Die Realisierung des Begriffs: Eine Untersuchung zu Hegels Schlusslehre [Reprint 2014 ed.] 9783050047775, 9783050040486

Die vorliegende Studie interpretiert Hegels Schlußlehre aus ihrem historischen und systematischen Zusammenhang. Der Beit

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German Pages 253 [248] Year 2004

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Die Realisierung des Begriffs: Eine Untersuchung zu Hegels Schlusslehre [Reprint 2014 ed.]
 9783050047775, 9783050040486

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Georg Sans Die Realisierung des Begriffs

Hegel-Forschungen Herausgegeben von Andreas Arndt Karol Bai Henning Ottmann

Georg Sans

Die Realisierung des Begriffs Untersuchung zu Hegels Schlusslehre Eine

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Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim

Stiftung für Geisteswissenschaften

ISBN 3-05-004048-3 © Akademie Das

Verlag GmbH, Berlin 2004

eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN / ISO 9706.

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. -

-

Einbandgestaltung: Günter Schorcht, Schildow Satz: Georg Sans, Berlin Druck: MB Medienhaus Berlin GmbH Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Printed in the Federal

Republic of Germany

Langensalza

Vorwort

Den Anstoß zu der folgenden Untersuchung gab die Irritation darüber, dass sich in der Literatur kaum ein Hinweis auf die Gründe findet, die Hegel bewogen haben mögen, dem letzten und mutmaßlich entscheidenden Teil seiner Wissenschaft der Logik die Gestalt einer „Lehre vom Begriff zu geben. Weder erhält man viel Aufschluss über die Frage, was Hegels Auffassung von der Natur des Begriffs genau auszeichnet, noch wird recht klar, wie sie sich zu den gängigen logischen Theorien verhält. Mit der Schlusslehre fand sich ein Kapitel, in dem Hegel zum einen stärker als sonst auf die Lehren der traditionellen formalen Logik zurückgreift. Zum anderen führt die Entwicklung des Schlusses zu einem spekulativen Verständnis des Begriffs, so dass sich die Ansicht Hegels mit den üblichen Begriffstheorien vergleichen lässt. Dass die Schlusslehre überhaupt als Abhandlung über die Natur des Begriffs gelesen werden kann, verdankt sich dem mittleren Term, der die beiden Extreme miteinander verbindet und die Last der Vermittlung zu tragen hat. Dem entsprechend steht die Bedeutung des Mittelbegriffs im Zentrum meiner Interpretation. Die Untersuchung ist am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden und wurde im Wintersemester 2003/04 von der Philosophischen Fakultät I als Habilitationsschrift angenommen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Rolf-Peter Horstmann. In seinen Lehrveranstaltungen und vor allem durch sein beharrliches Nachfragen hat er in mir die Überzeugung reifen lassen, dass die Philosophie Hegels nicht in dem Sinn dunkel genannt zu werden braucht, dass ihre Motive letztlich im Verborgenen blieben. Danken möchte ich ferner Herrn Professor Dr. Volker Gerhardt und Herrn Professor Dr. Andreas Arndt für die Übernahme der weiteren Gutachten sowie Peter Leutenstorfer SJ, der in bereits bewährter Weise am sprachlichen Feinschliff des Textes mitgewirkt hat.

Berlin, im September 2004

G. S.

Inhalt

Einleitung.11 §

1

§2

Schwierigkeiten mit Hegels Logik.13 1. Hegels Programm einer spekulativen Philosophie.13 2. Erkenntnistheoretische und semantische Interpretationen.15 3. Hegels Logik als Metaphysik und Ontologie.18 4. Die Rezeption der Subjektiven Logik.20 5. Hegels Rede vom formellen Begriff.24 Das Argument der Schlusslehre.28 1. Die Realisierung des Begriffs.28 2. Der erste Teil der Untersuchung.30 3. Der zweite und dritte Teil der Untersuchung.32 Die Definition des Schlusses.37

Erster Teil -

§3

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre.39

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

§4

Der etymologische Irrtum.39 Die „objektive Einheit" des Urteils bei Kant.41 Das Urteil als ursprüngliche Teilung bei Hölderlin.44

Hegels frühe Urteilslehre.46 Die ursprüngliche Einheit des Bewusstseins.48 Fichtes Konzept der Teilbarkeit.50 Fichtes Theorie des Urteils.53 Fichte, Hölderlin und Hegel.55

Der mittlere Term des Schlusses.58

1. 2. 3. 4. 5.

Hegels Kritik der Form des Urteils.59 Zerstörung der Natur des Urteils durch den spekulativen Satz.62 spekulative Bedeutung des Schlusses.65 Darstellung der Synthesis des Urteils.68 Erfüllung der Kopula.70

Die Die Die Die

§5

Die dialektische 1. 2. 3. 4. 5.

Begriff, Urteil und Schluss in der absoluten Methode.76 Die dialektische Bewegung des spekulativen Satzes.79 Die Bewegung des Urteils in der Jenaer Philosophie des Geistes.81 Der Schluss als Systemform.83 Der Schluss als die „Wiederherstellung des Begriffs im Urteil".85

Zweiter Teil

Die drei -

§6

Figuren des Schlusses.89

Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz.92 1. 2. 3. 4. 5. 6.

§7

Bewegung des Begriffs.73

Die Subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine.92 Die wechselseitige Subsumtion von Begriff und Anschauung.94 Das Verhältnis der Inhärenz.97 Die „wahre Beziehung" zwischen Subjekt und Prädikat.100 Die Identitätstheorie des Urteils.102 Das allgemeine Schema des Schlusses.106

Der Kreis der

1.

syllogistischen Figuren.109 Die drei Figuren des Aristoteles.110 Hegels Kritik der Syllogistik.115 Die Vollständigkeit der Vermittlung.118 Die Wahrheit der drei Figuren.122

2. 3. 4. 5. Die Permutation der Terme des Schlusses.124

§8

Hegels Kritik des Verstandesschlusses.128 1. Der Standpunkt des subjektiven Denkens.128 2. 3. 4. 5.

Die formelle Ansicht des Schließens.131 Der Verstandesschluss und der mathematische Schluss.132 Der logische Kalkül Ploucquets.135 Das Resultat des Schlusses des Daseins.138

Dritter Teil -

Die Entwicklung des Schlusses.143

1. Die drei Gattungen des Schlusses.143 2. Die Geschichte der Einteilung der Schlusslehre.146

§9

Die

Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik.149

1. Die Methode der Mitten.150 2. Der Schluss als Verhältnis des Denkens.154 3. Die schlechte und die wahrhafte Realität des Begriffs.156

4. Die Entwicklung des Urteils.157 5. Die Entwicklung des Schlusses.161 6. Die Formen des Schließens.163

§

10

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit.168 1. Die Beispiele der ersten Figur.168 2. Die Zufälligkeit des Schlusses des Daseins.172 3. 4. 5. 6.

Die Urteile der Reflexion.174 Das Beispiel des Schlusses der Allheit.177 Die Induktion als der Schluss der Erfahrung.179 Die Analogie und der Begriff der Gattung.182

§

11

Die substantielle Identität der Terme.186 1. Der kategorische Schluss, die erste Figur und der Schluss der Allheit.187 2. Die Substanz als das objektive Allgemeine.189 3. Der Begriff der Gattung in Hegels Naturphilosophie.192 4. Die Identität des Inhalts.194 5. Die Zufälligkeit des kategorischen Schlusses.198

§

12

Hegels ontologisches Argument.201 1. Hegel und die philosophische Theologie.202 2. Die Objektivität des Begriffs.207 3. Der hypothetische Schluss.210 4. Der disjunktive Schluss.214 5. Die Aufhebung des Formalismus des Schließens.217 6. Offene Fragen.219

Ausblick.223 1. Die kritische Funktion der Schlusslehre.224 2. Die revisionäre Theorie der Allgemeinheit des Begriffs.229 3. Hegels Ideenlehre.233

Literaturverzeichnis.239

Personenverzeichnis.247 Stellenverzeichnis.249

Einleitung

„Syllogismus est prineipium Idealismi."1 Unter anderem mit dieser These habilitierte sich Hegel im August 1801 an der philosophischen Fakultät der Universität Jena. Unter den Disputanten befand sich sein ehemaliger Studienkollege Schelling. Hegels Behauptung klingt nicht erst in heutigen Ohren befremdlich. Zwar war es Kant weitgehend gelungen, die Bezeichnung eines philosophischen Systems als Idealismus hoffähig zu machen. Aber kein Idealist wäre wohl auf den Gedanken gekommen, den Syllogismus für die Grundlage seiner Philosophie zu halten. Allenfalls hätte man sagen können, der Idealismus ruhe auf einer bestimmten Art von Urteilen. So hatte Kants kopernikanische Wende wesentlich in dem Versuch bestanden, die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori zu erweisen. Reinhold und Fichte waren Kant darin gefolgt, indem sie als das Prinzip der Philosophie einen bzw. mehrere unbedingte Grundsätze annahmen. Dagegen ist Hegels These in eine Situation gesprochen, in der das besagte Fundament des Idealismus bereits brüchig geworden war. Wie wir mittlerweile wissen, hat dazu nicht zuletzt die Kritik beigetragen, die Hölderlin, der dritte im Bunde aus Tübinger Studienzeiten, an der Philosophie Fichtes übte. Vor diesem Hintergrund ist Hegels These als der genau abgewogene Versuch zu verstehen, nicht nur gegenüber Kant, sondern zugleich auch gegenüber Fichte, Schelling und Hölderlin eine eigene Position zu mar-

kieren.

Hegel hat zeitlebens an der Überzeugung von der besonderen systematischen Bedeutung des Schlusses festgehalten. Am Beginn des gleichnamigen Kapitels der Wissenschaft der Logik erklärt er plakativ: „Der Schluss ist daher nicht nur vernünftig, sondern alles Vernünftige ist ein Schluss" (GW 12, 90). Die Formulierung findet sich wörtlich wieder in der enzyklopädischen Logik, wo sie bis zur dritten Auflage unverändert stehen blieb.2 Doch die Hochschätzung der Form des Schlusses beschränkt sich nicht auf programmatische Deklarationen. Im letzten Kapitel der Wissenschaft der Logik, in dem Hegel Rechenschaft über seine absolute Methode ablegt, vergleicht er die drei Phasen der dialektischen Bewegung mit den beiden Prämissen und der Konklusion eines Schlusses.3 An nicht weniger prominenter Stelle erfolgt der Rückgriff auf die Schlusslehre am Ende der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften. In den berühmten 1 GW 5, 227. Zur Weise der Zitation siehe die Angaben im Literaturverzeichnis. 2 „Der Schluss ist daher das Vernünftige und alles Vernünftige" (HE § 128; vgl. E 3 Vgl. GW 12, 239-248 sowie dazu Teil I, § 5 (1.). -

§ 181).

12

EINLEITUNG

drei Schlüssen des Systems kennzeichnet Hegel das Verhältnis zwischen Logik, Philosophie der Natur und Philosophie des Geistes als ein System von drei Schlüssen, in denen jede der drei Disziplinen einmal die Stellung des mittleren Terms einnimmt.4 Zunächst noch ohne Rücksicht auf den Inhalt der Schlusslehre wird man also mit einiger Bestimmtheit sagen können, dass Hegel die Form des Schlusses seit dem Beginn seiner philosophischen Laufbahn als zur Darstellung spekulativer Zusammenhänge besonders geeignet ansah. In der folgenden Untersuchung möchte ich der Frage nachgehen, wie Hegel diese Überzeugung rechtfertigt. Um die Frage zu beantworten, stütze ich mich vor allem auf den 1816 erschienenen dritten Teil der Wissenschaft der Logik. Denn die „Subjektive Logik" oder „Lehre vom Begriff, wie Hegel den Band auch nennt, enthält die bei weitem ausführlichste systematische Darstellung seiner Schlusslehre. Im Schluss-Kapitel der Nürnberger Logik bezieht Hegel nicht nur den Schluss in einer Weise auf die Form des Urteils, die seine anfängliche These verständlich macht. Während er vordergründig dreimal drei Arten von Schlüssen abhandelt, entwickelt er außerdem ein Argument, das die Überlegenheit seiner eigenen gegenüber der herkömmlichen Theorie des Begriffs erweisen soll. Diesem Argument der Schlusslehre wird das Hauptaugenmerk der Untersuchung gelten. Bevor ich das Argument in groben Zügen vorstelle (§ 2), will ich jedoch auf einige Schwierigkeiten eingehen, vor die sich jeder Interpret von Hegels Wissenschaft der Logik gestellt sieht.

4

Vgl. HE § 475 ff. und E § 575 ff.

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK

§

1

13

Schwierigkeiten mit Hegels Logik

Es zählt zu den unbestreitbaren Eigenheiten der Logik Hegels, dass man nicht ein einzelnes Kapitel herausgreifen und sich mit ihm beschäftigen kann, ohne auf das Ganze Bezug zu nehmen. Das gilt nicht nur in dem vordergründigen Sinn, dass jedes philosophische Teilproblem in einen größeren, sei es historischen, sei es systematischen Zusammenhang gestellt werden muss. Geschieht das nicht, droht die oft beklagte Parzellierung der Philosophie in immer speziellere Diskurse, von denen immer weniger deutlich wird, was sie miteinander zu tun haben. Auf den Umgang mit Hegels Wissenschaft der Logik trifft die Forderung, den Blick für das Ganze nicht zu verlieren, in dem Maß besonders zu, wie unklar ist, worum es in dem Buch überhaupt geht. Obwohl sich sein Ursprung bis zu den Vorlesungen über Logik und Metaphysik zurück verfolgen lässt, die Hegel seit dem Wintersemester 1801/02 in Jena gehalten hat, unterläuft er die übliche Trennung der Disziplinen. Die Wissenschaft der Logik ist weder ein Handbuch der Logik noch ein metaphysischer Traktat im geläufigen Sinn.

1.

Hegels Programm einer spekulativen Philosophie

In der Vorrede kennzeichnet Hegel sein Unternehmen als „reine spekulative Philosophie" (GW 11, 7). Da aber die positive Bedeutung des Begriffs der Spekulation von Hegel selbst geprägt wurde, verschiebt sich das Problem damit nur zu der Frage, worum es in der spekulativen Philosophie eigentlich geht. Vor Hegel wurde der Ausdruck vielfach in kritischer Absicht gebraucht und diente zur Bezeichnung einer Metaphysik, der entweder die praktische Relevanz oder der Bezug auf das sinnlich Erfahrbare abgeht. ' Hegel bestimmt das Spekulative weniger dem Inhalt als der Methode nach, indem er es mit dem Dialektischen gleichsetzt. Unter Dialektik wiederum versteht er „das Fassen des Entgegengesetzten in seiner Einheit oder des Positiven im Negativen" (27). Solange man diese Formel ihrerseits nicht für aus sich selbst verständlich hält, bleibt die Frage, worum es in der Wissenschaft der Logik geht, unbeantwortet. Der Versuch, sich der Antwort durch einen Blick in das Inhaltsverzeichnis zu nähern, Der erste Band, die Objektive Logik, entverspricht kaum mehr Aussicht auf hält eine Reihe von Stichwörtern der traditionellen Ontologie, wie Qualität und Quantität, Endlichkeit und Unendlichkeit, Einheit und Vielheit, Identität und Unterschied oder das Verhältnis des Ganzen und der Teile. Dabei ist, nicht nur, was die Anordnung der Themen angeht, der Einfluss Kants unverkennbar. So überschreibt Hegel einen gan-

Erfolg.2

1 Vgl. zum Beispiel Descartes, Discours de la méthode, VI, 2 (AT VI, 61 f.), und Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 423 f. 2 Vgl. Hegels Warnung, wonach die Einteilungen und Überschriften der Bücher, Abschnitte und Kapitel „zum Behuf einer vorläufigen Übersicht gemacht" und „eigentlich nur von historischem Wert"

sind

(GW 11, 25).

14

EINLEITUNG

Abschnitt mit „Die Erscheinung" und widmet das letzte Kapitel den drei kantischen Kategorien der Relation, also Substanz, Kausalität und Wechselwirkung. Während die Objektive Logik einerseits dem entsprechen soll, was bei Kant die „transzendentale Logik" heißt, beansprucht Hegel andererseits, mit ihr das Erbe der „vormaligen Metaphysik" anzutreten. Die Objektive Logik nimmt so nicht nur die Stelle der allgemeinen Metaphysik oder Ontologie ein, sondern sie begreift auch die „übrige Metaphysik", das heißt die Kosmologie, rationale Psychologie und natürliche Theologie in sich (31 f.). Hegels Anspruch auf das Erbe der vormaligen Metaphysik im Ganzen richtet sich gegen Kant, der die Ontologie durch die Analytik des reinen Verstandes ersetzt, deren Geltungsbereich auf die Gegenstände der Erfahrung begrenzt und die spezielle Metaphysik als eine natürliche Illusion der menschlichen Vernunft kritisiert hatte.3 Was Hegel an Kant und dessen Nachfolgern bemängelt, könnte man deren bewusstseinsphilosophisches Paradigma nennen. Damit ist die Überzeugung gemeint, dass die Grundlage allen Philosophierens in der Anerkennung des Gegensatzes zwischen dem erkennenden Subjekt auf der einen und dem erkannten Objekt auf der anderen Seite besteht. Begreift man die Philosophie nun als das Streben nach wahrer Erkenntnis, muss ihr Interesse darauf gerichtet sein, den „Gegensatz des Bewusstseins" zu überwinden und zu erklären, wie sich die Vorstellungen und Begriffe eines Subjekts auf objektive Gegebenheiten beziehen und mit ihnen übereinstimmen können. Misst man Kants transzendentale Logik an dem Anspruch wahrer Erkenntnis, ergeben sich leicht zwei entgegengesetzte Bewertungen. Einerseits könnte man Kant das Verdienst zuschreiben, ein System von Begriffen und Grundsätzen entwickelt zu haben, bei denen es sich nicht bloß um Formen des Denkens handelt, sondern die etwas über die Beschaffenheit von Gegenständen aussagen. Andererseits ließe sich bemängeln, dass Kant, nachdem er den Ursprung der Kategorien in das Selbstbewusstsein verlegt hatte, diesem sowohl das empirisch Gegebene als auch die Dinge an sich gegenüberstellte und insofern dem Gegensatz des Bewusstseins verhaftet blieb.4 So waren es nicht zuletzt die gegen Kant erhobenen skeptischen Einwände, die seine Nachfolger, allen voran Reinhold und Fichte, zu dem Versuch bewogen, die Fundamente der kantischen Philosophie tiefer zu legen und den Gegensatz von Subjekt und Objekt aus dem Bewusstsein bzw. dem absoluten Ich abzuleiten. In Hegels Augen sind alle Versuche, spekulative Einsichten in eine systematische Form zu bringen, so lange zum Scheitern verurteilt, wie an dem bewusstseinsphilosophischen Paradigma festgehalten wird. Die dialektische Methode versteht er deshalb als Alternative zu den fehlgeschlagenen kantischen Bemühungen, der Metaphysik den Rang einer Wissenschaft zu sichern. Um sich terminologisch von seinen Vorgängern abzugrenzen, ersetzt Hegel den Begriff des Bewusstseins durch den Ausdruck „Denken". Dieser bezeichne ein „von dem Gegensatz des Bewusstseins befreites, objektiviezen

3 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 246 f. / B 303 und A 297 f. / B 354. 4 Obwohl Hegel beide Aspekte sieht, hebt er den zweiten hervor (vgl. GW 11,31 und

21, 46 f.).

15

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK

Bewusstsein will Hegel vermeiden, damit kein falscher auf das Denken fällt (31). Nun wird man natürlich fragen „Schein Subjektivität" müssen, wie ein vom Gegensatz des Bewusstseins befreiter Standpunkt überhaupt gewonnen werden kann. In der Einleitung zur Logik verweist Hegel auf die Phänomenologie des Geistes, als deren „Resultat" der Begriff der reinen Wissenschaft sich ergeben habe (20).5 Damit ist die schwierige Frage nach dem Verhältnis zwischen Phänomenologie und Logik angeschnitten. Sie berührt die bis heute nicht eindeutig geklärten Probleme einer Einleitung in Hegels Logik auf der einen und der Voraussetzungslosigkeit ihres Anfangs auf der anderen Seite. Trotz aller offenen Fragen zeigt das Schlagwort der Befreiung vom Gegensatz des Bewusstseins zumindest den Sinn an, in dem Hegel den Inhalt der Logik das „objektive Denken" nennt. Die Logik „enthält den Gedanken, insofern er ebenso sehr die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, insofern sie ebenso sehr der reine Gedanke ist" (21).7 rendes Tun". Die Rede

vom

von

2. Erkenntnistheoretische und semantische

Interpretationen

Angesichts dieses Befundes hat der zeitgenössische Interpret eine Reihe von Optionen. Die erste besteht in der Annahme, Hegels Zurückweisung des bewusstseinsphilosophischen Paradigmas und seine deutliche Abgrenzung von Kant verdeckten nur die tiefer gehenden Gemeinsamkeiten beider. Demnach handelte es sich bei Hegels Logik, nicht anders als bei der transzendentalen Logik Kants, um die Analyse der Bedingungen unserer Erkenntnis von Objekten. Der Unterschied zu Kant bestünde vor allem in Hegels Ablehnung der strikten Trennung zwischen Begriff und Anschauung. Eine solche Auffassung hat in jüngerer Zeit Robert Pippin vertreten.8 Etwas schematisch möchte ich von einer erkenntnistheoretischen Interpretation Hegels sprechen. Sie bewegt sich im Kontext der durch Donald Davidson angestoßenen und hauptsächlich im angelsächsischen Raum geführten Debatte über den Dualismus von Begriffsschema und Inhalt.9 Als ein Anwalt der erkenntnistheoretischen Hegelinterpretation kann auch John McDowell gelten, der sein viel diskutiertes Buch Mind and World eine Einführung in Hegels Phänomenologie des Geistes nennt. Es mutet wie eine späte Ironie der Ge5 In der zweiten Ausgabe der Logik heißt es über das Resultat der Phänomenologie: „Die Logik bestimmte sich danach als die Wissenschaft des reinen Denkens, die zu ihrem Prinzip das reine Wissen habe" (GW 21, 45). 6 Das Niveau der Diskussion wird immer noch bestimmt durch die Arbeit von Hans Friedrich Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik, Frankfurt a. M. 1965. 7 In dem „Vorbegriff der enzyklopädischen Logik spricht Hegel von „objektiven Gedanken" (vgl. E § 24 f.). 8 Vgl. Robert B. Pippin, Hegel's Idealism. The Satisfactions of Self-Consciousness, Cambridge 1989, bes. 8-11. 9 Pippin spricht von Hegels „conceptual scheme idealism" (Hegel's Idealism, 233). 10 Vgl. John McDowell, Mind and World, Cambridge (Mass.) 1994, ix. '

16

Einleitung

ausgerechnet der Wortführer des Deutschen Idealismus in der gegenwärtigen epistemologischen Debatte als der Vertreter eines starken, so genannten direkten Realismus erscheint, dem zufolge unser Zugang zur Außenwelt nicht durch mentale Repräsentationen vermittelt ist. Nichtsdestoweniger hat Christoph Halbig die Sichtweise jüngst noch einmal bekräftigt. Gegenüber den Vertretern einer nicht-metaphysischen Interpretation hebt Halbig jedoch den systematischen Zusammenhang zwischen Hegels Erkenntnistheorie und seinem ontologischen Idealismus hervor. Nur weil die logischen Kategorien' ' die fundamentale Struktur der Wirklichkeit bilden, ist diese dem Denken zugänglich. Die Grenze der erkenntnistheoretischen Interpretation liegt freilich darin, dass sie für sich genommen nichts über die Bedeutung der logischen Kategorien aussagt. Eine Möglichkeit, wie man nicht nur die Logik besser in den Blick bekommt, sondern wie sich auch der Verabschiedung des Begriffs des Bewusstseins Rechnung tragen lässt, bietet die semantische Deutung. Hegel ist kein Philosoph des Geistes, sondern ein Philosoph der Sprache. Die Wissenschaft der Logik muss als Theorie der Bedeutung gelesen werden. Im deutschen Sprachraum haben das, mit je unterschiedlichen Akzenten, Pirmin Stekeler-Weithofer und Alexander Grau getan. Stekeler-Weithofer versteht die spekulative Logik als „höherstufige Reflexion" oder „Sinnkritik". Im ersten Teil analysiere Hegel den objektstufigen Gebrauch der Sprache, im zweiten Teil die dabei zum Einsatz kommenden Formen und Zeichensysteme. Dagegen erklärt Grau, Bedeutung dürfe nicht pragmatisch verstanden werden. Vielmehr analysiere Hegel die Konstitutionsbedingungen von Bedeutungen und erweise den unendlichen Prozess des Bedeutens als das gleichsam ontologisch Letzte.1 Im Unterschied zu dem Postmodernismus eines Richard Rorty resultiere der semantische Holismus Hegels aus dem paradoxen Bestreben „letztzubegründen, dass eine Letztbegründung unsinnig ist".14 schichte an,

wenn

In ähnlicher Weise wie John McDowell für die erkenntnistheoretische, tritt sein Kollege Robert Brandom für die semantische Interpretation der Phänomenologie des Geistes ein. Er verweist auf Hegel als Vorläufer seiner eigenen, inferentialistischen Semantik. Indem er auf die Konzepte der „Vermittlung" und der „bestimmten Negation" setzte, habe Hegel das repräsentationalistische Paradigma überwunden, an dem Kant noch festgehalten hatte. Brandom deutet das erste als „materiale inferentielle Beziehung" und das zweite als „materiale Beziehung der Unvereinbarkeit".15 Beides dient zur Einlösung

Vgl. Christoph Halbig, Objektives Denken. Erkenntnistheorie und Philosophy of Mind in Hegels System, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, bes. 360-371. 12 Vgl. Pirmin Stekeler-Weithofer, Hegels Analytische Philosophie. Die Wissenschaft der Logik als kritische Theorie der Bedeutung, Paderborn 1992, 92 und 337 f. 13 Vgl. Alexander Grau, Ein Kreis von Kreisen. Hegels postanalytische Erkenntnistheorie, Pader11

born 2001, 15 und 264. 14 A.a.O., 295. 15 Vgl. Robert B. Brandom, Making It Explicit. Reasoning, Representing, and Discursive Commitment, Cambridge (Mass.) 1994, 92 f., und ders., „Pragmatistische Themen in Hegels Idealismus. Un-

17

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK

der in bestimmten

Behauptungen eingegangenen diskursiven Verpflichtungen. Die Bewie Brandoms Beispiel ,Ich werde ein Buch über Hegel schreiben' hauptungen sind, durchaus alltäglicher Art. Brandom interessiert sich nicht bloß für die Wahrzeigt,16 heitsbedingungen solcher Sätze, sondern er legt auch ein Argument vor, warum seine inferentialistische Semantik nicht ohne singuläre Terme auskommt. Alles das macht, wie wir sehen werden, den Vergleich mit Hegels Theorie des Begriffs schwerer, als das Schlagwort Holismus vermuten lässt.18 So weit die bisher genannten zeitgenössischen Interpretationen im Einzelnen auch auseinander liegen mögen, stimmen sie darin überein, dass sie Hegels Bedeutung für die Gegenwart davon abhängig machen, ihn gegen die Unterstellung in Schutz nehmen zu können, der Vertreter einer obskuren, spiritualistischen Metaphysik zu sein. Der Preis, den sie dafür entrichten, ist der Verzicht auf eine Auskunft über das, was in Hegels Augen wirklich ist. Hegel entwickelt zwar ein System von kategorialen Bestimmungen des Seienden, aber er enthält sich aller Existenzbehauptungen. Ein solcher Quietismus widerspricht freilich seiner Kritik an Kant, wonach es diesem nicht gelungen sei, die Objektivität der Denkformen zu erweisen. Aus dieser Beobachtung hat Robert Stern die Konsequenz gezogen, dass Hegel nicht an den Kategorien als solchen, sondern an einer bestimmten Konzeption von Objekten gelegen sei. Stern macht die Unterschiede zwischen Kant und Hegel an ihrer jeweiligen Auffassung vom Wesen konkreter Gegenstände fest. Während Kant letztlich eine Bündeltheorie einzelner Dinge vertrete, entwickle Hegel ein holistisches Modell, dem zufolge das Einzelne als Exemplar einer allgemeinen Substanz oder Art zu gelten habe.1 Die Arbeit Sterns verdient hier deshalb erwähnt zu werden, weil er sich ausdrücklich auf den ersten Abschnitt der und Schlusslehre Subjektiven Logik stützt. Ausgehend von der Begriffs-, Urteils20 schreibt er Hegel eine Art universalienrealistischer Position zu. Dagegen werde ich im Folgenden für die These eintreten, dass es in der Subjektiven Logik nicht um die Begriffe konkreter Gegenstände, sondern um die Bestimmungen dessen geht, was Hegel den ,Begriff nennt.

terhandlung und Verwaltung der Struktur und des Gehalts in Hegels Erklärung begrifflicher Normen", in: Deutsche Zeitschrift fur Philosophie 47, 1999, 355-381, 369 f. 16 Vgl. Robert B. Brandom, Articulating Reasons. An Introduction to Inferentialism, Cambridge (Mass.) 2000, 202. 17 Vgl. Brandom, Making It Explicit, 334-404, und ders., Articulating Reasons, 123-155. 18 Man denke vorläufig nur an Hegels Feststellung, bei einem Satz wie „Aristoteles ist im 73. Jahr seines Alters, in dem 4. Jahr der 115. Olympiade gestorben" handle es sich gar nicht um ein Urteil

(GW 12, 55). 19 Vgl. Robert Stern, Hegel, Kant and the Structure of the Object, London 1990, bes. 3 ff. 20 „Hegel's objective idealism [...] rests on his acceptance of a realist theory of universals stance-forms" (a. a. O., 119).

as

sub-

18

3.

EINLEITUNG

Hegels Logik als Metaphysik und Ontologie

Kennzeichnend für die bisher erwähnten genannten Interpretationsrichtungen ist, dass sie wenig bis gar kein Augenmerk auf das engere historische Umfeld und die Entwicklungsgeschichte Hegels legen. Dahinter steht bisweilen die Furcht, durch ein stärker hermeneutisch geprägtes Herangehen die systematische Relevanz der Texte zu verfehlen und bestenfalls einen Beitrag zur Ideengeschichte zu leisten. Doch scheint es mir gerade im Blick auf Hegel unerlässlich, von der Fragestellung auszugehen, die ihn selbst bewegte, weil nur so der innere Zusammenhang der von ihm vertretenen Überzeugungen sichtbar wird. Was seine Motivation als Philosoph betrifft, hat sich Hegel bereits in der Differenzschrift klar ausgesprochen: Die Philosophie erwächst aus dem Bedürfnis nach der Überwindung einer sei es lebensweltlichen, sei es theoretischen Situation der Entzweiung: „Wenn die Macht der Vereinigung aus dem Leben der Menschen verschwindet und die Gegensätze ihre lebendige Beziehung und Wechselwirkung verloren haben und Selbständigkeit gewinnen, entsteht das Bedürfnis der Philosophie" -

-

(GW 4, 14). Aus dem zitierten Satz ergeben sich zwanglos die Begriffe der Vernunft und des Absoluten als die Brennpunkte des hegelschen Philosophierens. Obwohl beide Begriffe in der nachkantischen Konstellation einen besonderen Klang besitzen, erschließt sich ihr Sinn hier unmittelbar. Wenn das Ziel der Philosophie in der Überwindung einer Entzweiung besteht, dann ist das Absolute insofern ihr Gegenstand, als es frei von Gegensätzen geglaubt wird; und wenn die Entzweiung ein Bedürfnis nach Philosophie weckt, dann sollte die philosophische Vernunft als ein Vermögen der Einheit zu gelten haben. Die dem Bedürfnis nach Einheit entspringende Philosophie darf natürlich ihrerseits nicht bei dem Gegensatz zwischen dem Absoluten als ihrem Gegenstand und der Vernunft als ihrem Instrument stehen bleiben. In der Differenzschrift spricht Hegel daher von der Vernunft als der Erscheinung des Absoluten. Trotz der historischen Relativität aller philosophischen Systeme sei „das Absolute, wie seine Erscheinung, die Vernunft, ewig ein und dasselbe" (GW 4, 10). Vor dem Hintergrund der Äußerungen des frühen Hegel kann es kaum überraschen, wenn er später die „Bestimmungen und Entwicklungen" der Logik als „Definitionen des Absoluten" verstanden wissen will (GW 11, 37). Geht man also von Hegels Selbstdarstellung aus, hat man in der Wissenschaft der Logik eine Philosophie des Absoluten, verstanden als eine bestimmte Konzeption der Einheit von Gegensätzen, zu sehen. Die Logik enthält eine Folge von immer „reicheren und bestimmteren" Definitionen des Absoluten

(ebd.), die mittels einer eigens zu dem Zweck entwickelten Methode abgeleizu verdanken, dass am Ende nicht nur der Sinn jedes klarer vor Begriffs Augen steht, sondern auch ein „Nachfolgebegriff' für ihn

tet werden. Der Methode ist es

einzelnen

21 Obwohl der Begriff des Absoluten unbestreitbar theologische Konnotationen trägt, ist die schaft der Logik keine theologische Abhandlung. Siehe dazu Teil III, § 12(1.).

Wissen-

19

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK

wird. Das Absolute selbst firmiert schließlich unter der Benennung der Der ,Idee'.23 Ausdruck ist vor dem Hintergrund des Anspruchs zu sehen, dass in der spekulativen Logik durch reines Denken etwas erkannt wird. Da die Vernunft keine bestimmten Vorstellungen von ihrem Gegenstand voraussetzen darf, hat sie in der Wissenschaft der Logik gewissermaßen nur mit sich selbst zu tun. Aus Hegels Konzeption der Metaphysik als reiner Vernunftlehre darf freilich nicht geschlossen werden, er hätte den Aspekt der Existenz nicht in seine Überlegungen einbezogen. Die Pointe der Wissenschaft der Logik besteht gerade in der Behauptung, dass es sich bei der absoluten Idee um etwas handelt, das real existiert. Der Ausdruck ,Idee' bezeichnet Hegel zufolge „die Einheit des Begriffs und der Objektivität". Diese Einheit nennt Hegel den „realen Begriff (GW 12, 174). Eine Interpretation, die dem Existenzaspekt der Ideenlehre Rechnung trägt, hat Rolf-Peter Horstmann vorgelegt. Er geht von der Zweideutigkeit des Begriffs ,Ontologie' aus, worunter man sowohl die Lehre von den allgemeinsten Bestimmungen dessen, was ist, als auch die Antwort auf die Frage verstehen kann, was es überhaupt gibt. Hegel verknüpfe beides, indem er erstens annehme, dass dasjenige, was es wirklich gibt, der ,reale Begriff oder die ,Idee' sei, und indem er zweitens eine Theorie der Bestimmungen des realen Begriffs entwickle.24 Die Wissenschaft der Logik hat demnach als Ontologie zu gelten, insofern der ,Begriff etwas ist, das real existiert. Ferner handelt es sich um eine Kategorienlehre, insofern Hegel die möglichen Bestimmungen dessen, was ist, auflistet und untersucht. Hingegen ist Hegels Logik keine Kategorienlehre in dem Sinn, dass sie alle Fragen der Existenz aus-

gefunden

"

blendete.25

Wegen seines ausdrücklichen ontologischen Interesses ist Hegels Logik mehr als eine Semantik. Es geht ihm nicht um die Bedeutung von Begriffen, sondern um die

Verfassung der Wirklichkeit. Auf die Wirklichkeit als ganze bezieht sich die Rede vom Absoluten und der Begriff der Idee. Solange man jeden vorgängigen Bezug auf eine bestimmte Art von Gegenstand wie etwa Gott, die Welt oder die Seele des Menschen fernhält, liegt es deshalb nahe, dem Sprachgebrauch Hegels zu folgen, der die Wissenschaft der Logik als die „eigentliche Metaphysik" bezeichnet (GW 11,7). In erster Linie ist Hegel weder Erkenntnistheoretiker noch Sprachphilosoph, sondern Metaphysiker. Diese Einschätzung bleibt nicht ohne Folgen für die Bewertung der Lehre vom Begriff. -

-

22 Vgl. Hans Friedrich Fulda, „Philosophisches Denken in einer spekulativen Metaphysik", in: Detlef Pätzold; Arjo Vanderjagt (Hg.), Hegels Transformation der Metaphysik, Köln 1991, 62-82. 23 Vgl. „Die Definition des Absoluten, dass es die Idee ist, ist nun selbst absolut" (E § 213 Anm.). 24 Vgl. Rolf-Peter Horstmann, Ontologie und Relationen. Hegel, Bradley, Russell und die Kontroverse über interne und externe Beziehungen, Königstein 1984, 22-25 und 46 f. Kritisch zu der ontologischen Interpretation äußert sich Hans Friedrich Fulda, „Die Ontologie und ihr Schicksal in der Philosophie Hegels. Kantkritik in Fortsetzung kantischer Gedanken", in: Revue internationale de philosophie 53, 1999, 465^183. 25 In dem zuletzt genannten Sinn hat Klaus Hartmann Hegels Logik als Ontologie verstanden (vgl. „Die ontologische Option", in: ders. [Hg.], Die ontologische Option. Studien zu Hegels Propädeutik, Schellings Hegel-Kritik und Hegels Phänomenologie des Geistes, Berlin 1976, 1-30). -

20

EINLEITUNG

Verfolgt Hegel mit der Wissenschaft der Logik insgesamt ein metaphysisch zu nennendes Anliegen, dann sollte man annehmen dürfen, dass es in ihrem dritten Teil um die Bestimmungen dessen geht, was er unter Begriff versteht. Nach Hegels eigenem Bekunden erfolgt im Durchgang durch die Kategorien der traditionellen Ontologie bzw. der transzendentalen Logik die „genetische Exposition" des Begriffs (GW 12, 11). In der Subjektiven Logik wird seine Verfassung genauer bestimmt. Will man sich über die metaphysischen Grundlagen von Hegels System verständigen, wird man daher die Ausführungen der Subjektiven Logik zu berücksichtigen haben. ,

