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German Pages 295 [296] Year 2012
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 283 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Meiko Dillmann
Der Schutz der Privatsphäre gegenüber Medien in Deutschland und Japan Eine rechtsvergleichende Untersuchung der zivilrechtlichen Schutzinstrumente
Mohr Siebeck
Meiko Dillmann, geboren 1979; Studium der Musik und der Rechtswissenschaft in Freiburg; 2010 Promotion in Freiburg, mit Forschungsaufenthalten an der Universität Kyoto; seit 2010 Rechtsanwältin in Düsseldorf.
e-ISBN 978-3-16-152130-0 ISBN 978-3-16-152075-4 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/2012 von der AlbertLudwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung konnte Literatur bis Mai 2012 berücksichtigt werden. Sehr herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M., für die hervorragende Betreuung der Arbeit von den ersten Schritten bis zum Abschluss. Ebenso herzlich danke ich Herrn Prof. Dr. Keizo Yamamoto dafür, dass er mich während meiner Forschungsaufenthalte an der Universität Kyoto so freundlich aufgenommen, die Arbeit wie ein zweiter Doktorvater aus japanischer Sicht so intensiv betreut und sich schließlich auch zur Erstellung des Zweitgutachtens bereit erklärt hat. Nicht zuletzt der Austausch mit ihm sowie den anderen Doktoranden und Gastforschern an seinem Lehrstuhl haben die Arbeit sehr bereichert. Für vielfältige weitere Unterstützung durch Familie, Freunde, Lehrer und Kollegen in Deutschland wie in Japan, sei es durch Diskussionen und fachlichen Austausch, sorgfältiges Korrekturlesen oder auch schlicht dadurch, dass sie mir den Rücken freigehalten haben, möchte ich mich ebenfalls sehr herzlich bedanken. Namentlich erwähnt seien Frau Gabriele Koziol, Frau Christine Wilke, Herr Dominik Balzer, sowie meine Eltern. Gedankt sei ferner dem Cusanuswerk, der Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie dem DAAD für die finanzielle und ideelle Förderung von Studium und Promotion sowie meiner Forschungsaufenthalte in Japan. Düsseldorf, im Oktober 2012
Meiko Dillmann
Inhaltsübersicht Vorwort ..........................................................................................................V! Inhaltsübersicht ......................................................................................... VII! Inhaltsverzeichnis ...................................................................................... XI! Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... XIX! Kapitel 1: Einleitung ....................................................................................1! A. Problemstellung und Gang der Darstellung..................................................1! B. Anmerkungen zur Terminologie, insbesondere zur Verwendung japanischer Begriffe, zur Zitierweise und zur Bezeichnung japanischer Gerichte .....................................................................................4! C. Bemerkungen zur Medienlandschaft in Japan ..............................................6!
Kapitel 2: Überblick über den Schutz der Privatsphäre in Deutschland ...............................................................................................9! A. Die relevanten Schutzbereiche .....................................................................9! B. Rechtsfolgen bei Verletzungen ...................................................................17! C. Postmortaler Schutz der Persönlichkeit ......................................................26!
Kapitel 3: Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes im japanischen Zivil- und Verfassungsrecht..............................................31! A. Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes ....................................................31! B. Dogmatische Besonderheiten des Deliktsrechts – kein Erfordernis eines absoluten Rechts ................................................................................33! C. Bedeutung der Verfassung für den Persönlichkeitsschutz..........................35!
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Inhaltsübersicht
Kapitel 4: Die für den Schutz der Privatsphäre relevanten Rechtsgüter und deren Schutzbereiche .................................................39 A. Überblick über die relevanten Rechtsgüter in Japan ..................................39 B. Der Schutz der Ehre und die Bedeutung des Rechtsguts für den Schutz der Privatsphäre in Japan ............................................................................40 C. Der Schutz des „Ehrgefühls“ und Bedeutung für den Schutz der Privatsphäre in Japan ............................................................................77 D. Das Puraibashî-ken – Recht auf Privatsphäre............................................83 E. Das Bildnisrecht..........................................................................................94 F. Das Publicity-Recht...................................................................................113
Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre – Die Abwägung zwischen Persönlichkeits- und Allgemeininteressen .................................................................................125 A. Zusammenfassung der Abwägungskriterien und Überblick ....................125 B. Das öffentliche Interesse am Privatleben bekannter Personen .................126 C. Die identifizierende Berichterstattung über Straftäter ..............................132 D. Berichterstattung über Opfer ....................................................................139
Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung ...............145 A. Überblick ..................................................................................................145 B. Ansprüche auf Zahlung von Geld.............................................................147 C. Die Entschuldigungsanzeige.....................................................................180 D. Weitere Formen der Wiederherstellung ...................................................198 E. Anspruch auf Unterlassung.......................................................................206
Kapitel 7: Postmortaler Schutz der Persönlichkeit ...........................219 A. Überblick ..................................................................................................219 B. Rechtslage in Japan...................................................................................219 C. Überlegungen zum Hintergrund der unterschiedlichen Konstruktionen des postmortalen Schutzes in Deutschland und Japan..............................226 D. Vor- und Nachteile der beiden Modelle ...................................................229 E. Folgerungen aus dem japanischen Recht für einen postmortalen Ersatz immaterieller Schäden im deutschen Recht? .................................230
Inhaltsübersicht
IX
Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen ...................235 Anhang ........................................................................................................243 A. Übersicht zu den wichtigsten zitierten japanischen Gesetzesvorschriften .................................................................................243 B. Übersicht zu den wichtigsten verwendeten Übersetzungsbegriffen ..............................................................................246
Literaturverzeichnis..................................................................................247 A. Deutsch- und englischsprachige Literatur ................................................247 B. Japanische Literatur ..................................................................................253
Sachregister ................................................................................................270
Inhaltsverzeichnis Vorwort........................................................................................... V! Inhaltsübersicht ......................................................................................... VII! Inhaltsverzeichnis ...................................................................................... XI! Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... XIX! Kapitel 1: Einleitung ....................................................................................1! A. Problemstellung und Gang der Darstellung..................................................1! B. Anmerkungen zur Terminologie, insbesondere zur Verwendung japanischer Begriffe, zur Zitierweise und zur Bezeichnung japanischer Gerichte .....................................................................................4! C. Bemerkungen zur Medienlandschaft in Japan ..............................................6!
Kapitel 2: Überblick über den Schutz der Privatsphäre in Deutschland ...............................................................................................9! A. Die relevanten Schutzbereiche .....................................................................9! I.! Das Recht am eigenen Bild .....................................................................9! II.! Sonstige kodifizierte Bereiche ..............................................................13! III.!Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ...................................................13! 1.!Herleitung und Inhalte.......................................................................13! 2.!Ehrenschutz .......................................................................................14! 3.!Identitätsschutz..................................................................................14! 4.!Schutz der Selbstbestimmung und Geheimnisschutz........................15! 5.!Begrenzung durch die Meinungs- und Pressefreiheit der Medien.........................................................................................15! IV.!Schutz vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts .........16! B. Rechtsfolgen bei Verletzungen ...................................................................17! I.! Ansprüche auf Unterlassung .................................................................17! II.! Ansprüche auf Beseitigung ...................................................................17! III.!Gegendarstellungsrechte .......................................................................19!
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Inhaltsverzeichnis
IV. Geldzahlungsansprüche ........................................................................19 1. Ersatz materieller Schäden über das Deliktsrecht .............................19 2. Ersatz immaterieller Schäden über das Deliktsrecht.........................23 3. Bereicherungsrecht............................................................................25 4. Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung..........................25 C. Postmortaler Schutz der Persönlichkeit ......................................................26
Kapitel 3: Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes im japanischen Zivil- und Verfassungsrecht..............................................31 A. Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes ....................................................31 B. Dogmatische Besonderheiten des Deliktsrechts – kein Erfordernis eines absoluten Rechts ................................................................................33 C. Bedeutung der Verfassung für den Persönlichkeitsschutz..........................35
Kapitel 4: Die für den Schutz der Privatsphäre relevanten Rechtsgüter und deren Schutzbereiche .................................................39 A. Überblick über die relevanten Rechtsgüter in Japan ..................................39 B. Der Schutz der Ehre und die Bedeutung des Rechtsguts für den Schutz der Privatsphäre in Japan .........................................................40 I. Überblick...............................................................................................40 II. Grundlage des Schutzes und dogmatische Einordnung des Rechts auf Ehre nach dem JZGB ......................................................................40 III. Der Begriff der Ehre .............................................................................41 IV. Reichweite des Begriffs der Ehre im Vergleich zum Verständnis in Deutschland – Abgrenzung zum Anwendungsbereich des Puraibashî-Rechts.................................................................................42 1. Die Behandlung verschiedener Fallgruppen im japanischen Recht..................................................................................................42 a) Fallgruppe 1: Schilderungen des Beziehungslebens ....................42 b) Fallgruppe 2: Intime Details .........................................................46 c) Fallgruppe 3: Ehe- und Familienleben .........................................46 d) Fallgruppe 4: Physische oder psychische Krankheiten ................48 e) Fallgruppe 5: Aktuelle Straftaten und Vorstrafen ........................49 f) Fallgruppe 6: Sonstiger missbilligenswerter Lebenswandel oder Enttäuschung bestimmter Erwartungen oder Ansprüche an die Person.................................................................................53 g) Fallgruppe 7: Verbreitung neutraler Tatsachen ............................54
Inhaltsverzeichnis
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h)! Fallgruppe 8: Bildberichterstattung – Abgrenzung zum Bildnisrecht...................................................................................56! 2.!Zusammenfassende Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Ehre und Puraibashî in Japan ....................................................57! a)! Grundsätzlicher Vorrang der Ehre................................................57! b)! Ausnahmen von der Vorrangigkeit des Ehrenschutzes ................58! c)! Vermischungen .............................................................................59! d)! Wandlungen im Zuge der zeitlichen Entwicklung .......................59! 3.!Einfluss des immanenten Kulturverständnisses auf die Ausgestaltung des Ehrenschutzes in Japan .......................................60! a)! Mögliches Fazit 1: Die heutige Rechtslage als Konsequenz konservativer Moralvorstellungen und Ausdruck dessen, dass der sozialen Stellung und Gesichtswahrung nach außen eine größere Bedeutung zugemessen wird als einer individuellen Freiheitssphäre..............................................................................60! b)! Mögliches Fazit 2: Die heutige Rechtslage ist als Produkt historischer Zufälligkeiten ohne tiefere Bedeutung......................60! c)! Einordnung ...................................................................................61! 4.!Lage in Deutschland im Vergleich zu Japan .....................................63! a)! Grundsätzliche Abgrenzung .........................................................63! b)! Geringe Bedeutung des Ehraspekts und geringe Moralanforderungen? ...................................................................65! 5.!Einfluss unterschiedlicher kultureller Hintergründe auf die Unterschiede im deutschen und japanischen Recht ..........................68! 6.!Bewertung der beiden Modelle .........................................................69! V.! Konsequenzen aus dem Erfordernis einer objektiven Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung für eine Ehrverletzung ........................70! 1.!Objektives Verständnis des Aussageinhalts eines Berichts ..............70! 2.!Objektive Wert- und Moralmaßstäbe ................................................71! 3.!Abhängigkeit der Ehre von der sozialen Position und vom gesellschaftlichen Ruf einer Person ..................................................72! VI.!Die Grundsätze der Wahrheitsmäßigkeit und der Angemessenheit als Ausschlussgrund für eine Haftung...................................................75! 1.!Rechtslage in Japan ...........................................................................75! 2.!Vergleich zu Deutschland .................................................................76! VII.!Besondere Rechtsfolgen bei Ehrverletzungen.....................................76! C. Der Schutz des „Ehrgefühls“ und Bedeutung für den Schutz der Privatsphäre in Japan ..................................................................................77! I.! Überblick...............................................................................................77! II.! Ehrgefühl als geschütztes Interesse.......................................................78! III.!Bedeutung des Ehrgefühls für den Schutz der Privatsphäre .................81! D. Das Puraibashî-ken – Recht auf Privatsphäre ............................................83!
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Inhaltsverzeichnis
I. Überblick...............................................................................................83 II. Entwicklung des Puraibashî-Rechts in Japan.......................................83 III. Rechtsnatur des Rechts auf Puraibashî ................................................85 IV. Inhalt des Schutzes der Puraibashî .......................................................87 1. Geschützte Aspekte im Allgemeinen ................................................87 2. Kriterien ............................................................................................88 3. Fallgruppen........................................................................................89 4. Schutz bezüglich wertneutraler Tatsachen ........................................90 V. Rechtfertigung von Eingriffen in das Puraibashî-ken durch öffentliche Interessen ............................................................................91 VI. Zusammengefasst: Bedeutung des Puraibashî-Rechts in Japan...........93 E. Das Bildnisrecht..........................................................................................94 I. Überblick...............................................................................................94 II. Herleitung des Bildnisrechts .................................................................94 III. Dogmatische Einordnung des Bildnisrechts .........................................95 IV. Inhalt des Rechts ...................................................................................97 V. Anforderungen an die Einwilligung in eine Veröffentlichung im Vergleich zum deutschen Recht ......................................................99 1. Fehlender Protest als konkludente Einwilligung...............................99 2. Geringeres Bewusstsein für die Zweckgebundenheit der Einwilligung ..............................................................................102 VI. Anforderungen an die Rechtfertigung einer Veröffentlichung durch öffentliche Interessen im Vergleich zu Deutschland ................104 VII. Stellung des Rechts in der Anwendungspraxis .................................106 1. Die geringere Bedeutung des Bildnisrechts in Japan – Zahlen .......106 2. Verhältnis von Bildnisrecht und Ehre bei der Verbreitung von Bildnissen, die das Ansehen des Abgebildeten gefährden ..............107 3. Rolle des Bildnisrechts bei Bebilderung eines persönlichkeitsverletzenden Artikels ..............................................108 a) Meist keine Prüfung des Bildnisrechts .......................................109 b) Auch bei Prüfung des Bildnisrechts keine erhöhten Zulässigkeitsanforderungen........................................................111 F. Das Publicity-Recht...................................................................................113 I. Überblick.............................................................................................113 II. Hintergrund und dogmatische Einordnung des Publicity-Rechts .......114 1. Hintergrund der Anerkennung ........................................................114 2. Grundsätzliche dogmatische Einordnung: Dualismus vs. Monismus ................................................................115 3. Annäherung der Ansätze .................................................................115 III. Frage der Übertragbarkeit unter Lebenden .........................................116 IV. Frage der Vererblichkeit .....................................................................118 V. Problem des Erfordernisses einer Lizenzbereitschaft .........................119
Inhaltsverzeichnis
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VI. Anwendungsbereich des Publicity-Rechts – Art der erfassten Veröffentlichungen .............................................................................121 VII. Zusammenfassende Bemerkung zu den Unterschieden ....................123
Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre – Die Abwägung zwischen Persönlichkeits- und Allgemeininteressen .................................................................................125 A. Zusammenfassung der Abwägungskriterien und Überblick.....................125 B. Das öffentliche Interesse am Privatleben bekannter Personen .................126 I. Theoretische Anforderungen an das öffentliche Interesse Japan....................................................................................................126 II. Konkrete Beispiele aus der japanischen Rechtsprechung ...................127 III. Seitenblick auf die tatsächliche Lage ..................................................131 C. Die identifizierende Berichterstattung über Straftäter ..............................132 I. Der Schutz vor identifizierender Berichterstattung in Deutschland.....................................................................................132 II. Der Schutz vor identifizierender Berichterstattung in Japan ..............134 III. Sonderproblem: Minderjährige Straftäter ...........................................137 D. Berichterstattung über Opfer ....................................................................139 I. Der besondere Schutz von Opfern in Deutschland .............................139 II. Schutzstandard bezüglich Opfern in Japan .........................................140
Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung ...............145 A. Überblick ..................................................................................................145 I. Übersicht über die Ansprüche .............................................................145 II. Verhältnis von Naturalhandlungen und Geldersatz ............................145 B. Ansprüche auf Zahlung von Geld .............................................................147 I. Überblick.............................................................................................147 II. Die Bedeutung des Schmerzensgeldes................................................147 III. Die Berechnung von Schmerzensgeldern ...........................................149 1. Die Rechtsprechungspraxis .............................................................149 a) Kasuistik .....................................................................................149 b) Zusammenfassung der berücksichtigten Faktoren......................166 c) Entwicklung der Höhen der Schmerzensgelder..........................169 2. Diskussion zur besseren Kalkulierbarkeit der Schmerzensgeldbemessung.......................................................171 a) Die Kritik an der Rechtsprechung ..............................................171 b) Ansätze für eine Abhilfe.............................................................171
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Inhaltsverzeichnis
c) Bewertung...................................................................................172 3. Diskussion um eine Erhöhung der Schmerzensgeldbeträge ...........173 IV. Fälle der Anerkennung von Vermögensschäden.................................175 1. Anwendungsbereich........................................................................175 2. Berechnung als fiktive Lizenzgebühr..............................................176 3. Möglichkeit einer Gewinnabschöpfung ..........................................176 V. Rechtslage zu weiteren potentiellen Anknüpfungspunkten für einen Geldersatz ..................................................................................178 1. Bereicherungsrecht..........................................................................178 2. Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung........................179 C. Die Entschuldigungsanzeige.....................................................................180 I. Überblick.............................................................................................180 II. Inhalt der Entschuldigungsanzeige .....................................................181 III. Anwendbarkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die nicht die Ehre betreffen, insbesondere bei Verletzungen der Puraibashî.....................................................................................183 1. Diskussion der Anwendbarkeit auf Puraibashî-Verletzungen........183 2. Konsequenzen für den Schutzumfang.............................................185 3. Anwendbarkeit bei Verletzungen des Ehrgefühls ...........................186 4. Fazit: Besonderer Schutz der Ehre? ................................................186 IV. Verhältnis der Entschuldigungsanzeige zum Geldersatz ....................187 1. „Subsidiarität“ der Entschuldigungsanzeige ...................................187 2. Ausnahmsweise selbständiges Bestehen eines Entschuldigungsanspruchs ..............................................................188 V. Beispiele für die Bejahung oder Verneinung eines Anspruchs...........189 VI. Die Konstruktion als Wiederherstellungsanspruch.............................192 VII. Die Entschuldigungsanzeige als Anspruch auf die Rücknahme von Werturteilen?..............................................................................193 VIII.Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im Hinblick auf den Zwang zur Entschuldigung ..............................................................194 D. Weitere Formen der Wiederherstellung ...................................................198 I. Überblick.............................................................................................198 II. Widerrufsanzeige ................................................................................198 III. Sonstige Formen der Entschuldigung oder des Widerrufs..................200 IV. Recht auf Gegendarstellung ................................................................201 V. Veröffentlichung des Urteils? .............................................................204 VI. Pflicht zur Korrektur nach dem Rundfunkgesetz................................205 E. Anspruch auf Unterlassung.......................................................................206 I. Überblick.............................................................................................206 1. Erfordernis besonderer Voraussetzungen in konstruktiver Hinsicht .....................................................................206
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2.!Erfordernis besonderer Voraussetzungen aufgrund anderer Gewichtung des Anspruchs .............................................................207! II.! Dogmatische Grundlage des Unterlassungsanspruchs........................208! III.!Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs ................................213! IV.!Vergleich mit dem deutschen Recht ...................................................218!
Kapitel 7: Postmortaler Schutz der Persönlichkeit ...........................219! A. Überblick ..................................................................................................219! B. Rechtslage in Japan...................................................................................219! I.! Ablehnung eigener postmortaler Persönlichkeitsrechte des Toten .........................................................................................219! II.!Mittelbarer Schutz über die Annahme einer Verletzung Angehöriger.....................................................................................221! 1.! Verletzung der Ehre Angehöriger...............................................221! 2.! Verletzung des Pietätsgefühls Angehöriger................................223! 3.! Vorgehen bei mehreren Angehörigen.........................................225! 4.! Rechtsbehelfe zu Gunsten Angehöriger .....................................225! C. Überlegungen zum Hintergrund der unterschiedlichen Konstruktionen des postmortalen Schutzes in Deutschland und Japan..............................226! D. Vor- und Nachteile der beiden Modelle ...................................................229! E. Folgerungen aus dem japanischen Recht für einen postmortalen Ersatz immaterieller Schäden im deutschen Recht? ............................................230!
Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen ...................235 Anhang ........................................................................................................243! A.!Übersicht zu den wichtigsten zitierten japanischen Gesetzesvorschriften .................................................................................243! B.!Übersicht zu den wichtigsten verwendeten Übersetzungsbegriffen ..............................................................................246!
Literaturverzeichnis..................................................................................247! A.!Deutsch- und englischsprachige Literatur ................................................247! B.!Japanische Literatur ..................................................................................253!
Sachregister ................................................................................................270
Abkürzungsverzeichnis AcP AfP AG Alt. Art. Az.
Archiv für die civilistische Praxis Archiv für Presserecht Amtsgericht Alternative Artikel Aktenzeichen
BVerfG BVerfGE BVerfGG BGB BGH BGHZ
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
DG
Distriktgericht (Chihô saibansho)
EGMR EMRK EuGRZ
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Europäische Grundrechte-Zeitschrift
FamRZ
Zeitschrift für das gesamte Familienrecht
GG GRUR GRUR Int.
Grundgesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil GRUR-Prax Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Hanhyô Hanji Hanta Hôji Hôkyô
Hanrei hyôron [Rechtsprechungsrezension (Fachzeitschrift)] Hanrei jihô [Rechtsprechungsnachrichten (Fachzeitschrift)] Hanrei taimuzu [Rechtsprechungs Times (Fachzeitschrift)] Hôritsu jihô [Rechtsnachrichten (Fachzeitschrift)] Hôgaku kyôshitsu [Rechtswissenschaftliche Klasse (Fachzeitschrift)]
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Abkürzungsverzeichnis
Hôsemi
Hôgaku seminâ [Rechtswissenschaftliches Seminar (Fachzeitschrift)]
JFBA
Japan Federation of Bar Associations (Nihon Bengoshi Rengôkai) Juristische Schulung japanische Verfassung (Kenpô) japanisches Strafgesetzbuch (Keihô) Juristenzeitung japanisches Zivilgesetzbuch (Minpô)
JuS JV JStGB JZ JZGB KritV KUG
Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
LG
Landgericht
MG Minshô
japanisches Minderjährigengesetz (Shônen-hô) Minshôhô zasshi [Zeitschrift zum Zivil- und Handelsrecht (Fachzeitschrift)]
NJW NJW-RR
Neue Juristische Wochenschrift NJW Rechtsprechungs-Report
OG OGH OLG
Obergericht (Kôtô saibansho) Oberster Gerichtshof (Saikô saibansho) Oberlandesgericht
RabelsZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Ryûdai hôgaku [Zeitschrift für Rechtswissenschaft der Ryûkoku-Universität]
Ryûhô StGB
Strafgesetzbuch
UFITA UrhG
Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Urhebergesetz
VersR
Versicherungsrecht
WRP
Wettbewerb in Recht und Praxis
ZEuP ZEV ZRP ZUM
Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Kapitel 1
Einleitung A. Problemstellung und Gang der Darstellung A. Problemstellung und Gang der Darstellung Medien versorgen den Bürger mit Informationen, die Voraussetzung dafür sind, dass dieser verantwortlich politisch-gesellschaftliche Entscheidungen treffen kann. Sie sind dadurch unverzichtbarer Bestandteil jeder modernen demokratischen Gesellschaft. Außerdem kommt den Medien eine bedeutende Rolle als Kulturträger zu. Der Medienkonsum, sowohl zur Versorgung mit Informationen unterschiedlichster Art als auch schlicht zur Unterhaltung, gehört darüber hinaus heutzutage aber auch einfach zum selbstverständlichen Alltag und ist damit Teil der Lebensqualität des Einzelnen. Die Medien ihrerseits stehen unter dem Druck kommerzieller Interessen und sind daher stets auch von erheblichem Eigeninteresse getrieben; gleichzeitig macht die Medienindustrie einen bedeutenden wirtschaftlichen Zweig aus, an dem nicht zuletzt auch zahlreiche Arbeitsplätze hängen. 1 Was hingegen diejenigen Personen angeht, die Gegenstand des Medieninteresses sind, so müssen diese einerseits davor geschützt werden, dass die Allgemeinheit uneingeschränkt in ihr Privatleben eindringen kann; andererseits nutzen manche Personen die Medien aber auch gezielt dazu, sich durch die Medienaufmerksamkeit Bekanntheit zu verschaffen oder der Öffentlichkeit ein bestimmtes Image der eigenen Person zu vermitteln. Aus dieser komplexen Interessenlage entstehen immer wieder Konflikte zwischen der Medienmaschinerie einschließlich ihrer Konsumenten auf der einen und den von einer Berichterstattung betroffenen Privatpersonen auf der anderen Seite.2 Die Aktualität dieser Problematik zeigt sich allein schon an den zahlreichen Prozessen, die um Medienberichte geführt werden. Für Deutschland seien als besonders kontroverses Beispiel aus neuerer Zeit etwa Streitigkeiten um die Bebilderung von Berichten über 1
Zu den Funktionen und Motivationen der Medien siehe etwa DI FABIO, in: AfP 1999, S. 126 f.; FALLER, in: AfP 1981, S. 430; FECHNER, in: Medienrecht, 12. Aufl. (2011), Kap. 1 Rdnr. 21, 22 ff., 25 ff., 28 ff.; KEPPLINGER, in: ZRP 2000, S. 136 ff. 2 Zu diesen Interessenkonflikten für Deutschland etwa KEPPLINGER, in: ZRP 2000, S. 136 ff.; LETTL, in: WRP 2005, S. 1046; PRINZ, in: NJW 1995, S. 817; SEILER, in: WRP 2005, S. 545; für Japan etwa IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 45 f., 79, 95; MASUDA, in: NBL 870 (2007), S. 19 f.; SHIOZAKI, in: Hanta 1055 (2001), S. 4.
2
1. Kapitel: Einleitung
die Vermietung der privaten Ferienvilla von Caroline von Hannover und ihrem Ehemann mit Urlaubsfotos der beiden genannt, die durch die Instanzen ausgefochten und immer wieder gegensätzlich beurteilt wurden.3 Obwohl die deutsche Rechtsprechung sich entsprechend den Vorgaben des EGMR entwickelt hatte und die Rechtsprechung im vorgenannten Fall zuletzt vom EGMR abgesegnet worden war, kommt es auch jüngst noch zur Ablehnung deutscher Entscheidungen durch den EGMR.4 In Japan hatte die Entscheidung eines Gerichts, die den Verkauf von Zeitschriften verbot, die einen Artikel über die Scheidung einer Politikertochter enthielten, für heftige Diskussionen gesorgt; die Oberinstanz entschied dann bei Anwendung der gleichen Kriterien genau gegensätzlich zur ersten Instanz.5 Vor diesem Hintergrund soll mit der vorliegenden rechtsvergleichenden Untersuchung der Ausgestaltung des zivilrechtlichen Schutzes der Privatsphäre vor einer Beeinträchtigung durch Wort- und Bildberichterstattung in den Medien ein Beitrag zur Analyse und Lösung der vielfältigen Probleme in diesem Bereich geleistet werden. Trotz des stark verfassungsrechtlichen Bezugs des Themas geht die Untersuchung von einem zivilrechtlichen Ansatzpunkt aus, um eine umfassende Betrachtung der rechtlichen Instrumentarien zum Schutz der Privatsphäre einschließlich der zu Grunde liegenden verfassungsrechtlichen Wertungen zu ermöglichen. Unter dem „Privatsphären“schutz als Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit werden dabei in ganz untechnischem Sinne schlicht die Mechanismen zum Schutz von persönlichen Informationen und Daten gegenüber einer Verbreitung durch die Medien verstanden. Die Untersuchung beschränkt sich also nicht auf die Reichweite der technischen Begriffe des „Rechts auf Privatsphäre“ bzw. japanisch des „Puraibashî-ken“. Eine solche Eingrenzung wäre zu eng gefasst, da, wie noch zu zeigen sein wird, der Zusammenhang mit anderen Schutzmechanismen von großer Bedeutung ist und daher ebenfalls betrachtet werden muss. Zum anderen ist der identische Begriff zwar sowohl im deutschen als auch im japanischen Recht vorhanden. Die Begriffe lassen es aber schon innerhalb der einzelnen Rechtsordnung jeweils an einer klaren Abgrenzbarkeit mangeln und werden zudem in den beiden Ländern keineswegs identisch angewandt. 3
Das OLG Hamburg, in: NJW-RR 2006, 1202 (1230), entschied im Gegensatz zum LG Hamburg für die Zulässigkeit der Bildveröffentlichungen; dagegen hielt der BGH die Bilder zunächst wieder für unzulässig, in: ZUM 2007, 470 (472). Wiederum jedoch für die Zulässigkeit das BVerfG, in: NJW 2008, 1793 (1800 f.) („Caroline von Monaco IV“) und dann auch der BGH, in: NJW 2008, 3141 (3142). Die neue Rechtsprechung absegnend schließlich der EGMR im Jahr 2012, in: NJW 2012, 1053. 4 EGMR, in: NJW 2012, 1058; dazu etwa ENGELS/HAISCH, in: GRUR-Prax 2012, S. 81 f.; FRENZ, in: NJW 2012, S. 1039 ff.; MÜLLER, in: ZRP 2012, S. 125 f. 5 DG Tokyo, Beschluss vom 19.03.2004, und OG Tokyo, Beschluss vom 31.03.2004, beide Instanzen in: Hanji 1865, 12.
A. Problemstellung und Gang der Darstellung
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Die japanische Rechtsordnung ist für eine rechtsvergleichende Untersuchung insbesondere wegen ihrer ambivalenten Stellung zwischen westlichem Einfluss und traditioneller Prägung von Interesse. Das heutige japanische Zivilrecht hat sich bei seiner Entstehung stark an europäischen Rechtsordnungen orientiert und auch später noch intensiv ausländische Rechtsordnungen rezipiert,6 woraus sich starke Parallelen in den beiden Rechtsordnungen ergeben. Dennoch hat das japanische Recht zum Teil auch ganz eigene dogmatische Strukturen entwickelt, wie die Analyse im Einzelnen zeigen wird. Trotz der modernen westlichen Orientierung handelt es sich bei Japan ferner um ein Land mit einer gegenüber westlichen Ländern sehr unterschiedlichen kulturellen und philosophischen Tradition und zum Teil ganz anderen Mentalitäten und Vorstellungen über Werte, die sich auch in der Gestaltung der Rechtsordnung bemerkbar machen.7 Soweit es zum Verständnis erforderlich ist und noch keine vertiefende deutschsprachige Literatur dazu vorhanden ist, wird bei der Analyse der Parallelen und Unterschiede in den beiden Ländern sowie deren Ursachen und Konsequenzen auch auf grundlegendere Fragen des japanischen Zivilrechts eingegangen. Auch wenn diese Fragen nur kurz gestreift werden können, will die Arbeit damit als Nebenprodukt auch einen Beitrag zum Verständnis des allgemeinen japanischen Zivilrechts leisten, so zum Schutzumfang der deliktischen Generalklausel des § 709 des japanischen Zivilgesetzbuchs (JZGB)8, insbesondere zur Diskussion um die Auslegung und Bedeutung des Begriffs des Kenri, d.h. des „Rechts“begriffs,9 zu den dogmatischen Grundlagen und Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs, 10 zum Verhältnis von Natural- und Geldersatzansprüchen 11 sowie zur Bedeutung immaterieller Schadensersatzansprüche.12
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Zur Geschichte des japanischen Zivilrechts IGARASHI, in: Einführung in das japanische Recht (1990), S. 2 ff; MARUTSCHKE, in: Einführung in das japanische Recht, 2. Aufl. (2010), S. 85 ff.; RAHN, in: Rechtsdenken und Rechtsauffassung in Japan (1990), S. 80 ff.; ZWEIGERT/KÖTZ, in: Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. (1996), S. 289 ff. Insbesondere zur Rezeption siehe auch KITAGAWA, in: Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan (1970); KONO, in: ZEuP 1999, S. 417; DERS., in: AcP 200 (2000), S. 519 f. 7 Zum japanischen Rechtsdenken BAUM, in: RabelsZ 59 (1995), S. 258 ff., 286 ff.; RAHN, Rechtsdenken und Rechtsauffassung in Japan (1990) (kurze Zusammenfassung der Darstellung von RAHN bei BAUM, in: RabelsZ 59 (1995), S. 269 ff. und MARUTSCHKE, in: Einführung in das japanische Recht, 2. Aufl. (2010), S. 9 ff.). 8 Minpô, Gesetz Nr. 89/1896 i.d.F. vom Gesetz Nr. 74/2011. 9 Siehe Kap. 3, B., S. 33 ff. 10 Siehe Kap. 3, B., S. 35, und Kap. 6, E., S. 206 ff. 11 Siehe Kap. 6, A.II., S. 144 ff., Kap. 6, B.II., S. 147, Kap. 6, C. IV., S. 187 ff. und Kap. 6, E.I.2., S. 207 f. 12 Siehe Kap. 6, B.II., S. 147 f.
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1. Kapitel: Einleitung
Da es zum Schutz der Privatsphäre in Deutschland bereits umfangreiche Literatur sowohl zum gesamten System des Privatsphärenschutzes als auch zu zahlreichen Detailfragen und speziellen Streitpunkten gibt,13 verzichte ich auf eine umfassende Darstellung des deutschen Rechts. Da das Verständnis des deutschen Rechts andererseits unerlässlich für die vergleichende Betrachtung ist, gebe ich eingangs einen kurzen Überblick über den Schutz der Privatsphäre in Deutschland (Kapitel 2). Den Hauptteil macht dann die Darstellung des japanischen Rechts aus, dessen Analyse das vorrangige Ziel dieser Arbeit ist (Kapitel 3–7). Dabei werden Hintergrund, dogmatische Grundlagen, der Schutzumfang der Rechte zum Schutz der Privatsphäre und die Rechtsbehelfe bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts in Japan untersucht. Soweit für die vergleichende Analyse eine vertiefende Betrachtung der Rechtslage in Deutschland erforderlich ist, gehe ich dabei zudem auch noch einmal näher auf die Situation im deutschen Recht ein. Die wesentlichen Ergebnisse aus dem Vergleich werden in Form von Thesen in einem abschließenden Kapitel zusammengefasst (Kapitel 8).
B. Anmerkungen zur Terminologie, insbesondere zur Verwendung japanischer Begriffe, zur Zitierweise und zur Bezeichnung japanischer Gerichte B. Anmerkungen zur Terminologie Um die Arbeit auch für einen Leser ohne Japanisch-Kenntnisse möglichst flüssig lesbar zu halten, wird so weit wie möglich auf japanische Begrifflichkeiten verzichtet. Bis auf wenige Ausnahmen werden japanische Begriffe daher nur jeweils beim ersten Auftauchen des deutschen Übersetzungsbegriffs zur Klarstellung angeführt, und es wird dann im Weiteren jeweils der deutsche Übersetzungsbegriff verwendet. Insbesondere der bereits erwähnte Begriff des Puraibashî-ken [Recht auf Privatsphäre] unterscheidet sich aber so deutlich vom deutschen Begriff des Rechts auf Privatsphäre und der Vorstellung des Begriffs „Privatsphäre“ im Sinne dieser Arbeit, dass hier eine Unterscheidung notwendig ist und daher für die japanischen Sachzusammenhänge durchgängig auch die japanischen Begriffe Puraibashî-ken bzw. Puraibashî verwendet werden. Gerichte werden grundsätzlich mit deutschsprachigen Abkürzungen bezeichnet. In Japan gibt es eine einheitliche Gerichtsbarkeit, die für alle Rechtsstreitigkeiten zuständig ist, in der Regel mit den drei Instanzen Chihô saibansho (Distriktgericht, DG), Kôtô saibansho (Obergericht, OG) und Saikô 13 Einen ausführlichen Überblick über die Frage des Persönlichkeitsschutzes in den Medien geben u.a. FECHNER, in: Medienrecht, 12. Aufl. (2011), Kap. 4; LETTL, in: WPR 2005, 1045 ff.; RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12; WENZEL/BURKHARDT, in: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. (2003).
B. Anmerkungen zur Terminologie
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saibansho (Oberster Gerichtshof, OGH). Da es kein gesondertes Verfassungsgericht gibt, sind die ordentlichen Gerichte, schon in den unteren Instanzen, auch zur Entscheidung über verfassungsrechtliche Fragen befugt.14 Der OGH als höchste Instanz ist nach Art. 81 der Japanischen Verfassung (JV)15 für die letztgültige Entscheidung auch über die verfassungsrechtlichen Fragen zuständig.16 Vereinzelt zitiert sind auch Urteile des Daishin-in, das bis 1947 der höchste Gerichtshof in Japan war und mit Erlass der heutigen Verfassung abgeschafft wurde. Bei den Urteilen des OGH werden in Japan Voten einzelner Richter unter Nennung ihrer Namen veröffentlicht.17 „Ergänzende Voten“ (Hosoku iken) sind dabei Voten, die mit dem Ergebnis der Mehrheit übereinstimmen und nur zusätzliche Aspekte oder erklärende Ausführungen zur Unterstützung der Mehrheitsmeinung enthalten; „Eigenvoten“ (Iken, wörtlich: „Voten“) stimmen im Ergebnis, nicht aber in der Begründung des Ergebnisses mit der Mehrheitsmeinung überein und liefern eine abweichende Begründung. „Sondervoten“ (Hantai iken, wörtlich: „Gegenvoten“) schließlich sind Meinungen, die nicht mit der Ansicht der Mehrheit übereinstimmen. Japanische Zeitschriften werden nach ihrem japanischen Namen bzw. ihrer üblichen Abkürzung zitiert, Bücher mit dem – gegebenenfalls abgekürzten – japanischen Titel und einer deutschen Übersetzung in eckigen Klammern. Die vollständigen japanischen Titel sowohl der Bücher als auch der Aufsätze sind im Literaturverzeichnis in japanischer Originalschrift mit lateinischer Umschrift und Übersetzung aufgeführt. Von den zitierten Gesetzesvorschriften sind nur die wichtigsten, in einem gesonderten Verzeichnis im Anhang zusammengefasst, aufgeführt. Die Übersetzungen aus dem Japanischen dort – wie auch alle weiteren in der gesamten Arbeit – sind, wenn nicht anders vermerkt, von der Verfasserin.
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ASHIBE/TAKAHASHI, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 5. Aufl. (2011), S. 373. Nihon-koku kenpô, Gesetz vom 03.11.1946. 16 Art. 81 JV: „Der Oberste Gerichtshof ist die höchste Instanz, der die Kompetenz zukommt, über die Verfassungsmäßigkeit jeglicher Gesetze, Verordnungen, Satzungen oder jeglichen Verwaltungshandelns zu entscheiden.“ 17 Gemäß Art. 11 des japanischen Gerichtsgesetzes (Saibansho-hô, Gesetz Nr. 59/1947 i.d.F. vom Gesetz Nr. 53/2011) ist nämlich für den OGH vorgeschrieben, dass im Urteil die Voten der einzelnen Richter dargelegt werden müssen, während für alle anderen Gerichte nach Art. 75 Abs. 2 S. 2 des Gerichtsgesetzes der Grundsatz der Geheimhaltung des Inhalts der Urteilsberatung sowie des Abstimmungsverhaltens der einzelnen Richter gilt. 15
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1. Kapitel: Einleitung
C. Bemerkungen zur Medienlandschaft in Japan C. Medienlandschaft in Japan Weiter möchte ich noch einige Erläuterungen zur aktuellen Medienlandschaft in Japan vorausschicken. Der Bereich des Rundfunks ist nämlich in Japan zwar ähnlich strukturiert wie in Deutschland. Insbesondere im Bereich der Printmedien bestehen jedoch Besonderheiten, deren Kenntnis für das Verständnis der Fallgestaltungen zum Problemkreis Berichterstattung über Personen hilfreich erscheint. An Zeitungen gibt es in Japan als große überregionale Zeitungen die Nihon keizai-Zeitung, die Mainichi-Zeitung, die Asahi-Zeitung, die Yomiuri-Zeitung sowie die Sankei-Zeitung, und daneben diverse Lokalzeitungen mit mehr oder weniger großem Einzugsbereich. Die sogenannten „Sportzeitungen“ (Supôtsushi bzw. Supôtsu shinbun) beschäftigen sich nicht nur – wie der Name nahelegt – mit sportlichen Ereignissen, sondern darüber hinaus auch mit unterschiedlichen aktuellen Nachrichten, und zeichnen sich dabei im Vergleich zu den „seriösen“ Zeitungen durch die Schwerpunktsetzung auf eine leichte Lesbarkeit und einen möglichst großen Unterhaltungswert aus, was sie häufig zu potentiellen Kandidaten für Persönlichkeitsrechtsverletzungen macht.18 Eine weitere für Japan charakteristische Form von Presseerzeugnissen bilden die jeweils einmal wöchentlich erscheinenden sogenannten Wochenmagazine (Shûkan-shi), Zeitschriften unterschiedlichen Inhalts und Anspruchs. Während einige seriös geprägte Wochenmagazine vorwiegend das Ziel verfolgen, politische und zeitgeschichtliche Themen zu reflektieren, betreibt ein Teil der Wochenmagazine ausschließlich Skandal- und Klatschberichterstattung. Die im Vergleich zu den Tageszeitungen geringere Einbindung in das sogenannte Kisha kurabu-System [Reporter-Klub-System] und die stärkere Zusammenarbeit mit anonym agierenden freien Mitarbeitern ermöglicht den Wochenmagazinen eine Berichterstattung, die häufig freier von faktischen Zwängen und Rücksichtnahmeerfordernissen ist. Zum Teil haben Wochenmagazine in der Vergangenheit daher eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von politischen Skandalen oder Unregelmäßigkeiten gespielt.19 Manche der Wochenmagazine repräsentieren allerdings vor allem die Yellow Press und sind für ein aggressives Eindringen in die Privatsphäre von Prominenten auf der Jagd nach Sensationen und Verkaufsschlagern bekannt. Sie sind daher sehr häufig die Urheber einer Persönlichkeitsverletzung auch in den hier behandelten Fällen.20 Schon aufgrund der geringeren Erscheinungsdichte nicht ganz so auffällig wie die Wochenmagazine werden ferner die monatlich erscheinenden sogenannten Monatsmagazine (Gekkan-shi). 18 Einen Überblick über die Presselandschaft Japans gibt MUZIK, in: Presse und Journalismus in Japan (1996), S. 31 ff. 19 SUZUKI, in: Hôsemi 595 (2004), S. 73. 20 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 79.
C. Medienlandschaft in Japan
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Eine Besonderheit, die im Hinblick auf persönlichkeitsverletzende Veröffentlichungen relevant werden kann, ist die in Japan übliche Werbepraxis vor allem der Wochenmagazine, die zum einen mit ihren Skandalschlagzeilen auch in seriösen Zeitungen, zum anderen auf Anzeigeplakaten in Stadtbahnen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln vor allem in den Großstädten werben. Dies führt dazu, dass Überschriften oder Skandale ein viel weiteres Publikum als den Leserkreis der Yellow Press erreichen, und verschärft daher die Problematik.21 Die bereits erwähnten Kisha kurabus [Reporter-Klubs] bezeichnen Zusammenschlüsse von Reportern, die jeweils bei einem bestimmten Regierungsorgan, einer Polizeistelle etc. angesiedelt sind und meist etwa auch die Interviews oder Bekanntgaben des jeweiligen Organs exklusiv ausrichten. Typisch an diesem System ist, dass die Reporter hier alle aktuellen Informationen erhalten können, wenn sie sich bei der Berichterstattung an bestimmte Regeln halten; bei einem Bruch der Verabredung setzen sie sich aber der Gefahr aus, aus dem Klub ausgeschlossen zu werden und künftig keine Informationen mehr zu erhalten.22 Aufgrund dieser faktischen Zwänge erfolgt tendenziell deutlich weniger (Skandal-)Berichterstattung etwa über Politiker oder andere einflussreiche Personen oder z.B. über das Kaiserhaus.23
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Wie später gezeigt wird, wird die Werbung daher etwa auch schmerzensgelderhöhend berücksichtigt, siehe unten, Kap. 6, B.II. 22 SHIGENORI MATSUI, in: Masu media-hô nyûmon [Einführung in das Recht der Massenmedien] 4. Aufl. (2008), S. 15. Eine deutschsprachige Erläuterung des Systems gibt MUZIK, in: Presse und Journalismus in Japan (1996), S. 43 ff., 134 ff. 23 Z.B. wurde die bevorstehende Verlobung des jetzigen Kronprinzen lange vor der Öffentlichkeit geheimgehalten, ebenso der Krankheitszustand des letzten Tenno kurz vor seinem Tode, vgl. SHIGENORI MATSUI, in: Masu media no hyôgen no jiyû [Die Meinungsäußerungsfreiheit der Massenmedien] (2005), S. 258 ff.; YAMAKAWA, in: Yamakawa/Yamada (Hrsg.), Yûmei-jin to puraibashî [Prominente und Privatsphäre] (1987), S. 50 ff.
Kapitel 2
Überblick über den Schutz der Privatsphäre in Deutschland Im nachfolgenden Teil wird zunächst ein Überblick über den Schutz der Privatsphäre im deutschen Recht gegeben, um eine Basis für die vergleichende Analyse des japanischen Rechts zu schaffen. Zunächst werden die Rechtsgüter, die dem Schutz der Privatsphäre dienen, und deren Schutzbereiche zusammengefasst (A.); anschließend werden die Rechtsfolgen besprochen, die bei Verletzungen dieser Rechtsgüter zur Verfügung stehen (B.). Schließlich gehe ich noch auf ein Spezialproblem ein, das gerade für den Vergleich mit dem japanischen Recht interessant ist, nämlich den postmortalen Persönlichkeitsschutz (C.).
A. Die relevanten Schutzbereiche A. Die relevanten Schutzbereiche I. Das Recht am eigenen Bild Schutz vor einem Eingriff in die Privatsphäre durch eine Bildberichterstattung bietet im deutschen Recht das Recht am eigenen Bild, das in den §§ 22 ff. KUG gesetzlich normiert ist. Danach dürfen Bildnisse, sofern der Betroffene nicht damit einverstanden ist, nur unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KUG und wenn keine berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt werden, § 23 Abs. 2 KUG, verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Unter den Ausnahmetatbeständen des § 23 Abs. 1 KUG von besonderer Bedeutung und aktuell in der Diskussion ist die Ausnahme für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, Nr. 1. Die bis 2004 etablierte Rechtsprechung unterschied dazu zwischen „relativen Personen der Zeitgeschichte“, bei denen sich die zeitgeschichtliche Bedeutung aus dem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis ergab,1 und den sogenannten „absoluten Personen der Zeitgeschichte“, an denen auf Grund ihres Status oder ihrer Bedeutung unabhängig von einem bestimmten Ereignis ein Informationsinteresse bestand und zu denen neben Staatsoberhäuptern und Politikern auch sonstige Prominente wie etwa be1
LETTL, in: WRP 2005, S. 1053; BVerfG, in: NJW 2001, 1921 (1923).
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Kapitel 2: Schutz der Privatsphäre in Deutschland
kannte Schauspieler, Künstler oder Sportler gezählt wurden.2 Über solche absoluten Personen der Zeitgeschichte war also jede Berichterstattung auch über private Tätigkeiten zulässig, außer wenn berechtigte Interessen der Person i.S.d. § 23 Abs. 2 KUG verletzt waren. Diese Ausnahme ermöglichte es immerhin, den absoluten Personen der Zeitgeschichte einen gegen Einsichtnahme durch Dritte geschützten Privatsphärenbereich zuzugestehen, wobei sich in der Rechtsprechung die Tendenz herausgebildet hatte, diesen Bereich über die eigenen privaten Räume hinaus auch auf öffentlich zugängliche Orte auszudehnen, die eine gewisse „Abgeschiedenheit“ aufwiesen. 3 Außerdem wurde Kindern sowie Situationen einer Eltern-KindBeziehung ein besonderer Schutz zugesprochen, um den Kindern eine von einer Berichterstattung unbehelligte Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen.4 Die herkömmliche Rechtsprechung befindet sich jedoch im Wandel, seit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Jahre 2004 entschied, dass es bei der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK) und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 Abs. 1 EMRK) darauf ankommt, ob Fotoaufnahmen und Presseartikel „zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses“ beitragen,5 und dass ein umfassendes Interesse nur etwa bei einer Person in Betracht kommt, die ein öffentliches Amt bekleidet oder sonst eine politische Bedeutung hat,6 was im Widerspruch zu den herkömmlichen Maßstäben der deutschen Rechtsprechung steht.7 Die Entscheidung des EGMR bindet die deutschen Gerichte zwar nicht unmittelbar, muss aber insofern Berück–sichtigung finden, als die Gewährleistungen der EMRK im deutschen Recht mit dem Rang eines einfachen Gesetzes Gültigkeit haben.8 Anfängliche 2 BGH, in: NJW 1965, 2148 (2150) („Spielgefährtin“); BVerfGE 101, 361 (392) = NJW 2000, 1021 (1025) („Caroline von Monaco II“); BVerfG, in: NJW 2000, 2190. Zu Schauspielern siehe auch BGH, in: NJW 1997, 1152 („Bob Dylan“); BGHZ 20, 345 (349 f.) = NJW 1956, 1554 (1555) („Paul Dahlke“); zu Künstlern OLG München, in: NJW-RR 1996, 93 (95); zu Sportlern BGH, in: NJW 1979, 2203 („Fußballspieler“). 3 BGHZ 131, 332 (338 ff.) = NJW 1996, 1128 (1129/30) sowie BVerfGE 101, 361 (383 ff.) = NJW 2000, 1021 (1022/3) („Caroline von Monaco II“) zu einem Gartenlokal, zu dem nur ein begrenzter Personenkreis Zutritt hat. 4 BVerfGE 101, 361 (385/6) = NJW 2000, 1021 (1023) („Caroline von Monaco II“); BVerfG, in: NJW 2000, 2191 („Caroline von Monaco III“); BGHZ 160, 298 (304 ff.) = NJW 2005, 215 (217), bestätigt durch BVerfG, in: ZUM-RD 2007, 1 (3); OLG Hamburg, in: ZUMRD 1997, 1 (6). 5 EGMR, in: NJW 2004, 2647 (2649). 6 EGMR, in: NJW 2004, 2647 (2650). 7 HELDRICH, in: NJW 2004, S. 2636; LETTL, in: WPR 2005, S. 1053; STÜRNER, in: JZ 2004, S. 1021. 8 Vgl. BVerfG, in: NJW 2004, 3407 ff. („Görgülü“); KLEIN, in: JZ 2004, S. 1177; MEYERLADEWIG/PETZOLD, in: NJW 2005, S. 15 ff.; OHLY, in: GRUR Int. 2004, S. 911; SCHMITT,
A. Die relevanten Schutzbereiche
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Urteile, die unter Berufung auf die Bindung an die vorangegangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach § 31 BVerfGG für die Zulässigkeit einer Berichterstattung entschieden, obwohl sie das Kriterium des EGMR, dass der Bericht einen Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse leisten muss, als nicht erfüllt ansahen,9 wurden daher auch vom BGH aufgehoben.10 Eine einheitliche und stimmige Lösung für diesen Konflikt zwischen der Bindung durch § 31 BVerfGG einerseits und der Notwendigkeit einer Berücksichtigung der Entscheidung des EGMR andererseits hat sich bisher noch nicht herauskristallisiert. Ein Teil der Gerichte hält weiterhin an der Rechtsfigur der absoluten Person der Zeitgeschichte fest. Zum Teil wird der Anwendungsbereich dabei infolge der Vorgaben der EGMR auf Personen eingegrenzt, die eine Bedeutung für den demokratischen Prozess haben,11 zum Teil werden aber auch weiterhin Prominente ohne jede politische Bedeutung als absolute Personen der Zeitgeschichte eingeordnet.12 Im Gegenzug dazu lässt sich eine Erweiterung der Bereiche beobachten, die über § 23 Abs. 2 KUG als Privatsphäre geschützt werden. So wird etwa auch an öffentlichen Orten großzügig eine „örtliche Abgeschiedenheit“ angenommen, wenn dort nur eine geringe Anzahl von Personen anwesend ist.13 Insbesondere werden die Betroffenen aber nun auch bei rein privaten Tätigkeiten in der Öffentlichkeit geschützt, mit der Begründung, dass es ihnen möglich sein müsse, sich im Alltag unbefangen zu bewegen; 14 insbesondere zum Urlaub wird in: ZUM 2007, S. 189; STARCK, in: JZ 2006, S. 78 f. Zum Problem der Bindungswirkung siehe etwa auch HERDEGEN, Europarecht, 14. Aufl. (2012), § 3 Rdnr. 52 ff. 9 OLG Hamburg, in: NJW-RR 2006, 1202 (1203) sowie AfP 2006, 179 (180) und 180 (181/2); zustimmend dazu ENGELS/JÜRGENS, in: NJW 2007, S. 2520 f.; MANN, in: NJW 2004, S. 3221; TEUBEL, in: AfP 2006, S. 117 f. 10 BGHZ 171, 275 (278 f.) = NJW 2007, 1977 (1978 f.); BGH, in: ZUM 2007, 470 (471). 11 So das LG Hamburg, in: ZUM-RD 2009, 30 (31), das daher für einen ehemaligen Skifahrer, der aktuell als Sänger, Schauspieler und Moderator tätig ist, eine Einordnung als absolute Person der Zeitgeschichte ablehnt. 12 KG Berlin, in: NJW 2005, 605 f. zu Herbert Grönemeyer. Weitere Urteile halten am Begriff der absoluten Person der Zeitgeschichte fest, lassen aber offen, ob die konkret betroffene Person eine solche Person ist, so KG Berlin, in: ZUMRD 2007, 53 (57) zu Franziska van Almsick; LG Berlin, in: NJW-RR 2007, 923 (924) zu einem Fußball-Nationalspieler; LG Berlin, in: ZUM-RD 2007, 88 (89, 90) zu Robbie Williams; LG Hamburg, in: ZUM-RD 2009, 676 (677) zu Sabine Christiansen. 13 KG Berlin, in: ZUM-RD 2007, 53 (57) zu Bildern am Hotelstrand, auf dem Wasser und beim Bummel durch den Ferienort, da die Betroffene in sämtlichen Situationen „berechtigterweise davon ausgehen [durfte], dass sie nicht den Blicken eines breiten Publikums ausgesetzt wird“; LG Hamburg, in: ZUM-RD 2009, 676 (677) bei einem Strand mit ca. 30 Besuchern. 14 So KG Berlin, in: NJW 2005, 605 (606 f.). Hier fiel die Entscheidung gerade wegen der Berücksichtigung der Entscheidung des EGMR genau gegenteilig zu der im parallel gelagerten, aber früher entschiedenen Fall des KG Berlin, in: NJW 2005, 603, aus. Siehe ferner
12
Kapitel 2: Schutz der Privatsphäre in Deutschland
betont, dass dieser einem „spezifischen Erholungsbedürfnis“ dient und daher frei von Belästigungen bleiben muss.15 Berichte über den Gesundheitszustand einer Person 16 oder über einen Erholungsaufenthalt nach einer Krankheit sollen ebenso unterbleiben.17 Der BGH scheint den Begriff der absoluten Person der Zeitgeschichte mittlerweile vollständig aufgegeben zu haben und nimmt schon bei der Frage, ob eine zeitgeschichtliche Bedeutung gegeben ist, eine Einzelabwägung vor.18 Für Personen des politischen Lebens wird unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Interesse an der Person anerkannt, welches auch eine Berichterstattung über das Alltagsleben rechtfertigen kann.19 Außerdem hat sich nun die Figur der „Person öffentlichen Interesses“ herausgebildet, an der ein geringeres Interesse als an politisch bedeutsamen Personen, aber ein höheres als an normalen Bürgern besteht.20 Im Rahmen der Bestimmung der zeitgeschichtlichen Bedeutung sind dabei Unterhaltungsinteressen weiterhin berücksichtigungsfähig, da „auch durch unterhaltende Beiträge Meinungsbildung stattfinden kann“ und „solche Beiträge […] die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen [können] als sachbezogene Informationen“,21 und es besteht auch LG Berlin, in: NJW-RR 2007, 923 (924 f.); LG Berlin, in: ZUM-RD 2007, 88 (90 f.); BGH, in: NJW 2009, 1502 (1503). 15 So LG Hamburg, in: ZUM-RD 2009, 676 (677 f.); siehe auch BGH, in: ZUM 2007, 470 (473). 16 BGH, in: ZUM 2009, 58 (60); BGH, in: NJW 2009, 754 (756). Das Gleiche gilt nach BGH, in: ZUM-RD 2009, 7 (10) und 2009, 11 (13) für die Erkrankung eines engen Familienmitglieds. 17 BGH, in: ZUM-RD 2009, 11 (13). 18 In BGHZ 171, 275 (281) = NJW 2007, 1977 (1979) sowie in ZUM 2007, 470 (472) verlangte der BGH noch eine Entscheidung über die Zulässigkeit einer Berichterstattung über eine Person „unbeschadet der Frage, ob sie als absolute Person der Zeitgeschichte im Sinn der bisherigen Rechtsprechung anzusehen ist“. Zum Teil wurde dies schon als Abkehr von der Figur gesehen, siehe etwa KLASS, in: ZUM 2007, S. 820; TEICHMANN, in: NJW 2007, S. 1918 f. In neueren Urteilen taucht der Begriff nicht mehr auf, siehe etwa BGH, in: NJW 2008, 749 (750); BGHZ 180, 114 (118 ff.) = NJW 2009, 1499 (1500/1), und man geht von der Abschaffung der Rechtsfigur aus, siehe etwa MÜLLER, in: ZRP 2012, S. 125. 19 BGHZ 177, 119 (124/5) = NJW 2008, 3134 (3135) zu Heide Simonis bei privaten Einkäufen nach ihrer Abwahl als Ministerpräsidentin. 20 BGH, in: ZUM 2009, 148 (149, 150) zu einem Schauspieler; BGH, in: NJW 2008, 3138 (3140); LG Hamburg, in: ZUM-RD 2009, 676 (677) und BGH, in: NJW 2009, 1502 (1503) zu einer Moderatorin; BGHZ 180, 114 (120) = NJW 2009, 1499 (1501) zum Enkel des Fürsten Rainier von Monaco; BGH, in: ZUM 2009, 58 (60) zu Ernst August von Hannover; BGH, in: NJW 2008, 3141 sowie BGH, in: ZUM-RD 2009, 7 (10) zu Caroline von Monaco; BGHZ 178, 213 (215) = NJW 2009, 757 (758) zu einem Filmschauspieler. 21 BGH, in: NJW 2008, 3138 (3139); BGH, in: NJW 2008, 749 (750); BGH, in: ZUM 2009, 148 (149). Bestätigung der Berücksichtigungsfähigkeit durch das BVerfG, in: NJW 2008, 1793 (1796) („Caroline von Monaco IV“).
A. Die relevanten Schutzbereiche
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Interesse an Informationen über das Privatleben – einschließlich des ganz normalen Alltags – von Prominenten, die keinerlei politische Funktion innehaben. 22 Im Rahmen der Abwägung der Interessen wird aber infolge der Rechtsprechung des EGMR einer Befriedigung reiner Neugier ein geringeres Gewicht beigemessen als früher.23 Bezüglich Kindern bleibt es dabei, dass diese besonderen Schutz genießen.24 Vor Bildaufnahmen im privaten Bereich schützt im Übrigen auch das Strafrecht durch § 201a StGB. Dieser greift bei unbefugten Bildaufnahmen einer Person ein, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet. II. Sonstige kodifizierte Bereiche Positivrechtlich geschützt sind darüber hinaus auch das Recht zum Gebrauch des Namens nach § 12 BGB sowie in gewissem Umfang die Vertraulichkeit von Informationen aus dem persönlichen Lebensbereich nach §§ 201 ff. StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB. Auch die Ehre, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird, ist nach §§ 185 ff. StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB positivrechtlich geschützt; § 824 BGB schützt zudem vor Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Glaubwürdigkeit. III. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht 1. Herleitung und Inhalte Um die verbleibenden Lücken insbesondere für den Bereich der Wortberichterstattung zu schließen, hat man aus den Verfassungsprinzipien der Menschenwürde und des Rechts auf freie Entfaltung der Person, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, ein zivilrechtlich geschütztes Allgemeines Persönlichkeitsrecht hergeleitet.25 Im Einzelnen umfasst das Allgemeine Persönlichkeitsrecht insbesondere den Schutz der Ehre einer Person (Ehrenschutz), den Schutz der Person vor Verfälschungen ihrer Identität (Identitätsschutz) und die Selbstbestimmung darüber, welche Sachverhalte über die eigene Person der Öffentlichkeit preis22
BGH, in: NJW 2008, 3138 (3140); BGH, in: ZUM 2009, 148 (149); BGHZ 180, 114 (118 f.) = NJW 2009, 1499 (1500); BGH, in: ZUM 2009, 58 (59). 23 BGH, in: NJW 2008, 3138 (3141) – Foto von Moderatorin beim Shoppen auf Mallorca unzulässig, da keinerlei Orientierungsfunktion; BGH, in: NJW 2008, 749 (750, 751) – kein Informationsinteresse am Urlaub; BGH, in:, NJW 2009, 1502 (1503 f.) – Fotos eines Liebespaares dienen aus sich heraus nicht der Meinungsbildung von allgemeinem Interesse. 24 BVerfG, in: NJW 2005, 1857 (1858); BVerfG, in: NJW 2008, 39 (41) („Esra“); OLG Hamburg, in: NJW 2009, 87. 25 BGHZ 13, 334 (338) („Leserbrief“); BGHZ 24, 72 (76/7) = NJW 1957, 1146 (1146/7) („Krankenpapiere“); BGHZ 26, 349 (354) („Herrenreiter“).
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Kapitel 2: Schutz der Privatsphäre in Deutschland
gegeben werden (Schutz der Selbstbestimmung), sowie die Wahrung einer individuellen Geheimnis- und Privatsphäre (Geheimnisschutz). 2. Ehrenschutz Die Ehre ist, wie schon erwähnt,26 bereits nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. strafrechtlichen Schutzvorschriften und § 824 BGB geschützt. Sie ist aber zugleich als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB.27 Der Begriff der Ehre umfasst den Ruf, das Ansehen und die soziale Geltung einer Person in den Augen anderer;28 nicht maßgeblich ist hingegen ein möglicherweise davon abweichender subjektiver Ehrbegriff des Betroffenen.29 Die Ehre wird verletzt, wenn jemand beschimpft, verächtlich gemacht oder herabgewürdigt wird, oder wenn ihm unzutreffenderweise Eigenschaften zugesprochen werden, die andere als tadelnswert betrachten.30 Insbesondere ist eine Verletzung auch dadurch denkbar, dass zu Unrecht etwas Negatives über eine Person verbreitet wird, so dass das Rechtsgut dem Einzelnen also zumindest auch Schutz gegenüber einer unrichtigen und negativen Berichterstattung in den Medien bietet. Der Wahrheit entsprechende Tatsachen dagegen verletzen die Ehre nicht.31 In der Praxis spielt das Rechtsgut der Ehre im deutschen Recht aber nur eine sehr begrenzte Rolle beim Schutz vor der Verbreitung negativer Informationen, da der Aspekt der Ehre meist durch die Aspekte des Geheimnisschutzes und der Selbstbestimmung in den Hintergrund gedrängt wird. Dies wird später im Vergleich mit der Praxis in Japan, die von der deutschen abweicht, noch näher erörtert.32 3. Identitätsschutz Mit dem Ehrenschutz nahe verwandt, aber als eigenständiger Aspekt des Persönlichkeitsrechts anerkannt ist der Schutz vor einer Verfälschung des Persönlichkeitsbildes durch unwahre Tatsachenbehauptungen. 33 Der Identitäts26
Oben, Kap. 2, A.II., S. 13. Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 94; RIXECKER, in: MüKoBGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 78; Palandt-SPRAU, in: BGB, 71. Aufl. (2012), § 823 Rdnr. 110. 28 Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 96; RIXECKER, in: MüKoBGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 79. 29 RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 79. 30 RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 79. 31 Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 97. 32 Siehe unten, Kap. 4, B.IV., S. 42 ff. 33 Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 29, 193 ff.; BGH, in: NJW 1965, 685 (686) („Soraya“); BGHZ 128, 1 (6 ff.) = NJW 1995, 861 (862) („Caroline von Monaco I“). 27
A. Die relevanten Schutzbereiche
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schutz hat mit dem Ehrenschutz gemeinsam, dass er bei der Aufdeckung von wahren Tatsachen durch eine Berichterstattung nicht eingreift, und spielt in der Praxis ebenfalls nur eine geringe Rolle beim Schutz vor der Verbreitung negativer persönlicher Informationen. 4. Schutz der Selbstbestimmung und Geheimnisschutz Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sichert außerdem jedem Einzelnen das Recht, selbst über Angelegenheiten zu bestimmen, die der eigenen Persönlichkeitssphäre zugeordnet sind, insbesondere darüber, wie die eigene Person in der Öffentlichkeit dargestellt wird und welche Informationen über die eigene Person der Öffentlichkeit preisgegeben werden,34 sowie damit zusammenhängend auch ein Recht auf Wahrung der Privatsphäre, das sich zum einen auf „Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehaltes typischerweise als privat eingestuft werden“, bezieht und zum anderen auch „einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann“, schützt.35 Zum Teil ist eine klare Grenzziehung zwischen den einzelnen Aspekten des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht möglich, was dadurch bedingt ist, dass sich die Aspekte historisch nach und nach anhand von konkreten Fällen entwickelt haben. Die Aspekte haben dadurch zwar teilweise unterschiedliche Nuancen oder zusätzliche Schutzbereiche, überschneiden und überlappen sich teilweise aber auch. Insbesondere der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Selbstbestimmung über das eigene Bild in der Öffentlichkeit hängen eng miteinander zusammen. 5. Begrenzung durch die Meinungs- und Pressefreiheit der Medien Gegenüber einer Berichterstattung über die eigene Person wird das Allgemeine Persönlichkeitsrecht begrenzt durch die mit dem Persönlichkeitsrecht kollidierenden Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG. Die Zulässigkeit einer Berichterstattung bestimmt sich daher aufgrund einer Abwägungsentscheidung zwischen den Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Person und den Informationsinteressen der Allgemeinheit.36
34 Siehe etwa BGH, in: NJW 2004, 762 (763); Palandt-SPRAU, in: BGB, 71. Aufl. (2012), § 823 Rdnr. 112. 35 BVerfGE 101, 361 (382 f.) = NJW 2000, 1021 (1022) („Caroline von Monaco II“); LG Berlin, in: ZUM 2007, 866 (868); KG Berlin, in: ZUM-RD 2007, 53 (56); Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 28, 122 ff., 126. 36 JARASS, in: NJW 1989, S. 862; Palandt-SPRAU, in: BGB, 71. Aufl. (2012), § 823 Rdnr. 101 ff.
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IV. Schutz vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Eine Sonderstellung nehmen die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ein, die nicht ideelle, sondern materielle Interessen des Betroffenen schützen. Sie gewährleisten, dass dem Einzelnen die ausschließliche Befugnis zur Verwertung von Bestandteilen seiner Persönlichkeit und die alleinige Entscheidung darüber zusteht, ob und unter welchen Voraussetzungen eine kommerzielle Verwertung erfolgt.37 Die Anerkennung der vermögenswerten Bestandteile beruht auf der Einsicht in die wirtschaftlichen Realitäten, wonach manche Prominente ihre Bekanntheit oder Beliebtheit bewusst einsetzen, um Einnahmen zu erzielen, und die Möglichkeit zur Verwertung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, während ideelle Interessen durch eine unbefugte Verwertung durch Dritte oft tatsächlich gar nicht betroffen sind. Das Konzept steht jedoch in gewisser Weise im Widerspruch zur ursprünglichen Vorstellung, dass es beim Schutz der Persönlichkeitsrechte um ideelle Werte einer Person und gerade nicht um verkäufliche und handelbare Güter geht.38 Daraus ergeben sich neben dem grundsätzlichen Problem, wie weit man mit der Anerkennung eines gegenüber den ideellen Persönlichkeitswerten verselbständigten Charakters der vermögenswerten Bestandteile gehen kann, zahlreiche Einzelfragen: Ob etwa vermögenswerte Bestandteile von der Person abgespalten und unter Lebenden übertragen werden können, ist von der Rechtsprechung bisher offengelassen worden.39 In der Literatur wird eine Übertragbarkeit vereinzelt befürwortet,40 überwiegend aber abgelehnt und nur die Einräumung einer Nutzungsbefugnis für möglich gehalten.41 Die vermögenswerten Bestandteile sind dagegen heute anerkanntermaßen – im Gegensatz zu den dem Schutz ideeller Interessen dienenden höchstpersönlichen Bestandteilen – vererblich.42 37 Siehe etwa BGHZ 20, 345 (350 ff.) = NJW 1956, 1554 (1555) („Paul Dahlke“); BGH, in: NJW 1992, 2084 (2085) („Joachim Fuchsberger“); BGHZ 143, 214 (219/20) = NJW 2000, 2195 (2197) („Marlene Dietrich“); BGH, in: NJW 2000, 2201 („Der blaue Engel“). 38 Vgl. GÖTTING, in: GRUR Int. 1995, S. 656. 39 So in BGHZ 50, 133 (137) („Mephisto“); BGH, in: NJW-RR 1987, 231 (232) („NENA“); BGHZ 143, 214 (220) = NJW 2000, 2195 (2197) („Marlene Dietrich“). 40 FORKEL, in: GRUR 1988, S. 492 ff.; JACOBS, in: WRP 2000, S. 896; LAUSEN, in: ZUM 1997, S. 92; MAGOLD, in: Personenmerchandising (1994), S. 500 ff., 506. 41 BRANDL, in: AfP 1981, S. 351; HELLE, in: AfP 1985, S. 99 (bezüglich des Rechts am Bild); SCHACK, in: JZ 2000, S. 1062; DERS., in: Urheber- und Urhebervertragsrecht, 5. Auflage (2010), Rdnr. 51; WENZEL/BURKHARDT, in: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. (2003), Kap. 7 Rdnr. 61 (bezüglich des Rechts am Bild). 42 BGHZ 143, 214 (220) = NJW 2000, 2195 (2197) („Marlene Dietrich“), bestätigt durch BVerfG, in: NJW 2006, 3409; BGH, in: NJW 2000, 2201 („Der blaue Engel“). Akzeptiert auch in der Literatur, etwa Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 74; GÖTTING, in: GRUR Int. 1995, S. 667.
B. Rechtsfolgen bei Verletzungen
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Von großer Bedeutung für den Anwendungsbereich der vermögenswerten Bestandteile ist schließlich die Frage, ob die vermögenswerten Bestandteile wie die Immaterialgüterrechte unabhängig davon geschützt sind, ob der Betreffende seine Persönlichkeitswerte auch als Wirtschaftsgüter nutzt bzw. nutzen will, oder ob bei fehlender Lizenzbereitschaft keine materiellen, sondern ausschließlich immaterielle Interessen betroffen sind; auf diese Diskussion wird sogleich im Rahmen des Überblicks über die Geldersatzansprüche eingegangen.43
B. Rechtsfolgen bei Verletzungen B. Rechtsfolgen bei Verletzungen I. Ansprüche auf Unterlassung Bei Gefahr einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann der Betroffene analog §§ 12 Satz 2, 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 oder § 824 BGB unabhängig von einem Verschulden des Verletzers Unterlassung verlangen.44 Eine bereits erfolgte Persönlichkeitsrechtsverletzung indiziert die Wiederholungsgefahr;45 die Vermutung der Gefahr kann aber durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden.46 Unterlassung kann immer nur hinsichtlich einer konkreten Verletzungsform verlangt werden; ein generelles Verbot etwa jeglicher Veröffentlichung von Abbildungen eines Kindes47 oder ein generelles Verbot der Veröffentlichung von Bildnissen aus dem „privaten Alltag“48 ist nicht möglich. II. Ansprüche auf Beseitigung Wenn eine rechtswidrige Verletzung von Persönlichkeitsrechten eingetreten ist und die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts fortbesteht, kann der Betroffene, ebenfalls in entsprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 Näher zu dem gesamten Problemkreis unten im Zusammenhang mit der Diskussion des japanischen Rechts, Kap. 4, F., insbesondere Kap. F.III., S. 116 ff. und F.IV., S. 118 f. 43 Unten, Kap. 2, B.IV., S. 20 f. 44 Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C 258; BGHZ 99, 133 (136) = NJW 1987, 1400; BGH, in: NJW 1994, 1281 (1282) („Bilanzanalyse“). 45 Siehe nur BGH, in: NJW 1986, 2503 (2505) („Ostkontakte“); BGH, in: NJW 1998, 1391 (1392). 46 BGH, in: NJW 1994, 1281 (1283) („Bilanzanalyse“); Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C 260. 47 BGH, in: NJW 2010, 1454 (1455 f.) entgegen den vorinstanzlichen Entscheidungen des LG Hamburg und OLG Hamburg. 48 BGHZ 174, 262 ff. = ZUM-RD 2008, 294 (295) und BGH, in: NJW 2008, 1593 (1594) entgegen LG Berlin sowie KG Berlin.
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BGB – bzw. bei Vorliegen von Verschulden auch als Schadensersatz nach § 823 BGB in Form der Naturalrestitution –, Ansprüche auf Beseitigung der Beeinträchtigung geltend machen.49 Die häufigste Form der Beseitigung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch eine Berichterstattung ist der Widerruf. Der Anspruch auf Widerruf ist allerdings beschränkt auf unwahre Tatsachen.50 Insbesondere Verletzungen durch die Aufdeckung von wahren Informationen aus dem Privatleben sind einem Widerruf also nicht zugänglich. 51 Gegen eine Bildveröffentlichung kann sich ein Berichtigungsanspruch ausnahmsweise dann richten, wenn die Persönlichkeit durch Fotomontagen, falsche Bildnisse oder durch eine irreführende Kombination von Text und Bild verfälscht wird.52 Bei Unvollständigkeiten oder bei nachträglich eingetretener Unrichtigkeit kann auch ein Anspruch auf Richtigstellung oder Ergänzung bestehen.53 Als besondere Form der Beseitigung kommt auch die Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung oder die Veröffentlichung eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils in Betracht. In der Praxis anerkannt wurde ein solcher Anspruch nur in Einzelfällen, so bei öffentlich erfolgten rufschädigenden Meinungsäußerungen unter der Voraussetzung, dass gerade die Veröffentlichung erforderlich erschien, um die Folgen für das Ansehen des Verletzten auszugleichen,54 sowie in Fällen erwiesen unwahrer Tatsachenbehauptungen, gegen die auch ein Widerrufsanspruch bestanden hätte.55 Eine weitere mögliche Form der Beseitigung stellt der Rückruf von Medien wie Büchern oder Zeitschriften dar, die persönlichkeitsverletzende Inhalte aufweisen.56 49 Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 293; BGHZ 10, 104 (105). In der neueren Rechtsprechung findet sich nur noch der abwehrrechtliche Ansatz, siehe etwa BGHZ 128, 1 (6) = NJW 1995, 861 (862) („Caroline von Monaco I“). 50 BGHZ 65, 327 (337) = NJW 1976, 620 (623) („Warentest II“); BGHZ 128, 1 (6) = NJW 1995, 861 (862) („Caroline von Monaco I“). 51 OLG Köln, in: AfP 1975, 866; Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C 273. 52 Erman-KLASS, in: BGB, 13. Aufl. (2011), Anh. § 12 Rdnr. 294; WENZEL/BURKHARDT, in: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. (2003), Kap. 13 Rdnr. 47. 53 BGH, in: NJW 1961, 1913 (1914); BGHZ 57, 325 (326 ff.) = NJW 1972, 431 („Freispruch“); BVerfG, in: NJW 1997, 2589 („Stern“). 54 BGHZ 99, 133 (136 ff.) = NJW 1987, 1400 ff., wo es um die Bezeichnung als „Oberfaschist“ ging, sowie die Vorinstanz OLG Düsseldorf, in: NJW 1986, 1262. Trotz Unterstellung von Nähe zum Nationalsozialismus wird vom OLG München, in: NJW-RR 1990, 1435 (1437), dagegen ein Anspruch auf Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung wegen des Todes des Betroffenen und die dadurch bedingte Verzögerung des Verfahrens als nicht den „strengen Voraussetzungen“ dieses Anspruchs genügend abgelehnt. 55 LG Bückeburg, in: NJW-RR 1999, 319 (321); OLG München, in: NJW-RR 1986, 221. 56 BGH, in: GRUR 1963, 539.
B. Rechtsfolgen bei Verletzungen
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Die Verpflichtung zur Abgabe einer Entschuldigung dagegen würde über eine Beseitigung des störenden Zustandes hinausgehen und kann daher nicht verlangt werden.57 III. Gegendarstellungsrechte Verstreut auf zahlreiche Einzelregelungen – für periodische Druckwerke in den Landespressegesetzen, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rundfunk-Staatsvertrag sowie in den Regelungen zu den Landesrundfunkanstalten, für private Rundfunkanbieter in den Landesmedien- bzw. Landesrundfunkgesetzen sowie für Mediendienste im Mediendienste-Staatsvertrag – steht als weiterer Rechtsbehelf das Gegendarstellungsrecht zur Verfügung. 58 Dieses gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, in Erwiderung auf eine in Medien aufgestellte Tatsachenbehauptung eine eigene Darstellung zu veröffentlichen und damit das über ihn entstandene Bild zu korrigieren, wobei die aufgestellte Behauptung – im Unterschied zum Widerrufsanspruch – nicht unwahr sein muss.59 Für den Verletzer stellt die Verpflichtung zur Gegendarstellung einen geringeren Einschnitt in seine Rechte dar, da lediglich die Sicht des Betroffenen dargestellt wird und nicht der Äußernde eine Berichtigung seiner Äußerung vornehmen muss.60 IV. Geldzahlungsansprüche Schließlich bestehen bei Persönlichkeitsverletzungen Geldzahlungsansprüche. Als Grundlage hierfür kommen verschiedene Anknüpfungspunkte in Betracht, die in der Praxis eine unterschiedlich große Rolle spielen, und zwar insbesondere das Deliktsrecht (1., 2.), Bereicherungsrecht (3.) sowie das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (4.). 1. Ersatz materieller Schäden über das Deliktsrecht Materielle Schäden sind grundsätzlich nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG bzw. § 823 Abs. 1 BGB bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „sonstigem Recht“ ersatzfähig. Zu einem materiellen Schaden 57
Vgl. BGHZ 39, 124 = NJW 1963, 902 („Fernsehansagerin“), wo ein Anspruch auf Entschuldigung schon in erster Instanz abgewiesen wurde; ferner RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 221. 58 Abdruck der verschiedenen Regelungen der Gegendarstellungsrechte bei WENZEL/ BURKHARDT, in: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. (2003), Kap. 11 Rdnr. 10 ff. (Landespressegesetze), Rdnr. 309, 312 ff. (Rundfunkstaatsvertrag und Regelungen der Landesrundfunkanstalten), Rdnr. 326 ff. (Landesmedien- bzw. Landesrundfunkgesetze), Rdnr. 345 (Mediendienste-Staatsvertrag). 59 BVerfGE 97, 125 (147 f.) = NJW 1998, 1381 (1383) („Caroline von Monaco I“). 60 FECHNER, in: Medienrecht, 12. Aufl. (2011), Kap. 4 Rdnr. 113.
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kann es zum einen durch geschäftliche oder sonstige finanziell nachteilige Folgen einer Berichterstattung kommen, die nach den allgemeinen Regeln ersatzfähig sind, aber mangels konkret fassbarer und nachweisbarer Folgen in der Praxis nur selten eine Rolle spielen.61 Zum anderen ist die Entstehung materieller Schäden durch die unbefugte Nutzung von wirtschaftlich einsetzbaren Persönlichkeitselementen denkbar. Wie weit man die Grenze für letztere Fallgruppe zieht, ist dabei, wie schon angedeutet,62 eine schwierige und umstrittene Frage. In Fällen, in denen der Betroffene seine Persönlichkeitsmerkmale selbst gar nicht wirtschaftlich verwerten will, wird zum Teil die Annahme eines materiellen Schadens ebenso wie ein Ausgleich über das Bereicherungsrecht abgelehnt, weil sich die unberechtigte Nutzung durch den Dritten nicht auf die wirtschaftliche Situation des Betroffenen auswirkt, und stattdessen eine ausschließlich Verletzung immaterieller Interessen angenommen.63 Betrachtet man vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts aber als Wirtschaftsgüter ähnlich einem Immaterialgüterrecht, kommt es für die Bejahung eines materiellen Schadens auf die konkrete Lizenzbereitschaft des Betroffenen nicht an, da die Nutzungsrechte hier unabhängig von der Lizenzbereitschaft dem Rechtsinhaber zugewiesen sind. Daher wird auch bei fehlender Lizenzbereitschaft teilweise ein Schadensersatzanspruch bejaht.64 Teilweise wird dagegen der Schadensersatzanspruch abgelehnt und stattdessen ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich als die richtige Lösung angesehen, weil man das Schadensersatzrecht als Instrument zum Ausgleich eingetretener Schäden betrachtet, das eine Einbuße auf Seiten des Geschädigten voraussetzt, und dort an der Voraussetzung einer Lizenzbereitschaft
61 Beispiele: BGH, in: NJW 1994, 1950 (1953) (Gewinneinbußen eines Rechtsanwalts durch Rufschädigung); BGH, in: NJW 1997, 1148 (1150) (Kündigung des Belegarztvertrags). 62 Oben, Kap. 2, A.IV., S. 17. 63 BGHZ 26, 349 (352 ff.) („Herrenreiter“); BGHZ 30, 7 (17) = NJW 1959, 1269 (1272) („Caterina Valente“); BGHZ 35, 363 (366) („Ginsengwurzel“); OLG Stuttgart, in: NJW 1983, 1203 (1204); OLG Hamburg, in: NJW-RR 1994, 990 (991); BGHZ 128, 1 = NJW 1995, 861 („Caroline von Monaco I“); GOUNALAKIS, in: AfP 1998, S. 19, MÜLLER, in: VersR 2000, S. 805; STEFFEN, in: NJW 1997, S. 13 f. 64 BGHZ 20, 345 (352 ff.) = NJW 1956, 1554 (1555 f.) („Paul Dahlke“); OLG Köln in der Vorinstanz zu BGHZ 26, 349 („Herrenreiter“), siehe dort, 351; OLG Hamburg, in: AfP 1983, 282 (283) und OLG München, in: ZUM 1985, 452 (455); LG München, in: ZUM-RD 2003, 601 (603) – hier wird auf die Frage der Lizenzbereitschaft nicht ausdrücklich eingegangen, es ging aber um angebliche Nacktaufnahmen von Marlene Dietrich, für die kaum eine Lizenzbereitschaft bestanden haben dürfte; BGHZ 169, 340 (344) = NJW 2007, 689 (690) („Rücktritt des Finanzministers“). Für die Annahme eines materiellen Schadens auch WAGNER, in: ZEuP 2000, S. 224; wohl auch LETTL, in: WRP 2005, S. 1082, 1086.
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festhält, während im Bereicherungsrecht eine solche Einbuße auf Seiten des Geschädigten nicht für erforderlich gehalten wird.65 In klassischen Fällen einer unbefugten Nutzung des Werbewertes von Bild oder Name einer Person für eine kommerzielle Werbung scheint die Tendenz heute insgesamt dahin zu gehen, auf das Erfordernis einer Lizenzbereitschaft zu verzichten.66 Allerdings ist die Annahme einer Verletzung wirtschaftlicher Elemente auch denkbar bei einer „Vermarktung“ von Bildnissen oder etwa von exklusiven Informationen aus dem Privatleben einer Person im Rahmen einer Berichterstattung, da z.B. auch die Vermarktung von Homestorys, Exklusivinterviews, Berichten über Hochzeiten etc. einen erheblichen wirtschaftlichen Wert besitzen.67 Für diese Fallgruppe wird jedoch in der Regel nach wie vor die Annahme eines materiellen Schadens abgelehnt und die Lösung in einer immateriellen Entschädigung gesucht.68 Welche Vorteile hier eine großzügigere Berücksichtigung des materiellen Aspekts haben könnte, wird an späterer Stelle in dieser Arbeit noch diskutiert werden.69 Als Inhalt des materiellen Schadensersatzanspruchs ist zumindest theoretisch die Möglichkeit einer dreifachen Schadensberechnungsmethode anerkannt, also die Wahl des Geschädigten zwischen dem Nachweis des konkreten Schadens, der Bezifferung anhand einer Lizenzanalogie und der Abschöpfung des vom Verletzer erzielten Gewinns.70 65 EHMANN, in: AfP 2007, S. 84; SCHLECHTRIEM, in: FS Hefermehl (1976), S. 456, 463 f.; ULLMANN, in: AfP 1999, S. 212. OLG München, in: NJW-RR 1996, 539 (540) lehnt zwar einen Schadensersatz nicht ausdrücklich ab, zweifelt aber an einem materiellen Schaden und geht ebenfalls nach Bereicherungsrecht vor. 66 Von Bedeutung in dieser Hinsicht insbesondere das oben, Kap. 2 Fn. 64, schon zitierte Urteil BGHZ 169, 340 (344) = NJW 2007, 689 (690) („Rücktritt des Finanzministers“), mit dem im Jahr 2006 höchstinstanzlich auf das Vorliegen einer Lizenzbereitschaft verzichtet wurde. 67 GÖTTING, in: FS Ullmann (2006), S. 70 ff.; Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C249; LADEUR, in: ZUM 2000, S. 885 ff. Konkret auf den Fall eines erfundenen Exklusiv-Interviews bezogen gehen von einem materiellen Schaden aus etwa: ULLMANN, in: WRP 2000, S. 1051; WAGNER, in: VersR 2000, S. 1309; DERS., in; ZEuP 2000, S. 221; wohl auch SIEMES, in: AfP 1997, S. 542, wenn auch nicht ganz eindeutig. Für die Anwendung der §§ 812 ff. BGB auf persönlichkeitsverletzende Berichte über Caroline von Monaco SEITZ, in: NJW 1996, S. 2850. 68 So die oben, Kap. 2 Fn. 63, bereits zitierten Fälle OLG Hamburg, in: NJW-RR 1994, 990 (991); BGHZ 128, 1 (12 f., 14 ff.) = NJW 1995, 861 (864 f.) („Caroline von Monaco I“); siehe auch LG Hamburg, in: ZUM 2008, 801 (803 f.); LG Hamburg, in: ZUM-RD 2008, 486 (487); OLG Hamburg, in: ZUM 2009, 65 (68 f.); OLG Köln, in: ZUM 2009, 486 (488 f.). 69 Siehe unten, Kap. 7, E., S. 231 f. 70 BGHZ 20, 345 (353 f.) = NJW 1956, 1554 (1555 f.) („Paul Dahlke“); BGHZ 143, 214 (232) = NJW 2000, 2195 (2201) („Marlene Dietrich“); BGH, in: NJW 2000, 2201 (2202) („Der blaue Engel“); Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C290; LETTL, in: WRP 2005, S. 1082.
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Kapitel 2: Schutz der Privatsphäre in Deutschland
Bei der Gewinnabschöpfung ist allerdings zu beachten, dass sie zwar in der Theorie als eine der Berechnungsmethoden mit genannt wird, in der Praxis aber größte Zurückhaltung vor einer Anwendung bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts geübt wird. Denn konkret ist ein solcher Anspruch schon problematisch wegen Berechnungsschwierigkeiten des gerade aus der Persönlichkeitsverletzung resultierenden Anteils am Gewinn.71 Darüber hinaus wird bezweifelt, ob eine Gewinnabschöpfung gerechtfertigt ist, weil es erstens den Persönlichkeitsrechten im Vergleich zu echten Immaterialgüterrechten an einer klaren Konturierung fehlt72 und zweitens der bei echten Immaterialgüterrechten wesentliche Aspekt der Privilegierung des Schutzrechtsverletzers, der sich nicht an Forschungs- und Entwicklungskosten beteiligt hat und unter Umständen keinen Verpflichtungen hinsichtlich Preisgestaltung, Qualitätsstandards oder Wettbewerbsverhalten unterliegt wie ein berechtigter Nutzer, bei Persönlichkeitsverletzungen keine Parallele hat.73 Im Bereich des Medienrechts kommt hinzu, dass verfassungsrechtlich geschützte Interessen der Medien eine Übermaßhaftung verbieten.74 Als Mindestanforderung für eine Gewinnabschöpfung wird daher jedenfalls übereinstimmend eine Beschränkung auf vorsätzliches Handeln mit dem Argument gefordert, dass § 687 Abs. 2 S. 1 BGB, der bei einer bewussten angemaßten Eigengeschäftsführung über die entsprechende Anwendung von § 684 S. 1 BGB die Abschöpfung etwaiger Gewinne des Eigengeschäftsführers ermöglicht, nicht unterlaufen werden dürfe.75 In der Praxis wird der materielle Schaden in der Regel über die fiktive Lizenzgebühr berechnet. Die bisher höchste Summe erreichte dabei Boris Becker mit 1,2 Mio. Euro für eine in 50 Mio. Exemplaren verbreitete Werbeanzeige;76 die Lizenzgebühren bewegen sich aber auch in anderen Fällen in bis zu sechsstelligen Bereichen.77
71 SCHLECHTRIEM, in: JZ 1995, S. 362; STEFFEN, in: NJW 1997, S. 14; zu § 687 Abs. 2 SIEMES, in: AfP 1997, S. 543; vgl. auch LG München, in: ZUM-RD 2003, 601 (606). 72 So die Hinweise von SCHUBERT, in: AfP 2007, S. 24; WAGNER, in: GRUR 2000, S. 719. 73 WAGNER, in: GRUR 2000, S. 719. 74 GOUNALAKIS, in: AfP 1998, S. 16, 19; WAGNER, in: ZEuP 2000, S. 227. 75 Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C290; LETTL, in: WRP 2005, S. 1082. 76 LG München I, in: ZUM-RD 2006, 465 (468 f.); zunächst bestätigt durch OLG München, in: ZUM-RD 2007, 360, allerdings teilweise aufgehoben vom BGH, der eine Verletzungshandlung nur für einen kürzeren Zeitraum als die unteren Instanzen (01.11.2001 bis 31.03.2002 statt 01.09.2001 bis 31.03.2002) als gegeben ansah, in: WRP 2010, 780 („Der strauchelnde Liebling“). Die Entscheidung, in der es um die Eigenwerbung einer Zeitung mit dem Bild einer fiktiven Zeitungsausgabe mit einem Bild von Boris Becker auf der Titelseite ging, ist umstritten, da ein entsprechender „echter“ Beitrag wohl rechtmäßig gewesen wäre und die Presse in ihren Möglichkeiten zur Werbung stark eingeschränkt wird. So wird etwa
B. Rechtsfolgen bei Verletzungen
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2. Ersatz immaterieller Schäden über das Deliktsrecht Typisch für das deutsche Recht des Persönlichkeitsschutzes ist, dass im Gesetz – auch nach der Neufassung des § 253 BGB – kein Ersatz für die Beeinträchtigung immaterieller Persönlichkeitsinteressen vorgesehen ist und die Rechtsprechung aufgrund des verfassungsrechtlichen Auftrags zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts contra legem einen Anspruch auf Geldentschädigung anerkannt hat, allerdings nur unter den restriktiven Voraussetzungen, dass es sich erstens um eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts handelt und zweitens die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann.78 Für harmlosere Eingriffe kommt also kein Schmerzensgeldanspruch in Betracht; allerdings kann bei hartnäckigen und wiederholten Verletzungshandlungen durch Bildberichterstattung – nicht aber durch bloße Wortberichterstattung – ein „schwerwiegender Eingriff“ im Sinne dieser Anforderungen anzunehmen sein.79 Aufgrund der Subsidiarität des Schmerzensgeldanspruchs muss ferner insbesondere bei der Wortberichterstattung vorrangig die Möglichkeit des Widerrufs berücksichtigt werden.80 Die Höhe des Schmerzensgeldes soll laut Rechtsprechung so bemessen werden, dass das Schmerzensgeld eine „fühlbare Geldentschädigung“ mit einem „echte[n] Hemmungseffekt“ auch und gerade für die rücksichtslose „Vermarktung der Persönlichkeit“ bildet. Aus Gründen der Prävention (und Genugtuung) soll daher der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung erzielt hat, bei der Festsetzung der Schadenssumme ausreichend zu berücksichtigen sein, ohne dass damit etwa der Gewinn im eigentlichen Sinne abzu-
der Vorwurf fehlenden Gespürs für die „Eigengesetzlichkeit der Eigenwerbung der Presse“ erhoben von LADEUR, in: AfP 2007, S. 242 f. 77 LG Hamburg, in: ZUM 2004, 399 (402 f.), bestätigt durch OLG Hamburg, in: ZUM 2005, 164 (167 f.): 100.000 Euro für Oskar Lafontaine, wobei das OLG sich nur auf bereicherungsrechtliche Ansprüche stützt und offenlässt, ob die fiktive Lizenzgebühr auch auf deliktischer Grundlage gewährt werden kann, ebda., 165; der BGH hob die Urteile dann allerdings deshalb auf, weil er keine rechtswidrige Verletzung des Rechts am Bild als gegeben ansah, BGHZ 169, 340 = NJW 2007, 689 („Rücktritt des Finanzministers“); LG Hamburg, NJW 2007, 691 (693 f.): 200.000 Euro für Joschka Fischer; OLG München, in: NJW-RR 2003, 767 (768): 70.000 Euro (Anschlussentscheidung an BGH, NJW 2000, 2201 („Der blaue Engel“)). 78 Siehe nur BGHZ 35, 363 (369) („Ginsengwurzel“); BGHZ 39, 124 (133) = NJW 1963, 902 (903) („Fernsehansagerin“); BGHZ 128, 1 (12) = NJW 1995, 861 (864) („Caroline von Monaco I“); BGHZ 132, 13 (27) = NJW 1996, 1131 (1134); BGHZ 143, 214 (218) = NJW 2000, 2195 (2197) („Marlene Dietrich“); BGHZ 160, 298 (306) = NJW 2005, 215 (216 f.). 79 BGH, in: NJW 1996, 985 („Caroline von Monaco III“); BGHZ 160, 298 (306) = NJW 2005, 215 (217 f.). 80 BGHZ 128, 1 (13) = NJW 1995, 861 (864) („Caroline von Monaco I“).
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schöpfen sein soll.81 Infolgedessen werden nun Entschädigungssummen im sechsstelligen Bereich gewährt.82 Die Frage der Präventionsfunktion und der Berücksichtigungsfähigkeit des Verletzergewinns wird seither in der Literatur kontrovers diskutiert. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Präventionsaspekts ergibt sich aus der Überlegung, dass dem Verletzer kein Gewinn aus der Verletzungshandlung verbleiben darf, weil sie sich sonst immer noch rentiert.83 Das Problem daran ist jedoch, dass der Präventivgedanke eigentlich dem Strafrecht zu Grunde liegt, dem Zivilrecht jedoch fremd ist.84 Kritisiert wird an der Rechtsprechung auch, dass der Gewinn nicht im Zusammenhang mit der Größe des erlittenen immateriellen Nachteils stehe und es daher fraglich sei, ob es gerechtfertigt ist, diesen dem Geschädigten – meist einem Prominenten – zukommen zu lassen,85 insbesondere im Hinblick auf die ungleich niedrigeren Summen etwa bei Körperverletzungen, sexuellem Missbrauch und Vergewaltigungen oder bei Schockschäden beispielsweise aufgrund des Verlusts des eigenen Kindes.86
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BGHZ 128, 1 (16) = NJW 1995, 861 (865) („Caroline von Monaco I“); BGH NJW 1996, 984 (985) („Caroline von Monaco II“); BGHZ 160, 298 (307) = NJW 2005, 215 (218). 82 180.000 DM gewährte das OLG Hamburg, in: NJW 1996, 2870 (2871), infolge der Vorgaben des BGH Caroline von Monaco für ein erfundenes Exklusivinterview, ein Paparazzi-Foto und die Meldung „Hochzeit im September“. 150.000 DM gab es für persönlichkeitsverletzende Bilder der Tochter von Prinzessin Caroline trotz mehrfacher Abmahnungen, Unterwerfungserklärungen und einstweiliger Verfügungen; LG Berlin, Urteil vom 11.12.2001, Az. 27 O 461/01, bestätigt durch KG Berlin, in: ZUM-RD 2003, 527 (530) und BGHZ 160, 298 (307 f.) = NJW 2005, 215 (218). Die bisher höchste Summe von 400.000 Euro wurde wegen 86 teilweise völlig erfundenen Berichten, zum Teil unter Verwendung von Fotomontagen, Prinzessin Madeleine von Schweden zugesprochen, OLG Hamburg, in: GRUR-RR 2009, 438 (439). 83 KÖRNER, in: NJW 2000, S. 246; SCHLECHTRIEM, in: JZ 1995, S. 364. SEITZ, in: NJW 1996, S. 2850 begrüßt die BGH-Entscheidung ebenfalls, auch wenn er den Weg über §§ 812 ff. BGB vorgezogen hätte. 84 Vgl. BGHZ 118, 312 (334 ff., 338 ff.), der die Anerkennungsfähigkeit von US-amerikanischen Punitive-Damage-Urteilen wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public ablehnt; ferner BARTON, in: AfP 1995, S. 456; KNÖPFEL, in: AcP 155 (1956), S. 149 f.; SEITZ, in: NJW 1996, S. 2848; SIEMES, in: AfP 1997, S. 543; SOEHRING, in: NJW 1997, S. 372. 85 KNÖPFEL, in: AcP 155 (1956), S. 150; MÜLLER, in: VersR 2000, S. 803. Kritik als „Prominenzjudikatur“: GOUNALAKIS, in: AfP 1998, S. 16. 86 Hinweise auf das Ungleichgewicht etwa bei DÄUBLER, in: NJW 1999, S. 1611 f.; FOERSTE, in: NJW 1999, S. 2951 f.; GOUNALAKIS, in: AfP 1998, S. 16/7; KÖRNER, in: NJW 2000, S. 246; SEITZ, in: NJW 1996, S. 2849; WAGNER, in: VersR 2000, S. 1305 f. Das BVerfG sieht allerdings für Schockschadensfälle im Vergleich zu den Persönlichkeitsverletzungen keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, da das Erfordernis eines Hemmeffekts einen sachlich begründeten Unterschied darstelle, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertige, in: ZUM 2000, 947.
B. Rechtsfolgen bei Verletzungen
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3. Bereicherungsrecht Wie oben bereits ausgeführt, kommt als Instrument zur Gewährung von Geldzahlungsansprüchen für einen in seinen Persönlichkeitsrechten Verletzten auch die Abschöpfung einer ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB in Betracht. Bei der unbefugten kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen wird die Bereicherung in der Regel im ersparten Honorar gesehen, 87 was der Lizenzanalogie im Rahmen der dreifachen Berechnung beim materiellen Schadensersatz entspricht. Auch im Rahmen des Bereicherungsrechts stellt sich das Problem, ob eine ungerechtfertigte Bereicherung in Fällen fehlender Lizenzbereitschaft angenommen werden kann; wie bereits erwähnt, wird ein Bereicherungsanspruch trotz fehlender Lizenzbereitschaft eher bejaht als ein Schadensersatzanspruch, da das Bereicherungsrecht im Unterschied zum Schadensersatzrecht nicht auf den Ausgleich einer Vermögensminderung beim Rechtsinhaber, sondern auf den Ausgleich eines grundlosen Vermögenszuwachses beim Rechtsverletzer abzielt.88 Auch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage wird außerdem ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung diskutiert, 89 wegen § 687 Abs. 2 BGB allerdings allenfalls für vorsätzliche Verletzungen.90 4. Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung Die Abschöpfung des Gewinns aus einer Persönlichkeitsverletzung wäre auch denkbar über §§ 687 Abs. 2 Satz 1, 681 Satz 2, 667 BGB. In Fällen fehlenden Einverständnisses des Betroffenen mit einer Veröffentlichung lehnt die h.M. es allerdings ab, ein fremdes Geschäft anzunehmen, da der Betreffende die Veröffentlichung selbst nicht vorgenommen hätte und die Handlung daher nicht dessen Rechtskreis zuzuordnen ist.91 Diese Sicht ist jedoch nicht zwingend, da die Entscheidung über die Verwertung des Persönlichkeitsrechts dem Inhaber zusteht und daher ein Verletzer, der sich diese Entscheidung anmaßt, 87
BGHZ 20, 345 (353) = NJW 1956, 1554 (1555 f.) („Paul Dahlke“); BGHZ 169, 340 (344) = NJW 2007, 689 (690) („Rücktritt des Finanzministers“); OLG München, in: NJW-RR 1996, 539 (540). 88 Siehe oben, Abschnitt a1., S. 20 f., Nachweise unter Fn. 65. 89 Befürwortend etwa CANARIS, in: FS Deutsch (1999), S. 91 ff.; Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999) § 823 Rdnr. C254; HUBMANN, in: FS Ulmer (1965), S. 119; PIETZKO, in: AfP 1988, S. 221. Ausdrücklich ablehnend etwa SIEMES, in: AcP 201 (2001), S. 226 ff.; ULLMANN, in: AfP 1999, S. 214. 90 CANARIS, in: FS Deutsch (1999), S. 92; Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C254; SCHLECHTRIEM, in: FS Hefermehl (1976), S. 458 f. 91 GOUNALAKIS, in: AfP 1998, S. 19; IRRGANG, in: JA 2009, S. 346; OLG Hamburg, in: NJW-RR 1994, 990 (991). PETERSEN, in: Medienrecht, 5. Aufl. (2010), § 6 Rdnr. 45, stimmt dem im Ergebnis zu, hält die Begründung aber für falsch – nach ihm geht es nämlich um den Akt der Publikation, den der Betroffene selbst gar nicht vornehmen könne.
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Kapitel 2: Schutz der Privatsphäre in Deutschland
damit in fremdem Rechtskreis tätig wird. 92 Wie schon im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung erwähnt, bestehen gegen einen Gewinnabschöpfungsanspruch allerdings Bedenken in grundsätzlicher Hinsicht, so dass er in der Praxis bisher keine Rolle gespielt hat.93
C. Postmortaler Schutz der Persönlichkeit C. Postmortaler Schutz der Persönlichkeit Ein Sonderproblem im Bereich des Persönlichkeitsschutzes bildet die Frage, inwieweit und auf welcher dogmatischen Grundlage Verstorbene vor einer Berichterstattung geschützt werden können. Im deutschen Recht ist das Recht am eigenen Bild ausdrücklich über den Tod hinaus geschützt (§ 22 S. 2 KUG). Auch im Übrigen spricht die deutsche Rechtsprechung aber dem Verstorbenen einen postmortalen Schutz zu. Nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG im Fall „Mephisto“ aus dem Jahr 1971 wirkt zwar das Persönlichkeitsrecht nicht über den Tod hinaus fort, da Art. 2 Abs. 1 GG als auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit gerichtetes Grundrecht die Existenz eines lebenden Menschen unabdingbar voraussetzt.94 Der Schutz der Menschenwürde wirkt jedoch über den Tod hinaus fort, da es mit dem Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar wäre, wenn der Mensch in seinem Wert- und Achtungsanspruch nach seinem Tod herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte.95 Bei Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts eines Verstorbenen kommen als Rechtsbehelfe grundsätzlich Unterlassungs-96 und Beseitigungsansprüche97 in Betracht. Ferner wird Geldersatz hinsichtlich der vermö92
DÜNNWALD, in: ZUM 2000, S. 951; LETTL, in: WRP 2005, S. 1085; RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 251; SIEMES, in: AcP 201 (2001), S. 228 f.; WAGNER, in: ZEuP 2000, S. 227 f. 93 Siehe oben, Abschnitt 1., S. 22. 94 BVerfGE 30, 173 (194) = NJW 1971, 1645 (1647) („Mephisto“); BVerfG, in: NJW 2001, 2957 (2958/9) („Wilhelm Kaisen“). Der BGH im Fall „Mephisto“, BGHZ 50, 133 (138 f.), zieht demgegenüber auch Art. 2 GG heran, um den fortbestehenden Schutz zu begründen – eine freie Entfaltung zu Lebzeiten soll nämlich nur möglich sein, wenn man auf einen gewissen Schutz auch nach dem Tode vertrauen kann. Auch der BGH schützt den Toten aber nur vor groben ehrverletzenden Entstellungen des Lebensbildes und gewährt insofern nur einen begrenzten Schutz, ebda., 139. 95 BGHZ 50, 133 (136 ff.) und BVerfGE 30, 173 (194) = NJW 1971, 1645 (1647) („Mephisto“); BVerfG, in: NJW 2001, 594 f. („Willy Brandt“); BVerfG, in: NJW 2001, 2957 (2958 f.) („Wilhelm Kaisen“); BGH, in: GRUR 1984, 907 f. („Frischzellenkosmetik“); BGHZ 107, 384 (391) = NJW 1990, 1986 (1987 f.) („Emil Nolde“). 96 BGHZ 50, 133 (137) („Mephisto“); BGH, in: GRUR 1984, 907 (908) („Frischzellenkosmetik“). 97 BGH, in: NJW 1974, 1371 („Fiete Schulze“); BGHZ 107, 384 (393) = NJW 1990, 1986 (1988) („Emil Nolde“).
