestkapital verlangt wird als für die gewöhnliche S.L. Anders zu Unrecht Gloger, S. 398, der irrtümlich von einer Absenkung des Mindestkapitals durch die LSLNE ausgeht. 816 Vgl. Díaz/Carbajo/Díaz, S. 120. 817 Vgl. Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 111. 818 Vgl. Boquera/Boquera, Art. 135 LSL, S. 111. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (16), bezeichnen diese Regelung deshalb als paradox. Inwieweit dieser Einwand in der Praxis tatsächlich zum tragen kommt, ist angesichts der Tendenz von Unternehmensgründern, die Stammkapitalziffer möglichst niedrig zu halten und die Finanzierung des Unternehmens in anderer Weise sicherzustellen, mehr als fraglich. Dennoch entbehrt er aus gesetzessystematischer Sicht nicht einer gewissen Berechtigung. Allerdings wurde auch die im Vorentwurf enthaltene Höchstkapitalziffer, die dem Mindestkapital der S.A. entsprach, kritisiert. Sie führe zu einem Exklusivitätsverhältnis zwischen S.L.N.E. und S.A. Die unternehmerische Realität lasse sich aber nicht so eindeutig in separate Kategorien einteilen, vielmehr seien die Übergänge zwischen kleineren und größeren Unternehmen fließend. Deshalb sei ein Maximalkapital generell unsinnig. Vgl. García, DNeg 2002, 1 (6 f.). 819 Vgl. Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 41. Valpuesta, S. 56 f., hält das Maximalkapital an sich ebenfalls für sinnwidrig, kritisiert dabei aber den konkreten Betrag nicht als zu hoch, sondern als zu niedrig. Denn wenn die S.L.N.E. ein Instrument zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen sei, dürfe der Gesetzgeber sie nicht faktisch auf kleine und kleinste Unternehmen beschränken. Gegen diese Argumentation spricht jedoch, wie von ihm selbst eingeräumt, die Erfahrung aus der Praxis, dass Gesellschaftsgründer in der Regel ohnehin eine Stammkapitalziffer in der Nähe des gesetzlichen Minimums festlegen, so dass das Maximalkapital auch mittlere Unternehmen nicht an der Wahl der Rechtsform der S.L.N.E. hindern dürfte. 820 Vgl. Valpuesta, S. 58.

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3.012 Euro viel zu niedrig, um eine wirkliche Garantie darzustellen, unabhängig davon, ob er durch Bar- oder Sacheinlagen aufgebracht wird, da er in den meisten Fällen kaum ausreiche, um die Kosten der Gründung und Geschäftsaufnahme abzudecken.821 Auf ähnliches Unverständnis stoßen die Vorgaben hinsichtlich des Gesellschafterbestandes. Die Obergrenze für die Anzahl der Gesellschafter, die dem gleichen Zweck dient wie das Maximalkapital, wird insoweit für ebenso ungeeignet gehalten, da spätere Erweiterungen des Gesellschafterkreises ohne weiteres zulässig seien und außerdem die Zahl der Gesellschafter nicht unbedingt ein Korrelat zur Unternehmensgröße darstelle.822 Auch der kategorische Ausschluss von juristischen Personen als (dauerhafte) Gesellschafter einer S.L.N.E. sei unsinnig und könne ein Hindernis für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sein.823 Denn juristische Personen könnten wertvolles Kapital in Form von Finanzmitteln, Kenntnissen oder einem Kundenstamm einbringen824, und der personalistische Charakter der Gesellschaft werde durch die Beteiligung z. B. einer Einmann-S.L. nicht aufgeweicht.825 Die genannten Beschränkungen liefen demnach dem Gesetzeszweck der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen zuwider. Ein weiterer Ansatzpunkt für Kritik ist Art. 140 Abs. 1 LSL, der Satzungsänderungen unter Beibehaltung der Rechtsform der S.L.N.E. nur bezüglich Firma, Sitz und Stammkapital der Gesellschaft zulässt.826 Sonstige Satzungsänderungen führen zwingend zu einer Rechtsformänderung.827 Eine solch rigorose Vorschrift sei unnötig, da der zwingende Charakter der meisten Normen des zwölften Kapitels der LSL die Gesellschafter ohnehin daran hindere, durch spätere Satzungsänderungen den Charakter der S.L.N.E. grundlegend zu ändern.828 Die Regelung könne aber erheblich dazu beitragen, Unternehmer von der Gründung einer S.L.N.E. abzuhalten.829 Sie würden nämlich gezwungen, schon bei der Gründung alle gesetzlichen Freiräume bei der Satzungsgestaltung auszuschöpfen, da spätere Anpassungen der Satzung an geänderte Verhältnisse nur unter einem Wechsel der 821

Vgl. Valpuesta, S. 58. Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (14); García, DNeg 2002, 1 (6). Valpuesta, S. 52, hält die Norm für „absolutamente inútil“. 823 Vgl. Valpuesta, S. 51, dem zufolge diese Vorschrift auf der „romantischen Idee“ beruht, dass in kleinen Unternehmen der intuitus personae eine besondere Rolle spielt. 824 Deshalb wurde in den Beratungen sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat der Antrag gestellt, zumindest Risikokapitalgesellschaften als Gesellschafter einer S.L.N.E. zuzulassen. Vgl. BOCG, Congreso, Serie A, vom 14.10.2002, S. 13; BOCG, Senado, Serie A, vom 12.02.2003, S. 16. Die Anträge wurden jedoch von der Mehrheit verworfen. 825 Vgl. Valpuesta, S. 51. 826 Vgl. Valpuesta, S. 79: „norma realmente sorpresiva“. 827 Näher dazu oben, § 9 I. 1. a). 828 Vgl. Valpuesta, S. 81. 829 Vgl. Boquera/Olavarría, Art. 140 LSL, S. 151 f.; Valpuesta, S. 81. 822

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Rechtsform möglich seien, was unnötige Kosten mit sich bringe. Eine entsprechende „präventive“ Satzungsgestaltung erschwere aber eine Nutzung der Modellsatzung, was wiederum Nachteile hinsichtlich Dauer und Kosten der Gründungsprozedur mit sich bringe. Dies könne zur Folge haben, dass die Gesellschafter zu dem Behelf einer faktischen Satzungsänderung greifen müssten, dass viele Gesellschaften also in der praktischen Handhabung anders funktionierten als in den Statuten vorgesehen, was Intransparenz und Rechtsunsicherheit verursache.830 Bemängelt werden weiterhin die zwingenden gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Geschäftsführung. Das Verbot des Art. 139 Abs. 1 S. 2 LSL, ein kollegiales Geschäftsleitungsorgan in Form eines Verwaltungsrates zu bilden, bedeutet, dass bei mehreren Geschäftsführern stets das Einstimmigkeitsprinzip gilt.831 Diese Vorschrift sei als Beitrag zur Vereinfachung der internen Organisation der S.L.N.E. gedacht, laufe im Ergebnis aber auf eine unnötige Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter hinaus. Auch die Vorgabe, dass nur Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellt werden können, gepaart mit der Vorschrift des Art. 139 Abs. 5 LSL, die eine jederzeitige Abberufung des Geschäftsführers ohne Grund zulässt und dem Betroffenen im Rahmen dieser Maßnahme sein Stimmrecht entzieht, vereinfache die Organisation der Geschäftsleitung nicht, sondern könne unter Umständen zu deren Lahmlegung führen.832 In einem Punkt wird dem Gesetzgeber jedoch vorgehalten, dass er gerade keine zwingende Regelung eingeführt hat: bei der Möglichkeit zur Nutzung moderner Kommunikationsmedien im Rahmen der Gesellschaftsgründung. Es sei nämlich zu befürchten, dass viele Unternehmer diese Möglichkeit nicht nutzen würden, sei es aus Gewohnheit, sei es aufgrund von Vorbehalten gegen die Sicherheit dieser Technologien.833 Dadurch sei der Effekt der Kosten- und Zeitersparnis bei der Gründung häufig bloß theoretischer Natur. Angesichts dessen sei der große technische und finanzielle Aufwand des Staates zur Bereitstellung dieser vereinfachten Gründungsprozedur nicht zu rechtfertigen, so dass der Gesetzgeber besser einen Zwang zur Nutzung derselben eingeführt hätte.834 830

Vgl. Boquera/Olavarría, Art. 140 LSL, S. 152. Vgl. Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 41. 832 Dies gilt insbesondere für Fälle, wo der Mehrheitsgesellschafter Geschäftsführer ist. Die Minderheit kann ihn aus dieser Stellung abberufen, da er selbst in diesem Fall nicht stimmberechtigt ist. Aber bei der Neubesetzung des Postens gilt diese Beschränkung nicht, so dass er erneut sich selbst zum Geschäftsführer bestellen könnte. Vgl. Valpuesta, S. 78. Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 41 f., hält die Regelung zur Geschäftsführung der S.L.N.E. deshalb – wohl etwas überspitzt formuliert – für „muy peligrosa“. A.A. ohne nähere Begründung Mora/Mora, S. 355. 833 Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist, zeigen die unten, § 9 I. 3., wiedergegebenen Zahlen von S.L.N.E.-Gründungen auf elektronischem bzw. traditionellem Weg. 834 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (16). Im Ausgangspunkt ähnlich, aber mit entgegengesetzter Schlussfolgerung Valpuesta, S. 34: Die elektronische Gründungsprozedur funktioniere nicht immer einwandfrei und sicher und werde deshalb nur zurück831

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Insgesamt wird der Reform deshalb, trotz der begrüßenswerten Zielsetzung und der Verbesserungen, die sie in Teilbereichen herbeiführt, Konzeptionslosigkeit und politischer Populismus vorgeworfen.835 Der Gesetzgeber habe sich nicht die Mühe gemacht, systematisch die Defizite des geltenden Rechts zu analysieren, um dann kohärente Lösungsvorschläge zu präsentieren, sondern habe den einfachsten und gleichzeitig am meisten Aufmerksamkeit erregenden Weg gewählt, eine neue Unterart der S.L. einzuführen und die Reformmaßnahmen weit gehend auf diese zu beschränken.836 Dabei wäre eine gezielte Reform einzelner Aspekte der insgesamt vertrauten und bei Unternehmern beliebten Rechtsform der S.L. der logischere und bessere Weg gewesen, diese als Ganzes attraktiver zu machen.837 Stattdessen habe der Gesetzgeber durch die Einführung einer weiteren Rechtsformalternative Verwirrung und zusätzlichen Beratungsbedarf verursacht. Die S.L.N.E. vermische willkürlich personalistische und kapitalistische Elemente, ihre Abgrenzung von den bestehenden Gesellschaftstypen erscheine gezwungen. Insgesamt wirke die Reform deshalb heterogen, unausgereift und provisorisch und verfehle ihr Ziel weit gehend.838 Außerdem laufe die Reform in ihrer Gesamtschau der Philosophie einer liberalen Wirtschaftsordnung zuwider: Die Gründungsprozedur der S.L.N.E. sei weit gehend automatisiert, durch zwingende Normen werde die Willensfreiheit der Gesellschafter praktisch ausgeschaltet, gleichzeitig würden aber starke Anreize zur Wahl dieser Rechtsform in Gestalt von Steuervergünstigungen und kostenloser Beratung und Unterstützung durch staatliche Stellen geschaffen. Dadurch würden die Unternehmensgründer gewissermaßen dazu angehalten, sich selbst zu entmündigen und die Verantwortung für die Gestaltung der Rechtsverhältnisse ihres Unternehmens an den Staat abzutreten.839 haltend genutzt. Sie sei aber zudem überflüssig, da auch ohne ihre Nutzung eine Eintragung innerhalb von sechs Tagen erreicht werden könne, so dass der Gesetzgeber ganz auf sie hätte verzichten können. 835 Pointiert Valpuesta, S. 16: „Se sigue enarbolando cuando interesa la bandera política de potenciación de las PYMEs, pero sin que exista una política real conjuntada para ello.“ Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (6), sprechen vorsichtiger von „errores y contradicciones que parecen obedecer más a una actitud desorientada que a una opción de política legislativa plenamente consciente“. 836 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 28, der darauf verweist, dass sich in der Gesetzesbegründung der LSLNE kein einziger Hinweis auf konkrete reformbedürftige Vorschriften der LSL findet. In diese Richtung auch Valpuesta, S. 155. 837 Vgl. Boquera/Embid, Introducción, S. 29. 838 Vernichtend insoweit das Resümee von Boquera/Embid, Introducción, S. 32; sowie Valpuesta, S. 153 ff.: „[L]a nueva ley [..] en su conjunto muestra un régimen totalmente inadecuado para la PYME [. . .].“ Ähnlich Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (18): „[El régimen de la S.L.N.E.], además de ser técnicamente deficiente, se caracteriza esencialmente por sus aspectos negativos.“ 839 Vgl. Embid, RIW 2004, 760 (761); ders., RJN 46 (2003), 107 (139). Deutlich Boquera/Embid, Introducción, S. 33 f., dem zufolge die Unternehmensgründer durch den „asistencialismo“ des Staates wie Minderjährige behandelt werden.

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3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Der einzige praktische Nutzen der Reform wird in der Beschleunigung der Gründungsformalitäten und der Vereinfachung der Rechnungslegung gesehen. Hierfür sei jedoch die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform weder nötig noch sinnvoll, und außerdem könne eine zu sehr auf Zeitersparnis fokussierte Gründungsprozedur dazu führen, dass Unternehmensgründer in Zukunft ihr Projekt vor der Gründung weniger intensiv planen und durchdenken, wozu sie nach dem hergebrachten System in gewissem Umfang gezwungen wurden.840 Allerdings wird den negativen Abschlussbetrachtungen zu der Reform zumeist relativierend hinzugefügt, dass es für eine fundierte Bewertung des realen Nutzwertes der Reform noch zu früh sei. Dazu müssten die Erfahrungen der Praxis und empirische Daten hinzugezogen werden, die nach so kurzer Zeit noch nicht vorlägen.841 3. Rechtstatsachen Die verfügbaren Zahlen deuten darauf hin, dass der S.L.N.E. ein durchschlagender Erfolg bislang versagt geblieben ist.842 Vom Inkrafttreten der LSLNE im April 2003 bis April 2007, also innerhalb von vier Jahren, wurden nur 7.699 S.L.N.E. eingetragen, und davon lediglich 2.740 im Wege des neuen elektronischen Verfahrens.843 Aus den Statistiken lässt sich auch keine Tendenz entnehmen, dass die Unternehmensgründer nach einer anfänglichen Gewöhnungsphase ihre Zurückhaltung bei der Nutzung der neuen Rechtsform in jüngster Zeit aufgeben würden. Im ersten Dreivierteljahr der Geltung der LSLNE von April bis Dezember 2003 wurden bereits 894 S.L.N.E. eingetragen844, und in den folgenden Jahren war kein nennenswerter Zuwachs dieser Quote zu verzeichnen.845 840 Vgl. Marín/Guisado, DNeg 2004, 5 (18). Ebenso Valpuesta, S. 33 f., der unter Hinweis auf das Sprichwort „[L]a prisa es mala consejera.“ die Frage stellt, ob es wirklich ein so großer Fortschritt ist, ein Unternehmen innerhalb von 48 Stunden gründen zu können. 841 Vgl. Sánchez, RDBB 90 (2003), 273 (274); Embid, RIW 2004, 760 (761). Ebenso Boquera/Cuñat, Art. 130 LSL, S. 41 f., der seine Kritik als „primera impresión que deberá confirmarse o modificarse con el uso“ bezeichnet. 842 Die folgenden Angaben sind den offiziellen Statistiken der Generaldirektion für kleine und mittlere Unternehmen im Ministerium für Industrie, Tourismus und Handel entnommen, abrufbar unter http://servicios.ipyme.org/estadisticas/. 843 Die Statistiken geben für das elektronische Verfahren eine durchschnittliche Dauer von 1,93 Werktagen von der notariellen Errichtung bis zur Eintragung an, wobei Madrid mit 1,52 Werktagen noch deutlich besser abschneidet als der Rest des Landes. Die Maßnahmen zur Gründungsbeschleunigung greifen also offenbar, allerdings macht nur gut ein Drittel der Unternehmensgründer von dieser Möglichkeit Gebrauch. Embid, RIW 2004, 760 (761 und passim), macht hierfür die zu hohe Komplexität des elektronischen Gründungsverfahrens verantwortlich. 844 Diese Zahlen beinhalten nur die nach dem traditionellen Verfahren eingetragenen Gesellschaften, die verhältnismäßig seltenen Eintragungen nach dem elektronischen Verfahren bleiben in den Statistiken häufig unberücksichtigt bzw. werden separat aufgeführt. 845 2004 kamen 1602 Eintragungen hinzu, und nur 988 im Jahre 2005.

§ 9 Spanien

371

Klarer noch als aus diesen absoluten Zahlen erhellt sich die begrenzte Beliebtheit der neuen Rechtsform aus einem Vergleich mit der Gesamtzahl der Unternehmens- bzw. S.L.-Gründungen.846 Im Jahr 2003 wurden 103.374 S.L.847 gegründet, was einem Anteil von 28,2% aller Unternehmensgründungen in diesem Zeitraum entspricht. Im folgenden Jahr betrugen die Zahlen 120.030 bzw. 32,1%.848 Vom Inkrafttreten der LSLNE im April 2003 bis Ende 2003 wurden jedoch nur 894 S.L.N.E. eingetragen, und im Jahr 2004 belief sich die Zahl der Eintragungen auf 1.602. Die S.L.N.E. machte mithin nur einen Anteil von 0,86% (2003) bzw. 1,33% (2004) an den S.L.-Neugründungen aus, ihr Anteil an den gesamten Unternehmensgründungen ist dementsprechend verschwindend gering. Von den neu gegründeten S.L.N.E. waren knapp 48% im Dienstleistungssektor tätig, weitere 30% betrieben Handelsunternehmen. Daran zeigt sich, dass die S.L.N.E. erwartungsgemäß hauptsächlich für diejenigen Branchen attraktiv ist, in denen auch kleinste Unternehmen mit geringem Personal- und Kapitalaufwand tätig sein können. Diese Beurteilung wird gestützt durch die Zahlen der Gesellschafter der neu gegründeten S.L.N.E. und der dadurch geschaffenen Arbeitsplätze: Jede dieser Gesellschaften hat im Durchschnitt 1,9 Gesellschafter und beschäftigt 1,3 Angestellte, wobei in letzterer Ziffer bereits die angestellten Gesellschafter mit eingeschlossen sind. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass der gesamtwirtschaftliche Effekt der Einführung der S.L.N.E. bisher kaum messbar ist.849

II. Weitere Reformvorschläge Der Ruf nach weiteren Reformen des Rechts der S.L. wird nur vereinzelt erhoben, was angesichts des verhältnismäßig kurzen Zeitraums der Existenz der S.L. von 1995 bis heute, innerhalb dessen eine vollständige Novellierung und eine weitere bedeutende Reform dieser Rechtsmaterie vorgenommen wurde, wenig verwundert. Man kann sagen, dass das Recht der S.L. sich – im Unterschied zu den beiden anderen untersuchten Rechtsordnungen – momentan in einer Konsolidierungsphase befindet. Dennoch fehlt es nicht vollständig an Vorschlägen, wie insbesondere der Gläubigerschutz noch verbessert werden kann.850 Die 846 Die diesbezüglichen Zahlen entstammen den Statistiken des DIRCE, abrufbar auf der Internetseite des spanischen nationalen Statistikinstituts (INE), http://www.ine.es. 847 Diese Zahl umfasst sowohl gewöhnliche S.L. als auch S.L.N.E. 848 Bezogen auf die Gesamtzahl der Gesellschaftsgründungen ist der Stellenwert der S.L. noch beachtlicher. Hier erreicht sie einen Anteil von 72,5% (2003) bzw. 74,8% (2004). 849 Ähnlich, wenn auch verhaltener, die Schlussfolgerung bei Embid, RIW 2004, 760 (767). Anders Convert, JCP E 2004, 1872 (1876), der allerdings nur auf die absoluten Gründungszahlen der S.L.N.E. abstellt. 850 Vgl. zum Folgenden insgesamt den Überblick über die Vorschläge aus der Literatur bei Garrido/Sánchez/Aranguren/Martínez/Gardeazábal/Garrido, S. 48.

372

3. Teil: Reformprojekte und -vorschläge

Hauptstoßrichtung dieser Vorschläge zielt auf die Zurückdrängung des auch in Spanien weit verbreiteten Phänomens unterkapitalisierter Gesellschaften, das verantwortlich ist für einen großen Teil der Gesellschaftsinsolvenzen. So wird in Anlehnung an das belgische Recht erwogen, den Gründern einer S.L. die Erstellung eines Finanzierungskonzepts zwingend aufzuerlegen, in dem sie die Angemessenheit der Stammkapitalziffer im Verhältnis zum absehbaren Finanzbedarf des Unternehmens darlegen müssen.851 Parallel dazu sei ggf. die persönliche Gesellschafterhaftung wegen Unterkapitalisierung zu verschärfen und durch Straftatbestände für qualifizierte Verstöße gegen das Kapitalschutzprinzip zu ergänzen. Und schließlich könnten auch bestimmte zwingende Proportionen zwischen wichtigen bilanziellen Kennzahlen, wie sie innerhalb von vertraglichen financial covenants in der Praxis bereits häufig anzutreffen sind, gesetzlich vorgeschrieben werden, um eine ausreichende Kapitalisierung sicherzustellen. Genannt wird hier insbesondere das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital, aber auch zwischen bestimmten Positionen auf Aktiv- und Passivseite der Bilanz.

851

Zum belgischen Modell vgl. oben, § 7 II. 2. a) cc).

4. Teil

Bewertung Die Darstellung der Reformdiskussion in den drei untersuchten Rechtsordnungen hat gezeigt, dass diese mit unterschiedlicher Tiefe und Intensität geführt wird, dass aber vielfach ähnliche Probleme bestehen und auch die Lösungsansätze durchaus vergleichbar sind. Im folgenden Teil sollen auf dieser rechtsvergleichenden Grundlage Schlussfolgerungen für die Reform der deutschen GmbH gezogen werden. Hierbei geht es zunächst um die fundamentalen Fragen, ob das tradierte Stammkapitalsystem für die GmbH beibehalten werden soll und ob diese ihre seit der Einführung 1892 bestehende monopolartige Stellung als die (deutsche) Kapitalgesellschaftsform für KMU bewahren kann oder sich neuer Konkurrenz aus den eigenen Reihen stellen muss (§ 10). In einem zweiten Schritt sollen die einzelnen Aspekte des geltenden Regimes im Hinblick auf die daran geäußerte Kritik, die bereits umgesetzten Reformen und die weitergehenden Reformvorschläge unter Einbeziehung der Parallelregelungen in Frankreich und Spanien einer Bewertung unterzogen werden (§ 11), wobei die so gefundenen Ergebnisse am Schluss thesenartig zusammengefasst werden (§ 12).

§ 10 Grundsätzliche Zukunftsfähigkeit des Stammkapitalsystems Als grundlegende Weichenstellung vor der spezifischen Evaluierung der einzelnen Aspekte des Gläubiger- und Kapitalschutzregimes in der GmbH muss zuerst Klarheit darüber gewonnen werden, ob die Finanzverfassung der GmbH in ihrer jetzigen Form überhaupt grundsätzlich eine Zukunft haben kann. Denn eine Bewertung der bestehenden und vorgeschlagenen Regelungen ist sinnlos, wenn das geltende Stammkapitalsystem ohnehin insgesamt als überholt anzusehen und deshalb durch eine Radikalreform abzuschaffen ist. Deshalb ist zunächst zu begründen, dass ein legislativer Gläubigerschutz trotz verbreiteter vertraglicher Selbstschutzmöglichkeiten nach wie vor notwendig ist (I.) und dass das tradierte kontinentaleuropäische Modell eines gesetzlich abgesicherten Stammkapitals hierfür prinzipiell nicht weniger geeignet ist als die angebotenen Alternativen (II.). Einer Einzelanalyse des geltenden Regimes ebenfalls vorgelagert ist die Frage nach der Einführung einer neuen Gesellschaftsform, die einem völlig anderen Gläubigerschutzregime unterliegt als die GmbH und gleichberechtigt neben diese tritt oder sie als untergeordnete „Rechtsformalternative“ bloß ergänzt (III.).

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4. Teil: Bewertung

Denn wenn einige der grundlegenden Probleme der GmbH nur auf diesem Wege gelöst werden können, dann erübrigt sich eine umfassende Reform derselben zwar nicht zwangsläufig, sie verliert jedoch an rechtspolitischem Gewicht und ändert ihre Zielrichtung insofern, als viele Argumente der Reformdiskussion, wie z. B. der Wettbewerb der Rechtsformen, keine oder nur noch eine sekundäre Rolle spielen.

I. Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestgläubigerschutzes Die GmbH ist seit Jahren schon die insolvenzanfälligste Rechtsform in Deutschland.1 Die Schäden, die den Gläubigern (und anderen, wie dem Fiskus oder Versicherungen) dadurch entstehen, lassen sich nicht genau beziffern, sind aber unbestreitbar beträchtlich.2 Allein aus der somit rechtstatsächlich untermauerten Erkenntnis eines erhöhten Gläubigerrisikos aufgrund der gesetzlichen Haftungsfreistellung der Gesellschafter3 folgt jedoch nicht automatisch die Notwendigkeit eines umfassenden legislativen Gegensteuerns.4 Gläubigerschutzprobleme können nämlich vielfach durchaus durch Eigeninitiative der Gläubiger und das freie Spiel der Kräfte auf dem Markt einer angemessenen und effektiven Lösung zugeführt werden, die zwingenden gesetzlichen Regelungen sogar überlegen sein kann.5 So können sich die Gläubiger häufig selbst durch entsprechende Vertragsgestaltung helfen, die ihrem individuellen Schutzbedürfnis besser angepasst ist.6 1 Vgl. Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (809): An der Gesamtzahl von 39.213 Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2004 hatte die GmbH einen Anteil von rund 48,3% (18.938 GmbH-Insolvenzen). Die absoluten Zahlen besitzen zwar nur begrenzte Aussagekraft, denn die GmbH ist die bei weitem häufigste Gesellschaftsform in Deutschland. Auch unter Berücksichtigung ihres hohen Verbreitungsgrades ergibt sich jedoch immer noch ein negatives Bild. Die Insolvenzanfälligkeit der GmbH lag nämlich im Jahr 2004 mit 228 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen markant über dem Durchschnitt von 134 und wurde nur von der kombinierten Insolvenzhäufigkeit von AG und KGaA übertroffen. Vgl. auch die Zahlen bei MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 209. 2 Lt. FAZ vom 29.06.2005 betrugen die durch Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2005 verursachten wirtschaftlichen Schäden (Forderungsausfälle sowie Rückstände bei Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern) ca. 18,8 Mrd. Euro. Der Anteil der GmbH an der Gesamtheit der Forderungsausfälle beträgt Schätzungen zufolge 55%. Vgl. Haas, Gutachten, S. E 11 f.; Meyer, GmbHR 2004, 1417 (1420 f.); sowie Meyer/ Hermes, GmbHR 2005, 807 (810), die von einem durchschnittlichen Forderungsausfall von fast 760.000 Euro pro GmbH-Insolvenz ausgehen. Diese Zahlen sind nur grobe Annäherungen, liefern jedoch Anhaltspunkte für die in Rede stehenden Größenordnungen. 3 Zu den theoretischen Grundlagen der Schutzbedürftigkeit der Gläubiger vgl. oben, § 2 I. 4 Zur Diskussion, ob ein rein vertraglicher Gläubigerschutz ausreicht oder ob gesetzliche Regeln erforderlich sind, vgl. nur Armour, 63 Mod. L. Rev. 355, 373 (2000); Bauer, S. 314 ff.; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (729 f.); Schön, ZGR 2000, 706 (726 ff.). 5 Vgl. Davies, AG 1998, 346 (348). Allgemein zum Verhältnis zwingender gesetzlicher Regeln zu dispositivem Recht als Problemlösungsmodell im Gesellschaftsrecht Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (686 ff.).

§ 10 Grundsätzliche Zukunftsfähigkeit des Stammkapitalsystems

375

Der hierdurch vermittelte Gläubigerschutz bleibt jedoch lückenhaft, denn er kommt nicht allen Gläubigern gleichermaßen zugute7, und kann außerdem unerwünschte Nebeneffekte zeitigen. Das privatautonome Aushandeln eines effektiven Schutzes setzt auf Seiten des Gläubigers zweierlei voraus: ausreichende Information und Verhandlungsmacht.8 Große, institutionelle Vertragsgläubiger wie etwa Banken verfügen zumeist über beides und sind damit regelmäßig in der Lage, ihre Interessen durch individualvertragliche Vereinbarungen zu wahren.9 Dieser an sich wünschenswerte privatautonome Selbstschutz kann jedoch zu weit gehen, wenn nämlich verhandlungsmächtige Kreditgeber derart weit reichende financial covenants durchsetzen, dass die Verbandssouveränität ausgehöhlt wird10, oder sich, wie bereits weit verbreitet der Fall, umfassende persönliche Sicherheiten der Gesellschafter geben lassen und damit das Haftungsprivileg entwerten11. Kleine Vertragsgläubiger, z. B. Lieferanten, profitieren wiederum u. U. reflexartig von Schutzklauseln, die die Großgläubiger mit der Gesellschaft vereinbart haben.12 Der Effekt dieses sog. „free riding“ 13 kann sich allerdings auch in sein Gegenteil verkehren und die Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger beeinträchtigen.14 Besonders schutzwürdig sind schließlich die gesetzlichen 6 Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 54 ff., führt als Elemente eines vertraglichen Gläubigerschutzes (1) die Bestellung von Personal- und Realsicherheiten an, die das Risiko opportunistischen Verhaltens sowie die Informations- und Kontrollkosten senken, sowie weiterhin (2) Kündigungsrechte bei Schlechtverhalten des Kreditnehmers und (3) Beschränkungen von dessen unternehmerischem Handlungsspielraum durch financial covenants. Vgl. dazu auch Marx, S. 63 ff. 7 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 12 f. und E 95 ff.; Marx, S. 56. 8 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 86. 9 Vgl. Fleischer, in: Lutter (Hrsg.), Auslandsgesellschaften (2005), S. 49 (104); sowie im Hinblick auf die Situation in den USA Krüger, Mindestkapital, S. 208 f. 10 Vgl. Lutter/Hommelhoff/dies. (16. Aufl.), §§ 32a/b GmbHG Rn. 55; Michalski/ Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 86; Schön, ZGR 2000, 706 (727); sowie ausführlich Fleischer, ZIP 1998, 313. 11 Vgl. Fleischer, DStR 2000, 1015 (1018); Gower/Davies, S. 198 f.; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (16). 12 Vgl. Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (157); Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (714, 730). 13 Vgl. dazu die Nachweise bei Krüger, Mindestkapital, S. 207 f. und 274 f. 14 Bedingen sich große Vertragsgläubiger bestimmte Kontrollrechte aus oder vereinbaren restriktive Vorgaben für das Finanzmanagement, so sichert dies die Solidität des Unternehmens insgesamt und kommt damit allen Gläubigern zugute. Allerdings können sich verhandlungsstarke Gläubiger ihre Forderungen zusätzlich ausreichend besichern lassen. Dadurch wird ein Teil des Gesellschaftsvermögens für ihre Befriedigung „reserviert“. Dies erhöht das Ausfallrisiko für alle ungesicherten Gläubiger, da für sie in der Insolvenz weniger Verteilungsmasse übrig bleibt. Auch andere covenants, die letztlich allein dem aushandelnden Gläubiger zugute kommen, sind denkbar und verbreitet. Vgl. dazu näher Drukarczyk, Finanzierung, S. 493 f.; Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 86; Schärtl, Doppelfunktion, S. 87; Schön, Der Konzern 2004, 162 (167). Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (15), weist außerdem zu Recht darauf hin, dass nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden kann, dass überhaupt starke Vertragsgläubiger

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4. Teil: Bewertung

Gläubiger, die ohne eigenes Zutun in diese Stellung geraten und sich demnach weder ihren Schuldner aussuchen noch vertragliche Schutzklauseln vereinbaren können.15 Individualvertraglicher Selbstschutz ist also vor allem Großgläubigern möglich, weniger verhandlungsmächtigen oder erfahrenen Vertragsgläubigern jedoch kaum und gesetzlichen Gläubigern gar nicht.16 Vertragliche Abreden führen aber nicht nur zu einem Schutzgefälle zwischen den einzelnen Gläubigergruppen, sondern können in der Praxis auch kein ausreichendes Gläubigerschutzniveau gewährleisten.17 Die GmbH-Gesellschafter tragen aufgrund ihres geringen Kapitaleinsatzes nur ein ebenso geringes Risiko, was diese Rechtsform besonders missbrauchs- und insolvenzanfällig macht. Die GmbH soll zwar als Rechtsform für den Mittelstand gerade auch kapitalschwächeren Unternehmern eine wirtschaftliche Betätigung erlauben und durch die Abwälzung eines Teils von deren Risiko auf die Gläubiger die Risikobereitschaft fördern, da die unternehmerische Initiative gerade des Mittelstandes von herausragender gesamtwirtschaftlicher Bedeutung ist.18 Allerdings muss ein gläubigerschädigender Missbrauch dieser Rechtsform wirksam bekämpft werden, um ihren Effekt nicht in sein Gegenteil zu verkehren. Ein individualvertraglich vereinbarter Gläubigerschutz ist aber nicht in der Lage, den Rechtsverkehr in seiner Gesamtheit in ausreichendem Maße vor unseriösen Gesellschaftsgründungen und allfälligen Missbrauchspraktiken zu schützen, zumal er seine volle Effizienz nur unter idealisierten Bedingungen erreicht.19 Und jede GmbH-Insolvenz schädigt überproportional deren mittelständische Gläubiger, die sich nicht hinreichend anderweitig absichern können, schadet existieren, die entsprechende covenants zum (vermeintlichen) Nutzen aller übrigen Gläubiger aushandeln könnten. 15 Ebenso i. E. Marx, S. 63 ff. Fleischer, EBOR 7 (2006), 29 (32 f.), weist allerdings zu Recht darauf hin, dass auch gesetzliche bzw. „unfreiwillige“ Gläubiger keine in sich homogene Gruppe mit gleichmäßigem Schutzbedarf darstellen. 16 Vgl. Fleischer, DStR 2000, 1015 (1020); ders., ZGR 2001, 1 (13); Mankowski, in: Lutter (Hrsg.), Legal Capital (2006), S. 394 ff.; Merkt, ZGR 2004, 305 (313); Meyer/ Hermes, GmbHR 2005, 807 (816); Priester, DB 2005, 1315 (1318); Roth, ZGR 2005, 348 (359 f.); Schön, ZGR 2000, 706 (727); ders., ZHR 166 (2002), 1 (4); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (15). Ausführlicher zu den Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubigergruppen Krüger, Mindestkapital, S. 238 ff. Allgemein zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Gläubigerkategorien Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991) S. 50 ff.; sowie knapp Fleischer, ZGR 2001, 1 (19). 17 I. E. ähnlich Merkt, ZGR 2004, 305 (313); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (15 f.). 18 Vgl. Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83 (98). 19 In der Praxis steht einem effektiven vertraglichen Selbstschutz der Gläubiger vor allem das Informationsgefälle der Vertragspartner entgegen. Allgemein und umfassend zu diesem Problem Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht (2001). Vgl. auch Fleischer, EBOR 7 (2006), 29 (33 f.), der zu Recht darauf hinweist, dass Gläubigerschutz durch Transparenz und die Kräfte des Marktes bei der GmbH generell nicht so effektiv sein kann wie bei der AG.

§ 10 Grundsätzliche Zukunftsfähigkeit des Stammkapitalsystems

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also gerade diesem wichtigen Sektor der Wirtschaft und damit der „Zielgruppe“ der GmbH selbst. Folglich ist ein ausreichender Gläubigerschutz, der in dieser Form nur gesetzlich angeordnet werden kann, ein rechtsethisches wie -ökonomisches Gebot.20 Auf dieser Linie bewegen sich alle drei untersuchten Rechtsordnungen, wenn sie dem Gläubigerschutz innerhalb der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft auf gesellschafts- wie insolvenzrechtlicher Ebene ein größeres Gewicht beimessen als den Interessen der Gesellschafter.21 Ein typisierender gesetzlicher Gläubigerschutz, wie ihn das Stammkapitalsystem bereitstellt, weist außerdem noch einen anderen wichtigen Vorzug gegenüber einem rein auf individualvertraglichen Lösungen aufbauenden Schutzmodell auf: Vertragliche Schutzklauseln erfordern in jedem Einzelfall mehr oder weniger ausführliche Verhandlungen, wenn sie tatsächlich an die individuellen Bedürfnisse der Parteien angepasst werden sollen. Dies braucht Zeit und verursacht erhebliche Kosten, etwa für sachund rechtskundige Beratung.22 Dem Effizienzgewinn, den ein rein vertraglicher Gläubigerschutz mit sich bringt23, steht somit der Standardisierungs- und Vereinfachungseffekt zwingender gesetzlicher Regeln gegenüber, der die individuellen Transaktionskosten reduziert24, zumal es jedem Vertragsgläubiger unbenommen bleibt, weitergehende Schutzinstrumente vertraglich zu vereinbaren, sofern er ein Bedürfnis dafür sieht und über entsprechende Verhandlungsmacht verfügt.25 20 Wie hier Engert, ZHR 170 (2006), 296 (303 ff.); Goette, DStR 2005, 197 (198 f.); Haas, Gutachten, S. E 13; Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1368); Kuhner, ZGR 2005, 753 (764); Marx, S. 56; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83 (99); Roth, ZGR 2005, 348 (356 ff.); Schärtl, Doppelfunktion, S. 86 f.; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (15 f.). Vgl. auch Fleischer, EBOR 7 (2006), 29 (35 f.), mit Nachweisen zu US-amerikanischen Studien, die die Effektivität individualvertraglichen Gläubigerselbstschutzes rechtstatsächlich teils untermauern, teils in Zweifel ziehen. Zu der wirtschaftswissenschaftlichen Grundannahme rationalen Verhaltens der Marktteilnehmer und zu deren beschränkter Tragfähigkeit nach der Behavioral-Law-and-Economics-Lehre vgl. Fleischer, in: FS Immenga (2004), S. 575 ff. 21 Zum deutschen Recht vgl. Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83 (100 f.). 22 Vgl. Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (16), der auf die bei individualvertraglichen Schutzklauseln bestehende Tendenz zur Überregulierung verweist. 23 Dieser Effizienzgewinn kommt nur dem die covenants aushandelnden Gläubiger zugute, da sie an seine Bedürfnisse angepasst sind, nicht unbedingt jedoch den übrigen Gläubigern. 24 So auch Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (436); Franke/Hax, S. 447 ff.; Merkt, ZGR 2004, 305 (313); Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 60; Roth, ZGR 2005, 348 (359); Schärtl, Doppelfunktion, S. 89; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (16). Vgl. außerdem dazu Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 138 (157); Schön, ZGR 2000, 706 (726 f.). A.A. aber Merkt, EBLR 2004, 1045 (1055), der auf die Praxis großer Kreditinstitute verweist, standardisierte, vorformulierte Verträge zu verwenden. 25 So i. E. auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (691); Krüger, Mindestkapital, S. 274 f.; Kuhner, ZGR 2005, 753 (764); Schärtl, Doppelfunktion, S. 89; Schön, ZHR 166 (2002), 1 (4).

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4. Teil: Bewertung

Neben den erhöhten Transaktionskosten26 darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass ein vertraglicher Gläubiger(selbst)schutz nur funktionieren kann, wenn den Gesellschaften umfassende Publizitätspflichten auferlegt werden, so dass die Gläubiger die Risiken abschätzen können. Dies mag für große, kapitalmarktorientierte Gesellschaften unproblematisch sein, kleine Unternehmen als Hauptzielgruppe der GmbH werden dadurch jedoch u. U. stark belastet. Ein vornehmlich publizitätsbasiertes Gläubigerschutzmodell wie das angelsächsische ist deshalb eher auf die Interessen des Kapitalmarktes zugeschnitten, für kleine Privatgesellschaften aber nicht unbedingt geeignet.27 Ein System wie das deutsche, das nur begrenzte Publizitätspflichten vorsieht, erleichtert es zudem der Geschäftsleitung, langfristig angelegte Geschäftsstrategien zu verfolgen, auch wenn sie kurzfristig nicht rentabel sind. Ihre Entscheidungen werden nämlich dann nicht bis ins Detail laufend vom Markt kontrolliert, sondern erst im Fall des Scheiterns, nämlich in der Insolvenz, umfassend überprüft.28 Außerdem können zu scharfe Publizitätsvorschriften schließlich dazu führen, dass sich eine Unternehmenskrise noch verschärft und eine Sanierung unmöglich wird, wenn nämlich der Markt von der Krise sofort Kenntnis nimmt und der Gesellschaft Fremdkapital entzieht oder vorenthält, obwohl es sich nur um vorübergehende Schwierigkeiten handelt.29

II. Fortdauernde Existenzberechtigung des Stammkapitals Ist die Notwendigkeit gesetzlicher Regeln zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger anerkannt, stellt sich die Frage, ob das kontinentaleuropäische Stammkapitalsystem hierfür ein prinzipiell geeignetes Modell bereitstellt oder ob die vor al26 Vgl. Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (16), der die Transaktionskosten des gesetzlichen Kapitalschutzes im Einzelnen denen des individualvertraglichen Schutzes gegenüberstellt. 27 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1521 f.). Hinzu kommt, dass die gesamtwirtschaftlichen Funktionsvoraussetzungen eines einigermaßen effektiven privatautonomen Gläubigerschutzes bisher nicht hinreichend untersucht sind. Nahe liegend erscheint, dass er ein gewisses Entwicklungsniveau der Kapitalmärkte und der Eigenkapitalfinanzierung voraussetzt, wie es etwa in den USA anzutreffen ist. Dort finanzieren sich Unternehmen aufgrund der weit entwickelten Kapitalmärkte in stärkerem Maße durch von Investoren bereitgestelltes Kapital. Diese bauen zur Absicherung ihrer Investition vor allem auf möglichst umfassende Informationen und flexible Schutzinstrumente für den Einzelfall. In Kontinentaleuropa hingegen herrscht immer noch die Fremdkapitalfinanzierung durch Kreditinstitute vor, zu deren Absicherung auch pauschale gesetzliche Garantien wie das Stammkapital geeignet sind. Vgl. dazu etwa Merkt, ZGR 2004, 305 (314); Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 71 (87); Hertig/Kraakman/ Rock, ibid., S. 193 (201); Kübler, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Capital Markets and Company Law (2003), S. 95 (105). 28 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1521 f.). 29 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 120.

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lem im angloamerikanischen Rechtskreis anzutreffenden oder in der kontinentaleuropäischen Reformdiskussion vorgeschlagenen Alternativen vorzugswürdig sind. Die Diskussion über die grundsätzliche Sinnhaftigkeit eines festen Stammkapitals für die Kapitalgesellschaft, die auch die Europäische Kommission in ihrem Aktionsplan mittelfristig angeregt hat30, ist national wie international in vollem Gange.31 Zahlreiche und namhafte Vertreter kann die für eine Beibehaltung dieses tradierten Rechtsinstituts plädierende Position32 ebenso für sich reklamieren wie die eine Abschaffung fordernde33. Um einer von beiden den Vorzug geben zu können, muss zunächst Klarheit über die theoretischen Funktionen und den praktischen Nutzen des Stammkapitals gewonnen werden (1.). In einem zweiten Schritt sind die Argumente zu prüfen, die trotz festgestellter Defizite des Stammkapitals einem radikalen Systemwechsel entgegenstehen könnten (2.). 1. Funktionen und Wirkung des Stammkapitals Die widerstreitenden Ansichten für und gegen einen Systemwechsel haben inzwischen im Wesentlichen die Funktionen34 und den möglichen Nutzen des 30 Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, vom 21. Mai 2003, KOM (2003) 284 endg. Eine knappe Übersicht über Entstehungsgeschichte und Inhalt des Aktionsplanes findet sich bei Haberer, GesRZ 2003, 211. 31 Vgl. etwa schon vor mehr als einem Jahrzehnt das Symposium „Unternehmensfinanzierung und gesetzliches Garantiekapital in Europa“, AG 1998, 345 ff., mit Beiträgen von Davies, Nobel, Rojo, Spolidoro, Walter, Lutter, Niederleithinger und Schuster. Beispielhaft aus der jüngeren Literatur Armour, EBOR 7 (2006), 5; Drygala, ZGR 2006, 587; Engert, ZHR 170 (2006), 296; ders., GmbHR 2007, 337; Haas, Gutachten, S. E 121 ff.; Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 138; Jungmann, ZGR 2006, 638; Kleindiek, ZGR 2006, 335; Pellens/Brandt/Richard, DB 2006, 2021; sowie monographisch Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft (2005); Richard, Kapitalschutz der Aktiengesellschaft (2007); Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals im Europäischen Wettbewerb (2006). 32 Vgl. etwa die verschiedenen Beiträge in Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006); sowie die Stellungnahmen des DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2003, 1008 (1012 f.); und der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (872, 874); ferner Bayer, BB 2003, 2357 (2364); Fleischer, ZGR 2001, 1 (12 f.); Hommelhoff, RabelsZ 62 (1998), 381 (398); Schmidt, GesR, § 18 II 2 c, S. 519; Schön, ZHR 166 (2002), 1 ff. 33 Vgl. nur Armour, EBOR 7 (2006), 5 (27); ders., 63 Mod. L. Rev. 355 (2000); Bauer, passim; Gower/Davies, S. 257 ff.; ders., AG 1998, 346 (352 ff.); Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165 (2001); Kübler, Aktie, passim; ders., in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Capital Markets and Company Law (2003), S. 95 ff.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151; Rickford-Gruppe, EBLR 15 (2004), 919 ff. Einer Abschaffung zuneigend, aber im Ergebnis vermittelnd Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695. 34 Teilweise werden die Vermögensaufbringung und -bindung als „Funktionen“ des Stammkapitals unterschieden, vgl. etwa Schärtl, passim, der dafür die Begriffe „Realfunktion“ und „Bilanzfunktion“ verwendet. Diese Unterscheidung eignet sich zwar zur Beschreibung der Wirkungsweise des Stammkapitalsystems, ist jedoch für eine Funk-

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Stammkapitals35 ebenso herausgearbeitet wie die denkbaren Einwände dagegen36, so dass hier eine zusammenfassende Darstellung genügen möge.37 Im Wesentlichen lassen sich die Funktionen des Stammkapitals in eine Finanzierungs[a)] und eine Gläubigerschutzfunktion [b)] unterteilen, wobei erstere reflexhaft auch den Gläubigern zugute kommt, da diese von einer soliden finanziellen Grundlage des Unternehmens ebenfalls profitieren. a) Finanzierungsfunktion Das Stammkapital ist zunächst einmal ein Instrument der Unternehmensfinanzierung. Die Kapitalaufbringungsregeln stellen sicher, dass bei der Gründung und bei späteren Kapitalerhöhungen die von den Gesellschaftern versprochenen Vermögenswerte der Gesellschaft tatsächlich werthaltig zufließen und damit als Betriebskapital zur Verfügung stehen. Die Kapitalerhaltungsregeln verhindern, dass die Gesellschafter die Gesellschaft willkürlich sämtlicher finanzieller Grundlagen berauben. Das dergestalt gesetzlich umhegte Stammkapital stellt somit die Vermögensgrundlage der Gesellschaft dar, ihren Grundstock an Eigenkapital. Es kann demnach dazu dienen, die Kapitalausstattung des Unternehmens und damit seine Überlebensfähigkeit im Geschäftsverkehr zu verbessern. Die Unternehmensfinanzierung ist jedoch grundsätzlich eine Domäne privatautonomer Entscheidungsfreiheit des Unternehmers. Angesichts der Dynamik und Innovationskraft der internationalen Finanzmärkte steht der Geschäftsleitung einer GmbH eine Vielzahl von Finanzierungsformen zur Verfügung, die häufig flexibler und für die Gesellschaft günstiger sind als eine Finanzierung durch Stammeinlagen.38 Die Kräfte des Kreditmarkts werden dabei grundsätzlich sicherstellen, dass Unternehmen sich nicht allein über Fremdkapital finanzieren können, sondern über eine angemessene Eigenkapitalquote verfügen.39 Insofern tionsanalyse im eigentlichen Sinne unbrauchbar, die die unterschiedlichen Zwecke des Stammkapitals herausarbeiten muss. Für die Frage nach der Sinnhaftigkeit des geltenden Systems ist nämlich entscheidend, warum das Stammkapitalsystem die Aufbringung und Bindung eines bestimmten Vermögensgrundstocks vorsieht. 35 Vgl. z. B. Drygala, ZGR 2006, 587 (595 ff.); Eidenmüller/Engert, AG 2005, 97; Kuhner, ZGR 2005, 753 (765 ff.); Schön, Der Konzern 2004, 162 (166 ff.). 36 Vgl. dazu etwa Armour, EBOR 7 (2006), 5 (15 ff.); Jungmann, ZGR 2006, 638 (640 ff.); Mülbert, Der Konzern 2004, 151; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (715 ff.). 37 Vgl. zu den Funktionen des Stammkapitals bereits oben, § 4 I. 1. Ausführlich zur grundlegenden Systemkritik, die in allen drei untersuchten Rechtsordnungen geäußert wird, oben, § 4 II. 1., § 5 II. 1., § 6 II. 1. 38 Vgl. Garrido/ders., S. 48. 39 In der ökonomischen Finanzierungslehre werden dem Eigenkapital vor allem drei Funktionen zugemessen, die es zu einer im Vergleich zur Fremdfinanzierung „höherwertigen“ Finanzierungsform erheben: erstens die Funktion als Betriebsmittel zur Finanzierung der Geschäftsaufnahme (Ingangsetzungsfunktion); zweitens die Funktion

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erscheint die Finanzierungsfunktion als kaum tragfähige Rechtfertigung für zwingende gesetzliche Vorgaben des Kapitalschutzregimes. Solche ließen sich allenfalls begründen, wenn die Marktkräfte nicht ausreichten und wenn das Stammkapital nachweislich die Finanzstruktur der GmbH-Unternehmen verbessern, damit deren Insolvenzanfälligkeit verringern und so einen gesamtwirtschaftlich wünschenswerten Effekt erzielen würde. In diesem Zusammenhang wird häufig darauf verwiesen, dass das Stammkapital als Eigenkapitalgrundstock wirtschaftliche Krisen des Unternehmens abfedern und damit u. U. eine Insolvenz verhindern könne.40 Ein direkter Zusammenhang zwischen einer hohen Stammkapitalziffer und einer verringerten Insolvenzwahrscheinlichkeit ist jedoch empirisch nicht belegt.41 Entsprechende Erhebungen aus Deutschland legen nahe, dass die Eigenkapitalquote hierfür wesentlich aussagekräftiger ist, in die das Stammkapital nur als einer von mehreren Faktoren einfließt.42 Das Stammkapital kann damit zwar, wenn es einen im Vergleich zur Unternehmensgröße nennenswerten Betrag erreicht, einen gewissen Beitrag zu einer höheren Eigenkapitalquote leisten. Daneben spielen jedoch andere Formen von Eigenkapital eine mindestens ebenso wichtige Rolle für die Unternehmensfinanzierung wie das Stammkapital. Lediglich in der Anfangsphase kurz nach der Gründung, wenn die Gesellschaft noch keine Gewinne erwirtschaftet hat und die Einlagen der Gesellschaft deshalb ihr einziges Eigenkapital darstellen, kann das Stammkapital als Finanzierungsinstrument zur Senkung des Insolvenzeintrittsrisikos eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Jüngere Studien zum amerikanischen Recht weisen in die gleiche Richtung.43 Aus ihnen lässt sich ableiten, dass die bilanzielle Kapitalstruktur eines Unternehmens für die Bewertung seines spezifischen Kreditrisikos durch den Markt eine von tilgungsfreiem Risikokapital während der Lebensdauer der Gesellschaft; drittens die Funktion der Risikoübernahme im Insolvenzfall. Vgl. dazu zusammenfassend Claussen, in: FS Forster (1992), S. 139 (150). 40 Vgl. nur BGHZ 80, 129 (143); 81, 311 (320 f.). 41 Vgl. Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (718 f.); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (484 f.). 42 Vgl. die Untersuchung von Engert, GmbHR 2007, 337 (339), die auf der Auswertung von 250.000 Jahresabschlüssen aus dem Datenbestand der Creditreform Rating AG beruht. Sie kommt zu dem Schluss, dass Gesellschaften mit nur dem gesetzlichen Mindeststammkapital zwar mit 2,37% eine deutlich höhere Insolvenzwahrscheinlichkeit aufweisen als Gesellschaften mit einem höheren Stammkapital (1,54%). Daraus folge allerdings nicht die Kausalität der höheren Stammkapitalziffer für die geringere Insolvenzwahrscheinlichkeit, vielmehr liege die statistische Übereinstimmung bei einer Sortierung der Daten nach dem einen oder dem anderen der beiden Merkmale nur bei 14%. Die Eigenkapitalquote sei demgegenüber wesentlich aussagekräftiger, so dass für die Gläubiger zumindest bei Offenlegung des Jahresabschlusses von der Stammkapitalziffer keinerlei zusätzlicher Informationswert ausgehe. In diese Richtung knapp auch Krüger, Mindestkapital, S. 224 f., m.w. N. 43 Vgl. Engert, GmbHR 2007, 337 (341 f. mit Fn. 56), unter Hinweis auf Untersuchungen von Wald/Long, Mansi/Maxwell/Wald und Qi/Wald.

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Rolle spielt und dass somit bilanzielle Ausschüttungssperren offenbar einen Beitrag zum Gläubigerschutz leisten können. Gesellschaften aus Bundesstaaten, deren Rechtsregime bilanzbezogene Ausschüttungssperren enthält, die die Erhaltung von Eigenkapital vorschreiben oder jedenfalls überschuldungsverursachende Ausschüttungen untersagen, werden demnach vom Kreditmarkt als kreditwürdiger eingestuft als andere, einem liberaleren Recht unterliegende Gesellschaften. Dies machte sich an besseren Kreditratings, niedrigeren Risikoaufschlägen und weniger vertraglichen Schutzklauseln bei der Kreditvergabe bemerkbar. Daraus lässt sich – mit der gebotenen Vorsicht angesichts der Unterschiede zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem US-amerikanischem Rechts- und Wirtschaftssystem – ableiten, dass dem Stammkapital als bilanzbezogener Ausschüttungssperre nicht jede gläubigerschützende Wirkung abgesprochen werden kann.44 Denn das Stammkapital ist ein Teil des Eigenkapitals der Gesellschaft, und die Erhaltung von Eigenkapital wirkt sich positiv auf die Befriedigungsaussichten der Gesellschaftsgläubiger aus. Daraus folgt, dass das Stammkapital offenbar nicht gänzlich ohne Einfluss auf das Insolvenzeintrittsrisiko ist, seine Bedeutung hierfür allerdings jenseits der Anlaufphase eher untergeordneter Natur ist.45 Es ist damit nur selten ein wirklich effektiver Krisenpuffer. Als Finanzierungsinstrument kommt dem Stammkapital also rechtstatsächlich nur ein begrenzter Stellenwert zu, der allein das umfangreiche Repertoire an zwingenden gesetzlichen Regeln zu seiner Absicherung nicht zu rechtfertigen vermag. Diese erscheinen insoweit zwar nicht als gänzlich sinnlos, aber doch als Überregulierung und übertriebene Beschränkung der unternehmerischen Freiheit. b) Gläubigerschutzfunktion Die Rechtfertigung für die restriktiven Kapitalschutzregeln, die die Finanzierungsfunktion des Stammkapitals nicht liefern kann, folgt nach einhelliger Ansicht der Befürworter aber aus seiner vorrangigen Zwecksetzung als Gläubigerschutzinstrument.46 Das Stammkapital soll die Gläubiger in mehrfacher Hinsicht schützen. Insoweit lassen sich eine unmittelbare Schutzfunktion als Haftungsfonds [aa)] sowie zwei mittelbare Schutzfunktionen, als persönlicher Risikobeitrag der Gesellschafter [bb)] einerseits und als Informationsinstrument [cc)] andererseits, unterscheiden. 44

So die überzeugende Schlussfolgerung von Engert, GmbHR 2007, 337 (342). So auch Engert, GmbHR 2007, 337 (339), dem zufolge der (begrenzte) statistische Zusammenhang zwischen hoher Stammkapitalziffer und niedrigerer Insolvenzwahrscheinlichkeit vorwiegend darauf beruht, dass Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote (und deshalb einer geringeren Insolvenzwahrscheinlichkeit) aus anderen Gründen häufig auch über ein hohes Stammkapital verfügen. 46 Vgl. bereits oben, § 4 I. 1. 45

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aa) Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger Das Stammkapitalsystem stellt die Aufbringung eines im Vorhinein festgelegten Betrags als Eigenkapital sicher und bindet diesen Teil des Gesellschaftsvermögens dauerhaft in der Gesellschaft, indem seine Ausschüttung an die Gesellschafter untersagt wird. Als zumindest aus Gläubigersicht wichtigster Zweck dieser Vermögensaufbringung und -bindung wird auch von höchstrichterlicher Stelle immer wieder hervorgehoben, dass ein solches Eigenkapitalpolster – neben der Funktion als finanzieller Krisenpuffer für die Gesellschaft – den Gläubigern als dauerhaft garantierter Haftungsfonds diene.47 Die Gesellschafter erbringen ihre Einlagen demzufolge nicht allein in ihrem eigenen Interesse zur Finanzierung der Unternehmung, sondern auch und vor allem, um den Gläubigern eine „Befriedigungsreserve“ zusätzlich zu dem von der Gesellschaft eventuell später selbst erwirtschafteten Vermögen zur Verfügung zu stellen. Dieser Haftungsfonds muss dauerhaft im Gesellschaftsvermögen verbleiben, um den Gläubigern eine gewisse Grundgarantie zu geben, dass ihre Forderungen befriedigt werden können, damit die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft erhalten bleibt. Man könnte dies als die „absolute Garantiefunktion“ des Stammkapitals bezeichnen. Sie gehört zum Standard-Begründungsrepertoire strenger Kapitalerhaltungsregeln.48 Richtig ist an dieser Argumentation allerdings nur, dass das gesetzgeberische Eingreifen eine durch die Haftungsbeschränkung bedingte rechtspolitische Notwendigkeit ist. Denn die Gesellschafter erschaffen mit der Gründung der juristischen Person ein neues Rechtssubjekt, welches, wie jedes Rechtssubjekt, seinen Gläubigern mit seinem gesamten Vermögen haftet. Die Gesellschaft hat jedoch zunächst kein eigenes Vermögen. Zum Schutz der Gläubiger kann der Gesetzgeber deshalb entweder die Gesellschafter dazu verpflichten, neben der Gesellschaft für deren Schulden einzustehen. Will er dies nicht, weil gerade eine Haftungsfreistellung der Gesellschafter gewollt ist – und dies ist eine rein rechtspolitische Entscheidung, die nicht etwa in der „Natur“ der juristischen Person gründet oder sonst zwingend wäre –, so ist die nahe liegende Alternative, die Ausstattung der juristischen Person mit einem gewissen Minimum an Vermögen sicherzustellen. Nichts anderes ist aber die Verpflichtung zur Aufbringung des Stammkapitals: Die Gesellschaft soll mit einem gewissen „Vermögensembryo“ 49 ausgestattet werden, mit dem sie dann, wie eine gerade geschäftsfähig gewordene natürliche Person auch, ins Geschäftsleben tritt, um dieses Vermögen möglichst zu vermehren.

47 Vgl. nur BGHZ 80, 129 (143); 81, 311 (320 f.); 117, 323 (331); 157, 72 (75); 153, 158 (162). Lutter, Kapital, S. 50, bezeichnet dies griffig als die „Garantiefunktion des Nennkapitals“. 48 Vgl. oben, § 4 I. 1. 49 Vgl. Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361, 1362: „embryon d’actifs sociaux“.

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In diesem Vermögensgrundstock aber eine dauerhaft garantierte Sicherheit der Gläubiger zu sehen, ist verfehlt.50 Er ist nicht mehr und nicht weniger als ein Anfangskapital. Dieses kann im weiteren Verlauf wachsen oder schrumpfen, je nach wirtschaftlichem Erfolg des Unternehmens. Die Kapitalerhaltungsregeln, insbesondere die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG, verhindern zwar, dass die Gesellschafter der Gesellschaft das zur Befriedigung der Gläubiger benötigte Vermögen missbräuchlich entziehen. Eine über den Schutz vor „Ausplünderung“ hinausgehende dauerhafte Erhaltung von Vermögenswerten wird jedoch nicht garantiert. Die aus der vermeintlichen absoluten Garantiefunktion des Stammkapitals hergeleitete Rechtfertigung strenger Kapitalerhaltungsregeln beruht offenbar auf der bildhaften Vorstellung eines Tresors, in den die Einlagen hineingelegt werden, um nur zur Befriedigung der Gläubiger wieder hervorgeholt zu werden.51 Diese Sichtweise trifft jedoch weder in der praktischen Wirklichkeit noch in der theoretischen Konzeption des Stammkapitals zu. In ihr offenbart sich vielmehr ein grundlegendes Missverständnis von dessen gläubigerschützender Wirkung. Die Gesellschafter leisten ihre Einlagen bei Gründung der Gesellschaft und bei späteren Kapitalerhöhungen vor allem, um ihre Gesellschaft mit finanziellen oder, im Fall von Sacheinlagen, mit Betriebsmitteln auszustatten. Die Funktionen von Kapitalaufbringungsregeln einerseits und Kapitalerhaltungsregeln andererseits müssen daher stärker auseinander gehalten werden, als dies zumeist geschieht. Sie greifen nicht in der Weise ineinander, dass erstere die reale Aufbringung eines Vermögensgrundstocks gewährleisten, dessen dauerhafte Erhaltung letztere garantieren. Einen unmittelbaren und unbedingten Einfluss auf die Aktiva der Gesellschaft haben nur erstere, indem sie die Zuführung von realen Vermögenswerten in Höhe des Stammkapitals erzwingen. Letztere hingegen erhalten, entgegen der anderes suggerierenden Bezeichnung „Kapitalerhaltungsregeln“, keineswegs diese Vermögenswerte, sondern schützen sie nur vor dem Zugriff der Gesellschafter. Ein unantastbarer Garantiefonds für die Gläubiger soll dadurch nicht geschaffen werden. Vielmehr sollen die zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Aktiva in das normale Betriebsvermögen der Gesellschaft einfließen, das dieser als Grundlage für die geschäftliche Betätigung dient. Es kann damit im Falle des Misserfolges auch durch wirtschaftliche Verluste aufgezehrt werden. In der Insolvenz ist deshalb auch ein hohes Stammkapital für die Gläubiger völlig nutzlos, da dann das Gesellschaftsvermögen zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten nicht mehr ausreicht, die von den Gesellschaftern eingelegten Vermögenswerte also bereits verloren sind und für die Befriedigung der Gläubiger nicht mehr zur Verfügung stehen.52

50 51

Näher dazu sogleich, § 10 II. 1. b) aa). Ähnlich Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361, 1361 f.

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Das nachträgliche Ausfallrisiko aufgrund wirtschaftlicher Verluste wird durch das Stammkapital also, anders als teilweise behauptet, nicht verringert. Es bewirkt nur, dass die Gesellschaft nicht ohne Haftungsmasse in das Geschäftsleben eintritt. Dieser Vermögensgrundstock kann (und wird) jedoch in einer späteren Insolvenz nicht mehr vorhanden sein. Er bewirkt also allenfalls, dass der Eintritt der Insolvenz hinausgezögert wird und deshalb andere Gläubiger davon betroffen sind als in Abwesenheit eines festen Stammkapitals. Eine absolute Garantiefunktion im Sinne eines dauerhaft garantierten Haftungsfonds erfüllt das Stammkapital folglich weder in Theorie noch Praxis.53 Diese kann damit auch nicht als Rechtfertigung eines rigiden Kapitalschutzregimes herhalten. bb) Persönlicher Risikobeitrag der Gesellschafter Auch wenn die Kapitalschutzregeln in ihrer geltenden Form die Gläubiger nicht durch die Erhaltung eines Garantiefonds unmittelbar schützen, gewährleisten sie doch, dass die Gesellschafter einen Teil ihres Privatvermögens in das Gesellschaftsvermögen überführen und bis zur Liquidation wertmäßig dort belassen müssen. Zwar gehen die entsprechenden Aktiva bei der Gesellschaft u. U. durch wirtschaftlichen Misserfolg verloren. Doch auch bei einer natürlichen Person kann wirtschaftlicher Misserfolg zur Zahlungsunfähigkeit führen, dies ist ein „normales“ Risiko jedes Gläubigers unabhängig davon, ob er sich einer natürlichen oder juristischen Person gegenübersieht. Vor allem aber bleibt das passivierte Stammkapital – im Prinzip die offene Forderung der Gesellschafter auf Rückgewähr ihrer Einlagen – bis zur Auflösung der Gesellschaft dauerhaft erhalten. Das Stammkapital bewirkt also bildhaft gesprochen kein dauerhaftes Vermögensplus bei der Gesellschaft, aber ein dauerhaftes Vermögensminus bei den Gesellschaftern. Sie sind gezwungen, einen Teil ihres Privatvermögens als Risikokapital in die Gesellschaft zu investieren und damit einen Teil des unternehmerischen Risikos zu tragen.54 Der entsprechende betragsmäßige Anteil am Gesellschaftsvermögen ist dauerhaft ihrem Zugriff entzogen und den Gesellschaftsgläubigern vorbehalten. Man könnte insoweit von einer „relativen Garan52 Im Fall der Überschuldung reicht schon per definitionem das Gesellschaftsvermögen nicht mehr aus, um auch nur einen Teil des Stammkapitals zu decken, und auch bei Zahlungsunfähigkeit wird dies fast immer so sein, zumal mit der Stellung des Insolvenzantrags regelmäßig eine erhebliche bilanzielle Entwertung des Gesellschaftsvermögens einhergeht, da die Bilanzierung zu Fortführungswerten gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entfällt und stattdessen Zerschlagungswerte angesetzt werden müssen. Vgl. Engert, GmbHR 2007, 337 (338). I. E. ebenso Barta, GmbHR 2005, 657 (659); Engert, ZHR 170 (2006), 296 (301); Kübler, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Capital Markets and Company Law (2003), S. 95 (101); Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (154). 53 Vgl. Seibert, BB 2005, 1061, der die Funktion des Stammkapitals als Haftungsfonds als „verbreitete Fehlvorstellung“ bezeichnet, da es „dann, wenn es von den Gläubigern einmal wirklich gebraucht wird, nicht mehr da ist.“ 54 In diese Richtung auch Adams, S. 35 f.; Marx, S. 72.

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tiefunktion“ 55 des Stammkapitals sprechen: Das Stammkapital garantiert keine Befriedigungsreserve für die Gläubiger, aber doch ihren erstrangigen Zugriff auf vorhandenes Vermögen in Höhe des Risikobeitrags der Gesellschafter.56 Das Stammkapital ist damit ein Instrument, das einen zumindest partiellen Gleichlauf der Interessen zwischen Gesellschaftern und Gläubigern herstellen und dadurch eine Kostenexternalisierung von jenen auf diese verhindern soll.57 Die Gläubiger sind vor allem an einer wirtschaftlich gesunden Gesellschaft als Schuldner interessiert, die in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu bedienen. Die Gesellschafter hingegen sind geneigt, aus der Unternehmung einen möglichst großen Gewinn zu ziehen. Dies könnten sie u. U. dadurch erreichen, dass sie alles vorhandene Gesellschaftsvermögen entnehmen, da sie für die dann offen bleibenden Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht mit ihrem Privatvermögen aufkommen müssten, diese Kosten also auf die Gläubiger externalisieren könnten. Wenn die Gesellschafter nun aber aufgrund der Stammkapitalregeln zwingend mit einem nicht ganz unbedeutenden Teil ihres Privatvermögens an der Gesellschaft beteiligt sind und diese Beteiligung nicht vorzeitig deinvestieren können, sind auch sie daran interessiert, durch eine vernünftige Unternehmenspolitik das Risiko eines Scheiterns möglichst gering zu halten. Denn Verluste der Gesellschaft gehen immer vorrangig zu Lasten der Eigenkapitalgeber und erst danach zu Lasten der Fremdgläubiger. Die Gesellschafter werden also versuchen, den Verlust ihrer Einlagen zu verhindern und möglichst darüber hinaus für das eingelegte Risikokapital Rendite in Form von Gesellschaftsgewinnen zu erwirtschaften. Für die Gesellschaftsgläubiger bietet die dauerhafte, gesetzlich abgesicherte vermögensmäßige Beteiligung der Gesellschafter als Eigenkapitalgeber ihrer Gesellschaft somit eine gewisse Gewähr, dass letztere gleichermaßen an einem dauerhaften Unternehmenserfolg

55 Marx, S. 73, spricht in ähnlichem Zusammenhang von einer „indirekten Insolvenzprophylaxefunktion“: Das Kapitalerhaltungsrecht verhindere Insolvenzen nicht generell, aber doch solche aufgrund von Ausschüttungen an die Gesellschafter. Dem ist inhaltlich zuzustimmen. Die genannte Terminologie verengt m. E. jedoch den Blick zu sehr auf die Vermögenssituation der Gesellschaft und ist deshalb nicht unbedingt hilfreich. Insolvenzprophylaxe bedeutet vor allem Erhaltung von Liquidität in der Gesellschaft. Gerade dies tut das Kapitalerhaltungsrecht nicht. Es sichert nur, worauf Marx, ibid., zutreffend hinweist, den erstrangigen Zugriff der Gesellschaftsgläubiger auf vorhandenes Gesellschaftsvermögen in Höhe der Stammkapitalziffer. Es erhält kein Vermögen in der Gesellschaft, sondern setzt dessen Vorhandensein voraus. Verfügt die Gesellschaft über kein Vermögen, ist das Kapitalerhaltungsrecht wirkungslos. 56 Im französischen Recht ist diese Sichtweise vom Stammkapital als Vermögensgrundstock der Gesellschaft einerseits und Risikobeitrag (Verlustbeteiligung) der Gesellschafter andererseits Allgemeingut, da es dort zu den Wesenselementen der Gesellschaft gehört, dass jeder Gesellschafter das gemeinsame Unternehmen durch eigene Leistungen fördert und einen Teil der Verluste trägt. Vgl. näher oben, § 5 I. 2. a). 57 Ebenso Gloger, S. 45; Klose-Mokroß, S. 180; Krüger, Mindestkapital, S. 230; Roth, ZGR 1986, 371 (378).

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interessiert sind wie sie und deshalb keine übermäßig riskanten, spekulativen Geschäfte tätigen.58 Dieser (zumindest partielle) Interessengleichlauf sichert ein Mindestmaß an Seriosität im Geschäftsgebaren der Gesellschafter, indem er Verhaltensanreize setzt, durch die die Interessen der Gläubiger gewahrt bleiben. Gleichzeitig besteht für letztere eine geringere Notwendigkeit, die Unternehmensleitung von außen zu kontrollieren, so dass die Kontrollkosten der Fremdkapitalgeber sinken.59 Das Stammkapital ist demzufolge prinzipiell geeignet, eine relative Garantiefunktion zugunsten der Gläubiger zu erfüllen, indem es durch die Kapitalerhaltungsregeln einen dauerhaften Risikobeitrag der Gesellschafter garantiert und damit einen Interessengleichlauf zwischen diesen und den Gläubigern herbeiführt. Allerdings muss die Eigenkapitalbeteiligung der Gesellschafter dafür eine gewisse, im Verhältnis zu ihrem Privatvermögen nennenswerte Höhe erreichen. Außerdem nehmen die aus dem Interessengleichlauf resultierenden gläubigerschützenden Verhaltensanreize ab und fallen schließlich ganz weg, wenn im Laufe einer Gesellschaftskrise das Eigenkapital der Gesellschaft nach und nach aufgezehrt wird. Hat der Gesellschafter seine Einlage bereits abgeschrieben, so wird er auch hochriskante Geschäfte unternehmen, um das Unternehmen eventuell zu retten, da das Risiko zu diesem Zeitpunkt nur noch die Gläubiger tragen (gambling for resurrection).60 Deshalb bedarf es neben dem Stammkapital ergänzender Instrumente zum Schutz der Gläubiger in der Krise der Gesellschaft.61 cc) Informationsinstrument Die bisher angeführten Funktionen des Stammkapitals basieren allesamt darauf, dass die Gesellschafter der Gesellschaft reale Vermögenswerte zuführen und belassen müssen. Da die Gesellschafter jedoch – jedenfalls oberhalb der Grenze eines eventuellen gesetzlichen Mindestkapitals – frei bestimmen können, wie hoch dieser Vermögenszufluss ausfällt, muss das Stammkapitalsystem gewährleisten, dass die Gläubiger darüber informiert werden, um die Risiken eines potentiellen Vertragsschlusses besser abschätzen zu können. Deshalb muss die Stammkapitalziffer publiziert werden. Wie weit die Informationsfunktion des Stammkapitals reichen soll und kann, darüber herrscht in der Diskussion im Schrifttum augenscheinlich eine gewisse Unklarheit. Vor allem von Seiten der Kritiker des Stammkapitalsystems wird angeführt, dass die publizierte Stammkapitalziffer den Geschäftsverkehr über die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft und damit über deren wirtschaftliche Situation 58 59 60 61

Vgl. Gloger, S. 45 f.; Roth, ZGR 1993, 170 (177). Vgl. Adams, S. 38. Vgl. zu diesem Problem näher oben, § 2 I. 2. c) bb) (2). So zu Recht auch Gloger, S. 46.

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informieren solle. Dies könne sie jedoch nicht in verlässlicher Weise, da die Kapitalschutzregeln nicht garantierten, dass die Gesellschaft auch tatsächlich aktuell über Aktiva in dieser Höhe verfüge. Deshalb informiere die Publizierung der Stammkapitalziffer die Gläubiger weniger, als dass sie sie in die Irre führe.62 Dem ist nach dem bisher Gesagten zuzustimmen: Wenn das Stammkapital eine dauerhafte Ausstattung der Gesellschaft mit einem Eigenkapitalpolster, als Finanzierungsgrundlage wie als Haftungsfonds für die Gläubiger, nicht garantiert, dann ist sein diesbezüglicher Informationswert ebenfalls gering. Es lässt nur eine punktuelle Aussage über die anfängliche Vermögenssituation der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung zu, nicht jedoch über die aktuelle und absehbare zukünftige Lage. Es erfüllt damit keine Informationsfunktion für die Gläubiger im Hinblick auf die Prognostizierung der Höhe ihres Ausfallrisikos bzw. der Insolvenzwahrscheinlichkeit ihres potentiellen Vertragspartners.63 Von der Funktion der Stammkapitalziffer als Information bezüglich der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (Soliditäts)indiz zu unterscheiden ist seine viel beschworene Wirkung als Seriositätsindiz oder -signal64 (auch als „signaling effect“ bezeichnet).65 Denn selbst wenn das Stammkapital, wie ge62

Vgl. dazu oben, § 4 II. 1. Anders verhält es sich mit dem bilanziellen Eigenkapital. Dieses ist durchaus ein Indikator für die Insolvenzwahrscheinlichkeit und damit eine wichtige Information für Fremdkapitalgeber. Vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 224 f., sowie zur Bedeutung des Stamm- und Eigenkapitals für die Insolvenzwahrscheinlichkeit oben, § 10 II. 1. a). 64 Ähnlich, aber die Begriffe Soliditäts- und Seriositätsindiz anders interpretierend Krüger, Mindestkapital, S. 224 ff. Er definiert die Funktion als Soliditätsindiz einerseits ähnlich wie hier als Indikator der konkreten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (S. 232), will aber andererseits auch den signaling effect bzgl. des Vertrauens der Gesellschafter in ihr eigenes Unternehmen darunter fassen (S. 225). Beides ist jedoch m. E. zu unterscheiden. Die Informationswirkung bzgl. der wirtschaftlichen Situation ist unternehmens- bzw. gesellschaftsbezogen, also eine objektive Aussage bzgl. der wirtschaftlichen Solidität. Der Hinweis auf das Vertrauen in die Erfolgsaussichten des eigenen Unternehmens ist dagegen gesellschafterbezogen, eine subjektive Aussage über ihre eigene Einschätzung der Erfolgsaussichten und damit ihre unternehmerische Seriosität. Denn wer ein zumindest nach eigener Einschätzung Erfolg versprechendes Unternehmen betreibt und sich an dessen Risiko beteiligt, ist in der Regel ein seriöser Unternehmer. Die Funktion des Stammkapitals als so verstandenes Seriositätssignal behandelt Krüger nicht separat, verweist aber auf die Funktion des Mindestkapitals als Seriositätsschwelle. Dies ist aber inkonsistent. Denn das Mindestkapital kann keine vom Stammkapital insgesamt abweichenden, eigenständigen Funktionen haben, sondern jeweils nur die Untergrenze für die Schutzfunktionen des Stammkapitals festlegen. Vgl. näher unten, § 11 I. 1. Nur wenn das Stammkapital eine Funktion als Seriositätsindikator hat, kann das Mindestkapital als seine Untergrenze eine Funktion als Seriositätsschwelle haben. 65 Vgl. etwa Adams, S. 40 f.; Bitter, S. 166; Drygala, ZGR 2006, 587 (599); Eidenmüller, in: FS Heldrich (2005), S. 581 (593); Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435); Engert, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 743 (748); vgl. dazu auch Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 138 (157); Michalski/Fleischer, Syst. 63

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zeigt, keinen nennenswerten Beitrag zur Verringerung der Insolvenzwahrscheinlichkeit leistet und damit insoweit auch keinen prognostischen Informationswert für den Rechtsverkehr aufweist, so zeigt die publizierte Ziffer den potentiellen Geschäftspartnern doch, dass die Gesellschafter selbst einen Teil des unternehmerischen Risikos tragen. Und dieser Risikobeitrag der Gesellschafter garantiert bis zu einem gewissen Grad eine verantwortungsvolle Unternehmensführung66, verringert also zumindest mittelbar das Ausfallrisiko der Gläubiger. Die Stammkapitalziffer signalisiert dem Markt also den Umfang der persönlichen Beteiligung der Gesellschafter am unternehmerischen Risiko und lässt damit einen – wenn auch nur begrenzten – Rückschluss auf deren Einschätzung der Erfolgsaussichten des Unternehmens zu67: Aus einer den gesetzlichen Mindestbetrag übersteigenden Stammkapitalziffer können die Gläubiger schlussfolgern, dass die Gesellschafter als Insider Vertrauen in die Erfolgsaussichten ihres Unternehmens haben, was auch das Gläubigervertrauen und damit die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft stärken kann.68 Entscheidend ist also die Perspektive: Der Informationswert des Stammkapitals folgt nicht daraus, dass es den Rechtsverkehr über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft unterrichtet (denn das tut es nicht), sondern aus der Information über die Höhe des Risikobeitrags der Gesellschafter. Es ist damit ein Signal nicht der Seriosität des Unternehmens an sich, sondern der daran beteiligten Gesellschafter, die mit ihrem persönlichen Vermögenseinsatz die eigene Zuversicht in die Erfolgsaussichten des Unternehmens dokumentieren. Allerdings ist der damit verbundene Informationsnutzen für die Gläubiger offenbar relativ gering69, was sich schon allein daran zeigt, dass die Mehrzahl der Gesellschaften von der Möglichkeit, ein über das gesetzliche Minimum hinausgehendes Stammkapital zu vereinbaren, keinen Gebrauch macht. Wenn der Geschäftsverkehr aus einem höheren Stammkapital tatsächlich maßgebliche positive Rückschlüsse auf die Seriosität und die Erfolgsaussichten des Unternehmens ziehen würde, müsste sich dies auf einem funktionierenden Markt in entsprechend günstigeren Fremdkapitalkonditionen niederschlagen, die wiederum einen ausreichenden Anreiz zur Vereinbarung einer solchen höheren Stammkapitalziffer darDarst. 5 Rn. 62 ff.; sowie aus ökonomischer Perspektive allgemein zum „signaling“ Schredelseker, S. 273. 66 Vgl. Engert, GmbHR 2007, 337 (338). 67 Vgl. Wirsch, GmbHR 2007, 736 (740), der allerdings die psychologische Bedeutung der Stammkapitalziffer für den Rechtsverkehr m. E. überbewertet. 68 Den Aspekt des Stammkapitals als „Investitionszusage der Gesellschafter“ zutreffend begründend, aber als einzigen legitimen Zweck des Stammkapitals überbetonend Barta, GmbHR 2005, 657 (661 f.). Nach seiner ursprünglichen Konzeption soll das Stammkapital auch als Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger fungieren, es erfüllt diese Funktion allerdings nicht (mehr) bzw. nur (noch) unzureichend. 69 Ebenso Krüger, Mindestkapital, S. 225.