4. Die

Rezeption der Subjektiven Logik

Es ist gewiss keine Übertreibung, wenn ich behaupte, dass die Subjektive Logik bis heute eher ein Stiefkind der Hegelforschung darstellt. Eine Ausnahme von dieser Feststellung bildet allenfalls die Lehre von der absoluten Idee. Dennoch war es vor allem die Objektive Logik, die zu Reaktionen herausforderte. Zu Lebzeiten Hegels konzentrierte sich die Diskussion im Wesentlichen auf drei Brennpunkte. Erstens erregte Hegels Behauptung die Gemüter, mit dem reinen Sein einen voraussetzungslosen Anfang gemacht zu haben. Sodann wurde die dialektische Methode kritisiert, nach der die Entwicklung der logischen Kategorien vonstatten gehen sollte. Und schließlich war die Frage umstritten, wie sich die Logik als ganze zu den übrigen Teilen des Systems verhält, wobei besonders der Übergang von der absoluten Idee zur Philosophie der Natur interessierte.27 Man wird nicht sagen können, dass die folgenden mittlerweile fast zweihundert Jahre in einem der drei genannten Punkte wirkliche Klarheit erbracht hätten. Trotzdem lässt sich während der letzten drei Jahrzehnte eine gewisse Verlagerung des Interesses beobachten. Es wird zwar nach wie vor diskutiert, auf welchen sachlichen und methodischen Grundlagen Hegels Logik ruht. Aber was die Arbeit am Text betrifft, haben die ersten Kapitel der Wesenslogik der Trias von Sein, Nichts und Werden inzwischen den Rang abgelaufen. Den Anstoß dazu hat Dieter Henrich mit seiner argumentanalytischen Studie über Hegels Logik der Reflexion Ein entscheidender Faktor für das mangelnde Interesse an der Subjektiven Logik liegt ohne Zweifel in dem disparaten Material, das Hegel im dritten Teil seines Werks

gegeben.28

26 Vgl. dazu Horstmanns Deutung der Subjektiven Logik in: Dina Emundts; Rolf-Peter Horstmann, G. W. F. Hegel. Eine Einführung, Stuttgart 2002, 64-81. 27 Vgl. dazu Bernd Burkhardt, Hegels Wissenschaft der Logik" im Spannungsfeld der Kritik. Historische und systematische Untersuchungen zur Diskussion um Funktion und Leistungsfähigkeit von Hegels „Wissenschaft der Logik" bis 1831, Hildesheim 1993, bes. 301-337. 28 Vgl. Dieter Henrich, „Hegels Logik der Reflexion. Neue Fassung", in: ders. (Hg.), Die Wissenschaft der Logik und die Logik der Reflexion. Hegel-Tage Chantilly 1971, Bonn 1978, 203-324. Henrich begründet die Zuwendung zum Anfang der Wesenslogik damit, dass Hegel die für seine Methode kennzeichnende Einheit von Gleichheit mit sich und Gegensätzlichkeit dort direkt zum Thema mache (227). „

-

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK

21

versammelt hat. Neben den Themen der seit Kant so genannten formalen Logik finden sich eine Reihe von Stichwörtern, die keinem der üblicherweise Logik genannten Gebiete angehören. Mit der Behandlung des Mechanismus, des Chemismus und der Teleologie im zweiten sowie der Idee des Lebens im dritten Abschnitt scheint Hegel den Rahmen jeder Logik zu sprengen. Bezeichnend für die Unzufriedenheit mit der Subjektiven Logik sind die Systementwürfe, die Karl Rosenkranz und Kuno Fischer in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts vorgelegt haben. Beiden ist die Abhängigkeit von Hegel auf jeder Seite anzumerken. Dennoch geht Rosenkranz in der Einteilung seines Systems eigene Wege. So bildet die Teleologie neben der Lehre vom Sein und vom Wesen den dritten Abschnitt des ersten Teils der „Wissenschaft der logischen Idee". Es folgen als der zweite Teil die Lehre vom Begriff, Urteil und Schluss sowie als der dritte Teil die Ideenlehre. Die Stichwörter Mechanismus, Chemismus und Leben sucht man bei Rosenkranz vergebens.30 Was die formale Logik anbelangt, hielten sich Rosenkranz und Fischer, von kleinen Abweichungen abgesehen, zunächst an die Vorgaben Hegels. Doch zehn Jahre später vollzog Fischer eine radikale Wende. Er berichtet vom wiederholten Studium des aristotelischen Organons, dem er die Einsicht verdanke, „dass in der Lehre von den Urteilen und Schlüssen die hegelsche Logik die Sache verfehlt hat". In dem entsprechenden Kapitel der zweiten Auflage seiner Logik und Metaphysik korrigiert er seine frühere Auffassung und bekennt sich zur aristotelischen Logik. Die Abwendung Fischers von Hegel macht deutlich, dass die Subjektive Logik auch oder gerade dann nicht befriedigt, wenn man ihren ersten Abschnitt als ein Lehrstück der formalen Logik begreift. Die Gliederung des Begriffs-Kapitels erweckt zwar den Anschein, als übernehme Hegel die in der Schullogik weit verbreitete Einteilung der Begriffe in allgemeine, besondere und einzelne. Ebenso scheinen die zwölf Arten von Urteilen genau der kantischen Urteilstafel zu entsprechen. Sobald man sich aber mit Hegels Text näher beschäftigt, treten Ungereimtheiten zu Tage. So soll es sich bei der Allgemeinheit, der Besonderheit und der Einzelheit um die drei Momente ein und desselben Begriffs als solchen handeln. Und was die Urteilslehre angeht, ist Hegels Ableitung der Urteilsformen in den Augen der meisten seiner Leser nicht überzeugender als die kantische. Den eigentlichen Stein des Anstoßes bildet jedoch seit jeher Hegels

Vgl. Karl Rosenkranz, System der Wissenschaft. Ein philosophisches Encheiridion, Königsberg 1850, und Kuno Fischer, Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre. Lehrbuch für akademische

29

Vorlesungen, Stuttgart 1852. 30 Vgl. Rosenkranz, System der Wissenschaft, 1-156, und ders., Wissenschaft der logischen Idee, 2 Bde., Königsberg 1858-59. Rosenkranz beruft sich für die Dreiteilung auf die von ihm herausgegebene propädeutische Logik Hegels (Wissenschaft der logischen Idee, I, xi; vgl. Hegel, Philosophische Enzyklopädie für die Oberklasse, § 15 [WW 4, 12]). Wie ein Blick in den Text zeigt, beendete Hegel jedoch schon damals die Subjektive Logik mit der Teleologie und begann die Ideenlehre mit der Idee des Lebens (vgl. § 77-93 [WW 4, 27-32]). 31 Kuno Fischer, System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre, 2. völlig umgearbeitete Aufl., Heidelberg 1865, Vf. 32 Vgl. a.a.O., 416. -

22

EINLEITUNG

ein eigenes, wiederum an die kantische Tafel der Urteile angelehntes System von neun Schlüssen geschaffen, das vom Standpunkt der traditionellen Logik aus betrachtet eine Reihe von Merkwürdigkeiten aufweist. Legten die dialektische Methode und Behauptungen wie: „Das reine Sein und das reine Nichts ist dasselbe" (GW 11, 44), für viele schon den Verdacht nahe, Hegel stehe mit den Grundgesetzen der Logik auf Kriegsfuß, tat seine Behandlung der syllogistischen Figuren ein Übriges. Charles S. Peirce etwa sah sich zu dem beißenden Spott veranlasst: „Mich überrascht, dass dieser herausragende Logiker zu seiner Reihe von Beispielen gültiger Schlüsse nicht den folgenden hinzugefügt hat: Es regnet oder es regnet nicht. Nun regnet es nicht. Also regnet es."3 Bereits Adolf Trendelenburg hat auf den Unterschied zwischen Hegels „eigentümlicher Darstellung" und der gewöhnlichen Behandlung des Schlusses hingewiesen. In seinen Logischen Untersuchungen listet er minutiös alles auf, was einem an Hegels Schlusslehre in formaler Hinsicht seltsam anmuten kann. Die Kritik zielt darauf ab, das Scheitern der dialektischen Methode unter Beweis zu stellen. Zwar unterstellt Trendelenburg nicht weniger als Hegel einen inneren Zusammenhang zwischen Metaphysik und Logik,35 aber er sieht in der Philosophie nicht das Ergebnis des voraussetzungslosen, reinen Denkens, sondern die allgemeine Einheit, nach der die besonderen Wissenschaften streben. Deshalb misst er Hegels Schlusslehre nicht nur an der formalen Logik, sondern auch an der Möglichkeit, ihre Behauptungen durch Beispiele zu bewähren. Wenn die Dialektik des Schlusses „nicht bloß eine künstliche Kette, sondern die natürliche Entwicklung darstellte, so müsste sich an einem Kontinuum von Beispielen 6 zeigen lassen, wie die Erkenntnis von einer Form zur anderen reift". Es ist jedoch alles andere als klar, dass die spekulative Schlusslehre eine „natürliche Entwicklung" darstellen soll. Dort, wo Hegel selbst Beispiele gebraucht, dokumentieren sie weniger die Entwicklung als die Unzulänglichkeiten der gewöhnlichen Art zu schließen. Das Verhältnis zwischen formaler und dialektischer Logik hat in jüngerer Zeit Wolfgang Krohn untersucht. Er geht von der Annahme aus, dass in der Subjektiven Logik die Weisen bestimmt werden, in denen der Begriff „sich selbst begreift". Aus dem Umstand, dass Hegel der Dialektik keine „selbständige begriffliche Gestalt" gibt, sondern auf die herkömmlichen logischen Formen zurückgreift, folgert Krohn, dass die formale Logik „selbst dialektisch" sei, und dass die Dialektik „in der formalen Logik ihr BesteSchlusslehre. Hier hat

Hegel

Charles S. Peirce, „Grounds of Validity of the Laws of Logic: Further Consequences of Four Incapacities" [1869], in: Writings of Charles S. Peirce, Bd. 2: 1867-1871, Bloomington 1984, 242272, 254. Peirce polemisiert gegen Hegels Behauptung, wahre Prämissen könnten zu falschen Kon33

klusionen fuhren. Siehe dazu Teil III, § 10 (1.-2.). 34 Vgl. Adolf Trendelenburg, Logische Untersuchungen, 2 Bde., Berlin 1840, II, 251-269. 35 Wie Hegel kritisiert Trendelenburg die formale Logik im Sinn einer von jedem Inhalt abstrahierenden Betrachtungsweise (vgl. Logische Untersuchungen, I, 4-22). 36 Trendenlenburg, Logische Untersuchungen, II, 269. Zum Ansatz Trendelenburgs vgl. Josef Schmidt, Hegels Wissenschaft der Logik und ihre Kritik durch Adolf Trendelenburg, München 1977, 9 ff. und 18 f. -

-

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK

23

hen" habe. Die zweite Hälfte dieser These soll nicht mehr besagen, als dass auch Hegel bei der Niederlegung seiner Gedanken nicht auf die Verwendung von Begriffen, Urteilen und Schlüssen verzichten kann. In der ersten Hälfte schreibt Krohn Hegel die Auffassung zu, dass die Logik seiner Tage nicht in der Lage sei, die zwischen den Termen des Schlusses herrschenden Beziehungen auszudrücken. In dem Sinn halte Hegel die klassische Logik für „zu wenig formal".38 Die Behauptung ist allerdings cum grano salis zu nehmen. Zwar ergibt sich der Schritt von einer Form des Schlusses zur nächsten für Hegel bei der Suche nach einer Möglichkeit, die Bedeutung der vorigen angemessener zum Ausdruck zu bringen. Es wäre aber ein Irrtum zu meinen, Hegel wolle die herkömmliche Logik dadurch gleichsam formaler machen. Das übergeordnete Ziel bleibt vielmehr die Aufklärung der Verfassung dessen, was Hegel den Begriff nennt. Eine Interpretation der Wissenschaft der Logik, die aus dem gängigen Rahmen fällt, hat Michael Theunissen vorgelegt. Was zunächst die Objektive Logik anbelangt, sieht er in ihr eine kritische Darstellung der Metaphysik. In der Lehre vom Sein kritisiere Hegel das „vergegenständlichende Denken" der Tradition. In der Lehre vom Wesen decke er die in der Vergegenständlichung gelegenen Momente der „Verselbständigung" und der „Herrschaft" des einen über das andere auf.39 Auf der Grundlage dieses Befundes eröffne Hegel in der Subjektiven Logik einen neuen Zugang zur Metaphysik. An die Stelle des vergegenständlichenden Denkens setze er eine Theorie der kommunikativen Freiheit. Das betreffe insbesondere die Gotteslehre. Dort ersetze Hegel die hergebrachte Ontotheologie durch eine christliche Theologie der Offenbarung. Theunissen stützt seine Deutung auf Hegels Lehre vom spekulativen Satz. In ihm werde das „Herrschaftsverhältnis" der Subsumtion zwischen Subjekt und Prädikat aufgehoben.40 Mit der kommunikationstheoretischen Interpretation will Theunissen dem hegelschen Programm einer relationalen Metaphysik gerecht werden. Er muss sich freilich nicht nur die Frage gefallen lassen, wie stark das theologische Anliegen Hegels tatsächlich zu gewichten ist, sondern den Einwand, die Rolle der Urteilslehre falsch eingeschätzt zu haben. Blickt man auf die Anlage der Subjektiven Logik im Ganzen, erscheint die These eher fraglich, dass Hegel seine Metaphysik auf dem Fundament einer Theorie des Satzes errichtet haben soll. Schließlich sind noch zwei Arbeiten zu erwähnen, die sich mit der hegelschen Schlusslehre im Blick auf das Problem der Vermittlung befassen. Wie schon der Unter-

Wolfgang Krohn, Die formale Logik in Hegels Wissenschaft der Logik". Untersuchungen zur Schlusslehre, München 1972, 7 ff. 38 A.a.O., 14. 39 Vgl. Michael Theunissen, Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik, Frankfurt a. M. 1980,25-29. 40 Vgl. a. a. O., 39-60. Was die tatsächliche Verfassung der Subjektiven Logik betrifft, beklagt Theunissen ihren „Niveauabfall" und „allzu affirmativen Metaphysikbezug" (41 f.). 41 Vgl. dazu Hans Friedrich Fulda; Rolf-Peter Horstmann; Michael Theunissen, Kritische Darstellung der Metaphysik. Eine Diskussion über Hegels „Logik", Frankfurt a. M. 1980, bes. 30-34 und 4037



-

46.

24

Einleitung

titel seiner Studie anzeigt, geht es Jan van der Meulen hauptsächlich um den Nachweis der Brüche im hegelschen Denken. Seines Erachtens ringt Hegel mit dem Problem der „ursprünglichen Einheit" von Begriff, Zeit und Raum. Der Versuch, die absolute Einheit zu denken, scheitere jedoch an den Übergängen von der Idee zur Natur sowie von der Natur zum Geist.4 Ebenfalls ein weit über die Wissenschaft der Logik hinaus gehendes Interesse verfolgt Stefano Fuselli. Er kennzeichnet sein Buch im Untertitel als die Einleitung zu einer Studie über die Struktur der juridischen Vermittlung, das heißt die „Versöhnung" des Verbrechers mittels der von einem Richter verhängten Strafe.43 Fuselli betont den Unterschied zwischen dem Schluss als einer logischen Form des Denkens und dem Schluss als einer ontologischen Struktur. Während Hegel in dem gleichnamigen Kapitel die logischen Formen des Schließens erörtere, gehe es in den späteren Abschnitten der Logik sowie in der Realphilosophie um die Schlussförmigkeit bestimmter Gegebenheiten, etwa der Ideen des Lebens und des Erkennens oder des Systems der Philosophie. Lediglich in dem zweiten Sinn bedeute der Schluss die innere Beziehung, in der die einzelnen Teile eines lebendigen Ganzen zueinander stehen. In meinen Augen darf aber bezweifelt werden, dass hier zwei verschiedene Modelle von Vermittlung vorliegen, denn im Schluss-Kapitel der Logik geht es Hegel gerade darum zu zeigen, dass eine wahre Vermittlung nur zustande kommt, wenn sich der Begriff in den Termen als seinen Momenten auf sich selbst bezieht.

5.

Hegels Rede vom formellen Begriff

Der Wert einer Interpretation des Schluss-Kapitels der Wissenschaft der Logik bemisst sich nicht zuletzt daran, wieweit sie dem Aufbau der Lehre vom Begriff im Ganzen Rechnung zu tragen vermag. Die Schlusslehre bildet das dritte Kapitel des mit „Die Subjektivität" überschriebenen ersten Abschnitts der Subjektiven Logik. Die Überschriften der ersten beiden Kapitel lauten „Der Begriff und „Das Urteil". In dem Abschnitt geht es also um den Begriff, das Urteil und den Schluss als Bestimmungen der formalen Logik. Alle drei nennt Hegel „den formellen Begriff (GW 12, Die Kapitelfolge Begriff Urteil Schluss ist von der traditionellen Logik her vertraut. Sie lässt sich zurückverfolgen bis zum aristotelischen Organon und spiegelt die Anordnung der transzendentalen ebenso wie der formalen Logik Kants. Dagegen bedarf die Bezeichnung von Begriff, Urteil und Schluss als der formelle Begriff einer Erläuterung.

30).45

-

-

42 Vgl. Jan van der Meulen, Hegel. Die gebrochene Mitte, Hamburg 1958, 3 und 7. 43 Vgl. Stefano Fuselli, Forme del sillogismo e modelli di razionalità in Hegel. Preliminari allô studio della concezione hegeliana della mediazione giudiziale, Trento 2000, 1-5. Etwas überraschend ist, dass Fuselli nicht auf die Deutung der absoluten Methode als Schluss eingeht. 44 Vgl. a.a.O., 159 ff. 45 Später spricht Hegel außer vom „formellen" auch vom „subjektiven Begriff (vgl. GW 12, 176 und 253 sowie HE § 110 und E § 162). -

25

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK Ihr Ziel

muss

sein, den Unterschied zwischen dem formellen Begriff Hegels und den

Allgemeinbegriffen der Logik klarer zu fassen. Indem Hegel die Abhandlung über den formellen Begriff mit dem Titel „Die Subjektivität" überschreibt, deutet er an, dass es sich bei Begriff, Urteil und Schluss um die Formen handelt, in denen ein epistemisches Subjekt nach gängiger Vorstellung Objekte denkt und erkennt. In der Wissenschaft der Logik kommen die Formen des subjektiven Denkens wohlgemerkt nicht deshalb zur Sprache, weil Hegel auf ihre Untersuchung aus erkenntnistheoretischen Gründen nicht meinte verzichten zu dürfen. Sein Ziel ist es vielmehr, die am Ende der Objektiven Logik aufgestellte These zu erhärten, dass weder die Bestimmungen des Seins noch die des Wesens, sondern einzig die des Begriffs geeignet sind, die Verfassung des Absoluten systematisch darzustellen. Obwohl es sich rückblickend betrachtet auch bei den Kategorien des Seins und des Wesens lässt sich das um Bestimmungen dessen handelt, was Hegel später den Begriff nennt, Absolute nach seiner Überzeugung letztlich nur mit begriffslogischen Mitteln angemeserfassen. Die Rede vom formellen Begriff gebraucht Hegel zur Zusammenfassung von Begriff, Urteil und Schluss als den Formen des subjektiven Denkens. Bezieht er sich nicht auf den ersten Abschnitt, sondern nur auf das erste Kapitel der Subjektiven Logik, spricht Hegel nicht vom formellen Begriff, sondern von dem „Begriff als solchen".47 Der Begriff als solcher steht auf einer Stufe mit den Formen des Urteils und des Schlusses. Dagegen bildet der formelle Begriff eine höhere, den Begriff als solchen sowie das Die eigentliche Hürde für das Urteil und den Schluss unter sich fassende Verständnis der Rede vom formellen Begriff bildet die durchgängige Verwendung des Ausdrucks im Singular. Hegel zufolge zeichnet den formellen Begriff aus, dass es sich um die „Totalität" unterschiedlicher „Momente" handelt (31). Wenn im Begriffs-Kapitel erst der „reine oder allgemeine" und dann der „bestimmte oder besondere" Begriff abgehandelt werden (32), geht es daher nicht um mehrere Begriffe oder gar um verschiedene Arten von Begriffen, sondern um zwei Momente ein und desselben Begriffs als solchen. Mit dem Moment der Allgemeinheit kennzeichnet Hegel den reinen Begriff als etwas Absolutes.49 Der hegelsche Begriff ist demnach nicht im gleichen Sinn allgemein wie beispielsweise der Begriff ,Mensch'. Während der Begriff des Menschen sämtliche Individuen einer Gattung umfasst, schließt er alles von sich aus, was nicht als ,Mensch' gelten kann. Das hegelsche Allgemeine hingegen soll gerade dadurch bestimmt sein, dass es nichts gibt, das von ihm ausgeschlossen wäre. Gemessen an der Allgemeinheit sen

Bestimmung.48

Vgl. dazu Horstmann, Ontologie und Relationen, 71 f. Vgl. GW 12, 31 sowie die Überschrift des Begriffs-Kapitels der Enzyklopädie (HE § 111 und E § 163). 48 Dem formellen Begriff zur Seite stehen die Bestimmungen der Objektivität und der Idee, die Hegel den „objektiven" und den „adäquaten Begriff nennt (GW 12, 30). 49 „Der reine Begriff ist das absolut Unendliche, Unbedingte und Freie" (GW 12, 33). 46 47

26

EINLEITUNG

Allgemeinbegriffe der formalen und transzendentalen Logik nur „bestimmte Begriffe" (ebd.). Um den Unterschied kenntlich zu machen, spricht Hegel im ersten Fall von der „reinen", im zweiten Fall von der „abstrakten" Allgemeinheit (39). Begriffe wie ,der Mensch' oder ,die Ursache' gelten ihm als abstrakt, insofern ihnen andere Begriffe entgegengesetzt sind. Die Bestimmtheit, die einen Begriff von anderen unterscheidet, nennt Hegel seine Besonderheit.5 Was den hegelschen Begriff angeht, drängt sich unweigerlich die Frage nach der Vereinbarkeit des Moments der Besonderheit mit dem der reinen Allgemeinheit auf. Wie kann der reine Begriff bestimmt sein, wenn es nichts außer ihm gibt, dem er entgegengesetzt wäre? Hegels Antwort ist bekannt und lautet sinngemäß, dass der Begriff seine Bestimmtheit oder Unterschiede an sich selbst hat. Der hegelsche Begriff ist insofern bestimmt, als er sich negativ auf sich selbst bezieht.51 Es kommt im Augenblick nicht auf den genauen Gehalt dieser Antwort, sondern lediglich auf die Feststellung an, dass Hegel den Begriff bereits im ersten Kapitel der Subjektiven Logik als etwas komplex Verfasstes und in sich Strukturiertes präsentiert. Er liest die komplexe Struktur aber nicht einfach in den gewöhnlichen Gebrauch der Rede vom Begriff hinein, sondern beansprucht, sie zusammen mit dem Begriff des Begriffs in der Objektiven Logik abgeim

hegelschen

Sinn sind die

leitet zu haben. In der Lehre vom Wesen führt Hegel seine Überlegungen bis an den Punkt, dass zur Bestimmung des Absoluten die Kategorie der Substanz erforderlich ist. Mit der Substanz meint er weniger den Träger von Akzidenzien als im Sinn Spinozas etwas, das auf nichts anderes als auf sich selbst bezogen ist. Im letzten Kapitel der Wesenslogik expliziert Hegel die These von der Selbstbezüglichkeit der absoluten Substanz mit Hilfe der kantischen Kategorien der Relation. Entscheidend hierbei ist der Gedanke, dass die Kategorien der Substantialität, der Kausalität und der Wechselwirkung helfen sollen, das Verhältnis des Absoluten auf sich selbst zu bestimmen. Dem Übergang zur Lehre vom Begriff liegt dann die Behauptung zugrunde, dass die Art der Selbstbeziehung, von der am Ende der Wesenslogik die Rede ist, begriffslogisch interpretiert werden kann. Hegel deutet die Substanz als das Verhältnis eines „Allgemeinen" und eines „Einzelnen", die, insofern sie miteinander identisch sind, ein „Besonderes" ausmachen (GW 11, 409).52 An die Stelle der Begriffspaare von Substanz und Akzidenzien, Ursache und -

-

50 „Wenn vom bestimmten Begriff die Rede ist, so ist es gewöhnlich rein nur ein solches abstrakt Allgemeines, was gemeint ist" (GW 12, 40). Insofern sie als „bestimmte Begriffe" betrachtet werden können, sind auch alle Kategorien des Seins und des Wesens „unter den Arten der Begriffe aufzuführen" (46). 51 Hegel schreibt über das Begriffsmoment des Allgemeinen: „Als Negativität überhaupt oder nach der ersten, unmittelbaren Negation hat es die Bestimmtheit überhaupt als Besonderheit an ihm; als Zweites, als Negation der Negation ist es absolute Bestimmtheit oder Einzelheit und Konkretion" (GW -

12,35).

Hermann Schmitz weist zu Recht auf die Unstimmigkeit zwischen dem Ende der Wesenslogik und dem ersten Kapitel der Begriffslogik hin, wo nicht das Besondere, sondern das Einzelne die „integrierende Leistung" übernehme (vgl. Hegels Logik, Bonn 1992, 72 und 149). 52

SCHWIERIGKEITEN MIT HEGELS LOGIK

27

Wirkung sowie aktiver und passiver Substanz tritt demnach die Trias des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen.5 Das Resultat der Objektiven Logik fasst Hegel in der plakativen These zusammen, der Begriff sei „die Wahrheit der Substanz" (GW 12, 12). Das Verhältnis der drei Momente des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelstellt Hegel als eine Art Kreislauf dar. In dessen Verlauf unterscheidet sich der Begriff von sich selbst und kehrt am Ende zu sich selbst zurück. Während das Moment der Besonderheit für „das Unterscheiden in sich" steht (36), bedeutet die Einzelheit des Begriffs „die absolute Rückkehr desselben in sich" (43). Die beiden Schritte des Unterscheidens und der Rückkehr in sich selbst lassen sich im Aufbau des Abschnitts über die Subjektivität wieder finden. In der Form des Urteils unterscheidet sich der Begriff von sich selbst, um in der Form des Schlusses zu sich zurückzukehren. Es genügt, darin zunächst eine metaphorische Beschreibung zu sehen, um die Konsequenzen zu erkennen, die sich für die Rede vom formellen Begriff ergeben. Urteil und Schluss fallen keineswegs deshalb unter den formellen Begriff, weil das Urteil aus zwei und der Schluss aus drei Begriffen im gewöhnlichen Sinn bestünde, sondern es geht Hegel viel grundlegender darum, dass das Urteil und der Schluss die subjektiven Formen bilden, wie der Begriff als die Einheit dreier Momente erscheint. Das Subjekt und das Prädikat des Urteils sowie die drei Terme des Schlusses entsprechen dem Allgemeinen, dem Besonderen und dem Einzelnen als den Bestimmungen des Begriffs. Hegel spricht vom formellen Begriff also letztlich deshalb im Singular, weil er das Urteil und den Schluss als Erscheinungsweisen dessen betrachtet, was er den Begriff nennt. nen

53 Schmitz hat den Unterschied zwischen dem durchgängigen Motiv einer „dreiphasigen" und der für die Begriffslogik einschlägigen „dreipoligen" Dialektik herausgearbeitet (vgl. a. a. O., bes. 38^13).

28

§2

Einleitung

Das Argument der Schlusslehre

Hegels Schlusslehre angemessen verstehen, muss man sie in den Zusammender hang Subjektiven Logik im Ganzen stellen. Im zweiten Teil der Wissenschaft der entfaltet Logik Hegel seine Theorie des Begriffs in einer dialektischen Bewegung, die vom formellen über den objektiven zum adäquaten Begriff führt. Die Form des Schlusses bildet nicht nur die letzte Stufe des formellen Begriffs, sondern am Ende der Schlusslehre erfolgt auch der Übergang vom formellen Begriff zur Objektivität. Sucht man nach einem Schlagwort, um den Gedankengang von dem Begriff als solchen bis zur absoluten Idee inhaltlich zu kennzeichnen, bietet sich Hegels Rede von der Realisierung des Begriffs' an. Die logischen Bestimmungen sind nichts Vorgefundenes oder Vorausgesetztes, sondern das Ergebnis einer Entwicklung, in deren Verlauf der Begriffsich selbst bestimmt und dadurch Realität annimmt. So kann Hegel am Ende der Logik erklären, „dass der Begriff alles und seine Bewegung die allgemeine absolute Tätigkeit, die sich selbst bestimmende und selbst realisierende Bewegung ist" (GW 12, Will

man

238).

1. Die

Realisierung des Begriffs

von der Realisierung des Begriffs schlägt sich der teleologische Zug des Denkens nieder. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um die Verwirklichung hegelschen der Absichten irgendeines Subjekts, sondern um eine Entwicklung, die der Begriff aus sich heraus durchläuft. Obwohl die Bewegung keinem von außen vorherbestimmten Programm folgt, lässt sie sich von ihrem Ende her als auf ein Ziel gerichtet verstehen. Die Wissenschaft der Logik enthält bildlich gesprochen so etwas wie die Evolutionsgeschichte des reinen Denkens.1 Zu der Bewegung der Realisierung des Begriffs gehört in gewisser Weise schon sein Hervorgehen aus den Kategorien der Objektiven Logik. Ähnlich wie die Geschichte der Entstehung des Lebens nicht mit den Einzellern, sondern bei den Aminosäuren und Polymeren anfangt, verläuft die Genese des Begriffs durch die Kategorien des Seins und des Wesens. Sie bilden die Vorstufen zur Entwicklung des Begriffs als solchen. Abgeschlossen wird die Realisierung des Begriffs innerhalb der Logik mit der absoluten Idee. In der Sphäre der Idee besitzt der Begriff die „schlechthin ihm angemessene Realisation" (30). Schließlich drängt die Idee ihrerseits über sich hinaus und entlässt die Natur. Diese erhebt sich wiederum zum Geist, der „den höchsten Begriff seiner selbst in der logischen Wissenschaft als dem sich begrei-

In der These

1 Während Kuno Fischer in dem später von Darwin vertretenen Entwicklungsgedanken das Grundthema der Philosophie Hegels sehen wollte (vgl. Hegels Leben, Werke und Lehre, 2 Bde., Heidelberg 1901, 219 f. und 1174 ff), wird die Analogie mit der Evolution hier nur zur Illustration herangezogen.

Das Argument der Schlusslehre

29

fenden reinen Begriff findet" (253). Damit kehrt das philosophische System Hegels zu y seinem Anfang zurück. Für die Interpretation der Schlusslehre ist Hegels eigentümliche These von der Realisierung des Begriffs in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Erstens behandelt Hegel, wie wir am Ende des letzten Abschnitts gesehen haben, die logischen Formen des Urteils und des Schlusses als die Weisen, wie der formelle Begriff sich realisiert. Im Begriffs-Kapitel der Subjektiven Logik erläutert er zunächst die drei Momente des Begriffs. Bei ihnen handelt es sich nicht um Teilvorstellungen, aus denen der Begriff zusammengesetzt wäre, sondern jedes entspricht einer gewissen Ansicht des Begriffs als ganzen. Die Selbstbestimmung des Begriffs geschieht dadurch, dass seine verschiedenen Momente gesetzt werden. Mit dem Setzen der Unterschiede wird der Begriff zu etwas Realem. In dem Sinn nennt Hegel die Form des Urteils „die nächste Realisierung des Begriffs" (53). Im Urteil werden ein Moment des Begriffs als Subjekt und ein anderes Moment als Prädikat gesetzt und aufeinander bezogen. Wie jedoch allgemein bekannt sein dürfte, betrachtet Hegel die Subjekt-Prädikat-Struktur des Urteils aufgrund ihrer substanzontologischen Implikationen mit großer Skepsis. Er bestreitet, dass die Form des Urteils geeignet ist, die Einheit der Momente des Begriffs angemessen darzustellen. Stattdessen setzt Hegel auf die Form des Schlusses. Das Urteil muss sich zum Schluss fortentwickeln, damit die Verfassung des Begriffs deutlich zum Ausdruck kommt. Daraus ergibt sich zwanglos der erste Teil dessen, wofür Hegel in der Schlusslehre zu argumentieren hat. Er muss den Zusammenhang aufzeigen, der zwischen der logischen Form des Schlusses und seiner Konzeption des Begriffs als solchen besteht. Auf dieser Grundlage muss er dann die besondere Eignung des Schlusses für spekulative Belange erklären. Den Schlüssel zu Hegels Überlegungen bildet der mittlere Term. In ihm liegt sowohl der Unterschied als auch die Überlegenheit des Schlusses gegenüber dem Urteil begründet. Um die spekulative Bedeutung der Form des Schlusses zu erweisen, geht Hegel von einem gewöhnlichen Syllogismus aus. Weiterhin greift er auf die aus der herkömmlichen Logik geläufigen Einteilungen der syllogistischen Figuren sowie der Arten von Schlüssen zurück. Alles das wird oft als ein Mangel empfunden und gegebenenfalls als einer der Belege dafür gewertet, dass der dritte Teil der Wissenschaft der Logik insgesamt der am wenigsten gelungene ist. So schreibt beispielsweise Hermann Schmitz, die Schlusslehre bestehe „zum großen Teil aus geschraubten Kunststücken, mit denen Hegel sich an die etablierten Autoritäten bekannter logischer Figuren und Konstellationen anlehnt, um den Wein der Dialektik in diese alten Schläuche zu gießen".3 Entgegen dieser Ansicht erscheint mir, dass er bei den gängigen Formen des Schließens einsetzt,

jedoch

als konstitutiv für Hegels Argumentation. Meines Erachtens geht es in der Schlusslehre nämlich um die These, dass der mittlere Term die ihm üblicherweise bei-

2 3

Vgl. HE § 474 und E § 574. Schmitz, Hegels Logik, 153.

30

Einleitung

gemessene Funktion letztlich nur dann zu erfüllen in der Lage ist, wenn eigene Konzeption des Begriffs zugrunde legt. Demzufolge rechtfertigt

man Hegels Hegel seine gewöhnlichen Auffassung von

Theorie des Begriffs, indem er sie als Implikation der der Funktion des mittleren Terms des Schlusses erweist. Damit ist die Kernthese der vorliegenden Untersuchung ausgesprochen. Hegel nutzt die Diskussion der mit der formallogischen Theorie des Schlusses verbundenen Schwierigkeiten, um eine von der formallogischen verschiedene Theorie des Begriffs zu etablieren. Im gleichen Zug nimmt die Form des Schlusses selbst eine neue, spekulative Bedeutung an. In der Wissenschaft der Logik verhilft der Schluss zu Einsichten in die Verfassung dessen, was Hegel den Begriff nennt. Damit zusammen hängt der zweite Aspekt, unter dem die Rede von der Realisierung des Begriffs für die Schlusslehre bedeutsam ist. Am Ende der Entwicklung des Schlusses soll der formelle Begriff in das Objekt übergehen. Mit dem Übergang zur Objektivität, so Hegel, ist „der Begriff überhaupt realisiert worden" (125). Der Begriff ist demzufolge nicht bloß eine Form des Denkens, sondern zugleich etwas real Existierendes. Hegel bringt den Übergang von der Subjektivität zur Objektivität mit dem ontologischen Gottesbeweis der rationalistischen Metaphysik in Verbindung. Er beansprucht also über ein Argument zu verfügen, das mit Hilfe der Bestimmungen des Schließens einsichtig macht, warum der Begriff als etwas Objektives aufgefasst werden muss.

2. Der erste Teil der

Untersuchung

In den folgenden Ausführungen wird der Versuch unternommen, das Argument der Schlusslehre zu buchstabieren. Das kann meines Erachtens nur gelingen, wenn Hegels Überlegungen zunächst in den Horizont der kantischen und nachkantischen Philosophie der Subjektivität gerückt werden. In der Einleitung zur Subjektiven Logik beruft sich Hegel ausdrücklich auf die Errungenschaften Kants.6 Dessen transzendentaler Deduktion der Kategorien verdanke er entscheidende Anregungen für seine Theorie des Begriffs. Dass der formelle Begriff in das Objekt übergeht, das heißt dass sich der Begriff selbst als etwas Objektives erweist, findet Hegel bei Kant vorgebildet. Im Kern geht es um die Einsicht, dass der formelle Begriff nur insoweit zur Erkenntnis der Wahrheit geeignet ist, als zwischen ihm und dem Objekt keine Trennung, sondern ein Verhältnis der Einheit herrscht. Die den formellen Begriff und das Objekt umfassende Einheit nennt Hegel die Idee. In Anlehnung an den kantischen Grundgedanken der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption begreift er die Verfassung der Idee ihrerseits als die 4 Vgl. GW 12, 127 ff. sowie HE § 140 Anm. und E § 193 Anm. 5 Vgl. die Rede Hans-Georg Gadamers von dem Versuch, Hegel zu buchstabieren, indem die hegelsche auf die antike Dialektik bezogen wird (Hegels Dialektik. Fünf hermeneutische Studien, Tübingen 1971, 5 f.). 6 Vgl. zum Folgenden GW 12, 17-27.