C. Postmortaler Schutz der Persönlichkeit
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genswerten Bestandteile der Persönlichkeit, die als vererblich angesehen werden, gewährt.98 Ausgeschlossen ist dagegen ein Anspruch auf Geldentschädigung bei Verletzung immaterieller Interessen, weil die Funktionen des Entschädigungsanspruchs nach dem Tod des Opfers nicht mehr erfüllt werden können. Die Verschaffung von Genugtuung ebenso wie die Erlangung eines Ausgleichs der Verluste an Selbstachtung und Selbstbestimmung soll nämlich bei einem Verstorbenen nicht mehr möglich sein, und der Gedanke der Prävention soll nicht ausreichen, um allein schon die Gewährung einer Entschädigung zu rechtfertigen.99 Ebenfalls verneint wird ein Gegendarstellungsrecht nach dem Tod des Betroffenen, weil es sich dabei um einen höchstpersönlichen Anspruch handeln soll, der ausschließlich dem Betroffenen zusteht, damit dieser sich vor der Öffentlichkeit in seiner Angelegenheit Gehör verschaffen kann.100 Neben der Anerkennung eigener fortbestehender Rechte des Verstorbenen ist es denkbar, Veröffentlichungen über Verstorbene dadurch abzuwehren, dass man Persönlichkeitsrechte von überlebenden Angehörigen als verletzt ansieht. In der Vergangenheit wurde in Deutschland – wie auch in Japan, wie die Analyse des japanischen Rechts ergeben wird 101 – teilweise die Auffassung vertreten, dass überhaupt nur lebenden Personen ein Persönlichkeitsschutz zukäme, da nur existierende Personen Bezugspunkt von Rechten sein könnten, und ein Schutz des Verstorbenen lediglich mittelbar über den Schutz des Andenkens der Angehörigen verwirklicht werden könne.102 Diese Auffassung hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass eine Berichterstattung über einen Verstorbenen eigene Persönlichkeitsrechte von Angehörigen verletzt. Solche Persönlichkeitsverletzungen werden jedoch nur unter sehr restriktiven Bedingungen angenommen, nämlich dann, wenn über den Angriff auf den Verstorbenen hinaus auch die Persönlichkeitssphäre des Angehörigen selbst angegriffen wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn die eigenen persönlichen Verhältnisse des Angehörigen 98
Siehe oben, Kap. 2, A.IV., S. 16. BGH, in: NJW 1974, 1371 („Fiete Schulze“); BGHZ 165, 203 (211 ff.) = NJW 2006, 605 (606 f.), bestätigt durch BVerfG, in: ZUM 2007, 380; ERNST-MOLL, in: GRUR 1996, S. 563 f.; GÖTTING, in: GRUR 2004, S. 802; SCHACK, in: GRUR 1985, S. 358; SOEHRING/SEELMANN-EGGEBRECHT, in: NJW 2005, S. 572. Zur Ausnahme bei OLG München, in: ZUM 2002, 744 (745 f.) sowie Kritik in der Literatur unten, Kap. 7, E., S. 230 ff. 100 OLG Hamburg, in: AfP 1994, 322; OLG Stuttgart, in: NJW-RR 1996, 599; KG Berlin, in: AfP 2007, 137 (138); im letztgenannten Urteil sogar für den Fall, dass der Anspruch noch zu Lebzeiten des Betroffenen tituliert worden ist. 101 Dazu unten, Kap. 7. 102 So noch das erstinstanzliche Urteil in Sachen „Mephisto“: LG Hamburg, Urt. v. 25.8.1965, 15 O 81/64, in: UFITA 51 (1968), 352. So auch KLIPPEL, in: Der zivilrechtliche Schutz des Namens (1985), S. 553 f.; MAY, in: NJW 1958, S. 2102 f.; SCHWERDTNER, in: JuS 1978, S. 292; WESTERMANN, in: FamRZ 1969, S. 566. 99
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Kapitel 2: Schutz der Privatsphäre in Deutschland
in den Bericht einbezogen werden; es reicht aber nicht aus, dass sich der Angehörige durch eine Berichterstattung, die ihn weder zeigt noch erwähnt, nur wegen seiner engen Beziehung zum Dargestellten persönlich betroffen fühlt oder infolge eines solchen Berichts zum Gegenstand von Belästigungen oder Anfeindungen durch Dritte wird.103 So betrifft die Bezeichnung als Mörder, die sich allein gegen den Vater richtet, ohne die Tochter oder die Familie zu erwähnen, nicht die Persönlichkeitssphäre der Tochter.104 Bei einem Bericht über eine Familientragödie, in der der Mann seine Frau und sieben der acht Kinder erschossen und anschließend Selbstmord begangen hatte, wird für Angehörige, die mit dem Toten in häuslicher Gemeinschaft lebten, offengelassen, ob sie durch einen Bericht in eigenen Persönlichkeitsrechten verletzt sein könnten. Abgelehnt wird dies jedenfalls bezüglich des Bruders des Täters, der mit diesem in keiner solchen Beziehung stand. Eine Betroffenheit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Familienname, den auch der Bruder trägt, im Bericht genannt wird, da der Bruder nicht allein dadurch zum Gegenstand der Berichterstattung wird. Er rückt zwar möglicherweise in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, was aber nur eine mittelbare Folge der Berichterstattung über den Täter ist.105 Auch die Ausstrahlung eines Filmbeitrages über die Ermordung der Mutter des Klägers durch dessen Schwester, in dem Bilder des Leichnams der Mutter gezeigt werden, der Kläger selbst aber weder gezeigt noch erwähnt wird, wird dieser nicht in eigenen Persönlichkeitsrechten verletzt.106 Ob die Persönlichkeit einer Mutter durch die Veröffentlichung von Fotos, die die – später getötete – Tochter als Geisel zeigt, verletzt sein kann, bleibt immerhin offen, da die Veröffentlichung jedenfalls als durch überwiegende Informationsinteressen gerechtfertigt angesehen wurde.107 Anerkannt wurde eine eigene Betroffenheit von Angehörigen dagegen etwa bei einer Berichterstattung über den Rauschgifttod oder die Selbsttötung eines Kindes, in der suggeriert wurde, dass elterliches Versagen dafür verantwortlich sei, wobei das Gericht für entscheidend hielt, dass ein Familienfoto mit den Eltern beigefügt war und damit die Eltern herausgestellt wurden.108 Anders sieht es jedoch schon aus, wenn der Sohn, über den berichtet wird, volljährig und daher vollverantwortlich für sein Handeln war.109 Als in eigenem Persönlichkeitsrecht betroffen wurde wiederum eine Ministerin angesehen, deren Sohn Selbstmord begangen hatte, weil das Schicksal ihres Sohnes vorwiegend ausgebreitet wurde, um einen Anlass für eine Berichterstattung über sie zu schaffen, und sie selbst in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückt wurde.110 Als theoretische Beispiele für einen unmittelbaren Angriff auf die Angehörigen werden etwa auch die Bloßstellung als Nachkomme eines Verbrechers oder als Schüler eines Scharlatans genannt.111
103
Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C 36. BGH, in: NJW 1974, 1371 („Fiete Schulze“). 105 BGH, in: NJW 1980, 1790 (1791). 106 BGHZ 165, 203 (211 ff.) = NJW 2006, 605 (608), bestätigt durch BVerfG, in: ZUM 2007, 380. 107 OLG Hamburg, in: ZUM 2005, 168 (169). 108 BGH, Urt. v. 5.3.1974, VI ZR 89/73, LM NR. 51 zu § 847 BGB. 109 LG Heilbronn, in: ZUM 2002, 160. Ohne Weiteres eine eigene Verletzung der Angehörigen durch Zeigen eines neutralen Porträtfotos der bei einem Unfall verstorbenen Tochter bejahend auch BGH, in: ZUM 2012, 474 (476). 110 OLG Dresden, in: NJW 2012, 782 (783). 111 RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 34. 104
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In Betracht kommt außerdem – allerdings ebenfalls unter restriktiven Voraussetzungen – die Verletzung des Rechts des Angehörigen auf ungestörte Trauer, also des Rechts, mit der Trauer „für sich zu bleiben; insoweit sich selbst zu gehören“, als Teil der Privatsphäre des Angehörigen.112 Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine zum Schadensersatz berechtigende schwere Persönlichkeitsverletzung nur in besonders gravierenden Fällen angenommen wird. Eine zum Schadensersatz berechtigende Verletzung dieses Rechts wurde etwa bejaht bei der Veröffentlichung eines Fotos des bei einem Baugrubenunfall umgekommenen Ehemannes, das dessen Gesicht mit aufgerissenem Mund und in der Situation des Erstickungstodes zeigt, was die Schamgrenze der Ehefrau in nicht hinnehmbarer Weise verletze.113 Im Fall der Ministerin, die durch die Berichterstattung um den Suizid ihres Sohnes in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde, wurde zugleich ihr Recht, mit ihrer Trauer allein gelassen zu werden, als verletzt angesehen.114 Zumindest eine schwerwiegende, zu Geldersatz berechtigende Verletzung wurde dagegen verneint bei einem Textbericht über die Selbsttötung des Sohnes der Kläger mit einem großformatigen Foto von deren Sohn zu Lebzeiten, weil der Inhalt des Berichts der Wahrheit entspreche und nicht rufschädigend sei, und es sich im Gegensatz zum Fall des Baugrubenarbeiters nicht um eine Darstellung des Leichnams handele,115 oder bei der Veröffentlichung von Fotos während der vergeblichen Reanimationsversuche an der Ehefrau bzw. Mutter, die eher den Einsatz der Rettungskräfte als die Person zeigen und keine Gesichtszüge der Toten erkennen lassen.116
112 OLG Düsseldorf, in: AfP 2000, 574; LG Berlin, in: AfP 2002, 540 (541); OLG Jena, in: NJW-RR 2005, 1566 (1568). FISCHER, in: ZEV 2006, S. 274, will gar in jeder Veröffentlichung von Fotos der Leiche eine Verletzung der Privatsphäre naher Angehöriger sehen. 113 OLG Düsseldorf, in: AfP 2000, 574 (575). 114 OLG Dresden, in: NJW 2012, 782 (784). 115 OLG Jena, in: NJW-RR 2005, 1566 (1568/9). 116 LG Berlin, in: AfP 2002, 540 (541).
Kapitel 3
Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes im japanischen Zivil- und Verfassungsrecht A. Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes A. Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes Die wesentlichen Grundlagen für den Schutz der Privatsphäre im japanischen Zivilrecht finden sich in den Vorschriften der §§ 709, 710, 723 JZGB: § 709 Wer durch vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln Rechte oder rechtlich geschützte Interessen [„kenri matawa hôritsu-jô hogo sareru rieki“] eines Dritten beeinträchtigt, ist zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet.
§ 710 Die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 709 erstreckt sich, unabhängig davon, ob der Körper, die Freiheit, die Ehre oder ein Vermögensrecht eines anderen verletzt wird, auch auf Nichtvermögensschäden.
§ 723 Im Fall der Verletzung der Ehre eines anderen kann das Gericht auf Antrag des Geschädigten anstatt des Schadensersatzes oder zusammen damit eine zur Wiederherstellung der Ehre geeignete Anordnung treffen.
§ 709 JZGB ordnet also zunächst eine Schadensersatzpflicht bei Verletzung von „Rechten“ („Kenri“) sowie von „rechtlich geschützten Interessen“ („Hôritsu-jô hogo sareru rieki“) an. Gemäß § 710 JZGB erstreckt sich die Schadensersatzpflicht dabei auch auf die immateriellen Schäden. Für Ehrverletzungen sieht § 723 JZGB zudem die Anordnung von „zur Wiederherstellung der Ehre geeigneten Maßnahmen“ vor. Damit ist als geschütztes Rechtsgut nur die Ehre (Meiyo) ausdrücklich kodifiziert. Im Vergleich zum deutschen Recht fehlen insbesondere Regelungen zum Schutz des Namens und des Rechts am Bild. Die Rechtsprechung hat jedoch aus Art. 13 JV, der jedem Individuum das Recht einräumt, sein eigenes Glück zu verfolgen (Kôfuku tsuikyû-ken), in sehr ähnlicher Weise wie die deutsche Rechtslage Persönlichkeitsrechte (Jinkaku-ken) hergeleitet, die zivilrechtlich gegen Beeinträchtigungen geschützt sind, und als weitere Persönlichkeitsrechte neben der Ehre, die auch als Teil des Rechts auf Verfol-
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Kapitel 3: Persönlichkeitsschutz im japanischen Zivil- und Verfassungsrecht
gung des eigenen Glücks gesehen wird,1 das Namensrecht (Shimei-ken), das Recht am eigenen Bild (Shôzô-ken) und das Recht auf Privatsphäre (Puraibashî-ken), sowie ferner das Publicity-Recht (Paburishiti-ken) als Recht zur wirtschaftlichen Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen entwickelt.2 Was die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe angeht, so bildet zunächst einmal die deliktische Generalklausel die Grundlage für Ansprüche auf Schadensersatz, der nach §§ 722 Abs. 1, 417 JZGB grundsätzlich in Geld zu leisten ist (Grundsatz des Geldersatzes, Kinsen baishô no genri).3 § 723 JZGB sieht als Ausnahme von diesem Grundsatz des Geldersatzes für Ehrverletzungen in bestimmten Fällen die Möglichkeit einer Naturalherstellung vor und bildet so die Grundlage für den sogenannten Entschuldigungsanspruch.4 Regelungen zu Unterlassungsansprüchen bei Persönlichkeitsverletzungen fehlen im japanischen Zivilrecht, ebenso wie Regelungen zu einem unabhängig von deliktischen Voraussetzungen bestehenden, verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch. Wie noch näher ausgeführt werden wird, sind solche verschuldensunabhängigen negatorischen Ansprüche bei Persönlichkeitsverletzungen wie bei dinglichen Rechten heute aber im Prinzip anerkannt. In der Praxis ist bei der Gewährung von Unterlassungsansprüchen allerdings, wie noch näher gezeigt wird, meist nicht ganz eindeutig, ob dieser auf einen abwehrrechtlichen Ansatz gestützt wird oder Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung ist, was auch in Zusammenhang mit der teilweise fehlenden Abgrenzung absoluter Rechtspositionen steht, die im folgenden Abschnitt besprochen wird.5
1
Vgl. etwa NAGAOKA, in: Takahashi/Ôishi (Hrsg.), Kenpô no sôten [Streitpunkte des Verfassungsrechts], 3. Aufl. (1999), S. 106; OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 (877) (Fall Hoppô Journal); DG Ôita, Urteil vom 11.03.1987, in: Hanji 1234, 123 (128). 2 Näher zur Herleitung und Entwicklung des Puraibashî-Rechts und des Bildnisrechts siehe unten, Kap. 4, D.II., S. 83 ff. und E.II., S. 94 f., zum Publicity-Recht Kap. 4, F.II.1., S. 114. Das Namensrecht bleibt in dieser Arbeit dagegen außer Betracht, da es für den Schutz der Privatsphäre keine Rolle spielt. 3 Siehe auch IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 29; M. KATÔ, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA/Bereicherungsrecht/Unerlaubte Handlungen], 2. Aufl. (2005), S. 284; YOSHIMURA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 4. Aufl. (2010), S. 114. 4 Zu diesem dem japanischen Recht eigentümlichen Instrument unten, Kap. 6, C., S. 180 ff. 5 Kap. 3, B., insbes. S. 35 f., sowie weiter unten, Kap. 6, E.II., S. 208 ff.
B. Dogmatische Besonderheiten des Deliktsrechts
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B. Dogmatische Besonderheiten des Deliktsrechts – kein Erfordernis eines absoluten Rechts B. Dogmatische Besonderheiten des Deliktsrechts Eine große Besonderheit in der Struktur des japanischen Deliktsrechts im Vergleich zum deutschen ist, dass es eine deliktische Generalklausel gibt und diese nicht nur den Schutz absoluter Rechte erfasst, sondern auch bei der Verletzung sonstiger Interessen eingreifen kann. Allerdings rankt sich um den Schutzumfang und die Voraussetzungen des § 709 JZGB ein über die Jahrzehnte währender Streit, der die japanische Rechtswissenschaft seit Einführung des JZGB bis heute beschäftigt hat.6 Die heutige Formulierung, die auf die Verletzung von „Rechten (Kenri) sowie von rechtlich geschützten Interessen (Rieki)“ abstellt, hat § 709 JZGB nämlich erst 2005 im Rahmen der Übertragung des Zivilgesetzbuchs in einen modernen Sprachgebrauch (Minpô gendaigo-ka) erhalten. Bis dahin trat die Schadensersatzpflicht nach dem Wortlaut nur bei Verletzung eines Kenri [Rechts] ein: § 709 a.F. Wer durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit das Recht [„Kenri“] eines anderen verletzt, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
In der ersten Zeit nach Inkrafttreten des JZGB wurde der Wortlaut zunächst ernst genommen, so dass eine Schadensersatzpflicht nur bei Verletzung von Rechten in engerem Sinne eintrat.7 Seit den 1920er Jahren ist man von diesem engen Verständnis aber abgerückt,8 wobei zur dogmatischen Vorgehensweise unterschiedlichste Ansätze entwickelt wurden. Sie lassen sich unterscheiden in (i) solche Lehren, die das Verständnis des Begriffs des „Kenri“ im Sinne von § 709 JZGB erweiterten und darunter neben den Rechten im engeren Sinne auch rechtlich geschützte Interessen fassten („Kenri shingairon“ [„Rechtsverletzungslehre“ – weil man an der Tatbestandsvoraussetzung einer „Rechts“verletzung festhielt und nur die Auslegung des „Rechts“begriffs erweiterte]),9 und (ii) solche, die § 709 JZGB insofern umdeuteten, 6
Zur gesamten Entwicklung etwa DÔGAUCHI, in: Hôkyô 291 (2004), S. 58 f.; T. MAEDA, in: Fujioka (Hrsg.), Shin gendai songai baishô-hô kôza 2 [Neues Lehrbuch zum Schadensersatzrecht 2] (1998), S. 2 ff.; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 60 ff.; TSUBURAYA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] 2. Auflage (2010), S. 54 ff.; YAMAMOTO, in: Minpô kenkyû Bd. 5 (2008), S. 79 ff.; YOSHIMURA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 4. Aufl. (2010), S. 25 ff. 7 Daishin-in, Urteil vom 04.07.1914, in: Keiroku Bd. 20, 1360; Daishin-in, Urteil vom 18.09.1918, in: Minroku Bd. 24, 1710. 8 Beginnend mit einem als Fall „Daigaku-yu“ [„Uni-Bad“] berühmten Urteil des Daishinin vom 28.11.1925, in: Minshû Bd. 4, 670. 9 KURUSU, in: Saiken kakuron [Schuldrecht Besonderer Teil] (1953), S. 276. Im Prinzip so auch HIRAI, in: Saiken kakuron II [Schuldrecht BT II] (1992), S. 382, 402, oder HOSHINO, in:
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Kapitel 3: Persönlichkeitsschutz im japanischen Zivil- und Verfassungsrecht
als sie das Vorliegen einer Rechtsverletzung (Kenri shingai) nicht mehr als Voraussetzung des § 709 JZGB verstanden, sondern stattdessen auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung abstellten, was auch die Berücksichtigung von Verstößen gegen Interessen, die keine Rechte im engeren Sinne bilden, möglich machte (Ihôsei-ron [„Rechtswidrigkeitslehre“ – weil man vom Erfordernis einer Rechtsverletzung im engeren Sinne Abstand nahm und auf die Rechtswidrigkeit abstellte]).10 Die Umformulierung im Rahmen der Reform des Zivilgesetzbuchs 2005 sollte diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift dann auch im Gesetzestext festschreiben.11 Im Zusammenhang mit dieser Diskussion ergibt sich insbesondere auch hinsichtlich des Begriffs des Persönlichkeitsrechts (Jinkaku-ken) und der Einordnung von dessen Rechtsnatur eine Reihe von Problemen. Grundsätzlich kann man ein Jinkaku-ken im Sinne eines absolut geschützten Kenri [Rechts] in Japan heute als anerkannt ansehen.12 Da für die Anwendung von § 709 JZGB zumindest nach der – zuletzt herrschenden – Rechtswidrigkeitslehre aber nicht notwendig ein Kenri gegeben sein muss, bleibt zum Teil unklar, wie weit der Umfang der Jinkaku-ken im engeren Sinne eines absoluten Rechts geht und ob und mit welcher Begründung darüber hinaus für persönlichkeitsrelevante Interessen (Jinkaku-teki rieki) ein Schutz gegen Beeinträchtigungen gegeben ist. Während bei der kodifizierten Ehre der Kenri-Charakter unumstritten ist,13 ist insbesondere bei den neueren, direkt aus der Verfassung hergeleiteten Persönlichkeitsrechten wie dem Bildnisrecht oder dem Puraibashî-Recht [Recht auf Privatsphäre] unklar, inwieweit von einem absoluten Recht auszugehen ist; in der Rechtsprechung werden sie teils als Kenri [Recht], teils nur als Rieki [Interesse] bezeichnet, wobei die Tendenz allerdings zumindest im Ergebnis zu einem vollumfänglichen Schutz dieser Rechte geht.14
Minpô ronshû 6 [Sammelband Zivilrecht 6] (1986), S. 317, die wegen der Verwässerung der Voraussetzung einer „Rechtsverletzung“ den Schwerpunkt in die Fahrlässigkeitsprüfung legen. 10 SUEKAWA, in: Kenri shingai-ron [Rechtsverletzungslehre] (1930), S. 349 ff., sowie WAGATSUMA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen] (1937), S. 144; SHINOMIYA, in: Fuhô kôi [Unerlaubte Handlungen] (1987); SAWAI, in: Hôsemi 296 (1979), S. 72 ff. 11 Vgl. DÔGAUCHI, in: Hôkyô 291 (2004), S. 57, 61. 12 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 9 ff., 13 ff.; H. SAITÔ, in: Jinkakuken-hô no kenkyû [Studien zum Persönlichkeitsrechtsschutz] (1979), S. 183 ff., 188 ff.; YAMAMOTO, in: Uchida/Ômura (Hrsg.), Minpô no sôten [Streitpunkte des Zivilrechts] (2007), S. 46. 13 Siehe unten, Kap. 4, B.II., S. 40 f. 14 Näher unten, Kap. 4, D.III., S. 85 ff. und Kap. 4, E.III., S. 95 ff.
C. Bedeutung der Verfassung für den Persönlichkeitsschutz
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Von Bedeutung wird die Abgrenzung aber im Rahmen des Unterlassungsanspruchs, wenn man diesen als Abwehrrecht aufgrund einer absolut geschützten Rechtsposition versteht. 15 Der Großteil der Diskussion um den Begriff des Jinkaku-ken [Persönlichkeitsrecht] wird daher im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen geführt. Allerdings hat die Praxis auch im Rahmen der Unterlassungsansprüche letztlich keine klaren Abgrenzungen der absolut geschützten Positionen herausgearbeitet. Vielmehr hat sie, wie unten gezeigt wird, mehr mit der Aufstellung besonderer Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch gearbeitet und geht von der Vorstellung aus, dass Unterlassungsansprüche nicht nur bei absolut geschützten Rechtspositionen, sondern darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen auch für sonstige Interessen gegeben sein können. Erst in neuerer Zeit lassen sich Versuche zu einer konsequenten Unterscheidung der absolut geschützten Bereiche von den sonstigen Schutzbereichen beobachten. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass in Japan jedenfalls nicht in gleichem Maße wie in Deutschland ein konkret ausgeformtes Allgemeines Persönlichkeitsrecht als absolutes Recht mit einem bestimmten Schutzumfang entwickelt worden ist.16
C. Bedeutung der Verfassung für den Persönlichkeitsschutz C. Bedeutung der Verfassung für den Persönlichkeitsschutz Das Verfassungsrecht spielt auch in Japan im Bereich des Persönlichkeitsschutzes eine große Rolle, und zwar zunächst einmal überhaupt für die Begründung von Persönlichkeitsrechten. Grundlage für den Schutz der Persönlichkeit über den in §§ 709 ff. JZGB kodifizierten Ehrenschutz hinaus ist Art. 13 JV, nach dem jeder Bürger als Individuum geachtet wird (Kojin no sonchô) (Satz 1) und dem Recht auf Leben (Seimei-ken), Freiheit (Jiyû-ken) sowie auf Verfolgung des eigenen Glücks (Kôfuku tsuikyû-ken) höchste Beachtung zukommt (Satz 2). Der japanische Ansatz zur Begründung von Persönlichkeitsrechten kommt damit demjenigen in Deutschland sehr nahe. Allerdings sei hier darauf hingewiesen, dass Art. 13 S. 1 JV theoretisch zwar als Entsprechung zur deutschen Menschenwürdegarantie verstanden werden könnte, 17 der Vorschrift tatsächlich aber kein selbständiger Schutzgehalt beigemessen wird, und dass 15 Was sich, wie oben in Kap. 3, A., S. 32 bereits angedeutet, in Japan als Verständnis noch keineswegs durchgesetzt hat. Näher zum Ganzen unten, Kap. 6, E.II., S. 208 ff. 16 Siehe auch KUBOTA, in: Minshô 116 (1997), S. 555. 17 Als Entsprechung sehen die Vorschrift etwa IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 15; DERS., in: Hôkyô 171 (1994), S. 26; MIYAZAWA, in: Nihon-koku kenpô [Verfassung Japans] (1955), S. 199; DERS., in: Kenpô II [Verfassung II] (1971), S. 213 f.
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Kapitel 3: Persönlichkeitsschutz im japanischen Zivil- und Verfassungsrecht
ihr schon gar nicht die besondere Bedeutung zukommt, wie sie der Art. 1 Abs. 1 GG im deutschen Recht hat, sondern sie in Verbindung mit S. 2 ein „gewöhnliches“ Auffanggrundrecht bildet.18 Wie ich an anderer Stelle diskutiere, könnte dieser Unterschied in den verfassungsrechtlichen Grundlagen mit prägend für die konkrete Ausgestaltung des Persönlichkeitsschutzes sein.19 Den Persönlichkeitsrechten des von einer Berichterstattung Betroffenen steht auf Seiten der Medien das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung (Hyôgen no jiyû) gegenüber, das durch Art. 21 JV gewährleistet wird und insbesondere auch die Freiheit der Berichterstattung (Hôdô no jiyû) beinhaltet.20 Auf das Grundrecht können sich nicht nur natürliche Personen, sondern auch Medienunternehmen als Personenvereinigungen berufen. 21 Wenn Persönlichkeitsrechte durch die Berichterstattung über eine Person berührt werden, müssen daher – genau wie in Deutschland – die konfligierenden Grundrechtspositionen zum Ausgleich gebracht werden. 22 Eine Zensur ist nach Art. 21 Abs. 2 JV verboten.23 In Deutschland spielt, wie oben gezeigt wurde, als besondere Gewährleistung zu Gunsten von Eltern das Elterngrundrecht des Art. 6 GG als Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes eine Rolle, soweit Kinder betroffen sind.24 Ein solches spezielles Grundrecht zu Gunsten von Eltern ist in der 18
Behandlung als einheitliches Auffanggrundrecht in Lehrbüchern, so bei ASHIBE, in: Kenpô-gaku II [Verfassungsrechtslehre II] (1994), S. 328 ff., 339; ASHIBE/TAKAHASHI, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 5. Aufl. (2011), S. 118 ff., 119. Auch in der Rechtsprechung wird etwa das Recht auf Privatsphäre als „unentbehrlich und notwendig zur Aufrechterhaltung der Achtung des Individuums und zur Gewährleistung der Verfolgung des eigenen Glücks“ bezeichnet, also aus S. 1 und S. 2 zusammen hergeleitet, DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2361 f.) (Fall „Nach dem Bankett“). 19 Beitrag zu einem Tagungsband unter dem Titel „Persönlichkeitsrechte als Grenze der Medienfreiheit und deren verfassungsrechtliche Fundierung“, im Erscheinen. 20 ASHIBE, in: Kenpô-gaku III [Verfassungsrechtslehre III] (1998), S. 282 f.; ASHIBE/ TAKAHASHI, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 5. Aufl. (2011), S. 176; HAMADA, in: Takahashi/ Ôishi (Hrsg.), Kenpô no sôten [Streitpunkte des Verfassungsrechts], 3. Aufl. (1999), S. 95. 21 Wie in Deutschland wird Grundrechtsschutz zu Gunsten von Personenvereinigungen gewährt, soweit es mit der Natur des Grundrechts vereinbar ist, auch wenn es in der japanischen Verfassung keine ausdrückliche Regelung bezüglich der Grundrechtsfähigkeit von Personenvereinigungen wie den deutschen Art. 19 Abs. 3 GG gibt; siehe OGH, 24.06.1970, in: Minshû Bd. 24 Nr. 6, 625 (630 f.); ASHIBE/TAKAHASHI, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 5. Aufl. (2011), S. 89. Konkret zur Anerkennung des Art. 21 JV zu Gunsten von Medienunternehmen: ASHIBE/TAKAHASHI, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 5. Aufl. (2011), S. 90; SHIGENORI MATSUI, in: Masu media-hô nyûmon [Einführung in das Recht der Massenmedien], 4. Aufl. (2008), S. 22. 22 Vgl. ASHIBE, in: Kenpô-gaku III [Verfassungsrechtslehre III] (1998), S. 346 ff. 23 Was eine Rolle hinsichtlich des Maßstabs für die Zulässigkeit einer vorbeugenden Untersagung der Verbreitung von Druckerzeugnissen spielt; siehe unten, Kap. 6, E.I.2., S. 203. 24 Siehe oben, Kap. 2, A.I., S. 10, S. 13.
C. Bedeutung der Verfassung für den Persönlichkeitsschutz
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japanischen Verfassung nicht ausdrücklich vorgesehen. Zwar ist dennoch die Freiheit der Erziehung (Kyôiku no jiyû) bzw. das Erziehungsrecht (Kyôikuken) der Eltern anerkannt.25 Diese Elternrechte werden jedoch ausschließlich unter dem Aspekt der Freiheiten innerhalb eines staatlichen Erziehungssystems diskutiert26 und sind im Bereich der Medienberichterstattung noch nie herangezogen worden. Im Zusammenhang mit der speziellen Rechtsfolge der Entschuldigungsanzeige spielt sodann die Gedanken- und Gewissensfreiheit (Shisô no jiyû, Ryôshin no jiyû), die in Art. 19 JV gewährleistet ist, eine wichtige Rolle. Hierauf wird im Rahmen der Diskussion des Entschuldigungsanspruchs noch ausführlich eingegangen.27
25
Die Grundlage für die Herleitung des Rechts ist allerdings umstritten. Vorgeschlagen werden Art. 13 JV, Art. 23 JV (Freiheit der Wissenschaft, Gakumon no jiyû) sowie Art. 26 JV (Recht auf Erziehung, Kyôiku no jiyû), näher siehe ASHIBE, in: Kenpô III [Verfassungsrecht III] (1981), S. 393 ff.; NONAKA/NAKAMURA/TAKAHASHI/TAKAMI, in: Kenpô I [Verfassungsrecht I], 4. Aufl. (2006), S. 462 ff. 26 ASHIBE, ebda.; NONAKA/NAKAMURA/TAKAHASHI/TAKAMI, ebda. sowie T. ABE u.a. (Hrsg.), in: Kenpô 3 [Verfassungsrecht 3], 3. Aufl. (1995), S. 62 ff., 65 ff. 27 Unten, Kap. 6, C.VIII., S. 189 ff.
Kapitel 4
Die für den Schutz der Privatsphäre relevanten Rechtsgüter und deren Schutzbereiche A. Überblick über die relevanten Rechtsgüter in Japan A. Überblick Der Schutz der Privatsphäre erfolgt in Japan über das Zusammenspiel verschiedener Rechtsgüter, die bei der Darstellung der Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes schon erwähnt wurden. Diese sind: das Recht auf Wahrung der Ehre, das Puraibashî-Recht [Recht auf Privatsphäre], das Bildnisrecht und das Publicity-Recht. Im Folgenden werden daher der Anwendungsbereich und der Schutzumfang dieser Rechtsgüter nach dem japanischen Recht im Hinblick auf die Frage untersucht, auf welche Weise und wie weit die Privatsphäre in Japan im Vergleich zu Deutschland rechtlich geschützt ist. Für das Verständnis sei vorweg auf folgenden grundsätzlichen Unterschied in der Bedeutung der Rechtsgüter hingewiesen: Während in Deutschland relativ klar bei einer Bildberichterstattung das Recht am eigenen Bild und bei einer Wortberichterstattung das Recht auf Privatsphäre als betroffenes Schutzgut im Vordergrund steht und das Rechtsgut der Ehre dabei nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist in Japan das Recht auf Ehre – als das einzige kodifizierte – das traditionell etablierteste und noch immer am häufigsten angewandte Rechtsgut. Auf Grund dieser größeren Bedeutung und der Vorrangigkeit der Ehre im Vergleich zu den anderen Rechtsgütern werde ich im Folgenden als erstes den Schutzumfang der Ehre und die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ehrverletzung darstellen1 und dabei insbesondere auch auf die unterschiedliche Bedeutung der Ehre in Deutschland und Japan für den Schutz der Privatsphäre im in dieser Arbeit verstandenen Sinne eingehen. Wegen seiner zentralen Bedeutung nimmt dieses Rechtsgut hier auch den breitesten Raum ein (B.). Anschließend gehe ich kurz auf das „Ehrgefühl“ 1
Die Reihenfolge entspricht dem Vorgehen in japanischen Darstellungen zum Persönlichkeitsrecht, etwa bei IGARASHI, in: Jinkakuken-ron [Lehre des Persönlichkeitsrechts] (1989); DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003); MISHIMA, in: Jinkakuken no hogo [Der Schutz des Persönlichkeitsrechts] (1965), S. 16 ff. zum deutschen, S. 251 ff. zum japanischen Recht (S. 251 ff.); oder TAKEDA/HORIBE (Hrsg.), in: Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001).
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
ein, bei dem es sich in Japan um ein eigenständiges geschütztes Interesse handelt (C.), und bespreche dann nacheinander das Puraibashî-Recht (D.), das Bildnisrecht (E.) und das Publicity-Recht (F.). In diesem Teil der Arbeit werden dabei nur die theoretischen Kriterien für den Schutz der Rechtsgüter vorgestellt; konkrete Beispielsfälle, die die Abwägungsentscheidungen bei der Bestimmung des Schutzumfangs der Rechtsgüter zeigen, werden für alle Rechtsgüter gemeinsam im anschließenden Kapitel 5 besprochen.
B. Der Schutz der Ehre und die Bedeutung des Rechtsguts für den Schutz der Privatsphäre in Japan B. Der Schutz der Ehre I. Überblick Zur Analyse der Rolle des Ehrenschutzes für den Schutz der Privatsphäre fasse ich zunächst noch einmal die Grundlagen für den Schutz der Ehre in Japan zusammen (II.). Nach einer kurzen Erläuterung des japanischen Ehrbegriffs, der sich vom Ausgangspunkt her nicht wesentlich vom deutschen Verständnis unterscheidet (III.), werden dann ausführlich die Unterschiede in der Anwendungspraxis der Ehrbegriffe und in der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Ehre zum Puraibashî-Recht [Recht auf Privatsphäre] sowie deren Hintergründe analysiert (IV.) und die Folgen des Erfordernisses einer objektiven Herabsetzung der Ehre erörtert (V.). Von Bedeutung für den Anwendungsbereich des Ehrenschutzes ist auch das Verständnis der Grundsätze der Wahrheitsmäßigkeit (Shinjitsu-sei) und der Angemessenheit (Sôtôsei), die im darauf folgenden Abschnitt dargestellt werden (VI.). Schließlich weise ich noch kurz auf Besonderheiten des Ehrenschutzes hinsichtlich der Rechtsfolgen hin, die ausführlich aber erst in Kapitel 6 der Arbeit besprochen werden (VII.). II. Grundlage des Schutzes und dogmatische Einordnung des Rechts auf Ehre nach dem JZGB Die Ehre (Meiyo) ist unter den für den Schutz von persönlichen Informationen relevanten Rechtsgütern das einzige ausdrücklich kodifizierte Rechtsgut,2 was eine wesentliche Ursache für die bereits erwähnte Vorrangstellung des Rechtsguts darstellen dürfte.3 Es ist auch das einzige Rechtsgut, bei dem die Anerkennung als voll gültiges Recht, als Kenri, unumstritten ist,4 was hin-
2
Siehe oben, Kap. 3, A., S. 31 f. Siehe oben, Kap. 4., A., S. 39. 4 OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 ff. (Fall „Hoppô Journal“); Einordnung als Kenri auch OGH, Urteil vom 24.04.1987, in: Minshû Bd. 41 Nr. 3, 490 (494) 3
B. Der Schutz der Ehre
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sichtlich der Rechtsfolgen bedeutet, dass die Gewährung von Unterlassungsansprüchen relativ unproblematisch erfolgen kann. 5 Für die Ehre besteht ferner aufgrund von § 723 JZGB ausdrücklich ein Wiederherstellungsanspruch als Rechtsfolge einer Verletzungshandlung.6 Auch strafrechtlich ist die Ehre nach §§ 230 f. des japanischen Strafgesetzbuchs (JStGB)7 als einziges der relevanten Rechtsgüter unter Schutz gestellt. Im Unterschied zu Deutschland, wo § 823 Abs. 2 BGB zivilrechtliche Folgen beim Verstoß gegen die strafrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Ehre anordnet, spielt in Japan allerdings der strafrechtliche Schutz für das Zivilrecht keine Rolle. Die Bestimmungen des JStGB sind nur insofern von Belang, als der Rechtfertigungsgrund des § 230-2 JStGB bei Tatsachen, die der Wahrheit entsprechen und von öffentlichem Interesse sind, zur Argumentation im Zivilrecht entsprechend herangezogen wird.8 III. Der Begriff der Ehre Unter dem Begriff der „Ehre“ wird im japanischen Recht die „objektive Bewertung“ verstanden, „die einer Person hinsichtlich ihres Charakters, der Tugendhaftigkeit ihres Handelns, ihres Rufes, ihrer Glaubwürdigkeit und anderer persönlichkeitsbezogener Werte zukommt“. Der Einzelne wird davor geschützt, dass dieser – objektiv zu beurteilende – Wert seiner Person in der Gesellschaft objektiv herabgesetzt wird.9 Davon unterschieden wird die subjektive Einschätzung des Wertes der eigenen Persönlichkeit. Diese betrifft nicht die Ehre, sondern das bloße „Ehrgefühl“ (Meiyo kanjô).10 Wie im folgenden Kapitel zu zeigen sein wird, kommt dabei diesem subjektiven Ehrgefühl in Japan trotz Ablehnung der Kenri-Qualität im Gegensatz zum deutschen Recht mit seinen abgeschlossenen Deliktstatbeständen auch ein gewisser Schutz zu.11
(Fall „Sankei-Zeitung“); SAITÔ, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 115. 5 Näher dazu noch unten, Kap. 4, B.VII., S. 76 f., und Kap. 6, E.I., S. 206 ff. 6 Näher dazu und zu der Frage, ob dies ein der Ehre vorbehaltener Rechtsbehelf ist, unten, Kap. 4, B.VII., S. 76 f., und Kap. 6, C.III., S. 183 ff. 7 Keihô, Gesetz Nr. 45/1907 i.d.F. vom Gesetz Nr. 74/2011. 8 Siehe unten, Kap. 4, B.VI.1., S. 75 f. 9 Siehe etwa OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Hanji 1194, 3 (6); IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 23 f.; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 173 f. 10 Siehe SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 174; OGH, Urteil vom 18.12.1970, in: Minshû Bd. 24 Nr. 13 S. 2151 (2152). 11 Dazu und zu der Frage, inwieweit über den Schutz des Ehrgefühls Elemente der Privatsphäre geschützt werden können, unten, Kap. 4, C., S. 77 ff.
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
In theoretischer Hinsicht stimmt der Ehrbegriff damit mit dem deutschen überein, der ebenfalls die „äußere Ehre“ vor Miss- oder Nichtachtung schützt, nicht aber das subjektive Ehrverständnis des Betroffenen.12 Im Hinblick auf die Bedeutung für die vorliegende Untersuchung, in der es ja um den Schutz der Privatsphäre geht, kann man zwei Arten von ehrverletzenden Äußerungen unterscheiden. Zum einen gibt es Beschimpfungen oder herabsetzende Äußerungen bzw. Handlungen gegenüber einer Person, die nicht mit der Preisgabe von irgendwelchen Informationen über den Betroffenen verbunden sind; zum anderen kann die Ehre auch dadurch beeinträchtigt werden, dass entehrende Tatsachen über die betroffene Person verbreitet und bekannt gemacht werden. In diesem zweiten Fall wird die Privatsphäre im Sinne dieser Arbeit berührt, und hier gewinnt damit das Rechtsgut der Ehre Bedeutung für den Schutz der Privatsphäre. Dieser zweite Bereich ist der, in dem in Japan das Rechtsgut der Ehre, wie oben erwähnt,13 die zentrale Rolle übernimmt und durch seine vorrangige Anwendung das Rechtsgut des Puraibashî-ken, zumindest über lange Zeit hinweg, weitgehend überflüssig gemacht hat und auch heute noch in den Hintergrund drängt. IV. Reichweite des Begriffs der Ehre im Vergleich zum Verständnis in Deutschland – Abgrenzung zum Anwendungsbereich des Puraibashî-Rechts Diese zentrale Rolle der Ehre für den Privatsphärenschutz in Japan und die Abgrenzung zur Rolle des Puraibashî-ken sollen nun näher beleuchtet werden. Dazu werden zunächst verschiedene Fallgruppen (1., a–h) im Hinblick darauf, welches Rechtsgut in Japan jeweils als betroffen angesehen wird, analysiert, wobei jeweils auch konkrete Fälle aus der Rechtsprechung vorgestellt werden, um die Denkweise, die hinter dieser Praxis steht, besser nachvollziehbar zu machen. Nach einer Zusammenfassung der Abgrenzungen – zunächst unter Betrachtung nur des japanischen Rechts für sich genommen (2.) – stelle ich dann Überlegungen an, inwieweit die Herausbildung dieser Abgrenzungen Ausfluss bestimmter gesellschaftlicher Überzeugungen sind (3.), bevor eine vergleichende Betrachtung zum deutschen Recht vorgenommen wird (4.–6.). 1. Die Behandlung verschiedener Fallgruppen im japanischen Recht a) Fallgruppe 1: Schilderungen des Beziehungslebens Eine erste Fallgruppe typischer Ehrverletzungen in Japan bildet die Berichterstattung über eine Lebensweise, die traditionellen Vorstellungen zur Sexualmoral nicht gerecht wird. Solche Verstöße gegen moralische Ansprüche können etwa in außerehelichen Affären, einem ungeordneten Beziehungs12 13
Siehe oben, Kap. 2, A.III.2., S. 14. Kap. 4, A., S. 39.
B. Der Schutz der Ehre
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leben oder aber im Kontakt mit Prostituierten liegen. Die Annahme einer Ehrverletzung in solchen Fällen setzt dabei das Grundverständnis voraus, dass sich die Zuschreibung eines solchen Verhaltens negativ auf die soziale Achtung des Betroffenen auswirkt. Ein solches Verständnis ist keineswegs selbstverständlich, da als liberalere Haltung auch der Standpunkt vertreten werden könnte, dass jeder sein Beziehungsleben so gestalten kann wie er will, ohne fürchten zu müssen, dafür gesellschaftlich verurteilt oder gering geschätzt zu werden. In der japanischen Rechtsprechung wird aber das Verständnis, dass bei mangelnder Integrität im Sinne traditioneller Moralvorstellungen dem Betreffenden weniger Achtung entgegengebracht wird, meist mit völliger Selbstverständlichkeit zu Grunde gelegt. Das Puraibashî-ken wird demgegenüber bei Enthüllungen über das Beziehungs- oder Sexualleben, die nur über das Bestehen einer Beziehung an sich – und nicht über intime Details14 – berichten, in der Regel nicht angesprochen. Zu beachten ist dabei, dass die Anzahl der Urteile zu Persönlichkeitsverletzungen durch eine Berichterstattung über Beziehungen und Affären begrenzt ist und hier daher auch zahlreiche ältere Urteile herangezogen werden, bei denen sich die Frage stellen ließe, ob die darin geäußerten Anschauungen auch heute noch Bestand haben oder aber aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels heute so nicht mehr haltbar sind. Solange die darin zum Ausdruck gebrachten Bewertungen nicht durch anderslautende Rechtsprechung ersetzt werden, bleibt es jedoch dabei, dass sie den gültigen Bestand an vorhandener Rechtsprechung darstellen. Im Einzelnen wird etwa der Bericht in einem Wochenmagazin über einen wegen Betrugs Verhafteten, in dem geschildert wird, dass der Betreffende zahlreiche Affären gehabt, viele Frauen als eine Art Patron unterstützt oder in seiner Wohnung ausgehalten habe und dass auch bei seiner Verhaftung eine nackte Blondine neben ihm im Bett gelegen habe, als „schon nach seinem Inhalt offensichtlich“ ehrverletzend eingestuft.15 Ähnlich liegt der Fall eines Box-Managers, dessen skrupellose Praktiken für einen Skandal im Boxsportbereich gesorgt hatten: die Beschreibung von dessen „schlampiger“ Lebensweise im Umgang mit Frauen setzt nach Auffassung des Gerichts „offensichtlich“ seine soziale Achtung herab und verletzt daher seine Ehre.16 Die Schilderung oder die Unterstellung ehebrecherischer Beziehungen wurde ebenfalls in mehreren Fällen als ehrverletzend eingestuft.17 Ein Beispiel dafür, dass der Kontakt mit Prostituierten als ehrverletzend angesehen wurde, bildet ein Bericht, in dem über den damaligen Ministerpräsidenten Mori unter anderem be14
Dazu unten, Abschnitt b, S. 46. DG Tokyo, Urteil vom 30.06.1981, in: Hanji 1018, 93 (97). 16 DG Tokyo, Urteil vom 24.11.1989, in: Hanji 1270, 99 (101). 17 DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (38); DG Tokyo, Urteil vom 24.04.2001, in: Hanji 1767, 32 (37, 39); siehe insbesondere auch die relativ neue Entscheidung des DG Tokyo vom 28.01.2009, in: Hanji 2036, 48 (80 f.), die aber gleichzeitig auch die Puraibashî als verletzt ansieht, siehe unten, S. 45. 15
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hauptet wurde, er sei in seiner Studienzeit in Konflikt mit dem Prostitutionsgesetz geraten.18 Auch das Erbringen sexueller Dienstleistungen stellt eine „unanständige und beschämende Tätigkeit“ dar, so dass die Behauptung über eine Fernsehmoderatorin, sie habe als Studentin in einem „Lingerie Pub“ – wo die Servierdamen nur in Unterwäsche gekleidet sind – gearbeitet und dort bereitwillig Gefälligkeiten sexueller Art geleistet, ihre Ehre in Frage stellt.19 Auch der Bericht über die erste weibliche Aidspatientin in Japan, der sie als Frau beschreibt, die sich mit zahlreichen Männern eingelassen und dabei auch prostituiert habe, setzt grundsätzlich ihre Ehre herab,20 wobei in diesem Fall aufgrund der Besonderheit, dass die Betroffene bereits verstorben war, letztlich nicht das Rechtsgut Ehre, sondern das Pietätsgefühl der Angehörigen einschlägig war.21 In einzelnen – allerdings über 40 Jahre zurückliegenden – Urteilen wird sogar die Behauptung, dass ein Paar unverheiratet zusammenlebe, als Angriff auf die Ehre gesehen, weil ein solches „nicht-eheliches“ Zusammenleben allgemein als unmoralisch angesehen werde. 22 Ausführungen dieser Art neueren Datums lassen sich nicht finden. Dass das Puraibashî-Recht bei Enthüllungen über das Beziehungsleben dagegen nicht einschlägig ist, wird besonders deutlich in dem Fall eines Romans über eine Frau, die zwei junge Frauen für eine Lösegelderpressung entführt und umgebracht hatte.23 Obwohl in diesem Buch recht persönliche Details wie der Werdegang der Täterin, ihr schwieriger Charakter, den sie schon als Kind gezeigt habe, sowie insbesondere ihre Beziehung zu dem als Mittäter verdächtigten Mann, ihre sexuelle Begierigkeit und der Abbruch einer Schwangerschaft beschrieben wurden und die Betroffene an dem Buch insgesamt 43 Passagen beanstandete, machte sie dabei nur bezüglich einiger weniger Stellen, die den Zustand ihrer Person an sich, nämlich ihre angebliche psychische Labilität und ihren hohen IQ, betrafen, eine Verletzung der Puraibashî geltend. Die ausführlichen Beschreibungen bezüglich der Affäre mit dem verheirateten Mann, den sie über eine Art Prostitutionsvermittlung kennen gelernt hatte, wurden dagegen sowohl von der Klägerin als auch vom Gericht ausschließlich unter dem Aspekt der Ehrverletzung betrachtet.24
Nicht über den Ehrenschutz gelöst werden kann aber die Verbreitung von Informationen über solche Tatsachen im Zusammenhang mit dem Beziehungsleben, bei denen dem Betreffenden in moralischer Hinsicht nichts vorgeworfen werden kann und für die daher die Annahme einer Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung ausscheidet. Diese müssten zwingend in den Anwendungsbereich des Puraibashî-Rechts fallen oder ungeschützt bleiben. Insofern fehlen jedoch aussagekräftige Präzedenzfälle in der Rechtsprechung; 18
DG Tokyo, Urteil vom 24.04.2001, in: Hanji 1767, 32 (37, 39). DG Tokyo, Urteil vom 05.09.2001, in: Hanji 1773, 104 (108). 20 DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). 21 Näher dazu unten, Kap. 7, B.II.2., S. 223 f. 22 DG Tokyo, Urteil vom 25.11.1968, in: Hanji 537, 28 (31); OG Tokyo, Urteil vom 25.12.1969, in: Hanji 582, 70 (72). 23 OG Nagoya, Urteil vom 25.10.2000, in: Hanji 1735, 70 (Fall „Jokôsei OL renzoku satsujin jiken“ [„Serienmord an Gymnasiastin und Büroangestellter“, was der Titel des Buches war]). 24 OG Nagoya, Urteil vom 25.10.2000, in: Hanji 1735, 70 (78), wobei allerdings ein öffentliches Interesse bezüglich dieser Tatsachen bejaht wurde, da es um die Klärung der Hintergründe eines schweren Verbrechens ging, und eine unerlaubte Handlung nur insoweit angenommen wurde, als Details der Darstellungen im Buch nicht der Wahrheit entsprachen. 19
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in der Regel geht es immer um „problematische“ Tatsachen und nicht um „neutrale“ Enthüllungen. Als Ausnahme von der Regel, dass die Wahrung der moralischen Integrität ausschließlich die Ehre und nicht die Puraibashî betrifft, gibt es auf der anderen Seite einige, wenn auch wenige Fälle, in denen kumulativ zur Ehrverletzung eine Verletzung der Puraibashî durch entsprechende Enthüllungen in Betracht gezogen wird. Bemerkenswert ist, dass insbesondere im neuesten Beispiel aus dem Jahr 2009 bezüglich ehebrecherischer Beziehungen neben einer Ehrverletzung auch eine Verletzung des Puraibashî-Rechts angenommen wird.25 Auch die Urteile, die diesen Weg einschlagen, tun dies ganz selbstverständlich und ohne weitere Begründung. Ein früheres solches Beispiel für die Annahme einer kumulativen Betroffenheit von Ehre und Puraibashî ist der Fall um den Film „Erosu + gyakusatsu“ [„Eros und Metzelmord“, englisch: „Eros plus massacre“]. Darin geht es um die dramatische Beziehung einer bekannten Politikerin und Frauenrechtlerin in jungen Jahren, die nach dem Bruch der Beziehung ihren Freund mit einem Kampfmesser verletzt und deshalb eine zweijährige Haftstrafe abgesessen hatte.26 Auch in dem Fall um die schon erwähnte erste weibliche Aidspatientin in Japan wurde neben der Ehre auch die Puraibashî als grundsätzlich betroffen angesehen.27
Auch wenn in dem weit überwiegenden Teil der Fälle der Ehrenschutz eingreift, wird daran deutlich, dass die Rechtsprechung kein einheitliches und konsequentes Vorgehen zeigt, sondern dass beide Denkstränge, nämlich die Einschätzung als Ehrverletzung und die als Puraibashî-Problem, möglich sind und nur abwechselnd auf das eine bzw. auf das andere Argumentationsmuster zurückgegriffen wird. Dass beide Denkweisen nebeneinander bestehen, zeigt sich auch daran, dass sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur nicht immer bewusst bzw. gedanklich klar zwischen den Rechtsgütern Ehre und Puraibashî unterschieden wird. So zeigen sich Vermengungen in den Argumentationen, oder es werden Fälle widersprüchlich eingeordnet. Z.B. wird der bereits erwähnte Bericht über voreheliches Zusammenleben zwar im gerichtlichen Urteil als ehrverletzend eingestuft, in der ersten Instanz aber wird eine Rechtfertigung wegen einer erhöhten Duldungspflicht Prominenter bezüglich eines „Eindringens in die
25
DG Tokyo, Urteil vom 28.01.2009, in: Hanji 2036, 48 (87). DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1970, in: Hanji 586, 41 (44). Aufgrund von biographischen Darstellungen und des eigenen Bekenntnisses der Betroffenen zu der Tat in der Öffentlichkeit wurden die Tatsachen aber als nicht mehr geheim angesehen, so dass es an einer Privatheit der Tatsachen fehlte. 27 DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64), wobei letztlich „nur“ das Pietätsgefühl der Angehörigen verletzt war, weil die Betreffende bereits verstorben war, siehe oben, S. 44. 26
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Puraibashî“ diskutiert.28 Dieser Fall wird auch in der Literatur teilweise als Puraibashî-Fall eingeordnet, weil es „der Sache nach“ um eine Privatsphärenverletzung gehe.29
b) Fallgruppe 2: Intime Details Dagegen gibt es zu Schilderungen von intimen Details Fälle, die von der Rechtsprechung als reines Problem des Rechts auf Puraibashî behandelt werden, obwohl der Inhalt durchaus geeignet ist, das Ansehen der Betroffenen zu beeinträchtigen. So werden der Bericht über den Kauf von Pornovideos durch einen Fernsehstar unter Preisgabe der Filmtypen, für die er sich interessierte,30 oder ein Wochenmagazinbericht über eine frühere Pornodarstellerin mit Ausführungen zum Inhalt ihrer Filme, aber auch zu ihrem privaten Sexualleben, unter Wiedergabe schmutzigster Details, die ihr Ex-Freund preisgegeben hatte,31 ausschließlich unter dem Aspekt des Puraibashî-Schutzes behandelt.
Auch wenn keine intimen Details berührt werden, lässt sich möglicherweise auch die Behandlung von Berichten über (angebliche) sexuelle Übergriffe als Puraibashî-Verletzung hier einordnen. So z.B. Berichte über einen Arzt, gegen den von einer Patientin Klage wegen sexueller Belästigung erhoben worden ist,32 oder über einen wegen des Verdachts sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verhafteten Lehrer.33
Zu berücksichtigen ist hier aber, dass alle genannten Fälle aus der Zeit nach 2005, also aus neuester Zeit, stammen und die Einordnung möglicherweise Ausdruck neuer Tendenzen in der Rechtsprechung ist.34 c) Fallgruppe 3: Ehe- und Familienleben Das Ehe- und Familienleben scheint ebenfalls grundsätzlich als zur Puraibashî gehörig verstanden zu werden, denn „Probleme“ in diesem Bereich werden in der Regel nicht als Ehrverletzung, sondern als Eindringen in die Privatsphäre behandelt, auch wenn die verbreitete Tatsache zu einer negativen Charakterisierung des Betroffenen führen kann. So zum Beispiel die Schilderungen des Ehelebens sowie des Verhältnisses zwischen den Ehepartnern im Buch „Nach dem Bankett“, der zu den grundlegenden Fällen in der Entwicklung
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DG Tokyo, Urteil vom 25.11.1968, in: Hanji 537, 28 (32). IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 215. 30 DG Tokyo, Urteil vom 31.03.2006, in: Hanta 1209, 60 (66 ff.). 31 DG Tokyo, Urteil vom 23.05.2006, in: Hanji 1961, 72 (79 ff.). 32 DG Tokyo, Urteil vom 14.03.2005, in: Hanji 1893, 54 (72). 33 OG Fukuoka, Abt. Naha, Urteil vom 29.10.2008, in: Hanji 2035, 48 (49). 34 Vgl. zu neuester Rechtsprechung bezüglich Beziehungen oben, Abschnitt a, S. 45, ferner zu Straftäterberichterstattung unten, Abschnitt e, S. 51. 29
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des Puraibashî-Rechts gehört;35 weiter ein Bericht über die bevorstehende Scheidung einer Schauspielerin und die Gewalttätigkeiten des Ehemannes36 oder über den Scheidungskrieg eines Unternehmers um Vermögensgegenstände;37 ferner die Verbreitung der Tatsache, dass eine Frau, im konkreten Fall die Tochter der ehemaligen Außenministerin Makiko Tanaka, gegen den Willen der Mutter geheiratet hat und ihrem Mann nach Amerika gefolgt ist, aber bereits nach einem Jahr wieder geschieden alleine nach Japan zurückgekehrt ist.38
Überwiegend wird das Recht auf Ehre dabei überhaupt nicht erwähnt. Auch hier lässt sich aber – wie auch schon bezüglich nicht-ehelicher Beziehungen mit umgekehrter Tendenz – keine konsequente Regel beobachten. Teilweise wird nämlich kumulativ zur Puraibashî-Verletzung eine Ehrverletzung angenommen. Zum Teil bleibt das Puraibashî-Recht sogar ganz außer Betracht, und es wird nur eine Ehrverletzung angenommen. Von den oben genannten Fällen bleibt der Aspekt der Ehre außer Betracht im Fall „Nach dem Bankett“ sowie in den Fällen des Scheidungskriegs des Unternehmers und der bereits nach einem Ehejahr geschiedenen Tochter von Makiko Tanaka.39 Eine kumulative Verletzung von Ehre und Puraibashî wird bezüglich der Scheidung der Schauspielerin angenommen aufgrund der Behauptungen im Bericht, dass Grund für die Scheidung die Gewalttätigkeit des Ehemannes sei, der unter anderem auch an seiner Schwiegermutter eine Körperverletzung begangen habe.40 Lediglich auf eine Verletzung der Ehre abgestellt wird im Fall „Hoppô Journal“, wo einem Gouverneursamts-Kandidaten unter anderem vorgeworfen worden war, unter Anwendung niederträchtiger Mittel die Scheidung von seiner Frau erreicht und sie in den Selbstmord getrieben zu haben, 41 obwohl eine Behandlung als Puraibashî-Fall denkbar gewesen wäre.42 In dieser Linie stehen auch Stimmen der Literatur, die annehmen, dass Unstimmigkeiten in der Ehe grundsätzlich die Ehre betreffen.43 Insbesondere zum Fall „Nach dem Bankett“ etwa wird die Ansicht geäußert, dass die Beschreibungen des Ehelebens die gesellschaftliche Achtung des Betroffenen herabsetze und daher eigentlich ein Fall der Ehrverletzung vorgelegen habe. 44 Auch der Fall der Tochter von Makiko Tanaka, deren Heirat gegen den Willen der Mutter schon nach einem Jahr gescheitert war, wird in der Literatur teilweise als Ehrverletzung eingeordnet.45
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DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2356 ff.) – ausführliche Schilderung des Falls unten in Kap. 4, D.II., S. 83 f. 36 DG Tokyo, Urteil vom 22.09.1993, in: Hanta 843, 234 (236). 37 DG Tokyo, Urteil vom 05.10.2001, in: Hanji 1790, 131 (136). 38 OG Tokyo, Beschluss vom 31.03.2004, in: Hanji 1865, 12 (16); das Recht auf Privatsphäre wendet auch das DG Tokyo in diesem Fall an, Beschluss vom 16.03.2004, in: Hanji 1865, 18 (19 ff.). 39 Belege oben, Kap. 4 Fn. 35, 37 sowie 38. 40 DG Tokyo, Urteil vom 22.09.1993, in: Hanta 843, 234 (237). 41 OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 ff. 42 SUDÔ, in: Hôritsu no hiroba 39 Nr. 10 (1986), S. 27 (Fn. 17). 43 So MURAKAMI, in: Shinbun kenkyû 650 (2005), S. 56. 44 MURAKAMI, in: Shinbun kenkyû 650 (2005), S. 55; ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 11, 63. 45 MURAKAMI, in: Shinbun kenkyû 650 (2005), S. 56.
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d) Fallgruppe 4: Physische oder psychische Krankheiten Bei Krankheiten, und zwar sowohl bei psychischen Krankheiten oder Verhaltensauffälligkeiten als auch bei physischen Krankheiten, zeigen sich wiederum unterschiedliche Einordnungen, teils als Problem der Ehre, teils als Problem der Puraibashî, ohne dass sich eine klare Tendenz zu einem der Rechtsgüter benennen lässt. Ehrverletzend kann die Tatsache, dass jemand physisch oder psychisch krank ist, deshalb sein, weil durch die Bloßstellung des Zustandes der Person der Eindruck vermittelt wird, dass sie eine bestimmte gesellschaftliche oder soziale Funktion nicht mehr ausüben kann oder ihr bestimmte Fähigkeiten abhanden gekommen sind, so dass die gesellschaftliche Achtung Schaden nehmen kann. Wenn man andererseits aber bedenkt, dass der Betroffene für die Krankheit in der Regel nichts kann, so ist eigentlich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum Berichte über solche Tatsachen eine Minderung der gesellschaftlichen Achtung zur Folge haben sollen. Diese Ambivalenz könnte auch der Hintergrund dafür sein, dass ein Teil der Urteile Krankheiten als ehrverletzende Information schützt, ein Teil dagegen diese der geschützten Puraibashî zuordnet und es damit vermeidet, diese als etwas einstufen, was die Ehre des Betroffenen beeinträchtigt. Was zunächst psychische Krankheiten angeht, wurde eine Ehrverletzung etwa in einem Fall angenommen, in dem es um eine Schauspielerin ging, die wegen Krankheit ihre Tätigkeiten im Fernsehen und auf der Bühne zeitweilig ausgesetzt hatte. 46 In Wochenmagazinartikeln war von Aussagen der Nachbarn über Verhaltensauffälligkeiten der Schauspielerin im Alltag berichtet worden, wonach sie etwa merkwürdig gekleidet herumlaufe und im Winter Sandalen trage, ihr Reden keinen richtigen Sinn ergebe und sie plötzlich weine oder Streitigkeiten mit Nachbarn anfange. Nach Einschätzung des Gerichts erweckte dieser Bericht den Eindruck, die Betroffene befinde sich in einem psychisch labilen Zustand und sei nicht mehr in der Lage, ihren Beruf als Schauspielerin weiter auszuüben, was die Gefahr berge, dass ihr Ansehen als Schauspielerin sinke.47 Dagegen wird beim Bericht über ein führendes Mitglied der religiösen Sekte Kôfuku no Kagaku [„Wissenschaft des Glücks“] des Inhalts, dass dieser unter Neurosen gelitten und sich in einem Zustand psychischer Instabilität befunden habe, als er zu der religiösen Gemeinschaft fand, eine Verletzung der Ehre abgelehnt, weil psychische Labilität und Depressionen nichts Entehrendes seien.48 In diesem Fall wird aber auch eine Verletzung des Rechts auf Puraibashî nicht angesprochen, was möglicherweise damit zu erklären ist, dass das Gericht – ohne dies auszusprechen – von einer Rechtfertigung durch Informationsinteressen ausging. Die Beschreibung des Krankheitszustandes des Inhabers eines Geldverleih-Unternehmens, dass „seine Haut völlig matt, seine Augen ohne Leben“ seien und er „wegen hohen Fiebers, dessen Ursachen unklar sind, unter größter Geheimhaltung im Krankenhaus“ sei und „aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung fast nicht mehr sehen kann und möglicherweise nie wieder
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DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24. DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (26 f.). 48 DG Tokyo, Urteil vom 20.12.1996, in: Hanji 1619, 104 (118). 47
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gesund wird“, wird als ehrverletzend angesehen.49 Andererseits wird bei Schilderungen über Krankheit und Todesursache des Begründers der Nichiren Shôshû, einer bedeutenden buddhistischen Richtung Japans, sowie der daraus hervorgegangenen politisch-religiösen Gemeinschaft Sôka Gakkai eine Verletzung der Ehre verneint, obwohl es sich dabei um eine allgemein gemiedene Krankheit oder eine gefürchtete Todesursache handelte.50 Auch in diesem Fall wird aber auch eine Verletzung des Puraibashî-Rechts nicht geprüft, möglicherweise wieder aufgrund der – unausgesprochenen – Annahme öffentlicher Interessen an der Information.
Auch in diesem Bereich werden die Rechtsgüter zum Teil kumulativ angewandt. Zum Teil zeigt sich ferner auch hier eine fehlende Unterscheidung zwischen den Rechtsgütern. Bezüglich des Geldverleih-Unternehmers, bei dem die Berichterstattung über seinen Krankheitszustand als entehrend eingestuft wurde, wird die Verbreitung der Information über die Krankheit gleichzeitig auch als Privatsphärenverletzung angesehen.51 In dem Fall der psychisch kranken Schauspielerin wird der Aspekt der Puraibashî als betroffenes Rechtsgut im Urteil überhaupt nicht angesprochen und seitens der Betroffenen von vornherein gar nicht erst geltend gemacht. Allerdings wird im Rahmen der Prüfung, ob ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung besteht, damit argumentiert, dass keine „Notwendigkeit, die persönlichen Lebensverhältnisse offenzulegen“, bestanden habe.52 Dies ist eigentlich ein Gedanke, der den Schutz der Puraibashî und nicht der Ehre betrifft. Es zeigt sich also, dass der Gedanke eines Schutzes der Puraibashî hier ebenfalls tangiert ist.
e) Fallgruppe 5: Aktuelle Straftaten und Vorstrafen Namentliche Berichte über Straftaten oder über den Verdacht einer Straftat werden traditionell typischerweise als ehrverletzend angesehen. Nur soweit im Rahmen einer Straftat- oder Verdachtberichterstattung persönliche Details über den Täter bzw. Verdächtigen wie der Beruf oder das Alter genannt oder nähere Lebensumstände geschildert werden, betreffen diese Details zur Person im Gegensatz zur Straftat selbst auch schon nach traditionellem Verständnis das Puraibashî-Recht.53 Als Beispiele für die Einordnung von aktuellen Berichten über eine Straftat als Ehrverletzung lassen sich etwa nennen: – der bereits erwähnte Fall um den Roman über die Entführung und Ermordung zweier junger Frauen („Serienmord an Gymnasiastin und Büroangestellter“), an dem es auch als Ehrverletzung angesehen wird, dass der Eindruck erweckt wird, der mitverdächtige Geliebte der Haupttäterin sei an der Tat nicht beteiligt gewesen und die Frau habe die Taten als Allein-
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DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (96). DG Tokyo, Urteil vom 24.02.1973, in: Hanji 711, 109 (112). 51 DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (96, 99). 52 DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (28). 53 DG Tokyo, Urteil vom 12.04.1994, in: Hanta 842, 271 (285); DG Yokohama, Urteil vom 10.07.1995, in: Hanji 1558, 81 (90); OG Nagoya, Urteil vom 12.05.2004, in: Hanji 1870, 29 (38). 50
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
täterin begangen54 – was aber auch der Einschätzung der Strafgerichte entsprach, die den zunächst ebenfalls angeklagten Mann freisprachen und nur die Frau verurteilten; – der Bericht über den Verdächtigen im sogenannten „Los [Angeles]-Verdachts-Fall“ („Rosu giwaku“), Miura, in dem berichtet wird, Miura habe schon früher einmal versucht, seine Familie und seine Schwiegermutter umzubringen: hier wird, obwohl Miura bereits unter dem Verdacht von Mordtaten stand, das Aufbringen von Verdächtigungen bezüglich weiterer Taten als geeignet angesehen, seine soziale Achtung weiter herabzusetzen;55 – ähnlich der Bericht über eine wegen Mordes Angeklagte, in dem der Eindruck erweckt wird, die Betreffende könne etwas mit ungeklärten Brandstiftungs- und Diebstahlsfällen an ihrem früheren Arbeitsplatz zu tun haben;56 – eine Fernsehdarstellung, die den Einruck erweckte, dass es sich bei einem Streit zwischen Vater und Sohn, der in Tätlichkeiten mündete und mit dem Tod des Vaters endete, um einen vorsätzlichen Mord gehandelt habe, obwohl die genauen Umstände des Todes ungeklärt waren und der Sohn nur wegen Körperverletzung verhaftet worden war;57 – ferner Zeitungsberichte, die darüber berichten, dass jemand im Verdacht stehe, Spionage für Nordkorea betrieben zu haben,58 oder die die (angeblich) wahren Täter eines grausamen Mordes an einer kompletten Familie in Fukuoka (Fukuoka-Familien-Mord-Fall) identifizieren;59 – sowie als Beispiel aus neuester Zeit, wenn auch kein Fall einer Berichterstattung durch Medien, die öffentliche Bezichtigung einer Person des Mordes und der Ehrverletzung. Im konkreten Fall hatten, nachdem ein Schüler Selbstmord begangen hatte, die Mutter des Schülers sowie deren Rechtsanwalt die Schule für den Selbstmord verantwortlich gemacht. Sie hatten den Schulleiter deshalb und wegen Äußerungen, Ursache des Selbstmordes seien bestimmt häusliche Probleme nach der Entwendung von Geld vom Bruder gewesen, wegen Mordes und wegen Ehrverletzung angeklagt, was als „unerlaubte Handlung“ eingestuft wird, ohne dass ein konkretes Rechtsgut benannt wird. Ferner hatten sie Pressekonferenzen gegeben und die Klageschrift im Internet veröffentlicht, was beides ausdrücklich als die Ehre betreffend eingestuft wird.60 54
OG Nagoya, Urteil vom 25.10.2000, in: Hanji 1735, 70 (77). DG Tokyo, Urteil vom 20.12.1990, in: Hanta 750, 208 (211). Beim „Los [Angeles]-Verdachtsfall“ (japanisch eigentlich nur „Los-Verdachts-Fall“, hier der Verständlichkeit halber aber immer als „Los [Angeles]-Fall“ bezeichnet) ging es um den Mord an der Ehefrau von Miura in Los Angeles Anfang der 1980er Jahre, der über Jahrzehnte große Aufmerksamkeit in den japanischen Medien fand. Miura wurde verdächtigt, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein, wurde trotz starker Verdachtsmomente nach jahrzehntelangen Prozessen in Japan jedoch letztlich 2003 rechtskräftig freigesprochen. 2008 wurde er von der kalifornischen Polizei in Saipan verhaftet und beging – noch während der schwebenden Diskussionen um die Rechtmäßigkeit der Verhaftung im Hinblick auf den Freispruch in Japan – in der Untersuchungshaft Selbstmord. Die Anzahl der von Miura angestrengten Klagen gegen die Medienberichterstattung soll sich auf nahezu 500 Fälle belaufen. Er hat damit für die Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich eine wichtige Rolle gespielt, vgl. SUZUKI, in: Hôkyô 270 (2003), S. 30. 56 DG Tokyo, Urteil vom 23.01.2007, in: Hanji 1982, 115 (122). 57 DG Tokyo, Urteil vom 28.04.2006, in: Hanta 1236, 262 (266). 58 DG Tokyo, Urteil vom 12.04.1994, in: Hanta 842, 271 (278); DG Yokohama, Urteil vom 10.07.1995, in: Hanji 1558, 81 (86). 59 DG Tokyo, Urteil vom 28.09.2006, in: Hanta 1250, 228 (244). 60 DG Nagano, Abt. Ueda, Urteil vom 14.01.2011, in: Hanji 2109, 103 (114). 55
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– Einordnung eines Berichts über Ermittlungen wegen Erpressung als Frage der Ehrverletzung, 61 ebenso wie bei einem Bericht über die Verhaftung des Betreibers einer Restaurantkette wegen angeblicher Erschleichung von staatlichen Zuschüssen durch zeitweises Entlassen von Mitarbeitern und das Vortäuschen von Saisonarbeit.62
In einem Urteil aus dem Jahr 2008 wird allerdings in Abweichung von der traditionellen Einordnung die identifizierende Berichterstattung über einen Lehrer, der wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung Minderjähriger verhaftet worden war, als Verletzung des Puraibashî-Rechts eingeordnet, und zwar mit der Begründung, dass die Tatsache einer Verhaftung sich „direkt auf die soziale Achtung des Betroffenen auswirkt“.63 Möglicherweise handelt es sich bei dieser Einordnung um einen bloßen Einzelfall, oder sie beruht auf der Einstufung der Tatsachen als intime Angelegenheit. Gerade in Zusammenschau mit den Fällen aus den letzten Jahren, in denen Berichte über das Beziehungs- oder Intimleben als Puraibashî-Verletzung behandelt wurden,64 könnte dies allerdings erneut auch auf eine neue Tendenz in der Rechtsprechung hinweisen.65 Hier bedarf die zukünftige Entwicklung der weiteren Beobachtung. Die Veröffentlichung von Vorstrafen dagegen war genau der Gegenstand einiger für die Entwicklung des Puraibashî-Rechts bahnbrechender Fälle und betrifft traditionell in der Regel grundsätzlich die Puraibashî und nicht die Ehre.66 Da die Idee der Puraibashî allerdings erst nach und nach durch die betreffenden Fälle herausgebildet wurde, wird sie in diesen ersten Fällen als Gedanke noch nicht ausdrücklich ausformuliert. Vielmehr ist zunächst nur von einem „rechtlich geschützten Interesse“ die Rede, „dass keine Tatsachen im Zusammenhang mit Vorstrafen veröffentlicht werden“, „weil es sich um Dinge handelt, die sich unmittelbar auf die Ehre oder die Glaubwürdigkeit auswirken“.67 Da auch auf die Auswirkungen auf Ehre und Glaubwürdigkeit 61
DG Osaka, Urteil vom 19.10.2010, in: Hanta 1361 (2012), 210 (215 f.). DG Sapporo, Urteil vom 25.02.2011, in: Hanji 2113, 122 (126 f.). 63 OG Fukuoka, Abt. Naha, Urteil vom 29.10.2008, in: Hanji 2035, 48 (49). 64 Siehe oben, Abschnitt a, S. 45 und Abschnitt b, S. 46. Dort, S. 46, auch bereits zu diesem Fall, der auch als intime Tatsachen betreffend eingestuft werden kann. 65 Zumindest in der einleitenden Bemerkung zum Urteil in Hanji 2035, S. 48 wird die „Verdeutlichung, dass es sich um ein von einer Ehrverletzung zu unterscheidendes Problem der Privatsphärenverletzung handelt“, als „bemerkenswert“ bezeichnet. 66 So in den Fällen der Weitergabe von Informationen über Vorstrafen durch die Stadt Kyoto und in den Fällen „Gyakuten“ sowie „In Stein schwimmender Fisch“, siehe unten, Kap. 4, D.II., S. 83 ff. Siehe auch OG Tokyo, Urteil vom 21.12.1992, in: Hanji 1446, 61 (63); DG Tokyo, Urteil vom 23.07.1993, in: Hanta 840, 167 (171); DG Ôsaka, Urteil vom 29.05.2001, in: Hanji 1766, 64 (69). 67 Vgl. OGH, Urteil vom 14.04.1981, in: Minshû Bd. 35 Nr. 3, 620 (622) (Fall der Weitergabe von Informationen über Vorstrafen durch die Stadt Kyoto); OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 149 (152) (Fall „Gyakuten“); DG Ôsaka, Urteil vom 29.05.2001, in: Hanji 1766, 64 (69). 62
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abgestellt wird, ließen sich die Urteile nach ihrem Wortlaut auch noch so deuten, dass es den Gerichten eigentlich nur um den Schutz der Ehre der Betroffenen geht.68 Darauf, dass die Gerichte gerade nicht von einer Verletzung der Ehre ausgehen, deutet jedoch hin, dass jeweils nicht die Zulässigkeitskriterien der Ehrverletzung, sondern neue Kriterien angewandt werden und in der Argumentation der Rechtsprechung die Erhaltung der gesellschaftlichen Achtung auch nicht primär im Vordergrund steht, sondern es vielmehr im Wesentlichen um die Möglichkeit einer ungestörten Resozialisierung geht. Man kann daher davon ausgehen, dass die Gerichte die Fälle jeweils nicht als Ehrverletzung, sondern als Verletzung des Puraibashî-Rechts einordnen.69 In einem Einzelfall hat das DG Ôita die Veröffentlichung von Vorstrafen dem eindeutigen Urteilswortlaut nach zwar als Fall einer Verletzung des Rechts auf Ehre eingeordnet.70 Auch in diesem Urteil bildet aber die Notwendigkeit des Schutzes der Privatsphäre zur Ermöglichung einer Resozialisierung einen tragenden Abwägungsgesichtspunkt, so dass der betreffende Fall in der Literatur teilweise als „Ehr- und Puraibashî-Fall“ eingestuft wird.71 Einen Sonderfall bildet die namentliche Berichterstattung über jugendliche Straftäter entgegen Art. 61 des japanischen Minderjährigengesetzes (MG)72, der dies ausdrücklich verbietet. Wie weiter unten noch näher erörtert wird,73 wird teilweise schon aus dem Verstoß gegen das MG unmittelbar eine Schadensersatzpflicht gefolgert, ohne dass die Frage nach einer Ehr- oder Privatsphärenverletzung gestellt werden müsste.74 Zum Teil wird Art. 61 MG aber nicht als eine Vorschrift zu Gunsten des einzelnen Jugendlichen, sondern als Regelung zu Gunsten der Allgemeinheit verstanden, so dass aus einer Verletzung dieser Vorschrift allein keine subjektiven Rechte des Minderjährigen erwachsen. Schadensersatz kann dieser nach dieser Auffassung nach den Regeln des Deliktsrechts nur verlangen, wenn er in einem sonstigen subjektiven Recht verletzt ist. Wie auch bei einer Berichterstattung über Erwachsene wird für diese Auffassung also der Schutzumfang des Rechts auf Ehre und sowie des Puraibashî-Rechts bedeutsam. Im Unterschied zur Einordnung bei Erwachsenen wird in der Rechtsprechung in diesen Fällen der 68 So geht etwa NAKAMURA, in: Jurisuto 1064 (1995), S. 105, ausdrücklich davon aus, dass die Gerichte den Fall „Gyakuten“ als Fall einer Ehrverletzung behandeln. 69 SH. KATÔ, in: NBL 566 (1995), S. 60; T. MAEDA, in: Hôgaku kyôkai zasshi 113 (1996) Nr. 2, S. 352; TAKIZAWA, in: Saikô saibansho hanrei kaisetsu minji-ban [Erläuterte OGHEntscheidungen, Zivilrecht], Jahrgang 1994, S. 129; SH. YAMAGUCHI, in: Hôkyô 168 (1994), S. 144 f.; YAMAMOTO, in: Minshô 116 (1997), S. 635 f. 70 DG Ôita, Urteil vom 11.03.1987, in: Hanji 1234, 123 (128). 71 So T. MAEDA, in: Hôgaku kyôkai zasshi 113 (1996) Nr. 2, S. 348. 72 Shônen-hô, Gesetz Nr. 168/1948 i.d.F. vom Gesetz Nr. 61/2011. 73 Siehe Kap. 5, C.III., S. 137 f. 74 Siehe die Belege in Kap. 5, C.III., S. 138, Fn. 80.
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Berichterstattung über Minderjährige dabei stets kumulativ eine Verletzung von Ehre und Puraibashî diskutiert.75 Die soeben erläuterten Abgrenzungen, die bei Erwachsenen grundsätzlich zu einer Einordnung als zur Ehre gehörigem Bereich führen, gelten also nicht. Erklärbar wäre die unterschiedliche Behandlung mit der besonderen Bedeutung des Resozialisierungsinteresses bei Minderjährigen, das den Puraibashî-Aspekt besonders bedeutsam macht. f) Fallgruppe 6: Sonstiger missbilligenswerter Lebenswandel oder Enttäuschung bestimmter Erwartungen oder Ansprüche an die Person Auch wenn jemandem unlautere Praktiken oder unsaubere Verhaltensweisen vorgeworfen werden, ohne dass die Äußerungen konkret auf eine Straftat gerichtet sind, ihm „schlechte“ Eigenschaften wie Gier, Rücksichtslosigkeit, Gewalttätigkeit oder mangelnde Disziplin zugeschrieben werden oder über ein sonstiges Versagen einer Person berichtet wird, kann dies die Ehre des Betreffenden verletzen. Die Ehre betraf daher der Report in einem Wochenmagazin über die Geld- und Erfolgsgier des oben schon erwähnten Box-Managers, der als jemand beschrieben wurde, der vor keinen Mitteln zurückschreckt, um Siege für seine Schützlinge zu erringen – angefangen mit gekauften Siegen bis hin zum Verschicken von vergiftetem Obst an gegnerische Kämpfer – oder um seine Schützlinge zum Weitermachen zu zwingen.76 Ebenso wurde die soziale Achtung einer Frau als betroffen angesehen, die im Bericht eines Wochenmagazins als Geliebte des ermordeten Vorstands einer Firma, die durch Betrugsgeschäfte mit unzähligen Verbrauchern Milliardenschäden verursacht haben soll, identifiziert und von der behauptet wurde, sie sei in die Betrugsgeschäfte verwickelt gewesen.77 Ferner wurde, wie oben schon erwähnt, die Unterstellung von Gewalttätigkeiten gegenüber der Schwiegermutter im Rahmen eines Berichts über die bevorstehende Scheidung des Betroffenen als ehrverletzend eingestuft, wobei die Verbreitung von Informationen über die Ehe und die Scheidung gleichzeitig als Verletzung der Puraibashî angesehen wurde. 78 Grundsätzlich die Ehre berührt es auch, wenn das Opfer einseitiger Gewalttätigkeiten fälschlich so dargestellt wird, als hätte es sich um einen tätlichen Streit gehandelt.79 Unter dem Aspekt der Ehrverletzung behandelt werden auch angebliche sexuelle Übergriffe des Bürgermeisters von Yokohama im Rahmen von Partys und das Drohen gegenüber Abgeordneten zu schweigen, das angebliche Schwänzen von offiziellen Verpflichtungen im Rahmen
75 Siehe die Belege in Kap. 5, C.III., S. 138, Fn. 81, sowie OG Nagoya, Urteil vom 12.05.2004, in: Hanji 1870, 29 (36 ff.). 76 DG Tokyo, Urteil vom 29.01.1985, in: Hanji 1160, 97 (100); DG Tokyo, Urteil vom 24.11.1989, in: Hanji 1270, 99 (101). Zu letzterem Urteil siehe schon oben, Kap. 4 Fn. 16. 77 DG Tokyo, Urteil vom 15.02.1988, in: Hanji 1264, 51 (55) (Fall „Ermordung des Toyota Shôji-Präsidenten Nagano“). 78 DG Tokyo, Urteil vom 22.09.1993, in: Hanta 843, 234 (236, 237), siehe dazu auch oben, Abschnitt c, S. 47. 79 DG Matsuyama, Urteil vom 14.04.2010, in: Hanji 2080, 63 (68). Im konkreten Fall griff nur das Pietätsgefühl der Angehörigen ein, weil das Opfer durch die Gewalttätigkeiten umgekommen war.
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eines Auslandsbesuchs und der Besuch von Clubs währenddessen.80 Berichte über ein rücksichtsloses Verhalten gegenüber der Familie, zum einen in finanzieller Hinsicht durch die Behauptung, der Betreffende habe heimlich Immobilienurkunden an sich genommen oder sich die Erbschaft unter den Nagel gerissen, zum anderen in emotionaler Hinsicht durch den Vorwurf mangelnder Fürsorge gegenüber dem erkrankten Vater, setzen ebenfalls die soziale Achtung herab.81 Eine Ehrverletzung wird etwa auch im Fall eines beliebten Baseballspielers angenommen, der in den USA an seinem Comeback als Sportler arbeitete und dem in einem Wochenmagazinartikel unterstellt wurde, er trainiere nicht ernsthaft, sondern führe einen ausschweifenden Lebenswandel, trinke, rauche, suche häufig Stripp-Bars auf und zeige dementsprechend schon bei leichten Trainingseinheiten Anzeichen mangelnder körperlicher Konstitution. Auf seine soziale Achtung negativ auswirken soll sich dabei sowohl, dass der Artikel den Eindruck erweckt, ihm fehle es an der richtigen Haltung und dem Bewusstsein als Profisportler, als auch die Behauptung mangelnder körperlicher Konstitution.82 Der Aspekt des PuraibashîRechts wird demgegenüber in diesem Fall nicht problematisiert, obwohl das Privatleben des Sportlers auch Gegenstand des Artikels ist. Auch geschäftliche Unfähigkeit wird als achtungsmindernd angesehen. 83 Als Ehrverletzend werden auch Behauptungen über einen Arzt eingestuft, nach denen er einen lukrativen staatlichen Forschungsauftrag nur aufgrund seiner guten Beziehungen zum Gesundheitsministerium erhalten haben soll, obwohl er weder über Kenntnisse noch über Erfahrung verfüge, um der Aufgabe gerecht werden zu können.84 Ferner wurde im schon erwähnten Fall der psychisch labilen Schauspielerin eine Ehrverletzung darin gesehen, dass sie durch den Bericht über ihre Nachbarschaftskonflikte als eine Person dargestellt werde, die nicht in der Lage ist, einen zivilisierten Umgang mit ihren Mitmenschen zu pflegen. Unter anderem war berichtet worden, dass sie sich aus Ärger über das Gebell von Hunden in der Nachbarschaft heftig mit diesen „streite“ und auch die Nachbarn aus nichtigem Anlass zusammenbrülle.85
g) Fallgruppe 7: Verbreitung neutraler Tatsachen Bei der Verbreitung neutraler Informationen ist naturgemäß nicht das Rechtsgut der Ehre einschlägig, sondern es muss in diesen Fällen auf das Puraibashî-Recht zurückgegriffen werden. Darauf wurde schon hingewiesen im Hinblick auf Berichte über „neutrale“ Tatsachen im Zusammenhang mit dem Beziehungsleben, wobei sich zu diesem Bereich keine Präzedenzfälle finden ließen,86 sowie hinsichtlich neutraler Daten, die im Rahmen einer Straftäterberichterstattung über den Betreffenden verbreitet werden.87 Solche neutralen Tatsachen können zum Beispiel persönliche Daten wie der Name oder die 80
DG Tokyo, Urteil vom 29.10.2010, in: Hanta 1359 (2012), 188 (196). DG Tokyo, Urteil vom 04.02.2009, in: Hanji 2033, 3 (7 ff.). 82 DG Tokyo, Urteil vom 27.03.2001, in: Hanta 1055, 29 (33 f.). 83 OG Tokyo, Urteil vom 28.12.2000, in: Hanji 1750, 103 sowie ausdrücklich das erstinstanzliche Urteil des DG Tokyo vom 24.08.2000, in: Hanji 1750, 107 (109 f.). 84 DG Tokyo, Urteil vom 18.01.2010, in: Hanji 2087, 93 (98 ff.). 85 DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (27). 86 Siehe oben, Abschnitt a, S. 44 f. 87 Siehe oben, Abschnitt e, S. 49. 81
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Adresse sein, 88 Angaben zum Lebenslauf und zu den familiären Verhältnissen, 89 oder aber Berichte über persönliche Neigungen oder Angewohnheiten wie etwa die Frage, welche Art von Büchern jemand liest.90 Neben wertfreien Daten gibt es aber auch Tatsachen, die als neutrale Information eingestuft werden, obwohl sie das Ansehen des Betroffenen in den Augen der Gesellschaft faktisch negativ verändern. Beispiel einer solchen vom Gericht neutral bewerteten Eigenschaft ist die Abstammung aus einem sogenannten „Gleichstellungsgebiet“ (Dôwa chiku). Die Dôwa chiku sind Gebiete, in denen traditionell bestimmte gesellschaftlich geächtete Berufsgruppen wohnten und deren Bewohner trotz offizieller Abschaffung der Diskriminierung faktisch auch heutzutage immer noch mit Nachteilen zu kämpfen haben, etwa bei der Vergabe von Stellen oder der Suche nach Heiratspartnern. Die Abstammung aus einem solchen Gebiet wird von der Rechtsprechung dennoch nicht als Ehrverletzung betrachtet.91 Das Gleiche gilt für die Tätigkeit als Fahrer für die Müllabfuhr. Die Aufdeckung einer solchen Tätigkeit stellt keine Ehrverletzung,92 sondern nur eine Verletzung des PuraibashîRechts dar.93
Hintergrund der neutralen Einordnung könnte sein, dass die Einordnung einer bestimmten Tatsache als „entehrend“ durch ein Gericht auch die Anerkennung bedeuten würde, dass es sich bei der betreffenden Tatsache, also der Abstammung aus einem bestimmten Gebiet oder der Ausübung einer weniger angesehenen Tätigkeit, um etwas Negatives, gesellschaftlich gering Bewertetes handelt. So könnte der Betreffende zwar die Rechtsfolgen aus einer Ehrverletzung geltend machen, wenn gerichtlich anerkannt wird, dass er durch die Aufdeckung dieser Tatsache in seiner sozialen Achtung beeinträchtigt ist, müsste aber gleichzeitig hinnehmen, dass dies die Annahme zur Voraussetzung hat, dass es sich hierbei um eine „negative“ Eigenschaft handelt. Bei bestimmten Eigenschaften einer Person scheint man diese diskriminierende Wirkung vermeiden zu wollen. So lässt sich die Ablehnung einer Ehrverletzung hinsichtlich der Abstammung aus einem „Gleichstellungsgebiet“ damit erklären, dass diese offiziell ja eigentlich gar nicht mehr existieren sollten. Und bezüglich der Tätigkeit bei der Müllabfuhr stellt das Gericht ausdrücklich klar, dass dies ein Beruf ist, „für den man sich in keiner Weise schämen muss“.94 Als damit verwandte Frage von Interesse wäre, wie beispielsweise die Aufdeckung der homosexuellen Veranlagung einer Person zu beurteilen wäre, da es bedenklich erscheint, eine
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DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (101 f.); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (77). 89 DG Tokyo, Urteil vom 06.09.1991, in: Hanta 788, 242 (245). 90 OG Tokyo, Urteil vom 08.02.1994, in: Hanji 1493, 84 (91). 91 DG Kôchi, Urteil vom 30.03.1992, in: Hanta 788, 213 (228). 92 DG Tokyo, Urteil vom 14.04.2009, in: Hanji 2047, 136 (142 f.). 93 DG Tokyo, Urteil vom 14.04.2009, in: Hanji 2047, 136 (141 f.). 94 DG Tokyo, Urteil vom 14.04.2009, in: Hanji 2047, 136 (142 f.).
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solche Tatsache als „entehrend“ einzustufen, andererseits aber daraus faktisch auf jeden Fall soziale Nachteile zu befürchten sein dürften – einschlägige Präzedenzfälle fehlen.95
h) Fallgruppe 8: Bildberichterstattung – Abgrenzung zum Bildnisrecht Eine Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Achtung kann auch aus der Verbreitung von Bildnissen resultieren. Bei einer Bildberichterstattung bleibt jedoch der Aspekt der Ehre zum Teil unberücksichtigt, weil als spezielles Schutzgut das Bildnisrecht eingreift, und zwar nicht nur bei Fotografien von Alltagstätigkeiten, die die Ehre in keiner Weise beeinträchtigen, sondern auch bei solchen Bildern, deren Verbreitung geeignet ist, das Ansehen des Abgebildeten zu mindern. Nur das Bildnisrecht wird thematisiert etwa bei der Veröffentlichung eines ungeschwärzten Ganzkörper-Nacktfotos des Verdächtigen im Los [Angeles]-Verdachts-Fall, das bei einer Swingerparty aufgenommen worden war.96 Auch die Entscheidungen zur Veröffentlichung von während der Gerichtsverhandlung heimlich aufgenommenen Fotos der Angeklagten im Fall Curryreis-Gift-Morde sprechen nur eine Verletzung des Bildnisrechts an.97
Zum Teil finden dabei aber Vermengungen mit dem Ehrenschutz statt. So wird etwa im Curryreis-Gift-Mord-Fall der Zweck des Fotografieverbots vom Gericht in der „Notwendigkeit der Rücksicht auf die Rechte der Beteiligten, insbesondere der Angeklagten oder der Zeugen, auf Wahrung ihrer Ehre und den Schutz ihres Bildnisses“ gesehen.98 Der Ehraspekt wird damit also indirekt über das Bildnisrecht geschützt. Vermengungen der beiden Rechtsgüter zeigen sich auch im sogenannten „Personenverwechslungs-Fall“: Hier hatten Reporter eine Frau fotografieren wollen, die an einer Massenhochzeit einer religiösen Gruppierung teilgenommen und sich mittlerweile wieder scheiden lassen hatte. Dabei hatten die Reporter versehentlich eine völlig unbeteiligte Frau verfolgt und den Bericht mit dem Foto dieser falschen Frau bebildert. Die Betroffene machte eine Verletzung ihres Bildnisrechts sowie ihrer Ehre durch die Abbildung geltend.99 Das Gericht prüft zwar formal nur eine Verletzung des Bildnisrechts; bei den Überlegungen zur Höhe des Schadens ist aber wörtlich davon die Rede, dass „wie oben gezeigt ihre Ehre verletzt“ sei.100
In zahlreichen Fällen wird jedoch zudem auch bei der Bildberichterstattung parallel zu einer Verletzung des Bildnisrechts zusätzlich eine Verletzung der Ehre oder überhaupt nur eine Ehrverletzung durch die Veröffentlichung des Bildes angenommen. 95
IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 215, meint, dass homosexuelle Beziehungen ebenso wie heterosexuelle Beziehungen als Privatsphäre geschützt werden sollten. 96 DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1990, in: Hanta 741, 189 (194). 97 DG Ôsaka, Urteil vom 19.02.2002, in: Hanta 1109, 170; OGH, Urteil vom 10.11.2005, in: Minshû Bd. 59 Nr. 9, 2428. Zum OG Ôsaka, Urteil vom 21.11.2002, siehe die Erläuterungen bei Minshû Bd. 59 Nr. 9, S. 2432 f. 98 DG Ôsaka, Urteil vom 19.02.2002, in: Hanta 1109, 170 (180). 99 DG Tokyo, Urteil vom 15.06.1987, in: Hanji 1243, 54 (55 f.). 100 DG Tokyo, Urteil vom 15.06.1987, in: Hanji 1243, 54 (60, 62).
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Die Veröffentlichung von Badeanzug-Fotos einer Fernseh-Moderatorin aus ihrer Zeit als „Badeanzug-Idol“ verletzt, wie auch die Veröffentlichung von Bett-Szenen, bei denen sich ein Professor mit philippinischen Prostituierten vergnügt, sowohl das Bildnisrecht als auch die Ehre der Betroffenen.101 Bei der Fotografie einer Gesellschaft, die so manipuliert wurde, dass bis auf einen buddhistischen Priester alle männlichen Teilnehmer entfernt wurden und der Eindruck entstand, der Priester vergnüge sich alleine mit Geishas, wurde eine Ehrverletzung angenommen.102 Im Fall Tokyo Onsen, der im Kapitel zum Bildnisrecht näher behandelt wird, da es um Bildaufnahmen ging und der Fall in der Literatur auch als Fall einer Bildnisrechtsverletzung verstanden wird,103 wurde von den Klägern eine Ehrverletzung geltend gemacht, und die Einordnung des Gerichts, das nur von Persönlichkeitsverletzung spricht, bleibt unklar.104
Da für das Verhältnis der Rechtsgüter Ehre und Bildnisschutz die spezielle Frage der Bedeutung des Bildnisrechts eine Rolle spielt, wird dieses erst später, im Zusammenhang mit der Besprechung des Bildnisrechts, näher diskutiert.105 2. Zusammenfassende Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Ehre und Puraibashî in Japan a) Grundsätzlicher Vorrang der Ehre Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass in Japan grundsätzlich ein nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechendes Verhalten oder die Tatsache, dass jemand den gesellschaftlichen Erwartungen deshalb nicht mehr entspricht, weil er bestimmte, allgemeine oder mit seiner gesellschaftlichen Stellung verknüpfte Leistungen nicht erbringen kann oder will, die Ehre der betreffenden Person berührt. Daher fallen klassischerweise ein moralisch „fragwürdiges“ Beziehungsleben,106 Straftaten,107 sonstige negative Verhaltensweisen108 oder sogar Krankheiten, die die Erbringung der von einer Person seitens der Gesellschaft erwarteten Leistungen unmöglich machen,109 in den Schutzbereich der Ehre.
101 DG Tokyo, Urteil vom 05.09.2001, in: Hanji 1773, 104 (108, 111), zu diesem Fall schon oben, Abschnitt 1.a, S. 44; DG Tokyo, Urteil vom 27.02.1987, in: Hanta 634, 164 (169 f., 173). 102 DG Tokyo, Urteil vom 06.12.1999, unveröffentlicht, nach MURAKAMI, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 78. 103 TAKEDA, Meiyo/puraibashî shingai [Ehre und Privatsphäre] (1982), S. 108; S. YAMAGUCHI, in: Hanhyô 373 (1990), S. 28 = Hanji 1333, S. 190. 104 DG Tokyo, Urteil vom 08.0.8.1956, in: Ka-minshû Bd. 7 Nr. 8, 2125 (2126, 2130 ff.). 105 Unten, Kap. 4, E.VII., S. 106 ff. 106 Siehe oben, Abschnitt 1.a, S. 42 ff. 107 Siehe oben, Abschnitt 1.e, S. 49 ff. 108 Siehe oben, Abschnitt 1.f, S. 53 f. 109 Siehe oben, Abschnitt 1.d, S. 48 f.
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Der Schutz der Ehre greift dabei in der Regel vorrangig vor dem Recht auf Puraibashî ein, d.h. Letzteres kommt grundsätzlich nicht zum Zuge, sofern die Ehre im eben erwähnten weit verstandenen Sinne betroffen ist. Zum Einsatz kommt das Puraibashî-Recht aber subsidiär dort, wo eine Beeinträchtigung der Ehre nicht in Betracht kommt, um die Schutzlücken des Ehrenschutzes zu schließen. 110 Die so verbleibenden Anwendungsbereiche des Puraibashî-Rechts erstrecken sich etwa auf Fälle der Veröffentlichung von „neutralen“ persönlichen Daten oder von Verhaltensweisen, die sich innerhalb der Norm- und Wertevorstellungen bewegen.111 b) Ausnahmen von der Vorrangigkeit des Ehrenschutzes Diese grundsätzliche Kategorisierung gilt aber nicht konsequent. In manchen Bereichen wird nämlich eine faktisch vorhandene negative Auswirkung auf die soziale Achtung ausgeblendet und Schutz unter dem Aspekt der Puraibashî gewährt. Dazu gehören das Intimleben,112 das Ehe- und Familienleben113 und Vorstrafen114 oder z.B. die Abstammung aus einem Gleichstellungsgebiet oder andere faktisch nachteilige Tatsachen.115 Zum Teil lassen sich für eine solche Sonderbehandlung durchaus Erklärungen finden, die offenbar in der Auffassung liegen, dass es sich hier um Dinge handelt, über die der Gesellschaft keine Beurteilung zusteht oder zustehen sollte. So lässt sich das Ehe- und Familienleben als ein Bereich verstehen, in den sich die Allgemeinheit nicht einzumischen hat, und gehört daher zur Puraibashî, im Gegensatz zu sonstigen Beziehungen, die nicht in dem Maße geschützt sind und über das Recht auf Ehre gelöst werden. Ein Eindringen in das Intimleben wiederum ist ein Tabu und wird aus diesem Grunde ebenfalls zur Puraibashî gezählt. Durch Vorstrafen wird die soziale Achtung faktisch zwar ebenso gefährdet wie bei einer aktuellen Verdachtsberichterstattung. 116 Der Unterschied zu einer aktuellen Berichterstattung besteht jedoch darin, dass zum einen mit der Tilgung der Vorstrafe dem Betreffenden die Tat eigentlich nicht mehr zum Vorwurf gemacht werden darf und der Gesellschaft somit kein Negativurteil über den Betreffenden mehr zusteht. Zum anderen rückt das Resozialisie110 MURAKAMI, in: Jinkaku-ken shingai [Persönlichkeitsverletzungen] (2006), S. 140 f. Für eine strenge Subsidiarität in der Form, dass nie Ehre und Privatsphäre gleichzeitig verletzt sein können, DERS., in: Shinbun kenkyû 650 (2005), S. 54. 111 Siehe oben, Abschnitt 1.g, S. 54 ff. 112 Siehe oben, Abschnitt 1.b, S. 46. 113 Siehe oben, Abschnitt 1.c, S. 46 f. 114 Siehe oben, Abschnitt 1.e, S. 51 f. 115 Siehe oben, Abschnitt 1.g, S. 55. 116 So auch der Hinweis von YAMAMOTO, in: Minshô 116 (1997), S. 642, Fn. 14.