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stellen müssten.70 Kreditgeber machen ihre Finanzierungsentscheidung aber von anderen Faktoren als dem Stammkapital abhängig, vor allem dem aktuellen Cash Flow und der absehbaren Marktentwicklung. Außerdem ist auch die Information über die Seriosität der Gesellschafter nur punktueller Natur: Die Stammkapitalziffer sagt aus, dass die Gesellschafter zu irgendeinem Zeitpunkt einen entsprechenden Risikobeitrag geleistet haben. Dessen verhaltenssteuernde Wirkung kann aber aufgrund von Verlusten der Gesellschaft inzwischen weit gehend weggefallen sein. Das Stammkapital ist damit im Wesentlichen eine Seriositätsschwelle nach innen, die die Gesellschafter einmal überschritten haben müssen, und weniger eine Garantie fortdauernder Seriosität nach außen im Sinne eines Seriositätsindizes. Dennoch ist es im Geschäftsverkehr psychologisch von Vorteil, wenn den Gläubigern signalisiert wird, dass und in welcher Höhe die Gesellschafter am unternehmerischen Risiko beteiligt sind.71 Vor allem dann, wenn eine höhere Stammkapitalziffer vereinbart wird als gesetzlich vorgeschrieben, kann von deren Publizierung ein gewisses Seriositätssignal ausgehen, das die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft erhöhen kann. Der Wert der Stammkapitalziffer als Informationsinstrument ist damit gering, aber dennoch vorhanden. Ihre Bedeutung für die Fähigkeit der Gesellschaft, Fremdkapital zu erlangen, dürfte allerdings im Rahmen der Rating-Verfahren nach dem Basel-IIAbkommen eher noch weiter abnehmen.72 2. Allgemeine Argumente gegen einen Systemwechsel Nach dem bisher Gesagten kann das Stammkapital die ihm zugedachten Funktionen teils nur begrenzt, teils gar nicht erfüllen. Daraus folgt jedoch nicht ohne 70 So auch Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (484), der vor allem auf die nur punktuelle Aussagekraft der Stammkapitalziffer hinweist. Schon mit dem ersten Jahresabschluss sei sie als Informationsinstrument veraltet. Anders aber Barta, GmbHR 2005, 657 (660): Die Höhe der Eigenkapitalquote bestimme wesentlich die Fremdkapitalkosten, und dies nach den durch Basel II vorgegebenen Ratings noch stärker als zuvor, so dass auch für GmbH ein großer Anreiz bestehe, eine höhere als die gesetzlich vorgeschriebene Stammkapitalziffer zu wählen. Dies verkennt, dass andere Formen von Eigenkapital, etwa Gewinnrücklagen, sofern sie vorhanden sind, für die Gesellschafter wesentlich günstiger sind als eine Unternehmensfinanzierung durch Einlagen, da sie die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft verbessern, ohne den Gesellschaftern einen persönlichen Risikobeitrag abzuverlangen. Außerdem wird die Argumentation bereits durch die empirischen Untersuchungen zur Stammkapitalausstattung der GmbH in Deutschland wie auch in anderen vergleichbaren Rechtsordnungen widerlegt. Dies konzedierend ohne weitere Erklärung auch Barta, ibid. Zu den entsprechenden Zahlen für Frankreich etwa oben, § 8 I. 3. Vgl. auch die Erhebungen des britischen Department of Trade and Industries, abrufbar unter www.companieshouse.gov.uk, denen zufolge 74% der bestehenden und sogar 85% der neu gegründeten Ltd. ein issued share capital von 100 Pfund oder weniger aufweisen. 71 Vgl. die eingängige Metapher von Wiedemann, dass der Flugpassagier sich sicherer fühlt in der Gewissheit, dass der Pilot im selben Flugzeug sitzt. 72 Vgl. Blöse, GmbHR 2005, 832 (836); Krüger, Mindestkapital, S. 225.

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weiteres, dass dem (nur) durch einen Systemwechsel abgeholfen werden könnte. Ein solcher ist vielmehr nur angezeigt, wenn die angebotenen Alternativsysteme dem Stammkapital eindeutig überlegen sind [a)] und die somit zu erwartenden Effizienzgewinne die Schwierigkeiten und Kosten eines Systemwechsels [b)] übersteigen. a) Vergleich mit den Alternativsystemen Zunächst ist deshalb zu prüfen, ob die möglichen Alternativen zum Stammkapitalsystem so deutliche Vorzüge aufweisen, dass das Stammkapital mit seinen festgestellten Defiziten nicht haltbar erscheint. Hierbei kann es an dieser Stelle nur um einen sehr groben, pauschalen Vergleich gehen, nicht etwa um die Gegenüberstellung einzelner funktionaler Elemente. Denn die Fragestellung lautet, ob ein anderes System in seiner Gesamtschau dem Stammkapital deutlich überlegen ist. aa) Der haftungs- und insolvenzrechtliche Gläubigerschutz Für einen nachgelagerten Gläubigerschutz durch haftungs- und insolvenzrechtliche Instrumente scheint zunächst zu sprechen, dass diese die Gesellschafter bei der Gründung und während der Lebensdauer der Gesellschaft nicht unmittelbar belasten, während das Stammkapitalregime ihnen eine anfängliche Vermögensaufbringungspflicht auferlegt und den späteren Zugriff auf dieses Vermögen einschränkt. Insoweit erscheint das Stammkapital tatsächlich als Bürde und Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter, die zudem überflüssig ist, da andere Rechtsordnungen auch darauf verzichten können, ohne dass die Kapitalgesellschaften dort an Attraktivität verlören. Gerade unter Verweis auf die angelsächsischen Systeme und die Verbreitung der Ltd. in Deutschland wird angemerkt, dass Kapitalgesellschaftsformen ohne gesetzliches Nennkapital sogar attraktiver seien, da die Kosten und der Kontrollaufwand des präventiven Kapitalschutzes nicht anfielen und somit die Gründung billiger und schneller erfolgen könne, die Aufnahme von Kapital und die Ausschüttung nicht benötigter Mittel vereinfacht werde und insgesamt die mit dem Finanzmanagement verbundenen Transaktionskosten verringert würden.73 Eine aus dem Verzicht auf ein Stammkapital resultierende systematische Benachteiligung von Gläubigern und Anlegern, wie sie in Kontinentaleuropa befürchtet wird, sei im angelsächsischen Raum auch nicht zu beobachten, und für einzelne Missbräuche habe die Rechtspraxis adäquate Abhilfen entwickelt.74 Hinzu kommt als praktischer Gesichtspunkt, dass ein maßgeblich im Gesellschaftsrecht angesiedelter Gläubigerschutz wegen der kollisionsrechtlichen An73 74

Vgl. Kübler, AG 1998, 345. Vgl. Kübler, AG 1998, 345.

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knüpfung an das Gründungsstatut gegenüber Auslandsgesellschaften nicht zum Tragen kommt, anders als das Delikts- oder Insolvenzrecht. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass das stammkapitalbasierte kontinentaleuropäische Gläubigerschutzregime in vielerlei Hinsicht liberaler ist als das angelsächsische Modell und insofern weder die Gesellschafter übermäßig belastet noch insgesamt einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Auslandsgesellschaften darstellt.75 Es legt nämlich nur um das Stammkapital einen strengen Schutzkordon aus, räumt den Gesellschaftern aber im übrigen sehr weit gehende Freiheiten ein, während es gleichzeitig persönliche Haftungssanktionen nur in eng begrenztem Rahmen zulässt.76 In England und den USA sind die Gesellschafter zwar nicht verpflichtet, einen nennenswerten Kapitalbetrag von Anfang an für die Gesellschaft aufzubringen und in ihr zu belassen. Dafür werden ihnen aber strengere Formal- und Publizitätsvorschriften auferlegt, und außerdem werden sie aufgrund weiter gefasster Haftungstatbestände mit einem höheren, u. U. schwer kalkulierbaren Haftungsrisiko konfrontiert.77 Das Stammkapital ist also ein Instrument, das die Gesellschafter zwar bis zu einer bestimmten vermögensmäßigen Schwelle belastet, darüber hinaus aber stark entlastet. Beispielhaft lässt sich dies an der Funktion des Stammkapitals als Ausschüttungssperre verdeutlichen. Jede Rechtsordnung, die haftungsbeschränkte Gesellschaftsformen zulässt, muss verhindern, dass die Gesellschafter ihre Gesellschaft zu Lasten von deren Gläubigern „ausplündern“, muss also Ausschüttungssperren festlegen. Die hierfür entwickelten Modelle reichen von einer strengen Beschränkung zulässiger Ausschüttungen auf den Gewinn, teilweise noch flankiert durch den Zwang zur Einhaltung bestimmter Bilanzrelationen 78, über Solvenztests bis hin zur für die GmbH geltenden, rein stammkapitalbasierten Ausschüttungssperre.79 Letztere gehört wohl zu den liberalsten Lösungen.80 Denn eine solche 75 Erneut sei darauf hingewiesen, dass es hier nicht um einen Vergleich des Stammkapitalsystems in seiner konkreten deutschen oder sonstigen Ausgestaltung mit den Alternativmodellen geht. Darauf wird unten, § 11, im Rahmen der Bewertung der einzelnen Bestandteile des geltenden Regimes, eingegangen. Dort wird sich zeigen, dass die geltenden Regelungen in den untersuchten Rechtsordnungen durchaus im Detail alternativen Instrumenten unterlegen sein können. An dieser Stelle geht es jedoch um das Grundprinzip des festen Nennkapitals. 76 So i. E. auch Goette, NZG 13/2007, VI. 77 Auf die mit weit gefassten Haftungstatbeständen wie dem englischen wrongful trading verbundenen Rechtsunsicherheiten als Nachteil eines allein darauf basierenden Gläubigerschutzes verweisen auch Goette, in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich (2005), S. 149 (153 f.); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (19). 78 So etwa das kalifornische Recht, das u. a. eine Mindesteigenkapitalquote von 20% vorschreibt. Vgl. dazu Pellens/Brandt/Richard, DB 2006, 2021 (2024). 79 Frankreich und Spanien sind insoweit strenger, vgl. oben, § 5 I. 2. d) bzw. § 6 I. 2. d). 80 Das Gesellschaftsrecht von Delaware ist allerdings insoweit teilweise noch liberaler, als es zwar nur die Ausschüttung des Jahresüberschusses zulässt, dies aber auch in

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Ausschüttungssperre nimmt keine Rücksicht auf die aktuelle wirtschaftliche Situation der Gesellschaft und erlaubt sämtliche Vermögensentnahmen bis zur (zumeist im Vergleich zum Geschäftsumfang sehr geringen) Grenze des ursprünglich von den Gesellschaftern erbrachten eigenen Vermögenseinsatzes. Hinzu kommt, dass bei einem präventiven Kapitalschutzregime zwar Compliance-Kosten anfallen81, dass aber auch das Modell des postventiven, einzelfallbezogenen Gläubigerschutzes Kosten verursacht.82 Zu nennen sind insbesondere die Kosten für die Rechtsberatung, die gerichtliche Durchsetzung der Haftungsansprüche und die notwendige Kompensation der Haftungsrisiken für die Geschäftsführer durch erhöhte Vergütungen oder D&O-Versicherungen.83 Diese Kosten fallen erst nachträglich an, wenn in der Gesellschaftsinsolvenz Streit über den Risikobeitrag der Gesellschafter oder ein eventuelles Fehlverhalten der Geschäftsführer entsteht und entsprechende Haftungsansprüche gerichtlich durchgesetzt und vollstreckt werden sollen. Sie sind deshalb weniger augenfällig bzw. beeinflussen die Gesellschaftsgründer weniger in ihrer Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Gesellschaftsform; ob sie aber im Ergebnis höher oder niedriger sind als die Kosten des kontinentaleuropäischen Gläubigerschutzmodells, lässt sich in Ermangelung entsprechender empirischer Daten nicht seriös beurteilen.84 Zumeist wird davon ausgegangen, dass Verhaltensstandards gegenüber festen Regeln zwar den Vorzug größerer Flexibilität aufweisen, aber die Kosten der Anwendung und Durchsetzung höher ausfallen.85 Eine Abschaffung des Stammkapitals bedeutet insoweit also nicht unbedingt eine Erleichterung oder Kostenersparnis für die Gesellschafter. Diese werden zwar durch das Kapitalaufbringungs- und -erhaltungssystem belastet, aber gleichzeitig sind sie in ihrer Dispositionsfreiheit bzgl. des Gesellschaftsvermögens – außerhalb der Grenzen der Existenzvernichtung – wesentlich weniger stark eingeschränkt als nach den anderen Modellen, und eine nachträgliche persönliche Haftung müssen sie nur in engen Grenzen befürchten. Das Kapitalschutzsystem ist damit im Grunde, abgesehen von einigen Auswüchsen und Schwachstellen, die reformiert werden müssen, ein leicht einzuhaltender „sicherer Hafen“, innerhalb dessen die Gesellschafter größtenteils nach ihrem Gutdünken verfahren können, ohne Haftungsfolgen gewärtigen zu müssen. Dies entspricht der kontinentaleiner Situation der Überschuldung (sog. „nimble dividends“), vgl. Engert, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 743 (769 ff.). 81 Zu diesen Kosten im Einzelnen Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (721 f.). 82 Darauf verweisen auch Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (727); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (19); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20). 83 Vgl. Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (19). 84 Vgl. Lutter, GmbHR 2007, R 97. 85 Vgl. Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 71 (83); sowie allgemein zum Verhältnis von rules und standards Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (697 f.).

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europäischen Rechtstradition, die feste, klare Regeln einem flexiblen Modell der Bewertung von Fall zu Fall prinzipiell vorzieht.86 Aus Gesellschaftersicht lässt sich also wohl eine systemimmanente Reform zur Beseitigung einzelner festgestellter Missstände, kaum aber eine Abschaffung des Stammkapitalsystems zugunsten eines haftungs- und insolvenzrechtlichen Modells befürworten.87 Eine solche könnte allenfalls im Hinblick auf den Gläubigerschutz geboten sein. Dass das Stammkapital als Gläubigerschutzinstrument nicht jede der ihm beigemessenen Funktionen gleich effektiv ausfüllt, wurde bereits festgestellt.88 Es kann damit für sich allein genommen kein ausreichendes Schutzniveau sicherstellen. Als Gewährleistung eines zumindest partiellen Interessengleichlaufs zwischen Gesellschaftern und Gläubigern kann es jedoch eine wichtige Rolle in einem durch andere Instrumente ergänzten Gesamtsystem spielen. Es setzt dadurch nämlich wünschenswerte Verhaltensanreize, die prinzipiell effektiver wirken als die nachgelagerte Sanktionierung von Fehlverhalten.89 Verbleibende Schutzlücken – vor allem aufgrund des erhöhten Gläubigerrisikos in der Krise der Gesellschaft, wenn das Stammkapital keinen Interessengleichlauf mehr bewirken kann – lassen sich durch zusätzliche, problemspezifische haftungs- und insolvenzrechtliche Instrumente schließen.90 Somit lässt sich festhalten, dass das Stammkapitalsystem an sich aus Gesellschaftersicht einige Vorteile gegenüber einem ex-post-Gläubigerschutzsystem aufweist und dass gleichzeitig die Defizite beim Gläubigerschutz durch eine Kombination aus Stammkapital und ergänzenden Regelungen ausgeglichen werden können. Ein vornehmlich auf Haftungstatbeständen basierender Gläubigerschutz, der auf das Stammkapital und damit auf die durch den partiellen Interessengleichlauf gesetzten Verhaltensanreize verzichtet, muss Missbräuche anderweitig bekämpfen. Hierzu muss entweder ein ständig zu erweiternder, kasuistischer Katalog von Haftungstatbeständen geschaffen werden, dem die Umgehungsstrategien des Geschäftsverkehrs stets einen Schritt voraus sind, oder es muss eine haftungsrechtliche Generalklausel eingeführt werden, die wiederum durch die Gerichte auszufüllen ist und damit zu Rechtsunsicherheit führt.91 Damit erweist sich das Stammkapitalsystem im Ergebnis dem haftungs- und insolvenzrechtlichen Schutzmodell wenn nicht überlegen, so doch zumindest auch nicht deutlich unterlegen. Daran ändert auch das Argument nichts, ein System zwingender gesetzlicher Schutzregeln verursache hohe Compliance-Kosten. Denn 86 Vgl. Hertig/Kraakman/Rock in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 193 (208). 87 Zur angeblichen höheren Attraktivität der Ltd. für Gesellschaftsgründer, die diesen Befund widerlegen könnte, vgl. unten, § 3 III. 1. 88 Siehe oben, § 10 II. 1. 89 Ähnlich Gloger, S. 45. 90 I. E. ähnlich Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (18). 91 Vgl. Schärtl, Doppelfunktion, S. 164.

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auch ein Modell nachgelagerter Haftungssanktionen verursacht Kosten für die gerichtliche Durchsetzung und Vollstreckung der Ansprüche. Es vermeidet die Kosten des präventiven Kapitalschutzes also nicht etwa, sondern verlagert sie nur in die Insolvenz92, und ist zudem mit Rechtsunsicherheiten verbunden. bb) Das Pflichtversicherungsmodell Als gläubigerschützende Kompensation für eine Abschaffung des Stammkapitals wird auch eine Pflichtversicherung der Gesellschafter für die Gläubigerausfälle in der Insolvenz angedacht. Diese Lösung ist jedoch dem Stammkapital unterlegen. Während dieses nämlich bewirkt, dass das unternehmerische Risiko zwischen Gesellschaftern und Gläubigern aufgeteilt wird, führt eine Insolvenzversicherung dazu, dass die Gläubiger gar kein Risiko mehr tragen. Dadurch fällt für sie auch der Anreiz weg, sich individuell abzusichern und die Geschäftspolitik ihres Schuldners zu überwachen. Dieses sog. „Monitoring“, insbesondere durch große Fremdkapitalgeber wie etwa Banken, ist jedoch in der Praxis ein wichtiges Kontrollinstrument zur Sicherung verantwortungsvoller Unternehmensführung.93 Entfällt diese externe Kontrolle und gleichzeitig auch die persönliche Haftung der Gesellschafter, haben diese genausowenig wie die Gläubiger ein besonderes Interesse daran, die Geschäftsrisiken in einem vernünftigen Rahmen zu halten. Denn diese Risiken trägt letztlich der Versicherer.94 Dieser wiederum würde in Anbetracht solcher Verhaltensanreize sowie der generellen Schwierigkeiten, das Unternehmensrisiko ex ante angemessen abzuschätzen95, hohe Risikoprämien fordern, die gerade auch seriöse Kleinunternehmen übermäßig belasten würden.96 Eine generelle Pflichtversicherung aller Gläubigerrisiken als Ersatz für 92

Vgl. Lutter, GmbHR 2007, R 97. Vgl. Schärtl, Doppelfunktion, S. 171. 94 Vgl. Gloger, S. 43. 95 Vgl. zu diesem praktischen Einwand die Nachw. aus dem US-amerikanischen Schrifttum bei Krüger, Mindestkapital, S. 286 mit Fn. 2081. 96 So auch Gloger, S. 43, unter Verweis auf Adams, S. 81. Anders Krüger, Mindestkapital, S. 286 f., der das Problem der Risikoexternalisierung und des moral hazard gerade durch die Möglichkeit einer entsprechenden Anhebung der Prämien gebannt sieht. Dass dadurch besonders Unternehmensgründer belastet werden, hält er für tragbar, da es sich um kalkulierbare Anlaufkosten handele. Letzteres ist jedoch kein Argument, denn allein aus der Vorhersehbarkeit der Belastung folgt nicht, dass diese deshalb kein Gründungshemmnis darstellen würde. Und erhöhte Prämien bei einer generellen Pflichtversicherung können opportunistisches Verhalten keineswegs ausschließen, sondern nur für die Versicherung einen finanziellen Ausgleich dafür schaffen. Damit werden aber gerade die seriösen Unternehmer schlechter gestellt, da die Versicherungsunternehmen bei der Prämienkalkulation nicht das Risiko opportunistischen Verhaltens und die persönliche Seriosität des versicherten Unternehmers im Einzelfall abschätzen können. Krüger selbst relativiert seine Befürwortung des Pflichtversicherungsmodells deshalb 93

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das Stammkapitalsystem ist damit abzulehnen.97 In Betracht kommt allenfalls eine ergänzende Versicherungspflicht, beschränkt auf bestimmte Gläubiger (vor allem Deliktsgläubiger) und spezifische Haftungsrisiken.98 In Anbetracht der Schwierigkeiten, die Eingrenzungen sachgerecht und rechtssicher handhabbar vorzunehmen, erscheint aber auch eine solche Lösung zumindest bei dem momentanen Stand der Diskussion nicht unbedingt sinnvoll. cc) Die Garantiesummenmodelle Als weiteres alternatives Instrument, das die Gläubigerschutzlücken des Stammkapitals schließen soll, wird in verschiedener Ausprägung vorgeschlagen, dass die Gesellschafter wie bisher einen vermögenswerten Risikobeitrag leisten müssen, dies jedoch erst in der Insolvenz der Gesellschaft. Diese Vorschläge haben gemein, dass die Gesellschafter bereits bei der Gründung eine publizierte Haftungsgarantie abgeben, die jedoch erst nachträglich in der Höhe der Unterdeckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten und absolut begrenzt durch den Umfang der ursprünglichen Zusage fällig wird. Sie lassen sich deshalb unter dem Oberbegriff „Garantiesummenmodelle“ 99 zusammenfassen. Zumeist sind sie als Ergänzung zum Stammkapital bzw. als Ausgleich für die Abschaffung des gesetzlichen Mindestkapitals gedacht100, teils aber auch als neues Modell anstelle des Stammkapitals101. Bei der Frage nach der Abschaffung des Stammkapitals ist eigentlich nur auf letzteres einzugehen, allerdings sind einige der folgenden Argumente auch auf die Garantiesummenmodelle übertragbar, die das Stammkapital beibehalten wollen. Der Vorteil einer solchen Garantiesumme liegt darin, dass sämtliche Kapitalschutzregeln einschließlich des Kapitalersatzrechts fortan überflüssig wären.102 dergestalt, dass er es auf „Tätigkeitsbereiche, in denen nicht mehr tolerierbare Risiken entstehen“, und auf Deliktsgläubiger beschränken will. 97 I. E. ebenso Adams, S. 59 f.; Gloger, S. 43; Schärtl, Doppelfunktion, S. 171; Vetter, ZGR 2005, 788 (799); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (19 f.); sowie das Votum des 66. Deutschen Juristentages, Beschluss I.5, abgedruckt in Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 141, in dem die Einführung einer Insolvenzkosten-Pflichtversicherung mit 90:66 Stimmen bei 23 Enthaltungen abgelehnt wurde. 98 In diese Richtung etwa Adams, S. 59 f.; Gloger, S. 43; Krüger, Mindestkapital, S. 286 f.; Schärtl, Doppelfunktion, S. 171. 99 Die Bezeichnung „Garantiekapitalmodelle“ wäre missverständlich, da der Begriff „Garantiekapital“ bereits als Synonym des Stamm- (GmbH) bzw. Grundkapitals (AG) belegt ist, vgl. Klose-Mokroß, S. 59; Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1, S. 556 f. 100 Vgl. etwa den deutschen Vorschlag eines „Insolvenzeröffnungskapitals“, § 7 II. 1. e), oder die französischen Vorschläge einer Gesellschaftergarantiehaftung bzw. eines „capital d’engagement“, § 8 II. 4. und 5. 101 Vgl. den Vorschlag eines Soll-Eigenkapitals, § 7 II. 7. c). 102 Dies gilt auch dann, wenn das Stammkapital neben der Garantiesumme erhalten bleiben soll. Denn dann erfüllt ersteres keine unmittelbare Gläubigerschutzfunktion

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Das Stammkapital fällt gänzlich weg bzw. wird auf seine Finanzierungsfunktion reduziert, den Gläubigerschutz übernimmt die Garantiesumme, die nicht im Vorhinein aufgebracht werden muss. Damit wäre auch dem Problem, dass das Stammkapital in der Insolvenz regelmäßig aufgezehrt ist und deshalb nicht als Haftungsfonds für die Gläubiger taugt, wirksam begegnet, da die Gesellschafter erst in der Insolvenz leisten müssen. Die Garantiesumme stellt damit eine effektive, transparente Sicherheit für die Gläubiger dar. Der Umstand, dass die Garantiesumme, anders als das Stammkapital, nicht in der Bilanz ausgewiesen wird und damit nicht an der Rechnungslegungspublizität teilnimmt, ist unproblematisch, da einerseits die Garantiesumme anderweitig publiziert werden kann und andererseits auch der Informationswert der Stammkapitalziffer gering ist. Gegen dieses Modell wird eingewandt, dass es zu Schwierigkeiten bei der dogmatischen Begründung und der betragsmäßigen Bezifferung der Haftung bei einem Gesellschafterwechsel komme.103 Diese sollen daher rühren, dass der neue Gesellschafter eventuell weniger solvent ist als der alte. Den Gesellschaftsgläubigern könne deshalb ein Wechsel des Schuldners der Kapitaldeckungspflicht nach den Wertungen der §§ 414 ff. BGB nicht ohne ihre Zustimmung zugemutet werden. Diese Argumentation lässt aber außer Acht, dass Gläubiger der Einstandspflicht der Gesellschafter in der Insolvenz die Gesellschaft ist, nicht deren Gläubiger. Letztere müssen einen Gesellschafterwechsel auch de lege lata hinnehmen, selbst wenn die Einlagepflicht noch nicht vollständig beglichen wurde. Sie werden insoweit durch die Nachhaftung des Altgesellschafters geschützt. Die Wertungen der §§ 414 ff. BGB greifen also in diesem Fall nicht ein. Ebenso wenig stichhaltig erscheinen Bedenken, die Garantiesummenmodelle verschärften die aufgrund der Haftungsbeschränkung bestehenden PrinzipalAgenten-Probleme durch ungünstige Anreizwirkungen: Die Einstandspflicht der Gesellschafter realisiere sich erst in der Insolvenz, so dass die Gesellschafter in der vorgelagerten Krise zum „gambling for resurrection“ neigen würden, um der Insolvenz zu entgehen.104 Nach geltendem Recht stellt sich aber ein ähnliches Problem. Ist die Gesellschaft in die Krise geraten, ist das Stammkapital zumeist in erheblichem Umfang oder völlig aufgezehrt, die Gesellschafter haben ihre mehr, sondern ist auf seine Finanzierungsfunktion reduziert. Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (380), der allerdings zu Recht darauf hinweist, dass anstelle der Kapitalerhaltungsregeln anderweitige Ausschüttungssperren eingeführt werden müssten. Er hält ein Verbot überschuldungsbegründender oder -verschärfender Ausschüttungen für ausreichend, da im übrigen die Gesellschafter selbstständig von übermäßigen Entnahmen abgehalten würden, um die Kreditwürdigkeit ihrer Gesellschaft zu erhalten. Letzteres erscheint jedoch angesichts der Insolvenzstatistiken und der international üblichen Regelungsmuster zu einer im Vergleich zu den §§ 30, 31 GmbHG strengeren Ausschüttungsbegrenzung mehr als zweifelhaft. 103 Vgl. Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (195); Schärtl, Doppelfunktion, S. 175. 104 Vgl. Schärtl, Doppelfunktion, S. 176.

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Einlagen also abgeschrieben. Der Anreiz zu verantwortungsvoller Unternehmensführung, der von dem persönlichen Vermögensbeitrag der Gesellschafter ausgeht, ist damit bereits auf ein Minimum reduziert. Die Gesellschafter haben bei einer weiteren Verschlechterung der Lage nichts mehr zu verlieren, bei einer Besserung aber etwas zu gewinnen. Nach den Garantiesummenmodellen hingegen müssen sie in der Insolvenz für den festgelegten Betrag einstehen. Es besteht damit ein Anreiz, die Insolvenz zu einem Zeitpunkt einzuleiten, wo die Gesellschaft noch über einen gewissen Rest an Eigenkapital verfügt.105 Ist die Krise jedoch bereits so weit fortgeschritten, dass keinerlei Eigenkapital mehr verbleibt und damit die Einstandspflicht in voller Höhe droht, so besteht kein qualitativ anderer Verhaltensanreiz zu opportunistischem Verhalten als bei einer Gesellschaft nach geltendem Recht, deren Eigenkapital aufgezehrt ist. Ob dieser Anreiz quantitativ stärker ist, weil eine Einstandspflicht droht und nicht nur mögliche Gewinne bei einer erfolgreichen Sanierung winken, ist nicht allgemeingültig feststellbar, da dies von der individuellen Risikoneigung der Betroffenen abhängt. Der vermeintlich größte Vorzug der Garantiesumme, das Hinausschieben der Einzahlungspflicht der Gesellschafter in das Insolvenzverfahren, ist jedoch für die Gläubiger nicht nur ein Segen. Er bedeutet nämlich gleichzeitig, dass der Gesellschaft zunächst kein Kapitalpolster zur Verfügung gestellt wird und die Gläubiger insoweit stärker als unter dem geltenden System dem Risiko ausgesetzt sind, dass ihre Forderungen aufgrund einer Insolvenz von Gesellschaft und Gesellschaftern vollständig unbefriedigt bleiben.106 Die Gläubiger werden also mit einem zusätzlichen Insolvenzrisiko, dem der Gesellschafter, belastet107, während nach dem geltenden System die Gesellschafter in „Vorleistung“ treten müssen.108 105 So auch Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365). Es besteht also eher ein umgekehrtes Anreizproblem: Da sich nach dem Garantiesummenmodell die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter um den Betrag des dann eventuell noch vorhandenen Resteigenkapitals reduziert, lohnt es sich für sie ggf., die Insolvenz zum frühestmöglichen Zeitpunkt einzuleiten. Dadurch könnte es bei risikoscheuen Gesellschaftern zu einem Insolvenzantrag kommen, obwohl das Unternehmen noch sanierungsfähig wäre. 106 Selbstverständlich besteht auch die Gefahr, dass die Gesellschafter in Abwesenheit einer anfänglichen Einzahlungspflicht ihre Gesellschaft nicht mit dem erforderlichen Kapital zur Geschäftsaufnahme ausstatten, so dass es deswegen zur Gesellschaftsinsolvenz kommt. Darauf weist Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1800 mit Fn. 43), zu Recht hin. Dies ist allerdings kein spezifischer Nachteil der Garantiesummenmodelle, sondern betrifft allgemein die Frage der Sinnhaftigkeit einer anfänglichen Mindesteinlagepflicht aufgrund der Finanzierungsfunktion des Stammkapitals. Dazu unten, § 11 II. 3. g) aa). 107 Vgl. Schärtl, Doppelfunktion, S. 174. Dies konzediert auch Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (380). 108 Zwar ist Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361 (1365), zuzustimmen, der darauf hinweist, dass ein wenig vermögender Gesellschafter als Schuldner immer noch besser sei als eine völlig vermögenslose Gesellschaft. Allerdings kann ein solcher Gesellschaf-

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Auch zunächst offen gebliebene Einlageforderungen sind höherwertig als die zukünftige Einstandspflicht aus der Garantiesumme, da das Gesetz für sie verschiedene Absicherungen vorsieht, die ihre Erfüllung weitestmöglich gewährleisten.109 Unter den Garantiesummenmodellen besteht deshalb die Gefahr, dass Fremdkapitalgeber dieses zusätzliche Risiko durch vermehrte persönliche Sicherheiten der Gesellschafter oder höhere Risikoprämien auszugleichen suchen.110 Eine Idee zur Abhilfe besteht in einer Verpflichtung der Gesellschafter zu Sicherheitsleistungen auf ihre im Insolvenzfall entstehende Kapitaldeckungspflicht, wie sie in ähnlicher Form bereits im geltenden § 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG hinsichtlich der Einlagepflichten vorgesehen ist. Diese Verpflichtung könne entsprechend § 49 Abs. 3 GmbHG dann entstehen, wenn das bilanzielle Eigenkapital auf die Hälfte des satzungsmäßigen Soll-Betrags herabgesunken ist.111 Eine solche Sicherheitsleistung konterkariert jedoch bis zu einem gewissen Grad die genannten Vorzüge der Garantiesumme. Denn sie bedeutet, dass die Gesellschafter doch vorab leisten müssen, wenn auch nicht bereits bei Gründung der Gesellschaft. Außerdem ist die Sicherheitsleistung gebundenes Kapital, das weder der Gesellschafter noch die Gesellschaft sinnvoll einsetzen können.112

ter nach geltendem Recht gar keine GmbH gründen, da er die Mindesteinlage nicht aufbringen kann. Somit kann es zu keiner Gläubigerschädigung kommen. Nach dem Garantiesummenmodell kann er aber die Gründung vornehmen, und in der Insolvenz steht den Gläubigern dann weder nennenswertes Gesellschaftsvermögen noch Privatvermögen des Gesellschafters zur Verfügung. 109 Es sind dies die Haftung der Rechtsvorgänger gemäß § 22 GmbHG, die Versteigerung des Geschäftsanteils gemäß § 23 GmbHG und schließlich die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gemäß § 24 GmbHG. Solche Absicherungen ließen sich aber theoretisch auch für die Forderungen aus der Garantiesumme einführen. 110 Vgl. Schärtl, Doppelfunktion, S. 175. Inwieweit dies in der Praxis tatsächlich geschehen würde, ist allerdings kaum vorhersagbar. Denn die Grundlage der Kreditentscheidung eines Dritten ist immer das momentane Vermögen der Gesellschaft sowie ihre aktuelle und absehbare zukünftige wirtschaftliche Situation. Ob das Gesellschaftsvermögen aus geleisteten Einlagen der Gesellschafter besteht oder anderweitig erwirtschaftet wurde, ist irrelevant. Das Stammkapital spielt nach Leistung der Einlagen für die Vermögensbeurteilung also grundsätzlich keine Rolle und führt nicht zu einer Verbesserung der Kreditwürdigkeit gegenüber Gesellschaften mit ähnlichen wirtschaftlichen Eckdaten aber ohne Stammkapital. Die Garantiesumme hingegen ist eine zusätzliche – wenn auch schwierig zu bewertende – Sicherheit, eine Art Gesellschafterbürgschaft. 111 Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377, (380). 112 Diese Bedenken gelten umso mehr für die Idee, dass die Gesellschafter die gesamte Garantiesumme schon bei der Gründung aufbringen und hinterlegen müssen. Dies erwägend etwa Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, 915 (929). Dies führt zum Wegfall fast aller Vorteile dieses Modells und zu zusätzlichen Belastungen. Denn die Gesellschafter müssten vorab doppelt leisten, und ein Teil dieses Kapitals würde nutzlos gebunden. Eine anfängliche Aufbringungspflicht würde damit, entgegen der Zielsetzung der Garantiesumme, die Gründungshürden erhöhen und zu einer weiteren Verkomplizierung der Finanzverfassung der GmbH führen.

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4. Teil: Bewertung

Während also der Umstand, dass nach den Garantiesummenmodellen die Gesellschafter nicht vorab leisten müssen, sowohl Vor- als auch Nachteile zeitigt, stellt sich weiterhin die Frage, ob sie freiwillig vorab leisten dürfen, ob sie sich also durch Leistungen in das Gesellschaftsvermögen vor der Insolvenz von ihrer späteren Einstandspflicht ganz oder teilweise befreien können. Nach dem bisherigen Modell werden sie gesetzlich zur Vorleistung verpflichtet, befreien sich dadurch aber auch (weit gehend) vom Risiko einer persönlichen Haftung in der Insolvenz. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn der Gesellschafter momentan verfügbare Liquidität gewinnbringend einsetzen will, sei es zur Unternehmensgründung, zur Finanzierung eines bestehenden Unternehmens oder zu einem Beteiligungserwerb als Kapitalanlage. Ob diese Liquidität bei einer später eingreifenden Einstandspflicht noch vorhanden sein wird, kann der Gesellschafter nicht absehen. Er hat deshalb ein Interesse an einem sicheren Hafen: Wenn er die Einlage ordnungsgemäß geleistet hat, will er später nicht mehr haften.113 Würde man aber im Rahmen der Garantiesumme solche Vorableistungen mit befreiender Wirkung zulassen, dann wären die Vorteile gegenüber dem Stammkapital dahin: Die werthaltige Erbringung der Leistung müsste kontrolliert werden, und das Geleistete könnte als Betriebskapital verwendet werden, stünde den Gläubigern in der Insolvenz also nicht zur Verfügung. Konsequenterweise können die Garantiesummenmodelle befreiende Vorableistungen deshalb nicht gestatten.114 Damit führen sie aber regelmäßig zu einer Doppelbelastung der Gesellschafter: Diese müssen die Gesellschaft anfänglich (und ggf. später erneut) aus eigener Tasche mit dem benötigten Betriebskapital ausstatten, auch ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein, denn anders ist eine Geschäftsaufnahme unmöglich. In der späteren Insolvenz werden diese früheren Leistungen aber nicht berücksichtigt, so dass die Gesellschafter ihren Anteil an der Garantiesumme vollständig aufbringen müssen.115 Die Beseitigung der Einlagepflicht ist also ein zweischneidiges Schwert, denn sie beseitigt auch das Recht zur haftungsbefreienden Einlageleistung. Sie ersetzt damit die Gründungshürde der anfänglichen Leistungspflicht durch eine doppelte Inanspruchnahme für dasselbe Risiko, was wohl eine noch stärkere abschreckende Wirkung auf rational

113 Vgl. Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (195); Schärtl, Doppelfunktion, S. 174. 114 So i. E. auch Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (195). Der französische Vorschlag des „capital d’engagement“ will den Einlageleistungen auf das Stammkapital allerdings befreiende Wirkung hinsichtlich der nachträglichen Einstandspflicht beimessen, so dass diese den Gläubigern nur insoweit nützt, wie das Haftungskapital das (vorab aufzubringende) Stammkapital übersteigt. Im umgekehrten Fall einer höheren Stammkapitalziffer würden die Gläubiger nach diesem Modell sogar schlechter stehen als bisher, da sie bzgl. der Differenz zwischen Haftungs- und Stammkapital in der Insolvenz wie Drittgläubiger behandelt werden sollen. Vgl. oben, § 8 II. 5. 115 Dies kritisiert auch Schärtl, Doppelfunktion, S. 176.

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kalkulierende Gründer haben dürfte.116 Nach alldem bringen die Garantiesummenmodelle einige Vorzüge, gleichzeitig aber auch Nachteile und Unklarheiten mit sich. Sie sind deshalb jedenfalls nicht geeignet, das Stammkapital vollständig zu ersetzen. b) Kosten eines Systemwechsels Zu der bisher in der Diskussion nicht überzeugend beantworteten Frage nach einem Alternativsystem, das dem Stammkapital insgesamt deutlich überlegen ist, kommen die Schwierigkeiten und Kosten hinzu, die ein vollständiger Systemwechsel mit sich bringt. Das feste Nennkapital blickt auf eine 150jährige Tradition auf dem europäischen Kontinent zurück und ist so fest in Rechtsordnung und -bewusstsein etabliert, dass seine Aufgabe beträchtliche Folgewirkungen zeitigen würde.117 Da eine kompensationslose Abschaffung nicht in Betracht kommt118, müsste ein umfassendes neues System von Ausschüttungssperren und sonstigen Gläubigerschutzmaßnahmen eingeführt werden. Dies würde nicht nur einen erheblichen Regelungsaufwand, sondern auch eine Umstellung des Rechts- und Geschäftsverkehrs von einem vertrauten und bewährten auf ein völlig unbekanntes Rechtsregime erfordern, was Kosten und Rechtsunsicherheit in erheblichem Maße zur Folge hätte. Diese mit dem Stichwort der „Pfadabhängigkeit“ 119 rechtlicher Ordnungen bezeichneten Umstellungsschwierigkeiten und -kosten gilt es zu bedenken, wenn einem radikalen Systemwechsel das Wort geredet wird.120 Um sie aufzuwiegen, müsste das neue System einen erheblichen Effizienzgewinn versprechen, zumal der Systemwechsel nicht nur das Gesellschaftsrecht betreffen, sondern auch grundlegende Modifikationen in anderen Rechtsgebieten, insbesondere dem Insolvenzrecht, induzieren würde.121 116

So auch Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (195). So auch Lutter, GmbHR 2007, R 97; Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 86. 118 Vgl. dazu bereits oben, § 10 I. 119 Das Stichwort der „Pfadabhängigkeit“, im englischsprachigen Schrifttum als „path dependency/dependence“ bekannt, spielt auf das Bild vom Indianerpfad an, der – ursprünglich sinnvollerweise – in einem großen Bogen um die Bärenhöhle verläuft. Später wird aus diesem Pfad ein Weg, dann eine Straße. Sie verläuft immer noch im Bogen, obwohl der Bär längst der Stadt gewichen, der Sinn des Umwegs also verschwunden ist. Doch sie zu begradigen würde bedeuten, dass man all die Häuser, die inzwischen entlang der Straße gebaut wurden, abreißen müsste. Die Kosten würden den Effektivitätsgewinn bei weitem übersteigen, also bleibt die Straße gekrümmt. Vgl. die knappe Erklärung bei Kübler, AG 1998, 345; sowie allgemein zu diesem Phänomen Roe, in: Hopt/ Wymeersch (Hrsg.), Comparative Corporate Governance (1997), S. 165 ff.; ders., 109 Harv. L. Rev. 641 (1996). 120 So auch Fleischer, ZGR 2001, 1 (13). 121 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass das Beispiel Frankreichs zeige, dass ein Systemwechsel ohne große Verwerfungen möglich sei. Denn erstens spielte auch schon nach früherem Recht in Frankreich das Stammkapital eine weniger herausragende Rolle für den Gläubigerschutz als in anderen vergleichbaren Systemen, etwa in Deutschland. Und zweitens hat Frankreich nicht dem Stammkapital insgesamt 117

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Vor allem in Bezug auf die Vorschläge einer Übertragung des angelsächsischen Gläubigerschutzmodells auf Deutschland darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass zwischen verschiedenen Ländern teils erhebliche Unterschiede in der Rechts- und Wirtschaftskultur bestehen.122 Deswegen können ausländische Rechtsinstitute nicht immer ohne weiteres in ein anderes Rechtssystem übertragen werden. Auch wenn sie sich in ihre Heimatrechtsordnung perfekt einfügen und höchst effektiv wirken, können sie in einer fremden rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Umgebung u. U. mehr schaden als nützen.123 Die Unterschiede in den Rahmenbedingungen sind gerade zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem angelsächsischen Raum nicht unbedeutend, so dass aus der schrittweisen Aufgabe des gesetzlichen Nennkapitals in den Rechtsordnungen der US-amerikanischen Bundesstaaten nicht ohne weiteres geschlossen werden kann, dass dies auch für Kontinentaleuropa der richtige Weg wäre. Die gesamte amerikanische Wirtschaftsordnung operiert unter Bedingungen, die mit denen in Europa vielfach nicht vergleichbar sind.124 Welchen Einfluss diese Faktoren auf einen Teilbereich wie den gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz haben, ist kaum konkret zu erfassen. Sie geben jedoch Anlass zur Vorsicht vor einer undifferenzierten Übertragung einzelner angloamerikanischer Regelungsansätze in das europäische Umfeld. 3. Zwischenfazit Ist das Stammkapital also eine unantastbare „Kulturleistung ersten Ranges“ 125 oder nur eine veraltete, schnellstens auf die Deponie der Rechtshistorie zu entsorgende „relique barbare“ 126? Die Antwort muss nach dem bisher Gesagten differenziert ausfallen. Das Stammkapital adressiert zunächst einmal konzeptionell alle oben127 genannten Gläubigerrisiken: Durch die Publizität der Stammkapitalziffer soll das Bewertungsrisiko gesenkt werden, da sie den Gläubigern Einblick in die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft gewährt und damit einen Rückschluss auf deren wirtschaftliche Situation und die Insolvenzwahrscheinlichkeit

den Rücken gekehrt, sondern nur dem Mindestkapital. Ein grundlegender Systemwechsel wurde gerade nicht vollzogen. 122 Vgl. dazu knapp Fleischer, EBOR 7 (2006), 29 (37). 123 Vgl. Fleischer, NZG 2004, 1129 (1134 f.), der in Anlehnung an US-amerikanische Autoren griffig von einem „transplant shock“ spricht. 124 Verwiesen wird insoweit vor allem darauf, dass Unternehmen in Amerika ihr Fremdkapital hauptsächlich durch den Kapitalmarkt beziehen, während in Kontinentaleuropa, insbesondere auch Deutschland, die Bankenfinanzierung vorherrscht. Vgl. etwa Heine/Kerber, 13 Europ. J. Law & Econ. 47, 63 (2002). 125 Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1 b, S. 558. 126 Coudin, in: Couret/Le Nabasque, S. 31 (42). 127 § 2 I. 2.

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erlauben soll128; die Pflicht zur anfänglichen Aufbringung der Hälfte des Stammkapitals soll verhindern, dass strukturell völlig unterfinanzierte Gesellschaften in den Rechtsverkehr treten; die strengen Kapitalschutzregeln schließlich sollen den Abzug dieses Eigenkapitalpolsters durch die Gesellschafter verhindern und damit sowohl die finanzielle Grundausstattung der Gesellschaft als auch den persönlichen Risikobeitrag der Gesellschafter sichern, also das allgemeine Insolvenzeintrittsrisiko genauso verringern wie das einer opportunistischen Insolvenzverursachung.129 Die tatsächliche Eignung des Stammkapitals zur Reduzierung dieser Risiken ist jedoch begrenzt. Als Haftungsfonds für die Gläubiger ist es praktisch wirkungslos, und für die Unternehmensfinanzierung spielt es nur in der Anlaufphase der Geschäftstätigkeit eine Rolle130; danach ist seine Bedeutung als Finanzierungsinstrument ebenso gering wie sein diesbezüglicher Informationswert. Das anfängliche Ausfallrisiko der Gläubiger vermag es damit nur unwesentlich oder gar nicht zu senken, ebenso wie das allgemeine Insolvenzeintrittsrisiko. Allerdings bietet es positive Verhaltensanreize in Form eines persönlichen Risikobeitrages der Gesellschafter und dadurch eine gewisse Seriositätsgewähr. Dadurch wird das moralische Risiko opportunistischen Verhaltens der Gesellschafter gesenkt. Somit kann dem Stammkapital eine gläubigerschützende Wirkung nicht gänzlich abgesprochen werden, auch wenn diese geringer ausfällt als vielfach behauptet. Ihm kann jedoch nicht entgegengehalten werden, dass es für sich allein betrachtet keinen umfassenden Gläubigerschutz gewährleistet. Denn es ist, trotz seiner zentralen Bedeutung im Regime der GmbH, nur eines von mehreren Schutzinstrumenten. Sinn der Gläubigerschutzbestimmungen bei allen Gesellschaftsformen ist, dass Gläubiger, die vertragliche oder gesetzliche Ansprüche gegen eine Gesellschaft haben, nicht allein aus dem Grund schlechter stehen sollen, weil ihr Schuldner eine Gesellschaft und keine natürliche Person ist. Andere Risiken sollen ihnen nicht abgenommen werden. Ein gesetzliches Gläubigerschutzsystem für die kleine Kapitalgesellschaft muss dabei den aus der Haftungsbeschränkung resultierenden Zielkonflikt zwischen erwünschter Investitionsförderung und unerwünschter Kostenexternalisierung von den Gesellschaftern auf die Gesellschaftsgläubiger angemessen zu lösen suchen.131 Denkbare Instrumente hierfür sind neben dem Stammkapital ein haftungs- und insolvenzrechtlicher ex-post-Schutz, eine Pflichtversicherung auf den Insolvenzfall oder eine nachträglich eingrei128 Vgl. Drygala, ZGR 2006, 587 (599 ff.); Haas, Gutachten, S. E 143; Schön, Der Konzern 2004, 162 (166 f.). 129 Ähnlich Eidenmüller/Engert, AG 2005, 97 (100 ff.). 130 Allerdings ist gerade diese Anfangsphase im Hinblick auf die Insolvenzwahrscheinlichkeit besonders kritisch, so dass der Wert des Stammkapitals als Anlauffinanzierung nicht unterschätzt werden darf. 131 Vgl. Gloger, S. 20 ff., 42 ff.

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fende Garantiesumme. Der obige Grobvergleich hat die Erkenntnis zutage gefördert, dass keine der Alternativen deutlich effektiver wirkt als das Stammkapital. Das beste Gläubigerschutzinstrument ist grundsätzlich ein Gleichlauf der Interessen von Gläubigern und Gesellschaftern.132 Denn wenn die Entscheidungsträger im eigenen Interesse eine Geschäftspolitik verfolgen, die den Gläubigern zugute kommt, ist das Auseinanderfallen von Risiko und Kontrolle irrelevant und damit das Hauptgläubigerschutzproblem der Haftungsbeschränkung gelöst. An diesem Punkt setzt das Stammkapital an, und dies in wesentlich zielgerichteterer Weise als alle Alternativmodelle. Es ist zwar kein Garantiefonds oder eine sichere Haftungsmasse, gewährleistet aber einen gewissen Vermögenseinsatz der Gesellschafter und damit eine zumindest partielle Angleichung der Interessen von Gesellschaftern und Gläubigern.133 Es soll und kann aus Gläubigersicht vor allem Prinzipal-Agenten-Probleme reduzieren.134 Hierfür schützt es als bilanzielle Größe einen bestimmten Teil des (anfänglich von den Gesellschaftern aufzubringenden) Gesellschaftsvermögens vor eigennützigen Entnahmen der Gesellschafter. Damit gewährleistet es soweit als möglich die Erhaltung des Risikobeitrags der Gesellschafter. Es soll dabei aber – und hier liegt das verbreitete Missverständnis – das Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen nicht garantieren, sondern setzt es gerade voraus. Eine garantierte Haftungsmasse gibt es im Wirtschaftsleben grundsätzlich nicht, dafür müssen die Gläubiger auf zusätzliche Sicherheiten zurückgreifen. Dem Stammkapital kann nicht vorgeworfen werden, dass es etwas nicht leistet, was es gar nicht leisten kann und soll. Das von den Gesellschaftern aufzubringende, gesetzlich abgesicherte Stammkapital hat also als Gläubigerschutzinstrument eine fortdauernde Existenzberechtigung, die in der Diskussion häufig unter Verweis auf die „wirtschaftliche Realität“ vorschnell beiseite geschoben wird. Es ist zuvörderst ein Instrument der Risikoverteilung und als solches sinnvoll. Seine Abschaffung müsste durch andere gesetzliche Gläubigerschutzinstrumente kompensiert werden, um Missbrauchsgefahren vorzubeugen. Ob die hierfür angebotenen Alternativen, vor allem strengere Ausschüttungssperren, Offenlegungspflichten und weit reichende, schwer überschaubare Haftungstatbestände wie die englischen wrongful-trading-Grundsätze, einen effektiveren und ebenso rechtssicheren Schutz bieten wie das Stammkapital, erscheint fraglich135, auch wenn sie die größere Flexibilität in den Rechtsfolgen für sich reklamieren können.

132

Ebenso Gloger, S. 45. Vgl. Schärtl, Doppelfunktion, S. 81 f. 134 Dies als wichtige Funktion des Stammkapitals hervorhebend auch Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (24). Vgl. näher oben, § 4 I. 1. 135 So auch Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 86, 88; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (24); sowie speziell zum wrongful trading Fleischer, AG 1999, 350 (361). 133

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Man kann dem Stammkapitalsystem durchaus Mängel in der Ausgestaltung vorwerfen.136 Das Prinzip des Gläubigerschutzes durch präventive Verhaltenssteuerung ist jedoch grundsätzlich vernünftig. Und für die Verhaltenssteuerung ist die Herstellung eines Interessengleichlaufs effizienter als die Androhung von Sanktionen. Denn jeder Marktakteur verfolgt seine Interessen, aber nicht jeder lässt sich von Sanktionen abschrecken, und nicht jedes Fehlverhalten wird nachträglich aufgedeckt. Zwar kann auch das Stammkapital insoweit keinen umfassenden Gläubigerschutz gewährleisten, aber es ist prinzipiell geeignet, einen wichtigen Beitrag zu einem angemessenen Interessenausgleich zu leisten. Für die Gesellschafter bietet es gleichzeitig den entscheidenden Vorzug, dass es einen sicheren Hafen darstellt und ihnen damit unter im Vorhinein klar eingegrenzten Voraussetzungen eine verlässliche Haftungsbeschränkung bietet. Die strengen präventiven Regeln des Kapitalschutzes als übermäßige Belastung der Gesellschafter zu kritisieren und mit diesem Argument die Abschaffung des Stammkapitalsystems zu fordern, heißt deshalb, die Wirkung des Stammkapitals in ihr Gegenteil zu verkehren. Es dient gerade dazu, über die Einlageleistung hinausgehende Belastungen von den Gesellschaftern fernzuhalten. Dadurch soll die Effektivität der Haftungsbeschränkung gesichert werden, damit diese ihre investitions- und innovationsfördernde Funktion bestmöglich erfüllen kann. Das Stammkapital als Gläubigerschutzinstrument ist also gleichzeitig ein Instrument des Gesellschafterschutzes bzw. der Gläubigerschutzbegrenzung. Es ermöglicht eine Reduzierung des ex post eingreifenden Gläubigerschutzes, indem es sicherstellt, dass die Gesellschafter ex ante einen eigenen Risikobeitrag leisten. Es erlaubt also praktisch den Gesellschaftern, sich im Voraus von späteren Einstandspflichten freizukaufen.137 Die Einlagen sind aber im eigentlichen Wortsinne noch nicht einmal ein „Preis“, den die Gesellschafter für die Haftungsbeschränkung zu entrichten hätten. Denn sie werden der Gesellschaft nur „leihweise“ zur Verfügung gestellt, das Stammkapital auf der Passivseite der Bilanz ist der dauernde Ausweis der Rückerstattungspflicht der Gesellschaft. Dennoch sind die Einlagen auf der Aktivseite der Bilanz nicht von anderen Vermögensgegenständen isoliert, sie werden nicht in einer Schatztruhe vergraben. Sie sind Bestandteil des Vermögens der juristischen Person und nichts sonst, auch nicht eine Sicherheit für die Gläubiger. Die Sicherheit der Gläubiger aufgrund des Stammkapitals besteht allein darin, dass es sich bei den Rückerstattungsansprüchen der Gesellschafter um Forderungen allerletzten Ranges handelt.138 Darauf, auf nicht mehr und nicht weniger, dürfen die 136

Dazu näher unten, § 11. Dies ist der entscheidende Unterschied zu den Garantiesummenmodellen, die eine Einstandspflicht erst in der Insolvenz vorsehen und keine früheren befreienden Leistungen zulassen (können). Vgl. oben, § 10 II. 2. a) cc). 138 Ebenso Massart, Bull. Joly Sociétés 2002, 1361, 1362. 137

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4. Teil: Bewertung

Gläubiger vertrauen: dass die Gesellschafter ihre „Leihgabe“ erst dann zurückfordern dürfen, wenn die Gläubiger aus dem vorhandenen Vermögen der Gesellschaft befriedigt worden sind. Das vorhandene Vermögen, die Aktiva, ist also die eigentliche Sicherheit der Gläubiger, nicht das passivierte Stammkapital. Es ist völlig belanglos, ob es sich um Aktiva aus den Einlageleistungen, um Geschäftsgewinne oder sonstiges Vermögen handelt. Eine dauerhafte Existenz von Vermögen hat das Stammkapital noch nie garantiert, muss es nach dem gesagten aber auch nicht. Es ist insoweit an den Gläubigern, sich über die finanzielle Situation der Gesellschaft im Vorfeld zu erkundigen. Auch bei Privatpersonen garantiert niemand den Gläubigern, dass sie dauerhaft solvent bleiben. Die Gesellschafter sollen in diesem System nur einen festen Teil des unternehmerischen Risikos tragen, der Rest wird den Gläubigern im gesamtwirtschaftlichen Interesse auferlegt. Deren Schutz wiederum wird dadurch sichergestellt, dass die Risikobeteiligung der Gesellschafter real aufgebracht und dauerhaft erhalten bleiben muss, und dass ab einem bestimmten Punkt der wirtschaftlichen Abwärtsentwicklung, der durch die Insolvenzauslösetatbestände markiert wird, die Gesellschafter und Geschäftsführer entmachtet werden. Ab diesem Zeitpunkt wird das Gesellschaftsvermögen ihrer Verfügungsmacht entzogen und wechselt seine Funktion vom Betriebskapital zum Haftungsfonds für die Gläubiger. Das Stammkapitalsystem ist also gläubigerfreundlich, da es den Gesellschaftern einen Teil des unternehmerischen Risikos aufbürdet, während dieses nach den Alternativmodellen allein von den Gläubigern getragen wird und die Gesellschafter nur für Fehlverhalten sanktioniert werden. Andererseits ist es gesellschafterfreundlich, da die erzwungene Risikobeteiligung gleichzeitig die Grundlage für eine Begrenzung des postventiven Gläubigerschutzes bietet.139 Neben diesen Vorzügen des Stammkapitalsystems dürfen schließlich die nachteiligen Folgen eines Systemwechsels nicht unterschätzt werden. Aufgrund der Pfadabhängigkeit rechtlicher Systeme würde er beträchtliche Kosten und Rechtsunsicherheit nach sich ziehen, die durch die – von den Befürwortern des Wechsels behaupteten, aber keinesfalls sicheren – Effizienzgewinne des neuen Systems nicht ohne weiteres aufgewogen werden können.140 Fehlt es aber an verlässlichen Aussagen über die generelle Überlegenheit des einen oder anderen Systems, dann erscheint es sinnvoller, die Nachteile eines radikalen Umbruchs (zumindest vorerst) zu vermeiden und stattdessen den Weg einer systemimmanenten, gezielten Bekämpfung aufgedeckter Schwachstellen zu beschreiten141, 139 Zu den Nachteilen erweiterter Haftungstatbestände vgl. auch Krüger, Mindestkapital, S. 282 ff. 140 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 86. 141 Ebenso DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2003, 1008 (1012 f.); Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (872, 874); Lutter, GmbHR 2007, R 97.

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wie dies die hier untersuchten Rechtsordnungen in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße auch getan haben.

III. Kein Bedürfnis nach einer neuen Gesellschafts(unter)form Sprechen demnach gute Gründe dafür, das Stammkapitalsystem für die GmbH in seiner bestehenden Form grundsätzlich beizubehalten, stellt sich des weiteren die Frage, ob als Antwort auf den Reformbedarf und insbesondere auf den Wettbewerb der Rechtsordnungen eine neue Gesellschaftsform neben der GmbH eingeführt werden sollte, die einem Alternativregime unterliegt. Die Vorschläge dazu sind zahlreich und teilweise bereits bis ins Detail ausgearbeitet.142 Sie finden sich allerdings – soweit ersichtlich – so nur in Deutschland. Weder das französische noch das spanische Schrifttum erwägen die Einführung einer neuen Kapitalgesellschaftsform unterhalb der SARL bzw. S.L.143 Die Argumentationslinie der Befürworter einer neuen Gesellschaftsform lässt sich dergestalt zusammenfassen144: Die GmbH sei dem Wettbewerb ausländischer Rechtsformen, die einfacher und billiger gegründet werden können, vor allem aufgrund des Mindestkapitals und des komplizierten Kapitalschutzregimes nicht gewachsen, was sich an der wachsenden Zahl von Ltd.-Gründungen in den letzten Jahren zeige. Diesem Wettbewerb müsse das deutsche Gesellschaftsrecht wirksam entgegentreten, was nur durch eine deutliche Zurückführung des Kapitalschutzes, am besten aber durch gänzliche Aufgabe des Stammkapitals möglich sei. Ein radikaler Bruch mit dem bisherigen System der GmbH sei jedoch aufgrund von deren über 100-jähriger Erfolgsgeschichte nicht angezeigt. Deshalb müsse eine neue Gesellschaftsform für kleine Unternehmen mit vereinfachter Gründung und ohne bzw. mit deutlich verminderten Kapitalschutzanforderungen geschaffen werden. Dadurch werde die GmbH in ihrer Substanz erhalten und gleichzeitig Unternehmensgründern, die bisher in die Ltd. ausweichen, eine nationale Alternative geboten. Als weniger weit gehende Maßnahme haben sich der spanische und der deutsche Gesetzgeber für die Einführung einer neuen „Gesellschaftsunterform“ der bestehenden kleinen Kapitalgesellschaft entschieden. Auch wenn diese Vorgehensweise manche Probleme einer gänzlich neuen Gesellschaftsform vermeidet, sind die für und gegen sie sprechenden Argumente doch ähnlich, so dass die Bewertung beider Varianten im Folgenden weit gehend einheitlich erfolgen kann. 142

Vgl. oben, § 7 II. 6. Wie bereits mehrfach hervorgehoben, handelt es sich bei der S.L.N.E. in Spanien nicht etwa um eine solche neue Gesellschaftsform, sondern nur um eine Unterart der S.L. 144 Näher oben, § 7 II. 6. 143

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1. Der begrenzte Reformdruck von außen Der Argumentation der Befürworter einer neuen Gesellschafts(unter)form ist schon in ihrer Prämisse entgegenzutreten. Sicherlich kann nicht bestritten werden, dass in jüngerer Vergangenheit vermehrt Unternehmen gegründet wurden, die allein in Deutschland tätig sind und dennoch die Rechtsform der Ltd. wählten.145 Über die genauen Zahlen in England inkorporierter „deutscher Ltd.“ besteht Unklarheit. Schätzungen gingen per Ende 2006 von einer Größenordnung zwischen 30.000 und 40.000 aus.146 Eine jüngere Untersuchung nennt zum Stichtag 31.12.2007 ca. 15.000 in deutschen Handelsregistern eingetragene Ltd.147 Unabhängig davon, welche Angaben genauer sind, ist jedenfalls die Anzahl von „Schein-Auslandsgesellschaften“ nicht unbeachtlich, bietet aber angesichts von mehr als einer Mio. GmbH kaum Anlass, das Schreckensszenario der Verdrängung der GmbH durch die Ltd. zu prognostizieren und in hysterischen Aktionismus zu verfallen. Dies gilt umso mehr, wenn man die Entwicklung der Gründungszahlen der Ltd. und ihre Überlebensquote genauer unter die Lupe nimmt.

145 Der „Gründungsboom“ der Ltd. in Deutschland setzt 2002 nach der ÜberseeringEntscheidung des EuGH ein. Im Folgenden werden Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland aus Vereinfachungsgründen als „deutsche Ltd.“ bezeichnet. 146 Die Unklarheiten resultieren daraus, dass sich unter den beim englischen Companies House eingetragenen Ltd. diejenigen mit deutschem Verwaltungssitz nicht eindeutig anhand klarer Merkmale identifizieren lassen. Vgl. Niemeier, ZIP 2006, 2237 (2250); sowie ders., ZIP 2007, 1794 (1795); unter Verweis auf die Studie von Becht/Mayer/Wagner, ECGI Working Paper 70 (2006). Diese identifiziert nach dem directors residency test solche Ltd. als Scheinauslandsgesellschaften, deren directors sämtlich (oder zumindest mehrheitlich) ihren Sitz im Ausland haben. Niemeier kommt damit auf 32.000 bis 33.000 Eintragungen „deutscher Ltd.“ bis Ende 2006. Höhere Zahlen werden angegeben von Westhoff, GmbHR 2006, 525 (525 ff.); sowie ders., GmbHR 2007, 474 (477), der schon per Ende 2005 von 30.300 inkorporierten Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland ausgeht und für 2006 einen Zuwachs von 15.700 annimmt, also auf eine Gesamtzahl von 46.000 „deutschen Ltd.“ Ende 2006 kommt. Diese Angabe beruht jedoch laut Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1794 f.), auf unzureichender bzw. irreführender Datengrundlage. Dem wird hier nicht weiter nachgegangen, da eine umfangreiche eigene Datenanalyse an dieser Stelle den Rahmen der Untersuchung sprengen würde und außerdem die Abweichungen nicht so bedeutend sind, dass sie eine grundlegend andere Bewertung der Situation bedingen würden. Angemerkt werden kann allenfalls, dass die Zahlen von Westhoff auf einer Stichprobe von 500 Ltd. mit deutschsprachigen Firmenbestandteilen aus dem englischen Gesellschaftsregister basieren, die anhand von Angaben zu den registered offices in England auf den Gesamtbestand deutscher Ltd. hochgerechnet und mit Hilfe der Anzahl in Deutschland neu eröffneter Bankverbindungen von Ltd. plausibilisiert wurde. Dass die so gewonnenen Zahlen bestenfalls einen groben Anhalt bieten, erscheint naheliegend. Weitere Zahlen bei Apfelbaum, NotBZ 2007, 153; Niemeier, Status:Recht 2007, 246; Goette, Status:Recht 2007, 236; Ries, NotBZ 2007, 244 (245). 147 Kornblum, GmbHR 2009, 25 (31).

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Einen ersten Anhalt bietet der Vergleich der Anzahl der Inkorporationen im Handelsregister bzw. beim englischen Companies House.148 Hier hatte die „deutsche Ltd.“ am kombinierten deutschen Markt für GmbH- und Ltd.-Eintragungen in den Jahren 2005 und 2006 nach rasantem Wachstum in den Jahren zuvor jeweils einen – nunmehr konstant gebliebenen – Marktanteil von rund 15%.149 Noch aussagekräftiger für die wirtschaftliche Bedeutung sind jedoch die Zahlen der Gewerbean- und -abmeldungen, da sich darin widerspiegelt, welche Rolle die Ltd. als Unternehmensträger spielt. Absolut gesehen ist ihre Bedeutung bisher gering, aus dem Saldo von Gewerbean- und -abmeldungen ergab sich Ende 2006 eine Gesamtzahl von 13.165 gemeldeten Gewerbebetrieben in Deutschland in der Rechtsform der Ltd. Bei den Gewerbeanmeldungen weist die Ltd. seit 2003 einen kontinuierlich wachsenden Anteil auf, zuletzt im Jahr 2006 12,4% (8.643 Ltd. zu 60.809 GmbH).150 Bei Betrachtung der absoluten jährlichen Zuwachsrate von Ltd.-Gewerbeanmeldungen ist jedoch eine deutlich abnehmende Dynamik erkennbar, sie sank 2006 im Vergleich zu 2005 um 1.282 auf 2.048. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man den Anteil der „deutschen Ltd.“ am gesamten Marktwachstum für Gewerbeanmeldungen in der Rechtsform der Ltd. oder GmbH ermittelt: 2005 war eine Gesamtzunahme der Gewerbeanmeldungen in beiden Rechtsformen von 4.592 zu verzeichnen, von denen die „deutsche Ltd.“ 3.330 oder 72.5% für sich reklamieren durfte. 2006 machte ihr Zuwachs von 2.048 Anmeldungen jedoch nur noch knapp 22% des gesamten Marktwachstums von 9.400 aus.151 Noch deutlicher wird die Trendwende, wenn man die monatliche Anzahl der Gewerbean- und -abmeldungen für die Ltd. von Januar 2005 bis Mai 2007 betrachtet. Der Höhepunkt der Anmeldungen wurde im März 2006 erreicht, seither zeigt sich im Vergleich der Vorjahresmonate eine deutliche Abschwächung des Wachstums, seit Februar 2007 sogar eine Abnahme.152 Die Anzahl der Gewerbe148

Die in der folgenden Darstellung genannten Zahlenangaben entstammen, sofern nicht anders gekennzeichnet, den Beiträgen von Niemeier, ZIP 2006, 2237 (2250), mit Basis-Datenstichtag 31.12.2005; sowie ders., ZIP 2007, 1794 (1795). Er entnimmt die Zahlen der Gewerbean- und -abmeldungen den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes. Die Eintragungszahlen deutscher Ltd. im englischen Companies House bis 2005 beziehen beide Erhebungen aus der Untersuchung von Becht/Mayer/Wagner, ECGI Working Paper 70 (2006), ein. 149 Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1795 mit Tabelle 1). 150 Die Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes erfasst erst seit 2005 die Ltd. gesondert. Vgl. zu den Zahlen für 2005 auch die Antwort der Bundesregierung (BT-Drucks. 16/283 vom 16.12.2005, S. 2) auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zur Verbreitung der Ltd. in Deutschland (BT-Drucks. 16/134). 151 Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1796), bemerkt im Hinblick auf diese Trendwende: „Der ,Newcomer‘ stößt relativ früh an seine Grenzen [. . .].“ 152 Ebenfalls seit Anfang 2006 ist ein deutliches Absinken der Zahl von Ltd.-directors mit Sitz in Deutschland zu verzeichnen, was angesichts des o. g. directors residency test als Instrument zur Identifikation von Scheinauslandsgesellschaften darauf schließen

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4. Teil: Bewertung

abmeldungen hingegen steigt im Vergleich der Vorjahresmonate zuletzt sehr schnell an, die Zunahme betrug im Vergleich der letzten Quartale von 2005 und 2006 rund 83% und im ersten Quartal 2007 gegenüber dem Vorjahresquartal erneut 67%. Die Gesamtzuwachsrate der Gewerbeabmeldungen von 2005 auf 2006 betrug ca. 74%. Bei einer linearen Fortsetzung dieser Tendenzen würde ab Anfang 2009 die Anzahl der monatlichen Gewerbeabmeldungen die der Anmeldungen übersteigen, die Anzahl der Unternehmen in der Rechtsform der Ltd. würde also zurückgehen.153 Der „Höhepunkt der Ltd.-Welle“ 154 scheint also überschritten zu sein. Ebenfalls interessante Einsichten liefert eine Untersuchung der Überlebensraten der in der Rechtsform der Ltd. betriebenen Unternehmen. Vergleicht man die Gesamtzahl der Gewerbeanmeldungen 2005 mit der Zahl der Abmeldungen 2006, so ergibt sich, dass 52% der Unternehmen das erste Jahr überstehen. Bei einem entsprechenden Vergleich zwischen 2004 und 2006 wird erkennbar, dass die Überlebensquote zwei Jahre nach Gründung nur mehr rund 3% beträgt.155 Auch wenn diese Zahlen nicht als exakte Wertangaben verstanden werden dürfen, so lässt sich doch eines mit Sicherheit aus ihnen erkennen: Die vielfach befürchtete hohe Anfangssterblichkeit der Ltd. ist Realität.156 In dieselbe Richtung weist die Insolvenzquote der abgemeldeten Gewerbebetriebe, die bei der Ltd. im Jahre 2006 mit fast 12% doppelt so hoch war wie im Schnitt aller Unternehmen (5,9%). Damit lässt sich zweierlei folgern: Erstens scheint der Ltd.-Boom bis zu einem gewissen Grade eine Modeerscheinung zu sein, die nicht zuletzt durch aggressives Marketing und die (über)schnelle Gründungsmöglichkeit begünstigt wurde157, sich aber inzwischen abschwächt.158 Zweitens bedient die „deutsche Ltd.“ lässt, dass die Zahl der Eintragungen von „deutschen Ltd.“ seither rückläufig ist, vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1797). 153 Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1798). 154 Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1797). 155 Ähnlich Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445 f.), der „aus eigener praktischer Anschauung“ von einer Sterblichkeitsrate der Ltd.-Unternehmen innerhalb der ersten zwei Jahre von über 95% spricht. Von der Gesamtheit aller Unternehmen in allen Branchen überleben demgegenüber im Schnitt 71% (!) das zweite Jahr, vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1799), unter Verweis auf eine Studie von Weißhuhn/Wichmann im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. 156 Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1799), der zudem darauf hinweist, dass das Scheitern der Ltd.-Unternehmen jedenfalls in den ersten 22 Monaten nur auf ökonomische Ursachen zurückgeführt werden kann, da das britische Recht bis dahin keine besonderen finanziellen Belastungen oder Sanktionen vorsieht, die das Unternehmen zugrunde richten könnten. 157 So auch Melchior, GmbHR 2006, R 85. 158 Ebenso MüKoGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 220 f. Ähnlich Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1795); sowie Römermann/Wachter, GmbHR Sonderheft 09/2006, 1.

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mit einem eintragungsbezogenen Marktanteil von ca. 15% und einem Anteil von 12,4% bei den Gewerbeanmeldungen gegenüber der GmbH und entsprechend minimalen Anteilen bezogen auf die Gesamtzahl der Unternehmensgründungen nur eine kleine „Marktnische“ und scheint besonders solche Unternehmer anzuziehen, die ohne ausreichende wirtschaftliche Basis aber mit Haftungsprivileg in das unternehmerische Abenteuer starten wollen und deren Konzept nicht länger als zwei Jahre trägt.159 Ihre absolute Anzahl ist begrenzt, ebenso wie ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung bei insgesamt nur gut 13.000 eingetragenen Gewerbebetrieben Ende 2006, deren Überlebensquote zudem gering ist. Angesichts dieses Befundes büßt der Verweis auf die „deutsche Ltd.“ als Argument für eine Radikalreform der GmbH160 erheblich an Gewicht ein und kann noch weniger als Legitimation für die Einführung einer nach diesem Vorbild gestalteten neuen Rechtsform herhalten, unabhängig davon, ob sie eigenständig neben die GmbH treten soll oder nur eine Rechtsformvariante derselben darstellt. Zwar gibt es unzweifelhaft einen internationalen Wettbewerb der Rechtsformen161, und Reformbestrebungen des Gesetzgebers, die deutsche Unternehmer zurück in den Schoß des deutschen Gesellschaftsrechts holen sollen, sind nach wie vor angezeigt, um Rechtsunsicherheiten und unnötigen Kosten (und ggf. dem Verlust von Klientel für die rechtsberatenden Berufe in Deutschland) entgegenzuwirken. Aber es besteht kein Anlass, die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH grundsätzlich und insgesamt in Frage zu stellen.162 Für die Wettbewerbsfähigkeit einer Rechtsform ist nämlich nicht allein Schnelligkeit und Kostenersparnis bei der Gründung entscheidend, sondern auch das Vertrauen des Rechtsverkehrs in ein ausgewogenes Rechtsregime und eine hoch entwickelte, verlässliche Rechtsprechung, wie das Beispiel Delaware in den USA zeigt.163

159

Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1800); Goette, in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich (2005), S. 149 (179). Ähnlich Westhoff, GmbHR 2006, 525 (527), der per Ende 2005 von 2.600 wieder aufgelösten deutschen Ltd. ausgeht, wobei die durchschnittliche Lebensdauer weniger als 24 Monate betrug. 160 Programmatisch für den als Begründung für den Reformbedarf immer stärker in den Fokus getretenen Wettbewerb der Rechtsformen der Aufsatztitel von Römermann, GmbHR 2006, 673: „Der Entwurf des „MoMiG“ – die deutsche Antwort auf die Limited“. 161 Vgl. dazu bereits die Nachweise oben, Einführung Fn. 9. 162 Gleichsinnig Kleindiek, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 45 (P 68), der deshalb den Reformgesetzgeber zur Gelassenheit ermahnt. 163 I. E. wie hier Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445 f.); Wulfetange, BB-Special 7/ 2006, 19 (19 f.). Delaware weist keineswegs das liberalste Regime aller US-Bundesstaaten für die close corporation auf. Der Wettbewerb der einzelstaatlichen Rechtsordnungen hat also insoweit zwar insgesamt zu einer Liberalisierung, nicht aber zu einer vollständigen race to the bottom geführt. Näher dazu Fleischer, RIW 2005, 92.