31

Das Argument der Schlusslehre

dass die Wissenschaft der Logik insgesamt als eine Theorie der Subjektivität erscheint. Ebenso wichtig wie der Einfluss Kants auf Hegels Lehre vom Begriff im Allgemeinen ist die Rolle der unmittelbar nachkantischen Diskussion für Hegels Aufwertung der Form des Schlusses. Ohne den zeitgenössischen Hintergrund bliebe die Pointe von Hegels Schlusslehre weitgehend unverständlich. Im Unterschied zur traditionellen Logik deutet Hegel den Schluss nicht als die Ableitung eines Urteils aus einem oder mehreren anderen, sondern als die Vermittlung zweier Begriffe durch einen dritten. Der mittlere Term des Schlusses tritt bildlich gesprochen an die Stelle der Kopula des Urteils. Er gibt den Grund an, aus dem es gerechtfertigt ist, das Subjekt und das Prädikat des Schlusssatzes aufeinander zu beziehen. Eine solche Deutung des Syllogismus wird zwar durch die seit Aristoteles geläufige Redeweise von zwei äußeren und einem mittleren Term nahe gelegt. Aber dieser Bezug auf die herkömmliche Logik erklärt nicht die These von der Überlegenheit der Form des Schlusses gegenüber dem Urteil. Hegels Position wird erst verständlich, wenn man sich die Rolle vor Augen führt, die das Urteil in der philosophischen Diskussion nach Kant spielte. Deshalb werde ich im ersten Teil der Untersuchung von der damals weit verbreiteten Etymologie des deutschen Wortes ,Urteil' als ,ursprünglicher Teilung' ausgehen und an Hölderlins Jenaer Ansätze zu einer Metaphysik des Absoluten erinnern. Während Hölderlin das Sein als unendliche und unteilbare Einheit auffasst, kennzeichnet er das Urteil als eine Form der Trennung, die das Wesen des Absoluten verfehlt. Hölderlins Kritik der Form des Urteils bewegt sich ihrerseits nicht im luftleeren Raum, sondern erfolgt im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der frühen Wissenschaftslehre Fichtes. Wenn das Absolute unteilbar ist, kann der Grundsatz ,Ich bin Ich' nichts schlechthin Erstes sein. Hinter Hölderlins Urteilslehre steht demnach die Kritik an Fichtes Konzeption des absoluten Ich. Fichte seinerseits hatte sich bemüht, die theoretische Philosophie Kants gegen skeptische Einwände zu sichern. Das, so Fichtes Überlegung, war nur möglich, wenn es gelang, einen ersten, schlechthin unbedingten Grundsatz aufzustellen, von dem aus sich alle weiteren theoretischen wie praktischen Urteile rechtfertigen ließen. Fichtes eigene Urteilslehre ist freilich in dem ersten Grundsatz der Wissenschaftslehre noch nicht enthalten. Der erste Grundsatz bildet im Gegenteil einen Sonderfall, insofern er dem Subjekt gerade kein Prädikat zuschreibt. Damit von einem Subjekt überhaupt etwas prädiziert werden kann, muss das Prädikat als Teil der Sphäre eines umfassenderen Begriffs gesetzt werden. Dazu sind in Fichtes Augen zwei weitere Operationen des Ichs erforderlich. Sie finden im zweiten und dritten Grundsatz der Wissenschaftslehre ihren Ausdruck. Demnach deutet Fichte das Ur-

eines

Subjekts,

so

-

-

7 „Der Begriff der Wissenschaft ist, dass die Wahrheit das reine Selbstbewusstsein sei und die Gestalt des Selbst habe, dass das an sich Seiende der Begriff und der Begriff das an sich Seiende ist" (GW 11, 21). Den besten Überblick über die subjektivitätstheoretischen Motive der Logik bietet nach wie vor Klaus Düsing, Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik, Bonn 1976. -

32

Einleitung

teil zwar als ursprüngliche Teilung, aber der Grundsatz ,Ich bin Ich' liegt dieser Teilung seines Erachtens voraus. An alledem interessiert mich weniger der philologische Befund als die Motive, die am Ende in Hegels Schlusslehre zusammenfließen. So teilt Hegel mit Hölderlin nicht nur die Ansicht, dass die vornehmste Aufgabe der Philosophie in der Erkenntnis des Absoluten besteht, sondern auch die Bedenken gegen Fichtes grundsatzphilosophisches Programm. Im Gegensatz zu Hölderlin ist Hegel jedoch zu keinem Zeitpunkt seiner Laufbahn bereit, die Last der Begründung der spekulativen Philosophie der intellektuellen Anschauung aufzubürden. Zwar sieht Hegel in der Form des Urteils ebenso wenig wie Hölderlin einen Ausdruck des Absoluten. Er begründet die Einschätzung aber nicht mit der ursprünglichen Teilung, sondern mit der Art, wie die getrennten Teile gedeutet und aufeinander bezogen werden. Daher beruft er sich in den Habilitationsthesen auf die logische Form des Schlusses als das Prinzip des Idealismus. Der Angelpunkt der These von der spekulativen Bedeutung des Schlusses ist der mittlere Term. Bereits in seinen ersten Jenaer Schriften stellt Hegel einen Zusammenhang zwischen der Kopula des Urteils und dem Mittelbegriff des Schlusses her. Beide drücken ein Verhältnis der Einheit von Gegensätzen aus, das eine Mal zwischen dem Subjekt und Prädikat, das andere Mal zwischen den beiden äußeren Termen. Der Unterschied zwischen Urteil und Schluss läuft für Hegel auf die Frage hinaus, ob man das bloße ,ist' oder den mittleren Term zur Darstellung des Verhältnisses der Einheit von Gegensätzen prinzipiell für geeigneter halten soll. Hegel entscheidet sich gegen die Kopula und für den Begriff. Daraus leitet er ebenfalls schon in Jena die Konsequenz ab, dass in der Form des Schlusses zum Ausdruck kommt, was in jedem Urteil vorausgesetzt wird, nämlich die Einheit von Identität und Differenz zweier aufeinander Bezogener. Auf der Grundlage alles dessen wird Hegels Definition des Schlusses als „die Wiederherstellung des Begriffs im Urteil" verständlich (GW 12, 90). Mit dem wiederhergestellten Begriff ist der mittlere Term gemeint, der die beiden im Urteil getrennten Momente in sich vereint. Gemäß der dialektischen Methode lässt Hegel in der Nürnberger Logik das Urteil aus dem Begriff als solchen und den Schluss aus der Form des Urteils hervorgehen. Ich hoffe deutlich machen zu können, dass es dafür eine Reihe klar benennbarer und in der zeitgenössischen Diskussion verankerter Gründe gibt.

3. Der zweite und dritte Teil der Untersuchung Das Ziel des ersten Teils ist mehr historischer Natur und besteht darin, Hegels Definition des Schlusses aus einer bestimmten Problemlage heraus einsichtig zu machen. Im zweiten und dritten Teil wende ich mich dann der Entwicklung des Schlusses zu. Sie erfolgt im Rahmen von Hegels Abhandlung der dreimal drei Arten zu schließen. An den weiteren Überlegungen ist bemerkenswert, dass sie sich weitgehend unabhängig von kantischen Vorgaben darstellen lassen. Ebenso wenig spielt der Anfang bei der

Das Argument der Schlusslehre

33

frühidealistischen Urteilslehre im Verlauf der Schlusslehre noch eine wesentliche Rolle. Das Argument für die Objektivität des Begriffs ergibt sich allein aus der Entwicklung der Formen des Schlusses. Gegenüber Aristoteles und Kant hält Hegel es sich zugute,

den „systematischen Zusammenhang" der logischen Formen überhaupt erst erkannt zu haben (GW 12, 28). Seine diesbezügliche Intuition lautet, dass die syllogistischen Figuren der klassischen Logik einen Kreis von Formen bilden. In jeder Figur nimmt eines der Momente des Begriffs die Stelle des mittleren Terms ein. Die erste Figur schließt das Allgemeine durch das Besondere mit dem Einzelnen zusammen. In der zweiten Figur erfolgt der Zusammenschluss durch das Einzelne, und in der dritten Figur durch das Allgemeine. Demnach gehen die drei Figuren durch die Permutation der Terme auseinander hervor. Der Kreis der syllogistischen Figuren, den Hegel gegen Ende seiner Jenaer Zeit entdeckte, bildet die Grundlage der systematischen Einteilung der Schlusslehre. Den drei Figuren entsprechen nicht nur die Gattungen des Schlusses des Daseins, der Reflexion und der Notwendigkeit, sondern auch die Ordnung der unter jede Gattung fallenden drei Arten von Schlüssen. In der vollständigen Ableitung der Formen des Schließens liegt jedoch nicht das einzige Ziel der Schlusslehre. Vielmehr bezweckt Hegel mit der Entwicklung des Schlusses die Begründung einer bestimmten Auffassung von der Bedeutung des mittleren Terms. Dahinter steht der Anspruch, nicht nur den systematischen Zusammenhang, sondern auch den „Wert der Formen" zu erkennen (ebd.). Wie die herkömmliche Logik geht Hegel von der Annahme aus, dass ein Schluss dazu dienen sollte, wahre Aussagen begrifflich zu begründen. Das Argument der Schlusslehre beruht auf dem Nachweis, dass der Syllogismus die ihm üblicherweise beigemessene Funktion nur dann zu erfüllen in der Lage ist, wenn man Hegels eigene Konzeption des Begriffs zugrunde legt. Dass Hegel zur Etablierung seiner Theorie des Begriffs auf die Schlusslehre zurückgreift, sollte nach den Darlegungen des ersten Teils der Untersuchung nicht weiter verwundern. Ganz abgesehen von seinem Anliegen, den Schluss als Systemform zu erweisen, bildet der Schluss die einzige Form des begrifflich vermittelten Denkens. Will man sich zur Rechtfertigung von Urteilen nicht auf die sinnliche Erfahrung, auf die intellektuelle Anschauung oder auf irgendeine Art von willkürlicher Setzung berufen, bleibt nur ihre Begründung durch Begriffe. Im Prinzip dient die Entwicklung des Schlusses also der Klärung der Frage, welche Bedeutung ein Begriff annehmen muss, um als der mittlere Term fungieren und die Konklusion begründen zu können. Vereinfacht gesagt muss Hegel zeigen, dass es sich um einen Begriff handelt, von dem feststeht, dass allen unter ihn fallenden Gegenständen alle in ihm enthaltenen Merkmale zukommen. Nach der traditionellen Auffassung wird diese Bedingung paradigmatisch von der aristotelischen Substanz und den Termen für natürliche Arten erfüllt. Doch unbeschadet aller essentialistischen Anklänge versucht Hegel bereits in der Wesenslogik die Vorstellung zu überwinden, dass es sich bei der Substanz um die innere Form einzelner Gegenstände bzw. Arten von Gegenständen handelt, die in der Gestalt äußerer Merkmale sichtbar würde. Das Argument der

34

Einleitung

Schlusslehre zielt auf den Nachweis, dass letzten Endes nur der spekulative Begriff die genannte Bedingung erfüllt. Hegel etabliert seine eigene Theorie des Begriffs im Verlauf der Schlusslehre, indem er zwei davon abweichende Ansichten von der Bedeutung des mittleren Terms als unzureichend kritisiert. Nach der ersten bezeichnet der Mittelbegriff ein bestimmtes, dem Subjekt der Konklusion inhärierendes Merkmal. Daraus wird im Schluss des Daseins gefolgert, dass dem Subjekt ein zweites, in dem ersten enthaltenes Merkmal zukommt. Das Problem des Schlusses des Daseins sieht Hegel in der Begründung seiner Prämissen. Sollen sie nicht einfach vorausgesetzt werden, müssen sie sich ebenfalls begrifflich rechtfertigen lassen. Um nun einen Regress zu vermeiden, in dem immer neue Mittelbegriffe erforderlich werden, greift Hegel zur Begründung der beiden Prämissen auf den jeweils dritten Term zurück. Daraus ergibt sich die besagte Lehre von dem Kreis der syllogistischen Figuren. Der zweiten von Hegel kritisierten Auffassung zufolge bezieht sich der Mittelbegriff nicht auf ein Merkmal, sondern auf eine Klasse von Gegenständen. Daran bemängelt er, dass der Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Klasse von Gegenständen und dem Besitz eines gewissen Merkmals letztlich vorausgesetzt werden muss. Drohte der Schluss des Daseins in einen Regress zu münden, beruht der Schluss der Reflexion auf einem Zirkel. Daher gelingt die begriffliche Begründung der Konklusion in keiner der beiden Arten zu schließen. Wegen der Unzulänglichkeiten des Schlusses des Daseins und der Reflexion führt Hegel im letzten Teil der Schlusslehre eine dritte Art ein, wie der mittlere Term aufgefasst werden kann. Um den Unterschied zur abstrakten Allgemeinheit irgendeines Merkmals sowie zu einer beliebigen Klasse von Gegenständen kenntlich zu machen, spricht Hegel von dem Mittelbegriff des Schlusses der Notwendigkeit als „objektiver Allgemeinheit" (118). Was darunter zu verstehen ist, erläutert er anhand der Beziehung einer Gattung zu ihren Individuen und Arten. Dabei sind gleich mehrere Aspekte von Bedeutung. Der eine ist der Umstand, dass es sich bei dem Allgemeinen nicht um etwas von den Individuen und Arten numerisch Verschiedenes handelt. Es gibt nicht die einzelnen Bäume und außerdem die Gattung ,Baum', sondern beides ist ein und dasselbe. Die Gattung existiert nur in ihren Individuen und Arten. Der zweite Aspekt ergibt sich aus dem realen Zusammenhang der Individuen und Arten untereinander. Die verschiedenen Bäume haben nicht nur deshalb etwas miteinander zu tun, weil wir sie als solche erkennen oder benennen, sondern als lebendige Organismen stammen sie voneinander ab. In Anlehnung an die Natur der Gattung entwickelt Hegel das Verhältnis der Momente des Begriffs. Das Allgemeine, das Besondere und das Einzelne bilden verschiedene Weisen, wie der Begriff real existiert. Vergleichbar den Individuen und Arten einer Gattung stehen die Bestimmungen des Begriffs in einem notwendigen Zusammenhang. Hinzu kommt ein dritter Aspekt, unter dem die Verfassung des Begriffs der Natur lebendiger Wesen gleicht. Die einzelnen Bäume bilden keine unselbständigen Teile der Gattung, sondern jedes Individuum ist ein selbständiges Ganzes. Dem entsprechend re-

Das Argument der Schlusslehre

35

präsentiert jedes der Momente den Begriff als ganzen.

Gleichwohl hebt die Einheit der Momente die Unterschiede nicht einfach auf. Vielmehr versteht Hegel die Bestimmungen des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen als den Ausdruck der Beziehung des Begriffs auf sich selbst. Darin liegt schließlich der eigentliche Grund, warum der Begriff als etwas Subjektives angesprochen werden kann. Im dritten Teil der Schlusslehre kommt nicht nur die für Hegels Lehre vom Begriff einschlägige Art von Selbstbezüglichkeit zur Darstellung, sondern es ist auch zum ersten Mal von Objektivität die Rede. Objektiv ist der Begriff fur Hegel deshalb, weil es sich um ein real existierendes Selbständiges handelt. In der enzyklopädischen Logik appelliert er an „unsere gewöhnliche Vorstellung", wonach man unter einem Objekt ein „konkretes, in sich vollständiges Selbständiges" zu verstehen pflege (E § 193 Anm.). Da sich der mittlere Term des Schlusses als ein solches Selbständiges ergeben hat, meint Hegel, über ein dem ontologischen Gottesbeweis entsprechendes Argument zu verfügen. Am Ende der Schlusslehre zeigt sich, dass der Begriff nicht nur als eine Form des subjektiven Denkens aufgefasst werden darf. Der hegelsche Begriff bezeichnet zugleich dasjenige, was dem Denken gewöhnlich als Objekt entgegengesetzt wird. Die Überlegungen Hegels zielen also nicht auf den Nachweis der Existenz eines von dem Begriff unterschiedenen Gegenstands, sondern auf die Objektivität des Begriffs selbst. Demnach verbindet Hegel mit dem ontologischen Argument der Tradition die wohl provozierendste These seiner Philosophie dass nämlich der ,Begriff mehr ist als eine Form des subjektiven Denkens. Auf die Tragweite dieser Behauptung will ich in einem Ausblick am Ende der Untersuchung eingehen. -

Erster Teil

-

Die Definition des Schlusses

Die Schlusslehre der enzyklopädischen Logik beginnt mit der Definition: „Der Schluss ist die Einheit des Begriffs und des Urteils" (E § 181). Diese auf den ersten Blick seltsam anmutende Bestimmung eines Schlusses lässt sich metaphorisch so verstehen, dass Schlüsse aus Begriffen und Urteilen zusammengesetzt sind. ,Begriff und ,UrteiP sind die Bestandteile des Schlusses. Das hat natürlich auch die traditionelle Logik nicht anders gesehen. Gleichwohl kann man vereinfachend sagen, dass zunächst über lange Zeit eine begriffstheoretische Deutung des Schlusses vorherrschte, die später von einer urteilstheoretischen Konzeption abgelöst wurde. Der bedeutendste Repräsentant der ersten Richtung ist Aristoteles. Er verstand unter einem Syllogismus die Bestimmung des Verhältnisses dreier Ihm folgte im Wesentlichen das ganze Mittelalter. Erst in der Neuzeit setzte sich die urteilstheoretische Auffassung durch. Die im Geist Descartes' verfasste Logik von Port-Royal definierte das Schließen als eine Operation des Geistes, der aus mehreren gegebenen Urteilen ein einziges macht. Dieselbe Definition findet sich bei Wolff und später bei Kant.3 Wenn Hegel den Schluss als die Einheit des Begriffs und des Urteils bestimmt, tut er dies offensichtlich ohne ein direktes Vorbild. Wie erklärt sich also seine Definition des Schlusses? Auf dem Weg zu einer Klärung gilt es zu beachten, dass Hegel den Schluss als die Einheit von Begriff und Urteil im Singular definiert. Es ist also weder von drei Begriffen noch von drei Urteilen die Rede. Vielmehr scheint der Schluss aus einem Begriff und einem Urteil bestehen zu sollen. Bleibt man zunächst im Bild, kann das nur heißen, dass zu den beiden in einem Urteil verbundenen Begriffen ein dritter hinzutreten muss, damit ein Schluss entsteht. Stellt man sich das Urteil als die Verbindung eines singulä-

Begriffe.'

1 „Wenn drei Begriffe sich so zueinander verhalten, dass der letzte in dem mittleren ganz (enthalten) ist und der mittlere in dem ersten ganz entweder (enthalten) ist oder nicht (enthalten) ist, dann muss sich notwendig für die äußeren Begriffe ein vollkommener Schluss ergeben" (Aristoteles, Analytica priora, I 4 [25 b 32-35]). 2 „On appelle raisonner l'action de notre esprit, par laquelle il forme un jugement de plusieurs autres" (Antoine Arnauld; Pierre Nicole, La Logique ou l Art de Penser. Contenant, outre les règles communes, plusieurs observations nouvelles propres à former le jugement, Paris 1662 [ND StuttgartBadCannstatt 1965], 24). 3 „Wenn wir einen Satz aus zwei anderen herausbringen, nennen wir es schließen, und die Art zu schließen einen Schluss" (Wolff, Deutsche Metaphysik, § 340 [GW 1/2, 194]). „Ein Schluss überhaupt ist also die Ableitung eines Urteils aus dem anderen" (Kant, Logik Jäsche, § 41 [AA IX, 114]). '

-

38

Die Definition des Schlusses

Terms E mit einem allgemeinen Prädikatsausdruck A vor, so erhält man E A als die Darstellung der Form des Urteils. Dieses Urteil ist zugleich die Konklusion des Schlusses. Hegels weitere Überlegung ist einfach die, dass der mittlere Term gleichsam die Stelle zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Schlusssatzes einnimmt. Bezeichnet man die Mitte, in Abhebung von den Extremen des Einzelnen und des Allgemeinen, als das Besondere, ergibt sich als die Form des Schlusses das Schema E B A. An der schematischen Darstellung lässt sich ablesen, dass dasjenige, was im Schluss eigentlich zusammengeschlossen werden soll, das Subjekt und das Prädikat der Konklusion sind, während der mittlere Term die Einheit der beiden Extreme gewährleistet. Man kann sich den Zusammenhang zwischen Urteil und Schluss auch so klarmachen, dass der mittlere Term an die Stelle der Kopula des Urteils tritt. Dieser Auffassung zufolge ist der Schluss nicht die Verbindung mehrerer Urteile, sondern eine zum Urteil alternative Form der Beziehung des Einzelnen und des Allgemeinen. Während die beiden Terme im Urteil durch die Kopula miteinander verbunden werden, sind sie im Schluss durch einen Begriff vermittelt. Obwohl diese Erklärung nicht mehr als hinweisenden Charakter besitzt, wird an ihr sichtbar, dass Hegels Schlusslehre nicht losgelöst von seiner Theorie des Urteils verstanden werden kann. In beiden Fällen, mit seiner Schlusslehre ebenso wie in seiner Theorie des Urteils, reagiert Hegel auf eine philosophische Konstellation, die durch die Bemühungen Fichtes einerseits und ihre kritische Aufnahme durch Hölderlin andererseits gekennzeichnet ist (§ 3). Erst vor dem Hintergrund der idealistischen Urteilslehre wird die Rolle des mittleren Terms in Hegels Schlusslehre verständlich (§ 4). Und erst, wenn das Verhältnis zwischen Urteil und Schluss hinreichend geklärt ist, kann Hegels eigentümliche Ansicht erläutert werden, dass Begriff, Urteil und Schluss in einer dialektischen Bewegung auseinander hervorgehen (§ 5). ren

-

-

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Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

§

39

3 Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

Das heimliche Manifest der idealistischen Urteilslehre ist Hölderlins Fragment über Urteil und Sein. In dem 1961 erstmals veröffentlichten Text1 kristallisieren sich eine Fülle von Überlegungen, die für die weitere Entwicklung des deutschen Idealismus bestimmend wurden. Hier finden sich nahezu alle Themen versammelt, die in der damaligen philosophischen Diskussion eine Rolle spielten: angefangen von der Frage nach dem Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt, über das Problem des Selbstbewusstseins und der darin gegebenen Identität, das Konzept der intellektuellen Anschauung, bis hin zu der Frage nach der Bedeutung der Modalbestimmungen von Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit. Alles in allem handelt es sich bei dem Fragment um nicht weniger als die Skizze eines metaphysischen Programms. In den letzten Jahrzehnten ist viel getan worden, um die Gesprächszusammenhänge aufzudecken und die theoretischen Überlegungen zu entschlüsseln, in die Hölderlins Entwurf einzuordnen ist. Dabei hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass in Jena um das Jahr 1795 in Auseinandersetzung mit der Philosophie Kants und der Wissenschaftslehre Fichtes eine frühidealistische

Metaphysik entstand, die sich von den systematischen Bemühungen Schellings und Hegels in späteren Jahren deutlich unterscheidet. Da die betreffenden Gedanken jedoch niemals in eine zusammenhängende systematische Form gebracht wurden, bleibt man zu ihrer Rekonstruktion auf Fragmente wie das über Urteil und Sein angewiesen.2 1. Der etymologische Irrtum

metaphysischen Skizze, die eine solche Fülle divergierender Themen abdeckt, Verwendung für den Begriff des Urteils fand, hängt mutmaßlich mit dem eher zufälligen Umstand zusammen, dass er dessen Herkunft falsch deutete. In Wahrheit geht das deutsche Wort ,urteilen' auf den mittelhochdeutschen Ausdruck ,erteilen' zurück. Er stammt aus der Rechtssprache und bezieht sich auf einen Richterspruch. Diese Verwendung findet sich noch in Wendungen wie ,einen Rat erteilen' oder ,einen Befehl erteilen'. Später bedeutete ,urteilen' ganz allgemein ,seine Ansicht äußern'.3 Hölderlin, dem diese Etymologie offensichtlich nicht bekannt war, Dass Hölderlin in der Mitte einer

1 Friedrich Hölderlin, Urtheil und Seyn, in: Sämtliche Werke, Bd. IV/1, hg. v. Friedrich Beissner, Stuttgart 1961, 216 f. 2 Die systematische Eigenständigkeit der Philosophie Hölderlins gegenüber Fichte, Schelling und Hegel hat vor allem Dieter Henrich herausgestellt (vgl. Der Grund im Bewusstsein. Untersuchungen zu Hölderlins Denken [1794-1795], Stuttgart 1992). Auf den Einfluss der Frühromantik hat Manfred Frank hingewiesen (vgl. Unendliche Annäherung". Die Anfange der philosophischen Frühromantik, Frankfurt a. M. 1997). 3 Vgl. Art. „Teil" und „Urteil", in: Duden Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache, Mannheim [1963] 2. Aufl. 1989, 740 und 775. „

40

Die Definition des Schlusses

bestimmt das Urteil dagegen als „ursprüngliche Trennung" oder „Ur-teilung".4 Als Quelle für Hölderlins unzutreffende Etymologie kommt möglicherweise Fichte in Betracht, dessen Platner-Vorlesung er im Winter 1794/95 hörte. Bei dem Kolleg handelte sich um eine schnittweise die

Einführungsvorlesung über Logik und Metaphysik, in der Fichte abPhilosophischen Aphorismen Ernst Platners, eines damals verbreiteten Lehrbuchs, kommentierte. Am Anfang von Fichtes Notizen zu Platners Urteilslehre es

steht der Satz: „Urteilen, ursprünglich teilen; und

de."5

es

ist wahr:

es

liegt ein ursprüngliches

Teilen ihm zugrun-

Wie Fichte den Zusammenhang zwischen ,urteilen' und ursprünglich teilen' genau interpretiert, wird uns später beschäftigen. Zuvor muss geklärt werden, welche Überlegungen es überhaupt nahe legen, das Urteil nach dem Paradigma des Teilens zu deuten. Immerhin scheint auf den ersten Blick mehr für die gegenteilige Ansicht zu sprechen, ein Urteil als die Verbindung zweier disparater Bestandteile aufzufassen. Ob es sich dabei um verschiedene Vorstellungen, um Gegenstände und ihre Merkmale oder um einen identifizierenden und einen klassifizierenden Ausdruck handelt, tut wenig zur Sache. Wie weit verbreitet indes das Verständnis des Urteils als ursprünglicher Teilung in der nachkantischen Philosophie war, lässt sich etwa an der Tatsache ablesen, dass ein Mann wie Christoph Gottlieb Bardili in seinem Grundriss der Ersten Logik eine „Ur-teilungsoder Objekt-Lehre" entwickelte. Ihr zufolge kommt es beim Denken eines Objekts zu einer „Ur-teilung im Gedachten" zwischen dem „Gedachten Etwas" und dem Gedachten

„als Gedachtem".6

Was Hölderlins Konzept der ,Ur-teilung' von Fichtes oder Bardilis Gebrauch des Wortes unterscheidet, ist freilich seine weit reichende metaphysische Bewandtnis. Versteht man unter metaphysischer Urteilslehre eine Theorie, die den Begriff des Urteils zur Explikation bestimmter metaphysischer Zusammenhänge heranzieht, kann Hölderlin als der neben Hegel prominenteste Vertreter einer solchen Theorie Wie sich macht Hölderlin dem des Urteils von zeigen wird, Begriff metaphysischen Gebrauch, ohne dass die metaphysische ,Ur-teilung' viel mit gewöhnlichen Urteilen im Sinn von Sätzen oder Propositionen zu tun hätte. Im Gefolge der metaphysischen Urteilslehre

gelten.7

4 Hölderlin, Urtheil und Seyn. Der Text wird im Folgenden ohne Nachweis zitiert. 5 GA 11/4, 182. Auf Fichte als Vorbild Hölderlins hat erstmals Violetta Waibel hingewiesen (vgl. Hölderlin und Fichte. 1794-1800, Paderborn 2000, 140 Anm. 26). 6 Christoph Gottlieb Bardili, Grundriss der Ersten Logik, Stuttgart, 1800 [ND Bruxelles 1970], 67 f. Michael Franz hat einen „noch nicht erforschten Einfluss" Bardilis auf Hölderlin geltend gemacht (vgl. „Hölderlins Logik. Zum Grundriss von ,Seyn Urtheil Möglichkeit' ", in: Hölderlin-Jahrbuch 25, 1986/87, 93-124, 96 f.). Bardili war zwar während Hölderlins philosophischer Studienjahre dessen Repetent im Tübinger Stift. Es dürfte sich aber kaum noch feststellen lassen, welche Ansichten Bardili zehn Jahre vor der Veröffentlichung seines Hauptwerks vertrat und an seine Studenten weitergab. 7 Von einer „nicht formallogischen, sondern metaphysischen Urteilslehre" bei Hegel spricht Klaus Düsing (Das Problem der Subjektivität, 65). -

-

-

DAS ERBE DER METAPHYSISCHEN URTEILSLEHRE

41

kommt es zu einer aus logischer Sicht eigentümlichen und mitunter höchst verwirrenden Terminologie. Vielfach wird die Subjekt-Prädikat-Struktur des Urteils auf die Subjekt-Objekt-Struktur des Erkennens abgebildet, so dass sich logische und epistemische

Aspekte

nur

noch schwer auseinander halten lassen. Ein gutes

Beispiel

bietet die Ur-

teilslehre in Schellings System des transzendentalen Idealismus. Schelling erläutert die Form des „synthetischen Urteils A B" folgendermaßen: „Das Prädikat, der Begriff, repräsentiert hier immer das Subjektive, das Subjekt das Objektive".8 Schelling projiziert also die epistemische Differenz von Subjekt und Objekt auf das Subjekt und Prädikat des Urteils. Das Prädikat nennt Schelling den Begriff. Er entspricht dem subjektiven Anteil des Erkennens. Das grammatische Subjekt des Urteils hingegen steht für ein epistemisches Objekt, das durch den Begriff bestimmt wird. Im Rahmen der Transzendentalphilosophie Schellings handelt es sich bei dem objektiven Anteil des Erkennens um die Anschauung. Das wird an einer späteren Stelle deutlich, wo er in Bezug auf Subjekt und Prädikat erklärt, „dass jenes die Anschauung, dieses den Begriff repräsentiert".9 In den Sätzen davor hatte Schelling von einer „Trennung" zwischen Begriff und Objekt gesprochen und sie in der schon bekannten Weise als Erteilung' gedeutet: „Eine solche Handlung ist die, welche durch das Wort Urteil sehr expressiv bezeichnet wird, indem durch dasselbe zuerst getrennt wird, was bis jetzt unzertrennlich vereinigt war, der Begriff und die Anschauung".10 =

2. Die

„objektive Einheit" des Urteils bei Kant

Hinter Schellings Zuordnung der Anschauung zum Subjekt und des Begriffs zum Prädikat lässt sich unschwer das Erbe der kantischen Urteilslehre erkennen. Kant versteht nicht nur Begriffe, sondern auch Urteile als mittelbare Vorstellungen. Beide dienen dazu, mehrere einzelne Vorstellungen zu einer einzigen zusammenzufassen. Begriffe und Urteile sind die „Vorstellung einer Anschauungen hingegen sind unmittelbare und deshalb einzelne Vorstellungen. Schelling übernimmt Kants Auffassung, wenn er schreibt: „Im Urteil wird nicht etwa Begriff mit Begriff, sondern es werden Zwar läuft es der kantischen Terminologie Begriffe mit Anschauungen die dem wenn zuwider, Schelling Begriffe Subjekt und die Anschauungen dem Objekt zuordnet. Aber dahinter steht Kants Unterscheidung zwischen den Vermögen der Sinnlichkeit und des Verstandes. Während die Begriffe ein Produkt des Subjekts sind und

Vorstellung"."

verglichen".12

8 Schelling, SW III, 363. 9 Schelling, SW III, 508. 10 Schelling, SW III, 507. 11 Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 68 / B 93. 12 Schelling, SW III, 507 f. Genau genommen trifft diese Behauptung natürlich nur für singuläre Urteile zu. Vgl. Rainer Stuhlmann-Laeisz, Kants Logik. Eine Interpretation auf der Grundlage von Vorlesungen, veröffentlichten Werken und Nachlass, Berlin 1976, 80 f. -

42

Die Definition des Schlusses

Verstand spontan gebildet werden, empfangt das Subjekt die Anschauungen gewissermaßen von außen. Wenn Schelling das Subjekt des Urteils das Objekt nennt und mit der Anschauung in Verbindung bringt, meint er demzufolge den sinnlich gegebenen Gegenstand, von dem in dem Urteil etwas ausgesagt wird. Doch obwohl sich Schelling auf die Vermögenslehre Kants bezieht, ist diesem die Zuordnung der beiden Seiten der epistemischen Relation zum Subjekt und Prädikat des Urteils fremd. Für Kant stellt das Urteil gerade nicht die Trennung von Begriff und Anschauung, sondern ihre „objektive

vom

Einheit"

dar.13

Solange das Urteil die objektive und notwendige Einheit unserer Vorstellungen bezeichnet, muss seine etymologische Deutung als ursprüngliche Teilung' als geradezu widersinnig erscheinen. Sie lässt sich nur verstehen, wenn man sie als das Ergebnis einer längeren Entwicklung betrachtet. Deren Rekonstruktion geschieht am besten in zwei Schritten, die hier nur knapp skizziert werden sollen. Den ersten Schritt kann man als die Auffassung wiedergeben, dass Kant die synthetische Kraft des Urteils bei weitem

überschätzt habe. Seine Deduktionen vermögen unseren Urteilen keine objektive Geltung in dem Sinn zu verleihen, dass sie sich mit Gewissheit auf Gegenstände außer uns und damit auf etwas anderes als auf Vorstellungen bezögen. Derartige Einwände wurden zunächst mit der Absicht erhoben, die kritische Philosophie als eine Spielform des Skeptizismus zu brandmarken. Später kam eine weitere Front hinzu, an der Kant selbst zwar von dem Vorwurf, ein Skeptiker zu sein, losgesprochen, seine Lehre aber kritisiert wurde, weil sie der skeptischen Herausforderung nichts Wirksames entgegenzusetzen habe. Angesichts dessen sind verschiedene Versuche unternommen worden, die kantische Philosophie zu verbessern. Die beiden wichtigsten stammen von Karl Leonhard Reinhold und Johann Gottlieb Fichte. Reinhold meinte, die mit dem kantischen Ansatz verbundenen Schwierigkeiten durch eine genauere Untersuchung des von Kant angeblich einfach vorausgesetzten Begriffs der Vorstellung lösen zu können. Mit seinem Versuch einer neuen Theorie des menschlichen VorStellungsvermögens wollte er Kants Begründung der Objektivität unserer Erkenntnisse durch die transzendentale Einheit der Apperzeption auf eine neue Grundlage stellen. Bei dem Fundament, das die Objektivität alles Wissens sichern helfen sollte, handelt es sich um den von Reinhold so genannten „Satz des Bewusstseins". Bekannt geworden ist dieser oberste Grundsatz in der Fassung: „Im Bewusstsein wird die Vorstellung durch das Subjekt vom Subjekt und Objekt unterschieden und auf beide bezogen".15 Reinhold erklärt den Begriff der Vorstellung somit zwar für elementar, be19 der transzendentalen Deduktion: „Die logische Form aller Urteile besteht in der objektiEinheit der Apperzeption der darin enthaltenen Begriffe" (Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 140 ff). 14 Zur Eigenart der Rezeption der kantischen Philosophie durch Reinhold vgl. Rolf-Peter Horstmann, Die Grenzen der Vernunft. Eine Untersuchung zu Zielen und Motiven des Deutschen Idealismus, Frankfurt a. M. 1991, 74-79. 15 Karl Leonhard Reinhold, „Neue Darstellung der Hauptmomente der Elementarphilosophie", in: 13

ven

Vgl. §

43

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

hauptet aber zugleich, dass er die Relation sowohl auf ein Subjekt als auch auf ein Objekt beinhaltet. Die beiden Aspekte verbindet Reinhold, indem er die Tätigkeit des Bewusstseins als eine Kombination von Unterscheiden und Beziehen auffasst. Man wird nicht sagen können, dass mit Reinholds Theorie des Vorstellungsvermögens viel gewonnen wäre. Dennoch ist seine Strategie für unseren Zusammenhang äußerst aufschlussreich. Reinhold nimmt eine allen Unterschieden vorausliegende und sie begründende Einheit des Bewusstseins in Anspruch, um die Verbindung des Subjekts und seiner Vorstellungen mit dem Objekt zu sichern. Während es sich bei der Vorstellung selbst um eine elementare Einheit handelt, soll der Satz des Bewusstseins die im Begriff der Vorstellung gelegenen Differenzierungen aufdecken.16 Die Theorie Reinholds krankt letztlich daran, dass er die dreistellige Relation von Subjekt, Vorstellung und Objekt als evident behaupten muss. Es fällt nicht schwer, seine Analyse des Begriffs der Vorstellung in Zweifel zu ziehen und die Frage zu stellen, inwiefern die Beziehung auf ein Objekt wirklich eine Tatsache des Bewusstseins darstellt. An dem Punkt setzen die Überlegungen Fichtes ein. Er knüpft methodisch gesehen an Reinhold an und ersetzt den Satz des Bewusstseins als obersten Grundsatz durch den Satz ,Ich bin Ich'. Der junge Schelling wird ihm darin wenig später für kurze Zeit folgen. Der Satz ,Ich bin Ich' ist für Fichte gleichbedeutend mit dem Faktum, dass ,Ich bin'. Das kommt in der endgültigen Formulierung zum Ausdruck, die Fichte seinem absolut ersten Grundsatz gibt: „Das Ich setzt ursprünglich schlechthin sein eigenes Sein". Damit erneuert Fichte den cartesischen Gedanken von der die Existenz begründenden Funktion des Selbstbewusstseins. Lässt man die Frage nach dem Gelingen von Fichtes Unternehmen einmal auf sich beruhen, ist gegenüber Reinholds Theorie des Vorstellungsvermögens ein gravierender Unterschied zu bemerken. Fichte beginnt nicht mit einer Analyse des Bewusstseins, um die Beziehung unserer Vorstellungen auf ein Objekt zu erweisen, sondern sein Konzept der Tathandlung dient erst einmal dazu, dem absoluten Ich selbst Realität zu verleihen. „Sich selbst setzen und Sein sind, vom Ich

gebraucht, völlig gleich." Fichtes Betonung der Einheit von Selbstbewusstsein und Sein muss vor dem Hintergrund der skeptischen Bestreitung der Realität des Wissens gesehen werden. Gegen den Skeptiker soll nachgewiesen werden, dass wir in unserem eigenen Bewusstsein über eine Instanz verfügen, deren Realität schlechthin gewiss ist und an die sich alles weitere ders., Beiträge zur Berichtigung bisheriger Missverständnisse der Philosophen, Erster Band: Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Jena, 1790, 167-254, 167. Zum „Satz des Bewusstseins" vgl. Martin Bondeli, Das Anfangsproblem bei Karl Leonhard Reinhold. Eine systematische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchung zur Philosophie Reinholds in der Zeit von 1789 bis 1803, Frankfurt a. M. 1995, 55-72. -

16

Martin Bondeli bezeichnet den Satz des Bewusstseins als

„Ur-Analyse" (Das Anfangsproblem,

98-101). 17 Vgl. zum Folgenden Fichte, Grundlage [= SW I, 94-98]).

der gesamten

Wissenschaftslehre, § 1 (GA 1/2,

257-261

Die Definition des Schlusses

44

knüpfen lässt. Ausdrücklicher noch als bei Fichte findet sich dieser Aspekt in Schellings Schrift Vom Ich als Prinzip der Philosophie. In ihr will Schelling das Ich als

Wissen

den „letzten Grund der Realität alles Wissens" auszeichnen. Ein solcher letzter Grund der Realität ist dadurch bestimmt, dass er „nur durch sich selbst, das heißt durch sein Sein denkbar ist". Also ist der letzte Grund etwas, das „nur insofern gedacht wird, als es ist".18 Während es dem Skeptiker um die Frage nach der Beziehung des Wissens auf eine außerhalb des Bewusstseins gelegene Realität geht, zielen die Antwortversuche Fichtes und des jungen Schelling darauf ab, die Objektivität des Wissens in irgendeiner Weise in der Realität des Ichs zu fundieren. Ob ein solches Verfahren grundsätzlich geeignet ist, skeptischen Einwänden zu begegnen, muss hier offen bleiben. Das Neue der fichteschen Grundsatzphilosophie ist der Einsatz beim absoluten Ich als einer Gegebenheit, in der Sein und Bewusstsein unmittelbar in eins fallen. Damit habe ich den zweiten Schritt der Entwicklung der nachkantischen Philosophie rekonstruiert. War im ersten Schritt Kants Begründung der Objektivität unserer Urteile in Zweifel gezogen worden, bestand der zweite Schritt in der Einführung des absoluten Ichs als einer Form der Einheit von Denken und Sein, die nicht zerrissen werden kann. Nach dieser kurzen Vergegenwärtigung der philosophischen Diskussion des ausgehenden 18. Jahrhunderts komme ich auf die Etymologie des Urteils zurück. Sobald sich das absolute Ich als eine elementare Einheit darstellt, erscheint die Form des Urteils in einem neuen Licht. Wenn alles Wissen in der Einheit des Ichs seinen Grund hat, gibt es nichts ursprünglich Getrenntes, das in einem Urteil verbunden werden könnte. Plötzlich verlangt nicht mehr die Einheit, sondern die Trennung von Subjekt und Prädikat nach einer Erklärung. Wir haben es mit der paradoxen Konstellation zu tun, dass zur Sicherung der Synthesis des Urteils eine Art von Einheit eingeführt wurde, der gegenüber das Urteil am Ende als Teilung erschien.

3. Das Urteil als

ursprüngliche Teilung bei Hölderlin

In der geschilderten Lage kam die falsche Etymologie gerade recht. Ohne dass der verbindende Aspekt des Urteils ganz in Vergessenheit geraten wäre, wurde das Urteil zum Emblem des Heraustretens aus der absoluten Einheit. Genau das ist bei Hölderlin der Fall.19 In klar erkennbarer Abgrenzung gegenüber Fichte und Schelling betrachtet er nicht das Ich, sondern das „absolute Sein" als den letzten Grund. Er bestimmt das Sein als die „Verbindung des Subjekts und Objekts". Zur Erläuterung der Art der Verbindung bedient sich Hölderlin der Metapher des Ganzen und der Teile. Subjekt und Objekt sind die Teile eines Ganzen. Doch sobald das Ganze als ein „Sein schlechthin" aufgefasst wird, sind die Teile „so vereinigt, dass gar keine Teilung vorgenommen werden kann". Aus der Unteilbarkeit des absoluten Seins zieht Hölderlin die epistemische Kon18 19

Schelling, HKA 1/2, 86 (= SW I, 163). Vgl. zum Folgenden Hölderlin, Urtheil und Seyn.