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rungsinteresse, das ein In-Ruhe-Gelassen-Werden erfordert, mit wachsendem zeitlichen Abstand von der Tat in den Vordergrund. Wie später noch angesprochen wird, spielt für die bedeutende Rolle der Ehre außerdem auch der psychologische Effekt eine Rolle, dass mit der Geltendmachung einer Ehrverletzung auch die Wahrheitsmäßigkeit der Behauptung angegriffen werden kann, während beim Rechtsgut Puraibashî die Wahrheitsmäßigkeit überhaupt keine Rolle spielt. Betroffene, die die Wahrheitsmäßigkeit einer Veröffentlichung angreifen wollen, werden sich also im Zweifel auf eine Ehrverletzung und nicht auf eine bloße Privatsphärenverletzung berufen.117 Dieser Effekt ist jedoch bei Vorstrafen irrelevant, da diese unbestreitbar feststehen. Im Falle einer fälschlichen Unterstellung einer Vorstrafe jedoch wäre es demgegenüber wieder gut denkbar, dass der Fall als Ehrverletzung behandelt wird. Krankheiten wiederum sind ein Grenzfall, weil sie einerseits faktisch das Ansehen und die Wertschätzung einer Person in der Gesellschaft beeinträchtigen können, andererseits eine Einstufung als Ehrverletzung den Kranken, der für die Krankheit meist nichts kann, diskriminiert, so dass uneinheitlich teilweise eine Ehrverletzung bejaht, teilweise eine Betroffenheit des Rechtsguts Ehre abgelehnt wird.118 c) Vermischungen Es hat sich aber auch gezeigt, dass nicht unbedingt immer streng zwischen dem Anwendungsbereich der Ehre und dem des Puraibashî-Rechts abgegrenzt wird, sondern dass vergleichbare Fälle unterschiedlich eingeordnet werden können,119 beide Rechte teils kumulativ angewandt werden,120 oder im Rahmen der Argumentation Vermengungen von Ehrenschutz- und Puraibashî-Schutz-Gedanken stattfinden.121 d) Wandlungen im Zuge der zeitlichen Entwicklung Insgesamt lässt sich ferner beobachten, dass der Aspekt des Ehrenschutzes das Puraibashî-Recht immer noch weitgehend dominiert, sich in neuerer Zeit aber eine spürbare Tendenz zu einem zunehmenden Einsatz des Aspekts des Puraibashî-Schutzes abzeichnet. Schon die Tatsache, dass das Eheleben und Vorstrafen zu den typischen Fallgruppen der Puraibashî zählen, mag damit zusammenhängen, dass die bekannten Fälle aus diesem Bereich diejenigen 117
Siehe unten, Abschnitt 3.c, S. 61 f. Siehe oben, Abschnitt 1.d, S. 48 f. 119 So insbesondere bezüglich des Ehe- und Familienlebens siehe oben, Abschnitt 1.c, S. 47, bezüglich Krankheiten d, S. 48 f., oder Vorstrafen e, S. 51 f. 120 Siehe beispielsweise oben Abschnitt 1.a, S. 45 f., zu Beziehungen und 1.d, S. 49, zu Krankheiten. 121 Siehe beispielsweise oben, Abschnitt 1.a, S. 45 f., zu Beziehungen, 1.d, S. 49, zu Krankheiten. 118
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Fälle sind, anhand derer sich das Puraibashî-ken herausgebildet hat, also aus der neueren Zeit stammen, in der sich dieser Aspekt zunehmend entwickelte.122 In neuerer Zeit häufen sich zudem auch in Bereichen, die klassischerweise dem Ehrenschutz unterstellt waren, Fälle der Einordnung als Eindringen in die Puraibashî, so im Bereich des Beziehungslebens123 oder der Straftäterberichterstattung.124 Möglicherweise deutet sich hier ein Wandel weg vom moralgeprägten Ehrbegriff und hin zur Idee des Schutzes einer individuellen Privatsphäre an. 3. Einfluss des immanenten Kulturverständnisses auf die Ausgestaltung des Ehrenschutzes in Japan a) Mögliches Fazit 1: Die heutige Rechtslage als Konsequenz konservativer Moralvorstellungen und Ausdruck dessen, dass der sozialen Stellung und Gesichtswahrung nach außen eine größere Bedeutung zugemessen wird als einer individuellen Freiheitssphäre Die beschriebene, zumindest traditionell große Bedeutung des Rechts auf Ehre in Japan ergibt sich zum einen daraus, dass in vielen Bereichen Abweichungen von traditionell verankerten sozialen Normen, zumindest wenn man die entsprechenden Ausführungen der Rechtsprechung sowie der Literatur wörtlich nimmt, als schädlich für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Achtung angesehen werden. Weiter ist sie dadurch bedingt, dass dieser Wahrung des Gesichts in weiten Bereichen, zumindest wörtlich genommen, der Vorrang gegenüber dem Gedanken des Schutzes einer privaten Sphäre eingeräumt wird. Dies legt den Schluss nahe, dass beide Aspekte auf ein Kulturverständnis zurückgehen könnten, das sich erstens auf recht konservative Moralvorstellungen gründet und wenig Toleranz gegenüber Personen zeigt, die von traditionellen gesellschaftlichen Normen abweichen, und zweitens auf ein Wertesystem, nach dem die Wahrung des Gesichts und der äußeren Würde in der Öffentlichkeit als wichtiger erachtet werden als die Idee einer privaten Sphäre, die dem Einzelnen eine freie Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung ermöglicht. b) Mögliches Fazit 2: Die heutige Rechtslage als Produkt historischer Zufälligkeiten ohne tiefere Bedeutung Andererseits ist ein solcher Schluss nicht zwingend, da der Vorrang der Ehre auf historischen Zufälligkeiten beruhen kann. Die Vorrangstellung könnte nämlich darauf gründen, dass das Recht auf Ehre von Anfang an im Gesetz 122
Siehe unten, Kap. 4, D.II., S. 83 ff. Siehe oben, Abschnitt 1.a, S. 45, sowie bezüglich intimer Details b, S. 46. 124 Siehe oben, Abschnitt 1.e, S. 51. 123
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kodifiziert war und sich Umfang und Voraussetzungen frühzeitig in der Rechtsprechung gefestigt hatten. In der Folge wird das Recht auf Ehre möglicherweise auch heute noch vorrangig angewandt, weil es im Vergleich zum Puraibashî-ken125 besser einschätzbar und berechenbarer ist. Die Annahme einer Beschädigung der sozialen Achtung bei bestimmten Tatsachen könnte demnach nur eine notwendige Konstruktion sein, um einen Schutz der jeweiligen Betroffenen zu ermöglichen, ohne dass inhaltliche Überzeugungen dahinter stehen und die soziale Achtung tatsächlich jeweils ernsthaft als herabgesetzt betrachtet würde.126 c) Einordnung Dafür, dass Zurückhaltung vor voreiligen Rückschlüssen auf eine gesellschaftliche und kulturelle Grundlegung geboten ist, spricht, dass, wie sich etwa an den Vermischungen von Puraibashî und Ehre in den Argumentationen der Rechtsprechung und bei den Einordnungen in der Literatur zeigt, erstens zwischen Ehre und Puraibashî nicht streng unterschieden wird und zweitens die Ehre nicht nur um ihrer selbst willen geschützt ist, sondern Puraibashî-Schutz-Aspekte hineinspielen und der Ehrenschutz somit als Instrument dient, gleichzeitig auch eine Privatsphäre im Sinne eines Bereichs individueller Freiheit ohne Einmischung anderer zu gewährleisten. Der Gedanke einer individuellen Freiheitssphäre ist in Japan also durchaus auch von Bedeutung. Dass der Gedanke einer geschützten Privatsphäre als individueller Freiheitssphäre auch in Japan eine bedeutende Rolle spielt, sieht man ferner daran, dass manche Bereiche aus dem Ehrenschutz ausgenommen sind und dem Schutz der Privatsphäre unterstellt werden, ohne dass die Abgrenzung zwingend nachvollziehbar ist. Ferner greift in Fällen, in denen die Ehre gar nicht betroffen ist und der Ehrenschutz daher als Schutzinstrument ausfällt, zumindest theoretisch subsidiär die Puraibashî ein. Das bedeutet also, dass es jedenfalls im Ergebnis nicht zu Schutzlücken kommt, da das Instrument des Puraibashî-Schutzes quasi parat steht, um im Bedarfsfall einzuspringen und zu verhindern, dass der Puraibashî-Schutz im Ergebnis zu kurz kommt. Spielt der Gedanke des Puraibashî-Schutzes also eine durchaus wichtige Rolle, dürfte die Anwendung des Ehrenschutzes oft einfach dadurch zu begründen sein, dass dieser klarer ausgeformt ist und daher eine sicherere und besser vorhersehbare Grundlage bildet als das Puraibashî-Recht. Wenn ein von einer Berichterstattung Betroffener sich auf eine Verletzung der Ehre anstatt auf eine Puraibashî-Verletzung beruft, kann dahinter auch 125
Zu den Unsicherheiten und Unklarheiten des Puraibashî-Rechts siehe Kap. 4, D. Diesen Gedanken äußert auch SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 174, Fn. 188. 126
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folgender psychologischer Effekt stehen, der mit dem unten näher erläuterten Grundsatz der Wahrheitsmäßigkeit beim Ehrenschutz im Zusammenhang steht: Wenn ein Gericht feststellt, dass eine bestimmte Behauptung oder Äußerung eine unerlaubte Handlung wegen Verletzung der Ehre darstellt, folgt daraus nicht zwingend, dass das Gericht von der Unwahrheit der abgewehrten Äußerung ausgeht. Denn wie noch ausführlich besprochen wird, kann im japanischen Recht auch eine wahrheitsgemäße Behauptung eine Ehrverletzung darstellen. Die Unwahrheit einer Äußerung kann aber ein Faktor sein, der den ehrverletzenden Charakter einer Äußerung begründet; d.h. die Wahrheitsmäßigkeit spielt bei der Prüfung des Vorliegens einer Ehrverletzung jedenfalls immerhin eine Rolle.127 Bei einer Puraibashî-Verletzung ist es demgegenüber völlig unerheblich, ob die behaupteten Tatsachen wahr oder falsch sind.128 Die Unwahrheit einer über ihn aufgestellten Behauptung kann der Betroffene also überhaupt nur geltend machen, wenn er sich darauf beruft, in seiner Ehre verletzt worden zu sein. Der Verzicht auf die Geltendmachung einer Ehrverletzung unter bloßer Berufung auf die Privatsphäre kann demgegenüber fast wie eine Art „Geständnis“ hinsichtlich der Richtigkeit des verbreiteten Inhalts der Äußerung wirken. Andererseits lassen sich – bei aller gebotenen Vorsicht vor einer voreiligen Hineindeutung kulturell bedingter besonderer Vorstellungen in die aktuelle, historisch gewachsene Rechtslage, doch auch Auswirkungen von gesellschaftlichen Grundüberzeugungen oder zumindest unterschwellig vorhandenen grundlegenden Wertvorstellungen vermuten. So erhebt die japanische Praxis immerhin den Anspruch, dass es so etwas wie objektiv existierende allgemeine Moralkriterien gibt, und bleibt bei der Anwendung dieser in einer modernen Gesellschaft zum Teil problematischen und die Gefahr von Diskriminierungen implizierenden Moralkriterien, obwohl das Recht auf Puraibashî schon längst Potential zu einer Weiterentwicklung geboten hätte – was schwer vorstellbar wäre, wenn hierbei nicht zumindest indirekt gesellschaftliche Grundüberzeugungen eine Rolle spielen würden. Wie bereits gesagt, findet allerdings möglicherweise heute eine zunehmende Entwicklung hin zu einer größeren Schwerpunktsetzung auf dem Puraibashî-Recht statt. Möglicherweise lässt sich ein solcher Wandel in einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft, in der sich ja auch die Moralvorstellungen selbst wandeln und bestimmte, früher als Problem der Ehre abgehandelte Verhaltensweisen daher nicht mehr als in moralischer Hinsicht problematisch eingestuft werden können, auch gar nicht vermeiden.
127 128
Siehe unten, Kap. 4, B.VI., S. 75 f. Siehe unten, Kap. 4, D.IV.4., S. 90 f.
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4. Lage in Deutschland im Vergleich zu Japan Nach der Analyse der Abgrenzungen in Japan in den vorangegangenen Abschnitten (1.–3.) soll nun im Vergleich dazu die Behandlung der entsprechenden Fallgruppen in Deutschland betrachtet werden. a) Grundsätzliche Abgrenzung Auch in Deutschland kann die Verbreitung einer negativen Information über eine Person eine Verletzung der Ehre des Betroffenen darstellen.129 Dementsprechend werden solche Äußerungen teilweise auch als ehrverletzend angesehen. So etwa durch die Behauptung einer unwahren Aussage vor dem Untersuchungsausschuss,130 die Behauptung des illegalen Handels mit geschützten Tierarten131 oder die Verbreitung der Behauptung über einen Rechtsanwalt, durch dessen falsche Beratung sei ein schwerer finanzieller Schaden verursacht worden.132 Informationen über Vorstrafen unter Abbildung des Betroffenen in Handschellen stellen einen Angriff auf „Person und Ehre“ dar;133 auch die Unterstellung von Straftaten kann die Ehre des Betreffenden angreifen;134 ebenso die Unterstellung einer Affäre eines Geistlichen mit einer verheirateten Frau;135 eine Anspielung auf vermeintlichen Alkoholkonsum.136
In Deutschland kann der Ehrschutz aber schon einmal nur dann eingreifen, wenn die verbreitete Behauptung unwahr ist.137 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht unter dem Aspekt der persönlichen Ehre spielt aber auch ansonsten in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Insbesondere auch Fallgruppen, die zum japanischen Recht als typische Fälle einer Ehrverletzung herausgearbeitet wurden, werden in Deutschland in der Regel unter dem Aspekt der Wahrung der Privatsphäre bzw. der Selbstbestimmung darüber, welche Informationen der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelöst und nicht als Problem des Ehrenschutzes eingestuft. Nach der Standarddefinition der Rechtsprechung zur Privatsphäre umfasst diese in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, „die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als ‚privatʻ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als peinlich empfunden wird oder als unschicklich gilt oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa 129
Siehe oben, Kap. 2, A.III.2., S. 14. BGH, in: NJW 1979, 266 (267). 131 BGH, in: NJW 1993, 930 (931). 132 BGH, in: NJW 1997, 2513. 133 OLG Frankfurt, in: AfP 1993, 753. 134 OLG Brandenburg, in: AfP 1995, 520 (521). 135 BGH, in: AfP 1988, 34 f. 136 LG Berlin, in: ZUM-RD 2005, 517 (520). 137 Siehe oben, Kap. 2, A.III.2., S. 14. 130
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bei Auseinandersetzungen mit sich selbst, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist“.138 Damit fallen also Krankheiten sowie der Bereich des Ehe- und Familienlebens unter den Schutz der Privatbzw. Intimsphäre, im Gegensatz zu Japan aber insbesondere auch das sonstige Beziehungsleben, wie sich auch an zahlreichen konkreten Beispielen aus der Rechtsprechung zeigt. Als Krankheiten, die aus diesem Blickwinkel betrachtet werden, lassen sich etwa eine HIVInfektion,139 eine angebliche Erkrankung an Brustkrebs140 oder Nervenzusammenbrüche141 nennen. Im Bereich des Ehe- und Familienlebens fallen nicht nur Hochzeitsfeierlichkeiten,142 Ehestreitigkeiten eines Bundeskanzlers143 oder Scheidungsabsichten144 in den Schutzbereich der Aspekte Privatsphärenwahrung und Selbstbestimmung, sondern auch der Bericht über eine familiäre Auseinandersetzung zwischen den Eltern und der minderjährigen Tochter, die mit einem den Eltern nicht genehmen Mann „durchgebrannt“ ist,145 oder die Dokumentation einer Ehe, die mit dem Mordversuch des Mannes an seiner Frau endete, mit Details zur Vorgeschichte der Eheschließung, ein angebliches Fremdgehen der Frau und die Eifersucht des Ehemannes.146 Im Bereich des Beziehungslebens außerhalb der Ehe betreffen konkret etwa folgende Gegenstände der Berichterstattung die Privatsphäre bzw. den Aspekt der Selbstbestimmung: uneheliche Beziehungen einschließlich daraus hervorgegangener Kinder,147 dabei in einem Fall auch, dass jemand fünf Kinder mit vier verschiedenen Frauen gezeugt haben soll,148 sonstige kurzzeitige Beziehungen oder Affären,149 das Hereinfallen auf eine Beziehungsschwindlerin,150 ferner häufig wechselnde Partner oder das Unterhalten von mehreren Beziehungen gleichzeitig;151 ebenso ehebrecherische Beziehungen152 und spiegelbildlich dazu die Beziehung zu einer verheirateten Person, 153 oder die Heirat eines 71jährigen mit einer 17jährigen.154 Auch eine Tätigkeit als Pornodarsteller betrifft grundsätzlich den Schutzbe138
LG Berlin, in: ZUM 2005, 330 (331); LG Berlin, in: AfP 2006, 388 (389); LG Berlin, in: ZUM 2007, 866 (868); KG Berlin, in: ZUM-RD 2007, 53 (56). 139 KG Berlin, in: ZUM-RD 2009, 600. 140 BGH, in: NJW 1996, 984 (985). 141 LG Berlin, in: ZUM-RD 2006, 353 (354). 142 LG Hamburg, in: ZUM 2008, 798 (801). 143 LG Berlin, in: AfP 2003, 174 (175). 144 OLG Hamburg, in: ZUM-RD 2000, 142 f. 145 Siehe etwa auch BGH, in: GRUR 1965, 256 (258). 146 OLG Hamburg, in: NJW 1975, 649 (650). 147 OLG Hamburg, in: NJW-RR 1991, 98; OLG Karlsruhe, in: NJW 2006, 617 (618) sowie LG Freiburg, in: ZUM-RD 2005, 458 (462). 148 LG Berlin, in: ZUM 2005, 330. 149 LG Hamburg, Urteil vom 23.04.2004, Az. 324 O 693/03, Rdnr. 38 (in Juris). 150 OLG München, in: AfP 2001, 135 (136), wo das Gericht mit keinem Wort auf den Vortrag des Klägers, ebda., S. 135, eingeht, dass auch sein Ruf beschädigt werde. 151 BGH, in: NJW 1964, 1471 (1472); LG Berlin, in: ZUM 2005, 330. 152 BGH, in: NJW 1999, 2893 (2894), bestätigt von BVerfG, in: NJW 2000, 2189; ferner OLG Hamburg, in: AfP 2008, 411. 153 OLG Köln, in: NJW-RR 2000, 470. 154 Vgl. LG Bielefeld, in: MDR 1975, 54 (55).
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reich der Intim- bzw. Privatsphäre.155 Schließlich werden auch „normale“ Beziehungen als Teil der Privatsphäre vor der Öffentlichkeit geschützt,156 insbesondere intime Tatsachen, so wenn es um den Austausch von Zärtlichkeiten mit dem Lebensgefährten,157 ein intimes Telefongespräch158 oder sonstige Intimitäten159 geht. In einem Fall, in dem einer Frau, die kurz vor der Hochzeit stand, angedichtet wurde, sich mit einem Dritten geküsst und bei diesem übernachtet zu haben, wurde die Berichterstattung zwar aus dem Grund für unzulässig erachtet, dass sie Unwahrheiten enthielt, eine Überlegung, die beim Aspekt der Privatsphäre an und für sich nicht relevant ist. Eine schwere Persönlichkeitsverletzung wurde aber wörtlich deshalb abgelehnt, weil sich die Betroffene durch ihr eigenes Verhalten „des Schutzes [...] ihrer Privatsphäre“ begeben habe.160 Ähnlich wird in einem Fall, in dem es unter anderem um drei Kinder von drei verschiedenen Frauen, angeblich teilweise überlappende Beziehungen und die Bezeichnung des Betroffenen als „Casanova“ ging, neben einer Verletzung der Privatsphäre insbesondere auch geprüft, ob der Ruf durch unwahre Behauptungen geschädigt wird.161 Allerdings beschäftigt sich das Urteil damit ausschließlich im Zusammenhang mit der Frage, ob es sich um einen schweren, eine Geldentschädigung rechtfertigenden Eingriff handelt, bei der die Auswirkung auf den Ruf, wie weiter unten noch einmal besprochen wird, wiederum relevant wird. Die Unterstellung von Straftaten oder die Verbreitung von Informationen über Vorstrafen wird, wie oben angeführt, vereinzelt sogar als Problem der Ehrverletzung gesehen,162 vor allem in neuerer Zeit aber als Problem der Privatsphäre oder des Selbstbestimmungsrechts und nicht als Problem der Ehre betrachtet.163 Auch finanzielle Schwierigkeiten – das Bevorstehen einer Offenbarungsversicherung – werden der Privatsphäre zugeordnet.164
b) Geringe Bedeutung des Ehraspekts und geringe Moralanforderungen? Die ganz überwiegende Zahl dieser Fälle, die nur unter den wertneutralen Aspekten der Privat- bzw. Intimsphäre und der Selbstbestimmung und nicht unter dem Aspekt des Ehrenschutzes betrachtet werden, legt nahe, dass der Ehraspekt auch deshalb von vornherein gar nicht als einschlägig gesehen wird, weil das Verhalten dem Betreffenden moralisch nicht zum Vorwurf gemacht wird. Insbesondere hinsichtlich der Gestaltung des Beziehungslebens könnte dies Ausdruck weniger strenger bzw. toleranterer Moralvorstellungen als in 155
BGH, in: NJW 2012, 767. BGH, in: NJW 2012, 763 (765). 157 LG Hamburg, Urteil vom 10.07.2009, Az. 324 O 840/07, Rdnr. 19 (in Juris). 158 BGH, in: NJW 1988, 1984 (1985). 159 LG München, in: ZUM 2008, 537 (538). 160 LG Berlin, in: AfP 2006, 388 (389). 161 LG Hamburg, in: ZUM-RD 2005, 283 (285). 162 Siehe oben, Kap. 4 Fn. 133, 134. 163 So bezüglich einer Straftäterberichterstattung LG Berlin, in: ZUM-RD 2004, 99 (100 f.); OLG Düsseldorf, in: NJW 2005, 1791 (1799); bezüglich Vorstrafen vgl. BVerfG, in: NJW 1973, 1226 (1227) („Lebach“); OLG Köln, in: NJW-RR 1993, 31 (32) sowie der Nichtannahmebeschluss des BVerfG, in: NJW 1993, 1463 (1464); OLG München, in: ZUM-RD 2005, 514. 164 OLG Bremen, in: MDR 1992, 1033. 156
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Japan sein, wo bei nicht moralkonformer Lebensweise eine Ehrverletzung angenommen wird. Die Betrachtung unter den eigentlich wertneutralen Aspekten der Privatund Intimsphäre bzw. Selbstbestimmung in Deutschland bedeutet jedoch nicht, dass der Hintergrund einer Person oder die Art, wie diese ihr Privatleben gestaltet, völlig frei von gesellschaftlichen Beurteilungen bleibt. Insbesondere im Bereich der außer- oder nicht-ehelichen Beziehungen und der Straftaten, die in Japan ja klassischerweise unter den Schutzbereich der Ehre fallen, macht sich auch über die schon genannten Fälle einer Behandlung als Ehrverletzung hinaus der Gedanke der Wahrung des sozialen Ansehens auch im Denken der deutschen Rechtsprechung durchaus bemerkbar und zeigt, dass dieser auch in Deutschland eine Rolle spielt. Das lässt sich etwa schon aus der Formulierung der Standarddefinition der Rechtsprechung zur Privatsphäre heraushören, die Informationen ausdrücklich unter anderem deshalb schützt, weil deren Erörterung „nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst“.165 Bei einer Darstellung als Straftäter wird über die oben schon genannten Fälle hinaus, die den Ehraspekt für betroffen hielten,166 davon ausgegangen, dass „die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters [...] regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts [...] dar[stellt], weil sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird“.167 Bei der Beurteilung der konkreten Fälle, insbesondere wenn es um die Schwere der Persönlichkeitsverletzung für die Frage eines immateriellen Schadensersatzes geht, ist außerdem etwa von einer „Prangerwirkung“ oder einer „Rufschädigung“ durch die Berichterstattung die Rede. Außerdem zeigt sich das daran, dass in vielen Fällen, in denen eine Berichterstattung angegriffen wird, der Schwerpunkt des Vorwurfs gegenüber der Berichterstattung nicht darin liegt, dass der Inhalt die Allgemeinheit nichts angehe, sondern darin, dass der Bericht eine unwahre Behauptung aufstelle und den Betroffenen dadurch unberechtigterweise in ein negatives Licht rücke. Die Gerichte beschäftigen sich hier mit der Unwahrheit der behaupteten Tatsache, also mit einer Frage, die auch in Deutschland für den Privatsphärenschutz keine Rolle spielt,168 wohl aber für den Schutz der Ehre. Die Andeutung einer laufenden Beziehung einer kurz vor der Hochzeit stehenden Prominenten zu einem Dritten etwa war, wie oben schon erwähnt, deshalb unzulässig, weil die Behauptungen unwahr waren. Eine zum Schadensersatz verpflichtende schwere Persönlichkeits165
Siehe oben, Abschnitt a, S. 63 f. Siehe oben, Abschnitt a, S. 63. 167 BVerfGE 35, 202 (226) = NJW 1973, 1227 (1229); BVerfG, in: NJW 1993, 1463 (1464); OLG Hamburg, in: NJW-RR 2005, 479 (480). 168 Vgl. LG Hamburg, Urteil vom 23.04.2004, Az. 324 O 693/03, Rdnr. 38 (in Juris). 166
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verletzung wird dabei mit der Begründung abgelehnt, dass „keine soziale Prangerwirkung“ eintrete; insoweit scheint das Gericht auch den Ehrgedanken im Hinterkopf zu haben.169 Noch deutlicher wird der Ehrgedanke im Falle der Darstellung eines Prominenten als hemmungsloser Schürzenjäger, die wegen ihrer Unwahrheit für unzulässig gehalten wird, und bei der das Gericht nach den Ausführungen zur Unwahrheit feststellt, dass die Berichterstattung „schließlich“ auch (!) „in die Privatsphäre [...] ein[greift] “.170 Insbesondere für die Beurteilung der Schwere einer Persönlichkeitsverletzung, die Voraussetzung für die Gewährung einer Geldentschädigung ist, kommt es ferner unter anderem maßgeblich auf die „Nachhaltigkeit einer Rufschädigung“ an,171 und in den entsprechenden Urteilen finden sich daher in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich Erörterungen zu den Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Ruf des von einer Berichterstattung Betroffenen. So wird im oben genannten Fall des Schürzenjägers darin ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen gesehen, dass zum Ausdruck gebracht wird, dass er seine Frau betrogen habe,172 was offenbar als dem gesellschaftlichen Ruf abträglich gewertet wird. Dass der Ehemann einer Sängerin wiederholt Ehebruch begangen haben und nur hinter dem Geld seiner Ehefrau her gewesen sein soll, soll deshalb einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen, weil die Tatsachen „geeignet“ sind, „nachhaltig das Ansehen [...] in der Öffentlichkeit zu beschädigen“.173 Das Erwecken des Eindrucks, eine Frau habe eine Affäre mit Willy Brandt gehabt, soll unter anderem deshalb die Zubilligung einer Geldentschädigung rechtfertigen, weil ihr „Persönlichkeitsbild [...] im sozialen und beruflichen Umfeld schwer beeinträchtigt“ wird.174
Teilweise werden ferner in der Literatur manche der Fälle, in denen es um Verletzungen der Privatsphäre geht, als Ehrfälle verstanden, so etwa der Fall um die Unterstellung der Affäre mit Willy Brandt.175 Dabei zeigt sich, dass auch in Deutschland durchaus an traditionellen Moralvorstellungen festgehalten wird und Abweichler und Andersartige „diskriminiert“ werden. Schon nach der Standarddefinition zum thematisch geschützten Bereich der Privatsphäre soll die Darstellung von „sozial abweichendem Verhalten“ als „peinlich“ empfunden werden können oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslösen.176 Die Betrachtung der Einzelfälle zeigt zudem, dass zum Beispiel ein Ehebruch oder die Affäre mit einem verheirateten Mann keineswegs neutral als tolerierte Lebensform, sondern als dem Ansehen abträgliche Verhaltensweise angesehen werden kann. Wenn im bereits mehrfach genannten Fall des Schürzenjägers darin ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte gesehen wird, dass zum Ausdruck gebracht wird, dass er seine
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LG Berlin, in: AfP 2006, 388 (389). LG Hamburg, in: ZUM-RD 2005, 283 (284 f.). 171 LG Hamburg, in: ZUM-RD 2005, 283 (284). 172 LG Hamburg, in: ZUM-RD 2005, 283 (284). 173 OLG Hamburg, in: AfP 2008, 411 (412). 174 OLG Köln, in: NJW-RR 2000, 470 (471). 175 So Palandt-SPRAU, in: BGB, 71. Aufl. (2012), § 823 Rdnr. 110 zum Fall des OLG Köln, NJW-RR 2000, 470. 176 Siehe oben, Abschnitt a, S. 63 f. 170
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Frau betrogen habe,177 kann man daraus ersehen, dass der Ehebruch offenbar als moralisch besonders verwerflich eingestuft wird, auch wenn das Gericht gleichzeitig versichert, dass „in Zeiten, in denen die wenigsten Beziehungen ein Leben lang halten“, keine soziale Prangerwirkung oder Diskriminierung für den Kläger zu befürchten sei, auch wenn er „in Sachen Beziehung […] nicht gerade sonderlich gut dastehe“.178 Auch zur angeblichen Affäre mit Willy Brandt heißt es, dass „zum einen [...] auch heute noch ein Großteil der Bevölkerung die Unterhaltung einer intimen Beziehung zu einem verheirateten Mann als charakterlich fragwürdig an[sieht], wobei hinzu kommt, dass die Klägerin seinerzeit bereits verlobt war und heute verheiratet ist; und [dass] zum anderen [...] die Darstellung [...] als eine Frau, die sich von der Macht habe anziehen lassen, auch deren intellektuellen Status [beeinträchtigt]“.179 Die Tätigkeit als Pornodarsteller schließlich wird zwar als „nicht mehr unbedingt [...] anstößig“,180 aber als „nach wie vor von weiten Teilen der Bevölkerung als peinlich empfundene“181 bzw. „anrüchige“182 Tätigkeit angesehen.
5. Einfluss unterschiedlicher kultureller Hintergründe auf die Unterschiede im deutschen und japanischen Recht Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit die in diesem Abschnitt herausgearbeiteten Unterschiede hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Ehrenschutzes in den beiden Ländern durch ein unterschiedliches kulturelles Grundverständnis bedingt sind. Nachdem für das japanische Recht für sich genommen über das hinter der rechtlichen Ausgestaltung des Persönlichkeitsschutzes stehende Kulturverständnis und dessen Einfluss bereits ein Fazit gezogen wurde,183 hat die nähere Betrachtung der Rechtslage in Deutschland im Vergleich zu Japan184 dieses Fazit nur bestätigt. Dass der Ehrenschutz eine so große Rolle spielt, ist eine Besonderheit des japanischen Rechts gegenüber dem deutschen, die sich (i) daraus ergibt, dass in Japan im Unterschied zu Deutschland in den Fällen, in denen es um eine Beeinträchtigung der Ehre durch die Verbreitung negativer Informationen über die Person geht, in der Regel vorrangig das Rechtsgut der Ehre als betroffen angesehen wird, während im deutschen Recht der Ehrenschutz nur vereinzelt zum Tragen kommt, und (ii) außerdem daraus, dass die moralischen Anforderungen in Japan zum Teil strenger sind als in Deutschland, so dass eine Ehrverletzung auch in Fällen angenommen werden kann, in denen man in Deutschland von vornherein erst gar nicht an eine „Ehrenrührig-
177
LG Hamburg, in: ZUM-RD 2005, 283 (284). Vgl. LG Berlin, in: ZUM 2005, 330. 179 OLG Köln, in: NJW-RR 2000, 470 (471). 180 LG Berlin, in: NJW 1997, 1155. 181 LG Berlin, in: ZUM 2007, 866 (869). 182 LG Berlin, in: NJW 1997, 1155. 183 Abschnitt 3, S. 60 ff., insbesondere 3.c, S. 61 f. 184 Abschnitt 4, S. 63 ff. 178
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keit“ denken würde.185 Dies deutet darauf hin, dass zumindest unterschwellig durchaus Unterschiede zwischen den beiden Ländern vorhanden sind. Andererseits ist der Ehrgedanke aber auch in der deutschen Rechtsprechung durchaus vorhanden,186 und umgekehrt wurde für Japan aufgezeigt, dass der Gedanke der individuellen Freiheit ebenfalls eine wichtige Rolle spielt187 und zudem möglicherweise derzeit ein Wandel zu einer größeren Schwerpunktsetzung auf diesen Aspekt hin stattfindet.188 Dies deutet darauf hin, dass die Ausprägung der Abgrenzungen in den beiden Ländern auch durch historische Rahmenbedingungen bzw. durch eine unterschiedliche gesetzliche Ausgangslage bedingt ist und daher nicht überbewertet werden darf. Es sei auch darauf hingewiesen, dass zumindest etwa das englische Recht – das sich als Common Law vom deutschen in seiner Konstruktion wiederum deutlich unterscheidet, aber immerhin auch dem europäischen Kulturkreis angehört – ebenfalls kein Recht auf Privatsphäre kennt und den Schutz weitgehend über Ehrenschutz oder andere Deliktstatbestände konstruiert.189 6. Bewertung der beiden Modelle Als historisch gewachsene und kulturell verwurzelte Schutzmodelle ist vor einer „Bewertung“ der Abgrenzungsweisen der Rechtsgüter in den beiden Rechtsordnungen Zurückhaltung geboten. Das deutsche Modell hat jedoch zumindest einen großen Vorteil, nämlich den, dass es das beim Vorgehen über die Annahme einer Ehrverletzung auftretende Problem vermeidet, dass sich die Einstufung einer bestimmten Tatsache als Ehrverletzung und die damit einhergehende richterliche „Bestätigung“, dass es sich um etwas Negatives handelt, zumindest in einem gewissen Maße als Diskriminierung des Betroffenen auswirkt.190 Ferner stellt sich bei der Lösung über Ehrverletzungen die Frage, wie man mit wandelnden Moralvorstellungen und damit der Gefahr, mit den tatsächlichen Entwicklungen in der Gesellschaft nicht Schritt halten zu können, umgeht. Insofern ist die angedeutete Tendenz des japanischen Rechts in Richtung Puraibashî-Recht191 zu begrüßen.
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Siehe oben, Abschnitt 4.a, S. 63 ff., im Vergleich zur Situation in Japan, Abschnitt 1, S. 42 ff., Abschnitt 2, S. 57 ff. 186 Siehe oben, Abschnitt 4.b, S. 65 ff. 187 Siehe insbesondere oben, Abschnitt 3.c, S. 61 f. 188 Siehe insbesondere oben, Abschnitt 2.d S. 59 f., sowie Abschnitt 3.c, S. 62. 189 Dazu GÖTTING, in: GRUR Int. 1995, S. 656. 190 Dazu insbesondere oben, Abschnitt 1.d, S. 48 f., g, S. 55 f. 191 Siehe oben, Abschnitt 2.d, S. 59 f., sowie Abschnitt 3.c, S. 62.
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V. Konsequenzen aus dem Erfordernis einer objektiven Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung für eine Ehrverletzung Ein Kriterium, das im deutschen Recht in diesem Bereich keine Rolle spielt, wird in Japan dadurch relevant, dass der Schwerpunkt des Schutzes im Ehrenschutz liegt. Besondere Voraussetzung für die Annahme einer Verletzung der Ehre ist nämlich, wie oben schon angedeutet, eine objektive Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung.192 Für die Frage, ob durch einen Bericht über eine Person eine solche objektive Minderung des Ansehens erfolgt ist, wird auf das Verständnis des durchschnittlichen Lesers bei normaler Aufmerksamkeit und Leseweise abgestellt.193 Neben der im vorangegangen Abschnitt herausgestellten Beschränkung des Anwendungsbereichs der Ehre durch die Voraussetzung, dass etwas Ehrenrühriges verbreitet worden sein muss, bildet dies eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs des Rechtsguts Ehre. 1. Objektives Verständnis des Aussageinhalts eines Berichts Zum einen bedeutet Objektivität, dass bei der Frage, wie eine Äußerung zu verstehen ist, das faktische Verständnis des durchschnittlichen Lesers maßgeblich ist. Es genügt also nicht, dass der Betroffene einer Berichterstattung selbst der Meinung ist, dass ein bestimmter (negativer) Eindruck über ihn vermittelt wird, sondern ein solcher Eindruck muss sich nach dem Verständnis des durchschnittlichen Lesers ergeben. Beispielsweise machte ein wegen Raubmordes Angeklagter, der Unregelmäßigkeiten im Rahmen seiner Verfolgung behauptet und für deren Aufdeckung im Rahmen des Strafprozesses gekämpft hatte, geltend, dass im Rahmen eines Berichts über sein Verhalten Details unterschlagen worden seien und dadurch seine aufrichtige und ernsthafte Haltung nicht korrekt dargestellt werde, sondern er völlig verfehlt als störrisch, stur und uneinsichtig erscheine.194 Das Gericht entschied jedoch, dass bei normal aufmerksamem Lesen kein solcher verfehlter Eindruck entstehe.195 Durch einen Artikel über den obersten Sekretär des Premierministers, der diesen als „Schattenpremierminister“ bezeichnete und dessen politischen Einfluss beschrieb, fand der Sekretär, er werde so dargestellt, als manipuliere er Personalia, wie es ihm passe, und sei ein Bösewicht und Intrigant, der für die Entlassung des Generalsekretärs sorgen wolle und auch entsprechende Äußerungen tätige.196 Dagegen ergab sich nach Auffassung des Gerichts bei der Lektüre des Artikels kein solches Verständnis.197 Auch die 192 SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Das Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 174 f. OGH, Urteil vom 18.12.1970, in: Minshû Bd. 24 Nr. 13, 2151 (2152); siehe schon oben, Kap. 4, B.III., S. 41. 193 OGH, Urteil vom 20.07.1956, in: Minshû Bd. 10 Nr. 8 S. 1059 (1061); Urteil vom 27.05.1997, in: Minshû Bd. 51 Nr. 5, 2009 (2012). 194 DG Tokyo, Urteil vom 02.06.1981, in: Hanji 1009, 17 (20 f.). 195 DG Tokyo, Urteil vom 02.06.1981, in: Hanji 1009, 17 (30 f.). 196 DG Tokyo, Urteil vom 13.10.2005, in: Hanji 1933, 94 (95). 197 DG Tokyo, Urteil vom 13.10.2005, in: Hanji 1933, 94 (96 ff.).
B. Der Schutz der Ehre
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Auffassung eines Patienten, er werde so dargestellt, als habe er gegen des Rat des Arztes eine medizinische Behandlung verlangt und dann Strafanzeige erstattet, nachdem es bei der Behandlung tatsächlich zu einem Vorfall gekommen war, wurde abgelehnt, weil man tatsächlich nur den Eindruck gewinne, dass Arzt und Patient jeweils widersprüchliche Auffassungen vertreten.198 Auch wenn jemand ein gerichtliches Schreiben erhält, das den Adressaten als „Verdächtigen“ (Higisha) statt als „Antragsteller“ (Seikyûnin) bezeichnet, dies aber offensichtlich nur aus Versehen passiert ist, liegt keine Ehrverletzung vor.199
Auch wenn das Kriterium des Durchschnittslesers in Japan vor allem im Bereich des Ehrschutzes entwickelt wurde, ist es allerdings keine spezifisch nur für die Ehre gültige Einschränkung, sondern ein allgemein gültiger Grundsatz. In Deutschland gilt gleichermaßen, dass Äußerungen grundsätzlich entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren sind.200 Insofern stellt das Abstellen auf eine objektive Auslegung des Berichtsinhalts keine Besonderheit des japanischen Rechts dar. 2. Objektive Wert- und Moralmaßstäbe Zum anderen ist aber als Besonderheit bei der Anwendung des Rechtsguts Ehre zu beachten, dass die Wert- und Moralmaßstäbe für die Frage, ob die soziale Achtung beeinträchtigt ist, objektiv bestimmt werden. Eine Verletzung der Ehre liegt daher auch nicht vor, wenn über eine Person Tatsachen verbreitet werden, die der Betreffende persönlich für „unehrenhaft“ hält und deshalb nicht bekannt gemacht haben will, die objektiv von der Gesellschaft aber nicht so eingestuft werden. So wurde etwa eine Ehrverletzung durch einen Bericht in einem Wochenmagazin über die Umstände der Wahl des Fernseh-Prominenten Ôhashi Kyosen ins Oberhaus abgelehnt, in dem aufgedeckt wurde, dass Ôhashi zwar offiziell als Parteiloser kandidiert hatte, dabei aber heimlich von der Demokratischen Partei Japans (Minshutô) die Unterstützung durch Stimmen der Gewerkschaft versprochen bekommen hatte und er daher als Abgeordneter nun nicht, wie behauptet, den Standpunkt eines einzelnen Bürgers vertrat, sondern die Politik der Gewerkschaften. Ôhashi sowie der damalige Generalsekretär der DPJ, Kan, hatten jeweils geltend gemacht, sie wären so dargestellt worden, als ob sie die Bürger hinters Licht geführt hätten, wodurch ihr gesellschaftliches Ansehen gesunken sei. Das DG Tokyo befand aber, den verbreiteten Tatsachen könne ein solcher Vorwurf nicht entnommen werden, da der Wähler durchaus wisse, dass solche Absprachen getroffen würden, ohne dass dies mit gesellschaftlicher Missachtung betrachtet würde.201 Ebenso wurde etwa eine Ehrverletzung durch die Behauptung von Verstößen gegen spezielle religiöse moralische Vorstellungen, die allgemein nicht als verwerflich angesehen
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DG Tokyo, Urteil vom 31.05.2011, in: Hanji 2127, 19 (21). DG Tokyo, Urteil vom 05.08.1966, in: Hanji 462, 37 (38). 200 WENZEL/BURKHARDT, in: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. (2003), Kap. 4 Rdnr. 4; BGH, in: NJW 1994, 2614 (2615); BGH, in: NJW 1995, 861 (862); BGHZ 139, 95 (102) = NJW 1998, 3047 (3048); BGH, in: NJW 2005, 279 (281). 201 DG Tokyo, Urteil vom 17.06.2002, in: Hanta 1120, 187 (192 f.). 199
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
werden, abgelehnt.202 Es ging dabei um einen ehemaligen Priester der Nichiren Shôshû, einer buddhistischen Richtung, welcher von der aus dieser Richtung hervorgegangenen Religionsgemeinschaft Sôka Gakkai unter Versprechen finanzieller Zuwendungen zum Austritt aus der Nichiren Shôshû überredet worden war. Vom Betroffenen wurde geltend gemacht, er werde als jemand dargestellt, der für Geld seine religiösen Überzeugungen ändere. Nach Auffassung des Gerichts stellte es aber nichts Entehrendes dar, wenn für den Austritt aus einer Glaubensgemeinschaft, der möglicherweise den Verlust der Lebensgrundlage des Priesters bedeutet, ein finanzieller Ausgleich erstrebt wird. Es sei zwar verständlich, dass man ein Verbreiten dieser Tatsache verhindern möchte, aber es handele sich aus Sicht eines durchschnittlichen Lesers um ein verständliches Verhalten und nicht um etwas, wofür man sich schämen müsse.203
Hier entsteht das Problem, dass die Einschätzung und Wertung, was Ehre bedeutet, individuell unterschiedlich und daher die Festlegung eines objektiven Wertmaßstabes schwierig ist. Selbst wenn es etwas wie eine „herrschende Meinung“ bezüglich der Wertmaßstäbe in der Bevölkerung geben sollte, besteht beim Abstellen auf den Maßstab der Mehrheit das logische Problem, ob die Ehre insgesamt gesehen auch dann sinkt, wenn zwar die Mehrheit der Gesellschaft ein bestimmtes Verhalten als nicht unehrenhaft einstuft, dieses aber in den Kreisen einer Minderheit zu einer negativen Einschätzung führt. Wie schon oben zu den Schwierigkeiten bei der Bewertung, was als ehrenrührig anzusehen ist, angemerkt, hat der weitgehend einheitliche Schutz über den wertneutralen Privatsphärenaspekt wie in Deutschland auch insofern den Vorteil, dass solche Schwierigkeiten vermieden werden.204 3. Abhängigkeit der Ehre von der sozialen Position und vom gesellschaftlichen Ruf einer Person Ferner hängt die Frage, ob jemand in seiner Ehre „herabgesetzt“ wird, davon ab, wie hoch derjenige vorher in der Gesellschaft angesehen war oder welche Bedeutung die soziale Achtung für ihn hat. Wer eine hohe Achtung genießt, wird auch dementsprechend geschützt, während sozial wenig angesehenen Personen – so etwa Gruppen mit kriminellem Hintergrund oder Personen, die bereits negativ aufgefallen waren –, oder solche, die wenig auf die Ehre geben, ein Ehrenschutz oft mit der Begründung versagt wird, dass die negative Darstellung dem Bild entspreche, das die Öffentlichkeit von dem Betreffenden bereits habe. Insbesondere etwa bei Rechtsanwälten wird für das Entstehen seelischer Schäden durch eine Ehrverletzung überhaupt oder als Faktor für die Berechnung einer Geldersatzsumme berück-
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OG Tokyo, Urteil vom 21.09.2000, in: Hanta 1094, 181. Ebda., S. 186 f. 204 Siehe oben, Kap. 4, B.IV., insbesondere 1.d, S. 48 f., 1.g, S. 55 f., 6., S. 69. 203
B. Der Schutz der Ehre
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sichtigt, dass die gesellschaftliche Glaubwürdigkeit (Shinyô) die Grundlage des Berufes bildet und daher für solche Personen von besonderer Bedeutung ist.205 Dagegen wurde zum Beispiel eine Ehrverletzung durch einen Bericht in einem Wochenmagazin über Alef, die Nachfolgeorganisation der Aum-Sekte, in dem die Organisation als gefährliche und gefürchtete Gemeinschaft dargestellt wurde, die jederzeit wieder einen Massenmord begehen könne und die mit Angst und Misstrauen betrachtet werde, abgelehnt, weil diese Darstellung nach Auffassung des Gerichts dem bestehenden Bild von Alef in der Öffentlichkeit entsprach.206 Ähnlich wird bei einem Wochenmagazinbericht über die Sekte „Kôfuku no Kagaku“ festgestellt, dass zwar Bezeichnungen für die Sekte verwendet würden, die man mit dem Eindruck verbinde, es handele sich um eine dubiose, nicht wirklich religiösen Werten verpflichtete, sondern in erster Linie profitorientierte Gemeinschaft. Dies verletze aber nicht deren gesellschaftliche Achtung, da es dem Eindruck entspreche, der bezüglich dieser Sekte in der Öffentlichkeit ohnehin schon bestehe.207 Zum Teil führt die gesellschaftliche Geringschätzung zwar nicht dazu, dass schon das Vorliegen einer Ehrverletzung überhaupt abgelehnt wird, aber dazu, dass das Maß der Ehrverletzung als gering angesehen wird. Die Bezeichnung eines professionellen Geldverleihers als „König des Schwarzgeldmarktes“ („Yami kinyû no teiô“) und „Giftschlange“ („Mamushi“) wurde zwar als Ehrverletzung angesehen, das Maß der Verletzung aber für gering gehalten, weil der Betreffende von vornherein keinen besonders hohen gesellschaftlichen Ruf genossen habe. Als Konsequenz dieser Einschätzung wurde ein Anspruch auf Entschuldigung abgelehnt.208
Wenn man sie wörtlich nimmt, birgt diese Rechtsprechung die Gefahr, dass jemand, der einmal einen zweifelhaften Ruf erworben hat, quasi vogelfrei werden kann, und manche Personengruppen als Personen mit geringer Ehre diskriminiert werden. Allerdings ist die japanische Rechtsprechung tatsächlich von einer solch extremen Position weit entfernt; der besonders gute oder besonders schlechte Ruf ist nie das ausschlaggebende Argument, sondern dürfte immer nur einen von zahlreichen zu berücksichtigenden Gesichtspunkten bilden, der von der Rechtsprechung angeführt wird, ohne dass jeweils die Gesamtumstände des Falls aus dem Blick verloren werden. Insbesondere in Bezug auf die gering geschätzten Personengruppen, bei denen eine Ehrverletzung abgelehnt wird, wird oftmals zusätzlich hilfsweise noch eine Rechtfertigung durch öffentliche Interessen geprüft und bejaht.209 Das bedeutet also, dass es sich bei den konkreten Fällen jeweils um solche handelte, in denen auch bei Anerkennung einer Ehrverletzung ohnehin rechtfertigende öffentliche Interessen an der Äußerung bestanden hätten, und deutet darauf hin, dass das Gericht keineswegs eine soziale Ächtung der Betroffenen im Sinne hatte. Vielmehr ist zu vermuten, dass das Gericht im Hinblick auf eine 205 DG Kobe, Urteil vom 29.11.1985, in: Hanji 1209, 115 (117, 122); DG Tokyo, Urteil vom 25.07.1988, in: Hanji 1293, 105 (114); DG Ôsaka, Urteil vom 23.10.1992, in: Hanji 1474, 108 (126 f.); DG Shizuoka, Urteil vom 24.09.1998, in: Hanji 1689, 119 (137). 206 OG Tokyo, Urteil vom 25.09.2002, in: Hanji 1813, 86 (90). 207 DG Tokyo, Urteil vom 20.12.1996, in: Hanji 1619, 104 (113). 208 DG Tokyo, Urteil vom 24.03.1992, in: Hanta 806, 189 (194). 209 Siehe etwa OG Tokyo, Urteil vom 25.09.2002, in: Hanji 1813, 86 (91).
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
Gesamtabwägung, die den Bericht als gerechtfertigt erscheinen lässt, nur etwas großzügiger im Rahmen der Prüfung der Ehrverletzung vorgegangen ist. Tatsächliche Auswirkungen der sozialen Position auf die Höhe von Schadensersatzsummen lassen sich nicht belegen, da die Berechnung der Schmerzensgelder nie genau nachvollziehbar ist.210 Ob die gesellschaftliche Achtung objektiv herabgesetzt wird, ist auch fraglich und zum Teil umstritten, wenn etwas berichtet wird, was der Allgemeinheit – in der Regel aufgrund vorangegangener Berichterstattung – bereits bekannt ist. Bei Spekulationen in einem Zeitungsartikel über das Tatmotiv des bereits mehrfach erwähnten Mordverdächtigen Miura wurde etwa laut der ersten Instanz der Eindruck der Täterschaft verstärkt und daher die Ehre angegriffen.211 Die zweite Instanz vertrat dagegen die Auffassung, der ohnehin schon in der Gesellschaft bestehende Eindruck werde nicht weiter verschlechtert und die Ehre daher nicht herabgesetzt.212 Letztere Sicht erscheint problematisch, da erstens auch ein schlechter Ruf durch eine Wiederholung bestätigt und der schlechte Eindruck dadurch verstärkt werden kann213 und bei einer solchen Sicht zweitens nach einmal erfolgter Berichterstattung ungehemmt und ohne Kontrolle weiter berichtet werden könnte.214 Im deutschen Recht gibt es allerdings ähnliche Überlegungen hinsichtlich Privatsphärenverletzungen. So soll der Umstand, dass über etwas vorher schon in der Presse berichtet worden war, zumindest das Maß des Eingriffs in die Privatsphäre verringern.215 Eine andere Frage ist, inwieweit in solchen Fällen, in denen jemand im Rahmen einer vorangegangenen Berichterstattung etwa als Straftatverdächtiger dargestellt worden ist, nachfolgende Berichterstattende sich darauf berufen können, dass sie angemessene Gründe hatten, an die tatsächliche Täterschaft des Betreffenden zu glauben (Einwand der Sôtô-sei [Angemessenheit]). 216 Aus einer vorangegangenen Berichterstattung lässt sich aber nur schließen, dass jemandem ein Tatvorwurf gemacht wird, und nicht automatisch auch, dass er der Täter ist. Deshalb ist vor der Annahme der Angemessenheit einer solchen Schlussfolgerung Vorsicht geboten.217
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Dazu noch näher unten, Kap. 6, B.II., insbesondere unter 1.b, S. 168. DG Tokyo, Urteil vom 26.04.1993, in: Hanji 1493, 89. 212 OG Tokyo, Urteil vom 18.03.1999, in: Hanji 1744, 77 (82). Ähnlich etwa DG Tokyo, Urteil vom 22.12.1997, in: Hanji 1637, 66 (70 f.). 213 KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 115 f. 214 KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 116. 215 BGH, in: NJW 1999, 2893 (2895); bestätigt von BVerfG, in: NJW 2000, 2189 (2190). 216 Dazu unten, Kap. 4, B.VI.1., S. 75. 217 OGH, Urteil vom 09.09.1997, in: Minshû Bd. 51 Nr. 8, 3804 (3813 f.); KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 115. 211
B. Der Schutz der Ehre
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VI. Die Grundsätze der Wahrheitsmäßigkeit und der Angemessenheit als Ausschlussgrund für eine Haftung 1. Rechtslage in Japan Nach der etablierten Rechtsprechung fehlt es an der Rechtswidrigkeit (Ihôsei) einer ehrverletzenden Berichterstattung, wenn sie erstens wahr und – als kumulative Voraussetzung – zudem ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung gegeben ist (Shinjitsu-sei Grundsatz [Grundsatz der Wahrheitsmäßigkeit]). Genau gesagt wird für das öffentliche Interesse dabei zum einen verlangt, dass die berichtete Tatsache im Allgemeininteresse liegt, und zum anderen dass auch der Zweck der Veröffentlichung im Sinne des Allgemeininteresses erfolgt.218 Mit anderen Worten liegt also auch bei einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung nur dann keine Ehrverletzung vor, wenn ein öffentliches Interesse an den berichteten Tatsachen besteht; wenn es hingegen am öffentlichen Interesse fehlt, stellt auch eine wahre Äußerung eine unerlaubte Handlung dar. Unwahre Äußerungen wiederum stellen, sofern sie nicht den Anforderungen des Sôtô-sei Grundsatzes [Grundsatz der Angemessenheit] genügen, unabhängig vom Vorliegen des öffentlichen Interesses immer eine unerlaubte Handlung dar. Grundlage des Grundsatzes der Wahrheitsmäßigkeit ist der bereits erwähnte § 230-2 JStGB, nach dem bei wahren Tatsachen eine Strafbarkeit wegen Ehrverletzung ausscheidet, wenn die Tatsache Fragen des Allgemeininteresses betrifft und zu Zwecken des Allgemeininteresses verbreitet wurde. Dieser Grundsatz wurde zunächst auf das Zivilrecht übertragen und seit einem Grundsatzurteil des OGH von 1966 um den Grundsatz des fehlenden Verschuldens bei angemessenen Gründen zur Annahme der Wahrheit erweitert. Auch bei einer unwahren Berichterstattung scheidet eine unerlaubte Handlung aus, wenn der Berichtende angemessene Gründe hatte, von der Richtigkeit der eigenen Äußerungen auszugehen und wiederum ein öffentliches Interesse besteht (Sôtô-sei Grundsatz [Grundsatz der Angemessenheit]).219 Auf die Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab, die ausschließlich vor einer übereilten Meldung ohne hinreichende vorherige Recherchen, nicht aber vor einer Berichterstattung an sich schützt, wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen.220 218
OGH, Urteil vom 23.06.1966, in: Minshû Bd. 20 Nr. 5, 1118 (1119). OGH, Urteil vom 23.06.1966, in: Minshû Bd. 20 Nr. 5, 1118 (1119); Urteil vom 16.11.1972, in: Minshû Bd. 26 Nr. 9, 1633 (1637 f.) – allerdings ein Fall, in dem eine Rechtfertigung wegen Sôtô-sei abgelehnt wurde; DG Tokyo, Urteil vom 12.04.1994, in: Hanta 842, 271 (285); DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1995, in: Hanji 1552, 90 (94); DG Tokyo, Urteil vom 26.04.1996, in: Hanji 1594, 108 (117); DG Maebashi, Urteil vom 18.02.1997, in: Hanji 1630, 106 (110). 220 Näher dazu – in japanischer Sprache – etwa: IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 53 ff. 219
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
Näheres zum Verständnis des öffentlichen Interesse bzw. zur Abwägung wird dagegen im Kapitel 5 zusammenfassend für alle Rechtsgüter diskutiert. 2. Vergleich zu Deutschland In Deutschland stellt die Wahrheitsmäßigkeit einer Aussage einen Rechtfertigungsgrund dar, außer wenn die Intim- oder Privatsphäre berührt ist oder durch die Verbreitung der Aussage ein unverhältnismäßiger Schaden für die Persönlichkeit entsteht.221 Im Gegensatz zu Japan kommt eine Ehrverletzung also nicht in Betracht, wenn der Inhalt des Berichts wahr ist. Allerdings ist die Ehre in Deutschland meist gar nicht das angewandte Rechtsgut, so dass sich dieser Unterschied im Ergebnis nicht auf den Schutzumfang der Persönlichkeit auswirkt. Soweit das Allgemeine Persönlichkeitsrecht unter dem Aspekt der Privatsphäre berührt ist – was in der Regel das in Deutschland angewandte Pendant zu den Ehrverletzungsfällen durch Medien in Japan ist –, ist die Frage der Wahrheitsmäßigkeit unerheblich und die Situation daher die Gleiche wie beim japanischen Ehrenschutz. Dass auch bei Wahrheit des Inhalts die Ehre betroffen sein kann, macht einen großen Unterschied in der Struktur des japanischen Ehrenschutzes im Vergleich zum deutschen aus und macht es erst möglich, dass die Ehre in Japan die zentrale Rolle für den Schutz der Privatsphäre übernehmen kann. Andererseits musste umgekehrt die Ehre möglicherweise zur Gewährleistung eines hinreichenden Schutzes der Persönlichkeit gerade deshalb auch bei Wahrheit eingreifen, weil man die Lösung der Fälle über das Rechtsgut der Ehre gesucht hat und darauf angewiesen war, dass dieses auch gegen wahrheitsgemäße Berichterstattung schützte, so dass sich die Voraussetzungen für die Annahme einer Ehrverletzung entsprechend weit entwickelt haben. Der Sôtô-sei Grundsatz [Grundsatz der Angemessenheit] wiederum entspricht dem Grundsatz nach dem Anspruch an eine „pressemäßige Sorgfalt“ zur Beurteilung von zum Zeitpunkt der Äußerung nicht erweislich wahren Tatsachen in Deutschland222 und ist insofern keine Besonderheit des japanischen Rechts. VII. Besondere Rechtsfolgen bei Ehrverletzungen Als einziges kodifiziertes Rechtsgut ist die Ehre auch hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Rechtsfolgen im Vergleich zu den anderen relevanten Rechtsgütern am Besten geschützt. Oben bereits angedeutet wurde, dass bei 221 LETTL, in: WRP 2005, S. 1071; RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Auflage (2012), Anh. § 12 Rdnr. 139. 222 Näher dazu FECHNER, in: Medienrecht, 12. Aufl. (2011), Kap. 8 Rdnr. 112 ff.; LETTL, in: WRP 2005, S. 1071 f.; BGHZ 139, 95 (106) = NJW 1998, 3047 (3049); BVerfG, in: NJW 2004, 589 f.
C. Der Schutz des „Ehrgefühls“
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der Ehre die Einordnung als Kenri unumstritten ist und dies die Gewährung von Unterlassungsansprüchen relativ unproblematisch macht. 223 Ebenfalls bereits erwähnt wurde, dass § 723 JZGB bei Ehrverletzungen ausdrücklich einen Wiederherstellungsanspruch anordnet.224 Da die anderen Rechtsgüter in der Vorschrift nicht erwähnt werden, gibt es eine verbreitete Ansicht, die den aus § 723 JZGB hergeleiteten Entschuldigungsanspruch auf Ehrverletzungen beschränkt und insbesondere für Puraibashî-Verletzungen ablehnt.225 Zudem besteht auch hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs in der japanischen Rechtsprechung die Tendenz, bei Ehrverletzungen wesentlich höhere Schmerzensgelder zu vergeben als bei Puraibashî-Verletzungen.226 Insbesondere die höheren Schmerzensgelder werfen wieder die Frage auf, ob in Japan der Gedanke der Wahrung des Gesichts wichtiger ist als die individuelle Freiheitssphäre. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass auch in Deutschland das Ausmaß der Rufschädigung oft entscheidend für die Beurteilung der Schwere der Persönlichkeitsverletzung ist, die dann erst die Verhängung einer Geldentschädigung rechtfertigt.227 Es ist also nicht unbedingt eine Besonderheit gegenüber dem deutschen Recht, dass Persönlichkeitsverletzungen, die die Ehre des Betroffenen angreifen, als besonders gravierend angesehen und als Begründung für eine besonders starke Sanktion herangezogen werden.
C. Der Schutz des „Ehrgefühls“ und Bedeutung für den Schutz der Privatsphäre in Japan C. Der Schutz des „Ehrgefühls“ I. Überblick Wie im Rahmen der Besprechung des Schutzumfangs des Rechtsguts Ehre bereits erläutert wurde, ist im japanischen Recht in den Fällen, in denen keine objektive Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung, sondern nur eine Verletzung des subjektiven Empfindens und daher keine Ehrverletzung vorliegt, ein Schutz unter dem Aspekt einer Verletzung des Ehrgefühls (Meiyo kanjô) möglich.228 Das Ehrgefühl wird zwar nicht als Recht im eigentlichen Sinne verstanden, kann in Japan aber aufgrund der besonderen Struktur des Deliktsrechts mit der weit verstandenen deliktischen Generalklausel dennoch vor Eingriffen geschützt werden. Allerdings ist die Abgrenzung, was unter 223
Siehe oben, Kap. 4, B.II., S. 40 f., sowie näher dazu unten, Kap. 6, E.I., S. 206 ff. Siehe oben, Kap. 3, A., S. 31, sowie Kap. 4, B.II., S. 41. 225 Siehe unten, Kap. 6, C.III., S. 183 ff. 226 Näher dazu unten, Kap. 6, B.III.1., c, S. 169 f. 227 Siehe oben, Kap. 4, B.IV.4., b, S. 66 f. 228 Vgl. OGH, Urteil vom 18.12.1970, in: Minshû Bd. 24 Nr. 13, 2151 (2152). 224
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
das Ehrgefühl zu fassen ist und inwieweit es geschützt sein soll, äußerst schwierig und diffus und daher auch in Japan Gegenstand kontroverser Diskussionen. Im Folgenden werden zunächst allgemein Grundlage und Umfang des Schutzes des Ehrgefühls dargestellt, um verständlich zu machen, wie dieses „Ehrgefühl“ geschützt ist (II.), und um dann feststellen zu können, inwiefern das so ausgestaltete Ehrgefühl die Schutzlücken, die durch das Objektivitätserfordernis beim Rechtsgut der Ehre entstehen, auffangen und eine Rolle für den Schutz der Privatsphäre spielen kann (III.). II. Ehrgefühl als geschütztes Interesse Früher wurden teilweise grundsätzliche Bedenken gegen die Gewährung von Schadensersatz aufgrund von Verletzungen des Ehrgefühls geäußert,229 und an einem höchstrichterlichen Urteil, das ausdrücklich eine Schadensersatzpflicht bei Verletzung des Ehrgefühls anerkannt hätte, fehlt es bisher. Dennoch kann in der heutigen Praxis als anerkannt gelten, dass das Ehrgefühl gegen Verletzungen grundsätzlich geschützt ist und bei Verletzungen zumindest Schadensersatzansprüche in Betracht kommen. So gibt es zahlreiche Fälle in der unterinstanzlichen Rechtsprechung, in denen für eine Verletzung des Ehrgefühls Schadensersatz zugesprochen wurde,230 und die überwiegende Literatur geht ebenfalls selbstverständlich davon aus, dass das Ehrgefühl als Ausprägung des Persönlichkeitsrechts einer Person grundsätzlich nach § 709 JZGB geschützt ist.231 Auch der OGH hat immerhin in Fällen, in denen „die Ehre beschädigt und die Privatsphäre sowie das Ehrgefühl verletzt wurden“, also das Ehrgefühl neben weiteren Rechtsgütern betroffen war, einen Ersatz für die entstandenen seelischen Schmerzen anerkannt.232 Auch wenn er die Schadensersatzpflicht nicht allein aus der Verletzung des Ehrgefühls herleitet, weist die explizite Erwähnung der Verletzung des Ehrgefühls darauf hin, dass er dieses grundsätzlich als geschütztes Interesse anerkennt. Einen Wiederherstellungsanspruch nach § 723 JZGB lehnt der OGH dagegen ausdrücklich ab233 – was in der sonstigen Rechtsprechung und Lite229
So etwa ONO, in: Meiyo to hôritsu [Ehre und Recht] (1952), S. 72. Siehe die Beispielsfälle unten, S. 79. 231 ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 253; IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 26; S. 205; SHINOMIYA, in: Hôgaku kyôkai zasshi 89 (1972) Nr. 9, S. 1230 f.; SUGANO, in: Jurisuto 653 (1977), S. 67; S. YAMAGUCHI, in: Hanhyô 344 (1987), S. 60 = Hanji 1243, S. 206. 232 OGH, Urteil vom 24.09.2002, in: Hanji 1802, 60 (63) (Fall „Der in Stein schwimmende Fisch“). 233 OGH, Urteil vom 18.12.1970, in: Minshû Bd. 24 Nr. 13, 2151 (2153). Daraus lassen sich aber keine negativen Folgerungen für die Anerkennung des Schadensersatzanspruchs ziehen. So etwa die Hinweise von IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 26; KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 109; S. YAMAGUCHI, in: Hanhyô 344 (1987), S. 61 f. = Hanji 1243, 230
C. Der Schutz des „Ehrgefühls“
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ratur aber keineswegs akzeptiert ist, sondern heftig umstritten bleibt.234 Auch ein Unterlassungsanspruch gegen Verletzungen des Ehrgefühls ist problematisch und wird wohl überwiegend schon grundsätzlich abgelehnt, weil es sich um kein vollwertiges Recht handelt, oder jedenfalls in den konkreten Fällen abgelehnt mangels Schwere des Eingriffs.235 Ist damit der deliktische Schutz also grundsätzlich anerkannt, ist dabei aber klar, dass bei einem subjektiven Gefühl die Verletzung ein bestimmtes Maß erreichen muss, damit es schutzbedürftig erscheint. Allgemein formuliert verlangt die Rechtsprechung, dass die verletzende Wirkung ein bestimmtes Maß 236 oder das sozialüblich zu duldende (shakai tsûnen-jô yurusareru) Maß237 übersteigt. Beispielsweise wird eine solche zum Schadensersatz berechtigende Verletzung des Ehrgefühls in einem Fall bejaht, in dem das Opfer eines Betrugs die falsche Person angezeigt hatte, weil ihm diese Person dem Täter ähnlich schien, obwohl sie sich äußerlich ersichtlich vom Täter unterschied – andere Haare als der Täter, im Gegensatz zum Täter keine Brille –, mit der Folge, dass die angezeigte Person als Täter verfolgt wurde und Untersuchungsmaßnahmen bei der Polizei über sich ergehen lassen musste.238 Auch bei Beleidigungen und Beschimpfungen eines Taxifahrers durch den Fahrgast im Taxi – mit Ausdrücken wie „Du stammst doch von bloßen Sänften- bzw. Korbträgern ab“, „Du verdienst keine Behandlung als Mensch“, „Du lebst auf unsere Kosten“ – wird ein Schadensersatzanspruch anerkannt, weil zwar die soziale Achtung dadurch nicht beeinträchtigt werde, es sich aber um eine langandauernde und böse Beleidigung gehandelt habe, durch die starke seelische Schmerzen entstanden seien;239 auch bei der groben Behandlung eines auf Hilfe angewiesenen Rollstuhlfahrers durch einen Bahnhofsbediensteten – dieser hatte den Rollstuhlfahrer grob angewiesen, er solle Platz machen, und ihn angeherrscht, er sei den anderen Gästen im Weg – werden große seelische Schmerzen anerkannt;240 die Bezeichnung in einem Monatsmagazin als „Froschgesicht“ und „Kappa-Gesicht“241 wird als Beleidigung aufgefasst, was mit einer
S. 207 f. Auch MISHIMA, in: Minshô 65 (1972), S. 973 f., sieht die Anwendbarkeit von § 723 JZGB kritisch, geht dabei aber selbstverständlich vom Bestehen von Schadensersatzansprüchen aus. 234 Siehe unten, Kap. 6, C.III.3., S. 186. 235 Vgl. IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 275; ÔTSUKA, in: Minshô 116 (1997), S. 530; näher dazu unten, Kap. 6, E.II., S. 210 f. Im schon erwähnten Fall der gleichzeitigen Verletzung von Ehre, Privatsphäre und Ehrgefühl, siehe Kap. 4 Fn. 232, wurde zwar auch ein Unterlassungsanspruch gewährt, der aber aus dem abwehrrechtlichen Charakter der Ehre und möglicherweise auch der Privatsphäre resultieren dürfte und nicht unbedingt etwas über die Stellung des Ehrgefühls aussagt. 236 So IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 26. 237 So SHINOMIYA, in: Hôgaku kyôkai zasshi 89 (1972) Nr. 9, S. 1231. 238 DG Ôsaka, Urteil vom 13.02.1985, in: Hanta 554, 266 (268 f.); Höhe des Schadensersatzes: 300.000 Yen. 239 OG Ôsaka, Urteil vom 27.11.1979, in: Hanta 406, 129 (131); Höhe: 100.000 Yen. 240 DG Ôsaka, Urteil vom 11.03.1999, in: Hanta 1055, 213 (224); Höhe: 100.000 Yen. 241 Kappa ist ein in Gewässern hausendes japanisches Fabelwesen, das meist grünfarben ist, von der Gestalt her einem Kind oder Affen ähnelt und dessen Kopfoberfläche einen Teller
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
Verletzung des Ehrgefühls gleichgesetzt wird.242 Ein Antrag auf Einleitung eines Aufsichtsverfahrens gegen einen Anwalt mit falschem und beleidigendem Inhalt ist auch eine Verletzung des Ehrgefühls.243 Ebenso wurde einer Rechtsanwältin Schadensersatz gewährt, die, als sie ihren auf dem Polizeirevier festgehaltenen Mandanten aufsuchen wollte, von Polizisten grob mit den Worten „Verschwinde!“ und Handgreiflichkeiten vom Revier vertrieben wurde, ohne dass sie Kontakt mit dem Mandanten aufnehmen durfte.244 Im Bereich der Berichterstattung wird eine Verletzung des Ehrgefühls des Mordverdächtigen Miura durch einen Bericht angenommen, der dessen Jubel über die Nachricht, dass er nicht wegen Mordes an seiner Frau angeklagt werde, als schwarzen Humor bezeichnete und berichtete, dass er sich in Vorbereitung auf eine Freilassung allein auf das Trainieren seiner Figur konzentriere, was zwar nicht als Ehrverletzung angesehen wird, aber als Kränkung des Betreffenden.245
Bezeichnenderweise finden zum Teil Vermischungen von Ehrgefühl und Ehre statt. Es handelt sich bei den Fällen, in denen Schadensersatz gewährt wird, also offenbar häufig um Grenzfälle zum Ehrenschutz. Typisch sind auch Fälle, in denen jemand eine erniedrigende Behandlung erdulden musste oder heftig beleidigt und beschimpft wurde und man davon ausgeht, dass dem Betroffenen ein großer seelischer Schmerz entstanden ist. So werden, obwohl die beleidigende Bezeichnung als – frei übersetzt – „hässliche kleine Ziege“ (Chibi busu) oder „Laus“ (Dani) etwa vom Gericht als Ehrverletzung behandelt wurde – und zwar im Fall „Chibi busu“ wörtlich „das Zustandekommen einer Ehrverletzung“ geprüft und festgestellt wird, dass „die gesellschaftliche Achtung herabgesetzt und daher die Ehre verletzt“ wird,246 und im Fall Dani festgestellt wird, dass die Äußerung „Die Stadtversammlung hat eine Laus unter sich, und diese Laus sind Sie.“ eine Handlung ist, die „vorsätzlich die Glaubwürdigkeit und Ehre des Betroffenen verletzt“247 – die Fälle in der Literatur teilweise als Fallgruppe der Verletzung des Ehrgefühls aufgeführt.248 In einem Urteil des DG Tokyo werden Ehre und Ehrgefühl vermischt, indem einerseits angeführt wird, es werde der Eindruck erweckt, eine bekannte, mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Autorin schreibe ihre Werke nicht selbst, sondern es handele sich ausschließlich um Werke ihres Mannes, was „einer vollständigen Negierung ihrer gesellschaftlichen Achtung gleichkomme“ und ihr „Ehrgefühl heftig verletze“, 249 andererseits aber daraus geschlossen wird, dass dies ihre „gesellschaftliche Glaubwürdigkeit (Shakai teki shinyô) herabsetze“,250 was eigentlich bedeuten müsste, dass eine Ehrverletzung vorliegt. Im Fall einer Abbildung des schon mehrfach erwähnten Box-Managers mit der großformatigen Überschrift „Das Gesicht als lebendes Abbild des Bösen“ (Kao wa aku no rirekisho) erfolgt ebenfalls eine Verwischung der Anwenbildet, der mit Wasser gefüllt ist; oft wird es als Wesen dargestellt, das bösartige Scherze an Menschen verübt oder sie zum Ertrinken bringt. 242 DG Nagoya, Urteil vom 26.09.1994, in: Hanji 1525, 99 (101); 300.000 Yen. 243 DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1987, in: Hanji 1281, 111 (118); 300.000 Yen. 244 DG Tokyo, Urteil vom 07.08.1971, in: Hanji 640, 5 (9); 200.000 Yen bzgl. einem der Beklagten, 150.000 Yen bzgl. einem zweiten. 245 DG Tokyo, Urteil vom 16.07.1990, in: Hanji 1380, 116 (118). 246 DG Tokyo, Urteil vom 27.11.1985, in: Hanji 1174, 34 (38). 247 DG Ôsaka, Urteil vom 30.07.1985, in: Hanta 560, 314 (317). 248 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 27. 249 DG Tokyo, Urteil vom 25.12.2001, in: Hanji 1792, 79 (87). 250 Ebda., S. 90. Zugestandene Summe: 300.000 Yen.
C. Der Schutz des „Ehrgefühls“
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dungsbereiche von Ehre und Ehrgefühl, indem eine öffentliche Beleidigung und Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung angenommen wird, aber keine Ehrverletzung, sondern eine schadensersatzpflichtige Verletzung des Ehrgefühls.251 Bei der Darstellung einer Zweifachmörderin (Fall „Serienmord an Gymnasiastin und Büroangestellter“) als Frau, die sich für ihre Ziele prostituiert und sich die Männer auch verfügbar zu machen weiß, wird sogar kumulativ zu einer Ehrverletzung eine Verletzung des Ehrgefühls angenommen.252! Der große Schmerz aufgrund einer erniedrigenden bzw. beleidigenden Behandlung ist ausschlaggebend für die Bejahung eines Schmerzensgeldes im Fall des vom Bahnhofsbediensteten beschimpften Rollstuhlfahrers253 oder auch im Fall der Bezeichnung als „Frosch-“ bzw. „Kappa-Gesicht“.254 Auch zum Fall „Der in Stein schwimmende Fisch“255 wird in der Literatur die Ansicht geäußert, mit der Verletzung des „Ehrgefühls“ sei eine Beleidigung gemeint.256
III. Bedeutung des Ehrgefühls für den Schutz der Privatsphäre Nach dem Bild, das so vom Schutzumfang des Ehrgefühls gewonnen wurde, stellt sich nun – entscheidend für das Thema der Arbeit – die Frage, welche Rolle das Ehrgefühl als geschütztes Interesse für den Schutz der Privatsphäre spielt. In der Vergangenheit, solange das Recht auf Puraibashî noch wenig ausgebildet war, hat man in der Literatur sogar zumindest vereinzelt die Auffassung vertreten, dass das Ehrgefühl in der Lage sei, den Schutz der Privatsphäre vollständig aufzufangen, und dass auf ein Recht auf Privatsphäre verzichtet werden könne.257 Diese Auffassung übersieht zum einen allerdings, dass neutrale Tatsachen über das Ehrgefühl nicht geschützt werden könnten – oder allenfalls dann, wenn man es als beschämend oder peinlich ansehen würde, dass überhaupt Informationen über die eigene Person verbreitet werden, was aber sehr konstruiert wäre –, und kann zum anderen auch durch die Entwicklung der Rechtsprechung, die mittlerweile das Puraibashî-Recht anerkannt hat, als überholt gelten. Der Fall um die Beschreibung des Verhaltens des inhaftierten Miura258 zeigt aber, dass zumindest ein Teil der Fälle, in denen Informationen ohne einen objektiv die Ehre beeinträchtigenden Charakter über eine Person ver251
DG Tokyo, Urteil vom 30.04.1986, in: Hanji 1223, 71 (78). OG Nagoya, Urteil vom 25.1.0.2000, in: Hanji 1735, 70 (83). 253 Vgl. die Formulierung des DG Ôsaka, Urteil vom 11.03.1999, in: Hanta 1055, 213 (224): „der seelische Schmerz, der dem Opfer dieser beleidigenden Behandlung entstanden ist, kann keinesfalls als gering bezeichnet werden“. 254 DG Nagoya, Urteil vom 26.09.1994, in: Hanji 1525, 99 (101): „eine Überschreitung des sozialüblich zu duldenden Maßes und als beleidigende Handlung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, das eine unerlaubte Handlung bildet“. 255 Ausführlicher zu dem Fall unten, Kap. 4, D.II., S. 85. 256 SHIGENORI MATSUI, in: Hôji 72 (2000) Nr. 4, S. 105. 257 SUGANO, in: Jurisuto 653 (1977), S. 66. 258 Siehe oben, Kap. 4, C.II., S. 80. 252
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
breitet werden, auch in der heutigen Praxis als Verletzung des Ehrgefühls betrachtet wird und zumindest ein Teil des Schutzes der Privatsphäre über das Ehrgefühl aufgefangen zu werden scheint.259 Dies erklärt auch, dass das Ehrgefühl teilweise überhaupt als Ausprägung des Rechts auf Privatsphäre verstanden wird.260 In der Regel handelt es sich aber bei den Fällen, in denen wegen einer Verletzung des Ehrgefühls Schadensersatz zugesprochen wurde, um erniedrigende Behandlungen oder schwere Beschimpfungen, also Handlungen, die den Betroffenen unmittelbar angreifen. Im Vergleich zu diesen Fällen der Erniedrigung oder Beschimpfung wird aufgrund einer bloßen Verbreitung von Tatsachen, die nicht einmal objektiv entehrend sind, selten ein so großer seelischer Schmerz des Betroffenen anzunehmen sein, dass man von einer Schadensersatzpflicht ausgehen könnte. In den Fällen des ehemaligen Fernseh-Stars und Politikers Ôhashi Kyosen oder der Religionsgemeinschaft Sôka Gakkai, die als Beispiele für eine Verbreitung privater Daten, denen ein objektiv das Ansehen mindernder Charakter abgesprochen wurde,261 angeführt wurden und die potentielle Anwendungsfälle des Ehrgefühls im privatsphären-relevanten Bereich sein könnten, wurden Verletzungen des Ehrgefühls vom Gericht nicht einmal in Erwägung gezogen.262 Ebenso wurde in den Fällen um die Sekten Alef oder Kôfuku no Kagaku, in denen die Annahme einer Ehrverletzung daran scheiterte, dass die Sekten von vornherein einen schlechten Ruf hatten, eine Verletzung des Ehrgefühls nicht in Betracht gezogen.263 Erklären lässt sich das nur damit, dass der Eingriff für nicht stark genug erachtet wird, so dass eine Schadensersatzpflicht wegen Verletzung des Ehrgefühls erst gar nicht in Frage kam, oder dass auf der Hand lag, dass eine Rechtfertigung durch öffentliche Interessen gegeben war. Tatsächlich spielt
259
Das ergibt sich zum Beispiel im Gegenschluss bei SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 174, Fn. 187, daraus, dass er für die Zukunft vorschlägt, die unter dem Begriff „Ehrgefühl“ geschützten Aspekte nicht mehr unter den Begriff des Ehrgefühls, sondern unter den Schutz der Puraibashî zu fassen. 260 So ist eine Ehrverletzung etwa nach IKUYO, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (1993), S. 87, „je nach Fallgestaltung und Sichtweise eine Art von Privatsphärenverletzung“. IGARASHI setzte die Verletzung des Ehrgefühls früher ebenfalls mit einer Privatsphärenverletzung gleich, vgl. I. Katô (Hrsg.), Chûshaku minpô 19 [Kommentar zum Zivilgesetzbuch Bd. 19] (1965), § 709 III, S. 185: „Heute dürften auch bei einer Verletzung des Ehrgefühls Rechtsbehelfe aufgrund einer Privatsphärenverletzung in Betracht kommen.“ Von dieser Auffassung ist er aber später wieder abgerückt, siehe IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 27, Fn. 9. 261 Siehe oben, Kap. 4, B.V.2., S. 71. 262 DG Tokyo, Urteil vom 21.09.2000, in: Hanta 1094, 181; DG Tokyo, Urteil vom 17.06.2002, in: Hanta 1120, 187. 263 OG Tokyo, Urteil vom 25.09.2002, in: Hanji 1813, 86; DG Tokyo, Urteil vom 20.12.1996, in: Hanji 1619, 104.
D. Das Puraibashî-ken
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das Ehrgefühl damit für den Schutz der Privatsphäre nur eine sehr untergeordnete Rolle.
D. Das Puraibashî-ken – Recht auf Privatsphäre D. Das Puraibashî-ken I. Überblick In diesem Kapitel wird nun zusammenfassend das Recht auf Puraibashî, die Privatsphäre, (Puraibashî-ken) vorgestellt, auf das in Abgrenzung zum Rechtsgut auf Ehre bereits mehrfach eingegangen wurde. Dabei wurde auch bereits angedeutet, dass Besonderheit des Puraibashî-Rechts ist, dass es sich um ein verhältnismäßig neues und nicht kodifiziertes Recht handelt, bei dem in vielen Fragen, insbesondere hinsichtlich der Rechtsnatur, der Voraussetzungen für einen Schutz sowie hinsichtlich des Umfangs der zulässigen Einschränkungen, noch Unsicherheiten und Unklarheiten bestehen.264 In diesem Abschnitt D. wird daher zunächst die Entwicklung des Rechts auf Puraibashî in Japan, die sich bis heute prägend auf Stellung und Bedeutung dieses Rechts auswirkt, aufgezeigt (II.) und dann auf problematische Fragen zur Rechtsnatur (III.), zu den Voraussetzungen für einen Schutz (IV.) sowie zu den Anforderungen an die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Recht (V.) eingegangen. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung im Hinblick auf den Vergleich mit Deutschland (VI.). II. Entwicklung des Puraibashî-Rechts in Japan Als erster Fall, der ein Recht auf Puraibashî behandelt, gilt der Fall um den Roman „Nach dem Bankett“ („Utage no ato“) des bekannten japanischen Schriftsteller Yukio Mishima aus dem Jahre 1964.265 Mishima beschreibt darin den Wahlkampf eines Kandidaten für die Wahlen zum Stadtpräfekten von Tokyo, für den ein real existierender Politiker Modell stand. Im Mittelpunkt des Romans stehen dabei nicht nur die politischen Umstände, sondern das Buch enthält darüber hinaus detaillierte Schilderungen über das Eheleben der Hauptfigur und seine Beziehung zur Ehefrau. Dieser lernt darin seine Ehefrau als Inhaberin eines noblen Hotelrestaurants kennen, das als Treffpunkt für Politik und Wirtschaft fungiert, und heiratet sie. Als Ehefrau spielt diese dann eine maßgebliche Rolle im Wahlkampf, der zunächst äußerst erfolgreich verläuft. Eine Schmutzkampagne von Konkurrenten, in der ein Mann aus ihrer Vergan264 SHIGENORI MATSUI, in: Hôsemi 404 (1988), S. 37; MATSUMOTO, in: Hanhyô 500 (2000), S. 40 = Hanji 1718, S. 218; TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 7 ff.; YAMAGUCHI, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/ puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 153. 265 DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317. Dazu in deutscher Sprache auch HIRAMATSU, in: ZUM 1984, 27; MURAKAMI/ESCHER-WEINGART, in: KritV 1994, 138 ff.
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
genheit sie als skrupellose, Männer ausnutzende und manipulierende Frau darstellt, führt aber schließlich mit zum Scheitern des Kandidaten. Am Ende scheitert auch die Ehe und die beiden gehen wieder getrennte Wege.
Das DG Tokyo, das über diesen Fall zu entscheiden hatte, sah das „Puraibashî-ken“ des im Roman nachgebildeten Politikers als Recht, „das vor einer Öffentlichmachung des Privatlebens schützt“,266 als verletzt an. Damit erkennt es die Existenz eines Puraibashî-Rechts wörtlich und ausdrücklich an, was schon damals als wegweisende Neuentwicklung begrüßt wurde.267 In diesem Fall blieb es dann allerdings bei dieser erstinstanzlichen Entscheidung, da der Fall vor dem Berufungsgericht verglichen wurde. Der erste Schritt in Richtung einer höchstinstanzlichen Anerkennung des Rechts auf Puraibashî erfolgte 1981 in einem Fall, in dem sich der Kläger gegen die Preisgabe von Informationen über Vorstrafen durch die Stadt Kyoto wandte.268 Während das OG ähnlich dem DG im Fall „Nach dem Bankett“ wörtlich anerkannt hatte, dass „jedem bezüglich Tatsachen, die seine Ehre, Glaubwürdigkeit und Privatsphäre betreffen, das Recht zukommt, sein Leben zu führen, ohne dass diese unberechtigt an Dritte weitergegeben werden“,269 sieht der OGH in der Veröffentlichung von Vorstrafen nur „eine rechtswidrige Ausübung hoheitlicher Macht“ und verwendet nicht einmal den Begriff der „Puraibashî“.270 Er verweigerte also die Anerkennung eines Rechts auf Puraibashî. Nur Richter Itô gesteht in einem ergänzenden Votum jedem Individuum „einen Schutz solcher Informationen, von denen er nicht will, dass sie Dritten bekannt werden, als Privatsphäre desjenigen“ zu und sieht Informationen über Vorstrafen als „eine der Informationen aus der Privatsphäre eines Individuums, die man am meisten vor anderen Personen verborgen halten möchte“, an. Er ordnet den Fall also als Verletzung der Puraibashî ein.271 Deutlicher wird der OGH im Fall um den Roman „Gyakuten“ [wörtlich: „Wendung ins Gegenteil“],272 den der OGH 1994 zu entscheiden hatte und in dem es erneut um Vorstrafen ging. In dem Roman, der sich mit einem Gerichtsverfahren auf der von den Amerikanern besetzten Insel Okinawa beschäftigt, wurden die Angeklagten, denen eine Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen worden war und die dann letztlich nur wegen Körperverletzung verurteilt wurden, namentlich genannt. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen, die ausdrücklich einen Eingriff in das „Recht auf Privat266
DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2362). Siehe etwa ITÔ, in: Jurisuto 309 (1964), S. 47. 268 OGH, Urteil vom 14.04.1981, in: Minshû Bd. 35 Nr. 3, 620. 269 OG Ôsaka, Urteil vom 21.12.1976, in: Hanji 839, 55 (58). 270 OGH, Urteil vom 14.04.1981, in: Minshû Bd. 35 Nr. 3, 620 (622 f.). 271 Ebda., S. 623 f. 272 Zu diesem Fall auch deutschsprachig NAKAMURA, in: UFITA 2002, 791 ff. 267
D. Das Puraibashî-ken
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sphäre“ (Puraibashî-ken) 273 bzw. die „Privatsphäre“ als „geschütztes Interesse“274 annahmen, vermeidet der OGH in seinem Urteil wieder die ausdrückliche Anerkennung eines Puraibashî-Rechts. Er führt jedoch aus, dass jedem Vorbestraften mit Ablauf der Zeit die Resozialisierung ermöglicht werden müsse und er daher Schutz davor genieße, durch die Veröffentlichung der Vorstrafe an der ungestörten Wiederaufnahme eines neuen Leben gehindert zu werden.275 Statt von einem Schutz der „Puraibashî“ spricht der OGH von einem „Interesse, dass Vorstrafen nicht veröffentlicht werden“, unter Hinweis darauf, dass dies „Auswirkungen auf die Ehre bzw. die Glaubwürdigkeit hat“. In der Sache bedeutet dies jedoch die Anerkennung eines Puraibashî-Rechts von Vorbestraften, und das Urteil wird daher als wegweisend für die Geschichte des Puraibashî-Schutzes angesehen.276 Ausdrücklich den Begriff der Puraibashî verwendet der OGH schließlich erstmals im Jahr 2002 in einem Rechtsstreit um die Zulässigkeit des Romans „Ishi ni oyogu sakana“ [„Der in Stein schwimmende Fisch“]. Dieser Roman mit biographischen Zügen zeichnet das Leben einer in Japan geborenen Koreanerin nach und schildert, wie diese unter schweren Vorbedingungen – unter anderem ist das Gesicht der Hauptperson von Geschwulsten gezeichnet, ihr Vater vorbestraft – ihr hartes Leben meistert. Im Anschluss an die Vorinstanzen nahm der OGH hier eine Verletzung von Ehre, Ehrgefühl und Puraibashî an.277 Seither hat der OGH auch in weiteren Fällen eine Verletzung der Puraibashî angenommen.278 III. Rechtsnatur des Rechts auf Puraibashî Damit kann heute unzweifelhaft als anerkannt gelten, dass die Puraibashî als solche grundsätzlich rechtlichen Schutz genießt.279 Es bleibt aber zunächst die Frage nach der Rechtsnatur des Schutzguts, die immer noch zumindest nicht in dem Maße klar ist wie beim Recht auf Ehre. Denn wie im Rahmen der Darstellung der zivilrechtlichen Grundlagen erläutert wurde, erlaubt das 273
DG Tokyo, Urteil vom 20.11.1987, in: Hanji 1258, 22 (31). OG Tokyo, Urteil vom 05.09.1989, in: Hanji 1323, 37 (43). 275 OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 140 (153 f). 276 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 202. Dazu, warum nicht davon auszugehen ist, dass das Gericht eine Ehrverletzung annimmt, siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., e, S. 51 f. 277 OGH, Urteil vom 24.09.2002, in: Hanji 1802, 60 (63). 278 So etwa OGH, Urteil vom 14.03.2003, in: Minshû Bd. 57 Nr. 3, 229 (232 f.) zur Preisgabe von Details über das Privatleben eines Straftäters oder Straftatverdächtigen im Rahmen der Berichterstattung über die Straftat; OGH, Urteil vom 12.09.2003, in: Minshû Bd. 57 Nr. 8, 973 (977) zur Preisgabe von persönlichen Daten wie Name, Adresse oder Telefonnummer einer Person. 279 Gegen den Begriff etwa SUGANO, in: Jurisuto 653 (1977), S. 66, was aber als veraltet gelten kann, siehe schon oben, Kap. 4, C.III., S. 81 f. 274
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
japanische Deliktsrecht eine Schadensersatzpflicht sowohl bei der Verletzung von Kenri [absoluten Rechten] als auch von bloßen geschützten Rieki [Interessen],280 und beim Schutz der Puraibashî ist nicht immer klar, ob diese als vollwertiges Recht anerkannt ist oder nur als Interesse geschützt wird. So ist in der Rechtsprechung der Begriff des Puraibashî-„ken“ [„Recht“ auf Puraibashî] und damit die auch begriffliche Anerkennung als vollwertiges Recht zwar verbreitet,281 und auch in der Literatur besteht überwiegend Übereinstimmung hinsichtlich einer Anerkennung als Kenri.282 Zum Teil wird in der Rechtsprechung allerdings der Begriff des Kenri vermieden und die Puraibashî nur als geschütztes Rieki [Interesse] bezeichnet.283 Diese teilweise Zurückhaltung in begrifflicher Hinsicht scheint aber jedenfalls nicht dazu zu führen, dass dadurch eine bestimmte Rechtsfolge ausgeschlossen oder der Schutz auf sonstige Weise verkürzt würde. Insbesondere werden auch Unterlassungsansprüche, bei denen die Unterscheidung zwischen Kenri und Rieki relevant werden könnte, bei Privatsphärenverletzungen von Gerichten, die nur von einem Rieki sprechen, gleichermaßen anerkannt284 wie bei Gerichten, die ausdrücklich den Begriff des Kenri verwenden.285 Zumindest in theoretischer Hinsicht führt dies aber zu Unsicherheiten. Denn bei nicht als Kenri anerkannten Interessen ist ein Anspruch auf Unter-
280
Siehe oben, Kap. 3, B., S. 33 ff. DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2362) („Nach dem Bankett“); OG Ôsaka, Urteil vom 21.12.1976, in: Hanji 839, 55 (58); DG Tokyo, Urteil vom 20.11.1987, in: Hanji 1258, 22 (31); DG Tokyo, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1715, 76 (83 ff.) und OG Tokyo, Urteil vom 25.12.2000, in: Hanji 1743, 130 (133); OG Tokyo, Urteil vom 31.03.2004, in: Hanji 1865, 12 (16 f.); DG Tokyo, Urteil vom 31.03.2006, in: Hanta 1209, 60 (66 ff.). 282 Schon dem OGH im Fall „Nach dem Bankett“ zustimmend ITÔ, in: Jurisuto 309 (1964), S. 48; siehe ferner etwa TAKEDA, in: Jiyû to seigi 45 (1994) Nr. 8, S. 12; DERS., in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 171; UCHIDA, in: Hanta 1188 (2005), S. 78 f. 283 OG Tokyo, Urteil vom 05.09.1989, in: Hanji 1323, 37 (43) sowie OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 140 (153 f) im Fall „Gyakuten“; OGH, Urteil vom 05.09.1995, in: Hanji 1546, 115 (117); DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (103); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (78 f.); DG Tokyo, Urteil vom 05.10.2001, in: Hanji 1790, 131 (136 f.); DG Tokyo, Urteil vom 14.03.2005, in: Hanji 1893, 54 (73). OGH, Urteil vom 12.09.2003, in: Minshû Bd. 57 Nr. 8, 973 (976) lässt die Rechtsnatur offen und spricht von „Recht bzw. Interesse an Privatsphäre“. Nur von „Privatsphärenverletzung“ (Puraibashî shingai) spricht OG Nagoya, Urteil vom 12.05.2004, in: Hanji 1870, 29 (36 ff.). 284 DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (103); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanja 1686, 68 (78 f.). 285 DG Kôbe, Abt. Amanosaki, Urteil vom 12.02.1997, in: Hanji 1604, 127 (129). 281
D. Das Puraibashî-ken
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lassung nicht gesichert,286 und es wird auch in der Literatur zum Teil an Urteilen, die Unterlassungsansprüche bei Puraibashî-Verletzungen bejahen, dahingehend Kritik geübt, dass angesichts der gravierenden Wirkungen und der Unklarheit des Puraibashî-Begriffs dies zu leichtfertig und ohne hinreichende Erklärung und Begründung erfolge.287 Damit kann festgehalten werden, dass die Puraibashî in der Sache wie ein vollwertiges Recht behandelt wird, wenn auch die Einordnung in begrifflicher Hinsicht noch mit Unsicherheiten verbunden ist.288 In dieser Arbeit werde ich daher auf der Grundlage der These, dass der Rechtscharakter der Sache nach unproblematisch ist, stets vom „Puraibashî-ken“ sprechen. IV. Inhalt des Schutzes der Puraibashî 1. Geschützte Aspekte im Allgemeinen Das Puraibashî-ken wird, wie bereits erwähnt, als Persönlichkeitsrecht direkt aus Art. 13 JV hergeleitet,289 worin es dem deutschen Recht auf Privatsphäre gleicht, das ebenfalls als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts direkt aus der Verfassung hergeleitet wird. Das Puraibashî-ken ist aber weiter und hat ein klareres Profil als abgegrenztes Rechtsgut als das deutsche „Recht auf Privatsphäre“. Letzteres bildet nämlich einen weiteren Aspekt neben denen der Selbstkontrolle von persönlichen Informationen und dem Recht auf Selbstbestimmung über das eigene Bild in der Öffentlichkeit, die zwar teilweise miteinander verwandt und verzahnt sind bzw. sich überschneiden, in Deutschland aber zumindest theoretisch unterschieden werden. Dagegen umfasst das japanische Puraibashî-Recht als Oberbegriff alle diese Aspekte. So verstand man zunächst traditionell unter dem Recht auf Puraibashî das Recht, in seinem Privatbereich in Ruhe gelassen zu werden, und den Schutz vor der Preisgabe des Privatlebens in der Öffentlichkeit. 290 Dazu sind in neuerer Zeit jedoch Ansätze hinzugekommen, die das Puraibashî-ken mehr
286
So auch TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998),
S. 11.
287
TAJIMA, in: Hôji 75 (2003) Nr. 3, S. 109. TAJIMA, in: Hôji 75 (2003) Nr. 3, S. 109; TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 10 f. 289 ASHIBE/TAKAHASHI, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 5. Aufl. (2011), S. 120; ÎZUKA, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 129; TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 6; YAMAMOTO, in: Minshô 116 (1997), S. 646. 290 IGARASHI, in: Jinkakuken-ron [Lehre des Persönlichkeitsrechts] (1989), S. 198 f.; DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 205 f.; TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 169. 288
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
als ein Recht auf Selbstkontrolle der eigenen Daten291 oder als ein Selbstbestimmungsrecht292 auffassen wollen. Um das richtige Verständnis wird auch heute noch eine lebhafte Diskussion geführt, wobei sich die Auffassungen letztlich nicht gegenseitig ausschließen, sondern lediglich unterschiedliche Aspekte herausstellen.293 Der Schutz der Privatsphäre vor einer Berichterstattung wird vom Puraibashî-Recht auf jeden Fall erfasst, unabhängig davon, unter welchem dieser Aspekte man das Recht sieht, so dass auf eine nähere Betrachtung der Diskussion verzichtet werden kann.294 Allerdings zeigt die Uneinheitlichkeit im Verständnis des Inhalts des Puraibashî-ken wieder, dass dieses in vielerlei Hinsicht noch ungeklärt und die Anwendung mit Unsicherheiten behaftet ist.295 2. Kriterien Betroffen ist das Puraibashî-Recht, wenn es 1. um eine (wahre oder scheinbare) Tatsache aus dem privaten Leben geht, 2. bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Empfindlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Betreffende nicht will, dass die Tatsache verbreitet wird, und 3. es sich um eine der Öffentlichkeit noch unbekannte Tatsache handelt. Ferner muss der Betreffende die Veröffentlichung tatsächlich als negativ empfinden.296 Das Recht auf Puraibashî schützt nicht nur vor der Enthüllung von wahren Tatsachen, sondern auch davor, dass erfundene oder unwahre Dinge über das Privatleben verbreitet werden, wenn sie von der Allgemeinheit als Bericht
291 ÎZUKA, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 139; SHIGENORI MATSUI, in: Hôsemi 404 (1988), S. 37 ff.; MATSUMOTO, in: Hanhyô 500 (2000), S. 41 = Hanji 1718, S. 219; K. SATÔ, in: Itô (Hrsg.), Gendai songai baishô-hô kôza 2 [Lehrbuch des aktuellen Schadensersatzrechts 2] (1972), S. 61. 292 YAMADA, in: Shiji to jiko kettei [Privatsache und Selbstbestimmung] (1987). 293 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 206, etwa folgt dem klassischen Ansatz, ohne dass er die Ansätze als Selbstbestimmungs- oder Selbstkontrollrecht ausschließen möchte. Überblick über die Ansätze bei SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 196 ff. 294 Daher bleibt IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), etwa auch beim klassischen Ansatz, ohne sich auf eine Diskussion einzulassen, S. 206. Ausführlicher in näherer Zeit zum Begriff der Puraibashî MIZUNO, in: NBL 936 (2010), S. 29 ff. 295 So auch TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 9. 296 SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 197; UCHIDA, in: Hanta 1188 (2005), S. 52; YAMAGUCHI, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 154 f.; DG Tokyo, Urteil vom 31.03.2006, in: Hanta 1209, 60 (66).
D. Das Puraibashî-ken
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über das Privatleben aufgefasst werden können, da hier in gleicher Weise wie bei einer wahren Berichterstattung der Friede des Privatlebens gestört wird.297 3. Fallgruppen Die wesentlichen Fallgruppen, die unter den Schutz der Puraibashî fallen, wurden oben im Rahmen der Abgrenzung zum Anwendungsbereich der Ehre bereits dargestellt: Dazu gehören im Wesentlichen persönliche Informationen über eine Person wie der Name,298 Abstammung, Werdegang, Charakter und familiärer Hintergrund,299 Daten wie Adresse oder Telefonnummer300 oder die persönlichen Finanzen, 301 ferner Informationen über Vorstrafen 302 und das Eheleben303 sowie intime Details.304 Auch die Veröffentlichung von Teilen eines Briefes greift in die Puraibashî ein.305 297 So schon das DG Tokyo, im Fall „Nach dem Bankett“, bei dem die intimen Details auf Fiktion beruhten, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9 S. 2317 (2357 f.); siehe ferner etwa SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 196 f. Kritisch dagegen KAMIYA, in: Hôji 73 (2001) Nr. 4, S. 82, die den Anwendungsbereich von Ehre und Privatsphäre so abgrenzen möchte, dass gegen unwahre Behauptungen die Ehre greift und gegen wahre Behauptungen die Privatsphäre. 298 DG Saitama, Urteil vom 26.01.2011, in: Hanta 1346, 185 (190). 299 DG Tokyo, Urteil vom 06.09.1991, in: Hanta 788, 242 (245) zu familiären Beziehungen und zum Werdegang einer Person; DG Kôchi, Urteil vom 30.03.1992, in: Hanta 788, 213 (228) zur Abstammung; OG Tokyo, Urteil vom 22.09.1999, in: Hanta 1037, 195 (197) zum Lebenslauf und zum Werdegang; OG Tokyo, Urteil vom 25.12.2000, in: Hanji 1743, 130 (133) ebenfalls zum Werdegang; OG Nagoya, Urteil vom 25.10.2000, in: Hanji 1735, 70 (81) zur Charakterisierung einer Person mit ihrer psychischen Labilität und ihrem hohen IQ. 300 DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (101 f.); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (77); DG Tokyo, Urteil vom 21.01.2009, in: Hanji 2039, 20 (24) auch zum Namen und zur Adresse des Ehepartners. 301 DG Tokyo, Urteil vom 05.09.1994, in: Hanta 891, 168 (172) zur Information, dass jemand Beamtenrente bezieht; OG Tokyo, Urteil vom 18.07.2001, in: Hanji 1751, 75 (78) zu Informationen über Einkommen und Haushaltung. 302 OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 149 (152), wenn auch nicht ausdrücklich, siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., e, S. 51 f.; DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1992, in: Hanji 1424, 72 (73), bestätigt durch OG Tokyo, Urteil vom 21.12.1992, Hanji 1446, 61 (63); DG Tokyo, Urteil vom 23.07.1993, in: Hanta 840, 167 (171); DG Ôsaka, Urteil vom 29.05.2001, in: Hanji 1766, 64 (69). Anders Einstufung als Ehrverletzung etwa nur DG Ôita, Urteil vom 11.03.1987, in: Hanji 1234, 123 (128), dazu bereits oben, Kap. 4, B.IV.1., e, S. 52. 303 DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2356 ff.) („Nach dem Bankett“); DG Tokyo, Urteil vom 22.09.1993, in: Hanta 843, 234 (236); DG Tokyo, Urteil vom 05.10.2001, in: Hanji 1790, 131 (136). Ehre und Privatsphäre werden dagegen als betroffen angesehen vom DG Tokyo, Urteil vom 15.07.1974, in: Hanji 777, 60 (66). 304 DG Tokyo, Urteil vom 31.03.2006, in: Hanta 1209, 60 (66 ff.); DG Tokyo, Urteil vom 23.05.2006, in: Hanji 1961, 72 (79 ff.). 305 OG Nagoya, Urteil vom 19.03.2010, in: Hanji 2010, 20 (29).
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
Sonstige Enthüllungen über das Beziehungsleben werden dagegen meist ausschließlich als Ehrverletzung behandelt. Auch wenn das Puraibashî-Recht in den ehrrelevanten Fällen oft gar nicht erwähnt wird, kann man aber davon ausgehen, dass die Tatsachen grundsätzlich vom Schutzbereich der Puraibashî erfasst werden und nur aufgrund ihrer Subsidiarität in vielen Fällen unerwähnt bleiben. Dafür, dass das Beziehungsleben grundsätzlich als zur geschützten Puraibashî zugehörig verstanden wird, spricht nämlich, dass, wie im Zusammenhang mit der Darstellung des Ehrenschutzes aufgezeigt wurde, in manchen, wenn auch nur wenigen Fällen, das Recht auf Puraibashî ganz selbstverständlich neben der Ehre angewandt wird,306 ferner zum Teil der Gedanke des Privatsphärenschutzes mit dem des Ehrenschutzes vermischt wird,307 und zum Teil auch der Schutz der Ehre „der Sache nach“ als Schutz der Privatsphäre verstanden, also im Grunde mit diesem gleichgesetzt wird.308 Wie schon im Kapitel zum Ehrenschutz erwähnt,309 fällt die namentliche Berichterstattung über aktuelle Straftaten oder über den Verdacht einer Straftat klassischerweise in den Anwendungsbereich des Rechts auf Ehre. Hier hat jedoch ein OG im Jahre 2008 in ganz ähnlicher Argumentation wie die Rechtsprechung zum Schutz vor der Veröffentlichung von Vorstrafen anerkannt, dass es „als von einer Ehrverletzung zu unterscheidendes Problem“ ein Recht gibt, dass über die eigene Verhaftung „nicht einfach unter Nennung des Namens berichtet wird“, weil „die Tatsache, dass jemand verhaftet worden ist, eine private Tatsache ist, die sich direkt auf die soziale Achtung der Person auswirkt“. Mit diesem Urteil wird die Verbreitung eines aktuellen Straftatverdachts also ebenfalls dem Bereich der Puraibashî zugeordnet.310 4. Schutz bezüglich wertneutraler Tatsachen Einen entscheidenden Unterschied im Schutzumfang des Puraibashî-ken im Vergleich zum Ehrenschutz stellt es dar, dass durch den Puraibashî-Schutz auch wertneutrale Tatsachen erfasst werden. Dies ist zwar eine Selbstverständlichkeit, ist für Japan aber erwähnenswert, da lange Zeit die Ehre die zentrale Rolle als Schutzinstrument gespielt hat und daher ein Schutz für wertneutrale Tatsachen erst mit der Entwicklung des Puraibashî-Rechts in neuerer Zeit gewährleistet wurde. Zum Teil hatten sich die Medien auf die Wertneutralität einer verbreiteten Tatsache berufen und geltend gemacht, dass 306
Siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., a, S. 45 f., d, S. 49, sowie zusammenfassend B.IV.2., c, S. 59 und B.IV.3., c, S. 61 f. 307 Siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., a, S. 45 f., d, S. 49 sowie zusammenfassend B.IV.2., c, S. 59 und B.IV.3., c, S. 61 f. 308 Siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., a, S. 46, Kap. 4 Fn. 29. 309 Siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., e, S. 49 ff. 310 OG Fukuoka, Abt. Naha, Urteil vom 28.10.2008, in: Hanji 2035, 48 (49), siehe schon oben, Kap. 4, B.IV.1., e, S. 51.