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4. Teil: Bewertung

Hier hat die GmbH keine grundsätzlichen Defizite gegenüber ausländischen Konkurrenten164, wohl aber in Bezug auf ihr Marketing. So scheint die Welle von Ltd.-Gründungen in den letzten Jahren weniger auf ihrer tatsächlichen Überlegenheit gegenüber der GmbH zu beruhen, als vielmehr auf einem „gefühlten Wettbewerbsnachteil“ der letzteren.165 Dieses Gefühl wird von den Ltd.-Agenturen gezielt gefördert und zusätzlich begünstigt dadurch, dass die angelsächsischen Systeme generell in dem Ruf höherer Kompetenz in Wirtschaftsfragen stehen. Die Vorteile der Ltd. sind aber bei genauerer Betrachtung weniger bedeutend als immer behauptet, und ihnen stehen ebenso viele Nachteile gegenüber, jedenfalls aus Sicht eines deutschen Unternehmers.166 Zumeist wird darauf verwiesen, dass die Ltd. schneller, kostengünstiger und einfacher gegründet werden könne.167 Allerdings wird dabei häufig übersehen, dass auch die Ltd.-Gründung für ein in Deutschland tätiges Unternehmen mit nicht zu unterschätzenden Kosten, bürokratischen Hürden sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland, Sprachschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten verbunden ist.168

164 Für einen sehr knappen Überblick über die Vor- und Nachteile von SARL, S.L.N.E., Ltd., (niederländischer) B.V. und GmbH aus Sicht eines Unternehmensgründers, vor allem im Hinblick auf den Zeit- und Kostenaufwand bei der Gründung sowie steuerliche und Publizitätspflichten, vgl. Müller/Müller, GmbHR 2006, 583 und 640. Teilweise wird sogar aufgrund der Seriositätsgewähr des (Mindest-)Stammkapitals und des damit einhergehenden Vertrauens des Rechtsverkehrs von einem Wettbewerbsvorteil der GmbH ausgegangen, vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (438); Roth, ZGR 2005, 348 (382 ff.); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (23). 165 So etwa Seibert, BB 2005, 1061; sowie ders., ZIP 2006, 1157 (1158), der die Bedeutung der (teils bewusst irreführenden) Werbung für die Ltd. als wichtigen Wettbewerbsfaktor hervorhebt. Ähnlich Karsten, GewArch 52 (2006), 234, der die Gründe für die Beliebtheit der Ltd. differenziert betrachtet und neben der tatsächlich wesentlich schnelleren und einfacheren Gründungsprozedur vor allem auf das geschickte Marketing der Ltd.-Anbieter und die geringen sprachlichen Barrieren aufgrund verbreiteter Englischkenntnisse in Deutschland hinweist. 166 So auch Schärtl, Doppelfunktion, S. 127 ff.; Römermann, GmbHR Sonderheft 09/ 2006, 66 (74); Seibert, RabelsZ 69 (2005), 712 (719). 167 Vgl. die Nachw. bei Fleischer, in: Lutter (Hrsg.), Auslandsgesellschaften (2005), S. 49 (53). 168 Guter Überblick über Vor- und Nachteile der Ltd. gegenüber der GmbH bei Zöllner, GmbHR 2006, 1. Er kommt zu dem Fazit, dass „die Wahl einer Ltd. als Rechtsform in Deutschland oder Österreich [..] nur wenige Vorteile für die Gründer [hat].“ Ausführlich dazu auch Just, Rn. 39 ff.; Melchior, GmbHR 2005, 689 (690 f.); Römermann (Hrsg.), Private Limited Company in Deutschland (2006); ders., GmbHR Sonderheft 09/2006, 17 und 66; Schärtl, Doppelfunktion, S. 127 ff.; Wachter, GmbHR Sonderheft 09/2006, 25 und 35. Hingewiesen wird etwa auf die Notwendigkeit doppelter Handelsregistereintragung und doppelter Buchführung, die kumulierenden Publizitätspflichten, die beschränkte Gewinnverwendung in der Ltd. und nicht zuletzt sprachliche Probleme und die Rechtsunsicherheiten, die sich aus der Implementierung einer ausländischen Rechtsform mit einem in sich kohärenten, aber nicht unbedingt kompatiblen Gläubigerschutzsystem in die deutsche Rechtsordnung ergeben. Zu letzterem vgl. auch Fleischer, in: Lutter (Hrsg.), Auslandsgesellschaften (2005), S. 49 (79, 83 f.).

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2. Die Nachteile einer neuen Gesellschafts(unter)form Ist also der Reformdruck von außen weniger stark als vielfach behauptet, so wiegen die Gründe, die gegen eine Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Typologie in Deutschland sprechen, umso schwerer. a) Eigenständige neue Gesellschaftsform Hier ist zunächst der hohe Regelungsaufwand zu nennen, den die Einführung einer gänzlich neuen Gesellschaftsform erfordert. Er erschiene angesichts der Tatsache, dass die GmbH zwar unbestreitbar reformbedürftig ist, aber nach einer Modernisierung grundsätzlich durchaus dem internationalen Wettbewerb gewachsen sein sollte, als unnötige legislative Überreaktion.169 Auch die Bundesregierung hatte während der MoMiG-Entwurfsphase zunächst die Einführung einer neuen Rechtsform erwogen, von dieser Idee aber wegen des hohen Regelungsaufwands, der Rechtsunsicherheit und der dadurch bedingten Erhöhung der Transaktionskosten für den gesamten Rechtsverkehr wieder Abstand genommen.170 Die neue Gesellschaftsform ist aber nicht nur als der sprichwörtliche Kanonenschuss auf den Spatzen überflüssig, sie verspricht auch nicht den erwünschten Nutzen. Zwar mag sie dazu beitragen, die Ltd. weitestgehend aus dem deutschen Markt zu drängen. Allerdings ist auch ohne sie bereits eine Trendwende bei der Beliebtheit der Ltd. zu erkennen, der Zuwachs der Gewerbeanmeldungen hat sich zuletzt deutlich abgeschwächt. Die neue Gesellschaftsform, deren Etablierung im deutschen Rechtsverkehr einige Zeit in Anspruch nähme, würde dieser Entwicklung hinterherlaufen.171 Damit bestünde die Gefahr, dass sie sich entweder mangels Nachfrage in der Praxis gar nicht durchsetzt oder aber, anstatt eine Alternative zur Ltd. zu sein, der GmbH Konkurrenz macht.172 Hinzu kommt, dass eine Vermehrung der Rechtsformen nicht zu der erwünschten Vereinfachung, sondern zu weiterer Zersplitterung des Gesellschaftsrechts und zu Rechtsunsicherheit führt. Dies bedeutet einen Wettbewerbsnachteil für das deutsche Gesellschaftsrecht, ist also der Zielsetzung der Reform gerade entgegengesetzt.173 Der Grund für den bisherigen großen Erfolg der GmbH in Deutschland und international liegt vor allem in der geringen Regelungsdichte, die der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter breiten Raum gewährt und eine individuelle Anpassung der Gesellschaft an die jeweiligen Bedürfnisse kleiner und 169

So i. E. auch Schärtl, Doppelfunktion, S. 164. Vgl. Seibert, GmbHR 2007, 673 (674). 171 Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1798): „[D]ie mindestkapitalfreie UG [setzt] auf eine zeitlich eng befristete Nische ohne Zukunft.“ 172 Vgl. Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (23). 173 Vgl. Schmidt, DB 2006, 1096; Seibert, GmbHR 2006, R 241; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1327). 170

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4. Teil: Bewertung

mittlerer Unternehmen erlaubt.174 Die GmbH ist als besonders flexible Rechtsform konzipiert, die, mit den Worten Oechelhäusers175, „den ganze[n] weite[n] Raum zwischen der offenen Handelsgesellschaft und der Actiengesellschaft mit einmal überbrückt.“ Für eine eigene Rechtsform neben der GmbH besteht deshalb weder Bedürfnis noch Raum. Eine solche würde im Gegenteil diesen wesentlichen Vorzug der GmbH verwässern, ohne ihrerseits einen ähnlichen Erfolg zu garantieren.176 Die Einführung einer neuen Gesellschaftsform für kleine Unternehmen, die neben die GmbH tritt, ist somit insgesamt abzulehnen.177 Im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb der Rechtsformen ist sie überflüssig. Ein großer wirtschaftlicher Nutzen ist auch nicht zu erwarten. Denn einerseits ist die Bedeutung der Ltd. als Unternehmensträger gering, und die Dynamik ihres Zuwachses schwächt sich zuletzt ab, während sie bei der GmbH zunimmt.178 Und andererseits ist auch eine nennenswerte absolute Zunahme der Gründungsaktivität nicht zu erwarten, da die neue Gesellschaftsform nur dann eine zusätzliche Gründung bewirkt, wenn die Gründer bisher sowohl von den Gründungshürden der GmbH als auch von denen der Ltd. abgehalten wurden. Schließlich stellt auch schon die Zielsetzung der neuen Rechtsform, die Ltd. und andere ausländische „Billigrechtsformen“ vom deutschen Markt zu drängen, ihre Existenzberechtigung selbst in Frage. Denn wenn die Ltd. schon bisher nur von solchen Unternehmen gewählt wird, die sich nicht länger als zwei Jahre am Markt halten können, dann sollte solches Unternehmertum nicht noch gesetzlich gefördert werden.179 Der Weg in die Haftungsbeschränkung kann seriösen Kleinstunternehmern, für die das Mindestkapital der GmbH eine echte und unnötige Hürde darstellt, auch in anderer Weise ermöglicht werden. Unseriöse Gründer hingegen mögen auch weiterhin die Ltd. wählen, ihnen muss der deutsche Gesetzgeber keine Alternative anbieten.

174 Dies ist lt. ursprünglicher Gesetzesbegründung auch beabsichtigt gewesen, vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 33. 175 In: Verhandlungen des XII. Deutschen Handelstages, Stenographischer Bericht der 2. Sitzung vom 19.01.1892, S. 2. Zitiert nach Thiessen, DStR 2007, 260 (261). 176 Vgl. Thiessen, DStR 2007, 260 (261). 177 Wie hier auch Lorenz, AG 2005, R 467; Niemeier, ZIP 2006, 2237 (2248); ders., ZIP 2007, 1794 (1800 f.); Schmidt, DB 2006, 1096; Schwedhelm/Olbig/Binnewies, GmbHR 2005, 1517; Seibert, GmbHR 2006, R 241; Teichmann, NJW 2006, 2444 (2449); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1327). Ebenso das klare Votum des 66. Deutschen Juristentages, Beschluss I.1, abgedruckt in Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 141, mit 169:6 Stimmen (eine Enthaltung). 178 Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1795 f. mit Tabellen 1 und 3, 1800 f.). 179 Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1801), befürchtet als Folge die „Realität sinnloser Hazard-Gründungen, fehlgeleiteter volkswirtschaftlicher Ressourcen, irregeleiteter Gründer und schutzloser Gläubiger“, die der Gesetzgeber verantworten müsse.

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b) Rechtsformvariante Die o. g. Argumente sprechen zu einem Gutteil auch gegen die Einführung einer neuen Untervariante der GmbH.180 Der Verweis auf den hohen Regelungsaufwand verfängt hier zwar nicht ohne weiteres, da dem deutschen Gesetzgeber hierzu, anders als dem spanischen, ein einziger Paragraph ausgereicht hat. Auch andere Kritikpunkte, die die spanische Doktrin gegen die Einführung der S.L.N.E. vorgebracht hat, können der UG (haftungsbeschränkt) nicht entgegengehalten werden.181 Zutreffend ist jedoch hier wie dort die Kritik, dass diese Maßnahme eine Zersplitterung des Gesellschaftsrechts182 und damit Rechtsunsicherheit und erhöhte Transaktionskosten zur Folge habe. Dies wiegt bei einer bloßen Variante der GmbH zwar möglicherweise weniger schwer als bei einer gänzlich neuen, völlig anders gestalteten Gesellschaftsform, ist jedoch genauso unnötig, da die Ltd. als Hauptkonkurrent nur eine geringe gesamtwirtschaftliche Bedeutung hat und vornehmlich Unternehmer anspricht, deren Projekt nicht überlebensfähig ist oder wegen des geringen Geschäftsvolumens nicht von der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung abhängt. Die in Spanien gegen die S.L.N.E. vorgebrachte Kritik, deren Einführung sei nichts als populistische Effekthascherei, kann damit auch in Deutschland mit einiger Berechtigung gegenüber der UG (haftungsbeschränkt) aufrecht erhalten werden, die den Namen „Rechtsformvariante“ nicht einmal verdient. Sie ist nämlich nichts weiter als eine Art legislativer Nebelkerze, die verschleiern soll, dass eine GmbH künftig auch ohne nennenswertes Stammkapital gegründet werden und dauerhaft existieren kann – dass also das Mindestkapital der GmbH Geschichte ist.183 Der Gesetzgeber hielt ein solches Vorgehen offenbar für angezeigt, um das beabsichtigte Deregulierungsziel zu erreichen und gleichzeitig den befürchteten Prestigeverlust für die GmbH als Rechtsform, der aus der Abschaffung des Mindestkapitals resultieren könnte, zu vermeiden. Dies grenzt tatsächlich an die „Quadratur des Kreises“ 184: Das Mindestkapital wird „nur“ für eine neue Rechts180

Ähnlich wie hier Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 86 f. In Spanien wird etwa kritisiert, dass das Regime der S.L.N.E. mit seinen zwingenden Regeln zu rigide sei und die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter übermäßig einschränke, dass das Verhältnis zur „Mutterrechtsform“ S.L. unklar sei, und dass die Regeln zur Obergrenze für das Stammkapital und die Gesellschafteranzahl in ihrer sachlichen Legitimation wie in ihrer Ausgestaltung fragwürdig seien. Näher dazu oben, § 9 I. 2. All dies kann der UG (haftungsbeschränkt) mit ihren wenigen, begrenzten Sonderregeln nicht vorgeworfen werden. 182 Vgl. zu der entsprechenden Kritik am spanischen Gesetzgeber wegen der Einführung der S.L.N.E. oben, § 9 I. 2. 183 Ähnlich Wilhelm, DB 2007, 1510 (1511), der die Gegenüberstellung von UG und GmbH, die zwei völlig unterschiedliche Rechtsformen suggeriert, als „falsa demonstratio“ bezeichnet. 184 So treffend Hirte, FAZ vom 06.06.2007, S. 23. 181

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4. Teil: Bewertung

formvariante der GmbH abgeschafft, nicht für die Mutterrechtsform; die Variante ist aber praktisch nichts anderes als die Grundform ohne Mindestkapital. Das ist juristische Dialektik in hoher Vollendung. Den Befürwortern einer Abschaffung des Mindestkapitals – bei der GmbH selbst oder im Rahmen einer neuen Rechtsform – wird ebenso Genüge getan wie den Verfechtern der „guten alten GmbH“ mit nennenswertem Mindestkapital. Ob der Rechtsverkehr sich so „hinters Licht führen“ lässt, bleibt abzuwarten. Die damit verfolgte Zielsetzung ist jedoch nicht völlig illegitim. Der Geschäftspartner der Gesellschaft soll an der Firma erkennen können, mit wem er es zu tun hat. Unterschreitet das Stammkapital einen bestimmten Schwellenwert, so soll dies in der Firma kenntlich gemacht werden.185 Hierfür würde allerdings auch ein kurzer Firmenzusatz unter Beibehaltung der grundsätzlichen Firmierung als GmbH genügen. Vorgeschlagen wurde etwa „GmbH gS“ 186 oder „kleine GmbH“.187 Solche Bezeichnungen wären ehrlicher, machen sie doch die Nähe zur GmbH deutlich, ohne den entscheidenden Unterschied zu verschweigen. Im Wirtschaftsleben spielt jedoch Vertrauen eine wichtige Rolle. Und der Gesetzgeber befürchtet offenbar, wenn die Firma der „Ein-Euro-Gesellschaft“ die altbekannte Bezeichnung „GmbH“ enthält, das Vertrauen des Geschäftsverkehrs zu verspielen, dass sich die GmbH in den mehr als hundert Jahren ihrer Existenz erworben und verdient hat. Für den Zweck, den die UG erfüllen soll, spielt also ihre – missglückte188 – Firma eine nicht unbedeutende Rolle. Sie liefert die Grundlage für den öffent185 Seibert, GmbHR 2007, 673 (675), spricht von einem „Warnschild“, das „ein spürbarer aber unverzichtbarer Preis“ für die Verwendung der neuen Rechtsform sei. Demgegenüber hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine Publizität der Stammkapitalziffer auf den Geschäftsbriefen entschieden, wie sie z. B. von Niemeier, ZIP 2006, 2237 (2250), als „wettbewerbliches Element“ vorgeschlagen wurde und auch in § 35a Abs. 1 GmbHG in der Fassung des Entwurfes des MindestkapG vorgesehen war. Diese würde die in Wahrheit nicht garantierte Existenz haftenden Vermögens noch stärker suggerieren und zudem im europäischen Vergleich eine Ausnahme darstellen, vgl. Schmidt, DB 2005, 1095 (1096 f.); Seibert, GmbHR 2007, 673 (676). Für eine Geschäftsbriefpublizität der Stammkapitalziffer aber Schärtl, Doppelfunktion, S. 197. In eine ähnliche Richtung auch Fastrich, DStR 2006, 656 (663) (Eigenkapitalpublizität auf den Geschäftsbriefen). Zu anderen europäischen Rechtsordnungen in diesem Kontext Wachter, in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich (2005), S. 27 ff. 186 D.h. „GmbH mit geringem Stammkapital“. Vorschlag des Landes Berlin in seiner Stellungnahme zum RefE MoMiG. 187 Zu weiteren, insbesondere journalistischen Vorschlägen für griffige aber juristisch unbrauchbare Kurzbezeichnungen Seibert, GmbHR 2007, 673 (675). 188 Abgesehen davon, dass dieser Firmenzusatz die (weit überwiegenden) Gemeinsamkeiten mit der „normalen“ GmbH bewusst verschleiert und die (ganz wenigen) Unterschiede überbetont, ist die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft“ an sich auch eine nichts sagende, inhaltsleere Floskel. Alle unternehmenstragenden Gesellschaften sind nach dem Wortsinn im Grunde Unternehmergesellschaften, unabhängig von der konkreten Gesellschaftsform, zumindest sofern sie personalistisch strukturiert sind. Die Namensgebung der bestehenden Rechtsformen zeichnet sich aber gerade dadurch aus, dass

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lichkeitswirksamen psychologischen „Knalleffekt“, der nach der Hoffnung des Gesetzgebers die unternehmerische Initiative beflügeln soll: die Einführung einer neuen Rechtsform(variante) mit beschränkter Haftung, aber ohne Mindestkapital.189 Gleichzeitig lenkt sie davon ab, dass letztendlich nicht mehr und nicht weniger als die Abschaffung des Mindestkapitals der GmbH selbst vorgesehen ist, und bewahrt diese bewährte Rechtsform damit vor dem Ruch der Unseriosität, der Gesellschaften mit verschwindend geringem Stammkapital anhaften könnte. Dieser Griff in die psychologische Trickkiste geht m. E. zu weit. Psychologie spielt in der Politik, auch in der Rechtspolitik, eine legitime Rolle, aber nicht auf Kosten der sachlichen Inhalte. Der kundige oder gut beratene Unternehmer wird das Spiel ohnehin durchschauen. Der Gesetzgeber sollte also zu seiner Reformmaßnahme stehen und die neue Ein-Euro-Gesellschaft als das firmieren lassen, was sie ist: eine GmbH ohne Mindestkapital. Wünschenswert wäre deshalb eine entsprechende Änderung des § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. hin zu einer eindeutigen, allgemein verständlichen Firma, die den entscheidenden Zusatz ggf. zwingend ausschreibt. Für solche Überlegungen lässt die Gesetzesbegründung selbst ausdrücklich Raum.190 Vorzugswürdig wäre „GmbH (ohne Mindestkapital)“, vergleichbar der (inoffiziellen) französischen Bezeichnung „SARL à libre capital“.191 Eine andere Möglichkeit, die stärker dem Bedürfnis nach onomatischer sie das entscheidende Charakteristikum des jeweiligen Regimes zur Information des Rechtsverkehrs hervorhebt. Dies versucht der Gesetzgeber bei der UG durch den stets auszuschreibenden Klammerzusatz „(haftungsbeschränkt)“, der allerdings nichts anderes aussagt als „mbH“. Man könnte also mit der gleichen Berechtigung eine Abkürzung der Form „UG (mbH)“ zulassen, das „U“ könnte aber ebenso gut entfallen, da es keinerlei Informationswert besitzt. Die Firmenzusätze „GmbH“ und „UG (haftungsbeschränkt)“ sagen also exakt das gleiche aus, der Unterschied zwischen beiden „Rechtsformvarianten“, das Mindeststammkapital, wird nicht erwähnt. Der Informationswert für den Rechtsverkehr ist mithin gleich null, der Verschleierungswert hingegen groß. I. E. wie hier Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG § 5a GmbHG Rn. 1. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Wilhelm, DB 2007, 1510 (1511 f.), allerdings mit Hauptakzent auf der Tatsache, dass die UG nicht zwingend aus Unternehmern bestehen muss. A.A. aber Ulmer/Paura, § 5a GmbHG Rn. 5. 189 Die Bezeichnung „UG“ ist insoweit möglicherweise auch eine vordergründige Konzession an die Befürworter einer gänzlich neuen Rechtsform, um die Akzeptanz der Reform zu erhöhen. Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512), führt als denkbaren Grund ebenfalls eine „besondere Werbewirksamkeit“ an, lehnt die Bezeichnung aber als „irreführende Werbung“ ab. 190 Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 1, S. 71, wo deutlich gemacht wird, dass die Firma der UG den Rechtsverkehr darüber informieren soll, dass die Gesellschaft „möglicherweise mit sehr geringem Gründungskapital ausgestattet ist“, allerdings Zweifel geäußert werden, ob dies mit dem gewählten Rechtsformzusatz „optimal zum Ausdruck gebracht ist“. Diese Zweifel sind nach dem soeben (4. Teil Fn. 188) Gesagten mehr als berechtigt. 191 So auch die Stellungnahme des Bundesrates vom 06.07.2007 zum RegE MoMiG, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 4 f., die daneben die abgekürzte Form „GmbH (o.M.)“ zulassen will. In eine ähnliche Richtung bereits früher Bachmann, ZGR 2001,

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4. Teil: Bewertung

Abgrenzung zur „normalen“ GmbH Rechnung trüge, wäre „Unternehmensgründergesellschaft (UGG) mbH“. Dieser Firmenzusatz macht, ähnlich dem der S.L.N.E., deutlich, dass es sich um die Einstiegsvariante der GmbH handelt.192 Doch selbst wenn die UG (haftungsbeschränkt) tatsächlich mehr wäre als legislative Verschleierungstaktik, vermöchte die Einführung einer solchen neuen

351 (365). Ebenfalls akzeptabel aber weniger griffig erscheint der o. g. Vorschlag „GmbH (mit geringem Stammkapital)“. Ohne echten Informationswert für den Rechtsverkehr ist hingegen der Begriff „kleine GmbH“. A.A. aber Heckschen, DStR 2007, 1442 (1446), der es für „fatal“ hält, wenn die neue Rechtsformvariante die Bezeichnung „GmbH“ in der Firma tragen würde, da dies die Missverständnisse im Rechtsverkehr verstärke. Dazu ist jedoch anzumerken, dass gerade die Firma „UG (haftungsbeschränkt)“ den Rechtsverkehr in die Irre führt. Noch anders Wilhelm, DB 2007, 1510 (1512), der die Suche nach einer treffenden Bezeichnung für die UG für gänzlich „aussichtslos“ hält. Er führt neben „GmbH (ohne gesetzliches Mindestkapital)“ noch weitere, wohl nicht völlig ernst gemeinte Firmenzusätze wie „Gesellschaft mit besonders beschränkter Haftung“ bzw. „mit total beschränkter Haftung“ an; diese stellten zwar das entscheidende Spezifikum der UG „notdürftig“ heraus, führten aber mangels Attraktivität zu einem Nachteil gegenüber ausländischen Rechtsformen. Warum einer „GmbH (o.M.)“ aus ihrer Bezeichnung ein Nachteil gegenüber einer Ltd., SARL oder erst Recht einer S.L.N.E. erwachsen soll, ist m. E. jedoch nicht nachvollziehbar. 192 Die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (UG) mbH“ ist demgegenüber weniger aussagekräftig, da sie, wie gesagt, keinen über „GmbH“ hinausgehenden Informationswert besitzt. Eher ginge noch „Gründergesellschaft (GG) mbH“ an, was allerdings eine zu große Ähnlichkeit zu der bereits verbreiteten Abkürzung „gGmbH“ (gemeinnützige GmbH) aufweist. Diese Bezeichnung wurde zwar durch Beschluss des OLG München, NJW 2007, 1601, für unzulässig erklärt, jedoch fordert der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum RegE MoMiG, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 5, ihre Legalisierung in § 4 GmbHG. Gegen den Firmenzusatz „UGG mbH“ ließe sich einwenden, dass er von der Gesellschaft auch Jahre und Jahrzehnte nach der Gründung noch verwendet werden kann, und dies gemäß § 5a Abs. 5 Hs. 2 GmbHG n. F. selbst dann, wenn sie inzwischen den Regeln über die „normale“ GmbH unterliegt. Der Einwand, dass der Hinweis auf die Unternehmensneugründung in der Firma nicht auf eine schon seit langem bestehende Gesellschaft passt, wird – nicht ohne Berechtigung – gleichermaßen in Spanien gegenüber der S.L.N.E. erhoben, vgl. oben, § 9 I. 2. Jedenfalls im Hinblick auf § 5a Abs. 5 Hs. 2 GmbHG n. F. stellt sich aber ohnehin die Frage, ob diese Vorschrift nicht besser wieder gestrichen werden sollte. Ihr Anliegen ist klar: Sie soll die Fortführung der Firma im Interesse des Unternehmens ermöglichen, um nicht den Eindruck der Diskontinuität zu erwecken. Das Ergebnis ist jedoch, dass im Rechtsverkehr Gesellschaften, die zu hundert Prozent demselben Regime unterliegen, unter völlig unterschiedlicher Bezeichnung auftreten. Dies ist im Sinne der Rechtsklarheit und Transparenz wenig wünschenswert, auch wenn die Beibehaltung der Bezeichnung UG nach der Kapitalerhöhung, wie Seibert, GmbHR 2007, 673 (676), zutreffend anmerkt, nur ein prinzipiell unbedenkliches „Understatement“ darstellt. Bei der hier vorgeschlagenen größeren Nähe der Bezeichnungen von Einstiegsvariante und Grundform der GmbH erscheint eine Beibehaltung des Rechtsformzusatzes bei Erreichen der Mindestkapitalschwelle weniger problematisch, da die grundsätzliche Kongruenz des anwendbaren Regimes klar zu Tage tritt. Aber auch eine nachträgliche Umfirmierung wäre theoretisch leichter möglich, da sich dadurch die Firma des Unternehmens insgesamt nur unwesentlich ändern würde.

§ 10 Grundsätzliche Zukunftsfähigkeit des Stammkapitalsystems

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Rechtsformvariante in der Sache nicht zu überzeugen. Wenn der Gesetzgeber Gründungshürden für KMU beseitigen will, dann sollte er dies sinnvollerweise nicht auf eine Sonderform der kleinen Kapitalgesellschaft beschränken. Überzeugende Gründe für eine solche Differenzierung sind nicht ersichtlich. Entweder erfüllen die Gründungsprozedur (in Spanien) bzw. das Mindestkapital (in Deutschland) einen legitimen Zweck; dann gilt dies aber auch für die neue Rechtsformvariante. Oder sie tun es nicht; dann sind sie insgesamt entbehrlich. Gründungserleichterungen für Kleinstunternehmen können jedenfalls auch auf anderem Wege sinnvoller realisiert werden.193 Nur am Rande sei angemerkt, dass eine vornehmlich zur Gründungsbeschleunigung eingeführte, rigide Rechtsformvariante wie die S.L.N.E. noch weniger gerechtfertigt erscheint als eine Unterrechtsform ohne Mindestkapital. Letztere lässt sich nämlich als eine Art begrenztes „Versuchskaninchen“ ansehen, mit dem die Folgen der Abschaffung des Mindestkapitals zunächst in Grenzen gehalten werden. Warum aber die Gründung gleichartiger Unternehmen in der Rechtsform der S.L. oder der S.L.N.E. unterschiedlich schnell vonstatten gehen darf, dafür sind allein Gründe des praktischen Prüfungsaufwandes, nicht aber sachliche Erwägungen ersichtlich. Zudem wird in der deutschen wie in der spanischen194 Reformdiskussion darauf verwiesen, dass die Schnelligkeit der Gründung allein kein Selbstzweck ist, da sie unüberlegte Unternehmensgründungen begünstigt, während den Gründern durch eine ausführliche notarielle Gründungskontrolle eine gewisse Bedenkzeit und Beratung zum gesamtwirtschaftlichen Wohle „aufgezwungen“ wird.195 Deshalb sind nur unnötige Gründungsverzögerungen abzubauen, dies aber dann für alle kleinen Kapitalgesellschaften. 3. Zwischenfazit Insgesamt bleibt demnach festzuhalten, dass nicht nur die Einführung einer selbständigen neuen Gesellschaftsform, sondern auch die einer Unterform der 193

Etwa im Bereich des Kapitalaufbringungsrechts, vgl. § 11 II. 3. g). Dazu oben, § 9 I. 2. 195 Vgl. den DIHK-Gründerreport 2006, S. 9 f., dem zufolge fast die Hälfte der Unternehmensgründer ihre Geschäftsidee nicht konkret beschreiben können, die Gründung also relativ unüberlegt vornehmen. Allerdings kann damit m. E. kaum ein umfassender notarieller Beratungszwang und noch weniger die rein zeitliche Dauer der Gründungsprozedur als „Reflexionsphase“ gerechtfertigt werden. Wer nach eigenständiger, gewissenhafter Planung die Entscheidung zur Unternehmensgründung getroffen hat, dem sollten keine Steine in den Weg gelegt werden, er sollte vielmehr jedwede Unterstützung und Beschleunigung von Seiten der Behörden erhalten. Eine erzwungene notarielle Beratung erscheint insoweit als Entmündigung und kann allenfalls in geringem Umfang aus ordnungspolitischen Gründen gerechtfertigt werden. Neben dem Angebot ausreichender freiwilliger Beratungsmöglichkeiten sollte vielmehr erwogen werden, den Unternehmer dazu zu zwingen, seine ordnungsgemäße finanzielle Planung bei der Gründung nachzuweisen, etwa parallel zum belgischen Modell. Vgl. dazu oben, § 7 II. 2. a) cc). 194

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4. Teil: Bewertung

kleinen Kapitalgesellschaft, wie sie der spanische Gesetzgeber mit der S.L.N.E. und der deutsche mit der UG (haftungsbeschränkt) vollzogen haben, abzulehnen ist.196 Sie ist überflüssig, bringt aber Nachteile durch zusätzliche Rechtsunsicherheit und Beratungsbedarf. Ein nennenswerter gesamtwirtschaftlicher Nutzen ist demgegenüber nicht zu erwarten, wie die bisherige Entwicklung der S.L.N.E. in Spanien zeigt.197

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass kein Anlass besteht, die GmbH in ihren Grundzügen anzutasten oder ihr eine neue Gesellschaftsform als „Schwesterchen“ 198 zur Seite zu stellen. Dennoch wird vielfach mit Recht eine Diskrepanz zwischen theoretischer Konzeption und praktischer Wirksamkeit des Stammkapitalsystems als Gläubigerschutzmodell konstatiert. In seiner jetzigen Form erfüllt das Stammkapital die meisten der ihm zugedachten Gläubigerschutzfunktionen nur noch unzureichend.199 Wiewohl dies nicht den Schluss zulässt, das Stammkapitalsystem sei insgesamt sinnlos, bedarf es doch einer Neuorientierung. Das Mindestkapital wie die strengen, ex ante wirkenden Kapitalschutzregeln rechtfertigen sich vor allem aus der Funktion des Stammkapitals als Haftungsfonds. Für einen persönlichen Risikobeitrag der Gesellschafter als Instrument der Verhaltenssteuerung und Seriositätsindiz wird man eine zwingende Untergrenze noch für sinnvoll halten, allerdings ist eine ex ante wirkende, aufwendig kontrollierte Aufbringungspflicht nicht unbedingt nötig.200 Und für die Funktion des

196

I. E. wie hier Niemeier, ZIP 2007, 1794 (1800 f.). Vgl. oben, § 9 I. 3. Zuzugeben ist, dass nach ersten Erhebungen der Rechtsverkehr durchaus rege Gebrauch von der UG (haftungsbeschränkt) als neuer Gründungsalternative macht. So existierten Ende 2009 bereits über 20.000 UG (haftungsbeschränkt), vgl. MüKoGmbHG/Rieder, § 5a GmbHG Rn. 5 m.w. N. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass die UG tatsächlich auch als Unternehmensträger erfolgreich ist und damit die erhoffte Beflügelung der unternehmerischen Initiative bewirkt hat. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass in den hohen Gründungszahlen ein erheblicher Anteil an Vorratsgesellschaften enthalten ist. Zudem ist durchaus denkbar, dass es bei der UG momentan zu einem ähnlichen Gründungboom kommt wie seinerzeit bei der Ltd., der nicht mehr ist als eine vorübergehende Modeerscheinung. Welche Rolle die UG (haftungsbeschränkt) auf Dauer als Unternehmensträger spielen kann, und ob sie nachhaltig vom Rechtsverkehr akzeptiert wird, werden erst zukünftige Untersuchungen zeigen können. I. E. ebenfalls skeptisch Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG § 5a GmbHG Rn. 2. 198 Vgl. den Aufsatztitel von Schmidt, DB 2006, 1096. 199 Vgl. dazu bereits oben, § 10 II. 1. 200 Ähnlich Merz/Gottschalk, GmbHR 2006, R 1. 197

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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Stammkapitals als finanzielle Grundlage des Unternehmens erscheint jegliche zwingende, pauschale, vorab eingreifende Pflicht widersinnig, denn die Unternehmensfinanzierung gehört zu den Grundentscheidungen der Unternehmensleitung, die im Ermessen der Gesellschafter bzw. der von ihnen bestellten Geschäftsleiter liegen müssen und nur bei Überschreitung der Grenzen ordnungsgemäßer Ermessensausübung sanktioniert werden können. Deshalb kann nicht bestritten werden, dass das bisherige System in seinen Einzelheiten reformbedürftig war und ist, um die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen zu stärken und erkannte Schwachstellen und unnötige Behinderungen für den deutschen Unternehmenssektor zu beseitigen. Im Folgenden sollen die Einzelelemente der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft vor dem Hintergrund der Kritik und der angebotenen Alternativen in allen drei untersuchten Rechtsordnungen bewertet werden, um notwendige und mögliche (weitere) Reformschritte zu identifizieren. Dabei wird grundsätzlich – dem Aufbau dieser Untersuchung entsprechend – zunächst das vor Erlass des MoMiG geltende Recht zum Ausgangspunkt genommen, da sich nur daraus einige der Reformen des MoMiG und auch viele Alternativvorschläge erklären. Nach einer knappen Untersuchung der Bedeutung des jeweiligen Einzelelements im Gesamtsystem der Finanzverfassung und des Gläubigerschutzes wird anschließend die Berechtigung der Kritik daran hinterfragt, bevor schließlich die Reformvorschläge und, soweit relevant, das neue Recht in der Fassung des MoMiG dem alten Recht wertend gegenübergestellt werden. Wo abweichend von dieser Vorgehensweise unmittelbar das neue Recht den Gegenstand der Beurteilung bildet, wird dies gesondert kenntlich gemacht.

I. Mindestkapital In der Reformdiskussion wird häufig die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Mindestkapitals mit der nach der Existenzberechtigung des Stammkapitals vermischt.201 Beides muss jedoch klar auseinander gehalten werden.202 Wenn man – wie hier – das Stammkapital überhaupt als taugliches Konzept ansieht und deshalb beibehalten möchte, sind für die gesetzliche Bestimmung von dessen Höhe drei Ansätze denkbar:203 (i) Man kann weiterhin, wie dies im Moment in Deutschland und Spanien der Fall ist, eine einheitliche Mindestkapitalziffer gesetzlich für alle GmbH vorschreiben, oder man kann (ii) eine gesetzliche Pflicht statuieren, jede Gesellschaft mit einem dem jeweiligen unternehmerischen Risiko 201 So z. B. ansatzweise Krüger, Mindestkapital, S. 221 ff., der bei der Erörterung der Funktionen des Mindestkapitals auf die Funktion des Eigen- bzw. Stammkapitals als Soliditätsindiz verweist. 202 So auch Schön, Der Konzern 2004, 162 (164). 203 Vgl. dazu auch knapp Oelkers, GesRZ 2004, 360 (364 f.).

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4. Teil: Bewertung

angemessenen Eigenkapital auszustatten, oder man stellt, wie in Frankreich, (iii) die Bestimmung der Höhe des Grundkapitals in das Ermessen der Gesellschafter.204 Will man ein festes Mindestkapital beibehalten, so stellt sich die Frage, wie hoch dieses angesetzt werden soll, um Gesellschafter- und Gläubigerinteressen angemessen zu berücksichtigen. Um beurteilen zu können, ob das geltende Mindestkapital betragsmäßig zu ändern oder grundlegend zu modifizieren ist oder ob sogar die vielfach geäußerte Forderung nach seiner vollständigen Abschaffung gerechtfertigt ist, muss zunächst die Bedeutung dieses Instruments im Gesamtsystem des Stammkapitals erneut in Erinnerung gerufen werden (1.). In einem zweiten Schritt ist sodann die Kritik am Mindestkapital auf ihre Berechtigung hin zu untersuchen (2.), wobei diejenigen Kritikpunkte, die sich eigentlich gegen das Stammkapital an sich richten und daher bereits oben erörtert wurden, hier außer Betracht bleiben können. Abschließend sollen dann Möglichkeiten einer sinnvollen, systemgerechten Reform des Mindestkapitals ausgelotet werden (3.).205 1. Bedeutung des Mindestkapitals im Stammkapitalsystem Das Mindestkapital ist konzeptionell ein elementarer Baustein des gesetzlich abgesicherten Stammkapitals und erfüllt insoweit zumindest theoretisch eine wichtige Gläubigerschutzfunktion.206 Denn die Effektivität des Stammkapitals als Gläubigerschutzinstrument hängt maßgeblich von der Höhe der Stammkapitalziffer im Verhältnis zur konkreten Unternehmensgröße ab. Eine hohe Stammkapitalziffer bedeutet einen erheblichen Risikobeitrag der Gesellschafter, einen komfortablen Krisenpuffer der Gesellschaft und eine zumindest kurzzeitig (anfänglich) beträchtliche Haftungsmasse der Gläubiger. Auch die sonstigen an das bilanzielle Stammkapital anknüpfenden Instrumente greifen bei höherer Stammkapitalziffer früher ein und bewirken damit eine Verbesserung des Gläubigerschutzes. Je höher also das Stammkapital im Einzelfall ist, desto eher ist es in der Lage, alle oder zumindest einige seiner gläubigerschützenden Funktionen zu erfüllen. Die Gesellschafter selbst haben jedoch ein Interesse daran, ihre finanzielle Belastung und damit ihren eigenen Risikobeitrag möglichst gering zu halten. Die Erfahrungen in Frankreich nach Abschaffung des Mindestkapitals zeigen zwar, 204 Eine Freigabe der Stammkapitalziffer in Deutschland war im Referentenentwurf des MiKaTraG von 2004 vorgesehen, vgl. oben, § 7 I. 1. a) aa). 205 Für einen knappen, aber differenzierten Überblick über Vor- und Nachteile des gesetzlichen Mindestkapitals und mögliche Reformschritte vgl. auch Haas, DStR 2006, 993; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (337 ff.); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13. 206 Zur historischen Fundierung des Mindestkapitals der GmbH im Gläubigerschutzgedanken vgl. ausführlich Krüger, Mindestkapital, S. 55 ff.

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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dass es kaum zu Gesellschaftsgründungen mit einem Stammkapital von wenigen Euro kommt, dass aber das durch die freien Marktkräfte ermittelte Minimum sehr niedrig liegt.207 Dementsprechend liegt es nahe, dass der um einen Interessenausgleich zwischen Gläubigern und Gesellschaftern bemühte Gesetzgeber Regelungen zur Höhe des Stammkapitals trifft, wie es in den allermeisten dem kontinentaleuropäischen Modell folgenden Rechtsordnungen geschehen ist. Dem gesetzlichen Mindestkapital kommt somit im System des stammkapitalbasierten Gläubigerschutzes die wichtige Rolle zu, das Mindestschutzniveau festzulegen208 und damit die Grenze zu ziehen, unterhalb derer der Interessenausgleich typisierend als nicht mehr angemessen erachtet wird.209 Diese Funktion des Mindestkapitals lässt sich, parallel zu den o. g. Aufgaben des Stammkapitals insgesamt210, aus zwei Blickwinkeln betrachten: Einerseits bestimmt es das Mindestvermögen der Gesellschaft als Krisenpuffer zu deren Gunsten und als Haftungsfonds zum unmittelbaren Schutz der Gläubiger; andererseits stellt es in Bezug auf die Gesellschafter deren Mindestvermögenseinsatz als Seriositätsgewähr dar.211

207

Vgl. oben, § 8 I. 3. Ebenso Krüger, Mindestkapital, S. 46 f.; Schön, ZHR 166 (2002), 1 (4). 209 Zur Interessenausgleichsfunktion des Mindestkapitals im Spannungsfeld zwischen Haftungsbeschränkung und Gläubigerschutz vgl. auch Wilhelmi, Kapitalerhaltung, S. 82 ff. 210 Vgl. oben, § 10 II. 1. 211 Krüger, Mindestkapital, S. 211 ff. identifiziert neben den hier aufgeführten Funktionen des Mindestkapitals als Mindesthaftungsfonds und -krisenpuffer sowie als Mindestrisikobeitrag der Gesellschafter noch zwei weitere Funktionen: die als Soliditätsindiz und die als Seriositätsschwelle. Zu letzterer ist zu sagen, dass sie nichts anderes ist als der Mindestrisikobeitrag der Gesellschafter und deshalb keine separate Nennung rechtfertigt. Denn der Risikobeitrag garantiert die anfängliche und aufgrund seiner verhaltenssteuernden Wirkung auch die dauerhafte Seriosität der Gesellschafter, solange er im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist. Eine Funktion als Soliditätsindiz kommt dem Mindestkapital hingegen überhaupt nicht zu. Soweit Krüger damit die Senkung der Insolvenzwahrscheinlichkeit der Gesellschaft meint (S. 227), ist dies nichts anderes als die von ihm selbst zuvor erwähnte Verlustpuffer-Funktion (S. 219 ff.). Insofern ist das Mindestkapital aber kein „Indiz“ für wirtschaftliche Solidität, also ein Anzeichen bzw. eine Information an die Gläubiger, sondern der Versuch einer realen Gewährleistung derselben. Eine eigenständige Informationsfunktion im Sinne eines „Indizes“ für die Solidität des Unternehmens oder die Seriosität der Gesellschafter kann und soll das Mindestkapital daneben nicht erfüllen, denn es ist für alle Gesellschaften einheitlich vorgeschrieben, bietet also keinerlei Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen „guten“ und „schlechten“. Das erkennt auch Krüger (S. 227 f.), schließt daraus jedoch nur auf die mangelnde Eignung des Mindestkapitals als Soliditätsindiz und übersieht, dass es eine solche Funktion gar nicht erfüllen soll. Er vermischt hier die Funktionen des Stamm- und des Mindestkapitals: Nur aus der individuellen statutarischen Stammkapitalziffer, nicht aus der allgemeinen gesetzlichen Mindestkapitalziffer, können die Gläubiger – wenn überhaupt – irgendwelche Informationen über ihren Schuldner ableiten. Deshalb muss die Stammkapitalziffer als Informationsinstrument veröffentlicht werden, die Mindestkapitalziffer hingegen spielt bei der Gläubigerinformation keinerlei Rolle, ist also kein irgendwie geartetes „Indiz“. 208

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4. Teil: Bewertung

a) Mindestvermögen der Gesellschaft Das Stammkapital ist im wirtschaftlichen Ergebnis einer betragsmäßig gedeckelten persönlichen Haftung der GmbH-Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden vergleichbar: Bei wirtschaftlicher Betrachtung „haften“ die GmbHGesellschafter im Prinzip mit dem Betrag ihrer Einlage. Dieser Anteil ihres Privatvermögens steht den Gesellschaftsgläubigern zu ihrer Befriedigung zur Verfügung, freilich erst nach der Übertragung in das Vermögen der Gesellschaft. Insoweit ist die Haftungssituation der eines Kommanditisten nicht gänzlich unähnlich. Der wesentliche Unterschied besteht lediglich darin, dass der GmbH-Gesellschafter nur im Innenverhältnis der (Vor-)Gesellschaft gegenüber zur werthaltigen Aufbringung seiner Einlage verpflichtet und im Außenverhältnis grundsätzlich von jeglicher Haftung freigestellt ist, während der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 HGB den Gesellschaftsgläubigern unmittelbar haftet, soweit seine Einlage noch nicht geleistet ist.212 Um die Interessen der GmbH-Gläubiger trotz fehlender Außenhaftung zu wahren, wird die Deckung dieser persönlichen Innenhaftung schon ex ante sichergestellt, indem der Gesellschafter zur anfänglichen Aufbringung zumindest eines Teils seiner Einlagen gezwungen wird. Trotz dieser Ähnlichkeiten in der Haftungssituation ist für die Summe der Gesellschaftereinlagen bei der GmbH gesetzlich eine Untergrenze vorgeschrieben, für die Kommanditisten jedoch nicht. Wenn vom Mindestkapital als „Preis für die Haftungsbeschränkung“ gesprochen wird, so ist dies demnach eine verkürzte Ausdrucksweise: Die Legitimation kann nicht darin liegen dass der einzelne GmbH-Gesellschafter gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG von der persönlichen (Außen-) Haftung freigestellt ist, denn das trifft auf den Kommanditisten jenseits seiner Einlage auch zu. Entscheidend ist vielmehr, dass alle Gesellschafter diesem Haftungsprivileg unterfallen, dass also den Gläubigern kein einziger persönlich haftender Gesellschafter zur Verfügung steht. Während bei der KG den Gesell212 Nur am Rande sei angemerkt, dass deshalb auch die teilweise geäußerte Kritik, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ sei verfehlt, da die Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen, die Gesellschafter aber gar nicht hafteten, überzogen erscheint. So etwa Hüffer, § 152 AktG Rn. 2; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Tiedchen (4. Aufl.), § 42 GmbHG Rn. 2; und ansatzweise auch Barta, GmbHR 2005, 657 (658); Krüger, Mindestkapital, S. 41 mit Fn. 62. Man wird den Vätern der GmbH bei der Wahl dieses Namens wohl kaum eine so grundlegende Verkennung des von ihnen selbst „erfundenen“ Haftungsregimes unterstellen wollen. Der GmbH-Gesellschafter muss im wirtschaftlichen Ergebnis einen Teil seines Privatvermögens für die Befriedigung der Gesellschaftsverbindlichkeiten zur Verfügung stellen, ähnlich wie der Kommanditist, bei dem ohne Bedenken von beschränkter Haftung gesprochen wird. Allein, dieser haftet nach außen, jener nur nach innen. Die Bezeichnung GmbH wäre also nur dann verfehlt, wenn man sie als „Gesellschaft mit beschränkter Außenhaftung“ (miss)versteht, was sie aber weder aussagen soll noch nahe legt. Vgl. etwa auch § 272 Abs. 1 S. 1 HGB: „Gezeichnetes Kapital ist das Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist.“

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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schaftsgläubigern das Privatvermögen des Komplementärs als „Mindesthaftungsfonds“ neben den frei bestimmbaren Kommanditeinlagen (und ggf. dem sonstigen Gesellschaftsvermögen) zur Verfügung steht213, fehlte es an einer solchen Grundsicherung bei der GmbH, wenn der Gesetzgeber kein Mindeststammkapital vorschreiben und dessen werthaltige Aufbringung sicherstellen würde. Die Gesellschaft als allein haftender Rechtsträger soll also – als Korrelat zur Haftungsbeschränkung der Gesellschafter – nur mit einem gewissen Minimum an Vermögen in den Geschäftsverkehr treten können. Dieses Vermögen dient ihr selbst als Anlauffinanzierung und Krisenpuffer und den Gläubigern als Haftungsfonds.214 Das Mindestkapital soll demnach mit anderen Worten gewährleisten, dass das Stammkapital seine Finanzierungsfunktion wie auch seine absolute Garantiefunktion als Haftungsfonds zumindest mit einem Mindestmaß an Effektivität erfüllen kann. b) Mindestvermögenseinsatz der Gesellschafter Neben der Funktion als Mindestkrisenpuffer und -haftungsfonds soll das Mindestkapital auch einen Missbrauch der Haftungsbeschränkung verhindern bzw. zumindest erschweren. Die Haftungsbeschränkung an sich ist ein ökonomisch wünschenswertes Instrument, um die Vereinigung von Personen und Kapital zur Unternehmensgründung zu fördern.215 Dies gilt für die kleine Kapitalgesellschaft nicht weniger als für die Aktiengesellschaft. Die Belastung der Gläubiger mit dem Großteil der unternehmerischen Risiken wird aufgrund einer ökonomischen Gesamtabwägung in Kauf genommen.216 Allerdings birgt diese Risikoverlage213 Zwar können auch natürliche Personen theoretisch vermögenslos sein, jedoch verfügen sie grundsätzlich über eine „natürliche Kreditfähigkeit“ aufgrund ihrer sozialen Stellung und ihrer Arbeitskraft, vgl. etwa Lutter, Kapital, S. 40 f. Zum Gläubigerschutz durch persönliche Haftung näher Wiedemann, GesR I, S. 534 ff. 214 Vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 47, 212 ff. 215 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (434); Lutter, AG 1998, 375. Erstere verweisen allerdings darauf, dass für die ökonomische Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung bei großen Publikumsgesellschaften eher die Ermöglichung einer Diversifizierung von Investitionen maßgebend ist, deren Voraussetzung eine Begrenzung der Haftungsrisiken und eine Trennung von Eigentum und Kontrolle ist. Bei kleinen, personalistischen Kapitalgesellschaften spiele hingegen die persönliche Risikoaversität des Unternehmers, der bei einem Scheitern seiner Unternehmung die persönliche wirtschaftliche Existenzvernichtung gewärtigen müsse, eine stärkere Rolle. Hier diene die Haftungsbeschränkung vor allem dazu, die gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit von Existenzgründungen und die individuelle Risikoabneigung der potentiellen Existenzgründer zu einem Ausgleich zu bringen. 216 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (434), denen zufolge es aus ökonomischer Sicht effizienter sei, das unternehmerische Risiko zumindest teilweise im Wege der Haftungsbeschränkung auf die Gläubiger überzuwälzen, da diese zumindest im Falle von institutionellen Kapitalgebern ihr Risiko leichter diversifizieren könnten als der oder die Betreiber von KMU.

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rung von den Gesellschaftern auf die Gläubiger für letztere spezifische zusätzliche Risiken, die ihnen nicht auferlegt werden sollen, insbesondere das Risiko opportunistischen Verhaltens der Entscheidungsträger (moral hazard).217 Die natürliche Risikoabneigung der Unternehmer kann insoweit durch einen „Risikoanreiz“ ersetzt werden, da besonders risikoreiche Geschäfte mit hoher Renditeaussicht den Gesellschaftern nur nützen und nicht schaden.218 Diese Anreizstruktur bewirkt, dass es zu einer „Negativauslese“ 219 gerade der besonders risikoreichen Unternehmen in der Rechtsform der kleinen Kapitalgesellschaft kommen kann. Für potentielle Kapitalgeber ist es bei einer Vielzahl von kleinen Unternehmen als Schuldner aber nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, sich über die Erfolgsaussichten der jeweiligen Aktivität adäquat zu informieren. Diese Informationsasymmetrie kann wiederum zu einem (Teil-) Versagen des Marktes führen: Auch potentiell rentable Unternehmen haben keinen Zugang mehr zu ausreichendem Fremdkapital, da den Banken das Ausfallrisiko zu hoch ist und sie seriöse nicht von unseriösen Unternehmen unterscheiden können.220 Dem wirken die Fremdkapitalgeber in der Praxis zumeist dadurch entgegen, dass sie Kredite nur unter der Bedingung der Stellung ausreichender persönlicher Sicherheiten durch die Gesellschafter bzw. Geschäftsführer gewähren. Dadurch wird jedoch wiederum die Haftungsbeschränkung in erheblichem Ausmaß ihrer Effektivität beraubt. Hier setzt das gesetzliche Mindestkapital an, indem es den Gesellschaftern einen gewissen eigenen Mindestrisikobeitrag abverlangt.221 Dieser wirkt bei der Unternehmensgründung als „Seriositätsschwelle“ 222 und soll so die Gefahr der beschriebenen Negativauslese verringern.223 Gleichzeitig soll er 217

Vgl. näher oben, § 2 I. 2. Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435); Ross/Westerfield/Jaffe, S. 438 f.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1048 f.); Engert, ZGR 2004, 813 (822 ff.). 219 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435). 220 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435). 221 Vgl. nur Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435). Wiedemann, GesR I, S. 565, spricht treffend von der „Verantwortungsfunktion“ des Mindestkapitals. 222 Kritisch zur diesbezüglichen Existenzberechtigung des Mindestkapitals Bauer, S. 137 f., der anmerkt, im Kapitalismus sei es nicht Aufgabe des Staates, das Interesse des Unternehmers an seinem Unternehmen sicherzustellen. Allerdings lässt sich mit diesem Argument theoretisch jegliche staatliche Maßnahme zum Schutze der Gläubiger delegitimieren, da eine solche immer einen Eingriff in das freie Spiel der Marktkräfte darstellt. Wenn man aber, wie hier, die Notwendigkeit gesetzlicher Gläubigerschutzvorschriften bejaht und gleichzeitig die Risikobeteiligung der Gesellschafter als sinnvolles Mittel zur Reduzierung des moralischen Risikos ansieht, dann darf der Staat auch zum Schutz der Gläubiger eine Mindestrisikobeteiligung als Seriositätsschwelle festlegen. 223 Krüger, Mindestkapital, S. 48, will daneben noch eine weitere Ausschlussfunktion des Mindestkapitals identifizieren: Es schließe nicht nur unseriöse Unternehmer aus, sondern solle auch Unternehmungen, die eine bestimmte Größenordnung nicht erreichen, von der betreffenden Gesellschaftsform fernhalten. Diese Argumentation wird in 218

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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auch während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft als eine Art „Kaution“ 224 eine vollständige Risikoexternalisierung auf die Gläubiger verhindern und damit das moralische Risiko senken, um den Geschäftsverkehr vor einem Missbrauch der Haftungsbeschränkung zu schützen und damit deren Effektivität zu erhalten.225 2. Berechtigung der Kritik am Mindestkapital Kritik am gesetzlichen Mindestkapital226 entzündet sich zunächst an seiner momentanen Höhe, allerdings mit teilweise entgegengesetzter Zielrichtung. Als Instrument zur Sicherung einer ausreichenden Anlauffinanzierung sei es mit einem Betrag von 25.000 Euro vor allem für kleine Dienstleistungsunternehmen zu hoch und damit eine wesentliche Gründungshürde [a)].227 Für fast alle anderen Unternehmen sei der Betrag aber zu niedrig, um zu gewährleisten, dass das Stammkapital als Gläubigerschutz- oder dauerhaftes Finanzierungsinstrument effektiv wirke [b)].228 Nur in wenigen Einzelfällen erfülle das Mindestkapital somit Deutschland wie auch in den anderen beiden hier untersuchten Rechtsordnungen vor allem zur Legitimation des Mindestkapitals der Aktiengesellschaft herangezogen. Bei der kleinen Kapitalgesellschaft erscheint sie jedoch verfehlt. Die hier untersuchten Reformen in Deutschland, Frankreich und Spanien verfolgen allesamt das Ziel, die Attraktivität der kleinen Kapitalgesellschaft auch für kleine und kleinste Unternehmen zu erhalten und zu steigern. Die Ausschlusswirkung des Mindestkapitals gegenüber solchen Unternehmen ist also keineswegs bezweckt, sondern im Gegenteil ein als misslich empfundener Nebeneffekt dieses anderen Zwecken dienenden Instruments. 224 Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (14). Ähnlich Schmidt, GmbHR 2007, 1 (3): „Schutzgebühr“. 225 Nicht zu überzeugen vermag der Hinweis von Krüger, Mindestkapital, S. 231 und 235, nicht das Mindestkapital senke das moralische Risiko, sondern allein die Mindesteinlagepflicht. Zur Begründung führt er an, dass der persönliche Risikobeitrag nur so lange verhaltenssteuernd wirke, wie er im Gesellschaftsvermögen zumindest bilanziell noch vorhanden sei. Sei die geleistete Einlage einmal aufgezehrt, habe der Gesellschafter nichts weiter zu verlieren, und eine noch offene Einlageforderung werde ihn nicht weiter beeinflussen, wenn er kein eigenes Vermögen mehr hat. Diese Argumentation trifft nur für den letztgenannten (Ausnahme-)Fall zu, wenn nämlich der Gesellschafter selbst vermögenslos ist. In den meisten Fällen hingegen wirkt eine noch offene Einlagepflicht ebenso verhaltenssteuernd wie eine geleistete und noch nicht verlorene Einlage. Denn für den nicht insolventen Gesellschafter ist die Aussicht, im Falle des Scheiterns eines risikoreichen Geschäfts seine offene Einlagepflicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erfüllen zu müssen, nicht weniger belastend als der Verlust seiner bereits geleisteten Einlage. Somit kommt dem Mindestkapital insgesamt aufgrund seiner Risikobeteiligungsfunktion regelmäßig so lange eine verhaltenssteuernde Wirkung zu, bis sämtliche Einlagen geleistet wurden und das entsprechende Gesellschaftsvermögen durch Verluste aufgezehrt wurde. 226 Ausführlich oben, § 4 II. 2. a). 227 Verwiesen wird zumeist auf den Einzelunternehmer, der Internet-Dienstleistungen anbietet und dafür lediglich seinen Heimrechner benötigt. 228 Die Kritik, ein Betrag von 25.000 Euro sei zu gering, ist bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass die allermeisten ausländischen Rechtsordnungen das angemes-

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seinen Zweck, im Übrigen sei es nutzlos oder sogar hinderlich. Angesichts der Unmöglichkeit, einen für alle Unternehmen angemessenen Betrag festzulegen, wird dem gesetzlichen Mindestkapital von vielen Kritikern auch jegliche Eignung abgesprochen, eine sinnvolle Abwägung zwischen Investitionsförderung und Gläubigerschutz zu treffen. Als pauschale Bestimmung, welcher Vermögenseinsatz der Gesellschafter mindestens angemessen ist, sei es in jedem Fall willkürlich und zu inflexibel [c)]. Die Bestimmung einer Untergrenze müsse dem Markt überlassen werden. a) Die Gründungserschwernis Als Vorteil einer Freigabe der Stammkapitalziffer wird dementsprechend vor allem angeführt, dass dadurch die Gründung für kleine Unternehmen wesentlich erleichtert würde: Zunächst fiele die Mindesteinlagepflicht als Gründungshürde weg. Außerdem bringen gerade kleine Unternehmen ihr Betriebskapital häufig durch Sachleistungen auf, was aufgrund des strengen Kapitalaufbringungsrechts, insbesondere der obligatorischen gerichtlichen Überprüfung der realen Kapitalaufbringung, zu Kosten und Verzögerungen führt.229 Ohne Mindestkapital könnten diese Unternehmen ihr Stammkapital auf einen symbolischen Euro festlegen und ihr Betriebskapital außerhalb dieser Kontrollmechanismen aufbringen. Dadurch werde die GmbH insgesamt für Unternehmensgründer attraktiver, so dass national eine Stimulierung der Gründungsaktivität und international eine Stärkung der GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen zu erwarten sei. In diesem Zusammenhang muss zunächst klargestellt werden, dass das Mindestkapital nicht zu den Gründungskosten hinzugezählt werden darf.230 Denn es ist, anders als z. B. die Eintragungskosten, für die Gründer nicht verloren, sondern steht ihrem Unternehmen als Betriebskapital zur Verfügung. Es kann also überhaupt nur deshalb als Gründungshürde bezeichnet werden, weil es aus dem Privatvermögen der Gründer aufgebracht werden muss, diesen somit eine gewisse Liquidität abverlangt. Des Weiteren ist die eigentliche finanzielle Gründungshürde nicht das Mindestkapital, sondern die anfängliche Mindesteinlagesene Mindestschutzniveau noch deutlich niedriger ansetzen. Das mag allerdings damit zusammenhängen, dass in anderen Rechtsordnungen das Stammkapital eine weniger bedeutende Rolle als Hauptgläubigerschutzinstrument spielt als in Deutschland. Zumindest für Frankreich und Spanien dürfte dieser Befund angesichts deutlich weiter gefasster Haftungstatbestände und vielfältiger sonstiger Instrumente zutreffen. 229 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (436 f.). 230 So auch Thiessen, DStR 2007, 202 (203). Zuzugeben ist allerdings, dass das Mindestkapital zumindest zum Teil bei der Gründung aufgebracht werden muss und insoweit das Privatvermögen der Gründer belastet, auch wenn die entsprechenden Aktiva ihnen später für die Unternehmenstätigkeit als (gebundenes) Betriebskapital zur Verfügung stehen. Für einen Vergleich der Gründungskosten für kleine Kapitalgesellschaften in ausgewählten Mitgliedstaaten der EU s. Becker, GmbHR 2003, 706 (706 mit Fn. 9).

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pflicht gemäß § 7 Abs. 2 GmbHG. Diese bestimmt, wie viel an Bar- und Sachleistungen von den Gesellschaftern bei der Gründung aufzubringen ist. Das Mindestkapital hingegen regelt nur, wie viel sie insgesamt irgendwann einmal mindestens aufbringen müssen. Zwar knüpft die anfängliche Einlagepflicht an die Stammkapitalziffer an, so dass ihre Untergrenze durch das Mindestkapital bestimmt wird. Die Gründungshürde für Kleinstunternehmer ließe sich aber bereits dann beseitigen, wenn das Mindestkapital in seiner bisherigen Höhe beibehalten und nur die anfängliche Aufbringungspflicht abgeschafft würde, so dass die Einlagen nur mehr irgendwann im Laufe des Lebens der Gesellschaft erbracht werden müssten. Was die Kosten und Verzögerungen aufgrund der Kapitalaufbringungsregeln betrifft, so sind diese ebenfalls kein Problem des Mindestkapitals und können vermieden werden, ohne dieses anzutasten.231 Richtig ist, dass viele Betreiber kleinerer Unternehmen das anfängliche Betriebskapital vornehmlich durch Sachleistungen aufbringen, die unmittelbar dem Unternehmenszweck dienen, etwa Maschinen, Werkzeuge, eine Kundenkartei etc. Unter Geltung eines bedeutenden Mindestkapitals werden sie praktisch gezwungen, diese Sachwerte als Sacheinlagen einzubringen. Denn andernfalls müssten sie zusätzlich zu diesen das Mindestkapital in bar aufbringen, wozu es ihnen möglicherweise an Liquidität fehlt. Damit können sie aber dem nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand von Sacheinlagen nicht entgehen, was ihnen ohne ein gesetzliches Mindestkapital vielfach möglich wäre. Dieser Teil des Gründungsaufwandes kann jedoch auch unter Beibehaltung eines Mindestkapitals vermieden werden, indem z. B. erst im Fall einer Insolvenz die gerichtliche Bewertung der Sacheinlagen verlangt würde.232 Er rechtfertigt also keine Abschaffung des Mindestkapitals. Ein gesetzlich vorgeschriebenes Mindestkapital kann aber auch ohne anfängliche Aufbringungspflicht für kleine Unternehmen, deren Eigenkapitalbedarf die vorgeschriebene Schwelle nicht überschreitet, eine Gründungshürde darstellen, nämlich eine vornehmlich psychologische. Denn die Gründer sehen sich mit der 231 I. E. wie hier Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (437). Zu wünschenswerten Reformschritten in Bezug auf das Kapitalaufbringungsrecht unten, § 11 II. 3. g). Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193 f.), befürchten ferner bei Abschaffung des Mindestkapitals einen Bedeutungszuwachs des Eigenkapitalersatzrechts, da sich GmbH-Unternehmen ohne Mindestkapital noch stärker als bisher über Gesellschafterdarlehen finanzieren würden. Dies erscheint jedoch einerseits weniger problematisch angesichts der umfassenden Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, die viele der früheren Kritikpunkte beseitigt. Und andererseits dürfte zweifelhaft sein, ob die Bedeutung des Eigenkapitalersatzrechts überhaupt wirklich deutlich zunähme. Dies setzt nämlich voraus, dass bisher dem Stammkapital und gerade der gesetzlichen Untergrenze von 25.000 Euro eine wichtige Finanzierungsfunktion zukam, die bei deren Wegfallen durch Gesellschafterdarlehen übernommen werden müsste. Das Stammkapital spielt jedoch auch bisher schon allenfalls für die Anlauffinanzierung eine nennenswerte Rolle, darüber hinaus aber kaum, vgl. oben, § 10 II. 1. a). 232 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (437).

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Aussicht konfrontiert, jedenfalls irgendwann einmal den gesamten Betrag von 25.000 Euro aufbringen zu müssen. Aus rein nationaler Perspektive stehen sie vor der Wahl, entweder eine GmbH zu errichten oder ihr Unternehmen ohne gesetzliches Mindestkapital als Personengesellschaft bzw. Einzelkaufmann zu betreiben.233 Ein wichtiges Unterscheidungs- und damit Entscheidungskriterium ist dabei die Haftungsbeschränkung, die die GmbH bietet. Diese ist für die meisten Unternehmer ein so wichtiger Vorzug, dass das Mindestkapital und die Kapitalschutzregeln in Kauf genommen werden, wie sich an der großen Verbreitung der GmbH zeigt. Zwar stehen inzwischen auch ausländische Rechtsformen mit Haftungsbeschränkung aber ohne Mindestkapital zur Verfügung, doch bestehen hier andere Gründungshindernisse und Hemmschwellen, nicht zuletzt die Sprache, so dass bisher allenfalls die englische Ltd. auf nennenswerte Gründungszahlen in Deutschland kommt. Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft deren Kreditwürdigkeit beeinflusst. Eine Gesellschaftsgründung gänzlich ohne Eigenkapital, das zu diesem Zeitpunkt nur aus Gesellschaftereinlagen bestehen kann, würde somit dazu führen, dass die Gesellschafter persönliche Sicherheiten stellen müssten, um Fremdkapital für die Gesellschaft zu erlangen. Dies verlangt ihnen aber u. U. eine höhere Solvenz ab als die Leistung einer Einlage auf das Mindestkapital.234 Damit lässt sich festhalten, dass das Mindestkapital in seiner jetzigen Form235 durchaus zu Recht als Gründungshürde kritisiert werden kann236, dass diese Kritik jedoch nicht besonders schwer wiegt. Denn seriöse Unternehmer werden sich durch die Pflicht zur Aufbringung eines solchen relativ geringen Betrages237, der zudem nur zur Hälfte bei der Gründung geleistet werden muss und der Gesellschaft als Arbeitskapital zur Verfügung steht, nicht von der Gründung abhalten lassen.238 Allenfalls die Gründung sehr kleiner Unternehmen ohne nennenswerten Kapitalbedarf kann dadurch ernsthaft behindert werden239, und diese könnten 233

Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (434). Vgl. dazu die Kritik an der Abschaffung des Mindestkapitals in Frankreich oben, § 8 I. 2. a). 235 Also mit einem Betrag von 25.000 Euro und hälftiger Mindesteinlagepflicht. 236 Darauf lässt nicht nur die Nachfrage nach der Ltd. schließen, sondern auch die ersten Erfahrungen aus Frankreich, wo viele Unternehmen vor allem im Dienstleistungssektor inzwischen mit einem deutlich niedrigeren Stammkapital als den zuvor vorgeschriebenen 7.500 Euro gegründet werden. 237 Zumindest absolut betrachtet stellt eine Investition von anfänglich 12.500 Euro keine übermäßige Anforderung für die allermeisten Unternehmensgründer dar. Relativ gesehen liegt Deutschland mit seinem Mindestkapital jedoch deutlich über anderen europäischen Rechtsordnungen. 238 So i. E. auch Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (436); High Level Group, S. 88; Schön, Der Konzern 2004, 162 (166); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). 239 Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202 (204). 234

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bereits durch Abschaffung oder Verringerung der Mindesteinlagepflicht entscheidend entlastet werden240 bzw. bedürfen nicht unbedingt einer Rechtsform mit Haftungsbeschränkung. Der Vorwurf der Gründungsbehinderung vermag deshalb die Forderung nach einer gänzlichen Abschaffung des Mindestkapitals jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn es seiner oben erläuterten Bedeutung im Gesamtsystem des Stammkapitals als Bestimmung eines angemessenen Mindestschutzniveaus gerecht wird. Denn dann stehen der Belastung einiger weniger Unternehmensgründer vorrangige gesamtwirtschaftliche Belange gegenüber. b) Das unzureichende Mindestschutzniveau des Stammkapitalsystems Gerade die Schutzfunktion des Mindestkapitals wird jedoch mit dem Argument angezweifelt, dass es für die weitaus überwiegende Mehrzahl der Fälle zu niedrig sei, um die Gläubiger unmittelbar zu schützen oder seriöse von unseriösen Gründungen zu trennen. Träfe die Kritik zu, dann entbehrte die mögliche Behinderung seriöser Gründungen von Kleinstunternehmen im Einzelfall durch das Mindestkapital jeder ökonomischen und rechtspolitischen Legitimation. Die Berechtigung dieses Vorwurfs ist in zwei Schritten zu untersuchen, denn sie betrifft in unterschiedlicher Weise die beiden Funktionen des Mindestkapitals: die Bestimmung des Mindestvermögens der Gesellschaft als Krisenpuffer und Haftungsfonds zum unmittelbaren Schutz der Gläubiger einerseits [aa)] und die auf die Gesellschafter bezogene Seriositätsschwelle andererseits [bb)]. aa) Die Vermögensausstattung der Gesellschaft Was die erstgenannte Rechtfertigung des Mindestkapitals angeht, so mag sie unter den Rahmenbedingungen von 1892 überzeugt haben241, heute ist sie jedoch durchaus zweifelhaft. Ein Stammkapital von 25.000 Euro ist in den wenigsten Fällen ein ausreichender Krisenpuffer oder Haftungsfonds. Selbst bei kleinen Unternehmen übersteigen die Geschäftsrisiken diesen Betrag in aller Regel von Anfang an oder innerhalb kürzester Zeit.242 Damit ist das Mindestkapital in seiner jetzigen Höhe kaum geeignet, die Finanzierung der Gesellschaft oder den unmittelbaren Schutz der Gläubiger in nennenswerter Weise zu befördern.243 240

Dazu näher unten, § 11 II. 3. g) aa). Vgl. nur Ulmer/ders., § 5 GmbHG Rn. 10. Vgl. zum Kaufkraftvergleich der Mindestkapitalziffern von 1892 und heute unten, 4. Teil Fn. 275. 242 Gleichsinnig Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (811); Priester, ZIP 2005, 921 (922); ders., in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich (2005), S. 161 (168); Schön, Der Konzern 2004, 162 (165); Stork, GewArch 51 (2005), 265 (271); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). 243 Ebenso Bauer, S. 135; Krüger, Mindestkapital, S. 212 f. 241

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Eine Funktion als dauerhafter Haftungsfonds für die Gläubiger kann das Stammkapital in seiner geltenden Grundkonzeption aber selbst dann nur begrenzt erfüllen, wenn es relativ hoch angesetzt wird. Denn da es als Betriebskapital verwendet werden darf und soll, ist es gegen Verluste nicht geschützt und damit spätestens in der Insolvenz für die verbleibenden Gläubiger nutzlos.244 Je höher die Stammkapitalziffer ist, desto mehr Gläubiger können allerdings noch vor Eintritt der Insolvenzreife aus dem Eigenkapitalpolster befriedigt werden. Somit hat ein hohes Stammkapital einen gewissen Nutzen als Haftungsfonds. Ähnlich verhält es sich mit der Funktion des Stammkapitals als Finanzierungsinstrument. In seiner geltenden Form verbessert es kaum nennenswert die Eigenkapitalausstattung der GmbH.245 Allerdings kann es, bei entsprechend bedeutender Höhe im Verhältnis zum Unternehmensrisiko, durchaus ein ernstzunehmender Krisenpuffer sein, der die Insolvenzwahrscheinlichkeit senkt.246 Die Bedeutung des Stammkapitals für den Gläubigerschutz und die Höhe der Mindestkapitalziffer verhalten sich also direkt proportional zueinander. Insoweit erscheint die Kritik, die geltende Schwelle von 25.000 Euro sei zu niedrig, als berechtigt. Da der Finanzbedarf der Gesellschaft und der Schutzbedarf der Gläubiger von Fall zu Fall variieren und direkt mit dem Geschäftsrisiko der jeweiligen Unternehmung zusammenhängen, müsste das Mindestkapital optimalerweise dergestalt flexibel festgelegt werden, dass die Stammkapitalziffer stets in einem angemessenen Verhältnis zu den unternehmerischen Risiken des konkreten Projektes stehen müsste, was aber unpraktikabel ist.247 Abhilfe könnte also wohl nur eine deutliche Anhebung des Betrages schaffen, damit wenigstens in der Mehrzahl der Fälle ein angemessener Teil der Geschäftsrisiken abgedeckt werden könnte. Ist eine solche aus anderen Gründen nicht gewollt, vor allem um die Attraktivität der GmbH auch für kleine Unternehmen national wie international nicht zu gefährden248, ist das Mindestkapital jedenfalls insoweit, als es das Mindestniveau der Vermögensausstattung der Gesellschaft bestimmt und dadurch die Gläubiger unmittelbar schützen soll, wenig nützlich.

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Gleichsinnig Krüger, Mindestkapital, S. 217. Vgl. etwa Bauer, S. 139, der darauf hinweist, dass die Eigenkapitalquote in den USA, wo die meisten Einzelstaaten kein Mindestkapital vorschreiben, trotzdem deutlich höher liegt als in Deutschland. Dies zeigt zumindest, dass der Grad der Fremdfinanzierung wesentlich von anderen Faktoren als dem gesetzlichen Mindestkapital beeinflusst wird, jedenfalls solange es nicht bedeutend höher angesetzt wird als nach geltendem Recht. Ähnlich Gloger, S. 397 f. 246 Ebenso Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (13 f.), der zu Recht hervorhebt, dass das Mindestkapital als ex ante wirkendes Instrument die Gläubiger primär vor der Insolvenz und weniger in der Insolvenz schützt. Ähnlich Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 (718 f.), die aber im Ergebnis jedenfalls für die große Kapitalgesellschaft das Mindestkapital für ein ungeeignetes Insolvenzpräventionsinstrument halten. 247 Vgl. näher unten, § 11 I. 3. d). 248 Dazu unten, § 11 I. 3. b). 245

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bb) Die Seriositätsgewähr der Gesellschafter Anders dürfte die Bewertung jedoch im Hinblick auf die Funktion des Stammkapitals als eigener Risikobeitrag der Gesellschafter ausfallen. Der Umstand, dass die Gesellschafter aufgrund des Mindestkapitals einen gewissen Anteil ihres Privatvermögens dauerhaft dem unternehmerischen Zweck zur Verfügung stellen müssen, soll eine Gewähr für ein Mindestmaß an Seriosität des Projektes an sich und der Geschäftspolitik der Entscheidungsträger bieten. Für eine Bewertung dieser Funktion als Seriositätsschwelle ist ein Verweis auf die regelmäßig zu erwartenden Geschäftsrisiken nicht allein maßgebend, anders als für die soeben vorgenommene Beurteilung des erforderlichen Mindestvermögens der Gesellschaft. Vielmehr müssen die Geschäftsrisiken und der diesbezügliche Schutzbedarf der Gläubiger mit der Belastbarkeit der Gesellschafter verglichen und durch die Mindestkapitalziffer zu einem typisiert angemessenen Ausgleich gebracht werden.249 So lässt sich durchaus argumentieren, dass ein Mindestkapital von 25.000 Euro viele unseriöse Gründungen nicht verhindern kann, wenn nämlich der Unternehmer unüberlegt handelt und entgegen jeder Vernunft auf einen Erfolg seines Unternehmens hofft, oder wenn er sich von seiner bewusst missbräuchlichen Verwendung der Rechtsform der GmbH höhere Gewinne verspricht und sich durch das Mindestkapital deshalb nicht von seinem Vorhaben abbringen lässt. Andererseits stellt ein Betrag von 25.000 Euro eine nicht unerhebliche Belastung des Privatvermögens eines typischen mittelständischen Unternehmensgründers dar. Somit erscheint er durchaus als angemessene Hürde, die zwar nicht jedweden Missbrauch verhindern, aber doch einige unseriöse Gründer herausfiltern kann.250 Denn ein seriöser Unternehmer wird nur solche Projekte beginnen, die zumindest für eine gewisse Dauer Erträge abzuwerfen versprechen, so dass der erhoffte Gewinn praktisch immer den anfänglichen Vermögenseinsatz übersteigen wird, zumal auch das eingelegte Stammkapital für ihn nicht verloren ist, sondern als Betriebskapital verwendet werden darf. Der bewusst unseriös handelnde Gründer gibt seinen Vermögenseinsatz demgegenüber von vornherein verloren, wird sein „Projekt“ also nur beginnen, wenn die zu erwartenden Missbrauchsgewinne diesen übersteigen. Und der unbewusst unseriös (unüberlegt) Handelnde wird durch die Pflicht zur Aufbringung eines wesentlichen Betrages u. U. doch noch einmal dazu angehalten, sein Projekt genauer zu durchdenken, bevor er zur Gründung der Gesellschaft schreitet. Hinzu kommt, dass das Mindestkapital Unternehmensaufspaltungen in eine (vermögende) Besitzgesellschaft und eine (vermögenslose, aber allein operativ tätige) Betriebsgesellschaft erschwert.251 249 250 251

Ansatzweise in diese Richtung auch Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (20 f.). So auch Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435). Ebenso Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (436).