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

45

sequenz, dass das absolute Sein nicht diskursiv, sondern nur intuitiv, in der „intellektualen Anschauung" gewusst werden kann. Denn wäre es möglich, über das Sein ein Urteil zu fallen, müsste eine Trennung von Subjekt und Objekt vorausgehen, die dem Wesen des Seins zuwiderliefe. Wenn wir urteilen, so urteilen wir also keinesfalls über das absolute Sein. Um überhaupt Urteile fallen zu können, muss die an sich unauflösliche Verbindung von Subjekt und Objekt im absoluten Sein getrennt werden. Das geschieht, so Hölderlin, durch das Urteil „im höchsten und strengsten Sinn", nämlich „die ursprüngliche Trennung des in der intellektualen Anschauung innigst vereinigten Objekts und Subjekts". Dass Hölderlin mit dieser Erklärung des Urteils als der ursprünglichen Trennung von Subjekt und Objekt nicht auf eine Theorie der Prädikation zielt, wird schnell klar, wenn man sich vor Augen hält, was er als „das passendste Beispiel zu diesem Begriff der Urteilung" anführt. Es ist der Satz „Ich bin Ich". Mit der Aufwertung der intellektuellen Anschauung einher geht bei Hölderlin die Zurückstufung des obersten Grundsatzes der Wissenschaftslehre. Wenn Hölderlin, das ,Ich bin Ich' als Ergebnis einer ursprünglichen Trennung auffasst, richtet er sich offenbar gegen die Methode Reinholds und Fichtes. Unmittelbar ausgelöst wurde Hölderlins Kritik der Grundsatzphilosophie mutmaßlich durch Schellings Ich-Schrift. Dafür spricht die Warnung, das absolute Sein dürfe „nicht mit der Identität verwechselt werden". Hölderlin anerkennt zwar die Gleichsetzung von Selbstbewusstsein und Identität, aber die Identität des Ichs bietet keinen Zugang zum absoluten Sein. Das Selbstbewusstsein kann nicht als etwas Erstes gelten. Um mir meiner selbst bewusst zu werden, ist es erforderlich, „dass ich mich mir selbst entgegensetze". Im Selbstbewusstsein erscheine ich als Objekt mir selbst als Subjekt. Darum setzt das Selbstbewusstsein „diejenige Trennung, wodurch erst Objekt und Subjekt möglich wird", voraus. Der Trennung ihrerseits liegt das absolute Sein zugrunde, in dem Subjekt und Objekt „schlechthin, nicht nur zum Teil vereinigt" sind. Die Anschauung dieses Seins verdrängt das Bewusstsein von seinem Platz als Prinzip der Philosophie. Zugleich bekommt der Begriff des Urteils einen neuen Beiklang. Das Urteil steht nicht mehr in der Form eines Grundsatzes an der Spitze der Philosophie, sondern es wird zum Symptom des Heraustretens aus der absoluten Einheit. Bei Hölderlin erhält das Urteil die Signatur des Endlichen. Die gleiche Auffassung vertritt später Hegel. „Der Standpunkt des Urteils ist die Endlichkeit", heißt es programmatisch in der enzyklopädischen Logik (E § 168). Zwei Paragraphen vorher spielt Hegel die traditionelle Deutung des Urteils als die Verbindung eines Subjekts mit einem Prädikat gegen die Auffassung vom Urteil als einer ur-

sprünglichen Teilung aus: Vgl. Schellings Rede von der „reinen Identität" als der „Urform" des Ichs (HKA 1/2, 101 f. [SW I, 177]). Zur genauen Datierung des Fragments Urtheil und Seyn vgl. Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. XVII. Frühe Aufsätze und Übersetzungen, hg. v. Michael Franz [u. a.], Frankfurt a. M.

20

-

1991, 149.

Die Definition des Schlusses

46 „Die etymologische Bedeutung des Urteils in

unserer

Sprache ist tiefer und drückt die Einheit ursprüngliche Teilung aus, was

des Begriffs als das Erste und dessen Unterscheidung als die das Urteil in Wahrheit ist" (E § 166 Anm.).

Die Nähe zu Hölderlin ist nicht zu übersehen. Bei Hegel findet sich nicht nur die These vom Urteil als dem Standpunkt der Endlichkeit, sondern auch der Hinweis auf die Etymologie ursprünglich teilen'. Deshalb besteht Anlass zu der Frage, inwieweit Hegels Urteilslehre von Hölderlin abhängig ist. Um sie zu beantworten, werde ich gleich auf die einschlägigen Passagen der Manuskripte Hegels aus seiner Frankfurter Zeit eingehen. Was die Betrachtung des Urteils als zur Sphäre der Endlichkeit gehörig anbelangt, lässt sich aber bereits festhalten, dass Hegel offensichtlich einer Spur folgt, die von Hölderlin gelegt wurde.21

4.

Hegels frühe Urteilslehre

Die These des Einflusses Hölderlins auf Hegels Urteilslehre ist sofort in zwei Punkten zu relativieren. Erstens dürfen die Unterschiede nicht verschwiegen werden, die Hegels Metaphysik der absoluten Subjektivität von dem frühidealistischen Entwurf Hölderlins trennen. Für den reifen Hegel ist nicht das Sein, sondern der Begriff das Absolute. Noch wichtiger ist der zweite Punkt. Wie eine genauere Untersuchung zeigt, teilte der frühe Hegel zwar gewisse metaphysische Grundüberzeugungen Hölderlins, aber seine Analyse der Form des Urteils weicht von dessen Theorie deutlich ab. Das wird vor allem an den Überlegungen sichtbar, die er hinsichtlich der einheitsstiftenden Funktion der Kopula anstellt. In den fraglichen Manuskripten aus der Frankfurter Zeit erörtert Hegel das Problem der Vereinigung der die Wirklichkeit bestimmenden Gegensätze in der ReliÜbergion. Hier beginnt die Ablösung der von Kant angeregten Idee einer praktischen 11 durch eine identitätsphilosophische Konzeption. windung der Gegensätze In dem von Hermann Nohl mit Glauben und Sein betitelten und auf Anfang 1798 datierten Fragment entwickelt Hegel eine metaphysische Position, die derjenigen Hölderlins in der Sache sehr nahe kommt. Dass überhaupt Gegensätze auftreten, so Hegel, setzt bereits eine Vereinigung des Widerstreitenden voraus. Nicht die Entgegengesetzten, sondern ihre Einheit ist das Erste. Hegel kennt nun zwei Weisen, wie die Vereinigung der Gegensätze auftreten kann. Die erste bestimmt er als Glauben. „Glauben ist die Art, wie das Vereinigte, wodurch eine Antinomie vereinigt ist, in unserer VorstelMan kann außerdem fragen, welche Rolle zwischen Fichte, Hölderlin und Hegel Isaak von Sinclair spielt, in dessen Philosophischen Raisonnements der Begriff der ,Urteilung' an prominenter Stelle auftaucht (vgl. Hannelore Hegel, Isaak von Sinclair zwischen Fichte, Hölderlin und Hegel. Ein Beitrag Zu Sinclairs zur Entstehungsgeschichte der idealistischen Philosophie, Frankfurt a. M. 1971, 246 f.). 760-768. Unendliche Annäherung", Raisonnements im Allgemeinen vgl. Frank, 22 Vgl. dazu Martin Bondeli, Der Kantianismus des jungen Hegel. Die Kant-Aneignung und KantÜberwindung Hegels auf seinem Weg zum philosophischen System, Hamburg 1997.

21

-



Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

47

lung vorhanden ist." Der Begriff des Glaubens ist voller Anspielungen, von denen hier nur die beiden wichtigsten genannt seien. Kant betrachtet den Glauben als die metaphysische Erkenntnisweise, für die er durch die Kritik der spekulativen Vernunft Platz zu bekommen hoffte. Jacobi zufolge ist der Glaube die Möglichkeit, wie wir uns jenseits aller berechtigten Zweifel an den Leistungen unseres Verstandes der Realität versichern können. Hegel gemäß richtet sich der Glaube auf das aller Trennung voraus liegende Sein: „Vereinigung und Sein sind gleichbedeutend". Das Erfordernis des Glaubens begründet Hegel damit, dass die „Unabhängigkeit" und „Absolutheit" des Seins nicht so verstanden werden dürfen, dass aus dem Sein „etwas schlechthin von uns Getrenntes" würde. Weil die Vereinigung und das Sein gleichbedeutend sind und weil die Vereinigung geglaubt werden muss, muss auch das Sein geglaubt werden. Der Glaube ist indes nicht die einzige Form, in der die Einheit der Gegensätze auftritt. Als Zweites nennt Hegel interessanterweise das Urteil. Das absolute Sein, das als die Vereinigung geglaubt wird, findet er in der Kopula des Urteils wieder: „In jedem Satz drückt das Bindewort ,ist' die Vereinigung des Subjekts und Prädikats ein

Sein."25

aus -

Die

ursprüngliche Einheit des Seins geht dem Gegensatz von Subjekt und Prädikat vorund liegt ihrer Verbindung zugrunde. Hegel teilt also mit Hölderlin die Annahme eines absoluten Seins, in dem alle Gegensätze gründen. Nichtsdestoweniger weicht er in einem entscheidenden Aspekt von Hölderlin ab. Während bei diesem das Urteil ausschließlich als der Ausdruck des Standpunkts der Endlichkeit fungiert, findet Hegel in der Kopula genau dasjenige Sein, aus dessen ursprünglicher Teilung das Urteil erst hervorgehen soll. Das Urteil ist für Hegel nicht nur der Ort, an dem das Subjekt und das Objekt getrennt, sondern an dem die Getrennten auch vereinigt werden. Der Gedanke, dass sich das ursprüngliche Sein im Urteil als Kopula wieder findet, hat in Hölderlin kein Vorbild. So sehr Hegel spätestens seit seiner Ankunft in Frankfurt durch Hölderlins philosophische Ansichten beeinflusst wurde, so wenig darf man seine frühe Urteilslehre daher einfach mit der Auffassung Hölderlins aus

gleichsetzen.26

Hegel, WW 1, 250 f. Violetta Waibel zufolge tritt der Begriff des Glaubens in Hegels Frankfurter Schriften an die Stelle von Hölderlins Begriff des Urteils (Hölderlin und Fichte, 188). Wie wir aber gleich sehen werden, gibt Hegel den Begriff des Urteils nicht auf, sondern schreibt ihm eine dem Glauben analoge Funktion zu. 24 Hegel, WW 1,251 f. 25 Hegel, WW 1, 251. Martin Bondeli liest Hegels Äußerung als Kritik der von Kant in § 19 der transzendentalen Deduktion vorgetragenen Theorie des Urteils (Der Kantianismus des jungen Hegel, 321-331). Dagegen scheint mir zu sprechen, dass an der zitierten Stelle zwar von der Vereinigung der Glieder einer Antinomie, aber nicht von der Einheit der Apperzeption die Rede ist. 26 Violetta Waibel schätzt den Einfluss Hölderlins auf Hegel insgesamt so ein, dass er „vor allem methodische Begriffe, so Fichtes Theorem der Wechselbestimmung [...] und Hölderlins Begriff der Vereinigung, der Trennung und des vorausgesetzten Ganzen aufnimmt, sich aber von Hölderlin kaum in der Sache selbst zu neuen Überlegungen angeregt fand" (Hölderlin und Fichte, 189). 23

-

-

48

DIE DEFfNITION DES SCHLUSSES

Fassen wir zusammen. In dem Fragment über Urteil und Sein skizziert Hölderlin eine metaphysische Theorie, der zufolge das Urteil der Ausdruck der ursprünglichen Trennung von Subjekt und Objekt ist. Das der Teilung zugrunde liegende Ganze nennt Hölderlin das absolute Sein. Es kann nur in intellektueller Anschauung gewusst werden, da schon das Bewusstsein ,Ich bin Ich' die Trennung von Subjekt und Objekt voraussetzt. Dadurch erhält das Urteil die Signatur des Endlichen. Die Forschungen Hegels in Frankfurt bewegen sich systematisch weitgehend in den von Hölderlin vorgegebenen Bahnen. Gleichwohl zeigt sich in dem Entwurf über Glauben und Sein eine von Hölderlin abweichende Interpretation der Form des Urteils. Danach kommt in der Kopula dasjenige Sein zum Ausdruck, in dem alle Gegensätze vereinigt sind. Die Deutung der Kopula als Sein wird ihre Fortsetzung in der Weise finden, wie Hegel den mittleren Term zum eigentlichen Angelpunkt seiner Deutung des Schlusses macht.

5. Die ursprüngliche Einheit des Bewusstseins allein die Urteilslehre Hölderlins, könnte es scheinen, als sei Hegels Überzeugung von der einheitsstiftenden Funktion der Kopula und daran anknüpfend von der tragenden Rolle des mittleren Terms gleichsam vom Himmel gefallen. Dieser Eindruck trügt, denn es war gerade die Kopula, in der Kant und Fichte die das Urteil ermöglichende Einheit des Bewusstseins ausgedrückt fanden. In der transzendentalen Deduktion der Kategorien versucht Kant, die Erkenntnis von Objekten, die Einheit des Selbstbewusstseins und die Form des prädikativen Urteils miteinander in Zusammenhang zu bringen. Dabei geht es ihm um die Rechtfertigung der Objektivität unserer Urteile durch ihre Rückbindung an die Identität des Bewusstseins. In § 19 spricht Kant von dem „Verhältniswörtchen ,ist' ", das auf die „objektive Einheit der Apperzeption" der in dem Urteil verbundenen Vorstellungen ziele. Die Kopula „bezeichnet die Beziehung derselben [sc. der Vorstellungen, G. S.] auf die ursprüngliche Apperzeption und die notwendige Einheit derselben".27 An der Formulierung, dass die Kopula die ursprüngliche Apperzeption „bezeichnet" und auf die objektive Einheit „zielt" wird die Klippe der transzendentalen Deduktion sichtbar. Die objektive Einheit der Vorstellungen ist dasjenige, wofür Kant argumentiert, die ursprüngliche Einheit des Bewusstseins ist das, womit er argumentiert. Allerdings herrscht bis heute weder Einigkeit über die Argumente, deren Kant sich bedient, noch ist ganz klar, wie sich die in § 16 eingeführte „ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption" zu der „objektiven Einheit des Selbstbewusstseins" in § 18 und § 19 verhält." Betrachtet

man

27 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 141 f. 28 Einen Überblick über die neuere Debatte gibt Peter Baumanns, Kants Philosophie der Erkenntnis. Durchgehender Kommentar zu den Hauptkapiteln der „Kritik der reinen Vernunft", Würzburg 1997, 452-521.

49

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

Ungeachtet der Frage nach dem Gelingen oder Misslingen der transzendentalen Deduktion, kann kein Zweifel über die Anregungen bestehen, die Fichte gerade von diesem Textstück empfangen hat. Hier findet sich der zentrale Gedanke der Fundierung der Objektivität des Erkennens in der ursprünglichen Einheit des Bewusstseins. So erklärt Fichte in

Bezug auf den ersten Grundsatz der Wissenschaftslehre,

er

mache etwas

aus-

drücklich, das Kant angedeutet habe: „Auf unseren Satz, als absoluten Grundsatz alles Wissens hat gedeutet Kant in seiner Deduktion der Kategorien;

er

hat ihn aber nie als Grundsatz bestimmt aufgestellt."29

Fichte verrät seinem Leser nicht, an welcher Stelle der transzendentalen Deduktion er den Hinweis auf seinen Grundsatz gefunden haben will. Gleichwohl steht zu vermuten, dass es sich um die „ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption" handelt, von der Fichte meint, sie entspreche seinem Konzept der Tathandlung des absoluten Ich. Nachdem Kant die Forderung aufgestellt hat, das ,Ich denke' müsse „alle meine Vorstellungen begleiten können", bezeichnet er die Vorstellung ,Ich denke' ihrerseits als einen „Aktus der Spontaneität". Anschließend begründet Kant, warum die besagte Handlung des Verstandes als „ursprünglich" gelten muss. Die Synthesis gegebener Vorstellungen in einem Bewusstsein sei deshalb ursprünglich, „weil sie dasjenige Selbstbewusstsein ist, was, indem es die Vorstellung ,Ich denke' hervorbringt, die alle anderen muss begleiten können, und in allem Bewusstsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann".30 Auf die Weise macht Kant die alle meine Vorstellungen verbindende Einheit des Bewusstseins zum Fundament der Transzendentalphilosophie. Fichte nimmt für sich in Anspruch, diesen absolut ersten Grund in die Form eines bestimmten Satzes gebracht zu haben. Der § 1 der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794 ist so angelegt, dass die Tathandlung ausgehend von dem empirischen Bewusstsein des Satzes ,A ist A' aufgefunden werden soll. Für Fichte bedeutet der Satz ,A ist A' „so viel als A A, denn das ist die Bedeutung der logischen Kopula". Seine Überlegung ist kurz gefasst die folgende: Ganz egal, ob A besteht oder nicht besteht, setzt das Urteil ,A ist A' nicht nur die Identität, sondern auch die Realität des urteilenden Ichs voraus. Wofür A auch immer stehen mag, wird in dem Urteil ,A ist A' ein „notwendiger Zusammenhang" zwischen den beiden Vorkommnissen von A behauptet. Damit ein solcher Zusammenhang behauptet werden kann, muss er auf jeden Fall in dem Ich, das urteilt und die beiden Vorkommnisse von A miteinander verbindet, bestehen. Dieser ursprüngliche Zusammenhang, so Fichte weiter, lässt sich auf zwei Weisen „ausdrücken": einerseits =

29 30 31 als

Fichte, GA 1/2, 262 (= SW I, 99). Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 132.

Seiten nach der gerade zitierten Stelle kennzeichnet Fichte die Form des Satzes ,A A' „die höchste Form, die Förmlichkeit überhaupt, die Einheit des Bewusstseins" (GA 1/2, 265 [= SW

Wenige

I, 102]). 32

Vgl. zum Folgenden Fichte, GA 1/2, 256 ff. (= SW I, 92-95).

=

50

Die Definition des Schlusses

durch den Satz ,Ich bin Ich' und andererseits durch den Satz ,Ich bin'. Die Berechtigung der beiden Ausdrucksweisen begründet Fichte auf etwas eigenwillige Art. Da die Identitätsbehauptung ,A ist A' auch dann gilt, wenn A gar nicht existiert, interpretiert er den Satz ,A ist A' als die Behauptung: „wenn A sei, so sei A". Die konditionale Analyse des Satzes ,A ist A' erlaubt es Fichte, einen Unterschied zwischen dem problematischen Urteil ,A ist' und dem apodiktischen Satz ,Ich bin' einzuführen. Denn wenn der Satz ,Ich bin Ich' den die Identitätsbehauptung ,A ist A' ermöglichenden notwendigen Zusammenhang ausdrückt, gestattet er seinerseits keine konditionale Analyse. Insofern ich nämlich tatsächlich urteile, bedeutet der Satz ,Ich bin Ich' nicht ,wenn Ich bin, dann bin Ich', sondern einfach ,Ich bin'. Scheint es zunächst nur eine in dem Urteil ,A ist A' gelegene „Tatsache" des empirischen Bewusstseins, dass ,Ich bin', deutet Fichte das ,Ich bin' im nächsten Schritt als 3 den „Ausdruck einer Tathandlung". Das berühmte Axiom vom Sich-selbst-Setzen des Ichs lässt sich in zwei Richtungen lesen. Das Ich kann einerseits als das handelnde Subjekt, andererseits als das Produkt seiner eigenen Tätigkeit aufgefasst werden. Im ersten Fall geht es um das „Setzen", im zweiten um das „Sein" des Ichs. Ausgehend von diesen beiden Aspekten der Tathandlung interpretiert Fichte den Satz ,Ich bin Ich'. In ihm stehe das setzende Ich an der Stelle des Subjekts, das seiende Ich an der Stelle des Prädikats. Der notwendige Zusammenhang zwischen Setzen und Sein bedeute, dass „das Ich sei, weil es sich gesetzt habe", oder: „Ich bin schlechthin, weil Ich bin". Ferner besage der Satz die Gleichheit des setzenden mit dem seienden Ich. Das Ich „setzt sich als dasjenige, was es ist". Anders ausgedrückt: „Ich bin schlechthin, was ich bin". So gelangt Fichte schließlich zu der bekannten Formulierung seines obersten Grundsatzes: „Das Ich setzt ursprünglich schlechthin sein eigenes Sein". Der im absoluten Ich begründete und in jeder Identitätsaussage aktualisierte notwendige Zusammenhang zwischen Setzen und Sein bildet den Kern von Fichtes Fortschreibung der transzendentalen Deduktion Kants.

6. Fichtes

Konzept der Teilbarkeit

Wie wir gesehen haben, macht Fichte einen Unterschied zwischen gewöhnlichen Urteilen der Form ,A A' und dem Satz ,Ich bin Ich'. Das Prinzip der Identität steht für etwas aus dem obersten Grundsatz der Wissenschaftslehre Abgeleitetes. Der „Grundsatz der Logik" ergibt sich, sobald man „von dem bestimmten Gehalt, dem Ich, abstra=

Vgl. Fichte, GA 1/2, 258-261 (= SW I, 95-98). Jürgen Stolzenberg vermutet, dass der zweiteilige Aufbau des Arguments eine unmittelbare Reaktion auf Reinhold darstellt (vgl. „Fichtes Satz ,Ich bin'. Argumentanalytische Überlegungen zu Paragraph 1 der ,Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre' von 1794/95", in: Helmut Girndt; Wolfgang H. Schrader (Hg.), Realität und Gewissheit, 33

-

Amsterdam 1994,

1-34).

51

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

Die Interpretation der Kopula als Identitätszeichen ist formal betrachtet so lange nicht zu beanstanden, wie es sich bei den betreffenden Sätzen um Tautologien handelt. Doch hat bereits Schelling an der eingangs erwähnten Stelle seines Systems des transzendentalen Idealismus klar ausgesprochen, dass die Grundsätze der Transzendentalphilosophie nicht nur zur Begründung des formallogischen Gesetzes der Identität, sondern vor allem zur Begründung synthetischer Urteile herangezogen werden. In ihnen würden Subjekt und Prädikat durch etwas „dem Denken Fremdartiges, von ihm Verschiedenes" vermittelt. Deshalb genüge ein identischer Satz der Form ,A A' nicht zur Grundlegung der Philosophie. Das ursprüngliche Wissen müsse über die Identität des Denkens hinausgehen. Als Prinzip der Philosophie komme nur ein Punkt in Betracht, „der, indem er identisch, zugleich synthetisch, und indem er synthetisch, zugleich identisch ist".35 Hinter der Forderung nach einem Prinzip, in dem Identität und Verschiedenheit eine Einheit bilden, steht abermals das zentrale Anliegen der nachkantischen Philosophie. Es soll ein Grund ausfindig gemacht werden, von dem her die Objektivität unserer Urteile gesichert werden kann.3 Nun ist Fichte mit dem ersten Grundsatz und dem Prinzip der Identität noch nicht an seinem Ziel. Die Grundlegung alles Wissens erfolgt vielmehr durch eine Folge von drei Sätzen. Im Zuge der Aufstellung dieser Grundsätze leitet Fichte die Möglichkeit synthetischer Urteile ab. Im § 2 und § 3 der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre entfaltet er die berühmte Überlegung, dass dem Ich ein Nicht-Ich entgegen- und beide als teilbar gesetzt werden. Das Entgegensetzen führt zu Sätzen der Art ,-A nicht A'. Das Zeichen ,-A' steht für das Produkt der Handlung des Entgegensetzens. Fichte interpretiert das Verhältnis des Setzens und des Entgegensetzens so, dass A und -A „der Materie nach" übereinstimmen. Daher bestimmt das Setzen von A den Gehalt von -A. „Ich weiß von -A, dass es von irgend einem A das Gegenteil sei. Was aber dasjenige sei, von welchem ich jenes weiß, kann ich nur unter der Bedingung wissen, dass ich A kenne." Wenn sich aber der Gehalt von -A ausschließlich nach der Beschaffenheit von A richten soll, dann muss die Handlung des Entgegensetzens „ihrer Form nach (in Absicht des Wie)" von der Handlung des Setzens völlig unabhängig, das heißt etwas Unbedingtes sein. Dem dritten Grundsatz fällt die Aufgabe zu, das Setzen des Ichs mit dem Entgegensetzen des Nicht-Ichs zu vermitteln. Die Vermittlung ist in Fichtes Augen deshalb erforderlich, weil die Identität des Bewusstseins aufgehoben zu werden droht, wenn das dem hiert".

=

=

34 Fichte, GA 1/2, 261 (= SW I, 98 f.). Schelling spricht vom Ich als der „absoluten Identität", in der die „Form der Identität (A A)" begründet sei (HKA 1/2, 102 f. [= SW I, 178 f.]). 35 Schelling, SW III, 362 f. 36 Man erinnere sich an Schellings oben erwähnte Zuordnung des Subjekts des Urteils zum epistemischen Objekt bzw. zur Anschauung sowie des Prädikats zum epistemischen Subjekt bzw. zum Be-

=

griff. 37 der

Vgl. zum Folgenden Fichte, GA 1/2, 264-272 (= SW I, 101-110), sowie Horstmann, Die Grenzen Vernunft, 120-128.

52

Die Definition des Schlusses

Ich entgegengesetzte Nicht-Ich nicht ebenfalls „im Ich" gesetzt wird. Wird das NichtIch aber „im Ich" gesetzt, resultiert daraus der scheinbare Widerspruch, dass ,Ich Nicht-Ich' und ,Nicht-Ich Ich'. Der Widerspruch lässt sich nur dann vermeiden, wenn das Entgegensetzen des Nicht-Ichs zwar zu einer Einschränkung, aber nicht zur völligen Vernichtung des Ichs führt. Die Einschränkung des Ichs durch das Nicht-Ich wird durch eine dritte „ursprüngliche Handlung" ermöglicht. Sie besteht im Teilbar-Setzen des Ichs und des Nicht-Ichs. Die drei Grundsätze zusammen ergeben demnach das folgende Bild: Das Ich setzt sowohl sich selbst als auch das Nicht-Ich sich entgegen. Das tut es in der Weise, dass sich Ich und Nicht-Ich „im Ich" gegenseitig einschränken. Dazu setzt das Ich sich selbst wie auch das Nicht-Ich als teilbar. So kann Fichte sein Ergebnis auf die knappe Formel bringen: „Ich setze im Ich dem teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ich =

=

entgegen". Mit dem dritten Grundsatz der Wissenschaftslehre führt Fichte eine Teilung innerhalb des absoluten Ichs ein. Aber während Hölderlin später das Moment der Trennung betonen wird, sieht Fichte mit dem Konzept der Teilbarkeit zunächst einmal sein Ziel erreicht. „Die berühmte Frage, welche Kant an die Spitze der Kritik der reinen Vernunft stellte: wie sind synthetische Urteile a priori möglich? ist jetzt auf die allgemeinste und befriedigendste Art beantwortet." 8 In der Teilbarkeit der Sphäre des Ichs erblickt Fichte den Grund, warum wir nicht bei identischen Sätzen stehen bleiben, sondern prädikative Urteile zu treffen imstande sind. Als Teilbare sind das Ich und das Nicht-Ich bestimmbar. Fichte schreibt: -

„Das absolute Ich des

ersten Grundsatzes ist nicht etwas (es hat kein Prädikat, und kann keins schlechthin, was es ist, und dies lässt sich nicht weiter erklären. Jetzt vermittels dieses Begriffs [sc. des Begriffs der Teilbarkeit, G. S.] ist im Bewusstsein alle Realität; und von dieser kommt dem Nicht-Ich diejenige zu, die dem Ich nicht zukommt, und umgekehrt. Beide sind etwas; das Nicht-Ich dasjenige, was das Ich nicht ist, und umgekehrt."39

haben);

es

ist

Nur ein als teilbar gesetztes Ich bzw. Nicht-Ich kann ,etwas' sein. Von der ursprünglichen Teilung der Sphäre des (absoluten) Ichs in ein teilbares, das heißt bestimmtes Ich und ein teilbares, das heißt bestimmtes Nicht-Ich leitet Fichte seine Theorie prädikativer Urteile ab. In einem gewöhnlichen Urteil geschieht nämlich nichts anderes, als dass ein Subjekt in eine bestimmte, sprich: abgegrenzte Teilsphäre eines allgemeinen Begriffs gesetzt wird. Betrachten wir dazu zunächst den Passus aus den Notizen zu Platners Aphorismen, in dem Fichte den Begriff des Urteils erklärt:

Fichte, GA 1/2, 275 (= SW 1,114). Fichte, GA 1/2, 271 (= SW I, 109 f.). Fichte erklärt den Begriff der Teilbarkeit als „Quantitätsfähigkeit" (270 [= 108]) und das „Setzen der Quantität" als die „Kategorie der Bestimmung (Begrenzung, bei Kant Limitation)" (282 [= 122]). 38 39

-

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

53

„Urteilen, ursprünglich teilen; und

es ist wahr: es liegt ein ursprüngliches Teilen ihm zugrunde. Es gehören dazu zwei Begriffe. Ein Drittes (vorab gleich gewähltes) [muss] auf sie bezogen werden: d. i. an welches beide gehalten werden."40

Als Beispiel wählt Fichte den Satz ,der Tisch ist rot'. Bei den zwei Begriffen, die zu dem Urteil gehören sollen, handelt es sich nicht um das Subjekt ,Tisch' und das Prädikat ,rot'. Die beiden Begriffe sind vielmehr die Prädikate ,rot' und ,nicht rot'. Fichte schließt an das Beispiel sofort den Satz ,der Tisch ist nicht rot' an, um dann die Frage zu stellen: „Was heißt denn das? Wie ist er nicht rot?" Er beantwortet die Frage mit dem Hinweis auf die Reflexion über die „Sphäre des Begriffs".41 Die Sphäre des Begriffs ,rot' bilden alle möglichen Farben, die der Tisch haben könnte. Das Dritte, das „vorab gleich gewählt" und auf das die Begriffe ,rot' und ,nicht rot' bezogen werden sollen, ist demnach der Begriff der Farbe. Fichte will sagen, dass dem Urteil ,der Tisch ist rot' eine Teilung des Begriffs der Farbe in ,rot' und ,nicht rot' zugrunde liegt.

7. Fichtes Theorie des Urteils Es ist schwer

zu übersehen, dass Fichtes Deutung der ursprünglichen Teilung mit der metaphysischen Urteilslehre Hölderlins oder Hegels wenig zu tun hat. Fichtes Theorie des Urteils ergibt sich aus der Anwendung des Schemas der drei Grundsätze der Wissenschaftslehre auf die Sphäre eines Begriffs. Wenn ich dem Subjekt,Tisch' das Prädikat ,rot' zuspreche, setze ich es in die allgemeine Sphäre der farbigen Gegenstände und teile die Sphäre in Dinge, die rot sind, und solche, die nicht rot sind. Das gleiche gilt für negative Urteile. Wenn ich behaupte ,der Tisch ist nicht rot', will ich damit in aller Regel nicht sagen, dass der Tisch gar keine Farbe hat, sondern dass er gelb, blau oder grün ist oder sonst eine Farbe besitzt. „Durch negatives Urteilen schließe ich bloß aus aus einer Sphäre. Dazu gehört nun, dass ich die Sphäre selbst setze: und das Begriffene daran halte." Wenn ich einem Subjekt ein Prädikat zu- oder abspreche, setze ich es also in eine allgemeine Sphäre, teile diese Sphäre in verschiedene Bereiche und ordne das Subjekt einem der Bereiche zu.43 In § 3 der Grundlage der Wissenschafts lehre deutet Fichte synthetische Urteile der Form ,A B' auf eine differenziertere Weise, als es das Beispiel aus seinen Notizen für =

40 41 42 43

Fichte, GA II/4, 182. Vgl. zum Folgenden Frank, Unendliche Annäherung", 700 ff. „

Ebd.

-

Fichte, GA II/4, 183. Dass das Prädikat im Sinn eines eingeteilten' Begriffs gebraucht wird, unterscheidet für Hegel übrigens Urteile von Sätzen: „So ist die Nachricht ,Mein Freund N. ist gestorben' ein Satz und wäre nur dann ein Urteil, wenn die Frage wäre, ob er wirklich tot oder nur scheintot wäre" (GW 12, 56). Die Frage setzt die Einteilung des Begriffs ,erscheint tot' in ,ist tot' (das heißt: ,ist gestorben') und ,ist scheintot' (das hieße ,ist nicht gestorben') voraus.

54

Die Definition des Schlusses

die

Platner-Vorlesung vermuten lässt. Den Musterfall bildet nicht das Zu- oder Absprechen eines Merkmals, sondern die Klassifikation des Subjekts. Um die „Vereinigung Entgegengesetzter" in einem Urteil zu bewerkstelligen, so Fichte, ist der Begriff der Teilbarkeit erforderlich. Wie wir gesehen haben, hatte Fichte ihn eingeführt, um den Widerspruch zu vermeiden, der zwischen den ersten beiden Grundsätzen entstanden war. Gemäß dem ersten Grundsatz durfte es nichts geben, das außer dem Ich wäre; gemäß dem zweiten Grundsatz sollte dem Ich dennoch etwas entgegengesetzt werden. Der Begriff der Teilbarkeit machte es möglich, dass innerhalb der absolut gesetzten Sphäre des Ichs ein Gegensatz zwischen dem teilbaren Ich und dem teilbaren Nicht-Ich auftritt. Wie Fichte aus dem ersten Grundsatz das Prinzip der Identität ableitete, so gewinnt er aus dem dritten Grundsatz den „logischen Satz, den man bisher den des Grundes nannte". Seine Form gibt er mit ,A zum Teil -A' an. Nun ist es nicht mehr das absolute Ich, sondern die Sphäre eines bestimmten Begriffs, innerhalb deren die Teilung erfolgt. Fichte erklärt den Satz vom Grund dahingehend, dass die Entgegengesetzten „in einem Merkmal X gleich" und die Gleichen „in einem Merkmal X entgegengesetzt" seien. Das Merkmal, in dem die Entgegengesetzten gleich sind, nennt Fichte ihren „Beziehungsgrund", das Merkmal, in dem die Gleichen entgegengesetzt sind, ihren „Unter=

=

=

scheidungsgrund". Als Beispiele führt Fichte die klassifizierenden Aussagen ,der Vogel ist ein Tier' und ,die Pflanze ist kein Tier' an. Bei der Teilung geht es demzufolge nicht wie in der Platner-Vorlesung um die entgegengesetzten Prädikate eines Subjekts, sondern um die Gründe, warum das eine Subjekt unter das Prädikat fällt und das andere nicht. Während im Fall des positiven Urteils der Beziehungsgrund interessiert, ist es im Fall des negativen Urteils der Unterscheidungsgrund. Von dem jeweils anderen Grund wird laut Fichte abstrahiert. Er erläutert das erste Urteil dem entsprechend folgendermaßen: „Hier ist der Beziehungsgrund, auf welchen reflektiert wird, der bestimmte Begriff des Tieres, dass es aus Materie, aus organisierter Materie, aus animalisch belebter Materie bestehe; der Unterscheidungsgrund aber, von welchem abstrahiert wird, die spezifische Differenz der verschiedenen Tierarten; ob sie zwei oder vier Füße, Federn, Schuppen oder eine behaarte Haut

haben."46

mit dem Prädikat ,Tier' in Beziehung gesetzt, geschieht das aufgrund bestimmter, allen Tieren gemeinsamer Merkmale. Dabei kann von den ebenfalls im Begriff des Tieres gelegenen Unterscheidungen abgesehen werden. Bei dem negativen Urteil ,die Pflanze ist kein Tier' verhält es sich genau umgekehrt: Wird das

Subjekt ,Vogel'

44 Vgl. zum Folgenden GA 1/2, 272 f. (= SW I, 111).- Was die Terminologie betrifft, ist zu beachten, dass Fichte nur bejahende Urteile als „synthetisch", verneinende Urteile hingegen als „antithetisch" bezeichnet (vgl. 274 [= 113]). 45 Man bemerke, dass „gleich" im Sinn Fichtes nur Verschiedene sein können. ,A A' wäre demnach keine „Gleichsetzung" (vgl. GA 1/2, 272 f. [= SW I, 111]). 46 Fichte, GA 1/2, 276 (= SW I, 116). =

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

55

„Hier ist der Unterscheidungsgrund, auf welchen reflektiert wird, die spezifische Differenz zwischen der Pflanze und dem Tier; der Beziehungsgrund aber, von welchem abstrahiert wird, ist die

Organisation überhaupt."47

Der Grund des Urteils ist demnach nicht der Begriffs des Tiers, sondern der des Organismus. Pflanzen und Tiere kommen in dem Merkmal der Organisation überein.48 Von dieser Gleichsetzung wird im Fall des negativen Urteils jedoch abgesehen. Stattdessen kommt es auf die spezifische Differenz an. Sie ist das Merkmal, in dem sich das Subjekt von dem Prädikat unterscheidet. Ist man Fichte bis an diesen Punkt gefolgt, fallt es nicht mehr schwer, den letzten Schritt seiner Überlegungen nachzuvollziehen. Er besteht in der These, dass die eingeteilten Begriffe, die unseren positiven und negativen Urteilen jeweils zugrunde liegen, ein hierarchisches System bilden. Unterscheiden sich zwei Gegenstände in einem gewissen Merkmal, dann stimmen sie in irgendeinem anderen Merkmal überein. Dieses zweite Merkmal entspricht einem höheren Begriff, der die beiden durch den niederen Begriff unterschiedenen Gegenstände umfasst. „Alle in irgendeinem Begriff, der ihren Unterscheidungsgrund ausdrückt, Entgegengesetzten kommen in einem höheren (allgemeineren, umfassenderen) Begriff überein, den man den Gattungsbegriff nennt."49 Was Fichte den „Beziehungsgrund" nennt, gleicht damit dem herkömmlichen Wesensmerkmal, das die Individuen und Arten einer Gattung miteinander teilen, während in Fichtes „Unterscheidungsgrund" die spezifische Differenz liegt, die jede Art von der anderen unterscheidet.50

8. Fichte, Hölderlin und Hegel Wie wir gesehen haben, beansprucht Fichte, mit der Einführung des Begriffs der Teilbarkeit die Frage Kants nach der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori befriedigend beantwortet zu haben. Interessant für unseren Zusammenhang und entscheidend für Fichtes Antwort ist allerdings die Behauptung, dass es eine weitere Art von Urteilen gibt, deren Möglichkeit nicht durch den dritten Grundsatz bedingt ist, nämlich die Urteile über das absolute Ich. In Abhebung von den synthetischen oder positiven und den so genannten antithetischen oder negativen Urteilen spricht Fichte von „thetischen Urteilen". In ihnen wird kein Grund vorausgesetzt, weil ihr Subjekt „keinem anderen gleich und keinem anderen entgegengesetzt, sondern bloß sich selbst gleich" ist. Die thetischen Urteile folgen also der Form ,A A'. Das „ursprüngliche höchste Urteil die=

47 48

Ebd. In dem Fall, den Kant und

grund. Vgl.