D. Das Puraibashî-ken
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ihre Veröffentlichung keine Rechtsverletzung darstelle, weil sie die gesellschaftliche Achtung der Betroffenen nicht berühre. Die Rechtsprechung hat hierzu ausdrücklich entschieden, dass für die Annahme einer Puraibashî-Verletzung im Gegensatz zu den Fällen einer Ehrverletzung ein solches Herabsetzen der Achtung gerade nicht erforderlich ist,311 und hat damit den Schutz bezüglich wertneutraler Tatsachen anerkannt. V. Rechtfertigung von Eingriffen in das Puraibashî-ken durch öffentliche Interessen Wie auch bei der Ehre kann ein Eingriff in das Puraibashî-Recht gerechtfertigt sein, wenn überwiegende Allgemeininteressen daran bestehen, dass eine Information der Öffentlichkeit erfolgt.312 Darüber, wie genau diese Abwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Einzelnen und den Informationsinteressen der Allgemeinheit stattzufinden hat, herrscht noch keine Einigkeit. Zum Teil werden konkrete Kriterien zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung im Hinblick auf das Puraibashî-ken aufgestellt, die an die Rechtfertigungskriterien bei einer Ehrverletzung angelehnt sind. Ein Eingriff in die Puraibashî ist nach diesem Ansatz zulässig, wenn ein öffentliches Interesse an der Information besteht und wenn die Veröffentlichung ihrem Inhalt und Zweck nach angemessen ist.313 In der Regel wird allerdings bei Verletzungen des Puraibashî-Rechts eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen, ohne dass eine Kanalisierung der Abwägung durch bestimmte vorgegebene Prüfungskriterien erfolgt.314 Zu berücksichtigen sind bei dieser Abwägung unter anderem: der Grad der Geheimhaltung, den man in der betreffenden Angelegenheit erwarten kann; der Grad der Rechtsverletzung 311
DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1989, in: Hanji 1319, 132 (138) (Fall „Yuri Inoue“). IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 223 ff.; SHIGENORI MATSUI, in: Masu media-hô nyûmon [Einführung in das Recht der Massenmedien], 4. Aufl. (2008), S. 146 ff.; YAMAGUCHI, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 164; so auch der Ansatz der Rechtsprechung, OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 149 (152 ff.) („Gyakuten“); OGH, Urteil vom 14.03.2003, in: Minshû Bd. 57 Nr. 3, 229 (233). 313 MURAKAMI, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 212 ff.; TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 199; OG Tokyo, Urteil vom 21.12.1992, in: Hanji 1446, 61 (63); DG Kôchi, Urteil vom 30.03.1992, in: Hanta 788, 213 (229). 314 So etwa DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (100); OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 149 (153) („Gyakuten“); OGH, Urteil vom 14.03.2003, in: Minshû Bd. 57 Nr. 3, 229 (233). 312
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
durch die Veröffentlichung; das Vorliegen besonderer Umstände wie ein eigenes Hervortreten an die Öffentlichkeit, das als Verzicht auf den Schutz der Privatsphäre verstanden werden kann; oder der Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Handeln des Betroffenen. 315 Speziell bei der Veröffentlichung von Vorstrafen sind ferner insbesondere die Lebensweise des Betroffenen nach der Verurteilung, die historische und gesellschaftliche Bedeutung der Tat selbst, die Bedeutung der an der Tat Beteiligten, die gesellschaftlichen Aktivitäten und der gesellschaftliche Einfluss des Betroffenen sowie Zweck und Art des Berichts zu berücksichtigen.316 Zu der Frage, wie sich die unterschiedlichen Ansätze im Ergebnis auswirken, wird der Ansatz über die konkreten, an den Ehrenschutz angelehnten Kriterien meist als meinungsfreiheits-freundlicher angesehen als die allgemeine Abwägung.317 Die oben genannten Prüfungskriterien werden nämlich so verstanden, dass eine Berichterstattung quasi automatisch zulässig ist, wenn nur das erforderliche öffentliche Interesse gegeben ist. Bei der Gesamtabwägung soll dagegen auch in Fällen eines bestehenden öffentlichen Interesses die Berichterstattung nur dann zulässig sein, wenn dieses im Rahmen der Abwägung mit den entgegenstehenden Persönlichkeitsinteressen des Betroffenen auch überwiegt. Der Ansatz zur Prüfung über die Ehrkriterien wird daher auch vor allem von denjenigen Ansichten befürwortet, die der Meinungsfreiheit mit der Begründung eine Vorrangstellung einräumen wollen, dass ihr als notwendigem Bestandteil der demokratischen Grundordnung eine privilegierte Stellung innerhalb der Grundrechte – und damit auch im Rahmen der Abwägung mit den Persönlichkeitsinteressen, die durch eine Berichterstattung berührt werden – zukomme (Hyôgen no jiyû no yûetsu-sei [Privilegiertheit der Meinungsfreiheit]).318 Allerdings wird zum Bildnisrecht, wo es in ganz ähnlicher Weise wie beim Puraibashî-Recht sowohl den Ansatz einer Gesamtabwägung als auch Ansätze zur Formulierung konkreter Prüfungskriterien gibt, genau umgekehrt die Einschätzung geäußert, dass die Gesamtabwägung meinungsfreundlicher sei.319 Das deutet darauf hin, dass sich letztlich allein aus der Vorgehensweise bei der Abwägung nicht auf die Gewichtung der Interessen schließen lässt. Denn auch bei einer in konkrete Prüfungskriterien eingekleideten Abwägung spielen in jedem Schritt Wertungsfragen eine entscheidende Rolle, und insbe315
DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (100). OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 149 (153) („Gyakuten“); OGH, Urteil vom 14.03.2003, in: Minshû Bd. 57 Nr. 3, 229 (233). 317 So MURAKAMI, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 212; TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 195. 318 TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 195, 199. 319 Siehe unten, Kap. 4, E.VI., S. 105. 316
D. Das Puraibashî-ken
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sondere das Kriterium des „Vorliegens eines öffentlichen Interesses“ erfordert in sich schon eine Abwägungsentscheidung. So kann beispielsweise am Privatleben eines Politikers oder Prominenten das Vorliegen eines „öffentlichen Interesses“ jeweils mit genau so guten Argumenten bejaht oder verneint werden. Auch zu den Rechtfertigungskriterien kann damit wieder festgehalten werden, dass der Schutz des Puraibashî-ken im Vergleich zur Ehre Uneinheitlichkeiten und Unsicherheiten aufweist.320 Konkrete Fälle werden, wie schon erwähnt, später in einem eigenen Kapitel für alle Rechtsgüter gemeinsam vorgestellt.321 VI. Zusammengefasst: Bedeutung des Puraibashî-Rechts in Japan Die Analyse des Puraibashî-ken in diesem Kapitel hat das im Kapitel zum Ehrenschutz gefundene Ergebnis zum Verhältnis von Ehren- und PuraibashîSchutz bestätigt. Das Puraibashî-Recht spielt in Japan eine untergeordnete Rolle. Dies ist aber nicht Ausdruck einer Geringschätzung der Privatsphäre als Raum, in dem der einzelne sich frei entwickeln kann. Vielmehr spricht viel dafür, dass die untergeordnete Rolle zu einem großen Teil aus der historischen Entwicklung herrührt. Da der kodifizierte und daher auch frühzeitig etablierte Ehrenschutz wesentliche Bereiche des Privatsphärenschutzes bereits abdeckte, konnte man es sich gewissermaßen leisten, das PuraibashîRecht zu vernachlässigen. In der Folge ist der Puraibashî-Schutz immer noch weniger entwickelt als der Ehrenschutz und bietet weniger Klarheit hinsichtlich dogmatischer Einordnung, Inhalt und Umfang, was es verständlich macht, dass das Puraibashî-Recht immer noch eher zurückhaltend angewandt wird. Andererseits bedeutet die späte Entwicklung des Puraibashî-ken, dass lange Zeit ein Schutz vor der Verbreitung wertneutraler Tatsachen kaum gegeben und insofern auch das Bewusstsein für ein Schutzbedürfnis unterentwickelt war.322 Wie auch schon bei der Analyse des Ehrenschutzes festgestellt wurde, sind also in Deutschland und Japan Wertungsunterschiede 320 Vgl. TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 13; YAMAGUCHI, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 164. Siehe auch IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 224, der offenlässt, ob die in der Rechtsprechung bisher genannten Kriterien für alle Fälle von Privatsphärenverletzungen Geltung beanspruchen können, also offenbar Zweifel daran hat, dass es schon allgemeingültige Kriterien gibt. 321 Siehe unten, Teil 5, S. 125 ff. 322 So schreibt etwa im Jahr 1989 IGARASHI, dass das Bewusstsein für Persönlichkeitsrechte in Japan unterentwickelt ist, siehe Jinkakuken-ron [Lehre des Persönlichkeitsrechts] (1989), S. 140 f.
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
zumindest in gradueller Hinsicht vorhanden, wobei sich auch im japanischen Recht in den letzten Jahren die Tendenz zu einer zunehmenden Anwendung des Aspekts der Puraibashî und damit ein wachsendes Bewusstsein für das Erfordernis, die individuelle Freiheitssphäre unabhängig von den Auswirkungen auf die gesellschaftliche Position zu schützen, zeigt.
E. Das Bildnisrecht E. Das Bildnisrecht I. Überblick Wie schon in der Übersicht über die zivilrechtlichen Grundlagen des Privatsphärenschutzes erwähnt, ist das Bildnisrecht (Shôzô-ken) im japanischen Recht im Gegensatz zum deutschen nicht kodifiziert, wurde jedoch – nach deutschem Vorbild – von der Rechtsprechung in einer der deutschen Rechtslage sehr ähnlichen Weise entwickelt. Im Folgenden wird zunächst diese Entwicklung des Bildnisrechts (II.), dann der Streit um dessen dogmatische Einordnung (III.) und weiter der Inhalt des Bildnisrechts (IV.) dargestellt. Dann werden zunächst die genauen Anforderungen an die Einwilligung in eine Verbreitung von Bildnissen und die Unterschiede zum deutschen Recht betrachtet (V.). Aufgrund einer möglicherweise im Wandel befindlichen Rechtsprechung aktuell von größerem Interesse ist allerdings die Frage, wann wegen überwiegender Informationsinteressen der Allgemeinheit auch bei fehlender Einwilligung eine Veröffentlichung zulässig ist (VI.). Einen Schwerpunkt setze ich auf die Erörterung des Verhältnisses des Bildnisrechts zu den anderen Rechtsgütern, insbesondere zur Ehre, wo sich, wie bereits angedeutet,323 ein grundlegender Unterschied in der Bedeutung von Streitfällen um Bilder zwischen Deutschland und Japan beobachten lässt (VII.). II. Herleitung des Bildnisrechts Grundlage des Bildnisrechts (Shôzô-ken) in Japan bildet die im verfassungsrechtlichen Überblick erörterte Vorschrift des Art. 13 JV. Die Entwicklung des Rechts ging in Japan dabei zunächst vom Strafrecht aus, und zwar im Zusammenhang mit Fällen, in denen Demonstranten, die durch Polizisten gefilmt worden waren und mit Gewalt versucht hatten, das Filmen zu verhindern, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vor Gericht standen. Nachdem sich bereits verschiedene unterinstanzliche strafgerichtliche Urteile mit einem Bildnisrecht beschäftigt hatten, brachte im Jahr 1969 erstmals der OGH in einem solchen Demonstranten-Fall zum Ausdruck, dass man, „unabhängig davon, ob man dies als Bild323
Siehe Kap. 4, B.IV.1., h, S. 56 f.
E. Das Bildnisrecht
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nisrecht bezeichnet oder nicht“, es wenigstens „als Verstoß gegen Art. 13 JV und als unzulässig ansehen muss, wenn Polizisten Aufnahmen einer Person anfertigen, ohne dass ein berechtigter Grund dafür besteht“, da „als Teil der Gewährleistung des Privatlebens eines Individuums“ jedem die Freiheit zukommen müsse, „dass nicht ohne sein Einverständnis einfach sein Gesicht oder seine äußere Gestalt abgebildet wird“.324 Auch wenn ausdrücklich offenbleibt, ob es ein „Bildnisrecht“ im Sinne eines absolut geschützten Rechts gibt, und außerdem im konkreten Fall die Aufnahmen im Ergebnis für rechtmäßig befunden wurden, ist das Urteil insofern wegweisend, als es der Sache nach die Anerkennung eines Bildnisrechts durch den OGH bedeutet. Ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurden diese Grundsätze zum Schutz des Bildnisses auch in zivilrechtlichen Fällen angewandt. So wurde als erster zivilrechtlicher Fall im Fall „Mark Lester“, eigentlich einem klassischen Fall der Publicity-Rechts-Verletzung,325 ein Schutz davor anerkannt, dass Bildnisse einer Person „ohne deren Einverständnis […] den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt werden“.326 Damit hat man ein Recht geschaffen, das nach der grundsätzlichen Konstruktion dem deutschen Recht am Bild entspricht. III. Dogmatische Einordnung des Bildnisrechts Aufgrund der fehlenden Kodifizierung ist das „Recht“ am Bild aber – genauso wie auch das Puraibashî-Recht [Recht auf Privatsphäre] – in begrifflicher Hinsicht mit Unsicherheiten behaftet, und zwar lässt sich zum einen ein Zögern erkennen, das Bildnisrecht als ein vollwertiges absolut geschütztes Recht – mit allen dazugehörigen Rechtsbehelfen bei einer Verletzung – anzuerkennen, zum anderen, wie im nächsten Abschnitt besprochen wird,327 ein Zögern, den Bildnisschutz auf jede Art von Abbildung zu erstrecken. Was zunächst den Rechtscharakter betrifft, meidet es zumindest ein Teil der Rechtsprechung bis in die heutige Zeit, den Begriff des Shôzô-„ken“ zu verwenden und damit auch begrifflich das Bildnisrecht als vollwertiges Recht, d.h. als Kenri, anzuerkennen. Vereinzelt wird die Gleichwertigkeit mit den absolut geschützten dinglichen Rechten, die ein umfassendes Abwehrrecht gewähren, sogar ausdrücklich abgelehnt.
324
OGH, Urteil vom 24.12.1969, in: Keishû Bd. 23 Nr. 12, 1625 (1631) (Fall „Kyôto-fu gakuren“ [„Studentenvereinigung der Präfektur Kyoto“, d.i. die Bezeichnung der demonstrierenden Studentenvereinigung]). 325 Dazu unten, Kap. 4, F., S. 113 ff. 326 DG Tokyo, Urteil vom 29.06.1976, in: Hanji 817, 23 (33). Zu weiteren einzelnen Urteilen siehe die Erörterung zur dogmatischen Einordnung und zum Inhalt des Bildnisrechts, unten, Kap. 4, E.III., E.IV., S. 95 ff., 97 ff. 327 Kap. 4, E.IV., S. 97 ff.
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
So wurden in einem Fall um heimliche Aufnahmen der Freundin eines bekannten Schriftstellers in ihrer Wohnung (Fall „Yuri Inoue“ – nach dem Namen der Betroffenen nach der Heirat mit dem Schriftsteller, Hisashi Inoue) Maßnahmen zur Beseitigung der bereits erfolgten Verbreitung von Aufnahmen und zur Abwendung weiterer Beeinträchtigungen unter anderem sogar ausdrücklich aufgrund der Erwägung abgelehnt, dass „es sich nicht um ein so weit entwickeltes Recht handelt, dass man ihm eine genauso umfassende und vollständige Herrschaftsmacht zuschreiben kann wie einem dinglichen Recht“.328
Diese ausdrückliche Ablehnung bleibt ein Einzelfall, und überdies ist deren Bedeutung, wie sogleich noch einmal besprochen wird, fragwürdig. Dennoch ist in der Rechtsprechung auch sonst häufig nur die Rede von einem rechtlich anerkannten „Rieki“ [Interesse] des Einzelnen, dass er ohne sein Einverständnis „nicht einfach abgebildet wird“,329 oder es wird zumindest offengelassen, ob es sich um ein Kenri handelt.330 Zahlreiche Urteile erkennen jedoch ausdrücklich den Schutz eines „Bildnisrechts“ (Shôzô-ken) als „Recht“ (Kenri) des Einzelnen an.331 Auch in der Literatur scheint man übereinstimmend vom Bestehen eines solchen Kenri auszugehen.332 Da auch bei den den Begriff ablehnenden Urteilen daraus im Ergebnis keine Einschränkungen zu entstehen scheinen, 333 kann man das Recht der Sache nach wohl als anerkannt betrachten, wie auch beim Recht auf Puraibashî.334 Insbesondere kommt als Rechtsfolge bei Verletzungen neben einem Anspruch auf Schadensersatz grundsätzlich sowohl ein Wiederher-
328
OG Tokyo, Urteil vom 24.07.1990, in: Hanji 1356, 90 (92). Ältere Beispiele bilden etwa DG Tokyo, Urteil vom 15.06.1987, in: Hanji 1243, 54 (60), wobei hier das „Rieki“ am Schutz des Bildes als „Teil des Puraibashî-Rechts“ angesehen wird, also die Begrifflichkeiten in sich inkonsequent sind; DG Tokyo, Urteil vom 27.09.1991, in: Hanji 1411, 90 (92). Genauso geht die Rechtsprechung teilweise aber auch noch in neuerer Zeit vor, etwa: DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2005, in: Hanji 1927, 68 (73); OGH, Urteil vom 10.11.2005, in: Minshû Bd. 59 Nr. 9, 2428 (2433 f.). Nur für die Anerkennung eines Rieki in der Literatur etwa ÔTA, in: Jurisuto 1323 (2006), S. 172. 330 So etwa im Fall Mark Lester, DG Tokyo, Urteil vom 29.06.1976, in: Hanji 817, 23 (33). Das DG Tokyo, Urteil vom 05.09.2001, in: Hanji 1773, 104 (111) formuliert vorsichtig folgendermaßen: „Angenommen, man würde dies als Bildnis-Recht bezeichnen [...], würde die Verbreitung [...] eine Verletzung dieses Bildnis-Rechts darstellen“. 331 DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (100); OG Tokyo, Urteil vom 24.11.1993, in: Hanji 1491, 99 (101); DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2000, in: Hanta 1053, 152 (161); DG Tokyo, Beschluss vom 13.08.2009, in: Hanji 2053, 65 (68); DG Tokyo, Urteil vom 28.10.2010, in: Hanta 1362, 168 (176). 332 Siehe etwa nur IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 164 f., 166 ff.; ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 22 f.; TAKEDA, in: Jiyû to seigi 45 (1994) Nr. 8, S. 6; DERS., in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 274. 333 So etwa bei den Urteilen des DG Tokyo, in: Hanji 1411, 90, Hanji 1773, 104 und Hanji 1927, 68, oder des OGH, in: Minshû Bd. 59 Nr. 9, 2428. 334 Dazu oben, Kap. 4, D.III., S. 85 ff. 329
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stellungsanspruch als auch ein Beseitigungsanspruch in Form einer Entschuldigungserklärung in Betracht. So wurde ein Unterlassungsanspruch zunächst etwa – obgleich es sich dabei nicht um einen Fall der Medienberichterstattung handelt – gegen die ungenehmigte öffentliche Ausstellung einer Statue eines ehemaligen Ministerpräsidenten bejaht,335 neuerdings dann auch, zumindest in der ersten Instanz, gegen die Veröffentlichung von Druckerzeugnissen mit rechtswidrig während einer Stripp-Show aufgenommenen Nacktbildern.336 Ein Entschuldigungsanspruch wurde etwa zugestanden in dem Fall der Aufnahmen des ernstlich kranken Geldverleihers, das die Reporter unter heimlichem Einschleichen in das Krankenhaus gemacht hatten.337 Der Entschuldigungsanspruch ist allerdings teilweise umstritten, jedoch nicht aus Zweifeln an der Qualität des Bildnisrechts, sondern nur aus den gleichen Gründen wie bei Verletzungen des Puraibashî-ken, nämlich aus dem Gedanken heraus, dass eine Wiederherstellung nach der Natur der Verletzung nicht möglich ist.338 Zum OG-Urteil im Fall Yuri Inoue, das, wörtlich genommen, ausdrücklich einen den dinglichen Rechten vergleichbaren absoluten Schutz abzulehnen scheint, ist ferner zu beachten, dass die Überlegungen zur mangelnden Rechtsqualität des Bildnisrechts lediglich einen Aspekt im Rahmen einer Gesamtabwägung bildeten und nicht die ausschlaggebende Bedeutung für den Umfang des Rechtsschutzes gehabt haben dürften. Von Bedeutung waren vor allem auch Überlegungen zur Erforderlichkeit von Anzeigen, die zur freiwilligen Rückgabe der Zeitschrift aufrufen – wie von der Klägerin gefordert – im Verhältnis zu den zu befürchtenden Beeinträchtigungen.339 Dass nicht eine mangelnde Rechtsqualität ausschlaggebend war, zeigt auch das erstinstanzliche Urteil in diesem Fall, das die geforderten Ansprüche wegen Zweifeln an der Geeignetheit und der praktischen Umsetzbarkeit abgelehnt hatte, ohne die Rechtsqualität des Bildnisrechts in Abrede zu stellen.340
Trotz der begrifflichen Unsicherheiten spreche ich daher in dieser Arbeit auch für Japan vom „Recht am Bild“ bzw. „Bildnis-Recht“ oder „Shôzô-ken“. IV. Inhalt des Rechts Was den zweiten oben angesprochenen mit Unsicherheiten behafteten Punkt angeht, also die Frage nach der Art der vom Schutz erfassten Abbildungen,341 wird das Recht heute in der Regel ohne bestimmte Einschränkungen formu335
DG Tokyo, Urteil vom 27.09.1991, in: Hanji 1411, 90 (92 f.), das nur ein Rieki annimmt, das gegen die Verbreitung von Bildnissen schützt. 336 DG Tokyo, Beschluss vom 13.08.2009, in: Hanji 2053, 65 (68 f.) aufgrund des „Bildnisrechts als Persönlichkeitsrechts“. Die Unterlassensanordnung wurde zwar vom OG Tokyo, Beschluss vom 04.03.2010, in: Hanta 2112, 43, aufgehoben, wobei aber auch das OG davon ausgeht, dass gegen die Veröffentlichung von Nacktbildern ein Unterlassungsanspruch besteht, wenn nicht, wie im gegebenen Fall, besondere Umstände die Schutzwürdigkeit reduzieren. 337 DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (101 f.). 338 Ablehnend etwa TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 274. 339 OG Tokyo, Urteil vom 24.07.1995, in: Hanji 1356, 90 (92). 340 Vgl. DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1989, in: Hanji 1319, 132 (139). 341 Siehe oben, S. 95.
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liert.342 Daher kann letztlich der Schutz jeder Art von Abbildung als anerkannt gelten. Der Schutz besteht insbesondere, ohne dass es darauf ankommt, ob der Betreffende etwa in einer besonders geheimhaltungsbedürftigen oder peinlichen Situation abgebildet ist. Zumindest historisch bestand aber stets die Tendenz, auf die besondere Peinlichkeit oder den entwürdigenden Charakter der abgebildeten Situation abzustellen. So stand die Entwicklung des Bildnisschutzes zunächst in engem Zusammenhang mit dem Schutz der Ehre einer Person, und in den Anfängen der Entwicklung scheint der Schutz vor der Verbreitung eines Bildnisses noch dem Zweck zu dienen, eine Beeinträchtigung der Ehre des Betroffenen durch die Verbreitung zu verhindern. So wird im Fall „Mark Lester“ für einen Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund einer Verletzung des Bildnisrechts vorausgesetzt, dass dadurch die Ehre des Betroffenen herabgesetzt wird.343 Eine solche Ehrverletzung wird allerdings großzügig und unter Inkaufnahme eines gewissen Argumentationsaufwandes bejaht. Und zwar wird eine Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung darin gesehen, dass durch die ungenehmigte Verwendung von Aufnahmen des – bereits in exklusiven Werbeverpflichtungen stehenden – Schauspielers für die Reklame eines Drittunternehmens der Eindruck entstehe, er habe aus Profitgier entgegen seinen vertraglichen Pflichten mehreren Unternehmen Aufnahmen zur Verfügung gestellt.344
Mittlerweile ist aber darüber hinaus ausdrücklich anerkannt, dass auch hinsichtlich der Ehre unproblematische Bilder eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild darstellen können. Im Fall der Yuri Inoue, die bei Küchenarbeiten in ihrer Wohnung fotografiert worden war, wurde etwa von Seiten der Medien genau der Einwand eingebracht, dass das beanstandete Bild nicht die soziale Achtung des Betroffenen beeinträchtige. Das Gericht stellte daraufhin ausdrücklich fest, dass im Gegensatz zum Rechtsgut der Ehre das Bildnisrecht unabhängig vom Einfluss auf die soziale Achtung geschützt ist.345
Dennoch macht sich das schon erwähnte zögerliche Vorgehen der Rechtsprechung auch in der späteren Entwicklung des Bildnisschutzes insofern bemerkbar, als oft nicht schlicht auf einen umfassenden Schutz jeder Art von Bildern abgestellt wird, sondern auf die Besonderheit der jeweiligen konkreten Situation zugeschnitten argumentiert wird, die so beschaffen ist, dass der Betreffende so nicht von der Allgemeinheit gesehen werden möchte.
342
Siehe etwa DG Tokyo, Urteil vom 14.07.2004, in: Hanji 1879, 71 (78); DG Tokyo, Urteil vom 27.09.2005, in: Hanji 1917, 101 (105); DG Tokyo, Beschluss vom 13.08.2009, in: Hanji 2053, 65 (68); OG Tokyo, Beschluss vom 04.03.2010, in: Hanta 2112, 43 (46). Aus der Literatur: IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 163; ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 16, 22 f. 343 DG Tokyo, Urteil vom 29.06.1976, in: Hanji 817, 23 (33). 344 DG Tokyo, Urteil vom 29.06.1976, in: Hanji 817, 23 (37/8). 345 DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1989, in: Hanji 1319, 132 (138).
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So ist im Fall „Yuri Inoue“ nur von einem Schutz davor die Rede, „nicht in seiner Wohnung fotografiert zu werden“,346 d.h. der Schutz vor den Aufnahmen besteht deshalb, weil diese in einem abgeschirmten Bereich gemacht wurden. In einem Fall, in dem ein GanzkörperNacktfoto ohne jede Unkenntlichmachung gezeigt wurde, ist von einem Schutz davor die Rede, dass „ohne Einwilligung Nacktfotos ohne Abdeckung der Geschlechtsteile veröffentlicht werden“.347 In einem Fall, in dem ein Universitätsprofessor im Bett mit philippinischen Frauen abgebildet war, wird eine Schadensersatzpflicht in den Fällen angenommen, in denen die Veröffentlichung eines Bildes dem Betroffenen „seelische Schmerzen wie ein unangenehmes Gefühl oder Schamgefühl“ zufügt und damit das Interesse verletzt, „ein Leben zu führen, ohne seelische Schmerzen zu erleiden“.348
V. Anforderungen an die Einwilligung in eine Veröffentlichung im Vergleich zum deutschen Recht 1. Fehlender Protest als konkludente Einwilligung Die Veröffentlichung eines Bildnisses ist unabhängig vom Vorliegen eines Informationsinteresses zulässig, wenn der Betroffene mit der Verbreitung einverstanden ist. Während in Deutschland die Einwilligung zwar auch konkludent erfolgen kann, aber eindeutig und unmissverständlich erklärt werden muss und daher die bloße Duldung der Tätigkeit des Fotografen für sich nicht genügt,349 kann in Japan auch bereits mangelnder Protest als Einwilligung in die Anfertigung und Verbreitung einer Aufnahme gedeutet werden, wenn der Betreffende sich bloß bewusst ist, dass Aufnahmen von ihm angefertigt werden.350 Dadurch kann in Japan ein Schutz des Betroffenen in solchen Fällen des Bewusstseins über die Aufnahmen entfallen, während in Deutschland insbesondere Wert auf die Frage gelegt wird, ob dem Betroffenen auch bewusst war, dass er die Aufnahme nicht zu dulden brauchte.351 Im sogenannten Fall „Tokyo Onsen“ [„Thermalbad Tokyo“] ging es um zwei Geschäftsleute, die das „Tokyo Onsen“, ein seriöses Thermalbad, aufsuchten und dort zufälligerweise zusammen mit Mitgliedern einer amerikanischen Jazzchorgruppe, die dort ebenfalls zu Besuch waren und von Reportern begleitet wurden, abgelichtet wurden. Die entstandenen Bilder der beiden Geschäftsmänner wurden, mit wenig schmeichelhaften bzw. peinlichen Untertiteln versehen – „Sehen Sie den Gesichtsausdruck des verträumt anstehenden dicken Gasts“ und „Interessant das halbnackte Service-Girl in der Mitte, das ein bisschen Erotik aufkommen 346
DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1989, in: Hanji 1319, 132 (138). DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1990, in: Hanta 741, 189 (194). 348 DG Tokyo, Urteil vom 27.02.1987, in: Hanta 634, 164 (173). 349 RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 51; LETTL, in: WRP 2005, S. 1052. 350 FUNAKOSHI, in: Kitami daigaku ronshû 33 (1995), S. 119; MURAKAMI, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 39 ff.; aus der Rechtsprechung DG Tokyo, Urteil vom 08.08.1956, in: Ka-minshû Bd. 7 Nr. 8, 2125 (Fall „Tokyo Onsen“). 351 GASS, in: Möhring/Nicolini (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. (2000), Anh. § 60, § 22 KUG Rdnr. 24; OLG Hamburg, in: NJW-RR 2005, 479 (480). 347
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lässt“, was sich auf eine mit abgebildete Service-Kraft bezog –, in einem Magazin veröffentlicht. Beide Männer wandten sich gegen die Aufnahmen, wobei sie geltend machten, kein Einverständnis zu den Aufnahmen gegeben zu haben. Das Urteil wies die Klage jedoch ab. Es sah das Einverständnis als gegeben, da den Besuchern des Onsens angekündigt worden sei, dass Aufnahmen angefertigt würden, und die Besucher, die keine Aufnahmen wünschten, dagegen hätten protestieren oder das Onsen verlassen können. Der Fotograf sei auch nach seiner äußeren Erscheinung eindeutig als Fotograf erkennbar gewesen, und unter den Aufnahmen, die dort gemacht worden waren, befänden sich auch solche, auf denen sich die Betroffenen ersichtlich der Gegenwart der Kamera bewusst seien.352 Wenn auch nicht ganz eindeutig als Fall einer Einwilligung erkennbar,353 führte mangelnder Protest auch im Fall „Udon“ [Anm.: Udon ist eine japanische Nudelart]354 dazu, dass die Verbreitung von Aufnahmen für zulässig erachtet wurde. Dort waren Reporter und Fotografen gemeinsam mit der Polizei im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme im Haus eines Verdächtigen angerückt und hatten Aufnahmen angefertigt, die in den Fernsehnachrichten verbreitet wurden und den Verdächtigen unter anderem beim Udon-Essen zeigten (was dem Fall seinen Namen gab). Maßgeblich für die Entscheidung war die Erwägung, dass der Betroffene die Möglichkeit gehabt hätte, den Reportern den Zutritt zur Wohnung zu verweigern. Allerdings ist der fehlende Protest nicht allein ausschlaggebend, sondern es werden auch die gesamten Umstände der Aufnahme und Zweck und Art der Aufnahmen mit berücksichtigt und der Schluss gezogen, dass „keine rechtswidrige, das Bildnisrecht oder die Privatsphäre des Klägers beeinträchtigende Handlung“ vorliege.355 Im Fall um Filmaufnahmen in einem psychiatrischen Krankenhaus hatten Reporter eine Menschenrechtsgruppe in ein Krankenhaus begleitet und dort Aufnahmen gemacht, um eine Dokumentation anzufertigen, in der dem Krankenhaus u.a. Behandlungsprobleme vorgeworfen wurden. Eine Einwilligung durch das Krankenhaus lag zwar nicht vor, die Reporter waren aber von Seiten des Krankenhauses nur gebeten worden, keine Gesichter der Krankenhausmitarbeiter zu filmen, und hatten dieser Bitte auch entsprochen. Im Übrigen wurden die Reporter in keiner Weise an ihrer Arbeit gehindert. Daher fand das Gericht, dass man „nicht so weit gehen könne, die Aufnahmen als rechtswidrig anzusehen“.356
In Deutschland wird demgegenüber fehlender Protest mit besonderer Vorsicht behandelt, da es sein kann, dass dem Betroffenen nicht bekannt war, dass er hätte protestieren können. So wird in einer Parallel-Situation zum Udon-Fall, wo das Kamerateam zusammen mit Polizisten in der Wohnung des Betroffenen erschienen war und die Vernehmung gefilmt hatte, eine konkludente Einwilligung abgelehnt, da das Gericht bezweifelt, dass dem Betroffenen klar war, dass er die Aufnahmen überhaupt hätte abwehren können.357 Auch wird davon ausgegangen, dass dem Betroffenen der Zweck und der Umfang der Verwendung nicht bekannt war, da er nicht davon ausgehen konnte, dass seine Aufnahmen ohne Schwärzungen oder eine
352
DG Tokyo, Urteil vom 08.08.1956, in: Ka-minshû Bd. 7 Nr. 8, 2125 (2131 f.). Einordnung als Fall der Einwilligung etwa bei MURAKAMI, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 40. Auch ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 26 f., erörtert den Fall im Zusammenhang mit der Einwilligung in eine Bildveröffentlichung. 354 DG Kôbe, Abt. Himeji, Urteil vom 14.03.1983, in: Hanji 1092, 98. 355 Ebda., S. 105. 356 DG Ôsaka, Urteil vom 30.11.1995, in: Hanta 911, 144 (150). 357 OLG Hamburg, in: NJW-RR 2005, 479 (480). 353
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andere Form der Unkenntlichmachung seiner Person gesendet würden.358 Dagegen wird das Posieren als Modell in einer Dessous-Modenschau als konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung von Fotos aufgefasst.359 Auch in Deutschland kann aber das grundsätzliche Einverständnis mit der Aufnahme, auch wenn damit keine Einwilligung in eine bestimmte Form der Verbreitung gegeben wurde, bei der Abwägung berücksichtigt werden und dazu führen, dass das Persönlichkeitsrecht zurückstehen muss.360
Bei der Betrachtung der japanischen Rechtsprechung ist zu berücksichtigen, dass zu dieser Frage nur einzelne ältere Urteile existieren, bei denen fraglich ist, ob sie in dieser Form heute noch Bestand haben würden. Insbesondere am Fall Tokyo Onsen, in dem die Verbreitung auch im Ergebnis als zulässig angesehen wurde, wird auch in der japanischen Literatur Kritik geübt und teilweise bezweifelt, dass ein Einverständnis zur Veröffentlichung erklärt wurde.361 Auch zum Udon-Urteil wird teilweise in Frage gestellt, ob das Urteil richtig war,362 oder zumindest, ob sich das Urteil heute noch so halten ließe.363 Eine ähnlich vorsichtige Haltung gegenüber vorschnellen Schlüssen von fehlendem Protest auf das Vorliegen eines Einverständnisses zeigen kritische Anmerkungen in Japan, die darauf hinweisen, dass sich Medienvertreter häufig durch die Weigerung des Betroffenen, sich fotografieren zu lassen, gar nicht von einer Fortsetzung ihres Tuns abhalten lassen würden. Fehlender Protest des Betroffenen könne daher auch dadurch begründet sein, dass sich der Betroffene dem Eingriff der Medien machtlos gegenübersieht oder unter dem Effekt von Überraschung und Druck steht.364 Dennoch bilden die hier analysierten Urteile immer noch den Stand der dazu existierenden Rechtsprechung in Japan, so dass Betroffene Gefahr laufen, dass ihr Verhalten an diesem Maßstab gemessen wird und entsprechend ein Schutz versagt wird.
358
OLG Hamburg, in: NJW-RR 2005, 479 (480 f.). LG Berlin, in: AfP 2008, 634 (635). 360 So aufgrund des „fröhlich[en] Blick[s] in die Kamera“ BVerfG, in: NJW 2002, 3767 (3768). 361 IGARASHI, in: I. Katô (Hrsg.), Chûshaku minpô 19 [Kommentar zum Zivilgesetzbuch Bd. 19] (1965), § 709 III, S. 182; ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 25; TAKEDA, Meiyo/puraibashî shingai [Ehre und Privatsphäre] (1982), S. 109. 362 MURAKAMI, in: Katteni toruna! Shôzô-ken ga aru! [Vorsicht Bildnisrecht] (2006), S. 162. 363 ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 27. 364 FUNAKOSHI, in: Kitami daigaku ronshû 33 (1995), S. 126 f., 134 f. 359
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2. Geringeres Bewusstsein für die Zweckgebundenheit der Einwilligung In Deutschland muss sich die Einwilligung ferner strikt auf die konkrete Art der Veröffentlichung einschließlich eines etwaigen begleitenden Textes beziehen. 365 In Japan gilt dieser Grundsatz der Zweckgebundenheit grundsätzlich auch. Insgesamt zeigt sich aber insofern ein geringeres Bewusstsein für die Zweckgebundenheit eines Einverständnisses, als eine Einwilligung auch dann bejaht wird, wenn das Bildnis in einer negativen Weise oder in einem negativem Zusammenhang verwendet wird, von dem der Betreffende bei der Erklärung seines Einverständnisses nichts wusste. So dürfen 30 Jahre alte Fotos einer des Mordes an ihrem Ehemann Verdächtigen von einem Auftritt im Badeanzug bei Misswahlen in einem Magazin nicht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Straftatverdacht ohne ihr Einverständnis erneut veröffentlicht werden;366 ebenso wäre für die erneute Veröffentlichung von Magazinfotos einer Fernsehmoderatorin im Badeanzug aus ihrer Zeit als „Badeanzug-Idol“ im Zusammenhang mit Enthüllungen über ihre Vergangenheit eine gesonderte Einwilligung erforderlich gewesen.367 Der schon erörterte Tokyo Onsen-Fall, bei dem bereits die Richtigkeit der Annahme einer Einwilligung überhaupt fraglich ist, zeigt aber zumindest ein geringeres Bewusstsein für die Zweckgebundenheit einer Einwilligung in Veröffentlichungen von Bildnissen, denn ein etwaiges Einverständnis der fotografierten Männer dürfte sich zumindest nicht auf eine Veröffentlichung mit einer Untertitelung in der Form erstreckt haben, wie sie dann erfolgt ist.368 In einer Reportage unter dem Titel „Die Linien mit den Roten Zahlen“ wurden Aufnahmen einer Schaffnerin eines staatlichen Busunternehmens gezeigt, die daran mitgewirkt hatte in der Annahme, damit zur Werbung für staatliche Busunternehmen beitragen zu können. Tatsächlich stellte die Reportage aber staatliche Verkehrsunternehmen kritisch dar und beschrieb diese als im Vergleich zu den privaten Busunternehmen ineffektiv und wenig serviceorientiert. Die Aufnahmen der betreffenden Schaffnerin waren mit dem Text unterlegt: „unterkühlt und unfreundlich: die Schaffnerin“, was ihr bei der Mitwirkung verheimlicht worden war. Das Gericht lehnte in diesem Fall sowohl eine Beeinträchtigung der objektiven Ehre als auch eine Verletzung des Bildnisrechts ab, Letzteres mit der Begründung, dass die Schaffnerin mit den Aufnahmen einverstanden gewesen sei. Die Aufnahmen seien zwar anders verwendet worden, als es die Betroffene erwartet hätte, sie sei aber nicht über die beabsichtigte Verwendung getäuscht worden.369 Die Richtigkeit des Urteils wird allerdings teilweise bezweifelt, sowohl was die Ablehnung einer Ehrverletzung angeht,370 als auch aus
365
GASS, in: Möhring/Nicolini (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. (2000), Anh. § 60, § 22 KUG Rdnr. 24; LETTL, in: WRP 2005, S. 1052; OLG Frankfurt, in: NJW-RR 2003, 553 (554); OLG Hamburg in: NJW-RR 2005, 479 (480). 366 DG Tokyo, Urteil vom 31.01.1994, in: Hanta 875, 186 (195). 367 DG Tokyo, Urteil vom 05.09.2001, in: Hanji 1773, 104 (111 f.). 368 Siehe oben, Abschnitt 1., S. 99 f. 369 DG Hiroshima, Urteil vom 27.02.1962, in: Hanji 295, 20 (23). 370 So schon die einführende Bemerkung zum Urteil in Hanji 295, S. 20.
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dem Gesichtspunkt der Zweckgebundenheit des Einverständnisses mit den Aufnahmen heraus.371 In einem Urteil, das allerdings keine Bild-, sondern eine Wortberichterstattung betraf, wird im Gegensatz zur Entscheidung um die Schaffnerin davon ausgegangen, dass die bloße Kooperation mit Reportern in Kenntnis der Absicht, dass ein Bericht über die eigene Person angefertigt werden soll, jedenfalls kein Einverständnis mit dem Inhalt bedeutet, wenn dieser die soziale Achtung des Betroffenen angreift. In dem betreffenden Fall war der Enkel eines früheren Ministerpräsidenten als geschäftlich unfähig dargestellt worden, nachdem er angeforderte Informationen zu seinem Unternehmen an Journalisten gegeben hatte.372 In der deutschen Literatur wird in Fällen, die parallel zu dem Bericht über die japanischen Verkehrsunternehmen gelagert sind, also z.B. wenn ein Fernsehreporter den Interviewten über den Verwendungszweck der Aufnahme oder den Inhalt des geplanten Beitrags täuscht, zumindest eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für möglich gehalten. Als Beispielfall wird genannt, dass der Reporter einem Schönheitschirurgen vorspiegelt, er wolle seine erfolgreiche Arbeit schildern, ihn in Wahrheit aber als Pfuscher darstellen will.373 Bei Erteilung der Erlaubnis zur unbeschränkten Verwendung eines Fotos zu Werbezwecken soll es aber nach Auffassung des OLG Frankfurt – in Abweichung vom LG, das dies anders gesehen hatte – zumindest keine schwere Persönlichkeitsverletzung darstellen, wenn die Abbildung eines Fotomodells zur Illustration einer Glosse über homosexuelle Paare verwendet wird, so dass man den Eindruck gewinnen könnte, der Abgebildete sei selbst homosexuell. Begründet wird dies damit, dass der Betreffende sich mit einer kommerziellen Verwendung seines Bildes einverstanden erklärt habe und „die Publikationswirkung der Veröffentlichung [...] im Rahmen des redaktionellen Teils [...] sich nicht wesentlich von der Wirkung bei Verwendung im Rahmen einer Werbeanzeige“ unterscheide.374 Paradebeispiele für die Zweckgebundenheit einer Einwilligung in Aufnahmen bilden in Deutschland Auftritte, bei denen mit öffentlicher Aufmerksamkeit zu rechnen ist. Bei Teilnehmern an einem internationalen Sportwettbewerb etwa wird eine stillschweigende Einwilligung in eine Berichterstattung über den Wettbewerb mit Abbildungen der Teilnehmer angenommen, nicht aber in eine darüber hinausgehende Berichterstattung, die nicht mehr im Zusammenhang mit dem Ereignis steht. So sind Fotos der Tochter von Prinzessin Caroline, die auf einem Reitturnier, an dem diese teilgenommen hatte, aufgenommen wurden, aber ohne Ereignisbezug sind und auf denen die Örtlichkeit oder der Hintergrund nicht erkennbar sind, und die einen Text bebildern, in dem die Präsentation der Tochter und Spekulationen über ihr Privatleben im Vordergrund stehen, von einer stillschweigenden Einwilligung nicht mehr gedeckt.375 Für Japan lässt sich dazu nur sagen, dass bei der Teilnahme an bestimmten, etwa sportlichen oder kulturellen, Ereignissen oder beim Aufenthalt an bestimmten, etwa touristischen, Orten allgemein wohl von einer Einwilligung in Aufnahmen auszugehen ist, wobei für die gezielte Aufnahme einer bestimmten Person wiederum eine gesonderte Einwilligung für erforderlich gehalten wird.376 Eine konkretere Rechtsprechung zu dieser Frage 371 FUNAKOSHI, in: Kitami daigaku ronshû 33 (1995), S. 132 f.; TAKEDA, Meiyo/puraibashî shingai [Ehre und Privatsphäre] (1982), S. 111. Zweifelnd auch IGARASHI, in: Jinkakuken-ron [Lehre des Persönlichkeitsrechts] (1989), S. 76. 372 OG Tokyo, Urteil vom 28.12.2000, in: Hanji 1750, 103 (106), sowie ausführlicher dazu das erstinstanzliche Urteil des DG Tokyo vom 24.08.2000, in: Hanji 1750, 107 (108). 373 FRÖMMING/BUTZ, in: NJW 1996, S. 959. 374 OLG Frankfurt, in: NJW-RR 2003, 553 (554). 375 BGH, in: AfP 2004, 533; BGH, in: NJW 2005, 56 (57). 376 MURAKAMI, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 43 f.
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gibt es jedoch nicht, so dass unklar ist, wie das japanische Recht Fälle wie die Fotos der Reitturnier-Teilnehmerin entscheiden würde.
VI. Anforderungen an die Rechtfertigung einer Veröffentlichung durch öffentliche Interessen im Vergleich zu Deutschland Auch der Schutz des Bildnisrechts wird durch die Äußerungsfreiheit auf Seiten der Medien nach Art. 21 JV begrenzt, so dass Bildveröffentlichungen gegen den Willen des Betroffenen durch überwiegende Informationsinteressen der Allgemeinheit gerechtfertigt sein können. Im Laufe der Entwicklung des Bildnisrechts vor allem in den letzten 20 Jahren hatten sich dabei folgende Kriterien zur Prüfung der Zulässigkeit einer Abbildung herausgebildet: 1. Es muss ein öffentliches Interesse an der berichteten Tatsache bestehen; 2. die Berichterstattung muss auch motiviert sein von der Befriedigung solcher Allgemeininteressen; und 3. die Art der Erlangung der Bilder sowie der Inhalt der Bilder müssen notwendig und angemessen sein (Hitsuyô-sei und Sôtô-sei).377 Es handelt sich dabei offensichtlich um Kriterien, die in Anlehnung an die Kriterien bei einer Ehrverletzung herausgebildet wurden.378 In seinem ersten Urteil zum Bildnisrecht im Jahr 2005, in dem es um die Zulässigkeit von heimlichen Bildaufnahmen sowie Illustrationen der Angeklagten im „Curryreis-Gift“-Fall379 während der Gerichtsverhandlungen ging, hat der OGH dann allerdings die Zulässigkeitskriterien einer Bildveröffentlichung abweichend von diesen scheinbar gefestigten Kriterien der unteren Instanzen formuliert. Der OGH entschied nämlich aufgrund einer „Gesamtschau insbesondere der gesellschaftlichen Position der Betroffenen, der Art ihrer gesellschaftlichen Aktivitäten, des Ortes, des Zwecks und der Umstände der Aufnahme und der Notwendigkeit der Aufnahme“, ob durch die Aufnahme „die im Rahmen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zumutbaren Grenzen überschritten“ werden. 380 Hier wird eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Umstände, die den Grad der Informationsinteressen auf
377
Siehe etwa DG Tokyo, Urteil vom 27.02.1987, in: Hanta 634, 164 (173); DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1989, in: Hanji 1319, 132 (138); OG Tokyo, Urteil vom 24.11.1993, in: Hanji 1491, 99 (101); DG Ôsaka, Urteil vom 19.02.2002, in: Hanta 1109, 170 (180). 378 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 175; KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 126; SHIGENORI MATSUI, in: Minshô 127 (2002), S. 335; ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 30. Zu den Kriterien bei einer Ehrverletzung siehe oben, Kap. 4, B.VI.1., S. 75 f. 379 Es handelte sich dabei um einen aufsehenerregenden Fall aus dem Jahre 1998. Bei einem Straßenfest war Curryreis ausgegeben worden, dem Blausäure beigemischt war. Vier Personen starben in der Folge. Die Angeklagte Hayashi ist mittlerweile rechtskräftig zum Tode verurteilt. 380 OGH, Urteil vom 10.11.2005, in: Minshû Bd. 59 Nr. 9, 2828 (2834).
E. Das Bildnisrecht
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der einen und der Persönlichkeitsinteressen auf der anderen Seite bestimmen, vorgenommen, so wie in der Regel beim Puraibashî-Recht.381 Da nach den bis dahin geltenden Kriterien im Grunde ebenfalls eine Abwägung erfolgen musste,382 wenn auch kanalisiert durch die Festlegung der drei Kriterien, bedeutet die Entscheidung des OGH nicht unbedingt auch im Ergebnis eine Änderung im Schutzumfang von Bildnissen.383 So haben die in dem OGH-Urteil von 2005 ausdrücklich genannten Kriterien wie die gesellschaftliche Bedeutung der Person bzw. deren Aktivitäten oder Ort und Zweck der Aufnahme in der Rechtsprechung schon immer, wenn auch noch in anderer Einkleidung, Berücksichtigung gefunden.384 Teilweise wird jedoch die Einschätzung geäußert, dass der neue Maßstab pressefreundlicher sei.385 Denn nach den alten Kriterien schied eine Rechtfertigung aus, wenn eines der Kriterien nicht gegeben war, während bei einer Gesamtabwägung, wie sie der OGH vornimmt, ein Aufwiegen im Rahmen der Abwägung in Betracht kommt.386 Allerdings wurde schon bezüglich der Rechtfertigung von Eingriffen in das Puraibashî-Recht darauf hingewiesen, dass auch die genau entgegengesetzte Sicht möglich ist.387 Kubota wiederum geht zwar auch davon aus, dass die neuen Kriterien im Prinzip pressefreundlicher sind, befürchtet aber, sie könnten eine Grauzone schaffen, so dass in der Praxis der gegenteilige Effekt eintreten könnte, dass nämlich die Presse versucht, diese Grauzonen zu meiden, und dadurch stärker eingeschränkt wird als nach den alten Kriterien.388 Der Vorteil des alten Kriterienkatalogs wird auch sonst darin gesehen, dass er klarere und objektivere Vor381
Siehe oben, Kap. 4, D.V., S. 91 f. Dazu schon oben, Kap. 4, D.V., S. 92 f. bezüglich des Puraibashî-Rechts. 383 Im konkreten Fall stimmte die Entscheidung zumindest hinsichtlich der Fotoaufnahmen mit der Unterinstanz, die noch die alten Kriterien angewandt hatte, überein; im Gegensatz zur Beurteilung von Illustrationen der Angeklagten während des Gerichtsverfahrens, die der Verlag veröffentlicht hatte, nachdem die Betreffende eine Verletzung ihres Bildnisrechts durch die Fotoaufnahmen geltend gemacht hatte, und die auch zur Prüfung standen. Siehe DG Ôsaka, Urteil vom 19.02.2002, in: Hanta 1109, 170 sowie die Zusammenfassung des Urteils des OG Ôsaka durch den OGH, in: Minshû Bd. 59 Nr. 9, S. 2432 f. 384 ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 97 ff. 385 So erwartet etwa MURAKAMI, in: Katteni toruna! Shôzô-ken ga aru! [Vorsicht Bildnisrecht] (2006), S. 207, eine größere Freiheit für die Bildberichterstattung. Auch scheint SHIGENORI MATSUI, in: Minshô 127 (2002), S. 335 davon auszugehen, dass die alten Kriterien im Vergleich zu einer Gesamtabwägung enger sind. Er bemängelt, dass die Kriterien zu streng seien, wenn man sie auf jede Beeinträchtigung ohne Berücksichtigung des Grades der Beeinträchtigung der Privatsphäre anwendet. Ob diese Einschätzung richtig ist, ist allerdings fraglich; denn auch nach den alten Kriterien dürften im Falle einer leichten Beeinträchtigung geringere Anforderungen an das erforderliche öffentliche Interesse gestellt werden als bei einer schweren Beeinträchtigung. 386 SHIGENORI MATSUI, in: Minshô 127 (2002), S. 334. 387 Siehe oben, Kap. 4, D.V., S. 92 f. 388 KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 128. 382
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
aussetzungen festlegt.389 Umgekehrt ist die Gesamtabwägung jedoch flexibler und dadurch eventuell besser geeignet, angemessene Lösungen zu erzielen.390 In diesem Bereich bleibt daher jedenfalls die weitere Konkretisierung und Entwicklung nach Normierung der neuen Kriterien durch den OGH abzuwarten.391 VII. Stellung des Rechts in der Anwendungspraxis 1. Die geringere Bedeutung des Bildnisrechts in Japan – Zahlen Wie gesehen, ist trotz der Unsicherheiten des japanischen Bildnisschutzrechts und Unterschieden im Detail die theoretische Ausgestaltung des Rechts am Bild in Deutschland und Japan sehr ähnlich. Betrachtet man nun jedoch die Praxis des Schutzes gegen Bildberichterstattung, ergibt sich ein großer Unterschied insofern, als das Bildnisrecht in Japan keine so überragende Rolle spielt wie das Recht am Bild in Deutschland. Während in Deutschland die klare Tendenz besteht, bei bebilderter Berichterstattung sowohl den Text und als auch die Bebilderung oder auch nur die Bilder anzugreifen, und daher Anknüpfungspunkt für einen Großteil der Streitfälle um eine Berichterstattung das Recht am Bild ist – Ausnahmen gelten, wenn spezifisch eine bestimmte Information, die im Text gegeben wurde, angegriffen wird –, stellt sich die Anzahl der Prozesse um das Bildnisrecht in Japan recht übersichtlich dar. Nach einer Zusammenstellung von Murakami aus dem Jahre 2006392 waren es in den 1950er und 1960er Jahren jeweils 3 Fälle, in den 1970er Jahren 6, in den 1980ern 20, in den 1990er Jahren dann immerhin 46 und zwischen 2000 und 2005 38 Fälle. Auch wenn die Erfassung schwierig ist,393 sieht man daran auf jeden Fall die Tendenz, dass das Bildnisrecht in Japan bis vor 20 Jahren kaum eine Rolle gespielt hat und sich erst seither zunehmend entwickelt.394 389
SHIGENORI MATSUI, in: Minshô 127 (2002), S. 335. Kritik am neuen Ansatz wegen der Unklarheit TSUKUDA, in: Puraibashî-ken/shôzô-ken no hôritsu jitsumu [Rechtspraxis Privatsphäre/Bildnisrecht] (2006), S. 248; ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 96. 390 KANEKO, in: Hanta 1245 (2007), S. 84. 391 Ebenso wie der OGH in der letzten Zeit etwa: DG Tokyo, Urteil vom 29.09.2009, in: Hanta 1339, 156 (163). 392 MURAKAMI, in: Katteni toruna! Shôzô-ken ga aru! [Vorsicht Bildnisrecht] (2006), S. 36. 393 Was man daran erkennen kann, dass MURAKAMI seine Zahlen aus seinem Aufsatz in Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 28 selbst korrigiert – dort sollten es 18 in den 1980er Jahren und 42 in den 1990er Jahren gewesen sein. 394 So schreibt zumindest im Jahr 1995 MIURA, dass in Japan Veröffentlichungen von Bildnissen „so selbstverständlich und nebensächlich erfolg[t]en wie irgendwelche Alltagstätigkeiten“ und im Vergleich zu Deutschland das Bildnisrecht wenig entwickelt war, in: Aoyama hôgaku ronshû 36 Nr. 2/3 (1995), S. 257, und es wenig Fälle gab, in denen um das Bildnisrecht an sich gestritten wurde, ebda. S. 288. Auch wenn sich das Problembewusstsein seither weiter entwickelt und gebessert haben dürfte, wird das Bildnisrecht in Japan etwa in
E. Das Bildnisrecht
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Im Folgenden wird die Rolle des Bildnisrechts näher beleuchtet, indem zunächst die Bedeutung des Bildnisrechts im Verhältnis zur Ehre bei Bildern, die sich negativ auf die soziale Achtung auswirken können, analysiert und dann auf die Behandlung von Bildnissen, die an sich neutral sind, aber im Zusammenhang mit einer ehrverletzenden Wortberichterstattung gezeigt werden, eingegangen wird. 2. Verhältnis von Bildnisrecht und Ehre bei der Verbreitung von Bildnissen, die das Ansehen des Abgebildeten gefährden Wenn man die Behandlung von Bildern betrachtet, die keine neutrale Situation zeigen, sondern eine solche, die den Abgebildeten in einem negativen Licht erscheinen lässt, wird ein Grund für die untergeordnete Rolle des Bildnisrechts sichtbar. Wie schon erläutert,395 wird in solchen Fällen zwar teils eine Verletzung des Bildnisrechts geltend gemacht, ohne dass der Aspekt der Ehre angesprochen wird, aber häufig auch neben einer Verletzung des Bildnisrechts eine Verletzung der Ehre angenommen. Dem Bildnisrecht kommt damit oftmals gar keine selbständige Bedeutung zu. Als Beispiele oben schon genannt wurden die Fälle der Veröffentlichung von „BadeanzugFotos“ einer Fernseh-Moderatorin oder von Fotos eines Professors im Bett mit philippinischen Prostituierten, oder ein Fall der Fälschung von Bildern eines buddhistischen Priesters in einer Gesellschaft, so dass der Eindruck entstand, er vergnüge sich gerade mit Frauen.396
Wie auch schon erwähnt, wird außerdem bei der Bejahung einer Verletzung von Bildnisrechten oft darauf abgestellt, dass der Betreffende in einer ihn negativ darstellenden Situation abgebildet ist oder die Veröffentlichung sonst für den Betreffenden unangenehm oder peinlich ist. So etwa weil es sich um ein Ganzkörper-Nacktfoto handelt, bei dem nicht einmal die Geschlechtsteile abgedeckt sind, oder – wieder hinsichtlich des Professors mit den philippinischen Frauen – weil die Bilder ihn in einer beschämenden Situation zeigen.397 Auch in einem neueren Fall zu heimlichen Aufnahmen eines Fernsehstarlets beim Auftritt in einer Striptease-Show wird ein Bildnisrecht, das durch Schadensersatz-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geschützt ist, zwar zunächst allgemein anerkannt, dann aber zum Unterlassungsanspruch ausgeführt, dass „insbesondere im Falle der Verbreitung von Nacktaufnahmen das Schamgefühl des Betroffenen heftig verletzt wird und es schwer möglich ist,
Lehrbüchern immer noch viel kürzer behandelt als in Deutschland, wo die Bildberichterstattung meist der Wortberichterstattung vorangestellt wird und einen weitaus breiteren Raum einnimmt als diese. 395 Siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., h, S. 56 f. 396 DG Tokyo, Urteil vom 05.09.2001, in: Hanji 1773, 104; DG Tokyo, Urteil vom 27.02.1987, in: Hanta 634, 164; DG Tokyo, Urteil vom 06.12.1999, nach MURAKAMI, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 78; siehe bereits oben, Kap. 4, B.IV.1., h, S. 56 f. 397 DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1990, in: Hanta 741, 189 (194); DG Tokyo, Urteil vom 27.02.1987, in: Hanta 634, 164 (173), siehe bereits oben, Kap. 4, E.IV., S. 98 f.
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
dies durch nachträglichen Geldersatz wieder gutzumachen“ und daher im Falle von Nacktaufnahmen der Betroffene in der Regel einen Unterlassungsanspruch geltend machen kann.398
Teilweise werden die Rechtsgüter auch in einer Weise miteinander vermengt, die noch deutlicher indiziert, dass der Bildnisschutz zumindest zu einem großen Teil der Wahrung der Ehre dient. So etwa, wie oben bereits angeführt, im sogenannten „Personenverwechslungs-Fall“, wo eigentlich nur das Bildnisrecht als betroffenes Rechtsgut angesprochen wird, dann aber später angeführt wird, dass „wie oben gezeigt ihre Ehre verletzt“ sei.399
Auch in Deutschland wird vereinzelt eine „negative“ Abbildung als ehrverletzend angesehen. So die bereits erwähnte Abbildung eines Vorbestraften in Handschellen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung dieser Vorstrafe.400 Auch hinsichtlich einer angeblichen Nacktaufnahme von Marlene Dietrich, die nach ihrem Tod veröffentlicht wurde, wird nicht ihr Bildnisrecht, sondern ihr postmortaler Würdeanspruch als betroffen angesehen.401
Das sind in Deutschland aber Einzelfälle, während in einer schier unübersehbaren Zahl von Fällen der Ehraspekt ganz außer Betracht bleibt.402 Die unterschiedliche Gewichtung des Aspekts der Ehre und der Aspekte der Privatsphäre bzw. Selbstbestimmung macht sich damit auch im Bereich des Bildnisschutzes bemerkbar. 3. Rolle des Bildnisrechts bei Bebilderung eines persönlichkeitsverletzenden Artikels Die geringere Rolle des Bildnisrechts insbesondere im Verhältnis zum Ehrenschutz zeigt sich auch in den Fällen, in denen eine an sich nicht negative Abbildung zur Bebilderung eines Artikels verwendet wird, dessen Textinhalt die Persönlichkeit, insbesondere die Ehre, des Abgebildeten betrifft.
398 DG Tokyo, Beschluss vom 13.08.2009, in: Hanji 2053, 65 (68). Soweit noch bestätigt auch durch die zweite Instanz, OG Tokyo, Beschluss vom 04.03.2010, in: Hanji 2112, 43 (46). 399 DG Tokyo, Urteil vom 15.06.1987, in: Hanji 1243, 54 (62). Siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., h, S. 56. 400 OLG Frankfurt, in: AfP 1993, 753; dazu schon oben Kap. 4, B.IV.4., a, S. 63. 401 OLG München, in: ZUM 2002, 744 (745). 402 Nach RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 46 ist vielmehr eine eigenständige Verletzung des Persönlichkeitsrechts über die Verletzung des Rechts am Bild hinaus denkbar, wenn zusätzlich weitere Elemente der Persönlichkeit betroffen sind, weil der Betroffene beispielsweise lächerlich gemacht oder entstellt wird.
E. Das Bildnisrecht
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a) Meist keine Prüfung des Bildnisrechts Wenn der Text nämlich die Ehre angreift, wird häufig einfach nur eine Ehrverletzung durch den Text geltend gemacht, darüber hinaus aber keine Verletzung des Bildnisrechts. Ein Beispiel für einen Fall, in dem eine Verletzung des Bildnisrechts gar nicht geltend gemacht wird, obwohl auch die Bildveröffentlichung nicht gerechtfertigt sein dürfte, bildet die im Kapitel Ehre schon erörterte Berichterstattung über die Geliebte des ermordeten Präsidenten eines Betrügerunternehmens unter Beifügung eines Bildes der Betreffenden.403 Weder das Recht auf Puraibashî noch das Bildnisrecht der Geliebten werden in diesem Fall angesprochen, sondern ausschließlich eine mögliche Ehrverletzung, hinsichtlich derer ein öffentliches Interesse verneint wird.404 Die Argumentation, dass kein öffentliches Interesse bestehe, weil es nicht interessiere, wer die Geliebte des Ermordeten gewesen sei, gilt aber sicher gleichermaßen für das Recht am eigenen Bild, so dass auch eine Verletzung des Bildnisrechts gegeben gewesen wäre. Dies wird auch in der Literatur teilweise angemerkt.405 In einem Fall der Berichterstattung über Bestechungsvorwürfe mit einem Foto des Betroffenen wird ebenfalls nur eine Ehrverletzung geprüft;406 ähnlich wird hinsichtlich einer kritischen Berichterstattung, die unter Veröffentlichung von Abbildungen der Reisebetreiber den Vorwurf erhebt, diese würden minderwertige Schiffs-Weltrundfahrten als Luxusreisen anpreisen und die Reisenden abzocken, nur eine Ehrverletzung geprüft und eine solche Verletzung der Ehre nur hinsichtlich der zwei Personen bejaht, die im Artikel namentlich genannt werden, nicht aber für die übrigen abgebildeten Personen.407 Im Fall „Das Gesicht als lebendes Abzeichen des Bösen“ („Kao wa aku no rirekisho“) wird auch nur eine Ehrverletzung durch die Gleichsetzung mit dem „Bösen“ angenommen, aber nicht das Bild selbst angegriffen.408 Bei einer Berichterstattung über ein Exklusiv-ModeUnternehmen, das sich in Insolvenzgefahr befinden und Steuern hinterzogen haben sollte, wurde insbesondere über einen der Verantwortlichen des Unternehmens berichtet, er unterhalte ein geheimes Lager in Tokyo und es bestehe der Verdacht, dass er dieses für dunkle Geschäfte nutze. Beigefügt war diesem Artikel eine Blitzaufnahme des Verantwortlichen dabei, wie er gerade etwas aus dem geheimen Lager abtransportierte. Der Betroffene machte eine Ehrverletzung durch diesen Artikel geltend und bekam in erster Instanz Recht, die zweite Instanz sah aber die Berichterstattung als gerechtfertigt an. Die Fotos beanstandete der Betroffene in keiner Weise. Die rechtlichen Folgen der Beifügung der Aufnahmen und die
403
Siehe oben, Kap. 4, B.IV.1., f., S. 53. DG Tokyo, Urteil vom 15.02.1988, in: Hanji 1264, 51 (55 ff.). 405 Nach Einschätzung von Ôie wäre das Bildnisrecht als verletzt angesehen worden, wenn eine Verletzung geltend gemacht worden wäre, siehe ÔIE, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/ puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 277. 406 DG Tokyo, Urteil vom 30.03.1998, in: Hanji 1652, 89 (93 f.). 407 DG Tokyo, Urteil vom 12.10.1998, in: Hanta 1027, 191 (198 ff.). Das OG Tokyo hob das Urteil auf, weil die Voraussetzung der Wahrheitsmäßigkeit bzw. der Angemessenheit gegeben gewesen sei, prüfte aber auch nur eine Ehrverletzung, siehe OG Tokyo, Urteil vom 22.12.1999, in: Hanta 1027, 181 (184 ff.). 408 DG Tokyo, Urteil vom 30.04.1986, in: Hanji 1223, 71 (78 f.). 404
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
Frage, ob auch die Veröffentlichung der Aufnahmen gerechtfertigt ist, wurde daher auch in den Urteilen nicht selbständig geprüft.409 Im Fall einer identifizierenden Berichterstattung über eine Gruppenvergewaltigung mit Namen und Foto der Täter wurde eine Ehrverletzung angenommen.410 Ähnlich erfolgt in zahlreichen Fällen einer identifizierenden Berichterstattung mit Name und Foto keine separate Prüfung, ob die Veröffentlichung des Fotos gerechtfertigt ist, sondern nur die Prüfung einer Persönlichkeitsverletzung durch die Berichterstattung als Ganzes.411 Im Fall der angeblich psychisch kranken Schauspielerin412 steht ebenfalls nur eine Ehrverletzung durch den Text in Frage.413 Ebenso wenig werden die beigefügten Bilder problematisiert etwa in einem Artikel über die familiären Probleme eines berühmten Autors.414
Bei den letztgenannten Fällen ist natürlich zu bedenken, dass in Fällen, in denen eine ohnehin prominente oder bekannte Person dargestellt wird, der betroffenen Person die Tatsache, dass ihr Bild der Öffentlichkeit gezeigt wird, an sich vielleicht gar nichts ausmacht, sondern allein der Inhalt der im Text geäußerten Behauptungen, so dass jedenfalls keine selbständige Verletzung des Bildnisrechts vorliegt. Auch in Deutschland gibt es vergleichbare Fälle, in denen das Bild überhaupt nicht eigens angegriffen wird.415 Auch sonst wird auch in Deutschland das Recht am Bild manchmal nicht eigens problematisiert, sondern eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Berichterstattung als Ganzes geprüft.416 In der Regel wird das Recht am Bild bei einer bebilderten Berichterstattung aber im
409 DG Tokyo, Urteil vom 29.10.1998 und OG Tokyo, Urteil vom 19.07.1999, beide Urteile nicht veröffentlicht. Wiedergabe des Inhalts nach MURAKAMI, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 66. 410 DG Tokyo, Urteil vom 26.09.2001 und OG Tokyo, Urteil vom 27.02.2002, unveröffentlicht, nach MURAKAMI, in: Katteni toruna! Shôzô-ken ga aru! [Vorsicht Bildnisrecht] (2006), S. 130 f. 411 DG Ôsaka, Urteil vom 09.06.1999, in: Hanji 1679, 54 (59 ff.); OG Ôsaka, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1710, 121 (122 ff.). So auch DG Ôsaka, Urteil vom 29.05.2001, in: Hanji 1766, 64 (68 ff.), wo bezüglich eines Berichts über eine Vorstrafe im Fernsehen mit Bild und Name des Betroffenen gesondert geprüft wird, ob auch das Zeigen von Filmaufnahmen des Betroffenen gerechtfertigt war, aber kein gesondertes Bildnisrecht geprüft wird. 412 Bereits erwähnt in Kap. 4, B.IV.1., d, S. 48/49, und f, S. 54. 413 DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (26 ff.). 414 DG Tokyo, Urteil vom 15.07.1974, in: Hanji 777, 60 (62 ff.). 415 So aus neuerer Zeit das BVerfG, in: NJW 2009, 3357 f., wo im Zusammenhang mit der Berichterstattung über ein Strafverfahren gegen einen früheren Bundesliga-Fußballer ein Archivbild aus der Zeit als Fußballprofi gezeigt wurde. 416 OLG Hamburg, in: ZUM-RD 2008, 232 ff. zu einer Straftäterberichterstattung, wobei hier Berücksichtigung fand, dass der Betreffende sich in anderem Zusammenhang selbst freiwillig als Straftäter hatte abbilden lassen und dazu beigetragen hatte, dass er in der Öffentlichkeit als verurteilter Straftäter bekannt wurde, ebda. S. 234; LG Berlin, in: AfP 2008, 320 f., wo der Kläger zumindest für seine nähere persönliche Umgebung erkennbar war, weil sich aus dem Foto Profil und Statur und aus dem Text sein Alter und sein Vorname ergaben.
E. Das Bildnisrecht
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Gegensatz zu Japan angesprochen,417 oder es wird sogar allein auf die persönlichkeitsverletzende Natur des Bildes abgestellt,418 es sei denn, dass eine Prüfung des Rechts am Bild gar nicht notwendig ist, weil ohnehin schon der Bericht als Ganzes unzulässig ist.419 b) Auch bei Prüfung des Bildnisrechts keine erhöhten Zulässigkeitsanforderungen Auch wenn das Bildnisrecht bei einer bebilderten Berichterstattung gesondert geltend gemacht wird und eine selbständige Prüfung des Rechts stattfindet, führt dies in Japan nicht unbedingt zu einem höheren Schutz des Betroffenen, weil die Zulässigkeit des Bildes meist schlicht von der Zulässigkeit des Textes abhängt, dem das Bild beigefügt wurde.420 Insbesondere bei einer bebilderten Berichterstattung über Straftaten oder den Verdacht von Straftaten fällt die Prüfung eines Bildnisrechts, wenn sie überhaupt erfolgt, sehr kurz aus, weil es offenbar für selbstverständlich gehalten wird, eine solche Berichterstattung auch mit einer Abbildung des Betreffenden zu versehen.421 So wird die Rechtfertigung der Bildberichterstattung meist schlicht damit begründet, dass die Ehrverletzung durch die im Text mitgeteilten Tatsachen gerechtfertigt sei und die Abbildung „in engem, untrennbaren Zusammenhang mit diesen Tatsachen stehe“422 bzw. mit diesen „eine Einheit bilde“.423Anders ist das nur in Fällen der Berichterstattung über jugendliche Straftäter wegen des Anonymitätserfordernisses. 424 Dabei müsste der Prüfung des Bildnisrechts eigentlich entscheidende Bedeutung zukommen, weil für eine Bildberichterstattung, die viel unmittelbarer wirken kann, unter Umständen strengere Kriterien gelten
417 Vgl. als Beispiel für eine separate Prüfung etwa LG Köln, in: NJW-RR 2009, 623 (26 f.). 418 LG Hamburg, Az. 324 O 703/08 (in Juris); KG Berlin, in: NJW-RR 2008, 492 ff.; BGHZ 178, 213 (215 ff.) = NJW 2009, 757. 419 So aus neuerer Zeit OLG Hamburg, in: ZUM 2009, 232 ff., wonach die Verbreitung einer archivierten Berichterstattung über eine Straftat unter Nennung von Name und Beifügung von Abbildungen des Täters wegen des Resozialisierungsinteresses unzulässig war. 420 HAMADA, in: Hôkyô 288 (2004) S. 17; ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 39; DERS., in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehrund Privatsphärenschutzes] (2001), S. 281. 421 DG Tokyo, Urteil vom 31.01.1994, in: Hanta 875, 186 (195). 422 DG Tokyo, Urteil vom 28.02.1987, in: Hanji 1242, 76 (84) (Fall „Universitätsprofessor der Zahnmedizin“); ähnlich DG Tokyo, Urteil vom 29.02.1996, in: Hanta 915, 190 (194). 423 DG Tokyo, Urteil vom 28.02.1987, in: Hanji 1242, 76 (84); DG Okayama, Urteil vom 03.09.1991, in: Hanji 1408, 107 (113); DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2000, in: Hanta 1053, 152 (161/2). 424 Dazu und zu der Frage, ob bei Verstoß gegen das Minderjährigengesetz eine Schadensersatzpflicht besteht, unten, Kap. 5, C.III., S. 137 f.
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
als für eine bloße Wortberichterstattung425 und eine Bebilderung eine Persönlichkeitsverletzung dadurch intensivieren kann, dass die Person durch die Bebilderung auch ihrem Äußeren nach mit der berichteten Tatsache in Verbindung gebracht wird.426 Erstaunlicherweise wird zum Teil sogar in solchen Fällen eine Verletzung des Bildnisrechts ausdrücklich verneint, in denen ein rechtswidriger Text mit einer Abbildung des Betroffenen erschienen ist, etwa in Fällen einer Straftatoder Verdachtberichterstattung, deren Text mangels Wahrheitsmäßigkeit oder Angemessenheit eine Ehrverletzung darstellt. So enthielten Berichte über eine Frau namens Megumi Yao, die mit nordkoreanischen Spionen Kontakt gehabt haben sollte, nicht wahrheitsgemäße Informationen und stellten deshalb eine Ehrverletzung dar. Die Bebilderung dieser Artikel mit Fotos des Betroffenen wurde dabei grundsätzlich nicht als Bildnisrechtsverletzung angesehen, weil öffentliche Interessen an der Veröffentlichung bejaht wurden.427 Ebenso wurde im Fall eines bebilderten Berichts über den Leiter des NHK [=Nippon Hôsô Kyôkai, wörtlich „Japanische Rundfunkgesellschaft“]-Gesellschaftsressorts, der seine Beziehungen eingesetzt haben sollte, um in privaten Konflikten wegen Nachbarschaftslärm Druck auszuüben, eine Ehrverletzung durch den Text angenommen, das Bild aber für zulässig befunden, weil es dem öffentlichen Interesse diene.428 Dieses Vorgehen findet auch Zustimmung zumindest in Teilen der Literatur, so etwa bei Murakami, der einen Gleichlauf der Rechtmäßigkeit von Wort- und Bildberichterstattung ablehnt und kein Verständnis dafür hat, dass manchmal eine Verletzung des Bildnisrechts angenommen wird, nur weil der Text eine Ehrverletzung darstellt.429
Allerdings ist die Rechtfertigung der Abbildung in solchen Fällen schwer nachvollziehbar, da das Bild einer Person dadurch mit falschen Vorwürfen in Zusammenhang gebracht wird. Dementsprechend wird in der Literatur teilweise auch ein Gleichlauf mit der Zulässigkeit des Textes befürwortet.430 Immerhin kann die Bebilderung nach der Rechtsprechung aber unzulässig sein, wenn die Aufnahme auf eine unangemessene Weise erlangt wurde, was dann angenommen wird, wenn die Aufnahme heimlich oder gegen den Willen 425
So eine besondere Berechtigung für das Zeigen von Bildern fordernd etwa DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (100); DG Ôsaka, Urteil vom 29.05.2001, in: Hanji 1766, 64 (69). Vgl. aus der deutschen Diskussion BEATER, in: AfP 2005, S. 133 f.; DERS., in: AfP 2005, S. 228; BGH, in: NJW 1966, 2353 (2354); BVerfGE 35, 202 (226 f.) = NJW 1973, 1226 (1229). 426 Daher fordert etwa S. YAMAGUCHI, in: Hanhyô 373 (1990), S. 29 = Hanji 1333, 191, dass auch dann, wenn ein Artikel dem Text nach an sich zulässig ist, geprüft werden muss, ob auch die Bebilderung des Berichts notwendig war. 427 DG Yokohama 22.04.1994 (Fall „Megumi Yao gegen Asahi-Zeitung“), nach ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 33 f. 428 DG Tokyo, Urteil vom 06.12.2001, in: Hanji 1801, 83 (96). 429 MURAKAMI, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000) S. 108 ff. 430 So geht etwa S. YAMAGUCHI davon aus, dass bei einem Bericht, der die Ehre oder die Privatsphäre verletzt, auch das Bild „selbstverständlich“ rechtswidrig ist, in: Hanhyô 373 (1990), S. 29 = Hanji 1333, 191.
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des Betroffenen gemacht worden ist und den Betroffenen in einem Zustand zeigt, in dem dieser nicht von der Öffentlichkeit gesehen werden möchte. So wenn ein Bild verwendet wird, das heimlich ohne die Einwilligung des Betroffenen aufgenommen worden ist und den Betroffenen in offenbar schmuddeliger Alltagsbekleidung in der Nähe seines Hauses zeigt, was nach Auffassung des Gerichts „offensichtlich und auf den ersten Blick erkennbar ein Zustand [ist], in dem der Betreffende nicht abgebildet werden möchte“.431 Bezüglich der schon erwähnten Megumi Yao wurde eine Verletzung des Bildnisrechts bei solchen Bildern angenommen, auf denen die Betreffende ihr Gesicht mit der Bluse versteckt, weil es sich „nach dem Inhalt um ein Foto handelt, von dem niemand die Aufnahme oder eine Verbreitung wünsche“, und auch weil „der Bericht von einem solchen Inhalt sei, dass er stark den Eindruck erwecke, dass die Angeklagte ein nordkoreanischer Spion sei“.432
Zu diesem Problemkomplex sei abschließend noch darauf hingewiesen, dass die Praxis des Umgangs mit Bildberichten schwer in vollem Umfang recherchierbar ist, da bei Fällen, die als reine Ehrverletzung geltend gemacht werden, aus den zugänglichen Urteilen meist nicht erkennbar ist, ob der betreffende Artikel möglicherweise auch bebildert war. Nur in einem Teil der Fälle ist aus den Urteilen ersichtlich, dass der Artikel bebildert war. Wie hier aufgezeigt wurde, ist hinsichtlich der Behandlung dieser Fälle aber immerhin eine deutliche Tendenz erkennbar, was die Bedeutung des Bildnisrechts in Japan angeht.
F. Das Publicity-Recht F. Das Publicity-Recht I. Überblick Das Publicity-Recht (Paburishiti-ken [„Paburishiti“ = japanisierte Form von „Publicity“]) in Japan schützt die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen und bildet damit die Entsprechung zu den vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts in Deutschland.433 Wie im Überblick zum deutschen Recht angedeutet, hat dieser Schutzaspekt eine ambivalente Stellung aufgrund des Widerspruchs zum ursprünglichen Konzept des Schutzes ideeller Persönlichkeitswerte, woraus sich verschiedene Probleme und Diskussionen hinsichtlich der Ausgestaltung des Schutzes ergeben. In Japan ist die Situation sehr ähnlich. Dieser Abschnitt F. gibt einen Überblick über die Situation in Japan im Vergleich zu Deutschland. Zunächst werden der Hintergrund des Publicity-Rechts nach japanischem Verständnis 431
DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2000, in: Hanta 1053, 152 (163). DG Yokohama, Urteil vom 10.07.1994, in: Hanta 885, 124/134 (143) (Fall „Yao Megumi gegen Sangyô Keizai-Zeitung“). Ebenso DG Yokohama, Urteil vom 22.04.1994 (Fall „Megumi Yao gegen Yomiuri-Zeitung“), nach ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 34. 433 Dazu oben, Kap. 2, A.IV., S. 16 f. 432
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und die daraus resultierende dogmatische Einordnung erläutert (II.). Dann wird aufgezeigt, wie sich dies konkret auf die Frage der Übertragbarkeit des Rechts unter Lebenden (III.) und auf die Frage der Vererblichkeit (IV.) auswirkt. Anschließend gehe ich auf Punkte ein, die in der deutschen Diskussion sehr von Interesse sind, nämlich die Haltung zum Erfordernis einer Lizenzbereitschaft (V.) und die Art der Veröffentlichungen, die vom Anwendungsbereich des Publicity-Rechts erfasst werden (VI.), und ziehe abschließend noch einmal ein Fazit zu den Auswirkungen der grundsätzlichen dogmatischen Ausgestaltung auf die Lösung der Einzelfragen (VII.). II. Hintergrund und dogmatische Einordnung des Publicity-Rechts 1. Hintergrund der Anerkennung Ursprünglich stand beim Schutz der Persönlichkeitsrechte in Japan ebenso wie in Deutschland die Vorstellung im Vordergrund, dass es um den Schutz ideeller Werte einer Person geht.434 Wie in Deutschland hat sich aber das Verständnis durchgesetzt, dass Prominente, wie etwa Schauspieler oder Profisportler, in der Regel aus der Veröffentlichung ihres Namens oder anderer Persönlichkeitsmerkmale Vorteile ziehen und durch eine anderweitige unberechtigte Veröffentlichung keineswegs in ideellen Interessen betroffen sind. Daher verwehrt man in Japan solchen Personen – ebenso wie in Deutschland – einen Schutz unter dem Aspekt des Schutzes ideeller Interessen. Dafür geht man davon aus, dass eine prominente Persönlichkeit durch eigene Verdienste einen Ruf erworben hat und dadurch ihre Persönlichkeitsmerkmale, wie Name oder Bild, zum Beispiel bei Verwendung in der Werbung eine positive und verkaufsfördernde Wirkung erlangt haben. Daher soll dem Prominenten das „Publicity-Recht“ als ausschließliches Recht zustehen, diese Persönlichkeitsmerkmale wirtschaftlich zu verwerten. Eine unbefugte Verwertung verletzt ihn in diesem wirtschaftlichen Interesse.435
434 MIURA, in: Aoyama kiyô Bd. 22 Nr. 1 (1993), S. 1 f.; zu Deutschland oben, Kap. 2, A.IV., S. 16. 435 Erstmalige Anerkennung des Publicity-Rechts in DG Tokyo, Urteil vom 29.06.1976, in: Hanji 817, 23 (33) (Fall „Mark Lester“); Anerkennung in der Sache ferner in DG Tokyo, Beschluss vom 02.10.1978, in: Hanta 372, 97 f.; DG Tokyo, Urteil vom 21.12.1990, in: Hanji 1400, 10 (13); OG Tokyo, Urteil vom 26.09.1991, in: Hanji 1400, 3 (7). Ausdrücklich den Begriff Publicity-Recht verwenden DG Tokyo, Urteil vom 27.09.1989, in: Hanji 1326, 137 (138); DG Tokyo, Urteil vom 21.01.1998, in: Hanji 1644, 141 (146); DG Tokyo, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1715, 76 (81). In einem Obiter dictum hat nunmehr auch der OGH ein Publicity-Recht anerkannt, Urteil vom 02.02.2012, abrufbar unter . Zur genau parallelen Argumentation in Deutschland siehe oben, Kap. 2, A.IV., S. 16.
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2. Grundsätzliche dogmatische Einordnung: Dualismus vs. Monismus Das japanische Paburishiti-ken ist maßgeblich vom US-amerikanischen „Right of Publicity“ beeinflusst, das dort als selbständiges, von den ideellen Persönlichkeitsrechten abgespaltenes Recht verstanden wird.436 Auch in Japan wird dementsprechend hinsichtlich des Verhältnisses des Publicity-Rechts zu den übrigen Persönlichkeitsrechten in der Regel ein dualistischer Ansatz (Nigen-ron) vertreten, der das Publicity-Recht als gegenüber den ideellen Persönlichkeitsrechten selbständiges Vermögensrecht betrachtet. 437 Dabei wird aber meist kein rein dualistischer Standpunkt eingenommen, sondern es werden Einschränkungen des Vermögensrechts mit Rücksicht auf die ideellen Elemente des Persönlichkeitsrechts vorgenommen.438 Zum Teil finden sich auch Vertreter, die sich ganz zu einer monistischen Position (Ichigen-ron) bekennen, nach der die ideellen und kommerziellen Interessen als Bestandteile eines einheitlichen Persönlichkeitsrechts angesehen werden 439 und wie es grundsätzlicher Ansatzpunkt in Deutschland ist. 3. Annäherung der Ansätze Im Ergebnis lassen sich die Positionen in Japan aber insbesondere aufgrund der abmildernden Einschränkungen der dualistischen Positionen letztlich kaum unterschieden, sondern stellen mehr oder weniger vermittelnde Standpunkte dar. In Deutschland findet auf der anderen Seite trotz des monistischen Grundansatzes eine Annäherung an dualistische Positionen statt durch Entwicklungen, die den vermögenswerten Bestandteilen zumindest einen gewissen selbständigen Charakter verleihen, so durch die Anerkennung der Vererblichkeit oder der Berechnung eines Schadens im Wege der Lizenzanalogie
436
Hierzu ausführlich GÖTTING, in: GRUR Int. 1995, S. 659 ff. K. ABE, in: Saitô (Hrsg.), Gendai shakai to minji-hô [Die heutige Gesellschaft und das Zivilrecht] (1981), S. 291 ff., 298 f.; Y. INOUE, in: Hôkyô 252 (2001), S. 36; ÔIE, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 257; DERS., in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 172; H. SAITÔ, in: Tokkyo kenkyû 15 (1993), S. 20; TOYODA, in: Nihon hôgaku 69 Nr. 1 (2003) S. 370 f.; OG Tokyo, Urteil vom 17.07.2002, in: Hanji 1809, 39 (41). Eine Parallele findet sich übrigens im Urheberrecht. Auch hier verfolgt man in Japan einen dualistischen, in Deutschland einen monistischen Ansatz; siehe etwa GANEA, in: Baum/ Bälz (Hrsg.): Handbuch Japanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rdnr. 9; NAKAYAMA, in: Chosakuken-hô [Urheberrechts-Gesetz] (2007), S. 318. 438 Etwa bei der Frage, ob eine unbegrenzte Übertragung an Dritte möglich ist; dazu näher im folgenden Abschnitt, Kap. 4, F.III., S. 116 f. 439 DOI, in: Kopiraito 203 (1978), S. 5 f.; HANAMOTO, in: Dokkyô hôgaku 45 (1997), S. 247; IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 180, 186; wohl auch SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 214 ff. 437
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auch bei fehlender Lizenzbereitschaft des Betroffenen.440 So nähern sich die Positionen in den beiden Ländern an, obwohl im Grundsatz von unterschiedlichen Standpunkten ausgegangen wird. Da das japanische Recht auch in der Frage der Vererblichkeit vom US-amerikanischen Ansatz abweicht und eine der deutschen Auffassung ähnliche Position vertritt, kommen die beiden Rechtsordnungen damit, wie in den folgenden Abschnitten gezeigt wird, bezüglich der konkreten Fragen im Ergebnis meist zu ähnlichen Lösungen, ohne dass der grundsätzlich vertretene Standpunkt dabei eine große Rolle spielen würde. Hinsichtlich der Annäherung an den dualistischen Ansatz finden sich in Deutschland dabei heftige Diskussionen. Während ein Teil der Literatur der Anerkennung eines Immaterialgüterrechts aufgeschlossen gegenübersteht, stößt die Entwicklung in Richtung Immaterialgüterrecht zum Teil auf grundsätzliche Bedenken.441 Die Loslösung von Elementen der Persönlichkeit von der Person und das Verfügbarmachen für Dritte wird nach dieser Kritik als Gefahr für Privatautonomie und Selbstbestimmung gesehen,442 die man nicht als gesellschaftliche Realität akzeptieren darf, weil das Leitbild der persönlichen Autonomie Bestandteil der in Art. 1, 2 GG verankerten objektiven Werteordnung sein und daher nicht zur Disposition des Einzelnen stehen soll.443 Vielmehr wird die Kommerzialisierung der Persönlichkeit als gesellschaftliche Fehlentwicklung gesehen, der entgegenzusteuern ist.444 Dabei handelt es sich allerdings um genau die gleichen, die Wahrung der Selbstbestimmung betreffenden Probleme, die auch in Japan gesehen und diskutiert werden, auch wenn die japanische Diskussion weniger von geradezu idealistischen und moralischen Vorstellungen geprägt und insgesamt sachbezogener und nüchterner abläuft. III. Frage der Übertragbarkeit unter Lebenden Dem Monismus in konsequenter Form nach gibt es keine Vererbung und keine Übertragbarkeit bezüglich der wirtschaftlichen Aspekte wegen der
440 Die Anerkennung der Vererblichkeit wird zum Teil schon als Bekenntnis zum Dualismus gesehen, siehe PEIFER, in: GRUR 2002, S. 496; SCHACK, in: JZ 2000, S. 1061. Im Einzelnen zu diesen Fragen näher in den folgenden Abschnitten Kap. 4, F.III. und F.IV., S. 116 f., 118 f. 441 Kritisch gegenüber einer Anerkennung als Immaterialgüterrecht etwa HELLE, in: JZ 2007, S. 444, 449; PEIFER, in: GRUR 2002, S. 499; PEIKERT, in: ZUM 2000, S. 712 ff., 719 f.; SCHACK, in: AcP 195 (1995), S. 594 f.; DERS., in: JZ 2000, S. 1060. 442 GÖTTING, in: GRUR 2004, S. 805; HELLE, in: JZ 2007, S. 448, 449; SCHACK, in: JZ 2000, S. 1062; DERS., in: Urheber- und Urhebervertragsrecht, 5. Aufl. (2010), Rdnr. 51. 443 GÖTTING, in: GRUR Int. 1995, S. 668. 444 SCHACK, in: AcP 195 (1995), S. 594/5; DERS., in: JZ 2000, 1062.
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höchstpersönlichen Natur des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.445 Daher ist in Deutschland die Frage der Übertragbarkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, wie schon im Überblick zum deutschen Recht erwähnt, sehr problematisch.446 Kennzeichnend für den dualistischen Ansatz ist demgegenüber die selbständige Übertragbarkeit des Rechts. In Japan ist diese ganz überwiegend anerkannt. Allerdings gilt das nicht nur für die Vertreter der dualistischen Position, sondern auch für die Vertreter des Monismus;447 nur vereinzelt wird die Anerkennung der Übertragbarkeit im Hinblick auf die Möglichkeit der Einräumung einer Nutzungsbefugnis als unnötig abgelehnt.448 Das führt zu dem Schluss, dass die weitgehende Akzeptanz der Übertragbarkeit auch in dogmatischer Hinsicht keine zwingende Konsequenz aus dem dualistischen Ansatz, sondern von der gesellschaftlichen Praxis beeinflusst ist. In der japanischen Praxis ist es nämlich weithin üblich, dass Prominente oder Sportler alle Rechte bezüglich der Verwertung ihres Namens oder ihrer Bilder an die betreuenden Produktionsfirmen oder Sportvereine übertragen und die Entscheidung über Ob und Wie der Verwertung durch diese getroffen wird. Im Ergebnis besteht zwischen der deutschen und der japanischen Konstruktion auch keine große Differenz. Ein Unterschied besteht zwar darin, dass der Empfänger einer Nutzungsbefugnis gegen den Rechtsinhaber selbst keine Ansprüche geltend machen kann, dass also bei der deutschen Rechtslage bei „unbefugter“ Nutzung durch den Rechtsinhaber selbst keine Kondiktionsansprüche gegen diesen bestehen; ferner wird bei der Einräumung einer bloßen Nutzungsbefugnis die Möglichkeit eines Widerrufs bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, etwa aufgrund gewandelter Überzeugungen, diskutiert.449 Wie oben bereits angedeutet wurde, relativiert sich auch dieser Unterschied dadurch, dass auch in Japan das Problem, dass die Betroffenen durch 445
Siehe etwa V. GAMM, in: Urheberrechtsgesetz (1968), Einf. Rdnr. 94, 96 (allgemein für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht) und Rdnr. 109 (für das Recht am Bild). 446 Siehe oben, Kap. 2, A.IV., S. 16. 447 Für die Übertragbarkeit trotz monistischem Ansatz etwa IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 189 f. Auch ansonsten selbstverständlich für eine Übertragbarkeit K. ABE, in: Saitô (Hrsg.), Gendai shakai to minji-hô [Die heutige Gesellschaft und das Zivilrecht] (1981), S. 298; MABASHI, in: Hanta 1062 (2001), S. 181; TANAKA, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehrund Privatsphärenschutzes] (2001), S. 322. Zur Anerkennung der Übertragbarkeit in der Rechtsprechung beachte insbesondere OG Tokyo, Urteil vom 17.07.2002, in: Hanji 1809, 39 (41). 448 HANAMOTO, in: Dokkyô hôgaku 45 (1997), S. 250; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô I [Recht der unerlaubten Handlungen I], 2. Aufl. (2009), S. 215. KIKUCHI, in: Hanta 1346 (2011), S. 32, meint, dass die bisherige Rechtsprechung die Übertragbarkeit nicht klar anerkannt habe, und bezweifelt aufgrund der Natur als Persönlichkeitsrecht sogar, dass eine Anerkennung erfolgen könne. 449 Vgl. GÖTTING, in: GRUR Int. 1995, S. 668.
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eine Übertragung die Möglichkeit zur Selbstbestimmung über ihre Persönlichkeitsmerkmale verlieren können und Widersprüche zu den ideellen Interessen gegeben sein können, diskutiert wird, und zwar auch von den „Dualisten“, und daher meist die Einschränkung gemacht wird, dass Dritte vom PublicityRecht nicht in einer Weise Gebrauch machen dürfen, die den ideellen Interessen des ursprünglichen Inhabers widerspricht. 450 Im Ergebnis kommen deutsches und japanisches Recht damit trotz des tendenziell unterschiedlichen Ansatzes zu fast identischen Lösungen. IV. Frage der Vererblichkeit In Deutschland ist die Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts durch die Rechtsprechung anerkannt worden und kann heute – trotz teilweise immer noch geäußerter Bedenken gegen die Vererblichkeit451 – als mehr oder weniger akzeptiert gelten.452 In Japan existiert demgegenüber zur Frage der Vererblichkeit noch keine Rechtsprechung. Die überwiegende Lehre geht vom Fortbestehen des Publicity-Rechts auch nach dem Tod und von dessen Vererblichkeit aus oder befürwortet zumindest eine Vererblichkeit.453 Erstaunlicherweise gibt es aber zum Teil Bedenken gegenüber einer Vererblichkeit, und zwar gerade unter Vertretern der dualistischen Position, die meist mit dem Argument unterlegt werden, dass es keine gesetzliche Grundlage für eine solche Vererblichkeit
450
Siehe K. ABE, in: Saitô (Hrsg.), Gendai shakai to minji-hô [Die heutige Gesellschaft und das Zivilrecht] (1981), S. 298; DERS., in: Taniguchi u.a. (Hrsg.), Shinpan chûshaku minpô [Neuer Kommentar zum Zivilrecht] Bd. 18 (1991), § 703 J, IV, S. 578 f.; ÔIE, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 257; DERS., in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 172; H. SAITÔ, in: Tokkyo kenkyû 15 (1993), S. 21. 451 So im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts HELLE, in: Besondere Persönlichkeitsrechte (1991), S. 61 (für das Recht am eigenen Bild); SCHACK, in: AcP 195 (1995), S. 599; DERS., in: JZ 2000, S. 1061, im Hinblick auf die Gefahr der Kollision von Vermögensinteressen, die auf die Erben übergehen, und persönlichkeitsrechtlichen Befugnissen, die von den nächsten Angehörigen geltend gemacht werden. Schließlich soll sich die Vererblichkeit auch nicht mit Schutzerfordernissen begründen lassen, weil man stattdessen unter Berufung auf die Präventionsfunktion den Angehörigen immateriellen Schaden zusprechen könnte und zudem eine Abschreckung über das Strafrecht möglich ist; so PEIFER, in: GRUR 2002, S. 500; SCHACK, in: JZ 2000, S. 1061; DERS., in: Urheber- und Urhebervertragsrecht, 5. Aufl. (2010), Rdnr. 51. 452 Siehe oben, Kap. 2, A.IV., S. 16. 453 K. ABE, in: Saitô (Hrsg.), Gendai shakai to minji-hô [Die heutige Gesellschaft und das Zivilrecht] (1981), S. 303 f. unter Verweis auf die Parallele beim Urheberpersönlichkeitsrecht; IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 190; TANAKA, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehrund Privatsphärenschutzes] (2001), S. 322.
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gebe.454 Dies ist insofern interessant, als es eigentlich naheläge, bei einer dualistischen Position in Parallele zu den Immaterialgüterrechten eine Vererblichkeit als selbstverständlich anzusehen.455 V. Problem des Erfordernisses einer Lizenzbereitschaft Zum Erfordernis einer Lizenzbereitschaft, das in Deutschland zur Zeit heftig umstritten ist,456 gibt es in Japan keine vergleichbare Diskussion. Das Problem stellt sich in Japan nämlich nicht in gleicher Weise wie in Deutschland. Die fraglichen Fälle können in Japan vielmehr unproblematisch über die Gewährung von Schmerzensgeldern gelöst werden und werden in der Praxis auch so gehandhabt, so dass die Frage nach den Voraussetzungen eines materiellen Schadensersatzes nicht von solch großer Bedeutung ist wie in Deutschland. Einzelne Urteile, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, zeigen eine restriktive Tendenz. Da es sich um Urteile aus den Anfängen des PublicityRechts und damit auch um die ersten Schritte hin zu einer Anerkennung des Publicity-Rechts handelt, kann allerdings nicht gesagt werden, ob die darin getroffenen Aussagen als allgemeingültig zu verstehen sind oder ob die Gerichte nur aufgrund der Neuheit der Entwicklung noch vorsichtig in ihren Aussagen waren und künftig Potential zu weiteren Entwicklungen besteht. Im Fall „Mark Lester“, dem ersten Fall einer Anerkennung des Publicity-Rechts, in dem es darum ging, dass Name und Bilder des englischen Kinderschauspielers Mark Lester ohne dessen Einwilligung in einer Fernsehwerbung verwendet worden waren, wird von der Anwendbarkeit des Rechts eine Ausnahme gemacht, wenn der Betreffende aus Überzeugung seinen Namen oder sein Bild nicht für kommerzielle Werbezwecke hergibt.457 Umgekehrt gesagt ist das Publicity-Recht in diesen Fällen fehlender Lizenzbereitschaft also nicht anwendbar. Auch im Fall „Onyanko Kurabu“ [d.i. der Name einer beliebten Gruppe von Fernseh-Stars, deren Namen und Fotos ohne Erlaubnis für die Anfertigung von Kalendern verwendet worden waren, die dann verkauft wurden] bejahte die erste Instanz einen Unterlassungsanspruch der Betroffenen mit der Begründung, dass Prominente zwar Veröffentlichungen über sich selbst generell wünschten, ihre Einwilligung in Veröffentlichungen sich aber nicht darauf erstrecke, dass ihre Persönlichkeitsmerkmale als Waren gehandelt würden.458 Das erstinstanzliche Gericht setzt also an einer Verletzung ideeller Werte an459 und wendet das Publicity-Recht in Fällen fehlender Verwertungsbereitschaft ebenfalls nicht an. Diese Ein454
ABE, in: Taniguchi u.a. (Hrsg.), Shinpan chûshaku minpô [Neuer Kommentar zum Zivilrecht] Bd. 18 (1991), § 703 J, IV, S. 579; HANAMOTO, in: Dokkyô hôgaku 45 (1997), S. 251; ÔIE, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 256. Eine Vererblichkeit aufgrund der Natur als Persönlichkeitsrecht ablehnend KIKUCHI, in: Hanta 1346 (2011), S. 34. 455 Die Frage der Vererblichkeit ist aber etwa auch im US-amerikanischen Recht trotz dualistischem Modell heftig umstritten, vgl. etwa GÖTTING, in: GRUR Int. 1995, S. 666 f. 456 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 20 f. 457 DG Tokyo, Urteil vom 29.06.1976, in: Hanji 817, 23 (33). 458 DG Tokyo, Urteil vom 21.12.1990, in: Hanji 1400, 10 (13). 459 MABASHI, in: Hanta 1062 (2001), S. 179.
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schränkung macht auch die erste Instanz allerdings nur im Rahmen des Unterlassungsanspruchs – möglicherweise, weil es sich um den ersten Fall einer Unterlassung bei einem Publicity-Recht handelte. Im Rahmen des Schadensersatzanspruchs ist demgegenüber vom Vermögenswert der Persönlichkeitsmerkmale die Rede, es wird also das Publicity-Recht angewandt.460 Die zweite Instanz im gleichen Fall hat dann ausdrücklich auch Unterlassungsansprüche bei Publicity-Rechts-Verletzungen anerkannt, 461 also keine Einschränkung auf Fälle der Verwertungsbereitschaft wie die erste Instanz gemacht. Im Fall einer abredewidrigen Werbung mit einem großformatigen Foto des Käufers einer Privathaus-Sauna wird der Schaden unter anderem darin gesehen, dass der unfreiwillige Werbende Sticheleien der Art über sich ergehen lassen musste, dass er da ja einen guten Zuverdienst habe, und zudem wegen des Verbots privater Nebenjobs von seinem Vorgesetzten einen strengen Verweis erhielt (während er tatsächlich keinerlei Entlohnung oder Vorteile wie Rabatt auf den Kaufpreis erhalten hatte). Das Urteil spricht in diesem Fall nicht das PublicityRecht an, sondern das rechtlich geschützte Interesse, dass der Name einer Person nicht gegen deren Willen verwendet oder ihr Bildnis gegen ihren Willen der Öffentlichkeit preisgegeben wird.462 Das Gericht scheint also immaterielle Interessen für berührt zu halten.