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Das Mindestkapital erfüllt also grundsätzlich eine begrenzte aber nützliche Funktion als Seriositätsschwelle.252 Kern dieses Gedankens ist, dass jeder Unternehmer, der in den Genuss der beschränkten Haftung kommen will, durch Aufbringung eines gewissen Stammkapitals zeigen soll, dass er es „ernst meint“ und selbst ein gewisses Vertrauen in seine Gründung setzt. Der geltende Betrag von 25.000 Euro erscheint insoweit auch als nicht unangemessener Ausgleich zwischen der Belastbarkeit der Gesellschafter und dem Schutz der Gläubiger, zumal dem Gesetzgeber insoweit ein relativ weiter rechtspolitischer Typisierungsspielraum zugestanden werden muss. Von der Funktion als anfängliche Seriositätsschwelle zu trennen ist die Bedeutung des persönlichen Risikobeitrags der Gesellschafter als dauerhafte Seriositätsgewähr auch in der laufenden Unternehmensführung.253 Hier erscheint ein Betrag von 25.000 Euro auf den ersten Blick als relativ niedrig, da er bei der großen Mehrzahl der Unternehmen des Mittelstands als Zielgruppe der GmbH nur einen kleinen Bruchteil der Geschäftsrisiken abdeckt. Ist er, wie häufig zu erwarten, schon kurz nach der Gründung aufgebraucht, dann tragen die Gesellschafter kein weitergehendes unternehmerisches Risiko mehr, und die Gefahr opportunistischen Verhaltens besteht praktisch von Anfang an. Ist die Gesellschaft allerdings in der Folge mehr oder weniger erfolgreich – und darauf hofft jeder seriöse Unternehmer –, dann zwingt das Mindestkapital dazu, erwirtschaftete Gewinne zunächst zur Wiederauffüllung des durch Anlaufinvestitionen und -verluste geschmälerten Stammkapitals in der Gesellschaft zu belassen. Insoweit ist das Mindestkapital grundsätzlich wie auch in seiner geltenden Höhe ein geeignetes Instrument des mittelbaren Gläubigerschutzes. Auch als dauerhafte Seriositätsgewähr muss es einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Gläubiger und der Belastbarkeit der Gesellschafter schaffen. Es führt zu einem partiellen Interessengleichlauf zwischen Gläubigern und Gesellschaftern und damit zu einer Reduzierung der aus dem Prinzipal-Agenten-Problem resultierenden Gläubigerrisi-

252 Anders Krüger, Mindestkapital, S. 236: Das Mindestkapital sei keine effektive Seriositätsschwelle, da auch nach einer Erhöhung des Betrages durch die GmbH-Novelle 1980 keine spürbare Verringerung der Insolvenzanfälligkeit der GmbH zu verzeichnen gewesen sei. Dieser Verweis auf die Insolvenzstatistiken trägt jedoch nicht ohne weiteres. Denn erstens ist es denkbar, dass ohne das Mindestkapital noch mehr GmbH-Insolvenzen zu beklagen gewesen wären, was sich seriös weder belegen noch widerlegen lässt angesichts der Vielgestaltigkeit der Gründe für eine Unternehmensinsolvenz. Und zweitens übersteigt der Nutzen des Mindestkapitals bereits dann seine Kosten, wenn einige besonders kapitalschwache oder unseriöse Gründungen verhindert wurden, ohne die übrigen Gründer übermäßig zu belasten. 253 Diese Differenzierung wird häufig übersehen, vgl. etwa zur GmbH-Novelle von 1980 der Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69; Eidenmüller/ Engert, GmbHR 2005, 433 (437); Heidinger, DNotZ 2005, 97 (104); Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (157 f.); Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1369). Wie hier Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (14).

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ken254, ohne die Ausschüttungsmöglichkeiten der Gesellschafter pauschal über Gebühr zu begrenzen. c) Der Willkürvorwurf Wohl das zutreffendste und gleichzeitig schwächste Argument gegen das Mindestkapital besteht darin, dass es inflexibel und willkürlich sei. Eine flexible, an die Bedürfnisse von Gesellschaftern und Gläubigern im konkreten Einzelfall angepasste Festlegung des Vermögenseinsatzes der Gesellschafter ist nicht mit vertretbarem Aufwand und ausreichender Treffgenauigkeit möglich.255 Wenn aber die Alternative nur Abschaffung oder pauschale Festlegung ist und gleichzeitig von einer gesetzlichen Untergrenze für das Stammkapital wünschenswerte gläubigerschützende Wirkungen ausgehen, die die Gesellschafter nicht übermäßig belasten, dann ist die legislative Festlegung allemal vorzugswürdig. Sie ist zweifelsohne „willkürlich“, wie praktisch jede gesetzliche oder richterrechtliche Festlegung fester zahlenmäßiger Grenzwerte.256 Sie kann aber trotzdem wünschenswert sein, vor allem im Hinblick auf Rechtssicherheit und Justiziabilität. Natürlich muss sie sich in den Grenzen eines vernünftigen, typisierten Interessenausgleichs bewegen. Diese lassen aber zumeist eine Bandbreite vertretbarer Lösungen zu, von denen der Gesetzgeber nach seinem Ermessen willkürlich aber sinnvoll eine auswählen darf und muss. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass ein legislatives Eingreifen überflüssig sei, da der Markt selbst zu einem angemessenen Mindestkapital finden würde. Zur Untermauerung dieses Arguments wird zumeist auf England verwiesen, wo es kein Mindestkapital und damit auch keine diesbezüglichen Gründungsbehinderungen gebe, wo aber zumeist schon bald nach der Gründung das Stammkapital freiwillig erhöht werde, um die Kapitalausstattung der Gesellschaft und ihre Kreditwürdigkeit sicherzustellen. Dieses freiwillig aufgebrachte Stammkapital werde dann aber ähnlich gesetzlich abgesichert wie nach dem kontinentalen Modell.257 Es bestehe also offenbar auch ohne gesetzlichen Zwang ein ausreichender Anreiz zur Eigenkapitalbildung. 258 Dagegen spricht jedoch, dass das englische System insgesamt anders funktioniert als das kontinentaleuropäische. Es bestehen teilweise grundlegend andere Anreizstrukturen und nicht zuletzt andere wirtschaftliche Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf den Markt für Fremdkapital. Erhebungen zu Deutschland und Frankreich zeigen, dass kaum ein Anreiz besteht, bei der Gründung eine nennenswerte Stammkapi254

So auch Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (14). Vgl. näher unten, § 11 I. 3. d). 256 Zur Frage solcher „gegriffenen Größen“ in der aktienrechtlichen Spruchpraxis vgl. Fleischer, in: FS Canaris (2007), S. 71 ff. 257 Vgl. Schall, ZIP 2005, 969 (969 f.). 258 Vgl. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517 (1518 f.); Micheler, ZGR 2004, 324. 255

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talziffer freiwillig zu vereinbaren, und dass auch später nur eine Minderheit der Gesellschaften ihr Stammkapital deutlich über die gesetzlich vorgeschriebene Grenze erhöht.259 3. Mögliche Reformschritte Eine Aussage darüber, welche Rolle das Mindestkapital für Gläubiger und Gesellschaftsgründer tatsächlich spielt, ist schwierig.260 Die GmbH ist unbestreitbar die beliebteste Gesellschaftsform in Deutschland. Ob sie dies trotz oder wegen ihres Mindestkapitals ist, lässt sich empirisch nicht feststellen. Auch der vermeintliche Erfolg der mindestkapitallosen Ltd., der ein Indiz für eine gründungshemmende Wirkung des Mindestkapitals sein könnte261, ist nicht durch hinreichend verlässliche Daten belegt und erscheint neuerdings weniger durchschlagend als vielfach behauptet.262 Sicher ist nur, dass die Diskussion von Missverständnissen bzgl. der tatsächlichen Bedeutung des Mindestkapitals beherrscht wird, wie die vorstehende Analyse der Bedeutung des Mindestkapitals und der Berechtigung der dagegen vorgebrachten Kritik zeigt. Wenn das Mindestkapital als Gründungshürde bezeichnet wird, so trifft diese Kritik zwar im Grundsatz zu, allerdings in anderer Form und Schwere als zumeist vorgebracht. Das Mindestkapital hat mit den eigentlichen Gründungskosten nichts zu tun, verhindert nur sehr kapitalschwache Gründungen und bewirkt keine flächendeckende Abwanderung deutscher Unternehmen in ausländische Rechtsformen. Und wenn die Befürworter mit Nachdruck auf die unmittelbar gläubigerschützende Funktion des Mindestkapitals verweisen263, wird dem von Seiten der Kritiker zu Recht entgegengehalten, dass dies bei der momentan geltenden Höhe von 25.000 Euro weit gehend illusorisch sei. Andererseits ist das Mindestkapital für den Gläubigerschutz nicht gänzlich irrelevant, vor allem als anfängliche Seriositätsschwelle zur Verhinderung unseriöser Gründungen und als Gewährleistung einer nennenswerten dauerhaften Risikobeteiligung der Gesell259 Vgl. Kornblum/Hampf/Naß, GmbHR 2000, 1240 (1244), deren stichprobenartiger Erhebung aus den Jahren 1997 und 1999 zufolge ca. ein Drittel der bestehenden GmbH ein das gesetzliche Minimum übersteigendes Stammkapital aufwiesen, während laut Engert, GmbHR 2007, 337 (341); sowie Karsten, GmbHR 2006, 57 (58), sogar nur 11– 13% der Gesellschaften mit einem solchen erhöhten Stammkapital gegründet werden. Zu Frankreich vgl. oben, § 8 I. 3. 260 Vgl. auch Thiessen, DStR 2007, 202 (203). 261 Zum Einfluss des Mindestkapitals auf die Entscheidung von Gesellschaftsgründern zwischen GmbH und Ltd. vgl. Becht/Mayer/Wagner, ECGI Working Paper 70 (2006), S. 20 ff. 262 Vgl. oben, § 10 III. 1. 263 Vgl. exemplarisch die apodiktische Aussage des Rechtsausschusses des Bundesrates in seiner Empfehlung zum RegE MoMiG, BR-Drucks. 354/1/07, S. 7: „Solange Gläubigerschutz und Seriositätsschwelle im GmbH-Recht maßgeblich über das Mindestkapital erreicht werden, verbietet sich jedwede Absenkung desselben.“

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schafter. Im Folgenden ist zu untersuchen, durch welche Reformschritte der berechtigten Kritik am Mindestkapital abgeholfen und gleichzeitig seiner nach wie vor bestehenden Bedeutung im Stammkapitalsystem Rechnung getragen werden kann. a) Abschaffung des Mindestkapitals Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, dass nicht das Stammkapital an sich beim Gläubigerschutz versagt, sondern allenfalls das in der Praxis regelhaft zu niedrige Stammkapital. Wenn das Stammkapital also die ihm zugedachten Gläubigerschutzfunktionen heutzutage nicht mehr hinreichend erfüllt, dann liegt dies nicht zuletzt an der zu niedrigen Untergrenze. Der geltende Mindestbetrag ist kaum geeignet, für die unmittelbaren Gläubigerschutzfunktionen des Stammkapitals ein angemessenes Mindestniveau zu gewährleisten. Man wird aber schwerlich abstreiten können, dass ein im Verhältnis zum Geschäftsumfang beträchtliches Stammkapital durchaus geeignet ist, den Gläubigerschutz zu verbessern.264 Die Gesellschaft wird mit ausreichend gebundenem Vermögen ausgestattet, um Krisen von gewissem Umfang abzufedern, die Gesellschafter werden durch ihren hohen Vermögenseinsatz diszipliniert, und alle gesetzlichen Instrumente, die an die Stammkapitalziffer anknüpfen, etwa die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG265, wirken umso effektiver, je höher das Stammkapital ist. Mit dem Argument, die momentan geltende Untergrenze sei wegen ihrer zu geringen Höhe nutzlos und behindere Gründungen unnötig, lässt sich also jedenfalls eine vollständige Abschaffung des Mindestkapitals nicht ohne weiteres rechtfertigen. Denn eine Freigabe der Stammkapitalziffer würde, wie die Erfahrungen in Frankreich zeigen266, dazu führen, dass regelhaft noch bedeutend niedrigere Stammkapitalziffern statutarisch vereinbart werden. Für diese Fälle müsste der Gesetzgeber den Funktionsverlust des Stammkapitals durch andere Instrumente ausgleichen.267 Ein kompensationsbedürftiger Funktionsverlust ist ande264 Vgl. näher dazu bereits oben, § 10 II. 1. a) mit Fn. 42, mit den Zahlen von Engert, GmbHR 2007, 337 (339), zur Insolvenzwahrscheinlichkeit. Aus ihnen folgt zwar nur ein Zusammenhang zwischen hoher Eigenkapitalquote und niedrigerer Insolvenzanfälligkeit. Das Stammkapital ist jedoch ein Bestandteil des Eigenkapitals, so dass ein hohes gesetzliches Mindestkapital auch zu einer Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der GmbH insgesamt führen würde. 265 Vgl. die stichwortartige Zusammenstellung dieser Instrumente bei Schärtl, GmbHR 2007, 344 (346). 266 Vgl. oben, § 8 I. 3. 267 Dies hat der Gesetzgeber in Frankreich im Interesse einer Deregulierung unterlassen und damit ein Absinken des Gläubigerschutzniveaus in Kauf genommen, was seitens der Literatur kritisiert wird, vgl. oben, § 8 I. 2. a). Gleicher Befund bei Schärtl, Doppelfunktion, S. 140; Wachter, GmbHR 2005, 717 (724 f.). Anders allerdings die Einschätzung von Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (464). Zuzugeben ist, dass das französische Gläubigerschutzmodell schon vor der Abschaffung des Mindestkapitals weni-

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rerseits nur insoweit zu befürchten, wie das Stammkapital tatsächlich sinnvolle Funktionen erfüllt. Für eine Beibehaltung des Mindestkapitals wird z. B. auf die Finanzierungsfunktion des Stammkapitals verwiesen: Jedes Unternehmen brauche ein gewisses Mindestmaß an Anfangskapital, um die Geschäftsaufnahme zu finanzieren. Werde dies nicht durch ein gesetzliches Mindestkapital sichergestellt, würden die Gesellschafter die Anlauffinanzierung nicht durch Einlagen, sondern durch Darlehen aufbringen. Diese würden allerdings durch das Eigenkapitalersatzrecht in Einlagen umqualifiziert, so dass die Abschaffung des Mindestkapitals den Gesellschaftern keinen Vorteil bringe, dafür aber einen Bedeutungszuwachs des komplizierten und dogmatisch fragwürdigen Eigenkapitalersatzrechts. Da also die Gesellschafter so oder so nicht umhin kämen, das notwendige Eigenkapital persönlich aufzubringen und in der Gesellschaft zu belassen, sollte das Mindestkapital als Instrument zur Sicherung einer ausreichenden anfänglichen Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft beibehalten werden.268 Diese Argumentation ist jedoch in doppelter Hinsicht angreifbar. Zunächst wurde bereits oben269 festgestellt, dass die Finanzierungsfunktion des Stammkapitals gering ist und jedenfalls keine umfangreiche, zwingende gesetzliche Regulierung rechtfertigt, da die Finanzierung zu den grundsätzlichen Domänen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit gehört. Für den Unternehmer besteht auch ohne gesetzlichen Zwang ein ausreichender Anreiz, geradezu eine Notwendigkeit, sein Unternehmen mit ausreichenden Eigenmitteln zur Geschäftsaufnahme auszustatten. Unterlässt er dies, dann ist das Unternehmen von Anfang an überschuldet und die Insolvenzantragspflicht greift ein. Eine rein darlehensbasierte Anlauffinanzierung ist also unter den geltenden Insolvenzauslösetatbeständen gar nicht möglich. Hinzu kommt, dass der Verweis, bei einer Darlehensfinanzierung komme das Eigenkapitalersatzrecht zur Anwendung, was aufgrund dessen inhaltlicher und dogmatischer Schwächen nicht wünschenswert sei, nicht überzeugen kann. Er kann möglicherweise eine tief greifende Reform dieses Rechtsgebiets nahe legen270, keinesfalls aber die Beibehaltung einer zwingenden Regelung leger stark auf dem Stammkapital basierte als das deutsche. Allerdings hat die Freigabe des Stammkapitals nichtsdestoweniger zu einem noch weiteren Bedeutungsverlust desselben geführt. 268 So Schärtl, Doppelfunktion, S. 160. Ähnlicher Befund, aber entgegengesetzte Schlussfolgerung bei Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193 f.): Sie befürchten bei Abschaffung des Mindestkapitals einen Bedeutungszuwachs der Gesellschafterfremdfinanzierung und damit des komplizierten bisherigen Eigenkapitalersatzrechts, was den Attraktivitätsgewinn für die GmbH als Rechtsform zunichte mache. Dennoch befürworten sie die Einführung der Ein-Euro-GmbH, allerdings unter gleichzeitiger grundlegender Novellierung des Eigenkapitalersatzrechts, die in ihren Grundzügen der nunmehr durchgeführten Reform im Rahmen des MoMiG entspricht. 269 § 10 II. 1. a). 270 So i. E. auch Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193 f.).

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gitimieren, die die Anwendung eines als problematisch empfundenen Regelungskomplexes verhindert. Der Gesetzgeber kann die Rechtsfolgen der Finanzierungsentscheidungen der Gesellschafter festlegen, aber sie nicht zu einem bestimmten Verhalten zwingen mit dem Argument, dass die Rechtsfolgen der Alternative nicht sinnvoll geregelt sind. Dieses Problem dürfte sich allerdings mit der grundlegenden Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, die viele der Kritikpunkte behebt, ohnehin weit gehend erledigt haben. Die Sicherung einer ausreichenden Anlauffinanzierung des Unternehmens ist damit kein hinreichender Grund für die Aufrechterhaltung der zwingenden Untergrenze für das Stammkapital. Die Unternehmensfinanzierung ist die zentrale Verantwortung und gleichzeitig Prärogative der Unternehmer. Der Verlust der Finanzierungsfunktion des Stammkapitals bei Abschaffung des Mindestkapitals wäre also vertretbar bzw. durch andere Instrumente sinnvoller auszugleichen. Allerdings erfüllt das Stammkapital noch andere, wichtigere Funktionen, insbesondere die einer persönlichen Risikobeteiligung der Gesellschafter. Auch diese würden aber in ihrer Wirkung reduziert, wenn die gesetzliche Untergrenze wegfiele. Kurz gesagt würde eine Abschaffung des Mindestkapitals das Stammkapital insgesamt in die Bedeutungslosigkeit führen, jedenfalls was den Gläubigerschutz betrifft.271 Sie lässt sich folglich nur vertreten, wenn man dem Stammkapital eine fortdauernde Existenzberechtigung als wichtiges Gläubigerschutzinstrument insgesamt abspricht. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn vor allem als Instrument zur Herstellung eines partiellen Interessengleichlaufs zwischen Gesellschaftern und Gläubigern und zur Bekämpfung des moralischen Risikos spielt das Stammkapital nach wie vor eine wichtige Rolle im Gesamtsystem des Gläubigerschutzes kontinentaleuropäischer bzw. deutscher Prägung. Auch aus rechtsökonomischer Sicht erscheint eine Abschaffung des Mindestkapitals nicht angezeigt. Denn den Befürwortern einer Änderung des bestehenden Systems obläge es insoweit nachzuweisen, dass das Mindestkapital gesamtwirtschaftlich ineffizient ist und die Kosten den Nutzen überwiegen. Dieser Nachweis konnte bislang nicht auf der Basis empirischer Befunde überzeugend geführt werden. Bisherige Studien hierzu führen vielmehr zu teilweise gegenläufigen Ergebnissen272, so dass sich insoweit ein „argumentatives Patt“ 273 einge271 Ähnlich Priester, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 1 (8 ff.). 272 Vgl. etwa einerseits Freedman, 63 Mod. L. Rev. 317, 335 ff. (2000), für eine positive Beurteilung; kritisch andererseits Armour, 63 Mod. L. Rev. 355, 357 f., 371 f. (2000); sowie knapp auch Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153), mit dem nicht weiter spezifizierten Hinweis auf die „erhebliche[n] Transaktions- und Opportunitätskosten“, die das deutsche Kapitalschutzrecht und das Mindestkapital als Bestandteil dessen verursachten. 273 Fleischer, ZGR 2001, 1 (13).

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stellt hat. Zudem bestehen auch grundsätzlich Zweifel, inwieweit mit den existierenden Methoden der ökonomischen Analyse des Rechts und dem zur Verfügung stehenden empirischen Datenmaterial überhaupt verbindliche Aussagen zu einem Einzelaspekt einer komplexen Rechtsmaterie wie der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft gewonnen werden können.274 b) Erhöhung des Mindestkapitals Die nächstliegende Möglichkeit, der Erosion des Stammkapitalsystems entgegenzuwirken, bestünde in einer signifikanten Anhebung des Mindestkapitals. Nur so könnte gewährleistet werden, dass das Stammkapital auch bei höheren Geschäftsvolumina eine ansatzweise angemessene finanzielle Grundlage für die Gesellschaft und einen nennenswerten Haftungsfonds für die Gläubiger darstellt. Eine Größenordnung von 100.000 Euro erscheint insoweit eher noch als zu niedrig denn als zu hoch gegriffen, zumal sie in der Kaufkraft immer noch weit hinter dem ursprünglichen Mindestkapital von 1892 zurückbliebe.275 Allerdings stehen dem legitime gesamtwirtschaftliche Interessen entgegen. Jede Erhöhung des Mindestkapitals bedeutet eine stärkere Belastung der Gesellschafter und damit wirtschaftlich eine Entwertung des Haftungsprivilegs. Dadurch würde die GmbH gerade für kleinere und auch manche mittlere Unternehmen unattraktiv.276 Sie hätten damit keinen Zugang mehr zu einer haftungsbeschränkten deutschen Rechtsform, die GmbH würde ihre Rolle als flexible Rechtsform mit einer sehr weiten Bandbreite an Verwendungszwecken und damit als Instrument zur Förderung von Unternehmertum, Innovation und Wettbewerb weit gehend einbüßen.277 Auch die Gläubiger würden nur begrenzt von dieser Maßnahme profitieren. Denn selbst ein signifikant höheres Mindestkapital führt nicht dazu, dass den Gläubigern bis in die Insolvenz ein garantierter Haftungsfonds zur Verfügung steht. Diese Funktion kann das Stammkapital unabhängig von seiner Höhe nicht 274 Vgl. Armour, 63 Mod. L. Rev. 355, 358 (2000); Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (437); Fleischer, DStR 2000, 1015 (1019); Merkt, ZGR 2004, 305 (322); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (14 f.). 275 Bei Einführung des GmbHG im Jahre 1892 wurde das Mindestkapital auf 20.000 Mark festgelegt. (In der Literatur ist teilweise von „Reichsmark“ die Rede, vgl. etwa Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189. Dies ist jedenfalls für den Zeitpunkt der Einführung der GmbH unzutreffend. Die Währung des Deutschen Kaiserreichs hieß offiziell Mark, vor allem nach 1914 halboffiziell auch Goldmark. Die Reichsmark wurde hingegen erst 1924 eingeführt.) Der Kaufkraft nach entspräche dies im Jahre 2006 etwas mehr als 185.000 Euro. Quelle: Umrechnungstabelle auf http://home.arcor.de/fredrik. matthaei/HVV/kaufkraft.htm, unter Verweis auf Informationen des Hamburger Staatsarchivs. Vgl. auch Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 159 (161), dem zufolge 20.000 Mark im Jahre 1892 den Kauf einer relativ noblen Villa ermöglichten, während 50.000 DM im Jahre 1980 nur noch für eine kleine Eigentumswohnung ausreichten. 276 Ebenso Krüger, Mindestkapital, S. 257. 277 Vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 257.

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wirksam erfüllen, da es nicht gegen wirtschaftliche Verluste gesichert ist. Zudem steht den Gesellschaftern heutzutage – anders als bei Einführung der GmbH – der Weg in ausländische Rechtsformen ohne Mindestkapital offen. Eine deutliche Anhebung des Mindestkapitalbetrages würde also in der Praxis kaum zu einer Verbesserung des Gläubigerschutzes führen, sondern eher zu einem Rückgang kleiner Unternehmensgründungen und einem verstärkten Abwandern in ausländische Rechtsformen. Eine Erhöhung des Mindestkapitals auf einen Betrag, der dem Stammkapital in der Mehrzahl der Fälle eine effektive Rolle als finanzielle Basis des Unternehmens und als Haftungsfonds für die Gläubiger sichert, ist demnach nicht ohne Nachteile an anderer Stelle möglich, die die gewünschten Vorteile überwiegen würden. c) Das „akkumulierende Stammkapitalkonzept“ Die Nachteile einer Erhöhung des Mindestkapital vermeiden und gleichzeitig ihre Vorteile erreichen will der Vorschlag des „akkumulierenden Stammkapitalkonzepts“ (ASK), indem er das Mindestkapital bei der Gründung relativ niedrig ansetzt und seine spätere Erhöhung durch Gesellschaftsgewinne vorsieht. In der Sache geht es darum, die anfängliche Belastung der Gründer zu reduzieren, ohne Einbußen bei der Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft und dem bilanzorientierten Schutz der Stammkapitalziffer hinnehmen zu müssen. Diese Idee klingt zunächst attraktiv, scheint sie doch dem Stammkapital seine wesentlichen traditionellen Funktionen zu erhalten, ohne die Gesellschafter übermäßig zu belasten. Bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch verschiedene Einwände. Zunächst führt das ASK nicht zu einer Stärkung der Finanzierungsfunktion des Stammkapitals. Es sieht einen verminderten „Einstiegsbetrag“ vor, und nur dieser ist von den Gesellschaftern aufzubringen. Der über das anfängliche Mindestkapital hinausgehende, „akkumulierte“ Betrag muss von der Gesellschaft selbst erwirtschaftet werden, setzt also ein florierendes Geschäft voraus. Er ist damit im Grunde eine gesetzliche Rücklage der Gesellschaft, die allerdings zwingend und automatisch für eine Kapitalerhöhung verwendet wird. Der Vorteil gegenüber einer Rücklage, wie sie in § 5a Abs. 3 GmbHG n. F. für die UG (haftungsbeschränkt) vorgeschrieben wird, besteht zwar darin, dass sich die Stammkapitalziffer erhöht, dass also die Ausschüttungsbegrenzung wie auch die anderen an das Stammkapital anknüpfenden Gläubigerschutzmechanismen gestärkt werden. Dieser Vorteil verpufft jedoch vollkommen, wenn die Gesellschaft nie nennenswerte Gewinne erwirtschaftet hat. Dann steht sie finanziell u. U. schlechter als nach bisherigem Recht, da die Gesellschafter ihr nur den verminderten Anfangsbetrag zur Verfügung stellen mussten. Darüber hinaus vermag das ASK nichts daran zu ändern, dass auch das akkumulierte Stammkapital kein garantierter Haftungsfonds für die Gläubiger ist, der gegen wirtschaftliche Verluste abgesichert wäre. In der Insolvenz steht es ge-

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nauso wenig zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung wie das geltende Stammkapital. Damit führt das ASK auch nicht zu der behaupteten Stärkung der Informationsfunktion der Stammkapitalziffer. Denn eine solche unterhalb des akkumulierten gesetzlichen Deckelbetrages besagt letztlich nur, dass die Gesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt einmal Gewinne erwirtschaftet hat. Ihr lässt sich aber kein Hinweis auf eine aktuell positive wirtschaftliche Lage entnehmen. Das Problem des Stammkapitals insgesamt, dass ein fester Betrag auf der Passivseite der Bilanz keine Aussage über die vorhandenen Aktiva erlaubt, wird also durch das ASK nicht behoben oder verringert. Dafür bringt es neue Belastungen und Unklarheiten mit sich. Denn es schränkt die Gewinnverwendung der Gesellschafter zumindest bis zum Erreichen des Deckelbetrages deutlich ein, obwohl gerade die diesbezügliche Großzügigkeit des GmbH-Rechts ein bedeutender Vorzug gegenüber der AG und ausländischen Rechtsformen ist.278 Fraglich ist auch, inwieweit eine Kapitalherabsetzung vor oder nach Erreichen des Deckelbetrages unter denselben möglich ist. Auf diesem Wege ließe sich der durch das ASK bezweckte Gläubigerschutz unterlaufen. Während das ASK also die Finanzierungs- und Informationsfunktion des Stammkapitals ebenso wenig nennenswert zu stärken vermag wie seine Bedeutung als Haftungsfonds für die Gläubiger, führt es an anderer Stelle zu einer maßgeblichen Verwässerung des geltenden Systems. Bisher ist nämlich das Stammkapital insgesamt der persönliche Risikobeitrag der Gesellschafter, der auf diese verhaltenssteuernd einwirkt und den Gläubigern als Seriositätsindiz offen gelegt wird. Nach dem ASK hingegen müssen die Gesellschafter nur noch den verminderten Einstiegsbetrag aus ihrem Privatvermögen aufbringen, der Rest wird durch Gesellschaftsgewinne – sofern vorhanden – akkumuliert. Damit wird das Stammkapital als Instrument zur Reduzierung des moralischen Risikos geschwächt, und die Gläubiger werden in die Irre geführt, da die publizierte Stammkapitalziffer keine Aussage mehr über die persönliche Risikobeteiligung der Gesellschafter trifft. Insgesamt führt das ASK damit eher zu einer Schwächung denn zu einer Stärkung des Stammkapitalsystems. Es nützt den Gläubigern nur dann, wenn sie ohnehin nicht sonderlich schutzbedürftig sind, wenn nämlich die Gesellschaft solide Gewinne verzeichnet.

278 Dies trifft gleichermaßen auf die unten, § 11 III. 2. a), angeregte Einführung einer gesetzlichen Rücklage entsprechend dem französischen Recht zu. Insofern ist es kein entscheidendes Argument gegen das ASK, da eine Gewinnthesaurierung unbestreitbar positive Auswirkungen auf die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft und auf den Gläubigerschutz hat. Allerdings bringt das ASK neben diesen Vorteilen auch die genannten Nachteile mit sich, ist also zur Rechtfertigung der Beschränkung der Freiheit der Gesellschafter weniger geeignet als eine reine Rücklagenregelung, die diese Nachteile vermeidet.

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d) Einzelfallbezogenes Mindestkapital Die Nachteile einer pauschalen Anhebung der Mindestkapitalziffer ebenso wie die des ASK vermeidet der Vorschlag einer einzelfallbezogenen, flexiblen Untergrenze, die ein im Verhältnis zu den jeweiligen unternehmerischen Risiken angemessenes Mindestkapital vorschreibt.279 Er trägt der Erkenntnis Rechnung, dass sich die Bedeutung des Mindestkapitals nicht absolut bestimmen lässt, sondern immer vom konkreten Unternehmen, seinem Geschäftsumfang und seinen Risiken abhängt. Genauer gesagt verhalten sich die Effektivität des Mindestkapitals als Krisenpuffer und Haftungsfonds wie auch seine belastende Wirkung als Gründungshemmnis umgekehrt proportional zur Unternehmensgröße.280 Den Gläubigern größerer Unternehmen bietet angesichts der Dimension der geschäftlichen Risiken ein Mindestkapital von 100.000 Euro genauso wenig Schutz wie eines von 25.000 oder 10.000 Euro. Andererseits schreckt es solche Unternehmen in der Regel auch nicht von der Wahl der Rechtsform der GmbH ab. Wenn sie in ausländische Rechtsformen ausweichen, tun sie dies zumeist nicht wegen des fehlenden Mindestkapitals, sondern um den strengen deutschen Kapitalschutzregeln oder der Mitbestimmung zu entgehen.281 Für kleine und kleinste Unternehmen hingegen, insbesondere die zur Begründung der Absenkung des Mindestkapitals herangezogenen Dienstleister, mag das Mindestkapital im Einzelfall eine gewisse Funktion als Krisenpuffer erfüllen, was jedoch nur bei einem sehr geringen Geschäftsumfang zutreffen wird. Jedoch ist es für sie unter Umständen tatsächlich eine gewisse Gründungshürde, jedenfalls wenn mindestkapitallose, haftungsbeschränkte Alternativen wie die Ltd. zur Verfügung stehen. Dieser Vorschlag setzt allerdings voraus, dass sich in jedem Einzelfall mit ausreichender Klarheit ermitteln lässt, wie eine „angemessene“ Eigenkapitalausstattung auszusehen hätte. Der ökonomischen Finanzierungstheorie ist es jedoch bisher nicht gelungen, hinreichend bestimmte und justiziable Regeln hierfür aufzustellen.282 Sie liefert allenfalls unverbindliche Indizien für eine gesunde Kapitalstruktur, deren Verlässlichkeit nach Art und Umfang der Unternehmenstätigkeit variiert und insgesamt begrenzt ist.283 Ohne eine solide wirtschaftswissenschaftliche Grundlage in Form von belastbaren Kennzahlen würde ein ein-

279

Vgl. oben, § 7 II. 1. d). Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202 (204). 281 Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202 (204). 282 Ebenso BGHZ 31, 258 (268); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (394 f.). Ausführlich dazu Krüger, Mindestkapital, S. 262 ff. 283 Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 84; sowie zur AG Schmidt/Lutter/ Fleischer, § 7 AktG Rn. 7 m.w. N. Zu dieser Problematik im Zusammenhang mit der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung oben, § 4 I. 7. 280

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zelfallbezogenes Mindestkapital aber große Rechtsunsicherheit verursachen.284 Den Gesellschaftern würde im Fall des Scheiterns des Unternehmens eine im Voraus nicht überschaubare Nachschusspflicht drohen, so dass die Haftungsbeschränkung entwertet und das Ziel eines gerechten Interessenausgleichs zwischen ihnen und den Gesellschaftsgläubigern verfehlt würde.285 Auch eine administrative Festlegung des benötigten Mindestkapitals im Einzelfall, wie sie z. B. bei der Banken- und Versicherungsaufsicht existiert, ist wegen des bürokratischen Aufwandes bei über 60.000 jährlich neu eingetragenen GmbH praktisch nicht durchführbar und würde zu einer Behinderung der unternehmerischen Initiative führen.286 Ähnliches gilt für eine gesetzliche Festlegung gestaffelter Mindestkapitalwerte nach Branchen oder Betriebsstruktur. Bei geringer Differenzierung wäre sie so grob, dass sie die mangelnde Zielgenauigkeit einer einzigen pauschalen Ziffer kaum verbessert. Bei einer feineren Unterscheidung ist aber wiederum der Aufwand für die Bestimmung der einzelnen Werte sehr hoch, zumal sich in Ermangelung solider betriebswirtschaftlicher Grundlagen kaum wirklich „gerechte“ Werte finden lassen würden.287 Neben der fehlenden Bestimmbarkeit des jeweils angemessenen Stammkapitalbetrages begegnet dieser Ansatz aber auch noch anderen grundlegenden Bedenken. Eine Regelung, die ein individuell angemessenes Stammkapital nur bei der Gründung vorschreibt, ließe sich leicht durch spätere Ausweitungen des Geschäftsgegenstandes umgehen. Eine Verpflichtung zur dauerhaften Ausstattung der Gesellschaft mit einem angemessenen Stammkapital wiederum würde zu einer prinzipiell unbegrenzten Nachschuss- bzw. Verlustdeckungspflicht der Gesellschafter führen, die die Haftungsbeschränkung vollkommen leer laufen ließe.288 e) Absenkung des Mindestkapitals Die bisher diskutierten Reformansätze – mit Ausnahme des Vorschlags, das Mindestkapital gänzlich abzuschaffen – basieren allesamt auf der Erkenntnis, dass das Mindestkapital in seiner derzeitigen Höhe nicht geeignet ist, als Mindestvermögen der Gesellschaft eine nennenswerte Funktion als Krisenpuffer und Haftungsfonds zu erfüllen. Sie versuchen deshalb, diese Funktion zu stärken. Eine pauschale Erhöhung des Mindestkapitals kommt hierfür jedoch nicht in Frage, weil sie die Gesellschafter zu sehr belasten und Gründungen über Gebühr 284 Deshalb wurde die Einführung einer solchen Regelung auch im Rahmen der GmbH-Novelle von 1980 verworfen, vgl. BT-Drucks. 6/3088, 110. 285 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (395). 286 Vgl. Kübler, WM 1990, 1853 (1855). 287 So auch Krüger, Mindestkapital, S. 259. 288 Vgl. Bauer, S. 128; Krüger, Mindestkapital, S. 260 f.

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erschweren würde. Die Vorschläge einer Aufspaltung in einen „Einstiegsbetrag“ und einen später zu erreichenden „Deckelbetrag“ bzw. einer flexiblen, an das jeweilige Unternehmen angepassten Untergrenze vermeiden dieses Problem, sind jedoch aus anderen Gründen abzulehnen. Wenn aber kein Versuch, die Funktion des Mindestkapitals als Haftungsfonds und Krisenpuffer zu stärken, Erfolg verspricht, dann bleibt nur, sich von diesen beiden Funktionen letztlich zu verabschieden, da es offenbar unmöglich ist, sie im Rahmen eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Gesellschaftern und Gläubigern gesetzlich durchzusetzen. Das hat gleichzeitig zur Folge, dass auch die Funktionen des Stammkapitals insgesamt neu bewertet werden müssen. Wenn die gesetzliche Untergrenze nicht gewährleistet, dass das Stammkapital auch nur ansatzweise eine ausreichende finanzielle Basis der Gesellschaft und einen Haftungsfonds für die Gläubiger darstellt, dann kann es weder eine Finanzierungsfunktion noch eine absolute Garantiefunktion für die Gläubiger erfüllen.289 Dieser Funktionsverlust muss in der gesetzlichen Ausgestaltung des Gläubigerschutzes anerkannt und berücksichtigt werden. Damit verbleibt für das Stammkapital als wesentliche Gläubigerschutzfunktion nur die eines verhaltenssteuernden Risikobeitrages der Gesellschafter zur Senkung des moralischen Risikos.290 In diesem System spielt das Mindestkapital nur mehr die Rolle der Seriositätsschwelle, die den Gesellschaftern eine Mindestbeteiligung abverlangt und es ihnen dadurch unmöglich macht, das unternehmerische Risiko vollständig zu externalisieren.291 Damit erscheint die Berechtigung des geltenden Betrages von 25.000 Euro ebenso wie die Pläne für eine Absenkung in neuem Licht. Für die Funktion als Seriositätsschwelle reicht ein deutlich niedrigerer Mindestkapitalbetrag aus als für die Finanzierungs- und Haftungsfondsfunktion.292 Denn der Stammkapitalbetrag als reine Bezifferung der Risikobeteiligung der Gesellschafter darf nicht mehr mit der Summe der Geschäftsrisiken in Beziehung gesetzt (und insoweit als zu niedrig kritisiert) werden, sondern er muss mit der Leistungsfähigkeit der Gesellschafter verglichen werden. Es kommt nicht darauf an, ob das Stammkapital das unternehmerische Risiko möglichst weit gehend abdeckt, sondern darauf, dass der Gesellschafter einen im Verhältnis zu seinen Möglichkeiten angemessenen Risikobeitrag leistet. Dieser muss so hoch sein, dass er die gewünschte verhaltenssteuernde Wirkung entfalten 289

Vgl. dazu bereits oben, § 10 II. 1. a) und b) aa). Vgl. oben, § 10 II. 1. b) bb). 291 Selbstverständlich trägt das Mindestkapital praktisch auch weiterhin zur Anlauffinanzierung des Unternehmens bei. Dies sollte jedoch als wünschenswerter Nebeneffekt und nicht als Ziel des Mindestkapitals verstanden werden. Denn eine grundsätzlich angemessene finanzielle Mindestausstattung lässt sich mit einem vertretbaren Mindestkapitalbetrag für die meisten Unternehmen nicht erreichen. 292 So auch Krüger, Mindestkapital, S. 257; Lutter, in: FS Riesenfeld (1983), S. 165 (169). 290

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kann, muss also für den typisierten GmbH-Gesellschafter eine nicht gänzlich unbeträchtliche Leistung aus seinem Privatvermögen darstellen. Er darf aber gleichzeitig nicht zu hoch sein, um den Wert der Haftungsbeschränkung als Instrument der Investitions- und Innovationsförderung zu erhalten. Der Gesetzgeber muss also bei der Bestimmung des Mindestkapitalbetrages eine Abwägung zwischen Gläubigerschutz und Investitionsförderung treffen, eine typisierte Balance zwischen den unternehmerischen Risiken und der Belastbarkeit der Gesellschafter unter Wahrung der Haftungsbeschränkung finden. Die unternehmerischen Risiken weichen dabei sehr stark von Fall zu Fall ab. Sie sind jedoch, wie gesagt, nicht das entscheidende Kriterium; dieses ist die Leistungsfähigkeit des typisierten GmbH-Gesellschafters. Hier erscheint ein Betrag von 25.000 Euro nach dem bisher Gesagten ohne weiteres geeignet, vor allem angesichts des relativ weiten Typisierungsspielraums des Gesetzgebers. Der Betrag ist hoch genug, um für die meisten Unternehmer zu einer spürbaren Beanspruchung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit zu führen. Er wirkt damit als eine gewisse Seriositätsschwelle. Gleichzeitig ist er nicht so hoch, dass er regelmäßig auch seriöse Gründer abschrecken dürfte.293 Auch dem zwischenzeitlich geplanten Betrag von 10.000 Euro wird man nicht jede Wirkung als Seriositätsschwelle absprechen wollen. Er liegt deshalb noch innerhalb des gesetzlichen Typisierungsspielraums, auch wenn seine Effektivität zweifelsohne geringer ist als die geltende Schwelle. f) Stellungnahme Nach dem Gesagten ist eine Reform des Mindestkapitals nicht unbedingt dringlich294, auch wenn sie in der öffentlichen Wahrnehmung295 einen übermä-

293 Wie bereits oben, § 11 I. 1, erläutert, ist insoweit die anfängliche Mindesteinlagepflicht vom Mindestkapital zu unterscheiden. Nur erstere bestimmt den Umfang der unmittelbaren finanziellen Belastung der Gesellschafter bei der Gründung und ist damit die bedeutendere Gründungshürde. 294 Ähnlich die Einschätzung von Merz/Gottschalk, GmbHR 2006, R 1 (R 1 f.), denen zufolge das eigentliche Problem nicht in dem Erfordernis der Aufbringung eines Mindestkapitals von 25.000 Euro liegt, sondern „in der schwer durchschaubaren Rechtslage, die zum Schutze dieses Konzepts entstanden ist.“ Eine Absenkung der Mindestkapitalziffer sei deshalb kaum von Nutzen, es gehe bei der GmbH-Reform vielmehr „ganz grundsätzlich um die Frage: Stammkapital – Ja oder Nein?“ Ähnlich Schmidt, GmbHR 2007, 1 (3): „von eher marginalem Interesse“. 295 Vgl. nur die Spekulationen in der Tagespresse lange vor Veröffentlichung des ersten MoMiG-Entwurfes, z. B. Hasselmann, Börsenzeitung vom 27.04.2005, S. 2; Eilmann/Seulen, FAZ vom 03.05.2005; Handelsblatt vom 06.04.2005, S. 9. Die Schlagzeilen verkündeten dabei innerhalb weniger Wochen sowohl „Ein-Euro-GmbH soll erlaubt werden“ (FAZ vom 09.02.2005, S. 11) als auch „Justizministerium erwägt eine Verdopplung des Stammkapitals für GmbH“ (Berliner Zeitung vom 17.03.2005). Zum MindestkapG auch Jahn, FAZ vom 02.06.2005, S. 11.

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ßig breiten Raum einnimmt.296 Seine Abschaffung ist jedenfalls abzulehnen.297 Dies gilt gleichermaßen für eine offene Freigabe des Stammkapitalbetrages nach französischem Vorbild wie für die Reform im Rahmen des MoMiG, die die Abschaffung als „Rechtsformvariante“ der GmbH tarnt.298 Denn die Thesaurierungspflicht des § 5a Abs. 3 GmbHG n. F., als Kompensation für das fehlende Mindestkapital gedacht, kann dessen Funktion als Bestimmung eines Mindestschutzniveaus für das Stammkapitalsystem nicht übernehmen, vor allem da der entsprechende Vermögensgrundstock aus Gesellschaftsgewinnen gebildet wird. Er stellt damit keinen persönlichen Risikobeitrag der Gesellschafter aus ihrem Privatvermögen dar, sondern nur einen temporären Verzicht auf einen Teil der möglichen Ausschüttungen. Insoweit tragen also allein die Gläubiger das Risiko, dass die Gesellschaft niemals nennenswerte Gewinne abwirft. Gerade die verhaltenssteuernde Wirkung des persönlichen Risikobeitrags der Gesellschafter stellt aber die entscheidende Gläubigerschutzfunktion des Stammkapitals und des Mindestkapitals als dessen Untergrenze dar und sichert das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Rechtsform der GmbH. Eingedenk der Funktionen, die das Stammkapital erfüllt und sinnvollerweise erfüllen kann, der Rolle des Mindestkapitals in diesem Gesamtsystem und der Belastung, die es für die Gesellschafter bedeutet, erscheint eine Beibehaltung des geltenden Betrages ohne weiteres vertretbar. Er bewegt sich innerhalb der Spanne eines typisierend angemessenen Interessenausgleichs, der das Bedürfnis nach einer Seriositätsschwelle mit dem wirtschaftlich sinnvollen Wunsch auch kleiner Unternehmen nach Zugang zur Haftungsbeschränkung in Einklang bringen muss.299 Selbst eine moderate Erhöhung zur Stärkung der verbleibenden Gläubigerschutzfunktion als Seriositätsschwelle kann mit guten Gründen befürwortet werden.300 Sie würde einen Missbrauch der GmbH erschweren, und die Belas-

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Wie hier Bayer, ZGR 2007, 220 (232); Seibert, GmbHR 2006, R 241 (R 242). I. E. ebenso etwa Kleindiek, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 45 (P 70); Merkt, ZGR 2004, 305 (323). Das Fehlen eines Mindestkapitals bei der UG (haftungsbeschränkt) bei gleichzeitiger Geltung des beschränkten Haftungsregimes der „klassischen“ GmbH mit rechtsökonomischer Argumentation kritisierend auch Leyendecker, GmbHG 2008, 302. 298 Dass die Einführung der UG (haftungsbeschränkt) das Mindestkapital zu einer bloßen Option degradiert und damit nichts anderes ist als die Abschaffung der zwingenden Untergrenze, wurde bereits oben, § 7 I. 1. a) bb), erläutert. UG (haftungsbeschränkt) und GmbH unterscheiden sich, abgesehen vom Mindestkapital, praktisch nicht voneinander, so dass kein besonderer Anreiz besteht, die „normale“ GmbH mit Mindestkapital anstelle der UG (haftungsbeschränkt) zu wählen. Dies ist in Spanien anders, wo aufgrund der zahlreichen Restriktionen bei der Verwendung der S.L.N.E. gute Gründe für die Wahl einer S.L. sprechen können. 299 Ähnlich Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). 300 In diese Richtung etwa Baldamus, S. 85 ff.; Merkt, in: VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion (2000), S. 111 (113). Andeutungsweise auch Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). 297

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tung für die Gründer könnte gleichzeitig anderweitig, etwa durch Absenkung der Mindesteinlagepflicht, in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden. Eine Absenkung des Mindestkapitals zur Gründungserleichterung ist dementsprechend nicht unbedingt notwendig. Sie nützt ohnehin nur sehr kleinen, kapitalschwachen Gründungen, führt aber zu einer Schwächung der Effektivität des Mindestkapitals als Seriositätsschwelle. Diese Schwächung ist andererseits kaum quantifizierbar und würde sich jedenfalls bei Beibehaltung eines mit 10.000 Euro immer noch relativ bedeutsamen Minimalbetrages301 in Grenzen halten. Für die große Mehrheit von KMU ist der Unterschied zwischen beiden Beträgen irrelevant, die Absenkung hätte also insoweit weder sonderlich geschadet noch genützt302, auch wenn in vielen Stellungnahmen – je nach Standpunkt – entweder bei Beibehaltung des geltenden Mindestkapitals oder bei dessen Absenkung der Untergang der GmbH prophezeit wurde. Jedenfalls ist auch der niedrigere Betrag grundsätzlich geeignet, ein gewisses Mindestschutzniveau des Stammkapitals als Risikobeitrag der Gesellschafter zu erhalten und damit einen Beitrag zur Lösung des Zielkonflikts zwischen Investitionsförderung und Gläubigerschutz zu leisten. Wenn aber die tatsächlichen Auswirkungen einer moderaten Anhebung oder Absenkung des Mindestkapitals nur schwer messbar sind, dann bleibt die Frage, ob noch andere, weniger vorrangige Erwägungen in die Waagschale geworfen werden können, um eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu legitimieren. Gerade die breite öffentliche Resonanz der Diskussion um den Mindestkapitalbetrag zeigt, dass die psychologische Komponente bei der Investitionsförderung und auch im Wettbewerb der Rechtsformen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.303 Der Boom der Ltd. in Deutschland ist nicht zuletzt auf deren subjektiv „gefühlte“ Überlegenheit zurückzuführen304, für die wiederum der Umstand, dass für die GmbH ein nennenswertes Mindestkapital aufgebracht werden muss, nicht ohne Bedeutung ist. Denn das Mindestkapital ist eine sofort erkenn- und spürbare Belastung, während die Nachteile der Ltd. weniger augenfällig sind. Während es also aus rechtlicher und ökonomischer Sicht weniger entscheidend ist, welcher konkrete Betrag für das Mindestkapital festgesetzt wird305, solange er nur als ernsthafte Seriositätsschwelle angesehen werden kann und eine nicht 301 Bedeutsam ist dieser Minimalbetrag sicherlich nicht in Bezug auf die regelmäßig zu erwartenden Geschäftsrisiken. Er soll diese jedoch auch nicht abdecken, sondern nur in Bezug auf die typisierte Leistungsfähigkeit der Gesellschafter nicht unerheblich sein, was wohl der Fall sein dürfte. 302 So auch Schön, Der Konzern 2004, 162 (166); Thiessen, DStR 2007, 202 (204). 303 Vgl. dazu bereits oben, § 7 I. 1. a) bb). 304 Vgl. oben, § 10 III. 1. 305 Vgl. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (3): „Die Festlegung des Eintrittspreises ist arbiträr.“

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ganz unerhebliche Risikobeteiligung der Gesellschafter sicherstellt, käme im Hinblick auf die Attraktivität der GmbH für Gründer im nationalen und internationalen Umfeld einer Absenkung des Betrages eine psychologische Signalwirkung zu. Sie zeigte, dass der Einstieg in das Unternehmertum erleichtert werden soll. Dies kann potentielle Gründer überhaupt zur unternehmerischen Initiative motivieren und sie außerdem zur Wahl der Rechtsform der GmbH ermutigen. Gleichzeitig zeigte die Beibehaltung eines nach wie vor nicht unbeträchtlichen Betrages, dass eine Unternehmensgründung ein Mindestmaß an Seriosität und eigenem Einsatz erfordert. Jedenfalls mit der Einführung der UG (haftungsbeschränkt) sind solche Überlegungen allerdings hinfällig geworden. Sie ermöglicht die Gründung einer mindestkapitalfreien GmbH unter anderer Firma, sendet damit das psychologische Signal einer erheblichen Gründungserleichterung aus und nimmt gleichzeitig den ausländischen Wettbewerbsdruck – so ein solcher denn überhaupt tatsächlich bestanden haben sollte – von der GmbH. Eine Absenkung des Mindestkapitals zusätzlich zur Einführung der UG (haftungsbeschränkt) ist daher zu Recht unterblieben und wird seither auch nicht mehr ernsthaft diskutiert. Alles, was mit der Absenkung erreicht werden könnte, wird durch die UG (haftungsbeschränkt) ebenfalls bewirkt. Lehnt man jedoch mit der hier vertretenen Ansicht die Einführung einer solchen neuen Rechtsformvariante als überflüssig ab, stellt sich die Frage nach dem Nutzen einer Absenkung des Mindestkapitals weiterhin. Die nach wie vor bestehende Schutzfunktion des Mindestkapitals impliziert dabei dessen Beibehaltung oder leichte Erhöhung, verbietet andererseits aber eine moderate Absenkung auch nicht kategorisch. Im Hinblick auf die nationale Unternehmensgründungsförderung hätte die Absenkung wohl keine übermäßig große Wirkung.306 Der Aspekt des „Rechtsformmarketing“ könnte hingegen für einen niedrigeren Betrag sprechen.307 Im internationalen Wettbewerb der Rechtsformen dürfte die GmbH spürbar aufgewertet werden, ist ihr bisheriger Wettbewerbsnachteil doch auch eher psychologischer denn realer Natur und resultiert maßgeblich aus dem relativ hohen Mindestkapitalbetrag. Zwar wurde oben festgestellt, dass der Wettbewerbsdruck von außen weniger stark ist als vielfach behauptet.308 Dennoch ist es von gesamtwirtschaftlichem Interesse, die eigenen nationalen Rechtsformen auf dem Heimatmarkt ebenso wie als Exportartikel zu stärken.

306

Vgl. die Erfahrungen in Frankreich nach Abschaffung des Mindestkapitals, § 8

I. 3. 307 Ähnlich Bayer, ZGR 2007, 220 (232): Die Beibehaltung und konkrete Bezifferung des Mindestkapitals sei nur eine Frage der Optik. Durch eine Abschaffung oder zumindest deutliche Reduzierung signalisiere der Gesetzgeber Modernität und den Willen, sich dem internationalen Wettbewerb zu stellen. 308 Vgl. oben, § 10 III. 1.

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Dafür genügt es nicht, alles beim alten zu belassen oder das Mindestkapital sogar anzuheben und in juristischen Publikationen darauf hinzuweisen, dass die GmbH besser sei als ihr Ruf. Der psychologische Effekt einer Anhebung würde noch mehr Unternehmer in die Arme ausländischer Ein-Euro-Gesellschaften wie der Ltd. oder der SARL treiben, da eine solche Maßnahme als Rückschritt zu mehr staatlichem Paternalismus empfunden würde.309 Der Unternehmer versteht unter Modernisierung des Regimes der GmbH vor allem Liberalisierung. Will man ihn für die Rechtsform der GmbH gewinnen, stellt auch rechtliches Marketing ein durchaus probates Mittel dar. Die Mindestkapitalziffer ist dafür aufgrund der starken psychologischen und geringen tatsächlichen Wirkung einer moderaten Absenkung ein denkbar geeignetes Instrument.310 Dementsprechend erscheint – in Abwesenheit der UG (haftungsbeschränkt) – eine Reduzierung der Mindestkapitalziffer auf 10.000 Euro zwar nicht als dringlich, aber doch zumindest als gut vertretbar.

II. Kapitalaufbringung Dem Stammkapital kommt trotz des oben herausgearbeiteten Befundes, dass es seine traditionellen Gläubigerschutzfunktionen nur noch zum Teil effektiv ausfüllen kann311, nach geltendem Recht und auch in Zukunft eine zentrale Bedeutung in der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft Kontinentaleuropas zu. Wenn dem aber so ist, dann kann auf zwingende Regeln zur Absicherung desselben nicht grundsätzlich verzichtet werden.312 Alle drei untersuchten Rechtsordnungen enthalten dementsprechend Vorschriften, die die Aufbringung des Stammkapitals bei der Gründung und danach regeln. Diese unterscheiden sich in ihren wesentlichen Grundzügen kaum. Sie werden beherrscht vom Grundsatz der realen Kapitalaufbringung und sehen zu dessen Durchsetzung etwa vor, welche Art von Einlagen zulässig und wie diese zu erbringen sind. Auch welcher Anteil der Einlagen bereits bei der Gründung geleistet sein muss, wird genau geregelt. Und schließlich wird besonders auf die korrekte Bewertung von Sacheinlagen ein besonderes Augenmerk gelegt, die durch präventive Wertkontrollen und Haftungstatbestände sichergestellt werden soll. Während in den genannten Bereichen im Prinzip eine weit gehende Kongruenz der Regelungsansätze in Deutschland, Frankreich und Spanien herrscht, kennt das deutsche Recht noch eine Reihe darüber hinausgehender, strenger Kapitalaufbringungsvorschriften. Dazu zählt vor allem § 19 GmbHG als Zentralnorm des deut309

Gleichsinnig Thiessen, DStR 2007, 202 (204). Dies macht sich der Gesetzgeber bei der Einführung der mindestkapitallosen UG (haftungsbeschränkt) offenbar zunutze, vgl. oben, § 7 I. 1. a) bb). 311 Vgl. oben, § 10 II. 1. 312 Zur Bedeutung des Kapitalschutzes im deutschen Gläubigerschutzsystem vgl. knapp Drenckhan, GmbHR 2006, 1296 (1301 f.); Melchior, GmbHR 2005, R 165 f. 310

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schen Kapitalaufbringungsrechts. Er untersagt in seinem zweiten Absatz jegliche Befreiung von der Einlagepflicht, insbesondere durch Aufrechnung. Ein solches Aufrechnungsverbot kennen die anderen beiden untersuchten Rechtsordnungen nicht313, ebenso wenig wie eine § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. entsprechende Regelung, nach der die Erbringung einer Sachleistung auf eine Bareinlage keine Befreiungswirkung hat. Demzufolge ist auch das Problem der verdeckten Sacheinlage in Frankreich und Spanien unbekannt. In beiden Ländern kommt es vornehmlich darauf an, ob die Einlageleistung vollwertig ist. Verfahrensverstöße werden nicht zum Anlass für die drastische Sanktion der Verweigerung der Erfüllungswirkung genommen. Ebenfalls eine Besonderheit des deutschen Rechts im Vergleich zu Frankreich und Spanien stellen die Vorschriften der §§ 21 bis 24 GmbHG dar, die den Fall der Nichteinbringbarkeit einer Einlage regeln und in letzter Konsequenz eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter anordnen. Im Folgenden soll als Basis für eine Bewertung zunächst der Frage nach der grundsätzlichen Legitimation der strengen Kapitalschutzregeln nachgegangen werden (1.)314, denn das Stammkapitalsystem ist theoretisch auch gänzlich ohne solche denkbar. Darauf aufbauend soll die Kritik an den besonders umstrittenen Punkten des Kapitalaufbringungsrechts im Lichte des rechtsvergleichenden Befundes auf ihre Stichhaltigkeit hin untersucht werden (2.), bevor mögliche Reformschritte erörtert werden (3.). 1. Grundsätzliche Legitimation eines präventiven Kapitalschutzes Die Legitimation der strengen deutschen Kapitalschutzregeln erscheint heutzutage vor allem aufgrund der Konkurrenz stammkapitalloser ausländischer Gesellschaftsformen nicht mehr so selbstverständlich wie noch vor wenigen Jahren. Die weitaus herrschende Meinung geht zwar immer noch ohne große Zweifel davon aus, dass das Kapitalschutzregime der „Preis“ der Haftungsbeschränkung ist, ein Ausgleich für die Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf die Gesellschaftsgläubiger.315 Bedenken dagegen wurden aber schon seit längerem in der angelsächsischen Rechtslehre geäußert und finden in jüngerer Vergangenheit vermehrt auch im deutschen Schrifttum Anhänger, zumeist mit dem Ziel, die Existenzberechtigung der Kapitalschutzregeln in Zweifel zu ziehen.316 313 In Frankreich ist eine Begleichung der Einlageschuld durch Aufrechnung selbst dann zulässig, wenn die Gegenforderung wertlos ist. Vgl. oben, § 5 I. 2. c). 314 Soweit sich Zweifel daran auf die Existenzberechtigung des Stammkapitalsystems insgesamt beziehen, wurden sie bereits oben, § 10 II, erörtert und bleiben deshalb an dieser Stelle außer Betracht. 315 Vgl. statt vieler Schmidt, GesR, S. 539 ff.; Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1, S. 558. 316 Vgl. dazu Kübler, ZHR 159 (1995), 550 (556); sowie ausführlich Marx, S. 54 ff. und 177 ff. m.w. N.

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Die traditionelle Auffassung geht davon aus, dass die Haftungsbeschränkung die Gesellschafter zu Lasten der Gläubiger privilegiert, indem sie das grundsätzlich von ihnen zu tragende unternehmerische Risiko auf die Gläubiger verlagert.317 Dem wird entgegengehalten, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter keineswegs der Normalfall und die Haftungsbeschränkung die begründungs- und kompensationsbedürftige Ausnahme sei, sondern dass letztere logisch zwingend und ohne weiteres aus der Qualifikation der juristischen Person als eigenständige Rechtspersönlichkeit folge und damit selbst der Regelfall sei. Denn eine Rechtsperson hafte grundsätzlich immer mit nicht mehr und nicht weniger als ihrem persönlichen Vermögen.318 Vor allem von US-amerikanischer Seite wird die Haftungsbeschränkung daher nicht als Risikoverlagerung auf die Gesellschaftsgläubiger angesehen, sondern als bloßer Verteilungsschlüssel der Haftungsmasse, als Trennlinie zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen.319 Deshalb könnten Belastungen der Gesellschafter durch das Kapitalschutzregime nicht mit einer (nicht vorhandenen) Risikoerhöhung durch die Haftungsbeschränkung zu Lasten der Gläubiger begründet werden. Die Argumente der letztgenannten Ansicht sind nicht von der Hand zu weisen. Ob den Gläubigern tatsächlich weniger Haftungsmasse zur Verfügung steht, weil ihnen der Zugriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter verwehrt wird, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Diskussion dreht sich jedoch letztlich nur um die Frage, ob die Haftungsbefreiung der Gesellschafter die Regel ist oder die begründungs- und kompensationsbedürftige Ausnahme. Unzweifelhaft dürfte nämlich sein, dass die Gläubiger einer Kapitalgesellschaft im Vergleich zur Situation bei einer Personengesellschaft stärker mit unternehmerischen Risiken belastet werden, die vor allem aus der Trennung von wirtschaftlichem Eigentum bzw. Kontrolle einerseits und Risiko andererseits resultieren.320 Ebenso unbestreitbar erwächst aus diesem Prinzipal-Agenten-Problem ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Gläubiger. Die Existenz von irgendwelchen Gläubigerschutzregeln, in Form eines präventiven Kapitalschutzregimes oder eines Alternativmodells, lässt sich deshalb nach beiden Ansichten zwanglos rechtfertigen: Nach traditioneller Auffassung sind sie der Ausgleich für die Mehrbelastung der Gläubiger in Form der Haftungsbeschränkung; nach der Gegenansicht stellt die Haftungsbeschränkung als Regelfall zwar keine Mehrbelastung dar, aber die Gläubiger bedürfen eines besonderen gesetzlichen Schutzes vor den Gefahren, die aus dem Auseinanderfallen von Risiko 317

Vgl. Schmidt, GesR, S. 538 f. Vgl. Marx, S. 178: „Wer alleiniger Rechtsträger ist, der ist konsequenterweise auch alleiniger Schuldner.“ 319 Vgl. Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 387 (426) (2000); dies., in: Kraakman u. a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law (2004), S. 1 (9); sowie im Anschluss daran Marx, S. 54 ff. 320 Vgl. näher dazu und zu den verschiedenen Risikokategorien oben, § 2 I. 2. 318

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und Leitungsmacht bei Kapitalgesellschaften resultieren. Dass das Stammkapital hierzu grundsätzlich geeignet ist, indem es den Gesellschaftern eine Beteiligung am unternehmerischen Risiko abverlangt, wurde bereits oben festgestellt.321 Der Sinn der Kapitalschutzregeln besteht in diesem System darin sicherzustellen, dass die Gesellschafter diesen Risikobeitrag auch tatsächlich leisten und die Haftungsmasse nicht nachträglich durch missbräuchliche Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen schmälern.322 Aussagen über das notwendige Schutzniveau lassen sich aus der Erkenntnis der grundsätzlichen Legitimation des Kapitalschutzes jedoch nicht gewinnen, geschweige denn konkrete inhaltliche Vorgaben. Die Antwort auf die Frage, wie streng oder liberal der Kapitalschutz im Einzelnen auszusehen hat, lässt sich deshalb weder aus der einen noch aus der anderen Begründung herleiten.323 Sie ist allein Ausfluss einer rechtspolitischen Entscheidung, der allerdings durch rechtsethische und -ökonomische Erwägungen äußere Grenzen gesetzt werden. Das gesetzliche Gläubigerschutzregime muss einen Ausgleich zwischen den Interessen der Gesellschafter und der Gläubiger finden. Werden letztere zu stark bevorzugt, wird die GmbH für Gründer unattraktiv und kann ihre investitionsfördernde Funktion nicht mehr erfüllen. Ein zu schwacher Gläubigerschutz führt jedoch ebenfalls zu erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden und kann in einer Verdrängung der GmbH vom Markt resultieren. 2. Berechtigung der Kritik am Kapitalaufbringungsrecht Ob die geltenden deutschen Kapitalaufbringungsregeln den notwendigen Interessenausgleich noch angemessen zu gewährleisten vermögen, erscheint angesichts der im deutschen Schrifttum vielfältig geäußerten Kritik fraglich. Bezeichnenderweise richtet sich ein Großteil derselben gegen die „Verschärfungen“, die in ausländischen Rechtsordnungen keine Entsprechung finden. Ihren Ursprung mögen sie darin genommen haben, dass das Stammkapital im deutschen Recht traditionell eine noch wichtigere Rolle spielt als im französischen oder spanischen Recht, was sich daran zeigt, dass die beiden letztgenannten Rechtsordnungen in Bezug auf Mindestkapital und Kapitalschutz vielfach großzügiger sind als Deutschland, dafür aber den Haftungstatbeständen eine wichtigere Rolle für den 321

Siehe § 10 II. 3. Vgl. dazu etwa Kübler, ZHR 159 (1995), 550 (556); Marx, S. 179; Roth, NZG 2003, 1081 (1083). 323 So aber Marx, S. 179, der eine starre Ausschüttungsbegrenzung auf den Gesellschaftsgewinn für mit dem dogmatischen Verständnis der Haftungsbeschränkung als Schlüssel für die Verteilung von Haftungsmasse unvereinbar hält. Dies verkennt jedoch, dass der Unterschied zwischen einer solchen starren Ausschüttungssperre und der von ihm vorgeschlagenen flexiblen Solvenzprüfung letztlich eher quantitativer denn qualitativer Natur ist. 322

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Gläubigerschutz beimessen. Die starke Ausrichtung des deutschen GmbH-Rechts auf das Stammkapital muss jedoch anhand der oben festgestellten (Rest-)Funktionen desselben neu bewertet werden. Die geltenden Kapitalschutzregeln beziehen ihre Rechtfertigung hauptsächlich aus der Funktion des Stammkapitals als Anfangskapital und Haftungsfonds. Für die Gewährleistung eines Risikobeitrages der Gesellschafter zur Verhaltenssteuerung würde u. U. ein weniger strenges Regime ausreichen.324 a) Mindesteinlagepflicht Zu der Frage, welcher Anteil des Stammkapitals schon vor der Eintragung aufgebracht werden muss (Mindesteinlagepflicht), finden sich in den drei untersuchten Rechtsordnungen unterschiedliche Lösungen. Das deutsche Recht kombiniert eine absolute Untergrenze (die Hälfte des Mindestkapitals, § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG) mit einer gestaffelten Aufbringung der Bareinlagen (mindestens ein Viertel vorab, § 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG), während Sacheinlagen stets vollständig vor der Anmeldung zur Eintragung aufzubringen sind (§ 7 Abs. 3 GmbHG). Die Regelung in Frankreich ist ähnlich, verzichtet aber auf die absolute Untergrenze: Die Sacheinlagen sind vollständig vor der Eintragung aufzubringen (Art. L. 223-7 Abs. 1 S. 2 C. com.), Bareinlagen hingegen seit der Reform der loi NRE von 2001 nicht mehr, seither genügt die anfängliche Aufbringung von einem Fünftel (Art. L. 223-7 Abs. 1 S. 3 C. com.). In Spanien wiederum muss das gesamte Stammkapital schon vor der notariellen Errichtung aufgebracht werden, Art. 4 LSL. aa) Absolute Untergrenze Einer der besonders stark kritisierten Punkte des deutschen Kapitalaufbringungsrechts ist die absolute Mindesteinlagepflicht von 12.500 Euro bis zur Anmeldung gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG. Im französischen Recht, das inzwischen ebenfalls eine gestaffelte Leistung von Bareinlagen zulässt, war eine solche absolute Bezifferung der anfänglichen Mindesteinlage schon vor Abschaffung des Mindestkapitals unbekannt, es genügte bei einer reinen Bargründung also die Aufbringung von einem Fünftel der jeweiligen Einlage (in der Summe mindestens 1.500 Euro unter dem damaligen gesetzlichen Mindestkapital von 7.500 324 Der in den verschiedenen MoMiG-Entwürfen bis zuletzt verfolgte Weg, das Mindestkapital abzusenken bzw. ganz aufzugeben, das Kapitalschutzregime aber im Wesentlichen unverändert beizubehalten, ist insoweit inkonsequent. Er gibt vor, an den klassischen Stammkapitalfunktionen festzuhalten, und versucht gleichzeitig, die Belastungen für die Gesellschafter zu reduzieren. Seine tradierten Funktionen, die das geltende Kapitalschutzregime rechtfertigen, kann das Stammkapital jedoch, wie gesagt, nur bei einer nennenswerten Erhöhung der Mindestkapitalziffer erfüllen. Ist dies nicht gewollt, gehört auch das Kapitalschutzregime auf den Prüfstand.

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Euro).325 Das spanische Recht wiederum fordert zwar eine anfängliche Aufbringung des gesamten Stammkapitals, was aber angesichts des geringen Mindestkapitals von 3005,06 Euro in den meisten Fällen weniger ins Gewicht fällt als die deutsche Mindesteinlagepflicht. 326 Das deutsche Recht ist also hinsichtlich des anfänglich aufzubringenden Vermögensbeitrags der Gesellschafter am strengsten. Dies wird vielfach wegen der gründungshemmenden Wirkung bemängelt327: Gründer kleiner Start-up-Unternehmen ohne großen Kapitalbedarf aber mit hohem Entwicklungspotential würden durch die Mindesteinlagepflicht zu einer beträchtlichen Leistung aus ihrem Privatvermögen verpflichtet, obwohl die Gesellschaft in der Anfangsphase kaum Kapital benötige. Die Mindesteinlagepflicht stellt den größten finanziellen Faktor bei der Gesellschaftsgründung dar. Fehle die entsprechende Solvenz bei den Gründern, scheitere die Gründung unnötigerweise. Diese Kritik wird zumeist in Bezug auf das Mindestkapital geäußert, da die Mindesteinlagepflicht direkt an die Mindestkapitalziffer anknüpft.328 Diese Verbindung ist jedoch nicht zwingend, wie das französische Recht zeigt, das kein Mindestkapital (mehr) kennt, aber über die Regeln zur Aufbringung von Sachund Bareinlagen eine (relative) Mindesteinlagepflicht statuiert. Der Unterschied zu Deutschland besteht lediglich darin, dass hierzulande ein absoluter Betrag vorgeschrieben wird, der an das gesetzliche Mindestkapital anknüpft, während sich dort die Mindesteinlagepflicht aus den im Einzelfall vereinbarten Einlagen erschließt. Mindesteinlage und Mindestkapital müssen also auseinander gehalten werden329, da sie unterschiedlichen Zwecken dienen: Dieses dient der Bestimmung des Mindestschutzniveaus des Stammkapitalsystems insgesamt, also des Mindestumfangs der Einlagepflichten. Jene hingegen beziffert den anfänglichen Vermögenseinsatz der Gesellschafter bei der Gründung, betrifft also den Zeitpunkt der Erfüllung der Einlagepflicht und ist damit ein Aspekt der Kapitalaufbringung. Sie ist die eigentliche finanzielle Gründungshürde, nicht das Mindestkapital. Das Mindestkapital bestimmt, mit welchem Betrag die Gesellschafter sich insgesamt am unternehmerischen Risiko beteiligen müssen, unabhängig davon, wann tatsächlich geleistet wird.330 Eine anfängliche absolute Mindesteinlagepflicht ist für diese Funktion als Risikobeitrag der Gesellschafter nicht unbedingt 325

Vgl. näher oben, § 5 I. 2. c). Trotzdem wird die fehlende Möglichkeit der gestaffelten Aufbringung des Stammkapitals in Spanien kritisiert, vgl. oben, § 6 II. 2. b). 327 Vgl. referierend Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 85. 328 Vgl. oben, § 4 II. 2. a). 329 Dies wird nicht selten verkannt, vgl. etwa Gloger, passim (z. B. S. 398), der die Begriffe Mindestkapital und Mindesteinlage sogar synonym verwendet. Vgl. dazu auch schon oben, § 4 II. 2. a) und § 11 I. 2. a). 330 Vgl. dazu bereits oben, § 11 I. 1. 326

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erforderlich, denn grundsätzlich genügt es zur beabsichtigten Verhaltenssteuerung, dass die Gesellschafter wissen, dass ihre unternehmerischen Entscheidungen auch ihren eigenen Vermögenseinsatz treffen, ob er nun bereits erbracht wurde oder spätestens in der Insolvenz erbracht werden muss. Insoweit kann die Vorleistungspflicht der Gesellschafter nur dazu dienen, das auf der möglichen Insolvenz des Gesellschafters resultierende Ausfallrisiko der Gläubiger zu reduzieren. Dieses Risiko erscheint aber angesichts der vielfältigen gesetzlichen Absicherung des Einlageanspruchs der Gesellschaft nach den §§ 21 bis 24 GmbHG, insbesondere der Ausfallhaftung der Mitgesellschafter, als relativ gering. Die Gläubiger sind nur der Gefahr ausgesetzt, dass alle Gesellschafter insolvent sind. Tritt dieser wenig wahrscheinliche Fall nicht ein, stehen sie bei einer nachträglichen Leistung der Gesellschafter in der Insolvenz sogar besser als bei einer Vorableistung, die im Insolvenzfall praktisch immer schon aufgezehrt ist.331 Zwar wirkt die absolute Mindesteinlagepflicht faktisch auch als anfängliche Seriositätsschwelle332, doch steht sie in keinerlei Bezug zum jeweils von den einzelnen Gesellschaftern versprochenen Risikobeitrag als Maßstab für deren seriöses Interesse an der Unternehmung. Ihre hauptsächliche Rechtfertigung kann die absolute Mindesteinlagepflicht deshalb nur aus der Finanzierungs- und Haftungsfondsfunktion des Stammkapitals beziehen. Sie soll dafür sorgen, dass die Anlauffinanzierung des Unternehmens in der besonders insolvenzträchtigen Gründungsphase zumindest verbessert wird und dass die Gesellschaft nicht ohne ein Minimum an Haftungsmasse eingetragen werden kann.333 Diese Funktionen des Stammkapitals haben jedoch, wie 331 Zu den Nachteilen einer erst in der Insolvenz einzahlbaren Garantiesumme aber bereits oben, § 10 II. 2. a) cc). 332 Sowohl Mindestkapital als auch Mindesteinlage fungieren also als Seriositätsschwelle. Beide Instrumente hängen insoweit eng miteinander zusammen und ergänzen sich. Dennoch wirken sie unterschiedlich: Die Mindesteinlage ist eine rein finanzielle Seriositätsschwelle. Sie zwingt die Gesellschafter zu einer Vorleistung aus ihrem Privatvermögen, bevor sie aus der Gesellschaftsgründung irgendeinen Nutzen ziehen können, und macht die GmbH so für unseriöse Gründungen weniger attraktiv. Das Mindestkapital hingegen verlangt den Gesellschaftern insgesamt eine bestimmte Risikoübernahme ab, die zu irgendeinem Zeitpunkt ihr Privatvermögen belastet. Es wirkt damit jedenfalls in dem über die anfängliche Mindesteinlage hinausgehenden Umfang nicht unmittelbar als finanzielle, sondern als psychologische Hürde, da der erhoffte Missbrauchsgewinn nicht nur die Gründungsaufwendungen, sondern den Gesamtbetrag des Mindestkapitals übersteigen muss. 333 Priester, DB 2005, 1315 (1318), will die anfängliche (absolute und relative) Mindesteinzahlungspflicht mit dem Argument rechtfertigen, dass in deren Abwesenheit „eine Bonität vorgetäuscht [werde], die möglicherweise gar nicht vorhanden ist.“ Er hält deshalb eine sofortige Volleinzahlungspflicht für sinnvoller. Diese Argumentation misst der Stammkapitalziffer jedoch eine Bedeutung als Bonitätsinformation bei, die ihr praktisch nicht bzw. nur in Bezug auf den Gründungszeitpunkt zukommt. Näher oben, § 10 II. 1. b) cc). Eine Volleinzahlungspflicht belastet also die Gründer deutlich stärker, liefert den Gläubigern aber lediglich eine rein punktuelle, weit gehend wertlose Information über die ehemalige wirtschaftliche Situation der Gesellschaft.