Hegel

das unendliche Urteil nennen, fehlt ein solcher

Beziehungs-

Kant, Logik Jäsche, § 22 (AA IX, 103 f.) und Hegel, GW 12, 69 f. 49 Fichte, GA 1/2, 278 (= SW I, 118). 50 „Alle Gleichgesetzten sind in einem niederen Begriff, der irgendeine besondere Bestimmung ausdrückt, von welcher in dem Beziehungsurteil abstrahiert wird, entgegengesetzt" (ebd.). etwa

Die Definition des Schlusses

56

Art" bildet der Satz ,Ich bin'. In ihm wird vom Ich „gar nichts ausgesagt", sondern „die Stelle des Prädikats für die mögliche Bestimmung des Ichs ins Unendliche leer ser

gelassen".

Die Annahme thetischer Urteile liegt innerhalb der Konzeption Fichtes deshalb nahe, weil das absolute Ich durch keinen Begriff bestimmt werden darf, der seinerseits unter einem höheren stünde. Wären synthetische Urteile über das absolute Ich möglich, müsste ihnen ein Begriff zugrunde liegen, durch den das absolute Ich irgendetwas anderem entgegengesetzt würde. Das hätte zur Folge, dass das Ich aufhörte absolut zu sein. Das absolute Ich kann also durch nichts Höheres bestimmt werden. Nur so bleibt der Anfang der Transzendentalphilosophie ein „Setzen schlechthin", und nur so gewinnt Fichtes Vom absoluten Ich aus ist kein „HeraufsteiSystem „Haltbarkeit und gen" zu einem höheren Begriff mehr möglich. Daher deutet Fichte die ersten Schritte der Wissenschaftslehre als ein „Herabsteigen". Das Nicht-Ich wird dem (absoluten) Ich entgegengesetzt, ohne dass die beiden in etwas Höherem gleich wären. Das ist nur deshalb möglich, weil das Ich durch den Begriff der Teilbarkeit „herabgesetzt" wird. Auf die Weise wird aus dem „absolut unbestimmbaren" ein „bestimmbares Ich".53 Sobald Ich und Nicht-Ich als bestimmbar einander gegenüberstehen, sind synthetische Urteile möglich. Ab dem Punkt greift Fichtes Theorie, wonach jedem Urteil die Teilung der Sphäre eines bestimmten Begriffs zugrunde liegt. Wirft man von hier aus einen Blick zurück auf Hölderlins Fragment über Urteil und Sein, ergeben sich eine Reihe aufschlussreicher Beobachtungen. Wie nämlich unschwer zu sehen ist, handelt es sich bei dem Satz ,Ich bin Ich', den Hölderlin das „passendste Beispiel" für das Urteil „im höchsten und strengsten Sinn" nennt, um ein thetisches Urteil. Wenn Hölderlin dagegen fordert, im Sein dürften Subjekt und Objekt nicht nur „zum Teil vereinigt" gedacht werden, klingt das wie ein Echo auf den Begriff der Teilbarkeit, mit dessen Hilfe Fichte die Möglichkeit synthetischer Urteile zu erklären versuchte. Philologisch betrachtet scheint Hölderlins Kennzeichnung des Satzes ,Ich bin Ich' als ursprüngliche Teilung also an Fichtes Urteilslehre vorbei zu Der Kern der Auseinandersetzung in der Sache bleibt davon freilich unberührt. Hölderlin wendet sich gegen Fichtes Auffassung, im absoluten Ich einen letzten Grund gefunden zu haben, der sich als Tathandlung explizieren lässt. In eben dem Sinn wirft er Fichte vor, das absolute Sein mit der Identität des Bewusstseins „verwechselt" zu haben. Insofern das absolute Sein der Identität des Bewusstseins voraus liegt, bedeutet der Satz ,Ich bin Ich' eine unzulässige Trennung in das Ich als Subjekt und das Ich als Ob-

Vollendung".52

gehen.55

51 Fichte, GA 1/2, 277 (= SW I, 116). Als weitere Beispiele thetischer Urteile nennt Fichte die Sätze ,der Mensch ist frei' und ,A ist schön' (277 f. [= 116 f.]). 52 Fichte, GA 1/2, 276 (= SW I, 115). 53 Fichte, GA 1/2, 279 (= SW 1,119). 54 Vgl. zum Folgenden Hölderlin, Urtheil und Seyn. 55 Dasselbe gilt in Bezug auf Schellings Ich-Schrift, wo sich in § 16 eine weitgehend an Fichte angelehnte Theorie thetischer Sätze findet (vgl. HKA 1/2, 148-152 [= SW I, 218-223]). -

57

Das Erbe der metaphysischen Urteilslehre

jekt. Was Hölderlin von Fichte unterscheidet, ist daher weniger die Deutung des Urteils als die Frage, ob der ,Ur-teilung' das absolute Ich oder das absolute Sein vorausgeht und ob die ursprüngliche Einheit in der Form eines Grundsatzes oder in intellektueller Anschauung erfasst werden kann. Diese Überlegung versetzt uns endlich in den Stand, die Schlusslehre Hegels als die Reaktion auf eine ganz bestimmte Konstellation zu werten. Hegel macht genauso wie Fichte und Hölderlin Gebrauch von der Etymologie des Urteils als ursprünglicher Teilung. Ferner ist Hegel ebenfalls wie Hölderlin der Überzeugung, dass es eine jeder Art von Urteil vorausliegende Einheit gibt, als deren Trennung das Subjekt und das Prädikat erscheinen. Wie sich zeigen wird, darf die ursprüngliche Einheit Hegel zufolge jedoch weder als absolutes Ich noch als absolutes Sein, sondern muss als etwas begrifflich Verfasstes gedacht werden. Das Absolute ist weder in der Weise einer ursprünglichen Handlung noch durch intellektuelle Anschauung gegeben. Stattdessen optiert Hegel für die Annahme, dass sich das Absolute mit begrifflichen Mitteln darstellen lassen muss. -

-

-

-

58

§4

Die Definition des Schlusses

Der mittlere Term des Schlusses

Schon bei oberflächlicher Lektüre

von

Hegels Schlusslehre können wenig Zweifel auf-

kommen, dass Hegel die eigentliche Bedeutung der Form des Schlusses dem mittleren Term abgewinnt. Es ist der jeweilige mittlere Term, in dem sich die drei syllogistischen Figuren voneinander unterscheiden (vgl. Teil II), und es ist der mittlere Term, dessen

Bedeutung sich im Verlauf der Entwicklung des Schlusses ändert (vgl. Teil III). Im folgenden Abschnitt will ich jedoch zunächst einen anderen Aspekt erörtern, nämlich die These, dass der Mittelbegriff des Schlusses an die Stelle der Kopula des Urteils tritt. Dass Hegel, anders als etwa Fichte und Hölderlin, besonderes Augenmerk auf die Kopula legt, zeigte sich bereits an dem Fragment über Glauben und Sein, wo er die Vereinigung der entgegengesetzten Bestimmungen im Urteil als Sein deutete. Später wird Hegel die Auffassung vertreten, dass die Kopula „leer" und deshalb ungeeignet ist, die Einheit des Subjekts mit dem Prädikat des Urteils auszudrücken. Zur Darstellung derjenigen Art von Einheit, die synthetische Urteile möglich macht, genügt nicht das bloße Sein oder die Kopula, sondern bedarf es eines Begriffs. Daraus gewinnt Hegel die eigentümliche Ansicht, dass man sich, um deutlich zu machen, was in einem synthetischen Urteil eigentlich geschieht, am besten der Form des Schlusses bedient. Diese Behauptung, die sich erstmals in dem Aufsatz über Glauben und Wissen findet, ist nur unter der Voraussetzung zu verstehen, dass der Mittelbegriff des Schlusses gleichsam an die Stelle der Kopula des Urteils tritt. Die Annahme eines formalen Zusammenhangs zwischen der Kopula des Urteils und dem Mittelbegriff gestattet es, an die eingangs genannte Überzeugung von der prinzipiellen Überlegenheit der Form des Schlusses anzuknüpfen. Die These speist sich nicht nur aus dem Gedanken, dass die synthetische Leistung des Urteils durch die Kopula ungenügend ausgedrückt wird. In sie fließt außerdem schon früh die Ansicht ein, dass ein schwerwiegender Mangel der Form des Urteils von den substanzontologischen Implikationen herrührt, die mit der Struktur des prädikativen Urteils verbunden zu sein scheinen. In den Urteilslehren, die wir bisher betrachtet haben, ging es hauptsächlich um das Problem der Verbindung des Subjekts mit dem Prädikat. Schelling hatte die logische Verknüpfung von Subjekt und Prädikat des Urteils zu der epistemischen Relation eines Subjekts des Erkennens auf ein Objekt in Beziehung gesetzt. Dabei sollte das Subjekt des Urteils für ein angeschautes Objekt und das Prädikat für einen Begriff stehen, den das urteilende Subjekt dem Objekt zuschreibt. Maßgeblich für die Kritik Hegels ist dagegen eine Deutung der Form des Urteils, die das logische Subjekt mit irgendeiner Art von Gegenstand und das Prädikat mit einer dem Gegenstand inhärierenden Bestimmung in Zusammenhang bringt. Die Deutung beruht auf der Voraussetzung einer Ontologie, der zufolge die Wirklichkeit aus selbständigen Dingen sowie deren Eigenschaften besteht, wie es dem klassischen Schema von Substanz und Akzidens entspricht. Die Subjekt-Prädikat-Struktur des Urteils wäre somit ein direkter Ausdruck der Verfassung der

59

Der mittlere Term des Schlusses

Wirklichkeit. Im gleichen Maß, wie Hegel die besagte Art von Substanzontologie zu überwinden trachtet, kritisiert er die mit ihr verbundene Deutung der Form des Urteils. Obwohl Hegel von der Form des Urteils im Allgemeinen spricht, bezieht sich seine Kritik ausschließlich auf prädikative Urteile. Andere Arten von Sätzen, wie etwa Existenzaussagen oder Identitätsbehauptungen, finden keine Berücksichtigung. Ebenso unerwähnt bleibt der Unterschied zwischen synthetischen und analytischen Urteilen. Doch der Mangel wiegt weniger schwer, als es aus sprachanalytischer Perspektive vielleicht scheinen mag. Denn nur in der Verbindung mit synthetischen Urteilen sind die anderen Arten von Sätzen überhaupt informativ. Was nützt beispielsweise die Einsicht, dass es Junggesellen' gibt und dass es sich bei ihnen um unverheiratete Männer' handelt, wenn keiner der beiden Ausdrücke durch zusätzliche Prädikate gekennzeichnet werden kann? Angesichts dessen bedeutet es keinen Nachteil, wenn Hegel in der Urteilslehre zuerst an Sätze wie ,Gaius ist gelehrt' oder ,die Rose ist rot' denkt (GW 12, 61). Nicht nur im Bereich der empirischen Erfahrung, sondern auch und zumal in der Metaphysik lassen sich ohne synthetische Urteile keine neuen Erkenntnisse gewinnen. Deshalb richtet sich Hegels Kritik in erster Linie gegen den unreflektierten metaphysischen Gebrauch der Form des prädikativen Urteils.

1.

Hegels Kritik der Form des Urteils

Am

genauesten entwickelt hat Hegel seine Kritik der Form des Urteils in dem

so

ge-

„Vorbegriff der enzyklopädischen Logik. Dort verhandelt er drei unterschiedliche Standpunkte, die sich in Bezug auf die Ziele, die Form und die Erfolgsaussichten philosophischen Erkennens einnehmen lassen, und denen gegenüber er sein eigenes Projekt positioniert.1 Unter der Überschrift „Erste Stellung des Gedankens zur Objektivität" kommt Hegel auf die Metaphysik zu sprechen. Gemeint ist die „vormalige Metaphysik" der Leibniz-Wolffschen Schule, die der schonungslosen Kritik Kants zum Opfer gefallen war. Hegel lobt das unbefangene Zutrauen, mit dem die Schulmetaphysik, unbeschadet aller Anfeindungen seitens des Empirismus und des Skeptizismus, davon nannten

'

ausgegangen sei, dass „durch das Nachdenken die Wahrheit erkannt" werde. In dieser Annahme weiß sich Hegel mit der Metaphysik einig. Die These von der Erkennbarkeit dessen, was ist, durch das reine Denken lässt sich freilich nur unter der Voraussetzung aufrechterhalten, dass die Kategorien des Denkens nicht grundverschieden von den Bestimmungen der Wirklichkeit sind. So betrachtete die Metaphysik „die Denkbestim1 In der Heidelberger Enzyklopädie von 1817 setzt Hegel seine spekulative Logik in Beziehung zur „vormaligen Metaphysik" sowie zum Empirismus und zur Philosophie Kants (HE § 18-34). Doch erst ab der zweiten Auflage von 1827 weist er der Abhandlung über die „Stellungen des Gedankens zur Objektivität" die Funktion einer „näheren Einleitung" in die Philosophie zu (vgl. E § 25). Ich beziehe mich im Folgenden auf die weitgehend unveränderte Fassung der dritten Auflage von 1830 (E § 26-

78).

60

Die Definition des Schlusses

mungen als die Grundbestimmungen der Dinge". Daran will Hegel prinzipiell festhalten, wie er mit der Bemerkung deutlich macht, die Metaphysik habe mit der Annahme, dass das, was ist, durch Denken „an sich erkannt" werde, „höher" gestanden „als das spätere kritische Philosophieren" (E § 26 ff). Nichtsdestoweniger setzt Hegel gleich im Anschluss an die einleitenden Paragraphen zu einer grundstürzenden Kritik der Metaphysik an. Anders als Kant beruft er sich dabei nicht auf die Unerkennbarkeit ihrer Gegenstände für die menschliche Vernunft. Stattdessen verweist Hegel auf die unkritische Haltung der Metaphysik gegenüber der Form des Urteils. „Jene Metaphysik setzte überhaupt voraus, dass die Erkenntnis des Absoluten in der Weise geschehen könne, dass ihm Prädikate beigelegt werden" (E § 28). Ohne viel Nachdenken sei die Metaphysik davon ausgegangen, dass es möglich sei, zu philosophischen Einsichten zu gelangen, indem bestimmten Subjekten gewisse Prädikate beigelegt werden. Als Beispiele solcher Prädikate nennt Hegel Begriffe wie Dasein, Endlichkeit und Unendlichkeit, einfach und zusammengesetzt. Die entsprechenden Subjekte sind Gott, die Welt und die Seele als die Gegenstände der speziellen sowie ,das Ding' als der Gegenstand der allgemeinen Metaphysik oder Ontologie. Das weitere Vorgehen Hegels lässt sich so charakterisieren, dass er die Schwierigkeiten aufdeckt, die eine unkritische Verwendung der Logik des Urteils für die Bestimmung des Absoluten als des Gegenstands der Metaphysik nach sich zieht. Hegel entwickelt seine Einwände in drei Schritten. Der erste betrifft die Prädikatsbegriffe metaphysischer Sätze, der zweite das Subjekt und der dritte die Form des Urteils als solche. Bei den besagten Prädikaten, so Hegel, handelt es sich um allgemeine Bestimmungen, deren Gehalt die „Fülle" eines konkreten Gegenstands niemals zu erschöpfen vermag. In dem Sinn bleiben die Gedankenbestimmungen der Metaphysik „abstrakt". Da metaphysische Urteile ihren Subjekten nur abstrakte Bestimmungen beilegen, besteht zwischen den verschiedenen Prädikaten ferner kein notwendiger Zusammenhang. So scheinen zum Beispiel die beiden Sätze ,Die Welt hat einen Anfang' und ,Die Welt besteht aus kleinsten Teilen' voneinander unabhängig zu sein. Das bedeutet, dass die Prädikate .einen Anfang haben' und ,aus kleinsten Teilen bestehen' nur zufällig dadurch zusammenhängen, dass sie auf dasselbe Subjekt bezogen werden. Verhielte es sich mit den Bestimmungen des Absoluten ebenso, wäre der Metaphysik die Möglichkeit verbaut, den inneren Zusammenhang der Bestimmungen zu erkennen. Was die Beziehung zwischen dem Subjekt auf der einen und seinen Prädikaten auf der anderen Seite betrifft, ergeben sich laut Hegel ähnliche Schwierigkeiten. Da über die Bestimmungen des Subjekts erst geurteilt werden soll, dürfen sie nicht als notwendig vorausgesetzt werden. Um dennoch einschätzen zu können, ob dem Subjekt ein bestimmtes Prädikat zukommt oder nicht, muss sich die Metaphysik irgendeiner Vorstellung von ihrem Gegenstand bedienen, die sie nicht aus sich selbst gewonnen, sondern von anderswoher aufgenommen hat. Abgesehen davon, dass auf die Weise nichts er2

Vgl. zum Folgenden E § 28-32 sowie Horstmann, Ontologie und Relationen, 52-65.

61

DER MITTLERE TERM DES SCHLUSSES

nicht zuvor in den Begriff des Subjekts gelegt wurde, behilft sich die Metaphysik erneut mit der Annahme, die Erkenntnis des Absoluten lasse sich dadurch bewerkstelligen, dass dem metaphysischen Gegenstand die besagten abstrakten Bestimmungen beigelegt werden. Diese Voraussetzung kristallisiert sich für Hegel in der Form des Urteils. Gegen sie wendet er sich mit der plakativen Feststellung: kannt

wird,

was

„Ohnehin ist die Form des Satzes oder bestimmter des Urteils ungeschickt, das Konkrete und das Wahre ist konkret und Spekulative auszudrücken; das Urteil ist durch seine Form einseitig und insofern falsch" (E § 31 Anm.). -

-

Einseitigkeit des Urteils besteht zunächst darin, dass es seiner Form nach einem Gegenstand der Vorstellung eine Reihe abstrakter Bestimmungen zuspricht, die nur zusammenhängen, insofern sie die Prädikate ein und desselben Subjekts sind. Eine weitere Einseitigkeit der Form des Urteils macht Hegel im dritten Schritt seiner Überlegungen namhaft. Er wirft der Metaphysik vor, sie habe fraglos angenommen, keinem ihrer Subjekte könnten zwei einander entgegengesetzte Bestimmungen zukommen. So interpretiert Kant im Antinomien-Kapitel der Kritik der reinen Vernunft den Umstand, dass unwiderlegliche Gründe uns nötigen, dem Begriff der Welt entgegengesetzte Prädikate zuzuschreiben, als Argument gegen die rationale Kosmologie. Während Kant die Lage dahingehend deutet, dass die Vernunft in der Kosmologie einem trügerischen Schein zum Opfer falle, handelt es sich für Hegel bei der Meinung, dem Absoluten könnten keine entgegengesetzten Bestimmungen zukommen, um die „bloße Verstandesansicht der Vernunftgegenstände" (E § 27). Anders als Kant führt er die Dialektik der Verstandesbestimmungen nicht gegen die Möglichkeit von Metaphysik überhaupt, sondern zugunsten seines eigenen, spekulativen Verständnisses von Metaphysik ins Feld. Dass Hegel die Form des Urteils schon viel früher als problematisch erachtete, geht Die

einem Abschnitt des Entwurfs über den Geist des Christentums hervor. Der aus dem Jahr 1799 stammende Text enthält einen Kommentar zum Prolog des Johannesevangeliums. Hegel beginnt mit der Feststellung, am Anfang des Evangeliums stünden „eine Reihe thetischer Sätze". Den Ausdruck ,thetische Sätze' hat Hegel mutmaßlich von Schelling übernommen, der ihn in der Ich-Schrift statt Fichtes Rede von thetischen Urteilen gebraucht. Über den Grund für die Ersetzung des Wortes ,Urteil' durch den Ausdruck ,Satz' lassen sich nur Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich spielt abermals die Etymologie eine wichtige Rolle. Denn wenn das Ich „sich selbst schlechthin und alle Realität in sich" setzt, kann nicht von einer ursprünglichen Teilung, wohl aber von einer Setzung die Rede sein. So besteht für Schelling die „Urform" alles Setzens in der Identität des Ichs mit sich selbst. „Der Satz ,Ich Ich' ist also die Grundlage alles Setzens."4 In Anlehnung an den ersten Grundsatz der Wissenschaftslehre bestimmt Schelling die Identität des absoluten Ichs mit sich selbst ferner als die Urform des aus

=

3 4

Hegel, WW 1,373. Schelling, HKA 1/2,

146 f.

(= SW I, 216 ff).

Die Definition des Schlusses

62

„reinen Seins" und fährt fort: „Thetische Sätze

setzen also ein

Sein, das bloß durch sich

selbst bedingt ist". Hegel übernimmt offenbar den Sprachgebrauch, erklärt jedoch die Eigentümlichkeit thetischer Sätze auf eine von Schelling abweichende Art. Mit Blick auf die Sätze ,1m Anfang war der Logos', ,der Logos war bei Gott' und ,Gott war der Logos' notiert Hegel, sie besäßen „nur den täuschenden Schein von Urteilen". Ihre Prädikate seien „nicht Begriffe, Allgemeines, wie der Ausdruck einer Reflexion in Urteilen notwendig enthält". Vielmehr seien die Prädikate „selbst wieder Seiendes, Lebendiges". Demnach versteht die Aussagen des Johannesevangeliums nur richtig, wer sie nicht in das Schema prädikativer Urteile presst. In den thetischen Sätzen wird von dem Subjekt nicht irgendein allgemeiner Begriff prädiziert, sondern an der Prädikatstelle steht gewissermaßen ein zweites Subjekt. Hegel deutet die thetischen Sätze als den Ausdruck einer lebendigen Beziehung, in dem konkreten Fall der Beziehung zwischen Gott und dem Logos. Anders als Schelling geht es ihm nicht um die Identität des absoluten Ichs mit sich selbst, sondern um die Explikation des Verhältnisses der göttlichen Personen. Zur Verdeutlichung des Sinns der biblischen Sätze bedient er sich des Gegensatzes zwischen Lebendigem und Totem. Er stellt die „passive" Aufnahme der Sätze des Evangeliums durch den Verstand ihrer Auffassung „mit eigenem tiefen Geiste" gegenüber. Die Wirkung auf den Verstand beschreibt Hegel so, dass ihm das Göttliche „Widerspruch ist" und ihn deshalb „zerrüttet". Der Widerspruch und die Zerrüttung des Verstandes rühren von der Form des prädikativen Urteils her. Werden die thetischen Sätze „über Göttliches" so aufgenommen, als handle es sich um gewöhnliche Urteile, erscheinen sie 7 als „widersinnig".

2. Die

Zerstörung der Natur des Urteils durch den spekulativen Satz

Sieht man einmal von den religiösen Konnotationen ab, weist die Deutung der Wirkung thetischer Sätze als eine Zerrüttung des Verstandes verblüffende Parallelen zu der späteren Theorie des spekulativen Satzes auf, die Hegel in der Vorrede der Phänomenologie des Geistes entwickelt hat. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet wieder die Gegenüberstellung zwischen dem „räsonierenden Denken" des Verstandes und dem „vorstellenden Denken" des natürlichen Bewusstseins auf der einen und dem „begreifenden Denken" der philosophischen Wissenschaft auf der anderen Seite (GW 9, 42 f.). Ein wesentliches Merkmal des begreifenden Denkens erblickt Hegel darin, dass die geläufi5 Schelling, HKA 1/2, 151 (= SW I, 221). Im Verlauf des Abschnitts unterscheidet Schelling zwischen identischen Sätzen als „einer einzelnen Art thetischer Sätze" und thetischen Sätzen der Form ,A B' (vgl. 148 ff. [= 218 ff.]). Diese Unterscheidung ist aber, soweit ich sehe, von keinem seiner Zeitgenossen aufgegriffen worden. 6 Hegel, WW 1,373. 7 Ebd. -

=

DER MITTLERE TERM DES SCHLUSSES

63

ge Unterscheidung zwischen Subjekt und Prädikat flüssig wird. Der räsonierende Verstand teilt mit dem natürlichen Bewusstsein die Annahme, dass es sich bei seinem Inhalt um die wechselnden Prädikate eines mit sich identisch bleibenden Subjekts handelt. Ganz analog zum Vorbegriff der enzyklopädischen Logik zieht Hegel daraus eine doppelte Konsequenz hinsichtlich der Natur sowohl des Subjekts als auch der Prädikate. Was das Subjekt betrifft, bringe die spekulative Philosophie die Annahme eines „ruhenden Subjekts, das unbewegt die Akzidenzien trägt", ins Wanken. Auf die Metaphorik der Bewegung werde ich im nächsten Abschnitt eingehen. Im Augenblick geht es mir nur um die Konsequenz, die Hegel aus dem Umstand zieht, dass das begreifende Denken nichts anderes als den Begriff zum Inhalt haben kann. Das bedeutet zunächst, dass es sich bei den Prädikaten um Bestimmungen des Begriffs selbst handeln muss. Sie dürfen nicht als etwas vom Begriff Verschiedenes und ihm von außen Zukommendes aufgefasst werden. Daraus ergibt sich im Gegenzug, dass die Prädikate keine über das Subjekt hinausgehende Bedeutung besitzen können. Da die Bestimmungen des Begriffs keinem anderen Subjekt als Prädikate zukommen, verlieren sie den Charakter des Allgemeinen, „das frei vom Subjekt mehreren zukäme" (ebd.). Die Aufhebung des Unterschieds zwischen Subjekt und Prädikat betrifft Hegel zufolge nicht nur das Schema von Substanz und Akzidens, sondern auch die Differenz zwischen dem Subjekt und dem Objekt des Erkennens. Hegel sieht einen systematischen Zusammenhang zwischen der Substanz der traditionellen Metaphysik und dem Subjekt der Transzendentalphilosophie. Indem das „wissende Ich" (43) die verschiedenen Vorstellungen in einem Urteil verknüpft, tritt es als der ruhende Pol an die Stelle der gegenständlichen Substanz. Während sich in der traditionellen Metaphysik die Substanz indifferent zu ihren Akzidenzien verhielt, bleibt in der Transzendentalphilosophie die Identität des Subjekts von dem wechselnden Inhalt der Erkenntnis unberührt. Hegel betrachtet die Grundposition der Transzendentalphilosophie demnach mit der gleichen Skepsis wie die Kategorien von Substanz und Akzidens. Insofern beide mit der Subjekt-Prädikat-Struktur des Urteils in Zusammenhang gebracht werden können, richtet sich Hegels Kritik des Urteils gegen diese ebenso wie gegen jene. Sie mündet in die berühmte Lehre vom spekulativen Satz:

„Formell kann das Gesagte

so ausgedrückt werden, dass die Natur des Urteils oder Satzes die den Unterschied des Subjekts und Prädikats in sich schließt, durch den spekulativen Satz zerstört wird, und der identische Satz, zu dem der erstere wird, den Gegenstoß zu jenem Verhältnis enthält" (GW 9, 43).8

überhaupt,

Hegel stellt dem spekulativen Satz zwei andere Typen von Sätzen gegenüber. Auf der einen Seite steht das prädikative Urteil. Dessen Natur beruht, wie wir gesehen haben, auf der Unterscheidung von Subjekt und Prädikat. Auf der anderen Seite steht der „identische Satz". Er soll die „Einheit des Begriffs" ausdrücken. Der spekulative Satz 8 Zur Bedeutung der Ausdrücke „zerstören" und „identischer Satz" vgl. Günter Wohlfart, Der spekulative Satz. Bemerkungen zum Begriff der Spekulation bei Hegel, Berlin 1981, 194-198.

Die Definition des Schlusses

64

steht zwischen beiden in der Mitte. Er ist weder ein gewöhnliches Urteil noch eine bloße Tautologie. In ihm soll „die Identität des Subjekts und Prädikats den Unterschied derselben, den die Form des Satzes ausdrückt, nicht vernichten". Hegel erläutert die Lehre vom spekulativen Satz mit Hilfe eines Vergleichs aus Musik und Poesie. „Dieser Konflikt der Form eines Satzes überhaupt und der sie zerstörenden Einheit des Begriffs ist dem ähnlich, der im Rhythmus zwischen dem Metrum und dem Akzent stattfindet."9 Aus dem Zusammenspiel von Metrum und Akzent entsteht der Rhythmus als die „schwebende Mitte und Vereinigung beider" (GW 9, 43 f.). Der spekulative Satz behauptet demzufolge die Einheit des in der Form des Satzes gelegenen Unterschieds von Subjekt und Prädikat einerseits und ihrer Identität andererseits. In der Kennzeichnung des spekulativen Satzes als der Einheit der Identität und des Unterschieds von Subjekt und Prädikat lässt sich unschwer eine Variation von Hegels Definition des Absoluten als der ,Identität der Identität und der Nichtidentität' erkennen.10 Entsprechend dieser Figur ist Hegels Erklärung zu verstehen, durch den spekulativen Satz werde die Form des Satzes „zerstört", ohne die Unterscheidung von Subjekt und Prädikat zu „vernichten". Da in der grammatischen Struktur kein Unterschied zwischen dem prädikativen Urteil und dem spekulativen Satz sichtbar wird, muss die Zerstörung eine bestimmte Interpretation des Unterschieds zwischen Subjekt und Prädikat betreffen. Was zerstört wird, ist die mit der Form des Urteils scheinbar unauflöslich verbundene Annahme, wonach dem Subjekt eine ruhende Substanz und dem Prädikat deren wechselnde Eigenschaften entsprechen. Ist die Deutung des Unterschieds zwischen Subjekt und Prädikat nach dem Schema von Substanz und Akzidens erst einmal als fehlerhaft erkannt, lässt sich in Hegels Augen zu der „substantiellen Bedeutung" des Prädikats durchdringen. Das Prädikat drückt keine wechselnde Eigenschaft einer ruhenden Substanz, sondern das „Wesen" des Subjekts aus. Hegel illustriert das Gemeinte anhand der beiden Sätze ,Gott ist das Sein' und ,das Wirkliche ist das Allgemeine'. Das Sein ist kein Akzidens, sondern das Wesen Gottes. Damit ist auf einmal nicht mehr klar, welche der beiden Bestimmungen als Subjekt und welche als Prädikat zu gelten hat. Daher „verliert" das Denken buchstäblich „seinen festen gegenständlichen Boden" (44). Da sie ihre Stellung tauschen können, erscheinen ,Gott' und ,Sein' oder Wirklichkeit' und ,Allgemeinheit' auf einmal als ineinander übergehende Bestimmungen. Unabhängig von der Frage, was Hegel unter dem „Wesen" des Subjekts genau versteht, kann die Lehre vom spekulativen Satz ,

9 Ob dem Metrum die Unterscheidung von Subjekt und Prädikat und dem Akzent ihre Identität entspricht (wie die Wortstellung des zitierten Satzes nahe legt) oder ob die Form des Satzes dem Akzent und die Einheit des Begriffs dem Metrum entspricht (wie der letzte Satz des Absatzes vermuten lässt; vgl. GW 9, 44) oder ob Hegel dem Vergleich innerhalb weniger Sätze einen zweifachen Sinn gegeben hat, ist schwer zu sagen. Vgl. Wohlfart, Der spekulative Satz, 217-221. 10 Vgl. GW 4, 64. Herbert Schnädelbach hat dafür den Ausdruck „spekulative Grundfigur" geprägt (vgl. Hegel zur Einführung, Hamburg 1999, 14-17). Ich bezweifle jedoch, dass die Figur „ihrer tiefsten Wurzel nach eine theologische ist" (46). -

Der mittlere Term des Schlusses

65

deshalb so zusammengefasst werden: Philosophische Sätze drücken das Wahre aus, insofern sie das Verhältnis des Subjekts zum Prädikat nicht als eines von Substanz und Akzidens, sondern als eines ineinander übergehender Wesensbestimmungen darstellen.

3. Die

spekulative Bedeutung des Schlusses

An der Stelle drängt sich die Frage auf, wie die Rede von der Zerstörung der Natur des Urteils durch den spekulativen Satz und Hegels Überzeugung von der spekulativen Bedeutung der Form des Schlusses zueinander ins Verhältnis gesetzt werden können. Dass der Schluss in dem philosophischen Projekt Hegels eine herausragende Rolle spielt, zeigen nicht nur seine Thesen zur Habilitation, es geht auch aus einem Manuskript für seine erste Vorlesung über Logik und Metaphysik hervor. Darin kündigt er für den dritten Teil der Logik die Aufhebung der Formen des endlichen Erkennens an. In dem Zusammenhang will er „die spekulative Bedeutung der Schlüsse" untersuchen (GW 5, Doch wieso taugt gerade der Schluss zur Bewerkstelligung des Übergangs 273 vom endlichen zum unendlichen Erkennen? Bevor ich einen Vorschlag unterbreite, worin Hegel die spekulative Bedeutung der Form des Schlusses damals gesehen haben könnte, ist an den Sinn zu erinnern, in dem er von der Aufhebung des endlichen Erken-

f.).11

spricht. Hegel zu Entsprechend der kantischen Dichotomie von Verstand und Vernunft prägte 12 Nachdem Reflexion und er Spekulation. Beginn seiner Laufbahn den Gegensatz von in der Differenzschrift in kaum merklicher Abgrenzung gegenüber Schelling sein philosophisches Programm einer spekulativen Erkenntnis des Absoluten formuliert hatte, widmete er sich in dem Aufsatz Glauben und Wissen einer kritischen Darstellung der Positionen der „Reflexionsphilosophie". Der gemeinsame Blickwinkel, unter dem Hegel das ungleiche Trio Kant, Jacobi und Fichte versammelt, ist die Annahme einer absoluten Entgegensetzung zwischen Begriff und Wirklichkeit. Hegel spricht von dem Gegensatz zwischen empirischer Realität und Idealität, Mannigfaltigkeit und Einheit,

nens

Endlichem und Unendlichem sowie Sinnlichem und Übersinnlichem. Obwohl der neueren Philosophie der Sinn für eine letzte Einheit der Gegensätze nicht ganz abhanden

11 Es sei angemerkt, dass die spekulative Bedeutung nur der eine Aspekt ist, unter dem Hegel die Schlüsse in der Logik behandeln will. Auf der anderen Seite will er zeigen, dass die Schlüsse, „insofern sie ein bloß formelles Schließen sind, dem Verstand angehören" (GW 5, 273). Bei der Ankündigung fühlt man sich unweigerlich an den späteren Schluss des Daseins erinnert. Siehe dazu Teil II, § 8

(3.).

12 Die Terminologie wirkte auf Schelling, der in der zweiten Auflage der Ideen zu einer Philosophie der Natur von 1803 den Ausdruck Spekulation' durch .Reflexion' ersetzte. Ausgehend davon hat Klaus Düsing den Einfluss Hegels auf Schellings Übergang zum Identitätssystem nachgewiesen. Vgl. zusammenfassend: „Die Entstehung des spekulativen Idealismus. Schellings und Hegels Wandlungen zwischen 1800 und 1801", in: Walter Jaeschke (Hg.), Transzendentalphilosophie und Spekulation. Der Streit um die Gestalt einer Ersten Philosophie (1799-1807), Hamburg 1993, 144-163, bes. 150-157.

66

Die Definition des Schlusses

gekommen sei, verbanne sie das Absolute aus dem Bereich des Erkennbaren und mache daraus „eine Leerheit der Vernunft und der fixen Unbegreiflichkeit und des Glaubens" (GW 4, 320). Am Ende des Aufsatzes stellt Hegel eine Verbindung zwischen der Reflexionsphilosophie und der Metaphysik her. Mit jener habe der „alte Dogmatismus" nur „die Farbe [...] der neuen und modischen Kultur angezogen", so dass er jetzt in dem Gewand der Aufklärung erscheine. Die „ganze Revolution der Philosophie" habe zu keinem anderen Ergebnis geführt, als dass „der Dogmatismus des Seins in den Dogmatismus des Denkens, die Metaphysik der Objektivität in die Metaphysik der Subjektivität umgeschmolzen" wurde (412). Während er in den veröffentlichten Schriften den Standpunkt der Reflexionsphilosophie heftig kritisiert und ihm sein Konzept einer spekulativen Philosophie entgegenhält, passt sich Hegel in seinen Vorlesungen zunächst den akademischen Üblichkeiten an und liest über Logik und Metaphysik. Das Verhältnis der beiden Disziplinen scheint er am Anfang so zu deuten, dass die Logik die Funktion einer Einleitung in die Meta13 physik übernimmt. Damit entspräche der Gegensatz von Logik und Metaphysik in etwa dem von Verstand und Vernunft, Reflexion und Spekulation oder endlichem und unendlichem Erkennen.14 Den Übergang von der Logik zur Metaphysik hält Hegel wohl deshalb für möglich, weil er das endliche Erkennen als etwas vom Erkennen des Absoluten Abgeleitetes ansieht. „Das endliche Erkennen oder die Reflexion abstrahiert nur von der absoluten Identität desjenigen, was in der vernünftigen Erkenntnis aufeinander bezogen oder einander gleichgesetzt ist, und durch diese Abstraktion allein wird es endliches Erkennen" (GW 5, 271). Folgt man der Inhaltsangabe des Manuskripts, besteht Hegels frühe Logik aus drei Teilen. Die ersten beiden enthalten „die allgemeinen Formen oder Gesetze der Endlichkeit" sowie „die subjektiven Formen der Endlichkeit". Bei dem ersten Punkt denkt Hegel offensichtlich an die Kategorien der kantischen transzendentalen Logik, im Hinblick auf den zweiten Punkt spricht er von einem „Stufengang durch Begriffe, Urteile und Schlüsse". Interessant ist der dritte Teil der Logik, denn in ihm soll „das Aufheben dieEs scheint also ses endlichen Erkennens durch die Vernunft aufgezeigt werden" (273). vor allem der dritte Teil zu sein, dem die Logik ihre Funktion einer „Einleitung" in die Philosophie verdankt. Daher lässt sich der Gegensatz zwischen Verstand und Vernunft 13 So wird man Hegels Feststellung zu verstehen haben, die Logik könne „als Einleitung in die Philosophie dienen" und in ihrem dritten Teil erfolge „der Übergang zur eigentlichen Philosophie oder zur Metaphysik" (GW 5, 272 und 274). 14 Kritisch zu der gängigen Interpretation der Logik von 1801/02 als Einleitung in die Philosophie äußert sich indes Anne-Kristina Kwade, Grenze. Hegels „Grenz"-Begriff 1804/05 als Keimzelle der

Dialektik, Würzburg 2000, 36-68.

15 Geht man von der einzigen erhaltenen Nachschrift aus, hat Hegel in seiner Vorlesung von diesem Programm lediglich die Kategorien der Qualität, Quantität und Relation sowie die Aufhebung der Gegensätze der Reflexion zur absoluten Identität der Vernunft behandelt (vgl. Ignaz Paul Troxler, Schellings und Hegels erste absolute Metaphysik [1801-1802]. Zusammenfassende Vorlesungsnachschriften, hg. v. Klaus Düsing, Köln 1988, 68-71).