Für die deutsche Diskussion lassen sich aus dem Vorgehen der japanischen Rechtsprechung keine Schlüsse ziehen, da, wie gesagt, aufgrund des unterschiedlichen Verhältnisses von materiellem und immateriellem Schadensersatz die Ausgangslage eine ganz andere ist. Im Zusammenhang mit dem Problem der Bedeutung der Lizenzbereitschaft steht die Frage der Kumulierbarkeit von materiellem und immateriellem Schadensersatz. Denn wenn man einen materiellen Schaden nur bei Lizenzbereitschaft zugesteht, schließen sich Schmerzensgeld und Lizenzgebühr aufgrund von Bereicherungs- oder Deliktsrecht eigentlich in dem Sinne aus, dass man im Falle des Einverständnisses mit einer Nutzung materiell, aber nicht immateriell geschädigt ist, und umgekehrt im Falle fehlenden Einverständnisses immateriell geschädigt ist, aber keinen materiellen Schaden geltend machen kann. 463 Vereinzelt wurden im deutschen Recht dennoch schon immer materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche – bzw. Bereicherungsansprüche und immaterielle Schadensersatzansprüche – kumulativ angewandt, was ohnehin selbstverständlich ist, wenn man für die Annahme der Verletzung materieller Schäden auf das Erfordernis der Lizenzbereitschaft verzichtet.464 460
DG Tokyo, Urteil vom 21.12.1990, in: Hanji 1400, 10 (13). OG Tokyo, Urteil vom 26.09.1991, in: Hanji 1400, 3 (7). 462 DG Tokyo, Urteil vom 29.08.1989, in: Hanji 1338, 119 (120). 463 Vgl. etwa BGHZ 26, 349 (352 ff.). 464 Für eine kumulative Anwendung etwa BGHZ 30, 7 (18) = NJW 1959, 1269 (1272) im Fall der Erwähnung einer Künstlerin in einer Werbung für Zahnprothesen; OLG Frankfurt, in: ZUM 1985, 570 (571 f.); OLG München, in: NJW-RR 1996, 539 (540 f.) im Fall der Verwendung eines Fotos für eine Telefonsex-Werbung; BALTHASAR, in: ZUM 2005, S. 878; CANARIS, in: FS Deutsch (1999), S. 90; SIEMES, in: AcP 201 (2001), S. 230; WAGNER, in: VersR 2000, S. 1309. 461
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In der japanischen Rechtsprechung erfolgt zum Teil auch eine Kumulation materieller und immaterieller Aspekte. Die Materiallage hierzu ist jedoch sehr dünn. Im Fall der unbefugten Werbung mit dem Namen und Bildern des Kinderschauspielers Mark Lester wurde neben wirtschaftlichem Schadensersatz auch ein Schmerzensgeld wegen seelischer Schmerzen anerkannt, da Lester bereits für ein Konkurrenzunternehmen warb und seine Ehre dadurch verletzt worden sei, dass der Eindruck entstand, er hätte entgegen seinem Exklusiv-Werbevertrag für zwei Unternehmen geworben, um einen doppelten Vorteil zu erlangen.465 Im Fall der ungenehmigten Verwendung von Name und Bildnis eines Schauspielers für Werbezwecke wurde ein vermögensrechtlicher Schaden in Höhe von 1.000.000 Yen und ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Yen bejaht.466 Im oben beschriebenen Onyanko-Fall schließlich wurde zumindest in erster Instanz zusätzlich zum Vermögensschaden ein seelischer Schaden durch den ungenehmigten Gebrauch des Publicity-Rechts bejaht, allerdings ohne nähere Begründung.467 Die zweite Instanz, die – wie oben erläutert – auch den Unterlassungsanspruch auf die Verletzung von Vermögensinteressen und nicht von immateriellen Interessen stützte, hob die Gewährung des Schadensersatzes für immaterielle Schäden auf und sagte dazu als Begründung ausdrücklich, dass der Schaden aus einer Publicity-Rechts-Verletzung in aller Regel durch den Ausgleich der wirtschaftlichen Schäden als wieder gutgemacht anzusehen sei, so dass kein zusätzlicher immaterieller Schaden anzunehmen sei.468
VI. Anwendungsbereich des Publicity-Rechts – Art der erfassten Veröffentlichungen Im Überblick zum deutschen Recht wurde gezeigt, dass sich der Anwendungsbereich der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts bisher auf klassische Fälle der Kommerzialisierung wie insbesondere die Ausnutzung für Werbungen beschränkt, obwohl eine Erweiterung auf alle Fälle der Nutzung aus wirtschaftlichen Gründen, etwa im Rahmen einer Berichterstattung, denkbar und möglicherweise sinnvoll ist.469 Das Gleiche gilt für Japan, wo das Publicity-Recht ein Bereich ist, der sich erst in neuerer Zeit entwickelt hat470 und noch kaum höchstrichterliche Fälle aufweisen kann, in noch stärkerem Maße. Bisher hat hier das Publicity-Recht ausschließlich in typischen Fällen der kommerziellen Verwendung von Bild465
DG Tokyo, Urteil vom 29.06.1976, in: Hanji 817, 23 (37). DG Toyama, Urteil vom 31.10.1986, in: Hanji 1218, 128 (132) (Fall Hiroshi Fujioka). 467 DG Tokyo, Urteil vom 21.12.1990, in: Hanji 1400, 10 (14); zu diesem Fall schon oben, S. 119. 468 OG Tokyo, Urteil vom 26.09.1991, in: Hanji 1400, 3 (9). 469 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 20 f., sowie näher zu den möglichen Vorteilen unten, Kap. 7, E., S. 231 f. 470 Darauf weisen extra hin etwa K. ABE, in: Saitô (Hrsg.), Gendai shakai to minji-hô [Die heutige Gesellschaft und das Zivilrecht] (1981), S. 293; IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 182. Die ersten Fälle aus der Rechtsprechung stammen aus der Mitte der 1970er Jahre. 466
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
nissen oder des Namens Prominenter für Werbung oder in Postern oder Kalendern etc. Anwendung gefunden und spielt nur eine untergeordnete Rolle im Schutz der Privatsphäre. Für die Eingrenzung des Anwendungsbereichs des Rechts von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass als grundsätzliche Voraussetzung für die Anerkennung einer Publicity-Rechts-Verletzung verlangt wird, dass speziell die „Anziehungskraft auf Kunden“ (Kokyaku kyûin ryoku) eines Bildnisses oder eines Namens ausgenutzt wird. Was damit gemeint ist, wird deutlich, wenn man sich die Fälle anschaut, in denen diese Voraussetzung relevant wurde. Während sich der auch in Deutschland bekannte Fußballer Hidetoshi Nakata durch die Veröffentlichung einer Biographie über sein Leben in seinem Publicity-Recht verletzt sah, weil sein Name den Hauptbestandteil des Titels ausmachte und auf der Titelseite sowie an mehreren Stellen des Buches Bilder von ihm zu sehen waren, erkannte das Gericht zwar an, dass diese Persönlichkeitsmerkmale gerade wegen ihrer „Anziehungskraft auf Kunden“ verwendet worden seien und damit bei separater Betrachtung die Voraussetzung für eine Verletzung des Publicity-Rechts erfüllt sei. Diese Elemente machten aber nur einen geringen Teil des Buches aus, das als Ganzes nicht das Publicity-Recht betreffe, sondern allein das Recht auf Privatsphäre.471 Auch im Fall „King Crimson“ ging es um ein Buch über die gleichnamige Rockband, das Bilder der Bandmitglieder enthielt. Während die erste Instanz eine Publicity-Rechts-Verletzung als gegeben ansah, weil sie davon ausging, dass die Persönlichkeitsmerkmale, deren „Kundenanziehungskraft“ genutzt werde, einen wichtigen Bestandteil des Bandes ausmachten,472 verneinten das OG Tokyo sowie der OGH eine Publicity-Rechts-Verletzung, weil das Buch nur wenige publicity-rechts-verletzende Bilder enthielt und das Buch nicht zum Zwecke der Ausnutzung des Publicity-Wertes publiziert worden sei.473 Die Ablehnung des Vorliegens einer Publicity-Rechts-Verletzung bezüglich der Verwendung von Bildern der „Pink Ladies“, einem Sängerinnen-Duo, im Zusammenhang mit der Empfehlung einer „Diät“ durch Nachtanzen der Hits wurde zumindest von der ersten Instanz sowie dem OGH ebenfalls damit begründet, dass Zweck der Verwendung nicht spezifisch die Ausnutzung der „Kundenanziehungskraft“ der Bilder sei.474 Voraussetzungen für die Annahme einer Verletzung des Publicity-Rechts sind nach dem OGH im letztgenannten Fall, dass 1) ein Bildnis an sich als eigenständiger Betrachtungsgegenstand für ein kommerzielles Produkt verwendet wird, 2) die Verwendung für das kommerzielle Produkt mit dem Ziel erfolgt, das kommerzielle Produkt unterscheidbar hervorzuheben, und 3) der
471
DG Tokyo, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1715, 76 (83). DG Tokyo, Urteil vom 21.01.1998, in: Hanji 1644, 141 (147 f.). 473 OG Tokyo, Urteil vom 24.02.1999, unveröffentlicht, nach IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 184, sowie ÔIE, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 240 f.; OGH, Urteil vom 09.11.2000, nach ÔIE, in: Kurume daigaku hôgaku 39 (2000), S. 241. 474 DG Tokyo, Urteil vom 04.07.2008, in: Hanji 2023, 152 (158); OGH, Urteil vom 02.02.2012, abrufbar unter . Die zweite Instanz zum letztgenannten Fall stellt allerdings weniger auf das Kriterium der Ausnutzung der „Kundenanziehungskraft“ ab, und begründet die Ablehnung der Publicity-Rechts-Verletzung vielmehr mit einer Gesamtabwägung der betroffenen Interessen, Obergericht für Geistiges Eigentum (Chiteki zaisan kôtô saiban-sho), Urteil vom 27.08.2009, in: Hanji 2060, 137 (143 f.). 472
F. Das Publicity-Recht
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Zweck verfolgt wird, die spezifische Kundenanziehungskraft des Bildnisses auszunutzen, indem das Bildnis etwa als Werbung für das kommerzielle Produkt verwendet wird.475
Konsequente Vertreter der dualistischen Position gehen dagegen davon aus, dass bei jeder, also auch einer nicht-kommerziell motivierten Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen das Publicity-Recht verletzt ist, da es sich um ein Vermögensrecht handelt, das unabhängig von den Motiven des Verletzers betroffen ist;476 dies entspricht aber (noch) nicht der Rechtspraxis. Nur ein Fall, der die verkaufsfördernde Wirkung einer Bebilderung mit berücksichtigt, weist den Weg in eine mögliche Anwendung bei einer Berichterstattung. In einem Fall um ein Magazin, das Bilder aus dem Privatleben der Mitglieder der Pop-Band „Morning Musume“ („Môningu Musume“) veröffentlicht hatte, fasst das OG Tokyo nämlich die Ausnutzung der verkaufsfördernden Wirkung solcher Bilder von beliebten Prominenten als eine „Ausnutzung der Kundenanziehungskraft“ im oben genannten Sinne auf.477 Wenn man die Voraussetzung so weit versteht wie das OG Tokyo in diesem Fall, ließe sich auch eine Berichterstattung unter Ausnutzung des Interesses der Öffentlichkeit an Prominenten als Publicity-Rechts-Verletzung auffassen. In der Literatur wird etwa auch zum oben genannten Fall der Diät-Empfehlung mit den Pink Ladies die Auffassung geäußert, dass bei einem weiteren Verständnis durchaus Raum für die Bejahung einer Publicity-Rechtsverletzung gewesen wäre.478
Insofern sind sowohl in Japan als auch in Deutschland die weiteren Entwicklungen zu beobachten. VII. Zusammenfassende Bemerkung zu den Unterschieden Der Vergleich zeigt vor allem, dass die grundsätzliche dogmatische Einordnung wenig darüber aussagt, wie der Schutz konkret aussieht. Insbesondere hat Japan aufgrund des grundsätzlich dualistischen Modells zwar weniger Probleme mit der Übertragung unter Lebenden, nimmt dabei aber Einschränkungen vor, die den Schutz im Ergebnis dem nach dem monistischen Modell annähern.479 Die Vererblichkeit stellt dagegen in Japan ein größeres Problem dar als in Deutschland, obwohl diese bei Betrachtung des Publicity-Rechts als selbständiges Vermögensrecht eigentlich selbstverständlich erscheint.480 Für die deutsche Diskussion lässt sich daraus lernen, dass man keine grundsätzliche „Angst“ vor einer Entwicklung in Richtung eines selbständigen Vermögensrechts haben muss, sondern dass, unabhängig davon wie man das Publicity-Recht bzw. die vermögenswerten Bestandteile theoretisch dogma475
OGH, Urteil vom 02.02.2012, abrufbar unter . K. ABE, in: Saitô (Hrsg.), Gendai shakai to minji-hô [Die heutige Gesellschaft und das Zivilrecht] (1981), S. 299, 306. 477 OG Tokyo, Urteil vom 26.04.2006, in: Hanji 1954, 47 (63, 64, 65, 66, 67). 478 SHINJI , in: NBL 933 (2010), S. 78 f., 80. 479 Siehe oben, Kap. 4, F.III., S. 116 f. 480 Siehe oben, Kap. 4, F.IV., S. 118 f. 476
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Kapitel 4: Die für den Schutz relevanten Rechtsgüter und Schutzbereiche
tisch einordnet, letztlich für die Lösung der Einzelfragen immer ein pragmatisches und die verschiedenen Schutzbedürfnisse berücksichtigendes Ergebnis gefunden werden kann.
Kapitel 5
Umfang des Schutzes der Privatsphäre – Die Abwägung zwischen Persönlichkeits- und Allgemeininteressen A. Zusammenfassung der Abwägungskriterien und Überblick A. Zusammenfassung der Abwägungskriterien Bei der konkreten Entscheidung, inwieweit eine Wort- oder Bildberichterstattung zulässig ist, kommt es – bei aller Unterschiedlichkeit der dogmatischen Einkleidung – sowohl in Deutschland als auch in Japan letztlich immer auf eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsinteressen des von der Berichterstattung Betroffenen auf der einen Seite und der Meinungs- und Pressefreiheit der Medien auf der anderen Seite an.1 Diese Abwägung entscheidet, wie sehr die Privatsphäre nun in der Lebenswirklichkeit tatsächlich gegen Eingriffe durch Medien geschützt ist und inwieweit das Interesse des Einzelnen zurückstehen muss, weil man die Informationsinteressen der Allgemeinheit als höherstehend betrachtet. Daher wird nun zusammengefasst für alle Rechtsgüter analysiert, wie in verschiedenen Fällen die entgegengesetzten Interessen in den beiden Ländern gewichtet werden. Zunächst gehe ich dabei auf die Fallgruppen der Berichterstattung über das Privatleben Prominenter ein, da diese in Deutschland aktuell stark in der Diskussion sind und daher die vergleichende Betrachtung der Situation in anderen Ländern besonders interessant erscheint (Abschnitt B.). Als Fallgruppen, in denen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Ländern ausmachen lassen, bespreche ich dann ferner den Bereich der Berichterstattung über Straftäter (Abschnitt C.) und über Opfer (Abschnitt D.). Zu beachten ist dabei, dass ich mich im Rahmen dieser Überblicksarbeit zur rechtlichen Situation auf eine Darstellung der rechtlichen Kriterien konzentriere und daher faktische Umstände weitgehend außer Betracht bleiben müssen. Dies gilt etwa für die Frage, ob faktische Zwänge dazu führen, dass 1
Im deutschen Recht ergibt sich das zum einen für das Recht am Bild aus der Notwendigkeit der Auslegung, was eine „Person der Zeitgeschichte“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellt sowie wann „berechtigte Interessen“ i.S.d. § 23 Abs. 2 KUG einer Veröffentlichung entgegenstehen (vgl. Kap. 2, A.I., S. 9 ff.), zum anderen für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Notwendigkeit des Ausgleichs mit kollidierenden Grundrechten (vgl. Kap. 2, A.III.5., S. 15). Zur Möglichkeit der Rechtfertigung von Eingriffen durch öffentliche Interessen im japanischen Recht siehe zum Recht auf Ehre Kap. 4, B.VI.1., S. 75 f., zum Puraibashî-Recht Kap. 4, D.V., S. 91 ff., zum Bildnisrecht Kap. 4, E.VI., S. 104 ff.
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
der gelebte Schutzstandard sich vom rechtlichen Schutzstandard unterscheidet. So könnte die tendenzielle Zurückhaltung gegenüber der Durchführung von Klageverfahren in Japan2 einerseits bewirken, dass von der Berichterstattung betroffene Personen aufgrund der Hemmschwelle vor einer Klageerhebung ihre Rechte nicht durchsetzen. Andererseits könnten die Medien ebenfalls aufgrund einer Hemmung vor der Durchführung von Gerichtsverfahren zu einer außergerichtlichen Einigung gezwungen sein. Bestimmte Personengruppen verfügen außerdem über Druckmittel oder sonstige Einflussmöglichkeiten, um die Medien von einer rechtlich eigentlich zulässigen Berichterstattung abzuhalten. In Japan ist etwa insbesondere eine tendenziell erhöhte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Politiker oder Machthaber zu beobachten.3 Auch solche faktischen Zwänge können im Rahmen dieser Arbeit nur angedeutet werden.
B. Das öffentliche Interesse am Privatleben bekannter Personen B. Das öffentliche Interesse am Privatleben bekannter Personen I. Theoretische Anforderungen an das öffentliche Interesse in Japan Die theoretischen Anforderungen an das öffentliche Interesse werden in der japanischen Rechtsprechung unterschiedlich formuliert. Teilweise wird in der Rechtsprechung betont, dass eine Tatsache von öffentlichem Interesse nicht alles ist, wofür sich die Allgemeinheit interessiert, sondern vielmehr ein gerechtfertigtes Interesse zumindest für Eingriffe in das Recht auf Ehre nur dann besteht, wenn Fragen, die sich auf den Nutzen oder Schaden (Rigai) der Öffentlichkeit auswirken, betroffen sind. Reine Neugier reicht demnach nicht, um das Interesse als gerechtfertigt anzusehen.4 Zu der in Deutschland umstrittenen Frage, ob auch reine Unterhaltungsund Sensationsinteressen berücksichtigungsfähig sind, wird dort also zumindest in theoretischer Hinsicht eine sehr restriktive Haltung eingenommen. In Deutschland sind nämlich, wie im Überblick zum deutschen Recht dargestellt, auch solche Interessen aus Neugier zu berücksichtigen, und zwar auch in der Zeit nach Ergehen der Entscheidung des EGMR, die eigentlich ausdrücklich nur Beiträge zu einer öffentlichen Diskussion als legitime Interessen akzep-
2
Ausführlich dazu IGARASHI, in: Einführung in das japanische Recht (1990), S. 44 f., 48 ff.; sowie englischsprachig GINSBURG/HOETKER, in: Milhaupt/Ramseyer/West (Hrsg.), The Japanese Legal System (2006), S. 169 ff. Ebenfalls dazu speziell im Hinblick auf den Bereich der Opferberichterstattung YAMAKAWA, in: Yûmei-jin to puraibashî [Prominente und Privatsphäre] (1987), S. 46 f. 3 Dazu bereits oben, Kap. 1, C., S. 7. 4 Siehe etwa DG Tokyo, Urteil vom 30.06.198, in: Hanji 1018, 93 (99); DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (28).
B. Das öffentliche Interesse am Privatleben bekannter Personen
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tiert hatte.5 Das Festhalten an der Berücksichtigungsfähigkeit von Unterhaltungsinteressen, wenn auch mit geringerer Gewichtung, wird in Deutschland damit begründet, dass ein grundsätzliches Interesse daran bestehen soll, zu erfahren, wie sich eine prominente Person als „einfacher Mensch“ in der Öffentlichkeit verhält. Die prominente Person soll nämlich für bestimmte Werte und Lebenshaltungen stehen und Orientierung bei den eigenen Lebensentwürfen bieten.6 In Fällen, in denen nur die Puraibashî und nicht die Ehre das einschlägige Rechtsgut ist, erfolgt allerdings auch in der japanischen Rechtsprechung zum Teil keine solche Einschränkung bei der Anerkennung öffentlicher Interessen.7 Gleichzeitig wird das Vorliegen eines öffentlichen Interesses hinsichtlich des Eingriffs in die Puraibashî im Wesentlichen etwa damit begründet, dass die betroffene Person „ein weltweit bekannter Profi-Fußballer ist und gleichzeitig sogar als Opinion Leader der heutigen Gesellschaft bezeichnet werden kann“.8 Indem insbesondere auch auf die Orientierungsfunktion des Prominenten abgestellt wird, wird also genau der deutschen Haltung entsprechend argumentiert. II. Konkrete Beispiele aus der japanischen Rechtsprechung Betrachtet man nun die konkrete Auslegung der oben formulierten theoretischen Anforderungen durch die japanische Rechtsprechung, so hängt das Bestehen eines öffentlichen Interesses am Privatleben einer Person davon ab, was für gesellschaftliche Aktivitäten der Betreffende ausübt und welchen Einfluss der Betreffende damit auf die Gesellschaft hat, und inwieweit Informationen über das Privatleben für die Bewertung und Beurteilung der gesellschaftlichen Handlungen des Betreffenden erforderlich sind.9 Bei Politikern, die ein öffentliches Amt innehaben oder hierfür kandidieren, erstreckt sich das öffentliche Interesse auch auf das Privatleben. Hier hält man eine umfassende Kenntnis über die Person für nötig, um deren Eignung für das Amt beurteilen zu können – was selbst mit der restriktiven Einschätzung des EGMR in Einklang steht. So sollen bei einem amtierenden Ministerpräsidenten auch seine Vergangenheit bezüglich Frauen und seine Probleme um Frauengeschichten öffentliche Interessen betreffen, da diese auch seine gegenwärtige Haltung, sein Denken und damit seine Politik und Eignung als Ministerpräsident betreffen.10 Ähnliches gilt für die Information, dass der Generalsekretär einer Partei mit einer Geisha heimlich eine 19 Jahre alte Tochter hat. Denn dabei handelt es sich 5
Siehe oben, Kap. 2, A.I., S. 9 ff. BGHZ 131, 332 (344) = NJW 1996, 1128 (1131); KG Berlin, in: ZUM 2004, 73 (74). 7 OG Tokyo, Urteil vom 18.05.2005, in: Hanji 1907, 50 (55 f.). 8 OG Tokyo, Urteil vom 18.05.2005, in: Hanji 1907, 50 (56). 9 DG Tokyo, Urteil vom 29.03.1993, in: Hanta 872, 250 (255). 10 DG Tokyo, Urteil vom 24.04.2001, in: Hanji 1767, 32 (39). 6
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
zwar um eine private Angelegenheit, diese wird aber als entscheidend für die Qualität und die Integrität als Inhaber eines öffentlichen Amtes gesehen.11 Zu Parlaments-Abgeordneten sowie Kandidaten hierfür heißt es, dass zur Feststellung der Eignung der Person eine „nahezu alle Aspekte der Persönlichkeit umfassende Beurteilung“ erforderlich sei, im Gegensatz zu gewöhnlichen öffentlichen Bediensteten.12 Zu den relevanten Aspekten in diesem Sinne gehört selbstverständlich auch die Information über Vorstrafen.13 Diskussionen hervorgerufen hat der in Kapitel 4 bereits erwähnte Fall um die Scheidung der Tochter aus dem berühmten Politikerhaus der Tanakas. Die Mutter der Betroffenen war Makiko Tanaka, ehemalige Außenministerin und damals noch Parlamentsabgeordnete, der Vater ebenfalls Parlaments-Abgeordneter und der Großvater der ehemalige Ministerpräsident Kakuei Tanaka. Sowohl die erste als auch die zweite Instanz hatten das Vorliegen eines öffentlichen Interesses verneint. Die Betroffene habe zwar ihre Familie bei Auslandsbesuchen begleitet oder in Wahlkämpfen unterstützt, aber es sei nur eine abstrakte Möglichkeit gegeben, dass sie selbst einmal als Politikerin aktiv tätig würde. Sie wurde daher als Privatperson betrachtet, bei der die Tatsache einer Scheidung keine Angelegenheit im öffentlichen Interesse ist.14 In der Literatur wird dem zum Teil entgegengehalten, dass bei Angehörigen von bekannten Politikerfamilien ein Informationsinteresse auch an solchen Angelegenheiten bestehe, da in Japan „Erb-Abgeordnete“ verbreitet seien, d.h. Abgeordnete, die ihr Amt quasi von ihren Eltern „erben“, und sich auch die Betreffende öffentlicher Tätigkeiten zumindest nicht komplett enthalten habe.15 Außerdem könne man den Artikel auch als Kritik an der Mutter, Makiko Tanaka, als für das Scheitern der Ehe Mitverantwortliche lesen.16 Betrachtet man die Lage in Deutschland im Vergleich, wurden aktuelle Politiker nach der herkömmlichen Rechtsprechung als absolute Personen der Zeitgeschichte eingeordnet.17 Nach dem EGMR besteht bei Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden, ein Informationsinteresse auch an rein privaten Tätigkeiten, weil Bedarf nach einer umfassenden Information und Kontrolle des Verhaltens durch die Öffentlichkeit besteht.18 Spekulationen über Eheschwierigkeiten des Bundeskanzlers allerdings berühren nach der deutschen Rechtsprechung seine Amtsführung nicht und stellen nur unzulässigen Klatsch und Tratsch dar.19 Die Gestaltung des Privatlebens nach einem Rückzug aus Politik kann von Interesse sein; es dürfen aber keine unzumutbaren Einschränkungen der freien Entfaltung durch Dauerbelästigung und Verfolgung entstehen. Nach diesen Grundsätzen durfte ein Außenminister kurz nach seinem 11
DG Tokyo, Urteil vom 13.07.1957, in: Hanji 119, 1 (7). DG Tokyo, Urteil vom 24.12.1958, in: Hanji 453, 29; OGH, Urteil vom 23.06.1966, in: Minshû Bd. 20 Nr. 5, 1118 (1120). 13 OGH, Urteil vom 23.06.1966, in: Minshû Bd. 20 Nr. 5, 1118 (1120). 14 DG Tokyo, Beschluss vom 19.03.2004, in: Hanji 1865, 18 (21) und OG Tokyo, Beschluss vom 31.03.2004, in: Hanji 1865, 12 (16/7). Trotz Verneinung des öffentlichen Interesses wurde dabei jedoch vom OG, im Gegensatz zum DG, ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung verneint. Während das OG-Urteil weitgehend Zustimmung in der Literatur findet, bezweifelt etwa SUZUKI, in: Hôsemi 595 (2004) Nr. 7, S. 74 schon, ob es wirklich an einem öffentlichen Interesse fehlt. Näher dazu unten, Kap. 6, E.III., S. 216. 15 ICHII, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 155; SHIGENORI MATSUI, in: Hôji 76 (2004) Nr. 10, S. 101. 16 SHIGENORI MATSUI, in: Hôji 76 (2004) Nr. 10, S. 101. 17 Siehe oben, Kap. 2, A.I., S. 9 f. 18 EGMR, in: NJW 2004, 2647 (2650); dazu bereits siehe oben, Kap. 2, A.I, S. 10. 19 LG Berlin, in: AfP 2003, 174 (175 f.). 12
B. Das öffentliche Interesse am Privatleben bekannter Personen
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Rücktritt beim Blumengießen auf dem Balkon fotografiert werden.20 Dagegen durfte eine Landespolitikerin am Tag nach ihrer Abwahl nicht weiter observiert und beim Einkaufsbummel fotografiert werden.21
Auch an sonstigen gesellschaftlich bedeutenden Personen besteht ein erhöhtes Informationsbedürfnis auch bezüglich persönlicher Umstände. So gehen Informationen über Krankheiten die Allgemeinheit grundsätzlich nichts an. Wenn es sich bei der betreffenden Person aber um eine gesellschaftlich so einflussreiche Person wie den Inhaber eines großen Geldverleih-Unternehmens handelt, besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse.22 Wenn der Betreffende nur ein kleines Unternehmen führt und seine Aktivitäten nur geringen Einfluss auf die Gesellschaft haben, gehört dagegen auch die Frage, ob jemand geschäftlich erfolgreich ist, zum Privatleben.23 Umgekehrt fehlt auch bei einer Person in einer gesellschaftlich bedeutsamen Position, im konkreten Fall dem Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens, ein berechtigtes Interesse daran, den Betreffenden in seiner Wohnung im Morgenmantel abzubilden.24 Öffentliches Interesse besteht auch daran, dass der Professor einer privaten zahnärztlichen Universität mit ausländischen Frauen, die er ins Land eingeschleust hat, Sexorgien feiert.25 Ein öffentliches Interesse scheint auch daran angenommen zu werden, dass ein Rechtsanwalt sich eine Frau quasi als bezahlte Dauer-Prostituierte hielt und diese sich, als er die Trennung verlangte, umzubringen versuchte, auch wenn über das Vorliegen eines öffentlichen Interesses keine eindeutige Entscheidung getroffen wurde, da der betreffende Artikel im konkreten Fall mangels Wahrheitsmäßigkeit ohnehin für unzulässig befunden wurde.26
Nach der Rechtsprechung, die nur bestimmte Interessen als öffentliches Interesse anerkennt, soll das Privatleben sonstiger Prominenter dagegen die Allgemeinheit grundsätzlich nichts angehen. Beim Interesse hieran soll es sich um reine Sensationslust und voyeuristisch motivierte Informationsbedürfnisse handeln, die keine berechtigten öffentlichen Interessen darstellen. So wird ein Informationsinteresse am Privatleben einer zweitklassigen Schauspielerin – es ging um Scheidungsquerelen und um einen Geliebten, dem die Betreffende unter dem Vorwand, es zur Begleichung von Schulden zu benötigen, Geld abgeluchst haben sollte – abgelehnt, weil sie kein öffentliches Amt ausübe, keine öffentliche Position bekleide und auch keine Aktivitäten ausübe, die von Einfluss auf die Gesellschaft seien; bei Schauspielern, Sängern oder Fernseh-Stars bestehe grundsätzlich kein Informationsinteresse am Privatleben,
20
KG Berlin, Urteil vom 26.06.07, Az. 9 U 220/06 (in Juris). KG Berlin, in: AfP 2006, 369 (370 f.). 22 DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (97). 23 OG Tokyo, Urteil vom 28.12.2000, in: Hanji 1750, 103 (111). 24 DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2005, in: Hanji 1927, 68 (74). 25 DG Tokyo, Urteil vom 27.02.1987, in: Hanji 1242, 76 (81 f.). 26 DG Tokyo, Urteil vom 07.06.1958, in: Hanji 155, 20 (23). Dass das Gericht vom Bestehen eines öffentlichen Interesses auszugehen scheint, lässt sich daraus schließen, dass die Veröffentlichung einer unwahren Tatsache für unzulässig erklärt wird, „selbst wenn die Tatsache das öffentliche Interesse betrifft, und selbst wenn die Veröffentlichung aus Motiven im öffentlichen Interesse erfolgt ist“. Vom Bestehen eines öffentlichen Interesses geht auch ÔIE, in: Shôzô-ken [Bildnisrecht] (2007), S. 111, aus. 21
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
sondern es handele sich um reines Sensationsinteresse und Voyeurismus.27 Ebenso ist die Abbildung von Mitgliedern der beliebten Pop-Band „Morning Musume“ („Môningu Musume“) im Alltag oder in der Zeit vor dem Eintritt in die Band unzulässig. Denn selbst wenn die Betroffenen gerade vom Interesse an ihrer Person leben, soll zwischen Auftritten als Prominentem und dem Privatleben zu unterscheiden sein.28 Auch kein öffentliches Interesse besteht an Informationen über die Adresse, die Adresse des Elternhauses, die Telefonnummer sowie an Fotos des Wohnortes von Fernseh-Starlets.29 Kein öffentliches Interesse besteht ferner am Privatleben eines Fußballers vor seiner Zeit als Fußballer.30 Auch ein öffentliches Interesse an angeblichen psychischen Problemen und Nachbarschaftskonflikten einer beliebten Schauspielerin wurde abgelehnt, auch wenn dies die Frage berührte, ob sie zu einer Fortsetzung ihres Berufes jemals wieder in der Lage sein werde.31 Auch bei einem Schriftsteller entsteht kein öffentliches Interesse an seinen privaten Beziehungen daraus, dass er in seinen Werken Themen wie die Familie behandelt.32
Wie bereits erwähnt, wird diese Einschränkung jedoch nicht konsequent gemacht. Zum Teil wird dementsprechend auch am Privatleben Prominenter ein öffentliches Interesse bejaht. So wird die Veröffentlichung von Fotos, die den weltbekannten Fußballer Nakata in einem Club bei „Deep Kisses“ mit einer in Japan ebenfalls sehr bekannten Schauspielerin zeigen, und die Berichterstattung über von dem Fußballer angestrengte Gerichtsverfahren als durch öffentliche Interessen gerechtfertigt angesehen.33
Bei Straftätern wird ein öffentliches Interesse am Privatleben bejaht, soweit diese zur Erklärung oder zur Aufklärung eines schweren Verbrechens beitragen. Dies kann bei Umständen der Fall sein, die etwa den Werdegang des Täters oder die Beziehungen zwischen den Beteiligten erläutern. Ansonsten besteht kein öffentliches Interesse. Bejaht wird ein öffentliches Interesse etwa bei Details in dem Buch „Serienmord an Gymnasiastin und Büroangestellter“, die den Werdegang und den Hintergrund der Täter sowie die Beziehung zwischen dem der gemeinsamen Tat verdächtigten Paar betrafen.34 Kein berechtigtes Interesse besteht dagegen am Privatleben eines Straftäters oder Verdächtigen, soweit es nichts mit der Tat zu tun hat. Was für und wie viele Frauen etwa ein Verdächtiger in Betrugs-
27
DG Tokyo, Urteil vom 29.03.1993, in: Hanta 872, 250 (255 f.). DG Tokyo, Urteil vom 14.07.2004, in: Hanji 1879, 71 (78 f.); ebenso ein berechtigtes Interesse bei reiner Neugier von Fans als ohne Bedeutung für die Demokratie ablehnend OG Tokyo, Urteil vom 26.04.2006, in: Hanji 1954, 47 (60). 29 DG Kôbe Abt. Amazaki, Beschluss vom 12.02.1997, in: Hanji 1604, 127 (128 f.); DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (102); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (77 f.). 30 DG Tokyo, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanta 1028, 232 (240); OG Tokyo, Urteil vom 25.12.2000, in: Hanji 1743, 130 (133). 31 DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (28). 32 DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1989, in: Hanji 1319, 132 (138) (Fall „Yuri Inoue“), bestätigt durch OG Tokyo, Urteil vom 24.07.1990, in: Hanji 1356, 90. 33 OG Tokyo, Urteil vom 18.05.2005, in: Hanji 1907, 50 (56, 57). 34 OG Nagoya, Urteil vom 25.10.2000, in: Hanji 1735, 70 (78 f.). 28
B. Das öffentliche Interesse am Privatleben bekannter Personen
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fällen hat, geht die Allgemeinheit nichts an.35 Ähnlich besteht kein öffentliches Interesse bezüglich der Frauengeschichten eines Box-Managers, dem üble und unlautere Praktiken nachgesagt werden. 36 Auch wer die Geliebte des ermordeten Vorstands eines Betrügerunternehmens, dem unsaubere Geschäfte nachgesagt wurden, war, hat nichts mit den unlauteren Geschäften zu tun und ist für die Gesellschaft daher ohne Relevanz.37 Nicht einmal Vorwürfe, nach denen ein des Mordes an seiner Frau Verdächtigter (der „Los [Angeles]-Verdächtige“) früher schon einmal versucht haben soll, Familienmitglieder umzubringen, werden von einem berechtigten öffentlichen Interesse getragen, da die angebliche Vortat keinen Bezug zum Mordfall aufweise.38 Ebenso besteht kein öffentliches Interesse hinsichtlich des bloßen gegenwärtigen Zustandes eines Verdächtigen nach seiner Verhaftung, wenn dies nichts mit dem Verbrechen selbst zu tun hat. Im konkreten Fall ging es darum, dass der „Los [Angeles]-Verdächtige“ während seiner Verhaftung an Gewicht zugelegt hatte.39
III. Seitenblick auf die tatsächliche Lage Vergleicht man die tatsächliche Praxis mit den Maßstäben, die die Rechtsprechung in der Theorie stellt, ergibt sich in Japan eine deutliche Diskrepanz zwischen Theorie und Wirklichkeit. Wie herausgearbeitet wurde, sind die theoretischen Maßstäbe der Rechtsprechung zumindest teilweise tendenziell noch restriktiver formuliert als die deutschen. Die Praxis der Prominenten-Berichterstattung ist aber vor allem geprägt durch eine Landschaft von Skandalblättern, die sich auf das Scooping geradezu spezialisiert haben. Während sich ferner in Deutschland zahlreiche Prominente gegen das Vorgehen von Medien wehren und sich in den Rechtsprechungsfällen Prominente an Prominente reihen – so etwa Caroline von Hannover, Günter Jauch, Sabine Christiansen, Herbert Grönemeyer, Oliver Kahn, Katja Riemann, Franziska van Almsick, um nur einige Namen zu nennen – finden sich in Japan nur vereinzelte Beispiele für Klagen von Prominenten gegen eine Berichterstattung. Die Gründe hierfür können im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden; sie mögen zum Teil in einer Tendenz begründet sein, weniger zu klagen und mehr zu dulden, mögen zum Teil aber auch daran liegen, dass Berichte von Prominenten in Kauf genommen werden, um die Popularität zu steigern. Die großzügigere Rechtsprechung, die das öffentliche Interesse aufgrund der Bekanntheit der Betroffenen bejaht, 40 scheint in Japan insofern eher der Realität zu entsprechen als die restriktiver formulierten Urteile.
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DG Tokyo, Urteil vom 30.06.1981, in: Hanji 1018, 93 (99). DG Tokyo, Urteil vom 24.11.1989, in: Hanji 1270, 99 (101). 37 DG Tokyo, Urteil vom 15.02.1988, in: Hanji 1264, 51 (55). 38 DG Tokyo, Urteil vom 20.12.1990, in: Hanta 750, 208 (211). 39 DG Tokyo, Urteil vom 25.05.1993, in: Hanta 827, 227 (232). 40 OG Tokyo, Urteil vom 18.05.2005, in: Hanji 1907, 50 (55 f.), siehe oben, Kap. 5, B.I., S. 130. 36
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
C. Die identifizierende Berichterstattung über Straftäter C. Die identifizierende Berichterstattung über Straftäter I. Der Schutz vor identifizierender Berichterstattung in Deutschland Da durch eine Straftat die allgemeine Rechtsordnung und Rechtsgüter der betroffenen Personen oder der Gemeinschaft verletzt werden, besteht ein Informationsinteresse der Allgemeinheit an einer näheren Information über Tat und Täter.41 Andererseits wird die Berichterstattung über Straftäter oder Straftatverdächtige unter Nennung des wahren Namens oder Beifügung einer Abbildung des Verdächtigen bzw. Täters von der deutschen Rechtsprechung als eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts angesehen, weil „dessen Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und die Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert“ wird.42 Daher wird strikt gefordert, dass die durch eine Identifizierung entstehenden Nachteile für den Täter im Verhältnis zur „Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit“ stehen.43 Aufgrund der „Art der Tat, die in der deutschen Kriminalgeschichte wohl einzigartig ist“, ist grundsätzlich eine Berichterstattung über den „Kannibalen von Rothenburg“ auch unter Nennung des Namens und Abbildung des Täters gerechtfertigt. 44 Bei schweren Gewaltverbrechen wird in der Regel ein Interesse auch an der Person des Täters und dessen Motiven anerkannt.45 Zu den schweren Straftaten, die die Öffentlichkeit besonders berühren, gehört etwa auch ein strafrechtlich relevantes Auffälligwerden zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen im Sexualbereich.46 Auch im Bereich schwerer Kriminalität ist jedoch eine sorgfältige Abwägung erforderlich. Obwohl bei einer Vergewaltigung grundsätzlich ein Informationsinteresse an einer identifizierenden Berichterstattung besteht, wurde daher etwa bei einem Artikel, in dem sieben Monate nach Rechtskraft das Leiden des Opfers aufbereitet und darüber „informiert“ wurde, wie Frauen sich gegen solche Taten schützen können, die Namensnennung als unnötig und mangels Aktualitätsbezug für unzulässig befunden.47 Auch im Falle des „Kannibalen von Rothenburg“ wird als Grund der Zulässigkeit betont, dass für die „Umstände der Tat und deren Hintergründe [...] auch die Persönlichkeit [des Täters] maßgeblich“ ist. 48 Ferner kann auch Berichterstattung unter Namensnennung und unter Veröffentlichung von Bildern des Betroffenen, die vom Informationsinteresse grundsätzlich umfasst ist, rechtswidrig sein, wenn eine unberechtigt präjudizierende Darstellung erfolgt.49 41
BGH, in: NJW 2006, 599; BGH, in: NJW 2010, 2432 (2433 f.); auch BVerfGE 35, 202 (230 ff.) = NJW 1973, 1226 (1230); OLG Hamburg, in: AfP 2008, 95 (96); OLG Frankfurt, in: ZUM 2008, 793 (795). 42 BVerfGE 35, 202 (226) = NJW 1973, 1226 (1229); BGH, in: NJW 2006, 599. 43 BVerfGE 35, 202 (230 ff. 232) = NJW 1973, 1226 (1230); BVerfG, in: NJW 1993, 1463 (1464). 44 OLG Frankfurt, in: NJW 2007, 699 (701 f.); OLG Frankfurt, in: ZUM 2008, 793 (795). 45 BGH, in: NJW 2010, 2432 (2434). 46 OLG Köln, in: OLGR Köln 2002, 184 (185). 47 OLG Köln, in: AfP 1986, 347 f. 48 OLG Frankfurt, in: NJW 2007, 699 (702); OLG Frankfurt, in: ZUM 2008, 793 (795). 49 OLG Brandenburg, in: AfP 1995, 520 (522).
C. Die identifizierende Berichterstattung über Straftäter
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Im Bereich der Kleinkriminalität sowie bei Jugendlichen hat eine Namensnennung grundsätzlich zu unterbleiben.50 Ausnahmsweise ist eine identifizierende Berichterstattung nur zulässig, wenn aufgrund der Art der Tat oder der Stellung des Täters ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Amtsträger in Straftaten verwickelt ist51 oder einem Rechtsanwalt zur Last gelegt wird, als Organ der Rechtspflege eine Straftat begangen zu haben.52 Ferner kann bei prominenten Personen ein Interesse an einer Identifizierung bestehen. So darf zum Beispiel über einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß einer in der Öffentlichkeit bekannten Person – im konkreten Fall Prinz Ernst August von Hannover – mit Namensnennung und Abbildung berichtet werden.53 Kein überwiegendes Informationsinteresse besteht aber an einer identifizierenden Berichterstattung über den Kokainkonsum eines Schauspielers, der die Rolle eines populären Fernsehkommissars verkörpert. 54 Die Identifizierung kann wiederum gerechtfertigt sein, wenn die Informationen im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung relevant sind, z.B. weil es um Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit einer politischen Demonstration von Extremisten,55 um eine Tätigkeit als Polit-Offizier der DDR-Grenztruppen56 oder um die Mitarbeit bei der Stasi geht.57
Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass eine hohe Sensibilität gegenüber einer identifizierenden Berichterstattung besteht und diese nur zulässig ist, wenn aufgrund der besonderen Bedeutung der Tat oder des Täters gerade ein Interesse an der Identifizierung besteht. Auch nach dem Pressekodex des Deutschen Presserates, der Grundsätze für eine ethische Pressearbeit aufstellt, soll eine identifizierende Berichterstattung in der Regel unterbleiben. Ausnahmen gelten nur bei Kapitalverbrechen, Amts- und Mandatsträgern oder bei Personen der Zeitgeschichte: Ziffer 8 – Persönlichkeitsrechte Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.
50 OLG Nürnberg, in: NJW 1996, 530. So grundsätzlich ebenfalls BVerfGE 35, 202 (232) = NJW 1973, 1226 (1230); BVerfG, in: NJW 1993, 1463 (1464). 51 BGHZ 143, 199 (207) = NJW 2000, 1036 (1038). 52 OLG München, in: NJW-RR 2003, 111. 53 BGH, in: NJW 2006, 599. 54 OLG Hamburg, in: AfP 2006, 257 f. 55 OLG Braunschweig, in: NJW-RR 2005, 195 f. 56 KG Berlin, in: ZUM-RD 2007, 458 (459). 57 LG Frankfurt, in: AfP 2006, 272 (273).
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
Richtlinie 8.1 – Nennung von Namen/Abbildungen (1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren [...] veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. [...] (4) Die Nennung des vollständigen Namens und/oder die Abbildung von Tatverdächtigen, die eines Kapitalverbrechens beschuldigt werden, ist ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn dies im Interesse der Verbrechensaufklärung liegt und Haftbefehl beantragt ist oder wenn das Verbrechen unter den Augen der Öffentlichkeit begangen wird. [...] (5) Bei Amts- und Mandatsträgern können Namensnennung und Abbildung zulässig sein, wenn ein Zusammenhang zwischen Amt und Mandat und einer Straftat gegeben ist. Gleiches trifft auf Personen der Zeitgeschichte zu, wenn die ihnen zur Last gelegte Tat im Widerspruch steht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihnen hat. [...]
II. Der Schutz vor identifizierender Berichterstattung in Japan In Japan wird demgegenüber im Vergleich zu Deutschland dem Informationsinteresse der Allgemeinheit eine größere Bedeutung zugemessen und auch eine namentliche Berichterstattung in weitem Umfang für gerechtfertigt gehalten, weil der Name als wichtige Information im Zusammenhang mit der Berichterstattung angesehen wird. Auch wenn „aus Sicht des Betroffenen eine Anonymisierung wünschenswert“ wäre, soll „nach dem allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein“ „die Bezeichnung des Verdächtigen grundlegendes Element der Berichterstattung über die Tat“ und daher „genauso wie die Straftat selbst eine wichtige Angelegenheit von öffentlichem Interesse“ sein.58 So wird das öffentliche Interesse hinsichtlich eines Berichts, der unter Namensnennung voreilig den Verdacht verbreitete, bei einer Person, die angeblich einer extremistischen Gruppe angehörte, seien angeblich Brandflaschen sichergestellt worden, grundsätzlich bejaht, auch wenn der Bericht im Ergebnis mangels Wahrheitsmäßigkeit für unzulässig erachtet wurde.59 Nicht beanstandet wurde in der Rechtsprechung etwa auch, dass der Betreiber eines Müllabfuhrunternehmens unter Namensnennung für einen Arbeitsunfall, bei dem zwei Mitarbeiter ums Leben gekommen waren, verantwortlich gemacht und ihm eine fahrlässige Körperver-
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OG Nagoya, Urteil vom 13.12.1990, in: Hanji 1381, 51 (55); ausdrücklich das Informationsinteresse hinsichtlich einer identifizierenden Weitergabe von Informationen bestätigend auch DG Tokyo, Urteil vom 23.03.1990, in: Hanji 1373, 73 (79) – ohne allerdings spezifisch auf die Namensnennung einzugehen – sowie OG Ôsaka, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1710, 121 (124) zumindest für schwerwiegende und hochgradig bösartige Taten. Für einen grundsätzlichen Vorrang des Informationsinteresses auch etwa KITAMURA, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 326 f., 336; TAKEDA, in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 331 f. 59 DG Ôsaka, Urteil vom 27.10.1975, in: Hanji 825, 77 (81).
C. Die identifizierende Berichterstattung über Straftäter
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letzung vorgeworfen wurde;60 ebenso die Namensnennung eines der Spionage für Nordkorea Verdächtigten.61 Für zulässig erachtet wurde die namentliche Identifizierung von Verdächtigen auch im Fall einer Verhaftung wegen Taten im Bereich der Urkundendelikte. Hier wurde eine Persönlichkeitsverletzung des Betroffenen durch falsche Mitteilungen der Polizei an die Medien verneint, aufgrund derer die Medien zu Unrecht berichtet hatten, dem Betroffenen würden die Unterschlagung von Wertpapieren im Wert von 16.000.000 Yen und Erpressungsversuche unterstellt.62 Im Fall eines Berichts über die Verhaftung eines Lehrers an einer Mittelschule (Chûgakkô) wegen sexuellen Kontakts mit minderjährigen Schülerinnen wurde eine Namensnennung ebenfalls als gerechtfertigt angesehen. Zwar vermittelte der Bericht den Eindruck, dass der Betreffende die Taten tatsächlich begangen habe, und ließ gravierende Folgen für die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit, aber auch für das sonstige Leben des Betroffenen in der Gesellschaft erwarten, die auch unbeteiligte Familienmitglieder betrafen, so dass schwerwiegend in dessen Persönlichkeitsinteressen eingegriffen wurde. Aufgrund der besonderen Verantwortung als Lehrer, des Vorliegens eines grundlegenden Verstoßes gegen diese Verantwortung und eines öffentlichen Interesses an der Tatsache, dass ein Lehrer verhaftet wurde, wurde das Informationsinteresse aber dennoch als überwiegend angesehen.63
Das von Kyôdo News (Kyôdô Tsûshin-sha), der führenden Nachrichtenagentur in Japan, herausgegebene „Handbuch für Journalisten“ etwa sieht in seinen Pressegrundsätzen vor, dass bei Straftaten wegen des Informationsinteresses der Bevölkerung grundsätzlich eine Namensberichterstattung erfolgt. Ausnahmen gelten bei Straftaten von Minderjährigen – und zwar auch dann, wenn der zum Tatzeitpunkt Minderjährige mittlerweile volljährig geworden ist –64 oder geistig kranken Tätern – mit Gegenausnahmen bei Tätern auf der Flucht, von denen die Gefahr weiterer Taten ausgeht, sowie bei Fällen von Alkoholund Drogenabhängigkeit oder bei bloßen Neurosen.65 Nach einer Untersuchung der Japan Federation of Bar Associations, JFBA (Nihon Bengoshi Rengô-kai) aus dem Jahre 2000 ergab sich für das Jahr 1999 folgendes Bild über die Handhabung von Straftäter- und Verdachtsberichterstattung in den großen überregionalen Zeitungen:66 In 63 % der Fälle wurde der Name des Verdächtigen bzw. Straftäters angegeben. Das Alter war in rund 80 % der Fälle angegeben. Adressangaben, die sich auf die Bezeichnung der Stadt oder des Ortes beschränkten, erfolgten in ca. 25 % der Fälle; in immerhin fast 30 % der Fälle wurde der Wohnort sogar 60
DG Tsu, Urteil vom 21.07.1988, in: Hanji 1300, 108 (114); OG Nagoya, Urteil vom 13.12.1990, in: Hanji 1381, 51 (55). 61 DG Yokohama, Urteil vom 10.07.1995, in: Hanji 1558, 81 (90); OG Nagoya, Urteil vom 13.12.1990, in: Hanji 1381, 51 (55). 62 DG Tokyo, Urteil vom 23.03.1990, in: Hanji 1373, 73 (79). 63 DG Fukuoka Abt. Naha, Urteil vom 28.10.2008, in: Hanji 2035, 48 (50). 64 Dazu mehr unten, Kap. 5, C.III., S. 137 f. 65 KYÔDÔ NEWS (Hrsg.), Kisha handobukku [Handbuch des Journalisten], 11. Aufl. (2008), S. 560 f. 66 JFBA, Jinken to hôdô [Menschenrechte und Berichterstattung] (2000), S. 207 ff.
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
noch näher konkretisiert. In über 30 % waren Berufs- oder Statusbezeichnungen mit der Angabe von konkreten Arbeitsstätten oder Universitäten verbunden. Fotos waren allerdings nur bei etwa 3 % beigefügt. Die eigene Beobachtung der aktuellen Praxis durch die Verfasserin bestätigt dieses Bild. Beobachtet wurden Nachrichten des öffentlichen Senders NHK sowie Tageszeitungen über ausgewählte Zeiträume. Dabei fanden sich folgende Beispielsfälle: – Bei der Berichterstattung über den Mordversuch eines 29jährigen an seiner Mutter wurden die Eltern namentlich unter Angabe von Alter, Beruf und Adresse bezeichnet. Der Täter selbst wurde nur als „erster Sohn“ bezeichnet, wobei er durch die Angabe der Namen der Eltern natürlich indirekt identifizierbar war. Vom Täter wurde ferner das Alter und die Berufsbeschreibung „Angestellter in einem Unternehmen“ (Kaisha-in) angegeben.67 – Im Fall der Tötung des Vaters durch einen 17jährigen – also einen Minderjährigen – wurde dieser nur als „zweiter Sohn“ bezeichnet. Auch der getötete Vater wurde nicht namentlich genannt. Als Adressangabe wurde nur die Stadt genannt sowie die nächstgelegene UBahn-Station.68 – Bei einer schweren Körperverletzung an einem Rechtsanwalt mit einem Senmai-dôshi, einem Spießwerkzeug, wurden Name, Alter und Beruf („arbeitslos“) des Verhafteten angegeben.69 – Von einem Studenten, der im Internet Einträge über eine angebliche Bombenlegung gemacht hatte und wegen des Verdachts einer Bedrohung (Gyômu bôgai-zai) verhaftet wurde, wurden Name, Alter, Universität sowie Fakultät und Jahrgang, ferner die Adresse (ohne Hausnummer) angegeben.70 – Ebenso wurde von einem wegen des Verdachts, in der Wohnung Marihuana gezüchtet zu haben, Verhafteten Name, Alter, Beruf und Adresse (ohne Hausnummer) genannt.71
Kritik an dieser Praxis ist in Japan jedoch durchaus vorhanden,72 und in den letzten Jahren zeigt sich nach Ansicht mancher Beobachter zumindest eine Tendenz zu mehr Anonymisierung.73 Dennoch ist eine namentliche Berichterstattung immer noch in viel weiterem Umfang verbreitet als in Deutschland. Diese Grundsätze gelten dabei für eine Berichterstattung über aktuelle Straftaten. Bezüglich Taten in der Vergangenheit oder der Veröffentlichung von Vorstrafen gelten auch in Japan strengere Kriterien, da hier das Resozia-
67
Nikkei-Zeitung vom 08.01.2009. Nikkei-Zeitung vom 08.01.2009; Abendausgabe der Asahi-Zeitung vom 10.01.2009. 69 Asahi-Zeitung vom 08.01.2009. 70 Asahi-Zeitung vom 08.01.2009. 71 Nikkei-Zeitung vom 08.01.2009. 72 Vgl. etwa HAGURA, in: Jurisuto 1166 (1999), S. 21; KITAMURA, in: Takeda/Horibe] (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes (2001), S. 336. 73 ODA, in: Îmuro u.a. (Diskussionsrunde, Zadankai), in: Jurisuto 1038 (1994), S. 17. 68
C. Die identifizierende Berichterstattung über Straftäter
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lisierungsinteresse des Betroffenen – wie auch in Deutschland74 – Berücksichtigung finden muss.75 III. Sonderproblem: Minderjährige Straftäter Eine Ausnahme von der Zulässigkeit der Namensberichterstattung gilt, wenn es sich um minderjährige Straftäter handelt,76 d.h. um Straftäter unter 20 Jahren. Dies folgt aus dem weiter oben schon erwähnten77 Art. 61 des Minderjährigengesetzes (MG): Hinsichtlich Minderjährigen, die einem Verfahren vor dem Familiengericht unterzogen werden, oder Personen, die wegen einer als Minderjähriger begangenen Tat öffentlich angeklagt werden, dürfen in Zeitungen und Druckerzeugnissen keine Artikel, in denen die Person aus dem Namen, Alter, Beruf, Wohnort oder Aussehen u.a. als der Betroffene identifiziert werden kann, oder Fotos veröffentlicht werden.
In der Praxis wird diese Vorschrift grundsätzlich respektiert. Allerdings haben die Medien immer wieder die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass es Fälle gibt, in denen es möglich sein muss, auch über Minderjährige identifizierend zu berichten. Nach den Zielsetzungen der Japanischen Pressevereinigung (Nihon Shinbun Kyôkai) in ihren „Richtlinien (Hôshin) zur Behandlung des Art. 61 MG“ aus dem Jahre 195878 etwa sollen Namensnennungen bzw. Abbildungen erfolgen, wenn die Allgemeininteressen die Interessen des Minderjährigenschutzes überwiegen: [...] Hinsichtlich straffälligen Minderjährigen unter 20 Jahren sollen Namen oder Abbildungen nicht in Druckerzeugnissen veröffentlicht werden. Wenn aber etwa (1) [der Minderjährige] auf der Flucht ist und offensichtlich weitere Gewaltverbrechen wie Brandstiftung oder Mord erwartet werden, (2) [mit der Veröffentlichung] ein Beitrag zur Suche oder zu einer steckbrieflichen Fahndung geleistet wird, also ein besonderer Fall vorliegt, in dem der Schutz öffentlicher Interessen den Minderjährigenschutz stark überwiegt, sollen die zuständigen Stellen ersucht werden, ausnahmsweise die Namensnennung und die Veröffentlichung von Abbildungen zuzulassen; und dies soll als übliche Praxis der Pressewelt etabliert werden.!
Auch in der Praxis finden sich immer wieder Fälle eines Verstoßes gegen Art. 61 MG. So berichtete das Monatsmagazin „Shinchô 45“ Ende der 1990er Jahre bewusst unter Namens- und Adressangabe und mit Bild über einen 17jährigen, der in der Stadt Sakai willkürlich auf der Straße ein 5jähriges Mädchen getötet und zwei weitere Frauen schwer verletzt hatte (Fall „Stra74
Siehe z.B. als aktuelles Beispiel OLG Hamburg, in: ZUM 2009, 232 (233). Vgl. etwa OGH, Urteil vom 08.02.1984, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 149 (152) (Fall „Gyakuten“). 76 Zu dem entsprechenden Pressegrundsatz der Kyôdô News oben, Kap. 5, C.II., S.135. 77 Kap. 4, B.IV.1., e, S. 52 f. 78 Abrufbar unter . 75
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
ßenmorde von Sakai“). Der Verstoß wurde damit begründet, dass es sich um einen besonders grausamen Fall gehandelt habe, der Täter fast volljährig gewesen sei und das Minderjährigengesetz den Erfordernissen der Realität widerspreche.79 Von Relevanz ist daher die Frage, welche Rechtsbehelfe einem Minderjährigen zustehen, über den entgegen der Vorschrift des Art. 61 MG in identifizierbarer Weise berichtet worden ist. Dies ist in Japan umstritten, da ungeklärt ist, ob ein Verstoß auch eine unerlaubte Handlung nach dem Zivilrecht darstellt und der Minderjährige daraus zivilrechtliche Ansprüche herleiten kann. Zum Teil wird bei einem Verstoß gegen Art. 61 MG grundsätzlich ohne Weiteres Schadensersatz gewährt, weil die Vorschrift als Schutzvorschrift zum Schutz der Ehre bzw. Privatsphäre des Minderjährigen eingestuft wird, die die Abwägung mit den Informationsinteressen bereits vorwegnimmt.80 Dagegen wird teilweise unabhängig vom Vorliegen einer Verletzung des Art. 61 MG das Zustandekommen einer Ehr- oder Privatsphärenverletzung nach den allgemeinen Regeln geprüft.81 Art. 61 MG dient nach dieser Auffassung dem kriminalpolitischen Zweck, dem Minderjährigen die Resozialisierung zu erleichtern und dadurch die Spezialprävention zu fördern, ohne dem Minderjährigen ein subjektives Recht auf Unterlassung identifizierender Berichterstattung einzuräumen.82 Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist also gespalten; eine höchstinstanzliche Klärung steht noch aus.83
79 Zu diesem Fall MUNESUE, in: Jurisuto 1166 (1999), S. 13 ff. Beispiele für weitere Verstöße liefert HAGURA, in: Jurisuto 1166 (1999), S. 19. 80 DG Ôsaka, Urteil vom 09.06.1999, in: Hanji 1679, 54 (60); DG Nagoya, Urteil vom 30.06. 1999, in: Hanji 1688, 151 (156) und OG Nagoya, Urteil vom 29.06.2000, in: Hanji 1736, 35 (42 ff.). So wohl auch TAKEDA, in: Meiyo/puraibashî shingai [Ehre und Privatsphäre] (1982), S. 63. Nachdem der OGH im Fall aus Nagoya einen Verstoß gegen Art. 61 MG verneint hatte und das OG Nagoya erneut unter Zugrundelegung der allgemeinen Kriterien entscheiden musste, verneinte dieses sowohl das Vorliegen einer Ehr- als auch einer Puraibashî-Verletzung, siehe OG Nagoya, Urteil vom 12.05.2004, in: Hanji 1870, 29 (36 ff., 38 f.). 81 OG Ôsaka, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1710, 121 (123 f.). Zustimmend KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 120 f.; TAJIMA, in: Hôji 72 (2000) Nr. 9, S. 96. 82 OG Ôsaka, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1710, 121 (123). Zustimmend KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 121; TAJIMA, in: Hôji 72 (2000) Nr. 9, S. 96. 83 Vgl. KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007). Das Revisionsurteil zum Fall aus Nagoya, oben, Kap. 5 Fn. 80, etwa verneinte die Identifizierbarkeit des Betroffenen und damit einen Verstoß gegen Art. 61 MG, so dass er die Streitfrage nicht klären musste, siehe OGH, Urteil vom 14.03.2003, in: Minshû Bd. 53 Nr. 3, 229 (233).
D. Berichterstattung über Opfer
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D. Berichterstattung über Opfer D. Berichterstattung über Opfer I. Der besondere Schutz von Opfern in Deutschland In Deutschland kommt den Opfern von Straftaten oder Unglücksfällen ein besonderer Schutz vor einer Berichterstattung zu. Zwar ist die Berichterstattung über eine Straftat oder einen Unglücksfall an sich nicht unzulässig. Das deutsche Recht räumt dem Geheimhaltungsinteresse des Opfers jedoch insofern grundsätzlich den Vorrang vor den Informationsinteressen der Öffentlichkeit ein, als dem Opfer das Recht auf Wahrung seiner Anonymität zugestanden wird. Im Gegensatz etwa zu einem Straftäter gelangt das Opfer nämlich zufällig und ohne eigenes Zutun in das Interesse der Öffentlichkeit. Es muss daher auch nur in geringerem Umfang Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit hinnehmen.84 Vor allem aber soll dem Opfer die Möglichkeit eingeräumt werden, seine leidvollen oder schockierenden Erfahrungen zurückgezogen und in Ruhe zu verarbeiten, ohne neuen Belastungen durch die Aufmerksamkeit und Neugier der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein.85 Daher darf grundsätzlich nicht gegen den Willen der Opfer identifizierend über sie berichtet werden.86 Unzulässig ist etwa auch eine ausführliche Dokumentation über den Mordversuch an einer Frau durch ihren Ehemann mit einer Analyse der Hintergründe der Tat in einer Weise, die zumindest einem bestimmten Personenkreis eine Feststellung der Identität ermöglicht.87 Auch der Pressekodex des Deutschen Presserates sieht neben den allgemeinen Grundsätzen zur Wahrung von Persönlichkeitsinteressen der Ziffer 8 und Richtlinie 8.1 Abs. 188 einen besonderen Schutz von Opfern in Abs. 2 der Richtlinie 8.1 vor: Richtlinie 8.1 – Nennung von Namen/Abbildungen [...] (2) Opfer von Unglücksfällen oder von Straftaten haben Anspruch auf besonderen Schutz ihres Namens. Für das Verständnis des Unfallgeschehens bzw. des Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Ausnahmen können bei Personen der Zeitgeschichte oder bei besonderen Begleitumständen gerechtfertigt sein. [...]
84 OLG Hamburg, in: NJW 1975, 649 (651); OLG Frankfurt, in: AfP 1976, 181; OLG Düsseldorf, in, AfP 2000, 574 (575); LG Münster, in: NJW-RR 2005, 1065 (1066). 85 LG Münster, in: NJW-RR 2005, 1065 (1066). 86 OLG Frankfurt, in: AfP 1976, 181; so wohl auch die Vorinstanzen zu BGH, in: NJW 1985, 978 (LG Essen, Urteil vom 10.08.1982, Az. 9 O 430/82 und OLG Hamm, Urteil vom 02.02.1983, Az. 3 U 342/82) – der BGH selbst traf keine Entscheidung in der Sache –; LG Münster, in: NJW-RR 2005, 1065 (1066); LG Stuttgart, in: ZUM-RD 2005, 412 (413 f.). 87 OLG Hamburg, in: NJW 1975, 649 (651). 88 Siehe oben, Kap. 5, C.I., S. 133 f.
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Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
II. Schutzstandard bezüglich Opfern in Japan Im Gegensatz zu diesen relativ klaren Grundsätzen in Deutschland gibt es in Japan kaum rechtliche Standards bezüglich der Anonymitätswahrung von Opfern.89 Sie sind zwar nach den allgemeinen Grundsätzen gegen Ehr- und Privatsphärenverletzungen geschützt. 90 Die Tatsache an sich, dass jemand Opfer einer Straftat oder eines Unglücksfalls geworden ist, wird jedoch nicht mit besonderer Sensibilität behandelt, und in der Praxis stellt eine identifizierende Berichterstattung weithin die Regel dar. Nach den Pressegrundsätzen des „Handbuchs für Journalisten“ von Kyôdô News soll auch bezüglich Opfern von Straftaten oder Unglücksfällen wegen des Informationsinteresses der Bevölkerung grundsätzlich eine Namensberichterstattung erfolgen. Ausnahmen gelten bei Vergewaltigungsopfern, jedoch mit dem Vorbehalt, dass bei Tod des Opfers wiederum eine Namensnennung erfolgen kann.91 Nach den Untersuchungen der JFBA aus dem Jahre 2000 gaben auf die Frage nach identifizierender Berichterstattung bezüglich Opfern von 142 befragten Medien nur 9 an, das Opfer grundsätzlich anonym zu halten, wobei davon wiederum 5 bei schweren Straftaten wie Tötungen eine Ausnahme machten. Nur bei Sexualstraftaten und bei der Gefahr von Racheakten (z.B. bei Straftaten durch Banden oder kriminelle Organisationen) soll die Regel etabliert sein, auf eine identifizierende Berichterstattung zu verzichten. Die Beifügung eines Bildes war der Befragung zufolge in Fällen, in denen Bilder zu erlangen sind, bei 30% der Druckmedien und bei 60% der Bildmedien die Regel.92 Die Analyse der Praxis der Berichterstattung von Zeitungen durch die JFBA ergab für das Jahr 1999 folgendes Bild:93 Die Namen der Opfer – bzw. bei leichteren Straftaten zum Teil nur die Initialen – wurden in etwa 50% der Fälle einer Berichterstattung genannt, Fotos waren jedoch nur in weniger als 10 % der Fälle beigefügt. Wenn das betroffene Opfer tot war, erfolgte die Berichterstattung bis auf wenige Ausnahmen in identifizierender Weise. Der Beruf wurde in ca. 80 % der Fälle genannt. Dabei zeigte sich eine deutliche 89 2000 weist die Japan Federation of Bar Associations, JFBA (Nihon Bengoshi Rengôkai), darauf hin, dass bezüglich Straftaten nur die Anonymitätsinteressen des Täters im Mittelpunkt von Diskussionen standen und Geheimhaltungsinteressen der Opfer kaum Beachtung gefunden haben, in: Jinken to hôdô [Menschenrechte und Berichterstattung] (2000), S. 152. 90 Ausführliche Darstellungen insbesondere zu Fällen von Todesopfern und deren postmortalem Schutz unten in Kapitel 7. 91 KYÔDÔ NEWS (Hrsg.), Kisha handobukku [Handbuch des Journalisten], 11. Aufl. (2008), S. 560 f. 92 JFBA, Jinken to hôdô [Menschenrechte und Berichterstattung] (2000), S. 154 ff. 93 JFBA, Jinken to hôdô [Menschenrechte und Berichterstattung] (2000), S. 156 ff., 210 ff.
D. Berichterstattung über Opfer
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Abnahme der Häufigkeit der Namensnennung gegenüber dem Jahr 1989, wo dem JFBA zufolge noch in über 70 % der Fälle eine Namensnennung des Opfers erfolgte.94 Die eigene Beobachtung der aktuellen Situation in der Presse durch die Verfasserin hat ebenfalls ergeben, dass eine identifizierende Berichterstattung in weitem Umfang verbreitet ist. Zumindest bei Toten erfolgt in der Regel keine Anonymisierung. Bei bloßen Verletzten, also in den Fällen, in denen das betroffene Opfer noch lebt, wird dagegen größere Zurückhaltung geübt und in der Regel anonymisiert. Grund für eine identifizierende Berichterstattung kann aber etwa eine besondere gesellschaftliche Stellung des Opfers sein, wie etwa bei einem Rechtsanwalt. Bei Naturereignissen oder Massenunfällen wiederum ist eine Auflistung der Namen der Opfer üblich und verbreitet. Beobachtet wurden wieder Nachrichten des öffentlichen Senders NHK sowie Tageszeitungen über ausgewählte Zeiträume. Dabei fand sich jeweils innerhalb kürzester Zeit eine Fülle an Berichterstattung unter Identifizierung des Opfers, so: – Zeitungsberichte über den Mord an einem Taxi-Fahrer unter Nennung von Namen und Alter des Getöteten;95 – Fernsehnachrichten über den aufsehenerregenden Mord an einem Professor der ChûoUniversität in Tokyo unter Nennung des Namens und des Alters des Opfers und der Abbildung von großformatigen Portraitfotos des Opfers;96 – Zeitungsberichte über den Mordversuch eines 29jährigen an seiner Mutter unter Angabe von Name, Beruf, Adresse und Alter des Vaters des Täters sowie des Namens und des Alters der Mutter;97 – Zeitungsberichte über eine schwere Körperverletzung an einem Rechtsanwalt in einem Gerichtsgebäude in der Stadt Kobe, in denen der Name, das Alter und die zugehörige Rechtsanwaltskammer des Opfers genannt wurden;98 – Berichte über ein vermisstes Boot mit drei Insassen unter Nennung von Namen und Alter der Vermissten sowie der Angabe der Adressen bis hin zum Stadtteil;99 – Fernsehberichte über einen Brand in Tokyo mit vier Toten unter Nennung des Namens des Vaters, der den Brand versehentlich verursacht hatte, sowie der Namen und des Alters der ums Leben gekommenen Töchter, von denen auch Fotos gezeigt wurden. Der ebenfalls umgekommene Bruder wurde ebenfalls mit Namen genannt, allerdings ohne dass ein Foto gezeigt wurde. Die sonstigen Verletzten wurden nur als „Ehefrau“, „Vater“ usw. bezeichnet, jeweils unter Angabe des Alters.100
94
Dass die Zurückhaltung vor einer identifizierenden Berichterstattung und der Respekt vor der Privatsphäre von Opfern und Angehörigen zugenommen hat, ist auch der Eindruck von SUGIO, in: Îmuro/Tajima/Watanabe (Hrsg.), Hôdô sareru gawa no jinken [Menschenrechte des Berichterstattungsobjekts] (1999), S. 96. 95 Z.B. Asahi-Zeitung vom 08.01.2009. 96 Z.B. „News watch 9“ vom 14.01.2009. 97 Z.B. Nikkei-Zeitung vom 08.01.2009. 98 Z.B. Asahi-Zeitung vom 08.01.2009. 99 Z.B. Asahi-Zeitung vom 13.01.2009. 100 Z.B. „ News watch 9“ vom 07.01.2009.
142
Kapitel 5: Umfang des Schutzes der Privatsphäre
– In einem Zeitungsartikel über einen Brand in Ôsaka mit fünf Verletzten wurden Name und Alter des Großvaters genannt und die Adresse – bis auf die Hausnummer – angegeben; die Verletzten wurden als „Ehefrau“, „Enkel“ etc. bezeichnet, und auch ihr Alter wurde angegeben.101 – Zum Beispiel bei Unglücksfällen werden v.a. in den Fernsehnachrichten regelmäßig die Namen, das Alter und der Beruf der Opfer aufgelistet. Ein Teil der Opfer, die am Leben geblieben sind, ist dabei im Gegensatz zu den verstorbenen Opfern anonymisiert. An weiteren Beispielen für eine zumindest teilweise Anonymisierung lassen sich finden: – Zeitungsberichte über einen Fall aus Chiba, in dem ein 17jähriger seinen Vater erstach: der getötete Vater wurde nur als „54jähriger Mann“ bezeichnet, und es erfolgte auch keine nähere Adressangabe außer der Stadt und der nächstgelegenen U-Bahn-Station. Dafür wurden Details zu den Familienverhältnissen genannt, wie z.B., dass eine Scheidung vor 8 Jahren erfolgt sei.102
Eine identifizierende Berichterstattung erfolgt dabei überraschenderweise auch in Fällen, in denen der Gedanke naheliegt, dass das Opfer durch die Identifizierung in ein negatives Licht gerückt werden könnte, und daher eigentlich in besonderem Maße Anonymitätsinteressen der Betroffenen bestehen, zum Beispiel weil das Opfer in einer bestimmten Beziehung zum Täter gestanden hat, sich an „zweifelhaften“ Orten aufgehalten hat oder auf besonders entwürdigende Weise getötet worden ist. Unberücksichtigt scheint auch zu bleiben, dass das Opfer es schon als beschämend empfinden kann, wenn überhaupt bekannt wird, dass es in eine bestimmte kriminelle Tat verwickelt wurde oder in der Nähe einer kriminellen Person steht, oder dass man mit bestimmten Ereignissen in Zusammenhang gebracht wird.103 So erfolgten Namensnennungen etwa bezüglich der Opfer einer aufsehenerregenden Brandstiftung mit zahlreichen Toten in einem Video-Hotel.104 Der Begriff des „Video-Hotels“ sagt an sich nur aus, dass dort jeweils in Einzelzimmern vor Ort verliehene Videos konsumiert werden können, und zum Teil werden solche Zimmer auch einfach nur als günstige Übernachtungsmöglichkeit genutzt. Ursprüngliches Konzept solcher Einrichtungen ist allerdings, die Möglichkeit zum ungestörten Konsum von Pornovideos zu bieten, so dass man zumindest nicht selbstverständlich davon ausgehen kann, dass es den Nutzern nichts ausmacht, dass die Übernachtung in einem solchen Video-Hotel in der Öffentlichkeit bekannt wird. Auch eine 30jährige Frau, die von ihrem Ex-Freund angeschossen und schwer verletzt wurde, wurde mit ihrem Namen unter Angabe ihres Alters und der Adresse bis hin zum Stadtteil bezeichnet. Beschrieben wurden auch die Hintergründe, dass die Frau früher mit dem Täter zusammen gewohnt habe und dieser dabei schon gewalttätig gewesen sei. Dabei wurden sogar der Name, der Beruf („arbeitslos“) und das Alter des Vaters der Frau sowie die Familienverhältnisse, dass sie mit zwei Kindern, ihren Eltern und ihrem Bruder zusammen 101
Z.B. Asahi-Zeitung vom 08.01.2009. Z.B. Nikkei-Zeitung vom 08.01.2009. Auch in der Abendausgabe der Asahi-Zeitung vom 10.01.2009 fand sich nur die Bezeichnung als „Vater“ und „zweiter Sohn“ und die Angabe des Alters der beiden. 103 Vgl. JFBA, Jinken to hôdô [Menschenrechte und Berichterstattung] (2000), S. 153. 104 V.a. Fernsehberichterstattung nach dem 01.10.2008. 102
D. Berichterstattung über Opfer
143
lebe, offengelegt.105 Namentlich genannt wurde auch eine Frau, die von einem ihr unbekannten Eindringling mit einem Messer schwer verletzt wurde, wobei es sich bei dem Täter mutmaßlich um den Ex-Freund der Tochter handelte.106
Insgesamt müssen Opfer von Straftaten oder Unglücksfällen in Japan also in viel weiterem Umfang als in Deutschland auch eine identifizierende Berichterstattung erdulden. Allerdings wird an einer identifizierenden Opferberichterstattung auch in Japan kritisiert, dass diese einerseits zu seelischen Belastungen der Opfer führe, und andererseits durch die Veröffentlichung des Namens die Gefahr von Sekundärschäden (Niji higai) und Belästigungen durch Reporter bestehe und daher eine größere Sensibilität erforderlich sei.107
105
Asahi-Zeitung vom 13.01.2009. So etwa in den Online-Ausgaben der Mainichi-Zeitung sowie Yomiuri-Zeitung vom 04.06.2011. 107 So auch die Kritik in Japan, JFBA, Jinken to hôdô [Menschenrechte und Berichterstattung] (2000), S. 152 f., 173 f. Für eine Vermeidung weiterer Belastungen des Opfers und der Angehörigen auch ÎMURO/TAJIMA/WATANABE (Hrsg.), in: Hôdô sareru gawa no jinken [Menschenrechte des Berichterstattungsobjekts] (1999), S. 109. 106
Kapitel 6
Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung A. Überblick A. Überblick I. Übersicht über die Ansprüche Wie bereits im Überblick zu den zivilrechtlichen Grundlagen gezeigt, bestehen in Japan bei Persönlichkeitsverletzungen Geldersatzansprüche auf der Basis von §§ 709, 710 JZGB, ferner Entschuldigungsansprüche nach § 723 JZGB sowie Unterlassungsansprüche. In diesem Kapitel werden diese verschiedenen Rechtsfolgen und ihre Besonderheiten in Japan besprochen. Einen Widerrufs- oder Gegendarstellungsanspruch in der Form wie im deutschen Recht gibt es nicht. Interessanterweise wird aber auch in Japan die Existenz bzw. Herleitbarkeit solcher Ansprüche diskutiert. Insbesondere im Hinblick auf den Vergleich zum deutschen Recht gehe ich daher auch auf diese Frage nach weiteren Formen der Beseitigung ein, ebenso auf die Frage, ob es im japanischen Recht weitere mögliche Grundlagen für Geldersatzansprüche gibt. II. Verhältnis von Naturalhandlungen und Geldersatz Als grundlegender Unterschied zwischen der deutschen und japanischen Rechtsordnung ist zu beachten, dass die Vorstellungen zum Verhältnis zwischen Geld- und Naturalersatzansprüchen genau umgekehrt sind. Schadensersatz in Geld auf der einen Seite wird in Japan relativ großzügig und unproblematisch gewährt. Das Schadensersatzrecht in Japan ist nämlich, wie bereits besprochen, auf der Tatbestandsseite weit ausgestaltet und nimmt keine Eingrenzung auf absolute Rechte wie der deutsche § 823 Abs. 1 BGB vor, sondern schließt auch den Schutz von Interessen ohne Rechtsqualität ein.1 Dies führt bereits zu einem erweiterten Anwendungsbereich für Schadensersatzansprüche. Dabei gilt in Japan – im Unterschied zum deutschen Recht – der Grundsatz des Geldersatzes. 2 Hinzu kommt, dass Geldersatzansprüche insbesondere auch bei immateriellen Schäden unproblematisch gewährt wer-
1 2
Siehe oben, Kap. 3, B., S. 33 ff. Siehe oben, Kap. 3, A., S. 32.
146
Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
den und dadurch viel einfacher und unkomplizierter handhabbar sind als im deutschen Recht.3 Bei den negatorischen Ansprüchen stellt man dagegen in Japan erhöhte Anforderungen an die Art oder den Grad der Verletzungshandlung, während in Deutschland eine drohende rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts im Prinzip ohne Weiteres abgewehrt werden kann.4 Die Restriktionen bei den negatorischen Ansprüchen in Japan resultieren zum einen daraus, dass das Schadensersatzrecht kein klar konturiertes absolutes Recht erfordert und infolgedessen nicht in gleichem Maße wie in Deutschland ein konkret ausgeformtes Allgemeines Persönlichkeitsrecht als absolutes Recht entwickelt wurde.5 Während man in Deutschland daher bei einer Rechtsverletzung ohne Weiteres einen negatorischen Anspruch zugestehen kann, werden hier in Japan dann Einschränkungen notwendig. Die zusätzlichen Einschränkungen bei den negatorischen Ansprüchen sind aber nicht nur durch solche „technischen“ Ursachen bedingt. Die Beseitigung scheint in Japan vielmehr der grundsätzlichen Vorstellung nach im Vergleich zur Geldentschädigung als schwerere Rechtsfolge angesehen zu werden, im Gegensatz zur deutschen Konzeption.6 Ähnlich wie im anglo-amerikanischen Vertragsrecht ist der Geldersatz der weniger problematische Rechtsbehelf, und man sieht in der Naturalrestitution, die mit persönlichen Handlungspflichten verbunden ist, die größere Belastung für den Betroffenen. Die gegensätzliche Gewichtung kommt auch im Grundsatz des Geldersatzes im Schadensersatzrecht zum Ausdruck und wird durch diesen zugleich verstärkt. Zwar hat die Geltung des Grundsatzes bei der Ausgestaltung des Schadensersatzes selbst noch keine Auswirkungen. Denn auch im deutschen Recht, wo nach § 249 Abs. 1 BGB der Grundsatz der Naturalrestitution gilt, und zwar insbesondere auch im Bereich des Medienrechts,7 ist die Naturalrestitution nur der theoretische Grundgedanke, der aber praktisch zumindest in den hier interessierenden Fällen in der Regel nicht in Betracht kommt, so dass daher letztlich in Deutschland gleichermaßen Geldersatzansprüche gewährt werden.8 Es ergibt sich aber ein Unterschied in konstruktiver Hinsicht: Da der Beseitigungsanspruch nicht mehr zugesteht als ein Schadensersatzanspruch in Form der Naturalrestitution, können in Deutschland die Voraussetzungen eines Beseitigungsanspruchs nicht strenger sein als die für einen Geldersatz, d.h. der Beseitigungsanspruch ist zwingend der „leichtere“ 3
Siehe unten, Kap. 6, B.II., S, 147 f. Näher siehe unten, insbes. Kap. 6, C.IV. und E.I., E.III., S. 187 ff., S. 206 ff., S. 213 ff. 5 Siehe oben, Kap. 3, B., S. 33 ff. 6 KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 410. 7 Vgl. GOUNALAKIS, in: AfP 1998, S. 23; STÜRNER, in: AfP 1998, S. 5; DERS., in: FS Großfeld (1999), S. 1209 f. in Gegenüberstellung zu anglo-amerikanischen Rechtsordnungen. 8 IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 30 4
B. Ansprüche auf Zahlung von Geld
147
Rechtsbehelf, während in Japan der Grundsatz des Geldersatzes primär die Geldzahlung als Rechtsbehelf nahelegt. Im Folgenden halte ich mich daher wieder an die Gewichtung des japanischen Rechts und gehe zunächst auf die Geldersatzansprüche ein (B.). Danach werden dann die Entschuldigungsanzeige (C.) und sonstige Möglichkeiten zur Wiederherstellung (D.) sowie schließlich der Unterlassungsanspruch (E.) besprochen.9
B. Ansprüche auf Zahlung von Geld B. Ansprüche auf Zahlung von Geld I. Überblick Zunächst gehe ich auf die bereits angesprochene dominierende Rolle des Schmerzensgeldanspruchs im japanischen System der Rechtsbehelfe ein (II.) und dann auf die Frage nach der Berechnungsweise und der Höhe der Schmerzensgelder (III.). Anschließend werden noch einmal kurz die Fallgruppen der Publicity-Rechts-Verletzung angesprochen, die bereits in Kapitel 4 der Arbeit behandelt wurden, und die Berechnung des Schadensersatzes in diesen Fällen besprochen (IV.). Schließlich wird noch, um den Vergleich mit dem deutschen Recht ziehen zu können, die Rechtslage in Japan zu den in Deutschland als mögliche Anknüpfungspunkte für Geldersatzansprüche diskutierten Instituten des Bereicherungsrecht und des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag dargestellt. Allerdings werden diese Institute in Japan allenfalls nur vereinzelt in der Lehre angesprochen und spielen in der Praxis keine Rolle (V.). II. Die Bedeutung des Schmerzensgeldes Wie schon angedeutet,10 weist das japanische Deliktsrecht gegenüber dem deutschen Recht die grundlegende Besonderheit auf, dass nach §§ 709, 710 JZGB immaterielle wie materielle Schäden gleichermaßen ohne Weiteres ersatzfähig sind. Weder setzt eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden eine schwerwiegende Verletzung voraus wie in Deutschland, noch ist diese subsidiär gegenüber Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen.11 9
Die Gewichtung von Geldersatz- und Naturalherstellungs- bzw. Unterlassungsansprüchen entspricht der üblichen Reihenfolge in japanischer Literatur, so etwa bei IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 250 ff.; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 211 ff. (Geldersatzansprüche), 479 ff. (Unterlassung und Wiederherstellung). 10 Siehe oben, Kap. 6, A., S. 143. 11 Zur Weite des Anwendungsbereichs gerade im Vergleich zu Deutschland ONO/TAKEI, in: Kokusai shôji hômu 34 Nr. 6 (2006), S. 766.
148
Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Der Schmerzensgeldanspruch (Isharyô) ist damit völlig unproblematisch und in der Rechtsprechungspraxis im Bereich des Persönlichkeitsschutzes in aller Regel der Anknüpfungspunkt für einen Geldzahlungsanspruch. Die dominierende Rolle des Schmerzensgeldes geht so weit, dass diesem neben der Funktion des Ausgleichs von seelischen und körperlichen Schmerzen (seishin-teki songai tenpo kinô)12 hinaus auch eine „ergänzende“ bzw. „regulierende Funktion“ (hokan-teki bzw. chôsei-teki kinô) hinsichtlich des Ersatzes materieller Schäden zukommt. Denn für solche Fälle, in denen der Nachweis eines materiellen Schadens für den Betroffenen nur schwer möglich ist, erspart die japanische Schadensrechtspraxis dem Betroffenen einen separaten Nachweis des materiellen Schadens und erlaubt eine Berücksichtigung der materiellen Nachteile bei der Berechnung des Schmerzensgeldes.13 Im Bereich des Persönlichkeitsrechts können daher auch etwa, wie noch besprochen wird, Vermögenseinbußen durch eine Rufschädigung als erhöhender Faktor bei der Berechnung des „Schmerzensgeldes“ Berücksichtigung finden und müssen nicht als eigener materieller Schadensposten berechnet werden.14 Ein konkreter Nachweis von Vermögensschäden aufgrund einer Persönlichkeitsverletzung ist, wie schon für das deutsche Recht beschrieben wurde,15 schwierig. Im japanischen Recht ist dies jedoch unproblematisch, da solche Schäden im Rahmen eines immateriellen Schmerzensgeldanspruchs geltend gemacht werden können. 16 Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Schmerzensgeldes geht sogar so weit, dass vereinzelt die – in der Regel als separater Schadensposten berechneten und hier außer Betracht gelassenen – Rechtsanwalts-Kosten einfach mit in das Schmerzensgeld eingerechnet werden.17
12
SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 260. DG TOKYO FG SE, in: Jurisuto 1209 (2001), S. 78; MASUDA, in: NBL 627 (1997), S. 42; O. SAITÔ, in: Yamada (Hrsg.), Shin gendai songai baishô-hô kôza 6 [Modernes Schadensersatzrecht 6] (1998), S. 222 f.; SHINOMIYA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], Bd. 2 (1983), S. 437; YOSHIMURA, in: Hoshino (Hrsg.), Minpô kôza 6 [Lehrgang Zivilrecht 6] (1985), S. 436 f, 438. In der Praxis oft eingesetzt bei Massenklagen gegen Schäden durch Umweltvergiftung oder Medikamente, zum Beispiel DG Osaka, Urteil vom 19.05.2010, in: Hanji 2093, 3 (51 ff., insbesondere 51 f.) (Fall „Staatshaftungsklagen wegen Asbest in Sen’nan/Ôsaka“); zu weiteren Fällen SAWAI, in: Tekisutobukku jimu kanri, futô rieki, fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], 3. Auflage (2001), S. 116 f. 14 Siehe die Kasuistik, unten, Kap. 6, B.III.1., a, S. 149 ff., sowie zusammenfassend b, S. 168. 15 Oben, Kap. 2, B.IV., S. 19 ff. 16 DG ÔSAKA FG SE, in: NBL 731 (2002), S. 9. 17 Siehe etwa DG Tokyo, Urteil vom 29.09.1998, in: Hanta 1042, 180, dazu auch unten die Kasuistik, Kap. 6, B.III.1., a, S. 149 ff. 13
B. Ansprüche auf Zahlung von Geld
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III. Die Berechnung von Schmerzensgeldern 1. Die Rechtsprechungspraxis a) Kasuistik Die Berechnung der Höhe des Schmerzensgeldes ist jeweils eine Einzelfallentscheidung, bei der verschiedenste Umstände des Falls eine Rolle spielen. Im Folgenden werden daher zunächst die wichtigsten Fälle der letzten 20 Jahre sowie grundlegende ältere Fälle kurz zusammengefasst, um einen möglichst anschaulichen Überblick über die Rechtsprechungspraxis zu geben. Um einen breiteren Überblick zu schaffen, werden dabei auch Fälle vorgestellt, die sich aus dem Grenzbereich der klassischen Privatsphäre wegbewegen, in denen es aber auch um die Veröffentlichung von Informationen geht, die der Betroffene vor der Allgemeinheit geheim halten möchte. DG Tokyo, Urteil vom 30.01.1989:18 Der Vorwurf in einem Lokalblatt gegenüber einem Stadtbezirksrat, er lasse sich bestechen und erpresse Unternehmer, stellte eine Verletzung der Ehre dar, für die Schadensersatz in Höhe von 1.000.000 Yen gewährt wurde. Maßgeblich für die Berechnung war auf der einen Seite der große Schaden für die gesellschaftliche Achtung des Betroffenen, insbesondere als Stadtbezirksrat, auf der anderen Seite aber die fehlende Eindeutigkeit der Vorwürfe bei genauerer Lektüre. Außerdem verweist das Gericht auf eine „Gesamtbetrachtung aller sonstigen Umstände“.19
DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1989:20 Im Fall Yuri Inoue, in dem es um die Veröffentlichung von Fotos der Freundin eines bekannten Schriftstellers beim Kochen in der eigenen Wohnung ging, die nachts über die Grundstücksmauer hinweg gemacht worden waren, gab es für die Verletzung des Bildnisrechts eine Entschädigung in Höhe von 1.000.000 Yen. Gründe waren der eindeutige entgegenstehende Willen der Betroffenen sowie Inhalt und Art der Aufnahme, die unter rechtswidrigem Eindringen und Ausspähen der Wohnung erfolgt waren. Außerdem verweist das Gericht auch auf die Berücksichtigung „aller sonstigen Umstände“.21
OG Tokyo, Urteil vom 05.09.1989:22 Im Fall „Gyakuten“, dem Fall einer Veröffentlichung einer Vorstrafe in einem Roman 13 Jahre nach der Tat und nach Resozialisierung des Betroffenen, betrug das Schmerzensgeld für die Verletzung der Puraibashî nur 500.000 Yen. Einerseits begründete die Veröffentlichung die Gefahr, dass Ehefrau und Arbeitsstelle von der Vorstrafe erfuhren, und damit die Angst des Betroffenen vor einer Scheidung oder einer Kündigung; andererseits traten tatsächlich keine solchen negativen Folgen ein, und das Buch stellte auch klar, dass der Betroffene nur
18
In: Hanji 1328, 74. Hanji 1328, 74 (82). 20 In: Hanji 1319, 132. Im bestätigenden obergerichtlichen Urteil hierzu, OG Tokyo, Urteil vom 24.07.1990, in: Hanji 1356, 90, stand die Höhe des Schmerzensgeldes nicht mehr zur Diskussion. 21 Hanji 1319, 132 (139). 22 In: Hanji 1323, 37. 19
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
wegen Körperverletzung verurteilt und vom Vorwurf einer Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen worden war.23
DG Tokyo, Urteil vom 06.09.1989:24 Für die Verletzung der Ehre durch einen Artikel in einem Wochenmagazin über den Verdacht gegen den Ehemann einer während einer Auslandsreise im Meer ertrunkenen Frau, er habe sie wegen ihrer Lebensversicherung ermordet, wurde Schadensersatz in Höhe von 1.000.000 Yen eingeräumt. Bemessungsgrundlage waren: Inhalt des Artikels, Auflagenstärke des Magazins und dessen Einfluss auf die Gesellschaft sowie „sämtliche sonstigen Aspekte“.25
DG Wakayama, Urteil vom 28.11.1989:26 Für einen Zeitungsartikel in der Mainichi-Zeitung über einen Bestechungsverdacht, der ebenfalls als Verletzung der Ehre eingeordnet wurde, wurde nur 250.000 Yen pro Betroffenem gewährt. Der Artikel traf nämlich nicht völlig Unschuldige, sondern es wurde nur zusätzlich etwas Falsches unterstellt. Daher führte der Artikel nur zu einem geringen Herabsinken des gesellschaftlichen Ansehens. Andererseits verursachte der Artikel bei den Betroffenen große seelische Schmerzen; das Verhalten des Verletzers zeigte gewissenlose Seiten; ferner besaß das Medium als große Tageszeitung großen Einfluss.27
DG Tokyo, Urteil vom 27.12.1989:28 Im Fall des Berichts über die erste Aids-Tote in Japan unter Veröffentlichung von heimlich aufgenommenen Bildern des Leichnams erhielten ihre Eltern je 1.000.000 Yen für die Verletzung ihres Pietätsgefühls. Abgestellt wurde dabei auf eine „Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Falls“.29 Ausdrücklich abgelehnt wird ein sanktionierendes Schmerzensgeld. Eine schwere Rechtswidrigkeit oder ein hoher Gewinn aus der Verletzung sollen aber Aspekte sein, die sich im Grad der auszugleichenden Schmerzen widerspiegeln.30
DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1990:31 Für die Verletzung des Bildnisrechts durch die Veröffentlichung eines Ganzkörper-Nacktfotos des „Los [Angeles]-Verdächtigen“ in einem Fotomagazin namens „EMMA“ mussten 900.000 Yen bezahlt und zusätzlich eine Entschuldigung abgegeben werden. Gründe waren: die Auflagenstärke (438.000 Exemplare), die landesweite Verbreitung, die Dauerhaftigkeit des Mediums Foto und die schockierende Wirkung für die Familie; andererseits der Zweck der Berichterstattung, nämlich das Berichten über einen Verdächtigen, sowie die Überlegung, dass das vorwerfbare Verhalten nur in der fehlenden Schwärzung bestimmter Teile lag, da Fotos mit solchen Schwärzungen der Öffentlichkeit bereits aus anderen Medien bekannt waren.32
23
Hanji 1323, 37 (47). Das Urteil des OG Tokyo wurde bestätigt durch den OGH, der aber nicht weiter auf die Höhe des Schmerzensgeldes eingeht und nur prüft, ob eine unerlaubte Handlung vorliegt, siehe OGH, Urteil vom 08.02.1994, in: Minshû Bd. 48 Nr. 2, 149. 24 In: Hanji 1351, 79. 25 Hanji 1351, 79 (82). 26 In: Hanji 1351, 83. 27 Hanji 1351, 83 (89). 28 In: Hanji 1341, 53. 29 Hanji 1341, 53 (67). 30 Hanji 1341, 53 (67/8). 31 In: Hanta 741, 189. 32 Hanta 741, 189 (198).
B. Ansprüche auf Zahlung von Geld
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DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990:33 Der Geldverleih-Unternehmer, von dem Bilder im Krankenhaus veröffentlicht wurden und dessen luxuriöses Leben kritisiert wurde, bekam für die Verletzung von Bildnisrecht und Puraibashî die Summe von 2.000.000 Yen zugestanden, und zwar, weil 2.000.000 Yen „angemessen“ sein sollten.34 Eine nähere Begründung lässt das Urteil vermissen.
DG Tokyo, Urteil vom 20.12.1990:35 Der Artikel in einer Sportzeitung über den „Los [Angeles]-Verdächtigen“, der behauptete, der Verdächtige habe früher schon einmal versucht, Familienmitglieder umzubringen, stellte einer Verletzung der Ehre dar, für die eine Entschädigung in Höhe von 1.000.000 Yen angeordnet wurde. Bemessungsgesichtspunkte waren die Art der Verletzung – so wurde hier ein öffentliches Interesse verneint, ferner gab es keinen Beleg für die Wahrheit des Inhalts –, der Grad der Ehrverletzung, sowie „die sonstigen Umstände“.36
DG Tokyo, Urteil vom 23.04.1991:37 Der Artikel über den „Los [Angeles]-Verdächtigen“ in dem Monatsmagazin „Zehn Menschen zehn Farben“ darüber, dass dieser ein Abo des betreffenden Monatsmagazin bestellt habe, stellte eine Puraibashî-Verletzung dar, für die aber nur 50.000 Yen Schadensersatz gewährt wurde, wegen des Inhalts und der Art der Verletzung, und weil kein Bewusstsein rechtswidrigen Handelns beim Verletzer vorgelegen habe.38
DG Kyoto, Urteil vom 20.12.1990,39 OG Osaka, Urteil vom 24.06.1992:40 Zeitungsartikel über einen traditionellen Blumenkünstler (Kadô-ka) und den Herausgeber von Magazinen in diesem Bereich des Inhalts, sie hätten faule Wertpapiere herausgegeben, verletzten jeweils die Ehre der Betroffenen. Der Künstler bekam für den ersten Artikel 1.000.000 Yen und für zwei weitere Artikel jeweils 1.500.000 Yen, der Herausgeber 500.000 bzw. 200.000 Yen. Gründe bei der Bemessung waren die jeweilige Verbreitung und Auflagenstärke (beim ersten Artikel: 300 bis 400, beim zweiten Artikel: 300.000); beim ersten Artikel die Tatsache, dass dieser eine Auslöserwirkung für weitere Berichte in anderen Medien hatte; die negativen Auswirkungen auf den Ruf und die wirtschaftliche Glaubwürdigkeit; sowie „alle sonstigen Umstände“.41
DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1992:42 Für einen Bericht in einem Wochenmagazin über eine Freiheitsstrafe von neun Jahren wegen Betrugs nach der Entlassung des Betroffenen aus dem Gefängnis wurde vom DG wegen Ver-
33
In: Hanji 1357, 93. Hanji 1357, 93 (102). 35 In: Hanta 750, 208. 36 Hanta 750, 208 (212). 37 In: Hanji 1385, 91. 38 Hanji 1385, 91 (93). 39 In: Hanta 752, 188. 40 In: Hanji 1451, 116. 41 Hanta 752, 188 (198, 199) (DG Kyoto, Urteil vom 20.12.1990); Hanji 1451, 116 (129, 130) (OG Osaka, Urteil vom 24.06.1992). 42 In: Hanji 1424, 72. 34
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
letzung der Puraibashî Schadensersatz in Höhe von 500.000 Yen gewährt, und zwar aufgrund einer „Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Falls“.43
DG Tokyo, Urteil vom 30.09.1992:44 Bezüglich eines Zeitungsartikels über einen im Ausland aktiven Reiter, es bestehe der Verdacht einer Manipulation von Wettkämpfen, wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000.000 Yen wegen Verletzung der Ehre gewährt, weil durch die Verbreitung des Verdachts ein schwerer Schaden für die gesellschaftliche Achtung entstanden sei und der Bericht auch Einfluss auf die Aktivität des Betreffenden als Reiter gehabt habe.45
DG Ôsaka, Urteil vom 23.10.1992:46 Für verschiedene Artikel über einen Rechtsanwalt, die den Vorwurf enthielten, er arbeite für betrügerisch operierende Mandanten, wurden unterschiedlich hohe Schmerzensgelder wegen Verletzung der Ehre gewährt, nämlich (1) 1.000.000 Yen für einen Artikel in einer Lokalzeitung, (2) 3.000.000 Yen für einen Artikel in einem Monatsmagazin und (3) 2.000.000 Yen für weitere Artikel in Magazinen. Gründe waren bei den Artikeln (1) und (3): Die schwere Verletzung der Ehre als Anwalt, verschlimmert durch die Tatsache, dass es sich um ein Lokalblatt in seinem Wohnort handelte; die Berücksichtigung von Inhalt, Ausdruck des Artikels, Position und Lebenslauf des Betroffenen; andererseits die Tatsache, dass ein korrigierender Artikel veröffentlicht worden war, und der Irrtum durch Fehler auf Seiten des Betroffenen mit verursacht worden war;47 bei Artikel (2): der Umstand, dass die Veröffentlichung über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg erfolgt war und ferner Werbung in Zeitungen und Aushängen öffentlicher Verkehrsmittel stattgefunden hatte, andererseits aber nur 300 Exemplare verkauft wurden und dadurch ein großes Minusgeschäft entstanden war.48
DG Kôbe, Urteil vom 26.01.1993:49 Der Zeitungsbericht über einen Präfektur-Parlaments-Abgeordneten, er verkehre mit dem Leiter organisierter krimineller Gruppen (Bôryoku-dan), verletzte dessen Ehre. Der Schadensersatz in diesem Fall betrug 300.000 Yen. Gründe waren, dass es sich um eine einflussreiche Tageszeitung handelte, die im gesamten Raum Kinki verbreitet wurde; andererseits aber der Umstand, dass der Artikel überwiegend wahrheitsgemäß und ehrverletzend nur der Titel war; ferner eine „Gesamtwürdigung aller Umstände“.50
DG Tokyo, Urteil vom 15.06.1992,51 OG Tokyo, Urteil vom 21.07.1994:52 Ein Zeitungsartikel über einen Unterhausabgeordneten, der für das Amt des Gouverneurs von Tokyo kandidiert und dann die Kandidatur zurückgenommen hatte, in dem behauptet wurde, der Kandidat habe für die Rücknahme mehrmals hohe Geldsummen vom Generalsekretär der Liberal-Demokratischen Partei erhalten, führte dagegen wegen Verletzung der Ehre zu einem Schadensersatz in Höhe von 3.000.000 Yen nebst der Verpflichtung zur Veröffentlichung 43 Hanji 1424, 72 (75). Im obergerichtlichen Urteil hierzu, OG Tokyo, Urteil vom 21.12.1992, in: Hanji 1446, 61, erfolgte keine Überprüfung des Schmerzensgeldes. 44 In: Hanji 1483, 79. 45 Hanji 1483, 79 (84). 46 In: Hanji 1474, 108. 47 Hanji 1474, 108 (126 bzw. 127). 48 Hanji 1474, 108 (126/7). 49 In: Hanta 827, 243. 50 Hanta 827, 243 (249). 51 In: Hanji 1434, 94. 52 In: Hanji 1512, 36.
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einer Entschuldigungsanzeige. Begründet wurde dies nur mit der „Berücksichtigung aller Umstände“.53
DG Tokyo, Urteil vom 29.03.1995:54 Für die Verletzung der Ehre durch einen Wochenmagazinartikel über die Ex-Frau eines bekannten Schauspielers mit der Behauptung, sie habe von einem Unternehmer, zu dem sie eine intime Beziehung unterhielt, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen finanzielle Hilfe erhalten, wurde nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Yen gewährt. Begründet wurde die Höhe damit, dass die Betroffene im Zusammenhang mit der Scheidung von dem Schauspieler zum betreffenden Zeitpunkt im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand, und zwar auch aufgrund eigener Mitwirkung; ferner waren die Recherchen zwar unzureichend gewesen, aber es war immerhin so weit wie möglich recherchiert worden.55
DG Tokyo, 25.05.1993:56 Für die Verletzung von Puraibashî und Bildnisrecht durch die Veröffentlichung von Fotos des „Los [Angeles]-Verdächtigen“ in einem Wochenmagazin, wie er gerade aus der Untersuchungshaft zum Gericht befördert wird, wurden 300.000 Yen für angemessen erachtet. Die Veröffentlichung habe zwar Erniedrigungs- und Schamgefühle beim Betroffenen verursacht, die Puraibashî-Verletzung sei ihrem Inhalt nach aber von geringem Grad.57
DG Tokyo, Urteil vom 23.07.1993:58 Ebenfalls nur 300.000 Yen gab es für einen weiteren Artikel über den Los [Angeles]-Verdächtigen in einem Monatsmagazin u.a. mit einem Auszug aus dem Urteil bezüglich einer Vorstrafe aus der Jugendzeit, was die Ehre und Puraibashî des Verdächtigen verletzte. Der Grad der Verletzung sei gering, da es sich um keine der Öffentlichkeit unbekannten Informationen gehandelt habe; ferner maßgeblich war die geringe Auflagenstärke (2000 Stück) des Magazins.59
DG Tokyo, Urteil vom 28.07.1993:60 Für die Verletzung der Ehre durch einen Zeitungsartikel über einen wegen Kokainbesitzes vor Gericht stehenden Schauspieler mit der Behauptung, dieser feiere trotz der laufenden Verhandlungen große Feste und verkehre weiter mit organisierten kriminellen Gruppen (Bôryoku-dan), wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000.000 Yen gewährt. Bei der Bemessung berücksichtigt wurde, dass der Artikel in entscheidenden Teil unwahr war, ferner bewusst am Tag der abschließenden Plädoyers im Prozess veröffentlicht wurde und damit die Gefahr negativer Auswirkungen auf den Prozess begründete; 61 dass es andererseits aber vorher schon Berichte über Kontakte zu Bôryoku-dans gegeben hatte und der gesellschaftliche Ruf des Betroffenen daher ohnehin schon beeinträchtigt war.62
53 DG Tokyo, in: Hanji 1434, 94 (97); vom OG Tokyo ohne jede Begründung bestätigt, in: Hanji 1512, 36 (38). 54 In: Hanta 872, 250. 55 Hanta 872, 250 (256 f.). 56 In: Hanta 827, 227. 57 Hanta 827, 227 (233). 58 In: Hanta 840, 167. 59 Hanta 840, 167 (172). 60 In: Hanta 842, 185. 61 Hanta 842, 185 (189). 62 Hanta 842, 185 (190).
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
OG Tokyo, Urteil vom 31.08.1993:63 Für einen Artikel in einer Sportzeitung darüber, dass er in der Haft Geschenke von außerhalb weiterverteilt und genutzt habe, um Sonderbehandlungen zu erhalten, erhielt der „Los [Angeles]-Verdächtige“ in zweiter Instanz Schadensersatz wegen Verletzung der Ehre in Höhe von 100.000 Yen aufgrund einer Gesamtabwägung von Art der Verletzung, dem Maß des Einflusses etc.64 Die erste Instanz hatte überhaupt schon eine Ehrverletzung abgelehnt, weil dem Artikel kein ernstzunehmender Wahrheitsgehalt zu entnehmen sei.65
DG Tokyo, Urteil vom 22.09.1993:66 Der Zeitungsbericht über die bevorstehende Scheidung eines Rechtsanwalts, in dem als Scheidungsgrund Gewalttätigkeiten des Anwalts gegenüber der Schwiegermutter mit Verletzungsfolgen genannt wurden und der dessen Ehre und Puraibashî verletzte, betrug der Schadensersatz 1.000.000 Yen. Dabei wurde berücksichtigt, dass bereits am Folgetag eine Gegendarstellung des Betroffenen veröffentlicht worden war; dass eigentliches Berichtsobjekt dessen Frau, eine Schauspielerin war; dass nur ein Teil des Artikels ehrverletzend war; und dass der puraibashî-verletzende Teil durch eine Entschuldigung nicht wiedergutzumachen war.67
DG Tokyo, Urteil vom 27.09.1993:68 Bei einem Artikel über den „Los [Angeles]-Verdächtigen“, der in vorverurteilender Weise den starken Eindruck erweckte, dieser sei der wahre Täter, wurde wegen Verletzung der Ehre ein Betrag in Höhe von 700.000 Yen zugesprochen. Begründet wurde die Höhe mit den „Besonderheiten des Einzelfalls“ unter Berücksichtigung „sämtlicher Umstände“ auf Seiten des Schädigers ebenso wie auf Seiten des Betroffenen.69
OG Tokyo, Urteil vom 20.12.1993:70 Ein Wochenmagazin-Artikel über den Fall einer Freiheitsberaubung, in dem der Mutter der Haupttäterin unterstellt wurde, an der Tat mitgewirkt zu haben, begründete einen Schadensersatzanspruch der Mutter wegen Verletzung ihrer Ehre in Höhe von 1.500.000 Yen. Gründe waren: die Auswirkungen auf Kontakte zu Verwandten und Freunden; dass sich der Bericht aber andererseits auf die Tochter und nicht auf die Klägerin bezog und die Mutter auch weder namentlich erwähnt wurde noch Fotos von ihr beigefügt waren.71
DG Tokyo, Urteil vom 31.01.1994:72 Für Artikel in verschiedenen Zeitungen und Magazinen über eine des Mordes an ihrem Ehemann Verdächtige, unter Veröffentlichung von Fotos und mit Berichten über ihre Abstammung sowie Charakteranalysen, erhielt die Betroffene wegen Verletzung der Puraibashî sowie zum Teil auch des Bildnisrechts in einem Fall Schadensersatz in Höhe von 2.000.000 Yen, ansonsten Beträge zwischen 300.000 und 700.000 Yen. Die Höhen wurden begründet
63
In: Hanji 1474, 76. Hanji 1474, 76 (77). 65 DG Tokyo, Urteil vom 24.09.1992, in: Hanji 1474, 77 (78). 66 In: Hanta 843, 234. 67 Hanta 843, 234 (239). 68 In: Hanta 853, 245. 69 Hanta 853, 245 (247). 70 In: Hanta 871, 261. 71 Hanta 871, 261 (266). 72 In: Hanta 875, 186. 64
B. Ansprüche auf Zahlung von Geld
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mit der „Angemessenheit“ der jeweiligen Summen, um den seelischen Schmerz auszugleichen;73 ansonsten erfolgte aber jeweils keine nähere Begründung.