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oben festgestellt, nur eine geringe praktische Bedeutung. Sie können damit eine gerade für kleine, innovative Gründungsprojekte erhebliche Hürde, die auch im internationalen Vergleich sehr hoch ist, nicht rechtfertigen. Es erscheint sinnlos, auch bei Gründungen ohne nennenswerten Bedarf nach Anfangskapital die Aufbringung eines pauschalen Betrages zu fordern. Dies belastet die Gesellschafter ohne zwingenden Grund und stattet die Gesellschaft mit Mitteln aus, die sie nicht braucht, bindet also unnötig Kapital. Eine ausreichende Anlauffinanzierung lässt sich, anders als eine insgesamt dauerhaft angemessene Kapitalausstattung334, auch mit flexiblen, einzelfallbezogenen Instrumenten sicherstellen. Die Kritik an der absoluten Mindesteinlagepflicht ist damit durchaus stichhaltig. bb) Gestaffelte Einlageleistung Auch die relative Mindesteinlagepflicht in Form der Regelung zur gestaffelten Einlageleistung ist als Gründungshürde nicht unproblematisch, da sie den Gesellschaftern unabhängig von der absoluten Mindesteinlage die anfängliche Aufbringung aller Sacheinlagen und eines bestimmten Anteils ihrer Bareinlagen abverlangt. Für eine reine Bargründung wäre – in Abwesenheit der absoluten Mindesteinlage aber unter Fortgeltung des Mindestkapitals von 25.000 Euro – gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG immer noch die Aufbringung eines Viertels des Mindestkapitals, also 6.250 Euro erforderlich. Dies ist mehr als doppelt so viel wie in Spanien und mehr als das Vierfache des in Frankreich vor Abschaffung des Mindestkapitals erforderlichen Betrages. Eine deutliche Erleichterung verspricht insoweit allerdings bereits eine Absenkung des Mindestkapitals auf 10.000 Euro, die hier befürwortet wird. Diese Maßnahme bewirkt jedoch keine Änderung im Bereich der Sacheinlagen, die unabhängig von der Stammkapitalziffer immer vorab vollständig zu leisten sind. Diese Pflicht dient der Ermöglichung der obligatorischen, präventiven gerichtlichen Werthaltigkeitskontrolle, die mit nicht unerheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist.335 Gerade bei kleineren Unternehmen wird aber häufig ein bedeutender Teil des Stammkapitals durch Sacheinlagen aufgebracht, sie werden durch die Pflicht zur vollständigen Aufbringung von Sacheinlagen also besonders betroffen. Allerdings kann diese Belastung auch anderweitig vermieden werden, indem die gerichtliche Werthaltigkeitskontrolle reduziert oder gänzlich zugunsten einer nachgelagerten Überprüfung in der Insolvenz abgeschafft wird.336 Die relative Mindesteinlagepflicht stellt also in weit geringerem 334

Zu den diesbezüglichen Schwierigkeiten vgl. oben, § 11 I. 3. d). Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (436 f.), die dieses Problem allerdings im Zusammenhang mit der Frage nach der Abschaffung des Mindestkapitals diskutieren. S. dazu oben, § 11 I. 2. a). 336 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (437); sowie sogleich, § 11 II. 2. b) und II. 3. d). 335

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Maße eine kritikwürdige Gründungshürde dar als die absolute Untergrenze von 12.500 Euro. b) Sacheinlagevorschriften Das Hauptziel von Kritik am deutschen Kapitalaufbringungsrecht sind die Vorschriften über Sacheinlagen. Für diese sieht § 5 Abs. 4 S. 2 GmbHG vor, dass die Gesellschafter ihre Bewertung in einem gesonderten Sachgründungsbericht darlegen müssen. Dieser muss nicht von einem gesellschaftsfremden Sachverständigen angefertigt werden, dafür wird die Bewertung vom Registergericht vor der Eintragung umfassend geprüft. Dieses Kontrollverfahren wird für übertrieben langwierig und kostspielig gehalten, was Gründungen übermäßig behindere. Frankreich und Spanien kennen eine präventive gerichtliche Kontrolle der Werthaltigkeit von Sacheinlagen nicht. Dafür haften die Gesellschafter der Gesellschaft und – anders als in Deutschland gemäß § 9 Abs. 1 GmbHG – auch unmittelbar den Gläubigern gegenüber für die Richtigkeit der Bewertung. Somit beruht die Gewährleistung der werthaltigen Erbringung von Sacheinlagen dort auf einer nachgelagerten Kontrolle im Rahmen der Haftungstatbestände, die allerdings auch generalpräventive Verhaltensanreize setzen: Die Gesellschafter können der Haftung sowohl in Frankreich als auch in Spanien entgehen, wenn für die Bewertung ein externer Sachverständiger herangezogen wird.337 Das Verfahren einer anfänglichen Wertbestimmung durch die Gesellschafter, ggf. kombiniert mit der freiwilligen oder obligatorischen Konsultation eines externen Sachverständigen, erscheint effizienter als die umfassende präventive Kontrolle durch das Registergericht. Letztere verzögert die Eintragung erheblich und verursacht Kosten, ohne entscheidend zum Gläubigerschutz beizutragen. Ihr theoretischer Sinn liegt darin sicherzustellen, dass der Gesellschaft die versprochenen Sachwerte tatsächlich bis zur Eintragung zugeflossen sind. Dies ist jedoch nur dann wichtig, wenn gerade die anfängliche Aufbringung der Einlagen maßgeblich zur Effektivität des Stammkapitals als Gläubigerschutzinstrument beiträgt, was aber nach dem oben Gesagten nicht der Fall ist. Eine Funktion als dauerhafter Haftungsfonds kann das Stammkapital so oder so nicht erfüllen, daran ändert auch die Kontrolle der werthaltigen anfänglichen Aufbringung der Sacheinlagen nichts. Das Anfangsvermögen ist nur eine Momentaufnahme, die schon kurz nach der Gründung veraltet ist. Für die Anlauffinanzierung ist das Anfangsvermögen zwar von Bedeutung, doch rechtfertigt dies nicht eine derart umfassende Kontrollprozedur. Durch Haftungstatbestände vermittelte Verhaltensanreize sollten ausreichen, zumal den Gläubigern in der Regel eine nachträgliche Differenzhaftung in der Insolvenz stärker zugute 337 In Frankreich ist dessen Heranziehung sogar in der Regel obligatorisch, allerdings ist seine Bewertung nicht bindend. Vgl. näher oben, § 5 I. 2. c) bzw. § 6 I. 2. c).

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kommt als das vorab aufgebrachte, inzwischen aber aufgezehrte Anfangsvermögen. Für die Funktion des Stammkapitals als Risikobeitrag der Gesellschafter schließlich ist primär wichtig, dass dieser werthaltig erbracht wird, nicht wann. Auch insoweit genügt also eine nachträgliche Kontrolle. Zwar kann das Recht der Sacheinlagen zweifelsohne nicht gänzlich ohne eine Werthaltigkeitskontrolle auskommen. Denn andernfalls könnten sich die Gesellschafter eines Teiles ihrer Einlageverpflichtung sanktionslos entziehen, und das Stammkapital als Gläubigerschutzinstrument würde entwertet. Allerdings zeigen die genannten Argumente, dass für eine präventive gerichtliche Kontrolle kein Bedürfnis besteht, um die Gläubigerschutzfunktionen des Stammkapitals abzusichern. Die damit verbundenen Gründungsbehinderungen sind also ein unnötiger Wettbewerbsnachteil der GmbH im Vergleich zu ausländischen Konkurrenzrechtsformen. Daraus folgt, dass auch die Vorschrift des § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. und ihre analoge Anwendung auf Umgehungsgeschäfte, vor allem die verdeckte Sacheinlage, eine nicht zu rechtfertigende, übermäßige Belastung der Gesellschafter darstellten. Die Norm soll die – nach dem soeben gesagten überflüssige – präventive Kontrolle durch das Registergericht sicherstellen. Für den Gläubigerschutz ist aber allein entscheidend, dass das Stammkapital in irgendeiner Weise real aufgebracht wird. Dieses Kriterium erfüllt eine ordnungsgemäße Sacheinlage ebenso wie eine werthaltige Sachleistung trotz vereinbarter Bareinlage oder eine verdeckte Sacheinlage. Für die Gläubiger ist die bisherige Rechtsfolge einer werthaltigen verdeckten Sacheinlage, die zweimalige Leistung der Einlage, ein unverdientes Geschenk, denn der Gesellschafter ist durch seine frühere Leistung seinen Risikotragungspflichten vollumfänglich nachgekommen, ohne dass den Gläubigern aus der Umgehung des Sacheinlageverfahrens spürbare Nachteile erwachsen würden. Die scharfe Kritik am bisherigen Recht der Sacheinlagen ist also vollumfänglich berechtigt. c) Vorbelastungshaftung Auch die Vorbelastungshaftung, die die Gesellschafter im Eintragungszeitpunkt trifft und im Innenverhältnis zum Ausgleich der schon vor der Eintragung eingetretenen Verringerungen des zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens verpflichtet, wird als unverhältnismäßige Belastung der Gesellschafter kritisiert.338 Diese Kritik ist nicht von der Hand zu weisen. Zur Begründung dieser Haftung wird angeführt, dass das Stammkapital der Gesellschaft im Eintragungszeitpunkt unversehrt sein müsse, um seine Gläubigerschutzfunktionen effektiv erfüllen zu können. Dem wurde jedoch bereits an verschiedener Stelle in dieser Untersuchung widersprochen. Das Anfangsvermögen der Gesellschaft ist 338

Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378).

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nur für die Verhinderung anfänglich strukturell unterfinanzierter Gesellschaften relevant, darüber hinaus ist es als Momentaufnahme der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft für die Gläubiger praktisch bedeutungslos. Und die Gesellschafter haben den von ihnen verlangten Risikobeitrag mit der Leistung ihrer Einlage erbracht. Ob diese nun durch eine Geschäftsaufnahme vor der Eintragung aufgezehrt wird oder erst später, kann für eine Nachschusspflicht nicht entscheidend sein. Wichtig für die Verhaltenssteuerung ist nämlich nur, dass die Einlageleistung dem Privatvermögen der Gesellschafter dauerhaft entzogen ist. Ihren dauerhaften Verbleib im Gesellschaftsvermögen kann der Gesetzgeber ohnehin nicht garantieren. 3. Mögliche Reformschritte Angesichts der zahlreichen berechtigten Kritikpunkte und der besonderen Bedeutung des Kapitalaufbringungsrechts für die Frage, wie attraktiv die GmbH für Unternehmensgründer ist, erscheint der diesbezügliche Reformbedarf dringlicher als in anderen Bereichen der Finanzverfassung der GmbH. Folgerichtig sieht auch das MoMiG hier verschiedene begrüßenswerte, teils grundlegende Neuerungen vor, die bei der folgenden Darstellung der möglichen Reformschritte kurz erneut aufgegriffen werden. a) Abschaffung der absoluten Mindesteinlagepflicht In Bezug auf die anfängliche absolute Mindesteinlagepflicht von 12.500 Euro gehen die Reformvorschläge in entgegengesetzte Richtungen339: Die einen wollen sie zu einer Volleinzahlungspflicht des Stammkapitals erweitern, die anderen wollen sie ganz abschaffen. Für eine anfängliche Vollliberierungspflicht wird insbesondere angeführt, dass sie die Anlauffinanzierung der Gesellschaft stärke sowie eine erhöhte Seriositätsgewähr biete und dadurch den Gläubigerschutz verbessere. Dies ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Je mehr Kapital die Gesellschafter zu Anfang aufbringen müssen, desto eher ist die Gesellschaft in der Lage, Anlaufschwierigkeiten zu überwinden, und desto unattraktiver wird die GmbH für unseriöse Gründungen. Eine darüber hinausgehende, dauerhafte Verhaltenssteuerung oder Sicherung der finanziellen Basis der Gesellschaft ist damit allerdings nicht verbunden. Überdies muss bedacht werden, dass mit einer solchen Stärkung des anfänglichen Gläubigerschutzes eine weitergehende Gründungserschwernis für die Gesellschafter einhergeht. Wenn eine absolute Mindesteinlagepflicht zumindest in der geltenden Höhe nach dem oben340 Gesagten berechtigter Kritik ausgesetzt 339 340

Vgl. oben, § 7 II. 2. Siehe § 11 II. 2. a) aa).

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ist, dann gilt dies umso mehr für eine Anhebung derselben341: Die Verknüpfung eines gesetzlichen Mindestkapitals von nennenswerter Höhe mit einer anfänglichen Vollliberierungspflicht trifft gerade finanzschwache Gründer kleiner Startup-Unternehmen mit geringem Anfangskapitalbedarf und hohem Entwicklungspotential. Aus eben diesen Gründen wurde die Volleinzahlungspflicht in Frankreich 2001 abgeschafft, und in Spanien wird sie trotz des vergleichsweise geringen Mindestkapitals in gleicher Weise kritisiert und ihre Abschaffung gefordert. Kann also vor dem Hintergrund der Förderung kleiner Unternehmensgründungen eine Anhebung der geltenden absoluten Mindesteinlage nicht befürwortet werden, stellt sich die Frage, ob umgekehrt eine Reduzierung oder Abschaffung derselben angezeigt ist. Sicherlich ist es sinnvoll, wenn der Gesetzgeber die Aufbringung eines gewissen Anteils des Stammkapitals ab initio vorschreibt. Dies wirkt als stärkere Seriositätsgewähr bei der Gründung als ein irgendwann aufzubringendes Mindestkapital. Und auch das Argument der Sicherstellung einer minimalen Anlauffinanzierung mag man angesichts der hohen Anfangssterblichkeit der GmbH für tragfähig halten. Zwar sollte die Unternehmensfinanzierung grundsätzlich der privatautonomen Entscheidungsfreiheit der Unternehmer unterliegen, doch ist gerade bei der personalistischen GmbH im Gegensatz zur AG der Geschäftsleiter häufig maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt oder sogar Mehrheitsgesellschafter. Dies eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten dergestalt, dass der Geschäftsführer offene Einlagen (von sich selbst) nicht einfordert, obwohl die Gesellschaft der zusätzlichen Mittel bedarf. Die anfängliche Einlagepflicht sichert der Gesellschaft in solchen Fällen ein Minimum an wirtschaftlicher Grundlage.342 Um die damit einhergehenden Belastungen für die Gründer kleiner Unternehmen abzumildern, könnte die absolute Mindesteinlagepflicht deutlich abgesenkt werden, wie es im Zuge der generellen Absenkung des Mindestkapitals zunächst auch im Rahmen der verschiedenen MoMiG-Entwürfe geplant war. Zusätzlich wird vorgeschlagen, ihre Aufbringung allein durch Barmittel zwingend vorzuschreiben343, um die bei Sachgründungen auftretenden Kosten und Verzögerungen zu vermeiden. Allerdings können diese Gründungshemmnisse anders beseitigt werden.344 Unabhängig davon erscheint aber auch ein abgesenkter absoluter 341 Zwar ist zu bedenken, dass eine anfängliche Volleinzahlungspflicht nach Absenkung des Mindestkapitals auf 10.000 Euro bereits eine Entlastung der Gesellschafter im Vergleich zur geltenden Mindesteinlage von 12.500 Euro bedeuten würde. Diese ist jedoch nur unwesentlich, so dass die Kritik ihre Berechtigung behält. 342 Diese ist allerdings bei den geltenden und erst recht bei den hier vorgeschlagenen Mindestbeträgen so gering, dass dieses Argument zwar theoretisch richtig, aber praktisch kaum relevant erscheint. 343 Vgl. oben, § 7 I. 2. c). Zur S.L.N.E., für die eine Aufbringung des gesamten Mindestkapitals in bar vorgeschrieben ist, vgl. oben, § 9 I. 1. a). 344 Dazu sogleich, § 11 II. 3. d), sowie näher unten, § 11 II. 3. g) aa).

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Mindestbetrag für die anfänglich aufzubringenden Einlagen unnötig. Die Verpflichtung der Gesellschafter, einen Anteil ihrer Einlageverpflichtung schon vor der Eintragung zu erfüllen, genügt. Diese relative Mindesteinlagepflicht trägt der vornehmlichen Funktion des Stammkapitals als Risikobeitrag der Gesellschafter Rechnung. Sie macht den Anteil des anfänglich aufzubringenden Stammkapitals allein von der Höhe der jeweiligen Haftungszusage der Gesellschafter abhängig. Eine darüber hinausgehende absolute Untergrenze knüpft nicht an die Perspektive des einzelnen Gesellschafters an, der als Seriositätsgewähr für einen Teil seiner Risikobeteiligung in Vorleistung treten soll, sondern soll aus Sicht der Gesellschaft deren Ausstattung mit einem gewissen Vermögen als finanzieller Grundlage und Haftungsfonds für die Gläubiger sicherstellen. Letzteres ist aber eine Funktion, die das Stammkapital ohnehin kaum erfüllt345, und ersteres wird auch durch eine relative Mindesteinlage gewährleistet. Denn auch bei einer reinen Bargründung ergibt sich so noch eine Untergrenze von einem Viertel des Mindestkapitals. Dass aber Gesellschaften, bei denen die Hälfte des Mindestkapitals anfänglich aufgebracht wurde (nach einer hier befürworteten Absenkung desselben also 5.000 Euro, nach geltendem Recht 12.500 Euro), auf einem deutlich solideren wirtschaftlichen Fundament stehen als solche, bei denen das Anfangsvermögen nur 2.500 Euro (bzw. 6.250 Euro) beträgt, wird man wohl kaum ernsthaft behaupten wollen.346 Die maßgebliche Gläubigerschutzfunktion des Stammkapitals als Risikobeitrag der Gesellschafter wird also durch eine einlagenbezogene, relative Aufbringungspflicht hinreichend abgesichert. Jeder Gesellschafter wird angehalten, durch die anteilige Aufbringung seiner Risikobeteiligung ein Mindestmaß an Seriosität zu dokumentieren. Darüber hinaus wird die Gesellschaft mit einem – wenngleich geringen – Vermögensgrundstock ausgestattet. Zur Sicherstellung einer wirklich ausreichenden Anlauffinanzierung wird dieser nur in den seltensten Fällen geeignet sein, doch ein pauschaler, gesetzlich festgelegter Betrag für das Anfangsvermögen der Gesellschaft ist hierfür ohnehin angesichts der Vielzahl der möglichen 345 In dieser Hinsicht kann man sogar argumentieren, dass für die Gläubiger eine bis zur Insolvenz offen gebliebene Einlageforderung nützlicher ist als eine anfänglich geleistete, nunmehr aber durch Verluste aufgezehrte Einlage. Dies gilt jedenfalls, wenn der Gesellschafter selbst solvent ist. Denn dann führt die nachträgliche Einlageleistung zur Erhöhung der vorhandenen Insolvenzmasse. Die anfängliche Mindesteinlagepflicht ist also aus der ex-post-Perspektive für die dann verbleibenden Gläubiger nicht unbedingt günstig. Sie dient allein den Gläubigern, die in der Anfangsphase mit der Gesellschaft in geschäftlichen Kontakt treten. 346 Letztendlich ist weder die eine noch die andere Mindesteinlagepflicht geeignet, eine solide wirtschaftliche Grundlage für die allermeisten Unternehmensgründungen zu gewährleisten. Selbst eine Vollliberierungspflicht würde bei einem Mindestkapital von 10.000 Euro daran nichts ändern, da die Geschäftsrisiken in der Regel diesen Betrag von Anfang an oder jedenfalls nach kürzester Zeit übersteigen. Die Mindesteinlagepflicht wird aber hier ohnehin hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Seriositätsschwelle befürwortet.

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Gesellschaftszwecke kein optimales Instrument. Die Verhinderung der Gründung strukturell unterfinanzierter Gesellschaften als berechtigtes Gläubigerschutzanliegen kann besser einzelfallbezogen und flexibel sichergestellt werden, da das notwendige Schutzniveau vom konkreten Unternehmensprojekt abhängt.347 Die Beibehaltung einer anfänglichen Einlagepflicht rechtfertigt sich demnach vor allem aus deren Funktion als Seriositätsschwelle. Ein aus dem Privatvermögen der Gesellschafter aufzubringender, nicht gänzlich unerheblicher Betrag führt dazu, dass missbräuchliche Gründungen unattraktiver werden. Denn es genügt nicht die Bereitschaft, irgendwann in der Zukunft einen Teil des unternehmerischen Risikos zu übernehmen, vielmehr muss diese Bereitschaft schon bei der Gründung durch eine anteilige Leistung auf die Einlagepflicht nach außen unter Beweis gestellt werden. Deshalb sollten die Gesellschafter, wie bisher, dazu verpflichtet sein, vor der Eintragung ein Viertel ihres Einlagebetrages aufzubringen. Für eine vollständige anfängliche Leistung von Sacheinlagen besteht dabei aber nicht unbedingt ein Bedürfnis, auch wenn hinsichtlich dieser Regelung ein weit gehender rechtsvergleichender Konsens besteht. Die vollständige Erbringung dient vor allem der Wertkontrolle und der Vereinfachung, da Sacheinlagen weniger leicht in klar bewertete Teilleistungen aufgespalten werden können als Bareinlagen. Da aber die präventive gerichtliche Überprüfung aufgegeben werden kann348, besteht kein Grund, eine einheitliche Leistung der gesamten Sacheinlage vor der Eintragung zwingend anzuordnen, wenn eine Aufspaltung in mehrere Einzelleistungen möglich ist. b) Abschaffung der „Leistung zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ Zur weiteren Erleichterung der Kapitalaufbringung könnte die Vorschrift des § 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG abgeschafft werden, die verlangt, dass Einlageleistungen sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden müssen. Frankreich und Spanien regeln die Art der Einlageleistung dergestalt, dass die Leistungen bis zur Eintragung hinterlegt werden müssen. Der Nachteil gegenüber dem deutschen Recht besteht darin, dass die entsprechenden Mittel dadurch für die Geschäftsaufnahme vor Eintragung gar nicht bzw. nur begrenzt zur Verfügung stehen. Allerdings war das deutsche Recht vor dem MoMiG ebenfalls zu unflexibel, da es Vorabvereinbarungen über die Verwendung der Einlagegegenstände nicht 347 Damit ist nicht etwa gemeint, dass ein einzelfallbezogenes Mindestkapital hierzu geeignet wäre. Dies wurde bereits oben, § 11 I. 3. d), abgelehnt. Hier soll lediglich auf ergänzende, vom Stammkapital unabhängige Instrumente hingewiesen werden, die eine ausreichende Finanzierung einzelfallbezogen befördern können. In diese Richtung zielt etwa der Vorschlag, bei der Gründung zwingend einen Finanzplan aufzustellen und diesen durch Haftungssanktionen abzusichern. Vgl. dazu oben, § 7 II. 2. a) cc), sowie sogleich, § 11 II. 3. c). 348 Dazu unten, § 11 II. 3. g) bb).

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zuließ, wie sie insbesondere in Cash-Pool-Systemen üblich sind. In der Sache verspricht die Neuregelung des § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. hier bereits entscheidende Abhilfe. Eine weitergehende Reform erscheint insoweit kaum noch dringlich, wäre aber in der Weise möglich, dass es generell ausreicht, wenn der vereinbarte Einlagegegenstand werthaltig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist und der Geschäftsführer der Art der Leistung zugestimmt hat. Dem Zweck der Einlagepflicht wäre damit Genüge getan. c) Obligatorischer Finanzplan Bedeutsamer erscheint der Vorschlag, bei der Gründung eine Pflicht zur Erstellung eines Finanzplanes nach belgischem Vorbild zu statuieren. Dieser Ansatz ist in Deutschland nicht wirklich neu, allerdings schon seit einer Weile in Vergessenheit geraten: Die Vorlage detaillierter Finanzpläne als Grundlage für die Bestimmung der Höhe des Aktienkapitals war Voraussetzung einer Konzessionserteilung für Aktiengesellschaften nach dem ADHGB von 1861.349 Er erscheint insbesondere deshalb erwägenswert, weil das Stammkapital nach dem bisher Gesagten als Finanzierungsinstrument wenig geeignet ist, weil aber strukturell unterfinanzierte Gründungen ein Hauptgrund für die Vielzahl von frühen GmbHInsolvenzen sind.350 Vor allem angesichts der hier vorgeschlagenen Absenkung der anfänglichen Mindesteinlagepflicht kann ein solcher Finanzplan einen nützlichen Beitrag zur Sicherstellung einer ausreichenden Anlauffinanzierung leisten. Er vermeidet die Nachteile der Mindesteinlagepflicht, da er den Potentialen und Risiken der jeweiligen Unternehmung flexibel Rechnung tragen kann und damit nicht zu einer unnötigen Belastung der Gründer führt. Er sollte, wie in Belgien, einen noch relativ seriös prognostizierbaren Zeitraum von zwei Jahren umfassen und Grundlage für eine Gesellschafteraußenhaftung sein, wenn sich nachträglich eine anfängliche Unterkapitalisierung der Gesellschaft herausstellt, die in die Insolvenz geführt hat und aus dem Finanzplan bereits klar ersichtlich war. Gegen das belgische Modell wird angeführt, dass die Haftung nur eingreift, wenn das Stammkapital nach dem Finanzplan „offensichtlich unzureichend“ war. Die Überprüfung der Seriosität der Finanzplanung erfolge dementsprechend nur nach einem sehr groben Maßstab.351 Außerdem sei unklar, wie sich die Geschäftsleitung verhalten müsse, wenn innerhalb des Prognosezeitraumes von zwei Jahren die tatsächliche Entwicklung maßgeblich von den Planungen abweicht. Eine nachträgliche Überprüfung der Stimmigkeit der ex-ante-Prognose im Fi-

349

Vgl. dazu Krüger, Mindestkapital, S. 50 m.w. N. in Fn. 137. Vgl. Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 89; unter Hinweis auf Fleischer, DStR 2000, 1015 (1021). 351 Vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 268. 350

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nanzplan sei schwierig, da generell die angemessene Kapitalausstattung nicht betriebswirtschaftlich eindeutig bestimmt werden könne.352 Die Gegenargumente zielen darauf, dass auch ein solcher Finanzplan wegen seines Prognosecharakters keine unbedingte Gewähr für die Verhinderung unterfinanzierter Gründungen bieten kann, und dass eine „ausreichende“ Kapitalisierung selbst nachträglich schwer feststellbar ist. Beides trifft zu, vermag jedoch die Sinnhaftigkeit einer solchen Regelung nicht grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Die genaue Bezifferung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung ist betriebswirtschaftlich nicht möglich. Dementsprechend ist eine darauf aufbauende, allgemeine Unterkapitalisierungshaftung mit zu großen Unsicherheiten behaftet und deshalb abzulehnen.353 Für besondere Extremfälle einer qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung wird aber bereits nach geltendem Recht ein gesellschaftsrechtlicher Haftungsdurchgriff oder zumindest eine Anwendung des § 826 BGB in Betracht gezogen.354 In die gleiche Richtung zielt die Haftung für eine laut Finanzplan „offensichtlich unzureichende“ Kapitalisierung nach belgischem Vorbild. Diese ist dem deutschen Recht also keineswegs fremd und würde mit der Anknüpfung an den Finanzplan nur auf ein klareres Fundament gestellt. Der grobe Maßstab der Offensichtlichkeit ist nötig, um übermäßige Haftungsfolgen und Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Das belgische Modell bietet also keine absolute Gewähr für eine ausreichende Finanzierung, aber immerhin die Pflicht zu einem Mindestmaß an seriöser Finanzplanung für den besonders kritischen Zeitraum nach der Gründung, die durch die generalpräventive Wirkung der Haftungssanktion abgesichert wird. Dies belastet die Gesellschafter keineswegs mit unnötigem Aufwand, denn eine solide Finanzplanung ist Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Unternehmen. Zwar kann die Realität von den Planungen abweichen, aber zwei Jahre erscheinen als ein vertretbarer Prognosezeitraum. Bei unvorhersehbaren negativen Entwicklungen würde die Haftung der Gesellschafter entfallen, da dann die Insolvenz nicht auf der schon ex ante offensichtlichen Unterkapitalisierung beruhte. Im Hinblick auf die Generalprävention ist allerdings problematisch, dass die belgische Rechtsprechung die Haftung der Gesellschafter auf die Differenz zwischen tatsächlich aufgebrachtem und vernünftigerweise erforderlichem Kapital begrenzt.355 Dadurch besteht für die Gründer kein Anreiz, von sich aus die ausreichende Kapitalausstattung der Gesellschaft gemäß dem Finanzplan sicherzustellen.356 Dem könnte jedoch dadurch abgeholfen werden, dass die Gesellschaf352

Vgl. Krüger, Mindestkapital, S. 268. Vgl. knapp Michalski/Fleischer, Syst. Darst. 5 Rn. 84. 354 Vgl. oben, § 4 I. 7. 355 Vgl. Trib. de Bruges vom 12.03.1981, Rev. Prat. Soc. 1982, 43. 356 Dies problematisierend auch Krüger, Mindestkapital, S. 269; Lutter, in: FS Riesenfeld (1983), S. 165 (177). 353

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ter, parallel zur Rechtsfolge der action en comblement du passif, bei unzureichender Kapitalisierung für einen Teil oder die Gesamtheit der Gesellschaftsschulden einstehen müssen. d) Reform des Rechts der Sacheinlagen Das MoMiG hat bereits einige der Kritikpunkte bzgl. des Rechts der Sacheinlagen berücksichtigt und verspricht insoweit Abhilfe. Insbesondere die Neuregelung zur verdeckten Sacheinlage in § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. beseitigt bestehende Rechtsunsicherheiten und mildert die bisherigen übertriebenen Rechtsfolgen durch eine Anrechnungslösung ab. Der überwiegend positiven Resonanz im Schrifttum ist deshalb insoweit beizupflichten, als das neue Recht jedenfalls besser ist als das alte. Allerdings ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber nicht bei der Fassung des Regierungsentwurfs mit Erfüllungslösung und Differenzhaftung geblieben ist, die der jetzigen Regelung vorzuziehen gewesen wäre. Die daran geäußerte Kritik357, eine solche Vorschrift führe zu einem Verlust an Präventionswirkung, damit zu einer Entwertung des Sacheinlageverfahrens und letztlich zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der Stammkapitalziffer insgesamt, geht fehl. Denn schon nach dem früheren Recht vor dem MoMiG wurde verbreitet die Legitimation der Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage zum Schutz der Gläubiger in Zweifel gezogen.358 Diese Zweifel verdichten sich zur Gewissheit fehlender Legitimation, wenn man, wie hier, eine präventive gerichtliche Werthaltigkeitskontrolle, deren Durchsetzung diese Rechtsprechung diente, insgesamt für unnötig hält.359 Eine verdeckte Sacheinlage wirft, soweit sie werthaltig ist, keinerlei Probleme für den materiellen Kapitalschutz auf und ist lediglich für die formelle Kapitalaufbringung und die Publizität von Relevanz. Für die Gläubiger ist letztlich entscheidend, dass das Stammkapital werthaltig aufgebracht wird.360 Ob hierfür Baroder Sacheinlagen im Gesellschaftsvertrag vereinbart sind, und ob eine Bareinlage offen oder verdeckt durch eine äquivalente Sachleistung erbracht wird, ist insoweit irrelevant. Die publizierte Stammkapitalziffer behält ihre volle Glaubwürdigkeit, solange der Gesetzgeber sicherstellt, dass entsprechende Vermögensleistungen von den Gesellschaftern an die Gesellschaft fließen, egal in welcher Form. Dies tat § 19 Abs. 4 GmbHG-RegE, indem er der Sachleistung nur insoweit Befreiungswirkung zubilligte, wie sie die Bareinlagepflicht wertmäßig abdeckte. Sicherlich ginge damit ein Verlust an Abschreckungswirkung und damit eine Entwertung des geltenden formellen Sacheinlageverfahrens einher. Dies ist 357 358 359 360

Vgl. oben, § 7 I. 1. b) aa) (1). Vgl. oben, § 4 II. 2. b). Andeutungsweise in diese Richtung auch Heidenhain, GmbHR 2006, 455 (456). So auch Noack, DB 2007, 1397.

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jedoch nach hier vertretener Ansicht irrelevant, da dieses Verfahren die Gründer belastet, ohne den Gläubigerschutz nennenswert zu verbessern, und damit ohnehin entbehrlich ist. Im Übrigen verzichtete auch § 19 Abs. 4 GmbHG-RegE keineswegs auf jegliche Präventionswirkung, denn er erlegte Inferenten, die sich nicht an das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren halten, die volle Beweislast für die Werthaltigkeit ihrer Sachleistung auf. Die bisherige (nach neuem Recht unverändert bestehende) Pflicht zur vorgelagerten gerichtlichen Werthaltigkeitskontrolle würde bei Einführung einer solchen Vorschrift also nicht vollends abgeschafft, sondern nur durch eine entsprechende Obliegenheit ersetzt.361 Offene oder verdeckte Sachleistungen auf eine Bareinlageschuld hätten grundsätzlich Erfüllungswirkung, soweit sie werthaltig sind. Der Inferent könnte sich aber von der Pflicht, die Werthaltigkeit nachträglich selbst beweisen zu müssen, befreien, indem er das bisherige Bewertungsverfahren mit Sachgründungsbericht und präventiver Kontrolle durch das Registergericht einhält. Dadurch würde sich das deutsche Recht in begrüßenswerter Weise den beiden anderen hier untersuchten Rechtsordnungen annähern, die eine Vorschrift wie § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. oder das Problem der verdeckten Sacheinlage nicht kennen und es generell bei einer Differenzhaftung bei nicht werthaltigen Sachleistungen auf das Stammkapital belassen. Demnach sind die Neuerungen in § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. zwar als bedeutende Verbesserung gegenüber der früheren Rechtslage anzusehen. Die Reform könnte und sollte jedoch noch weitergehen und die Erfüllungslösung des Regierungsentwurfs wieder aufnehmen. Konsequenterweise sollte darüber hinaus die präventive Sacheinlagenkontrolle durch das Registergericht gänzlich abgeschafft werden. Denn diese bedeutet für die Gerichte einen hohen Arbeitsaufwand, für die Gesellschafter Kosten und Verzögerungen und für die Gläubiger keinen wirklichen Nutzen. Frankreich und Spanien halten ein solch aufwendiges Überprüfungsverfahren deshalb für unnötig und begnügen sich mit einem (obligatorischen bzw. fakultativen)362 Sachgründungsbericht durch einen externen Sachverständigen. Gegen die zwingende Anordnung einer solchen externen Expertenkontrolle könnte eingewandt werden, dass sie die Gründer mit vergleichbaren Kosten 361 Dies ist zwar nicht formell, aber doch im praktischen Ergebnis der Fall. Der Regierungsentwurf des MoMiG behielt zwar auf dem Papier das Sacheinlageverfahren als zwingend bei, seine Umgehung sollte jedoch folgenlos bleiben, wenn die Einlageleistung werthaltig ist. Die Beweislastumkehr ist insoweit ein Instrument der Anreizsteuerung. 362 Zwischen beiden Ländern besteht der Unterschied, dass in Frankreich die Bewertung durch den externen Sachverständigen in der Regel zwingend vorgeschrieben, ihr Ergebnis aber unverbindlich ist. Die Gesellschafter können also einen abweichenden Wert in den Statuten angeben. Halten sie sich jedoch an die Bewertung des Experten, entfällt ihre Differenzhaftung. In Spanien ist die externe Bewertung bei der S.L. insgesamt freiwillig, führt aber, sofern vorgenommen, ebenfalls zum Entfallen der Haftung. Vgl. näher oben, § 5 I. 2. c) bzw. § 6 I. 2. c).

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belastet wie die Überprüfung durch das Registergericht. Allerdings ist die Hinzuziehung externer Sachverständiger bei der Anfertigung des Sachgründungsberichtes gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 GmbHG auch ohne gesetzlichen Zwang weit verbreitet, so dass den meisten Gründern keine zusätzlichen Kosten entstehen würden. Dafür würden aber die Registergerichte entlastet, was zumindest zu einer Zeitersparnis bei der Gründung führen dürfte. Trotzdem erscheint eine obligatorische Bewertung der Sacheinlagen durch einen Sachverständigen vor der Eintragung nicht unbedingt nötig. Denn wenn die Gesellschafter für nicht werthaltige Sacheinlagen im Nachhinein haften, haben sie selbst ein Interesse daran, den Wert der Sache beweiskräftig festzustellen und zu dokumentieren. Verstärkt werden könnte dieser Anreiz, ähnlich wie in § 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG n. F. vorgesehen, durch eine Beweislastumkehr dergestalt, dass bei einer Bewertung durch einen Sachverständigen die Werthaltigkeit der Leistung widerleglich vermutet wird. In Frankreich und Spanien ist die Werthaltigkeitsvermutung sogar unwiderleglich ausgestaltet. Insgesamt erscheint das Verfahren einer fakultativen externen Werthaltigkeitskontrolle mit entsprechenden Anreizen effektiver als die bisherige Überprüfung durch das Registergericht, ohne dass Gläubigerschutzeinbußen zu befürchten sind. e) Kapitalaufbringung durch Gewinnthesaurierung Eine noch weitergehende Deregulierung des Kapitalaufbringungsrechts wäre auch in der Weise möglich, dass die unbedingte Pflicht der Gesellschafter zur Aufbringung des Stammkapitals durch eigene Einlageleistungen aufgegeben wird. Das Stammkapital wäre dann zwar weiterhin als gebundener Krisenpuffer und Haftungsfonds anzusehen, der nicht ausgeschüttet werden darf, aber seine Aufbringung durch Gesellschaftsgewinne wäre zulässig. Daneben hätten die Gesellschafter selbstverständlich weiterhin das Recht, Einlagen auf das Stammkapital zu leisten.363 Bei dieser Variante entfällt die Funktion des Stammkapitals als zwingende Beteiligung der Gesellschafter am Unternehmensrisiko. Das Stammkapital wäre auf die Funktion einer gesetzlichen Rücklage reduziert.364 Der dadurch vermittelte Gläubigerschutz bliebe hinter dem Schutzniveau des jetzigen Systems jedoch insoweit zurück, als es mangels persönlichen Vermögenseinsatzes der Gesellschafter an jeder verhaltenssteuernden Wirkung fehlte und die Kapitalschutzregeln nur eingreifen würden, wenn die Gesellschaft Gewinne erzielt. 363

Von diesem Recht würden sie in der Praxis wohl nur selten Gebrauch machen. Insoweit bestehen Parallelen zur gesetzlichen Rücklage in der UG (haftungsbeschränkt) nach § 5a Abs. 3 GmbHG n. F., die durch Gesellschaftsgewinne aufgebaut wird und praktisch der Kapitalbindung des § 30 GmbHG unterliegt. Allerdings muss bei der UG das (ggf. sehr geringe) Stammkapital durch die Gesellschafter aufgebracht werden, es wird durch die gesetzliche Rücklage nur ergänzt. Außerdem besteht eine dauerhafte Thesaurierungspflicht, die nicht etwa mit Erreichen des gesetzlichen Mindestkapitals endet. Näher oben, § 7 I. 1. a) bb). 364

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Die wichtigste Gläubigerschutzfunktion des Stammkapitals ginge also verloren. Deshalb ist die Pflicht der Gesellschafter zur persönlichen Einlagenleistung ein grundsätzlich unverzichtbares Element des Stammkapitalsystems. Denkbar wäre aber auch eine abgeschwächte Variante dieses Ansatzes: Die Pflicht der Gesellschafter zur Aufbringung des Stammkapitals durch Einlageleistungen wird beibehalten, jedoch ist ein Erlass der Einlageforderungen zulässig, wenn das Stammkapital vollständig durch Gewinne gedeckt ist.365 Lediglich die anfängliche Mindesteinlage als Seriositätsschwelle muss sofort aufgebracht werden.366 Erwirtschaftet die Gesellschaft im Anschluss ausreichende Gewinne, um das restliche Stammkapital zu decken, dann erfüllt der Gesellschafter praktisch seine Einlagepflicht nachträglich, indem er Gewinne in der Gesellschaft belässt, die ausschüttungsfähig wären, wenn er im Zeitpunkt des Erlasses zunächst seine Einlagepflicht vollständig erfüllen würde. Dies ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn man wie hier die Hauptfunktion des Stammkapitals in der Sicherung einer Risikobeteiligung der Gesellschafter sieht. Denn dafür sind der Zeitpunkt und die Art der Einlageleistung zweitrangig. f) Abschaffung der Ausfallhaftung der Mitgesellschafter Auch die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter für nicht aufgebrachte Einlagen gemäß § 24 GmbHG erscheint vor dem Hintergrund der oben festgestellten Funktionen des Stammkapitals in ihrer Legitimation fragwürdig.367 Wenn nämlich die Einlageleistung vor allem den persönlichen Risikobeitrag des jeweiligen Gesellschafters darstellt, dann ist nicht ohne weiteres ersichtlich, warum die Mitgesellschafter für ausbleibende Leistungen aufkommen sollen. Für die Verhaltenssteuerungs- und Risikoverteilungsfunktion des Stammkapitals ist entscheidend, dass jeder Gesellschafter den von ihm versprochenen Betrag persönlich aufbringt, nicht mehr und nicht weniger. § 24 GmbHG verlangt den Mitgesellschaftern aber eine darüber hinausgehende Leistung ab mit dem Zweck, die Aufbringung des Stammkapitals insgesamt sicherzustellen. Eine solche Regelung ist den meisten ausländischen Rechtsordnungen unbekannt.368 Sie dient zuvörderst der Finanzierungs- und Haftungsfondsfunktion des Stammkapitals, die aber beide in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle spielen.369 365

So knapp Engert, GmbHR 2007, 337 (344 mit Fn. 82). Anders Engert, GmbHR 2007, 337 (344). Eine gewisse anfängliche Leistung aus dem Privatvermögen des Gesellschafters erscheint jedoch sinnvoll, da sie eine stärkere Seriositätsgewähr bietet als die bloße Aussicht, irgendwann einen eigenen Vermögensbeitrag leisten zu müssen. Vgl. unten, § 11 II. 3. g) aa). 367 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum RegE MoMiG, BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 13. 368 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (487). 369 Vgl. oben, § 10 II. 1. a) und b) aa). 366

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g) Stellungnahme Nach Abwägung der Argumente für und wider die genannten denkbaren Maßnahmen ergibt sich für eine Reform des Kapitalaufbringungsrechts ein differenziertes Bild. Einige der Reformen des MoMiG gehen bereits in die richtige Richtung und beseitigen wesentliche Kritikpunkte im Kapitalaufbringungsrecht. Dennoch verbleibt Spielraum und Bedarf für weitergehende Verbesserungen.370 aa) Mindesteinlagepflicht Die absolute Mindesteinlagepflicht von der Hälfte des Mindestkapitals sollte abgeschafft werden. Die relative Mindesteinlagepflicht von einem Viertel des jeweiligen Einlagebetrages sollte beibehalten werden, vor allem als Seriositätsschwelle. Dabei sollte allerdings darauf verzichtet werden, den Gesellschaftern die Leistung sämtlicher Sacheinlagen schon vor der Eintragung abzuverlangen, da auch insoweit eine gestaffelte Aufbringung u. U. möglich und sinnvoll sein kann.371 Für eine solche Vorschrift besteht jedenfalls kein Bedürfnis, wenn die präventive registergerichtliche Wertkontrolle von Sacheinlagen abgeschafft wird.372 Weiterhin durch das Registergericht kontrolliert werden muss allerdings die reale Aufbringung der Mindesteinlage. Denn diese kann ihre Funktionen, anders als das Mindestkapital, nur dann erfüllen, wenn sie schon vor der Eintragung durch werthaltige Leistungen der Gesellschafter abgedeckt ist. Ohne präventive Kontrolle würde sie deshalb in der Praxis ihre Wirkung weit gehend verfehlen. Aus diesem Grund erscheint eine Regelung erwägenswert, die die Aufbringung der Mindesteinlage in Barmitteln zwingend vorschreibt. Darin liegt nicht etwa der Verzicht auf eine Überprüfung der Werthaltigkeit der Einlagenleistungen durch das Registergericht, sondern nur deren Erleichterung. Der anfängliche Vermögensgrundstock der Gesellschaft muss dergestalt aufgebracht werden, dass die Werthaltigkeit problemlos und schnell von außen nachvollziehbar ist.373 Der 370 In der Gesamtbewertung abweichend Goette, DStR 2005, 197 (198), dessen Ansicht nach das deutsche Kapitalschutzrecht weder schwierig noch unübersichtlich und damit auch nicht grundlegend reformbedürftig ist. Von den Gesellschaftern werde nicht mehr verlangt als die Erbringung ihrer Einlage mit dem vereinbarten Wert und in der vereinbarten Form. Im Grundsatz trifft diese Einschätzung zwar zu, doch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige der bestehenden Regeln über dieses Ziel hinausschießen und die Gesellschaftsgründung erschweren, ohne den Gläubigerschutz entscheidend zu verbessern. 371 Ist sie nicht möglich, verbleibt es selbstverständlich dabei, dass der Gesellschafter die gesamte Einlage sofort erbringen muss, es sei denn, er hat sich zur Erbringung einer Mischeinlage verpflichtet und der Barbetrag deckt die Mindesteinlage von einem Viertel des gesamten Einlagebetrages ab. 372 Dazu sogleich, § 11 II. 3. g) bb). 373 Deshalb ist bei der S.L.N.E. eine solche Regelung vorgesehen, vgl. oben, § 9 I. 1. a).

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Vorteil wäre, dass das Registergericht dann in keinem Fall mehr die Werthaltigkeit von Sacheinlagen überprüfen müsste: Die Mindesteinlage muss in bar aufgebracht werden, darüber hinausgehende Sacheinlagen unterliegen keiner Wertkontrolle mehr. Die Gründung würde deutlich vereinfacht. Allerdings verspricht die hier vorgeschlagene reduzierte Werthaltigkeitskontrolle374, die sich allein auf die Erfüllung der Mindesteinlagepflicht und nicht auf die Bewertung von Sacheinlagen insgesamt bezieht, bereits eine erhebliche Verbesserung. Der weitergehende Vereinfachungseffekt einer Mindesteinlage in bar ist zwar nicht von der Hand zu weisen, jedoch dürfte er nicht ausreichen, um die Gestaltungsfreiheit der Gründer insoweit einzuschränken. Denn eine Aufbringung der Mindesteinlage durch Sachwerte kann für sie u. U. trotz der zusätzlichen Belastungen durch die (reduzierte) Werthaltigkeitskontrolle günstiger sein, wenn sie nämlich nicht über ausreichende Barmittel verfügen und die Sache der Geschäftsaufnahme dient. Die Art der Einlageleistung sollte den Gründern also grundsätzlich freistehen, da insoweit keine überwiegenden Gläubigerschutzerwägungen entgegenstehen. Damit verbleibt eine relative Mindesteinlagepflicht von einem Viertel des jeweiligen Einlagebetrages, die durch Bar- oder Sachleistungen erfüllt werden kann. Kleinstunternehmer, für die selbst diese Mindesteinlage eine Gründungshürde darstellt, die angesichts der geringen Gläubigerrisiken als nicht gerechtfertigt erscheinen könnte, werden dadurch zwar eventuell an der Gründung gehindert. Dies ist allerdings gesamtwirtschaftlich zu verschmerzen, da sich dies erstens aufgrund des verbleibenden anfänglichen Mindestbetrages von insgesamt 2.500 Euro auf sehr wenige Unternehmen beschränken dürfte und zweitens diese weniger auf die Haftungsbeschränkung angewiesen sind375, also in andere deutsche Rechtsformen ohne Mindestkapital, wie z. B. die oHG, ausweichen können. Gegen diesen Vorschlag lässt sich nicht ohne Berechtigung einwenden, dass mit der Abschaffung der absoluten Mindesteinlage der „Eintrittspreis“ für die GmbH gesenkt und damit die Missbrauchsgefahr erhöht wird. Allerdings muss, wie bereits oben376 angemerkt, zwischen dem Mindestkapital und der Mindesteinlage differenziert werden. Beides stellt eine Seriositätsschwelle dar, doch sind bei der Festlegung von deren Höhe unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Das Mindestkapital muss insgesamt einen angemessenen Ausgleich zwischen der Belastung der Gesellschafter (während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft) und dem notwendigem Mindestmaß an Gläubigerschutz durch das Stammkapital herstellen. Dafür ist zweitrangig, wann die Einlagen geleistet werden, sofern sie nur irgendwann werthaltig aus dem Privatvermögen des 374 375 376

Zum Umfang dieser Kontrolle sogleich, § 11 II. 3. g) bb). So auch Armour, 63 Mod. L. Rev. 355, 372 (2000). Vgl. § 11 II. 2. a) aa).

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Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen gelangen.377 Das Mindestkapital stellt deshalb im Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung vor allem eine psychologische Hürde dar, die die Gesellschafter nicht direkt belastet. Die Mindesteinlagepflicht hingegen ist eine unmittelbare finanzielle Gründungshürde. Für die Bemessung ihrer Höhe spielt die Notwendigkeit einer gewissen anfänglichen Vermögensausstattung der Gesellschaft und vor allem einer Seriositätsgewähr genauso eine Rolle wie das gesamtwirtschaftliche Interesse, die Rechtsform der GmbH auch kleinen, wenig kapitalintensiven Unternehmensgründungen offen zu halten. Das Argument der Gründungserleichterung ist also bei der Frage nach der Absenkung der Mindesteinlage wesentlich stärker als im Kontext der Mindestkapitalziffer. Umgekehrt wiegt das Bedürfnis nach einem Mindestgläubigerschutz des Stammkapitalsystems bei letzterer schwerer als bei ersterer. Das Mindestkapital muss so hoch beziffert werden, dass das Stammkapital in der Praxis nicht jegliche gläubigerschützende Wirkung verliert. Die Mindesteinlagepflicht hingegen bezieht sich allein auf den Gründungszeitpunkt und muss so niedrig angesetzt werden, dass auch kleine und kleinste Unternehmen die Rechtsform der GmbH wählen können, ohne dass die Gesellschafter zu übermäßigem Kapitaleinsatz, den die Gesellschaft nicht benötigt, gezwungen werden. Diese Lösung deckt sich im Übrigen mit den oben gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der Funktionen des Stammkapitals.378 Eine Finanzierungs- und Haftungsfondsfunktion erfüllt es kaum, so dass auf dieser Basis keine beträchtliche Mindesteinlagepflicht, die Gründungen behindert, gerechtfertigt werden kann. Teilweise wird die Mindesteinlage zwar auch dahingehend begründet, dass von ihr eine Disziplinierungs- und Steuerungsfunktion ausgehe, da sie den Gesellschafter zur Übernahme eines eigenen unternehmerischen Risikos zwinge.379 Allerdings geht diese Disziplinierung eher vom Mindestkapital insgesamt aus als von der anfänglichen Mindesteinlage. Letztere bestimmt nur, wann der Gesellschafter seinen Risikobeitrag (zumindest teilweise) aufbringen muss. Wenn er seine Einlage vor der Eintragung gar nicht oder nur anteilig leisten muss, bleibt seine Verpflichtung zu einem persönlichen Vermögenseinsatz insgesamt doch in ihrer vollen Höhe bestehen. Er wird durch eine offene Einlageforderung, die spätestens in der Insolvenz beglichen werden muss, nicht weniger diszipliniert als von einer bereits geleisteten Einlage, deren Rückerlangung er sich in einer späteren Liquidation der Gesellschaft erhofft. Die Mindesteinlage ist also vor allem 377 Dies gilt jedenfalls dann, wenn man, wie hier, die Hauptfunktion des Stammkapitals in der Risikobeteiligung der Gesellschafter erblickt. Sieht man das Stammkapital hingegen als wesentliche Finanzierungsgrundlage der Gesellschaft und Haftungsfonds für die Gläubiger an, kommt dem Zeitpunkt der Einlagenleistung eine größere Bedeutung zu. 378 Vgl. oben, § 10 II. 1. und 3. 379 Vgl. etwa Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (436). Dem folgend Schärtl, Doppelfunktion, S. 162.

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eine anfängliche Seriositätsschwelle. Als solche erfüllt sie eine nützliche Funktion bei der Missbrauchsbekämpfung. Allerdings handelt es sich mehr noch als bei der Mindestkapitalziffer um eine untergeordnete Stellschraube im Gesamtsystem des stammkapitalbasierten Gläubigerschutzes, so dass ihre Absenkung zur Erleichterung kleiner Unternehmensgründungen einer geringeren Rechtfertigungslast unterliegt. Sprechen also überzeugende Argumente dafür, die anfänglichen Vermögensaufbringungspflichten der Gesellschafter zu reduzieren, so bleibt trotzdem die Sicherstellung einer ausreichenden Anlauffinanzierung ein legitimes Anliegen gesetzlicher Gläubigerschutzregeln. Allerdings sind andere Instrumente hierfür besser geeignet als die Mindesteinlagepflicht. Bei einer gestaffelten Aufbringung des Stammkapitals hat der Geschäftsführer die Möglichkeit, die Einlageleistungen dann einzufordern, wenn die Gesellschaft sie benötigt. Dies trägt den individuellen Finanzierungsbedürfnissen der Gesellschaft besser Rechnung als ein hoher Pauschalbetrag. Um möglichen Missbräuchen vorzubeugen und eine angemessene Anfangsfinanzierung im Einzelfall zu fördern, sollte eine haftungsbewehrte Pflicht zur Erstellung eines Gründungsfinanzplanes nach belgischem Vorbild eingeführt werden. Dieser stellt jedenfalls für die ersten zwei Jahre als besonders kritischer Anlaufphase380 eine relativ solide Finanzierung in nachprüfbarer Weise sicher. Die Gesellschafter sind demnach bei der Gründung nur zur Leistung der geringen Mindesteinlage verpflichtet, und in der Folge kann der Geschäftsführer auf der Basis des Finanzplanes die weiteren Einlagen nach Bedarf einfordern. Dadurch wird das Interesse der Gesellschafter an einer möglichst geringen Gründungsbelastung mit dem der Gläubiger (und der Gesellschaft selbst) an einem Mindestmaß an Eigenkapitalausstattung zu einem vernünftigen Ausgleich gebracht. Die Gesellschafter bleiben zur Erbringung ihres vollen Risikobeitrages verpflichtet, nur der Zeitpunkt wird flexibler ausgestaltet. Gleichzeitig haben sie, anders als nach den Garantiesummenmodellen, die Möglichkeit und das Recht, vor Insolvenzeintritt mit befreiender Wirkung auf ihre Einlagepflicht zu leisten. bb) Sacheinlagevorschriften Wenn das Stammkapital seine Funktion als Seriositätsgewähr in Form eines persönlichen Risikobeitrags der Gesellschafter erfüllen soll, dann muss selbstverständlich sichergestellt werden, dass die Gesellschafter diesen Beitrag auch tatsächlich irgendwann leisten.381 Gleiches gilt für die anderen traditionellen Auf380 Vgl. die Zahlen zur Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland, nach denen nur 3% dieser Unternehmen die ersten zwei Jahre überstehen. Näher oben, § 10 III. 1. 381 Der Zeitpunkt der Leistung ist insoweit zweitrangig, er spielt nur für die Funktion als Betriebskapital eine Rolle.

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gaben des Stammkapitals. Auf dieser Prämisse fußt das gesamte Kapitalaufbringungsrecht in allen hier untersuchten Rechtsordnungen.382 Die Einlageforderungen der Gesellschaft werden deshalb nicht wie sonstige Forderungen im Innenverhältnis behandelt, vielmehr wird die werthaltige Erbringung der Einlagen umfassend präventiv durch die jeweils für die Eintragung zuständige staatliche Stelle kontrolliert.383 Dies betrifft insbesondere die missbrauchsträchtigen Sacheinlagen, deren Bewertung noch vor der Gründung in einem formalisierten Verfahren überprüft werden soll.384 Dieses Verfahren und die damit verbundenen Anforderungen an Gesellschaftsgründer sind allerdings in Deutschland – nicht zuletzt aufgrund der richterrechtlichen Bekämpfung von Umgehungsstrategien – besonders kompliziert, langwierig und kostspielig385, was umso schwerer wiegt, weil die Gesellschaft damit bereits bei ihrer Gründung belastet wird und nicht etwa erst in der Insolvenz386. Daran hat sich auch durch das MoMiG nichts Grundsätzliches geändert. Zwingende Gründe für ein derart aufwendiges präventives Kontrollregime lassen sich schwerlich finden, wenn man davon ausgeht, dass sich eine unmittelbare Gläubigerschutzfunktion387 der eingelegten Vermögenswerte kaum ausmachen lässt.388 Den Gläubigern nützt das anfänglich eingezahlte Vermögen nur wenig, da seine dauerhafte Erhaltung jenseits von Ausschüttungen an die Gesellschafter nicht garantiert werden kann. Der Informationswert der Stammkapitalziffer ist ebenfalls inhaltlich gering und zeitlich auf den Gründungszeitpunkt beschränkt, so dass sich das Kapitalaufbringungsregime auch nicht dadurch rechtfertigen lässt, die Gläubiger würden andernfalls über die Höhe der persönlichen Einlagen der Gesellschafter oder das vorhandene Gesellschaftsvermögen getäuscht. Dies trifft

382 Andere Rechtsordnungen, namentlich das englische Recht, kennen kein so strenges, präventives Kapitalaufbringungsregime, da das Stammkapital dort keine oder nur eine untergeordnete Rolle für den Gläubigerschutz spielt. Vgl. zur Ltd. etwa Fleischer, DStR 2000, 1015 (1016). 383 Vgl. Engert, GmbHR 2007, 337 (343). 384 Vgl. Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (485). 385 Vgl. dazu Drygala, ZGR 2006, 587 (591 f.); Vetter, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 75 (P 84 ff.). A.A. aber Goette, NZG 13/2007, VI (VII): Die Regeln des vor Inkrafttreten des MoMiG geltenden Kapitalschutzrechts seien klar und einfach zu befolgen. Zum Problem der Umwandlung von Gesellschafter-Fremdkapital in Eigenkapital durch Aufrechnung Krolop, GmbHR 2007, 117, der insoweit eine weitere Deregulierung des Sacheinlagerechts anmahnt; sowie Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, 407. 386 Vgl. Engert, GmbHR 2007, 337 (343). 387 Also der Schutz der Gläubiger aufgrund des eingezahlten Stammkapitals selbst, nicht aufgrund seiner möglichen Filterfunktion gegenüber unseriösen Gründungen und seiner verhaltenssteuernden Wirkung. 388 Ebenso Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (486). Näher dazu bereits oben, § 10 II. 1. b) aa).

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zwar zu, rechtfertigt aber angesichts der geringen Auswirkungen auf das gesamte Gläubigerschutzniveau keine solch schwerwiegende Belastung der Gründer.389 Für die verbleibende mittelbare Gläubigerschutzfunktion des Stammkapitals, nämlich die verhaltenssteuernde Wirkung, die von einem persönlichen Risikobeitrag der Gesellschafter in Form ihrer Einlagen ausgeht, ist eine präventive Aufbringungsgewähr nicht zwingend notwendig. Denn es genügt schon, dass die Gesellschafter wissen, dass sie spätestens im Insolvenzfall einen persönlichen Beitrag leisten müssen, um die Risiken des Wirtschaftens mit fremdem Vermögen entsprechend der Intention des Stammkapitals zu reduzieren. Das geltende Kapitalaufbringungsrecht könnte also ohne nennenswerte Einbußen an Gläubigerschutz dahingehend modifiziert werden, dass Einlagen generell nicht mehr vor der Eintragung auf ihre Werthaltigkeit hin überprüft werden, sondern erst nachträglich in der Insolvenz.390 Bei der Gründung könnte sich die registergerichtliche Kontrolle dementsprechend darauf beschränken, dass die versprochenen Leistungen erbracht wurden. Dies müssen die Gesellschafter dem Registergericht gegenüber schlüssig und glaubhaft darlegen. Bei Bareinlagen ist dies durch Vorlage entsprechender Einzahlungsbelege ohne weiteres möglich. Aber auch bei Sacheinlagen kann das Gericht auf eine eigenständige Werthaltigkeitskontrolle verzichten, es genügt die Überprüfung, ob die entsprechende Sachleistung in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist. Etwas anderes gilt nur im Hinblick auf die gesetzliche Mindesteinlage von einem Viertel des jeweiligen Einlagebetrages. Diese soll eine echte anfängliche Seriositätsschwelle sein, was sie nur kann, wenn sie werthaltig vor der Eintragung aufgebracht werden muss. Diese Vorschrift wäre totes Recht, wenn das Registergericht die Eintragung ohne jede Kontrolle der Werthaltigkeit der Leistung vornehmen müsste.391 Die Überprüfung kann sich aber auf die Frage beschrän389 So auch Engert, GmbHR 2007, 337 (343), der zutreffend darauf verweist, dass die Kapitalaufbringungsregeln den Gläubigern letztlich dann am meisten nützen, wenn sie verletzt werden. Denn bei ihrer Einhaltung wird anfänglich Gesellschaftsvermögen aufgebaut, das bis zur Insolvenz zumeist wieder aufgezehrt ist, während bei einer nicht ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung offen gebliebene Einlageforderungen im Insolvenzverfahren zu einer Anreicherung der Masse führen und damit die Befriedigungsquote erhöhen. Es spricht aber nicht für ein Regelungsregime, wenn seine Verletzung den Schutzobjekten mehr nützt als seine Einhaltung. 390 Wie hier Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (189 f.); Engert, GmbHR 2007, 337 (344); Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (486), unter Hinweis darauf, dass das deutsche Kapitalaufbringungsregime einen überschießenden Gläubigerschutz bewirke, der sich nicht im Wege der Sonderanknüpfung gegenüber europäischen Auslandsgesellschaften durchsetzen lasse. I. E. ähnlich Drygala, ZIP 2006, 1797 (1805); Vetter, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 75 (P 91 f.). In diese Richtung weist auch das MoMiG selbst, das eine Reduzierung der präventiven Werthaltigkeitskontrolle durch Neufassung der §§ 8 Abs. 2 S. 3, 9c GmbHG vorsieht. Vgl. dazu oben, § 7 I. 1. a) cc). 391 Vgl. dazu bereits oben, § 11 II. 3. g) aa).

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ken, ob der Betrag der jeweiligen Mindesteinlage abgedeckt ist. Bei Barleistungen ist dies problemlos möglich. Bei Sachleistungen müssen die Gesellschafter die Deckung der Mindesteinlage glaubhaft machen, indem sie die tatsächliche Grundlage ihrer eigenen Bewertung der Sachleistung vortragen bzw. das Wertgutachten eines externen Sachverständigen vorlegen. Das Gericht kann die Eintragung nur dann verweigern bzw. weitere Darlegung verlangen, wenn es erhebliche Zweifel an der Bewertung der Leistung hat und dadurch die Aufbringung der gesetzlichen Mindesteinlage in Frage steht. Dieser Vorschlag liegt in der Konsequenz der hier vertretenen Linie, nach der Sacheinlagen bei der Gründung nicht mehr vollständig zu erbringen sind und ihre Werthaltigkeit grundsätzlich nicht präventiv durch das Registergericht überprüft werden muss. Kontrolliert wird nur noch, ob die von jedem Gesellschafter anfänglich aufzubringenden Mindestbeträge abgedeckt sind. Dies bedeutet gegenüber dem geltenden Recht einen erheblich reduzierten Kontrollumfang und damit eine deutliche Gründungserleichterung. Erst in der Insolvenz kommt es zum Schwur. Hier profitieren die Gesellschafter nur dann vollumfänglich von der Haftungsbeschränkung, wenn sie ihre Einlageverpflichtungen vollständig und werthaltig erfüllt haben. Ist dies streitig, überprüft das angerufene Gericht ohne Einschränkungen die Werthaltigkeit sämtlicher früherer Einlageleistungen. Stellt sich nachträglich eine Überbewertung von Sacheinlagen heraus, so kann diese ex post durch eine Differenzhaftung ausgeglichen werden, ohne dass den Gläubigern im Vergleich zum geltenden Recht ein Nachteil erwüchse. Denn das Stammkapital behält seine Funktion als Bezifferung des persönlichen Risikobeitrags der Gesellschafter auch dann, wenn erst im Nachhinein überprüft wird, ob der Einlagegegenstand vollwertig war, und eventuelle Fehlbeträge ausgeglichen werden. Zum Schutze der Gläubiger sollte aber eine Beweislastumkehr der Art eingreifen, dass der Gesellschafter stets die werthaltige Erfüllung seiner Einlageschuld nachweisen muss. Dieser Nachweis sollte ihm bei entsprechenden Vorkehrungen ohne übermäßigen Aufwand möglich sein. Er wird also dazu angehalten, schon bei der Gründung und auch später die Werthaltigkeit seiner Leistungen beweiskräftig zu dokumentieren, denn Unsicherheiten gehen zu seinen Lasten. Zu klären bleibt, ob im Falle von Sacheinlagen stets ein externer Sachverständiger bei der Bewertung zu Rate gezogen werden muss, und wie sich dessen Bewertung auf die Gesellschafterhaftung in der Insolvenz auswirken soll. Erstere Frage muss grundsätzlich verneint werden. Eine solche Vorschrift verspricht keinen Zuwachs an Gläubigerschutz. Die Gläubiger sind allein an einer werthaltigen Aufbringung der Einlagen interessiert. Diese wird aber durch die Differenzhaftung hinreichend sichergestellt, die auf einer nachträglichen gerichtlichen Bewertung der Sachleistung fußt. Eine obligatorische unabhängige Gründungsprüfung könnte allenfalls eingreifen, soweit die anfängliche Mindesteinlage von einem Viertel des Einlagebetrages durch Sachleistungen aufgebracht wird. Denn für

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diese Seriositätsschwelle ist, wie soeben erläutert, eine präventive Werthaltigkeitskontrolle angezeigt. Selbstverständlich bleibt es dem Gesellschafter unbenommen, freiwillig ein Wertgutachten erstellen zu lassen, um Beweisproblemen in einem späteren Prozess zu entgehen. Fraglich ist, ob einer solchen Bewertung eine über ihre Beweiskraft hinausgehende Wirkung im Sinne einer widerleglichen oder – wie in Frankreich und Spanien – unwiderleglichen Vermutung der Werthaltigkeit zukommen soll. Vorzugswürdig erscheint eine Ausgestaltung als widerlegliche Vermutung. Eine solche Regelung verteilt die Beweislast in angemessener Weise und schafft einen wirksamen Anreiz für die Gesellschafter, eine auch für die Gläubiger verlässliche externe Bewertung zu veranlassen. Gleichzeitig bleibt eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Bewertung in einem späteren Haftungsprozess möglich, was Missbrauchsgefahren reduziert.

cc) Sonstige Reformmaßnahmen Neben der Reform der Mindesteinlage und vor allem der Sacheinlagevorschriften erscheinen weitere Neuerungen im Bereich der Kapitalaufbringung weniger dringlich, aber dennoch erwägenswert. Dies gilt etwa für die von der Rechtsprechung entwickelte Nachschusspflicht der Gesellschafter aufgrund der Vorbelastungshaftung. Sie erscheint inkonsequent und unnötig angesichts der Schutzfunktionen, die dem Stammkapital tatsächlich zukommen. Die Gesellschafter werden verpflichtet, einen Teil der wirtschaftlichen Verluste der Gesellschaft auszugleichen, was sie nach dem Konzept der Haftungsbeschränkung eigentlich jenseits ihrer Einlage nicht müssen, unabhängig davon, ob es sich um eine Innen- oder um eine Außenhaftung handelt. Die Entwicklung dieser Haftung war von dem Gedanken geleitet, dass das Stammkapital bzw. die entsprechende Vermögensmasse unmittelbar die Gläubiger schützt und deshalb zum Zeitpunkt der Eintragung unangetastet vorhanden sein muss. Dies ist jedoch nach hier vertretener Ansicht nicht bzw. nur in geringem Maße der Fall, so dass eine Nachschusspflicht der Gesellschafter nicht ohne weiteres gerechtfertigt erscheint. Will der Gesetzgeber die Haftungsbeschränkung grundsätzlich auch schon in der Vorgesellschaft zur Wirksamkeit gelangen lassen, dann muss er konsequenterweise anerkennen, dass die Gesellschafter durch die Einlageleistung ihren Pflichten zur Risikotragung vollumfänglich nachgekommen sind. Eine Haftung für wirtschaftliche Verluste der Gesellschaft ist dann ausgeschlossen, egal, zu welchem Zeitpunkt diese Verluste eintreten. Die Alternative ist, die Haftungsbeschränkung nur eingeschränkt oder gar nicht auf die Vorgesellschaft anzuwenden, indem die Gesellschafter zusätzlich zu ihren Einlagen zur Tragung der Gründungskosten bzw. zur Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten aus der Phase vor der Eintragung verpflichtet werden. Dann sprechen aber keine einleuchten-

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den Gründe dafür, die Haftung nicht auch direkt im Außenverhältnis eingreifen zu lassen392, wie es etwa bei der spanischen „Vor-S.L.“ der Fall ist393. Manch gutes Argument spricht auch dafür, die Aufbringung des über die anfängliche Mindesteinlage hinausgehenden Stammkapitals durch Thesaurierung von Gewinnen zuzulassen. Ist das Stammkapital vollständig durch Gesellschaftsgewinne gedeckt, könnten den Gesellschaftern so die noch offenen Einlageforderungen erlassen werden, und die thesaurierten Gewinne werden in Stammkapital umgewandelt. Das unternehmerische Risiko wird dadurch nicht stärker auf die Gläubiger verlagert als nach dem bisherigen System. Nach beiden Konzeptionen muss die Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt einmalig reales Nettoaktivvermögen in Höhe der Stammkapitalziffer aufweisen, und sie darf nur über diesen Betrag hinausgehendes Vermögen ausschütten. Konsequent auf dieser Linie weitergedacht könnte auch die Möglichkeit eines Teilerlasses bei bloß anteiliger Deckung des Stammkapitals durch Gewinne eingeräumt werden. Um ein Leerlaufen des Kapitalschutzes zu verhindern, müsste die Regel dann so ausgestaltet werden, dass ein Erlass nur in Höhe des hypothetischen Ausschüttungsbetrages zulässig ist, der dem jeweiligen Gesellschafter zukäme, wenn er im Zeitpunkt des Erlasses seine Einlageschuld vollständig erfüllen würde und die Gesellschaft ihr dann vorhandenes, ausschüttbares Vermögen an die Gesellschafter auskehren würde.394 Denn nur so wäre sichergestellt, dass bei der Deckung des Stammkapitals nur solche Gewinne berücksichtigt werden, die bei vollständiger Einlageleistung des Gesellschafters tatsächlich ausschüttungsfähig wären. Nichts grundlegend anderes ergibt sich, wenn die Ausschüttungssperre nicht mehr wie bisher allein an die Stammkapitalziffer anknüpft, sondern, wie hier vorgeschlagen395, an erwirtschaftete Gesellschaftsgewinne abzüglich einer Einstellung in eine gesetzliche Rücklage. Auch dann könnte dem Gesellschafter seine Einlageschuld insoweit erlassen werden, als ihm bei hypothetisch gedachter vollständiger Einlageleistung ein Anteil am ausschüttungsfähigen Gewinn zustünde. Dementsprechend muss die Entscheidung über den Erlass selbstverständlich den gleichen Vorschriften unterliegen wie die Gewinnausschüttungsentscheidung, da der Erlass letztlich nur der Vermeidung eines Hin- und Herzahlens dient.396 Das Stammkapital würde demnach mit allen Funktionen, die es nach 392

So auch Michalski/ders./Funke, § 11 GmbHG Rn. 67 m.w. N. Vgl. oben, § 6 I. 2. g) bb) (2). 394 Ein solcher Erlass könnte auch von allen Gesellschaftern gemeinsam vorgenommen werden. Jedem einzelnen würde dann, je nach Höhe seiner Beteiligung am Stammkapital, der Anteil des Betrages erlassen, um den die Summe aus Nettoaktivvermögen der Gesellschaft und insgesamt noch offenen Einlageforderungen die Stammkapitalziffer überschreitet. 395 Vgl. unten, § 11 III. 2. a). 396 Eine Aufrechnung ist in diesen Fällen nicht möglich, da es sich nur um einen hypothetischen Auszahlungsanspruch handelt. 393

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geltendem Recht ausfüllt, beibehalten. Es ist nach wie vor ein (flüchtiger, weil nicht gegen wirtschaftliche Verluste geschützter) Haftungsfonds für die Gläubiger. Es ist aber auch weiterhin vor allem der persönliche Risikobeitrag der Gesellschafter. Denn nur wenn die Gesellschaft ausreichende Gewinne erzielt, können die Gesellschafter von ihrer Einzahlungspflicht befreit werden, andernfalls sind sie spätestens in der Insolvenz zur persönlichen Leistung verpflichtet.397 Schließlich könnte noch erwogen werden, die Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG ebenso wie die verwandte Regelung des § 31 Abs. 3 GmbHG abzuschaffen bzw. auf Fälle zu reduzieren, wo die Mitgesellschafter zur Unterdeckung des Stammkapitals selbst beigetragen haben.398 Beide Vorschriften könnten als übermäßige Belastung der Mitgesellschafter angesehen werden, denn sie gehen über die Gewährleistung des Risikobeitrages des jeweiligen Gesellschafters hinaus und dienen der Absicherung der (untergeordneten) Finanzierungsund Haftungsfondsfunktion des Stammkapitals als Ganzem. Andererseits kommt es den Gläubigern weniger auf die Haftungszusage des einzelnen Gesellschafters an als vielmehr auf den insgesamt von den Gesellschaftern versprochenen und als Stammkapitalziffer publizierten Risikobeitrag. Insofern lässt sich eine Legitimation für die Ausfallhaftung auch unter Berücksichtigung der hier vorgenommenen Bewertung der Funktionen des Stammkapitals finden: Das Stammkapital ist der den Gläubigern kundgemachte Risikobeitrag der Gesellschaftergesamtheit. Welcher Gesellschafter davon welchen Anteil aufbringt, ist für die Gläubiger zweitrangig. Fällt aber ein Gesellschafter mit seiner Leistung aus und ist diese nicht anderweitig gemäß §§ 21 bis 23 GmbHG zu erlangen, dann kann dies entweder zu einer Reduzierung des Gesamtrisikobeitrages der Gesellschafter zu Lasten der Gläubiger führen, oder die Mitgesellschafter müssen für die vollständige Aufbringung einstehen. Beides lässt sich rechtspolitisch vertreten, wobei letzteres vorzugswürdig sein dürfte. Jedenfalls bleibt aber festzuhalten, dass die bisherige Legitimation der Ausfallhaftung aus den Funktionen des Stammkapitals als Finanzierungsgrundlage und Haftungsfonds angesichts von deren beschränkter Bedeutung erheblich an Überzeugungskraft eingebüßt hat. 4. Zwischenergebnis Als wichtigste Reformschritte im Recht der Kapitalaufbringung verbleiben also die Mindesteinlagepflicht und die Sacheinlagevorschriften. Erstere sollte dergestalt reformiert werden, dass die absolute Mindesteinlage ebenso entfällt 397 Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Regelung des § 5a Abs. 3 GmbHG n. F. bzgl. der Thesaurierungspflicht in der UG (haftungsbeschränkt): Dort können die Gesellschafter ein verschwindend geringes Stammkapital vereinbaren, so dass das haftende Gesellschaftsvermögen letztlich allein durch Gesellschaftsgewinne aufgebracht wird. Erzielt die Gesellschaft keine Gewinne, tragen die Gläubiger das gesamte Risiko. 398 So etwa Roth, in: FS Doralt (2004), S. 479 (487).

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wie die Pflicht zur vollständigen anfänglichen Aufbringung aller Sacheinlagen. Übrig bleibt eine Mindestleistungspflicht von einem Viertel des jeweiligen Einlagebetrages, die durch Bar- oder Sachleistungen erfüllt werden kann. Die ausreichende Anlauffinanzierung der Gesellschaft wird durch andere Instrumente sichergestellt, namentlich die haftungsbewehrte Pflicht zur Erstellung eines Gründungsfinanzplanes, der einen Zeitraum von zwei Jahren abdeckt. Die Kontrolle des Registergerichts über die Werthaltigkeit der Einlageleistungen sollte deutlich zurückgeschnitten werden und nur noch die Frage betreffen, ob die Mindesteinlagepflicht erfüllt wurde. Bestehen hieran erhebliche Zweifel, kann das Gericht die Eintragung ablehnen. Eine weitergehende Werthaltigkeitsüberprüfung von Sacheinlagen findet vor der Eintragung nicht statt. In der Insolvenz muss dann jeder Gesellschafter, soweit ihm der Nachweis, dass er seine Einlage werthaltig erbracht hat, nicht gelingt, den Differenzbetrag an die Masse leisten. Die Werthaltigkeit der Sachleistung wird jedoch widerleglich vermutet, wenn die Bewertung durch einen externen Sachverständigen vorgenommen wurde. Die geltenden Regeln zur Sicherung der realen Kapitalaufbringung sind vor allem auf die (kaum nennenswert vorhandene) Haftungsfondsfunktion und die (möglichst nicht durch zwingende Normen zu regelnde) Finanzierungsfunktion des Stammkapitals ausgerichtet. Die hier vorgeschlagene Reform des Kapitalaufbringungsrechts trägt der oben beschriebenen Neubewertung der Funktionen des Stammkapitals Rechnung, vor allem der Unterscheidung von Finanzierungs- und Gläubigerschutzfunktion.399 Für die Finanzierung sollten keine absoluten Vorgaben gemacht werden, da sich insoweit die Bedürfnisse der einzelnen Unternehmen stark voneinander unterscheiden. Eine ausreichende Finanzierung kann deshalb nicht durch ein pauschales Instrument wie das Stammkapital sichergestellt werden. Besser geeignet ist eine Pflicht zu einer einzelfallbezogenen Finanzplanung, ergänzt durch die vorhandenen Haftungssanktionen für missbräuchliches Verhalten. Auf eine zwingende Anlauffinanzierung durch die absolute Mindesteinlage wird deshalb verzichtet. Die Gläubigerschutzfunktion wird vornehmlich auf den Risikobeitrag der Gesellschafter und nicht auf das Stammkapital als Haftungsfonds gestützt. Dementsprechend bleibt nur eine relative Mindesteinlage als eine auf den einzelnen Gesellschafter bezogene Seriositätsschwelle erhalten. Die präventive Werthaltigkeitskontrolle von Sacheinlagen ist verzichtbar400, da sie hauptsächlich der Absicherung der Finanzierungs- und Haftungsfondsfunk399 Ähnlich Schärtl, Doppelfunktion, S. 185 ff., unter Verweis auf die „Realfunktion“ und die „Bilanzfunktion“ des Stammkapitals, die zwar stärker voneinander getrennt, aber dennoch unter dem Dach des Stammkapitals erhalten bleiben sollen. Für eine Herauslösung der Gläubigerschutzfunktion aus dem Stammkapital und dessen Reduzierung auf seine Finanzierungsfunktion oder dessen gänzliche Abschaffung plädieren Anhänger der Einführung eines Garantiesummenmodells, vgl. oben § 7 II. 1. e) und II. 7. c). 400 So i. E. auch Noack, DB 2007, 1395 (1397); Vetter, in: Verhandlungen des 66. DJT, Band II/1 (2006), S. P 75 (P 91).

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tion des Stammkapitals dient, von Funktionen also, die das Stammkapital trotz solcher Regelungen nach dem oben Gesagten nur unzureichend erfüllt. Für seine wichtigste Funktion als Risikobeitrag der Gesellschafter hingegen reicht eine nachgelagerte, haftungsbewehrte Überprüfung mit entsprechender Beweislastverteilung grundsätzlich aus, da es insoweit auf den Zeitpunkt der werthaltigen Einlageleistung nicht ankommt. Der weit gehende Verzicht auf eine vorgelagerte Werthaltigkeitskontrolle führt dazu, dass das Gründungsverfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt wird. Für die Gesellschafter besteht damit kaum mehr ein Anreiz zu verdeckten Sacheinlagen. Der Gläubigerschutz wird in jedem Fall durch die nachträgliche Differenzhaftung gewährleistet. Gleichzeitig schafft die Beweislastverteilung im Rahmen dieser Haftung für die Gesellschafter einen Anreiz, ihre Sacheinlagen durch externe Sachverständige bewerten zu lassen. Die weit gehende Abschaffung der präventiven gerichtlichen Kontrolle von Sacheinlagen führt zu erheblichen Erleichterungen bei Sachgründungen. Das MoMiG zeichnet diesen Weg bereits vor, indem es den Prüfungsumfang der Registergerichte bei der Gründung reduziert. Es bleibt jedoch auf halber Strecke stehen, denn eine generelle Überprüfung der Werthaltigkeit der Einlageleistungen vor der Eintragung ist überflüssig, eine nachgelagerte Kontrolle in der Insolvenz reicht aus. Dadurch entfällt nicht nur der Zeit- und Kostenaufwand bei der Gründung, der die unternehmerische Initiative behindert, sondern insgesamt werden Kosten eingespart, da die Gerichte in der Insolvenz nur im Streitfall tätig werden müssen und es insoweit dem Gesellschafter obliegt, die Werthaltigkeit seiner Einlage zu beweisen. Im Ergebnis bedeutet dieses Konzept eine Annäherung des Stammkapitals an das Kommanditistenmodell. Eine vollständige Angleichung ist aber, entgegen dahingehender Vorschläge401, nicht ratsam. Denn dem Kommanditisten steht es vollkommen frei, ob und wann er seine Einlage leistet, um sich von der persönlichen Haftung zu befreien. Bei der GmbH hingegen muss mangels eines persönlich haftenden Gesellschafters zum Schutz der Gläubiger vor Missbräuchen eine auf den jeweiligen Einlagebetrag bezogene, relative Mindesteinlage von jedem Gesellschafter schon vor der Eintragung erbracht werden. Deren werthaltige Aufbringung muss präventiv kontrolliert werden, um ihre Funktion als Seriositätsschwelle nicht leer laufen zu lassen. Die Kontrolle kann sich aber darauf beschränken, ob der Wert der vorgeschriebenen Mindesteinlage abgedeckt ist, und muss nicht etwa, wie bisher bei Sachleistungen, die Werthaltigkeit der Leistung insgesamt umfassen. Die Regeln zur Kapitalaufbringung sollten sich also auf das beschränken, was für die weiterhin bestehende Gläubigerschutzfunktion des Stammkapitals erforderlich ist. Dies ist vor allem der persönliche Risikobeitrag der Gesellschafter 401

Vgl. oben, § 7 II. 2. b) bb).