67

Der mittlere Term des Schlusses

oder Reflexion und Spekulation nicht ohne weiteres auf den Unterschied von Logik und Metaphysik abbilden. Da die Formen der Endlichkeit innerhalb der Logik aufgehoben werden, besitzt die Logik selbst eine „spekulative Seite" und ist wenigstens zum Teil „Erkenntnis der Vernunft" (272). Abgesehen von dem wiederholten Hinweis, dass die Aufhebung der Formen der Endlichkeit durch die Vernunft erfolgen soll, findet sich in dem Text noch eine zweite die Methode betreffende Bemerkung. Hegel spricht davon, dass die Logik nicht nur „die Reflexion vollständig erkennt und aus dem Weg räumt", sondern dass sie „zugleich gleichsam in einem Widerschein immer das Bild des Absoluten vorhält und damit vertraut macht" (272 f.). Das Vorhalten eines Bildes des Absoluten impliziert offensichtlich eine Art von Vermögen der intellektuellen Anschauung. Während das endliche Erkennen durch Entgegensetzungen gekennzeichnet ist, soll in der Spekulation die Einheit der Gegensätze zum Vorschein kommen. Schon in der Differenzschrift unterscheidet Hegel zwischen einer „negativen Seite des Wissens", von der aus gesehen die absolute Identität in Antinomien erscheine, und einer „positiven Seite". Ein solches „transzendentales Wissen" vereinige die Reflexion mit der Anschauung. „Es ist Begriff und Sein zugleich" (GW 4, 27). Am Ende des Vergleichs der Philosophie Fichtes und Schellings kennzeichnet er den Standpunkt der Spekulation und des positiven Wissens als „Indifferenzpunkt". Er bedeutet nicht nur die Identität, sondern die „Totalität" und „das Ganze" der entgegengesetzten Seiten. Ferner nimmt Hegel eine von der Spekulation verschiedene Anschauung des Absoluten in Kunst und Religion an (74 ff.).17 Sowohl mit Blick auf die Interpretation von Hegels früher Logik als auch in Bezug auf die weitere Entwicklung seines Konzepts einer spekulativen Philosophie wäre nun zu klären, wie sich die Anschauung des Absoluten zu seiner Darstellung in der Form des Schlusses verhält. Es spricht zwar einiges für die Vermutung, dass die intellektuelle Anschauung in methodischer Hinsicht allmählich durch die dialektische Bewegung des Begriffs abgelöst wurde.18 Damit gerät man aber, was die Erklärung der Überzeugung von der spekulativen Funktion des Schlusses anbelangt, in Verlegenheit. Denn wenn 16 Insofern die Erkenntnis der Vernunft in die Logik fällt, handelt es sich Hegel zufolge nur um „ein negatives Erkennen derselben" und um „das Negative der Spekulation" (GW 5, 272 und 274). Später wird Hegel die negative Seite das „Dialektische" nennen und von der positiven Seite als dem „Spekulativen" abgrenzen (vgl. GW 11, 26 f. und E § 81 f.). 17 Die Stelle deckt sich mit der Inhaltsangabe von Hegels Vorlesung zur Einleitung in die Philosophie aus dem Jahr 1801/02 (vgl. GW 5, 263 f.). Bereits Karl Rosenkranz erwähnt die viergliedrige Einteilung als die „merkwürdigste" Modifikation der Darstellung des Systems (vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben, Berlin 1844 [ND Darmstadt 1963], 179). Auf die vor allem in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts geführte Diskussion über Hegels Jenaer Systemkonzeption will ich aber nicht weiter eingehen. 18 Manfred Baum bringt das Entstehen der Dialektik in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verschwinden der Anschauung (vgl. Die Entstehung der Hegelschen Dialektik, Frankfurt a. M. 1986). Zum Schicksal der intellektuellen Anschauung insgesamt vgl. Xavier Tilliette, Recherches sur l'intuition intellectuelle de Kant à Hegel, Paris 1995. -

-

Die Definition des Schlusses

68

Hegel zu Beginn der Jenaer Zeit über gar keine ausgearbeitete Konzeption von Dialekverfügte, kann sich die These von der „spekulativen Bedeutung der Schlüsse" (GW 5, 273 f.) auch nicht auf sie stützen. Wie gelangt Hegel also zu der Auffassung, dass ausgerechnet die Form des Schlusses für die Spekulation von Bedeutung sein soll?

tik

4. Die

Darstellung der Synthesis des Urteils

Eine Antwort auf die Frage nach der spekulativen Bedeutung des Schlusses, die nicht ihrerseits wiederum von dem Gedanken der dialektischen Bewegung des Begriffs abhängig wäre, findet sich meines Erachtens in dem Abschnitt über die kantische Philosophie des Aufsatzes Glauben und Wissen. Dort erläutert Hegel gleich zu Beginn Kants Lehre von der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori. Mit den Worten Hegels klingt die kantische Ausgangsfrage folgendermaßen: „Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? Dieses Problem drückt nichts anderes aus als die Idee, dass in dem synthetischen Urteil Subjekt und Prädikat, jenes das Besondere, dieses das Allgemeine, jenes in der Form des Seins, dies in der Form des Denkens, dieses Ungleichartige zugleich a priori, d. h. absolut identisch ist" (GW 4, 327). -

Hinter dem Gegensatz des Besonderen und des Allgemeinen bzw. der Form des Seins und der Form des Begriffs steht offensichtlich die kantische Dichotomie von Anschauung und Begriff. Genau wie Schelling im System des transzendentalen Idealismus ordnet Hegel die Seite der Anschauung dem Subjekt und die Seite des Begriffs dem Prädikat des Urteils zu. Sein Interesse liegt jedoch auf der ursprünglichen Identität von Subjekt und Prädikat bzw. Anschauung und Begriff. Sie ist „eine Einheit, die nicht als Produkt Entgegengesetzter begriffen werden muss". Bei Kant handelt es sich um die „absolute, ursprüngliche Identität des Selbstbewusstseins". Die Bezeichnung der Einheit der Apperzeption als synthetisch' erklärt Hegel mit der „Doppelseitigkeit", dass „in ihr das Entgegengesetzte absolut eins ist". Nur in der Reflexion lassen sich das „leere Ich"19 und das Mannigfaltige der Anschauung trennen. Ausgehend davon entwirft Hegel ein Bild der kantischen Philosophie, wonach „das Ich als denkendes Subjekt" und „das Mannigfaltige als Leib und Welt" durch eine Art ursprünglicher Teilung aus dem „wahren Ich" hervorgehen. Es ist das wahre Ich, das „apriorisch absolut aus sich das Urteil setzt oder vielmehr als Identität des Subjektiven und Objektiven im Bewusstsein als Urteil erscheint" (GW 4, 328). Folgt man diesem Bild, so sind der Begriff, die Anschauung und das Urteil etwas von der absoluten Identität Abgeleitetes. Das Urteil ist weniger die Verbindung Ungleich19 Im Paralogismen-Kapitel der Kritik der reinen Vernunft spricht Kant von der „einfachen und fur sich selbst an Inhalt gänzlich leeren Vorstellung: Ich" (B 404). In § 16 der transzendentalen Deduktion heißt es: „Durch das Ich als einfache Vorstellung ist nichts Mannigfaltiges gegeben" (B 135). Hegel zitiert den Satz und schreibt „das leere Ich" (vgl. GW 4, 328).

69

Der mittlere Term des Schlusses

artiger als die Erscheinung der Ungleichartigkeit des ursprünglich miteinander Verbundenen. Damit kommt Hegel auf die Ausgangsfrage zurück: „So hat Kant in Wahrheit seine Frage: wie sind synthetische Urteile a priori möglich? gelöst.

Sie sind möglich durch die ursprüngliche absolute Identität von Ungleichartigem, aus welcher als dem Unbedingten sie selbst, als in die Form eines Urteils getrennt erscheinendes Subjekt und Prädikat, Besonderes und Allgemeines erst sich sondert" (GW 4, 328).20

Mit der Erklärung der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori aus der Einheit des wahren Ichs ist Hegels Überlegung freilich nicht zu Ende. Vielmehr wendet er sich jetzt der Form des Urteils zu. Wenn das Subjekt und das Prädikat die ursprünglich miteinander verbundenen Glieder eines Gegensatzes darstellen, und wenn die beiden Glieder im Urteil getrennt erscheinen, sollte man erwarten, dass es auch eine Weise gibt, wie die ursprüngliche Einheit von Subjekt und Prädikat erscheint. Während ' es von Kant her eigentlich nahe liegt, an das „Verhältniswörtchen , ist' zu denken, gibt sich Hegel mit der Kopula des Urteils nicht zufrieden: "

„Das Vernünftige oder, wie Kant sich ausdrückt, das Apriorische dieses Urteils, die absolute Identität als Mittelbegriff stellt sich aber im Urteil nicht, sondern im Schluss dar; im Urteil ist sie nur die Kopula ,Ist', ein Bewusstloses, und das Urteil selbst ist nur die überwiegende Erscheinung der Differenz" (GW 4, 328 f.).22 Das hen

synthetische

Urteil kann

zwar

als die

Erscheinung

der absoluten Identität angese-

werden, aber die Identität ihrerseits kommt in dem Urteil nicht angemessen

zur

Darstellung. Während das Subjekt und das Prädikat die beiden Seiten eines Gegensatzes vertreten, ist die Kopula kein geeigneter Ausdruck der ursprünglichen Einheit der Entgegengesetzten. Die Art von Identität, die in der Kopula des Urteils zum Ausdruck kommt, nennt Hegel „bewusstlos" und stellt ihr den Mittelbegriff des Schlusses gegenüber. Anders als in dem Fragment über Glauben und Sein, wo es im Hinblick auf die Funktion der Kopula geheißen hatte, Vereinigung und Sein seien gleichbedeutend, betrachtet Hegel die absolute Identität nun offenbar nicht mehr als Sein. Dass er die Kopula „bewusstlos" nennt, hat man als einen Hinweis auf die Einheit des Selbstbewusstseins zu lesen. Sie kommt in einem Begriff besser zum Ausdruck als in dem einfachen ,ist'. Obwohl der Zusammenhang, den Hegel zwischen der Einheit der Apperzeption und dem Begriff herstellt, bereits an seine reife Begriffslehre denken lässt,23 kommt es 20 Robert Pippin interpretiert Hegels Deutung synthetischer Urteile a priori als idealistische „Theorie der Identität" des einzelnen Gegenstands mit unserem Begriff von diesem Gegenstand (vgl. Hegel's Idealism, 82-85). Zu den Bedenken gegen eine solche erkenntnistheoretische Interpretation vgl. die Einleitung, § 1 (2.). 21 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 141, sowie dazu § 3 (5.). 22 Für eine Interpretation dieser Passage aus kantischer Sicht vgl. meinem Beitrag „Hegels Variation der kantischen Urteilslehre", in: Hegel-Jahrbuch 2005. 23 Vgl. vor allem die Feststellung in der Einleitung zur Subjektiven Logik: „Es gehört zu den tiefsten und richtigsten Einsichten, die sich in der Kritik der Vernunft finden, dass die Einheit, die das -

70

Die Definition des Schlusses

für den Augenblick lediglich auf die Einsicht an, dass für Hegel die Urteils ihren adäquaten Ausdruck in der Form des Schlusses findet.

5. Die

Synthesis des

Erfüllung der Kopula

Was die

des Verhältnisses zwischen Urteil und Schluss angeht, lässt sich der zitierten aufgrund Bemerkung aus dem Aufsatz über Glauben und Wissen dreierlei festhalten. Erstens stehen die beiden logischen Formen für eine Beziehung der Einheit Entgegengesetzter. Dem Gegensatz, der in der Form des Urteils erscheint, liegt zweitens eine ursprüngliche Einheit voraus und zugrunde. Deshalb ist es der Form des Urteils zuzuschreiben, wenn die Entgegengesetzten als Subjekt und Prädikat getrennt erscheinen. Um dagegen die ursprüngliche Einheit zur Geltung zu bringen, bedarf es drittens statt der Kopula eines die beiden Seiten des Urteils miteinander verbindenden Begriffs. Auf dem Mittelbegriff, der die „absolute Identität" der beiden im Urteil getrennten und einander entgegengesetzten Bestimmungen darstellen soll, beruht die spekulative Bedeutung des Schlusses. In Glauben und Wissen, wo es Hegel um die kantische Philosophie geht, assoziiert er die ursprüngliche Einheit, aus der das Urteil hervorgeht, mit dem transzendentalen Ich. Der mittlere Term des Schlusses steht demnach für die Einheit des denkenden Ichs und der empirischen Welt in der „ursprünglichen Identität des Selbstbewusstseins" (GW 4, 328). In der Wissenschaft der Logik lässt Hegel das Urteil nicht mehr aus der Einheit der Apperzeption, sondern aus dem Begriff als solchen hervorgehen. Doch an der Natur des Urteils hat sich gegenüber den frühen Jenaer Schriften wenig geändert. Hegel betrachtet das Urteil weiterhin als „die ursprüngliche Teilung des ursprünglich Einen" (GW 12, 55). Ebenso hält er an der Einschätzung fest, dass der Sinn des Urteils verloren geht, wenn die Einheit von Subjekt und Prädikat als etwas nachträglich zustande Gekommenes begriffen wird. Im Zuge dessen kritisiert Hegel die Ansicht, wonach das Subjekt und das Prädikat des Urteils erst durch das Denken zueinander in Beziehung gesetzt werden. In dem Fall werde das Urteil als ein äußerliches Verhältnis zwischen einem Gegenstand und einer allgemeinen Bestimmung genommen. Aus dem wahren Sinn des Urteils ergibt sich indes die Forderung der Identität von Subjekt und Prädikat. „Das Prädikat, welches dem Subjekt beigelegt wird, soll ihm aber auch zukommen, d. h. an und für sich identisch mit demselben sein." Daraus leitet Hegel die uns schon vertraute Deutung der Kopula ab. Sie soll die Einheit des Subjekts mit dem Prädikat darstellen. „Die Kopula zeigt an, dass das Prädikat zum Sein des Subjekts gehört und nicht bloß äußerlich damit verbunden wird" (ebd.).24

Bewertung

Wesen des Begriffs ausmacht, als die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption, als Einheit des ,Ich denke' oder des Selbstbewusstseins erkannt wird" (GW 12, 17 f.). 24 Vgl. „Die Kopula drückt aus, dass das Subjekt das Prädikat ist" (GW 12, 57 f.).

Der mittlere Term des Schlusses

71

Entscheidend für Hegels Konzeption des Verhältnisses zwischen Urteil und Schluss ist der Gedanke, dass die Form des Urteils der Art von Einheit nicht gerecht wird, die zwischen den durch das Subjekt und das Prädikat bezeichneten Bestimmungen eigentlich herrschen soll. Denn im „Urteil als Erscheinung" stehen Subjekt und Prädikat in der „Beziehung von Selbständigen". Erst durch die Kopula scheinen die unabhängig voneinander existierenden Bestimmungen aufeinander bezogen zu werden. Wie der Blick auf die verfehlte Deutung des Urteils als einer Form des subjektiven Denkens gezeigt hat, darf sich der Sinn der Kopula nicht in dem Ausdruck irgendeiner äußerlichen Beziehung erschöpfen. Denn in Wahrheit liegt dem Verhältnis von Subjekt und Prädikat die „ursprüngliche Einheit des Begriffs" zugrunde (ebd.). Wenn nun das Urteil die „wahre Beziehung" zwischen dem Subjekt und dem Prädikat ausdrücken soll, muss die Kopula ihre „unterschiedslose Identität" anzeigen. Doch im Urteil „ist diese Identität noch nicht gesetzt; die Kopula ist als die noch unbestimmte Beziehung des Seins über-

haupt" (58). Von einer bestimmten Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat kann erst die Rede sein, wenn die unterschiedslose Identität der Entgegengesetzten angemessen zur Geltung kommt. Dazu ist, so Hegels weitere Überlegung, statt der Kopula der Begriff erforderlich. Der wahre Sinn der Verbindung des Subjekts mit dem Prädikat des Urteils kommt also erst in der Form des Schlusses zum Vorschein. Mit dieser Überlegung rechtfertigt Hegel den Übergang vom Urteil zum Schluss.26 Am Ende der Urteilslehre heißt es von der Kopula, sie sei die „bestimmte Beziehung" und drücke die „Begriffseinheit" des Subjekts und des Prädikats aus. Die durch einen Begriff bestimmte Beziehung zweier weiterer Begriffe ist formal betrachtet nichts anderes als ein Schluss. Außer von der Bestimmung der Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat spricht Hegel auch von ihrer Füllung mit Inhalt. So nennt er den mittleren Term des Schlusses „die erfüllte oder inhaltsvolle Kopula des Urteils" (89). Die Funktion des mittleren Terms besteht darin, die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Schlusssatzes zu bestimmen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei der Konklusion ihrerseits um ein Urteil handelt. „Der Schluss ist eben dieses, dass dies [sc. die Konklusion; G. S.] nicht bloß ein Urteil sei, d. h. nicht eine durch die bloße Kopula oder das leere Ist gemachte Beziehung, sondern durch die bestimmte, inhaltsvolle Mitte"

(94).27

Hegel spricht anschaulich von einem Prädikat, „das im Kopf ist" und einem Gegenstand beigelegt wird, „der draußen für sich ist" (GW 12, 55). 26 Vgl. „Wäre das ,Ist' der Kopula schon gesetzt als jene bestimmte und erfüllte Einheit des Subjekts und Prädikats, als ihr Begriff, so wäre es [sc. das Urteil; G. S.] bereits der Schluss" (GW 12, 58 f.). 27 Derselbe Gedanke findet sich bis in die Wortwahl bereits in der der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05. Dort heißt es am Ende der Urteilslehre: „Subjekt und Prädikat hören auf, durch das leere ,ist' des Urteils verbunden zu sein, sie sind durch die erfüllte Mitte, die ihre Identität ist [...] zusammengeschlossen und das Urteil ist zum Schluss geworden" (GW 7, 93; vgl. dazu Teil III, § 9 [5.]). 25

72

Die Definition des Schlusses

Den Gedankengang abschließend scheint mir eine Bemerkung über das Verhältnis der beiden wesentlichen Motive von Hegels Kritik der Form des Urteils angebracht. Einerseits wendet sich Hegel gegen eine falsche Auffassung der im Urteil miteinander verbundenen Bestimmungen. Sie besteht im weitesten Sinn in der Deutung von Subjekt und Prädikat nach dem Schema von Substanz und Akzidens. Andererseits bemängelt Hegel, dass die Kopula des Urteils nicht geeignet sei, die wahre Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat zum Ausdruck zu bringen. Um eine Kritik der Form des Urteils handelt es sich genau genommen nur bei dem zweiten, nicht aber bei dem ersten Aspekt. Denn bei dem, was Hegel den Schluss des Daseins nennt, wird das Verhältnis der Terme ebenfalls nach dem Schema von Substanz und Akzidens aufgefasst. Solange sich die Kritik des Urteils auf die Bedeutung von Subjekt und Prädikat beschränkt, wäre es deshalb zutreffender, von einer Kritik der substanzontologisch interpretierten Form des Urteils zu sprechen. Anders verhält es sich mit der Feststellung, die Kopula sei zur Darstellung der wahren Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat ungeeignet. Sobald man das Verhältnis zwischen Subjekt und Prädikat richtig interpretiert, ist man Hegel zufolge die Überlegenheit der Form des Schlusses einzuräumen genötigt. Anders als das einfache Bindewort ,ist' bringt der Mittelbegriff nämlich die Einheit der entgegengesetzten Bestimmungen angemessen zum Ausdruck. Daher bedeutet die „Erfüllung der Kopula" mit Inhalt nichts anderes als den Übergang vom Urteil zum Schluss (89).

73

Die dialektische Bewegung des Begriffs

§5

Die dialektische Bewegung des Begriffs

Das Schluss-Kapitel der Wissenschaft der Logik beginnt mit den Worten: „Der Schluss hat sich als die Wiederherstellung des Begriffs im Urteil und somit als die Einheit und Wahrheit beider ergeben" (GW 12, 90). Die Formulierung legt einen deutlichen Akzent auf die Entwicklung, deren Darstellung den Inhalt des Abschnitts über die Subjektivität bildet. Begriff, Urteil und Schluss sind für Hegel nicht wie im aristotelischen Organon einfach die drei Teilgebiete der formalen Logik. Hegel führt die Einteilung auch nicht wie die Logiker von Port-Royal bis Kant auf die Dreiteilung des Erkenntnisvermögens in Verstand, Urteilskraft und Vernunft zurück. Er vertritt vielmehr die Auffassung, dass die logischen Formen eine innere Entwicklung durchlaufen, in der sich jede aus der vorhergehenden ergibt. Diese Ansicht hängt eng mit dem zusammen, was Hegel die absolute Methode' der Philosophie genannt hat. Die „immanente Entwicklung des Begriffs", schreibt er schon in der Vorrede der großen Logik, ist „die absolute Methode des Erkennens" (GW 11,8). Bis heute dient das Schlagwort ,Dialektik' als eine Art Inbegriff der philosophischen Methode Hegels. Obwohl wir mittlerweile über ein detailgetreues Bild der Entstehung dessen verfügen, was Hegel Dialektik nennt,1 herrscht weiterhin keine Einigkeit über die dialektische Methode. Ebenso unklar wie der genaue Sinn von Dialektik ist der Grad, in dem die Methode Hegels mit den Kategorien und Inhalten verknüpft ist, deren Entwicklung in der Wissenschaft der Logik den vergleichsweise spärlichen Ausführungen des Kapitels über die absolute Idee vorangeht. Was die Schlusslehre betrifft, stellt sich das Problem umso dringender, als Hegel die drei Schritte der Methode ausdrücklich mit den beiden PräWas hat die dialekmissen und der Konklusion eines Schlusses in Verbindung tische Methode also mit der Form des Schlusses zu tun? Als Antwort auf diese Frage sind zwei Extrempositionen vorstellbar. Man könnte entweder darauf bestehen, Hegels Bemerkungen zur Methode direkt zu den Ausführungen des Schluss-Kapitels in Beziehung zu setzen. Dann hätte man nicht nur zu prüfen, welche Figur oder Art von Schluss sondern müsste auch untersuchen, inwieweit der absoluten Methode zugrunde Schlussform in anderen Partien der Logik wieder findet. Das andere betreffende sich die Extrem bildet die Auffassung, wonach die spekulative Philosophie Hegels zwar interes-

bringt.2

liegt,3

Vgl. dazu jetzt die Arbeit von Rainer Schäfer, Die Dialektik und ihre besonderen Formen in Hegels Logik, Hamburg 2001. 2 Vgl. bes. GW 12, 238 f. und 246 ff. 3 Das geschieht etwa bei Klaus Düsing, „Syllogistik und Dialektik in Hegels spekulativer Logik", in: Dieter Henrich (Hg.), Hegels Wissenschaft der Logik. Formation und Rekonstruktion, Stuttgart 1986, 1

15-38, 33-37. Ihm folgt Rainer Schäfer, Die Dialektik und ihre besonderen Formen in Hegels Logik, 248-291. Verwendet man Hegels Weise der Symbolisierung, lauten danach die beiden Prämissen des Schlusses der Methode A B und B E, der Schlusssatz E A. Das Merkwürdige an diesem Ergebnis ist der Umstand, dass ein solcher Schluss keiner der drei von Hegel anerkannten syllogistischen Figu-

ren

entspricht.

-

-

74

Die Definition des Schlusses

Anregungen enthält, die sie sogar im Blick auf zeitgenössische Diskussionen anschlussfähig erscheinen lassen mögen, dass die Position Hegels aber unabhängig von sante

seiner Schlusslehre darstellbar sei.4 Meines Erachtens wird keine der beiden Positionen der Sachlage gerecht. Auf die Beschäftigung mit der Urteils- und Schlusslehre wird man schon deshalb kaum verzichten können, weil Hegel dort die verfehlte Auffassung der logischen Formen nach dem Schema von Substanz und Akzidens kritisiert. Genau diese herrscht bei den Philosophen, die in der Tradition der Logik Freges Prädikate als Funktionen deuten, im Prinzip fort. Wollte man also der gegen die Substanzontologie gerichteten Spitze von Hegels Kritik des prädikativen Urteils sowie des Verstandesschlusses Rechung tragen, hätte man sich beispielsweise der Quantorenlogik als des letzten Maßstabs philosophischer Wahrheit zu entledigen. In der Kritik der logischen Formen liegt zugleich der Grund, warum es falsch wäre zu erwarten, dass die Struktur der Argumente Hegels ihren oberflächlichen Niederschlag in dem Gebrauch bestimmter Schlussformen findet. Das gilt nicht zuletzt für die Darstellung seiner eigenen Methode.5 Auch wenn die absolute Methode deshalb vielleicht keiner bestimmten Figur entspricht, kann Hegels Schlusslehre von ihr doch nicht einfach getrennt werden. Eine gleichermaßen systematisch und entwicklungsgeschichtlich erschöpfende Klärung des Verhältnisses zwischen Dialektik und Syllogistik würde den Rahmen dieser Untersuchung freilich bei weitem sprengen. Deshalb kann ich im Folgenden nur einige Schlaglichter auf das letzte Kapitel der Wissenschaft der Logik werfen, die das Verständnis der Schlusslehre erleichtern sollen. Ausgehen möchte ich von der Beobachtung, dass Hegel die absolute Methode nach dem Modell einer organischen Entwicklung beschreibt. Der entscheidende Grund dafür liegt in ihrem Anspruch, nichts anderes als die Entfaltung dessen zu sein, wovon ausgegangen wurde. „Der Fortgang [...] von dem, was den Anfang macht, ist nur als eine weitere Bestimmung desselben zu betrachten, so dass das Anfangende allem Folgenden zugrunde liegen bleibt und nicht daraus verschwindet" (GW 11, 35). Man erinnere sich an Hegels Kennzeichnung der Logik als einer Reihe von Definitionen des Absoluten. Im Verlauf der Logik wird das Absolute in der Weise bestimmt, dass wir am Ende über einen neuen Begriff von dem verfugen, was am Anfang das Absolute genannt wurde. Insofern das Absolute schließlich als die Idee bzw. als der reale Begriff bestimmt wird, hat man es bei der Wissenschaft der Logik rückblickend gesehen mit einer „Bewegung des Begriffs" zu tun. Hegel fasst die

4 So treten beispielsweise Ludwig Siep, Christoph Halbig und Michael Quante für Hegels „Begriffsholismus" ein und erklären zugleich, „in der syllogistischen Form" werde man Hegel „heute kaum folgen" („Direkter Realismus. Bemerkungen zur Aufhebung des alltäglichen Realismus bei Hegel", in: Ralph Schumacher [Hg.], Idealismus als Theorie der Repräsentation, Paderborn 2001, 147-163, 153). 5 Klaus Düsing räumt ein, die Abbildung des Schlusses der Methode auf eine bestimmte syllogistische Figur sei „für Hegel wohl kaum von Bedeutung" („Syllogistik und Dialektik", 36).

DIE DIALEKTISCHE BEWEGUNG DES BEGRIFFS

75

Bewegung als „absolute Tätigkeit", wodurch der Begriff sich selbst bestimmt und realisiert (GW 12, 238).6 Weil sich die Wissenschaft der Logik am Ende als die Realisierung dessen erweist, womit der Anfang gemacht wurde, besitzt sie insgesamt eine zyklische Struktur. Die ganze Bewegung ist nichts anderes als die „Vermittlung" des Anfangs. Dieser „wird ein Vermitteltes, und die Linie der wissenschaftlichen Fortbewegung macht sich damit zu einem Kreis" (GW 11, 35). Im Methoden-Kapitel gebraucht Hegel für die Bewegung der Wissenschaft das berühmte Bild eines „in sich geschlungenen Kreises" oder eines „Kreises von Kreisen" (GW 12, 252). Die zyklische Bewegung darf nicht mit Zirku-

gleichgesetzt werden. Wenn Hegel von der Bewegung und der Tätigkeit des Begriffs spricht, hat er vielmehr die organische Entwicklung eines lebendigen Wesens vor Augen. Die Entwicklung des Lebendigen geht einher mit dem Wandel seiner äußeren Gestalt. So beschreibt Goethe die fortschreitende Ausbildung der Pflanzen mit dem Begriff der Metamorphose. Hegel erwähnt die „Metamorphose der Pflanzen" in der Naturphilosophie und spricht Goethe große Verdienste um das „Erkennen der Einheit des Lebens" zu (E § 345 Anm.). Im Blick auf die Logik ist daran von Belang, dass Hegel seinerseits in der Einleitung zur Philosophie der Natur den Ausdruck ,Metamorphose' für die Entwicklung des Begriffs reserviert. „Die Metamorphose kommt nur dem Begriff als solchem zu, da dessen Veränderung allein Entwicklung ist" (E § 249). Angesichts dessen kann kaum ein Zweifel bestehen, dass Hegel die dialektische Bewegung des Begriffs in Anlehnung an eine organische Entwicklung verstanden wissen will. Mit der Betonung der organischen Entwicklung soll die Bedeutung des Widerspruchs für die dialektische Methode nicht geleugnet werden. Vielmehr hängen die beiden Aspekte im antinomischen Charakter des Begriffs von Organismen als Naturzwecken zusammen, den Kant in den Mittelpunkt des zweiten Teils seiner Kritik der Urteilskraft gestellt hatte. In der Eigentümlichkeit, sich selbst zu entwickeln, erblickt Hegel den Unterschied zwischen den Kategorien des Seins und des Wesens auf der einen und dem Begriff auf der anderen Seite. Auch bei den ersten beiden kann von einem „Fortgehen" gesprochen werden, insofern jede neue Bestimmung aus der vorherigen durch reines Denken entspringt. Hegel kennzeichnet den Fortgang innerhalb der Objektiven Logik als „Übergehen" und als „Scheinen in Anderes". Doch erst in der Subjektiven Logik larität

Später heißt es in Bezug auf das Resultat der Methode, es sei „nicht ein ruhendes Drittes, sondern [...] die sich mit sich selbst vermittelnde Bewegung und Tätigkeit" (GW 12, 248). 7 In der Einleitung zur Enzyklopädie nennt Hegel die einzelnen Teile der Philosophie „ein philosophisches Ganzes, einen sich in sich selbst schließenden Kreis". Dagegen stelle sich die „philosophische Idee" oder das System „als ein Kreis von Kreisen dar" (E § 15). 8 Der organische Charakter der Bewegung der Methode kommt meines Erachtens insgesamt zu kurz in dem Kommentar von Ludovicus de Vos, Hegels Wissenschaft der Logik: Die absolute Idee. Einleitung und Kommentar, Bonn 1983. 9 Über die Ursprünge von Hegels früher Lebensmetaphysik in der kantischen Antinomienlehre informiert Manfred Baum, Die Entstehung der Hegeischen Dialektik, 29 und 56 ff. 6

76

Die Definition des Schlusses

kann indes von einer Entwicklung die Rede sein, da „das Unterschiedene unmittelbar zugleich als das Identische miteinander und mit dem Ganzen gesetzt" ist (E § 161).

1.

Begriff, Urteil und Schluss in der absoluten Methode

Ein Blick in den Text des letzten Kapitels der deutlich, dass Hegel die absolute Methode nicht

Wissenschaft

der Logik macht schnell mit den beiden Prämissen und dem Schlusssatz eines Syllogismus in Verbindung bringt, sondern dass er sie gleichzeitig als einen Prozess auffasst, in dessen Verlauf sich der Begriff durch ursprüngliche Teilung zum Urteil und das Urteil durch Vermittlung zum Schluss entwickelt. Fragt man nach der Bedeutung der Schlusslehre für Hegels Methode, spielt die Trias von Begriff, Urteil und Schluss daher eine wenigstens ebenso wichtige Rolle wie die vermeintlich syllogistische Form des Ganzen. Hegel beginnt das Kapitel über die absolute Idee mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich bei den Elementen der Methode um „die Bestimmungen des Begriffes selbst und deren Beziehungen" handle (GW 12, 239). Als die Bestimmungen des Begriffs hatte er im ersten Kapitel der Subjektiven Logik die drei Momente des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen eingeführt. Die Beziehungen der drei Momente des Begriffs kommen in den logischen Formen des Urteils und des Schlusses zum Ausdruck. Sie besitzen demnach allesamt eine methodische Benur

deutung. Macht man mit den Angaben Hegels emst und unterstellt eine Entsprechung zwischen den Etappen der absoluten Methode und der Einteilung des formellen Begriffs, dann ist der Anfang der Methode dem Begriff als solchem sowie dem Moment der Allgemeinheit zuzuordnen. Da er ohne jede weitere Bestimmung sein soll, kennzeichnet Hegel den Anfang als „ein Unmittelbares". Da er sich ferner in der Sphäre des Denkens und nicht bloß der sinnlichen Anschauung oder der Vorstellung bewegt, muss das Unmittelbare „den Sinn und die Form abstrakter Allgemeinheit" haben (GW 12, 239). Inwiefern der Anfang der Wissenschaft der Logik mit dem reinen Sein diesen Kennzeichnungen gerecht wird, kann ich hier nicht weiter erörtern.1 Die Bewegung der Methode beginnt jedenfalls mit der Einsicht, dass das abstrakte Allgemeine „mit einer Negation behaftet ist". Solange das Allgemeine rein abstrakt gedacht wird, bedeutet es

Vgl. zum Folgenden die an der Trias von Begriff, Urteil und Schluss orientierte Interpretation der spekulativen Methode von Hans Friedrich Fulda, „Hegels Dialektik als Begriffsbewegung und Darstellungsweise", in: Rolf-Peter Horstmann (Hg.), Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels, Frank10

furt a. M. 1978, 124-174. 11 Am Beginn des Objektivitäts-Kapitels kennzeichnet Hegel die „abstrakte Allgemeinheit" als die Form der Unmittelbarkeit „in der Sphäre des Begriffs" (GW 12, 130). 12 Vgl. dazu immer noch Dieter Henrich, „Anfang und Methode der Logik", in: Hans-Georg Gadamer (Hg.), Heidelberger Hegel-Tage 1962. Vorträge und Dokumente, Bonn 1964, 19-35, sowie Wolfgang Wieland, „Bemerkungen zum Anfang von Hegels Logik", in: Helmut Fahrenbach (Hg.), Wirklichkeit und Reflexion, Tübingen 1973, 395^114.

77

Die dialektische Bewegung des Begriffs

nicht die „konkrete Totalität", die unter dem Allgemeinen auch verstanden werden kann (240). Begreift man das Allgemeine aber als eine konkrete Totalität, fährt Hegel in seinen Überlegungen fort, tritt sofort die Differenz hervor. Denn handelte es sich bei

dem Allgemeinen nicht um die Einheit Verschiedener, wäre es nichts Konkretes. Dieses Hervortreten von Unterschieden bezeichnet Hegel als „das Urteil" oder „das Bestimmen

überhaupt" (241).13

An der Stelle siedelt Hegel seinen Begriff der Dialektik an. „Dieses so sehr synthetische als analytische Moment des Urteils, wodurch das anfängliche Allgemeine aus ihm selbst als das Andere seiner sich bestimmt, ist das Dialektische zu nennen" (242). In der Abhandlung über die absolute Methode beschreibt Hegel das Zweite in der Hauptsache als „das Negative des Ersten" (244). Die konkreten Unterschiede sind etwas Anderes als das abstrakte Allgemeine des Anfangs. Zugleich trägt das Negative die Beziehung auf das Positive als sein Anderes in sich. Das bedeutet formal, dass das Negative ein Verhältnis zu etwas ist, das seinerseits durch die negative Beziehung auf jenes gekennzeichnet ist. Es ist das „Negative des Negativen". Der Schritt von dem Negativen als dem Anderen des Positiven zu dem Negativen als dem Anderen seiner selbst ist entscheidend für das Verständnis der Methode. Bekanntlich liegt in der doppelten Verneinung gleichsam der Motor der dialektischen Bewegung des Begriffs. Es würde zu weit führen, wollte ich auf das mit dem Stichwort der absoluten Negativität verbundene DesThema der Selbstbezüglichkeit der Negation hier auch nur im Ansatz selbst auf sich die mich dass mit dem halb begnüge ich Hinweis, negative Beziehung das ist, was die Methode ihrer Struktur nach zu etwas Subjektivem macht. Hegel spricht von dem „einfachen Punkt der negativen Beziehung auf sich" als dem „innersten Quell aller Tätigkeit, lebendiger und geistiger Selbstbewegung" (246). Die Einsicht in die Selbstbezüglichkeit der Negation ist im Verlauf der Methode sowohl „das Dritte" als auch der „Wendepunkt" der Entwicklung. Mit dem Wendepunkt meint Hegel nicht die Umkehr der Richtung der Bewegung, sondern die Rückkehr zu ihrem Anfang. Soll das Negative einerseits das Verhältnis zum Positiven in sich fassen, und soll dieses Verhältnis andererseits als die Beziehung des Negativen auf sich selbst gelten, muss das Dritte in gewisser Hinsicht dem Ersten gleichen. Daher „kehrt der Verlauf des Erkennens" in dem Wendepunkt „in sich selbst zurück" (247). Wie Hegel den Schritt, in dem das Allgemeine sich selbst bestimmte, als Urteil bezeichnete, so assoziiert er die Rückkehr der Bewegung zu ihrem Anfang mit der logischen Form des

eingehen.14

13 Der Schritt des „Urteils" im Sinn des Hervortretens der Differenz findet sich nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten und dritten Abschnitt der Subjektiven Logik. So bildet der Chemismus „im Ganzen der Objektivität das Moment des Urteils", und das Erkennen ist die Idee „in ihrem Urteil" (GW 12, 148 und 192). 14 Vgl. dazu den klassischen Aufsatz von Dieter Henrich, „Hegels Grundoperation. Eine Einleitung in die ,Wissenschaft der Logik' ", in: Ute Guzzoni; Bernhard Rang; Ludwig Siep (Hg.), Der Idealismus und seine Gegenwart, Hamburg 1976, 208-230, sowie Anton Friedrich Koch, „Die Selbstbeziehung der Negation in Hegels Logik", in: Zeitschrift für philosophische Forschung 53, 1999, 1-29.