DG Tokyo, Urteil vom 05.09.1994:74 Der Artikel über einen ehemaligen Polizeibeamten, der wegen Raubmordes zum Tode verurteilt in Haft saß und dort weiter seine Beamtenrente bezog, verletzte dessen Puraibashî und führte zu einer Ersatzpflicht in Höhe von 100.000 Yen. Begründet wurde die Summe nur mit einer „Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falls“.75
DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1995:76 Ein Artikel in einem Monatsmagazin über einen ehemaligen Unternehmensvorstand, in dem behauptet wurde, dieser sei wegen Insiderhandels entlassen worden, führte wegen Verletzung der Ehre zu einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000.000 Yen inklusive Rechtsanwaltskosten. Gründe waren, dass hier ein schwerer Vorwurf ohne hinreichende Belege erhoben worden war, sowie die wichtige Position des Betroffenen; außerdem, dass es sich zwar um einen relativ kurzen Artikel handelte, der Artikel aber mit einer Bildveröffentlichung versehen war und eine hervorgehobene Darstellung erfahren hatte.77
DG Tokyo, Urteil vom 14.04.1995:78 Die Ehefrau eines wegen Sexualtaten Verdächtigten erhielt für die Verletzung ihrer Puraibashî durch die Veröffentlichung ihrer Arbeitsstätte und ihres Werdegangs eine Summe in Höhe von 1.000.000 Yen. Denn durch den Artikel wurde ihre Verbindung zum Verdächtigen an ihrer Arbeitsstätte bekannt, und die Betroffene wurde in der Folge durch Telefonanrufe am Arbeitsplatz belästigt, was sogar dazu führte, dass bei ihr körperliche Beschwerden auftraten.79
DG Yokohama, Urteil vom 10.07.1995:80 Ein Zeitungsbericht über den Betreiber einer Kaffeebar, er habe mit nordkoreanischen Spionen zusammengearbeitet und sei verhaftet worden, der Ehre und Bildnisrecht des Betroffenen verletzte, führte zu einem Schadensersatz in Höhe von 1.000.000 Yen, und zwar aufgrund einer „Berücksichtigung aller Umstände“. 81 Zur Frage nach einem präventiv motivierten Schmerzensgeld äußert das Gericht hier Zweifel, ob ein solches grundsätzlich zulässig sein kann, und sah zudem jedenfalls unter den Umständen des Falles die Voraussetzungen für ein solches präventives Schmerzensgeld als nicht gegeben an.82
DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1996:83 Für die Verletzung der Ehre durch drei Zeitungsartikel über einen Staatsbeamten, der von der Polizei zum Ministerium für Allgemeine Angelegenheiten (Sômuchô) entsandt war, des Inhalts, er habe Gelder von Werbeunternehmen erhalten, sprach das Gericht Schmerzensgelder
73
Hanta 875, 186 (195, 197, 199). In: Hanji 1534, 68. 75 Hanji 1534, 68 (74). 76 In: Hanji 1552, 90. 77 Hanji 1552, 90 (95). 78 In: Hanji 1547, 88. 79 Hanji 1547, 88 (94). 80 In: Hanji 1558, 81. 81 Hanji 1558, 81 (91). 82 Hanji 1558, 81 (91). 83 In: Hanta 933, 182. 74
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
in Höhe von insgesamt 1.500.000 Yen (500.000 pro Artikel) zu. Grundlegende Teile der Artikel entsprachen der Wahrheit, und nur Teile waren nicht wahr.84
DG Tokyo, Urteil vom 25.03.1996:85 Eine Fernsehsendung über den Verdächtigen im „Los [Angeles]-Fall“, er habe auch versucht, die Kaufhauskette Isetan zu erpressen, wurde zwar als Verletzung der Ehre eingestuft, hierfür musste aber nur 200.000 Yen an Schadensersatz bezahlt werden. Entscheidend waren der Inhalt der Sendung, der Einfluss auf die Bevölkerung, die zu dem Zeitpunkt vorhandene gesellschaftliche Achtung des Betroffenen sowie das Verhalten des Betroffenen gegenüber den Medien vor der Sendung.86
DG Mito, Urteil vom 27.09.1995,87 OG Tokyo, Urteil vom 29.01.1997:88 Bei einem Zeitungsartikel über den Kandidaten bei Gouverneurswahlen, der auch so verstanden werden konnte, dass der Kandidat früher als Bürgermeister der Stadt Mito Bestechungsgeschenke von großen Bauunternehmen erhalten habe, wurde für die Verletzung der Ehre ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000 Yen zugesprochen. Als Begründung wurde dabei genant, dass eine Ursächlichkeit der impliziten Vorwürfe für das Scheitern der Kandidatur nicht belegt sei und es sich nicht um eine Anprangerung mit falschen Behauptungen handele [Ergänzung der Verfasserin: sondern der Artikel vielmehr bei normaler Lesart gar keine falschen Behauptungen enthielt, und nur so geschrieben war, dass auch eine solche Lesart möglich erschien]. Ferner wird auf „alle sonstigen Umstände“ verwiesen.89
DG Chiba, Urteil vom 26.03.1997:90 Für die Verletzung der Ehre durch einen Zeitungsbericht über den Verdacht der Beteiligung des Vorsitzenden einer Fischereigenossenschaft an der Unterschlagung von Kapital der Genossenschaft in hohen Beträgen wurden 500.000 Yen für ausreichend gehalten. Der Betroffene war zum Zeitpunkt der Berichterstattung auch Mitglied des Ortschaftsrates und wurde aufgrund seiner sozialen Position durch die Berichterstattung stark getroffen, und eine Berichtigung wurde erst 1 Jahr und 8 Monate später veröffentlicht; andererseits drohten dem Betroffenen damals der Ausschluss aus der Fischereigenossenschaft sowie zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren, was eine ungleich größere Ursache für seine missliche Lage bildete als der Bericht; außerdem soll durch die, wenn auch späte, Berichtigung und Entschuldigung zumindest eine gewisse Wiedergutmachung erreicht worden sein.91
OG Tokyo, Urteil vom 28.01.1998:92 Für die Verletzung der Ehre durch den Bericht in einem Wochenmagazin über einen Prominenten, eine Bardame sei von ihm schwanger, und die Werbung mit dem Titel in Zeitungen wurde dem Betreffenden ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000 Yen zugestanden,
84
Hanta 933, 182 (194). In: Hanta 935, 189. 86 Hanta 935, 189 (193). 87 In: Hanji 1573, 107. 88 In: Hanji 1597, 71. 89 Hanji 1573, 107 (113) (DG Mito); bestätigt mit der gleichen Begründung von OG Tokyo, in: Hanji 1597, 71 (74 f.). 90 In: Hanji 1635, 124. 91 Hanji 1635, 124 (129). 92 In: Hanji 1647, 101. 85
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wegen der beträchtlichen seelischen Schmerzen, die ihm entstanden seien, sowie aufgrund einer „Gesamtwürdigung aller Umstände“.93
DG Tokyo, Urteil vom 30.03.1998:94 Hinsichtlich des Berichts in einem Wochenmagazin über den Leiter des Referats im Finanzministerium für die Insel Hokkaidô, dem vorgeworfen wurde, er habe sich von früheren Funktionären von Kreditvereinigungen (Shinyô kumiai) anfüttern lassen, mit Foto des Betreffenden, wurden als Entschädigung für die Verletzung der Ehre 500.000 Yen als ausreichend erachtet. Bei Wochenmagazinen seien zwar tendenziell höhere Summen zu gewähren; hier wurde aber das Motiv für die Berichterstattung berücksichtigt, die keinen persönlichen Angriff gegen den Betroffenen beabsichtigt habe, sondern über die Vernetzung des Finanzministeriums mit der Finanzwelt als gesellschaftlichem Problem berichten wollte.95
OG Tokyo, Urteil vom 28.05.1998:96 Für die Verletzung der Ehre eines zum Tode verurteilten Funktionärs der japanischen Roten Armee (Sekigun) durch einen Bericht in einem Monatsmagazin über einen Anschlag der Roten Armee, der den Eindruck erweckte, der Betroffene sei an einem Anschlag beteiligt gewesen, an dem er tatsächlich nicht beteiligt war, wurden 300.000 Yen für ausreichend erachtet. Der Bericht betraf nämlich nicht den Betroffenen an sich, sondern die gesamte Organisation; er war zwar in hoher Auflagenstärke (6stellig) erschienen; andererseits wurden auch der Zeitablauf (25 Jahre nach dem fraglichem Anschlag und 3 Jahre nach dem Todesurteil) sowie die vorher schon herabgesetzte gesellschaftliche Achtung berücksichtigt.97
DG Tokyo, Urteil vom 29.09.1998:98 Beim Artikel in einem Wochenmagazin über die Beerdigung eines Medizinprofessors und dessen Tochter, die in Amerika erschossen worden waren, in dem Fotos der Ehefrau bei der Beerdigung gezeigt und angedeutet wurde, diese habe Motive für einen Mord gehabt, wurde ein Schadensersatz in Höhe von 1.500.000 Yen (inklusive Rechtsanwaltskosten) als angemessene Entschädigung für die Verletzung der Ehre und des Bildnisrechts angesehen. Ausschlaggebend waren die Art der Verletzungshandlung, die Schwere der Betroffenheit bei der Verletzten, die Auflagenstärke des Magazins sowie „sämtliche sonstigen Umstände des konkreten Falls“.99
DG Ôsaka, Urteil vom 09.06.1999:100 Für eine identifizierende Berichterstattung darüber, dass jemand unter Drogeneinfluss drei Kindergartenkinder überfahren habe, wurde vom DG Ôsaka wegen Verletzung von Ehre und Puraibashî ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000.000 Yen zugesprochen. Die Höhe wurde insbesondere damit begründet, dass bereits Fälle identifizierender bebilderter Berichterstattung und Verwarnungen durch das Justizamt (Hômu-kyoku) vorangegangen waren, und dass die Verletzungshandlung trotz vorhersehbarer negativer Folgen und Reaktionen vorgenommen worden und daher besondere Bösartigkeit gegeben war; darüber hinaus wird auf
93
Hanji 1647, 101 (107). In: Hanji 1652, 89. 95 Hanji 1652, 89 (95). 96 In: Hanji 1681, 104. 97 Hanji 1681, 104 (111). 98 In: Hanta 1042, 180. 99 Hanta 1042, 180 (184). 100 In: Hanji 1679, 54. 94
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
eine „Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände“ abgestellt. 101 Zum präventiv motivierten Schmerzensgeld äußert sich das Gericht ausdrücklich ablehnend, da dies der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes widerspreche und der Verletzer dadurch einen ungerechtfertigten Gewinn erhalten würde.102
OG Tokyo, Urteil vom 30.06.1999:103 Die Unterstellung der Beteiligung eines Beamten in leitender Position im Finanzministerium an Finanzskandalen in einem Bericht, ohne dass sichere Belege dafür vorhanden waren, verletzte die Ehre des Betroffenen und führte zu einer Schadensersatzpflicht in Höhe von 2.500.000 Yen aufgrund der hohen beruflichen Stellung des Betroffenen und der Schwere des geäußerten Vorwurfs, der Betreffende habe diese Stellung ausgenutzt; des landesweiten Absatzes des Magazins; des Fehlens sicherer Belege; sowie des großen Einflusses auf den beruflichen Alltag, die personelle Stellung und Freundschaften.104 Die Unterinstanz hatte das Schmerzensgeld ebenfalls aufgrund des Inhalts des Berichts und der gesellschaftlichen Position des Betroffenen, in der einwandfreies Verhalten in besonderem Maße erforderlich sei, berechnet, aber nur die Summe von 1.000.000 Yen gewährt.105
DG Tokyo, Urteil vom 29.02.2000:106 Bezüglich des Buches über den Werdegang des Fußballers Hidetoshi Nakata seit seiner Geburt mit Episoden aus dem Privatleben und Fotos wurde für die Puraibashî-Verletzung Schmerzensgeld in Höhe von 2.000.000 Yen (neben Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung in Höhe von 1.850.000 Yen) zugesprochen. Berücksichtigt wurden die Art der Verletzungshandlung, Unannehmlichkeiten beim Betroffenen und der Gewinn des Verletzers durch die Veröffentlichung in Höhe von 37.000.000 Yen.107
OG Nagoya, Urteil vom 29.06.2000:108 Das OG Nagoya sprach im Fall einer Berichterstattung über einen jugendlichen Mordverdächtigen, bei der ein Pseudonym verwendet wurde, aber vermutet werden konnte, wer gemeint war, nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Yen wegen Verletzung von Ehre und Puraibashî zu. Das Gericht berief sich dabei auf die „tatsächlichen Umstände des konkreten Falls“ und eine „Gesamtwürdigung der dem Kläger zustehenden Rechte und deren Inhalt“.109
OG Nagoya, Urteil vom 25.10.2000:110 Die Mörderin zweier junger Frauen im sogenannten Fall „Serienmord an Gymnasiastin und Büroangestellter“ bekam für die Schilderung der Taten sowie der angeblichen Hintergründe in einem Buch ein Schmerzensgeld in Höhe von 750.000 Yen wegen einer Verletzung von
101
Hanji 1679, 54 (61). Hanji 1679, 54 (61). 103 In: Hanji 1695, 77. 104 Hanji 1695, 77 (87). 105 DG Tokyo, Urteil vom 25.09.1998, in: Hanta 1004, 204 (214). 106 In: Hanji 1715, 76. 107 Hanji 1715, 76 (85). 108 In: Hanji 1736, 35. 109 Hanji 1736, 35 (45). Ähnlich auch die erste Instanz, DG Nagoya, Urteil vom 30.06.1999, in: Hanji 1688, 151 (157). 110 In: Hanji 1735, 70. 102
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Ehre, Puraibashî und Ehrgefühl zugesprochen. Das Gericht wies dabei nur auf eine „Berücksichtigung aller Umstände“ hin.111 Die erste Instanz hatte dagegen nur 500.000 Yen zugesprochen. Das DG Nagoya hatte diese Summe aufgrund des Umstands, dass es um die Täterin eines höchst gesellschaftswidrigen Verbrechens ging und die Betroffene bereits zum Tod verurteilt war, sowie aufgrund des damaligen Stands der Ermittlungen und der Berichterstattung als angemessen betrachtet.112
DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2000:113 Die Fernsehberichterstattung über einen ehemaligen Rechtsanwalt, der wegen des Verdachts des Gebrauchs von gefälschten Wertpapieren und des versuchten Betrugs verhaftet worden war, unter Namensnennung mit Bildern, stellte eine Verletzung des Bildnisrechts dar, aber nur bezüglich eines heimlich aufgenommenen Fotos in Alltagskleidung. Der hierfür zugestandene Schadensersatz betrug 500.000 Yen. Es handelte sich dabei um eine heimliche Aufnahme, die einen Ausschnitt aus dem Privatleben des Betroffenen zeigte und größere Aufmerksamkeit beim Leser erzeugte als nötig; außerdem wurde auf die „sonstigen Umstände“ abgestellt.114
DG Tokyo, Urteil vom 24.04.2001:115 Dem ehemaligen Ministerpräsidenten Mori wurde für den Artikel, in dem ihm vorgeworfen worden war, er habe als Student gegen das Prostitutionsgesetz verstoßen, sei, was sein Verhältnis zu Frauen angehe, nicht integer, und stehe im Verdacht, illegale Spenden angenommen zu haben, und der mit einer Nacktzeichnung von Mori illustriert war, 3.000.000 Yen wegen Verletzung der Ehre zuerkannt. Bemessungsfaktoren waren der landesweite Verkauf, der Inhalt des Artikels, die gesellschaftliche Position von Mori sowie die „sonstigen Umstände“.116
DG Osaka, Urteil vom 29.05.2001:117 Hinsichtlich einer Fernsehsendung über einen wegen eines Bestechungsfalls zurückgetretenen und nun erneut für das Amt kandidierenden früheren Bürgermeister, in der dieser mit Name und Bild gezeigt wurde und in der auf dessen Vorstrafe hingewiesen wurde, wurde wegen Verletzung der Puraibashî Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Yen zugesprochen. Berücksichtigt wurden bei der Bemessung Inhalt und Art der Sendung sowie die Ausstrahlungszeit.118
OG Tokyo, Urteil vom 05.07.2001:119 Für die Verletzung der Ehre einer Schauspielerin durch den Bericht in einem Wochenmagazin, dass sie angeblich psychisch krank sei, gewährte das OG Tokyo ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000.000 Yen. Gründe für diese Höhe waren: die Auflagenstärke und die erfolgte Werbung in Zeitungen und öffentlichen Verkehrsmitteln; die materiellen Schäden für die künftige Tätigkeit der Betreffenden als Schauspielerin und im Hinblick auf Werbeauf111
Hanji 1735, 70 (83). DG Nagoya, Urteil vom 26.01.2000, in: Hanta 1047, 224 (236). 113 In: Hanta 1053, 152. 114 Hanta 1053, 152 (163). 115 In: Hanji 1767, 32. 116 Hanji 1767, 32 (42). 117 In: Hanta 1105, 177. 118 Hanta 1105, 177 (182). 119 In: Hanji 1760, 93. 112
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träge; dass ferner keine Anhaltspunkte für die Wahrheitsmäßigkeit des Inhalts bestanden; die Art der Vermittlung, die sich durch eine rücksichtslose und sensationelle Aufmachung kennzeichnete; der hohe Gewinn des Verletzers; sowie die nach Ansicht des Gerichts bestehende Notwendigkeit höherer Schmerzensgeldbeträge im Vergleich zur bis dahin üblichen Praxis wegen veränderter gesellschaftlicher Bedingungen.120 Das DG Tokyo hatte ähnliche Aspekte berücksichtigt, aber im Ergebnis nur 5.000.000 Yen zugesprochen.121
DG Osaka, Urteil vom 16.07.2001:122 Der Artikel in einem Wochenmagazin über einen Professor mit der Behauptung, dieser sei ein koreanischer Spion, mit Foto und Namensnennung brachte 3.000.000 Yen wegen Verletzung der Ehre. Berücksichtigt wurde, dass ein Teil des Berichts nicht ehrverletzend war und ein Teil der Wahrheit entsprach; aber auch der Inhalt des definitiv formulierten Vorwurfs; die Position des Betreffenden als Vizerektor; die Auflagenstärke und die z.T. erfolgte Werbung in Zeitungen und öffentlichen Verkehrsmitteln mit Foto; sowie die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit des Betroffenen infolge der Berichte.123
DG Tokyo, Urteil vom 18.07.2001:124 Ein Politiker der Liberal-Demokratischen Partei, der in einer Tageszeitung als Intrigant dargestellt wurde, der z.B. Skandale inszeniere etc., erhielt 5.000.000 Yen wegen Verletzung der Ehre, und zwar aufgrund der Auflagenstärke von 1,6 Mio, der weiten Verbreitung rund um die Hauptstadt; der heftigen Beschimpfungen; der Stellung des Opfers als aktivem Politiker, sowie „sämtlicher sonstigen Umstände“.125
DG Tokyo, Urteil vom 05.09.2001:126 Hinsichtlich des Artikels über eine Fernsehmoderatorin und deren angebliche frühere Tätigkeit in einem „Lingerie Pub“ unter Veröffentlichung von „Badeanzug-Fotos“ der Moderatorin wurde Schmerzensgeld in Höhe von 5.000.000 Yen für die Verletzung ihrer Ehre und zusätzlich 2.000.000 Yen für die Verletzung ihres Bildnisrechts zugestanden. Die Vorwürfe waren falsch; zudem wurde die beschämende Natur der vorgeworfenen Tätigkeit berücksichtigt; ferner, dass keinerlei Grund für die Annahme der Wahrheitsmäßigkeit der Behauptungen bestand und es sich daher um eine bösartige Ehrverletzung handelte. Durch die Bildnisrechtsverletzung sei ebenso ein großer seelischer Schaden entstanden.127
DG Tokyo, Urteil vom 05.10.2001:128 Durch einen Artikel in einem Wochenmagazin über seine langjährigen Eheprobleme und das Scheidungsverfahren wurde der Vorstandsvorsitzende eines großen Unternehmens in seiner Puraibashî verletzt und erhielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000 Yen. Berücksichtigung fand auch, dass das Eheverhältnis sich durch den Artikel weiter verschlechtert hatte, und dass die Tochter aus Schock den Kontakt zum Betroffenen abgebrochen hatte und
120
Hanji 1760, 93 (100). DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (28/9). 122 In: Hanji 1779, 62. 123 Hanji 1779, 62 (76). 124 In: Hanji 1764, 92. 125 Hanji 1764, 92 (98). 126 In: Hanji 1773, 104. 127 Hanji 1773, 104 (112). 128 In: Hanji 1790, 131. 121
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unauffindbar blieb und dies dem Betroffenen einen großen seelischen Schmerz zugefügt hatte.129
DG Tokyo, Urteil vom 06.12.2001:130 5.000.000 Yen wegen Verletzung der Ehre brachte ein Artikel in einem Wochenmagazin einem NHK-Funktionär ein, über den berichtet worden war, er habe im Rahmen von Problemen im Zusammenhang mit seiner privaten Wohnung über seine Kontakte ins Bauministerium Druck auf Bauunternehmen ausgeübt. Bemessungsgesichtspunkte waren: die Auflage (300.000) sowie die erfolgte Werbung in Zeitungen und öffentlichen Verkehrsmitteln; die Position des Betroffenen und der Vorwurf, diese Position ausgenutzt zu haben; die Mitbetroffenheit der Familie dadurch, dass es sich um ein Problem aus dem privaten Bereich handelte; dass aufgrund der Einstellung des Magazins keine Entschuldigungsanzeige möglich war; dass andererseits zwar Fahrlässigkeit der Reporter vorlag, aber die Art der Recherche nachvollziehbar war.131
OG Tokyo, Urteil vom 26.12.2001:132 Als angemessener Betrag für die Verletzung der Ehre eines Baseball-Spielers durch einen Artikel, in dem ihm ein ausschweifender Lebenswandel während der Trainingsphase ohne ausreichendes Training vorgeworfen wurde, wurden vom OG Tokyo 6.000.000 Yen angesehen. Dem Betroffenen sei durch den Artikel großer materieller und immaterieller Schaden entstanden; andererseits werde aber nicht seine Qualität als Sportler an sich in Abrede gestellt. Zur Diskussion um die Forderung höherer Schmerzensgeldbeträge führt das OG aus, dass nicht generell höhere Beträge gewährt werden könnten, sondern immer eine Einzelabwägung erforderlich sei. Der von der ersten Instanz gewährte Betrag wurde als zu hoch angesehen und daher nach unten korrigiert.133 Das DG Tokyo, Urteil vom 27.03.2001, hatte in erster Instanz 10.000.000 Yen für berechtigt gehalten, weil es sich um konkrete und definitive Schilderungen handelte, die großen Eindruck hinterlassen; sowie aufgrund der hohen Auflage und des großen Einflusses des Magazins; der starken Beschädigung des positiven Images in der Öffentlichkeit; sowie weil in ergänzenden Artikeln der Inhalt des Artikels nochmals als richtig bekräftigt worden war.134
DG Osaka, Urteil vom 19.02.2002:135 Die Höhen der Schmerzensgelder im sogenannten Curryreis-Gift-Fall für die Veröffentlichung von heimlich während der Gerichtsverhandlung aufgenommenen Fotos bzw. von Zeichnungen der Angeklagten während der Verhandlung, nachdem die Betroffene gegen die Veröffentlichung der Fotos geklagt hatte, in zwei Artikeln, die beide als die Ehre und das Bildnisrecht verletzend angesehen wurden, betrugen für den Artikel mit den Fotos zunächst einmal 2.000.000 Yen. Begründung war: die Stärke des seelischen Schmerzes, die keine geringe war, da die Betroffene in Handschellen und Fesseln abgebildet und als Ungeheuer bezeichnet wurde; die Auflagenstärke (400.000 Stück) und die landesweite Verbreitung des Magazins; ferner die erfolgte Werbung in Zeitungen und öffentlichen Verkehrsmitteln.136 Für den zweiten Artikel mit den Zeichnungen gewährte das DG einen noch höheren Betrag, 129
Hanji 1790, 131 (137). In: Hanji 1801, 83. 131 Hanji 1801, 83 (96). 132 In: Hanji 1773, 73. 133 Hanji 1773, 73 (79). 134 In: Hanta 1055, 29 (36). 135 In: Hanta 1109, 170. 136 Hanta 1109, 170 (181). 130
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
nämlich 4.000.000 Yen, weil der Artikel als bösartiger und beleidigender als der erste Artikel eingestuft wurde; sowie wegen der Auflagenstärke und Verbreitung der Zeitschrift.137 Die Berechnung hielt aber der Überprüfung der oberen Instanzen nicht stand, die einen Teil der Illustrationen gar nicht als rechtswidrig einstuften.138
DG Tokyo, Urteil vom 26.09.2001, OG Tokyo, Urteil vom 27.02.2002:139 Für die Verletzung der Ehre durch eine Fernsehsendung über Studenten, die verdächtigt wurden, in einer Karaoke-Box eine Frau vergewaltigt zu haben, mit Veröffentlichung von Namen und Bildern der Betroffenen, hatte das DG Tokyo ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000 Yen zugestanden mit der Begründung, dass hier eine Vorverurteilung durch Erwecken des Anscheins, die Wahrheit stehe bereits fest, stattgefunden habe; andererseits aber berechtigte Gründe für den Verdacht bestanden; und ferner immerhin normale Recherchen erfolgt waren.140 Das OG bestätigte das Urteil des DG ohne eigene nähere Begründung.141
DG Tokyo, Urteil vom 21.09.2001,142 OG Tokyo, Urteil vom 28.03.2002:143 Der Bericht in einem Wochenmagazin über einen Profi-Baseball-Spieler, er habe dunkle Beziehungen zu gewalttätigen kriminellen Gruppen (Bôryoku-dan) und sei an illegalen Baseball-Wetten beteiligt gewesen, löste als Verletzung der Ehre ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000.000 Yen aus. Gründe waren die große Beschädigung der Ehre, die hohe Auflage und die weite Verbreitung des Magazins sowie die erfolgte Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln, der gesellschaftliche Einfluss des Magazins, sowie beim OG auch der hohe Gewinn, den das Magazin durch den Artikel erzielt hatte.144
DG Kyoto, Urteil vom 25.06.2002:145 Für die Verletzung der Ehre eines ehemaligen LDP-Funktionärs und Unterhaus-Abgeordneten durch die Behauptungen in einem Monatsmagazin-Artikel, er habe im Zusammenhang mit U-Bahn-Bauarbeiten finanzielle Vorteile erhalten, wurde ein Schmerzensgeld von 5.000.000 Yen zugesprochen. Grund für das hohe Schmerzensgeld waren der Inhalt des Artikels, die Position des Betroffenen als wichtigem Politiker und ehemaligem Chef-KabinettsSekretär (Naikaku kanbô chôkan) sowie die „sonstigen Umstände“.146
DG Tokyo, Urteil vom 22.06.1999,147 OG Tokyo, Urteil vom 15.02.2001,148 OGH, Urteil vom 24.09.2002:149 Wegen Verletzung der Ehre und Puraibashî wurden der Frau, deren Lebensweg im Roman „Der in Stein schwimmende Fisch“150 verarbeitet wurde, für die Persönlichkeitsverletzungen durch den Roman selbst 1.000.000 Yen, sowie ferner für die Verletzungen durch einen 137
Hanta 1109, 170 (185). Siehe OGH, Urteil vom 10.11.2005, in: Minshû Bd. 59 Nr. 9, 2428 (2435 f.). 139 Beide in: Hanji 1784, 87. 140 Hanji 1784, 90 (100). 141 Hanji 1784, 87 (90). 142 Hanta 1070, 86. 143 In: Hanji 1778, 79. 144 Hanta 1070, 86 (93) und Hanji 1778, 79 (86). 145 In: Hanji 1799, 135. 146 Hanji 1799, 135 (140). 147 In: Hanji 1691, 91. 148 In: Hanji 1741, 68. 149 In: Hanji 1802, 60. 150 Zu dem Fall oben, Kap. 4, D.II., S. 85. 138
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weiteren erläuternden Artikel 300.000 Yen zugesprochen. Gründe waren: die Erkennbarkeit der Person, die in dem Roman beschrieben wurde, (nur) für Personen, die mit ihr bekannt waren; die Schmerzen dadurch, dass die Frau ihren Lebensweg und ihre Persönlichkeit negiert sah; ferner die „sonstigen Umstände“.151
DG Ôita, Urteil vom 15.05.2003:152 Die Behauptungen in einem Wochenmagazin über einen Archäologieprofessor, dieser habe Höhlenfunde gefälscht, aufgrund derer Angehörige nach dem Selbstmord des Betroffenen Schmerzensgeld gefordert hatten, wurden als Verletzung der Ehre anerkannt und führten zu einer Schadensersatzpflicht in Höhe von 6.000.000 Yen nebst Anordnung einer Entschuldigungsanzeige. Bemessungsgesichtspunkte waren auf der einen Seite die reißerische Aufmachung sowie der große seelische Schmerz, der zum Selbstmord des Betroffenen geführt hatte, sowie die hohe Auflage; auf der anderen Seite, dass es nicht um eine private Angelegenheit ging und zwar keine angemessenen Gründe für den Verdacht bestanden, der Gedankengang des Verletzers aber immerhin nachvollziehbar war; sowie „alle Umstände des konkreten Falls“.153
DG Tokyo, Urteil vom 14.03.2005:154 Die Puraibashî-Verletzung durch einen Zeitungsbericht über die Klage einer Patientin gegen ihren Arzt wegen sexueller Belästigung unter Nennung des Namens des Arztes führte zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000 Yen. Einerseits handelte es sich um eine landesweit erscheinende Tageszeitung mit einer Auflage von 4 Mio. Exemplaren, und der entstandene Schaden war kein geringer; andererseits war aber der Inhalt an sich nicht unzulässig, sondern nur die Namensnennung und Details des Berichts; auch hier fanden zudem „sämtliche sonstigen Umstände des konkreten Falls“ Berücksichtigung.155
DG Tokyo, Urteil vom 27.09.2005:156 Hier ging es um eine Nicht-Prominente, von der Fotos im Internet veröffentlicht worden waren, um „Straßenmode” vorzustellen. Die Veröffentlichung hatte dann zur Folge, dass als Reaktion auf die Fotos unanständige und beleidigende Einträge von Dritten im Internet erfolgten. Für die Verletzung des Bildnisrechts erhielt die Betroffene 300.000 Yen. Gründe für die Bemessung waren: die Erniedrigung, die Unannehmlichkeiten und die Angstgefühle bei der Betroffenen infolge der Veröffentlichung der Fotos und der beleidigenden Interneteinträge, die sogar eine psychische Erkrankung der Betroffenen zur Folge hatten, so dass eine ärztliche Behandlung notwendig wurde; die Gefahr weiteren Missbrauchs durch Dritte, was trotz fehlender zurechenbarer Kausalität als Bemessungsfaktor betrachtet wurde; andererseits dass die Beklagten die Fotos der Betroffenen sofort wieder aus dem Internet entfernt hatten und sich bei der Betroffenen entschuldigt hatten.157
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In: Hanji 1691, 91 (112 f.). Bestätigung der Höhe durch den OGH, in: Hanji 1802, 60 (63). Das OG Tokyo, in: Hanji 1741, 68 (81) demgegenüber hielt den Betrag für zu niedrig, sah sich aber nicht in der Lage, bezüglich des Schadensersatzes Korrekturen vorzunehmen, da keine Einwendungen dagegen erfolgt waren. 152 In: Hanji 1826, 103. 153 Hanji 1826, 103 (115). 154 In: Hanji 1893, 54. 155 Hanji 1893, 54 (74). 156 In: Hanji 1917, 101. 157 Hanji 1917, 101 (108).
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DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2005:158 2.000.000 Yen betrug das Schmerzensgeld für die Veröffentlichung eines Fotos des Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens im Morgenmantel in der eigenen Wohnung, die die Puraibashî (eigentlich: Bildnisrecht) des Betroffenen verletzte. Gründe bei der Bemessung waren der landesweite Verkauf; die unbestimmte und große Anzahl von Lesern; der dadurch entstandene seelische Schmerz; und im Übrigen eine „Gesamtwürdigung der Umstände des konkreten Falls“.159
DG Tokyo, Urteil vom 31.03.2006:160 Für einen Artikel über einen Prominenten, der beschrieb, wie dieser auf der Suche nach sogenannten „Adult Videos“ (d.h. Pornofilmen) sein sollte, und ein Foto des Betroffenen zeigte, das von einer Überwachungskamera aufgenommen worden war, wurde Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 Yen wegen Verletzung des Bildnisrechts gewährt. Die missbräuchliche Verwendung von Fotos der Überwachungskamera wurde als besonders bösartige Handlung angesehen; außerdem stufte das Gericht den Artikel als sehr anzüglich und indiskret ein; andererseits stand der Betroffene selbst öffentlich zum Konsum solcher Videos. Bei der Bemessung der Höhe wurden außerdem auch die Auflagenstärke und die „sonstigen Umstände“ berücksichtigt.161
OG Tokyo, Urteil vom 26.04.2006:162 Die Veröffentlichung von Fotos von Sängerinnen der Band „Morning Musume“ („Môningu Musume“) aus der Zeit vor ihrer Karriere, sowie davon, wie diese auf der Straße laufen, und von Fotos ihres Elternhauses wurde als Verletzung des Bildnisrechts, der Puraibashî sowie des Publicity-Rechts der Sängerinnen eingeordnet. Für die Puraibashî-Verletzung wurden Schmerzensgelder zwischen 30.000 und 1.500.000 Yen gewährt. (Im Einzelnen: dreimal jeweils 30.0000 Yen ohne Ersatz für Publicity-Rechts-Verletzungen; einmal 300.000 Yen, hier neben Ersatz in Höhe von 200.000 Yen für eine Verletzung des Publicity-Rechts; dreimal 400.000 Yen, davon zweimal neben Schadensersatz für eine Verletzung des Publicity-Rechts in Höhe von jeweils 200.000 Yen; einmal 500.000 Yen; einmal 600.000 Yen mit zusätzlichen 200.000 Yen wegen Publicity-Rechts-Verletzung; und schließlich in einem Fall 1.500.000 Yen plus 500.000 Yen wegen Publicity-Rechts-Verletzung. In fünf Fällen wurde Schadensersatz nur für eine Publicity-Rechts-Verletzung anerkannt, mit Schadensersatzhöhen zwischen 150.000 und 1.200.000 Yen.) Die Höhen bezüglich der Puraibashî-Verletzung wurden unter anderem damit begründet, dass die Fotos unter Verfolgung der Sängerinnen gegen ihren Willen aufgenommen worden waren und zur Anfertigung und Einsendung von weiteren „Verfolgungs-Fotos“ aufgefordert wurde, und damit auch eine Stalking-Gefahr hervorgerufen wurde.163
DG Tokyo, Urteil vom 28.04.2006:164 Für Fernsehberichte nach einer Verhaftung wegen Körperverletzung, in denen behauptet wurde, der Betroffene sei wegen Mordverdachts festgenommen worden, wurde ein Schmer158
In: Hanji 1927, 68. Hanji 1927, 68 (75). 160 In: Hanta 1209, 60. 161 Hanta 1209, 60 (70 f.). 162 In: Hanji 1954, 47. 163 Hanji 1954, 47 (68). Ähnlich, wenn auch teilweise im Ergebnis mit anderen Beträgen (zwischen 100.000 und 1.200.000 Yen) die erste Instanz, DG Tokyo, Urteil vom 14.07.2004, in: Hanji 1879, 71 (80/1). 164 In: Hanta 1236, 262. 159
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zensgeld in Höhe von 1.500.000 Yen gewährt. Darin wurde eine Verletzung der Ehre gesehen. Gründe waren die Sendedauer und -häufigkeit (26 Wiederholungen innerhalb von 10 Stunden, insgesamt 17 min); die Anzahl der erreichten Haushalte; andererseits die Tatsache, dass eine spätere korrigierende Berichterstattung erfolgt war.165
DG Tokyo, Urteil vom 23.05.2006:166 Schadensersatz in Höhe von 2.000.000 Yen gab es für einen Artikel über den Inhalt der Videos, an denen eine mittlerweile nicht mehr aktive Sexfilm-Darstellerin mitgewirkt hatte, sowie über deren privates Sexualleben, der auch Fotos der Betroffenen enthielt. Dies wurde als Puraibashî-Verletzung angesehen. Bei der Bemessung wurde berücksichtigt, dass hier private Angelegenheiten in Form einer Enthüllung durch einen ehemaligen Geliebten der Betroffenen dargestellt wurden; die Darstellungen zum Teil beleidigend, zum Teil unwahr waren; anzügliche Fotos gezeigt wurden; die Zeitschrift in hoher Auflage landesweit verkauft wurde; die Betreffende heftig verletzt und mit der Angst konfrontiert wurde, niemals ein neues Leben führen zu können; dass andererseits keine Namensnennung erfolgt war; dass das jetzige Leben der Betroffenen nicht zum Gegenstand des Artikels gemacht wurde; und dass die Betroffene früher selbst freiwillig Informationen über ihr Intimleben veröffentlicht hatte.167
DG Tokyo, Urteil vom 28.09.2006:168 Insgesamt 10.000.000 Yen (8.000.000 Yen für den Ehemann, 2.000.000 Yen für die Ehefrau) wurden zugesprochen für eine Verletzung der Ehre durch einen Magazinartikel, der den Eindruck erweckte, die Eheleute seien die Täter in einem aufsehenerregenden Mordfall (Fukuoka-Familien-Mord-Fall), bei dem eine ganze Familie grausam ermordet worden war. Gründe für die Höhe waren der landesweite Verkauf des Magazins mit einer Auflagenhöhe von ca. 550.000 Exemplaren; der Umstand, dass es sich um einen grausamen Fall handelte, an dem großes Interesse der Öffentlichkeit bestand, und daher große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit herrschte; dass die Recherchen als unzureichend angesehen wurden; andererseits dass keine Namensnennung der Betroffenen erfolgt war und diese nur für ihren Umkreis erkennbar waren.169
DG Tokyo, Urteil vom 23.01.2007:170 2.000.000 Yen wurden in einem Fall zugestanden, in dem es um einen Zeitschriftenartikel sowie ein Buch über den Angeklagten in einem Mordprozess ging, worin über ungeklärte Brandstiftungs- und Diebstahlsfälle am früheren Arbeitsplatz des Betroffenen berichtet und der Eindruck erweckt wurde, der Betreffende hätte etwas damit zu tun. Darin wurde eine Verletzung der Ehre gesehen. Als Gründe für die Bemessung der Höhe wurde genannt, dass die fraglichen Stellen nur einen kleinen Teil der Artikel ausmachten; dass es sich um indirekte und undeutliche Aussagen handelte; die Veröffentlichung aber aufeinanderfolgend in verschiedenen Medien erfolgte, die landesweit und in hoher Auflage verkauft worden waren.171
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Hanta 1236, 262 (267). In: Hanji 1961, 72. 167 Hanji 1961, 72 (85). 168 In: Hanta 1250, 228. 169 Hanta 1250, 228 (248 f.). 170 In: Hanji 1982, 115. 171 Hanji 1982, 115 (123). 166
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DG Tokyo, Urteil vom 29.09.2009:172 Für die Verletzung des Bildnisrechts der Ehefrau vom Mordverdächtigen Miura durch Veröffentlichung von 25 Jahre alten Fotos aus der Zeit nach der Tat wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 700.000 Yen zugesprochen, weil es sich einerseits um eine groß aufgemachte Berichterstattung in einer landesweit in hoher Auflage verbreiteten Zeitschrift gehandelt habe und ein 25 Jahre altes gut erkennbares Foto gezeigt wurde, andererseits der Ehefrau eine Verwicklung in die Tat nachgesagt worden war und die Veröffentlichung ihre Privatsphäre nicht gravierend tangiere.173
DG Tokyo, Urteil vom 29.10.2010:174 Die Behauptung von sexuellen Übergriffen eines Bürgermeisters bei Partys und von angeblichen Drohungen gegenüber Abgeordneten zu schweigen, sowie die Behauptung, der Bürgermeister habe bei Auslandsbesuchen offizielle Termine „geschwänzt“ und stattdessen Clubs besucht, wurde als Verletzung der Ehre angesehen, für die ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000.000 Yen zugesprochen und daneben eine Entschuldigungsanzeige angeordnet wurde.175
DG Sapporo, Urteil vom 25.02.2011:176 Nur 700.000 Yen wurde dem Betreiber einer Restaurantkette für die ehrverletzende Fernsehberichterstattung über eine Verhaftung wegen Erschleichens von staatlichen Zuschüssen als seinem „zweiten Gesicht“ zugesprochen, weil zwar keine Gründe gegeben waren, die die Annahme einer tatsächlichen Täterschaft rechtfertigten, die Tatsache der Verhaftung aber zutreffend war. 177
DG Tokyo, Urteil vom 15.06.2011:178 Die Verletzung des Bildnisrechts durch die Veröffentlichung von Fotos des in Handschellen abgeführten Mordverdächtigen Miura auf einer Nachrichten-Webseite über 20 Jahre nach der Verhaftung führte nur zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Yen pro Veröffentlichung, weil die Webseite von vielen Personen besucht worden sei, aber die Fotos an sich nicht rechtswidrig aufgenommen worden seien und so klein waren, dass sie ohne besondere Aufmerksamkeit fast übersehen wurden.179
b) Zusammenfassung der berücksichtigten Faktoren Wie sich aus dieser Übersicht entnehmen lässt, spielen bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes verschiedenste Faktoren eine Rolle. Als erstes sind hier zunächst Art und Inhalt der Verletzung zu nennen. Wenn der Verletzte nur im Rahmen einer Berichterstattung über Sachthemen erwähnt wird oder der eigentliche Berichtsgegenstand nicht der Betreffende als Person ist, sondern nur eine Organisation, der er angehört, ist die Verletzung nicht so stark wie bei einem persönlichen Angriff auf eine bestimmte 172
In: Hanta 1339, 156. Hanta 1339, 156 (163). 174 In: Hanta 1359, 188. 175 Hanta 1359, 188 (201). 176 In: Hanji 2113, 122. 177 Hanji 2113, 122 (127 f.). 178 In: Hanji 2123, 47. 179 Hanji 2123, 47 (56). 173
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Person.180 Das Beifügen von Bildern erhöht den Grad der Verletzung.181 Von entscheidender Bedeutung sind ferner Art des Mediums und der Umfang der Verbreitung des Mediums, insbesondere die Auflagenhöhe und die Größe des Verbreitungsgebiets.182 Eine eventuelle Werbung in anderen Medien oder auf Werbeplakaten in öffentlichen Verkehrsmitteln erhöht die seelischen Schmerzen.183 Entscheidend sind ferner Zweck und Motiv der Berichterstattung. So wird etwa mäßigend berücksichtigt, wenn der Verletzer „nur“ fahrlässig handelte184 oder Zwecke des Allgemeinwohls verfolgte, etwa weil er ernsthaft den Willen hatte, die Öffentlichkeit über etwas zu informieren. 185 Einen Unterschied macht es daher auch, ob etwas frei Erfundenes verbreitet wird186 oder ob der Bericht zumindest auf irgendwelchen, wenn auch unzureichenden, Recherchen basiert,187 nur Teile falsch sind188 oder nur die Überschrift irreführend ist,189 sowie ob etwas konkret und definitiv190 oder indirekt und undeutlich191 ausgesagt wird. Auch die Vermögens- und Lebenssituation sowie finanzielle Gewinne des Verletzers können Berücksichtigung finden,192 was für die weiter unten diskutierte Frage nach einer Präventionswirkung des Schmerzensgeldes eine Rolle spielt.193 Schließlich kann auch das Nachverhalten des Verletzers – positiv sind etwa wieder gutmachende Maßnahmen – eine Rolle spielen.194
180 DG Tokyo, Urteil vom 30.03.1998, in: Hanji 1652, 89 (95); OG Tokyo, Urteil vom 28.05.1998, in: Hanji 1681, 104. 181 DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1995, in: Hanji 1552, 90 (95). 182 Zum Beispiel DG Tokyo, Urteil vom 23.05.2006, in: Hanji 1961, 72 (85); Urteil vom 28.09.2006, in: Hanta 1250, 228 (248); Urteil vom 23.01.2007, in: Hanji 1982, 115 (123). 183 Zum Beispiel DG Tokyo, Urteil vom 06.12.2001, in: Hanji 1801, 83 (96); DG Ôsaka, Urteil vom 19.02.2002, in: Hanta 1109, 170 (181); OG Tokyo, Urteil vom 28.03.2002, in: Hanji 1778, 79 (86). 184 DG Tokyo, Urteil vom 06.12.2001, in: Hanji 1801, 83 (96). 185 DG Tokyo, Urteil vom 30.03.1998, in: Hanji 1652, 89 (95). 186 DG Tokyo, Urteil vom 20.12.1990, in: Hanta 750, 208 (212); OG Tokyo, Urteil vom 05.07.2001, in: Hanji 1760, 93 (100); Urteil vom 05.09.2001, in: Hanji 1773, 104 (112). 187 DG Tokyo, Urteil vom 29.03.1995, in: Hanta 872, 250 (257); Urteil vom 06.12.2001, in: Hanji 1801, 83 (96); OG Tokyo, Urteil vom 27.02.2002, in: Hanji 1784, 87 (100). 188 DG Ôsaka, Urteil vom 27.03.1996, in: Hanta 933, 182 (194); Urteil vom 16.07.2001, in: Hanji 1779, 62 (76); DG Tokyo, Urteil vom 23.01.2007, in: Hanji 1982, 115 (123). 189 DG Kôbe, Urteil vom 26.01.1993, in: Hanta 827, 243 (249). 190 DG Tokyo, Urteil vom 27.03.2001, in: Hanta 1055, 29 (36). 191 DG Tokyo, Urteil vom 23.01.2007, in: Hanji 1982, 115 (123). 192 DG Tokyo, Urteil vom 29.02.2000, in: Hanji 1715, 76 (85); OG Tokyo, Urteil vom 05.07.2001, in: Hanji 1760, 93 (100); Urteil vom 28.03.2002, in: Hanji 1778, 79 (86). 193 Siehe unten, Kap. 6, B.III.3., S. 173 ff. 194 Zum Beispiel DG Tokyo, Urteil vom 22.09.1993, in: Hanta 843, 234 (239); DG Chiba, Urteil vom 26.03.1997, in: Hanji 1635, 124 (129); DG Tokyo, Urteil vom 28.04.2006, in: Hanta 1236, 262 (267).
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Wenn der Verletzer zum wiederholten Mal einen Verstoß begangen hat, kann dies dagegen ein höheres Schmerzensgeld rechtfertigen.195 Auf der Seite des Verletzten ist die gesellschaftliche Stellung – etwa Alter, Beruf und Lebenslauf – des Betroffenen von Bedeutung und damit verbunden der Grad der Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung.196 Berücksichtigt werden dabei neben Nachteilen im Sozialleben faktischer Art insbesondere auch körperliche Folgen oder, wie weiter oben schon angedeutet, finanzielle Beeinträchtigungen infolge geschäftlicher Nachteile z.B. bei einer auf Popularität angewiesenen Schauspielerin oder bei einem Rechtsanwalt.197 Eventuelle Vorveröffentlichungen können dagegen einen verringernden Faktor bilden,198 ebenso wie wenn seit der fraglichen Veröffentlichung bereits eine lange Zeitspanne verstrichen ist.199 Über die Anführung solcher Einzelumstände hinaus fehlt außerdem in fast keinem Urteil die Berufung auf die Würdigung „aller sonstigen Umstände“.200 Zum Teil erfolgt aber auch gar keine Begründung mit einzelnen Umständen, sondern es wird nur pauschal auf eine „Gesamtwürdigung aller Umstände“ hingewiesen 201 oder einfach eine bestimmte Summe als angemessen betrachtet.202 Dies ist nach den Vorgaben des OGH ausdrücklich zulässig, denn die Gerichte sind „nicht verpflichtet, die Gründe, aus denen sie einen bestimmten Schadensersatzbetrag zuerkennen, sowie die bei der Berechnung berücksichtigten Tatsachen im Einzelnen darzulegen“, sondern sind befugt, „unter Berücksichtigung und Abwägung der jeweiligen Umstände des Falles einen Schmerzensgeldbetrag anzuordnen“.203
195
DG Ôsaka, Urteil vom 09.06.1999, in: Hanji 1679, 54 (61). Zum Beispiel DG Tokyo, Urteil vom 30.01.1989, in: Hanji 1328, 74 (82); DG Ôsaka, Urteil vom 16.07.2001, in: Hanji 1779, 62 (76); DG Kyoto, Urteil vom 25.06.2002, in: Hanji 1799 135 (140). 197 OG Tokyo, Urteil vom 05.07.2001, in: Hanji 1760, 93 (100). Dazu schon oben, Kap. 6, B.II., S. 148. 198 DG Tokyo, Urteil vom 23.07.1993, in: Hanta 840, 167 (172); Urteil vom 28.07.1993, in: Hanta 842, 185 (190); Urteil vom 23.05.2006, in: Hanji 1961, 72 (85). 199 OG Tokyo, Urteil vom 28.05.1998, in: Hanji 1681, 104. 200 In neuerer Zeit etwa DG Tokyo, Urteil vom 27.10.2000, in: Hanta 1053, 152; Urteil vom 14.03.2005, in: Hanji 1893, 54 (74); Urteil vom 31.03.2006, in: Hanta 1209, 60 (71). 201 DG Tokyo, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (67); DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1992, in: Hanji 1424, 72 (75); DG Tokyo, Urteil vom 15.06.1992, in: Hanji 1434, 94 (97); DG Tokyo, Urteil vom 05.09.1994, in: Hanji 1534, 68 (74); DG Yokohama, Urteil vom 10.07.1995, in: Hanji 1558, 81 (91); OG Tokyo, Urteil vom 28.01.1998, in: Hanji 1647, 101 (107); OG Nagoya, Urteil vom 25.10.2000, in: Hanji 1735, 70 (83). 202 DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (102); DG Tokyo, Urteil vom 31.01.1994, in: Hanta 875, 186 (195, 197, 199); OG Tokyo, Urteil vom 27.02.2002, in: Hanji 1784, 87 (90). 203 OGH, Urteil vom 22.06.1970, in: Hanji 673, 41. 196
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c) Entwicklung der Höhen der Schmerzensgelder Was die Höhen der zugestandenen Geldentschädigungen betrifft, hat sich diese in Japan – ebenso wie in Deutschland – in den letzten Jahren stetig erhöht. In den 1990er Jahren häuften sich bei Ehrverletzungen Beträge um die 1.000.000 Yen204 – in der Literatur ging man teilweise aufgrund dieser Beobachtungen sogar vom Bestehen einer „1.000.000 Yen-Regel“ aus –205 und für „bloße“ Privatsphärenverletzungen von etwa der Hälfte, d.h. um die 500.000 Yen.206 In Einzelfällen und immer öfter wurden aber Summen von 1.500.000, 207 2.000.000 208 oder sogar 3.000.000 Yen 209 erreicht, 1995 dann erstmals 5.000.000 Yen.210 Die bisher höchste Summe von 10.000.000 Yen wurde erstmals 2001 in einem erstinstanzlichen Urteil zugesprochen.211 Am häufigsten finden sich in den Jahren nach 2000 jetzt Beträge um die 5.000.000 212 oder 6.000.000 Yen 213 für Ehrverletzungen – Masuda spricht davon, dass die „1.000.000 Yen-Regel“ durch eine „4.000.000 Yen bis 5.000.000 Yen-Regel“ ersetzt wurde214 –; auch für „bloße“ Verletzungen der Puraibashî sind es in der Regel 1.000.000 Yen oder mehr.215 Interessanter204
Siehe etwa DG Tokyo, Urteil vom 31.01.1989, in: Hanji 1328, 74 (82); Urteil vom 23.06.1989, in: Hanji 1319, 132 (139); Urteil vom 06.09.1989, in: Hanji 1351, 79, (82); Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (67); Urteil vom 14.03.1990, in: Hanta 741, 189 (198); Urteil vom 20.12.1990, in: Hanta 750, 208 (212). 205 MASUDA, in: NBL 627 (1997), S. 42; DERS., in: NBL 777 (2004), 28 sowie NBL 872 (2008), S. 84. Die Summe von 1.000.000 Yen als Richtwert stellt etwa auch fest: SH. INOUE, in: Hanta 1070 (2001), S. 14. 206 Siehe etwa OG Tokyo, Urteil vom 05.09.1989, in: Hanji 1323, 37 (47); DG Tokyo, Urteil vom 23.04.1991, in: Hanji 1385, 91 (93). 207 OG Tokyo, Urteil vom 20.12.1993, in: Hanta 871, 261 (266). 208 DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (102); Urteil vom 28.07.1993, in: Hanta 842, 185 (190). 209 DG Tokyo, Urteil vom 15.06.1992, in: Hanji 1434, 94 (97); Urteil vom 30.09.1992, in: Hanji 1483, 79 (84). 210 DG Tokyo, Urteil vom 14.03.1995, in: Hanji 1552, 90 (95). 211 DG Tokyo, Urteil vom 27.03.2001, in: Hanta 1055, 29 (36) – allerdings setzte das Obergericht die Summe auf 6.000.000 Yen herab, siehe OG Tokyo, Urteil vom 26.12.2001, in: Hanji 1773, 73 (79). Später wurde die Summe von 10.000.000 Yen aber auch in höherinstanzlichen Urteilen zu anderen Fällen zuerkannt, etwa OG Tokyo, Urteil vom 05.07.2001, in: Hanji 1760, 93 (100). 212 DG Tokyo, Urteil vom 18.07.2001, in: Hanji 1764, 92 (98); DG Tokyo, Urteil vom 05.09.2001, in: Hanji 1773, 104 (112); DG Tokyo, Urteil vom 06.12.2001, in: Hanji 1802, 83 (96); DG Kyoto, Urteil vom 25.06.2002, in: Hanji 1799, 135 (140). 213 OG Tokyo, Urteil vom 28.03.2002, in: Hanji 1778, 79 (86); DG Ôita, Urteil vom 15.05.2003, in: Hanji 1826, 103. 214 MASUDA, in: NBL 787 (2004), S. 47. 215 DG Tokyo, Urteil vom 05.10.2001, in: Hanji 1790, 131 (137); DG Tokyo, Urteil vom 14.03.2005, in: Hanji 1893, 54 (74).
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weise ist die bisherige Obergrenze der japanischen Rechtsprechung in Höhe von 10.000.000 Yen von der Größenordnung her der Höchstsumme an immateriellem Schadensersatz in Deutschland in Höhe von 180.000 DM216 (also rund 100.000 Euro) vergleichbar. Allerdings wurden in Deutschland über den Ansatz der Annahme einer Verletzung von vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts und die Berechnung des Schadens über eine fiktive Lizenzgebühr teilweise schon Schadensersatzansprüche erreicht, die um das Zehnfache höher liegen.217 Zu beachten ist ferner auch, dass in Japan zum Teil auch Bagatellsummen gewährt werden. So wurde etwa für eine Privatsphärenverletzung durch die Verbreitung der Tatsache, dass ein Mordverdächtiger ein Abonnement einer bestimmten Zeitschrift bestellt hatte, ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Yen gewährt, was in etwa 500 Euro entspricht,218 oder in einem Fall eines Berichts über einen in Haft sitzenden ehemaligen Polizeibeamten, der dort dem Artikel zufolge weiter Beamtenrente bezog, ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Yen.219 Die geringen Summen dürften damit zu erklären sein, dass es sich jeweils um Fälle handelt, in denen die Verletzung so gering ist, dass man schon das Vorliegen eines Schadens bezweifeln kann.220 Hier macht sich insofern ein Unterschied gegenüber Deutschland bemerkbar, als in Deutschland wegen der Hürde des Erfordernisses einer schweren Verletzung für die Annahme eines Schmerzensgeldes die Legitimation einer Gewährung von Bagatellsummen fraglich ist. So geht der BGH von einer Untergrenze von 2500 DM aus.221 In unterinstanzlicher Rechtsprechung sind zwar teilweise niedrigere Summen gewährt worden, so für die Veröffentlichung eines Nacktfotos 500 DM durch das AG Kaufbeuren222 oder für den Aushang eines Hochzeitsfotos 600 DM bzw. für die Veröffentlichung des Fotos in einem Lokalblatt 1000 DM durch das LG Lübeck.223 Auch in der Literatur wird jedoch vom Bestehen einer grundsätzlichen Untergrenze ausgegangen.224 In Japan bilden demgegenüber unstrittig auch Bagatellsummen in theoretischer Hinsicht kein Problem, sind in der Praxis aber auch seltener. 216
Siehe oben, Kap. 2, B.IV.2., S. 23 f. Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 21 f. 218 DG Tokyo, Urteil vom 23.04.1991, in: Hanji 1385, 91. 219 DG Tokyo, Urteil vom 05.09.1994, in: Hanji 1534, 68. 220 MASUDA, in: NBL 871 (2007), S. 26, bezweifelt beim Fall DG Tokyo, in: Hanji 1385, 91 sowohl die Schutzbedürftigkeit als auch das Entstehen eines Schadens, im Fall DG Tokyo, in: Hanji 1534, 68 das Vorliegen einer Privatsphärenverletzung und das Entstehen eines Schadens. 221 BGH, in: NJW 1979, 1041 (1042). 222 AG Kaufbeuren, in: AfP 1988, 277 (278). 223 LG Lübeck, in: AfP 1987, 721. 224 STEFFEN, in: NJW 1997, S. 11; WENZEL, in: Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage (2003), Kap. 14 Rdnr. 143. 217
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2. Diskussion zur besseren Kalkulierbarkeit der Schmerzensgeldbemessung a) Die Kritik an der Rechtsprechung Wenn auch eine gewisse Fallgruppenbildung erkennbar ist, so gibt es doch keine stringente Erklärung dafür, warum in einem bestimmten Fall eine bestimmte Schmerzensgeldsumme und keine andere gewährt wird und aus welchem Grund in bestimmten Fällen höhere oder niedrigere Summen gewährt werden als in anderen Fällen. In der japanischen Literatur wird daher an der Praxis der Rechtsprechung zu Schmerzensgeldsummen immer wieder kritisiert, dass zu pauschal über die Summe entschieden werde und dass es an einer Einschätzbarkeit der Höhe der Schmerzensgelder mangele.225 b) Ansätze für eine Abhilfe Mehrere Arbeiten versuchen Abhilfe gegen dieses Problem zu schaffen, indem sie einen konkreten Kriterienkatalog zur Berechnung der Schmerzensgeldsumme ausarbeiten. So schlägt etwa eine Forschungsgruppe der Justizausbildungsstelle (Shihô kenshû-jo) zur Praxis des Schadensersatzes 2001 (im Folgenden: FG PSE) vor, von einem bestimmten Grundwert auszugehen, der beispielhaft mit 5.000.000 Yen angesetzt wird. Von diesem Grundwert ausgehend soll für das Vorliegen bestimmter Umstände jeweils eine bestimmte Summe zum Grundwert hinzuaddiert werden. Ein solcher besonderer Umstand, der sich schmerzensgelderhöhend auswirkt, kann nach der von der Gruppe ausgearbeiteten Auflistung zum einen im Zweck oder im Motiv des Handelns des Schädigers liegen. Vorgeschlagen wird ein Aufschlag von 1.000.000 Yen bei Vorsatz, 800.000 Yen bei „starker Bösartigkeit“ und 600.000 Yen bei „Bösartigkeit“ usw. Eine Abbildung des Gesichts des Betroffenen, ein persönlicher Angriff oder das völlige Fehlen der Wahrheitsmäßigkeit sollen 1.000.000 Yen zusätzlich bringen. Der Gewinn des Schädigers soll ebenfalls Berücksichtigung finden, allerdings nur in gestufter Form (1.000.000 Yen bei sehr hohem Gewinn, 800.000 Yen bei hohem Gewinn, 400.000 Yen bei geringem Gewinn). Die gesellschaftliche Position des Betroffenen soll insofern Berücksichtigung finden, als etwa Starlets („Talento“) 1.000.000 Yen, Rechtsanwälte oder Abgeordnete 800.000 Yen aufgeschlagen bekommen; das Maß der Abwertung der gesellschaftlichen Achtung oder geschäftliche Nachteile sollen wiederum gestuft berücksichtigt werden (+1.000.000 Yen bei großen, +700.000 Yen bei mittleren, +500.000 Yen bei kleinen Nachteilen). Auch das
225 MASUDA, in: NBL 871 (2007), S. 31; NBL 873 (2008), S. 26; SH. INOUE, in: Hanta 1070 (2001), S. 14.
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Nachverhalten des Schädigers findet sich in der Auflistung der besonderen Umstände.226 Inoue dagegen arbeitet nicht mit einem festen Ausgangswert, sondern sieht für bestimmte Faktoren jeweils einen bestimmten zu addierenden bzw. zu subtrahierenden Betrag vor und berechnet daraus eine Gesamtsumme an Schmerzensgeld.227 Im Bereich des Motivs und Zwecks der Berichterstattung soll es etwa 100.000 Yen für Vorsatz geben, 80.000 Yen für besondere Bösartigkeit, 60.000 Yen für Bösartigkeit, 30.000 Yen für übriges Handeln. Die Richtwerte sollen dabei Durchschnittswerte sein, die je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls um 20.000 bis 30.000 Yen erhöht oder verringert werden können. Unangemessene Ausdrücke sollen 80.000 Yen zusätzlich bringen, persönliche Angriffe oder das Zeigen einer Abbildung des Gesichts jeweils 100.000 Yen. Völliges Fehlen von Wahrheit bringt zusätzlich durchschnittlich 100.000 Yen, das teilweise Fehlen durchschnittlich 80.000 Yen. Bei öffentlichem Interesse werden durchschnittlich 40.000 Yen abgezogen, bei öffentlicher Zweckrichtung der Berichterstattung noch einmal 40.000 Yen. Für eine in hohem Maße nachvollziehbare falsche Annahme sollen 70.000 Yen subtrahiert werden. Sonstige Umstände, die bei der Berechnung als zu addierende Faktoren berücksichtigt werden, sind die Art und der Umfang der Verbreitung, der Vorteil, den der Schädiger durch die Verbreitung erlangt, eine besondere gesellschaftliche Stellung des Geschädigten je nach Position, die Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung je nach Grad, und wirtschaftliche Nachteile oder gesellschaftliche Nachteile, auch jeweils nach ihrem Grad. Mitverschulden des Geschädigten führt dagegen bei großem Mitverschulden zu einem Abzug von durchschnittlich 100.000 Yen, bei mittlerem Mitverschulden von 80.000 Yen, bei geringem Mitverschulden von 60.000 Yen. Werden Wiedergutmachungsmaßnahmen ergriffen, soll die Schmerzensgeldsumme um 60.000 Yen reduziert werden, werden keine ergriffen, sollen noch einmal 30.000 Yen aufgeschlagen werden. Im Vergleich zu den Kriterien der FG PSE ist die Liste also, wie Inoue selbst ausführt, erweitert um eine explizite Berücksichtigung eines eventuellen Mitverschuldens des Geschädigten. c) Bewertung Der Gedanke, der hinter diesen Versuchen steht, nämlich die Berechnung des Schmerzensgeldes durch eine Orientierung an festen Kriterien vorhersehbarer und besser einschätzbar und damit wohl auch „gerechter“ zu machen, ist nachvollziehbar.
226
JUSTIZAUSBILDUNGSSTÄTTE (FG PSE), in: Hanta 1070 (2001), S. 8, 13. SH. INOUE, in: Hanta 1070 (2001), S. 24. Dem Kriterienkatalog zustimmend MICHIKI SAKAMOTO, in: Hanta 1070 (2001), S. 26. 227
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Auf der anderen Seite beinhalten solche Kategorisierungsversuche aber immer auch die Gefahr, zu Unflexibilität zu führen, etwa aufgrund einer Bildung von sprunghaft ansteigenden Stufen, die aber wohl unvermeidbar sind, um die Einordnung in die jeweiligen Kriterien überhaupt noch halbwegs handhabbar zu halten. Jeder Versuch einer feineren Differenzierung aber würde wohl zur Folge haben, dass zwischen den Differenzierungsstufen keine verlässliche Abgrenzung mehr vorhanden wäre. Inoue selbst merkt etwa an, dass die Behandlung der konkreten Einzelfälle es erforderlich machen kann, den Schmerzensgeldbetrag nach ganz anderen Kriterien zu bemessen als nach dem von ihm als Orientierung vorgelegten Schema.228 Gleichzeitig ist man auch bei einer verhältnismäßig groben Stufenbildung doch wieder auf eine subjektive Wertung oder Bauchentscheidung angewiesen, nämlich bei der Einordnung in eine der vorgesehenen Stufen, also etwa die Einstufung eines Nachteils als „klein“, „mittel“ oder „groß“. Bisher haben sich daher solche Versuche einer Kategorisierung der einzelnen Faktoren in der Praxis auch nicht durchgesetzt. Uneingeschränkt zu begrüßen sind dagegen Forderungen nach einer detaillierten Begründung der Entscheidungen, wie sie teilweise geäußert werden.229 Auch wenn sich nämlich die verschiedenen Faktoren nur schwer in fixe Schemata pressen lassen, was Zweifel daran weckt, dass die Schmerzensgeldsumme nach solchen Tabellen berechnet werden kann wie in den beiden vorgestellten Modellen, würde das Erfordernis einer detaillierten Begründung die Gerichte jedenfalls dazu zwingen, ihre Überlegungen nachvollziehbar zu machen und Rechenschaft darüber abzulegen, ob alle Faktoren gebührend berücksichtigt worden sind. Dies wäre daher auf jeden Fall ein sinnvoller Schritt dahingehend, mehr Rechtssicherheit und Berechenbarkeit zu schaffen. 3. Diskussion um eine Erhöhung der Schmerzensgeldbeträge Wie ausgeführt, lässt sich in der Entwicklung vor allem der letzten zehn, zwanzig Jahre als Ausdruck gewandelter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen bereits eine Erhöhung der bei Persönlichkeitsverletzungen gewährten Schmerzensgeldsummen beobachten. So verdoppelte das OG Tokyo im Jahre 2001 hinsichtlich einer Persönlichkeitsverletzung an einer bekannten Schauspielerin die Summe, die das DG der Klägerin zugestanden hatte, unter anderem mit der Begründung, dass eine Bindung an die niedrigen Schmerzensgeldsummen in der vorherigen Rechtsprechungstradition „nicht unbedingt Recht und Gerechtigkeit entsprechen“, weil „in der heutigen Zeit das Bewusstsein der Bevölkerung für die Bedeutung der Persönlichkeitsrechte und das Bewusstsein für deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeu228 229
SH. INOUE, in: Hanta 1070 (2001), S. 24. JUSTIZAUSBILDUNGSSTÄTTE (FG PSE), in: Hanta 1070 (2001), S. 9.
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tung zugenommen hat“ und damit auch „die Anforderungen an die Entschädigung [...] gestiegen“ sind.230 Trotz der bereits gegebenen Erhöhungstendenz wird jedoch weitergehend immer wieder kritisiert, dass die von den Gerichten gewährten Schmerzensgeldsummen dem Einfluss der Medien in der heutigen Gesellschaft und dem Bewusstsein für Persönlichkeitswerte nicht gerecht werden und zu wiederholten Rechtsverstößen der Medien aus kommerziellen Motiven geradezu einladen, und es wird daher – zum Teil maßgeblich beeinflusst vom US-amerikanischen Recht – eine weitere Erhöhung gefordert.231 Zum Teil werden solche Forderungen nach einer Erhöhung im Hinblick auf die Meinungsfreiheit der Medien aber auch kritisiert.232 Unter dem Einfluss des US-amerikanischen Strafschadens wird in Japan insbesondere diskutiert, ob die Verhängung besonders hoher Schmerzensgelder aus Straf- oder Präventionsaspekten möglich ist. In unteren Instanzen ist auch vereinzelt ein Schmerzensgeld mit Strafcharakter anerkannt worden, etwa im Falle einer vorsätzlich kalkulierten Vertragsverletzung.233 Bis auf diese Einzelfälle wird ein solcher Strafcharakter im japanischen Recht aber letztlich durchweg abgelehnt. Es entspricht der ganz herrschenden Auffassung im japanischen Recht, dass der zivilrechtliche Schadensersatz dem Ausgleich von Schäden dient und Sanktions- und Präventionsfunktionen dem Straf- und Verwaltungsrecht vorbehalten sind.234 Dies ist ein so grundlegendes Prinzip, dass ausländische Urteile, die einen Strafschaden anordnen, auch in Japan gegen den Ordre public (Hô no chitsujo) verstoßen und daher nicht vollstreckt
230
OG Tokyo, Urteil vom 05.07.2001, in: Hanji 1760, 93 (100). YAMAJI, in: Hanta 1055 (2001), S. 22; JUSTIZAUSBILDUNGSSTÄTTE (FG PSE), in: Hanta 1070 (2001), S. 5 f. 232 SHÛJI MATSUI, in: Hôji 74 (2002) Nr. 12, S. 67 ff.; USAKI, in: Hôji 74 (2002) Nr. 9, S. 108. 233 DG Kyoto, Urteil vom 27.02.1989, in: Hanji 1322, 125 (128). Aufgeschlossen gegenüber einer Straf- bzw. Präventivfunktion zeigen sich in der Literatur etwa HIGUCHI, in: Jurisuto 911 (1988), S. 23 f.; TANAKA/TAKEUCHI, in: Hôgaku kyôkai zasshi 89 (1972), 9, S. 43 ff.; TAKEDA für „auffällig unsoziale ehrverletzende Handlungen“, in: Meiyo/puraibashî shingai [Ehre und Privatsphäre] (1982), S. 153. 234 OGH, Urteil vom 24.03.1993, in: Minshû Bd. 47 Nr. 4, 3039 (3043); OGH, Urteil vom 11.07.1997, in: Minshû Bd. 51 Nr. 6, 2573 (2576); OG Tokyo, Urteil vom 11.03.1988, in: Hanji 1271, 3 (441); DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (68); DG Tokyo, Urteil vom 27.05.1994, in: Hanji 1498, 102 (105); DG Ôsaka, Urteil vom 09.06.1999, in: Hanji 1679, 54 (61); DG Ôsaka, Urteil vom 19.02.2002, in: Hanta 1109, 170 (181). In der Literatur: DG TOKYO FG SE, in: Jurisuto 1209 (2001), S. 78; DÔGAUCHI, in: Hôkyô 154 (1993), S. 65 ff.; M. KATÔ, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA/Bereicherungsrecht/Unerlaubte Handlungen], 2. Aufl. (2005), S. 288; SHINOMIYA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen] Bd. 2 (1983), S. 263, 267; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (1999), S. 263; USAKI, in: Hôji 74 (2002) Nr. 9, S. 108; JUSTIZAUSBILDUNGSSTÄTTE (FG PSE), in: Hanta 1070 (2001), S. 8. 231
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werden können.235 Insoweit liegt dem japanischen Schadensersatzrecht also eine ganz ähnliche Denkweise zugrunde wie dem deutschen.236 Das japanische Recht erreicht jedoch indirekt eine Präventiv-Wirkung, da eine kommerzielle Absicht oder ein Gewinn des Verletzers bei der Berechnung der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigt wird, um dem Betroffenen Genugtuung zu verschaffen.237 Eine solche Berücksichtigung der Vermögenssituation etc. des Verletzers wird zwar teilweise kritisiert, weil sie nichts mit den Einbußen zu tun habe, die der Verletzte erlitten hat.238 Sie kann aber als in ständiger Rechtsprechung gefestigte und akzeptierte Praxis gelten, wie die zahlreichen Urteile dazu belegen. Hier zeigen sich Parallelen zum deutschen Recht, das sich ebenfalls vor einer Gewinnabschöpfung scheut, über den Kunstgriff der Begründung mit Präventionsbedürfnissen faktisch aber doch zu einer Berücksichtigung des Verletzergewinns kommt. 239 Allerdings geht das deutsche Recht insofern weiter als das japanische Recht, als es die Präventionsfunktion explizit anerkennt, während diese in Japan nur faktisch zum Tragen kommt und in der Theorie immer noch ausdrücklich abgelehnt wird. IV. Fälle der Anerkennung von Vermögensschäden 1. Anwendungsbereich Auch materieller Schadensersatz hat im japanischen Recht einen Anwendungsbereich. Wie aber im Rahmen der Diskussion des Publicity-Rechts festgestellt wurde, beschränkt sich dieser bisher auf eng umgrenzte Fallgruppen einer Werbung unter Ausnutzung von Persönlichkeitsmerkmalen oder der Vermarktung von Persönlichkeitsmerkmalen v.a. durch den Verkauf von Produkten mit Abbildungen einer Person.240 Unter Berufung auf das deutsche Vorbild – bei dem die Anwendung von Vermögensschäden aber, wie oben dargestellt, auch eher restriktiv gehandhabt wird241 –, gibt es nur vereinzelt 235
OGH, in: Minshû Bd. 51 Nr. 6, 2573 (2576/7). Ebenso in Deutschland BGH, in: NJW 1992, 3096 (3103 f.). 236 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.2., S. 23 f. 237 DG Tokyo, Urteil vom 26.02.2001, in: Hanta 1055, 24 (28 f.); DG Tokyo, Urteil vom 14.07.2004, in: Hanji, 1879, 71 (80). Akzeptiert auch in der Literatur, siehe nur DG ÔSAKA FG SE, in: NBL 731 (2002), S. 10, 12; JUSTIZAUSBILDUNGSSTÄTTE (FG PSE), in: Hanta 1070 (2001), S. 8; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (1999), S. 263 f.; SHIOZAKI, in: Hanta 1055 (2001), S. 12. 238 SHINOMIYA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], Bd. 3 (1985), S. 599; UEBAYASHI, in: Isharyô santei-ron [Lehre der Schmerzensgeldberechnung] (1982), S. 222, 281 ff. 239 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.2., S. 23 f. 240 Siehe oben, Kap. 4, F.VI., S. 121 ff. 241 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 20 f.
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Stimmen in der Literatur, die eine Ausweitung des Vorgehens über Vermögensschäden befürworten, mit dem Hinweis auf den Vorteil, dass so Summenunterschiede zwischen Prominenten und Normalbürgern besser erklärt werden könnten.242 2. Berechnung als fiktive Lizenzgebühr Berechnet wird in der japanischen Praxis in solchen Fällen der PublicityRechts-Verletzung stets die fiktive Lizenzgebühr,243 was auch der deutschen Praxis entspricht.244 Die Höhen lagen in Japan bei 150.000 Yen pro Person im Fall einer Veröffentlichung von Fotos einer 18köpfigen Gruppe von FernsehStars,245 bei 150.000 bis 1.200.000 Yen pro Person im Fall einer Veröffentlichung von Fotos von Sängerinnen,246 oder bei 1.000.000 Yen im Fall einer Veröffentlichung von Fotos eines Schauspielers. 247 Im Vergleich zur deutschen Höchstsumme von 1,2 Mio Euro248 sind in Japan also bisher nur sehr moderate Summen als materieller Schaden zuerkannt worden. 3. Möglichkeit einer Gewinnabschöpfung Etwas Ähnliches wie die dreifache Schadensberechnung, die in Deutschland zumindest in theoretischer Hinsicht auch bei der Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts anwendbar ist249 und damit zumindest in der Theorie die Möglichkeit einer Abschöpfung des durch eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte erlangten Gewinns des Verletzers eröffnet, gibt es in Japan bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten. So lautet etwa Art. 102 des japanischen Patentgesetzes:250 (I) Macht ein Patentrechtsinhaber [...] einen Schadensersatzanspruch gegen eine Person geltend, die sein Patentrecht [...] verletzt hat, und hat diese Person Gegenstände, die sie unter Verletzung dieses Rechts hergestellt hat, einem Dritten übereignet, kann er die Höhe des Schadensersatzes berechnen, indem er die Anzahl der übereigneten Gegenstände mit dem Gewinn multipliziert, den er ohne die Schutzrechtsverletzung bei einem eigenen Verkauf der Gegenstände pro Stück erzielt hätte, wobei der Betrag eine den Umsetzungsfähigkeiten des Patentrechtsinhabers [...] entsprechende Summe nicht übersteigen darf. 242
NAKAMURA, in: Hôsei-riron 35 Nr. 1 (2002), S. 143. DG Toyama, Urteil vom 31.10.1986, in: Hanji 1218, 128 (132); DG Tokyo, Urteil vom 21.12.1990, in: Hanji 1400, 10 (14); OG Tokyo, Urteil vom 26.09.2001, in: Hanji 1400, 3 (8); OG Tokyo, Urteil vom 26.04.2006, in: Hanji 1954, 47 (68). 244 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 22. 245 OG Tokyo, Urteil vom 26.09.2001, in: Hanji 1400, 3 (8). 246 OG Tokyo, Urteil vom 26.04.2006, in: Hanji 1954, 47 (68). 247 DG Toyama, Urteil vom 31.10.1986, in: Hanji 1218, 128 (132). 248 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 22. 249 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 21. 250 Tokkyo-hô, Gesetz Nr. 121/1959 i.d.F. vom Gesetz Nr. 30/2012. 243
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(II) Macht ein Patentrechtsinhaber [...] einen Schadensersatzanspruch [...] geltend und hat der Verletzer durch die Verletzungshandlung einen Gewinn erzielt, wird vermutet, dass dieser Gewinn dem Schaden [...] entspricht. (III) Macht ein Patentrechtsinhaber [...] einen Schadensersatzanspruch [...] geltend, wird vermutet, dass der Betrag, der für die Verwendung eines Patents oder einer Erfindung zu bezahlen wäre, dem Schaden [...] entspricht. (IV) Die Möglichkeit, einen darüber hinausgehenden Schaden geltend zu machen, bleibt durch die vorstehenden Regelungen unberührt. [...]
Diesem Art. 102 des Patentgesetzes praktisch wortgleich entsprechende Vorschriften gibt es in Art. 29 des japanischen Gebrauchsmustergesetzes251 für Schäden durch die Verletzung eines Gebrauchsmusterrechts sowie in Art. 38 des japanischen Markengesetzes252 für Markenrechtsverletzungen. Diese Vorschriften sehen für die fiktive Lizenzgebühr (Abs. 2) und den vom Verletzer erzielten Gewinn (Abs. 3) die Vermutung vor, dass der Betrag dem Schaden des Verletzten entspricht. Sie eröffnen also die gleichen Berechnungsmöglichkeiten wie bei der der dreifachen Schadensberechnungsmethode in Deutschland. Im Unterschied zur dreifachen Schadensberechnung in Deutschland handelt es sich bei diesen japanischen Vorschriften allerdings nur jeweils um eine Vermutung, die widerlegt werden kann.253 Zu einer Übertragung der Anwendung dieser Schadensberechnungsmethoden auf Verletzungen des Persönlichkeitsrechts gibt es jedoch nur vereinzelte theoretische Ansätze.254 Wie im folgenden Abschnitt ausgeführt wird, gibt es auch nur vereinzelte Stimmen zu Ansätzen zu einer Gewinnabschöpfung über andere Institute wie das einer angemaßten Eigengeschäftsführung oder das Bereicherungsrecht.255 Vielmehr erfolgt eine Berücksichtigung des Gewinns ausschließlich im Rahmen des – immateriellen – Schmerzensgeldanspruchs.256 Dieses scheint in Japan ein so flexibles Instrument zu sein, dass es auch zum Auffangen von solchen Präventionsbedürfnissen verwendet werden kann und ein Rückgriff auf andere Instrumente nicht für erforderlich gehalten wird.
251
Jitsuyô shin’an-hô, Gesetz Nr. 123/1959 i.d.F. vom Gesetz Nr. 63/2011. Shôhyô-hô, Gesetz Nr. 127/1959 i.d.F. vom Gesetz Nr. 74/2011. 253 Die Einführung einer dreifachen Schadensberechnung wurde im Rahmen von Reformen des japanischen Patentgesetzes im Jahre 1998, mit der man Abs. 1 zur Erleichterung der Berechnung des entgangenen Gewinns eingeführt hat, diskutiert, aber letztlich fallengelassen, vgl. SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 239. 254 DG ÔSAKA FG SE, in: NBL 731 (2002), S. 13. 255 Siehe unten, Kap. 6, B.V.1. und B.V.2., S. 178, 179 f. 256 Siehe oben, Kap. 6, B.III., die Kasuistik unter 1., S. 149 ff., sowie 3., S. 174 f. 252
178
Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
V. Rechtslage zu weiteren potentiellen Anknüpfungspunkten für einen Geldersatz 1. Bereicherungsrecht Das japanische Bereicherungsrecht (Futô ritoku-hô) ist sehr ähnlich strukturiert wie das deutsche. Nach § 703 JZGB hat derjenige, der ohne Rechtsgrund etwas aus dem Vermögen eines anderen oder eine sonstige Leistung erlangt hat und dadurch dem anderen einen Verlust verursacht hat, den Vorteil, soweit er noch vorhanden ist, dem anderen zurückzugewähren. Dabei unterscheidet man wie im deutschen Recht zwischen einer Leistungskondiktion (Kyûfu ritoku) für Fälle einer ungerechtfertigten Bereicherung aufgrund einer Leistung und einer Eingriffskondiktion (Shingai ritoku) für Fälle einer ungerechtfertigten Bereicherung auf Kosten eines Dritten durch einen Eingriff in dessen Rechte.257 Letztere würde bei Eingriffen in Immaterialgüter (Mutai zaisan-ken) einen Anspruch auf Herausgabe der unberechtigt erlangten Bereicherung eröffnen, der im Allgemeinen in der Ersparnis der fiktiven Lizenzgebühr gesehen wird.258 Das Bereicherungsrecht würde also, wie auch im deutschen Recht, in theoretischer Hinsicht auch bei Eingriffen in Persönlichkeitsrechte eingreifen.259 Während in Deutschland das Bereicherungsrecht auch in der Praxis verbreitet angewandt wird, wird in Japan eine Anwendung des Bereicherungsrechts allerdings allenfalls vereinzelt in der Literatur befürwortet, und zwar v.a. von deutschrechtlich beeinflussten Wissenschaftlern. 260 In der Praxis spielt es aber, wie oben schon erwähnt,261 bis jetzt keine Rolle. Eine Diskussion um eine Gewinnabschöpfung auf bereicherungsrechtlicher Ebene ist in Japan überhaupt nicht ersichtlich. Auch in Deutschland wird eine solche Rechtsfolge aber lediglich theoretisch diskutiert und in der Praxis nicht ernsthaft erwogen.262
257
Siehe etwa SAWAI, in: Tekisutobukku jimu kanri, futô rieki, fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], 3. Auflage (2001), S. 60, 61. 258 Vgl. FUJIWARA, in: Futô ritoku-hô [Bereicherungsrecht] (2002), S. 268. 259 SAWAI, in: Tekisutobukku jimu kanri, futô rieki, fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], 3. Auflage (2001), S. 66. 260 ABE, in: Taniguchi (Hrsg.), Shinpan chûshaku minpô [Neuer Kommentar zum Zivilrecht], Bd. 18 (1991), § 703 J III, S. 574, 592 ff.; HANAMOTO, in: Dokkyô hôgaku 45 (1997), S. 248 f. 261 Siehe oben, Kap. 6, B.I., S. 147. 262 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.3., S. 25.
B. Ansprüche auf Zahlung von Geld
179
2. Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung Zur angemaßten Eigengeschäftsführung (Jun jimu kanri), die in Deutschland im Rahmen der Diskussion um Geldersatzansprüche als möglicher Ansatzpunkt für die Abschöpfung des durch den Verletzer aus der Persönlichkeitsverletzung gemachten Gewinns in Erwägung gezogen wird, gibt es im japanischen Zivilrecht zunächst einmal keine gesetzliche Regelung wie in Deutschland mit §§ 687 Abs. 2 Satz 1, 681 Satz 2, 667 BGB. Das Institut war daher in der Lehre lange umstritten. Es gab zwar schon in der Frühzeit der Entwicklung des japanischen Zivilrechts immer Befürworter des Instituts der angemaßten Eigengeschäftsführung, 263 aber auch Gegner unter namhaften Zivilrechtswissenschaftlern, die das Institut für überflüssig hielten, weil eine Lösung über das Deliktsrecht und das Bereicherungsrecht ausreichend sei.264 Heute kann das Institut wohl als mehrheitlich anerkannt gelten.265 Als heute im Prinzip anerkanntes Rechtsinstitut könnte die angemaßte Eigengeschäftsführung daher auch als mögliche Anspruchsgrundlage bei Persönlichkeitsverletzungen herangezogen werden.266 Möglicherweise deshalb, weil das Institut im japanischen Zivilrecht im Vergleich zum deutschen Recht auf wackeligem Boden steht, finden sich allerdings kaum Überlegungen zu einer Anwendung auf Persönlichkeitsverletzungen. So geht etwa Kubota ausnahmsweise auf das Institut der angemaßten Eigengeschäftsführung ein. Auch er lehnt aber eine Anwendung ab. Seiner Auffassung nach passt dieses Institut allein von den gewünschten Rechtsfolgen her, nicht aber nach den Voraussetzungen. Insbesondere bei Eingriffen in die Privatsphäre bei fehlender Verwertungsbereitschaft des Betroffenen handele es sich um eine „allzu künstlich anmutende Fiktion“, die Vornahme eines fremden Geschäfts anzunehmen.267 Shiomi führt ferner aus, dass die Vorschriften im Immaterialgüterrecht, nach denen vermutet werden kann, dass der Gewinn des Verletzers den Schaden des Verletzten darstellt, daraus resultierten, dass man eine Abschöpfung über das Institut der angemaßten
263 HATOYAMA, in: Nihon saiken-hô kakuron (ge) [Japanisches Schuldrecht BT 2] (1920), S. 777; SUEKAWA, in: Saiken kakuron (2) [Schuldrecht Besonderer Teil Bd. 2] (1940), S. 506 ff. 264 Insbesondere WAGATSUMA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen] (1937), S. 21 ff. 265 FUJIWARA, in: Futô ritoku-hô [Bereicherungsrecht] (2002), S. 272; HIRATA, in: I. Katô (Hrsg.), Chûshaku minpô 19 [Kommentar zum Zivilgesetzbuch Bd. 19] (1965), Anh. §§ 697– 702, V, S. 331 ff.; SAWAI, in: Tekisutobukku jimu kanri, futô rieki, fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], 3. Auflage (2001), S. 22; TSUBURAYA, in: Fuhô kôi-hô [Unerlaubte Handlungen] 2. Auflage (2010), S. 304; YOSHIMI, in: FS Taniguchi (1972), S. 371 ff., 430 f. 266 Vgl. FUJIWARA, in: Futô ritoku-hô [Bereicherungsrecht] (2002), S. 270. 267 KUBOTA, in: Minshô 116 (1997), S. 566/7.
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Eigengeschäftsführung nicht für mit diesem Institut vereinbar hielt.268 Wie schon gesagt, konzentriert sich die japanische Diskussion um eine Gewinnabschöpfung vielmehr auf den Bereich des Schmerzensgeldanspruchs.269
C. Die Entschuldigungsanzeige C. Die Entschuldigungsanzeige I. Überblick Der Anspruch auf Abdruck einer „Entschuldigungsanzeige“ (Shazai kôkoku), in der der Schädiger erklärt, dass er durch eine Äußerung die Ehre einer anderen Person verletzt habe, und sein Bedauern darüber zum Ausdruck bringt, spielt in der japanischen Praxis die größte Rolle neben den Geldersatzansprüchen.270 Von der Funktion her ähnelt der Anspruch dem Widerruf im deutschen Recht. Im Vergleich zum deutschen Widerrufsanspruch weist der Anspruch aber Besonderheiten auf, die in diesem Abschnitt herausgearbeitet werden sollen. Im Einzelnen erläutere ich zunächst den Inhalt des Anspruchs (II.), dann die Frage, für welche Arten von Persönlichkeitsverletzungen der Anspruch greift (III.) und welche sonstigen Restriktionen bestehen. Dabei gehe ich zunächst auf die schon erwähnte Subsidiarität gegenüber Geldzahlungsansprüchen ein (IV.) und zeige dann anhand von konkreten Fällen auf, nach welchen Kriterien der Anspruch gewährt bzw. abgelehnt wird (V.). Eine Besonderheit des Anspruchs ist auch, dass er in Japan allgemein nicht als verschuldensunabhängiger Anspruch auf Beseitigung einer fortbestehenden Störung eingestuft wird, sondern als eine Form der Naturalherstellung (VI.). Im Vergleich zum deutschen Widerruf ist die Frage interessant, inwieweit eine Entschuldigung auch für Werturteile verlangt werden kann (VII.). Schließlich wirft eine weitere Besonderheit des Anspruchs, nämlich die, dass der Betreffende durch eine Verurteilung dazu gezwungen wird, sich beim Geschädigten zu entschuldigen, Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift auf (VIII.).
268
SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 238. Siehe oben, Kap. 6, B.I., S. 147. 270 Zahlenbeispiel: 1989 sollen bei 148 Urteilen, die Ehrverletzungen betrafen, in 99 Fällen Schadensersatz und eine Entschuldigungsanzeige zugleich begehrt worden sein, und nur in 49 Fällen allein Schadensersatz. Zugesprochen wurde der Anspruch auf Entschuldigung in etwa 20 % der geforderten Fälle, nämlich in 19 Fällen. (Nach ASHITOMI, in: Ryûhô 74 (2005), S. 72.) 269
C. Die Entschuldigungsanzeige
181
II. Inhalt der Entschuldigungsanzeige Wie schon im Überblick zu den zivilrechtlichen Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes dargestellt, ist Grundlage des Entschuldigungsanspruchs § 723 JZGB, wonach bei einer unerlaubten Handlung, die eine Ehrverletzung einer Person darstellt, anstelle oder zusätzlich zum Ersatz des durch die Handlung entstandenen Schadens eine „zur Wiederherstellung der Ehre geeignete Maßnahme“ angeordnet werden kann. Der Wortlaut der Vorschrift selbst sagt noch nichts darüber aus, was unter solchen „zur Wiederherstellung geeigneten Maßnahmen“ konkret zu verstehen ist. Daher wären als derartige Maßnahmen grundsätzlich auch andere Formen als eine Entschuldigungsanzeige denkbar. Es wurde schon erwähnt, dass als in Frage kommende Maßnahmen etwa auch Ansprüche auf Widerruf oder Gegendarstellung diskutiert werden.271 Allgemein versteht man unter den Maßnahmen im Sinne des § 723 JZGB aber ausschließlich Entschuldigungsanzeigen.272 Zu beachten ist, dass, wie weiter unten noch näher aufzuzeigen sein wird,273 dabei die Vorstellung vorherrscht, dass durch die Maßnahme tatsächlich eine Wiederherstellung der Ehre in dem Sinne erfolgt, dass die objektiv herabgesetzte Ehre wieder auf ihr ursprünglich vorhandenes Maß heraufgesetzt wird. Im Einzelnen beinhaltet diese Entschuldigungsanzeige in der Regel das Eingeständnis des Schädigers, eine Ehrverletzung 274 begangen zu haben, sowie den Ausdruck des Bedauerns bzw. die Bitte um Entschuldigung für dieses Tun. Eine solche Anzeige beinhaltet also beispielsweise folgenden Text:275 Entschuldigungsanzeige Wir haben am __.__.2012 in der A-Zeitung einen Artikel mit einem Bericht abgedruckt, der den Eindruck erweckte, Sie beteiligten sich an illegalen Wettabsprachen bei Pferderennen, und haben dadurch Ihre Ehre und Ihre Reputation verletzt. Hierfür entschuldigen wir uns zutiefst. ____________, Vorstandsvorsitzender der Z-AG An Herrn ________________
271
Oben, Kap. 6, A., S. 145. Nähere Diskussion im folgenden Abschnitt D., S. 198 ff. Vgl. ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 226; DERS., in: Ryûhô 74 (2005), S. 72. 273 Siehe unten, Kap. 6, C.III., S. 183 ff. 274 Zur Frage, ob der Anspruch auch bei anderen Persönlichkeitsrechtsverletzungen eingreift und wie die Entschuldigungsanzeige dann auszusehen hätte, siehe ebenfalls unten, Kap. 6, C.III., S. 183 ff. 275 Nach ASHITOMI, in: Ryûhô 74 (2005), S. 75; IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 258. 272
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Der erste Teil, das Eingeständnis einer Ehrverletzung, ist zunächst einmal nicht gleichzusetzen mit der Korrektur einer unrichtigen Tatsachenbehauptung, wie sie im Widerruf nach dem deutschen Recht erfolgt. Denn zum einen ist der Anwendungsbereich des Entschuldigungsanspruchs nicht auf Tatsachenbehauptungen beschränkt, sondern umfasst grundsätzlich auch Werturteile.276 Zum anderen stellt, soweit es um Tatsachenbehauptungen geht, eine Äußerung zwar häufig deshalb eine Ehrverletzung dar, weil ihr Inhalt nicht der Wahrheit entspricht. Wie oben gezeigt, kann eine Ehrverletzung in Japan im Gegensatz zum deutschen Recht aber auch vorliegen, wenn die zu Grunde liegende Tatsachenbehauptung wahr ist und es nur am Informationsinteresse der Allgemeinheit fehlt.277 Das Eingeständnis einer Ehrverletzung durch eine Tatsachenbehauptung ist also nicht zwingend ein Eingeständnis der Unwahrheit der Aussage. Aufgrund der restriktiven Handhabung des Entschuldigungsanspruchs dürfte ein Anspruch bei Werturteilen in der Praxis aber nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.278 Bei einer Tatsachenbehauptung kommt der Anspruch zudem in der Regel nur bei Unwahrheit der Behauptung zum Einsatz, weil die Rechtsprechung bei wahren Tatsachenbehauptungen davon ausgeht, dass keine so schwere Verletzung vorliegt, dass eine Entschuldigung erforderlich ist.279 Faktisch kommt dem ersten Teil der Entschuldigungsanzeige mit dem Eingeständnis einer Ehrverletzung daher die gleiche Bedeutung zu wie dem Widerruf im deutschen Recht, der eine unrichtige Tatsachenbehauptung korrigiert. Das zeigt sich auch daran, dass die Entschuldigungsanzeige häufig einfach so aufgefasst wird, dass der Schädiger damit seine Äußerung als falsch zurücknimmt.280 Als Besonderheit gegenüber einem bloßen Widerruf kommt bei der Entschuldigungsanzeige aber als zweiter essentieller Bestandteil die Entschuldigung des Schädigers für sein Handeln hinzu. In Ausnahmefällen wird auch eine reine Entschuldigungserklärung, also die Erklärung einer Entschuldigung ohne die Korrektur von Tatsachen oder das Eingeständnis einer unerlaubten Handlung, erwogen. In einem Einzelfall ist das Begehren eines Geschädigten nach einer reinen Entschuldigung auch zugelassen worden,281 wobei allerdings das Gericht in diesem Fall ohnehin auch an der Wahrheit der vom Beklagten aufgestellten ehrverletzenden Be-
276
Dazu noch näher unten, Kap. 6, C.VII., S. 193 f. Siehe oben, Kap. 4, B.VI.1., S. 75. 278 Dazu noch näher unten, Kap. 6, C.VII., S. 193 f. 279 Siehe unten, Kap. 6, C.V., S. 189 f. 280 Siehe etwa nur OGH, Urteil vom 04.07.1956, in: Minshû Bd. 10 Nr. 7, 785 (787), wonach die Entschuldigungserklärung das „Eingeständnis der Wahrheit“ enthält. 281 OG Ôsaka, Urteil vom 27.03.1975, in: Hanji 782, 48 (52). 277
C. Die Entschuldigungsanzeige
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hauptungen zweifelte.282 Im gleichen Fall wurde dagegen in der Vorinstanz, die von der Wahrheit der Äußerung des Schädigers ausging, ein solcher Anspruch auf eine reine Entschuldigung abgelehnt, und zwar wörtlich mit der Begründung, dass die Wiederherstellung der Ehre „durch die Korrektur konkreter Tatsachen erfolgen“ müsse.283 In der Regel wird allerdings der Geschädigte ein Interesse auch an der Korrektur von falschen Behauptungen haben und daher anstreben, dass nicht nur eine abstrakte Entschuldigung, sondern auch eine solche Korrektur erfolgt, so dass die Frage nach einem reinen Entschuldigungsanspruch in der Praxis kaum eine Rolle spielt. III. Anwendbarkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die nicht die Ehre betreffen, insbesondere bei Verletzungen der Puraibashî 1. Diskussion der Anwendbarkeit auf Puraibashî-Verletzungen Nach dem Wortlaut des § 723 JZGB beschränkt sich der Wiederherstellungsanspruch auf „Ehrverletzungen“, was auch der klassische Anwendungsbereich der Entschuldigungsanzeige ist. Erst in neuerer Zeit wird diskutiert, ob ein Entschuldigungsanspruch auch bei anderen Persönlichkeitsrechtsverletzungen, insbesondere bei Verletzungen des Rechts auf Puraibashî, besteht. Die überwiegende Rechtsprechung und auch eine verbreitete Ansicht in der Literatur halten an den Vorgaben des Wortlauts von § 723 JZGB fest und verstehen den Entschuldigungsanspruch als einen Rechtsbehelf, der nur bei Ehrverletzungen gegeben ist.284 Das Festhalten am Wortlaut ist dabei auch vor dem Hintergrund der Vorstellung zu sehen, dass die Ehre durch eine Verletzung objektiv herabgesetzt wird und durch die Entschuldigungsanzeige objektiv wieder hergestellt werden kann. Die Entschuldigungsanzeige wird daher als ein Mittel zur objektiven Wiederherstellung der Ehre angesehen und nicht als Mittel zur subjektiven Befriedigung des Betroffenen.285 Bei einer Verletzung der Puraibashî soll im Unterschied zur Ehre eine Wiederherstellung in einem solchen Sinne 282
Als ehrverletzend beanstandet wurde, dass der Arbeitgeber über die außerordentliche Kündigung (Chôkai kaiko) eines Mitarbeiters Berichte weitergegeben hatte. Die Umstände der Entlassung und das angebliche Fehlverhalten des entlassenen Mitarbeiters schienen sich jedoch nicht exakt so zugetragen zu haben, wie es der Arbeitgeber berichtet hatte. 283 DG Ôtsu, Urteil vom 15.10.1973, in: Hanji 736, 81 (87). 284 DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2368 f.) („Nach dem Bankett“); DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1992, in: Hanji 1424, 72 (75); OG Takamatsu, Urteil vom 26.04.1996, in: Hanta 926, 207 (212 f.); so auch ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 255; KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 124. 285 OGH, Urteil vom 18.12.1970, in: Minshû Bd. 24 Nr. 13, 2151 (2153) zur Frage, ob eine Entschuldigungsanzeige bei Verletzung des Ehrgefühls begehrt werden kann; HASHIMOTO, in: Nihon hôgaku 65 (2000) Nr. 4, 227 (253).
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
nicht möglich sein, da die Preisgabe von Informationen aus der Privatsphäre nicht ungeschehen gemacht werden kann. Man geht im Gegenteil davon aus, dass eine Entschuldigung bei Puraibashî-Verletzungen nur zu einer erneuten Verletzung der Puraibashî führen würde.286 Gegen diese Sicht ist kritisch einzuwenden, dass das letztere Argument insofern nicht nachvollziehbar ist, als es dem von einer PuraibashîVerletzung Betroffenen ja freisteht, ob er einen etwaigen Anspruch auf Entschuldigung geltend macht und damit die Öffentlichkeit erneut auf die Tatsache hinweisen will oder nicht. Wenn der Betroffene selbst die Veröffentlichung verlangt, kann man ihm diese schlecht mit dem Argument verwehren, eine Veröffentlichung verletze aufs Neue seine Privatsphäre.287 Vielmehr entsteht bei einer Beschränkung des Rechtsbehelfs auf Ehrverletzungen eine Schutzlücke bei den sonstigen Persönlichkeitsverletzungen.288 Daher spricht sich ein Großteil der Literatur für die Anwendung auch bei Verletzungen der Puraibashî aus.289 Nach einem Vorschlag in der Literatur soll die Anzeige dabei so aussehen, dass der Schädiger darin nur zugibt, dass eine Verletzung der Puraibashî erfolgt ist, und dafür eine Entschuldigung erfolgt. Es soll aber nicht konkret dargelegt werden, wodurch die Verletzung erfolgt ist, so dass ein erneuter Eingriff in die Privatsphäre durch die Anzeige vermieden wird.290 Aber auch in der Rechtsprechung wird immerhin vereinzelt auch bei Verletzungen der Puraibashî oder des Bildnisrechts ein Anspruch auf Entschuldigung anerkannt.291 Begründet wird dies damit, dass durch die Entschuldigungsanzeige zwar die Privatsphärenverletzung nicht ungeschehen gemacht 286 DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2368 f.) („Nach dem Bankett“); DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1992, in: Hanji 1424, 72 (75); DG Kôchi, Urteil vom 30.03.1992, in: Hanta 788, 213 (230); OG Takamatsu, Urteil vom 26.04.1996, in: Hanta 926, 207 (212). Zustimmend ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 255; IKUYO, in: Itô (Hrsg.), Gendai songai baishô-hô kôza 2 [Lehrbuch des aktuellen Schadensersatzrechts 2] (1972), 243 (250); MISHIMA, in: Jinkaku-ken no hogo [Der Schutz des Persönlichkeitsrechts] (1965), S. 346; TAKEDA, in: Meiyo/puraibashî shingai [Ehre und Privatsphäre] (1982), S. 189. 287 SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 509. 288 IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 42; DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 268. 289 IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 (1993), Nr. 1/2, S. 41 f.; SAWAI, in: Tekisutobukku jimu kanri, futô ritoku, fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], 3. Aufl. (2001), S. 111 f.; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 509. Auch KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 409, kritisiert die Differenzierung im Hinblick auf eine bei Privatsphärenverletzungen gleichermaßen bestehende Schutzbedürftigkeit als widersprüchlich. 290 IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 42. 291 DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (101 f.) für die Verbreitung von Fotos des umstrittenen Inhabers eines Geldverleih-Unternehmens im Rollstuhl im Krankenhaus.
C. Die Entschuldigungsanzeige
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werden könne, sich aber durch die Klarstellung, dass es sich um eine unrechtmäßige Berichterstattung gehandelt habe, die Art der Wahrnehmung beim Leser ändere, wodurch das Ausmaß der Verletzung reduziert werde.292 2. Konsequenzen für den Schutzumfang Vergleicht man nun den Schutzumfang mit dem deutschen Recht, ist zu beachten, dass man in Japan bei Unwahrheit einer Behauptung in der Regel eine Ehrverletzung geltend machen wird und nicht bloß eine Verletzung der Puraibashî, da die Geltendmachung einer Puraibashî-Verletzung tendenziell impliziert, dass der Inhalt der angegriffenen Behauptung wahr ist.293 Durch den Ausschluss von Puraibashî-Verletzungen werden also weitgehend nur wahrheitsgemäße Berichte aus dem Anwendungsbereich der Entschuldigungsanzeige ausgenommen. So handelt es sich auch bei den Fällen der Rechtsprechung, in denen ein Entschuldigungsanspruch für Puraibashî-Verletzungen abgelehnt wurde, meist um Enthüllungen einer wahrheitsgemäßen Tatsache.294 Da im deutschen Recht ein Beseitigungsanspruch in Form eines Widerrufsanspruchs ebenfalls nur bei falschen Tatsachenbehauptungen gegeben ist, ist der Schutz gegenüber dem deutschen Recht also trotz der theoretisch bedeutsamen Einschränkung nicht unbedingt verkürzt. Im Gegenteil eröffnet die von der Mindermeinung und von vereinzelten Gerichten befürwortete Anwendung auf Verletzungen der Puraibashî und des Bildnisrechts für die Fälle, in denen es um wahrheitsgemäße Inhalte geht, einen Rechtsbehelf, der in der entsprechenden Situation im deutschen Recht nicht zur Verfügung stehen würde. Ausnahmsweise wurden Entschuldigungsansprüche auch in Fällen abgelehnt, in denen auch unwahre Inhalte betroffen waren. Im Fall „Nach dem Bankett“, in dem es um einen Roman ging, für dessen Hauptfigur ein lebender Politiker Modell stand, wurde etwa ein Entschuldigungsanspruch für die Puraibashî-Verletzungen abgelehnt, obwohl in dem Roman Fiktionen mit der Wahrheit vermischt worden waren. 295 Daraus, dass der Betroffene keine Ehrverletzung, sondern nur eine Puraibashî-Verletzung geltend gemacht hatte, lässt sich aber ersehen, dass es ihm weniger darum ging, die Verfälschung der Wahrheit abzuwehren, sondern dass er vielmehr vorrangig verhindern wollte, dass sein Privatleben überhaupt zum Gegenstand des 292
DG Tokyo, Urteil vom 22.05.1990, in: Hanji 1357, 93 (101 f.). Siehe oben, Kap. 4, B.IV.3., c, S. 61 f. 294 So in den Fällen DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1992, in: Hanji 1424, 72 (75); DG Kôchi, Urteil vom 30.03.1992, in: Hanta 788, 213 (230); OG Takamatsu, Urteil vom 26.04.1996, in: Hanta 926, 207 (212 f.). 295 DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2368 f.). Ausführlicher zu diesem Fall oben, Kap. 4, D.II., S. 83 f. 293
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Romans gemacht wurde. Wenn er unwahre Inhalte hätte abwehren wollen, hätte er dagegen eine Ehrverletzung geltend machen können und hätte dann entsprechend auch den Rechtsbehelf der Entschuldigung erlangen können. 3. Anwendbarkeit bei Verletzungen des Ehrgefühls Die Anwendbarkeit des Rechtsbehelfs bei Verletzungen des Ehrgefühls, die für die Arbeit hier nicht von Bedeutung ist, ist im Übrigen ebenfalls umstritten, allerdings unter einer etwas anderen Problemstellung. Die Lösung dieser Frage nach einer Anwendbarkeit auf Verletzungen des Ehrgefühls hängt letztlich von der Frage ab, ob eine rein subjektive Befriedigung des Betroffenen als eine „Wiederherstellung“ i.S.d. § 723 JZGB verstanden werden kann, was teilweise bejaht, insbesondere von der Rechtsprechung aber verneint wird.296 4. Fazit: Besonderer Schutz der Ehre? Trotz vereinzelter Ausnahmen in der Rechtsprechung und Gegenauffassungen in der Literatur lässt sich damit zusammenfassend festhalten, dass die Entschuldigungsanzeige ein etablierter Rechtsbehelf gegen Ehrverletzungen ist, bei übrigen Persönlichkeitsrechtsverletzungen aber meist abgelehnt wird. Das bedeutet auch, dass in Japan bei Ehrverletzungen ein besonderer Rechtsbehelf zur Verfügung steht, der bei der Verletzung anderer Persönlichkeitsrechte nicht besteht. In Deutschland ist demgegenüber die Ehre zwar über die Vorschriften der §§ 185 ff. StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ebenfalls gesondert unter Schutz gestellt. Für Verletzungen anderer Persönlichkeitsrechte existiert in Deutschland aber mit § 823 Abs. 1 BGB eine Parallelvorschrift. Bei Verletzungen der Ehre treten also genau die gleichen Rechtsfolgen ein wie bei Verletzungen anderer Persönlichkeitsrechte, diese genießt aber keinen irgendwie herausgehobenen Schutz. Wie bereits bei der Diskussion der einzelnen Schutzgüter angedeutet,297 ist es damit eine Besonderheit des japanischen Rechts, dass die Ehre gegenüber anderen Persönlichkeitsrechten herausgehoben gegen Verletzungen geschützt ist.