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mit dem Mindestkapital bzw. der Mindesteinlage als (Seriositäts-)Schwelle. Dieser muss nicht von vornherein erbracht werden, es genügt, wenn die Gesellschafter im Vorhinein wissen, dass sie ihn spätestens in der Insolvenz leisten müssen. Von einer nachträglichen Zahlungspflicht profitieren die Gläubiger, wie bereits ausgeführt, umso mehr, da nachträgliche Zahlungen in die Masse die Gläubigerquote unmittelbar erhöhen, während die verhaltenssteuernde Wirkung auf die Gesellschafter genauso groß ist, wenn sie ihren Risikobeitrag noch nicht bei der Gründung geleistet haben. Ist die Einlageschuld bereits zu Anfang beglichen worden, so hat der Gesellschafter zwar die vage Hoffnung, seinen Vermögenseinsatz in einer späteren Liquidation zurückzuerhalten, andererseits droht ihm aber in der Insolvenz kein weiterer Verlust. Wird seine Einlageschuld jedoch erst in der Insolvenz fällig, so wird er deren Eintritt umso ernsthafter zu verhindern suchen. Konsequent zu Ende gedacht würde dieses Argument zwar die Einführung eines Garantiesummenmodells und das Verbot befreiender Leistungen der Gesellschafter auf das Stammkapital vor Eintritt der Insolvenz nahe legen. Dagegen wurde jedoch bereits oben402 vorgebracht, dass damit die nach wie vor verbleibende (Anlauf-)Finanzierungsfunktion des Stammkapitals ebenso entfallen würde wie der sichere Hafen für die Gesellschafter, die sich mit der Gefahr einer Doppelbelastung und dadurch auch mit einer Entwertung des Haftungsprivilegs konfrontiert sähen. Eine Beibehaltung des geltenden Systems unter punktueller Deregulierung des Kapitalaufbringungsrechts erscheint deshalb vorzugswürdig.

III. Kapitalerhaltung Die grundsätzliche Legitimation eines gesetzlichen Kapitalschutzregimes, zu dem neben Regeln zur Kapitalaufbringung auch das Kapitalerhaltungsrecht gehört, wurde bereits oben403 erörtert, so dass weitere Ausführungen dazu an dieser Stelle überflüssig sind. Solange das Stammkapital den Grundpfeiler der Finanzverfassung der GmbH bildet – und das soll nach hier vertretener Auffassung auch in Zukunft so sein – steht die Existenzberechtigung, ja sogar die Notwendigkeit gesetzlicher Vorschriften zu dessen Schutz außer Frage. Die Kapitalaufbringungsvorschriften dienen dazu, die Ausstattung der Gesellschaft mit einem Vermögensgrundstock und die Leistung eines Risikobeitrages der Gesellschafter sicherzustellen. Diese Funktionsbeschreibung lässt sich aber nicht spiegelbildlich auf das Kapitalerhaltungsrecht übertragen. Dieses kann und soll den Vermögensgrundstock nicht dauerhaft erhalten, da dieser der Gesellschaft als Betriebskapital zur Verfügung stehen soll und dementsprechend auch durch wirtschaftliche Verluste aufgezehrt werden kann. 402 403

§ 10 II. 2. a) cc). § 11 II. 1.

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Die Kapitalerhaltungsregeln bewirken also nicht oder allenfalls ausnahmsweise und reflexhaft die Erhaltung von Haftungsmasse für die Gläubiger oder einer finanziellen Grundlage für die Geschäftstätigkeit.404 Vielmehr verhindern sie nur Zugriffe der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen und dienen damit einem doppelten Zweck: Sie sollen einerseits verhindern, dass die Gesellschafter sich ihrer Risikobeteiligung entziehen, und andererseits weitergehend die Vermögenstrennung zum Schutze der Gläubiger absichern. Beides sind zwei Seiten ein und derselben Medaille: Gesellschaftsvermögen in Höhe des Risikobeitrages der Gesellschafter wird zwar nicht zugunsten der Gläubiger dauerhaft erhalten, aber, sofern vorhanden, dauerhaft ihrem erstrangigen Zugriff vorbehalten.405 Dies entspricht der oben406 getroffenen Feststellung, dass das Stammkapital keine absolute, sondern nur eine relative Garantiefunktion zugunsten der Gesellschaftsgläubiger erfüllt. 1. Berechtigung der Kritik am Kapitalerhaltungsrecht Die Kritik am geltenden Kapitalerhaltungsrecht mit seiner allein an die Stammkapitalziffer anknüpfenden Ausschüttungssperre zielt vor allem darauf, dass es zu inflexibel sei und die konkrete wirtschaftliche Situation der Gesellschaft bzw. ihre Fähigkeit zu Ausschüttungen in keiner Weise berücksichtige.407 Dieser Vorwurf geht im Hinblick auf die erstgenannte der beiden Funktionen des Kapitalerhaltungsrechts, die Aufrechterhaltung der gesetzlich gewollten Risikoverteilung, fehl. Der durch die Haftungsfreistellung der Gesellschafter festgelegte Grundsatz ist, dass die Gläubiger der Gesellschaft das Ausfallrisiko aufgrund unternehmerischen Misserfolges tragen. Dieses Prinzip wird in Systemen ohne Stammkapital relativ konsequent durchgehalten, die Gläubiger werden nur durch – allerdings verhältnismäßig weit gefasste, zumeist generalklauselartige – Haftungstatbestände vor einem Fehlverhalten der Entscheidungsträger, das das Ausfallrisiko 404 Dies gilt jedenfalls für die GmbH mit ihrem im Vergleich zur AG deutlich weniger strengen Kapitalerhaltungsrecht, das allein an die Stammkapitalziffer anknüpft. Im Aktienrecht hingegen, das Ausschüttungen nur aus dem Bilanzgewinn zulässt, geht die Bindung des Gesellschaftsvermögens über die Stammkapitalziffer hinaus, so dass dort dem Kapitalerhaltungsregime auch eine Funktion zur Sicherung eines Vermögensgrundstocks als Haftungsfonds für die Gläubiger und als Krisenpuffer zur Insolvenzprophylaxe beigemessen wird. So etwa Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1, S. 557; Lutter, Kapital, S. 50. Allerdings wird auch insoweit das Gesellschaftsvermögen nur gegen Ausschüttungen geschützt, nicht gegen wirtschaftlichen Misserfolg. Die Gläubiger können also keinesfalls darauf vertrauen, dass die Gesellschaft aufgrund der Kapitalerhaltungsregeln dauerhaft über ausreichend Haftungsmasse verfügt. 405 Ähnlich Haas, Gutachten, S. E 130 ff.; Engert, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 743 (749). 406 § 10 II. 3. 407 Näher oben, § 4 II. 2. b).

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missbräuchlich erhöht, geschützt. Nach dem Stammkapitalmodell hingegen übernehmen die Gesellschafter – freiwillig oder erzwungen – einen Teil des unternehmerischen Risikos. Da dies die Voraussetzung dafür ist, dass die Haftungstatbestände enger gefasst werden können, muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Gesellschafter ihren Risikobeitrag nicht nachträglich wieder aus der Gesellschaft abziehen. Zur Aufrechterhaltung der Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern erscheint es demnach logisch, die Ausschüttungssperre bei der GmbH allein an die Stammkapitalziffer anzuknüpfen. Denn diese ist der Maßstab der Risikoverteilung. Die Absicherung der Vermögenstrennung wird dadurch jedoch nur unzureichend gewährleistet. Denn dafür muss das Gesellschaftsvermögen möglichst weit gehend vor einer Ausplünderung durch die Gesellschafter geschützt werden, um es dem vorrangigen Zugriff der Gläubiger zu reservieren. Insoweit entbehrt die genannte Kritik durchaus nicht jeder Berechtigung. Eine allein an die Stammkapitalziffer anknüpfende Ausschüttungssperre ist zwar der logisch konsequente Ausfluss der Funktion des Stammkapitals als Risikobeitrag der Gesellschafter. Dessen dauerhafte Belassung in der Gesellschaft wird sichergestellt. Im Hinblick auf einen angemessenen Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor Zugriffen der Gesellschafter auf das vorhandene Gesellschaftsvermögen, das vorrangig ersteren zur Befriedigung dienen soll, ist die Stammkapitalziffer als Ausschüttungssperre hingegen nicht unbedingt geeignet. Das geltende Kapitalerhaltungsrecht der GmbH ist unterhalb der Grenze der Stammkapitalziffer relativ rigoros, indem es bilanzrelevante Ausschüttungen kategorisch untersagt, unabhängig von der gesamten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Oberhalb dieser Grenze ist es äußerst liberal, begrenzt den Zugriff der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen nämlich in keiner Weise.408 Letzteres wird bisher bis zu einem gewissen Grad durch die am Vorsichtsprinzip ausgerichteten handelsrechtlichen Bilanzierungsregeln ausgeglichen, die das ausschüttungsfähige Vermögen begrenzen. Diese Regeln geraten jedoch durch die zunehmende Verbreitung internationaler Rechnungslegung nach IAS/IFRS unter Druck und können diese Funktion damit immer weniger erfüllen. Auch die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs soll und kann nur Extremfälle erfassen, nicht aber einen umfassenden Gläubigerschutz gewährleisten. Die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG ist damit in doppelter Hinsicht defizitär und schützt die Gläubiger deshalb insgesamt nur unzureichend: Sie erfasst das vorhandene Gesellschaftsvermögen nur bis zur Stammkapitalziffer, betrifft also nur einen Vermögensanteil, der regelmäßig im Vergleich zum Geschäftsumfang kaum ins Gewicht fällt. Darüber hinaus knüpft sie allein an die 408 Auch das deutsche Aktienrecht ist insoweit strenger als das GmbH-Recht: § 57 Abs. 3 AktG gestattet vor der Auflösung der Gesellschaft nur die Ausschüttung des Bilanzgewinns.

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Bilanz an, verhindert also nicht die Ausschüttung nicht aktivierungsfähiger Vermögenswerte, selbst wenn sie die wirtschaftliche Grundlage der Gesellschaft darstellen und die Gesellschaft sich bereits im Stadium der Unterbilanz befindet.409 Demnach ist es den Gesellschaftern jenseits der Grenzen der Existenzvernichtung möglich, auch aus einer defizitären Gesellschaft Vermögen abzuziehen, solange keine Unterbilanz verursacht oder verschärft wird. 2. Mögliche Reformschritte Soll das Stammkapital in seiner jetzigen Form beibehalten werden und vor allem seine Hauptfunktion als Risikobeitrag der Gesellschafter zur Reduzierung des Prinzipal-Agenten-Problems weiterhin erfüllen, dann muss auch die an die Stammkapitalziffer anknüpfende Ausschüttungssperre erhalten bleiben. Sie ist als Minimalschutz unverzichtbar, denn sonst könnten die Gesellschafter ihren Risikobeitrag jederzeit aus der Gesellschaft abziehen, und das Stammkapital wäre insoweit jeglicher Sinnhaftigkeit beraubt. Fraglich ist nur, ob anderweitige Verbesserungen möglich oder sogar notwendig sind. Diese könnten in zweierlei Richtungen zielen und so der Kritik am geltenden Kapitalaufbringungsregime Rechnung tragen: Sie könnten einerseits einen über die Stammkapitalziffer hinausgehenden Schutz des Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gläubiger bewirken und andererseits eine Flexibilisierung für nicht gläubigerschädigende Vermögensoperationen unterhalb der Stammkapitalschwelle vorsehen. Letzteres haben sich die Verfasser des MoMiG vorgenommen, indem sie in § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. dem Kapitalerhaltungsrecht implizit eine Rückkehr zum bilanziellen Denken verordnen. Diese Änderung ist begrüßenswert und auch in ihrer konkreten Fassung gelungen. Eine Vorschrift, die ausdrücklich und allgemein eine bilanzielle Betrachtungsweise i.R. d. § 30 GmbHG vorschreibt, hätte demgegenüber den Nachteil, dass sie das bestehende Problem noch verschärft, dass nicht aktivierte bzw. aktivierungsfähige Vermögensgegenstände, wie z. B. stille Reserven, immaterielle Vermögenswerte, Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen sowie Gewinnchancen, ohne Gegenleistung an die Gesellschafter ausgeschüttet werden können.410 Eine adäquate Reaktion der Rechtsprechung auf bestimmte gläubigerschädigende Verhaltensweisen im Einzelfall würde dadurch erschwert.411 Deshalb ist ein Abstellen auf die Werthaltigkeit des Ge409

Vgl. dazu bereits oben, § 4 II. 2. c). Vgl. dazu etwa Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1292); Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335 (341 ff.). 411 Vgl. dazu etwa Gloger, S. 75, der zur Behebung von Schwächen des Kapitalschutzes der §§ 30 ff. GmbHG eine extensive Auslegung des § 30 Abs. 1 GmbHG vorschlägt. Dies wäre bei einer legislativen Festlegung auf eine streng bilanzielle Betrachtungsweise, die bilanzneutrale Geschäfte in jedem Fall zulässt, schwierig oder sogar unmöglich. 410

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genanspruchs der Gesellschaft vorzugswürdig, auch wenn insbesondere im Rahmen von Cash-Pool-Systemen ein Drittvergleich mangels fester Kriterien schwierig sein kann.412 a) Ausschüttungsbegrenzung auf den Unternehmensgewinn Eine von den Kritikern zu Recht angemahnte Stärkung der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gläubiger könnte dadurch erreicht werden, dass den Gesellschaftern – wie in Frankreich, Spanien und anderen Rechtsordnungen – nur die Ausschüttung des festgestellten Jahresgewinns gestattet wird. Der Abzug von Vermögen aus einer (noch) ausreichend mit Eigenkapital versorgten, aber strukturell defizitären Gesellschaft würde dadurch verhindert, andererseits aber Ausschüttungen bei profitablen Gesellschaften grundsätzlich ermöglicht. Die Stammkapitalziffer bleibt daneben als unterste, absolute Ausschüttungsbegrenzung erhalten. Sie beschränkt zwar die Freiheit der Gesellschafter einer insgesamt profitablen Gesellschaft, die eine leichte Unterbilanz aufweist. Dies wiegt jedoch nicht so schwer wie die geschützten Gläubigerinteressen, da bei einer profitablen Gesellschaft auch das Stammkapital zumeist relativ schnell wieder hergestellt sein sollte. Es kann den Gesellschaftern deshalb zugemutet werden, den der Gesellschaft versprochenen Risikobeitrag zunächst wieder herzustellen, bevor sie erneut Rendite auf ihr eingelegtes Kapital beziehen. Daneben sollte auch eine gesetzliche Pflicht zur Rücklagenbildung eingeführt werden. Entsprechenden Vorbildern in § 150 Abs. 2 AktG413 sowie in ausländischen Rechtsordnungen, etwa dem französischen Art. L. 232-10 C. com., folgend, könnte eine solche Regelung so aussehen, dass jährlich 5% des um Verlustvorträge geminderten Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage eingestellt werden müssen, bis diese 10% des Stammkapitals erreicht. Eine höhere Rücklagepflicht, wie sie etwa das spanische Recht vorsieht414, wäre denkbar, ist jedoch in Abwägung der Gesellschafter- und Gläubigerinteressen nicht unbedingt ratsam. Zwar erhält die Gesellschaft auch dadurch keinen dauerhaft garantierten Haftungsfonds, da das Gesellschaftsvermögen einschließlich der Rücklagen nach wie vor durch wirtschaftliche Verluste aufgezehrt werden kann. Es wird aber sicher412 Vgl. zu diesem Einwand Schäfer, BB-Special 7/2006, 5 (8); Schön, ZHR 159 (1995), 351 (367 f.). 413 Für eine Angleichung der GmbH-rechtlichen Kapitalerhaltung an das aktienrechtliche Schutzniveau auch Canaris, in: FS Fischer (1979), S. 31 (55); Wilhelm, in: FS Flume (1978), S. 337 f. Ablehnend Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 GmbHG Rn. 6. 414 Art. 84 LSL i.V. m. Art. 214 Abs. 1 LSA schreibt vor, dass jeweils 10% des Jahresüberschusses der gesetzlichen Rücklage zuzuführen sind, bis diese insgesamt mindestens 20% des Stammkapitals beträgt.

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gestellt, dass die Gesellschafter der Gesellschaft – abgesehen von einer Kapitalherabsetzung – kein vorhandenes Vermögen, das den Gläubigern als Haftungsfonds dienen soll, entziehen können, sondern nur tatsächlich erwirtschaftete Überschüsse. Dies stärkt die Vermögenstrennung und damit die Haftungsfondsfunktion des Gesellschaftsvermögens insgesamt, was den Gläubigerschutz verbessert. Durch die Pflicht zur Rücklagenbildung wird zudem erreicht, dass die Gesellschaft in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität einen zusätzlichen, über das Stammkapital hinausgehenden Krisenpuffer aufbaut, ohne dass die Gesellschafter zu dessen Aufbringung durch Leistungen aus ihrem Privatvermögen gezwungen sind. Dies führt zu einer Verbesserung der Eigenkapitalbasis der GmbH, ohne die Gesellschafter unmittelbar zu belasten. Durch ein solches Modell werden die Ausschüttungsmöglichkeiten der Gesellschafter stärker begrenzt als bisher. Dies widerspricht zwar der ursprünglichen Regelungsphilosophie des GmbH-Rechts, die nach größtmöglicher Flexibilität strebte. Allerdings besteht angesichts der Vielzahl masseloser GmbH-Insolvenzen ein unbestreitbares Bedürfnis nach einer Verstärkung des Gläubigerschutzes. Insbesondere die Gläubigerrisiken, die durch eine unzureichende Kapitalisierung der Gesellschaft hervorgerufen werden415, können über das Stammkapital allein nicht befriedigend adressiert werden, ohne die Gesellschafter mit übermäßigen Eigenleistungen zu belasten und damit die Attraktivität der GmbH zu schwächen. Hierfür ist ein über das Stammkapital hinausgehender Vermögensschutz erforderlich, der durch eine strengere Ausschüttungssperre und die Pflicht zur Rücklagenbildung erreicht wird. Ein dementsprechend reformiertes Kapitalerhaltungsrecht verbessert somit den Gläubigerschutz, ohne die berechtigten Interessen der Gesellschafter übermäßig zu beeinträchtigen. Letzteren bietet es einen nach wie vor relativ weiten, flexiblen Handlungsrahmen, der nur durch wenige, klar umrissene Pflichten zum Schutz der Gläubiger eingegrenzt ist. Die höhere Rechtssicherheit und -klarheit ist dabei der entscheidende Vorzug gegenüber einem vornehmlich auf deliktische Sanktionen für ein Ausplündern der Gesellschaft gestützten Gläubigerschutz.416 Entsprechende Haftungstatbestände müssten für ein angemessenes Gläubigerschutzniveau so allgemein und weit gefasst sein, dass die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter zu stark eingeschränkt würde. Sie können deshalb, wie bisher, nur als ergänzende Schutzinstrumente in Extremfällen eingreifen und so den durch das Kapitalerhaltungsrecht verwirklichten Gläubigerschutz abrunden.

415 416

1 (5).

Näher dazu oben, § 2 I. 2. So auch Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193 f.); Schön, ZHR 166 (2002),

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b) Situative Ausschüttungssperre Der noch weitergehende Vorschlag, die Ausschüttungsbegrenzung gänzlich vom Stammkapital abzukoppeln und stattdessen an einen Solvenztest zu knüpfen, erfreut sich zunehmender Beliebtheit in der Literatur.417 Er begegnet jedoch einigen durchgreifenden Bedenken. Seine Grundlage findet er vor allem in dem Argument, das Kapitalerhaltungsrecht diene der Erhaltung von ausreichender Haftungsmasse im Gesellschaftsvermögen, wofür das Stammkapital als rein historische Bilanzgröße aber einen ungeeigneten Bezugspunkt bilde. Entscheidend für die Fähigkeit der Gesellschaft zu Ausschüttungen sei allein ihre konkrete wirtschaftliche Situation, an die der Solvenztest anknüpfe. Er ermögliche damit einen effektiveren Einsatz der vorhandenen Ressourcen. Diese Argumentation ist schon in ihrer Prämisse nicht vollkommen überzeugend. Denn das Stammkapital kann und soll keine umfassende Erhaltung des Gesellschaftsvermögens als Haftungsfonds für die Gläubiger bewirken. Die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG schützt zwar einen Teil des Gesellschaftsvermögens, aber nur in Höhe der von den Gesellschaftern zuvor geleisteten Einlagen und auch nur gegen Ausschüttungen an die Gesellschafter. Es geht also weniger darum, dass die Gesellschaft stets über ein Vermögen mindestens in Höhe der Stammkapitalziffer verfügen soll, denn sonst müssten konsequenterweise die Gesellschafter bei einem Absinken der Aktiva unter diese Schwelle zu Nachschüssen verpflichtet sein. Vorrangig geht es darum, dass die Gesellschafter ihren eigenen Risikobeitrag nicht wieder aus der Gesellschaft abziehen dürfen.418 Hierfür ist das Stammkapital als Ausschüttungssperre geeignet, zur Erhaltung eines Haftungsfonds aber von vornherein nur in sehr eingeschränktem Maße.419 Würde man das Stammkapital als Ausschüttungssperre abschaffen und Ausschüttungen allein von einem Solvenztest abhängig machen, dann würde in der Tat möglicherweise die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens gestärkt. Gleichzeitig würde aber die Aufrechterhaltung der gesetzlich gewollten Risikoverteilung nicht mehr unbedingt gewährleistet. Wenn man also, wie hier, die Risikobeteiligung der Gesellschafter als Hauptfunktion des Stammkapitals ansieht, dann ist ein Verbot von Ausschüttungen aus dem zu dessen Deckung erforderlichen Gesellschaftsvermögen unverzichtbar.420 Ein Solvenztest anstelle der stammkapitalbasierten Ausschüttungssperre ist damit abzulehnen. 417

Vgl. oben, § 7 II. 3. b). Noch deutlicher erhellt sich dies aus der aktienrechtlichen Parallelnorm des § 57 AktG, der zwei separate Vorschriften zur Erhaltung des Vermögenseinsatzes der Aktionäre einerseits und zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens als Haftungsfonds andererseits enthält: Abs. 1 S. 1 bestimmt, dass den Gesellschaftern ihre Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen; Abs. 3 gestattet Ausschüttungen nur aus dem Bilanzgewinn. 419 Vgl. ausführlich dazu bereits oben, § 10 II. 1. b) aa). 418

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Eine andere Frage ist, ob der Solvenztest als Ergänzung zum Stammkapital als Ausschüttungsbegrenzung besser geeignet ist als das hier vorgeschlagene, am Aktienrecht orientierte Modell, um den Schutz des Gesellschaftsvermögens insgesamt zu verbessern. Insoweit kann der Solvenztest sicherlich als Vorzug für sich in Anspruch nehmen, dass er die aktuellen und prognostizierbaren finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft möglichst exakt zu berücksichtigen versucht und damit ein authentisches Bild von deren Fähigkeit zu Ausschüttungen bietet. Gerade mit der dem Solvenztest innewohnenden Prognose zukünftiger Zahlungsfähigkeit sind jedoch auch bedeutende Schwierigkeiten verbunden.421 Zunächst und vor allem ist im Voraus schwieriger absehbar, ob eine Ausschüttungsentscheidung in einem späteren Haftungsprozess als rechtmäßig anerkannt wird. Der sichere Hafen, den das Stammkapital als leicht aus der Bilanz erkennbare Ausschüttungssperre bietet, geht also verloren.422 Der mögliche Effizienzgewinn durch den Solvenztest wird demnach durch erhöhte Haftungsrisiken und durch die Kosten für die Erstellung einer entsprechenden Solvenzprognose konterkariert.423 Letzteres fällt vor allem bei kleinen Gesellschaften ins Gewicht, die nicht über eine umfassende, vorausplanende Buchführung verfügen. Die Rechtsunsicherheit wird auch nicht entscheidend reduziert, wenn man die business judgment rule zur Anwendung kommen lässt und den Geschäftsführern dadurch den für ihre Ausschüttungsentscheidung notwendigen Entscheidungsspielraum gewährt. Denn dies ändert nichts daran, dass es dem Solvenztest mit 420 Ähnlich Schön, Der Konzern 2004, 162 (168), der das zwingende Mindestkapital zwar für verzichtbar hält, eine Bindung der Gesellschafter an ihre freiwillige Haftungszusage in Form des Stammkapitals aber als notwendig erachtet und deshalb Ausschüttungen, die das Gesellschaftsvermögen unter diese Schwelle senken, nach wie vor verbieten will, auch wenn sie die Solvenz des Unternehmens nicht beeinträchtigen. 421 Insgesamt kritisch zum Solvenztest als Ausschüttungssperre auch Schön, Der Konzern 2004, 162 (168 ff.). 422 Im Ergebnis a. A. Mülbert, Der Konzern 2004, 152 (160 f.), der zwar den Kapitalerhaltungsregeln für die nachträgliche rechtliche Beurteilung von Ausschüttungen nach Eintritt der Insolvenz eine größere Trennschärfe und geringere Komplexität im Vergleich zu situativen Ausschüttungssperren konzediert, aber bei der präventiven Verhinderung insolvenzverursachender Ausschüttungen keinen nennenswerten Effektivitätsvorteil des geltenden Systems erkennt. Dem ist insoweit zuzustimmen, als ein Solvenztest, wenn er ordnungsgemäß durchgeführt wird, im Ergebnis einen dem geltenden System vergleichbar guten, u. U. sogar einen besseren Beitrag zur Insolvenzprophylaxe leistet, da er die Ausschüttung von der konkreten Leistungsfähigkeit der Gesellschaft abhängig macht. Gerade aufgrund dieses Einzelfallbezugs bietet der Solvenztest jedoch keinen ähnlich klaren Beurteilungsmaßstab wie die bilanzorientierte Ausschüttungssperre. Dies gilt für die ex-post-Sichtweise des Insolvenzverwalters gleichermaßen wie für die ex-ante-Perspektive des Geschäftsführers. Der Nachteil des Solvenztests liegt also nicht in seiner mangelnden Effektivität als Ausschüttungssperre, sondern in seiner schwierigeren Handhabbarkeit für die Personen, die die Zulässigkeit von Ausschüttungen beurteilen müssen: Geschäftsführer, Insolvenzverwalter und letztlich auch Richter. 423 So auch knapp Schmidt, GmbHR 2007, 1 (4).

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seinen Prognoseelementen an der Klarheit und Eindeutigkeit einer bilanzorientierten Ausschüttungssperre fehlt. Es wird nur der Maßstab verändert, nach dem sich die Zulässigkeit der Ausschüttung bemisst. Die Haftungsgefahr für Geschäftsführer wird dadurch zwar begrenzt, dafür werden aber die Schwierigkeiten der rechtlichen Beurteilung von Ausschüttungsentscheidungen in die nachträgliche Überprüfung durch die Insolvenzverwalter und Gerichte verlagert.424 Befürworter des Solvenztests wenden ein, dass das deutsche Recht in den §§ 18, 19 InsO bereits Vorschriften kenne, die an eine Solvenzprognose anknüpfen, so dass die entstehenden Rechtsunsicherheiten begrenzt seien.425 Dieser Hinweis könnte jedoch nur überzeugen, wenn die Solvenzprognose nach der InsO zur Erhaltung einer zumindest ansatzweise angemessenen Haftungsmasse für die Gläubiger führen würde, denn nur dann könnte man von einem an ähnliche Kriterien anknüpfenden Solvenztest erwarten, dass er seinen Zweck erfüllt. Die große Zahl masseloser Insolvenzen zeigt das Gegenteil. Der Einführung eines Solvenztests kann also nicht unter Verweis auf Normen, die den Zweck des Solvenztests gerade nicht zu erreichen vermögen, das Wort geredet werden. Der hiergegen wiederum ins Feld geführte Einwand, Ausschüttungssperre und Insolvenzauslösungstatbestand erfüllten gänzlich unterschiedliche Funktionen für den Gläubigerschutz, so dass von der Unzulänglichkeit des einen Instruments nicht auf die des anderen geschlossen werden dürfe426, verfängt ebenso wenig. Denn Ausschüttungssperre und Verbot der Unternehmensfortführung dienen beide der Erhaltung von Haftungsmasse: Eine Ausschüttung darf nicht erfolgen bzw. das Unternehmen darf nicht fortgeführt werden, wenn die Begleichung der Gesellschaftsverbindlichkeiten in einem absehbaren Zeitraum nicht mehr gewährleistet werden kann. Der Solvenztest verbietet Ausschüttungen, wenn danach hypothetisch die Unternehmensfortführung gefährdet wäre. Die Insolvenzauslösung basiert auf den gleichen Kriterien und setzt nur später an, nämlich wenn die Unmöglichkeit der Unternehmensfortführung konkret prognostizierbar ist. Beide Instrumente, Ausschüttungsbegrenzung anhand eines Solvenztests und Insolvenzauslösung nach den §§ 18, 19 InsO, knüpfen also prinzipiell gleichermaßen an eine Prognose der (hypothetisch oder konkret) drohenden Insolvenz an. Wenn sich aber empirisch belegen lässt, dass die Insolvenzauslösungstatbestände regelmäßig zu spät eingreifen, um noch eine angemessene Befriedigungsquote der Gesellschaftsgläubiger zu gewährleisten, ist auch ein auf den gleichen Maßstäben beruhender Solvenztest ungeeignet, die Gläubiger zu schützen. Ist demnach der Solvenztest weder als Ergänzung geschweige denn als Ersatz der stammkapitalbasierten Ausschüttungsbegrenzung geeignet, lässt sich dies 424 So unter Hinweis auf das englische Recht ansatzweise auch Schön, Der Konzern 2004, 162 (169). 425 Vgl. vor allem Marx, S. 181, 184. 426 So aber Marx, S. 187 f.

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nicht mit der gleichen Deutlichkeit für einen situativen Bilanztest nach US-amerikanischem Vorbild sagen. Die Vorzüge einer solchen Regelung wurden bereits oben dargestellt.427 Allerdings ist fraglich, ob sie den Gläubigerschutz gegenüber der hier vertretenen Lösung deutlich verbessern würde. Denn letztlich erfordert auch der situative Bilanztest, dass die einzuhaltenden Bilanzrelationen vorab durch den Gesetzgeber pauschal festgelegt werden.428 Hierfür lassen sich kaum allgemeingültige Maßstäbe finden, nach denen gläubigerschädigende Ausschüttungen wirksamer verhindert würden als durch das Stammkapital. Auch der vermeintliche Vorzug der größeren Einzelfallbezogenheit erscheint vor diesem Hintergrund weniger bedeutsam als vielfach dargestellt. Nach alldem ist für eine Reform des Kapitalerhaltungsrechts der GmbH ein Modell vorzugswürdig, das sich am deutschen Aktienrecht und den beiden anderen hier untersuchten Rechtsordnungen orientiert und die Stammkapitalziffer als unterste Schwelle mit einer weitergehenden Begrenzung von Ausschüttungen auf den Jahresgewinn abzüglich einer gesetzlichen Rücklage kombiniert. Auf diesem Wege wird der Gläubigerschutz deutlich verbessert, ohne gleichzeitig das etablierte, vertraute (und eben auch sinnvolle!) System der stammkapitalorientierten Ausschüttungssperre anzutasten und dadurch neue Rechtsunsicherheit hervorzurufen.429 Ein Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Rechtsformen entsteht der GmbH durch die vorgeschlagene (moderate) Verschärfung nicht, denn die hier gemachten Vorschläge führen nur zu einer Angleichung des bisher vergleichsweise liberalen deutschen Kapitalschutzrechts an das Schutzniveau in anderen Rechtsordnungen.

IV. Recht der Gesellschafterdarlehen Das geltende Eigenkapitalersatzrecht ist durch das MoMiG grundlegend reformiert worden.430 Es wurde nicht gänzlich abgeschafft, aber aus dem Gesellschaftsrecht in das Insolvenzrecht verlagert und damit systematisch vollkommen neu ausgerichtet.431 Der Reformgesetzgeber hat dadurch einem großen Teil der in der Literatur geäußerten inhaltlichen Kritik Rechnung getragen. Unbeantwortet geblieben ist die grundsätzliche Frage nach der generellen Rechtfertigung eines Sonderrechts für Gesellschafterdarlehen. Sie stellt sich nach neuem Recht möglicherweise sogar verstärkt, da nunmehr sämtliche Gesellschafterdarlehen 427

Vgl. § 7 II. 3. b). Dies anmerkend auch Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (21). 429 Auf den Gesichtspunkt der Pfadabhängigkeit als Argument gegen eine Abschaffung des kontinentaleuropäischen Kapitalschutzmodells verweist vor allem die Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (871 f.). 430 Einzelheiten oben, § 7 I. 1. b) cc). 431 So auch Thiessen, DStR 2007, 202 (207). 428

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unabhängig von einer Krise der Gesellschaft in der Insolvenz wie Eigenkapital behandelt werden. Ob eine solche Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen überhaupt gerechtfertigt ist, soll deshalb in einem ersten Schritt untersucht werden (1.), auch um Klarheit darüber zu gewinnen, ob statt einer umfassenden Novellierung eine gänzliche Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts angezeigt (gewesen) wäre. Abweichend von der Vorgehensweise in den bisherigen Abschnitten, die der Bewertung der Einzelelemente der Finanzverfassung gewidmet waren, erscheint es jedoch wenig sinnvoll, sodann die Berechtigung der Einzelkritik am früheren Recht ausführlich zu beleuchten. Denn die nunmehr in Kraft getretenen Reformen lassen eine Vielzahl der inhaltlichen Kritikpunkte obsolet werden, worauf bereits oben bei der Darstellung der Beweggründe für die Reform432 und der diesbezüglichen Reaktion des Schrifttums433 ausführlich hingewiesen wurde. Deshalb soll die eigene Stellungnahme zu den Kritikpunkten, die der Gesetzgeber bereits aufgegriffen hat, sehr knapp und summarisch ausfallen (2.) und der Akzent stärker auf die Bewertung der Neuerungen (3.) gelegt werden. Abschließend wird zu verbleibendem oder neu geschaffenem Reformbedarf sowie zu weitergehenden Verbesserungsvorschlägen Stellung bezogen (4.). 1. Legitimation eines Sonderrechts für Gesellschafterdarlehen Eine umfassende dogmatische und rechtspolitische Legitimation für das Recht der Gesellschafterdarlehen zu entwerfen, ist der Rechtswissenschaft bisher, zumindest nach weit verbreiteter Ansicht, nicht abschließend gelungen.434 Dies in der vorliegenden Untersuchung nachholen zu wollen, wäre nicht nur vermessen, sondern würde auch deren Ziel und Rahmen übersteigen. Ein solches Unterfangen muss deshalb spezialisierten Ausarbeitungen überlassen werden.435 An dieser Stelle sollen skizzenhafte Überlegungen zur Rechtfertigungsgrundlage des geltenden wie des neuen Rechts genügen, um zu den insoweit in der Literatur geäußerten fundamentalen Zweifeln Stellung nehmen zu können. Hinsichtlich der grundsätzlichen Frage nach der Notwendigkeit einer Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen besteht ein verbreiteter rechtsvergleichender Konsens, wobei die jeweiligen Lösungen teils deutlich voneinander abweichen. Frankreich kennt jenseits der Grenzen des Rechtsmissbrauchs und der spezifischen Haftungstatbestände für bestimmte Pflichtverstöße436 keine gesetz432

§ 7 I. 1. b) cc). § 7 I. 2. d). 434 Vgl. die Kritik oben, § 4 II. 2. d). 435 Vgl. dazu knapp Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (393 ff. m.w. N.); sowie ausführlich Vervessos, S. 107 ff. 436 Dies sind im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen vor allem die Artt. L. 650-1, 651-2 C. com. Vgl. näher oben, § 5 I. 2. e). 433

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lichen Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen; deren Rolle wird durch die gängige Vertragspraxis auf dem Kreditmarkt ausgefüllt. Spanien hingegen unterwirft Gesellschafterdarlehen und alle sonstigen Gesellschafterforderungen generell einer Rangrückstufung im Insolvenzverfahren.437 Das deutsche Recht beschritt bisher einen Mittelweg durch seine gesetzlichen und richterrechtlichen Sonderregeln nur für in der Krise gewährte oder bewusst stehen gelassene Gesellschafterdarlehen.438 Eine tragfähige Legitimationsgrundlage für die Schlechterstellung der Gesellschafter-Darlehensgeber gegenüber Dritten lässt sich nicht leicht finden. Gesellschafterdarlehen sind grundsätzlich nicht schädlich, sondern sogar nützlich für Gesellschafter und Gläubiger gleichermaßen, denn sie dienen der flexiblen Ausstattung der Gesellschaft mit Liquidität. Selbst ein in der Krise zu deren Überwindung gewährtes Gesellschafterdarlehen kann den Gesellschaftsgläubigern zugute kommen, da sie durch einen solchen Sanierungsversuch u. U. letztendlich besser stehen als bei sofortiger Liquidation.439 Wenn ein solches Krisendarlehen den wirtschaftlichen Kollaps der Gesellschaft nur hinauszögern, aber nicht verhindern kann und kurz vor der Insolvenz abgezogen wird bzw. der Rückforderungsanspruch wie eine Drittforderung zur Tabelle angemeldet wird, verringern sich zwar die Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger.440 Allein diese Schmälerung der Insolvenzquote unterscheidet den Gesellschafter-Darlehensgeber jedoch nicht von einem Drittdarlehensgeber, vermag also eine Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Zu deren Begründung werden zwei verschiedene Argumentationsmuster angeführt, die jedoch nicht über die gleiche Überzeugungskraft verfügen. a) Das „Todeskampf-Argument“ Zur Begründung des deutschen Modells wird häufig angeführt, dass der Gesellschafter durch Gewährung eines Krisendarlehens den „Todeskampf der Gesellschaft künstlich in die Länge ziehe“ bzw. „einen Beitrag zur Insolvenzverschleppung leiste“ und dadurch die Gläubiger schädige.441 Dieses Argument vermag das frühere deutsche Eigenkapitalersatzrecht jedoch nicht überzeugend zu begründen.442 437

Vgl. oben, § 6 I. 2. e). Vgl. oben, § 4 I. 5. Zu den Änderungen i.R. d. MoMiG s. oben, § 7 I. 1. b) cc). 439 Vgl. Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), S. 23 (38); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194); Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378). 440 Vgl. zur Begründung der Problematik der Gesellschafterdarlehen in der Krise insgesamt Haas, Gutachten, S. E 51 ff. 441 Vgl. dazu bereits oben, § 4 I. 5.; sowie Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1655 f.); Haas, Gutachten, S. E 52 f. und E 57. 442 So i. E. auch Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), 370 (378); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (228). 438

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Was zunächst die Sprechweise vom Beitrag des Gesellschafters zur Insolvenzverschleppung betrifft443, so ist diese bestenfalls missverständlich, eher sogar verfehlt. Denn der Begriff „Insolvenzverschleppung“ ist bereits besetzt durch die entsprechende Haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. bzw. § 64 GmbHG n. F. und gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. bzw. § 15a Abs. 1 InsO n. F.444 Insolvenzverschleppung in diesem Sinne bedeutet die Verzögerung des Insolvenzantrags bei bereits eingetretener Insolvenzreife. Für einen solchen Pflichtverstoß haftet der für die Antragstellung grundsätzlich allein zuständige Geschäftsführer.445 Der Gesellschafter leistet dazu aber durch sein Darlehen offensichtlich keinen Beitrag. Das Eigenkapitalersatzrecht nimmt demgegenüber vornehmlich einen der Insolvenzreife vorgelagerten (Krisen-)Zeitraum in den Blick.446 Wer in diesem Zusammenhang von Insolvenzverschleppung spricht, meint damit offenbar das Hinauszögern des Eintritts der Insolvenzreife.447 Dies ist jedoch grundsätzlich nicht missbräuchlich oder pflichtwidrig, also keine „Verschleppung“ im eigentlichen Wortsinne. Insoweit treffender, wenn auch martialischer, ist der synonym verwandte Ausdruck „Verlängerung des Todeskampfes“. Der beiden Bezeichnungen zugrunde liegende Begründungsansatz überzeugt jedoch auch inhaltlich nicht: Er verfängt gar nicht hinsichtlich der Darlehensgewährung selbst, sondern allenfalls in Bezug auf die Rückzahlung eines in der Krise gewährten Gesellschafterdarlehens, und dort auch nur in modifizierter Form. Das „Todeskampf-Argument“ erinnert an die früher in Frankreich teilweise vertretene Argumentation zu einer deliktischen Haftung des Gesellschafter-Darlehensgebers wegen „soutien abusif“, also wegen einer missbräuchlichen finanziellen Stützung einer nicht überlebensfähigen Gesellschaft. Eine solche Gesellschafterhaftung wurde jedoch schon früher von den Gerichten, soweit ersichtlich, nicht angenommen, entsprechende Urteile bezogen sich stets auf gesellschaftsfremde Dritte. Und seit der loi de sauvegarde ist sie auch ausdrücklich ausgeschlossen, sofern nicht ein spezifisches Missbrauchsverhalten, das über die bloße Darlehensgewährung hinausgeht, vorliegt. Vgl. näher oben, § 5 I. 2. e). 443 So etwa Haas, Gutachten, S. E 69. 444 Die – nach geltendem Recht zweifellos vorhandenen – funktionalen Parallelen zwischen Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers und Eigenkapitalersatzrecht werden angesichts der grundlegenden Unterschiede in der Zielrichtung von Haas, Gutachten, S. E 69 ff., m. E. überbetont. 445 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das MoMiG die Einführung einer Insolvenzantragspflicht des Gesellschafters in § 15a Abs. 3 InsO n. F. vorsieht, denn diese Pflicht greift nur subsidiär im Falle der Führungslosigkeit und tritt nicht etwa gleichwertig neben die Pflicht des Geschäftsführers zur Antragstellung. 446 Haas, Gutachten, S. E 30 f., bezweifelt allerdings entgegen der herrschenden Meinung, dass die „Krise“ i. S. d. Eigenkapitalersatzrechts einen der Insolvenzreife vorgelagerten Zeitraum erfasst. 447 Anzumerken ist insoweit, dass durch ein Gesellschafterdarlehen nur der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit hinausgezögert werden kann, indem der Gesellschaft Liquidität zugeführt wird. Die Überschuldung kann so jedoch nicht verhindert werden, da die Darlehensgewährung ein bilanzneutraler Vorgang ist.

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aa) Überzeugungskraft hinsichtlich der Darlehensrückzahlung Wird ein in der Krise gewährtes Gesellschafterdarlehen vor nachhaltiger Überwindung der Krise zurückgezahlt und fällt die Gesellschaft deswegen in die Insolvenz, so schädigt dies die Gläubiger tatsächlich durch „künstliche“ Verlängerung des „Todeskampfes“ der Gesellschaft. Denn der Gesellschafter ermöglicht der Gesellschaft, die von Dritten keine Kredite mehr erlangen könnte, durch seine Liquiditätszufuhr zunächst die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit. Zieht er sein Darlehen dann aber in der Krise wieder ab, so ist das restliche Gesellschaftsvermögen inzwischen durch Fortschreiten der Krise häufig noch weiter aufgezehrt worden, und ggf. sind noch weitere Drittgläubiger hinzugekommen, so dass die Befriedigungsquote der Altgläubiger sinkt. An diesem Punkt setzten die früheren Rechtsprechungsregeln an, die die Darlehensrückgewähr den Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG analog unterwarfen, also ein generelles Rückzahlungsverbot in der Krise aufstellten. In die gleiche Richtung zielt § 135 InsO, der Darlehensrückzahlungen im Vorfeld der Insolvenz der Anfechtung unterwirft. Zu beachten ist allerdings, dass nicht die Verzögerung der Insolvenz durch das Gesellschafterdarlehen den Vorwurf der Gläubigerschädigung begründet.448 Denn auch Drittdarlehen449 oder eine Kapitalerhöhung in der Krise verzögern die Insolvenz, können sie aber u. U. ebenso wenig verhindern, so dass sie im Rückblick nur den Todeskampf verlängert haben und möglicherweise zu einer geringeren Quote für die Gläubiger führen, ohne dass hieran irgendwelche Sanktionen geknüpft würden.450 Im Übrigen ist ohnehin zweifelhaft, ob eine „rechtzeitige“ Liquidation eine umfassende Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger tatsächlich 448 Der Gesetzgeber hat durch die Insolvenzauslösetatbestände der §§ 17, 19 InsO i.V. m. der Antragspflicht den Zeitpunkt festgelegt, ab dem der „Todeskampf“ der Gesellschaft im Interesse der Gläubiger nicht weiter durch Sanierungsversuche in die Länge gezogen werden darf. Die Gesellschaft in einer Krise im Vorfeld der Insolvenz am Leben zu erhalten, ist deshalb, abgesehen von besonders gelagerten Missbrauchsfällen, nicht per se pflichtwidrig. 449 Solche stehen allerdings in der Krise i. S. d. Eigenkapitalersatzrechts per definitionem nicht mehr zur Verfügung, so dass dieses Argument, auf das auch Haas, Gutachten, S. E 52, verweist, rein theoretischer Natur ist. 450 So zutreffend Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), 370 (378). Soweit sie allerdings aus diesem Grund das „Todeskampf“-Argument vollends ablehnen, ist dem nicht zuzustimmen. Denn eine Kapitalerhöhung verlängert den Todeskampf nicht in der gleichen Weise wie ein in der Krise gewährtes und zurückgezahltes Darlehen. Die infolge der Kapitalerhöhung erbrachten Einlageleistungen können nämlich nicht ohne weiteres zurückverlangt werden. Dafür ist eine Kapitalherabsetzung erforderlich, die wiederum bestimmten gläubigerschützenden Vorschriften unterliegt. Mittel aus einer Kapitalerhöhung verbleiben der Gesellschaft damit prinzipiell dauerhaft, verlängern also zwar den Todeskampf der Gesellschaft, aber nicht „künstlich“ wie eine zunächst gewährte und dann wieder abgezogene Finanzierungshilfe in Form eines Darlehens. Das „Todeskampf“-Argument spielt damit in Bezug auf das Rückzahlungsverbot der Rechtsprechungsregeln durchaus eine Rolle, wenn auch

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4. Teil: Bewertung

wahrscheinlicher macht. Es handelt sich wohl eher um eine idealtypische, theoretische Annahme451, die zudem außer Acht lässt, das auch das Ziel des Insolvenzverfahrens zuvörderst die Sanierung und nicht die Liquidation der Gesellschaft und die Aufteilung ihres verbleibenden Vermögens unter die Gläubiger ist. Der Vorwurf besteht also richtigerweise nicht darin, dass der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise Liquidität zur Verfügung stellt und damit ihren „Todeskampf“ verlängert, sondern wie er dies tut, nämlich „künstlich“ durch nur vorübergehende finanzielle Unterstützung, die er noch während der Krise wieder abzieht.452 nicht in der undifferenzierten Form, in der es häufig unter Vermischung von Darlehensgewährung und -rückzahlung vorgebracht wird. 451 So auch Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1926). 452 Anders Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), 370 (378), die betonen, es handele sich beim Eigenkapitalersatzrecht nicht um eine Sanktion für ein Fehlverhalten des Gesellschafters. Weder die finanzielle Unterstützung der Gesellschaft in der Krise (das „Ob“) noch die Art und Weise in Form eines Darlehens anstelle einer Kapitalerhöhung (das „Wie“) sei dem Gesellschafter vorzuwerfen, die Rechtsprechung knüpfe vielmehr lediglich an die objektive (vom Gesellschafter ggf. nicht gewollte) Funktion der Finanzierungshilfe an und unterwerfe sie dem entsprechenden Regime: dem des Stammkapitals. Diese Argumentation geht m. E. jedoch fehl. Dass das Eigenkapitalersatzrecht im Ergebnis für den Gesellschafter-Darlehensgeber Sanktionscharakter hat, steht außer Zweifel, da er in der Insolvenz deutlich weniger Aussicht auf eine Befriedigung seiner Forderung hat als ein außenstehender Darlehensgeber. Dieser Sanktionscharakter entspricht aber durchaus auch der Zielsetzung des Eigenkapitalersatzrechtes. Der Standpunkt, es komme lediglich auf die objektive Funktion der Finanzierungshilfe an, verträgt sich weder mit der Legaldefinition der Krise in § 32a Abs. 1 GmbHG, die auf die Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns verweist, noch mit der Argumentation der Rechtsprechung von der Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters und dem Umstand, dass sie die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG von der Erkennbarkeit der Krise abhängig macht. Beides zeigt, dass dem Gesellschafter sehr wohl der Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens gemacht wird. So ausdrücklich BGHZ 127, 336, 344 f. Ähnlich auch Haas, Gutachten, S. E 55, der feststellt, das Kapitalersatzrecht stehe der Krisenhaftung näher als den Kapitalerhaltungsregeln. Huber/Habersack verweisen zwar zutreffend u. a. auf die BuM-Entscheidung des BGH in BGHZ 90, 381 (390), die ausdrücklich festhält, dem Gesellschafter werde nicht der Vorwurf gemacht, dass er sich statt der Darlehensvergabe um eine Kapitalerhöhung hätte bemühen müssen. Dem ist zuzustimmen, dieser Vorwurf wird dem Gesellschafter nicht gemacht. Das Urteil fährt aber im nächsten Satz fort, dass dem Gesellschafter sehr wohl etwas anderes vorgeworfen wird, nämlich, wenn er sich überhaupt für eine Finanzierung der Not leidenden Gesellschaft entschieden habe, diese dann in der Form eines Darlehens vorzunehmen, obwohl ein außenstehender Dritter dazu nicht bereit gewesen wäre. Der Vorwurf zielt nicht darauf, dass der Gesellschafter durch seine Finanzspritze den Überlebenskampf der Gesellschaft verlängert hat (was lt. BGH an sich nicht pflichtwidrig ist, auch wenn es eventuell in der Insolvenz zu einer niedrigeren Quote für die Gläubiger führt), sondern dass er dies ohne Beachtung seiner Finanzierungsfolgenverantwortung getan hat, die eine Zufuhr von Eigenkapital verlangt hätte. M. a. W.: Der Gesellschafter hat nicht nur eine Möglichkeit pflichtgemäßen Verhaltens (die Zufuhr von Eigenkapital durch Kapitalerhöhung), sondern noch eine Alternative, nämlich gar keine Mittel zuzuführen und die Gesellschaft ihrem Schicksal, der Insolvenz bzw. Liquidation, zu überlassen. Entscheidet er sich für die Krisenfinanzierung, tut dies aber

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bb) Überzeugungskraft hinsichtlich der Darlehensgewährung Doch selbst wenn der Gesellschafter sein Krisendarlehen bis zum Beginn des Insolvenzverfahrens im Gesellschaftsvermögen belässt, wird seine offene Forderung Sonderregeln unterworfen, nämlich den §§ 32a, 32b GmbHG a. F. (bzw. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F.), denen zufolge der Rückgewähranspruch im Insolvenzverfahren hinter den Forderungen der Drittgläubiger zurücktreten muss. Bei der Suche nach einer Begründung für diese Anordnung versagt das „Todeskampf“-Argument vollends, denn ein nicht zurückgefordertes Darlehen hat keinen anders gearteten, sanktionswürdigeren Einfluss auf die Lebensdauer der Gesellschaft als jede andere Form der Kapitalzufuhr. b) Das „Insider-Argument“ Die zweite Argumentationslinie geht dahin, dass das besondere Näheverhältnis des Gesellschafters zu seiner Gesellschaft eine Schlechterstellung gegenüber gesellschaftsfremden Dritten rechtfertige. Mit ihr lässt sich nicht nur eine Sonderbehandlung von Krisendarlehen, sondern von sämtlichen Gesellschafterdarlehen und sogar von sonstigen Gesellschafterforderungen rechtfertigen. Sie begegnet in zwei unterschiedlichen Ausprägungen: dem Hinweis auf den Einfluss und Informationsvorsprung des Gesellschafters einerseits [aa)] sowie auf seine unternehmerische Motivation andererseits [bb)]. aa) Der Einfluss- und Informationsvorsprung des Gesellschafters Zum einen wird darauf abgestellt, dass der Gesellschafter zumeist über umfassendere Informationen bzgl. der Finanzlage der Gesellschaft verfüge bzw. sich diese ohne großen Aufwand beschaffen könne. Aufgrund dieses Informationsvorsprungs sei er in der Lage, die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens besser abzusehen und die Risiken einer Mittelzufuhr genau abzuschätzen. Zudem könne er Einfluss auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft nehmen. Deshalb sei es gerechtfertigt, dass er in der Insolvenz das gesamte Gesellschaftsvermögen zunächst den Gläubigern überlassen müsse und erst nach diesen Befriedigung seiner eigenen Forderungen gegen die Gesellschaft erlangen könne. Dagegen ist berechtigte Kritik geäußert worden: Ein typisierter Informationsvorsprung der Gesellschafter lässt sich in dieser allgemeinen Form nicht feststellen. Vielmehr werden große Vertragsgläubiger wie Banken häufig mindestens ebenso gut, wenn nicht besser über die finanzielle Situation der Gesellschaft in-

nicht in Form von Eigenkapital, sondern gewährt nur ein Darlehen, so verhält er sich pflichtwidrig und wird entsprechend sanktioniert.

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4. Teil: Bewertung

formiert sein als manch ein Gesellschafter.453 Sie können aufgrund ihrer Verhandlungsmacht auch häufig Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen nehmen. Dementsprechend könnte mit größerer Berechtigung zwischen Großund Kleingläubigern differenziert werden als zwischen Gesellschaftern und Dritten. Auch das Argument vom Informationsvorsprung und den weitergehenden Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter vermag also die Eigenkapitalersatzregeln oder überhaupt ein Sonderrecht für Gesellschafterdarlehen nicht zu tragen. bb) Die unternehmerische Motivation des Gesellschafters Das andere Begründungsmuster geht dahin, dass Gesellschafter ihre Darlehensentscheidung regelmäßig causa societatis, also aus gesellschaftsbezogenen, unternehmerischen Motiven treffen, während der Fremdkapitalgeber zumeist nur an der festen Rendite seines Darlehens interessiert ist. Diese Motivationslage ist der Grund dafür, dass der Gesellschafter das volle Risiko seiner Investition tragen soll. Dies ist nicht nur in der Krise, aber dort umso mehr der Fall, da der Gesellschafter ein Interesse an der Erhaltung seiner mitgliedschaftlichen Stellung hat und deshalb mit der Zuführung oder Belassung einer Finanzhilfe ggf. eine nicht überlebensfähige Gesellschaft künstlich zeitweilig vor der Insolvenz bewahren bzw. objektiv aussichtslose Sanierungsversuche ermöglichen will. Eine vergleichbare Argumentation klingt auch in der Rechtsprechung an, die das Rückzahlungsverbot gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG analog auf die pflichtwidrige Zuführung von Fremd- statt Eigenkapital durch den Gesellschafter gründete: Wenn der Gesellschafter sich in der Krise für eine Kapitalzufuhr an die Gesellschaft entscheidet, wird typisierend unwiderleglich vermutet, dass er dies vornehmlich aus unternehmerischen Motiven tut, denn Dritte wären zu diesem Zeitpunkt per definitionem454 nicht mehr zu einer Finanzierungshilfe bereit. Dann darf er sich aber seiner – allein aus seiner Stellung als Gesellschafter folgenden455 – unternehmerischen Verantwortung nicht wieder entledigen, indem er sein Darlehen zurückfordert, was ihm bei pflichtgemäßem Verhalten, nämlich der Zufuhr von Eigenkapital, nicht ohne weiteres möglich wäre. 453 Vgl. nur Grunewald, GmbHR 1997, 7 (8); Heinert, S. 48 f.; Oppenhoff, in: FS Stiefel (1987), S. 551 (558). In diese Richtung auch BGHZ 76, 326 (330). Dies dürfte in der typischerweise personalistisch strukturierten GmbH zwar weniger häufig der Fall sein als in einer Publikums-AG. Allerdings kann auch bei ersterer nicht ohne weiteres typisierend von einem Informationsvorsprung der Gesellschafter ausgegangen werden. 454 Zur Definition der „Krise“ i.R. d. Eigenkapitalersatzrecht s. oben, § 4 I. 5. 455 Vgl. BGHZ 127, 336 (346): „Die grundsätzliche Verantwortlichkeit des Gesellschafters für eine seriöse Finanzierung der [. . .] GmbH, die es verbietet, zum eigenen Vorteil das Risiko, das mit der Fortführung einer aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähigen und deshalb liquidationsreifen Gesellschaft verbunden ist, durch Einsatz von als Fremdmitteln [sic!] gewährten Gesellschafterhilfen auf die Gesellschaftsgläubiger abzuwälzen, folgt schon allein aus der Übernahme der Stellung eines Gesellschafters (vgl. BGHZ 105, 168, 175 f.).“

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Diese Typisierung erscheint tragfähiger als die vom Einfluss und Informationsvorsprung. Gegen sie lässt sich nicht etwa vorbringen, dass es auch reine Anlagegesellschafter gibt, die mit ihrer Beteiligung keine unternehmerischen Ziele verfolgen. Denn solche Gesellschafter werden – wiederum in zulässiger gesetzlicher Typisierung – durch das Kleinbeteiligtenprivileg ohnehin aus dem Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen ausgeschieden. Bei Gesellschaftern, die mit mehr als 10% des Stammkapitals an der Gesellschaft beteiligt sind, lässt sich mit guten Gründen ein gewisses unternehmerisches Interesse unwiderleglich vermuten. Dann liegt es aber nahe, dieses Interesse auch als (mit-)ursächlich für die Darlehensentscheidung anzusehen und daran die Rechtsfolge der Subordination und der Anfechtbarkeit der Rückzahlung zu knüpfen. Damit lässt sich auch die Frage beantworten, warum ein Gesellschafter, der in der Krise immerhin Kredit nachschießt, vordergründig schlechter behandelt wird als einer, der nichts gegeben hat456: Letzterer erkennt das Scheitern seiner Unternehmung an und leitet das Insolvenzverfahren zur Sicherung der Gläubigerinteressen ein. Das mag für die Gläubiger im Einzelfall nachteiliger sein als ein Erfolg versprechender Sanierungsversuch, ist aber der gesetzlich vorgesehene Weg, denn eine Nachschusspflicht gibt es nicht. Ersterer hingegen entscheidet sich aus unternehmerischen Motiven zu einem Sanierungsversuch, ob Erfolg versprechend oder nicht. Gelingt dieser, so profitieren zwar auch die Gläubiger davon, denn sie hätten in der Insolvenz in der Regel Ausfälle hinzunehmen gehabt. Der Gesellschafter profitiert jedoch überdurchschnittlich, denn eine Fortführung der sanierten Gesellschaft verspricht ihm dauerhafte Rendite, die Gläubiger hingegen gewinnen nur die Differenz zwischen ihrer hypothetischen Insolvenzquote und dem Nennwert ihrer Forderung. Der Gesellschafter hat demnach ein anderes (größeres) Interesse an der (Krisen-)Investition als ein gesellschaftsfremder Kapitalgeber. Deshalb muss er aber auch das volle Risiko dieser Investition tragen, um den andernfalls drohenden gläubigerschädlichen Verhaltensanreizen (moral hazard) zu begegnen. Er wird also nicht eigentlich schlechter gestellt als der weniger risikofreudige Gesellschafter, der kein Kapital nachschießt. Beide werden nur an ihrer eigenen Risikotragungsentscheidung festgehalten: Dieser muss auf die Chance dauerhafter Rendite verzichten, jener das Risiko seiner Kriseninvestition tragen. Das so beschriebene unternehmerische Investitionsrisiko wird den Gesellschaftern gerade nicht durch die Haftungsbeschränkung abgenommen. Denn diese besagt nur, dass das Verlustrisiko jenseits der persönlichen unternehmerischen Investition der Gesellschafter von den Gläubigern getragen werden muss. Ein Darlehen eines wesentlich an der Gesellschaft Beteiligten ist aber in der Regel – so zumindest typisierte 456 Diese suggestive Frage stellt Grunewald, GmbHR 1997, 7 (9), um damit ihrer Forderung nach einer Abschaffung jeglicher Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen Nachdruck zu verleihen.

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4. Teil: Bewertung

die frühere deutsche Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht und viele ausländische Gesetzgeber sowie nunmehr auch der Gesetzgeber des MoMiG – eine unternehmerische Investition. Deshalb wird es in der Insolvenz – aber auch erst dann – folgerichtig als persönlicher Risikobeitrag des Gesellschafters wie eine Einlage auf das Stammkapital behandelt. c) Zusammenfassung Die Begründung des früheren Eigenkapitalersatzrechts folgte nach dem bisher Gesagten zwei verschiedenen Argumentationslinien457: Einerseits sollte es die Verschleppung der Krise, die „Verlängerung des Todeskampfes“ sanktionieren, andererseits das Abwälzen des Finanzierungsrisikos von den (besser informierten und unternehmerisch motivierten) Gesellschaftern auf die Fremdgläubiger verhindern.458 Nur letztere Begründung vermag wirklich zu überzeugen. Mit ihr lässt sich auch zwanglos erklären, warum der Gesetzgeber mit den Novellenregeln nicht erst bei der Darlehensrückzahlung ansetzte, sondern schon bei der Darlehensgewährung. Entscheidend ist, dass der Gesellschafter durch die Darlehensgabe anstelle einer Kapitalerhöhung das Risiko des Scheiterns seiner Sanierungsinvestition schon von Anfang an zumindest teilweise459 auf die übrigen Gesellschaftsgläubiger abwälzen will, da er als Fremdkapitalgeber grundsätzlich einen Anspruch auf quotale Befriedigung seiner Rückzahlungsforderung aus der Masse hätte, was die Quote der übrigen, gleichrangigen Fremdgläubiger schmälern würde.460 Führte der Gesellschafter seiner Gesellschaft Eigenkapital zu, so trüge er das Risiko des Scheiterns dieser Investition vollständig selbst. Entschiede er sich 457

Ebenso Claussen, GmbHR 1996, 316 (317). In der bisher herrschenden Begründung des Eigenkapitalersatzrechts steht zumeist dessen Sanktionscharakter im Vordergrund, vgl. bereits soeben, 4. Teil Fn. 452. Letztlich dient es jedenfalls einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Drittgläubigern. Ob es dies tut, indem es festlegt, was der Gesellschafter darf, und an ein Fehlverhalten negative Rechtsfolgen knüpft, oder indem es festlegt, was er kann, also an ein bestimmtes (neutrales) Verhalten zwingend objektive Rechtsfolgen knüpft, ist eine rein theoretische Frage, die sich im praktischen Ergebnis nicht auswirkt und deshalb hier nicht weiter interessiert. Vgl. weiterführend einerseits Haas, Gutachten, S. E 54 ff. (für eine Einordnung der deutschen Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz als Krisenhaftung der Gesellschafter trotz der systematischen Verortung im Kapitalerhaltungsrecht der §§ 30 f. GmbHG); andererseits Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), 370 (378: gegen einen Sanktionscharakter). 459 Im Fall der (vollständigen) Darlehensrückzahlung in der Krise hat der Gesellschafter sein Investitionsrisiko zu 100% auf die Gläubiger abgewälzt, bei der Darlehensgewährung „nur“ zu dem Prozentsatz seiner später im Insolvenzverfahren zu erlangenden Quote. 460 Diesen Begründungsansatz vertritt seit jeher auch die Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz, vgl. RG JW 1939, 355; BGHZ 31, 258; BGHZ 90, 381 (389). 458

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gänzlich gegen eine Krisenfinanzierung, bliebe das ohnehin bestehende Ausfallrisiko der Gläubiger gleich. Dritte wiederum, die ebenfalls bei einer Darlehensvergabe an die Gesellschaft einen Teil ihres Investitionsrisikos auf die übrigen Gläubiger abwälzen könnten, stehen in der Krise nicht mehr für Sanierungshilfen zur Verfügung. Der Gesellschafter erhöht also durch die Gewährung eines Krisendarlehens in missbräuchlicher Weise und zumeist aus opportunistischen Motiven das Ausfallrisiko der Gläubiger461, nicht weil er überhaupt Mittel zuführt, sondern weil er das Verlustrisiko dieser Investition, das in der Krise ohnehin höher ist als bei einer gesunden Gesellschaft, teilweise auf die übrigen, gesellschaftsfremden Gläubiger überträgt. Daran wird deutlich, dass gesetzliche Gläubigerschutzvorschriften im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen erforderlich sind462, und dass diese nicht erst an die Rückzahlung des Darlehens, sondern bereits an dessen Gewährung anknüpfen müssen.463 461 I. E. ähnlich Haas, Gutachten, S. E 52 f., allerdings in etwas unklarer Argumentationsführung. Er bezeichnet zunächst die durch die Darlehensgewährung herbeigeführte Verlängerung des „Todeskampfes“ der Gesellschaft als einen Grund für die Unterwerfung von Gesellschafterdarlehen in der Krise unter Sonderregeln, konzediert aber unmittelbar anschließend, dass Fremddarlehen den gleichen Effekt haben, ohne sanktioniert zu werden. Der „entscheidende Wertungsunterschied“ liegt seiner Ansicht nach darin, dass sich bei einem Gesellschafterdarlehen schuldrechtliche und mitgliedschaftliche Ebene nicht trennen ließen, da es „in aller Regel“ causa societatis gewährt werde. Der Gesellschafter dürfe sich aber seiner gesellschaftsrechtlich fundierten Pflicht, seine mitgliedschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen in der Krise nicht zu Lasten der Gläubiger auszunutzen, nicht dadurch entziehen, dass er in eine schuldrechtliche Gestaltung ausweiche. Auf S. E 57 wiederum kommt er darauf zurück, dass das Eigenkapitalersatzrecht die Gläubiger davor schützen soll, dass der Gesellschafter einen Beitrag zur Fortführung des Unternehmens in der Insolvenzkrise leistet. Nach hier vertretener Ansicht kommt es jedoch überhaupt nicht auf die Verlängerung des „Todeskampfes“ oder einen „Beitrag zur Insolvenzverschleppung“ durch den Gesellschafter an, denn eine Kapitalzufuhr in der Krise ist nicht generell pflichtwidrig, sondern nur in Form eines Gesellschafterdarlehens, und dies wiederum aufgrund des von Haas herausgearbeiteten „entscheidenden Wertungsunterschieds“: Ein Krisendarlehen eines Dritten ist nicht sanktionswürdig, obwohl es möglicherweise den Ausfallschaden der übrigen Gläubiger vergrößert. Der Gesellschafter trifft seine Finanzierungsentscheidung jedoch aus (eigennützigen) unternehmerischen Motiven zu einem Zeitpunkt, an dem ein vernünftiger Dritter keinen Sanierungsversuch mehr unternommen hätte. Aus diesem Grund (und nur aus diesem) erscheint die (mit Fremddarlehen immer verbundene) anteilige Abwälzung des Investitionsrisikos auf die gleichrangigen Altgläubiger im Falle des Gesellschafterdarlehens als missbräuchlich. Der Gesellschafter soll, wenn er die Sanierungschancen der Gesellschaft optimistischer bewertet als der Kreditmarkt, das Risiko seines „Vabanque-Spiels“ allein tragen, also Eigenkapital zuführen, da er auch vom Erfolg seiner Investition über die Rückerlangung des Darlehensbetrages hinaus profitieren würde. 462 So auch Haas, Gutachten, S. E 60; Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (393). A.A. Bezzenberger, in: FS Bezzenberger (2000), 23 (30 ff.); Cahn, AG 2005, 217 (223 f.); Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 (314). 463 So ansatzweise bereits Goette, ZHR 162 (1998), 223 (224 f.); sowie deutlicher Haas, Gutachten, S. E 53; Schmidt, GmbHR 2005, 797 (799). Dementsprechend knüpfte die Rechtsprechung die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG an das Tatbestandsmerkmal einer „Finanzierungsentscheidung“, die in der Gewährung bzw. im be-

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Es besteht somit ein enger dogmatischer und rechtspolitischer Zusammenhang zwischen einem Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen und dem Prinzip der Haftungsbeschränkung. Der gesetzliche Kapitalschutz ist das Gegenstück zum Haftungsprivileg, der Preis, den die Gesellschafter dafür zahlen müssen. Er zwingt die Gesellschafter zu einem dauerhaften Risikobeitrag, um gläubigerschädlichen Verhaltensanreizen entgegenzuwirken und die Gesellschaft mit einer Vermögensgrundlage zu versorgen. Dieses Gläubigerschutzsystem ist jedoch lückenhaft, denn die Gesellschafter sind in der Bestimmung der Höhe und Art ihres persönlichen Vermögenseinsatzes relativ frei. In der Insolvenz obliegen ihnen keine Nachschusspflichten, die Gläubiger müssen sich mit der vorhandenen Haftungsmasse begnügen. Der Gesetzgeber kann aber nicht von vornherein die Aufbringung eines Stammkapitals vorschreiben, das in jedem Fall die unternehmerischen Risiken vollständig abdeckt.464 Dieses Dilemma soll das Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen lösen, indem es die Kapitalschutzvorschriften mit einem Umgehungsschutz versieht465: Die Gesellschafter werden zwar nicht von Anfang an zu Investitionen über das Mindestkapital hinaus gezwungen, aber wenn sie der Gesellschaft später aus unternehmerischen Motiven freiwillig Risikokapital in Darlehens- statt in Einlagenform zur Verfügung stellen, werden sie an dieser Entscheidung festgehalten und müssen ihren gesamten Vermögenseinsatz den Gläubigern zu ihrer vorrangigen Befriedigung überlassen. Das Recht der Gesellschafterdarlehen dient also, wie das Kapitalschutzrecht auch, zuvörderst einer fairen Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern.466 Sein Ergebnis entspricht der ökonomischen Vernunft und Gerechtigkeit.467 Dies gilt umso mehr, wenn die Höhe des Mindest-

wussten Stehenlassen eines Krisendarlehens bestand, vgl. BGHZ 121, 31 (36); 127, 336 (345); BGH ZIP 1997, 1375 (1376). 464 Vgl. dazu ausführlich oben, § 11 I. 2. b) und I. 3. b). 465 Dieser Zusammenhang zwischen Eigenkapitalersatzrecht und Kapitalschutz besteht im deutschen Recht, ist aber nicht zwingend, wie etwa die US-amerikanischen Regeln zur equitable subordination zeigen. Eine insolvenzrechtliche Rangrückstufung und eine Rückzahlungssperre für Gesellschafterdarlehen können also auch in einer Rechtsordnung sinnvoll sein, die nicht dem Stammkapitalsystem folgt. Vgl. dazu Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (379 f.). 466 Vgl. Schmidt, GmbHR 2005, 797 (806), der insoweit zutreffend anmerkt, das Eigenkapitalersatzrecht sei nicht mit der Unterkapitalisierungshaftung vergleichbar. Denn es werde nicht die fehlende bzw. unzureichende Ausstattung der Gesellschaft mit Kapital sanktioniert, sondern nur bei gegebener Kapitalzufuhr zwingend eine angemessene Risikoverteilung angeordnet. Zu Risikoabwälzungsmöglichkeiten durch Gesellschafterdarlehen vgl. ferner Drukarczyk, Finanzierung, S. 401 ff. 467 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (395), die außerdem auf S. 396 f. darauf verweisen, dass konsequenterweise auch bei der Frage nach einer möglichen Durchgriffshaftung der Gesellschafter wegen

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stammkapitals reduziert wird.468 Eine Abschaffung sämtlicher gläubigerschützender Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen ist demnach abzulehnen.469 2. Berechtigung der Kritik am Eigenkapitalersatzrecht Das Recht der Gesellschafterdarlehen bezieht seine Existenzberechtigung also, wie das Stammkapital insgesamt, dessen Absicherung es dient, aus dem Ziel einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern. Es ist ein Baustein in dem System gesetzlicher und richterrechtlicher Regeln, die die aus dem Prinzipal-Agenten-Problem, dem Auseinanderfallen von Risiko und Kontrolle resultierenden Gläubigerrisiken reduzieren sollen. Von der Frage der normativen Fundierung zu trennen ist die nach der angemessenen Ausgestaltung des Sonderrechts der Gesellschafterdarlehen im Einzelnen. Insoweit entbehrt die oben470 dargestellte Kritik am früheren Recht nicht jeglicher Grundlage. Kritikwürdig erschien vor allem das Nebeneinander von Rechtsprechungs- und Gesetzesregeln, deren Verhältnis zu keiner Zeit vollends geklärt war. Dies stieß nicht nur auf Bedenken eines auf systematische Geschlossenheit bedachten Rechtsästheten, sondern verursachte auch handfeste Probleme in der Praxis, etwa was die kollisionsrechtliche Qualifikation in Fällen mit Auslandsbezug betrifft.471 Außerdem wurde das Eigenkapitalersatzrecht dadurch komplex und unübersichtlich, was angesichts der Bedeutung von Gesellschafterdarlehen für die Unternehmensfinanzierung allgemein und für die Sanierungsfinanzierung im Besonderen von erheblichem Nachteil war. Damit traf auch der Vorwurf der Sanierungsfeindlichkeit des früheren Eigenkapitalersatzrechts zu, was Gläubigern und Gesellschaftern schadete. Und schließlich fand sich in vielen Fällen ein überschießender Gläubigerschutz, der die Interessen der Gesellschafter in unangemessener Weise benachteiligte, etwa in Form der Ausfallhaftung der Mitgesellschafter für zurückgezahlte Darlehen gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG analog.

qualifizierter materieller Unterkapitalisierung die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen dem Eigenkapital zugerechnet werden und somit das Eingreifen der Haftung verhindern können. Somit gereiche die Qualifizierung als Eigenkapitalersatz den Gesellschaftern nicht nur zum Nachteil. Denn der Verlust der Mittel, die sie der Gesellschaft bereits freiwillig zur Verfügung gestellt haben, aufgrund der Rückstufung im Insolvenzverfahren wiege weniger schwer als eine mögliche unbegrenzte persönliche Haftung. 468 Vgl. Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914). 469 So i. E. auch Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion (2006), S. 115 ff.; Schmidt, GmbHR 2007, 1 (7); ders., GmbHR 2005, 797. 470 § 4 II. 2. d). 471 Vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97 (103); Fischer, ZIP 2004, 1477 (1479 f.); Haas, Gutachten, S. E 60 f.; Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207).