78

DIE DEFINITION DES SCHLUSSES

Schlusses. Der Grund ist zunächst, dass das Dritte als „die Einheit des ersten und zweiMoments, des Unmittelbaren und des Vermittelten" gelten kann (ebd.). Genauer interpretiert Hegel die ganze Methode als einen Schluss, in dem das Verhältnis des Unmittelbaren „zu seinem Anderen" als die erste und die Beziehung des Negativen „auf sich selbst" als die zweite Prämisse fungieren (246). Die Konklusion entspricht der Rückkehr zur Unmittelbarkeit durch die Aufhebung der Vermittlung. „Das Dritte ist der Schlusssatz, in welchem er [sc. der Begriff] durch seine Negativität mit sich selbst vermittelt, hiermit für sich als das Allgemeine und Identische seiner Momente gesetzt ist" ten

(248).15

Hier zeigt sich die für Hegels Methode unvermeidliche, die Darstellung erschwerende Mehrdeutigkeit der logischen Kategorien. Der Gedankengang kann nur unter der Bedingung sowohl zum Anfang zurückkehren als auch einen Fortschritt machen, dass die Bedeutung des Begriffs einem Wandel unterliegt. „Der Begriff selbst ist. für uns zunächst, sowohl das an sich seiende Allgemeine als das für sich seiende Negative als auch das dritte An-und-für-sich-Seiende" (ebd.). Als das Zweite oder Für-sich-Seiende ist der Begriff das Urteil und als das Dritte ist er der Schluss. Wie ich schon in der Einleitung erörtert habe, behilft sich Hegel, indem er den Begriff als solchen, das Urteil und den Schluss unter den Titel des formellen Begriffs zusammenfasst. Mit Blick auf das Paradigma der organischen Entwicklung lässt sich die Bewegung des Begriffs als schrittweise Ausdifferenzierung beschreiben. Hegel versucht dem Tatbestand dadurch Rechnung zu tragen, dass er die dialektische Methode als analytisch und synthetisch zugleich kennzeichnet. Verliert man das Paradigma der Entwicklung des Lebendigen aus dem Blick, scheint die dialektische Methode hingegen darauf hinauszulaufen, einem Subjekt einander entgegengesetzte oder widersprechende Bestimmungen beizulegen.16 Wie der kurze Überblick hoffentlich deutlich gemacht hat, bestimmt die aus dem ersten Abschnitt der Subjektiven Logik stammende Trias von Begriff, Urteil und Schluss die Struktur der absoluten Methode. Dabei besitzen .das Urteil' und ,der Schluss' weniger den Sinn logischer Formen als den der ursprünglichen Teilung sowie der Vermittlung des Gegensatzes mit der ursprünglichen Einheit. Das Ziel der absoluten Methode besteht in der Entwicklung der Bedeutung dessen, was eigentlich ,der Begriff heißt. Im Zuge der ursprünglichen Teilung sowie der Vermittlung entwickelt sich die Bedeutung des Begriffs, der am Ende als die organische Einheit der gegensätzlichen Bestimmungen erscheint. Dem Schluss kommt dabei insofern eine besondere Stellung zu, als in der Form des Schlusses die Beziehung des organischen Ganzen in seinen Unterschieden auf sich selbst zum Ausdruck kommt, um deren Darstellung es der spekulativen Philosophie letztlich zu ton ist. Umgekehrt ist zu sagen, dass man die Natur des Schlusses in Hegels Augen erst dann richtig versteht, wenn man die syllogistische Form im Sinn der 15 Vgl. unter Negativität ist „wesentlich die Negation des Andersseins zu verstehen, die als solche Beziehung auf sich selbst ist" (GW 11, 77). 16 Hans Friedrich Fulda bedauert, dass unsere Sprache über kein der dialektischen Methode angemessenes Bewegungsprädikat verfügt (vgl. „Hegels Dialektik", 160 f.).

79

DIE DIALEKTISCHE BEWEGUNG DES BEGRIFFS

Trias

von

Begriff, ursprünglicher Teilung

und

Wiederherstellung

der Einheit des Be-

griffs deutet.

2. Die dialektische Bewegung des

spekulativen Satzes

Entwicklungsgeschichtlich lässt sich Hegels These von der dialektischen Bewegung des Begriffs bis in die Jenaer Zeit zurückverfolgen. Ihren markantesten Ausdruck findet sie in der Lehre der Phänomenologie des Geistes vom spekulativen Satz. Schon die Platzierung in der Vorrede zum ersten Systemteil weist auf die grundsätzliche Bedeutung des Lehrstücks hin.17 Die Funktion der Vorrede besteht in der Orientierung des Lesers über Hegels Verständnis von Philosophie. Hegel knüpft die Wissenschaftlichkeit eines philosophischen Systems an die Behauptung, dass die Wahrheit „an dem Begriff allein das Element ihrer Existenz" habe. Damit verbindet er eine scharfe Polemik gegen die „Überzeugung des Zeitalters", das Absolute solle „nicht begriffen, sondern gefühlt und angeschaut" werden (GW 9, 12). Außerdem fordert er die Auffassung des Wahren „nicht als Substanz, sondern ebenso sehr als Subjekt" und als das Ganze, das heißt „das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen" (18 f.). Im weiteren Verlauf der Vorrede kommt Hegel dann auf die angemessene philo1 c\ sophische Methode zu sprechen. Er grenzt das „begreifende Denken" der Philosophie in zwei Richtungen ab. Beiden ist gemeinsam, dass sie die Form und den Inhalt des Erkennens als zwei Aspekte ansehen, die sich problemlos voneinander trennen lassen. Die Philosophie schlägt sich dann entweder auf die Seite der Form und meint, ihre Einsichten unabhängig von einem bestimmten Inhalt gewinnen zu können. Hegel spricht von dem „formalen Denken, das in unwirklichen Gedanken hin und her räsoniert". Das andere Extrem bildet das so genannte „materielle Denken", bei dem die Philosophie ihren Inhalt einfach der Vorstellung entnimmt, egal ob die betreffenden Vorstellungen dem gesunden Menschenverstand, der Einbildungskraft des Genies oder unmittelbar der göttlichen Eingebung entstammen. Das philosophische Begreifen unterscheidet sich für Hegel vom formellen ebenso wie vom materiellen Denken dadurch, dass seine logische Form „das einheimische Werden des konkreten Inhalts selbst" ist (41). Da der Inhalt der Philosophie das Wahre und das Ganze ist, und da dieses Hegel zufolge nicht anders existiert als im Element des Begriffs, muss der konkrete Inhalt des begreifenden Denkens der Begriff sein. Die Form der Philosophie ergibt sich somit aus der Entwicklung des Begriffs. „Die Wissenschaft darf sich nur durch das eigene Leben

Hegel hat den Gedanken von der Bewegung des spekulativen Satzes in der Anmerkung 2 zum Kapitel der Seinslogik wieder aufgenommen (vgl. GW 11, 52 / GW 21, 77 f. sowie dazu Wohlfart, Der spekulative Satz, 228-256). 18 Die Ausführungen besitzen Hegel zufolge nicht mehr als hinweisenden Charakter. Für die „eigentliche Darstellung" der Methode verweist er auf die „spekulative Philosophie", die er zuvor bereits mit der „Logik" identifiziert hat (GW 9, 43 und 30). 17

ersten

80

Die Definition des Schlusses

Begriffs organisieren" (38). Auf die Feststellung folgt eine knappe Skizze der Weise, wie das Leben des Begriffs die Wissenschaft organisiert. Hegel spricht von der „Bewegung des Seienden" (ebd.), in deren Verlauf sich das, was ist, als der Begriff erweist. Die Bewegung, die Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes schildert, gleicht in wesentlichen Zügen bereits der Entwicklung der absoluten Methode. Hegel schreibt: des

„Die Bewegung des Seienden ist, sich einesteils ein Anderes und so zu seinem immanenten Inhalt zu werden; andernteils nimmt es diese Entfaltung oder dies sein Dasein in sich zurück, d. h. macht sich selbst zu einem Moment und vereinfacht sich zur Bestimmtheit" (GW 9, 38). Im Vergleich zur Nürnberger Logik fehlt vor allem die ausführliche Besprechung des Problems des Anfangs. Doch hier wie dort beginnt die Bewegung mit der ursprünglichen Teilung. Indem das Seiende „ein Anderes" wird, bekommt es seinen „immanenten Inhalt". Dem Wendepunkt der absoluten Methode entspricht das „Zurückgehen in sich". In den zwei Phasen der Bewegung des Seienden kommen die beiden Aspekte von „Negativität" zum Ausdruck. Zunächst bedeutet Negativität „das Unterscheiden und das Setzen des Daseins". Durch die Rückkehr in sich selbst wird der bestimmte Inhalt zu einem Moment des Ganzen. Deshalb ist die Negativität in einem zweiten Sinn „das Werden der bestimmten Einfachheit" (ebd.). Diese bestimmte, negativ auf sich selbst bezogene Einfachheit nennt Hegel schon in der Phänomenologie den Begriff. Die „Natur dessen, was ist", besteht also darin, „in seinem Sein sein Begriff zu sein". Die Bewegung des Seienden „erhebt" sich von selbst „zur logischen Form" und das „konkrete Dasein" ist „unmittelbar logisches Dasein" (40 f.). Die nähere Gestalt der logischen Form bzw. des logischen Daseins beschreibt Hegel in der Theorie des spekulativen Satzes. Die Kritik, die Hegel im Zuge dessen an der Natur des Urteils und an der Deutung des Unterschieds zwischen Subjekt und Prädikat nach dem Schema von Substanz und Akzidens übt, haben wir im letzten Abschnitt kennen gelernt. Wie wir ferner gesehen haben, hält Hegel auch die Transzendentalphilosophie mit ihrer Unterscheidung zwischen dem ruhenden Subjekt und dessen wechselnden Vorstellungen für in dem Schema von Substanz und Akzidens gefangen. Jetzt kommt es darauf an, dass Hegel die Zerstörung der Natur des Urteils als „dialektische Bewegung" charakterisiert, in deren Verlauf „die Form des Satzes aufgehoben wird". Daher genügt es nicht, einen vermeintlich spekulativen Satz wie ,das Wirkliche ist das Allgemeine' einfach zur Kenntnis zu geben und darauf zu vertrauen, dass seine Bedeutung schon richtig aufgefasst werde. Die Aufhebung des Unterschieds zwischen dem Subjekt und dem Prädikat soll nicht nur „auf unmittelbare Weise" und „durch den bloßen Inhalt" geschehen. Zwar lässt sich die Wirkung des spekulativen Satzes als ein „Gegenstoß" zu der Unterscheidung von Subjekt und Prädikat und als eine „Hemmung" des Fortlaufens von Prädikat zu Prädikat beschreiben.19 Aber der Verweis an dieses „in19

„Das vorstellende Denken [...] wird, indem das,

was

im Satz die Form eines Prädikats hat, die

81

DIE DIALEKTISCHE BEWEGUNG DES BEGRIFFS

Anschauen" überhebt einen nicht der „Darstellung" der „dialektischen Bewegung des Satzes". Dazu sind notgedrungen nicht ein, sondern mehrere Sätze erforderlich. Denn als ein einfacher Satz „ist das Spekulative nur die innerliche Hemmung und die nicht daseiende Rückkehr des Wesens in sich" (45). nere

3. Die

Bewegung des Urteils in der Jenaer Philosophie des Geistes

Über die Art, wie die Darstellung der dialektischen Bewegung des Satzes genau zu erfolgen hat, gibt die Vorrede zur Phänomenologie des Geistes keine Auskunft. Nichts-

destoweniger besteht meines Erachtens Anlass zu der Vermutung, dass Hegel den methodischen Schritt des Zurückgehens in sich nicht erst in der Nürnberger Logik, sondern schon in Jena mit der logischen Form des Schlusses verband. Stützen möchte ich meine Behauptung auf eine Stelle aus dem so genannten dritten Jenaer Systementwurf, der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06. Im ersten Teil der Philosophie des Geistes entwickelt Hegel die Begriffe der Intelligenz und des Willens. Die Abhandlung über die Intelligenz entspricht, was die Anordnung des Stoffes betrifft, im Wesentlichen bereits dem Kapitel der Enzyklopädie über den theoretischen Geist. Nach der Anschauung, der Erinnerung, der Einbildungskraft und dem Gedächtnis kommt Hegel auf das Denken zu sprechen. In einer längeren Randbemerkung über das Denken des Verstandes findet sich eine für mein Thema äußerst aufschlussreiche Erklärung der Art, wie der Verstand urteilt. Weil es sich um eine stichwortartige Notiz handelt, sei der Text zunächst ganz zitiert: „Der Verstand [...] urteilt, ist die Bewegung des bestimmten Begriffs. Einzelheit und Allgemeinheit sind verschieden und entgegengesetzt, a) Schluss sie sind also, der ersten Ansicht nach, nur in einem Dritten gleich; Kopula ist Ich, trägt sie, es ist zunächst das Leere. Aber wie ist dies Dritte beschaffen, ß) es ist nicht die reine Kopula A A, leere Identität meinen oft, sie sei die absolute sonst wäre es nicht die Gleichheit derselben, y) sondern enthält sie beide, ebenso ihre Gleichheit als ihr Gegensatz ist Ich; 5) dasselbe sind sie beide (Seiende) -jedes ist darin dem anderen gleich, worin es ihm entgegengesetzt ist; oder es ist ihm darin entgegengesetzt, worin es ihm gleich ist Unterschied und Gleichheit sind dasselbe" (GW 8, 197 Anm.). -

=

-

-

-

Passage mischen sich unübersehbar gewisse Annahmen über die Natur der Verbindung des Einzelnen mit dem Allgemeinen in einem Urteil, die wir schon aus dem Aufsatz über Glauben und Wissen kennen, mit dem Motiv der dialektischen Bewegung des Begriffs. Wie aus dem Zusammenhang der Bemerkung hervorgeht, dient das Urteil dem denkenden „Ich" dazu, den „bestimmten Begriff von einem „Ding" zu gewinnen. In der

Substanz selbst ist, in seinem Fortlaufen

gehemmt. Es erleidet, es so vorzustellen, einen Gegenstoß" (GW 9, 43). 20 Vgl. GW 8, 185-201 mit HE § 368-387 und E § 445^168. Siehe außerdem den entsprechenden Abschnitt der Philosophischen Enzyklopädie für die Oberklasse (§ 129-172 [WW 4, 42-56]).

82 Die

DIE DEFINITION DES SCHLUSSES

Hegel spricht, besteht in der Vermittlung des Gegensatzes von er die dialektische Bewegung des spekulativen Satzes als die Zerstörung der Natur des Urteils beschreibt, schildert Hegel die Bewegung des Urteils in der Philosophie des Geistes als einen Schluss. Weil das Einzelne und das Allgemeine in dem Urteil zunächst als „verschieden und entgegengesetzt" erscheinen, bedarf es eines Dritten, in dem sie gleich sind. Ohne ein solches Drittes käme das Ich nicht zu dem bestimmten Begriff eines Dings. Da am Anfang der Passage das Stichwort „Schluss" fällt, liegt die Vermutung nahe, dass Hegel mit dem „Dritten" auf den mittleren Term anspielt. Doch stattdessen spricht er von der Kopula, die er ihrerseits als „Ich" interpretiert. Der „ersten Ansicht nach" sind Einzelheit und Allgemeinheit oder das Subjekt und das Prädikat des Urteils nur in dem Ich gleich, das sie beide „trägt" und das durch die Kopula vertreten wird. Die Assoziation der Kopula mit dem denkenden und urteilenden Ich ist eine Anspielung auf Kant und Fichte. Das wird im nächsten Satz deutlicher, wenn Hegel die „leere Identität" der „reinen Kopula" von der absoluten Identität abgrenzt. Die leere Identität, die ihren Ausdruck in der Formel ,A A' findet, verbietet Hegel zufolge die Annahme eines Gegensatzes. Daher vertritt die reine Kopula nicht die Gleichheit Entgegengesetzter. Ein Drittes, in dem die Entgegengesetzten gleich sind, muss sie beide „enthalten". Es kann sich freilich nicht um die leere, sondern nur um die absolute Identität handeln. Hegel Bewegung,

von

der

„Einzelheit" und „Allgemeinheit". Während

=

kennzeichnet die absolute genau wie die leere Identität als „Ich". Dieses Ich enthält die Entgegengesetzten. Es ist die absolute Identität der Einzelheit und der Allgemeinheit. Die Beschaffenheit des Ichs kann deshalb so beschrieben werden, dass es „ebenso ihre Gleichheit als ihr Gegensatz" ist. Die Unterscheidung der beiden Arten von Identität ist uns schon in Glauben und Wissen begegnet. Dort hatte Hegel mit Blick auf Kants transzendentale Einheit der Apperzeption die „verständige" Identität des „leeren Ichs" von der „absoluten" oder „vernünftigen" Identität des „wahren Ichs" abgegrenzt (GW 4, 328). In der zitierten Passage aus der Philosophie des Geistes von 1805/06 geht es Hegel zwar nicht um die ursprüngliche Einheit des Ichs, das „absolut aus sich das Urteil setzt" (ebd.), sondern um die Bewegung des Urteils, an deren Ende sich die Einheit der Gleichheit und des Gegensatzes im Ich ergibt. Aber die Verfassung des Ichs ist beide Male die gleiche. In dem Ich werden die Einzelheit und die Allgemeinheit sowohl miteinander gleich- als auch einander entgegengesetzt. „Jedes ist darin dem anderen gleich, worin es ihm entgegengesetzt ist; oder es ist ihm darin entgegengesetzt, worin es ihm gleich ist." Daraus ergibt sich, dass in dem Ich der Unterschied und die Gleichheit vereinigt sein müssen, wie es am Ende der Notiz heißt: „Unterschied und Gleichheit sind dasselbe" (GW 8, 197 Anm.). Hegel konzipiert das Urteil demnach als ein Verhältnis des Einzelnen und des Allgemeinen in einem Dritten, das seinerseits die Einheit der Gleichheit und des Gegensatzes beider ist. Außerdem versteht Hegel das Urteil offenbar als eine Bewegung, in deren Verlauf die Einheit der beiden Seiten in der Gestalt eines Dritten schrittweise zur Ausprägung kommt. Hinter der Verfassung des Ichs lässt sich unschwer die spekulative

83

DIE DIALEKTISCHE BEWEGUNG DES BEGRIFFS

Grundfigur der Identität der Identität und der Nichtidentität wiedererkennen. Weiterhin schlägt sich in der Bewegung des Urteils die von Hegel um die Mitte seines Aufenthalts in Jena neu gewonnene Einsicht in die Struktur der Subjektivität nieder. In der Metaphysik des zweiten Jenaer Systementwurfs bestimmt er den „absoluten Geist" als die Beziehung des Geistes auf sich selbst im Anderen seiner.21 Den Gedanken hat Hegel in dem dritten Systementwurf weiter ausgeführt. Am Ende des Abschnitts über das intelligente Ich geht der Verstand in die Vernunft über. Während der Verstand den bestimmten Begriff eines Dings gewinnen will, bezieht sich die Vernunft in ihrem Gegenüber 22 auf sich selbst.

4. Der Schluss als

Systemform

Begriff des Geistes als die Beziehung auf sich im Anderen seiner selbst bildet die Grundlage, auf der Hegel seine als Theorie der Sittlichkeit begonnene Philosophie des Geistes umgestaltete und die vielfältigen in ihr enthaltenen Phänomene in einen systematischen Zusammenhang brachte. Gleichzeitig mit der neuen Konzeption von Subjektivität gewinnt die Form des Schlusses eine zuvor nicht gekannte Bedeutung. Während das Stichwort in der zitierten Randbemerkung eher beiläufig fällt, spricht Hegel im Haupttext wenig später von der Beziehung zweier „Extreme" durch eine „Mitte", die sowohl die Einheit als auch den Gegensatz der Bezogenen darstellt. Der

„Gerade in ihrer Einheit und in ihrer Entgegensetzung sind sie aufeinander bezogen, und indem beides [sc. Einheit und Entgegensetzung; G. S.] ein anderes ist als sie, ist es ihre Mitte, die sie bezieht. Es ist ihr Schluss gesetzt; sie sind, insofern sie entgegengesetzt sind, in einem Dritten eins, und insofern sie gleich sind, ist ihre Entgegensetzung, das sie Dirimierende ebenso ein Drittes" (GW 8, 199).

Hegel bestimmt die Mitte des Schlusses nicht einfach als die Einheit des Einzelnen mit dem Allgemeinen. Sein Gedanke ist vielmehr der, dass ihre Beziehung ein Drittes voraussetzt, das seinerseits als die Einheit der Gleichheit und des Gegensatzes der beiden ersten verstanden werden muss. Versteht man die Bewegung des Urteils richtig, nämlich als einen Schluss, dessen Mitte die Einheit der Gleichheit und des Gegensatzes seiner Extreme bedeutet, erscheint das Denken als die Beziehung des Ichs auf sich selbst. „Die Intelligenz hat auf diese Weise nicht einen anderen Gegenstand mehr zu ihrem „Der absolute Geist ist das Sichselbstgleiche, das sich nur auf sich selbst bezieht. [...] Diese Beziehung des Geistes auf sich selbst, das an ihm selbst zugleich das Andere seiner selbst ist, ist das Unendliche" (GW 7, 174 f.). 22 „Der Verstand ist Vernunft, und sein Gegenstand ist Ich selbst" (GW 8, 199). Vgl. den Übergang vom Verstand zum Selbstbewusstsein in der Phänomenologie des Geistes (GW 9, 100 ff). 23 Zum Übergang von der Theorie der Sittlichkeit zur Philosophie des Geistes vgl. Rolf-Peter Horstmann, „Probleme der Wandlung in Hegels Jenaer Systemkonzeption", in: Philosophische Rundschau 21

-

19, 1972,87-118, 112-117.

84

Die Definition des Schlusses

Inhalt, sondern sie hat sich erfasst und ist sich der Gegenstand." Daher verschwindet

Hegel zufolge der Unterschied zwischen dem denkenden Ich und dem gedachten Ding. „Der Gegenstand ist an sich, was sie [sc. die Intelligenz; G. S.] ist, und darum kann er aufgehoben werden." Was bleibt, ist das Verhältnis des Ichs zu sich selbst. Indem Hegel das Verhältnis als die Beziehung auf sich selbst als ein Anderes interpretiert, vermeidet er, dass das Ich leer bleibt. Die logische Form, in der diese Art der Selbstbezüglichkeit zum Ausdruck kommt, ist der Schluss. So schreibt Hegel von der Vernunft, sie sei „der Schluss in seiner Unendlichkeit, der sich in Extreme entzweit, welche unmittelbar, indem sie sind, eben zu ihrem Ansich das Andere haben" (200 Der Textbefund lässt kaum einen Zweifel übrig, dass Hegel am Ende der Jenaer Zeit die Form des Schlusses nicht nur für geeignet hielt, den wahren Sinn der Synthesis des Urteils zum Ausdruck zu bringen, sondern dass er dem Schluss darüber hinaus eine systembildende Funktion beimaß. Ein wichtiges Indiz dafür liefert der Umstand, dass er in dem dritten Systementwurf ganze Partien der Realphilosophie in der Form von Schlüssen abzuhandeln beginnt." Das augenfälligste Beispiel ist die Darstellung des lebendigen Organismus. Hegel bestimmt den „organischen Prozess" zunächst als die „Mitte" zwischen den „Extremen" der unorganischen Natur und der Gattung ( 120) und legt anschließend das Verhältnis der drei Terme in einer Folge von drei Schlüssen aus (121 f.). Wie man leicht sieht, verfügt er schon damals über das Motiv des Kreises von drei Schlüssen, die zustande kommen, indem die Terme ihre Stellung wechseln. Der Gedanke wird uns im Zusammenhang mit der Ableitung der syllogistischen Figuren im zweiten Teil noch genauer beschäftigen. Hegel gebraucht den Schluss als Mittel zur systematischen Darstellung nicht nur in der Realphilosophie von 1805/06, sondern auch in der Phänomenologie des Geistes. Dort bestimmt er beispielsweise das Organische als einen Schluss, dessen Extreme das Leben „als Gattung" und als „allgemeines Individuum" bilden und dessen Mitte „aus beiden zusammengesetzt" ist (GW 9, 164). Während er als das allgemeine Individuum die Erde bezeichnet, meint Hegel mit dem aus den beiden Extremen Zusammengesetz27 ten die verschiedenen Gestalten des Lebendigen. Ein weiterer Schluss findet sich in der sittlichen Welt. Als die Extreme fungieren das menschliche und das göttliche Gesetz. Die Mitte ist wiederum zusammengesetzt, und zwar aus dem Mann als dem Vertreter des menschlichen und der Frau als der Vertreterin des göttlichen Gesetzes.28 „Die

f.).24

24 In einer Randbemerkung zu der Stelle heißt es: „Ich alle Wirklichkeit" (GW 8, 200). 25 Auf die beherrschende Stellung des Vernunftschlusses in dem dritten Jenaer Systementwurf hat bereits Hermann Schmitz hingewiesen (vgl. Hegel als Denker der Individualität, Meisenheim am Glan 1957, bes. 133-137). 26 Zu dem organischen Schluss insgesamt vgl. den Kommentar von Henry S. Harris, Hegel's Development, II: Night Thoughts (Jena 1801-1806), Oxford 1983, 523-544. 27 Vgl. GW 9, 165. Hegel bestreitet freilich die Möglichkeit eines „in sich gegründeten Systems der Gestalten" des Lebens, weil die organische Natur keine Geschichte habe (ebd.). 28 Im Hintergrund steht bekanntlich der Konflikt zwischen Antigone und Kreon. -

DIE DIALEKTISCHE BEWEGUNG DES BEGRIFFS

85

Vereinigung

des Mannes und des Weibes macht die tätige Mitte des Ganzen und das Element aus, das, in diese Extreme des göttlichen und menschlichen Gesetzes entzweit, ebenso ihre unmittelbare Vereinigung ist" (250). Als drittes und letztes Beispiel sei das geistige Kunstwerk genannt. Hier deutet Hegel das homerische Epos als einen Schluss zwischen der Welt der Götter auf der einen und dem Sänger auf der anderen Seite. In der Mitte steht „das Volk in seinen Helden". Sie sind „einzelne Menschen" wie der Sänger, aber „nur vorgestellte und dadurch zugleich allgemeine" wie die Götter (390). Mit der Verwendung des Schlusses als Systemform wendet sich Hegel endgültig von Schellings Methode der philosophischen „Konstruktion" des Absoluten ab.29 Dagegen fordert er nun mit Nachdruck die Darstellung der Philosophie in der „Form des Begriffs" (12). Die Stellen aus der Phänomenologie des Geistes belegen eindrucksvoll den Gebrauch, den Hegel zur Darstellung der verschiedensten Phänomene von der Form des Schlusses macht. Insofern könnte man sagen, dass er am Ende der Jenaer Zeit die Habilitationsthese vom Syllogismus als dem Prinzip des Idealismus einlöst und seine spätere Auffassung vorbereitet, wonach „alles Vernünftige" ein Schluss ist (GW 12, 90). In den Beispielen aus der Phänomenologie des Geistes kommt außerdem klar die Bedeutung des mittleren Terms als die Einheit Entgegengesetzter zur Geltung. Die Einheit ist nichts Abstraktes oder Leeres, sondern in der Mitte erscheinen jeweils die konkreten Gestalten des Bewusstseins. Daran lassen sich die Eckpunkte für die Interpretation der logischen Schlusslehre ablesen. Auch dort geht es wesentlich um die Verfassung der Mitte. Am Ende der Entwicklung des Schlusses steht nicht mehr das abstrakte Allgemeine vom Anfang, sondern der Begriff als etwas Konkretes. in

5. Der Schluss als die

„Wiederherstellung des Begriffs im Urteil"

Nachdem wir einen groben Überblick über Hegels spekulative Methode und sein Konzept der dialektischen Bewegung des Begriffs gewonnen haben, kehre ich zurück zu der Definition des Schlusses als der „Wiederherstellung des Urteils im Begriff (GW 12, 90). Aus dem bisher Gesagten ergibt sich zwanglos, dass Hegel den ersten Abschnitt der Subjektiven Logik als eine organische Entwicklung aufgefasst wissen will, die den Begriff als solchen, das Urteil und den Schluss umfasst. So erklärt Hegel von der „Fortbewegung" des Urteils, sie sei „nur Entwicklung", denn es sei „in ihm dasjenige schon 29 Vgl. Hegels Polemik gegen Schelling und seine Schule in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes (GW 9, 36 ff.) und ähnlich im Methoden-Kapitel der Wissenschaft der Logik (GW 12, 247 f.) sowie die jeweiligen Anmerkungen der Herausgeber. 30 „So hat das Bewusstsein, zwischen dem allgemeinen Geist und seiner Einzelheit oder dem sinnlichen Bewusstsein, zur Mitte das System der Gestaltungen des Bewusstseins, als ein zum Ganzen sich ordnendes Leben des Geistes" (GW 9, 166). 31 Vgl. „Leben, Ich, Geist, absoluter Begriff sind nicht Allgemeine nur als höhere Gattungen, sondern Konkrete" (GW 12, 36).

86

DIE DEFINITION DES SCHLUSSES

was in ihm hervortritt". Was im Urteil hervortritt, ist die „Identität des Bedie durch die ursprüngliche Teilung verloren gegangen zu sein scheint (59). griffs", Man tut deshalb gut daran, die Rede von der Wiederherstellung des Begriffs im Urteil zunächst einmal wörtlich zu nehmen. Wiederhergestellt werden kann nur etwas, das vorher Schaden genommen hat. Hier kommt die Deutung des Urteils als ursprüngliche Teilung wieder zum Tragen. Durch den Übergang zum Urteil wird der Begriff gleichsam beschädigt und verliert seine ursprüngliche Einheit. Der Verlust der Einheit des Begriffs ist indes nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite wird der Begriff nur in der Form des Urteils überhaupt zu etwas Bestimmtem. Erst in dem Urteil werden dem Begriff als Subjekt gewisse Bestimmungen als Prädikate beigelegt. „Das Urteil ist die am Begriff selbst gesetzte Bestimmtheit desselben." Erst infolge der ursprünglichen Teilung treten die verschiedenen Momente, von denen im Begriffs-Kapitel die Rede war, als Bestimmungen des Begriffs hervor. Man mag die Methode Hegels für noch so idiosynkratisch halten der Gedanke, dass ein Begriff nur in dem Maß als bestimmt gelten kann, wie seine Bestimmungen den Inhalt von Urteilen bilden, ist schwer von der Hand zu weisen. In diesem vergleichsweise harmlosen Sinn nennt Hegel das Urteil die „nächste Realisierung des Begriffs". Erklärend fügt er hinzu, die Realität bezeichne „das Treten ins Dasein als bestimmtes Sein überhaupt" (53). Das Urteil bildet also die Art, wie der Begriff formell ,da ist'. Damit ist nicht mehr gesagt, als wenn jemand erklärt, die Regenschauer der letzten Tage bildeten die Art, wie das Wetter ins Dasein tritt. Ihren eigentlichen Gehalt gewinnt die Rede von der Realisierung des Begriffs, wenn man bedenkt, dass Hegel das Urteil als Teil einer Bewegung betrachtet, in deren Verlauf der Begriff sich selbst bestimmt und realisiert. „Das Urteil ist dieses Setzen der bestimmten Begriffe durch den Begriff selbst" (ebd.). An dem Punkt kommt nun der Mangel der Form des Urteils ins Spiel. In dem Urteil werden zwei Bestimmungen des Begriffs aufeinander bezogen, ohne dass das wahre Verhältnis deutlich würde, in dem sie zueinander stehen. Das ändert sich, so die Überlegung Hegels, mit dem Übergang zu der Form des Schlusses. Während die Kopula das Verhältnis der beiden Seiten des Urteils unbestimmt lässt, verkörpert der Mittelbegriff die „bestimmte Einheit" der beiden

vorhanden,

-

Extreme (90). Wenn Hegel den Schluss als die „Wiederherstellung des Begriffs" definiert, geht es also nicht darum, die ursprüngliche Teilung einfach rückgängig zu machen. Deshalb hat man auch die Angabe, dass die Wiederherstellung des Begriffs „im Urteil" erfolgen soll, wörtlich zu nehmen. Das Urteil ist nicht nur das Ergebnis der ursprünglichen Teilung, sondern zugleich der Ort, an dem der Begriff wiederhergestellt wird. Insofern der Mittelbegriff des Schlusses an die Stelle der Kopula tritt, steht er buchstäblich mitten im Urteil. Die dialektische Bewegung des formellen Begriffs enthält demnach zwei Übergänge. In dem ersten Schritt verliert der Begriff seine ursprüngliche Einheit und wird zum Urteil. Die Momente der Einzelheit und der Allgemeinheit treten „als selbständige Extreme" auseinander (ebd.). In dem zweiten Schritt geht das Urteil in die Form des

Schlusses über. Da der mittlere Term die beiden Extreme als seine Momente enthält, tritt in dem Schluss die ursprüngliche Einheit des Begriffs wieder hervor. Versteht man die Definition des Schlusses in der vorgeschlagenen Weise, erhebt sich die Frage, was der mittlere Term mit der Art von Begriffen zu tun hat, die in gewöhnlichen Syllogismen verwendet werden. Hegels Definition beruht offensichtlich auf einer Deutung des Schlusses, die nicht einfach der Sicht der formalen Logik entspricht. Die Lage stellt sich im Gegenteil so dar, dass der Syllogismus selbst eine Entwicklung durchlaufen muss, bis der mittlere Term am Ende als die „bestimmte Einheit" der Extreme gelten kann. Die Entwicklung wird uns im zweiten und dritten Teil der Untersuchung beschäftigen. Dem Ergebnis vorgreifend, nenne ich hier den für das Verständnis der Definition des Schlusses wesentlichen Punkt. Hegel zufolge ist jedes der drei Momente des Begriffs, die als die Terme des Schlusses fungieren, „so sehr ganzer Begriff als bestimmter Begriff und als eine Bestimmung des Begriffs" (32). Ausgehend von der Definition des Schlusses kann daher gesagt werden, dass der mittlere Term die Einheit der Extreme darstellt, weil er als „bestimmter Begriff zugleich der „ganze Begriff ist und als solcher die beiden anderen Momente als „Bestimmungen" in sich enthält. Überblickt man die Ausführungen zu Hegels Definition des Schlusses insgesamt, ergibt sich der folgende Grundgedanke: Die für die spekulative Philosophie bedeutsame Identität entgegengesetzter Bestimmungen muss so verstanden werden, dass die Entgegengesetzten in einem Dritten gleich sind. Soll die Einheit begrifflich zu fassen sein, muss es sich sowohl bei den beiden Entgegengesetzten als auch bei demjenigen, in dem sie gleich sind, um die Momente eines begrifflichen Ganzen handeln. Das Ganze kann 12 darf aber nicht als eme von den drei Bestimmunzwar als das Vierte gezählt werden, gen verschiedene und diese als Akzidenzien tragende Substanz verstanden werden. Dem entgeht Hegel, indem er die Verfassung des Begriffs als ganzen durch das Verhältnis der drei Terme eines Schlusses expliziert. Vor dem zeitgenössischen Hintergrund betrachtet, besitzt die Strategie den Vorzug, dass sie sich zweifelsfrei logisch-begrifflicher Bestimmungen bedient und nicht auf die Anschauung oder das Gefühl zurückgreift. So gelingt es Hegel, sich innerhalb der nachkantischen Philosophie eindeutig zu positionieren. In welcher Weise genau Hegel die Form des Schlusses in der Wissenschaft der Logik zur Darstellung der Verfassung des Begriffs heranzieht, soll uns im

Folgenden beschäftigen.

32 Vgl. die Bemerkung Hegels zur absoluten Methode, das Dritte könne „auch als Viertes und die Form der Methode „als eine Quadruplizität genommen" werden (GW 12, 247).

gezählt"

Zweiter Teil

-

Die drei Figuren des Schlusses

Anders als die Objektive Logik, mit der Hegel weitgehend Neuland betreten hatte, bewegt sich die Lehre vom Begriff zunächst auf dem Terrain der herkömmlichen formalen Logik. Nach der Abhandlung über die so genannten drei Momente des Begriffs als solchen folgt die Urteilslehre, deren Aufbau sich ohne große Schwierigkeiten auf die kantische Urteilstafel zurückführen lässt. Die Schlusslehre beginnt mit der Erörterung der traditionellen Figuren des Syllogismus. Daran schließt sich ein Abschnitt über die Schlüsse der Allheit, der Induktion und der Analogie an, in denen unschwer die kantischen Schlüsse der Urteilskraft zu erkennen sind. Im dritten Teil des Schluss-Kapitels behandelt Hegel die ebenfalls von Kant her geläufigen Formen des kategorischen, des hypothetischen und des disjunktiven Schließens. Der Versuch, das insgesamt recht disparat wirkende Material in eine streng systematische Ordnung zu bringen, hat dem ersten Abschnitt der Subjektiven Logik bei den Kommentatoren bis heute keine guten Noten eingebracht. So als habe er die Kritik vorhergesehen, weist Hegel im Vorbericht auf die Schwierigkeit seines Unternehmens hin. Er sieht sie in der Aufgabe, „ein völlig fertiges und fest gewordenes, man kann sagen verknöchertes Material [...] in Flüssigkeit zu bringen und den lebendigen Begriff in solchem toten Stoff wieder zu entzünden" (GW

12,5). Es spricht wenig für die Annahme, dass Hegel mit der Rede von dem lebendigen Begriff auf die besondere Anmut seiner eigenen Darstellung abzielt. Der Satz ist vielmehr als der Hinweis zu verstehen, dass er es als seine eigentliche Aufgabe betrachtet, das Verhältnis zwischen dem zur Schulweisheit erstarrten Inventar der formalen Logik und dem realen Begriff oder der Idee deutlich zu machen. In der Einleitung zur Subjektiven Logik erklärt Hegel, die „Natur des Begriffs" sei nichts anderes als das „Resultat" der Objektiven Logik (11). Folgt man der groben Skizze, die er anschließend gibt, besteht dieses Resultat in der Bestimmung des absoluten Verhältnisses zu sich selbst sowie in der These, dass ein solches Verhältnis nicht wie von Spinoza als Substanz, sondern als Subjektivität verstanden werden muss. Der erste Teil der Wissenschaft der Logik endet mit dem lapidaren Satz: „Dies ist der Begriff, das Reich der Subjektivität oder der -

-

Freiheit" (GW 11,409). Die Objektive Logik enthält einen Gang des reinen Denkens, an dessen Ende eine Gedankenbestimmung steht, die Hegel den Begriff nennt. In sie gehen die Kategorien des Seins und des Wesens, insbesondere die der absoluten Substanz ein. Über die be-

90

DIE DREI FIGUREN DES SCHLUSSES

sagten Bestandstücke hinaus ist der Ausdruck ,Begriff dagegen nicht mehr als ein am Anfang völlig unausgemacht, wie die Benennung mit dem üblicherweise als ein Begriff gilt und unter diesem Stichwort verzusammenhängt, handelt wird. Angesichts dessen wirkt es beinahe wie eine Erschleichung, wenn Hegel gleichsam übergangslos auf den Begriff im Sinn der formalen Logik zu sprechen kommt. Der Eindruck eines Bruchs im Gedankengang der Wissenschaft der Logik wird indes gemildert, wenn man sich die Strategie vor Augen führt, die Hegel innerhalb der

Name. Deshalb bleibt was

Lehre vom Begriff verfolgt. Er beabsichtigt nämlich gar nicht zu behaupten, dass der formelle Begriff, von dem im ersten Abschnitt der Subjektiven Logik die Rede ist, bereits erkennbar alle diejenigen Merkmale aufweist, die zum Wesen des Begriffs gehören, insofern dieser in die Nachfolge der Substanz Spinozas tritt. In Hegels Augen wird das adäquate Verständnis des Begriffs erst ganz am Ende der Logik erreicht. ' Den Weg dahin beschreibt er so, dass der Begriff als solcher aus den Bestimmungen des Seins und des Wesens hervorgeht und sich seinerseits vom formellen Begriff zur absoluten Idee entwickelt. Erst nachdem der Begriff diese Entwicklung ganz durchlaufen hat, lässt sich der Sinn ganz einsehen, in dem er als „die Wahrheit der Substanz" betrachtet werden muss (GW 12, 12). Am Anfang der Subjektiven Logik steht der ,Begriff in seiner vollen und wahren Bedeutung noch nicht zur Verfügung. Um den Verdacht fernzuhalten, die Bezeichnung der absoluten Substanz als Begriff entspringe der bloßen Willkür, beginnt Hegel seine Darlegung mit solchen Konnotationen, die üblicherweise zur Bestimmung dessen herangezogen werden, was ein Begriff ist. Als den ersten und nächstliegenden Bezugspunkt wählt er die formale Logik. Die Abhandlung über den formellen Begriff soll unter anderem belegen, dass die Funktion und die Bedeutung des Begriffs in der formalen Logik zu der von Hegel entwickelten Konzeption auf eine mehr oder weniger plausible Weise in Beziehung gesetzt werden kann. Es müsse, schreibt Hegel, „an sich in demjenigen, was sonst als der Begriff des Begriffs vorgelegt wird, der hier deduzierte zu erkennen sein" (16). Hegel ist zwar fest überzeugt, dass seine „immanente Deduktion" des Begriffs (ebd.) der gewöhnlichen Behandlung des Themas der Sache nach weit überlegen sei. Aber gerade das entbindet ihn nicht von der Pflicht, deutlich zu machen, warum es sich in beiden Fällen um die Einführung von etwas handelt, das mit Recht ,der Begriff genannt wird. Die These von der erkennbaren Übereinstimmung zwischen der sonst üblichen und seiner eigenen Auffassung von der Natur des Begriffs wirft einiges Licht auf Hegels weiteres Vorgehen. Er entwickelt sein Verständnis der logischen Bestimmungen jeweils im Ausgang von einer als mehr oder weniger unkontrovers angenommenen Sicht der Dinge. Was die Schlusslehre betrifft, verfahrt Hegel so, dass er die logische Form in dem Sinn eines gewöhnlichen Syllogismus aufnimmt und so lange weiter entwickelt, bis der Schluss aufhört, bloß eine Form des Denkens zu sein, und die Bedeutung des 1

Vgl. die Definition der Idee als „der adäquate Begriff (GW 12, 30 und 173).