296 Befürwortend IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 26; DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003) S. 266; MISHIMA, in: Minshô 65 (1972), S. 973 f. Ablehnend ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 253 f.; KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 109; SHINOMIYA, in: Hôgaku kyôkai zasshi 89 (1972) Nr. 9, S. 1230; OGH, Urteil vom 18.12.1970, in: Minshû Bd. 24 Nr. 13, 2151 (2153). 297 Oben, Kap. 4, B.VII., S. 76 f.
C. Die Entschuldigungsanzeige
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IV. Verhältnis der Entschuldigungsanzeige zum Geldersatz 1. „Subsidiarität“ der Entschuldigungsanzeige Die Anforderung aus dem Wortlaut des § 723 JZGB, dass es sich um eine „zur Wiederherstellung der Ehre geeignete Maßnahme“ handeln muss, wird so verstanden, dass die Entschuldigungsanzeige eine notwendige und wirksame Maßnahme zur Wiederherstellung der Ehre sein muss.298 Insgesamt wird der Anspruch anknüpfend an diese Voraussetzung sehr restriktiv gehandhabt.299! An der Erforderlichkeit einer Entschuldigungsanzeige fehlt es insbesondere, wenn sich die Verletzung ausreichend durch die Zahlung von Schadensersatz beheben lässt.300 Die Verpflichtung zur Entschuldigungsanzeige wird im Verhältnis zum Schadensersatz also als die schwerere Rechtsfolge gesehen, die nur subsidiär zum Einsatz kommt. Die Regel ist daher, dass die Entschuldigungsanzeige nur in den Fällen, in denen die Geldentschädigung nicht ausreicht, zusätzlich zu dieser erfolgt.301 Die restriktive Handhabung des Wiederherstellungsanspruchs und insbesondere dessen Subsidiarität gegenüber dem Schadensersatz in Geld stellt einen fundamentalen Unterschied zum deutschen Recht dar, weil diese dazu führt, dass das Verhältnis der Rechtsbehelfe auf Geldersatz und Naturalherstellung in den beiden Ländern sich umkehrt.302 Zum einen kehrt sich nämlich dadurch in Deutschland und Japan die gedankliche Stufenfolge der Rechtsbehelfe genau um. Während man in Deutschland zuerst an eine Beseitigung denkt und nur den verbleibenden Schaden ersetzt, ist in Japan der Geldersatz der Primärrechtsbehelf, und nur in den Fällen, in denen dieser nicht zur Wiedergutmachung ausreicht, wird eine Wiederherstellungsmaßnahme angeordnet. Zweitens ist auch das Verhältnis der Strenge hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen genau umgekehrt. Während in Deutschland der Geldersatzanspruch sowohl die höheren Anforderungen an die Anspruchsvoraussetzungen im Vergleich zum deutschen Beseitigungsanspruch stellt als auch die Hürden für die Gewährung des Rechtsbehelfs im Vergleich zum japanischen Recht deutlich höher sind, hat in Japan der Wiederherstellungsanspruch die engeren Voraussetzungen im Vergleich zum Geldersatz und steht im Unter298
IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 264 f. HASHIMOTO, in: Nihon hôgaku, 65 Nr. 4 (2000), S. 227 ff.; IGARASHI, in: Jinkakukenhô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 264. 300 DG Tokyo, Urteil vom 30.06.1981, in: Hanji 1018, 93 (100); DG Tokyo, Urteil vom 20.03.1985, in: Hanta 556, 146 (156 f.); DG Kobe, Urteil vom 29.11.1993, in: Hanta 860, 216 (222); DG Tokyo, Abt. Hachiôji, Urteil vom 07.11.1996, in: Hanji 1606, 57 (61); OG Tokyo, Urteil vom 30.06.1999, in: Hanta 1004, 292 (302). 301 Dazu bereits oben, Kap. 6, A.II., S. 145 f. 302 Beispiele siehe unten, Kap. 6, C.V., S. 189 ff. 299
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
schied zum deutschen Beseitigungsanspruch insbesondere für „geringfügige“ Verletzungshandlungen nicht zur Verfügung. 2. Ausnahmsweise selbständiges Bestehen eines Entschuldigungsanspruchs Die Subsidiarität gegenüber den Geldersatzansprüchen wird jedoch nicht konsequent durchgehalten. So wurde vereinzelt ein alleiniger Anspruch auf Entschuldigung gewährt, und zwar in folgendermaßen gelagerten Fällen: So sahen sich Ärzte, die sich in einem politischen Kampf zwischen der Ärzteschaft und der Politik dem von der Ärztekammer als Druckmittel gegenüber der Politik beschlossenen Vorgehen eines kollektiven Rücktritts aller Ärzte nicht angeschlossen hatten, durch die Einleitung von Disziplinarmaßnahmen und die heftige Kritik von Funktionären der Ärztekammer in ihrer Ehre verletzt. In diesem Fall gestand das Gericht den Verletzten zwar einen Anspruch auf Veröffentlichung einer Entschuldigungsanzeige zu. Es lehnte aber Forderungen nach Geldersatz ab, weil der Schaden durch die Entschuldigungsanzeige „hinreichend wieder gutgemacht“ werde.303 Ebenso entschied das Gericht in einem Fall, in dem der frühere Geliebte einer Ärztin den Medien die vermeintliche Information zugespielt hatte, dass die Ärztin ihm zu Unrecht Krankheiten infolge von Umweltschäden bescheinigt habe, um ihm damit eine staatliche Entschädigung quasi als Abfindungsgeld für die Trennung von ihr zu verschaffen. Auch hier wurde ein Entschuldigungsanspruch gegen den Ex-Geliebten bejaht, ein Geldersatzanspruch aber abgelehnt. Das Gericht hielt „minimale Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ehre“ für ausreichend, weil der Vorwurf zwar nicht zutraf, die Ärztin ihrem Geliebten die Bescheinigung aber tatsächlich ohne ordentliche Untersuchungen ausgestellt hatte und sie daher einen erheblichen Grund für die Entstehung des Verdachts gelegt hatte.304 Im Falle eines ehrverletzenden Artikels über den Funktionär einer religiösen Gruppe in einer internen Zeitung der Gruppierung, die zudem schon drei Jahre zurücklag, wird die einmalige Veröffentlichung einer Entschuldigungsanzeige in dem betreffenden Organ als „ausreichend“ angesehen. Ein Geldersatzanspruch wird nicht thematisiert.305
Die Begründungen in diesen Ausnahmefällen zeugen davon, dass das Gericht in den konkreten Fällen die Entschuldigung als die mildere und den Geldersatz als die schwerere Rechtsfolge anzusehen scheint. Sie passen damit nicht zu der sonst in der Rechtsprechung anzutreffenden Haltung. Ein zwingender Grund, warum das Gericht in einigen Fällen so und in anderen Fällen so entscheidet, ist nicht erkennbar. Allerdings fällt auf, dass es sich in sämtlichen Fällen, in denen der Geldersatzanspruch als schwerere Folge betrachtet wird, gerade nicht um Massenmedien handelt, die die Schädigungshandlung vorgenommen haben. Während Massenmedien durch einen Geldersatzanspruch selten schmerzhaft berührt sein dürften, kann Privatpersonen die Abgabe einer Entschuldigungserklärung in der Tat viel leichter fallen als die Zahlung einer Geldsumme. Für Persönlichkeitsverletzung durch Medien 303
DG Kôchi, Urteil vom 31.03.1977, in: Hanji 868, 82 (88). OG Tokyo, Urteil vom 21.12.1981, in: Hanji 1035, 56 (57). 305 DG Kyoto, Urteil vom 12.07.1985, in: Hanta 567, 222 (223). 304
C. Die Entschuldigungsanzeige
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kann daher davon ausgegangen werden, dass der Grundsatz der Subsidiarität des Geldersatzanspruchs Geltung beanspruchen kann. V. Beispiele für die Bejahung oder Verneinung eines Anspruchs Im Folgenden werden beispielhaft Fälle aus dem Bereich der Persönlichkeitsverletzungen beschrieben, in denen ein Anspruch auf eine Entschuldigungsanzeige bejaht bzw. verneint wurde, um ein Gefühl dafür zu vermitteln, welche Rolle der Rechtsbehelf in Japan in diesem Bereich spielt. Ein Anspruch wird insbesondere immer wieder zugestanden in Fällen, in denen jemandem durch Medien unberechtigt oder voreilig eine Straftat unterstellt wird. Anerkannt wurde ein Anspruch auf Veröffentlichung einer Entschuldigungsanzeige beispielsweise bei einer Falschmeldung über eine angebliche Steuerhinterziehung eines Unternehmens, und zwar neben einem Schadensersatz in Höhe von 1.000.000 Yen; 306 ferner bei einem Artikel über die angebliche Beteiligung an einer Erpressung bzw. einer versuchten Erpressung, und zwar neben einem Schadensersatz in Höhe von 600.000 Yen;307 bei einem Bericht über den angeblichen Verdacht der Ermordung eines Unternehmensmitarbeiters, um die Lebensversicherungssumme zu kassieren, und zwar neben einem Schadensersatz in Höhe von 2.000.000 Yen;308 beim bereits erwähnten Bericht über die angebliche Geliebte des Vorstands eines Betrügerunternehmens, in dem sie mit den Betrugsgeschäften des Unternehmens in Zusammenhang gebracht wurde, und zwar neben einem Schadensersatz in Höhe von 1.000.000 Yen.309!
Aufgrund der restriktiven Anwendung scheidet ein Anspruch auf eine Entschuldigungsanzeige aber aus, wenn es sich dem Grade nach um eine nur geringfügige Ehrverletzung handelt und nur ein geringer Schaden entstanden ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn – wie oben schon erwähnt – die Verletzung durch eine wahre Tatsachenbehauptung und nicht durch die Äußerung einer Unwahrheit erfolgt ist.310 Der Anspruch kann auch dann schon ausscheiden, wenn die behauptete Tatsache nicht völlig falsch ist, sondern immerhin auf einem wahren Hintergrund beruhte oder aufgrund eines tatsächlich vorhandenen Verdachts erfolgte. So wurde ein Anspruch abgelehnt im Fall der Berichterstattung über einen Schauspieler, dem in dem fraglichen Artikel unter anderem vorgeworfen wurde, er feiere trotz des laufenden Prozesses wegen Kokainexports große Feste und pflege weiter Kontakte zu kriminellen Vereinigungen (Bôryoku-dan). Begründet wurde die Ablehnung des Anspruchs damit, dass zumindest der Anlass der Berichterstattung – die Kokainproblematik – tatsächlich bestand und auch in der mittlerweile erfolgten Verurteilung zum Ausdruck gekommen war.311 Bezüglich Berichten über die Ehe306
DG Sapporo, Urteil vom 26.03.1981, in: Hanji 1022, 112 (117). DG Tokyo, Urteil vom 04.06.1984, in: Hanji 1120, 9. 308 DG Kyoto, Urteil vom 25.10.1985, in: Hanji 1184, 89 (95). 309 DG Tokyo, Urteil vom 15.02.1988, in: Hanji 1264, 51 (57). 310 Siehe etwa DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1996, in: Hanta 933, 182 (194). So wohl auch DG Ôtsu, Urteil vom 15.10.1973, in: Hanji 736, 81 (87). 311 DG Tokyo, Urteil vom 28.07.1993, in: Hanta 842, 185 (190). 307
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
frau eines Mordopfers, in dem diese so dargestellt wurde, als stünde sie schon als Täterin fest, wurde ein Anspruch auf Entschuldigung ebenfalls abgelehnt, weil die Frau tatsächlich unter Verdacht stand und von der Polizei zweimal verhaftet worden war. Auch wenn sie später wieder entlassen wurde, sah das Gericht angesichts dieser Umstände die Zahlung von Schmerzensgeld als ausreichend an.312 Wenn nicht der gesamte Artikel, sondern nur die Schlagzeile unangemessen war, kann dies ebenfalls einen Entschuldigungsanspruch ausschließen.313 Ein Entschuldigungsanspruch kann auch ausscheiden, wenn das Medium, in dem der ehrverletzende Bericht verbreitet wurde, nur in geringer Auflage erschienen ist314 oder sonst keinen allzu großen Einfluss hat.315 Eine Entschuldigung wird etwa auch abgelehnt, weil nicht der volle Name des Betroffenen genannt worden ist.316 Für die Bezeichnung eines Geldverleihers als „König des Schwarzgeldmarktes“ und als „Giftschlange“ (Mamushi) wurde ein Anspruch abgelehnt, weil der Betroffene von vornherein keinen hohen sozialen Ruf genossen habe und daher auch nur eine geringe Herabsetzung der Ehre stattgefunden habe.317 Ferner wurde ein Entschuldigungsanspruch etwa auch im Fall einer gegenseitigen Ehrverletzung abgelehnt.318
Ferner wird der Entschuldigung die Eignung zur Wiederherstellung der Ehre abgesprochen, wenn seit der ehrverletzenden Berichterstattung schon längere Zeit vergangen ist und davon ausgegangen werden kann, dass ein Interesse der Allgemeinheit an der fraglichen Angelegenheit bereits wieder erloschen ist. Im Fall einer Berichterstattung über ein Mordopfer, dem zu Unrecht eine außereheliche Beziehung zu dem Mörder zugeschrieben wurde, wurde ein Anspruch der Angehörigen auf Entschuldigung unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass es nicht angebracht sei, drei Jahre nach der Tat das erneute Interesse der Gesellschaft an dem Ereignis wachzurufen.319 Der Zeitabstand steht einem Anspruch auf Entschuldigung aber nicht entgegen,
312 DG Tokyo, Urteil vom 31.01.1994, in: Hanta 875, 186 (199). Auch nach DG Tokyo, Urteil vom 27.07.1994, in: Hanji 1533, 71 (74 f.) oder DG Tokyo, Urteil vom 24.03.1995, in: Hanta 895, 177 (181) reicht es, wenn bezüglich der berichteten Umstände Verdacht erregende Umstände vorlagen. 313 DG Kobe, Urteil vom 26.01.1993, in: Hanta 827, 243 (249); DG Tokyo, Urteil vom 30.09.1996, in: Hanta 939, 184 (188). 314 Jeweils als ein Aspekt gegen die Anerkennung eines Anspruchs in DG Tokyo, Urteil vom 17.11.1989, in: Hanji 1332, 89 (95); DG Tokyo, Urteil vom 28.07.1993, in: Hanta 842, 185 (190). 315 DG Tokyo, Abt. Hachiôji, Urteil vom 07.11.1996, in: Hanta 941, 242 (246); DG Tokyo, Urteil vom 26.05.1997, in: Hanta 947, 125 (145). 316 DG Tokyo, Urteil vom 17.11.1989, in: Hanji 1332, 89 (95). 317 DG Tokyo, Urteil vom 24.03.1992, in: Hanta 806, 189 (194). 318 DG Tokyo, Urteil vom 30.01.1990, in: Hanta 730, 140 (158). 319 DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (39). Ausführlich zu diesem Fall unten in Kap. 7, B.II., insbesondere S. 221.
C. Die Entschuldigungsanzeige
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wenn tatsächlich noch fortdauernde negative Auswirkungen der damaligen Äußerungen auf die Ehre und den sozialen Ruf des Verletzten zu befürchten sind.320
Ein Entschuldigungsanspruch scheidet ferner in manchen Fällen aus, weil davon ausgegangen wird, dass sich die Ehrverletzung quasi erledigt hat, so zum Beispiel bei einer Ehrverletzung bezüglich eines Hotels, das den Betrieb mittlerweile eingestellt hat,321 oder bei Vorwürfen gegenüber dem ehemaligen Inhaber eines bestimmten Amtes, der das betreffende Amt mittlerweile nicht mehr ausübt.322 Ferner scheidet ein Anspruch auf Entschuldigung aus, wenn die Ehre aufgrund anderer Maßnahmen als wieder hergestellt gelten kann, sei es aufgrund aktiver Wiedergutmachung durch den Schädiger oder aus faktischen Gründen. So scheidet ein Anspruch etwa aus, wenn der Schädiger bereits einen Widerruf oder eine Entschuldigung veröffentlicht oder auf sonstige Weise sein Bedauern oder eine Berichtigung zum Ausdruck gebracht hat.323 Dabei ist nicht erforderlich, dass die Entschuldigungsanzeige dem entspricht, was der Geschädigte sich vorstellt, wenn in ihr nur im Wesentlichen die falsche Berichterstattung eingeräumt wird und der Schädiger sich hierfür entschuldigt.324 Ein Anspruch auf Entschuldigung scheidet auch aus, wenn der Geschädigte die Gelegenheit hatte, seine eigene Sicht – etwa in Fernsehinterviews – klarzustellen.325 Ferner schied bei einer Verletzung der Geschäftsehre durch die Behauptung, es handele sich bei bestimmten Produkten um Nachahmerware, die unter Verletzung von Gebrauchsmusterrechten hergestellt worden sei, ein Entschuldigungsanspruch aus, weil daraus, dass die Verkaufszahlen des betroffenen Unternehmens wieder gestiegen waren, darauf geschlossen wurde, dass die Reputation faktisch bereits wieder hergestellt war.326 Ein Entschuldigungsanspruch scheidet ferner aus, wenn die Herabwürdigung nicht mehr fortbesteht. Beispielsweise wurde der Anspruch abgelehnt, wenn nach der Verdachtberichterstattung über einen Unschuldigen fünf Jahre vergangen sind und in der Zwischenzeit der wahre Täter gefunden und öffentlich über die Unschuld des Betroffenen berichtet wurde, so dass seine gesellschaftliche Achtung bereits wieder voll hergestellt ist.327
320
OG Ôsaka, Urteil vom 24.06.1992, in: Hanji 1451, 116 (129), wobei es in diesem Fall um den geschäftlichen Ruf eines Unternehmens ging und daher negative wirtschaftliche Auswirkungen zu befürchten waren, was das Gericht zusätzlich zu der Bejahung des Anspruchs bewogen haben mag. 321 DG Kobe, Urteil vom 28.11.1991, in: Hanji 1412, 136 (138). 322 DG Tokyo, Urteil vom 27.10.1992, in: Hanji 1471, 127 (134). 323 OG Ôsaka, Urteil vom 24.06.1992, in: Hanji 1451, 116 (130); DG Tokyo, Urteil vom 22.01.1993, in: Hanta 851 260 (264 f.); DG Aomori, Urteil vom 29.03.1995, in: Hanta 891, 213 (219); DG Tokyo, Urteil vom 26.07.1995, in: Hanji 1558, 45 (50); DG Kobe, Urteil vom 18.07.1996, in: Hanji 1599, 120 (123); DG Chiba, Urteil vom 26.03.1997, in: Hanji 1635, 124 (129). 324 OG Ôsaka, Urteil vom 24.06.1992, in: Hanji 1451, 116 (130). 325 DG Tokyo, Urteil vom 27.08.1990, in: Hanta 751, 168 (174). 326 DG Ôsaka, Urteil vom 08.06.1965, in: Hanji 459, 69 (71). 327 OG Ôsaka, Urteil vom 25.12.1954, in: Ka-minshû Bd. 5 Nr. 12, 2106 (2114).
192
Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
VI. Die Konstruktion als Wiederherstellungsanspruch Ein grundsätzlicher Unterschied zum deutschen Widerrufsanspruch besteht darin, dass die Entschuldigungsanzeige im japanischen Recht nicht als Beseitigungsanspruch zur Beseitigung einer fortdauernden Störung verstanden wird, sondern als Naturalersatzanspruch nach einer beendeten Verletzungshandlung. Es handelt sich damit um einen verschuldensabhängigen deliktischen Anspruch.328 In Deutschland lässt sich der Widerruf zwar auch als Naturalrestitution aus § 823 BGB herleiten. Es ist aber unbestritten anerkannt, dass auch die Konstruktion als Abwehranspruch wegen Verletzung einer Rechtsposition möglich ist und auch bei fehlendem Verschulden ein Widerrufsanspruch besteht.329 Daher stellt sich die Frage, ob auch beim japanischen Entschuldigungsanspruch theoretisch eine Konstruktion als Beseitigungsanspruch möglich wäre. Grundsätzlich sind in Japan Beseitigungsansprüche bei einem fortbestehenden Eingriff, gleichermaßen wie Unterlassungsansprüche, denkbar.330 Wie bei der Darstellung des Unterlassungsanspruchs noch näher erläutert wird, haben solche Abwehrinstrumente im japanischen Zivilrecht aber traditionell keine so große Rolle gespielt. Beseitigungsansprüche sind daher heute, ebenso wie Unterlassungsansprüche, theoretisch anerkannt, jedoch mit einem sehr engen Verständnis. So wird die Verletzungshandlung nur im Verbreiten einer Tatsache selbst gesehen, so dass nur eine Unterbrechung noch im Stadium dieser Handlung als Beseitigungsmaßnahme verstanden wird. Darunter fallen nur Maßnahmen, mit denen die Verbreitung unterbrochen wird, also z.B. die Entfernung eines ehrverletzenden Plakats, Verkaufsverbot und Rückruf eines ehrverletzenden Buchs oder einer Zeitschrift oder das Aufführungsverbot eines Films.331 Zum Teil hat die Rechtsprechung aber sogar Maßnahmen zur Beseitigung von ehrverletzenden Aushängen oder anderen Gegenständen nicht mehr als Beseitigungsmaßnahme, sondern als Wiederherstellungsmaßnahme i.S.v. § 723 JZGB aufgefasst,332 obwohl auch hier die Maßnahme nicht über die Unterbrechung der Verletzungshandlung hinausgeht.
328
ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 228; DERS. ausdrücklich in: Ryûhô 52 (1994), S. 229; WADA, in: Ritsumeikan hôgaku 1991 Nr. 4, S. 470. 329 Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C 270. 330 ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 227 f. 331 ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 228. 332 DG Ôsaka, Urteil vom 21.06.1966, in: Hanta 195, 142; DG Shizuoka, Urteil vom 13.12.1973, in: Hanji 748, 100; DG Yokohama, Urteil vom 24.05.1988, in: Hanji 1311, 102 (106).
C. Die Entschuldigungsanzeige
193
Für Widerruf und Gegendarstellung, die in Japan ebenfalls primär als Maßnahmen i.S.v. § 723 JZGB diskutiert werden,333 wird aber in der Lehre eingestanden, dass auch die Sichtweise möglich ist, dass die einmal verbreitete Tatsache nun in der Erinnerung der Allgemeinheit vorhanden ist und die Quelle einer anhaltenden Herabsetzung der gesellschaftlichen Achtung des Betroffenen bildet, so dass die Korrektur sich – wie in Deutschland und in der Schweiz – als Beseitigungsmaßnahme verstehen lässt. 334 Der Vorteil dieser Auffassung wäre, dass auch bei fehlendem Verschulden solche Ansprüche gegeben wären, was man in der Literatur teilweise auch für notwendig hält, damit der Rechtsschutz nicht zu eng wird.335 In der Praxis kann von der Anerkennung des Wiederherstellungsanspruchs als verschuldensunabhängigem Beseitigungsanspruchs jedenfalls noch keine Rede sein. Zudem ist zu beachten, dass diese Diskussion um einen verschuldensunabhängigen Abwehranspruch mehr um die zusätzlich diskutierten Widerrufs- und Gegendarstellungsansprüche geführt wird, der Entschuldigungsanspruch selbst aber wohl weiterhin unbestritten nur auf § 723 JZGB mit den besprochenen restriktiven Voraussetzungen gestützt wird. VII. Die Entschuldigungsanzeige als Anspruch auf die Rücknahme von Werturteilen? Der Widerrufsanspruch im deutschen Recht besteht grundsätzlich nur gegen Tatsachenbehauptungen.336 Hintergrund dieser Einschränkung ist, dass dem Zwang zur Rücknahme einer wertenden Kritik Art. 5 Abs. 1 GG entgegensteht und daher gegen Werturteile kein Widerrufsanspruch bestehen kann.337 Demgegenüber unterscheidet der Anspruch nach § 723 JZGB nicht grundsätzlich danach, ob es sich bei der ehrverletzenden Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder um ein Werturteil handelt. Damit besteht immerhin die theoretische Möglichkeit, dass § 723 JZGB dazu eingesetzt wird, die Aufgabe eines Werturteils zu erzwingen.338 In der japanischen Rechtswissen-
333
Siehe unten, Kap. 6, D.II., S. 198 ff., und D.IV., S. 201 ff. Für den Widerruf ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 243 f., 52 (1994). S. 230; DERS., in: Ryûhô 74 (2005), S. 71, 84 f.; für die Gegendarstellung DERS., in: Ryûhô 50 (1993), S. 103, 106, 116 f. 335 ASHITOMI, in: Ryûhô 52 (1994), S. 229, 247. 336 Siehe oben, Kap. 2, B.II., S. 18. 337 BGH, in: NJW 1978, 751; BGH, in: NJW 1982, 2246; BGH, in: GRUR 1988, 402 (403); BGHZ 176, 175 (181 f.) = 2008, 2262 (2263); BVerfG, in: NJW 1994, 2943. So auch Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C273; SEYFARTH, in: NJW 1999, S. 1292. 338 ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 258. Vgl. auch ebda., S. 251 sowie Ryûhô 74 (2005), S. 74, wonach im ersten anerkennenden Teil der Entschuldigungsanzeige etwa eingestanden wird, dass „eine Tatsachenbehauptung nicht der Wahrheit entsprach, es sich um 334
194
Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
schaft wird das offensichtlich nicht für problematisch gehalten und daher auch nicht diskutiert.339 Die Bedeutung der Möglichkeit zur Rücknahme von Werturteilen darf aber auch nicht überschätzt werden, da die Entschuldigungserklärung in der Regel, wie oben gezeigt,340 eine falsche Tatsache berichtigt, sich also in der Regel auf eine Tatsachenbehauptung bezieht. Bei Werturteilen wird der Anspruch in der Regel wegen der restriktiven Handhabung des Anspruchs ausscheiden. Auch in der Praxis handelt es sich in der Regel immer um Tatsachenbehauptungen, die durch eine Entschuldigungsanzeige zurückgenommen werden, und nicht um Werturteile. Dennoch kann der Entschuldigungsanspruch insofern eine Anregung für das deutsche Recht geben, als in der deutschen Literatur zum Teil eine Schutzlücke hinsichtlich von Persönlichkeitsverletzungen durch Werturteile bemängelt wird, weil die Persönlichkeit von Wertungen genauso getroffen werden kann wie von Tatsachenbehauptungen und daher gegen Wertungen gleichermaßen schutzwürdig ist.341 Auch im deutschen Recht könnte daher durchaus bedacht werden, ob nicht grundsätzlich auch Werturteile in den Anwendungsbereich eines Widerrufsanspruchs einbezogen werden sollten. VIII. Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im Hinblick auf den Zwang zur Entschuldigung Problem des Anspruchs auf eine Entschuldigungsanzeige ist, dass der Schädiger dazu gezwungen wird, eine Entschuldigung abzugeben. Die Frage, ob ein solcher Zwang zur Entschuldigung mit den Grundrechten des Betroffenen vereinbar ist, ist in der Praxis zwar durch ein Grundsatzurteil des OGH von 1956 in positivem Sinne geklärt, wird in Japan aber dennoch bis heute kontrovers diskutiert. Problematisiert wird dabei das Grundrecht der Gewissensfreiheit (Ryôshin no jiyû) nach Art. 19 JV. Der mögliche Eingriff in die Gewissensfreiheit wird darin gesehen, dass der Betreffende durch den Zwang zur Entschuldigung nach außen hin möglicherweise etwas vorgeben muss, was nicht seiner tatsächlichen Überzeugung entspricht. Diese Diskrepanz zwischen äußerer Darstellung und innerer Einstellung soll einen Gewissenskonflikt verursachen. eine unangemessene Kritik oder Bewertung handelte oder jemand irrtümlich verhaftet wurde“. 339 So stellt ASHITOMI, in: Ryûhô 48, S. 257 f. für den Entschuldigungsanspruch nur fest, dass er auch gegen Werturteile eingesetzt werden kann, und diskutiert lediglich, ob eine Widerrufsanzeige auch bei Werturteilen möglich ist. 340 Siehe oben, Kap. 6, C.II., S. 182, und C.V., S. 189 f. 341 OSSENBÜHL, in: JZ 1995, S. 642; STÜRNER, in: JZ 1994, S. 868, 876, beide allerdings als Kritik gegen eine Begrenzung des Gegendarstellungsanspruchs auf Tatsachenbehauptungen.
C. Die Entschuldigungsanzeige
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Obwohl der Schädiger mit der Anordnung einer Entschuldigung dazu gezwungen wird, eine entsprechende Äußerung abzugeben, wird aber nur vereinzelt die Meinungsfreiheit nach Art. 21 JV als betroffen angesehen.342 Das mag damit zusammenhängen, dass in Japan die Meinungsfreiheit zwar letztlich auch das Recht beinhaltet, eine Meinung nicht zu äußern,343 das Bewusstsein für diese negative Meinungsfreiheit aber grundsätzlich weniger ausgeprägt zu sein scheint und weniger thematisiert wird als in Deutschland.344 Auch der OGH geht in seinem Grundsatzurteil aus dem Jahre 1956 nur auf eine mögliche Verletzung der Gewissensfreiheit ein. Darin ging es um einen Kandidaten für Parlamentswahlen, der im Rahmen seines Wahlkampfes seinen Gegner unberechtigt der Verwicklung in Bestechungen bezichtigt hatte und dafür in einer Entschuldigungsanzeige erklären sollte, dass die Vorwürfe wahrheitswidrig gewesen seien, die Ehre des Gegners verletzt hätten und er sich dafür entschuldige.345 Die Mehrheitsmeinung lehnte die Entstehung eines Gewissenskonflikts durch die Veröffentlichung einer Entschuldigungsanzeige ab. Denn die Entschuldigungsanzeige verlange vom Betroffenen „nichts weiter als das Eingeständnis der Wahrheit und den Ausdruck des Bedauerns hierüber“. Damit würde vom Schädiger weder „eine erniedrigende oder besonders mühselige Handlung“ („kutsujoku-teki moshikuwa kuyaku-teki rôku“) verlangt noch der Ausdruck eines „ethischen Willens oder einer ethischen
342 HASEGAWA, in: Hanhyô 7 (1957), S. 9; SERIZAWA, in: Takahashi u.a. (Hrsg.), Kenpô hanrei hyakusen I [100 Fälle Verfassungsrecht I], 5. Aufl. (2007), S. 77. Nach SERIZAWA gibt es auch zwei neuere Urteile, die zwischen Art. 19 und Art. 21 JV unterscheiden (aber zu dem Ergebnis kommen, dass die Entschuldigung mit beiden Grundrechten vereinbar ist), nämlich OGH, Urteile vom 22.06.2004, Heisei 14 (2002) (o) Nr. 1620 sowie vom 15.07.2004, Heisei 16 (2004) (o) Nr. 911. 343 So etwa KUDÔ/HATAJIRI/HASHIMOTO, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 3. Aufl. (2006), S. 125; SHIYAKE, in: Kenpô 2, Kihon-ken [Verfassungsrecht 2, Grundrechte], 3. Auflage (2001), S. 255. 344 Die negative Meinungsfreiheit wird etwa in vielen Lehrbüchern überhaupt nicht erwähnt, siehe zum Beispiel NONAKA/NAKAMURA/TAKAHASHI/TAKAMI, in: Kenpô I [Verfassungsrecht I], 4. Aufl. (2006), S. 336 ff. IKUYO, in: Itô (Hrsg.), Gendai songai baishô-hô kôza 2 [Lehrbuch des aktuellen Schadensersatzrechts 2] (1972), S. 262, geht sogar davon aus, dass die Gewissensfreiheit stärker geschützt werden müsse als die Meinungsfreiheit und daher (!) auch das Recht auf Schweigen beinhalte. Er denkt also gar nicht daran, dass die Meinungsfreiheit auch einen Schutz des Schweigens enthalten könnte. Ein „Recht auf Schweigen“ (Chinmoku no jiyû) als „selbstverständlich“ bezeichnet dagegen ASHIBE,, in: Kenpô-gaku III [Verfassungsrechtslehre III] (1998), S. 111. In Deutschland dagegen ist die „negative Meinungsfreiheit“ als Recht, eine Meinung nicht zu äußern, unumstritten anerkannt, siehe nur JARASS/PIEROTH, GG, 11. Auflage (2011), Art. 5 Rdnr. 6b; BVerfGE 95, 173 (182) = NJW 1997, 2871. 345 OGH, Urteil vom 04.07.1956, in: Minshû Bd. 10 Nr. 7, 785.
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Gesinnung“ („rinri-teki na ikô, ryôshin“), so dass in die Gewissensfreiheit gar nicht eingegriffen werde.346 Der OGH schließt zwar nicht grundsätzlich aus, dass es Formen der Entschuldigung gibt, deren zwangsweise Durchsetzung die Gewissensfreiheit des Betreffenden verletzen kann, hat aber in dem Fall die Entschuldigungsanzeige, die der üblichen Form entsprach, für zulässig befunden. Auch wenn im Urteil keine Abgrenzung der zulässigen Fälle von Entschuldigungen erfolgte, kann man darauf aufbauend also davon ausgehen, dass zumindest die Entschuldigungsanzeigen in der üblichen Form nicht gegen die Gewissensfreiheit verstoßen. Dies lässt sich jedoch auch anders sehen. Dementsprechend ist die Ansicht des OGH umstritten und stieß schon im damaligen Urteil auf den Widerspruch der Mindermeinung, die in Ergänzungsmeinungen und Sondervoten ihre Gegenansichten darlegt, und zwar in weitaus längeren Ausführungen als die eigentliche Begründung durch die Mehrheitsmeinung. Nach der Gegenansicht umfasst die Freiheit des Gewissens nicht nur die innere Einstellung zu etwas, sondern auch die positive und negative Freiheit, eine bestimmte Meinung oder Haltung zu äußern. Sie sieht die Entschuldigung gerade als Ausdruck der eigenen ethischen Einstellung an und hält den Zwang zur Entschuldigung für einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Gewissensfreiheit.347 346
OGH, Urteil vom 04.07.1956, in: Minshû Bd. 10 Nr. 7, 785 (787/8). Diese Haltung bestätigt der OGH in Urteilen zu sogenannten Post-Notice (Posuto nôtisu) Anordnungen, bei denen ein Arbeitgeber, der rechtswidrige Maßnahmen gegen Arbeitnehmer getroffen hat, die Rechtswidrigkeit seines Handelns öffentlich machen muss. Wenn er dabei bekennen muss, dass er „zutiefst bedaure“ oder „schwöre, nie wieder eine solche Handlung zu wiederholen“, soll dies allein verdeutlichen, dass das gleiche Handeln nicht wiederholt werden wird, aber nicht das Bedauern bzw. die Scham des Betroffenen ausdrücken, und daher im Hinblick auf Art. 19 JV zulässig sein, OGH, Urteil vom 06.03.1990, in: Hanji 1357, 144 (146) sowie OGH, Urteil vom 22.02.1991, in: Hanji 1393, 145 (149). Für die Verfassungsmäßigkeit der Entschuldigungsanzeige in der Literatur auch: ÔNISHI, in: Minshô 35 (1957), S. 74; I. SATÔ, in: Hôji 29 (1957) Nr. 1, S. 31; SAWAI, in: Tekisutobukku jimu kanri, futô ritoku, fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], 3. Aufl. (2001), S. 111; SHIYAKE, in: Takahashi u.a. (Hrsg.), Kenpô hanrei hyakusen [100 Fälle Verfassungsrecht I], 5. Auflage (2007), S. 79. 347 Sondervoten der Richter Fujita, in: Minshû Bd. 10 Nr. 7, S. 799 f., und Tarumi, ebda., S. 803. Nach der Ergänzungsmeinung des Richters Irie zum Urteil des OGH würde zwar nicht die Verurteilung an sich, aber jedenfalls die zwangsweise Durchsetzung der Verurteilung gegen die Gewissensfreiheit verstoßen und wäre daher unzulässig – nur unter dieser Prämisse hält er die Verurteilung zur Entschuldigung für mit der Verfassung vereinbar, ebda., S. 796 ff. Beim Ansatz von Irie ist jedoch fragwürdig, ob die Konstruktion einer Pflicht, die nicht durchsetzbar ist, sinnvoll ist. Anders als bei Pflichten im Eheverhältnis oder in einem Arbeitsverhältnis, wo es Kooperationspflichten geben kann, die nicht zwangsweise durchsetzbar sind, handelt es sich bei der Entschuldigung nicht um eine solche Pflicht, die von der Kooperativität und vom gegenseitigen guten Willen abhängt; eine nicht durchsetzbare Pflicht
C. Die Entschuldigungsanzeige
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Neben der Frage, ob die Gewissensfreiheit überhaupt betroffen ist, ist für die Verfassungsmäßigkeit auch die Frage entscheidend, ob gerade die Entschuldigung erforderlich ist, um die Ehre wiederherzustellen, und deshalb die Persönlichkeitsrechte des Geschädigten den Rechtsbehelf rechtfertigen. Auch hier scheiden sich die Meinungen. Während nach der einen Auffassung die Ehre schon durch die Korrektur der ehrverletzenden Behauptung objektiv wiederhergestellt wird, so dass die Entschuldigung überflüssig ist,348 wird hierfür zum Teil gerade das entschuldigende Element für erforderlich gehalten.349 Letztlich ist eine zwingende logische Begründung der Haltungen nicht möglich, so dass beide Sichtweisen möglich sind. Die Mehrheitsmeinung sieht in der Entschuldigung im Grunde offenbar einen rein formalen äußeren Akt, der weder von dem Erklärenden selbst noch vom Empfänger der Mitteilung als Ausdruck einer inneren Überzeugung gewertet wird.350 Dieser Einschätzung kann man insofern zustimmen, als bei einer Praxis, in der der Zwang zur Abgabe von Entschuldigungen auch gegen den Willen des Betroffenen gang und gäbe ist, der Allgemeinheit bekannt ist, dass eine solche Äußerung nicht zwangsläufig der inneren Überzeugung des Betreffenden entspricht, so dass die Äußerung auch nicht als Ausdruck der Gesinnung des Betroffenen verstanden wird. Ein solches Verständnis beruht zwar auf einem Zirkelschluss und beinhaltet das Problem, dass das Argument, es werde keine innere Akzeptanz, sondern nur ein rein formaler und äußerlicher Akt verlangt, grundsätzlich auf fast jede Äußerung oder Tätigkeit übertragbar wäre und damit die Gefahr einer Relativierung und Aufweichung des Grundrechtsschutzes bestünde. Letztlich muss aber wohl einfach zur Kenntnis genommen
wäre daher bedeutungslos, siehe etwa IKUYO, in: Kawashima (Hrsg.), FS Wagatsuma 1 (1957), S. 403 (417). Für die Verfassungswidrigkeit der Entschuldigungspflicht auch: ASHITOMI, in:. Ryûhô 52 (1994), S. 225 ff.; DERS., in: Ryûhô 74 (2005), S. 74, 76; FUKASE, in: Itô/Horibe (Hrsg.), Masukomi hanrei hyakusen [100 Fälle Massenkommunikation], 2. Aufl. (1985), S. 141; HASEGAWA, in: Hanhyô 7 (1957), S. 9; IKUYO, in: Kawashima (Hrsg.), FS Wagatsuma 1 (1957), S. 409 ff.; DERS., in: Hôsemi 123 (1966), S. 45 f.; DERS., in: Itô (Hrsg.), Gendai songai baishô-hô kôza 2 [Lehrbuch des aktuellen Schadensersatzrechts 2] (1972), S. 262; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 508; YAMANUSHI, in: Saiken-hô kakuron [Schuldrecht Besonderer Teil], 1959, S. 265. 348 ASHITOMI, in: Ryûhô 74 (2005), S. 74 f.; KUBOTA, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen] (2007), S. 409; SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 508; SHINOMIYA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], Bd. 3 (1985), S. 473. 349 SAWAI, in: Tekisutobukku jimu kanri, futô ritoku, fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], 3. Aufl. (2001), S. 111. 350 ARIKAWA, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 143.
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und nachvollzogen werden, dass dieser Anspruch auf Entschuldigungsanzeige in Japan ein etablierter und in dieser Form akzeptierter Rechtsbehelf ist.351
D. Weitere Formen der Wiederherstellung D. Weitere Formen der Wiederherstellung I. Überblick Neben dem Anspruch auf Veröffentlichung einer Entschuldigungsanzeige werden in Japan als weitere Wiederherstellungsmaßnahmen im Sinne von § 723 JZGB – unter starkem Einfluss des deutschen Rechts – auch die Veröffentlichung einer Widerrufsanzeige (II.), sonstige Formen der Entschuldigung oder des Widerrufs (III.), ein Recht auf Gegendarstellung (IV.) sowie die Veröffentlichung eines Urteils, aus dem hervorgeht, dass eine Persönlichkeitsverletzung begangen wurde – in der Regel handelt es sich dabei um eine Verurteilung des Schädigers zu Schadensersatz – (V.) diskutiert. Zu beachten ist, dass auch diese Ansprüche in der Regel – wie auch der Entschuldigungsanspruch 352 – als Formen der Wiederherstellung behandelt werden, aber immerhin vereinzelt in der Lehre auch die Möglichkeit von Konstruktionen als Beseitigungsanspruch in Betracht gezogen wird. II. Widerrufsanzeige Die Widerrufsanzeige (Torikeshi kôkoku) als Rücknahme einer erfolgten Tatsachenbehauptung – aus japanischer Sicht also eine Entschuldigungsanzeige, von der man den entschuldigenden Teil weggenommen hat353 – wird in der japanischen Lehre vor allem von Ansichten, die den entschuldigen Teil der Entschuldigungsanzeige für verfassungswidrig oder für nicht erforderlich halten, befürwortet.354 Vereinzelt ist sie aber auch in der Rechtsprechung angewandt worden, ohne dass ersichtlich wäre, welche Besonderheiten die Fälle an sich hatten, aufgrund derer eine solche Ausnahmebehandlung gerechtfertigt gewesen 351
IKUYO, in: Kawashima (Hrsg.), FS Wagatsuma 1 (1957), S. 403, 406 f. weist darauf hin, dass diese Form der Entschuldigung in Japan historisch stark verwurzelt ist und schon in der Edo-Zeit verbreitet war. Auf die traditionelle Verwurzelung als Rechtfertigung des Instituts weisen ebenfalls hin IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 (1993) Nr. 1/2, 25 (39) („eines der Rechtsinstitute, das tief in Kultur der Japaner verankert hat“); SHINOMIYA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], Bd. 3 (1985), S. 473 („Hintergrund in den Gewohnheiten Japans“). 352 Siehe oben, Kap. 6, C.VI., S. 192 f. 353 ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 245. 354 ASHITOMI, in: Ryûhô 74 (2005), S. 64, 81; DG ÔSAKA FG SE, in: NBL 731 (2002), S. 14 (wobei hier auch die Entschuldigungsanzeige nicht abgelehnt wird); JUSTIZAUSBILDUNGSSTÄTTE (FG PSE), in: Hanta 1070 (2001), S. 10.
D. Weitere Formen der Wiederherstellung
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wäre, etwa ob es sich dabei um besonders milde Fälle einer Verletzung handelte. Beispielfälle, in denen eine solche reine Widerrufsanzeige angeordnet wurde, sind etwa: ein Fall, in dem der Lehrer einer Mittelschule (Chû-gakkô) als der Verwicklung in Hehlergeschäfte Verdächtiger dargestellt wurde, obwohl es tatsächlich keinerlei solche Verdächtigungen durch die Polizei gab;355 ein Fall, in dem Mitglieder einer Gruppierung als Drogenhändler dargestellt wurden.356 Hinsichtlich der vernichtenden Kritik an einem Arzt durch den Vorsitzenden der Ärztekammer in einem Ärzteblatt wurde die vom Geschädigten geforderte Entschuldigung abgelehnt, weil angesichts der Umstände die Rücknahme der Behauptung hinreichend sei, insbesondere weil es um einen Gegenstand öffentlichen Interesses ging, der Kritisierende eine wichtige Position innehatte, und weil es auch am Verhalten des Klägers durchaus Kritikpunkte gab. Stattdessen wurde eine Widerrufsanzeige angeordnet.357 Auch im Falle eines Artikels, in welchem dem Abgeordneten eines Präfektur-Parlaments, der zwar nicht namentlich genannt wurde, aber eindeutig erkennbar war, die Verwendung von für eine geschäftliche Auslandsreise vorgesehenen Geldern für eine private Vergnügungsreise in Japan angedichtet wurde, war eine Entschuldigung vom Geschädigten gefordert, vom Gericht aber verneint und eine Widerrufsanzeige für ausreichend erachtet worden.358 Ferner war auch gegen die Veröffentlichung eines Artikels in der Mainichi-Zeitung, dessen reißerische Überschrift für den Leser, der nur die Überschrift las, den Eindruck erweckte, dass die religiöse Gruppierung Alef (die aus der Aum-Sekte hervorgegangen war) weiterhin an der Herstellung von Sarin forscht – Schadensersatz und eine Entschuldigung gefordert worden, das Gericht ordnete jedoch nur eine Berichtigung an.359
In einigen der Fälle wird ein Entschuldigungsanspruch von vornherein nicht angesprochen, sondern – aus welchen Gründen auch immer – stattdessen nur ein Widerrufsanspruch. In einigen Fällen wurde aber ausdrücklich nur ein Widerruf gewährt, obwohl der Kläger eine Entschuldigung begehrt hatte, und zwar mit der Begründung, dass eine Entschuldigung nicht erforderlich sei und eine bloße Rücknahme ausreiche.360 Der Entschuldigungsanspruch wird also als schwerwiegenderer Eingriff als der Widerruf betrachtet und daher der Widerruf als mildere Alternative zur Entschuldigung in Betracht gezogen. Dies klingt nach deutschem Verständnis voll und ganz plausibel und überzeugend. Zu dem sonstigen Vorgehen der Praxis in Japan, die in der Regel die 355
DG Ôsaka, Urteil vom 14.12.1933, in: Hanhyô Bd. 23 Zivilrecht S. 359. OG Tokyo, Urteil vom 11.05.1954, in: Ka-minshû Bd. 5 Nr. 5, 611. 357 DG Tokyo, Urteil vom 16.10.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 10, 2464 (2465, 2488) = Hanji 388, 14 (23). 358 DG Ôsaka, Urteil vom 30.07.1968, in: Hanji 528, 15 (16, 21) = Hanta 226, 174. 359 OG Tokyo, Urteil vom 11.04.2001, in: Hanji 1754, 89 (93). Siehe dazu auch WADA, in: Hanhyô 518 (2002), S. 2 = Hanji 1773 (2002), S. 164. 360 Siehe die oben schon erwähnten Fälle DG Tokyo, Urteil vom 16.10.1964, in: Kaminshû Bd. 15 Nr. 10, 2464 (2465, 2488); DG Ôsaka, Urteil vom 30.07.1968, in: Hanji 528, 15 (16, 21); OG Tokyo, Urteil vom 11.04.2001, in: Hanji 1754, 89 (93). Ferner OGH, Urteil vom 20.07.1956, in: Minshû Bd. 10 Nr. 8, 1059, der keine eigenen Ausführungen dazu macht, aber die zweite Instanz, die entsprechend entschieden hatte, siehe Minshû Bd. 10 Nr. 8, 1072 (1072, 1078), bestätigt. 356
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Frage der Erforderlichkeit gerade der Entschuldigung überhaupt nicht diskutiert, steht dies jedoch in keiner Weise in einer Linie, sondern eigentlich im Widerspruch. Die Bedeutung eines Widerrufsanspruchs in der Praxis ist jedoch sehr beschränkt. Denn zum einen wird der Widerruf überwiegend nicht als verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch wie in Deutschland, sondern nur als eine Rechtsbehelfsvariante im Rahmen des § 723 JZGB diskutiert. Nur teilweise wird eine Konstruktion des Widerrufs als Abwehranspruch in Betracht gezogen.361 Für die Praxis, die die Entschuldigungsanzeige als übliche und verfassungskonforme Maßnahme anwendet, besteht aber kein Grund, auf diese Alternative auszuweichen. Die oben genannten Urteile, die, obwohl meist ein Entschuldigungsanspruch gefordert worden war, nur einen Widerrufsanspruch gewährt haben, scheinen aber zumindest davon auszugehen, dass der Widerruf eine mildere Rechtsfolge darstellt als die Entschuldigung.362 Zum anderen wird von Gegnern des Entschuldigungsanspruchs auch der Widerruf teilweise genau so für verfassungswidrig gehalten wie die Entschuldigung, weil man hinsichtlich der Entscheidung, was richtig und falsch ist, gezwungen werde, sich entgegen der eigenen Überzeugung zu äußern,363 so dass sich auch hier Probleme hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit ergäben. Aus den einzelnen Urteilen, die einen Widerrufsanspruch gewähren, lässt sich daher weniger der Schluss ziehen, dass ein solcher Anspruch in Japan anerkannt ist, sondern vielmehr wird daran deutlich, dass das System der Rechtsfolgen bei Persönlichkeitsverletzungen in Japan teilweise umstritten und noch nicht bis ins Letzte logisch stringent ausgeformt ist. III. Sonstige Formen der Entschuldigung oder des Widerrufs Vereinzelt wurden als Maßnahme im Sinne von § 723 JZGB auch folgende Varianten einer Entschuldigung bzw. eines Widerrufs angewandt: 1. Die Pflicht zur Übergabe eines persönlichen Entschuldigungsschreibens des Schädigers an den Geschädigten. Allerdings wurde ein solcher Anspruch nur durch ein Distriktgericht bejaht,364 während der OGH eine solche Maßnahme ablehnte. Nach dem OGH kommt zur Wiederherstellung der Ehre als der gesellschaftlichen Achtung nur eine Maßnahme in Betracht, die sich auch an die Gesellschaft wendet. Nur bei einer bloßen Verletzung des Ehrgefühls
361
Dazu schon oben, Kap. 6, C.VI., S. 192 f., und D.I., S. 198. Siehe oben, Kap. 6 Fn. 360. 363 IKUYO, in: Hôsemi 123 (1966), S. 47; DERS., in: Itô (Hrsg.), Gendai songai baishô-hô kôza 2 [Lehrbuch des aktuellen Schadensersatzrechts 2] (1972) S. 263 f. ASHITOMI, in: Ryûhô 52 (1994), S. 227 f., hält einen Zwang zumindest für eine Verletzung der Rechte des Schädigers aus Art. 13 JV. 364 DG Ôsaka, Urteil vom 18.05.1966, in: Hanji 463, 51 (53). 362
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wäre auch ein persönliches Schreiben ausreichend; hier besteht jedoch wiederum kein Wiederherstellungsanspruch.365 2. Die Pflicht zur Übersendung einer Entschuldigung an bestimmte Personen, die etwa in Bezug auf die Geschäftspartner des von einer Rufschädigung betroffenen Unternehmers schon bejaht worden ist.366 3. Die persönliche Entschuldigungserklärung vor Gericht. Überwiegend wird dies jedoch abgelehnt.367 4. In Fällen, in denen eine Ehrverletzung nur innerhalb eines begrenzten Kreises geschieht, der Aushang einer Entschuldigung oder eines Widerrufs an geeigneten Orten, etwa innerhalb eines Unternehmens.368 Auch hier gilt das oben zum Widerrufsanspruch Gesagte, dass es sich eher um Einzelfälle als um Teile eines fertig ausgeformten Systems handelt. Die Fälle geben jedoch eine Anregung dazu, welche Vielfalt an Maßnahmen als Rechtsbehelfe denkbar wären. IV. Recht auf Gegendarstellung Ein Recht auf Gegendarstellung (Hanron-ken), also die Möglichkeit, dass der Geschädigte im gleichen Medium wie dem, in dem eine persönlichkeitsverletzende Veröffentlichung erfolgt ist, die eigene Sicht darlegen kann, wird in der japanischen Rechtswissenschaft ebenfalls als möglicher Rechtsbehelf diskutiert. Um einen solchen Anspruch dogmatisch zu begründen, ist zum einen der Weg denkbar, die Gegendarstellung als eine Variante von Wiederherstellungsmaßnahme unter § 723 JZGB zu fassen, zum anderen der Versuch, eine andere Grundlage für einen Gegendarstellungsanspruch zu finden. Beide Ansätze finden sich in der japanischen Diskussion. Der erstere Weg, nämlich die Konstruktion eines Gegendarstellungsanspruchs als Wiederherstellungsmaßnahme, wird in der Literatur zum Teil für möglich gehalten.369 Eine Gegendarstellung soll nach den Befürwortern eine geeignete Wiederherstellungsmaßnahme sein und auch keine übermäßige Beschränkung der Pressefreiheit darstellen. Die Gegendarstellung soll nämlich keinen stärkeren Eingriff in die Pressefreiheit bilden als der von der Rechtsprechung unbestritten anerkannte Rechtsbehelf der Entschuldigungs-
365 OGH, Urteil vom 18.12.1970, in: Minshû Bd. 24, 2151 (2152 f.). So auch ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 246. 366 DG Fukuoka, Urteil vom 19.03.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 3, 563. 367 Vgl. ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 246. 368 DG Tokyo, Urteil vom 06.08.1966, in: Hanji 535, 80 = Hanta 226, 131; DG Yokohama, Abt. Kawasaki, Urteil vom 24.03.1969, in: Rôdô kankei minji hanrei-shû [Sammelband Arbeitsrechtliche zivilrechtliche Rechtsprechung] Bd. 20 Nr. 2, 307. 369 ASHITOMI, in: Ryûhô 48 (1992), S. 249; DERS., in: Ryûhô 74 (2005), S. 78; IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 38; TAJIMA, in: Hôji 67 (1995) Nr. 8, S. 20.
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anzeige.370 Einem Teil der Befürworter zufolge soll die Gegendarstellung im Gegenteil sogar den geringeren Eingriff bilden als die Entschuldigungsanzeige, weil die Gegendarstellung nicht vom Verletzer selbst abgegeben werden muss, auch nicht etwa von einer offiziellen Autorität ausgeht und daher eine geringere Korrekturwirkung hat als die Entschuldigung oder auch als der Widerruf.371 Umgekehrt kann man gerade aufgrund dieser Subjektivität aber auch die Eignung der Gegendarstellung zu einer Wiederherstellung anzweifeln. So wird zum Teil argumentiert, dass die Gegendarstellung deshalb, weil ihr Inhalt und ihr Wortlaut dem Geschädigten frei überlassen wird, vom Leser als bloß subjektive Gegenmeinung verstanden werde. Sie führe dadurch nur zu einer subjektiven Befriedigung, nicht aber zur objektiven Wiederherstellung der Ehre des Geschädigten in der Gesellschaft.372 Zudem soll die Gegendarstellung die Gefahr eines übermäßigen Rückschlags und damit einer Vergrößerung und Vertiefung des Streites bergen, weil Inhalt und Umfang der Korrektur dem Geschädigten überlassen wird, und sich auch aus diesem Grunde nicht zu einer Wiederherstellung eignen.373 Der zweite Weg einer Herleitung eines Gegendarstellungsanspruchs auf sonstiger Grundlage ist ebenfalls schwierig. Zum Teil wird eine Herleitung als Beseitigungsanspruch angedacht; 374 ferner gibt es einzelne Versuche einer Herleitung von Gegendarstellungsansprüchen direkt aus der Verfassung.375 Letztlich wird aber de lege lata realistisch gesehen das Bestehen eines Gegendarstellungsanspruchs aufgrund der klaren Ablehnung der Rechtsprechung zumindest außerhalb von § 723 JZGB ganz überwiegend verneint376 und ein solcher Anspruch nur de lege ferenda befürwortet.377 370
SHIMIZU, in: Jurisuto 891 (1987), S. 106. ASHITOMI, in: Ryûhô 74 (2005), S. 79; TAJIMA, in: Hôji 67 (1995) Nr. 8, S. 20. So auch MASANARI SAKAMOTO, in: Hanhyô 354 (1988), S. 44 = Hanji 1276 (1988), S. 190, der aber letztlich die Ablehnung durch den OGH mangels gesetzlicher Grundlage für richtig hält, sowie USAKI, in: Hôji 60 (1988) Nr. 3, S. 99, der auch nur eine Einführung de lege lata – und nicht eine Anwendung im Rahmen des § 723 JZGB – befürwortet. 372 So die Argumentation bei SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 509 f. 373 DG ÔSAKA FG SE, in: NBL 731 (2002), S. 15. 374 So etwa von ASHITOMI, in: Ryûhô 50 (1993), S. 117 f. 375 ITÔ u.a. (Diskussionsrunde), in: Shinbun kenkyû 314 (1977), S. 74; OKUHIRA, in: Shiru kenri [Recht auf Kenntnis] (1979), S. 8. 376 ASHIBE/TAKAHASHI, in: Kenpô [Verfassungsrecht], 5. Aufl. (2011), S. 174; IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 38; MASANARI SAKAMOTO, in: Hanhyô 354 (1988), S. 44 = Hanji 1276 (1988), S. 190 (befürwortet Anspruch, akzeptiert Ablehnung durch den OGH aber mangels gesetzlicher Grundlage); USAKI, in: Hôji 60 (1988) Nr. 3, S. 96. 377 IGARASHI, in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 38 (hält Anspruch auch de lege lata theoretisch für möglich, hat aber wenig Hoffnung auf tatsächliche Anerkennung durch Rechtsprechung als Wiederherstellungsmaßnahme und plädiert daher für die Einführung einer Gegendarstellung in der Form wie in Deutschland); TAJIMA, in: Hôji 67 (1995) Nr. 8, S. 20 371
D. Weitere Formen der Wiederherstellung
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Geprägt wird die Diskussion hinsichtlich der Frage nach der Existenz eines Gegendarstellungsanspruchs im japanischen Recht von der Rechtsprechung im sogenannten Fall „Sankei-Zeitung“, in dem die Kommunistische Partei von der Sankei-Zeitung verlangt hatte, die Möglichkeit zur kostenlosen Veröffentlichung einer Gegendarstellung eingeräumt zu bekommen, nachdem in der Sankei-Zeitung kritische Äußerungen der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) über die Kommunistische Partei veröffentlicht worden waren. Im Ergebnis lehnten alle drei Instanzen den Anspruch ab.! Am weitesten in Richtung einer Anerkennung eines Gegendarstellungsanspruchs ging dabei noch die erste Instanz. Diese äußert nämlich in einem Obiter dictum, dass nach Auffassung des Gerichts „die ‚geeigneten Maßnahmen’ im Sinne des § 723 JZGB unter Umständen auch die Veröffentlichung einer Gegendarstellung umfassen können“. Das Gericht geht also davon aus, dass die Gegendarstellung unter die Wiederherstellungsmaßnahmen i.S.d. § 723 JZGB gefasst werden können. Im konkreten Fall sah das Gericht aber gar keine Ehrverletzung als gegeben an, so dass ein Anspruch aus § 723 JZGB ausschied.378 Die weiteren Instanzen bestätigten das Urteil der ersten Instanz, allerdings gaben diese keine Stellungnahme zum Umfang des § 723 JZGB mehr ab. Ein Anspruch aus § 723 JZGB kam für das OG und den OGH nicht in Betracht, weil schon eine Ehrverletzung abgelehnt wurde.379 Daher fehlt es in Japan an einer Anerkennung des Gegendarstellungsanspruchs. Die bisherige Rechtsprechung schließt die künftige Anerkennung eines Anspruchs aber auch nicht aus. Die Herleitung eines Gegendarstellungsrechts außerhalb des Deliktsrechts wird dagegen in allen Instanzen deutlich abgelehnt. 380 Für eine so weitreichende Beschränkung der Pressefreiheit, bei der die Zeitung entgegen der eigenen Überzeugung einen Teil ihres Blattes hergeben müsse und die Gefahr bestehe, dass Zeitungen vorsichtiger mit der Veröffentlichung kritischer Artikel würden, gebe es keine gesetzliche Grundlage.381 Insofern besteht mit der eher ablehnenden Haltung gegenüber einem Gegendarstellungsanspruch in Japan ein Unterschied zum deutschen Recht, wo das konkrete Gegendarstellungsrecht sich zwar aus der ausdrücklichen positiv-rechtlichen Normierung ergibt, aber darüber hinaus auch Folge einer (hält Anspruch für möglich nur im Rahmen von § 723 JZGB, wünscht sich aber klare gesetzliche Regelung). 378 DG Tokyo, Urteil vom 13.07.1977, in: Hanji 857, 30 (64). 379 OG Tokyo, Urteil vom 30.09.1980, in: Hanji 981, 43 (49 f.), sowie OGH, Urteil vom 24.04.1987, in: Minshû Bd. 41 Nr. 2, 490 (494 ff.). 380 DG Tokyo, Urteil vom 13.07.1977, in: Hanji 857, 30 (60); OG Tokyo, Urteil vom 30.09.1980, in: Hanji 981, 43 (49, 50); OGH, Urteil vom 24.04.1987, in: Minshû Bd. 41 Nr. 3, 490 (494 ff). 381 OGH, Urteil vom 24.04.1987, in: Minshû Bd. 41 Nr. 3, 490 (495 f.).
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
verfassungsrechtlich bedingten staatlichen Schutzpflicht zur Bereitstellung ausreichender Rechtsbehelfe gegen Persönlichkeitsverletzungen ist. Diese verfassungsrechtliche Pflicht wird mit der Reichweite und dem Einfluss der Presseberichterstattung begründet, der ein Individuum, dem eigene Angelegenheiten unzutreffend dargestellt scheinen, in der Regel nicht mit Aussicht auf die selbe publizistische Wirkung entgegentreten kann.382 In der japanischen Diskussion fällt dagegen auf, dass die Gewährung eines Gegendarstellungsrechts als im Hinblick auf die Pressefreiheit verfassungsrechtlich problematisch angesehen zu werden scheint. V. Veröffentlichung des Urteils? Weiter wird als eine Variante von Wiederherstellungsmaßnahmen nach § 723 JZGB eine Veröffentlichung des Urteils, mit dem der Schädiger wegen einer Persönlichkeitsverletzung verurteilt wird, vorgeschlagen, auch in Teilen oder in Form einer Zusammenfassung,383 eine Maßnahme, die, wie oben besprochen, auch in Deutschland vereinzelt bejaht wird.384 Eine solche Maßnahme würde nach Ansicht der Befürworter dazu dienen, der Öffentlichkeit die Beurteilung des Handelns des Schädigers als rechtswidrig mitzuteilen, ohne dass eine persönliche Einsicht oder Entschuldigung verlangt wird. Deshalb soll die Maßnahme Probleme im Hinblick auf Art. 19 JV vermeiden.385 In der Literatur gibt es aber ablehnende Haltungen dahingehend, dass dem Ermessen des Gerichts mit einer solchen Möglichkeit ein zu weitgehender Einfluss eingeräumt werde, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gebe, und dass ferner die Vollstreckung schwierig sei.386 In der Praxis ist ein solcher Anspruch von Geschädigten durch eine Persönlichkeitsverletzung in Einzelfällen gefordert worden, wurde aber vom Gericht jeweils zumindest bezüglich des konkreten Falls abgelehnt und hat sich bisher nicht durchgesetzt. Abgelehnt wurde die Veröffentlichung einer Verurteilung etwa in einem Fall um einen Artikel über einen Arzt, in dem diesem die Verantwortung für die Verwendung aidsverseuchter Blutkonserven zugeschrieben und in dem dieser als Massenmörder um des eigenen wirtschaftlichen Vorteils willen bezeichnet wurde. Grund für die Verneinung des Anspruchs war allerdings keine allgemeine Ablehnung der Zulässigkeit eines solchen Rechtsbehelfs, sondern es wurde argumentiert, dass die Ehre unter anderem durch den Freispruch des Arztes 382 BVerfGE 63, 131 (142 f.) = NJW 1983, 1179 (1180); BVerfGE 97, 125 (148) = NJW 1998, 1381 (1382). 383 ASHITOMI, in: Ryûhô 52 (1994), S. 218; DERS., in: Ryûhô 74 (2005), S. 80; IKUYO, in: Kawashima (Hrsg.), FS Wagatsuma, Bd. 1 (1957), S. 419; ITÔ, in: Hôgaku kyôkai zasshi 74 Nr. 4 (1957), S. 546 f.; KUSANO, in: Shinoda, Saiban jitsumu taikei, Fuhô kôi soshô 1 [Rechtsprechungspraxis Deliktsrechtsklagen 1] (1991), S. 316 f. 384 Siehe oben, Kap. 2, B.II., S. 18. 385 SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 508. 386 TAKEDA, in: Meiyo/puraibashî shingai [Ehre und Privatsphäre] (1982), S. 176, Fn. 29.
D. Weitere Formen der Wiederherstellung
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im strafrechtlichen Verfahren wegen fahrlässiger Tötung schon so weit wiederhergestellt sei, dass zur Wiederherstellung eine Veröffentlichung des Urteils zusätzlich zu der Verurteilung zum Schadensersatz nicht erforderlich sei.387 In einem Fall, in welchem dem Insolvenzverwalter für ein Unternehmen, das mit betrügerischen Methoden großen gesellschaftlichen Schaden verursacht hatte, irrtümlich die anwaltliche Vertretung eines Unternehmens, dem ähnliche betrügerische Methoden vorgeworfen wurden, unterstellt und dessen moralische Integrität und Eignung zur Durchführung des Insolvenzverfahrens daher in Frage gestellt worden war, wurde ein Anspruch auf Veröffentlichung einer Zusammenfassung des Urteils mangels gesetzlicher Grundlage abgelehnt und stattdessen ein Entschuldigungsanspruch gewährt.388 Dabei entsprach der Inhalt der zu veröffentlichenden Entschuldigung jedoch dem Urteilstenor, so dass der Geschädigte faktisch das bekam, was er begehrt hatte.389 Für einen Fall der Puraibashî-Verletzung durch die Veröffentlichung von Vorstrafen in dem Magazin „Sunday Mainichi“ wurde ein Anspruch auf Veröffentlichung des Urteils mit dem bekannten Argument abgelehnt, dass bei Verletzungen der Puraibashî eine Wiederherstellung nicht möglich sei.390 Das Urteil sagt also letztlich nichts darüber aus, ob eine Veröffentlichung des Urteils als Rechtsbehelf gegen Persönlichkeitsverletzungen grundsätzlich in Betracht kommt, sondern beschäftigt sich vielmehr mit dem bekannten Problem, ob gegen Puraibashî-Verletzungen ein Wiederherstellungsanspruch besteht. Indem es dies verneint, verneint es allerdings einen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung zumindest für alle Fälle einer Verletzung der Puraibashî.391!
VI. Pflicht zur Korrektur nach dem Rundfunkgesetz Nach Art. 4 Abs. 1 des japanischen Rundfunkgesetzes392 besteht bei Rechtsverletzungen durch die Sendung von unwahren Inhalten die Pflicht eines Sendeunternehmens zu einer korrigierenden oder widerrufenden Sendung (Teisei hôsô bzw. Torikeshi hôsô). Das OG Tokyo hat daraus ein subjektives Recht des Geschädigten auf eine solche Sendung herausgelesen,393 so dass aufgrund dieser Vorschrift bei Rundfunksendungen also ein zusätzlicher Rechtsbehelf besteht. Allerdings ist diese Lesart der Vorschrift umstritten. Nach der Gegenauffassung handelt es sich um eine rein öffentlich-rechtliche Pflicht, aus der keine subjektiven Ansprüche der Betroffenen hergeleitet werden können.394 Folge letzterer Auffassung ist, dass allein auf der Grund387
DG Tokyo, Urteil vom 30.07.2001, in: Hanta 1118, 182 (209). DG Ôsaka, Urteil vom 23.10.1992, in: Hanji 1474, 108 (127). 389 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 261. 390 DG Tokyo, Urteil vom 27.03.1992, in: Hanji 1424, 72 (75), und OG Tokyo, Urteil vom 21.12.1992, in: Hanji 1446, 61 (64). Vgl. oben, 6, C.III.1., S. 183 ff. 391 Gegen eine Anwendung bei Verletzungen der Puraibashî auch ASHITOMI, in: Ryûhô 52 (1994), S. 220. 392 Hôsô-hô, Gesetz Nr. 123/1950 i.d.F. vom Gesetz Nr. 74/2011. 393 OG Tokyo, Urteil vom 18.07.2001, in: Hanji 1761, 55. 394 OGH, Urteil vom 25.11.2004, in: Minshû Bd. 58 Nr. 8, 2326 (2331); SHIGENORI MATSUI, in: Hôji 74 (2002) Nr. 1, S. 40. Eine vermittelnde Auffassung vertritt ÔISHI, in: Hanhyô 521 (2002), S. 21 = Hanji 1782, S. 191, der zwar befürwortet, dass das Rundfunkgesetz auch dem Einzelnen subjektive Rechte einräumt, aber ein Recht auf eine korrigierende Sendung zumindest dann für einen verfassungswidrigen Eingriff in die Meinungsfreiheit der 388
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
lage von § 723 JZGB eine erneute Sendung – nach den oben erläuterten Grundsätzen der japanischen Praxis in der Regel eine Entschuldigungssendung – verlangt werden kann.
E. Anspruch auf Unterlassung E. Anspruch auf Unterlassung I. Überblick Die Ausgestaltung des Anspruchs auf Unterlassung (Sashitome) bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch die Medien ist in Japan im Vergleich zum deutschen Recht von zwei Besonderheiten geprägt. 1. Erfordernis besonderer Voraussetzungen in konstruktiver Hinsicht Eine der Besonderheiten ist die schon bei der Darstellung der zivilrechtlichen Grundlagen erörterte fehlende Herausbildung von klar abgegrenzten absoluten Rechtspositionen insbesondere im Schadensersatzrecht, aber auch in der bisherigen Praxis der Unterlassungsansprüche.395 Die Situation ist daher anders als in Deutschland, wo sowohl für einen Unterlassungsanspruch als auch für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB die Verletzung eines absoluten Rechts vorliegen muss. Dies hat in Deutschland zu einer klaren Herausbildung der absolut geschützten Rechtspositionen geführt und ermöglicht es in der Folge, dass aus einer drohenden oder aktuellen Verletzung eines solchen Rechts quasi automatisch ein Unterlassungsanspruch folgt. Dieser Automatismus funktioniert in Japan aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslage gerade nicht. Die Idee eines abwehrrechtlichen Ansatzes zur Konstruktion des Unterlassungsanspruchs ist in Japan im Prinzip zwar auch vorhanden. Die genaue dogmatische Grundlage und die Frage, für welche Rechte oder Interessen die Unterlassung von Verletzungshandlungen verlangt werden kann, ist jedoch nicht so klar wie in Deutschland, sondern vielmehr hoch umstritten.396 Zweitens werden in Japan besondere Anforderungen an die konkrete Art der Verletzung gestellt, die einen Unterlassungsanspruch begründen können. Die genauen Voraussetzungen für den Unterlassungsanspruch sind dabei umstritten. Einigkeit besteht nur, dass eine bloße „gewöhnliche“ Rechtsverletz-
Medien hält, wenn auch bei Sendungen mit öffentlichem Zweck und in Fällen, in denen der Berichtende angemessene Gründe hatte, von der Wahrheit auszugehen, ein solches Recht bejaht würde. 395 Siehe oben, Kap. 3, B., S. 33 ff., Kap. 6, A.II., S. 145. 396 Hinweis auf diesen Unterschied bei HARASHIMA, in: Hô no kagaku 4 (1976), S. 93; ÔTSUKA, in: Minshô 116 (1997), S. 527 f.
E. Anspruch auf Unterlassung
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ung nicht ausreicht und die Voraussetzungen enger als beim Schadensersatz sind. Der Schwerpunkt der Diskussion um den Unterlassungsanspruch in Japan liegt dabei auf diesem zweiten Aspekt, also den genauen Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch; das Problem der Abgrenzung zwischen Beeinträchtigungen eines Kenri [Rechts] und eines nicht als Kenri einzustufenden Rieki [geschützten Interesses] wird meist allenfalls angerissen und nur vereinzelt ausführlicher besprochen.397 Es ist daher zu vermuten, dass das erste Problem in der Praxis meist übergangen wird und die erforderlichen Restriktionen hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Unterlassungsanspruchs über den zweiten Aspekt erreicht werden. 2. Erfordernis besonderer Voraussetzungen aufgrund anderer Gewichtung des Anspruchs Neben dieser eher dogmatisch-konstruktiven Besonderheit wird im Rahmen der Diskussion des Unterlassungsanspruchs in Japan aber noch eine weitere Besonderheit mit grundsätzlicherer Bedeutung erkennbar. Auch wenn die besonderen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs im Vergleich zum Deliktsrecht zum Teil wohl, wie eben erläutert, durch das Erfordernis der Eingrenzung des Anwendungsbereichs bedingt sind, gehen nämlich die Einschränkungen über eine bloß konstruktive Kompensation der fehlenden Konturierung des Rechtsbegriffs hinaus. Vielmehr wird immer wieder deutlich, dass man in Japan in der Unterlassung als vorbeugendem (jizen-teki) Rechtsbehelf einen stärkeren Eingriff in die Rechte des Verletzers sieht als beim Schadensersatz, der nur nachträglich (jigo-teki) eingreift. Ein vorbeugender Rechtsbehelf gegenüber Medien stellt zwar anerkanntermaßen keine verfassungswidrige Zensur i.S.v. Art. 21 Abs. 2 JV dar und ist daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen.398 Ein Unterlassungsanspruch gegenüber Medien wird aber als weitreichende Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit nur zurückhaltend angewandt.399 Während der Unterlassungs397
Vgl. ÔTSUKA, in: Minshô 116 (1997), S. 503, der sich für die Notwendigkeit einer Abgrenzung einsetzt, ebda., S. 511, 527; seiner Theorie folgend für die Notwendigkeit einer Abgrenzung auch FUJIOKA, in: ders. (Hrsg.), Shin gendai songai baishô-hô kôza 2 [Neues Lehrbuch zum Schadensersatzrecht 2] (1998), S. 33 f. Das Bewusstsein der Notwendigkeit der Abgrenzung zeigt sich auch in der Mindermeinung des Richters Dandô im Urteil des OGH vom 16.12.1981, in: Minshû Bd. 35 Nr. 10, 1369 (Fall Ôsaka International Airport), dort S. 1409. 398 OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 (876) (Fall HoppôJournal); ICHII, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 155. 399 OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 (878/9) (Fall HoppôJournal); IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 271 f.;
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anspruch in Deutschland der einfachste und in der Praxis vorherrschende Rechtsbehelf400 und damit der primäre Rechtsbehelf gegen Persönlichkeitsverletzungen ist,401 ist dies in Japan nicht der Unterlassungsanspruch, sondern der Schadensersatz.402 Hier zeigt sich also wieder die grundsätzlich umgekehrte Gewichtung von Unterlassung bzw. Beseitigung einerseits und Schadensersatz andererseits in Deutschland und Japan.403 Im Folgenden wird entsprechend zunächst die Diskussion um die dogmatische Grundlage des Unterlassungsanspruchs in Japan und die Geschichte seiner Entwicklung (II.) und anschließend die Diskussion um die Anforderungen an die Art der Verletzung vorgestellt (III.). Abschließend wird ein rechtsvergleichendes Fazit gezogen (IV). II. Dogmatische Grundlage des Unterlassungsanspruchs Wie schon im Überblick zu den zivilrechtlichen Grundlagen erwähnt, gibt es auch in Japan keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für einen Unterlassungsanspruch gegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts. Für die klassischen Persönlichkeitsrechte mit Kenri [Rechts]-Charakter lässt sich der Unterlassungsanspruch heute im Grunde, wie auch in Deutschland, als Abwehrrecht konstruieren. Diese Begründung ist aber bei weitem nicht so unproblematisch wie in Deutschland, sondern um die Grundlage eines Unterlassungsanspruchs findet sich in Japan eine kontroverse und äußerst vielschichtige Diskussion. Denn zum einen ist der Bereich der als Kenri anzuerkennenden Persönlichkeitsrechte nicht eindeutig abgegrenzt,404 so dass es zu Schwierigkeiten kommt, sobald man den gesicherten Bereich der Kenri verlässt.
DERS., in: Sapporo hôgaku 4 Nr. 1/2 (1993), S. 36; Y. INOUE, in: Hôkyô 252 (2001), S. 36 f. Betonung der starken Unterdrückungswirkung auch UCHIDA, in: Hanta 1188 (2005), S. 79. 400 BARTON, in: AfP 1995, S. 455, wonach der Anspruch auf Unterlassung neben dem auf Gegendarstellung der im Medienbereich am häufigsten geltend gemachte Anspruch ist; RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 214; vgl. auch IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 272 gerade im rechtsvergleichenden Blick zu Japan. 401 HARASHIMA, in: Hô no kagaku 4 (1976), S. 57, 62; IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 272; Y. INOUE, in: Hôkyô 252 (2001), S. 35; TAKEDA, in: Jurisuto 867 (1986), S. 31; ebenso TSUKADA, in: NBL 690 (2000), S. 8 bezüglich des Unterlassungsanspruchs nach Art. 24 Wettbewerbsgesetz. 402 TAKEDA, in: Jurisuto 867 (1986), S. 31; vgl. auch SHIOMI, in: Fuhô kôi-hô [Recht der unerlaubten Handlungen], 1. Aufl. (1999), S. 499, der darauf hinweist, dass sich bezüglich der Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit auch die Frage stellt, „ob nicht die Anordnung von Schadensersatz ausreicht [!]“. 403 Siehe oben, Kap. 6, A.II., S. 145 ff., Kap. 6, C.IV., S. 187 ff. 404 Siehe oben, Kap. 3, B., S. 33 ff.
E. Anspruch auf Unterlassung
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Ferner umfasst der Bereich des Persönlichkeitsrechts sehr verschiedenartige Aspekte. Neben den hier interessierenden Aspekten des Ehr- und Privatsphärenschutzes gehören in Japan zum typischen Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte nämlich etwa auch bestimmte Beeinträchtigungen in der Lebensführung (Seikatsu bôgai [Lebensbeeinträchtigungen]) wie die Behinderung des Zugangs zu einer Straße405 oder die Schädigung durch Lärm oder Umweltverschmutzung.406 Manche Diskussionen liefern dabei Begründungsansätze, die sich auf bestimmte einzelne Bereiche unter diesen Aspekten beziehen. Für das Verständnis der historischen Entwicklung der Dogmatik des Unterlassungsanspruchs ist insbesondere wichtig, dass die Entwicklung maßgeblich im Bereich der Lebensbeeinträchtigungen erfolgte407 und auf die Besonderheiten dieser Art von Verletzungen zugeschnitten ist. Andererseits werden aber auch grundlegende Versuche unternommen, eine umfassende Erklärung für jegliche Unterlassungsansprüche, auch solche außerhalb des Bereichs des Persönlichkeitsschutzes wie insbesondere etwa im Wettbewerbsrecht, zu geben. Zum Bereich der sogenannten Lebensbeeinträchtigungen (Seikatsu bôgai), in dem sich der Gedanke von Persönlichkeitsrechten als Abwehrrechten zunächst entwickelte, werden Belästigungen in nachbarschaftlichen Verhältnissen durch Immissionen oder etwa eine Abschirmung der Sonneneinstrahlung sowie Lärm- und Umweltschäden durch Verkehrs- oder Industrieanlagen gezählt. Zunächst hatte man versucht, Unterlassungsansprüche gegen solche Belästigungen über sehr weit gefasste Abwehrrechte aus Eigentum zu begründen. 408 Vor allem im Bereich der Massenschäden durch Lärm und Umweltverschmutzung ließ sich dieser eigentumsbezogene Ansatz aber nicht halten; stattdessen bildete sich die Begründung von Unterlassungsansprüchen über Persönlichkeitsrechte der Betroffenen heraus, die einen Schutz vor solchen Umweltschäden erforderten.409 Diese Entwicklung bedeutet also die 405 OGH, Urteil vom 18.12.1997, in: Minshû Bd. 51 Nr. 10, 4241 (4243); OGH, Urteil vom 27.01.2000, in: Hanji 1703, 131 (133); OGH, Urteil vom 23.03.2006, in: Hanji 1932, 85 (87). 406 DG Ôsaka, Urteil vom 27.02.1974, in: Hanji 729, 3 (64); DG Ôsaka, Urteil vom 27.11.1975, in: Hanji 797, 36 (70); DG Tokyo, Urteil vom 31.08.2010, in: Hanji 2088, 10 (51); FUJIOKA, in: ders. (Hrsg.), Shin gendai songai baishô-hô kôza 2 [Neues Lehrbuch zum Schadensersatzrecht 2] (1998), S. 22, 28 ff. 407 Hinweis auf diese Besonderheit gegenüber dem deutschen Recht bei H. SAITÔ, in: Jinkakuken-hô no kenkyû [Studien zum Persönlichkeitsrechtsschutz] (1979), S. 358. 408 DG Fukui, Urteil vom 18.10.1950, in: Ka-minshû Bd. 1 Nr. 10, 1663 (1667); DG Saga, Urteil vom 02.11.1956, in: Ka-minshû Bd. 7 Nr. 11, 3101 (3105); DG Nagoya, Urteil vom 30.09.1967, in: Hanji 516, 37. 409 Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung DG Ôsaka, Urteil vom 27.02.1974, in: Hanji 729, 3 (64) und OG Ôsaka, Urteil vom 27.11.1975, in: Hanji 797, 36 (70 f.), wo es um die Zulässigkeit von Nachtlandungen auf dem Ôsaka International Airport ging, sowie DG Nagoya, Urteil vom 11.09.1980, in: Hanji 976, 40 (354 ff.) und OG Nagoya, Urteil vom
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Anerkennung, dass Persönlichkeitsrechte Abwehrrechte gegenüber Dritten in Form von Unterlassungsansprüchen begründen. Im Bereich der Lebensbeeinträchtigungen, wo der Rechtscharakter der betroffenen Interessen vager ist als im Bereich der Ehre,410 bleibt die Begründung von Unterlassungsansprüchen über den persönlichkeitsrechtlichen Ansatz allerdings weiterhin durchaus umstritten; diskutiert wird etwa außer einem schadensersatzrechtlichen Ansatz411 auch die Konstruktion eines „Rechts auf Umwelt“.412 Im Bereich des Ehren- und Privatsphärenschutzes ist demgegenüber zunächst für die Ehre als klassischem Persönlichkeitsrecht und anerkanntem Kenri ein Unterlassungsanspruch im Fall Hoppô Journal von 1986 anerkannt worden, weil „das Recht auf Ehre als Persönlichkeitsrecht“ „ein Recht (ist), dem ebenso wie bei einem dinglichen Recht Ausschließlichkeit zukommt“.413 Diese Einordnung der Ehre als absolutes Abwehrrecht ist seither weitgehend unumstritten.414 Teilweise wird das Hoppô Journal-Urteil darüber hinaus als Anerkennung eines abwehrrechtlichen Charakters der Persönlichkeitsrechte allgemein, also nicht nur der Ehre, verstanden.415 Teilweise zeigt man aber Zurückhaltung gegenüber einer Verallgemeinerung von der Ehre – als einem der wichtigsten Rechtsgüter neben Leben und Gesundheit – auf alle Elemente der Persönlichkeitsrechte (Jinkaku-ken).416 Trotz aller Einschränkungen sind im Ergebnis 12.04.1985, in: Hanji 1150, 30 (53 f.), zu Lärmbelästigungen durch den Schnellzug Shinkansen. In der Literatur befürwortet von HARASHIMA, in: Kyûdai hôsei kenkyû 46, Nr. 2– 4 (1980), S. 286 ff.; H. SAITÔ, in: Hanji 976 (1980), S. 12; YOSHIMI, in: Jurisuto 490 (1971), S. 16 ff., 493 (1971), S. 107 ff., 494 (1971), S. 113 ff. 410 ÔTSUKA, in: Minshô 116 (1997), S. 511. 411 NOMURA, in: Kanazawa (Hrsg.), Chûshaku kôgai-hô taikei [Kommentar zum Umweltrecht] Bd. 4 (1971), S. 380 f.; NOMURA/AWAJI, in: Jurisuto 492 (1973), S. 241. 412 ISHIDA, in: ders., Sashitome seikyû to songai baishô [Unterlassungsanspruch und Schadensersatz], 1987, S. 3 ff.; NAKAYAMA, in: Kagawa hôgaku Bd. 10 Nr. 2 (1990), S. 1 ff., Bd. 10 Nr. 3/4 (1991), S. 155 ff., Bd. 11 Nr. 2 (1991), S. 1 ff., Bd. 13 Nr. 1 (1993), S. 59 ff. 413 DG Sapporo, Urteil vom 05.11.1980, in: Hanji 1010, 91 (98); OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 (877). Später etwa auch DG Tokyo, Urteil vom 13.10.1988, in: Hanji 1290, 48 (52); OG Tokyo, Urteil vom 15.02.2001, in: Hanji 1741, 68 (81) und OGH, Urteil vom 24.09.2002, in: Hanji 1802, 60 (63) (Fall „Der in Stein schwimmende Fisch“). 414 Siehe etwa IGARASHI, in: Jinkakuken-ron [Lehre des Persönlichkeitsrechts] (1989), S. 8; DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 274 f.; SAITÔ, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 115. 415 YAMAMOTO, in: Takahashi (Hrsg.), Minpô hanrei hyakusen I [100 Fälle zum Zivilrecht I], 6. Aufl. (2009), S. 11. 416 K. KATÔ, in: Jurisuto 867 (1986), S. 58; SUDÔ, in: Hôritsu no hiroba 39 Nr. 10 (1986), S. 27, Fn. 16; TAKEDA, in: Jurisuto 867 (1986), S. 26 („natürlich keine Grundlage zur Bejahung von Unterlassungsansprüchen auf der Grundlage anderer Persönlichkeitsrechte, aber [...] theoretischer Einfluss”).
E. Anspruch auf Unterlassung
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mittlerweile wohl Unterlassungsanprüche für das Puraibashî-Recht, 417 das Bildnisrecht418 sowie das Publicity-Recht419 ebenfalls anerkannt; für das Ehrgefühl wird demgegenüber fast übereinstimmend eine Einschränkung gefordert.420 Allerdings ist auch in Fällen der Anerkennung eines Unterlassungsanspruchs die Grundlage hierfür oft nicht ganz klar. Insbesondere zum Puraibashî-Recht gibt es zwar auch Aussagen, die eindeutig einen ausschließlichen Charakter (Haita-sei) anerkennen. 421 Oft ist die dogmatische Grundlage jedoch unklar, und es ist etwa auch eine Interpretation als schadensersatzrechtlicher Ansatz – der im Folgenden sogleich besprochen wird – möglich.422! 417
Zunächst theoretisch: DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2362) (Fall „Nach dem Bankett“); OG Tokyo, Urteil vom 13.04.1970, in: Hanji 587, 31 (32) (Fall „Eros + Metzelmord“). Tatsächliche Gewährung dann etwa durch DG Kôbe, Abt. Amanosaki, in: Beschluss vom 12.02.1997, Hanji 1604, 127 (129); DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (103); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (78); DG Tokyo, Beschluss vom 19.03.2004, in: Hanji 1865, 18 (19); OG Tokyo, Beschluss vom 31.03.2004, in Hanji 1865, 12 (16 f.). 418 DG Tokyo, Beschluss vom 13.08.2009, in: Hanji 2053, 65 (68); grundsätzlich bejahend auch OG Tokyo, Beschluss vom 04.03.2010, in: Hanji 2112, 43 (46). 419 DG Tokyo, Beschluss vom 02.10.1978, in: Hanta 372, 97 f.; DG Tokyo, Beschlüsse vom 06.10.1986, in: Hanji 1212, 142 f.; DG Tokyo, Beschluss vom 09.10.1986, in: Hanta 617, 184 (186 f.) und Beschluss vom 17.10.1986, in: Hanta 617, 190 (191); DG Tokyo, Urteil vom 27.09.1989, in: Hanji 1326, 137 ff.; DG Tokyo, Urteil vom 21.12.1990, in: Hanji 1400, 10 (13) (noch mit der Begründung, zu einer Veröffentlichung zum Zwecke kommerziellen Gebrauchs liege auch bei Prominenten keine Einwilligung vor); OG Tokyo, Urteil vom 26.09.2001, in: Hanji 1400, 3 (7); DG Tokyo, Urteil vom 21.01.1998, in: Hanji 1644, 141 (148/9). Für einen Unterlassungsanspruch auch TANAKA, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/ puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehr- und Privatsphärenschutzes] (2001), S. 318 f. 420 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 275, interpretiert die Rechtsprechung so, dass sie zwischen Jinkaku-ken und Jinkaku-teki rieki unterscheidet und nur bei Verletzung des Jinkaku-ken Unterlassungsansprüche gewährt. Auch ÔTSUKA, in: Minshô 116 (1997), S. 530, akzeptiert kommentarlos einen fehlenden absoluten Charakter, der sich aus der Rechtsprechung ergibt. 421 So erkennt bezüglich des Puraibashî-Rechts das DG Tokyo in seinem Beschluss vom 19.03.2004, in: Hanji 1865, 18 (19), das Recht auf Puraibashî als „Recht, dem wie bei einem dinglichen Recht Ausschließlichkeit zukommt“, an; vorsichtiger das OG im gleichen Fall, Beschluss vom 31.03.2004, in Hanji 1865, 12 (16 f.). ICHII, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 154 interpretiert jedoch auch das OG Tokyo so, dass es den Ausschließlichkeitscharakter des Puraibashî-Rechts anerkannt hat. 422 So lassen sich das DG Tokyo, Urteil vom 28.09.1964, in: Ka-minshû Bd. 15 Nr. 9, 2317 (2362) (Fall „Nach dem Bankett“; nach dessen Obiter dictum ist die Puraibashî „als ein Recht zu verstehen, gegen das Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche anerkannt werden sollten“) und das OG Tokyo, Urteil vom 13.04.1970, in: Hanji 587, 31 (32) (Fall „Eros + Metzelmord“, „das Opfer einer Verletzung von Persönlichkeitsinteressen hat gegen den Schädiger auch das Recht, […] die Prävention gegen künftige Verletzungen zu verlangen“) auch als schadensersatzrechtlicher Ansatz lesen, so zu letzterem Urteil UEKITA, in:
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Nach dem bereits erwähnten schadensersatzrechtlichen Ansatz ergibt sich der Unterlassungsanspruch als Folge einer unerlaubten Handlung, d.h. es muss ein deliktsrechtlicher Tatbestand erfüllt sein. In der Rechtsprechung ist, wie oben schon besprochen, zum Teil nicht ganz klar, ob der Unterlassungsanspruch als Folge einer unerlaubten Handlung betrachtet wird oder ob er schon auf dem absoluten Rechtscharakter eines verletzten Rechts gründet. In der Literatur wird der schadensersatzrechtliche Ansatz aber jedenfalls ausdrücklich vertreten.423 Meist wird der schadensrechtliche Ansatz allerdings nicht als Gegensatz zum abwehrrechtlichen Ansatz verstanden, sondern als Ergänzung zur Anerkennung von absoluten, unter anderem mittels Unterlassungsansprüchen geschützten Rechten herangezogen. So unterscheidet etwa Ôtsuka zwischen sogenannten „aktiven Verletzungen“ (Sekkyoku-teki shingai), die im Falle von Umweltbeeinträchtigungen durch ein Eindringen über die Grundstücksgrenze wie bei Lärm, Erschütterungen oder Geruchsbelästigungen gekennzeichnet ist, und den „passiven Verletzungen“ (Shôkyoku-teki shingai) wie das Abschirmen von Sonnenlicht oder eine Beeinträchtigung der guten Aussicht. Während bei ersteren eine Kenri-Verletzung angenommen und daraus ein Unterlassungsanspruch gefolgert werden kann, will Ôtsuka die letzteren Fallgruppen über einen schadensersatzrechtlichen Ansatz lösen, weil hier die Annahme einer Kenri-Verletzung problematisch wäre. 424 !Hirai wiederum vertritt bei „bedeutenden Rechtsgütern“ einen abwehrrechtlichen, für sonstige Fälle einen schadensersatzrechtlichen Ansatz.425 Eine Abwandlung, die Probleme der beiden Theorien lösen will und auch in der Lage ist, einen Schutz über den Bereich absoluten Schutzes hinaus zu gewähren, und zudem eine übergreifende und allgemeingültige Erklärung von Unterlassungsansprüchen liefern will, ist die Lehre vom rechtswidrigen Kôbe hôgaku kyôkai zasshi 55 Nr. 2 (2005), S. 156. Der OGH äußert im Fall „SankeiZeitung“, Urteil vom 24.04.1987, in: Minshû Bd. 41 Nr. 3, 490 (494), dass daraus, dass „auf der Basis von Art. 723 JZGB [Anm. Verf.: also auf deliktsrechtlicher Basis] Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ehre oder Unterlassungsansprüche [Hervorhebung durch Verf.] in Frage kommen“, nicht auch Gegendarstellungsansprüche hergeleitet werden können. Meist werden Unterlassungsansprüche gewährt, obwohl nur von der Verletzung eines Rieki gesprochen wird, was ebenfalls impliziert, dass die Gerichte nicht von einem Ausschließlichkeitsrecht ausgehen. So DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (103); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (78); so in der Literatur auch UCHIDA, in: Hanta 1188 (2005), S. 79. 423 Insbesondere als historisch bedeutsamer Vertreter WAGATSUMA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen] (1937), S. 198; aus neuerer Zeit IGARASHI/FUJIOKA, in: Hanji 599 (1970), S. 108 = Hanhyô 139 (1970), S. 3. 424 ÔTSUKA, in: Minshô 116 (1997), S. 529 ff., 534 f. Für einen solchen Ansatz auch FUJIOKA, in: ders. (Hrsg.), Shin gendai songai baishô-hô kôza 2 [Neues Lehrbuch zum Schadensersatzrecht 2] (1998), S. 34. 425 HIRAI, in: Saiken kakuron II [Schuldrecht BT II] (1992), S. 107 f.
E. Anspruch auf Unterlassung
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Eingriff (Ihô shingai-setsu).426 Demnach ist nach einer Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls in einer Weise, die der Natur der jeweiligen geschützten Interessen am Besten entspricht, zu entscheiden, wann die Verletzung eines geschützten Interesses als rechtswidrig zu bewerten ist und durch einen Unterlassungsanspruch abgewehrt werden soll. Die Begründung eines Unterlassungsanspruchs mit dem absoluten Schutz bestimmter Rechte soll nicht ausreichen, weil sie bestimmten Schutzbedürftigkeiten nicht gerecht wird;427 aber auch der schadensersatzrechtliche Ansatz soll nicht als Grundlage für Unterlassungsansprüche taugen, weil Unterlassungsanspruch und Schadensersatz Rechtsbehelfe mit unterschiedlichen Zielrichtungen sind – die Unterlassung bringt dem Verletzenden keinen Nachteil, während Schadensersatz diesem einen vermögensmäßigen Nachteil zufügt – und daher nicht auf die gleiche Grundlage gestellt werden können.428 Für die Einordnung dieser Lehre vom rechtswidrigen Eingriff ist allerdings der Hintergrund bedeutsam, dass diese Lehre auch einen Versuch darstellt, Unterlassungsansprüche verschiedenster Art auf einer einheitlichen Grundlage zu erklären. Nemoto etwa geht es um die Erklärung von Unterlassungsansprüchen gegenüber Umwelteinflüssen wie etwa die Beeinträchtigung der Aussicht, also im Bereich des Persönlichkeitsrechts um solche, bei denen – wie weiter oben herausgearbeitet – der Kenri-Ansatz problematischer ist als im Bereich des Ehren- und Privatsphärenschutzes, oder um die dogmatische Fundierung von gesetzlichen Unterlassungsansprüchen insbesondere bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht.429 Auf die in dieser Arbeit interessierenden Bereiche hat die neue Lehre daher im Ergebnis keine Auswirkungen. III. Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs Wie bereits dargelegt wurde, werden Unterlassungsansprüche in Japan als weitreichende Einschränkung der Meinungsfreiheit angesehen und daher nur unter restriktiven Voraussetzungen gewährt.430 Der genaue Inhalt dieser Voraussetzungen ist dabei höchst umstritten. In Rechtsprechung und Literatur finden sich unterschiedliche Formulierungen, und dabei ist zum Teil auch noch ungeklärt, ob die Kriterien je nach betroffenem Rechtsgut unterschiedlich zu formulieren sind, und – für den Schutz der Privatsphäre gegenüber Medien insbesondere bedeutsam – ob es für Fälle, in denen Personen in öffentlichen Ämtern betroffen sind, besonders strenge Sonderkriterien gibt. 426 FUNAHASHI, in: Hôkyô 68 (1986), S. 7; NEMOTO, in: Hôji 78 (2006) Nr. 8, S. 64; SHINOMIYA, in: Jimu kanri/futô ritoku/fuhô kôi [GoA, Bereicherung, Unerlaubte Handlungen], Bd. 3 (1985), S. 477 ff. 427 FUNAHASHI, in: Hôkyô 68 (1986), S. 6; NEMOTO, in: Hôji 78 (2006) Nr. 8, S. 60. 428 NEMOTO, in: Hôji 78 (2006) Nr. 8, S. 60 f., 64. 429 NEMOTO, in: Hôji 78 (2006) Nr. 8, S. 60. 430 Siehe oben, Kap. 6, E.I., S. 206 ff.
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Im Fall Hoppô Journal, der erstens eine Verletzung des Rechtsguts Ehre und zweitens den Fall einer, wie es das Gericht formuliert, „Wertung oder Kritik gegenüber dem Inhaber eines öffentlichen Amtes bzw. dem Kandidaten für ein solches Amt“ betrifft, geht der OGH davon aus, dass ein Unterlassungsanspruch „grundsätzlich nicht zulässig“ ist und nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn 1. offensichtlich (meihaku) ist, dass es an der Wahrheitsmäßigkeit oder am öffentlichem Interesse fehlt, und dass 2. zu befürchten ist, dass der Betroffene einen schweren und nur äußerst schwer wieder gutzumachenden Schaden erleidet.431 Konkret ging es in dem Fall um einen Artikel in dem Lokalmagazin „Hoppô Journal“ über den Kandidaten für das Amt des Gouverneurs von Hokkaido, in dem diesem politische Berechnung vorgeworfen wurde und dem zufolge der Kandidat schon als Kind ein schlechter, verlogener Charakter gewesen sei, der später durch Anwendung schmutziger Mittel die Scheidung von seiner Frau erreicht und diese in den Selbstmord getrieben habe. Im vorläufigen Rechtsschutz hatte der Betroffene vor dem DG Sapporo ein Verbot der Verbreitung der fraglichen Ausgabe wegen Verletzung seiner Ehre erreicht. Der herausgebende Verlag verlangte daraufhin Schadensersatz vom Staat, weil diese Anordnung der Unterlassung rechtswidrig gewesen sei, wurde aber in allen Instanzen abgewiesen, weil die Anordnung der Unterlassung als berechtigt angesehen wurde.432 Die Kriterien des Hoppô Journal-Falls wurden in der Rechtsprechung auch in anderen Fällen angewandt, zumindest soweit es ebenfalls um Ehrverletzungen an Personen in einer öffentlichen Funktion ging, so bei Ehrverletzungen durch Berichte über angebliche Unsauberkeiten eines Bezirks(Ku)Parlaments-Abgeordneten433 oder eines Bürgermeisters.434 Wie schon eingangs erwähnt, besteht nun Uneinigkeit darüber, ob die Hoppô Journal-Kriterien allgemeine Gültigkeit beanspruchen können oder ob es sich dabei um besondere, strenge Voraussetzungen ausschließlich für die Fälle von Ehrverletzungen an öffentlichen Personen handelt. Letzteres wird zumindest in der Literatur zum Teil vertreten.435 Entgegen dieser Einschätzung werden die Kriterien in der Rechtsprechung aber über solche ehrverletzenden Äußerungen gegenüber Personen mit öffentlicher Funktion hinaus etwa auch bei Äußerungen gegenüber Banken, denen kriminelle Machenschaften vorge431
OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 (879). OGH, Urteil vom 11.06.1986, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872 (882/3), sowie DG Sapporo, Urteil vom 16.07.1980, OG Sapporo, Urteil vom 26.03.1981, ebda. S. 908 ff., 921 ff. 433 DG Tokyo, Urteil vom 31.01.1989, in: Hanji 1328, 74 (82). 434 DG Tsu, Urteil vom 14.05.1998, in: Hanji 1676, 99 (107/8). 435 So etwa das Verständnis von IGARASHI, in: Jurisuto 867 (1986), S. 37, dass die Entscheidung „sich nicht auf Prominente erstreckt, die keine öffentliche Funktion haben, wie Unterhaltungskünstler oder Sportler“. 432
E. Anspruch auf Unterlassung
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worfen wurden, angewandt,436 allerdings ausdrücklich deshalb, weil die Bank zwar „ein privates Unternehmen“ ist, aber „ein Unternehmen, an dessen Aufgaben ihrer Natur nach ein starkes Allgemeininteresse besteht“, 437 oder gegenüber einem Convenience-Store-Betreiber, dem der Abschluss unangemessener Franchiseverträge mit einzelnen Geschäftsinhabern vorgeworfen wurde,438 sowie weiter, wie im Folgenden sogleich erörtert wird, in angepasster Form in zahlreichen Fällen der Verletzung des Rechts auf Puraibashî von Personen, und zwar auch bei solchen ohne eine öffentliche Funktion. Für puraibashî-verletzende Veröffentlichungen wird nämlich größtenteils in Parallele zu den Kriterien aus dem Fall Hoppô Journal vorausgesetzt, dass es 1. (offensichtlich) an einem öffentlichen Zweck fehlt und 2. eine nur schwer wiedergutzumachende Verletzung der Privatsphäre droht. 439 Die „Offensichtlichkeit“ des fehlenden öffentlichen Zweckes, wie nach den Hoppô Journal-Kriterien, wird dabei nur teilweise ausdrücklich gefordert;440 in manchen Fällen, die allerdings auch das Offensichtlichkeitskriterium ohne Weiteres eindeutig erfüllen dürften, wird nur auf das einfache Fehlen des öffentlichen Zweckes abgestellt.441 Eine Abweichung zur Ehrverletzung stellt nur dar, dass die Wahrheitsmäßigkeit einer die Privatsphäre verletzenden Tatsache irrelevant ist, so dass die Kriterien insofern modifiziert werden müssen, als die offensichtliche Unwahrheitsmäßigkeit bei den Kriterien nicht auftaucht.442
436
DG Tokyo, Urteil vom 24.08.1998, in: Hanta 1032, 200 (202 ff.); DG Tokyo, Urteil vom 13.10.1988, in: Hanji 1290, 48 (52). 437 DG Tokyo, Urteil vom 13.10.1988, in: Hanji 1290, 48 (52). 438 DG Kyoto, Beschluss vom 15.02.2001, in: Hanji 1753, 99 (101), wobei hier nicht begründet wird, warum die Kriterien anwendbar sind, obwohl es sich nicht um eine öffentliche Person handelt. 439 DG Tokyo, Beschluss vom 24.03.1989, in: Hanta 713, 94 (96); DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (103); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (78); DG Tokyo, Beschluss vom 19.03.2004, in: Hanji 1865, 18 (21) sowie OG Tokyo, Beschluss vom 31.03.2004, in: Hanji 1865, 12 (16). Sehr kurz und daher überhaupt nicht auf das fehlende öffentliche Interesse eingehend DG Kôbe, Beschluss vom 12.02.1997, in: Hanji 1604, 127 (129). Der Übertragung der Ehrkriterien auf den Bereich des Puraibashî-Schutzes zustimmend YAMAKAWA, in: Hôji 76 (2004) Nr. 7 S. 89. 440 DG Tokyo, Beschluss vom 24.03.1989, in: Hanta 713, 94 (96); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (78). In der Literatur wird dieses Kriterium etwa gefordert von: ICHII, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 155; Y. MAEDA, in: Hanta 1156 (2004), S. 90; SHIGENORI MATSUI, in: Hôji 76 (2004) Nr. 10, S. 100. 441 DG Kôbe, Beschluss vom 12.02.1997, in: Hanji 1604, 127 (129); DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (103). 442 ASANO, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 153; IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 279, Fn. 47.