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4. Teil: Bewertung

Nur beispielhaft zur Verdeutlichung dieses Befundes sei hier auf einen Teilaspekt des früheren Eigenkapitalersatzrechts hingewiesen: Hatte die Gesellschaft die Krise durch die finanzielle Hilfe der Gesellschafter überwunden und erwirtschaftete wieder Gewinne, so blieb die Rückführung der Gesellschafterdarlehen aus diesen Gewinnen dennoch untersagt, solange noch eine Unterbilanz bestand. Schon dies könnte man als sinnwidrig und die Gesellschafter unangemessen belastend empfinden, denn die Gläubiger stünden bei einer solchen Rückführung – wohlgemerkt nur aus aktuellen Gewinnen – nicht schlechter als ohne die Finanzspritze seitens der Gesellschafter. Die Unterbilanz bestand auch vorher schon, aber die Gesellschafterdarlehen haben den Wiedereintritt in die Gewinnzone ermöglicht und damit die Chance auf eine nachhaltige Gesundung der Gesellschaft eröffnet, was auch den Gläubigern zugute kommt. Die BGH-Rechtsprechung ging aber sogar noch weiter und untersagte eine Rückführung der Gesellschafterdarlehen nach Überwindung der Krise unter Umständen auch dann noch, wenn die Unterbilanz nachhaltig beseitigt, aber innerhalb von 5 Jahren (§ 31 Abs. 5 S. 1 GmbHG) ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.472 Hier war die Abwägung zwischen den Interessen der Gläubiger und denen der Gesellschafter deutlich aus dem Gleichgewicht geraten.473 Festzuhalten bleibt damit, dass das frühere Gesetzes- und ausufernde Rechtsprechungsrecht zum Eigenkapitalersatz häufig keinen angemessenen Interessenausgleich herbeiführte, teilweise sogar den Interessen von Gläubigern und Gesellschaftern gleichermaßen zuwiderlief. Deshalb war eine grundlegende Reform dringend erforderlich. Eine solche muss einen Ausgleich zwischen den oben474 näher beschriebenen drei grundlegenden rechtspolitischen Zielsetzungen suchen: Erstens muss der Gläubigerschutz durch Erhaltung einer größtmöglichen Haftungsmasse und Sicherung der Risikobeteiligung der Gesellschafter gewährleistet werden. Die Kapitalschutzvorschriften reichen dafür nicht aus, das Eigenkapitalersatzrecht muss im Hinblick auf die weit verbreitete Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen einen wirksamen Umgehungsschutz bieten. Zweitens müssen auch die Interessen der Gesellschafter berücksichtigt werden, die in der Wahl der Art der Finanzierung ihrer Gesellschaft grundsätzlich möglichst frei sein sollen. Drittens und nicht minder wichtig muss nach Möglichkeiten einer Rechtsvereinfachung gesucht werden, damit das Eigenkapitalersatzrecht vorhersehbarer, nachvollziehbarer und leichter handhabbar wird, ohne dass die beiden erstgenannten Zielsetzungen darunter leiden.475

472

BGH GmbHR 2000, 771; vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378). Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (378). 474 § 2. 475 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (390). 473

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

505

3. Bewertung der Reformen Der diesen Befund im Wesentlichen teilende476 deutsche Reformgesetzgeber hat die bisherige Doppelspurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts durch Abschaffung der Rechtsprechungsregeln beseitigt. Des Weiteren wurde das Recht der Gesellschafterdarlehen systematisch neu ausgerichtet und auch inhaltlich modifiziert. Eine Bewertung dieser bedeutenden Neuerungen muss bei der Frage ansetzen, ob die Rechtsprechungsregeln einen notwendigen, über die Novellenregeln hinausgehenden Beitrag zum Gläubigerschutz geleistet haben, der ihnen eine fortdauernde Existenzberechtigung verleihen könnte. In einem zweiten Schritt ist auf die inhaltlichen Änderungen der im Grundsatz beibehaltenen Novellenregeln einzugehen. a) Abschaffung der Rechtsprechungsregeln Für die Beibehaltung der Rechtsprechungsregeln wurde vor allem angeführt, dass die Novellenregeln die Gläubiger nur unzureichend schützten.477 Diese Argumentation ist jedoch aus zwei Gründen angreifbar. Einerseits sind die Unterschiede in den Rechtsfolgen beider Ansätze zwar nicht bloß „marginal“ 478, aber doch auch nicht so „fundamental“ 479, dass sie ein eigenes Rechtsinstitut rechtfertigen würden [aa)].480 Und andererseits ist fraglich, ob ein über die Novellenregeln hinausgehender Gläubigerschutz überhaupt notwendig ist [bb)]. aa) Weitgehende Funktionsäquivalenz von Rechtsprechungsund Novellenregeln Die Unterschiede zwischen Rechtsprechungs- und Novellenregeln481 wurden vielfach überschätzt oder bewusst überspitzt dargestellt.482 Ihre Zielrichtung ist weit gehend kongruent, ebenso wie die Wirkungsweise: Gesellschafterdarlehen dürfen nicht zu einer Schmälerung der Quote der übrigen Gläubiger führen. Dies wird dadurch sichergestellt, dass sie erst nach vollständiger Befriedigung der Fremdgläubiger zurückgezahlt werden dürfen.483 Die Novellenregeln ordnen die 476

Vgl. oben, § 7 I. 1. b) cc). Vgl. etwa Roth/Altmeppen, § 32a GmbHG Rn. 1; Schmidt, JZ 1984, 879 (880). In diese Richtung auch Hölzle, GmbHR 2007, 729; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (353). 478 So Haas, Gutachten, S. E 61; gleichsinnig Huber, in: Lutter (Hrsg.), Auslandsgesellschaften (2005), S. 131 (139). 479 Vgl. Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (489). 480 Ähnlich Fastrich, in: FS Zöllner (1998), S. 143 (158); Haas, ZInsO 2007, 617 (619). 481 Das im Folgenden zu den Novellenregeln gesagte gilt grundsätzlich auch für die im Wesentlichen inhaltsgleichen Nachfolgevorschriften in der Fassung des MoMiG. 482 Ebenso Haas, Gutachten, S. E 61. 483 In diese Richtung auch Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (380). 477

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4. Teil: Bewertung

zwangsweise Subordination explizit an (§§ 32a Abs. 1 GmbHG a. F. bzw. 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F.), die Rechtsprechung bewirkte das gleiche im Wege der Gleichstellung des Gesellschafterdarlehens mit gebundenem Kapital durch analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG.484 Auch der Umgehungsschutz funktioniert in ähnlicher Weise: Wurde ein Gesellschafterdarlehen zu Lasten der übrigen Gläubiger zurückgezahlt, so muss der Gesellschaft die entsprechende Summe erstattet werden, und zwar nach den Novellenregeln aufgrund der Insolvenzanfechtung gemäß § 135 InsO (und § 6 AnfG), nach den Rechtsprechungsregeln gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG analog. Zugegebenermaßen waren die Rechtsprechungsregeln im Detail in mancher Hinsicht strenger als die Novellenregeln. Die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten, mit denen die Forderung nach einer Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln legitimiert wurde, sind die folgenden485: (1.) Die Rechtsprechungsregeln können außerhalb eines Insolvenz- oder Einzelvollstreckungsverfahren durch den Geschäftsführer geltend gemacht werden486; (2.) bei Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens verjährt der Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG analog gemäß Abs. 5 der Vorschrift erst zehn Jahre nach der Zahlung und frühestens drei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Anfechtungsfrist des § 135 InsO (und die des § 6 AnfG) beträgt hingegen nur ein Jahr; (3.) für den Erstattungsanspruch der Rechtsprechungsregeln trifft die Mitgesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG analog eine Ausfallhaftung487; (4.) bei verbotswidrigen Auszahlungen vor Eintritt der Insolvenzreife haftet nach den Rechtsprechungsregeln neben dem Gesellschafter zusätzlich der Geschäftsführer gemäß §§ 43 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG analog auf Rückerstattung488; (5.) die Rechtsprechungsregeln wirken nicht erst nachträglich in der Insolvenz, sondern insbesondere über das Rückzahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG analog präventiv schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.489 Der von diesen Unterschieden tatsächlich ausgehende zusätzliche Gläubigerschutz ist jedoch weniger bedeutend als vielfach angenommen490 und steht im Übrigen auf einer schwachen Legitimationsbasis.491 So war die praktische Be484

So auch anschaulich Haas, Gutachten, S. E 61. Vgl. die Auflistungen bei Haas, Gutachten, S. E 62; sowie Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (415 f.) 486 Vgl. v. Gerkan/Hommelhoff, Rn. 1.18. 487 Vgl. nur BGH ZIP 2005, 1638 (1639). 488 Vgl. BGH ZIP 1992, 108 (109); BGHZ 148, 167 (171 ff.); Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, § 43 GmbHG Rn. 48. Nach Eintritt der Insolvenzreife haftet der Geschäftsführer ohnehin gemäß § 64 GmbHG unabhängig vom kapitalersetzenden Charakter des Darlehens. 489 Vgl. Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (489 f.); Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1368). 490 Ebenso Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (416). 491 Ebenso Haas, ZInsO 2007, 617 (619). 485

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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deutung der Anwendbarkeit der Rechtsprechungsregeln außerhalb des Insolvenzverfahrens sehr gering, da die Gesellschaftsgläubiger von verbotswidrigen Darlehensrückzahlungen in aller Regel erst in der Insolvenz Kenntnis erlangen und die Geschäftsführer vor Eintritt der Insolvenz einen Erstattungsanspruch analog § 31 Abs. 1 GmbHG gegen einen Gesellschafter nur in den seltensten Fällen geltend machen.492 Dementsprechend begrenzt war auch die präventive Wirkung der Rechtsprechungsregeln.493 Ähnlich verhält es sich mit der Haftung des Geschäftsführers gemäß §§ 43 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG analog:494 Ist die Gesellschaft insolvenzreif, so bedarf es neben der weiter reichenden Krisenverantwortung des § 64 GmbHG keines zusätzlichen Haftungstatbestandes. Außerhalb der Insolvenz fehlt der Haftung aber in vielen Fällen die praktische Durchschlagskraft, da der betroffene Gesellschafter nicht selten selbst Geschäftsführer ist. bb) Fehlende Legitimation des weitergehenden Gläubigerschutzes Somit verbleiben von den fünf genannten Aspekten eines Zuwachses an Gläubigerschutz durch Anwendung der Rechtsprechungsregeln nur zwei nennens492 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (417), denen zufolge dieser „Vorteil“ der Rechtsprechungsregeln nur in Fällen der Fremdgeschäftsführung relevant wird, da ansonsten der Gesellschafter-Geschäftsführer häufig auch gleichzeitig der Darlehensgeber ist und die Rückzahlung der Valuta an sich selbst wohl kaum verhindern oder rückgängig machen wird. Dem Fremdgeschäftsführer aber stehe zumindest in den Fällen, wo die Darlehensrückzahlung zur Insolvenzreife der Gesellschaft führt, auch ohne die analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG ein wirksames Argument zur Verweigerung der Rückzahlung an den Gesellschafter zur Verfügung: der Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG (a. F.), die durch die Rückzahlung ausgelöst würde. 493 Was die Darlehensgewährung betrifft, ist ein präventiver Gläubigerschutz nicht erforderlich, da die hiervon ausgehende (potentielle) Gläubigerschädigung vollständig durch die nachträgliche, zwingende Subordination der Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren kompensiert wird. Bezüglich der Darlehensrückzahlung sind Zweifel angebracht, ob die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG wirklich präventiv wirkt, da die Durchsetzung in der Praxis schwierig ist. Zudem besteht die Sanktion für verbotswidrige Rückzahlungen nur in einem Erstattungsanspruch der Gesellschaft; das gleiche bewirkt auch § 135 InsO. Die §§ 30, 31 GmbHG analog enthalten also nur für den Krisenzeitraum, der länger als ein Jahr vor dem Beginn des Insolvenzverfahrens liegt, eine wirkliche zusätzliche Haftungssanktion. Der Gesellschafter wird aber in der Regel bei Abzug seines Krisendarlehens nicht sicher absehen können, ob die Insolvenz noch länger als ein Jahr hinausgezögert werden kann, so dass auch von § 135 InsO eine gewisse abschreckende Wirkung ausgehen dürfte. 494 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (418). Im Ergebnis ebenso Haas, Gutachten, S. E 62 f., der dies allerdings unzutreffend entgegen der herrschenden Meinung mit dem Argument begründet, der Begriff der Krise sei in zeitlicher Hinsicht praktisch deckungsgleich mit der Insolvenzreife; ab letzterer hafte der Geschäftsführer ohnehin umfassend nach § 64 Abs. 2 GmbHG (a. F.) für jedwede Auszahlung. Der Begriff der Krise knüpft jedoch an die Kreditunwürdigkeit an, die zwar häufig, aber nicht notwendigerweise eng mit dem Eintritt der Insolvenzreife zusammenfällt.

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4. Teil: Bewertung

werte: Die Mithaftung der übrigen Gesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG analog und die Erstattung zurückgezahlter Gesellschafterdarlehen nach Ablauf der Anfechtungsfrist der §§ 135 InsO, 6 AnfG. Allein der positivistische Befund eines weitergehenden Gläubigerschutzes lässt aber noch nicht den Schluss zu, dass dieser auch gerechtfertigt ist bzw. ein eigenes Rechtsinstitut erfordert.495 Was die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter betrifft, bewirkt die Anwendung der Rechtsprechungsregeln einen überschießenden Gläubigerschutz, der nicht durch den Zweck des Eigenkapitalersatzrechts legitimiert wird.496 Letzterer besteht darin zu verhindern, dass der Gesellschafter-Darlehensgeber bei einer aus unternehmerischen oder sogar opportunistischen Gründen getroffenen Finanzierungsentscheidung das Verlustrisiko unter Umgehung der Kapitalschutzvorschriften (teilweise) auf die Gläubiger abwälzt.497 Anknüpfungspunkt ist also das gläubigerschädigende Verhalten eines bestimmten Gesellschafters. Warum dafür auch die übrigen, unbeteiligten Mitgesellschafter haften sollen, ist nicht ersichtlich.498 In Bezug auf die als zu kurz und damit gläubigerfeindlich kritisierte Anfechtungsfrist der §§ 135 InsO, 6 AnfG499 lässt sich festhalten, dass diese Kritik zumindest hinsichtlich des § 135 InsO überzogen erscheint. Sinn der Regelung ist, gläubigerschädigende Masseschmälerungen im Vorfeld der Insolvenz500 durch den (opportunistisch handelnden) Gesellschafter zu verhindern bzw. rückgängig 495 An der sachlichen Legitimation der Rechtsprechungsregeln insgesamt zweifelnd bereits Oppenhoff, in: FS Stiefel (1987), 551 (555 ff.). In diese Richtung auch Huber/ Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (418 ff.). 496 So i. E. auch Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657); Haas, Gutachten, S. E 63 f.; ders., ZInsO 2007, 617 (619); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (3); Noack, DB 2006, 1475 (1481); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161). Dezidiert a. A. Kleindiek, ZGR 2006, 335 (352). 497 Vgl. oben, § 11 IV. 1. c). 498 Ebenso Haas, Gutachten, S. E 63; sowie Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (418), die die Mithaftung als „ein eher zufälliges Nebenprodukt der Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln auf einen Fall, für den sie eigentlich nicht geschaffen sind“, bezeichnen. Der Unterschied zum Stammkapital besteht m. E. darin, dass dieses eine Art kollektiver Haftungszusage der Gesellschafter an die Gläubiger darstellt. Innerhalb derselben haftet jeder Gesellschafter zwar primär nur für den von ihm übernommenen Anteil. Kann aber einer der Gesellschafter seine Einlageleistung nicht erbringen, so fällt dies im Interesse einer angemessenen Risikoverteilung den übrigen Gesellschaftern und nicht den Gläubigern zur Last. Denn alle Gesellschafter gemeinsam bestimmen die Höhe des Stammkapitals und damit den Teil des unternehmerischen Risikos, der nicht von den Gläubigern zu tragen ist. Dies ist bei einem Gesellschafterdarlehen grundlegend anders: Es stellt eine freiwillige zusätzliche Investitionsentscheidung eines einzelnen Gesellschafters dar. 499 Die Aushebelung der Frist der Vorgängernorm zu § 6 AnfG war letztendlich der Anlass für die Rechtsprechung, die Fortgeltung ihrer Regeln auch nach Inkrafttreten der Novellenregeln festzustellen, vgl. BGHZ 90, 370; sowie oben, § 7 I. 1. b) cc). 500 Man könnte auch sagen: „in der Krise“, allerdings ist dieser Begriff bereits durch das frühere Kapitalersatzrecht besetzt.

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zu machen, da der Gesellschafter sonst das Risiko seiner Investition bei Anzeichen einer Krise vollständig auf die übrigen Gläubiger abwälzen könnte. Hier muss der Gesetzgeber typisieren, um den Zeitraum „Vorfeld der Insolvenz“ justiziabel zu machen. Hierfür scheint eine Frist von einem Jahr vor dem Insolvenzantrag angemessen501, insbesondere im Hinblick darauf, dass die §§ 64 GmbHG, 15a InsO ein wirksames Instrument gegen Insolvenzverschleppungen darstellen.502 Hat die Gesellschaft noch länger als ein Jahr nach der Darlehensrückzahlung ihr Unternehmen weiter betrieben, ohne insolvent zu werden, dann befand sie sich offenbar noch nicht in einer existenzbedrohenden Krise, so dass die Darlehensrückgewähr eher wie eine normale Finanzierungsentscheidung denn wie ein kriseninduziertes, gläubigerschädigendes Verhalten erscheint. Die zehnjährige Frist des § 31 Abs. 5 GmbHG analog hebelt diese gesetzliche Wertung aus, ist deutlich zu lang und führt zu großer Rechtsunsicherheit für die Gesellschafter.503 Aber auch für die vorgeschlagene Verlängerung der Frist auf zwei Jahre sind keine überzeugenden Gründe ersichtlich. Dies gilt umso mehr, da mit Inkrafttreten des MoMiG die Sonderregeln der §§ 39, 135 InsO auf alle Gesellschafterdarlehen ausgedehnt wurden; eine zusätzliche Belastung der Gesellschafter durch Verdopplung der Anfechtungsfrist, die nicht aus Gläubigerschutzgründen zwingend erforderlich erscheint, wäre vor die501

So auch Haas, ZInsO 2007, 617 (621). Ein Gläubigerschutzdefizit des § 135 InsO gegenüber den Rechtsprechungsregeln wird u. a. mit dem Argument begründet, die rückwirkende Anfechtungsfrist könne dadurch manipuliert werden, dass der Insolvenzantrag gerade so lange hinausgezögert wird, bis die Darlehensrückzahlung mehr als ein Jahr zurückliegt, vgl. Schmidt, GesR, § 37 IV 5 b) (Beispiel 49). Dieses Argument lässt sich jedoch mit einem Blick auf § 64 GmbHG entkräften, wie Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (419 f.), überzeugend darlegen. Denn wenn die Gesellschaft tatsächlich vor Ablauf der Jahresfrist insolvenzreif ist, haftet der Geschäftsführer bei Hinauszögerung des Insolvenzantrags gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. (bzw. § 15a InsO n. F.) auf Ersatz der Gläubigerschäden bzw. gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. (§ 64 GmbHG n. F.) auf Erstattung von pflichtwidrigen Masseschmälerungen. Der Gesellschafter haftet ggf. als Teilnehmer gemäß § 830 Abs. 2 BGB. Die Gläubiger sind also im Hinblick auf eine Insolvenzverschleppung hinreichend anderweitig abgesichert. Das hiergegen vorgebrachte Argument, der Geschäftsführer sei häufig selbst insolvent, schlägt nicht durch, denn die denkbare oder regelmäßige Insolvenz eines Schuldners ist für sich genommen kein ausreichender Grund für ein zusätzliches Haftungsinstitut. Wenn aber die Gesellschaft ein Jahr nach Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens noch nicht insolvenzreif ist, wird der Insolvenzantrag auch nicht „hinausgezögert“. Der Abzug eines Gesellschafterdarlehens aus einer (mehr oder weniger) gesunden Gesellschaft ist im Hinblick auf den Gläubigerschutz grdsl. unbedenklich. 503 So auch Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (419); sowie Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (193): „Diese Rechtsfolge [scil. die erst nach zehn Jahren verjährende Erstattungspflicht für unzulässige Darlehensrückzahlungen gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG analog, die selbst dann bestehen bleibt, wenn inzwischen die Unterbilanz nachhaltig beseitigt wurde] ist schlicht nicht vermittelbar.“ 502

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4. Teil: Bewertung

sem Hintergrund unangemessen.504 Anders ist die Kritik an der Regelung des § 6 AnfG zu bewerten. Hier besteht tatsächlich ein zu beseitigendes Gläubigerschutzdefizit, das allerdings weniger in der Länge der Frist als vielmehr im unglücklich gewählten Zeitpunkt für den Beginn der rückwirkenden Fristberechnung liegt.505 Allein dieser Punkt kann jedoch zur Rechtfertigung des Festhaltens an den Rechtsprechungsregeln jedenfalls nach dem Inkrafttreten des MoMiG nicht mehr ausreichen, da die Reform Abhilfe durch Vorverlagerung des Anknüpfungszeitpunktes geschaffen hat.506 Vor diesem Hintergrund spricht der präventive Charakter der Rechtsprechungsregeln eher gegen ihre Beibehaltung als dafür. Denn sie stellen eine Durchbrechung des Grundsatzes der Privatautonomie dar507: Das an sich zulässige Darlehen des Gesellschafters wird gegen den ausdrücklichen Willen des Gesellschafters in eine Einlageleistung umqualifiziert. Dies ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn eine solch gravierende Rechtsfolge aus Gläubigerschutzgründen gerechtfertigt wäre. Die Gläubiger erleiden jedoch nur dann einen Ausfall durch die Gewährung oder Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens, wenn die Gesellschaft tatsächlich insolvent wird und der Gesellschafter kurz zuvor sein Darlehen zurückerhalten hat oder jedenfalls seine Forderung gleichrangig neben die der Drittgläubiger tritt. Diesem Gläubigerrisiko wirken aber auch die ex post eingreifenden, weniger einschneidenden Novellenregeln in ausreichender Weise entgegen.508 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der Zuwachs an Gläubigerschutz, den die Rechtsprechungsregeln mit sich bringen, nicht so groß ist wie häufig angenommen. Dort, wo er tatsächlich besteht, überschreitet er das erforderliche Maß509 und belastet die Gesellschafter in unangemessener, nicht durch 504 Ebenso Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (419). 505 Vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (420); sowie oben, § 7 I. 1. b) cc). 506 Vgl. oben, § 7 I. 1. b) cc). 507 So auch Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1912); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (421). 508 Überdies wird bezweifelt, ob den Gläubigern die angebliche präventive Wirkung überhaupt nützt. Dies gilt nämlich nur unter der Prämisse, dass sie bei einer sofortigen Einleitung des Insolvenzverfahrens besser stehen als bei der Zuführung von Gesellschafterdarlehen in der Krise und einer späteren Insolvenz. Die in der Krise zugeführte Liquidität kann jedoch gerade durch die nachträgliche Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln durchaus dazu führen, dass die Insolvenzquote der Gläubiger sich im Ergebnis erhöht. Eine präventive Wirkung im Sinne einer Verhinderung von Gesellschafterdarlehen muss den Gläubigern also nicht unbedingt zugute kommen. Thiessen, DStR 2007, 202 (206), formuliert insoweit pointiert, dass „die Kapitalersatzregeln, soweit sie der Insolvenzmasse Mittel zuführen, besser durch ihre Nichtbefolgung als durch ihre Befolgung zu wirken“ scheinen. In diese Richtung auch Engert, BB 2005, 1951. 509 Über die bereits genannten Punkte hinaus bestand ein überschießender Gläubigerschutz der Rechtsprechungsregeln auch insoweit, als die Bindung der Darlehensvaluta erst dann aufgehoben wurde, wenn die Unterbilanz der Gesellschaft nachhaltig wieder

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den Zweck des Eigenkapitalersatzrechts gerechtfertigter Weise. Die Rechtsprechungsregeln konnten somit ersatzlos aufgegeben werden510, wie durch das MoMiG zu Recht geschehen. b) Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen Fraglich ist, ob darüber hinaus an der Differenzierung zwischen Darlehen in und außerhalb der Krise festgehalten werden sollte, oder ob die Aufgabe dieser Unterscheidung durch das MoMiG gerechtfertigt ist. Sie basiert auf der Überlegung, dass Gesellschafterdarlehen grundsätzlich ein wünschenswertes Instrument der Gesellschaftsfinanzierung darstellen und die damit verbundenen Gläubigerschutzprobleme erst in der Krise eine entscheidende Verschärfung erfahren511: Außerhalb der Krise sind die Investitionsanreize für Gesellschafter und Dritte häufig ähnlich, während in der Krise die Finanzierungsbereitschaft Dritter ab-, die Neigung der Gesellschafter zu spekulativen Sanierungsinvestitionen jedoch zunimmt. Das Eigenkapitalersatzrecht gleicht dies aus, indem dem Gesellschafter das Verlustrisiko seiner spekulativen Kriseninvestition vollständig auferlegt wird. Der rechtsvergleichende Rundblick weist diese tatbestandliche Beschränkung des Eigenkapitalersatzrechts als eine deutsche Besonderheit aus: Ausländische Rechtsordnungen, wie etwa Spanien512, unterscheiden im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen i. d. R. nicht zwischen solchen innerhalb und außerhalb einer beseitigt worden war. Wenn der Zweck des Eigenkapitalersatzrechts darin besteht zu verhindern, dass die Gläubiger einen Teil des Risikos einer aus unternehmerischen Motiven gewährten Finanzhilfe des Gesellschafters tragen müssen, dann besteht kein Grund, auch eine erfolgreiche Sanierungsinvestition des Gesellschafters zu sanktionieren. Ist die Gesellschaft nämlich mit seiner Hilfe wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt, so profitieren die Gläubiger davon ggf. mehr als von einer sofortigen Liquidation. Die Gestattung von Darlehensrückzahlungen einer nachhaltig wieder profitablen, aber durch die (überwundene) Krise immer noch verschuldeten Gesellschaft ist also aus Sicht der Gläubigergesamtheit grundsätzlich unbedenklich, kann aber für den Gesellschafter u. U. den Anreiz verstärken, eine Sanierung überhaupt zu versuchen. 510 So auch ausdrücklich Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (422). 511 Außerdem findet hierin wohl die unzutreffende Annahme, dass die Verlängerung des Todeskampfes der Gesellschaft ein sanktionswürdiges gläubigerschädigendes Verhalten darstellt, ihren Ausdruck. 512 Rechtspraktisch unterscheidet auch Frankreich nicht nach dem Zeitpunkt der Darlehensgewährung. Allerdings beruht dort das Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen weitestgehend auf einer verfestigten Vertragspraxis, nicht auf gesetzlichen Regelungen. Eine spezifische Sanktionierung von Krisendarlehen lässt sich allenfalls im Rahmen der action en comblement du passif finden, die allerdings an eine (rechtliche oder faktische) Geschäftsführerstellung des Gesellschafters anknüpft. Dieser haftet demnach, wenn sich sein Darlehen als Geschäftsführungsfehler darstellt, was bei einem von vornherein aussichtslosen Krisendarlehen in aller Regel der Fall sein dürfte, bei sonstigen Darlehen jedoch nicht ohne weiteres. Vgl. oben, § 5 I. 2. e) und g) aa).

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4. Teil: Bewertung

Krise.513 Diese Argumente allein könnten jedoch nicht eine Abschaffung der Differenzierung tragen, wenn diese durch den Zweck des Eigenkapitalersatzrechts als gerechtfertigt oder sogar als notwendig erschiene. Deshalb ist zunächst zu prüfen, ob eine Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen im Hinblick auf einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Gesellschaftern und Gläubigern überhaupt als vertretbar erscheint [aa)]. Des Weiteren ist fraglich, inwieweit eine Aufgabe der Beschränkung auf Krisendarlehen mit der Legitimationsbasis des Eigenkapitalersatzrechts vereinbar ist [bb)]. Und schließlich kann die Reform nur befürwortet werden, wenn sie gegenüber dem bisherigen Recht deutliche Vorteile mit sich bringt [cc)]. aa) Legitimation der Gleichbehandlung Kritiker der Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG führen in diesem Zusammenhang an, dass Gesellschafter- und Fremddarlehen grundsätzlich gleich zu behandeln seien. Die Benachteiligung von Gesellschafter-Darlehensgebern in der Insolvenz als Einschränkung der grundsätzlichen Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter sei die begründungsbedürftige Ausnahme, die materiell nur durch den Gläubigerschutz in der Krise zu rechtfertigen sei, aus dem sich die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters ableite.514 Das neue Recht knüpfe aber nicht mehr an das Merkmal der Krise an515 bzw. vermute diese unwiderleglich im letzten Jahr vor der Insolvenz516 durch Festlegung der Anfechtungsfristen, so dass in den Fällen, in denen die Gesellschaft erst im Laufe des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag in die Krise gefallen ist, vor der Krise zurückgezahlte Darlehen ggf. an die Masse erstattet werden müssten, obwohl der Gesellschafter sich pflichtgemäß verhalten habe, nämlich sein Darlehen nicht in der Krise abgezogen und bei Insolvenzreife kein Fremdkapital nachgeschossen, sondern die Liquidation eingeleitet habe. Eine so weit gehende, undifferenzierte Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital sei nicht begründbar und unzulässig.

513 Dies zeigt, dass das ehemalige deutsche Eigenkapitalersatzrecht entgegen anders lautender Behauptungen nicht per se als Wettbewerbsnachteil der GmbH gegenüber ausländischen Rechtsformen angesehen werden konnte. Denn das deutsche Recht vor dem MoMiG war aufgrund seiner tatbestandlichen Beschränkung auf Krisendarlehen insoweit jedenfalls aus Sicht der Gesellschafter großzügiger als viele ausländische Rechtsordnungen, die sämtliche Gesellschafterdarlehen gegenüber Drittforderungen schlechter stellen. I. E. ebenso Haas, Gutachten, S. E 60. 514 Vgl. Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355). Ähnlich Cahn, AG 2005, 217 (221, 223 ff.). 515 So etwa Roth, GmbHR 2008, 1184. 516 So etwa Bork, ZGR 2007, 250 (257). Für die unwiderlegliche Vermutung eines einjährigen Krisenzeitraums vor Stellung des Insolvenzantrages im früheren Eigenkapitalersatzrecht vgl. BGH GmbHR 2006, 421.

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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Diese Argumentation verkennt jedoch, dass die Neuregelung nach dem MoMiG die Finanzierungsfreiheit nicht wesentlich stärker einschränkt als das bisherige Recht und im Spannungsfeld zwischen Gläubigerschutz und Finanzierungsfreiheit zu einem angemessenen Interessenausgleich führt. Zunächst ist zu bedenken, dass die Unterscheidung zwischen Krisen- und sonstigen Darlehen in der Praxis zuletzt nur noch eine stark reduzierte Rolle spielte. Denn in Bezug auf die Darlehensgewährung hatte die Rechtsprechung die Anknüpfung an den Beginn der Krise inzwischen ohnehin faktisch aufgegeben, da auch früher gewährte Darlehen als eigenkapitalersetzend angesehen wurden, wenn sie bei Krisenbeginn stehengelassen wurden, wobei an das Tatbestandsmerkmal des „Stehenlassens“ keine besonders hohen Anforderungen gestellt wurden.517 Und auch im Rahmen der Insolvenzanfechtung von Darlehensrückzahlungen gemäß § 135 Nr. 2 InsO a. F. spielte der tatsächliche Eigenkapitalersatzcharakter des Darlehens nur noch eine untergeordnete Rolle, für Rückzahlungen innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrages wurde er u. U. unwiderleglich vermutet.518 Im Ergebnis sind die Abweichungen zwischen altem und neuem Recht deshalb weit gehend auf die präventive Rückzahlungssperre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt.519 Bisher war ab dem Eintritt der Krise die Darlehensrückgewähr verboten, nach der Reform ist sie bis zur Stellung des Insolvenzantrages grundsätzlich zulässig und unterliegt „nur“ der rückwirkenden Insolvenzanfechtung.520 517

Vgl. nur BGHZ 127, 336 (345 f.). Vgl. BGH GmbHR 2006, 421, wonach der Gesellschafter-Darlehensgeber dann, wenn sein Darlehen einmal Eigenkapitalersatzcharakter hatte und innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrages zurückgezahlt wurde, der Insolvenzanfechtung nicht mit dem Einwand entgegentreten kann, das Darlehen sei zum Zeitpunkt der Rückzahlung aufgrund nachhaltiger Überwindung der Unterbilanz nicht mehr eigenkapitalersetzend gewesen. Hier klingt bereits die nunmehr in das Gesetz aufgenommene unwiderlegliche Vermutung eines einjährigen Krisenzeitraumes an. 519 So auch Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1290); sowie Centrale für GmbH, GmbHR 2006, 978 (981 f.), die allerdings den Verzicht auf die Differenzierung zwischen eigenkapitalersetzenden und sonstigen Darlehen im Rahmen der Anfechtung gemäß §§ 135 InsO, 6 AnfG n. F. für zu weit gehend hält. Sie schlägt eine Halbierung der Anfechtungsfrist vor, um eine unangemessene Diskriminierung der GesellschafterFremdfinanzierung gegenüber Drittdarlehen zu vermeiden. Dass eine solche Ungleichbehandlung jedoch im Ergebnis nach dem MoMiG keineswegs übermäßig einschneidende Folgen für die Gesellschafter zeitigt und im übrigen gerechtfertigt ist, wird im Folgenden ausgeführt. 520 Die geringe praktische Bedeutung dieser präventiven Wirkung der Rechtsprechungsregeln wurde bereits oben, § 11 IV. 3. a) aa), dargestellt. Nur in wenigen Fällen dürfte der Geschäftsführer tatsächlich einmal die Darlehensrückzahlung unter Hinweis auf § 30 Abs. 1 GmbHG analog verweigert haben, sei es, weil er – wie nicht selten – selbst Gesellschafter und Darlehensgeber ist, sei es, weil er nicht vom Vorliegen einer Krise ausgeht, sei es, weil er sich dem Druck des Gesellschafters beugt. Ist das Darlehen aber einmal zurückgezahlt, so ist der Unterschied zwischen altem und neuem Recht nur mehr zeitlicher Natur: An den Gesellschafter zurückgezahlte Darlehensvaluta werden der Insolvenzmasse wieder zugeführt, wenn die Rückzahlung innerhalb eines (nach 518

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4. Teil: Bewertung

Vor diesem Hintergrund greift die Kritik, die Neuregelung mit ihrer tatbestandlichen Ausweitung durch Einbeziehung sämtlicher Gesellschafterdarlehen führe zu einer übermäßigen Einschränkung der Finanzierungsfreiheit zugunsten eines überschießenden Gläubigerschutzes, zu kurz. Sie lässt außer Betracht, dass das neue Recht gleichzeitig eine wichtige Beschränkung beinhaltet: Es greift nur in der Insolvenz ein. Das Eigenkapitalersatzrecht wird durch das MoMiG also tatbestandlich gleichzeitig erweitert und an anderer Stelle reduziert: Zwar sollen alle Gesellschafterdarlehen nunmehr gleichermaßen in die Nähe des haftenden Kapitals gerückt werden, andererseits aber erst ex post in der Insolvenz. Die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter wird also nicht wesentlich stärker beschränkt als bisher. Eher trifft das Gegenteil zu. Denn außerhalb der Insolvenz – auch in der Krise – bleibt der Gesellschafter in seiner Entscheidung über Darlehensgewährung und -rückforderung völlig frei, nur in der Insolvenz greift der Gläubigerschutz als höherrangige Wertung durch. Eine Differenzierung zwischen Krisen- und sonstigen Darlehen ist auch ansonsten nach dem oben521 beschriebenen Zweck des Eigenkapitalersatzrechts keinesfalls zwingend. Die Existenzberechtigung von Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen leitet sich daraus ab, dass der Gesellschafter bei einer Investitionsentscheidung, die er – typisierend vermutet – aus unternehmerischen Motiven (causa societatis) und ggf. unter Ausnutzung der ihm aus seiner Gesellschafterstellung zufließenden Informationen und Einflussmöglichkeiten trifft, das Ausfallrisiko nicht (teilweise) auf die Fremdgläubiger abwälzen darf. Aus Sicht der Gläubiger ist es aber unerheblich, ob das kurz vor der Insolvenz abgezogene Darlehen oder die zur Tabelle angemeldete offene Darlehensforderung vor oder nach Beginn der Krise ausgereicht bzw. begründet wurde. Ihr Ausfallschaden ist der gleiche, und der Grund für die Benachteiligung des Gesellschafter-Darlehensgebers ist ebenfalls der gleiche. Mit anderen Worten: Der Gesellschafter ist „näher dran“ an der Gesellschaft522 und muss deshalb in der Insolvenz das Risiko seiner (unternehmerischen) Investition tragen. Die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen beruht damit nicht auf dem Vorwurf einer spezifischen Gläubigerschädigung oder -täuschung in der Krise, sondern generell auf Erwägungen einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Drittgläubigern523, die für Darlehen innerhalb wie außerhalb der Krise gleichermaßen greifen. altem Recht einzelfallbezogenen, nach neuem Recht pauschalen) Krisenzeitraumes erfolgt ist. 521 Siehe § 11 IV. 1. 522 Vgl. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1934); Thiessen, DStR 2007, 202 (206). In diese Richtung bereits früher Schmidt, in: FS Goerdeler (1987), S. 487 (504); sowie Karollus, ZIP 1996, 1893 (1894), der die Kreditgewährung causa societatis als widerlegliche Vermutung ausgestaltet sehen will. Diesen Begründungsansatz zum alten Recht ablehnend, da er nur die Schlechterstellung sämtlicher Gesellschafterdarlehen begründen könne, Berger, S. 64 f.

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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Der Gesetzgeber gibt durch die Abschaffung des Tatbestandsmerkmals der Krise nicht etwa die bisherige Legitimationsbasis des Eigenkapitalersatzrechtes auf.524 Er verschiebt nur den Akzent von einem einzelfallbezogenen ex-anteGläubigerschutz in der Krise zu einem typisierenden ex-post-Schutz in der Insolvenz. Während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft unterliegen Gesellschafterdarlehen keinerlei Sonderregeln mehr. In der Insolvenz greift aber eine doppelte unwiderlegliche Vermutung: Es wird einerseits vermutet, dass Gesellschafterdarlehen stets (auch) causa societatis gewährt werden, so dass der Gesellschafter sich im Insolvenzfall an seiner unternehmerischen Investitionsentscheidung festhalten lassen muss; andererseits, dass bei einer Darlehensrückgewährung innerhalb des einjährigen Anfechtungszeitraumes die Insolvenz bereits absehbar war, so dass die Rückzahlung aus opportunistischen Motiven und ebenfalls aufgrund der Gesellschafterstellung erfolgte.525 Sinn der Regelungen ist damit nach wie vor eine angemessene Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern und insbesondere der Schutz letzterer vor opportunistischen Verhaltensweisen der Gesellschafter. Dies lässt sich nach wie vor durchaus treffend mit dem von der Rechtsprechung entwickelten Begriff der „Finanzierungs(folgen)verantwortung“ umschreiben, dessen Definition allerdings vom Begriff der Krise „befreit“ werden müsste: Der Gesellschafter trägt aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Stellung die Verantwortung für seine Entscheidung, der Gesellschaft in irgendeiner Form zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht nur in der Krise) eigene Finanzierungsmittel zuzuführen. Diese Verantwortung ist bei Einlageleistungen selbstverständlich auf523 So auch Schmidt, GmbHR 2005, 797 (798): „Er [scil. der Gedanke des Eigenkapitalersatzrechts] bringt Freiheit und Verantwortung in ein stimmiges Verhältnis.“ 524 Ähnlich wie hier Bork, ZGR 2007, 250 (257). Anders Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1290 f.), dem zufolge die Reform die „dogmatische Grundfeste des Eigenkapitalersatzrechts, die Finanzierungsfolgeverantwortung [sic]“, in Frage stellt. Zur Begründung verweist er darauf, dass nach früherem Recht dem Gesellschafter eine Verantwortung zur angemessenen (Eigen-)Kapitalausstattung oblegen habe, während das Gesetz nach dem MoMiG nunmehr an eine „eher typisierende Gefahrtragung des Gesellschafters“ anknüpfe. Dies verkennt jedoch die bisherige Legitimation des Eigenkapitalersatzrechts, auf die bereits oben, § 4 I. 5. und § 11 IV. 1., ausführlich eingegangen wurde. Die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters bedeutet gerade nicht, dass der Gesellschafter zur Ausstattung der Gesellschaft mit einem angemessenen Eigenkapital verpflichtet ist. Vielmehr wird ihm nur dann, wenn er sich zur Finanzierung entscheidet, das Risiko dieser Entscheidung auferlegt. Auch das frühere Eigenkapitalersatzrecht war damit im Kern eine Gefahrtragungsregel, ein Instrument der Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern, das sich allerdings auf Finanzierungsentscheidungen in der Krise der Gesellschaft beschränkte. 525 Dadurch kann es zwar durchaus im Einzelfall dazu kommen, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Darlehensrückgewähr noch gesund und die Krise nicht absehbar war. Diese Fälle dürften jedoch angesichts des relativ kurzen Anfechtungszeitraumes selten sein. Zudem ist die Typisierung mittels Anfechtungsfristen ein übliches insolvenzrechtliches Instrument, das nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.

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4. Teil: Bewertung

grund der herausgehobenen Bedeutung des Stammkapitals, spielt aber auch bei allen sonstigen Finanzierungsarten eine Rolle. Bei letzteren kommt sie allerdings erst nachträglich in der Insolvenz zum Tragen, da dann die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit des Gesellschafters durch die Notwendigkeit eines effektiven Gläubigerschutzes überlagert wird. Wird die Gesellschaft also insolvent, muss der Gesellschafter sich an seiner früheren Finanzierungsentscheidung festhalten lassen und den Verlust seiner Investition vollständig selbst tragen, während die übrigen Gläubiger ihr Verlustrisiko quotal untereinander aufteilen.526 Die Finanzierungsfolgenverantwortung ist dabei keineswegs die Legitimationsbasis der Sonderregeln, sondern vielmehr nur ein seinerseits legitimationsbedürftiger Risikoverteilungsschlüssel.527 Basis der Finanzierungsfolgenverantwortung und der daraus resultierenden Benachteiligung der Gesellschafter ist dabei nicht etwa, dass diese einen Ausgleich für das Haftungsprivileg darstellt.528 Denn der „Preis“ für das Haftungsprivileg sind die Einlagen der Gesellschafter, die das gebundene Stammkapital bilden, nicht mehr und nicht weniger.529 Der eigentliche Grund, warum die Gesellschafter mit ihren Darlehensforderungen hinter den Fremdgläubigern zurücktreten müssen, liegt in ihrer unternehmerischen Stellung, aufgrund derer ihre Interessen, ihre Verhaltensanreize sowie ihre Einfluss- und Informationsmöglichkeiten bei einer Finanzierungsentscheidung maßgeblich von denen Dritter abweichen.530 Es handelt sich also bei der Neuregelung des Rechts der Gesellschafterdarlehen um nichts anderes als eine – im Ergebnis angemessen erscheinende – Risikoallokationsentscheidung des Gesetzgebers.531

526 Ähnlich Thiessen, DStR 2007, 202 (207), der zwar eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechungsregeln vorgezogen hätte, die Finanzierungsfolgenverantwortung aber auch für eine tragfähige Grundlage zur Legitimation der Neuregelungen hält. 527 Der Begriff weist nur den Gesellschaftern das vollständige Verlustrisiko ihres Darlehens zu. Warum sie dieses Risiko tragen müssen, soll und kann der Begriff nicht aussagen. Der Vorwurf, es handele sich um eine „Leerformel“ trifft also einerseits zu, beruht aber andererseits auf dem Missverständnis, er solle eben diese Legitimationsgrundlage liefern. Wie hier Schmidt, GmbHR 2005, 797 (798). 528 So aber Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (394 ff.); dies., BB 2006, 1. 529 So auch schon die historische Begründung des GmbHG, vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 39 f. 530 In der Argumentation ähnlich, aber mit leicht abweichendem Ergebnis Thiessen, DStR 2007, 202 (207): Die strukturell drohende Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft als Folge der Haftungsbeschränkung ihrer Gesellschafter erfordere eine über die Einlagenhaftung hinausgehende Finanzierungsfolgenverantwortung der Gesellschafter. 531 So i. E. auch Noack, DB 2006, 1475 (1480); Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1290 f.). Hirte, WM 2008, 1429 (1431), hält die Finanzierungsfolgenverantwortung einerseits und die Verhinderung eines Missbrauchs der Haftungsbeschränkung andererseits offenbar für unterschiedliche, möglicherweise sogar widersprechende dogmatische Begründungen der Rangrückstufung. Dies ist m. E. nicht zutreffend. Der Begriff der Finanzie-

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bb) Vorteile der Gleichbehandlung Die Legitimationsbasis des Eigenkapitalersatzrechts trägt demnach, entgegen der Meinung der Kritiker, ohne weiteres auch eine Gleichbehandlung von Krisen- und sonstigen Darlehen in der Form, wie sie das MoMiG vorsieht. Diese ist also jedenfalls zulässig. Sie erscheint darüber hinaus aber auch als sinnvoll. Zwar ist in der Krise der Gesellschaft die Gefahr opportunistischen Verhaltens der Gesellschafter besonders groß. Das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen eines Gesellschafter-Darlehensgebers und denen der Drittgläubiger ist aber nicht auf die Gewährung von Krisendarlehen beschränkt. Der Gesellschafter verfügt auch bei einer Darlehensvergabe außerhalb der Krise u. U. über genauere Informationen hinsichtlich seines Schuldners und verfolgt i. d. R. unternehmerische Ziele, profitiert aber gleichzeitig auf Kosten der Drittgläubiger von den Vorteilen eines Darlehens gegenüber einer Kapitalerhöhung. Wenn das Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen also ein wirksames Instrument des Umgehungsschutzes sein soll, das Gläubigerrisiken aufgrund des Auseinanderfallens von Risiko und Kontrolle entgegenwirkt, dann erscheint eine Ausweitung auf sämtliche Gesellschafterdarlehen als begrüßenswerte Stärkung des Gläubigerschutzes, die die Interessen der Gesellschafter auch nicht unangemessen benachteiligt. Hinzu kommen die praktischen Vorteile der neuen Regelung, die der Kritik an der mangelnden Handhabbarkeit und übermäßigen Komplexität des früheren Rechts abhelfen. Die hergebrachte, einzelfallbezogene Anknüpfung an einen nur schwer zu definierenden Krisenzeitraum brachte Abgrenzungsprobleme und Rechtsunsicherheit mit sich, insbesondere was den zeitlichen Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzrechts betrifft.532 Zwar hatte die Rechtsprechung zwischenzeitlich dem Begriff der Krise gewisse Konturen verliehen. Die Vorhersehbarkeit, ob die Eigenkapitalersatzregeln auf ein bestimmtes Darlehen Anwendung finden oder nicht, war jedoch für die betroffenen Gesellschafter und Geschäftsrungsfolgenverantwortung besagt nach hier vertretenem Verständnis, dass der Gesellschafter in der Insolvenz das volle Risiko seiner Finanzierungsentscheidung tragen muss, weil sie in der Regel unternehmerisch motiviert war und ihm im Erfolgsfall über eine Fremdkapitalrendite hinausgehende Gewinne versprochen hätte. Ihm diese Verantwortung aufzuerlegen ist letztlich nichts anderes als die Kehrseite des Vorwurfs, dass er sich durch eine Fremdkapitalgabe eines Teils des unternehmerischen Risikos und damit seiner Verantwortung entledigen und folglich die Haftungsbeschränkung und die ihr innewohnende gesetzliche Risikoverteilung missbrauchen würde. Gegen die Legitimation der Neuregelung sind bisher, soweit ersichtlich, keine durchschlagenden Argumente vorgebracht worden. Die Kritiker verweisen zumeist auf den stärkeren Gläubigerschutz und das höhere Maß an Einzelfallgerechtigkeit des früheren Rechts. Einerseits handelt es sich dabei jedoch um Probleme der inhaltlichen Ausgestaltung des neuen Rechts, nicht um Legitimationsdefizite; und andererseits hatten gerade der teilweise als überschießend empfundene Gläubigerschutz und die ausufernde Kasuistik umgekehrt zu einer Legitimationskrise des früheren Eigenkapitalersatzrechts geführt. Dazu ausführlich oben, § 4 II. 2. d) und § 7 I. 2. d). 532 Vgl. oben, § 4 II. 2. d).

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4. Teil: Bewertung

führer auch danach immer noch stark eingeschränkt. Die Neuregelung hat nun Rechtssicherheit und -klarheit geschaffen. Dies ist für die Akteure von großem Vorteil, kann die Akzeptanz der gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen erhöhen und wiegt somit die – ohnehin allenfalls geringfügige – Verschärfung gegenüber dem bisherigen Recht durch Abschaffung der Differenzierung auf. c) Zusammenfassung Die grundlegende Neuregelung des Sonderrechts der Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG trägt der berechtigten Kritik am bisherigen Recht in insgesamt sinnvoller Weise Rechnung. Sie bringt vor allem durch die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln eine substantielle Vereinfachung mit sich, macht das Recht der Gesellschafterdarlehen überschaubarer und leichter verständlich. Außerdem wird die Differenzierung zwischen Krisen- und sonstigen Darlehen aufgegeben, indem künftig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F. sämtliche Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz subordiniert werden. Dadurch gleicht sich das geschriebene deutsche Recht dem französischen und spanischen an und kodifiziert gleichzeitig das, was ohnehin aufgrund der Rechtsprechung zu stehen gelassenen Darlehen schon weit gehend galt. Die Rechtsfolge der Subordination ist angemessen und ausreichend angesichts der Zielsetzung, für die mit dem Hinzutreten des Gesellschafter-Darlehensgebers zum Kreis der Gläubiger verbundene teilweise Abwälzung des Investitionsrisikos auf die übrigen Drittgläubiger eine Remedur zu schaffen. Darlehensrückzahlungen sind nach neuem Recht grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt zulässig und nur innerhalb eines Jahres vor der Insolvenz gemäß § 135 InsO n. F. nachträglich anfechtbar. Ein ex ante eingreifendes, durch das unbestimmte Tatbestandsmerkmal der „Krise“ zeitlich schwer eingrenzbares Rückzahlungsverbot existiert damit nicht mehr. Darlehensrückzahlungen werden nur noch in der Insolvenz rückblickend als unzulässig eingestuft, wenn sie innerhalb eines klar umrissenen, leicht justiziablen Zeitraumes erfolgt sind. Damit kann es nicht mehr zu einer unangemessen lange dauernden Bindung der Darlehenssumme nach erfolgreicher Sanierung kommen, wie sie nach bisherigem Recht aufgrund der von der Rechtsprechung geforderten nachhaltigen Beseitigung der Unterbilanz möglich war. Der Vorwurf, die Anfechtungsfrist lade zu Umgehungsstrategien der Art ein, dass der Insolvenzantrag nach der Darlehensrückzahlung so lange hinausgezögert wird, bis die Jahresfrist abgelaufen ist,533 verfängt nicht. Denn der so handelnde Geschäftsführer muss sich gewärtigen, dass die zurückgezahlte Darlehenssumme dann ggf. zwar nicht mehr von dem betroffenen Gesellschafter, dafür aber von ihm selbst i.R. d. Insolvenzverschleppungshaftung erstat-

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So Hölzle, GmbHR 2007, 729 (733); Schröder/Grau, ZInsO 2007, 353 (355).

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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tet werden muss.534 Ein Anreiz zu solchem missbräuchlichem Verhalten besteht also nicht.535 Die ex-post-Betrachtung aus der Gewissheit der tatsächlich eingetretenen Insolvenz heraus trägt zudem der Überlegung Rechnung, dass die Darlehensrückzahlung – auch in der Krise – nur dann ein Gläubigerschutzproblem aufwirft, wenn die nur vorübergehend gewährte Finanzierungshilfe seitens des Gesellschafters die Gesellschaft „künstlich“ länger am Leben erhalten hat, diese also bereits zum Scheitern verurteilt war und dementsprechend nach dem Mittelabzug alsbald insolvent geworden ist. Hat die Gesellschaft ihre Krise aber trotz des Mittelentzugs überwunden, so befand sie sich offenbar nicht im „Todeskampf“, und den Gläubigern ist durch die Darlehensrückzahlung kein gesteigertes Ausfallrisiko entstanden. Insgesamt bietet das MoMiG ein ausgewogenes Gläubigerschutzmodell für die Problematik der Gesellschafterdarlehen. Während das bisherige Eigenkapitalersatzrecht vor allem als Sanktion für eine Missachtung der sog. Finanzierungsfolgenverantwortung daherkam536, präsentiert sich das neue Recht entsprechend der Zielsetzung, einen Umgehungsschutz für das Stammkapital als Risikobeteiligung der Gesellschafter zu bieten, als reiner Risikoverteilungsschlüssel537. Es verzichtet auf einen ex-ante-Schutz, verschärft dafür aber den ex-post-Schutz, indem künftig alle Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz letztrangig befriedigt werden. Der Gesellschafter wird dadurch zu Investitionen auch in der Krise ermutigt, denn es besteht kein generelles Rückzahlungsverbot mehr. Er muss nur dann befürchten, die Darlehensvaluta endgültig zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stellen zu müssen, wenn die Gesellschaft insolvent wird. Der Vorwurf der Sanierungsfeindlichkeit des Eigenkapitalersatzrechts ist damit für die Zukunft deutlich entkräftet worden. Aus Gläubigersicht wiederum reicht ein ex-post-Schutz mit der veränderten Anfechtungsfrist des § 135 InsO n. F. aus. Eine Abwälzung des unternehmerischen Risikos vom Gesellschafter auf den Gläubiger durch Gewährung des Darlehens oder durch dessen Rückzahlung im Vorfeld der Insolvenz wird dadurch weitestgehend vermieden. Der Gesellschafter behält also grundsätzlich seine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung der Gesellschaft, wird jedoch durch seine mitgliedschaftliche Stellung 534 Handeln Gesellschafter und Geschäftsführer einvernehmlich in solcher Weise, dürfte zudem eine Haftung des Gesellschafters gemäß §§ 830, 826 BGB nahe liegen. 535 Vgl. dazu bereits oben, § 7 II. 4. b). 536 Teilweise wurde auch das frühere Recht als bloßes Instrument der objektiven Risikoverteilung angesehen, was zwar im praktischen Ergebnis und nach der richtig verstandenen Zielsetzung zutrifft, jedoch vom BGH angesichts seiner bisherigen Argumentationsweise offenbar anders beurteilt wurde. Vgl. näher oben, 4. Teil Fn. 452. 537 Diese Risikoverteilung lässt sich allerdings nach wie vor unter den Begriff „Finanzierungsfolgenverantwortung“ subsumieren, wie oben, § 11 IV. 3. b) aa), ausgeführt wurde.

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4. Teil: Bewertung

verpflichtet, im Vorfeld der Insolvenz das gesamte der Gesellschaft von Seiten ihrer Gesellschafter zugeführte Vermögen zugunsten der Gläubiger zu erhalten, gleich, ob es ihr als Einlageleistung oder als Darlehen zugeflossen ist. Dieser Akzentverschiebung von einem ex-ante- zu einem ex-post-Schutz trägt auch die begrüßenswerte Verlagerung der Sonderregeln in das Insolvenzrecht Rechnung. Im Hinblick auf die Legitimationsgrundlage des Sonderrechts der Gesellschafterdarlehen erscheint es weiterhin angemessen, eine gewisse Mindestbeteiligungsschwelle als persönliche Anwendungsvoraussetzung beizubehalten. Denn nur bei einem unternehmerisch motivierten Gesellschafter erscheint die Abwälzung des Verlustrisikos seiner Finanzierungshilfe auf die Drittgläubiger als missbräuchlich, da er seine Investition (zumindest auch) causa societatis getätigt und damit die Finanzierungsfolgenverantwortung zu tragen hat.538 Der bloß geringfügig beteiligte Gesellschafter verfolgt hingegen in aller Regel mit seiner Beteiligung keine unternehmerischen, sondern Kapitalanlegerinteressen.539 Er hat deshalb in Bezug auf ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen eine drittgläubigerähnliche Stellung inne. Aufgrund der Schwierigkeiten, im konkreten Einzelfall eine unternehmerische Motivation hinter der Darlehensgewährung festzustellen, erscheint eine gesetzliche Typisierung anhand des potentiellen, über die Beteiligung an der Gesellschaft vermittelten unternehmerischen Einflusses als geeignetes Abgrenzungskriterium. Dieser potentielle Einfluss wiederum lässt sich durch einen prozentualen Schwellenwert in sinnvoller Weise erfassen.540 Die Anknüpfung an ein materielles Kriterium, die tatsächliche unternehmerische Stellung im Einzelfall, für die die prozentuale Beteiligungsschwelle lediglich als Vermutungsregel fungiert541, kann dabei den Vorteil höherer Einzelfallgerechtigkeit für sich in Anspruch nehmen. Dadurch ginge allerdings die Funktion des Schwellenwertes als „sicherer Hafen“ verloren. Ein solcher vermittelt aber Rechtssicherheit und stellt damit einen wichtigen Investitionsanreiz für geringfügig beteiligte Gesellschafter, insbesondere Banken, dar. Ein Kleinbeteiligungsprivileg, das an eine feste, formale Beteiligungsgrenze von 10% anknüpft, dient deshalb besser den Interessen von Gesell-

538 Ebenso Haas, Gutachten, S. E 66; Haas/Prokop, in: FS Röhricht (2005), S. 1149 (1164); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (399 ff.). 539 So auch Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (399 f.), die ein Kleinbeteiligtenprivileg nicht für zwingend, aber für rechtspolitisch sinnvoll halten, da bei nichtunternehmerischer Beteiligung ein über die Einlage hinausgehender „Preis“ für die Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt sei. 540 I. E. ebenso Haas, ZInsO 2007, 617 (619); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (4). Einen solchen sehen auch Frankreich und Spanien vor, vgl. oben, § 5 I. 2. e) bzw. § 6 I. 2. e). Für einen Überblick über weitere ausländische Rechtsordnungen vgl. Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (381 ff.). 541 Dafür Haas, Gutachten, S. E 43, E 66; Schmidt, GmbHR 2005, 797 (804).

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schaftern und Gesellschaft, ohne dass ein grundsätzliches Gläubigerschutzdefizit ersichtlich wäre, und ist somit vorzugswürdig.542 4. Mögliche weitergehende Reformschritte Auch wenn die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG insgesamt als positiv zu bewerten ist, stellt sich die Frage nach möglichen weiteren Reformschritten. Auf einen Teil der oben543 dargestellten Vorschläge braucht dabei an dieser Stelle nicht mehr eingegangen zu werden, da ihre Ablehnung sich bereits aus den bisherigen Ausführungen ergibt. Dies gilt etwa für den Ruf nach einer einheitlichen Kodifikation des bisher geltenden Rechts im Insolvenzrecht unter Einschluss der Rechtsprechungsregeln. Dadurch würde zwar ebenfalls eine gewisse Vereinfachung erreicht, allerdings nicht in dem möglichen und wünschenswerten Maße, da nach dem soeben544 Gesagten die Rechtsprechungsregeln in weiten Bereichen entbehrlich sind und im übrigen einen überschießenden Gläubigerschutz bewirkten. Ebenso verhält es sich mit der Forderung nach einer gänzlichen Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes. Denn die grundsätzliche Notwendigkeit und Legitimation eines derartigen Umgehungsschutzes für die Kapitalschutzvorschriften wurde ebenfalls oben545 ausführlich erläutert. Damit verbleiben zur Erörterung nur die Vorschläge zu weitergehenden Veränderungen an Einzelaspekten des Rechts der Gesellschafterdarlehen. a) Erweiterung des Sanierungsprivilegs Zunächst wird gefordert, das frühere und im MoMiG beibehaltene Sanierungsprivileg auf den umgekehrten Fall zu erweitern, wenn ein Gesellschafter in der Krise oder bei bestehender Insolvenzreife ein Darlehen gewährt. Dadurch soll der Sanierungsfeindlichkeit des Eigenkapitalersatzrechts entgegengewirkt werden. Dazu ist allerdings anzumerken, dass dieser Vorwurf dem neuen Recht nicht mehr in gleicher Weise gemacht werden kann wie dem früheren. Letzteres behinderte Krisendarlehen vor allem aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit und der überschießenden Rechtsfolgen. Beides wurde durch das MoMiG weit gehend beseitigt: Gewährt der Gesellschafter zu irgendeinem Zeitpunkt der Gesellschaft ein Darlehen, so weiß er, dass dieses in der Insolvenz einem Rangrücktritt unterliegt, nicht mehr und nicht weniger. Der Vorwurf der Sanierungsfeindlichkeit kann dieser Neuregelung nicht pauschal gemacht werden. Geht es um den Insolvenzauslösetatbestand der Über542 Wie hier Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1658); Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (399 f.); dies., BB 2006, 1 (4). 543 § 7 II. 4. 544 § 11 IV. 3. a). 545 § 11 IV. 1.

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4. Teil: Bewertung

schuldung, ist ein Gesellschafterdarlehen ohne qualifizierten Rangrücktritt von vornherein nicht geeignet, die Insolvenz abzuwenden.546 Ein ernst gemeinter Sanierungsversuch kann also an dieser gesetzlichen Anordnung nicht scheitern.547 Aber auch in sonstigen Fällen lässt sich kaum begründen und noch weniger empirisch belegen, dass die Rangrückstufung von Sanierungsdarlehen die Gesellschafter tatsächlich von einem Erfolg versprechenden Sanierungsversuch abhalten würde.548 Denn auch ohne die Rangrückstufung muss der Gesellschafter im Falle des Scheiterns der Sanierung damit rechnen, in aller Regel nur eine geringe Quote seiner Darlehenssumme aus der Masse zurückzuerhalten. Der zusätzliche Verlust, der ihm aufgrund der Qualifizierung seines Darlehens als Eigenkapitalersatz droht, besteht also nur in dieser Quote. Diese ist jedoch kaum prognostizierbar, so dass der Gesellschafter vernünftigerweise ex ante von einem zumindest annähernden Totalverlust seiner Darlehenssumme ausgehen muss. Gelingt die Sanierung aber, hat er Aussicht auf dauerhafte Rendite. Somit kann die eigenkapitalersatzrechtliche Rangrückstufung kaum einmal den Ausschlag gegen eine Erfolg versprechende Sanierungsfinanzierung geben. Anders sieht die Beurteilung bei Sanierungsdarlehen von gesellschaftsfremden Dritten aus. Sanierungsbemühungen sind neben den Gesellschaftern zumeist nur von Großgläubigern, etwa Banken oder Lieferanten, zu erwarten. Diese wollen in der Praxis häufig Unternehmensanteile erwerben, um Einfluss und Kontrolle über die Sanierungsbemühungen ausüben zu können, ohne sich dauerhaft unternehmerisch zu engagieren.549 Ihnen könnte aber der Sanierungsanreiz genommen werden, wenn bei Erwerb einer Beteiligung als Teil der Sanierungsstrategie die Anwendung des Kapitalersatzrechts drohte.550 Denn ihr Hauptinteresse ist – anders als bei bereits unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern – hauptsächlich auf die Befriedigung ihrer bestehenden Forderungen gerichtet. Sie sind nicht unbedingt bereit, weiteres Kapital mit dem Risiko eines Totalverlustes zuzuführen. 546 Vgl. BGHZ 146, 264, 269 ff. Unter „qualifiziertem Rangrücktritt“ versteht der BGH eine Vertragsklausel, die eine Rückstufung der Darlehensforderung in der Insolvenz mit einer Abrede verbindet, das Darlehen nicht vor Überwindung der Krise zurückzufordern. 547 So auch Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (402). 548 So Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (403); und dezidiert Schmidt, GmbHR 2005, 797 (799). Anders Engert, ZGR 2004, 812 (839). Kritisch auch Haas, ZInsO 2007, 617 (625 Fn. 113): Die Gewährung von Liquidität könne ein wichtiger Baustein eines Gesamtsanierungskonzepts sein, werde aber durch die Beschränkung des geltenden Sanierungsprivilegs unnötigerweise erschwert. 549 Huber/Habersack, BB 2006, 1 (4), halten einen Sanierungskredit allein ohne Anteilserwerb sogar in den meisten Fällen als ernsthaften Sanierungsversuch für ungeeignet. 550 Ebenso Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (403 f.).

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Hier könnte die insolvenzrechtliche Rangrückstufung also tatsächlich sanierungsfeindlich wirken. Aus diesem Grunde wurde das Sanierungsprivileg in seiner bestehenden Form geschaffen. Es geht dem Gesetzgeber dabei nicht darum, seriöse gegenüber unseriösen Sanierungskrediten zu privilegieren, egal von welcher Seite sie kommen; vielmehr will er sanierungswillige Dritte gegenüber den Gesellschaftern privilegieren und damit zur Mittelzufuhr ermutigen, selbst wenn sie als Teil der Sanierungsstrategie Gesellschaftsanteile erwerben.551 Bereits zuvor unternehmerisch beteiligte Gesellschafter bedürfen eines solchen zusätzlichen Verhaltensanreizes in aller Regel nicht. Ist die Sanierungsstrategie seriös und Erfolg versprechend, dann ist das Risiko, dass sie ihr Darlehen aufgrund der Anwendung der §§ 39, 135 InsO n. F. gänzlich verlieren, begrenzt, da die Gesellschaft voraussichtlich vor der Insolvenz bewahrt wird. Gleichzeitig profitieren sie dauerhaft von der erfolgreichen Sanierung. Scheitert die Strategie aber – sei es aufgrund negativer Entwicklungen, sei es, weil sie von vornherein unseriös war –, dann greift die Legitimationsgrundlage der Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen ohne weiteres ein: Der Gesellschafter soll an seiner unternehmerisch motivierten Finanzierungsentscheidung festgehalten werden und das Risiko des Scheiterns nicht teilweise auf die Fremdgläubiger abwälzen. Andernfalls würden die Gesellschafter zu opportunistischen Sanierungsversuchen ohne Erfolgsaussichten ermutigt, und die insolvenzrechtliche Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen würde weit gehend leer laufen. Wollte man dies verhindern und dennoch Sanierungsdarlehen von Gesellschaftern privilegieren, um einen stärkeren Sanierungsanreiz zu schaffen, müssten „gute“ von „schlechten“ Sanierungsdarlehen der Gesellschafter unterschieden werden. Gerade eine solche Unterscheidung ist dem früheren wie dem neuen Recht der Gesellschafterdarlehen aber fremd552 und auch nicht ohne weiteres de lege ferenda umsetzbar. Hierfür wird die Einführung einer externen Prüfung vorgeschlagen, die die Seriosität der Sanierungsstrategie beurteilen soll.553 Dies verursacht jedoch Kosten, ist anhand objektiver Maßstäbe praktisch kaum möglich und obendrein unnötig. Denn das Sanierungsprivileg in seiner geltenden Fassung bietet eine hinreichende Seriositätsgewähr, indem es nur gesellschaftsfremde Dritte privilegiert. Diese profitieren von einem erfolglosen Sanierungsversuch nicht, werden also von vornherein im eigenen Interesse die Erfolgsaussichten genau prüfen. Gesellschafter hingegen haben von vornherein einen angemessenen Investitionsanreiz im Rahmen einer Erfolg versprechenden Sanierung, da sie von der Erhaltung des Unternehmens am meisten profitieren. Von unseriösen Sanierungsversuchen werden sie aber nur wirksam abgehalten, wenn sie im Falle eines 551 552 553

Vgl. Schmidt, GmbHR 2005, 797 (804). Vgl. Schmidt, GmbHR 2005, 797 (804). Vgl. Claussen, GmbHR 1996, 316 (326 f.); Engert, ZGR 2004, 813 (839).

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4. Teil: Bewertung

Scheiterns der Sanierung vom vollständigen Verlust ihrer Investition ausgehen müssen. Eine Auflockerung dieses Seriositätsmaßstabs ist im Gläubigerinteresse nicht wünschenswert. Auch die Frage nach der Reichweite des Sanierungsprivilegs ist damit letztlich nur die nach einer angemessenen Verteilung des unternehmerischen Risikos der Sanierungsinvestition: Tragen es Gesellschafter und Fremdgläubiger gemeinsam, weil sie in der Krise „alle im gleichen Boot sitzen“ und von der Sanierung gleichermaßen profitieren, oder tragen es die Gesellschafter allein, wie bei jeder sonstigen Investition in ihr Unternehmen? Diese Frage zu stellen, heißt, sie in letzterem Sinne zu beantworten. Denn vor allem nach der neu eingeführten Gleichstellung aller Gesellschafterdarlehensforderungen in der Insolvenz wäre es widersinnig, diese einerseits damit zu begründen, dass der Gesellschafter seine Darlehensentscheidung grundsätzlich aus anderen (nämlich unternehmerischen) Motiven trifft als ein Dritter, von ihr überdurchschnittlich profitiert und deshalb deren Risiko allein tragen muss, andererseits aber bei Sanierungsdarlehen, die besonders risikobehaftet sind, davon eine Ausnahme zu machen. Dies könnte nur dazu dienen, einen Investitionsanreiz der Gesellschafter, der bei einem seriösen Unternehmer ohnehin vorhanden sein sollte, auf Kosten der Gläubiger zu fördern: den Anreiz, ein absehbar Erfolg versprechendes Sanierungsprojekt tatsächlich zu versuchen. Eine Erweiterung des Sanierungsprivilegs auf in der Krise bzw. bei Insolvenzreife von Seiten der Gesellschafter ausgereichte Sanierungsdarlehen ist damit abzulehnen.554 Erwägenswert wäre allenfalls, in Anlehnung an Art. L. 611-11 C. com. solche Gesellschafterdarlehen von der Rangrückstufung zu befreien, die im Rahmen eines Insolvenzplans i. S. d. §§ 217 ff. InsO ausgereicht werden. Denn hier ist durch das formalisierte Verfahren eine Koordinierung der Interessen aller Beteiligten gewährleistet, und es entstehen keine zusätzlichen Kontrollkosten. Allerdings ist die französische Regelung in ihren Rechtsfolgen nicht auf Deutschland übertragbar, da sie nicht nur eine Gleichstellung der betreffenden Darlehen mit sonstigen Drittforderungen anordnet, sondern deren privilegierte Befriedigung vor allen anderen Verbindlichkeiten.555 Für die hiesigen Zwecke würde eine Gleichstellung des Sanierungsdarlehens mit den übrigen Drittforderungen genügen, da dies bereits eine Besserstellung gegenüber „normalen“ Gesellschafterdarlehen bedeutet.

554 I. E. ebenso Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (402 ff.); Schmidt, GmbHR 2005, 797 (804). 555 Dies ist allerdings im französischen Recht nötig, wenn überhaupt ein besonderer Investitionsanreiz geschaffen werden soll. Denn Frankreich kennt keine gesetzliche Rangrückstufung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, sie stehen den übrigen Forderungen grundsätzlich gleich. Eine Privilegierung kann also nur in dem dort vorgesehenen Wege geschehen.

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b) Verlängerung der Anfechtungsfristen Weiter wird gefordert, die einjährigen Anfechtungsfristen der §§ 135 InsO, 6 AnfG n. F. zu verlängern, da der kurze Anfechtungszeitraum zu Umgehungen einlade, indem nach der Darlehensrückzahlung die Insolvenz der Gesellschaft so lange hinausgezögert wird, bis die Frist abgelaufen ist. Dazu ist allerdings anzumerken, dass für eine Verlängerung des Anfechtungszeitraumes die Möglichkeit der Fortführung einer insolventen Gesellschaft, also eine Insolvenzverschleppung durch den Geschäftsführer, nicht ohne weiteres als Begründung angeführt werden kann. Eine solche Argumentation verwischt die Grenze zwischen Gesellschafterund Geschäftsführerpflichten. Die Stellung des Insolvenzantrags ist grundsätzlich (abgesehen vom Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft) eine Pflicht allein des Geschäftsführers. Auf eine Insolvenzverschleppung reagiert das Gesetz deshalb, abgesehen von strafrechtlichen Sanktionen, angemessen in Form der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. bzw. § 64 GmbHG n. F. und gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 15a Abs. 1 InsO n. F. Die Anfechtungsfrist der §§ 135 InsO, 6 AnfG n. F. soll demgegenüber einen Krisenzeitraum, der vor der Insolvenzreife liegt und innerhalb dessen der Gesellschafter eine besondere Verantwortung für seine Finanzierungsentscheidungen trägt, im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung typisiert festlegen. Die Verlängerung dieser Frist ließe sich also nur damit begründen, dass dieser – der Insolvenz immer zwingend vorausgehende – Krisenzeitraum regelhaft länger als ein Jahr dauert. Dafür sind jedoch keine empirischen Belege erkennbar.556 c) Einbeziehung sämtlicher Gesellschafterforderungen Schließlich wird vereinzelt vorgeschlagen, wie in Spanien sämtliche offenen Gesellschafterforderungen, nicht nur die aus Darlehen oder vergleichbaren Geschäften, einem Rangrücktritt in der Insolvenz zu unterwerfen. Dem kann jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht gefolgt werden, so dass das Argument der noch weitergehenden Vereinfachung der Rechtsmaterie nicht trägt. Der einzige Preis für die Haftungsbeschränkung ist nach ursprünglicher Konzeption die Einlage des Gesellschafters. Ein genereller Vorrang der Fremdgläubiger in der Insolvenz lässt sich daraus nicht begründen.557 Auch die Rückstufung von Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Geschäften geht zwar über das vom histori-

556 Ebenso Haas, ZInsO 2007, 617 (621 f.), der zudem darauf verweist, dass mit einer Verlängerung der Anfechtungsfrist auch die Härten für die Gesellschafter im Einzelfall zunähmen, so dass es für eine solche Maßnahme einer tragfähigen Begründung bedürfe, die die Befürworter nicht liefern könnten. 557 So auch Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (358).

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4. Teil: Bewertung

schen Gesetzgeber 1892 Geplante hinaus, ist aber ein notwendiger und angemessener Umgehungsschutz zur Absicherung des Stammkapitalsystems.558 Die Legitimationsgrundlage der insolvenzrechtlichen Subordination, die angemessene Risikoverteilung bei unternehmerischen Investitionsentscheidungen und die Verhinderung einer Umgehung des Kapitalschutzes durch Ausweichen in die Darlehensfinanzierung, trägt allerdings nicht die Rückstufung sämtlicher Gesellschafterforderungen. Austauschgeschäfte zu marktüblichen Konditionen können nicht als „Finanzierung“ des Unternehmens durch den Gesellschafter angesehen werden. Dort trifft der Gesellschafter keine Investitionsentscheidung, sondern handelt wie ein gesellschaftsfremder Marktakteur, wälzt also kein Investitionsrisiko unzulässigerweise auf die Drittgläubiger ab. Würden solche Geschäfte in die insolvenzrechtlichen Sonderregeln einbezogen, könnte dies zudem der Gesellschaft selbst schaden, da die Gesellschafter als mögliche Geschäftspartner von Vertragsschlüssen zu marktüblichen Konditionen mit ihr abgehalten werden, obwohl solche Geschäfte die übrigen Gläubiger grundsätzlich nicht belasten.

V. Insolvenzauslösetatbestände Im Gesamtsystem des Gläubigerschutzes übernahm § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. bzw. übernimmt nunmehr § 15a Abs. 1 InsO n. F. als „juristische Terminierungsregel“ eine Informations- und eine Sicherungsfunktion zugunsten sämtlicher Gesellschaftsgläubiger.559 Denn die Effektivität der insolvenzrechtlichen Schutzinstrumente wird wesentlich beeinflusst durch den Zeitpunkt der Auslösung des Insolvenzverfahrens. Je früher dieses beginnt, desto weniger fortgeschritten ist die Krise der Gesellschaft. Dann bestehen unter Umständen größere Sanierungsaussichten, jedenfalls aber ist in der Regel das Gesellschaftsvermögen noch nicht so stark angegriffen, so dass die Gläubiger größere Aussicht auf zumindest anteilige Befriedigung ihrer Forderungen haben. Die Insolvenzauslösetatbestände definieren den Übergang vom ex-ante- zum ex-post-Gläubigerschutz560 und damit den Zeitpunkt, ab dem sich aus Sicht des Gesetzgebers die Gewichtung der Interessen der Beteiligten umkehrt: Während der Lebensdauer der Gesellschaft stehen grundsätzlich aufgrund der Haftungsbefreiung die Vermögensinteressen der Gesellschafter im Vordergrund, mit Beginn des Insolvenzverfahrens jedoch liegt der Akzent auf den Befriedigungsinteressen 558 Vgl. zur Legitimation des früheren Eigenkapitalersatzrechts oben, § 4 I. 5. Zur deren fortdauernder Tragfähigkeit auch für das neue Recht nach dem MoMiG vgl. oben, § 11 IV. 1. 559 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (452 m.w. N.). Zu den Gründen, warum die angelsächsischen Rechtsordnungen keine Insolvenzantragspflicht kennen und auch nicht benötigen, vgl. ibid., 437 (447 ff.). 560 Zu dieser Terminologie oben, § 3.

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der Gläubiger.561 Den Gesellschaftern und Geschäftsführern wird die Kontrolle über das Gesellschaftsvermögen weit gehend entzogen und auf einen neutralen Sachwalter übertragen, der die Befriedigung der Gläubiger in einem formalisierten Verfahren koordiniert, um Verteilungskämpfe zu verhindern.562 Die Gläubiger haben demnach ein Interesse an einer relativ frühen Insolvenzauslösung, um ein Ausbluten der Gesellschaft zu verhindern und durch den Übergang der Verwaltungsrechte die Gefahren opportunistischen Verhaltens von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Krise (moral hazard) zu minimieren. Allerdings darf das Insolvenzverfahren auch nicht zu früh beginnen. Eine Einleitung schon bei drohender Überschuldung würde zwar sicherstellen, dass die Masse auch nach Abzug der Verfahrenskosten noch zur weitestgehenden Befriedigung der Gläubiger ausreicht. Solange die Gesellschaft ihre laufenden Verpflichtungen noch auf absehbare Zeit erfüllen kann, haben die Gesellschafter und Geschäftsführer aber auch trotz Anzeichen einer Krise ein legitimes Interesse daran, die Gesellschaft weiterzuführen und eine Sanierung zu unternehmen. Das „normale“ Ausfallrisiko aufgrund wirtschaftlichen Misserfolges kann und soll den Gläubigern nicht durch gesetzliche Schutzmaßnahmen abgenommen werden.563 Und auch den Gläubigern selbst ist durch eine unzeitige Insolvenzauslösung häufig weniger gedient als durch einen Erfolg versprechenden Sanierungsversuch, denn der Übergang von Fortführungs- zu Zerschlagungswerten führt zu einem dramatischen bilanziellen Wertverfall des Gesellschaftsvermögens als Haftungsmasse für die Gläubiger, von der dann noch die Verfahrenskosten abzuziehen sind, die bei einer Fortführung nicht anfallen würden.564 Zwischen diesen Eckpunkten der verfrühten und der verspäteten Insolvenz verbleibt ein weiter Spielraum für die Ausgestaltung der gesetzlichen Auslösetatbestände. Sie müssen einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und dabei möglichst klar und eindeutig sein, damit die antragsberechtigten 565 wie die antragsverpflichteten Personen566 und auch die für die Verfahrenseröffnung zuständigen Gerichte das Vorliegen des Tatbestandes ohne unverhältnismäßigen Aufwand rechtssicher feststellen können.567 Das Bedürfnis der Klarheit setzt da561 Ebenso Haas, Gutachten, S. E 19. Vgl. allgemein zum Gläubigerschutz im Insolvenzverfahren das gleichnamige Buch von Rausch. 562 Vgl. BGH BB 2005, 1923 (1926). 563 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 20; sowie bereits oben, § 2 I. 1. 564 Vgl. BGH BB 2005, 1923 (1926); Fischer, ZIP 2004, 1477 (1482); Haas, Gutachten, S. E 20. 565 Vor allem die antragsberechtigten Gläubiger haben lt. Haas, Gutachten, S. E 20, ein Interesse an klar erkennbaren Auslösetatbeständen, da es ihnen an tieferem Einblick in die unternehmensinternen wirtschaftlichen Daten der Schuldnergesellschaft fehlt. 566 Dies sind neben den Geschäftsführern nach den Änderungen des MoMiG gemäß § 15a Abs. 3 InsO n. F. auch die Gesellschafter einer führungslosen Gesellschaft. 567 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 20.