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
Angewandt wurden diese Kriterien etwa hinsichtlich der Veröffentlichung privater Daten von Prominenten in Magazinen bzw. Büchern (Angaben zur Adresse des Elternhauses und der Privatadresse, Fotos des Hauses, Stadtplan mit nächstem Bahnhof etc., die ein Auffindigmachen der betreffenden Häuser möglich machten). Hier wurde die Unterlassung nach den Kriterien jeweils gewährt.443 Heftig diskutiert sind dagegen die Entscheidungen um den bereits mehrfach erwähnten Artikel über die – selbst politisch nicht aktive – Tochter der ehemaligen Außenministerin Makiko Tanaka, die gegen den Willen der Mutter einen Arbeitskollegen geheiratet hatte und mit ihm in die USA gezogen war, sich aber bereits nach einem Jahr wieder scheiden lassen hatte und allein nach Japan zurückgekehrt war. Die erste Instanz bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs, weil die Tatsache, dass jemand sich scheiden lassen hat, und der Verlauf der Scheidung gerade in zeitlicher Nähe des Geschehenen etwas sei, was man nicht in der Öffentlichkeit breitgetreten haben möchte, und der Tochter als reiner Privatperson ein schwerer seelischer Schaden drohe.444 Das OG Tokyo ordnete demgegenüber den Inhalt des Artikels zwar ebenfalls als Privatangelegenheit ohne jede öffentliche Bedeutung ein, weil keinerlei konkrete Anzeichen dafür vorhanden seien, dass die Tochter einmal als Politikerin tätig würde, verneinte aber die Gefahr eines schweren Schadens, weil eine Scheidung eine alltägliche Tatsache und nichts zwingend Kritikwürdiges sei und ein vorbeugender Unterlassungsanspruch als schwere Einschränkung der Pressefreiheit äußerste Vorsicht bei der Bejahung voraussetze.445 Trotz Anwendung der gleichen Kriterien kommen die Gerichte damit zu entgegengesetzten Ergebnissen, da sie hinsichtlich der Grundfrage, wie restriktiv der Unterlassungsanspruch anzuwenden ist, abweichen. Das OG hat hier noch einmal betont, dass ein vorbeugender Unterlassungsanspruch nur unter äußerst restriktiven Voraussetzungen gewährt werden darf. Gleichzeitig zeigt die Begründungsweise des OG, dass es die Verletzung der Privatsphäre durch die Veröffentlichung von nicht kritikwürdigen Tatsachen für weniger gewichtig erachtet als Verletzungen der Ehre. In der Literatur sind in dieser Hinsicht vor allem Stimmen zu beobachten, die dem Urteil des OG zustimmen und die Entscheidung des Distriktgerichts als eine Eindämmung des Journalismus mit gravierenden gesellschaftlichen Konsequenzen heftig kritisieren.446
Abweichend von solchen Ansätzen, die – bei allem Streit um Details wie z.B. die genaue Formulierung der Kriterien und deren Auslegung – mit einem konkreten Kriterienkatalog arbeiten, wird in manchen Fällen der Rechtsprechung schlicht auf eine Abwägung zwischen dem Schaden des Betroffenen bei einer Veröffentlichung und dem Schaden auf Seiten des Veröffentlichenden bei einer Untersagung der Veröffentlichung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls abgestellt.447 443 DG Kôbe, Beschluss vom 12.02.1997, in: Hanji 1604, 127 (129); DG Tokyo, Urteil vom 23.06.1997, in: Hanji 1618, 97 (103); DG Tokyo, Urteil vom 30.11.1998, in: Hanji 1686, 68 (79). 444 DG Tokyo, Beschluss vom 19.03.2004, in: Hanji 1865, 18 (21/2). 445 OG Tokyo, Beschluss vom 31.03.2004, in: Hanji 1865, 12 (17). 446 Heftige Kritik vor allem bei SUZUKI, in: Hôsemi 2004 Bd. 7 (Bd. 595) S. 70, 72 f. Dem OG zustimmend auch etwa ICHII, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 155; Y. MAEDA, in: Hanta 1156 (2004), S. 88; YAMAKAWA, in: Hôji 76 (2004) Nr. 7, S. 90. 447 Vor dem Hoppô Journal-Urteil: OG Tokyo, Urteil vom 13.04.1970, in: Hanji 587, 31 (32). Aber auch später OGH, Urteil vom 24.09.2002, in: Hanji 1802, 60 (63), als Bestätigung
E. Anspruch auf Unterlassung
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Die Abwägungsweise im neuesten Fall, in dem so vorgegangen wird, nämlich dem um den Roman „Der in Stein schwimmende Fisch“, wird teilweise als möglicher Beginn eines neuen Vorgehens für die Puraibashî-Fälle angesehen.448 Im Fall der Tochter der Politikerin Tanaka, der bereits ausführlich geschildert wurde, wurde danach dann jedoch wieder auf die Kriterien aus dem Hoppô Journal-Fall zurückgegriffen.449 Zudem gab es den Gesamtabwägungsansatz auch schon vor dem Fall Hoppô Journal; es handelt sich also keinesfalls um einen neuen Ansatz.450 Letztlich besteht zwischen den Vorgehensweisen auch kein allzu großer Unterschied.451 Denn mit den Worten des OGH im Fall des Romans „Der in Stein schwimmende Fisch“ soll ein Unterlassungsanspruch gegeben sein, wenn „anerkannt werden kann, dass eine Verletzungshandlung offensichtlich zu erwarten ist, die Gefahr eines schweren Schadens für das Opfer besteht, und wenn die nachträgliche Wiedergutmachung unmöglich oder äußerst schwierig wird“.452 Wie im Hoppô Journal-Fall formuliert, kommt es also auch bei einem Gesamtabwägungsansatz wieder entscheidend auf einen schweren Schaden an. Viele Literaturmeinungen sehen den Fall „In Stein schwimmender Fisch“ daher auch in der Tradition des Hoppô Journal-Falls.453 Schwer wiedergutzumachender Schaden wird auch vorausgesetzt bei einer Verletzung des Bildnisrechts; für die Veröffentlichung eines rechtswidrig auf-
von OG Tokyo, Urteil vom 15.02.2001, in: Hanji 1741, 68 (81/2) („Der in Stein schwimmende Fisch“). 448 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 280. Der Fall betraf zwar nicht nur das Recht auf Puraibashî, aber Igarashi geht davon aus, dass die Erörterungen sich zwar allgemein auf Persönlichkeitsrechte beziehen, aber im Bewusstsein erfolgen, dass es um die Puraibashî geht. Auch Munesue hält den Aspekt der Puraibashî für wesentlich, obwohl auch eine Ehrverletzung bejaht wurde, MUNESUE, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 151. 449 Siehe oben, S. 216. 450 Siehe oben, Kap. 6 Fn. 447. 451 MASANARI SAKAMOTO, in: Jurisuto 867 (1998), S. 20/1. 452 OGH, Urteil vom 24.09.2002, in: Hanji 1802, 60 (63). 453 Vgl. etwa MUNESUE, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 151, bei dem es nach Erwähnung des Falls Hoppô Journal heißt, auch im Fall „In Stein schwimmender Fisch“ werde eine Abwägung vorgenommen. Nach SAITÔ, in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/puraibashî hogo kankei soshô-hô [Recht des Ehrund Privatsphärenschutzes] (2001), S. 123, stellen die Hoppô Journal-Kriterien eine Typisierung der Abwägungskriterien dar. Auch das Urteil des OGH im Fall „Der in Stein schwimmende Fisch“ scheint keinen Widerspruch zum Hoppô Journal-Urteil zu sehen: „Bei einer Betrachtung im Lichte der Rechtsprechung dieses Gerichts ist offensichtlich, dass diese Entscheidung nicht gegen Art. 21 JV verstößt.“, siehe Hanji 1802, 60 (63). Auch KAMIYA, in: Hôji 73 (2001) Nr. 4, S. 81 geht davon aus, dass das OG Tokyo (der Aufsatz erschien vor dem Urteil des OGH) im Fall „In Stein schwimmender Fisch“ die Kriterien des Hoppô Journal-Urteils anwendet.
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Kapitel 6: Die Rechtsfolgen einer Verletzungshandlung
genommenen Nacktfotos etwa wurde dies in erster Instanz ohne Weiteres, in zweiter Instanz grundsätzlich bejaht.454 Zumindest unterinstanzlich in früherer Zeit wurde etwa auch eine Theorie der „hochgradigen Rechtswidrigkeit“ (kôdo na ihôsei) vertreten.455 Kriterium für die Gewährung eines Unterlassungsanspruchs war danach also, ob die Verletzungshandlung eine hochgradige Rechtswidrigkeit aufwies. In der Literatur wird zumindest für Unterlassungsansprüche, bei denen öffentliche Fragen bezüglich Personen mit öffentlicher Funktion betroffen sind, zum Teil das Vorhandensein eines „Actual malice“ (genjitsu no akui) gefordert. Danach reicht also die bloße Unwahrheit einer Äußerung nicht, sondern der Äußernde muss dabei wissen, dass es sich um eine unwahre Äußerung handelt, oder er muss die Frage der Wahrheitsmäßigkeit außer Acht lassen, ohne sich hierzu die eigentlich erforderlichen Gedanken zu machen (mubô ni mushi suru).456 IV. Vergleich mit dem deutschen Recht Die Normierung besonderer Voraussetzungen an den Unterlassungsanspruch in Japan stellt einen Unterschied zu Deutschland dar. Zwar wird die Meinungsfreiheit in Deutschland natürlich ebenfalls beachtet. Die erforderliche Abwägung mit der Meinungsfreiheit ist jedoch in der Frage, ob eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, bereits enthalten, und es findet keine besondere, verschärfte Beachtung der Meinungsfreiheit im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung eines Unterlassungsanspruchs statt.
454 DG Tokyo, Beschluss vom 13.08.2009, in: Hanji 2053, 65 (68); OG Tokyo, Beschluss vom 04.03.2010, in: Hanji 2112, 43 (46). 455 DG Tokyo, Beschluss vom 14.03.1970, in: Hanji 586, 41 (44, 45); OG Takamatsu, Urteil vom 26.04.1996, in: Hanta 926, 207 (212). 456 Meinung des Richters Taniguchi im Fall Hoppô Journal, in: Minshû Bd. 40 Nr. 4, 872, S. 905. TAKEDA, in: Jurisuto 867 (1986), S. 29; DERS., in: Takeda/Horibe (Hrsg.), Meiyo/ puraibashî shingai [Ehr- und Privatsphärenverletzungen] (1982), S. 214 f., sowie in: Puraibashî shingai [Privatsphärenverletzungen], 2. Aufl. (1998), S. 232, 233 f. Für das Erfordernis von actual malice in Fällen der Verletzung des Rechts auf Privatsphäre wegen der noch unsicheren Kontur des Rechts ICHII, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 155.
Kapitel 7
Postmortaler Schutz der Persönlichkeit A. Überblick A. Überblick Ein Sonderproblem beim Schutz der Persönlichkeit betrifft die Frage, ob und auf welche Weise eine Person nach ihrem Tod gegen Beeinträchtigungen ihrer Persönlichkeit geschützt bleibt. Im Folgenden stelle ich zunächst die Lage in Japan dar (B.) und untersuche die Frage, was die Hintergründe sind, weshalb in Japan und Deutschland so unterschiedliche Ansätze verfolgt werden (C.). Im Anschluss werden dann die Vor- und Nachteile der Modelle in Japan und Deutschland im Hinblick auf die Lösung des dogmatisch schwierigen Problems der Begründung eines postmortalen Schutzes besprochen (D.). Insbesondere wird diskutiert, ob es nicht einen entscheidenden Vorteil des japanischen Modells darstellt, dass auch nach dem Tod einer Person Schadensersatz auch in Fällen der Verletzung immaterieller Interessen gewährt werden kann (E.).
B. Rechtslage in Japan B. Rechtslage in Japan I. Ablehnung eigener postmortaler Persönlichkeitsrechte des Toten Ähnlich wie in Deutschland gibt es im japanischen Recht nur einzelne positivrechtliche Ansatzpunkte für einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit, und zwar Art. 230 Abs. 2 JStGB, der gegen die Verunglimpfung von Verstorbenen durch die Behauptung unwahrer Tatsachen schützt, und Art. 60 des japanischen Urhebergesetzes1 hinsichtlich der Urheberpersönlichkeitsrechte.2 1
Chosakuken-hô, Gesetz Nr. 48/1970 i.d.F. vom Gesetz Nr. 65/2010. Art. 230 Abs. 2 JStGB: „Wer die Ehre eines Toten verletzt, wird nicht bestraft, wenn er dies nicht durch die Behauptung von bewusst falschen Tatsachenbehauptungen getan hat.“ Art. 60 des japanischen Urhebergesetzes: „Wer ein Werk (Chosaku-butsu) der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt oder öffentlich ausstellt, darf auch dann, wenn der Urheber des Werkes nicht mehr existiert, keine Handlungen vornehmen, die eine Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte des Urhebers darstellen würde, wenn der Urheber noch existieren würde.“ In Deutschland besteht neben § 22 S. 2 KUG für den Bereich des Rechts am eigenen Bild nach § 168 StGB Schutz vor einer Störung der Totenruhe sowie nach § 189 StGB vor der 2
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Kapitel 7: Postmortaler Schutz der Persönlichkeit
Darüber hinaus wird das Fortbestehen eigener postmortaler Persönlichkeitsrechte, wie sie in Deutschland anerkannt sind, von einem Teil der Literatur zwar auch in Japan befürwortet.3 Die Rechtsprechung und auch die herrschende Auffassung in der Lehre lehnen die Anerkennung von fortbestehenden eigenen Rechten eines Verstorbenen jedoch ab, weil es nach dem Tode des Betroffenen an einem Subjekt fehle, das in seiner Ehre oder seinen sonstigen Persönlichkeitsrechten verletzt werden könnte, und weil es keine gesetzliche Grundlage für einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit gebe.4 Die Rechtsgedanken der Regelungen des Straf- und Urheberrechts werden gerade nicht als geeignete Anknüpfungspunkte zur Begründung eines postmortalen Schutzes angesehen. Die strafrechtliche Ahndung zum einen soll von zivilrechtlichen Ansprüchen zu unterscheiden sein, so dass aus ihr nicht auf ein zivilrechtlich geschütztes Recht geschlossen werden könne. 5 Die Regelung hinsichtlich der postmortalen Urheberpersönlichkeitsrechte zum anderen wird entweder als Vorschrift zum Schutz von Angehörigen, also nicht des Toten selbst,6 verstanden. Oder man sieht in der Reglung eine sondergesetzliche Normierung eines „dem Urheberpersönlichkeitsrecht gleichen Rechts“ für die Zeit nach dem Tode, die nach dem Verständnis der ein postmortales Persönlichkeitsrecht ablehnenden Auffassung davon ausgeht, dass das eigentliche Urheberpersönlichkeitsrecht selbst mit dem Tod erlischt. 7 Jedenfalls soll die urheberrechtliche Regelung gerade nicht das Fortbestehen der Urheberpersönlichkeitsrechte nach dem Tod anordnen.
Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener – beides Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB und somit Grundlage auch für einen zivilrechtlichen Schutz gegen Beeinträchtigungen; siehe RIXECKER, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. (2012), Anh. § 12 Rdnr. 32 – sowie ein postmortaler Schutz der Urheberpersönlichkeitsrechte nach §§ 64 ff., 76, 82, 87d UrhG. 3 ASHITOMI, in: Ryûhô 27 (1980) S. 80 ff., insbes. S. 88/9; IGARASHI, in: Jurisuto 653 (1977), S. 58; DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 42; ÔSHIMA, in: Kôbe gaidai rongyô 40 Nr. 2 (1989), S. 82 ff., 87; URAKAWA, in: Jurisuto 763 (1982), S. 140; USAMI, in: Horibe/Hasebe (Hrsg.), Media hanrei hyakusen [100 Fälle Medienrecht] (2005), S. 83. 4 OG Tokyo, Urteil vom 14.03.1979, in: Hanji 918, 21 (23); DG Ôsaka, Urteil vom 23.03.1983, in: Hanji 1071, 33 (38); DG Tokyo, Urteil vom 26.05.1983, in: Hanji 1094, 78 (82); DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (63 f.); HAYASHIDA, in: Ôita daigaku keizai rongyô 33 Nr. 6 (1982), S. 225. 5 OG Tokyo, Urteil vom 14.03.1979, in: Hanji 918, 21 (23); DG Ôsaka, Urteil vom 23.03.1983, in: Hanji 1071, 33 (38); DG Tokyo, Urteil vom 26.05.1983, in: Hanji 1094, 78 (82); DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). 6 DG Tokyo, Urteil vom 26.05.1983, in: Hanji 1094, 78 (82); DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). 7 DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64).
B. Rechtslage in Japan
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II. Mittelbarer Schutz über die Annahme einer Verletzung Angehöriger Auch in Japan bleibt der Verstorbene aber gegen Angriffe auf seine Person geschützt, und zwar mittelbar über die Anerkennung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Angehörigen. Im Einzelnen sieht man den Angehörigen zum Teil in dessen Ehre verletzt, zum Teil in den Pietätsgefühlen (Keiai tsuibo) gegenüber dem Verstorbenen. 1. Verletzung der Ehre Angehöriger So hat man etwa darin, dass ein Toter bzw. eine Tote in Zusammenhang mit einer außerehelichen Affäre mit tödlichem Ausgang, einen tödlichen Unfall durch Fahren ohne Führerschein oder die Kollaboration mit der Militärdiktatur im Japan vor dem Zweiten Weltkrieg gebracht wurde, eine Verletzung der Ehre naher Angehöriger wie Eltern oder Kindern gesehen. Hinsichtlich Geschwistern wurde bezüglich der angeblichen Affäre einer Toten eine Verletzung der Ehre der Schwester der Betroffenen zwar verneint, grundsätzlich scheint die Rechtsprechung aber davon auszugehen, dass durch Behauptungen über Tote auch die Ehre von Geschwistern betroffen sein kann. Der Fall „Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“: In einer Lokalzeitung war unter der Schlagzeile „Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“ („Sankaku kankei no motsure“) so über ein Mordopfer berichtet worden, dass der Eindruck entstand, die Ermordete habe ein Verhältnis mit dem Täter gehabt und es handele sich bei der Tat, bei der auch der Ehemann der Ermordeten schwer verletzt worden war, um die Folge einer Dreiecksbeziehung. In Wahrheit litt der Täter jedoch unter Schizophrenie und hatte aufgrund einer eingebildeten Liebesbeziehung einseitig einen Eifersuchtswahn entwickelt. Auf die Klage der Mutter und der Schwester des Mordopfers hin, die eine Verletzung der Ehre der Toten und ihrer eigenen Ehre sowie eine Verletzung ihres Pietätsgefühls (Keiai tsuibo) gegenüber der Toten geltend machten, erkannte das Gericht zunächst an, dass durch die Unterstellung einer ehebrecherischen Beziehung die soziale Achtung der Verstorbenen herabgesetzt und ihre Ehre verletzt worden war8 – wohlgemerkt allerdings ohne dass damit auch eine Verletzung von Rechten der Toten mit der Folge von Ersatzansprüchen angenommen wird. Weiter soll damit aber nicht nur die Betroffene selbst, sondern auch deren Mutter in ihrer sozialen Achtung herabgesetzt worden sein, weil es der sozialen Wirklichkeit entspreche, dass durch solche Behauptungen auch die Ehre von nahen Angehörigen betroffen werde. Somit wurde eine Ehrverletzung der Mutter anerkannt und der Mutter ein Schadensersatzanspruch zugesprochen.9 Eine Herabsetzung der Ehre der Schwester wurde dagegen – und zwar ohne nähere Begründung – verneint.10 Eine Ehrverletzung der Eltern eines Toten wurde auch angenommen bei unzutreffenden Aussagen der Polizei gegenüber der Presse, dass deren 15jähriger Sohn, der als Mitfahrer auf dem Hintersitz eines Motorrades bei einem Unfall umgekommen war, der Fahrer des Motorrades gewesen sei, das zudem gestohlen gewesen sei, und er das Motorrad ohne Führerschein
8
DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (38). DG Shizuoka, in: Hanji 1011, 36 (38). 10 DG Shizuoka, in: Hanji 1011, 36 (38/9). 9
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gefahren habe.11 Hier handelte es sich zwar nicht um eine Persönlichkeitsverletzung durch Medien, die Interessenlage ist jedoch vergleichbar. Die Ehre des Sohnes eines verstorbenen Dichters wurde durch den Roman „Verrat“ („Mitsukoku“) als verletzt angesehen, in welchem der Eindruck erweckt wurde, der Vater hätte für die Spezialpolizei (Tokkô)12 unter der japanischen Militärdiktatur vor und während des Zweiten Weltkriegs gegen befreundete Dichterkollegen spioniert.13 In einem Fall, in dem der Sohn und der Bruder eines Politikers Schadensersatzansprüche geltend gemacht hatten, weil diesem ihrer Auffassung nach die Verwicklung in unlautere Bank-Investitionsgeschäfte vorgeworfen worden war, wurde ebenfalls anerkannt, dass eine Verletzung der Ehre des Sohnes sowie des Bruders grundsätzlich in Betracht kommt. Konkret wurde allerdings eine Ehrverletzung abgelehnt, mit der Begründung, dass dem Bericht keine derartigen Behauptungen, wie sie von den Angehörigen geltend gemacht worden waren, zu entnehmen seien.14
Der Annahme einer Verletzung der Ehre von Angehörigen sind jedoch im Vergleich zur Annahme einer Ehrverletzung beim von einer Berichterstattung selbst Betroffenen Grenzen gesetzt. Die Ehre des Toten und die des nahen Angehörigen werden keinesfalls gleichgesetzt, sondern voneinander unterschieden und jeweils selbständig betrachtet,15 so dass also aus einer Herabsetzung der sozialen Achtung eines Toten nicht automatisch auch die Herabsetzung der Achtung seiner Eltern, Kinder oder Geschwister folgt. Vielmehr hängt es von der konkreten Situation ab, ob auch bei den Angehörigen eine solche Herabsetzung eintritt. So wurde eine Verletzung der Ehre der Eltern der ersten Aids-Toten in Japan durch die Veröffentlichung von Fotos und die Schilderungen darüber, wie die Verstorbene der gewerblichen Prostitution nachgegangen war, abgelehnt, obwohl die soziale Achtung der Toten an sich als herabgesetzt angesehen wurde, da der Bericht anonym gewesen sei und über das Leben der Eltern selbst nichts berichtet worden sei.16 Im Fall „Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“ wurde außerdem, wie schon erwähnt, eine Verletzung der Ehre der Schwester der Toten abgelehnt,17 obwohl, wie der Fall um die Bankgeschäfte des Politikers zeigt, eine Berichterstattung grundsätzlich nicht nur die Ehre von Eltern oder Kindern des Betroffenen, sondern auch die von Geschwistern in Mitleidenschaft ziehen kann.18 Im Falle einer Berichterstattung über das Opfer einseitiger Gewalttätigkeiten, die fälschlich von einem „Streit“ sprach und damit dem Opfer unterstellte, sich an tätlichen Auseinandersetzungen
11
DG Naha, Urteil vom 02.03.1983, in: Hanji 1082, 120 (122). Abkürzung für Tokubetsu kôtô keisatsu, der „Sonder-Ober-Polizei“, die dem direkten Kommando der Regierung unterstand. 13 DG Ôsaka, Urteil vom 23.03.1983, in: Hanji 1071, 33 (37). 14 DG Tokyo, Urteil vom 26.05.1983, in: Hanji 1094, 78 (82). 15 So ausdrücklich auch im Rahmen der Bejahung der Ehrverletzung der Mutter im Fall „Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“, DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1956, in: Hanji 1011, 36 (38); ausdrücklich auch im Fall der Aids-Toten DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). 16 DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). 17 DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (38/9). 18 Siehe oben, Kap. 7 Fn. 14. 12
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beteiligt zu haben und dabei zu Tode gekommen zu sein, kommt eine Ehrverletzung der Eltern des Opfers ebenfalls nicht zur Sprache.19
Bei weiter entfernten Angehörigen finden sich keine eindeutig bejahenden Präzedenzfälle in der Rechtsprechung. Eine Verbindung zu einem Toten etwa durch eine Lehrer-Schüler-Beziehung scheint jedenfalls nicht auszureichen, um eine Betroffenheit der Ehre beim Dritten anzunehmen. Im Fall „Rakujitsu moyu“20 wurde in erster Instanz eine Ehrverletzung des Neffen durch die Aussage über seinen Onkel, ihm werde „der Verkehr nicht nur mit professionellen Vergnügungsdamen (Karyûkai no onna), sondern auch mit Ehefrauen seiner Mitarbeiter nachgesagt“, abgelehnt; es handele sich nicht um einen Fall, in dem eine Ehrverletzung des Angehörigen anzunehmen sei, sondern betroffen sei allein die Ehre des Toten selbst.21 Da das Gericht diese Auffassung nicht näher begründet, bleibt allerdings unklar, ob die verwandtschaftliche Beziehung beim Neffen grundsätzlich nicht ausreicht, um ihn als mitbetroffen anzusehen, oder ob die Ablehnung auf andere Umstände zurückzuführen ist. Die zweite Instanz scheint das Verständnis der ersten Instanz zu teilen und spricht den Aspekt der Ehrverletzung des Neffen nicht einmal mehr an.22 Eindeutig abgelehnt wird eine Ehrverletzung des Schülers eines Dichters über dessen Rolle bei der sogenannten „Besiedlung“ des Manshû-Gebiets (Manshû kaitaku – dabei waren in den 1930er und 40er Jahren Gebiete in China unter Vertreibung der Bewohner mit Japanern besiedelt worden). Dieser sah sich durch die Darstellung seines Lehrermeisters (Onshi, wörtlich „Lehrer, dem man viel verdankt“), als in seiner eigenen Ehre betroffen an; das Gericht sah hierin aber keine hinreichende Beziehung zum Toten.23
2. Verletzung des Pietätsgefühls Angehöriger Auch wenn eine Ehrverletzung des Angehörigen ausscheidet, kann eine Schadensersatzpflicht aber unter dem zweiten bereits genannten Aspekt, nämlich dem des Pietätsgefühls (Keiai tsuibo) der Angehörigen, eingreifen. Eine solche Verletzung des Pietätsgefühls kommt nämlich zum Teil genau in solchen Fällen, in denen eine Ehrverletzung des Angehörigen nicht in Betracht kommt, als subsidiäres geschütztes Recht bzw. Interesse zum Einsatz. Zum Teil wird es allerdings auch ohne strenge Differenzierung kumulativ neben der Ehre des Angehörigen angewandt, während in wiederum anderen Fällen nur eine Ehrverletzung des Angehörigen angenommen wird, ohne dass auf das Pietätsgefühl überhaupt eingegangen wird. Im schon genannten Fall um die erste Aids-Tote in Japan etwa wurde eine Ehrverletzung der Eltern verneint, eine Verletzung des Pietätsgefühls der Eltern gegenüber der Tochter durch die starke Ehrverletzung an der Tochter und die Veröffentlichung von Tatsachen, die bei 19
DG Matsuyama, Urteil vom 14.04.2010, in: Hanji 2080, 63 (68). 1974 erschienener und mehrfach verfilmter Roman von Saburô Shiroyama, frei übersetzt: „Das Glühen der fallenden Tage“. 21 DG Tokyo, Urteil vom 19.07.1977, in: Hanji 857, 65 (68). 22 OG Tokyo, Urteil vom 14.03.1979, in: Hanji 918, 21 ff. 23 DG Tokyo, Abt. Hachiôji, Urteil vom 09.11.1989, in: Hanji 1334, 209 (210). 20
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Lebenden zur Privatsphäre gehören würden, aber bejaht.24 Im Falle des Opfers einseitiger Gewalttätigkeiten, die fälschlicherweise als „Streit“ dargestellt wurden, wurde zwar eine Ehrverletzung der Eltern nicht einmal angesprochen, aber eine Verletzung des Pietätsgefühls ohne Weiteres bejaht.25 In den oben genannten Fällen um den bei einem Motorradunfall umgekommenen 15jährigen und den Roman „Verrat“ wird zusätzlich zur Ehre der Eltern bzw. des Sohnes auch deren Pietätsgefühl gegenüber dem Toten als verletzt angesehen.26 Bezüglich der Mutter der von ihrem schizophrenen Verehrer ermordeten Frau („Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“), deren Ehre als verletzt angesehen wurde, wird dagegen eine Verletzung des Pietätsgefühls neben der Ehre überhaupt nicht angesprochen.27
Auch der Annahme einer Verletzung des Pietätsgefühls sind jedoch Grenzen gesetzt. Der Schutz über das Pietätsgefühl geht also weiter als der über den Ehrenschutz von Angehörigen des Toten, ist jedoch enger als der Schutz eines Betroffenen, der noch lebt und selbst Ansprüche geltend machen kann. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Tod nimmt die Schutzintensität dann immer weiter ab. Bezüglich der Schwester der von ihrem schizophrenen Verehrer ermordeten Frau („Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“) wird nicht nur eine Beeinträchtigung der Ehre, sondern auch eine Verletzung des Pietätsgefühls abgelehnt.28 Auch im Fall „Rakujitsu moyu“ scheidet nicht nur eine Ehrverletzung des Angehörigen, sondern auch eine Verletzung des Pietätsgefühls aus, hier aus dem Grund, dass die fraglichen Behauptungen offenbar zumindest nicht auf reiner Erfindung beruhten und dass seit dem Tod des Betroffenen schon fast 50 Jahre vergangen waren. Da der Schutz des Pietätsgefühls im Lauf der Zeit abnehme, sollen so lange nach dem Tode nur noch wahrheitswidrige Äußerungen, die zudem Tatsachen von großer Bedeutung betreffen, eine unerlaubte Handlung gegenüber dem Angehörigen darstellen können.29 Mangels einer hinreichend nahen Beziehung zum Toten wird die Verletzung eines Pietätsgefühls abgelehnt im Fall des oben bereits erwähnten Schülers des angeblich an der ManshûBesiedlung beteiligten Dichters,30 aber auch im Fall eines Enkelkindes, das erst nach dem Tod der von der Berichterstattung betroffenen Großeltern geboren wurde.31
24
DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). DG Matsuyama, Urteil vom 14.04.2010, in: Hanji 2080, 63 (68). 26 DG Ôsaka, Urteil vom 23.03.1983, in: Hanji 1071, 33 (37); DG Naha, Urteil vom 02.03.1983, in: Hanji 1082, 120 (122). 27 DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (38). 28 DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (39). 29 DG Tokyo, Urteil vom 19.07.1977, in: Hanji 857, 65 (68 ff.); OG, Tokyo, Urteil vom 14.03.1979, in: Hanji 918, 21 (23). 30 DG Tokyo, Urteil vom 09.11.1989, in: Hanji 1334, 209 (210). 31 DG Sapporo, Urteil vom 27.06.2002, Az. Heisei 10 (wa) 2328, abrufbar unter . 25
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3. Vorgehen bei mehreren Angehörigen Zu beachten ist, dass mehrfache Ansprüche – in Fällen mehrerer Angehöriger – nicht in Betracht zu kommen scheinen und dies zum Teil auch der Grund für die Ablehnung von Ansprüchen bestimmter Angehöriger sein kann. Darauf deutet die Begründung des Gerichts für die Ablehnung eines Schadensersatzanspruchs der Schwester im Fall „Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“ hin, dass nämlich die Ehre der Toten durch die Erlangung des Schadensersatzes durch die Mutter in gewissem Maße bereits wieder hergestellt werde, was auch den seelischen Schmerz der Schwester der Toten abmildere.32 Bei Eltern scheinen allerdings beide Elternteile gemeinsam wegen ihrer Kinder klagen und dabei jeder für sich Schadensersatz geltend machen zu können.33
Dies führt dazu, dass der Umfang des Schutzes von Angehörigen und die Voraussetzungen für die Annahme einer Verletzung von Rechten des Angehörigen keine klaren und stringenten Abgrenzungen liefern. Insgesamt lassen sich jedoch die oben angeführten Tendenzen feststellen. 4. Rechtsbehelfe zu Gunsten Angehöriger Da in Japan nicht die Rechte des Toten, sondern die von Angehörigen, also von lebenden Personen, als verletzt angesehen werden, kommen als Rechtsbehelfe grundsätzlich alle üblichen Rechtsfolgen in Betracht. Insbesondere können die Angehörigen – im Unterschied zum deutschen Recht – immateriellen Schadensersatz verlangen. Mit Summen von bis zu 500.000 Yen34 liegen die Beträge aber vergleichsweise niedrig. Bei einer Ehrverletzung kommt ferner auch ein Entschuldigungsanspruch in Betracht. So wurde etwa im Fall um den Roman „Verrat“ ein solcher Entschuldigungsanspruch bejaht. Entsprechend der Konstruktion als Verletzung von Rechten des Sohnes des Toten wird dieser Anspruch – in Modifikation des üblichen Entschuldigungsanspruchs – formuliert als Entschuldigung für die Verbreitung von Aussagen über den Toten und für die dadurch erfolgte Ehrverletzung am Sohn des Toten.35 Zu beachten ist aber insbesondere, dass auch der Zeitabstand zur Verletzungshandlung dem Bedarf nach einer Entschuldigung entgegenstehen kann, was in Fällen postmortaler Beeinträchtigungen häufig relevant wird.36 32
DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (39). DG Naha, Urteil vom 02.03.1983, in: Hanji 1082, 120 (122); DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). 34 DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (39): 300.000 Yen; DG Ôsaka, Urteil vom 23.03.1983, in: Hanji 1071, 33 (38): 300.000 Yen; DG Naha, Urteil vom 02.03.1983, in: Hanji 1082, 120 (124): 500.000 Yen pro Elternteil. 35 DG Ôsaka, Urteil vom 23.03.1983, in: Hanji 1071, 33 (38). 36 Vgl. DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (39), wo der Entschuldigungsanspruch mit der Begründung abgelehnt wird, dass in anderen Medien eine zutreffende 33
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Bezüglich eines Unterlassungsanspruchs finden sich bisher keine Rechtsprechungsbeispiele. 37 Da die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch schon bei Lebenden streng sind, dürfte dies erst recht für den Fall des postmortalen Schutzes gelten.38 Da in der Regel die Verletzung eines „Rechts“ vorliegen muss, dürfte insbesondere die Verletzung des Pietätsgefühls allein nicht ausreichen, um einen Unterlassungsanspruch zu rechtfertigen.39
C. Überlegungen zum Hintergrund der unterschiedlichen Konstruktionen des postmortalen Schutzes in Deutschland und Japan C. Konstruktionen des postmortalen Schutzes in Deutschland und Japan Die deutsche Rechtsprechung gesteht dem Individuum auch nach dem Tod einen Schutz seiner Persönlichkeit zu, indem sie den Schutz der Menschenwürde fortbestehen lässt, und lehnt es im Gegenzug bis auf Ausnahmefälle ab, durch eine Berichterstattung über eine verstorbene Person die Persönlichkeit von Angehörigen des Betroffenen als verletzt anzusehen.40 In Japan werden umgekehrt, wie soeben gesehen, eigene Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen abgelehnt; stattdessen werden dafür verhältnismäßig großzügig Persönlichkeitsrechte von Angehörigen des Verstorbenen durch eine Berichterstattung über den Verstorbenen als verletzt angesehen. Eine mögliche Interpretation der unterschiedlichen Konstruktionen des Schutzes von Toten wäre nun, dass in Japan aus kulturellen Gründen der Schutz des Individuums weniger wichtiger ist als in Deutschland und diesem deshalb über den Tod hinaus keine eigenen Persönlichkeitsrechte zugestanden werden, und dass gleichzeitig das Bewusstsein für die Familienzusammengehörigkeit und die Familie als Einheit größer ist als in Deutschland, so dass der Angriff auf eine Person die Rechte von Angehörigen beeinträchtigen kann. Im internationalen Vergleich muss hier allerdings gesehen werden, dass Deutschland mit der Anerkennung eigener postmortaler Rechte des Toten weltweit eher eine Ausnahme darstellt.41 So werden in den meisten angloBerichterstattung erfolgt ist, so dass das Bild von der Toten korrigiert wurde, und dass bereits drei Jahre seit dem Geschehen vergangen seien. 37 Unterlassung verlangt wurde in einem bekannten Fall von Angehörigen des japanischen Dichters und Literaturnobelpreisträges Yasunari Kawabata gegen den Roman „Die Hintergründe des Unfalls“ (Jiko no tenmatsu) – wobei mit „Unfall“ der Selbstmord von Kawabata gemeint ist, dessen Leben bis hin zum Tod in dem Roman ausführlich beschrieben wird. Der Streit wurde dann aber durch einen Vergleich gelöst. 38 IGARASHI, in: Jurisuto 653 (1977), S. 59. 39 IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 24. 40 Siehe oben, Kap. 2, C., S. 26 ff. 41 Einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit gibt es laut IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 39, aber in Russland (Art. 152 Abs. 1 Nr. 2 des
C. Konstruktionen des postmortalen Schutzes in Deutschland und Japan
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amerikanischen Rechtsordnungen – wo der Individualschutz traditionell eher von großer Bedeutung ist – Persönlichkeitsrechte strikt als zur Person zugehörig gesehen, so dass einer Person nach ihrem Tod keine Persönlichkeitsrechte mehr zustehen und auch Angehörige grundsätzlich nicht gegen Beeinträchtigungen der Persönlichkeit des Toten vorgehen können, wenn sie nicht in eigenen Rechten verletzt sind.42 In einigen europäischen Ländern wie in Frankreich oder in der Schweiz schützt man den Toten mittelbar über die Anerkennung von Rechten Angehöriger, wählt also den gleichen Ansatzpunkt wie in Japan,43 obwohl das Gesellschaftsmodell eher dem deutschen entspricht. Aus diesen unterschiedlichen Konstellationen bezüglich jeweiligem Gesellschaftsmodell und jeweiliger Ausprägung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes wird ersichtlich, dass man aus der Ablehnung von eigenen Rechten des Toten in Japan keinesfalls folgern kann, dass hierin eine niedrige Einschätzung der Bedeutung des Individuums zum Ausdruck kommt. Was andererseits die Bedeutung der Familie angeht, so kann man zwar tatsächlich sagen, dass diese in Japan traditionell immer eine große Rolle gespielt hat und auch heute noch allgemeingesellschaftlich eine größere Bedeutung als in Deutschland hatte.44 Allerdings muss man sehen, dass die ersten Fälle, in denen die Frage nach einer Verletzung von Rechten von Angehörigen eines Toten aufgeworfen wurden, aus den 1970er Jahren stammen.45 Die Anerkennung der Konstruktion ist somit erst in neuerer Zeit erfolgt und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die Bedeutung des Familienverbands im Vergleich zu früher deutlich abgenommen hat. Auch dieser Punkt weist darauf hin, dass die Interpretation der Ausgestaltung als Folge des unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes also nicht zwingend ist. Insgesamt sprechen diese Befunde dafür, dass die Unterschiede in den beiden Ländern einfach nur unterschiedliche Konstruktionsweisen darstellen und die abweichende japanische Lösung nicht etwa Ausdruck des andersrussischen Zivilgesetzbuchs), sowie in China (zumindest vereinzelte Anerkennung in der Rechtsprechung). 42 So IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 38. 43 So endet in der Schweiz der Persönlichkeitsschutz nach Art. 31 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches ausdrücklich mit dem Tode: „Die Persönlichkeit beginnt mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode“; in der Konsequenz wird ein Schutz über die „Andenkenschutztheorie“ gewährt, dazu KNELLWOLF, in: ZUM 1997, S. 783 ff. In Frankreich etwa existieren zahlreiche Urteile, aus denen die dogmatische Konstruktion nicht klar ersichtlich ist, und in der Literatur überwiegen Auffassungen, die eine Verletzung von Interessen der Angehörigen annehmen, vgl. IGARASHI, in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 39. 44 Zum Haussystem im Familienrecht und deren heute noch sichtbaren Ausprägungen siehe etwa MARUTSCHKE, in: Einführung in das japanische Recht, 2. Auflage (2010), S. 180 ff., 183. 45 Nämlich der Fall „Jiko no tenmatsu“ aus dem Jahre 1977, der allerdings im Wege eines Vergleichs gelöst wurde, siehe oben, Fn. 37, sowie der Fall „Rakujitsu moyu“, Fn. 20 ff., 29.
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Kapitel 7: Postmortaler Schutz der Persönlichkeit
artigen kulturellen Hintergrunds ist. Wenn man eigene Rechte des Toten ablehnt, was, wie bereits erwähnt, in internationaler Sicht keinesfalls eine Besonderheit ist, den Toten aber dennoch als schutzbedürftig empfindet, dann ist dessen mittelbarer Schutz über die Anerkennung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Angehörigen vielmehr eine notwendige Folge. Dass es in der Sache um einen Schutz des Toten geht, ergibt sich auch aus den Formulierungen in den Urteilen, die den Anknüpfungspunkt für die Verletzung der Rechte des Angehörigen wörtlich in einer Verletzung der Ehre oder Privatsphäre des Toten sehen,46 ohne dies im Sinne einer Verletzung von Rechten zu verstehen, die eine unerlaubte Handlung konstruieren würde. Dafür, dass man in Japan nicht ernsthaft die Persönlichkeit des Angehörigen als verletzt ansieht, sondern dass es sich vielmehr um eine Konstruktion handelt, um den Toten mittelbar zu schützen, spricht auch, dass zu Lebzeiten einer Person neben den Ansprüchen der Person selbst nicht etwa auch Ansprüche von Angehörigen anerkannt werden, obwohl sie doch in ihrer Ehre in gleicher Weise mit betroffen sein müssten, unabhängig davon, ob der direkt Angegriffene noch lebt oder nicht.47 Außerdem zeigt das oben erwähnte Urteil im Fall „Eskalation eines Dreiecksverhältnisses“, das ohne zwingende Begründung eine Ehrverletzung allein der Mutter, nicht aber der Schwester bejaht und mit der Begründung, dass die Verletzung durch einen Schadensersatzanspruch der Mutter ausgeglichen werde, für die Schwester auch eine Verletzung des Pietätsgefühls ablehnt, 48 dass der Kreis der Personen, die Schadensersatz verlangen können, wohl auf eine Person begrenzt sein soll und im Grunde nur einmalig der Schaden, den der Tote erlitten hat, wieder gutgemacht werden soll. Wenn man ernsthaft von einer Verletzung des Angehörigen selbst ausgehen würde, dürften diese Einschränkungen nicht vorgenommen werden.
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Davon, dass die Ehre des Toten verletzt ist, obwohl dies nicht als unerlaubte Handlung anerkannt wird und damit ein gewisser Widerspruch in der Formulierung entsteht, sprechen etwa DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (38); DG Ôsaka, Urteil vom 23.03.1983, in: Hanji 1071, 33 (37); DG Naha, Urteil vom 02.03.1983, in: Hanji 1082, 120 (122); DG Ôsaka, Urteil vom 27.12.1989, in: Hanji 1341, 53 (64). Bezüglich der Puraibashî heißt es vorsichtiger: „Tatsachen, die eine Puraibashî-Verletzung darstellen würden, wenn die Betreffende noch leben würde [Hervorhebung durch Verf.in]“, DG Ôsaka, in: Hanji 1341, 53 (64). 47 Darauf weist HAYASHIDA, in: Ôita daigaku keizai rongyô 33 Nr. 6 (1982), S. 224, hin, der allerdings dann die Auffassung vertritt, dass auch gleichzeitig eine unerlaubte Handlung gegenüber Angehörigen vorliegen kann. 48 DG Shizuoka, Urteil vom 17.07.1981, in: Hanji 1011, 36 (38/9).
D. Vor- und Nachteile der beiden Modelle
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D. Vor- und Nachteile der beiden Modelle D. Vor- und Nachteile der beiden Modelle Vergleicht man nun die beiden Lösungsmodelle – eigenes Persönlichkeitsrecht des Toten oder Anerkennung einer Verletzung von Rechten Angehöriger –, so bringt das deutsche Modell auf der einen Seite zunächst das Problem mit sich, dass es entgegen den Grundsätzen des Zivilrechts ein subjektloses Recht schafft.49 Beim japanischen Modell bleibt hingegen der Widerspruch, dass bei einer Ehrverletzung von Lebenden eine gleichzeitige Verletzung von Angehörigen nicht angenommen wird, nach dem Tod des Betroffenen aber plötzlich eine selbständige Rechtsverletzung des Angehörigen vorliegen soll.50 Der entscheidende Vorteil des deutschen Modells wird häufig darin gesehen, dass der Verstorbene erstens unabhängig vom Vorhandensein Hinterbliebener geschützt ist,51 und dass es zweitens Probleme vermeidet in Fällen unterschiedlicher oder gar gegenläufiger Interessen des Toten und des Angehörigen52 sowie in Fällen, in denen der Angehörige selbst eine Verletzungshandlung vorgenommen hat.53 Faktisch müssen die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen aber auch im deutschen Modell treuhänderisch durch die Angehörigen wahrgenommen werden, so dass letztlich auch hier der Schutz nur dann tatsächlich greift, wenn die Angehörigen die Rechte des Toten geltend machen.54 49 LG Hamburg, in: UFITA 51 (1968), 352 (353) (= erste Instanz zum Mephisto-Urteil); MAY, in: NJW 1958, 2102; SCHWERDTNER, in: JuS 1978, S. 292; WESTERMANN, in: FamRZ 1969, S. 566. Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 02.07.2003, in: EuGRZ 2004, 314 (317). Aus der japanischen Literatur H. SAITÔ, in: Jinkakuken-hô no kenkyû [Studien zum Persönlichkeitsrechtsschutz] (1979), S. 210; DERS., in: Hanhyô 228 (1978), S. 34 = Hanji 871 (1978), S. 148. 50 URAKAWA, in: Jurisuto 763 (1982), S. 138. 51 BASTON-VOGT, in: Allgemeines Persönlichkeitsrecht (1997), S. 300; KNELLWOLF, in: ZUM 1997, S. 784 f., 789. Die gleichen Argumente nennen japanische Wissenschaftler, die – nach dem Vorbild des deutschen Rechts – die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen über den Tod hinaus fortbestehen lassen wollen, so etwa IGARASHI, in: Jurisuto 653 (1977), S. 58; DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 42; URAKAWA, in: Jurisuto 763 (1982), S. 139. 52 HELDRICH, in: FS Lange (1970), S. 170; SCHACK, in: GRUR 1985, S. 356. ASHITOMI, in: Ryûhô 27 (1980), S. 81; IGARASHI, in: Jurisuto 653 (1977), S. 58; DERS., in: Jinkakukenhô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 42; URAKAWA, in: Jurisuto 763 (1982), S. 139. 53 BASTON-VOGT, in: Allgemeines Persönlichkeitsrecht (1997), S. 299 f.; HELDRICH, in: FS Lange (1970), S. 170; KNELLWOLF, in: ZUM 1997, S. 789. ASHITOMI, in: Ryûhô 27 (1980), S. 81; IGARASHI, in: Jurisuto 653 (1977), S. 58; DERS., in: Jinkakuken-hô gaisetsu [Recht der Persönlichkeit] (2003), S. 42; URAKAWA, in: Jurisuto 763 (1982), S. 139. 54 KNELLWOLF, in: ZUM 1997, S. 789; KLIPPEL, in: Der zivilrechtliche Schutz des Namens (1985), S. 554; SCHACK, in: JZ 1989, S. 611; Schweiz. Bundesgericht, Urteil vom 04.07.2003, in: EuGRZ 2004, 314 (317).
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In theoretischer Hinsicht liegt ein weiterer Vorteil des deutschen Modells darin, dass es keine Unklarheit gibt hinsichtlich des Kreises von potentiell in der Persönlichkeit betroffenen Angehörigen, sondern feststeht, dass nur eine Verletzung gegenüber dem Toten vorliegt.55 Faktisch relativiert sich jedoch auch dieser theoretische Vorteil, da, wie gezeigt, die Rechtsprechung in Japan den Kreis der Personen, bei denen eine Persönlichkeitsverletzung angenommen wird, ebenfalls einschränkt, so dass es nicht zu einer Vervielfachung der Schadensersatzforderungen kommt.56 Das Problem, dass nicht eindeutig vorhersehbar ist, mit welchem Angehörigen der Schädiger sich auseinandersetzen muss, stellt sich ferner in Deutschland, wo die Rechte letztlich auch nur durch die Angehörigen geltend gemacht werden können, in gleicher Weise wie in Japan. Insoweit kann man die Modelle als gleichwertig betrachten. Bei beiden bestehen Probleme, die sich aber mehr aus der Natur des zu Grunde liegenden Problems ergeben, dass man einen Toten schützen will; und beide führen in der Praxis letztlich zu ähnlichen Ergebnissen. Ein entscheidender Unterschied zwischen dem deutschen und dem japanischen Recht liegt jedoch darin, dass in Deutschland Schadensersatzansprüche nur bestehen, soweit vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts eines Toten betroffen sind, für die Verletzung immaterieller Interessen von Toten aber keine finanzielle Entschädigung verlangt werden kann,57 während es in Japan ohne Weiteres möglich ist, den Angehörigen auch immateriellen Schadensersatz zuzugestehen.58 Da das Fehlen eines Geldersatzanspruchs für die Verletzung immaterieller Interessen von Toten ein entscheidendes Manko im deutschen Recht darstellt, soll im Folgenden in einem eigenen Unterabschnitt die Frage diskutiert werden, ob solche Ansprüche erforderlich sind und ob daher eine Übertragung der japanischen Denkweise auf das deutsche Recht zu befürworten wäre.
E. Folgerungen aus dem japanischen Recht für einen postmortalen Ersatz immaterieller Schäden im deutschen Recht? E. Postmortaler Ersatz immaterieller Schäden auch für das deutsche Recht? Wenn ein Anspruch auf Entschädigung abgelehnt wird und bloß Unterlassungsansprüche gegen den Verletzer bestehen, führt das dazu, dass für den Verletzer aus der Vornahme der Verletzungshandlung nur geringe Risiken entstehen. Der Verletzte müsste vor einer Klageerhebung den Verletzer näm55
KNELLWOLF, in: ZUM 1997, S. 784 f. Siehe oben, Kap. 7, B.II., S. 221 ff. 57 Siehe oben, Kap. 2, C., S. 26 f. 58 Siehe insbesondere oben, Kap. 7, B.II.4., S. 225. 56
E. Postmortaler Ersatz immaterieller Schäden auch für das deutsche Recht?
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lich erst einmal abmahnen, um zu vermeiden, dass er im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses des Verletzers nach § 93 ZPO die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen muss. Der Verletzer muss also nur, wenn er abgemahnt wird, eine Unterlassungserklärung abgeben – was er mit vergleichsweise geringen Kosten tun kann –, um eine Klage abzuwenden. Daher wird auch in Deutschland vielfach kritisiert, dass Unterlassungsansprüche allein keinen ausreichenden Schutz des Verstorbenen gegen Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts bieten.59 Das japanische Modell würde eine Abhilfe bezüglich dieses Problems bieten. Dass auch das deutsche Recht in Ausnahmefällen bereits die Verletzung von Rechten Angehöriger annimmt,60 zeigt, dass dieser Ansatz auch im deutschen Recht prinzipiell in Frage kommt. Allerdings zeigt sich die deutsche Rechtsprechung in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend und restriktiv.61 Das japanische Modell ist jedoch nicht die einzige konstruktive Möglichkeit, um diese Schutzlücke, sofern man sie für eine solche hält, zu schließen. Eine weitere Lösung wäre eine Erweiterung der Fälle, in denen man eine Verletzung von vermögenswerten Bestandteilen der Persönlichkeit annimmt.62 Bereits bei der Darstellung der Rechtslage in Deutschland63 wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, auf die Lizenzbereitschaft als Voraussetzung für die Annahme eines materiellen Schadens zu verzichten und den Anwendungsbereich der vermögenswerten Bestandteile über die klassischen Fallgruppen der Verwendung von Bildnissen oder Namen für Werbungen oder Verkaufsartikel hinaus auch auf die Fälle der „Verwendung“ von Storys im Rahmen einer Berichterstattung auszudehnen. Da die vermögenswerten Bestandteile anerkanntermaßen vererblich sind, würde dies eine Erweiterung des Schutzes von Toten bewirken.64 59
OLG München, in: ZUM 2002, 744 (745); GÖTTING, in: FS Ullmann (2006), S. 77; WENZEL/BURKHARDT, in: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. (2003), Kap. 9 Rdnr. 37. 60 Siehe oben, Kap. 2, C., S. 27 ff. 61 Kritisch zu dieser Haltung und für ein Angehörigenschmerzensgeld plädierend HUBER, in: NZV 2012, S. 5. 62 So vor allem Ansätze in der Literatur, die die Lösung des OLG München, in: ZUM 2002, 744 über die Anerkennung einer immateriellen Geldentschädigung zu Gunsten eines Toten kritisieren und eine Alternativlösung über den Ansatz über die Annahme einer Verletzung vermögenswerter Interessen anbieten, siehe KOOS, in: WRP 2003, S. 202 f.; GÖTTING, in: GRUR 2004, S. 801 ff. FISCHER, in: ZEV 2006, S. 274 kritisiert am BGH, der bei ehrverletzender Darstellung nur ideelle Bestandteile für einschlägig hält, dass die Presse nur möglichst ehrverletzend sein muss, um bei Toten Ersatzansprüchen zu entgehen. 63 Siehe oben, Kap. 2, B.IV.1., S. 21. Das japanische Recht gab hierzu keine Diskussionsanregungen, da die Situation hier eine ganz andere ist, siehe Kap. 4, F.V., S. 119 ff. 64 So der Ansatz von BEUTHIEN, in: ZUM 2003, 262. Diesen Ansatz befürwortend etwa SCHMELZ, in: ZUM 2006, S. 215.
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Kapitel 7: Postmortaler Schutz der Persönlichkeit
Vorteil dieser Lösung wäre zudem, dass sich auch ganz allgemein für Fälle von Persönlichkeitsverletzungen an Lebenden Lösungen ergeben würden, die vom Ergebnis her effektiv und sachgemäß sind und auch den Schutzbedürfnissen gerecht werden. Wie oben gezeigt wurde, beruht die Zurückhaltung vor der Behandlung von Persönlichkeitsrechten als Immaterialgüterrechten auf eher emotionalen Widerständen, die an das Idealbild einer selbstbestimmten, nicht der Kommerzialisierung zugänglichen Persönlichkeit anknüpfen.65 Das Festhalten an solchen Idealbildern vermag jedoch tatsächliche Verletzungshandlungen nicht zu verhindern66 und könnte insofern vielmehr ungewollt dazu führen, dass die Persönlichkeit weniger geschützt ist als bei einem realistischen Ansatz. Eine Betrachtung des Persönlichkeitsrechts als Vermögensrecht mag zwar dem Vorwurf ausgesetzt sein, das Persönlichkeitsrecht werde damit zu etwas „Käuflichem“; andererseits würde damit das Recht auf Selbstentscheidung gewährleistet. Außerdem ist nicht ersichtlich, warum zwischen einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild – die in der Regel als Verletzung eines Vermögenswertes anerkannt wird – und der Achtung der Privatsphäre differenziert werden und zum Beispiel bei Veröffentlichung einer Krankengeschichte dem Opfer Ansprüche zu versagen sein sollen, während bei Veröffentlichung von Fotos des Betroffenen Ansprüche bestehen können. 67 Ferner besteht bei dem Ansatz über die Gewährung von Schmerzensgeld meist das Problem eines wertungsmäßigen Ungleichgewichts im Vergleich zu Schmerzensgeldern beispielsweise in Fällen jahrelanger sexueller Nötigungen oder Vergewaltigungen oder Schäden, die Eltern aufgrund der Nachricht vom Unfalltod ihres Kindes erleiden,68 während sich bei einem Ansatz über Vermögensrechte solche Unterschiede zwanglos erklären ließen. Schließlich könnte mit einem Ansatz über Vermögensrechte auch das Problem vermieden werden, dass Schmerzensgelder nur bei „schwerwiegenden“ Verletzungen der Persönlichkeit gewährt werden können und damit Schutzlücken bestehen. An seine Grenzen stößt dieser Ansatz aber in solchen Fällen, in denen der Schädiger mit seiner Handlung keinerlei Vermögensvorteile erzielt und daher von einer Ausnutzung vermögenswerter Interessen nicht die Rede sein kann. Eine dritte Möglichkeit wäre noch, eine Geldentschädigung auch bei der Verletzung von immateriellen Interessen eines Toten anzuerkennen.69 Recht65
Siehe oben, Kap. 4, F.II.3., S. 115 f. SCHLECHTRIEM, in: FS Hefermehl (1976); S. 457. 67 Staudinger-HAGER, in: BGB, 13. Bearb. (1999), § 823 Rdnr. C249. 68 GÖTTING, in: FS Ullmann (2006), S. 71; ULLMANN, in: WRP 2000, S. 1050, 1053. 69 Aus diesem Grunde hat das OLG München einen Anspruch auf Schmerzensgeld in einem solchen Fall entgegen der herrschenden Rechtsprechung bejaht, OLG München, in: ZUM 2002, 744 (745 ff.). Bedenken gegen die herrschende Rechtsprechung unter Präventionsgesichtspunkten auch bei FISCHER, in: ZEV 2006, S. 274; SCHMELZ, in: ZUM 2006, 66
E. Postmortaler Ersatz immaterieller Schäden auch für das deutsche Recht?
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fertigen ließe sich dies mit dem Gedanken der Prävention, der von der Rechtsprechung zur Begründung von hohen Schmerzensgeldern herangezogen wird und daher auch hier berücksichtigungsfähig sein müsste.70 Eine Prävention ist erforderlich, denn wenn dem Verstorbenen schon eine Menschenwürde zugestanden wird, dann muss diese, ebenso wie das Persönlichkeitsrecht der lebenden Person, ausreichend geschützt werden; der Tod darf nicht dazu führen, dass die Würde faktisch schutzlos wird.71 Zwar wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass man bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten eines Toten nicht von einem „Schaden“ sprechen könne, weil es mit dem Tode des Verstorbenen an einem Rechtsträger fehle.72 Es wäre aber widersprüchlich, einerseits dem Verstorbenen fortbestehende Rechte zuzugestehen, andererseits aber mangels Rechtsträgerschaft einen Schaden zu verneinen. Vielmehr entsteht ein Schaden an dem über den Tod hinaus unter Schutz gestellten Persönlichkeitsrecht. Auch die übliche Rechtsprechungsansicht, dass bei einem Toten die Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion der Geldentschädigung nicht mehr zum Zuge kommen kann,73 lässt sich durchaus in Frage stellen. Genugtuung und Ausgleich treten nämlich nicht unbedingt nur dadurch ein, dass der Verletzte persönlich Geld vom Verletzer erhält, was bei einem Toten naturgemäß nicht mehr möglich ist. Vielmehr reicht es, wenn der Verletzer dazu gezwungen wird, Geld in die Sphäre des Verletzten abzugeben, um so zumindest eine gewisse Genugtuung und einen gewissen Ausgleich des Unrechts zu erreichen. Der Tote kann zwar kein Gefühl der Genugtuung mehr empfinden und von der Geldzahlung auch nicht mehr profitieren. Indem man ihm aber Nachwirkungen seiner Menschenwürde zugesteht, nimmt man an, dass von der Person auch nach dem Tod in der Erinnerung seines Umfeldes noch etwas Schützenswertes vorhanden ist, dem durchaus Gerechtigkeit verschafft werden kann. Es ist ein ganz typisches Erscheinungsbild, dass Angehörige von Verstorbenen, denen Unrecht oder ein Unglück widerfahren ist, dafür kämpfen, dass der Tote „gerächt“ bzw. das von diesem erlittene Unrecht wieder gutgemacht wird; dass man auch nach dem Tod noch Ausgleich und Genugtuung für erlittenes Unrecht erlangen kann, ist also eine gängige Vorstellung. Damit ergibt sich, dass eine Übertragung des japanischen Modells auf das deutsche nicht nur nicht unbedingt notwendig, sondern möglicherweise auch S. 215; SEIFERT, in: NJW 1999, S. 1896; WENZEL/BURKHARDT, in: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. (2003), Kap. 9 Rdnr. 37. 70 Vgl. SEIFERT, in: NJW 1999, S. 1896. 71 So OLG München, das einen postmortalen Schmerzensgeldanspruch bejaht in: ZUM 2002, 744 (746): „Er [der Tod] macht die Person nicht […] frei verfügbar.“ 72 FISCHER, in: ZEV 2006, S. 273; GÖTTING, in: GRUR 2004, S. 802. 73 Siehe oben, Kap. 2, C., S. 27.
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Kapitel 7: Postmortaler Schutz der Persönlichkeit
gar nicht empfehlenswert ist, weil dieses nicht in die etablierten Vorstellungen von Individualität und postmortalem Würdeanspruch passt. Für die in diesem Abschnitt angesprochene Frage einer Verstärkung des postmortalen Schutz durch die Gewährung von Schadensersatz auch in den Fällen, in denen nach den heute herrschenden Vorstellungen hauptsächlich immaterielle Interessen berührt sind, könnte das japanische Recht aber einen wichtigen Denkanstoß geben.
Kapitel 8
Ergebnisse und zusammenfassende Thesen 1
Sowohl in Deutschland als auch in Japan erfolgt der Schutz der Privatsphäre im Zusammenspiel verschiedener Rechtsgüter bzw. geschützter Interessen, nämlich dem Recht auf Ehre, dem Recht auf Privatsphäre (Puraibashî), dem Bildnisrecht und dem Publicity-Recht. 1 Insofern konnte in den beiden Ländern ein vergleichbarer Ansatz festgestellt werden. Dabei lässt sich in den Rechtsordnungen der beiden Länder aber eine deutliche Verschiebung der Schwerpunkte feststellen, insbesondere was das Verhältnis zwischen Recht auf Ehre und Recht auf Puraibashî angeht. Im Unterschied zu Deutschland spielt in Japan der Ehrenschutz eine zentrale Rolle für den Schutz der Privatsphäre, während das Recht auf Puraibashî selbst, im Vergleich zu Deutschland, weniger stark entwickelt ist.2 Ein Grund für die große Bedeutung des Ehrenschutzes in Japan ist, dass die Ehre als einziges kodifiziertes Rechtsgut frühzeitig ausgeformt und zu einem etablierten Rechtsinstitut entwickelt wurde und daher im Vergleich zu den anderen Rechtsgütern eine in besonderem Maße gefestigte und gesicherte Stellung aufweist.3 Das Puraibashî-Recht demgegenüber wird, ähnlich wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in Deutschland, direkt aus der Verfassung hergeleitet und hat sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt.4 Auch wenn die Anerkennung im Ergebnis heute unbestritten ist, zeigen sich Unsicherheiten bzw. Unklarheiten insbesondere bei der Frage nach dem Rechts- (Kenri-) Charakter des Schutzgegenstandes,5 dem Inhalt des Schutzes6 und den Abwägungskriterien bei der Entscheidung über eine Rechtfertigung von Eingriffen.7
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Zu den relevanten Rechtsgütern Kapitel 4. Kap. 4, B., insbesondere B.IV., sowie Kap. 4, D.IV.3. 3 Kap. 4, B.IV.3., b, c, und e. Zur Dogmatik des Ehrenschutzes Kap. 3, A. und Kap. 4, B.II. 4 Kap. 4, D.II. 5 Kap. 4, D.III. 6 Kap. 4, D.IV. 7 Kap. 4, D.V. 2
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Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen
Andererseits könnte die Dominanz des Ehrenschutzes auch durch andere als derartige rein technische Ursachen bedingt sein. Der Vorrang der Ehre lässt sich nämlich auch als Ausdruck besonderer kulturell bedingter gesellschaftlicher Vorstellungen über Werte deuten, nach denen die „Wahrung des Gesichts“ nach außen wichtiger ist als der Gedanke einer persönlichen Freiheitssphäre. Der Schluss, dass die Dominanz des Ehrenschutzes zumindest in einem gewissen Grad entsprechende gesellschaftliche Wertvorstellungen widerspiegelt, ergibt sich daraus, dass die Bejahung einer Ehrverletzung durch die Verbreitung bestimmter Tatsachen implizit immer auch auf der Einschätzung beruht, dass es sich bei dem jeweiligen Sachverhalt um etwas handelt, das Gegenstand einer auf einem gesamtgesellschaftlichen Konsens beruhenden Bewertung ist und somit gesamtgesellschaftlich unhinterfragt missbilligt wird.8 Die dabei zugrunde gelegten moralischen Anforderungen sind in Japan zum Teil deutlich strenger als in Deutschland, so dass eine Ehrverletzung auch in Fällen angenommen werden kann, die in Deutschland von vornherein nie mit dem Gedanken einer „Ehrenrührigkeit“ in Verbindung gebracht würden.9 Auch die zum Teil explizite Formulierung solcher strenger moralischer Ansprüche spricht dafür, dass unterschiedliche gesellschaftliche und moralische Werte zumindest eine der Ursachen für die Schwerpunktverlagerung hinsichtlich der angewandten Rechtsgüter in Japan sind. Auch in Japan wird jedoch die Schutzbedürftigkeit der Privatsphäre im Sinne einer individuellen Freiheitssphäre in einem weiteren Umfang berücksichtigt, als es die Dominanz des Ehrenschutzes zunächst vermuten lässt. Teilweise sind solche Puraibashî-Konzepte nämlich in den Ehrenschutz eingeflochten und werden mittelbar über diesen realisiert. In bestimmten Fallgruppen ist die Puraibashî zudem sogar der überwiegende Schutzaspekt.10 Umgekehrt spielen auch in Deutschland teilweise Ehraspekte eine Rolle, was die Bedeutung der Unterschiede in den Ländern wiederum relativiert.11 Zudem lässt sich in Japan in den letzten Jahren eine stärkere Betonung des Puraibashî-Aspekts beobachten.12 Soweit der Ehrenschutz einschlägig ist, ergibt sich für die entsprechenden Fälle die Folge-Besonderheit, dass für die Annahme einer Ehrverletzung eine objektive Herabsetzung der sozialen Achtung erforderlich
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Kap. 4, B.IV.2., a, c und B.IV.5. Kap. 4, B.IV.4., b und B.IV.5. 10 Kap. 4, B.IV.2., c. 11 Kap. 4, B.IV.4., b. 12 Kap. 4, B.IV.1., b, e, B.IV.2., d, sowie Kap. D.IV.3. 9
Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen
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ist.13 Dabei entsteht zum einen das Problem, dass objektive Wert- und Beurteilungsmaßstäbe gefunden werden müssen, obwohl ein Kriterium wie das der sozialen Achtung einer Person immer von individuellen Einschätzungen abhängig ist. Zum anderen ergibt sich teilweise die problematische Konsequenz, dass angesehenen Personen ein höherer Schutz zukommen kann als Personen, die von vornherein keinen guten Ruf genießen oder deren Ansehen durch eine vorangegangene Berichterstattung bereits beschädigt ist.14 Ein technischer, die Folgen der Anwendung unterschiedlicher Rechtsgüter wiederum relativierender Unterschied in der Ausgestaltung des Ehrenschutzes in Japan liegt darin, dass im Gegensatz zu Deutschland auch wahrheitsgemäße Aussagen die Ehre verletzen können, wenn es an einem öffentlichen Interesse fehlt. Das führt dazu, dass über den Ehrenschutz in Japan gleichermaßen wie bei einem Vorgehen über ein Recht auf Puraibashî Schutz auch vor wahrheitsgemäßer Berichterstattung besteht, was ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Ehre eine so zentrale Funktion für den Schutz der Privatsphäre übernehmen kann. Umgekehrt hat sich dieser erweiterte Anwendungsbereich möglicherweise aber auch erst daraus entwickelt, dass eine Lösung über den Ehrenschutz gesucht wurde und dies einen entsprechend weiten Schutz des Rechts auf Ehre notwendig machte.15 Es bleibt aber zwischen dem Puraibashî-Schutz und dem Ehrenschutz der Unterschied, dass ein Angriff auf den Wahrheitsgehalt einer Aussage nur über die Geltendmachung einer Ehrverletzung möglich ist, da die Wahrheitsmäßigkeit des Inhalts nur im Rahmen des Ehrenschutzes von Relevanz ist, nicht aber im Rahmen des Puraibashî-Schutzes.16 Faktisch kann dies dazu führen, dass bei bloßer Geltendmachung einer Puraibashî-Verletzung der Eindruck entsteht, der Betreffende gestehe die Wahrheitsmäßigkeit des berichteten Inhalts ein. Dieser psychologische Effekt dürfte mit dazu beitragen, dass Betroffene häufiger auf ihr Recht auf Ehre zurückgreifen und dem Ehrenschutz in der Praxis somit eine ungleich größere Bedeutung im Bereich des Persönlichkeitsschutzes zukommt.17 In theoretischer Hinsicht kann auch der Schutz des Ehrgefühls (Meiyo kanjô) als Instrument zum Schutz der Privatsphäre dienen. Das Ehrgefühl ist bereits verletzt, wenn das subjektive Ehrempfinden betroffen ist, auch wenn keine objektive Herabsetzung der gesellschaftlichen
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Kap. 4, B.V. Kap. 4, B.V.3. 15 Kap. 4, B.VI. 16 Kap. 4, D.IV. 17 Kap. 4, B.IV.3., c. 14
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Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen
Achtung erfolgt ist. Dieses Ehrgefühl ist in Japan grundsätzlich zumindest über Schadensersatzansprüche geschützt, auch wenn es kein Rechtsgut im Sinne eines absoluten Rechts darstellt. Möglich ist dies aufgrund der besonderen Struktur des Deliktsrechts in Japan.18 Es hat sich jedoch gezeigt, dass das Ehrgefühl in der Praxis für den Schutz der Privatsphäre keine Rolle spielt, weil Schadensersatzansprüche eine bestimmte Schwere des Eingriffs in das Ehrgefühl verlangen, woran es bei der bloßen Verbreitung von Tatsachen, die nicht einmal objektiv entehrend sind, fehlt.19 Im Unterschied zur Situation in Deutschland ist das Bildnisrecht in Japan, wie auch das Puraibashî-Recht, nicht kodifiziert und wurde erst durch die Rechtsprechung auf Basis der verfassungsrechtlichen Gewährleistung von Persönlichkeitsrechten entwickelt.20 Wie beim Recht auf Puraibashî bestehen infolgedessen zumindest dogmatisch noch Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtsnatur,21 des Schutzumfangs22 und der Abwägungskriterien. Insbesondere hinsichtlich der Abwägungskriterien hat sich der Oberste Gerichtshof Japans im Jahr 2005 abweichend von der bis dahin verbreiteten unterinstanzlichen Rechtsprechung positioniert, so dass die weitere Entwicklung der Rechtsprechung unter diesen neuen Vorgaben beobachtet werden muss.23 Auch sind die Anforderungen an die Einwilligung in eine Veröffentlichung in Japan nicht so klar abgesteckt wie in Deutschland.24 Diese Unterschiede in den dogmatischen Voraussetzungen könnten zumindest mit ursächlich dafür sein, dass das Bildnisrecht in Japan bei weitem keine so große Rolle spielt wie das Recht am Bild in Deutschland. Das Recht am Bild in Deutschland ist kodifiziert und ausdifferenziert geregelt und häufig das von Betroffenen vordergründig geltend gemachte Schutzgut, während die zugehörige Wortberichterstattung bei der Prüfung einer Zulässigkeit von Berichten in Deutschland oft im Hintergrund steht. In Japan dagegen zeigt der Ehrenschutz seine dominante Stellung auch im Verhältnis zum Bildnisrecht. Bei „negativen“ Bildnissen wird häufig auch eine Ehrverletzung angenommen. Bei ehrverletzenden bebilderten Texten wird oft allein auf die ehrverletzende Natur des Textes ab-
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Kap. 3, B., Kap. 4, C.II. Kap. 4, C.III. 20 Kap. 4, E.II. 21 Kap. 4, E.III. 22 Kap. 4, E.IV. 23 Kap. 4, E.VI. 24 Kap. 4, E.V. 19
Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen
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gestellt, und zum Teil werden Bilder, die einem rechtswidrigen Text beigefügt sind, nicht als Verletzung des Bildnisrechts eingestuft. Dem Bildnisrecht kommt insofern in den Fällen, in denen auch die Ehre als betroffen angesehen werden kann, meist keine selbständige Funktion neben dem Ehrenschutz zu.25 Das japanische Publicity-Recht bildet die Entsprechung zu den vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts in Deutschland. Wie auch diese nimmt das Publicity-Recht eine Sonderrolle und ambivalente Stellung ein, die sich aus dem Widerspruch zum ursprünglichen Konzept der Persönlichkeitsrechte als ideellen zu einer Person gehörenden Werten ergibt. Obwohl das japanische Publicity-Recht sich vom Ansatz her vom deutschen Verständnis der vermögenswerten Bestandteile insofern grundlegend unterscheidet, als es als selbständiges, von den ideellen Persönlichkeitsrechten abgespaltenes Eigentumsrecht verstanden wird,26 finden sich zu den konkreten Einzelfragen sehr ähnliche Diskussionen wie in Deutschland, so hinsichtlich der Übertragbarkeit27 oder Vererblichkeit28 der Rechte. Dies macht deutlich, dass unabhängig von der grundsätzlichen dogmatischen Einordnung für die konkreten Fragen immer pragmatische Lösungen unter Berücksichtigung der Schutzbedürfnisse gesucht werden können bzw. müssen und die in Deutschland teilweise geäußerten grundsätzlichen Bedenken vor einer Entwicklung der vermögenswerten Bestandteile in Richtung eines selbständigen Immaterialgüterrechts unbegründet sind.29 Insgesamt ist das Publicity-Recht in Japan noch wenig konkretisiert. So gibt es noch keine Rechtsprechung zur Vererblichkeit und wenig Rechtsprechung zu der Frage, ob das Publicity-Recht nur bei Lizenzbereitschaft des Betroffenen verletzt ist.30 Ferner wird das Publicity-Recht nur sehr restriktiv eingesetzt.31 Betrachtet man den Schutzumfang in konkreten Fallgruppen,32 zeigt sich hinsichtlich Veröffentlichungen über das Privatleben Prominenter, dass die Zulässigkeit solcher Veröffentlichungen in der Rechtsprechung meist sehr restriktiv gehandhabt wird, dies jedoch in der Praxis nicht
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Kap. 4, E.VII. Kap. 4, F.II. 27 Kap. 4, F.III. 28 Kap. 4, F.IV. 29 Kap. 4, F.II., F.VII. 30 Kap. 4, F.IV., F.V. 31 Kap. 4, F.VI. 32 Dazu Kapitel 5. 26
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Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen
unbedingt mit einem auch faktisch hohen Schutzstandard einhergeht.33 Straftäter und Opfer von Straftaten oder Unglücksfällen sind gegenüber einer identifizierenden Berichterstattung im Gegensatz zu Deutschland rechtlich kaum geschützt; insbesondere die geringen Standards zum Opferschutz stoßen auch in der innerjapanischen Diskussion immer wieder auf Kritik.34 Unter den Rechtsbehelfen bei einer Persönlichkeitsverletzung35 ist der Geldersatz der primäre und am häufigsten eingesetzte. Im Gegensatz zum deutschen Recht wird dieser in Japan als weniger gravierende Rechtsfolge im Vergleich zu Unterlassungs- und Wiederherstellungsansprüchen betrachtet und unter weniger strengen Voraussetzungen als die auf Handlung bzw. auf Unterlassung gerichteten Ansprüche gewährt.36 Grundlage des Geldersatzanspruchs ist dabei in aller Regel ein Schmerzensgeld auf der Basis der deliktischen Generalklausel.37 Die Höchstsummen bewegen sich mit 10.000.000 Yen bisher in einem vergleichbaren Rahmen wie in Deutschland.38 Wie auch in Deutschland gibt es Diskussionen um die Berücksichtigung von Präventionserfordernissen und die Notwendigkeit einer Erhöhung der Schmerzensgeldsummen. Im Ergebnis wird ein Strafcharakter des Schmerzensgeldes auch in Japan abgelehnt, kommerzielle Motive oder Gewinne des Verletzers bilden aber einen Gesichtspunkt bei der Bemessung des Schmerzensgeldes.39 Ein besonderer Rechtsbehelf des japanischen Rechts ist die sogenannte Entschuldigungsanzeige. Sie übernimmt die Funktion des deutschen Widerrufs, stellt im Gegensatz zu diesem aber keinen Beseitigungs-, sondern einen Wiederherstellungsanspruch dar, also letztlich einen Schadensersatzanspruch in Form einer Naturalrestitution, und enthält über einen eine unerlaubte Handlung eingestehenden Teil hinaus die Erklärung einer Entschuldigung hierfür. Dass der Zwang zu einer Entschuldigung bei aller Diskussion in der japanischen Praxis letztlich für verfassungsgemäß gehalten wird, ist im Ergebnis nur damit zu erklären, dass der Rechtsbehelf in dieser Form traditionell gewachsen und mittlerweile im Rechtssystem so tief verwurzelt ist, dass formali-
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Kap. 5, B. Kap. 5, C., D. 35 Die Rechtsfolgen einer Persönlichkeitsverletzung wurden untersucht im Kapitel 6. 36 Kap. 6, A., B.II., C.IV., E.I., E.III. 37 Kap. 6, B.II. 38 Kap. 6, B.III.1. 39 Kap. 6, B.III.3. 34
Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen
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sierte Entschuldigungserklärungen gesellschaftlich akzeptiert sind und sogar erwartet werden.40 Unbestritten anerkannt ist der Anspruch auf Veröffentlichung einer Entschuldigungsanzeige nur als Rechtsfolge bei einer Ehrverletzung; für Puraibashî- und Bildnisrechts-Verletzungen wird er nur teilweise zugestanden. Damit ergibt sich – zumindest nach der herrschenden Meinung – ein besonderer Rechtsbehelf, der nur bei Ehrverletzungen eingreift.41 Im Hinblick auf die Erfordernisse der Gewährleistung eines umfassenden Schutzes der Persönlichkeit regt zur Diskussion im deutschen Recht an, dass der Anspruch zumindest theoretisch auch gegen wahre Tatsachenbehauptungen und Werturteile Anwendung finden kann. In der Praxis ergeben sich im Ergebnis allerdings keine großen Unterschiede zum deutschen Recht, weil de facto das Erfordernis einer Entschuldigungsanzeige im Hinblick auf die – primär einzusetzende – Möglichkeit eines Geldersatzes in der Regel nur bei unwahren Tatsachenbehauptungen bejaht wird.42 Ein reiner Widerrufsanspruch wird in Japan als mildere Alternative zur Entschuldigungsanzeige diskutiert und wurde vereinzelt auch in der Rechtsprechung anerkannt, dogmatisch meist – wie auch die Entschuldigungsanzeige – als Wiederherstellungsmaßnahme statt als Beseitigungsanspruch. Da die Widerrufsanzeige sich von der Entschuldigungsanzeige aber nur am fehlenden Ausspruch der Entschuldigung unterscheidet, spielt sie in einer Rechtsordnung, die die Entschuldigung als etablierte Praxis akzeptiert, nur eine marginale Rolle.43 Auch ein Recht auf Gegendarstellung wird diskutiert. Bisher entbehrt ein solcher Anspruch im japanischen Recht aber jeglicher Grundlage.44 Dogmatische Grundlage und Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs sind in Japan umstritten, im Gegensatz zum deutschen Recht, wo es sich beim Unterlassungsanspruch um einen verhältnismäßig unproblematischen Rechtsbehelf handelt. Das liegt zum einen an der fehlenden Konturierung absoluter Rechte aufgrund der besonderen Struktur des japanischen Rechts, weshalb im Gegensatz zu Deutschland nicht automatisch die Unterlassung einer Verletzung absoluter Rechte verlangt werden kann,45 zum anderen an der Einstufung der Unterlassung als schwerwiegenderem Rechtsbehelf.46 Dies macht im japanischen
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Kap. 6, C.II., C.VIII. Kap. 4, B.VII., Kap. 6, C.III. 42 Kap. 6, C.V., C.VII. 43 Kap. 6, D.II. 44 Kap. 6, D.IV. 45 Kap. 6, E.I.1. 46 Kap. 6, E.I.2. 41
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Kapitel 8: Ergebnisse und zusammenfassende Thesen
Recht für die Entscheidung über die Gewährung eines Unterlassungsanspruchs grundsätzlich eine gesonderte Abwägung der Interessen erforderlich.47 Im Unterschied zum deutschen Recht wird ein postmortaler Schutz48 eigener Persönlichkeitsrechte von Verstorbenen in Japan abgelehnt. Durch die Möglichkeit der Geltendmachung einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Angehörigen werden sie aber mittelbar geschützt. Der Schutz des Toten geht dabei insofern sogar weiter als im deutschen Recht, als die Angehörigen im Gegensatz zum deutschen Recht auch ein Schmerzensgeld geltend machen können.49 Für das deutsche Recht ergibt sich daraus die Frage, ob zur Gewährleistung effektiver Rechtsbehelfe nicht auch die Anerkennung eines Schadensersatzes für die Verletzung immaterieller Interessen von Toten erforderlich ist. Das japanische Modell scheint keine spezifische Folge der kulturellen Besonderheiten des Landes zu sein50 und wäre daher grundsätzlich auch auf das deutsche Recht übertragbar. Zur Gewährleistung eines umfassenden Schutzes zwingend erforderlich erscheint eine solche Übertragung des japanischen Modells allerdings nicht. Als alternative Möglichkeit wäre nämlich auch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts denkbar, die anerkanntermaßen vererblich sind. Auch die Anerkennung einer Geldentschädigung für die Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte wäre jedoch eine – nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung durchaus gerechtfertigte und begründbare – adäquate Möglichkeit, für den Bereich des postmortalen Schutzes einen effektiven Schutz zu gewährleisten.51
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Kap. 6, E.III. Kapitel 7. 49 Kap. 7, B. 50 Kap. 7, C. 51 Kap. 7, E. 48
Anhang A. Übersicht zu den wichtigsten zitierten japanischen Gesetzesvorschriften A. Übersicht zu den wichtigsten zitierten japanischen Gesetzesvorschriften Japanische Verfassung (JV)1 Art. 13 Jeder Staatsbürger wird als Individuum geachtet. Das Recht des Staatsbürgers auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück erfordert bei Gesetzgebung und sonstigem staatlichen Handeln in den Grenzen des Allgemeinwohls höchste Achtung.
Art. 19 Die Freiheit der Gedanken sowie des Gewissens darf nicht beeinträchtigt werden.
Art. 21 (I)
Die Freiheit der Versammlung, Vereinigung, Meinungsäußerung, Pressearbeit und aller sonstigen Äußerungsformen wird gewährleistet. (II) [...]
Minderjährigengesetz (MG)2 § 61 Von Minderjährigen, die einem Verfahren vor dem Familiengericht unterzogen werden, oder Personen, die wegen einer als Minderjähriger begangenen Tat öffentlich angeklagt werden, dürfen in Zeitungen und Druckerzeugnissen keine Artikel, in denen die Person etwa aus dem Namen, Alter, Beruf, Wohnort oder Aussehen als der Betroffene identifiziert werden kann, und keine Fotos veröffentlicht werden.
Rundfunkgesetz3 Art. 4 Das Sendeunternehmen hat ohne Verzögerung zu untersuchen, ob ein gesendeter Inhalt nicht der Wahrheit entsprach, und in dem Fall, dass sich die Unwahrheitsmäßigkeit herausstellt, innerhalb von zwei Tagen nach dem Herausstellen eine korrigierende (Teisei) bzw. widerrufende (Torikeshi) Sendung über gleichartige Sendemedien und auf adäquate Weise zu machen, wenn dies durch den Betroffenen, der durch die betreffende Sendung in Rechten ver1 Nihon-koku kenpô, Gesetz vom 03.11.1946. Übersetzung, auch im Folgenden, von der Verfasserin. 2 Shônen-hô, Gesetz Nr. 168/1948 i.d.F. vom Gesetz Nr. 61/2011. 3 Hôsô-hô, Gesetz Nr. 123/1950 i.d.F. vom Gesetz Nr. 74/2011.
Anhang
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letzt wird, oder eine mit ihm in einem direkten Näheverhältnis stehende Person (Chokusetsu kankei-nin) mit der Begründung, dass ein Rundfunksender einen nicht wahrheitsgemäßen Inhalt gesendet habe, innerhalb von drei Monaten nach der Sendung verlangt wird. Das Gleiche wie im vorstehenden Absatz gilt für den Fall, dass das Sendeunternehmen bezüglich einer Sendung nicht wahrheitsgemäße Inhalte entdeckt. Die Vorschrift des Absatzes 2 steht der Geltendmachung von Schadensersatz nach dem Zivilgesetzbuch [...] nicht entgegen.
Strafgesetzbuch (JStGB)4 § 230 (I)
Wer öffentlich eine Tatsache behauptet und die Ehre einer Person verletzt, wird, unabhängig von der Wahrheit oder Unwahrheit der behaupteten Tatsache, [...] bestraft. (II) Wer die Ehre eines Toten verletzt, wird nur bestraft, wenn dies durch die Behauptung einer falschen Tatsache erfolgt ist.
§ 230-2! (I)
Wenn das Verhalten nach Abs. 1 der vorgehenden Vorschrift im Zusammenhang mit einer Tatsache steht, die das Wohlergehen der Allgemeinheit betrifft, und das Verhalten ausschließlich vom Allgemeinwohl motiviert war, ist über die Wahrheits- oder Unwahrheitsmäßigkeit der Tatsache zu entscheiden und der Betreffende nicht zu bestrafen, wenn die Wahrheitsmäßigkeit erwiesen ist. (II) Bei der Anwendung der Vorschrift des vorgehenden Absatzes werden Tatsachen, die im Zusammenhang mit einer kriminellen Tat einer Person, gegen die noch keine öffentliche Anklage erhoben ist, stehen, als Tatsachen angesehen, die das Wohlergehen der Allgemeinheit betreffen. (III) Wenn das Verhalten nach Absatz 1 der vorgehenden Vorschrift im Zusammenhang mit einer Tatsache steht, die Inhaber eines öffentlichen Amtes oder Kandidaten für ein durch öffentliche Wahlen zu besetzendes öffentliches Amt betrifft, ist über die Wahrheitsoder Unwahrheitsmäßigkeit der Tatsache zu entscheiden und der Betreffende nicht zu bestrafen, wenn die Wahrheitsmäßigkeit erwiesen ist.
§ 231 Auch sofern keine Tatsachenbehauptung erfolgt ist, wird [...] bestraft, wer öffentlich eine Person beleidigt.
Zivilgesetzbuch (JZGB)5 § 417 Schadensersatz ist in Geld zu leisten, sofern kein anderweitiger Wille zum Ausdruck gebracht wurde.!
§ 703 Wer ohne Rechtsgrund einen Vorteil aus dem Vermögen eines anderen oder eine sonstige Leistung erlangt hat und dadurch dem anderen einen Verlust verursacht hat [...], ist zur Rückgewährung des Vorteils im noch vorhandenen Umfang verpflichtet.!
4 5
Keihô, Gesetz Nr. 45/1907 i.d.F. vom Gesetz Nr. 74/2011. Minpô, Gesetz Nr. 89/1896 i.d.F. vom Gesetz Nr. 74/2011.
A. Übersicht zu den wichtigsten zitierten japanischen Gesetzesvorschriften
245
§ 709 Wer durch vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln Rechte oder rechtlich geschützte Interessen eines Dritten beeinträchtigt, ist zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet.
§ 710 Die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 709 erstreckt sich, unabhängig davon, ob der Körper, die Freiheit, die Ehre oder ein Vermögensrecht eines anderen verletzt wird, auch auf Nichtvermögensschäden.
§ 722 (I)
Die Vorschrift des § 417 findet auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen Anwendung. (II) [...]!
§ 723 Im Fall der Verletzung der Ehre eines anderen kann das Gericht auf Antrag des Geschädigten statt des Schadensersatzes oder neben dem Schadensersatz eine zur Wiederherstellung der Ehre geeignete Anordnung treffen.
Anhang
246
B. Übersicht zu den wichtigsten verwendeten Übersetzungsbegriffen B. Übersicht zu den wichtigsten verwendeten Übersetzungsbegriffen !
Chihô saibansho
Distriktgericht (DG)!
Daishin-in
Höchster Gerichtshof in Japan bis 1947
Gekkan-shi
!
Monatsmagazin
Hanron-ken
!
Recht auf Gegendarstellung! !
Hantai iken
Jinkaku-ken
Freiheit der Berichterstattung!
!
Hosoku iken
Ergänzendes Votum! !
Hyôgen no jiyû Iken
Sondervotum, Gegenvotum! !
Hôdô no jiyû
Freiheit der Meinungsäußerung!
!
Votum! !
Persönlichkeitsrecht!
Kenri
Recht !
Kisha kurabu
Reporter-Klub
Kôfuku tsuikyû-ken
Recht auf Verfolgung des eigenen Glücks
Kojin no sonchô
Achtung des Individuums !
Kôtô saibansho
Obergericht (OG)!
Meiyo
Ehre
Meiyo kanjô
Ehrgefühl
Paburishiti-ken
Publicity-Recht !
Puraibashî
Puraibashî
Puraibashî-ken
Recht auf Puraibashî, Puraibashî-Recht
Rieki
Interesse
Ryôshin no jiyû
!
Gewissensfreiheit!
Saikô saibansho
!
Oberster Gerichtshof (OGH)!
Sashitome
Unterlassung
Shazai kôkoku
Entschuldigungsanzeige
Shôzô-ken
Bildnisrecht
Shûkan-shi
!
Wochenmagazin
Songai baishô Supôtsu-shi/-shinbun Torikeshi kôkoku
Schadensersatz /
!
Sportzeitung/-blatt Widerrufsanzeige
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Literaturverzeichnis
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Sachregister Allgemeines Persönlichkeitsrecht, siehe Persönlichkeitsrecht Angemaßte Eigengeschäftsführung, siehe Geschäftsführung ohne Auftrag Bereicherungsrecht – Bedeutung des B. in Deutschland, 20 f., 25 – Bedeutung des B. in Japan, 178, 179 Berichterstattung – B. über Gerichtsverhandlungen, siehe Gerichtsverhandlung – B. über Minderjährige, siehe Minderjährigenschutz – B. über Opfer, siehe Opferberichterstattung – B. über Straftäter und Straftatverdächtige, siehe Straftäterberichterstattung – Identifizierende B., siehe Identifizierende Berichterstattung Beseitigungsanspruch – B. in Deutschland, 17 ff., 26, 146 – B. in Japan, 32, 145 ff., 187 f., 192 f., 200, 202, 241 – Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, siehe Pflicht zur Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung – Veröffentlichung eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils, siehe Pflicht zur Veröffentlichung eines Urteils – Widerrufsanspruch, siehe Widerrufsanspruch Bildnisrecht – Abgrenzung zum Ehrenschutz, siehe Ehre – B. in Deutschland, siehe Recht am eigenen Bild – B. in Japan, 32, 34, 39, 56 f., 92 f., 94 ff., 125, 149, 150, 151, 153, 154,
– – – – –
155, 157, 159, 160, 161 f., 163, 164, 166, 167, 171, 172, 211, 238 f. Dogmatische Einordnung, 95 ff. Einwilligung, 99 ff. Gesetzliche Grundlagen, 94 f. Rechtfertigungsgründe, 99 ff., 104 ff. Voraussetzungen, 97 ff.
Chihô saibansho, siehe Distriktgericht Daishin-in, 5 Deliktsrecht – Deliktische Generalklausel in Japan, 3, 31, 32 ff., 77, 86, 207, 240 – Grundlagen des D. in Japan, 31 ff. Distriktgericht, 4 Ehre – Abgrenzung zum Bildnisrecht, 56 f., 106 ff. – Abgrenzung zum Privatsphären- bzw. Puraibashî-Schutz, 39, 42 ff., 57 ff., 63 ff., 89 ff., 93, 235 f. – Begriff, 14, 41 f., 60 – Dogmatische Einordnung, 40 f., 76 f. – Ehrenschutz in Deutschland, 13, 14 – Ehrenschutz in Japan, 31, 34, 39, 40 ff., 78, 80 f., 85, 90, 93, 98 f., 107 ff., 138, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 165, 166, 169, 186, 214 f., 220, 221 ff., 225, 228, 235 ff. – Gesetzliche Grundlagen, 13, 14, 40 f. – Rechtfertigungsgründe, 75 ff. – Rechtsfolgen, 40 f., 76 f. – Voraussetzungen, 41 ff., 70 ff. Ehrgefühl, 39 f., 41, 77 ff., 85, 159, 186, 200 f., 211, 237 f. Eigenvoten, 5 Elterngrundrechte, siehe Grundrechte EMRK, siehe Grundrechte
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Sachregister
Entschuldigungsanspruch – E. als Wiederherstellungsanspruch, 192 – E. bei Bildnisrechtsverletzungen, 96 f., 183 ff. – E. bei Ehrgefühlsverletzungen, 78, 186 – E. bei Ehrverletzungen, 41, 77, 186 – E. bei Puraibashî-Verletzungen, 183 ff. – E. in Deutschland, 19 – E. in Japan, 32, 77, 78 f., 97, 150, 153, 154, 156, 161, 163, 166, 180 ff., 199 f., 201 f., 225, 240 f. – Verfassungsmäßigkeit, 194 f. – Verhältnis zum Schadensersatz, siehe Schadensersatz – Voraussetzungen, 189 ff. Ergänzende Voten, 5 Europarecht, Einflüsse des, 10 ff. Gegendarstellungsrecht – G. in Deutschland, 19, 27 – G. in Japan, 145, 181, 193, 198, 201 ff., 241 Gerichtssystem, 4 f. Gerichtsverhandlung, 56, 104 f., 134, 161 f. Geschäftsführung ohne Auftrag – Bedeutung der G. in Deutschland, 22, 25 f. – Bedeutung der G. in Japan, 179 f. Geschichte des japanischen Rechts – Entwicklung, 3 – Entwicklung der deliktischen Generalklausel, 33 f. – Modernisierung des Zivilrechts, 33 Gewinnabschöpfung, siehe Schadensersatz Gewissensfreiheit, siehe Grundrechte Grundrechte – Elterngrundrechte in Deutschland, 13, 36 – Elterngrundrechte in Japan, 36 f. – Gewissensfreiheit in Japan, 37, 194 ff. – Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland, 15, 125, 218 – Meinungs- und Pressefreiheit in Japan, 92, 174, 195, 207, 213, 218 – Meinungs- und Pressefreiheit nach EMRK, 10 – Menschenwürdegarantie, 13, 26, 35, 226
– Recht auf Achtung des Individuums, 35 – Recht auf Achtung des Privatlebens nach EMRK, 10 – Recht auf Verfolgung des eigenen Glücks, 31, 35 f. Grundsatz der Angemessenheit, siehe Rechtfertigungsgründe Grundsatz der Wahrheitsmäßigkeit, siehe Rechtfertigungsgründe Hanron-ken, siehe Gegendarstellungsrecht Hantai iken, siehe Sondervoten Hôdô no jiyû, siehe Meinungs- und Pressefreiheit Hosoku iken, siehe Ergänzende Voten Hyôgen no jiyû, siehe Meinungs- und Pressefreiheit Identifizierende Berichterstattung, 49, 51, 52, 90, 132 ff., 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 157 Iken, siehe Eigenvoten Interesse, rechtlich geschütztes, 33 ff., 85 ff., 96 ff., 207, 211, 212 Jinkaku-ken, siehe Persönlichkeitsrecht Jun jimu kanri, siehe Geschäftsführung ohne Auftrag Kenri, 3, 31, 33 ff., 40 f., 77, 86 f., 95 ff., 145, 206, 207, 208 ff. Kôfuku tsuikyû-ken, siehe Recht auf Verfolgung des eigenen Glücks Kojin no sonchô, siehe Recht auf Achtung des Individuums Kôtô saibansho, siehe Obergericht Lizenzanalogie, siehe Schadensersatz Meinungsfreiheit, siehe Meinungs- und Pressefreiheit Meinungs- und Pressefreiheit, siehe Grundrechte Meiyo, siehe Ehre Meiyo kanjô, siehe Ehrgefühl Menschenwürdegarantie, siehe Grundrechte Minderjährigenschutz, 137 f.
Sachregister Namensrecht, 13, 32, 35 Obergericht, 4 Oberster Gerichtshof, 4 f. Opferberichterstattung, 28 f., 139 ff., 221 ff., 240 Paburishiti-ken, siehe Publicity-Recht Persönlichkeitsrecht – Allgemeines P. in Deutschland, 13 ff., 26 ff., 63, 87, 114, 117 – P. (Jinkaku-ken) in Japan, 31 f., 34, 35, 114, 208 ff., 219 ff. – Rechtsfolgen bei P.verletzung in Deutschland, 17 ff., 26 f., 240 ff. – Rechtsfolgen bei P.verletzung in Japan, 32, 41, 76 f., 78 f., 86 f., 96 f., 138, 145 ff., 225 f., 240 ff. – Rechtsgüter zum Schutz der P. in Deutschland, 9 ff., 235 ff. – Rechtsgüter zum Schutz der P. in Japan, 31 f., 39 ff., 235 ff. Person der Zeitgeschichte, 9 ff., 125, 128, 133 f., 139 Pflicht zur Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, 18 Pflicht zur Veröffentlichung eines Urteils, 18, 204 f. Pietätsgefühl, 44, 45, 53, 150, 221, 223, 224, 226, 228 Postmortaler Schutz der Persönlichkeit, 9, 26, 27, 219, 220, 221, 226, 227, 229, 230, 231, 233, 234, 242 – Persönlichkeitsrechte Angehöriger in Deutschland, 27 ff., 226 – Persönlichkeitsrechte Angehöriger in Japan, 221 ff., 226 ff., 228 ff. – Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen in Deutschland, 26 f., 226 f., 228 ff., 230 ff. – Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen in Japan, 219 f., 226 – Pietätsgefühl der Angehörigen, siehe Pietätsgefühl Pressefreiheit, siehe Meinungs- und Pressefreiheit Pressegrundsätze – P. in Deutschland, 133, 139 – P. in Japan, 135, 140
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Privatsphäre – Abgrenzung zum Ehrenschutz, siehe Ehre – Begriff, 2, 4, 63 f. – Recht auf P. in Japan, siehe Puraibashî-Recht – Schutzaspekte in Deutschland, 9 ff., 63 ff., 235 ff. Publicity-Recht, 32, 39, 95, 113 ff., 164, 175 f., 211, 235 – Übertragbarkeit, 116 ff. – Vererblichkeit, 118 f. – Verhältnis zu immateriellen Interessen, 114 ff., 119 ff., 121 ff., 123 f., 175 f. Puraibashî-Recht, 2, 4, 32, 34, 39, 42 ff., 77, 81 f., 83 ff., 149, 151, 152, 153, 154, 155, 157, 158, 159, 160, 162, 163, 164, 165, 169, 183 ff., 205, 211, 215, 217, 224, 235 ff., 241 – Abgrenzung zum Ehrenschutz, siehe Ehre – Dogmatische Einordnung, 85 ff. – Gesetzliche Grundlagen, 83 ff. – Rechtfertigungsgründe, 91 ff. – Voraussetzungen, 87 ff. Recht am eigenen Bild – R. in Deutschland, 9 ff., 18, 23, 39, 125 – R. in Japan, siehe Bildnisrecht Recht auf Achtung des Individuums, siehe Grundrechte Recht auf Verfolgung des eigenen Glücks, siehe Grundrechte Rechtfertigungsgründe – Anforderungen an öffentliche Interessen, 9 ff., 126 ff. – Grundsatz der Angemessenheit bei Ehrverletzungen, 74, 75 f. – Grundsatz der Wahrheitsmäßigkeit bei Ehrverletzungen, 41, 59, 62, 75 f., 237 – Kriterien bei Bildnisrechtsverletzungen, 104 ff. – Kriterien bei Puraibashî-Verletzungen, 91 ff. Rieki, siehe Interesse, rechtlich geschütztes Ryôshin no jiyû, siehe Gewissensfreiheit
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Sachregister
Saikô saibansho, siehe Oberster Gerichtshof Sashitome, siehe Unterlassungsanspruch Schadensersatz – Berechnung, 21, 23, 74, 149 ff., 171 ff., 176 f. – Dreifache Schadensberechnungsmethode, 21 – Gewinnabschöpfung in Deutschland, 21, 22, 23 f., 25, 175 – Gewinnabschöpfung in Japan, 176 f., 178, 179 f. – Immaterieller S. in Deutschland, 23 f., 27, 119, 120, 232 f., 240, 242 – Immaterieller S. in Japan, 3, 31, 77, 81, 98, 119, 120, 121, 147 ff., 149 ff., 177, 240, 242 – Lizenzanalogie, 17, 20 f., 22, 25, 119 f., 170, 176, 177, 178, 231, 239 – Lizenzbereitschaft, 17, 20 f., 25, 119 f., 231 – Materieller S. in Deutschland, 19 ff., 119, 120, 121 – Materieller S. in Japan, 119, 120, 121, 148, 175 ff., 231 – Präventivfunktion, 23 f., 27, 118, 167, 174 f., 177, 233, 240 – S. bei postmortalem Persönlichkeitsrecht, 27, 225, 230 ff. – S. in Deutschland, 19 ff., 26 f., 119, 120, 230 ff. – S. in Japan, 3, 31, 32, 77, 78, 86, 96, 119, 120, 121, 138, 145 ff., 147 ff., 187 ff., 225, 230 ff., 240, 242 – S. nach Gebrauchsmustergesetz (Japan), 177 – S. nach Markengesetz (Japan), 177 – S. nach Patentgesetz (Japan), 176 f. – Verhältnis Geld-/Naturalersatz, 3, 32, 145 ff., 187 ff., 206 ff., 213 ff. Selbstbeschränkung der Medien, siehe Pressegrundsätze Shazai kôkoku, siehe Entschuldigungsanspruch Shimei-ken, siehe Namensrecht Shinjitsu-sei-Grundsatz, siehe Grundsatz der Wahrheitsmäßigkeit Shôzô-ken, siehe Bildnisrecht Sondervoten, 5 Songai baishô, siehe Schadensersatz
Sôtô-sei-Grundsatz, siehe Grundsatz der Angemessenheit Straftäterberichterstattung – Aktuelle Straftaten in Deutschland, 63, 65, 66, 100 f., 132 ff. – Aktuelle Straftaten in Japan, 49 ff., 52 f., 57, 58, 74, 90, 100, 102, 110, 111 ff., 130 f., 134 ff., 149, 150, 151, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 161, 162, 164, 165, 166, 189, 190, 191, 204 f., 240 – Vorstrafen in Deutschland, 63, 65, 108 – Vorstrafen in Japan, 51 f., 58 f., 84, 89, 90, 92, 128, 136 f., 149 f., 151 f., 159 Torikeshi hôsô, siehe Wiederherstellungsanspruch: Recht auf Korrektur einer Rundfunksendung Torikeshi kôkoku, siehe Widerrufsanspruch Unterlassungsanspruch – Dogmatische Grundlagen, 208 ff., 213 ff. – U. in Deutschland, 17, 26, 218, 240, 241 f. – U. in Japan, 32, 35, 41, 77, 79, 86 f., 97, 119, 121, 206 ff., 218, 226, 230, 240, 241 f. – Verhältnis zum Schadensersatz, siehe Schadensersatz – Voraussetzungen, 17, 206 ff. Verfassungsrecht – Grundrechte, siehe Grundrechte – Prüfungskompetenz in Japan, 5 – Verfassungsgerichtsbarkeit in Japan, 5 – Verfassungsrechtliche Grundlagen in Deutschland, 13 ff. – Verfassungsrechtliche Grundlagen in Japan, 31, 35 ff., 87, 94 f. Vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts – Übertragbarkeit, 16, 116 ff. – Vererblichkeit, 16, 26 f., 118 – Verhältnis zu immateriellen Interessen, 16, 17, 114 ff., 119, 123 f., 175 f. – V. in Deutschland, 16 f., 20, 26 f., 113, 114 ff., 117, 118, 119, 120, 121, 123 f., 170, 176, 230, 231 f., 239, 242
Sachregister – V. in Japan, siehe Publicity-Recht Wahrheitsmäßigkeit, Bedeutung der, 14, 18, 41, 75 f., 189 f., 193 f. Widerrufsanspruch – Voraussetzungen, 17 f. – W. in Deutschland, 18, 19, 182, 185, 192, 193, 194, 240 – W. in Japan, 145, 193, 198 ff., 241 f. Wiederherstellungsanspruch – Entschuldigungsanzeige, siehe Entschuldigungsanspruch
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– Gegendarstellung, siehe Gegendarstellungsrecht – Recht auf Korrektur einer Rundfunksendung, 205 – Veröffentlichung eines Urteils, siehe Pflicht zur Veröffentlichung eines Urteils – Widerruf, siehe Widerrufsanspruch – W. in Deutschland, 17 f. – W. in Japan, 31, 41, 77, 78, 96 f., 180 ff., 198 ff., 240 f.