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4. Teil: Bewertung

bei insbesondere dem Interesse der Gläubiger an einem früh eingreifenden und deshalb notwendigerweise mit prognostischen Elementen versehenen Auslösetatbestand Grenzen. Aus diesem Grund kennen alle drei hier untersuchten Rechtsordnungen den Insolvenzauslösetatbestand der Zahlungsunfähigkeit, der dann gegeben ist, wenn das Gesellschaftsvermögen nicht zur Begleichung der fälligen Zahlungsverpflichtungen ausreicht.568 Er greift erst relativ spät ein, ist aber in der Regel leicht zu erkennen und entsprechend justiziabel.569 Ist die Gesellschaft zahlungsunfähig, so besteht in allen drei Ländern eine Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrages. Keine Pflicht, aber doch ein Recht des Schuldners zur Antragstellung sehen Deutschland und Spanien auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit vor.570 Ganz ähnlich ist die Rechtslage in Frankreich, wo seit Inkrafttreten der loi de sauvegarde Anfang 2006 im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit571 das Sicherungsverfahren (procédure de sauvegarde) als freiwillige, nur auf Antrag des Schuldners eröffnete Vorstufe zum eigentlichen Insolvenzverfahren vorgesehen ist.572 Die dem Prognoseelement dieses Auslösetatbestandes innewohnende Rechtsunsicherheit ist unproblematisch, da nur der Schuldner selbst antragsberechtigt ist, der über seine eigene wirtschaftliche Situation die umfassendste Kenntnis aller Beteiligten aufweist (oder aufweisen sollte). In Deutschland existiert daneben noch der besondere Auslösetatbestand der Überschuldung (§ 19 InsO), der in Frankreich und Spanien unbekannt ist. Die Regelung, die gemäß § 19 Abs. 1, 3 InsO nur für juristische Personen und „kapitalistische Personengesellschaften“ gilt, dient der Verbesserung des Gläubigerschutzes gegenüber solchen Schuldnern, da von diesen aufgrund des Fehlens persönlich haftender natürlicher Personen im Rechtsverkehr besondere Risiken ausgehen.573 Zu diesem Zweck setzt sie an einem Zeitpunkt an, der regelmäßig dem 568 Siehe § 17 InsO (Deutschland), Art. 631-1 C. com. (Frankreich), Art. 2 LC (Spanien). Rechtsvergleichender Überblick auch bei Schmidt, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 188 (194). 569 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 21. 570 Siehe § 18 InsO (Deutschland); Art. 2 Abs. 3 LC (Spanien). 571 Diese wird im französischen Recht, anders als in Deutschland und Spanien, nicht als solche bezeichnet, sondern umschrieben. Sie liegt gemäß Art. L. 620-1 C. com. vor, wenn der Schuldner sich in gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, die er aus eigener Kraft nicht überwinden kann und die zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit führen werden. 572 Im Ergebnis ist der Unterschied zwischen Frankreich und den beiden anderen Rechtsordnungen kleiner, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, denn das Sicherungsverfahren einerseits und das Sanierungsverfahren als erste Stufe des eigentlichen Insolvenzverfahrens andererseits folgen in ihrem Ablauf weitestgehend denselben Vorschriften. Vereinfachend kann man daher auch in Frankreich von einer fakultativen Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei drohender Zahlungsunfähigkeit sprechen, obwohl dies formal nicht ganz korrekt ist. Vgl. näher oben, § 5 I. 2. f) dd) und ee). 573 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 21 f.

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der Zahlungsunfähigkeit zeitlich vorgelagert ist574: Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO bereits dann vor, wenn das Schuldnervermögen die Gesamtheit der bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt575, wobei die Aktiva der Gesellschaft gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 InsO mit Fortführungswerten zu bilanzieren sind, solange die Fortführung des Unternehmens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann (sog. zweistufiger Überschuldungsbegriff). Die Zahlungsunfähigkeit markiert den Endpunkt der wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft, während diese zum Zeitpunkt der Überschuldung aus Gläubigersicht noch gesund erscheinen kann, da sie noch in der Lage ist, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Der Insolvenzauslösung bei Überschuldung wohnt somit ein Prognoseelement bezüglich des endgültigen wirtschaftlichen Scheiterns der Gesellschaft inne.576 Insgesamt besteht zwischen den drei untersuchten Rechtsordnungen bezüglich der Insolvenzauslösetatbestände nur insofern ein relevanter Unterschied, als allein das deutsche Recht zusätzlich zur Zahlungsunfähigkeit auch bei Überschuldung für die GmbH eine zwingende Insolvenzauslösung vorsieht.577 Allerdings besteht dabei das praktische Problem, dass der Zeitpunkt der Überschuldung vor Gericht oftmals nicht genau eingegrenzt werden kann. Das Gericht muss im Nachhinein klären, zu welchem Zeitpunkt die Fortführungsprognose negativ geworden ist, ab wann also die Aktiva der Gesellschaft zu den wesentlich niedrigeren Zerschlagungswerten zu bilanzieren waren (sog. „retrospektive Zukunftsprognose“), da häufig gerade durch die Umstellung der Bewertungsgrundsätze die insolvenzrechtliche Überschuldung eintritt. Diese Feststellung bereitet nicht selten wegen unzureichender Dokumentation der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft Schwierigkeiten.578 Allerdings droht dadurch weder eine übermäßige Rechtsunsicherheit noch eine verfrühte Insolvenzauslösung, also kein we574 Vgl. Drukarczyk, WM 1994, 1737; Haas, Gutachten, S. E 21. Lt. h. M. besteht zwischen der Überschuldung und der drohenden Zahlungsunfähigkeit eine weit gehende zeitliche Kongruenz, vgl. nur MüKoInsO/Drukarczyk, § 18 Rn. 51 ff. m.w. N. 575 Der Unterschied zwischen beiden Auslösetatbeständen liegt also vor allem darin, dass für die Überschuldung der Fälligkeitszeitpunkt der Verbindlichkeiten keine Rolle spielt. 576 Vgl. dazu BGH ZIP 2005, 1734 (1736); Jaeger/Müller, § 19 InsO Rn. 32 ff. 577 Insoweit besteht eine gewisse Parallele zwischen deutschem und englischem Recht, das in Sec. 122 (1) (f) IA 1986 als einheitlichen materiellen Insolvenzauslösetatbestand die „inability to pay debts“ vorsieht, deren Nachweis in zweifacher Weise erfolgen kann: durch Feststellung entweder der „cash flow insolvency“ i. S. d. Sec. 123 (1) (e) IA 1986 (Unfähigkeit der Gesellschaft, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen, vergleichbar der deutschen Zahlungsunfähigkeit) oder der „balance sheet insolvency“ i. S. d. Sec. 123 (2) IA 1986 (Unterdeckung der Gesamtheit der Gesellschaftsverbindlichkeiten durch das vorhandene Vermögen, vergleichbar der deutschen Überschuldung). Näher dazu Bachner, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 526 ff. 578 Vgl. Blöse, GmbHR 2005, 832 (833 f.); Schärtl, Doppelfunktion, S. 181; sowie die oben beschriebene Kritik, § 4 II. 2. e).

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4. Teil: Bewertung

sentlicher Nachteil für die Gesellschafter. Dafür wird aber der Gläubigerschutz gegenüber der Rechtslage in Frankreich und Spanien gestärkt. Nicht zuletzt der rechtsvergleichende Befund zeigt, dass dem Ruf nach einer noch weiteren Vorverlagerung der Insolvenzauslösung579 nicht gefolgt werden sollte.580 Dies würde aufgrund des immer weiter reichenden Prognosezeitraums die Justiziabilität einschränken, vermehrt verfrühte Insolvenzen nach sich ziehen und die Gläubigerinteressen unangemessen gegenüber denen der Gesellschafter bevorzugen.581 Der Vorwurf verminderter Justiziabilität verfängt bei der teilweise geforderten Einführung einer haftungsbewehrten Pflicht zur Entscheidung über Sanierung oder Liquidation der Gesellschaft bei Absinken des Gesellschaftsvermögens unter die Hälfte des Stammkapitals nach dem Vorbild des französischen Art. L. 223-42 Abs. 1 C. com. zwar nicht. Allerdings ist diese Regelung jedenfalls in ihrer dort geltenden Fassung mit den langen Fristen ein sehr stumpfes Instrument, das die Gläubiger nicht nennenswert schützt.582 Eine deutliche Verkürzung der Fristen für die Entscheidung und die ggf. vorzunehmende Sanierung wiederum liefe darauf hinaus, dass häufig der Weg in das (verfrühte) Insolvenzverfahren gewählt würde, da die Gesellschafter oder Außenstehende nicht unbedingt kurzfristig zur Aufbringung des benötigten Sanierungskapitals bereit oder in der Lage sind.583 Insgesamt erscheint die geltende deutsche Regelung zur Insolvenzauslösung vor diesem Hintergrund als ausgewogener Interessenausgleich. Der deutsche Gesetzgeber hat durch den Auslösetatbestand der Zahlungsunfähigkeit eine späte Insolvenzauslösung mit klarer Erkennbarkeit und Justiziabilität kombiniert. Der Kritik einer zu späten Auslösung584 wird durch den früher eingreifenden, aber schwieriger feststellbaren Tatbestand der Überschuldung entgegengewirkt, kombiniert mit der fakultativen Auslösung bei drohender Zahlungsunfähigkeit.

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Vgl. oben, § 7 II. 5. So i. E. auch Schmidt, GmbHR 2007, 1 (7). 581 Ebenso Fischer, ZIP 2004, 1477 (1482); Haas, Gutachten, S. E 22; Schärtl, Doppelfunktion, S. 181. 582 Vgl. zur diesbezüglichen Kritik in Frankreich bereits oben, § 5 II. 2. b). 583 Dies wäre in Frankreich wegen des mehrstufigen Insolvenzverfahrens weniger problematisch als in Deutschland. Vgl. dazu oben, § 5 I. 2. f). Hierzulande hingegen ist die kurze, höchstens dreiwöchige Sanierungsfrist des § 15a Abs. 1 InsO nur deshalb gerechtfertigt, weil bei Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gläubiger in einem Maße gefährdet sind, dass überlanges Zuwarten nicht mehr vertretbar erscheint. Würde man aber die Insolvenzantragspflicht faktisch auf den Zeitpunkt des hälftigen Verlustes des Stammkapitals vorverlegen, so wäre diese kurze Frist nicht mehr angemessen. Denn zu diesem Zeitpunkt steht der Gesellschaft noch Eigenkapital zur Verfügung, mit dem legitimerweise eine Sanierung versucht werden kann und ggf. sogar sollte, ohne dass die Interessen der Gläubiger dadurch übermäßig beeinträchtigt würden. 584 Vgl. oben, § 4 II. 2. e). 580

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VI. Haftungstatbestände Die Bewertung der Haftungstatbestände für Geschäftsführer und Gesellschafter soll, entsprechend der bisherigen Darstellung zum diesbezüglichen deutschen Recht, knapp ausfallen. Denn die Haftungstatbestände sind nur eine Ergänzung zum stammkapitalbasierten Gläubigerschutz, der das eigentliche Thema dieser Untersuchung ist. Dennoch erscheinen einige generelle Erwägungen angebracht, da die Haftung der Akteure für das Gesamtniveau des Gläubigerschutzes eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Haftungstatbestände dienen generell einem doppelten Zweck: Sie stellen einerseits Verhaltenspflichten auf, durch deren Einhaltung präventiv bestimmte unerwünschte Folgen, im hier interessierenden Kontext vor allem Gläubigerschädigungen, vermieden werden sollen. Andererseits sehen sie für Verstöße Sanktionen vor, die die präventive Wirkung der Verhaltenspflicht stützen und im Falle ihres Eingreifens in der Regel den eingetretenen Schaden beseitigen sollen. Im Bereich des Gläubigerschutzsystems lassen sie sich – wie bereits bei der Darstellung der einzelnen Rechtsordnungen geschehen – nach dem Haftungssubjekt in Geschäftsführer- (1.) und Gesellschafterhaftung (2.) einteilen. Der Grundsatz der Geschäftsführer- und der Gesellschafterhaftung im deutschen GmbH-Recht ist – wie in Frankreich und Spanien auch – die Innenhaftung. Eine direkte Außenhaftung gegenüber den Gläubigern ist die Ausnahme und steht für die GmbH weitestgehend nicht auf einer gesellschaftsrechtlichen, sondern auf einer allgemeinen deliktsrechtlichen Grundlage.585 Der Akzent der folgenden Darstellung soll trotzdem auf der Außenhaftung der Betroffenen gegenüber den Gläubigern liegen, da nur diese den letzteren unmittelbar zugute kommt und damit ein direktes Gläubigerschutzinstrument darstellt. 1. Geschäftsführerhaftung Das deutsche GmbH-Recht sieht eine Geschäftsführerhaftung – neben der Generalklausel des § 43 GmbHG, die nur die Innenhaftung betrifft und deshalb hier außer Betracht bleiben soll – vor allem in § 64 GmbHG vor. Diese Norm betrifft den für den Gläubigerschutz besonders wichtigen Bereich der Geschäftsführerhaftung in Krise und Insolvenz. Nach dem oben Gesagten sind die Gesellschaftsgläubiger in der Krise der Gesellschaft besonders schutzwürdig, denn ab Kriseneintritt konkretisiert sich ihr Ausfallrisiko, und die Gefahr gläubigerschädigenden Verhaltens von Gesellschaftern und Geschäftsführern nimmt erheblich zu, da die vorher zumindest teilweise kongruenten Interessen der Beteiligten nunmehr voll585 Dies ist in Frankreich und Spanien anders, die auch für die Außenhaftung spezifisch gesellschaftsrechtliche Normen kennen, vgl. oben, § 5 I. 2. g) bzw. § 6 I. 2. g) aa) (1) (b).

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4. Teil: Bewertung

ends gegenläufig sind.586 Diesem besonderen Schutzbedürfnis entsprechend wird zunächst die Krisenverantwortung der Geschäftsführer beleuchtet [a)], bevor auf die Haftung außerhalb der Krise eingegangen wird [b)]. a) Krisenverantwortung Als Schwäche des deutschen Rechts bzgl. der Krisenverantwortung der Geschäftsführer wird angeführt, dass es diesen erst mit Eintritt eines Insolvenzauslösetatbestandes durch § 64 GmbHG a. F. (bzw. §§ 64 GmbHG, 15a InsO n. F.) haftungsbewehrte Verhaltenspflichten auferlege, um Gläubigerschädigungen, insbesondere durch opportunistisches Verhalten, vorzubeugen. Die Gläubiger würden dadurch nur unzureichend geschützt.587 Das französische Recht geht hier in zeitlicher und sachlicher Hinsicht weiter.588 Die action en comblement du passif gemäß Art. L. 651-2 C. com. setzt zwar die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, erfasst dann aber Geschäftsführungsfehler ab der Geschäftsaufnahme, also in jedem Lebensabschnitt der Gesellschaft unabhängig von einer Krise.589 586

Vgl. näher oben, § 2 I. 2. c) bb) (2). Vgl. oben, § 4 II. 2. e). Zu dieser Kritik auch Haas, Gutachten, S. E 27. 588 Auch die englische wrongful-trading-Haftung wird häufig als Beispiel für eine zeitlich weitergehende Krisenverantwortung des Geschäftsführers angeführt. Dass dies nicht zutrifft, wird von Fleischer, AG 1999, 350 (361); und Haas, Gutachten, S. E 28 f., überzeugend dargelegt: Die Haftung setzt gemäß Sec. 214 IA 1986 voraus, dass zum Zeitpunkt der fraglichen Geschäftsführerhandlung eine negative Fortführungsprognose für das Unternehmen bestand, und dass zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Gesellschaft (zumindest auch) überschuldet war. Der Behauptung, dass diese Voraussetzungen generell oder jedenfalls nicht selten ein früheres Eingreifen der Haftung bedingen als der deutsche Tatbestand der Überschuldung, ist deshalb zu widersprechen. Denn seit der Insolvenzrechtsreform kann nach deutschem Recht die Überschuldung auch bei noch positiven Fortführungsaussichten vorliegen, so dass § 64 GmbHG seinerseits vor der wrongful-trading-Haftung eingreifen kann. Jenseits dieser Fälle wird regelmäßig der Beginn der deutschen und englischen Krisenverantwortung zeitlich nah zusammenfallen. Im Ergebnis ebenso Bachner, EBOR 5 (2004), 195 (197 ff.); ders., EBOR 5 (2004), 293 (296 ff.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (184 ff.); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (17). Anders jedoch der Bericht der High Level Group, S. 73; sowie Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (753 ff.). 589 Zumindest missverständlich erscheint insoweit die Einlassung von Haas, Gutachten, S. E 27 f., der bezweifelt, dass der durch Art. L. 651-2 C. com. vermittelte Gläubigerschutz weiter reicht als der des § 64 GmbHG a. F. Er konzediert zwar, dass das französische Haftungskonzept „formal“ bereits im Vorfeld der Insolvenzreife eingreift, lehnt jedoch die Schlussfolgerung eines weitergehenden Gläubigerschutzes als in Deutschland mit dem Hinweis ab, dass das französische Recht dafür im Gegensatz zum deutschen nur den (späten) Insolvenzauslösetatbestand der Zahlungsunfähigkeit kenne, so dass allein in der zeitlichen Entkopplung von Insolvenzauslösung und Krisenhaftung kein effektiverer Gläubigerschutz liege. Letzteres ist zwar richtig, ändert jedoch nichts daran, dass der zeitliche Anwendungsbereich der action en comblement du passif deutlich weiter reicht als der des § 64 GmbHG a. F., und dies nicht bloß „formal“. Denn § 64 GmbHG a. F. bzw. §§ 64 587

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Zudem beschränkt das deutsche Recht die Haftung auf Verstöße gegen die Insolvenzantragspflicht oder das Auszahlungsverbot, während Art. L 651-2 C. com. jeden Geschäftsführungsfehler erfasst, durch den die Deckungslücke zwischen Gesellschaftsvermögen und -verbindlichkeiten herbeigeführt oder vergrößert wurde. Auf der Rechtsfolgenseite schließlich gewährt die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung nur einen Rückgewähranspruch der Gesellschaft bzgl. konkreter Auszahlungen (§ 64 GmbHG n. F.) sowie einen Schadensersatzanspruch der Gläubiger (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F), der für Altgläubiger lediglich den Quotenschaden umfasst und nur Neugläubigern einen Ersatz des vollen Kontrahierungsschadens zubilligt.590 Im französischen Recht hingegen kann der Richter nach seinem Ermessen eine Geschäftsführerhaftung für sämtliche Gesellschaftsschulden anordnen.591 Ähnlich wie in Frankreich ist auch die Rechtslage in Spanien: Der Geschäftsführer haftet – neben der deliktischen Schadensersatzhaftung für Dritten durch Geschäftsführungsfehler unmittelbar zugefügte Schäden gemäß Art. 69 Abs. 1 LSL i.V. m. Art. 135 LSA – in der Insolvenz gemäß Art. 172 Abs. 3 LC den Gesellschaftsgläubigern unmittelbar für einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Forderungen nach dem Ermessen des Gerichts, wenn die Insolvenz durch schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers herbeigeführt wurde. Auch hier erfolgt somit keine Begrenzung auf spezifische Pflichtverletzungen oder einen bestimmten Zeitpunkt derselben. Eine sachliche und/oder zeitliche Ausweitung der deutschen Krisenhaftung sollte jedoch nur dann vorgenommen werden, wenn das deutsche Recht insoweit

GmbHG, 15a InsO n. F. greifen frühestens mit der Überschuldung der Gesellschaft ein. Diese kann zwar unter Umständen schon von Anfang an vorliegen, bedeutet aber dennoch, dass sich die Gesellschaft bereits in einer (beginnenden oder sich verschärfenden) Krise befinden muss, während Art. L. 651-2 C. com. auch Geschäftsführerhandlungen außerhalb einer Krise erfasst. Ob der hierdurch vermittelte Gläubigerschutz in der Krise, also im zeitlichen Überschneidungsbereich beider Haftungstatbestände, im Ergebnis effektiver ist als die deutsche Krisenverantwortung, lässt sich mit der zitierten Argumentation weder begründen noch verneinen, dafür ist ein umfassender Vergleich der jeweiligen Gläubigerschutzkonzepte erforderlich. 590 Zum Anspruchsumfang gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. vgl. BGHZ 126, 181 (192 ff.); Michalski/Nerlich, § 64 GmbHG Rn. 57 ff.; Roth/ Altmeppen, Vor § 64 GmbHG Rn. 123 ff. 591 Schärtl, Doppelfunktion, S. 179 f., ist der Meinung, dass das deutsche Recht bzgl. des Haftungsumfangs „deutlich über die Haftung [. . .] im Rahmen der ,action en comblement du passif‘ hinaus[geht].“ Dem kann so nicht gefolgt werden. Im Einzelfall mag zwar ein französisches Gericht wegen eines weniger schwerwiegenden Geschäftsführungsfehlers die Haftung des Geschäftsführers auf einen kleinen Anteil der Gesellschaftsschulden begrenzen. Eine Insolvenzverschleppung stellt jedoch auch nach französischer Rechtsprechung einen bedeutenden Geschäftsführungsfehler dar, der umfangreiche Haftungsansprüche auslöst. Und insgesamt ist der Tatbestand des Art. L. 651-2 C. com. in zeitlicher und sachlicher Hinsicht sowie auf der Rechtsfolgenseite wesentlich weiter gefasst als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung.

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4. Teil: Bewertung

Gläubigerschutzdefizite aufweist und diese durch die herangezogenen ausländischen Vorbilder oder davon unabhängigen Vorschläge592 beseitigt werden. Was die zeitliche Ausweitung betrifft, so erscheint deren Notwendigkeit zweifelhaft. Denn der Umstand, dass die Haftung des französischen Art. L. 651-2 C. com. und des spanischen Art. 172 Abs. 3 LC zeitlich weiter reicht als die deutschen Haftungstatbestände des § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. bzw. des § 64 GmbHG n. F., bedeutet nicht, dass das ausländische Recht einen weitergehenden oder „besseren“ Gläubigerschutz bietet. Er bedeutet nur, dass in Frankreich und Spanien insoweit nicht zwischen Haftung innerhalb und außerhalb der Krise unterschieden wird. Das deutsche Recht nimmt eine solche Unterscheidung jedoch grundsätzlich vor und sucht den besonderen Gläubigerrisiken innerhalb der Krise durch die genannten speziellen Haftungstatbestände Rechnung zu tragen. Das bedeutet aber nicht, dass die Geschäftsführer für Pflichtverletzungen außerhalb der Krise gar nicht haften.593 Ein Vergleich der zeitlichen Reichweite der Haftungstatbestände in Deutschland und Frankreich bzw. Spanien kann aufgrund dieses konzeptionellen Unterschiedes nicht weiterführen. Der Sinn der deutschen Krisenhaftung der Geschäftsführer ist die Verhinderung bzw. der Ausgleich von Ausfallschäden für die Gläubiger aufgrund opportunistischen Verhaltens (moral hazard), nicht aber die Abwälzung des jeder Unternehmung innewohnenden Risikos des wirtschaftlichen Scheiterns, das durch das Prinzip der beschränkten Haftung prinzipiell vornehmlich den Gläubigern auferlegt wird. Somit darf die Haftung nur in Situationen eingreifen, in denen ein solches erhöhtes Gläubigerrisiko besteht.594 Eine trennscharfe zeitliche Eingrenzung solcher besonderer Gefährdungslagen im Vorfeld der Insolvenzauslösetatbestände der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist schwierig. Der Begriff der Krise i. S. d. § 32a Abs. 1 GmbHG a. F. erscheint in diesem Zusammenhang ebenso ungeeignet wie im Bereich des Eigenkapitalersatzrechts, wo er aufgrund seiner Unschärfe im Zuge der Reformen des MoMiG abgeschafft wurde. Zudem ist umstritten, ob eine Anknüpfung an den Krisenbeginn überhaupt eine zeitliche Vorverlagerung im Vergleich zum geltenden Recht zur Folge hätte.595 Eine Anknüpfung an bestimmte Bilanzrelationen, etwa den hälftigen Verlust des Stammkapitals, würde zwar unbestreitbar den zeitlichen Anwendungsbereich der Geschäftsführerhaftung erweitern und würde nicht zu Rechtsunsicherheiten

592

Vgl. dazu oben, § 7 II. 5. Näher dazu sogleich, § 11 VI. 1. b). 594 Ähnlich Haas, Gutachten, S. E 30. 595 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 30 ff., dessen Meinung nach sich der Zeitpunkt des Krisenbeginns nicht wesentlich von dem des Eintritts der Insolvenzreife, vor allem der Überschuldung, unterscheidet. I. E. ebenso Huber/Habersack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft (2006), S. 370 (377 ff.). Dies widerspricht aber der wohl h. M. zum Begriff der Krise, vgl. nur BGHZ 76, 326 (329 ff.); 119, 201 (213). 593

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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führen.596 Allerdings verzichtet ein solcher Ansatz auf jede Prognose der Fortführungswahrscheinlichkeit. Er erhöht damit zwar die Justiziabilität, vermindert aber die Zielgenauigkeit der Geschäftsführerhaftung. Denn im Hinblick auf die Pflichten des Geschäftsführers in der Krise ist die entscheidende Frage, ob eine vernünftige Aussicht bestand, das Unternehmen zu retten oder nicht.597 Es liegt nicht im Interesse der Gläubiger, dass ein Unternehmen, das eine – u. U. erhebliche – Unterbilanz aufweist, aber nach Cash Flow und Geschäftsaussichten über beste Aussichten einer wirtschaftlichen Erholung verfügt, vom Geschäftsführer zur Vermeidung einer Haftung in die Insolvenz geführt wird. Für die Bestimmung des zeitlichen Umfangs der Geschäftsführerhaftung in der Krise kann damit nicht gänzlich auf eine Fortführungsprognose verzichtet werden. Demgegenüber würde eine anderweitige zeitliche Vorverlagerung des Beginns der Haftung, die noch stärker als das bisherige Recht auf Prognoseelementen basiert, die schon de lege lata bestehenden Rechtsunsicherheiten verschärfen.598 Auch die englischen Gerichte zeigen sich bei der Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs der wrongful-trading-Haftung eher zurückhaltend, um deren Ausufern zu vermeiden.599 Die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung bleibt insoweit in ihrem Gläubigerschutzniveau nicht deutlich hinter anderen Rechtsordnungen zurück600 und erscheint als angemessener Kompromiss zwischen notwendiger Berücksichtigung von Prognoseelementen einerseits und Rechtssicherheit andererseits. Auch eine Umstellung der sachlichen Voraussetzungen einer Krisenhaftung von den spezifischen Verhaltenspflichten der §§ 64 GmbHG, 15a InsO n. F. hin zu einer Generalklausel, etwa nach französischem oder spanischem Vorbild, hätte nicht in jeder Hinsicht eine Verschärfung der Haftung und damit eine Verbesserung des Gläubigerschutzes zur Folge. In Frankreich und Spanien haftet der Geschäftsführer nicht für objektiv Erfolg versprechende Sanierungsversuche, auch wenn diese erst nach Eintritt der Insolvenzreife unternommen werden und letztlich scheitern. Denn ein ex ante aussichtsreicher Sanierungsversuch ist kein Geschäftsführungsfehler. Das deutsche Recht ist an dieser Stelle strenger, denn es gibt dem Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife längstens drei Wochen Zeit zur Sanierung. Leitet er nach Ablauf dieser Frist nicht das Insolvenzverfahren ein, so haftet er für spätere gescheiterte Sanierungsversuche, sofern sie zu 596 Spanien sieht in Art. 105 Abs. 5 LSL eine Ausfallhaftung des Geschäftsführers u. a. für den Fall vor, dass das Gesellschaftsvermögen unter die Hälfte der Stammkapitalziffer absinkt und der Geschäftsführer die notwendigen Maßnahmen unterlässt. Vgl. oben, § 6 I. 2. g) aa) (3). 597 So auch Blöse, GmbHR 2005, 832 (837); Schärtl, Doppelfunktion, S. 182. 598 Vgl. zum zeitlichen Eingreifen der Insolvenzantragspflicht oben, § 11 V. 599 Vgl. dazu Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (183 ff., 213 ff.). 600 I. E. ebenso Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (213 ff.); Schärtl, Doppelfunktion, S. 182.

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4. Teil: Bewertung

einer Gläubigerschädigung führen, gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F., ohne dass es auf die Erfolgsaussichten bzw. die unternehmerische Vertretbarkeit des verspäteten Sanierungsversuches ankäme.601 Der deutsche Gesetzgeber nimmt also eine andere Abwägung vor als viele ausländische: Angesichts der Tatsache, dass Geschäftsführer dazu neigen, die Erfolgsaussichten eines Sanierungsversuchs eher übermäßig positiv einzuschätzen602, wird solchen Rettungsbemühungen eine pauschale, klare Grenze gezogen, um möglichst viel Masse für die Gläubiger zu erhalten. Dadurch werden die Geschäftsführer angehalten, nach Eintritt der Insolvenzreife nur noch aussichtsreiche Sanierungsmaßnahmen, die eine schnelle Besserung versprechen, zu ergreifen. In Ländern wie Frankreich, England oder Spanien ist die Lösung flexibler, geht aber u. U. zu Lasten der Gläubiger. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass in Frankreich dem eigentlichen Insolvenzverfahren vorgelagerte offizielle Verfahren zur Sanierung existieren, weshalb dort ohnehin kein so großer Anreiz für die Geschäftsführer besteht, eigenständige Sanierungsversuche zu unternehmen. Insgesamt dürfte die Krisenhaftung der Geschäftsführer nach deutschem Recht somit ein angemessenes Maß an Gläubigerschutz vermitteln, auch wenn sie grundsätzlich nur an die Verletzung der Insolvenzantragspflicht anknüpft. Eine diesbezügliche Schutzlücke des bisherigen Rechts hat der deutsche Gesetzgeber bereits im Rahmen des MoMiG geschlossen, indem er in § 64 S. 3 GmbHG n. F. die Haftung auf Zahlungen ausdehnte, die die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen mussten. Allerdings erscheint die Regelung des § 64 GmbHG n. F. nach wie vor tatbestandlich als zu eng, da nur „Zahlungen“ sanktioniert werden, während etwa nach englischem Recht der Geschäftsführer positiv verpflichtet wird, alles zur Minimierung des Ausfallrisikos der Gläubiger zu unternehmen.603 Eine allgemeine Haftung für die Herbeiführung der Insolvenz oder eine Erhöhung der Unterdeckung der Gesellschaftsschulden nach Insolvenzreife wäre im Hinblick auf den Gläubigerschutz vorzugswürdig. Ihre Höhe könnte, wie in England, Frankreich oder Spanien, in das Ermessen des Gerichts gestellt werden. Im Zuge einer solchen Reform wäre weiterhin zu erwägen, die Krisenverantwortung des Geschäftsführers insgesamt rechtsformübergreifend zu regeln. Dies ist in Frankreich bereits der Fall604, wo Art. L. 651-1 C. com. klarstellt, dass u. a. 601 Denn das gemäß § 823 Abs. 2 BGB erforderliche Verschulden bezieht sich nicht auf den Schadenseintritt, sondern auf die Schutzgesetzverletzung. Es kommt also nur darauf an, ob der Geschäftsführer es schuldhaft unterlassen hat, den Insolvenzantrag rechtzeitig zu stellen, nicht darauf, ob er das Scheitern seiner Sanierungsbemühungen hätte vorhersehen können. 602 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 34 f. Im angelsächsischen Sprachraum wird dies plastisch als „sunshine doctrine“ bezeichnet. 603 Ebenso Haas, Gutachten, S. E 35. 604 Das gleiche gilt für England, wo sich die Vorschriften zum wrongful trading im rechtsformneutralen Insolvenzrecht finden.

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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die Vorschrift des Art. L. 651-2 C. com. auf Geschäftsleiter sämtlicher juristischer Personen des Privatrechts anwendbar ist. In Deutschland hingegen finden sich bisher für die verschiedenen Formen von juristischen Personen und kapitalistischen Personengesellschaften jeweils unterschiedliche Spezialvorschriften bezüglich der Krisenhaftung. Deren Unterschiede lassen sich aufgrund des einheitlichen Ziels kaum rechtfertigen und sind hauptsächlich historisch bedingt.605 Für die Insolvenzantragspflicht ist eine rechtsformübergreifende Regelung in der Insolvenzordnung bereits im Rahmen des MoMiG eingeführt worden. Dadurch richtet sich die Insolvenzverschleppungshaftung für alle Gesellschaftsformen nunmehr einheitlich nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. Ähnlich könnte auch mit der allgemeinen Haftung für gläubigerschädigendes Verhalten in der Krise gemäß einem im obigen Sinne erweiterten § 64 GmbHG verfahren werden, wobei allerdings sichergestellt werden müsste, dass die Haftung auch dann eingreift, wenn kein Insolvenzverfahren eröffnet wird.606 b) Haftung außerhalb der Krise Der Hauptunterschied zwischen der deutschen Haftung für gläubigerschädigende Geschäftsführungsmaßnahmen gemäß §§ 64 GmbHG, 15a Abs. 1 InsO n. F., 823 Abs. 2 BGB und den Haftungstatbeständen in Frankreich und Spanien ist, dass dort nicht nach der Haftung innerhalb und außerhalb der Krise unterschieden wird, es also nicht auf den Zeitpunkt des Geschäftsführungsfehlers ankommt. Vielmehr wird (im Fall Frankreichs) ein einheitlicher, insolvenzrechtlicher Haftungstatbestand für gläubigerschädigende Geschäftsführungsfehler bzw. (im Fall Spaniens) eine an das Deliktsrecht anknüpfende Schadensersatzhaftung für Geschäftsführungsfehler im allgemeinen und eine insolvenzrechtliche Ausfallhaftung für insolvenzverursachende Geschäftsführungsfehler im besonderen angeordnet. Das deutsche GmbH-Recht nimmt also nur das gesteigerte Ausfallrisiko in den Blick, das den Gläubiger trifft, wenn die Gesellschaft in die Krise geraten ist und die Geschäftsführer deshalb verstärkt zu spekulativem Verhalten neigen. Das französische und das spanische Recht hingegen versuchen, gleichzeitig daneben auch das Kriseneintrittsrisiko aufgrund pflichtwidriger Geschäftsführungsmaßnahmen zu reduzieren. Doch auch nach deutschem Recht sind die Gesellschaftsgläubiger gegenüber missbräuchlichen Maßnahmen der Geschäftsleitung außerhalb der Krise nicht schutzlos gestellt. So hat die Rechtsprechung wiederholt Geschäftsführer auf der 605 Vgl. näher Haas, Gutachten, S. E 37. Für eine rechtsformübergreifende Regelung auch Fischer, ZIP 2004, 1477 ff.; eine solche ablehnend Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 (499). 606 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 37 f., der eine Regelung im Zusammenhang mit den §§ 92 f. InsO anregt. Denkbar wäre auch eine gesonderte Haftungsvorschrift im HGB oder im allgemeinen Deliktsrecht des BGB.

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4. Teil: Bewertung

Grundlage des allgemeinen Deliktsrechts – insbesondere § 826 BGB607 – haftbar gemacht, wenn sie auf Kosten der Gläubigergesamtheit ihre Geschäftsführerpflichten grob verletzt haben.608 Insbesondere haben die Gläubiger auch bei hoch riskanter, ruinöser Geschäftspolitik außerhalb der Krise einen Anspruch auf Ersatz ihres darauf beruhenden Ausfallschadens.609 Dennoch bedeutet die Anknüpfung an § 826 BGB, dass prinzipiell die Haftung nur in besonderen Ausnahmesituationen eingreift, da ein sittenwidriges Handeln und Vorsatz des Geschäftsführers erforderlich sind. Ist die Geschäftsführerhaftung für gläubigerschädigendes Verhalten außerhalb der Insolvenzkrise nach deutschem Recht also auf einen engen Bereich begrenzt, stellt sich die Frage, ob die Einführung eines allgemeinen Haftungstatbestandes ähnlich dem französischen Recht aus diesem Grunde sinnvoll oder sogar notwendig ist.610 Diese Frage ist zu verneinen. Denn aufgrund der wesentlich unterschiedlichen Risikosituation der Gläubiger ist es gerechtfertigt, an die Verantwortung des Geschäftsführers innerhalb und außerhalb der Krise unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. In der Krise muss der verstärkten Neigung der Geschäftsführer zu missbräuchlichem Verhalten durch strenge Verhaltensvorgaben entgegengewirkt werden. Verstoßen die Verantwortungsträger hiergegen, müssen sie u. U. auch den Gläubigern unmittelbar auf Schadensersatz haften. Außerhalb der Krise aber führen zu weit gefasste Haftungsregelungen zu einer unangebrachten Risikoabwälzung auf die Geschäftsführer. Die gesetzliche Grundregel lautet, dass die Gläubiger einer Kapitalgesellschaft sich grundsätzlich an diese halten müssen, um eine Befriedigung ihrer Forderungen oder Ersatz ihrer Schäden zu erlangen. Dieses Prinzip darf durch Haftungssanktionen nur in Missbrauchsfällen durchbrochen werden.611 Dieser Erkenntnis trägt auch das französische Recht Rechnung, obgleich in weniger offensichtlicher Weise als das deutsche. Es sieht zwar einen einheitlichen Haftungstatbestand vor, der nicht an das vorliegen einer Krise anknüpft, aber in der Praxis wird sehr wohl eine Differenzierung vorgenommen. Denn die französische Rechtsprechung handhabt das Tatbestandsmerkmal des Geschäftsführungsfehlers im Rahmen der action en comblement du passif außerhalb der Krise restriktiver als in der Krise: Während in der Krise die bloße Unternehmensfortführung häufig schon ausreicht, werden außerhalb der Krise in der Regel nur gravierende Geschäftsführungsfehler erfasst, die häufig in der Nähe sittenwidri607 Als Anspruchsgrundlage kommt ggf. auch eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. verschiedenen Schutzgesetzen in Betracht. 608 Vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Michalski/Haas, § 43 GmbHG Rn. 295 ff. 609 Vgl. BGH NJW-RR 1992, 1061 f.; GmbHR 1994, 179 (180). 610 Siehe dazu auch Haas, Gutachten, S. E 39 ff. 611 Ähnlich Haas, Gutachten, S. E 41 f.

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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gen Verhaltens liegen.612 Die Diskrepanz im Schutzniveau zwischen beiden Ländern ist demnach nicht so groß, wie es auf den ersten Blick erscheint. Die verbleibenden Unterschiede sind nicht so gewichtig, dass von einem behebungsbedürftigen Gläubigerschutzdefizit in Deutschland die Rede sein könnte.613 Vor diesem Hintergrund erscheint die Zusammenfassung der Geschäftsführerhaftung zu einem einheitlichen Tatbestand auch nicht als Vorbild. Vielmehr trägt das deutsche Recht den Unterschieden in der Schutzbedürftigkeit der Gläubiger angemessen Rechnung, indem es in der Krise einen speziellen Haftungstatbestand und außerhalb der Krise eine andere, auf Missbrauchsfälle begrenzte Sanktionsnorm bereithält. 2. Gesellschafterhaftung Eine unmittelbare Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern muss schon aufgrund der gesetzlichen Anordnung des Haftungsprivilegs in § 13 Abs. 2 GmbHG als Grundprinzip des GmbH-Rechts die absolute Ausnahme bilden. Dennoch kann in besonders gelagerten Fallkonstellationen das gläubigerschädigende Verhalten der Gesellschafter eine solche Intensität annehmen, dass eine Außenhaftung angemessen erscheint. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Gesellschafter aufgrund ihrer internen Mitwirkungsrechte und des Weisungsrechts gegenüber den Geschäftsführern die Geschäftsführung der Gesellschaft entscheidend zum Schaden der Gläubiger beeinflussen. Besonders in der Krise der Gesellschaft erwächst hieraus, wie im Fall der Geschäftsführer auch, ein erhöhtes Risiko für die Gesellschaftsgläubiger. Dass der Gesetzgeber diesem besonderen Risiko, anders als für die Geschäftsführer, nicht durch haftungsbewehrte Verhaltenspflichten für Gesellschafter entgegenwirkt, bedeutet nicht, dass die Gläubiger insoweit schutzlos gestellt wären. Vielmehr haben sich in der Rechtspraxis Haftungskonstruktionen herausgebildet, die die

612 Beispiele für relevante Geschäftsführungsfehler außerhalb der Krise: (1) das Versäumnis, interne Kontrollstrukturen zu installieren, die der Gesellschaft und dem Geschäftsführer erlauben, die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft jederzeit einschätzen und im Fall der Krise entsprechende Sanierungsmaßnahmen ergreifen zu können („anarchie totale“), Cass. com. 14.12.1993, Bull. civ. IV, Nr. 473; (2) die Einrichtung ungeeigneter interner Organisationsstrukturen, die zum Verlust von Marktchancen führt, Cass. com. 03.10.2000, Bull. Joly 2001, 24 m. Anm. Le Cannu; (3) die Finanzierung unnötiger Arbeiten und die Fortführung eines verlustbringenden Geschäfts, Cass. com. 13.11.1990, Bull. civ. IV, Nr. 276; (4) die bewusste Verlagerung von Verlusten des defizitären Unternehmens einer Schwestergesellschaft innerhalb der Unternehmensgruppe auf die betroffene Gesellschaft ohne Gegenleistung, Cass. com. 30.03.1999, RJDA 1999, Nr. 704; (5) die Fortführung einer Geschäftsbeziehung mit Kunden, die ihre Rechnungen in erheblichem Umfang nicht bezahlt haben, ohne Maßnahmen zur Sicherung der Begleichung der noch offenen Rechnungen, CA Paris 12.01.1996, D. 1996, IR.75. Weitere Beispiele bei Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 278. 613 So auch Haas, Gutachten, S. E 42.

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4. Teil: Bewertung

Gläubiger vor missbräuchlichem Verhalten der Gesellschafter in der Krise schützen sollen.614 Zunächst können unter Umständen die Verhaltenspflichten der Geschäftsführer über die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers auf die Gesellschafter übertragen werden.615 Für die Insolvenzantragspflicht ist dies seit dem MoMiG kaum mehr notwendig, da gemäß § 15a Abs. 3 InsO n. F. die Gesellschafter selbst u. U. zur Antragstellung verpflichtet sind. Es verbleibt jedoch die Geschäftsführerpflicht zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens nach Insolvenzreife gemäß § 64 GmbHG n. F. Allerdings sind die Anwendungsvoraussetzungen der faktischen Geschäftsführung relativ eng gefasst616, so dass diese zur Gewährleistung eines umfassenden Gläubigerschutzes gegen missbräuchliche Maßnahmen der Gesellschafter in der Krise nicht ausreicht. In Frankreich ist dieses Problem weniger akut, da aufgrund des weiten Verständnisses des dirigeant de fait 617 die Geschäftsführerpflichten häufiger auch auf einflussreiche Gesellschafter angewendet werden können.618 Einen Schritt weiter geht die Haftung gemäß § 830 BGB, die zwar eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers voraussetzt, dann aber eine Teilnahmehandlung des Gesellschafters ausreichen lässt, ohne dass die Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung vorliegen müssten.619 Vollends emanzipiert sich die Krisenhaftung der Gesellschafter von den Geschäftsführerpflichten nur in beson614

Vgl. dazu auch Vetter, ZGR 2005, 788 (813 f.). Zur Anwendbarkeit dieser Rechtsfigur i.R. d. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. s. BGHZ 150, 61 (69 f.); ThüringOLG DZWIR 2003, 82 (83). Zu § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. vgl. BGH BB 2005, 1869 (1870 f.). 616 Faktischer Geschäftsführer nach deutschem Verständnis ist eine natürliche Person (Gesellschafter oder Dritter), die, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein, auf die Geschäftsführung intern maßgeblichen Einfluss ausübt, darüber hinaus auch nach außen selbständig wie ein Geschäftsführer für die Gesellschaft handelt und dadurch die Tätigkeit des eigentlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt. Vgl. BGH BB 2005, 1867 (1868); BGHZ 150, 61 (69 f.). 617 Dirigeant de fait ist eine natürliche oder juristische Person (Gesellschafter oder Dritter), die in qualifizierter Weise Einfluss auf die wesentlichen Funktionen der Geschäftsführung nimmt. Letzteres ist der Fall, wenn sie kontinuierlich an der Geschäftsführung teilnimmt und effektiv und dauerhaft die Geschicke der Gesellschaft lenkt. Vgl. zu dieser Definition CA Paris 11.06.1987, Bull. Joly 1987, 719. Ein Auftreten nach außen ist nicht erforderlich. Es reicht vielmehr aus, dass der Betroffene den Arbeitnehmern der Gesellschaft Weisungen erteilt oder die Unternehmenspolitik intern bestimmt. Diese und weitere Beispiele bei Cozian/Viandier/Deboissy, Rn. 290. 618 Vgl. z. B. Cass. crim. 06.06.2000, RJDA 2000, Nr. 868 (Verurteilung einer Muttergesellschaft nach der action en comblement du passif); 20.09.2000, RJDA 2001, Nr. 38 (Verurteilung eines faktischen Geschäftsführers wegen abus de biens sociaux). Zur ähnlichen Rechtslage in England, wo für die Qualifikation als „shadow director“ ebenfalls kein Auftreten nach außen erforderlich ist, vgl. Fleischer, AG 1999, 350 (356 ff.); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (89); Schall, ZIP 2005, 965 (967). 619 Vgl. dazu näher Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh zu § 64 GmbHG Rn. 68; Michalski/Nerlich, § 64 GmbHG Rn. 103; Roth/Altmeppen, Vor § 64 GmbHG Rn. 142. 615

§ 11 Bewertung des bestehenden Systems und der Alternativen

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ders gelagerten Ausnahmefällen. In Betracht kommen insbesondere die oben620 angesprochenen Durchgriffshaftungsfiguren621, die vor allem, aber nicht zwangsläufig, in der Krise relevant werden. Soweit diese nicht ohnehin als Anwendungsfälle des § 826 BGB angesehen werden, ist letztere Vorschrift daneben in Fällen einer sittenwidrigen, vorsätzlichen Gläubigerschädigung durch die Gesellschafter einschlägig.622 Soweit in der Unterkapitalisierungshaftung eine Entwertung des Haftungsprivilegs gesehen wird623, dürfte dies unbegründet sein. Denn der BGH sieht diese Haftung als Anwendungsfall des § 826 BGB, der schon tatbestandlich auf Ausnahmefälle beschränkt ist. Und auch die Literatur vertritt nur eine eng umrissene Haftung bei qualifizierter materieller Unterkapitalisierung, die für Insider offensichtlich war. Einer Ausuferung kann so wirksam begegnet werden.624 Überlegungen zu einer Erweiterung dieser Haftung625 hat der MoMiG-Gesetzgeber zu Recht eine klare Absage erteilt. Dagegen spricht bereits, dass es keine belastbaren betriebswirtschaftlichen Kennzahlen für eine angemessene Kapitalausstattung gibt, so dass ein solcher Haftungsmaßstab nicht objektiv und rechtssicher ausgestaltet werden kann. Soll er auf Extremfälle einer „qualifizierten“ materiellen Unterkapitalisierung beschränkt werden, so bedarf es keines eigenständigen Tatbestandes, da diese Konstellationen bereits de lege lata befriedigend über die Vorschrift des § 826 BGB erfasst werden.626 Eine Aushöhlung des Haftungsprivilegs steht damit nicht zu befürchten. Aufgrund der engen Grenzen aller genannten Haftungstatbestände wird die Gesellschafterhaftung in Deutschland aber umgekehrt teilweise als unzureichend kritisiert.627 Dem ist zuzugeben, dass ein einflussreicher Gesellschafter, der die Unternehmenspolitik bis in die Einzelheiten bestimmt, ohne nach außen als Geschäftsführer aufzutreten, tatsächlich nicht weniger Möglichkeiten hat, die Gläubiger zu schädigen, als der ordentliche Geschäftsführer, aber einem deutlich geringeren Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Zur Abhilfe wird vorgeschlagen, die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers nach französischem Vorbild auszuweiten.628 620

Siehe § 4 I. 7. Die Existenzvernichtungshaftung ist nach neuer Rechtsprechung des BGH allerdings nur noch eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft gemäß § 826 BGB, scheidet also für eine Außenhaftung aus. Vgl. BGH NJW 2007, 2689 („Trihotel“); sowie oben, § 4 I. 7. 622 Vgl. Cahn, AG 2005, 217 (221); Schmidt, GesR, § 9 IV 4 b). 623 Vgl. oben, § 4 II. 2. f). 624 Vgl. dazu Michalski/ders./Funke, § 13 GmbHG Rn. 389 ff. 625 Vgl. oben, 3. Teil Fn. 369. 626 I. E. ebenso und ausführlich Schärtl, Doppelfunktion, S. 167 ff. Dazu auch Krüger, Mindestkapital, S. 83 ff. 627 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 47. 628 Vgl. Haas, Gutachten, S. E 47 f. 621

542

4. Teil: Bewertung

Problematisch daran ist, dass das deutsche Recht, anders als das französische, die Geschäftsführerpflichten in der Krise im einzelnen in § 64 GmbHG a. F. bzw. jetzt in den §§ 64 GmbHG, 15a InsO n. F. ausbuchstabiert. Diese Pflichten lassen sich aber nicht eins zu eins auf einen Einfluss nehmenden Gesellschafter übertragen. Eine Insolvenzverschleppungshaftung des faktischen Geschäftsführers gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. etwa wäre widersinnig. Denn dann wäre der Gesellschafter zwar zur Antragstellung verpflichtet, aber – außer im Fall eines Mehrheitsgesellschafters oder bei Führungslosigkeit gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 InsO n. F. – nicht dazu berechtigt.629 Insoweit ist eine generelle Ausweitung der Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers deshalb abzulehnen. Was jedoch Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens in der Krise betrifft, so sind die Gläubiger gegenüber Einflussnahmen der Gesellschafter genauso schutzbedürftig wie gegenüber Maßnahmen der Geschäftsleitung. Die Gesellschafter sind in der Krise nicht weniger zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen verpflichtet als die Geschäftsführer630, auch wenn sie nicht nach außen wie diese auftreten631. Der Gesetzgeber muss deshalb jegliche missbräuchliche Einwirkung auf das Gesellschaftsvermögen in der Krise zu verhindern suchen. Die bestehende Schutzlücke im deutschen Recht ließe sich – parallel zum englischen und französischen Recht – im Wege einer Ausweitung des Begriffs des faktischen Geschäftsführers durch Verzicht auf das Merkmal des Auftretens im Außenverhältnis schließen.632 Aufgrund der genannten problematischen Auswirkungen im Hinblick auf andere, spezifische Geschäftsführerpflichten wäre es allerdings vorzugswürdig, die Haftung eines intern die Geschäftsführung maßgeblich beeinflussenden Gesellschafters für Minderungen des Gesellschaftsvermögens in § 64 GmbHG gesondert anzuordnen. Haftungsbegründend wäre dann, ähnlich wie bei dem französischen dirigeant de fait, die interne, gesellschaftsrechtlich abgesicherte Gestaltungsmacht des Gesellschafters und seine darauf beruhende tatsächliche qualifizierte Beeinflussung der Geschäftsführung, sofern die Masseschmälerung darauf zurückzuführen ist.

629 630

Dies konzedierend auch Haas, Gutachten, S. E 47 f. Vgl. Reiner, in: FS Boujong (1996), S. 415 (416 ff.); Schmidt, GmbHR 2005, 797

(798). 631

Vgl. Haas, Gutachten, S. E 48. So Haas, Gutachten, S. E 50; andeutungsweise auch Roth/Altmeppen, § 64 GmbHG Rn. 54 ff. Dann müsste allerdings erst Recht i.R. d. § 15a Abs. 1 InsO klargestellt werden, dass dieser nicht auf den faktischen Geschäftsführer anwendbar ist. Denn die Insolvenzantragspflicht muss primär den ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführer treffen. 632

§ 12 Thesen

543

§ 12 Thesen 1.

Ein ausreichender Schutz der Gesellschaftsgläubiger ist im Recht der kleinen Kapitalgesellschaft unabdingbar, damit diese ihrer investitions- und wohlstandsfördernden Funktion gerecht werden kann. Ein solcher Schutz kann nicht allein auf individualvertraglicher Basis gewährleistet werden, sondern erfordert ein Eingreifen des Gesetzgebers, vor allem zugunsten von Nichtvertragsgläubigern.

2.

Das System des festen Stammkapitals, das der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft in allen drei hier untersuchten Rechtsordnungen zugrunde liegt, ist grundsätzlich geeignet, in Verbindung mit flankierenden anderweitigen Instrumenten ein angemessenes Schutzniveau sicherzustellen. Zwar erfüllt das Stammkapital viele der ihm konzeptionell zugedachten Schutzfunktionen nicht oder nur unzureichend. Sein wesentlicher Nutzen für die Gläubiger besteht aber weiterhin darin, dass es den Gesellschaftern einen persönlichen Risikobeitrag abverlangt. Dadurch stellt es eine zumindest partielle Interessenkongruenz zwischen Gläubigern und Gesellschaftern her und adressiert somit das besondere Gläubigerrisiko bei Kapitalgesellschaften, das aus dem Auseinanderfallen von Risiko und Kontrolle resultiert (Entwertungsrisiko, moral hazard). Eine Neujustierung der Finanzverfassung der kleinen Kapitalgesellschaft muss sich an dieser wichtigsten Gläubigerschutzfunktion des Stammkapitals orientieren.

3.

Die denkbaren Alternativsysteme sind dem Stammkapitalmodell nicht prinzipiell überlegen. Das Stammkapital schützt die Gläubiger, bietet aber gleichzeitig einen sicheren Hafen für die Gesellschafter und wirkt insoweit gläubigerschutzbegrenzend, um die Effektivität der Haftungsbeschränkung und damit die investitionsfördernde Wirkung der kleinen Kapitalgesellschaft zu erhalten. Ein grundlegender Systemwechsel ist deshalb abzulehnen. Er wäre mit erheblichen Kosten und Umstellungsschwierigkeiten verbunden (Pfadabhängigkeit), die in Ermangelung einer eindeutig vorzugswürdigen Alternative nicht zu rechtfertigen sind.

4.

Ein Bedürfnis nach einer neuen Gesellschafts(unter)form für Kleinstunternehmen besteht nicht. Der Rechtsrahmen der GmbH selbst ist flexibel genug, um – nach einer Reform bestimmter Einzelaspekte – auch den besonderen Anforderungen solcher Unternehmen gerecht zu werden. Ebenso wenig ist eine solche Maßnahme im Hinblick auf den Wettbewerb mit ausländischen Rechtsformen wie insbesondere der Ltd. notwendig. Denn erstens ist der Wettbewerbsdruck von außen weniger stark als vielfach befürchtet, und zweitens kann die GmbH selbst diesen Wettbewerb bestehen, wenn sie entsprechend modernisiert wird. Dieser Weg ist einer weiteren Aufsplitterung der gesellschaftsrechtlichen Typologie mit den damit einhergehenden Kosten und Rechtsunsicherheiten vorzuziehen.

544

4. Teil: Bewertung

5.

Das Mindestkapital der GmbH sollte – in Abwesenheit einer mindestkapitalfreien Rechtsformvariante wie der UG (haftungsbeschränkt) – auf 10.000 Euro abgesenkt werden. Es hat nach wie vor eine notwendige Funktion zur Festlegung eines Mindestniveaus des durch das Stammkapital vermittelten Gläubigerschutzes, insbesondere eines nennenswerten Vermögenseinsatzes der Gesellschafter. Seine Abschaffung – ob unmittelbar für die GmbH selbst oder mittelbar durch Einführung der UG (haftungsbeschränkt) – ist deshalb abzulehnen. Andererseits darf seine Bedeutung auch nicht überschätzt werden. Eine Absenkung auf einen nach wie vor nicht unerheblichen633 Betrag führt nicht zu wesentlichen Gläubigerschutzeinbußen, ist aber gleichzeitig geeignet, die GmbH für Gründer insbesondere kleiner Unternehmen attraktiver zu machen. Dies kann national Unternehmensgründungen stimulieren und stärkt die GmbH im internationalen Wettbewerb der Rechtsformen.

6.

Die Reform des Kapitalaufbringungsrechtes durch das MoMiG geht in die richtige Richtung und beseitigt einige Schwächen desselben. Weitere Deregulierungsmaßnahmen sind jedoch notwendig. Denn die Kapitalaufbringungsregeln belasten die Gesellschafter gerade in der sensiblen Unternehmensgründungsphase und haben damit eine entscheidende Bedeutung für die Attraktivität der GmbH.

7.

Die absolute Mindesteinlagepflicht von der Hälfte des Stammkapitals gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG sollte abgeschafft werden. Beibehalten werden sollte die relative Mindesteinlage von einem Viertel des jeweiligen Einlagebetrages, wobei auf die Pflicht zur sofortigen Aufbringung sämtlicher Sacheinlagen genauso verzichtet werden kann wie auf eine obligatorische Aufbringung der Mindesteinlage in bar. Dadurch werden die Finanzierungsflexibilität der Gesellschafter erhöht und Gründungen erleichtert. Zur Sicherstellung einer ausreichenden Anlauffinanzierung sollte aber eine haftungsbewehrte Pflicht zur Erstellung eines Gründungsfinanzplanes für die ersten zwei Jahre nach der Gründung nach belgischem Vorbild eingeführt werden.

8.

Die präventive Werthaltigkeitskontrolle der Einlagen durch das Registergericht ist weitestgehend abzuschaffen. Zum Schutz der Gläubiger genügt eine nachträgliche Überprüfung in der Insolvenz. Das Registergericht sollte vor der Eintragung nur noch überprüfen, ob die Gesellschafter die versprochenen Einlagen überhaupt erbracht haben und ob diese den Betrag der jeweiligen relativen Mindesteinlage abdecken. Bestehen daran erhebliche Zweifel, so ist die Eintragung abzulehnen. Dies bedeutet gegenüber dem geltenden

633 Wie oben, § 11 I. 3. f), dargelegt, bezieht sich die „Erheblichkeit“ dabei nicht auf den Umfang der Geschäftsrisiken, denen die Gesellschaft möglicherweise im Laufe ihrer Tätigkeit ausgesetzt sein wird, sondern auf die Leistungsfähigkeit der Gesellschafter aus ihrem Privatvermögen.

§ 12 Thesen

545

Recht einen erheblich reduzierten Kontrollumfang und damit eine deutliche Gründungserleichterung. 9.

Erst in der Insolvenz wird die werthaltige Erbringung der Einlagen ggf. gerichtlich überprüft. Die Gesellschafter sind insoweit beweispflichtig. Gelingt ihnen der entsprechende Beweis nicht, etwa wegen Überbewertung einer Sacheinlage, so haben sie den Differenzbetrag nachträglich in die Masse zu leisten. Haben sie allerdings die Bewertung seinerzeit von einem externen Sachverständigen vornehmen lassen, so begründet dessen Gutachten eine widerlegliche Werthaltigkeitsvermutung.

10. Weitere Neuerungen im Bereich der Kapitalaufbringung erscheinen weniger dringlich, aber dennoch erwägenswert. So sollte die Vorbelastungshaftung abgeschafft werden, da den Gesellschaftern nicht mehr abverlangt werden soll und muss als ihre Einlage als persönlicher Risikobeitrag. Außerdem könnte die Aufbringung des über die anfänglichen relativen Mindesteinlagen hinausgehenden Stammkapitals durch Thesaurierung ausschüttungsfähiger Gewinne zugelassen werden. 11. Die stammkapitalbasierte Ausschüttungssperre des geltenden Kapitalerhaltungsrechtes ist beizubehalten, die Einführung einer situativen Begrenzung wie etwa eines Solvenz- oder Bilanztestes abzulehnen. Zur Stärkung des Gläubigerschutzes sollten aber darüber hinaus nur Ausschüttungen aus dem festgestellten Jahresgewinn zulässig sein. Aus letzterem sollten außerdem – parallel zu § 150 Abs. 2 AktG – jährlich 5% in eine gesetzliche Rücklage eingestellt werden müssen, bis diese 10% des Stammkapitals erreicht. Dadurch wird die Eigenkapitalausstattung der GmbH gestärkt, ohne den Gesellschaftern zusätzliche Leistungen unmittelbar aus ihrem Privatvermögen abzuverlangen. 12. Die Reform des Rechts der Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG ist insgesamt gelungen. Sie beseitigt die unbestreitbaren Schwächen des bisherigen Rechtszustands und führt zu einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern. Weitergehende Maßnahmen sind in diesem Bereich vorerst nicht erforderlich. 13. Eine Vorverlagerung der Insolvenzauslösung ist abzulehnen. Insgesamt bietet die nunmehr rechtsformneutral ausgestaltete, im Übrigen aber den bisherigen Rechtszustand beibehaltende Regelung des § 15a Abs. 1 InsO n. F. einen ausgewogenen Interessenausgleich. Der Auslösetatbestand der Zahlungsunfähigkeit kombiniert eine späte Insolvenzauslösung mit klarer Erkennbarkeit und Justiziabilität. Der Tatbestand der Überschuldung greift demgegenüber früher ein, ist aber schwieriger feststellbar. Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer fakultativen Auslösung bei drohender Zahlungsunfähigkeit.

546

4. Teil: Bewertung

14. Die Insolvenzverschleppungshaftung ist seit Inkrafttreten des MoMiG rechtsformübergreifend in § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. geregelt. Die Geschäftsführerhaftung für Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens nach Insolvenzreife findet sich allerdings immer noch GmbH-spezifisch in § 64 GmbHG n. F. Hier wäre eine rechtsformneutrale Regelung ebenfalls wünschenswert. Außerdem sollte die Haftung, ähnlich wie in anderen ausländischen Rechtsordnungen, zu einer allgemeinen Haftung für die Herbeiführung der Insolvenz oder eine Erhöhung der Unterdeckung der Gesellschaftsschulden nach Insolvenzreife ausgeweitet werden, deren Höhe im Einzelfall im Ermessen des Gerichts stehen könnte. Die Einführung einer Generalklausel für gläubigerschädigendes Verhalten inner- oder außerhalb der Krise nach dem Vorbild der französischen action en comblement du passif ist hingegen abzulehnen. 15. Eine Ausweitung der nach geltendem Recht sehr engen Tatbestände für eine Außenhaftung der GmbH-Gesellschafter ist grundsätzlich abzulehnen, um die Effektivität der Haftungsbeschränkung zu erhalten. Etwas anderes gilt nur für einen intern die Geschäftsführung maßgeblich beeinflussenden Gesellschafter, der nach Insolvenzreife eine Schmälerung des Gesellschaftsvermögens zu Lasten der Gläubiger herbeiführt. Letztere sind insoweit nicht weniger schutzwürdig als gegenüber Maßnahmen des Geschäftsführers, die in § 64 GmbHG sanktioniert werden. Diese Schutzlücke sollte nicht durch eine Ausweitung der Figur des faktischen Geschäftsführers, sondern durch einen spezifischen Haftungstatbestand ähnlich dem § 64 GmbHG n. F. geschlossen werden.

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Stichwortverzeichnis Action en Comblement du Passif 146, 154, 155, 158–163, 188, 243, 248, 306, 329, 344, 466, 511, 532, 533, 538, 540, 546 akkumulierendes Stammkapitalkonzept 283, 441 Anfechtungsfrist 244, 246, 268, 270, 272, 303, 506, 508, 509, 512, 513, 515, 518, 519, 525 Anlauffinanzierung 56, 260, 403, 425, 427, 429, 438, 439, 445, 456, 458, 460–462, 464, 473, 480, 544 – darlehensbasierte 438 Anrechnungslösung 236, 292, 466 Ausfallrisiko – anfänglich 38, 39, 403 – Bedeutung 34 – Definition 36 – nachträglich 40, 385 Ausschüttungssperre – Begrenzung auf den Unternehmensgewinn 295, 486 – bilanzbezogene 382 – situative 296, 488 Basel-II-Abkommen 390 Basis-GmbH 311 Belgisches Modell 342, 464, 465, 473, 544 Bénéfice Distribuable 135, 140 Bestattungsfälle 222, 250 Bestellungshindernis 251 Bewertungsrisiko 35, 39, 402 bilanzielle Betrachtungsweise 234, 235, 237, 238, 262–264, 485 Bilanztest 300, 310, 491 Blitz-GmbH 352 Business Judgment Rule 159, 298, 489

Capital d’Engagement 345, 346, 396, 400 Cash Flow 102, 114, 168, 213, 390, 535 Cash Pool 137, 238–240, 262, 263, 464, 486 Clauses de Subordination 146 Compliance-Kosten 106, 294, 314, 319, 393, 394 Comptes Courants d’Associés 132, 140– 142 Conventions de Blocage 143, 146 D&O-Versicherung 274, 299, 393 Deregulierung des Gesellschaftsrechts 24 Dividende, fiktive 136 Durchgriffshaftung 30, 53, 96, 98–100, 105, 119, 120, 157, 162, 212, 259, 314, 443, 502 Eigenkapitalersatzrecht – eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung 118 – Grundlagen 87 – Kritik 115 – mittelbare Gesellschafterdarlehen 93 – nach MoMiG 241 – Novellenregeln 87, 88, 90, 93, 118, 241–243, 246, 265, 266, 271, 301, 500, 505, 506, 508, 510 – Reaktionen auf die Reform 264 – Rechtsprechungsregeln 53, 87, 88, 90, 93, 94, 115, 118, 190, 191, 241, 243, 267, 271, 272, 301, 495, 500, 505–510, 513, 516, 518, 521 Eigenkapitalquote 29, 39, 46, 56, 318, 380–382, 390, 432, 437 Ein-Euro-Gesellschaft 255, 256, 260, 280, 319, 438, 446, 450

Stichwortverzeichnis Einlagenrückgewähr, Verbot der 186, 298 Einstiegsvariante 227, 229, 259, 282, 359, 418 Entwertungsrisiko 35, 41, 42, 543 Erfüllungslösung 236, 237, 466, 467 Europäische Privatgesellschaft 26, 281, 300 faktischer Geschäftsführer 95, 120, 305, 540–542, 546 Faute Détachable 157–159, 202 Financial Covenants 105, 282, 337, 348, 372, 375 Finanzierungsfolgenverantwortung 89, 91, 115, 189, 269, 304, 496, 512, 515, 516, 519, 520 Finanzierungsfreiheit 115, 117, 268, 512–514 Finanzplan 282, 291, 464, 473 Finanzverfassung – angelsächsisches Modell 22, 24, 26, 105, 314, 378, 392, 402 – Definition 25, 27 – Deutschland (GmbH) nach MoMiG 234 – Deutschland (GmbH) vor MoMiG 52 – kontinentaleuropäisches Modell 22, 107, 171, 177, 373, 378, 392, 423 – Unternehmensfinanzierung 22, 27, 28, 37, 117, 120, 166, 213, 269, 297, 316, 322, 324, 325, 328, 336, 361, 379–381, 390, 403, 421, 439, 461, 503 Free Riding 375 Führungslosigkeit 248, 249, 251, 273, 494, 525, 542 Gambling for Resurrection 44, 45, 387, 397 Garantiesummenmodelle 396–398, 400 Genehmigtes Kapital 247 Geschäftsführerhaftung – Deutschland (GmbH) 94, 249 – Frankreich (SARL) 156 – Spanien (S.L.) 195

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Gesellschafterdarlehen – Kleinbeteiligungsprivileg 93, 189, 245, 249, 520 – Legitimation eines Sonderrechts für ~ 492 – Rangrücktritt 93, 118, 144, 189, 191, 243, 244, 267, 269, 318, 499, 506, 507, 518, 521, 522, 525, 526 – Sanierungsprivileg 93, 145, 245, 266, 302, 304, 521, 523 Gesellschafterhaftung – Durchgriffshaftung 96, 105, 314, 502 – Existenzvernichtung 99 – Frankreich (SARL) 163 – gesetzliche Garantiehaftung 344, 346 – Kritik 119 – Spanien (S.L.) 208 – Staffelregress 74 – Unterkapitalisierung 98 – Vermögensvermischung 97, 98 Gesellschafterliste 232, 252, 275, 276 Gewinnthesaurierung 284, 285, 318, 442, 468, 478 Gläubigerrisiken 31, 34, 35, 48, 75, 120, 395, 402, 435, 471, 487, 503, 517, 534 Gläubigerschutz – Ansatzpunkte 48 – Garantiesumme 396 – haftungs- und insolvenzrechtlicher 391 – individualvertraglicher 376 – Instrumente 28, 29, 35, 36, 48, 50, 116, 121, 161, 185, 285, 308, 333, 339, 404, 441 – Notwendigkeit eines gesetzlichen ~ 374 Gläubigerschutzlücke 246, 247, 271, 336, 341, 396 Gründungshürde 224, 255, 292, 324, 344, 400, 427–430, 436, 443, 446, 455, 457, 458, 471, 472 Gründungskosten 215, 260, 279, 428, 436, 477 Gründungsprüfung 59, 62, 63, 284, 290, 476

582

Stichwortverzeichnis

Gründungs-Set 231 Gründungsverfahren, vereinfachtes 232, 275 Haftungskapital 345 Haftungsprivileg, Entwertung des ~ 48, 84, 120, 330, 345, 347, 440, 482, 541 Hin- und Herzahlen 72, 237, 262, 478 Informationsasymmetrie 37, 39, 40, 376, 426 Informationsrisiko 35, 39 Informationsvorsprung 269, 497–499 Insiderstellung 269, 270 Insolvenzanfechtung 191, 242, 244, 246, 268, 298, 304, 506, 513 Insolvenzantragspflicht 53, 95, 103, 119, 192, 247, 248, 271, 272, 300, 306, 307, 438, 494, 507, 526, 530, 533, 535, 537, 540, 542 – nach MoMiG 248 – vor MoMiG 94 Insolvenzauslösungstatbestand 300, 490, 521, 528, 529, 532 Insolvenzeröffnungskapital 278, 286– 288, 293, 316, 345, 396 Insolvenzprophylaxe 314, 386, 483, 489 Insolvenzrisiko – allgemein 37, 50, 105, 341, 398 – Insolvenzeintrittsrisiko 40, 403 – Insolvenzverursachungsrisiko 35, 42 Insolvenzverfahren – Frankreich 132, 142, 144, 147, 154, 159, 162, 163, 248, 341 – Spanien 191 Insolvenzverschleppung 45, 95, 151, 154, 161, 193, 287, 303, 493, 494, 501, 509, 525, 533 Insolvenzverschleppungshaftung 95, 96, 118, 119, 158, 159, 248, 273, 298, 304, 306, 307, 314, 494, 518, 533, 535, 537, 542, 546 Insolvenzversicherung 395

Interessengleichlauf 190, 387, 394, 405, 434, 439 Internationale Rechnungslegung – IAS 26, 114, 295, 484 – IFRS 26, 114, 295, 484 Intransparenzhaftung, allgemeine 274 Investitionsanreiz 41, 511 Kapitalaufbringung – Deutschland (GmbH) vor MoMiG 58, 63 – Erlassverbot 69 – Frankreich (SARL) 127 – Grundsatz der realen ~ 58, 63, 64, 178, 180, 181, 450 – Kritik (GmbH) 111 – Kritik (S.L.) 215 – Mindesteinlagepflicht 59–61, 63, 109, 398, 427–431, 446, 448, 454–457, 462, 464, 470–473, 479 – Mindesteinlagepflicht, absolute 255, 454–457, 460–462, 470, 471, 544 – Reaktionen auf die Reform 261 – registergerichtliche Prüfung 62 – Spanien (S.L.) 180 Kapitalerhaltung – Deutschland (GmbH) nach MoMiG 239 – Deutschland (GmbH) vor MoMiG 77 – Frankreich (SARL) 135 – Kritik (GmbH) 113 – Reaktionen auf die Reform 263 – Spanien (S.L.) 184 – Staumauer-Metapher 54, 78, 135, 184 Kapitalschutz, Legitimation eines präventiven ~ 451 Kaufmann mbH 312 KMU 45, 166, 176, 282, 284, 300, 319, 336, 351, 353, 356, 361, 366, 373, 419, 425, 448 Kommanditistenmodell 236, 293, 311, 481 Kontrollkosten 375, 387, 524 Korrespondenzgebot 64, 66

Stichwortverzeichnis Kostenexternalisierung 386, 403 Krisendarlehen 91, 117, 270, 271, 493, 497, 501, 511, 512, 517, 521 Krisenverantwortung 305, 306, 308, 507, 532, 533, 536 Leverage Effect 39 Ley Concursal 187, 188, 191, 193 Limited, Deutsche 309, 408–411 Liquidationsverfahren (liquidation judiciaire) 155 Loi NRE 124, 128, 290, 324–326, 454 Loi pour l’Initiative Économique 25, 124, 126, 130, 149, 169, 170, 319–322, 324–327, 330, 332, 333, 337, 340, 341, 350 MiKaTraG 107, 220, 221, 224, 422 Minderheitenschutz 175, 294 MindestkapG 220, 221, 224, 225, 254, 256, 280, 416, 446 Mindestkapital – Abschaffung 57, 111, 165, 166, 169, 170, 214, 225, 230, 249, 254, 255, 257, 259, 260, 278–280, 304, 320, 321, 324–329, 331, 332, 334–342, 344, 345, 415, 417, 419, 422, 429–431, 437–439, 449, 454, 457 – als Gründungshürde 428 – als Krisenpuffer 382, 383, 422, 423, 425, 431, 432, 443–445, 468, 483, 487 – Deutschland (GmbH) 55 – einzelfallbezogenes 285, 443 – Frankreich (SARL) 126 – Kritik (GmbH) 107 – Kritik (SARL) 168 – Kritik (S.L.) 214 – nachträgliches 287 – optionales 281 – Reaktionen auf die Reform 254 – Reform durch das MoMiG 224 – Spanien (S.L.) 178 – weitere Reformvorschläge 278 Mindestkorrespondenz, Prinzip der ~ 178

583

Monitoring 395 moralisches Risiko (moral hazard) 41, 43, 395, 426, 439, 442, 445, 499, 527, 534, 543 Mustersatzung 231, 232, 259, 274, 275, 311, 363, 368 Nachschusspflicht 41, 116, 165, 287, 444, 460, 477, 499 Neue Gesellschaftsform 122, 226, 259, 280, 308, 311, 313, 356, 370, 373, 407, 413, 414, 419 Nichtanwendungserlass 240, 241, 268 Niederlassungsfreiheit 23, 319 – EuGH-Rechtsprechung zur ~ 104 November-Rechtsprechung 239, 241 opportunistisches Verhalten 42, 43, 56, 306, 335, 398 Pfadabhängigkeit 298, 299, 401, 406, 491, 543 Pflichtversicherung 282, 315 Pflichtversicherungsmodell 395 Piercing the Corporate Veil 97, 212 Prinzipal-Agenten-Problem 33, 42, 283, 397, 404, 434, 452, 485, 503 Publizitätspflichten 40, 378, 412 Publizitätsvorschriften 70, 152, 172, 378, 392 Rangrückstufung 243, 246, 302–304, 493, 502, 516, 522–524 Rating-Agenturen 315, 348 Rechtsformvariante 229–230, 258, 261, 411, 415, 416, 418, 419, 447, 449, 544 Rechtsformzusatz 258, 418 Reform – radikale 313 – systemimmanente 276, 313 Risikoexternalisierung 395, 427 Risikoverlagerung 31, 33, 426, 452

584

Stichwortverzeichnis

Risikoverteilung 30, 56, 166, 258, 297, 334, 404, 483, 484, 488, 500, 502, 503, 508, 514, 515, 517, 519, 526, 545 Risikoverteilungsfunktion 469 Sacheinlage – Differenzhaftung des Inferenten 66 – Einbringungsverfahren 59 – Überbewertung 62, 71, 133, 134, 163, 209, 293, 476 – Verfahren 459, 466 Sachgründungsbericht 59, 61, 131, 135, 182, 290, 458, 467 Sachübernahme, verschleierte 71 Sanierungsdarlehen 145, 152, 245, 267, 302, 522–524 Sanierungsinvestition 511 Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) 154 SARL à libre capital 340, 341, 417 Schein-Auslandsgesellschaften 408 Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) 151 Seriositätsschwelle 57, 109, 110, 224, 254, 279, 280, 333, 388, 390, 423, 426, 431, 433–434, 436, 445–448, 456, 462, 463, 469–471, 473, 475, 477, 480, 481 Seriositätssignal 109, 110, 279, 281, 294, 324, 388, 390 Sicherer Hafen 255, 267, 299, 309, 393, 400, 405, 520, 543 Sicherungsverfahren (procédure de sauvegarde) 152 Signaling Effect 388 S.L.N.E. – Bewertung des Schrifttums 362 – Einmann-~ 355 – Höchstkapital 173, 231, 356, 365 – Rechtsregime 352 Soll-Eigenkapital 289, 293, 316–318, 396 Solvenzerklärung 282 Solvenztest 249, 263, 284, 296–300, 307, 310, 348, 392, 488–490

Solvenzzertifikat 297 Soutien Abusif 146, 494 Stammkapital – absolute Garantiefunktion 383, 385, 425, 445 – als Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger 383 – als persönlicher Risikobeitrag der Gesellschafter 385 – als Seriositätsindiz 109, 388, 420, 442 – als Seriositätsschwelle 57, 109, 110, 224, 254, 279, 280, 333, 388, 390, 423, 426, 431, 433, 434, 436, 445–448, 456, 462, 463, 469–471, 473, 475, 477, 480, 481 – als Soliditätsindiz 388, 421, 423 – Doppelfunktion 103, 379 – Existenzberechtigung des ~ 378 – Finanzierungsfunktion 319, 380–382, 397, 398, 425, 429, 438, 439, 441, 445, 480, 482 – Funktionen und Wirkungen 379 – Gläubigerschutzfunktion 382 – grundsätzliche Bedeutung 53 – Informationsfunktion 387, 390, 423, 442 – relative Garantiefunktion 386, 387, 483 Thesaurierungspflicht 228, 229, 258– 260, 285, 296, 447, 468, 479 Transaktionskosten 314, 377, 378, 391, 413, 415 Überpari-Emission 65, 215 UG (haftungsbeschränkt) – Bewertung im Schrifttum 257 – Rechtsregime 225 Unterfinanzierung, strukturelle 38, 41, 57 Unterkapitalisierung – formelle 98 – materielle 99, 119, 281, 282, 314, 328, 503, 541

Stichwortverzeichnis unternehmerisches Risiko 29, 31–34, 36, 43–45, 48, 54, 56, 99, 110, 283, 318, 344, 385, 389, 395, 406, 425, 445, 451, 452, 463, 472, 478, 484, 508, 517, 519, 524 Unterpari-Emission 65, 66 Upstream Loans 239 Verbandssouveränität 375 Volleinzahlung, anfängliche 290 Vollliberierungspflicht 460–462 Vorbelastungshaftung 76, 165, 459, 477, 545 Vorbelastungsverbot 63 Vor-SARL 129, 323, 327

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Vorsichtsprinzip 79, 114, 484 Vor-S.L. 204, 217 Warnverfahren (procédure d’alerte) 150 Werthaltigkeitskontrolle 227, 234, 236, 316, 457, 459, 466–468, 471, 475, 477, 480, 544 Wettbewerb der Rechtsordnungen 23, 220, 223, 244, 253, 260, 276, 280, 283, 292, 297, 308, 319, 374, 411, 413, 414, 421, 428, 448, 449, 544 – Delaware-Effekt 23 – race to the bottom 23, 411 Wrongful Trading 250, 273, 306, 315, 392, 404, 532, 535–536