Die drei Figuren des Schlusses

91

mittleren Terms dem in der Objektiven Logik deduzierten „Begriff des Begriffs" gemäß ist. Der Zusammenhang mit der Objektiven Logik wird am Ende der Schlusslehre schon rein sprachlich sichtbar, wenn Hegel im Hinblick auf den mittleren Term des Schlusses von der „objektiven Allgemeinheit" und der „substantiellen Identität" der Extreme Nimmt man den Umstand hinzu, dass Hegel den Übergang zur Objektivität mit dem traditionellen ontologischen Argument in Verbindung bringt, sollte man von der Schlusslehre eine genauere Einsicht in die Verfassung des hegelschen Begriffs erwarten können. Der für die Entwicklung der Bedeutung des Begriffs als des mittleren Terms des Schlusses maßgeblichen Überlegung werde ich mich im dritten Teil der Untersuchung zuwenden. Zuvor will ich Hegels Lehre von den drei syllogistischen Figuren untersuchen. Sie liegt nicht nur der Einteilung der neun Formen des Schließens, sondern damit auch den Stufen der Entwicklung des Schlusses zugrunde. Den Ausgangspunkt der Ableitung bildet die Unterscheidung mehrerer Weisen, wie die Beziehung zwischen den drei Termen des Schlusses interpretiert werden kann. Die beiden üblicherweise vorausgesetzten sind die Verhältnisse der Inhärenz und der Subsumtion. Hegel will sie jedoch als ungenügend erweisen und schlägt als ihre wahre Beziehung das von ihm so genannte Verhältnis der unterschiedslosen Identität vor (§ 6). An die herkömmliche Interpretation der innerhalb des Schlusses herrschenden Beziehung als Verhältnis der Inhärenz oder der Subsumtion knüpft sich die Deutung der verschiedenen Terme als das Einzelne, das Besondere und das Allgemeine. Von da ausgehend erklärt Hegel das Zustandekommen der drei syllogistischen Figuren mit dem Wechsel der Stellung der Terme innerhalb des Schlusses (§ 7). Im Rahmen der Ableitung der drei Figuren entfaltet er schließlich die Kritik an der Grundannahme der Logik seiner Zeit, wonach es sich bei den Begriffen, Urteilen und Schlüssen um subjektive Formen des Denkens handelt

spricht.2

(§8).

2

Vgl. GW 12,

123 f. sowie Teil

III, § 11 (2. und 4.).

92

DIE DREI FIGUREN DES SCHLUSSES

§ 6 Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz Vom Standpunkt der traditionellen Logik scheint es sich anzubieten, die Form des Schlusses als die Folge der drei Sätze ,A ist B. B ist C. Also ist A C zu betrachten. Die Formel bringt freilich sofort zutage, was Hegel mit der Unbestimmtheit der Kopula gemeint hat. Es ist nämlich nicht ohne weiteres ersichtlich, in welchem Sinn behauptet werden kann, dass der eine Term der andere ,ist'. In der klassischen Definition des Schlusses bei Aristoteles heißt es von dem einen Term, er sei ,in' dem ganzen anderen Term. Hegel zitiert die Definition1 und bemängelt, Aristoteles habe sich „an das bloße Verhältnis der Inhärenz gehalten". Die Kritik ist aber nicht so zu verstehen, dass Aristoteles das Verhältnis der Terme besser als Subsumtion hätte deuten sollen. Denn im nächsten Satz fährt Hegel fort: „Es ist hier mehr nur die Wiederholung des gleichen Verhältnisses der Inhärenz des einen Extrems zur Mitte und dieser wieder zum anderen Extrem ausgedrückt als die Bestimmtheit der drei Terminorum zueinander" (GW 12, 93). Hegel ist offenbar der Ansicht, dass man die Beziehung zwischen den Termen des Schlusses noch nicht hinreichend bestimmt hat, wenn man einfach annimmt, je zwei von ihnen stünden in immer demselben Verhältnis. Als die möglichen Arten einer solchen zweistelligen Relation kommen die Verhältnisse der Inhärenz und der Subsumtion in Betracht. Warum das so ist und was es mit ihnen auf sich hat, soll jetzt geklärt werden.

1. Die Subsumtion des Besonderen unter das

Allgemeine

In Jena folgte Hegel zunächst der von Kant in Umlauf gebrachten Ausdrucksweise,2 wonach die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Urteils ein Verhältnis der Subsumtion darstellt. Die Begriffs- und Urteilslehre Kants beruht auf dem Gedanken, dass wir über allgemeine Vorstellungen verfügen, die mehrere andere Vorstellungen unter sich enthalten. Bei den subsumierten handelt es sich entweder wieder um allgemeine oder um einzelne Vorstellungen. Die allgemeinen Vorstellungen nennt Kant Begriffe, die einzelnen nennt er Anschauungen. Es gehört zum Wesen der Begriffe als allgemeiner Vorstellungen, dass bestimmte andere Vorstellungen notwendig unter sie fallen. Die Begriffe fungieren, wie Kant sich ausdrückt, als die „Regeln der Synthesis". 1 „Wenn drei Bestimmungen sich so zueinander verhalten, dass das eine Extrem in der ganzen mittleren Bestimmung ist und diese mittlere Bestimmung in dem ganzen anderen Extrem, so sind diese beiden Extreme notwendig zusammengeschlossen" (GW 12, 93; vgl. Aristoteles, Analytica priora, I 4 [25 b 32-35]). 2 Vgl. Bernd Buldt, Art. „Subsumtion I.", in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, Basel 1998, Sp. 560 ff., 560. 3 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 90 / B 123 und A 722 / B 750 Anm. Kants Theorie des transzendentalen Schemas als einer „Regel der Synthesis der Einbildungskraft" (A 141 / B 180) übergehe ich hier. -

Die Verhältnisse der Subsumtion und

der Inhärenz

93

Anschauungen unmittelbar auf Gegenstände beziehen, hängt der Erkenntniswert unserer Begriffe Kant zufolge davon ab, ob sie in Urteilen mit Anschauungen verknüpft werden können. Daher beruht jede objektive Erkenntnis auf der „Subsumtion eines Gegenstands unter einen Begriff. Für Kant ist die Subsumtion demnach in erster Linie eine Leistung der Urteilskraft. Sie muss entscheiden, was unter eine bestimmte „Regel" fällt und was nicht. Nachdem zunächst die Terminologie von Begriff und Anschauung vorgeherrscht hat, spricht Kant in der Kritik der Urteilskraft ausdrücklich von der Subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine. Im Fall der bestimmenden Urteilskraft wird das BesonDa sich

nur

die

dere unter ein bestimmtes Gesetz der Natur, im Fall der reflektierenden Urteilskraft unter irgendein Prinzip der Zweckmäßigkeit subsumiert. Kant widmet die ganze dritte Kritik der Klärung der Frage, wie die besondere Beschaffenheit gewisser Gegenstände unter allgemeine Regeln des Geschmacks sowie der realen Zweckmäßigkeit gebracht werden kann. Neben dem Schönen und Erhabenen in Kunst und Natur beschäftigt er sich in der Hauptsache mit Organismen und der Organisation der Natur insgesamt. Trotz aller Verschiedenheit zwischen den beiden Teilen des Werks dient sowohl die ästhetische als auch die teleologische Urteilskraft der Subsumtion einzelner Gegenstände unter ein allgemeines Prinzip. Mit der Einführung des Vermögens der reflektierenden Urteilskraft zielt Kant auf die „Verknüpfung" zwischen der theoretischen Gesetzgebung des Verstandes im Reich der Natur mit der praktischen Gesetzgebung der Vernunft im Reich der Freiheit.6 Der Anspruch, in der Kritik der Urteilskraft sein kritisches Unternehmen zu einem systematischen Abschluss gebracht zu haben, ist von Kants Nachfolgern mit Zurückhaltung aufgenommen worden.7 Wie der Blick vor allem auf Schelling und Hegel zeigt, werden schon bald andere Versuche unternommen, die Kant vorschwebende Einheit von theoretischer und praktischer Philosophie, Natur und Freiheit sowie Endlichem und Unendlichem konzeptuell zu bewältigen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der von Kant in § 76 der dritten Kritik in der Form einer „Anmerkung" ins Spiel gebrachte Gedanke eines Verstandes, der alles, was er als möglich erkennt, als wirklich anschaut. An ihn knüpft insbesondere der frühe Schelling an, dem zufolge das absolute Ich „in intellektualer Anschauung bestimmt" ist.9 4 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 137 / B 176. In § 20 der Prolegomena spricht Kant von der Subsumtion der Anschauung oder Wahrnehmung unter einen Begriff (AA IV, 300 f.). 5 Vgl. zum Folgenden Kant, Kritik der Urteilskraft, Einleitung, IV. (AA V, 179 ff). 6 Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft, Einleitung, IX. (AA V, 195 ff.). 7 Zur Reaktion Fichtes, Schellings und Hegels auf die Kritik der Urteilskraft vgl. Horstmann, Die Grenzender Vernunft, 191-219. 8 Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft, § 76 (AA V, 401 ff.) sowie dazu und zum Folgenden Horstmann, Die Grenzen der Vernunft, 211-215. 9 Vgl. Schelling, Vom Ich als Prinzip der Philosophie, § 8 (HKA 1/2, 106 [= SW I, 181]). Im System des transzendentalen Idealismus bezeichnet Schelling die intellektuelle Anschauung als „das Organ alles transzendentalen Denkens" (SW III, 369). -

-

94

Die drei Figuren des Schlusses

Nach seiner Wende zur Identitätsphilosophie beruft sich Schelling weiterhin auf die intellektuelle Anschauung. „Sie ist das Vermögen überhaupt, das Allgemeine im Besonderen, das Unendliche im Endlichen, beide zur lebendigen Einheit vereinigt zu sehen."10 Schelling bedient sich der intellektuellen Anschauung jetzt freilich im Zusammenhang mit dem später von Hegel so scharf kritisierten Verfahren der philosophischen Konstruktion. Sie bildet neben der Demonstration den zweiten von Schelling für unverzichtbar gehaltenen Bestandteil der „wahren Methode" der Philosophie. Ihre Aufgabe besteht in der Darstellung des Besonderen „als absolut". Dabei ergeben sich für Schelling die drei so genannten Potenzen der Philosophie. ' ' Die erste Potenz bezeichnet Schelling als „die der Reflexion". In ihr kommt „das Allgemeine zu dem Besonderen hinzu". Es erfolgt so „die Aufnahme des Unendlichen in das Endliche, der Einheit in die Vielheit". Die zweite Potenz steht umgekehrt für „die Aufnahme des Endlichen in das Unendliche". Schelling nennt sie „die der Subsumtion". Die dritte Potenz schließlich verkörpert die „Einheit der Reflexion und der Subsumtion". In ihr erfolgt die „absolute Gleichsetzung des Endlichen und Unendlichen". Strukturell gesehen entspricht Schellings erste Potenz der reflektierenden Urteilskraft bei Kant, die zu dem gegebenen Besonderen das Allgemeine sucht. Daher ist es bemerkenswert, dass Schelling nicht die erste, sondern die zweite Potenz als Subsumtion bezeichnet. Kant zufolge verhalten sich sowohl die bestimmende Urteilskraft und der Verstand, als auch die reflektierende Urteilskraft subsumierend. Zu einem Gegensatz zwischen der Reflexion (des Allgemeinen im Besonderen) und der Subsumtion (des Besonderen unter das Allgemeine) kann es bei Kant nicht kommen.

2. Die

wechselseitige Subsumtion von Begriff und Anschauung

Bei alledem geht es mir weder um die Terminologie Kants noch um die Philosophie Schellings, sondern um den Gebrauch, den der Jenaer Hegel von der Potenzenlehre einerseits und dem Begriff der Subsumtion andererseits macht. Um einen Eindruck zu gewinnen, genügt die Lektüre der ersten Seiten des so genannten Systems der Sittlichkeit. Der Reinschriftentwurf aus dem Jahr 1802, dessen Titel von Karl Rosenkranz stammt, bildet eine Art Vorstufe zu Hegels späterer Philosophie des objektiven Geistes.1 Der Text behandelt die verschiedenen Erscheinungsweisen des Sittlichen unter 10 11

Schelling, Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie, § II. (SW IV, 362). Vgl. zum Folgenden Schelling, Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie, § V.

(SW IV, 414 und 418-422).

12 Kurt Rainer Meist hat jüngst die These vertreten, dass es sich um den Entwurf einer „Kritik des Fichteschen Naturrechts" handle (vgl. Einleitung zu: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, System der Sittlichkeit [Critik des Fichteschen Naturrechts], Hamburg 2002, IX-XXXIX, bes. XXXII-XXXVIII). So interessant die von Meist angeführten historischer Indizien im Einzelnen sind, scheint mir gegen seine These vor allem der Umstand zu sprechen, dass sich die Spuren einer Auseinandersetzung mit Fichte in Hegels Text kaum nachweisen lassen.

95

Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz

dem Blickwinkel des Verhältnisses, in dem der einzelne Mensch zu dem ganzen Volk steht. Für mein Thema kommt es im Folgenden weniger auf den Inhalt als auf die Methode an, mit der Hegel vorangeht. Es liegt ebenfalls nicht in meiner Absicht, eine historische Abhängigkeit Hegels von Schelling zu behaupten. Aus heutiger Sicht muss die Frage nach ihrem wechselseitigen Einfluss während des gemeinsamen Aufenthalts in Jena vom Herbst des Jahres 1800 bis zum Frühjahr des Jahres 1803 mit Sicherheit differenziert beantwortet werden. Insgesamt spricht einiges für die Vermutung, dass beide zwar das Ziel der spekulativen Erkenntnis des Absoluten teilten, dass sie aber methodisch voneinander abweichende Wege gingen.13 Das System der Sittlichkeit beginnt mit der Forderung: „Um die Idee der absoluten Sittlichkeit zu erkennen, muss die Anschauung dem Begriff vollkommen adäquat gesetzt werden, denn die Idee ist selbst nichts anderes als die Identität beider" (GW 5, 279). Anders als Schelling spricht Hegel nicht von der Identität des Allgemeinen mit dem Besonderen oder des Unendlichen mit dem Endlichen, sondern bedient sich des Gegensatzes von Begriff und Anschauung. Hegels weitere Überlegung ist nun die, dass die Anschauung nur dann als dem Begriff adäquat erkannt werden kann, wenn eine Differenz zwischen beiden besteht. „Dadurch, dass sie im Gleichsein auseinander gehalten werden, werden sie mit einer Differenz gesetzt" (ebd.). Hegel konzipiert die absolute Sittlichkeit demnach von Anfang an als die Gleichheit Verschiedener, während Schelling jede Differenz aus dem Absoluten mit Nachdruck ausschließt.14 Die Verschiedenheit von Begriff und Anschauung äußert sich zunächst darin, dass „eines in der Form der Allgemeinheit, das andere in der Form der Besonderheit gegen das andere" gesetzt ist. Mit den Formen der Allgemeinheit und der Besonderheit meint Hegel nicht einfach zwei Merkmale des Begriffs und der Anschauung. Vielmehr hat man an die Stellung des Subjekts und des Prädikats in einem Urteil zu denken. Während das Subjekt in der Form der Besonderheit erscheint, besitzt das Prädikat die Form der Allgemeinheit. Dem Subjekt entspricht nach der seit Kant geläufigen Ansicht die Anschauung, dem Prädikat der Begriff. Dagegen fordert Hegel in dem folgenden Schritt, jedes müsse „in der Form" des anderen gesetzt werden. Die Erkenntnis der Idee der absoluten Sittlichkeit besteht nämlich im Verschwinden der formalen Differenz zwischen dem Begriff und der Anschauung. „Dass hiermit dieses Gleichsetzen vollkommen werde, so [muss] umgekehrt dasjenige, welches hier in der Form der Besonderheit gesetzt [war], jetzt in der Form der Allgemeinheit, dasjenige, welches in der Form der Allgemeinheit gesetzt war, jetzt in der Form der Besonderheit gesetzt werden" (ebd.). Die Art, wie das Setzen des Besonderen „in der Form" des Allgemeinen und umgekehrt mit dem Begriff der Subsumtion. Es muss also „das eine Mal die Anschauung unter den Begriff, das andere Mal der Begriff unter die Anschauung subsumiert" werden (ebd.). Bleibt man bei dem Schema des Urteils, vonstatten

gehen soll,

kennzeichnet

Hegel

13 Vgl. dazu Klaus Düsing, „Die Entstehung des spekulativen Idealismus", 154—162. 14 Vgl. zum Beispiel Darstellung meines Systems der Philosophie, § 23 ff. (SW IV, 123 Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie, § III. (SW IV, 374 f.).

ff),

und

96

Die drei Figuren des Schlusses

Subjekt und das Prädikat ihre Plätze tauschen. Die Gleichsetzung von Begriff und Anschauung schlägt sich mit anderen Worten darin nieder, dass beide ebenso als Subjekt wie als Prädikat fungieren können. Die wechselseitige Subsumtion von Anschauung und Begriff bildet das durchgängige Gliederungsprinzip, dessen sich Hegel im weiteren Verlauf des Systems der Sittlichkeit bedient. Er verwendet es gleich auf mehreren, ineinander verschachtelten Ebenen. In Verbindung damit ist immer wieder von den drei Potenzen die Rede, in denen die Identität des Begriffs und der Anschauung sich darstellen soll. Ich will dem hier nicht im Einzelnen nachgehen. Es sei lediglich erwähnt, dass der Aufbau des Systems der Sittlichkeit im Ganzen weder aus der beschriebenen Gleichsetzung des Allgemeinen mit dem Besonderen noch aus dem Schema der drei Potenzen erklärt werden kann. Hegel müssen das

behandelt

zwar im ersten Teil die „natürliche Sittlichkeit" als die unter den Begriff (280). Zu Beginn des zweiten Teils

„Subsumtion der Anunterscheidet er dann schauung aber zwischen der „negativen" und der „positiven" Aufhebung der natürlichen Sittlichkeit. Die „negative Aufhebung" erfolgt in der Freiheit und im Verbrechen, die Hegel im zweiten Teil erörtert. Den Gegensatz dazu bildet die „positive Aufnahme" der natürlichen Bestimmtheit in die absolute Sittlichkeit (310). Um sie geht es in dem dritten Systemteil. Was die Anlage des Ganzen betrifft, entfernt sich Hegel also viel weiter von der Methode Schellings, als es die schematische Verwendung der drei Potenzen glauben machen mag. Wenden wir uns wieder dem Gedanken der wechselseitigen Subsumtion von Anschauung und Begriff zu. Während Schellings Rede von der Reflexion des Allgemeinen im Besonderen den Punkt offen lässt, spricht Hegel eindeutig von der Subsumtion des Begriffs unter die Anschauung. So stellt er das kantische Konzept der Subsumtion buchstäblich auf den Kopf. Die Absicht dahinter lässt sich vergleichsweise leicht angeben. Für Hegel beruht die Idee der absoluten Sittlichkeit auf der Gleichsetzung Verschiedener. Bei den Gleichgesetzten handelt es sich in letzter Instanz um die Anschauung eines „absoluten Volkes" und um den Begriff des „absoluten Einsseins der Individualitäten". In der Idee bilden sie eine „absolute Totalität" (279). Wenn sich die Anschauung und der Begriff der absoluten Sittlichkeit auf ein und dieselbe Totalität beziehen, dann kann die Differenz zwischen beiden nicht in dem formalen Unterschied des Besonderen und des Allgemeinen liegen.16 Im Gegenteil setzt die Erkenntnis der Einheit von Begriff und Anschauung die Aufhebung des Unterschieds zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen voraus. Genau das bezweckt Hegel mit dem methodischen Kunstgriff der wechselseitigen Subsumtion. Im ersten Schritt wird das 15 Zur Differenz zwischen Schellings Potenzenlehre und Hegels System der Sittlichkeit vgl. Ludwig Siep, „Zur praktischen Philosophie Schellings und Hegels in Jena (bis 1803)", in: ders., Praktische Philosophie im Deutschen Idealismus, Frankfurt a. M. 1992, 130-141, 136-141. 16 Hegel macht das deutlich, indem er auch hier die traditionelle Terminologie auf den Kopf stellt: „Dasjenige aber, was wahrhaft das Allgemeine ist, ist die Anschauung, das wahrhaft Besondere aber der absolute Begriff (GW 5, 279).

Die Verhältnisse der Subsumtion und

der

Inhärenz

97

vermeintliche Besondere als Allgemeines gesetzt, das heißt die Anschauung unter den Begriff subsumiert. Im zweiten Schritt wird das vermeintliche Allgemeine als Besonderes gesetzt, das heißt der Begriff unter die Anschauung subsumiert. Das Schema der wechselseitigen Subsumtion von Begriff und Anschauung beinhaltet eine Korrektur der gängigen Bestimmung ihres Verhältnisses vom Standpunkt der spekulativen Philosophie. Der „absolute Begriff (ebd.) ist nicht mehr einfach das Allgemeine, worunter das angeschaute Besondere subsumiert wird. Vielmehr beziehen sich Begriff und Anschauung auf dieselbe Totalität, so dass man ebenso sagen kann, der Begriff werde unter die Anschauung subsumiert. Es gehört zum Wesen der Idee, dass Begriff und Anschauung aufhören, zueinander im Verhältnis des Allgemeinen und des Besonderen zu stehen. Dasselbe Modell findet sich in beinahe unveränderter Form in der Logik wieder, wo Hegel es auf das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Urteils anwendet. In der Urteilslehre des zweiten Jenaer Systementwurfs macht er von dem Schema zum ersten Mal ausgiebigen Gebrauch. Hegel bezeichnet das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen nun als eine „gedoppelte entgegengesetzte Subsumtion" (GW 7, 79). Der Urteilslehre von 1804/05 liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die wechselseitige Subsumtion mit Hilfe der verschiedenen Arten von Urteilen darstellen lässt. Zugleich schildert Hegel die Entwicklung der Formen des Urteils bereits als die notwendigen Schritte zur „Realisierung" des Begriffs (ebd.). Da die Logik, Metaphysik, Naturphilosophie die erste vollständig ausgeführte Begriffs-, Urteils- und Schlusslehre Hegels enthält, kommt dem Text entwicklungsgeschichtlich eine besondere Bedeutung zu. Deshalb, und weil sich der Ansatz der Schlusslehre signifikant von dem der Nürnberger Logik unterscheidet, werde ich ihm einen eigenen Abschnitt am Anfang des dritten Teils der Untersuchung widmen.

3. Das Verhältnis der Inhärenz Für den weiteren Gang der Argumentation ist es wichtig im Kopf zu behalten, dass Hegel zwei Arten von Subsumtion unterscheidet, nämlich die üblicherweise so genannte Subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine und die entgegengesetzte Subsumtion des Allgemeinen unter das Besondere. Die erste findet ihren Ausdruck in solchen Urteilen, die Kant quantitativ nannte. Hegel selbst spricht dagegen von Urteilen der Reflexion. Die zweite Art von Subsumtion ordnet er indes den Urteilen der Qualität zu. Ein Urteil wie ,Sokrates ist sterblich' wäre demnach die Subsumtion eines Allgemeinen unter ein Besonderes. In Nürnberg geht Hegel dazu über, die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat qualitativer Urteile als Verhältnis der Inhärenz zu bezeichnen. In den Gymnasialkursen heißen das positive, das negative und das unend-

98

Die drei Figuren des Schlusses

liehe Urteil die „Urteile der

Inhärenz".17 Dadurch

lassen sich die beiden Arten der Be-

trachtung des Verhältnisses zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen auch terminologisch klar voneinander abheben. In den Urteilen der Reflexion subsumiert das Allgemeine das Besondere, während es ihm in den Urteilen des Daseins inhäriert. Mit den beiden Deutungen des Verhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat gehen unterschiedliche ontologische Implikationen einher. Die Urteile der Inhärenz legen eine substanzontologische Auffassung nahe, der zufolge das Prädikat dem Subjekt als Akzidens zukommt. In dem qualitativen Urteil wird einem Gegenstand eine gewisse Bestimmung als Prädikat zugeschrieben. So erklärt Hegel in der Schullogik von 1810/11: „Unmittelbar ist in dem Urteil das Prädikat eine Eigenschaft, nämlich irgendeine Bestimmtheit des Subjekts, deren ihm mehrere zukommen".18 Der Ursprung der substanzontologischen Interpretation des Urteils liegt in der Logik des Aristoteles. Im Mittelalter wurde die aristotelische Definition der Aussage als otdv ti Kara Tivdç mit Hilfe des Begriffs der Inhärenz erläutert. William von Sherwood erklärt beispielsweise, Aristoteles verstehe unter dem Kara tivoç die Inhärenz des Prädikats im Subjekt. In der Schulphilosophie bezeichnet der Begriff der Inhärenz die Existenzweise der Akzidenzien. Das Gegenstück dazu bildet die Subsistenz als die Existenzweise der Substanz. Derselbe Begriffsgebrauch liegt Kants erster Kategorie der Relation zugrunde. Hegel verwendet in seiner Urteilslehre zwar den Begriff der Inhärenz, aber er vermeidet den Begriff der Substanz. Stattdessen betont er am Beginn des Urteils-Kapitels der Wissenschaft der Logik, das Subjekt sei „zunächst nur eine Art von Name". Wenn sich das Subjekt und das Prädikat formal dadurch unterscheiden, dass jenes durch dieses bestimmt wird, muss das Subjekt als solches etwas gänzlich Unbestimmtes sein. Hegel verweist auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes. Das griechische wroxstpsvov 22 und das lateinische subjeetum bezeichneten nicht mehr als „das Zugrundeliegende". Solange es ohne Prädikat ist, fehle dem Subjekt jegliche Bestimmung. „Was es ist, drückt erst das Prädikat aus." Das Prädikat bestimmt, worum es sich bei dem Subjekt handelt. Während das Subjekt somit als das Unbestimmte erscheint, wird von seinem 17 Vgl. die Logik für die Mittelklasse von 1808/09 (§ 66 [WW 4, 105]) sowie von 1810/11 (§ 105 [WW4,196 f.]). 18 Hegel, Logikfärdie Mittelklasse von 1810/11, § 105 (WW 4, 196 f.). 19 Vgl. Aristoteles, De interpretatione, 5 (17 a 20 f.). 20 Aristoteles „intelligit per hoc, quod dicit ,de aliqo', inhaerentiam praedicati in subiecto" (William of Sherwood, Introductiones in Logicam, hg. v. Hartmut Brands und Christoph Kann, Hamburg 1995,

10).

Vgl. Baumgarten, Metaphysica, § 192 (in: Kant, AA XVII, 67), sowie Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 80 / B 106 und A 186 / 229 f. 22 In dem Zusammenhang polemisiert Hegel gegen die Tendenz, den Subjekten philosophischer Aussagen er nennt Gott, die Natur und den Geist eine „vorausgesetzte Bedeutung" zu unterlegen und dann nach ihren Prädikaten zu suchen. Das Ergebnis seien historische zufällige „Namenerklärungen" einerseits und unnötige „Wortstreitigkeiten" andererseits (GW 12, 54). 21

-

-

Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz

Prädikat erwartet, dass

es

99

„das Allgemeine, das Wesen oder den Begriff ausdrückt"

(GW 12, 54).

Das Wesen oder der Begriffeines Gegenstands darf nun Hegel zufolge keine Bestimmung sein, die ein epistemisches Subjekt ihm beilegte, die ihm ansonsten aber äußerlich bliebe. Deshalb greift er zur Erläuterung der Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat wieder auf sein Konzept der Identität zurück. „Das Prädikat, welches dem Subjekt beigelegt wird, soll ihm aber auch zukommen, d. h. an und für sich identisch mit demselben sein" (55). Zwischen dem Gegenstand und seiner Bestimmung muss ein Verhältnis der Gleichheit Verschiedener herrschen. Um zu zeigen, dass ein solches Verhältnis tatsächlich besteht, bedient sich Hegel des Schemas der wechselseitigen Subsumtion, wie es uns im System der Sittlichkeit begegnet ist. Dort hatte er Begriff und Anschauung gleichgesetzt, indem das eine die Form des anderen annahm und jedes das andere subsumierte. In entsprechender Weise begründet Hegel die Identität der beiden Seiten des Urteils in der Wissenschaft der Logik damit, dass „die Bestimmung des Subjekts ebenso wohl auch dem Prädikat zukommt und umgekehrt" (57). Das unbestimmte Subjekt und das bestimmte Prädikat sind genau dann gleich, wenn dieses als das Unbestimmte und jenes als das Bestimmte verstanden werden kann. Die formale Übereinstimmung des Subjekts und des Prädikats zeigt sich darin, dass jedes von beiden ebenso als Einzelnes wie als Allgemeines fungieren kann. Im UrteilsKapitel weist Hegel die Identität des Subjekts mit dem Prädikat im Durchgang durch die vier Gattungen und zwölf Arten von Urteilen auf. Am Ende der Entwicklung steht das apodiktische Urteil, in dem das Subjekt und das Prädikat einander „entsprechen". Beide „haben denselben Inhalt, und dieser Inhalt ist selbst die gesetzte konkrete Allgemeinheit" (88). In der Einleitung zum Urteils-Kapitel nennt Hegel einen vorläufigen Grund für die Austauschbarkeit des Subjekts und des Prädikats, auf den ich mich hier im Wesentlichen beschränke.23 Geht man von der gewöhnlichen Deutung des qualitativen Urteils aus, kann die Einheit des Einzelnen und des Allgemeinen so verstanden werden, dass es sich bei dem Subjekt um etwas Selbständiges handelt, von dem das Prädikat abhängt. „Insofern nun aber das Subjekt das Selbständige ist, so hat jene Identität das Verhältnis, dass das Prädikat nicht ein selbständiges Bestehen für sich, sondern sein Bestehen nur in dem Subjekt hat; es inhäriert diesem" (58). Bleibt man bei dem Schema der Inhärenz stehen, scheint es weiterhin so zu sein, dass dem Subjekt über das Prädikat hinaus noch mehrere andere Bestimmungen zukommen. Demnach wäre das Prädikat „nur eine vereinzelte Bestimmtheit desselben". Dagegen hätte man in dem Subjekt „das Konkrete, die Totalität von mannigfaltigen Bestimmtheiten" zu sehen (ebd.). Das führt zu der paradoxen Situation, dass sich das Einzelne und das Allgemeine genau spiegelbildlich zu der logischen Form des Urteils verhalten, wonach das Subjekt als „das Bestimmtere" und das Prädikat als „das Allgemeinere" zu aber zuverlässige Darstellung von Friederike Friederike Schick (Hg.), G. W. F. Hegel: WisFriedrich in: Anton Koch; Schick, „Die Urteilslehre", Berlin 203-224. der 2002, senschaft Logik, 23

Zur

Entwicklung der Urteilsformen vgl. die knappe,

100

Die drei Figuren des Schlusses

gelten hätten (53). Dem Inhalt nach fungiert in dem Urteil der Inhärenz das Subjekt als das Allgemeine, dem eine ganze Reihe von Bestimmungen zukommen, unter ihnen das Prädikat als das Besondere oder Einzelne. Das Verhältnis ist also das genaue Gegenteil dessen, was man aufgrund der Form des Urteils erwarten sollte.24 Erst im weiteren Verlauf der Urteilslehre wird die Unstimmigkeit zwischen Inhalt und Form Schritt für Schritt ausgeglichen.

4. Die „wahre Sucht

Beziehung" zwischen Subjekt und Prädikat

Interpretation der logischen Form des Urteils, in der das Einzelne Allgemeinen abhängt, in der das Einzelne aber gleichwohl an der Stelle des und das Allgemeine an der Stelle des Prädikats stehen, wird man von Hegel Subjekts auf die übrigen drei Gattungen verwiesen. In ihnen bezeichnet das Prädikat nicht mehr eine einzelne Eigenschaft, sondern eine „zusammenfassende Allgemeinheit" wie im Urteil der Reflexion (GW 12, 71), eine „objektive Allgemeinheit" wie im Urteil der Notwendigkeit (77) oder einen „allgemeinen Begriff wie im Urteil des Begriffs (84). Da die Urteilslehre nicht mein Thema ist, gehe ich nur auf die Gattung des Urteils der Reflexion ein. In ihm kommt die der Inhärenz genau entgegengesetzte Deutung des Verhältnisses zwischen dem Subjekt und dem Prädikat zum Tragen. Wohl deshalb nennt Hegel es auch das „Urteil der Subsumtion". Das Einzelne wird „als ein Akzidenteiles" unter das Allgemeine subsumiert (72). Die Rede von dem Einzelnen, sprich: dem Subjekt als einem Akzidentellen ist ein deutlicher Hinweis auf die ontologische Implikation, die Hegel vorschwebt. So wie in dem Urteil der Inhärenz das Allgemeine von dem Einzelnen soll jetzt das Einzelne von dem Allgemeinen abhängen. man

nach einer

zwar vom

Man kommt dem Sinn des Verhältnisses der Subsumtion wohl am nächsten, wenn man das Prädikat als eine Klasse von Gegenständen interpretiert, unter die das Subjekt fällt. Das Einzelne wird nicht mehr als ein selbständiger Gegenstand, sondern nur noch als die Instanz des Allgemeinen in Betracht gezogen. Unter den Titel des Urteils der Reflexion fasst Hegel die Formen des singulären, des partikulären und des universellen Urteils. Bei ihnen geht es um die Bestimmung des Verhältnisses zwischen mehreren durch das Subjekt bezeichneten Gegenständen einerseits und der unter das Prädikat fallenden Klasse von Dingen andererseits. Entsprechend heißt es in der Schullogik von 1810/11: „Die Urteile der Quantität enthalten eine Vergleichung mehrerer Subjekte in Beziehung auf ein Prädikat".26 In der Einleitung zur Urteilslehre der Wissenschaft der 24 Hegel zufolge drückt der Satz ,das Einzelne ist allgemein' zwar die „Form", der Satz ,das Allgemeine ist einzeln' aber den „Inhalt" des Urteils aus (vgl. GW 12, 63). 25 Michael Theunissen zufolge geht es bei dem Verhältnis der Inhärenz um „die Instantiierung des Prädikats durch das Subjekt", bei dem Verhältnis der Subsumtion dagegen um „die Klassifizierung des Subjekts durch das Prädikat" (vgl. Sein und Schein, 442 f.). 26 Hegel, Logikför die Mittelklasse von 1810/11, § 111 (WW 4, 198).

101

Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz

Logik spricht Hegel von dem Prädikat als einer „selbständigen Allgemeinheit". Dagegen stelle das Subjekt „nur eine Bestimmung desselben" dar. „Das Prädikat subsumiert insofern das Subjekt; die Einzelheit und Besonderheit ist nicht für sich, sondern hat ihr Wesen und ihre Substanz im Allgemeinen" (58).27 Die Pointe der weiteren Überlegung Hegels besteht in der Feststellung, dass weder die Deutung im Sinn des Verhältnisses der Inhärenz noch die Deutung im Sinn des Verhältnisses der Subsumtion der Natur des Urteils gerecht wird. Vielmehr sind die beiden Auffassungen von der Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat auf eine einseitig subjektive Sicht des Urteils zurückzuführen. man einen und denselben Gegenstand doppelt sehen, das eine Mal in seiner einzelnen Wirklichkeit, das andere Mal in seiner wesentlichen Identität oder in seinem Begriff: das Einzelne in seine Allgemeinheit erhoben oder, was dasselbe ist, das Allgemeine in seine Wirklichkeit vereinzelt" (GW 12, 59 f.).

„Im subjektiven Urteil will

Um dem wahren Sinn des Urteils gerecht zu werden, müssen die beiden Sichtweisen zu einer einzigen vereinigt werden. Nimmt man die Verhältnisse der Inhärenz und der Subsumtion zusammen, ergibt sich die „unterschiedslose Identität" des Einzelnen und des Allgemeinen. In ihr besteht Hegel zufolge die „wahre Beziehung des Subjekts auf das Prädikat" (58). Die unterschiedslose Identität entspricht genau dem Motiv der wechselseitigen Subsumtion, mit dessen Hilfe Hegel im System der Sittlichkeit die absolute Identität von Begriff und Anschauung darstellen wollte. Die Gleichsetzung sollte methodisch dadurch erfolgen, dass jede der beiden Seiten die Form der anderen annahm. Etwas Ähnliches schwebte Hegel im Fall des spekulativen Satzes vor. Hier sollte durch die dialektische Bewegung der Unterschied zwischen dem Subjekt und dem Prädikat zerstört werden. Ähnlich wie Begriff und Anschauung im System der Sittlichkeit fungieren die beiden Terme des spekulativen Satzes ebenso als Einzelnes wie als Allgemeines. So können in dem Beispiel ,das Wirkliche ist das Allgemeine' das Subjekt und das Prädikat ihre Stelle tauschen. Es wäre genauso richtig zu sagen ,das Allgemeine ist das Wirkliche'. Zwischen dem Wirklichen und dem Allgemeinen herrscht kein Verhältnis der Inhärenz oder der Subsumtion, sondern eines der spekulativen Identität. Sowohl der Jenaer als auch der Nürnberger Urteilslehre liegt der Gedanke zugrunde, dass sich im Verlauf der Bewegung durch die verschiedenen Arten des Urteils die Bedeutung des Subjekts und des Prädikats ändert. Den ersten Schritt dieser Entwicklung haben wir eben verfolgt. Aus dem konkreten Einzelnen wird eine Klasse von Gegenständen und aus dem abstrakten Merkmal wird die Allgemeinheit der Reflexion. Angesichts dessen könnte man erwarten, dass Hegel nicht nur die Verhältnisse der Inhärenz und der Subsumtion, sondern auch die unterschiedslose Identität des Subjekts mit dem Prädikat in einer der nachfolgend behandelten Formen des Urteils ausgedrückt findet. Die Erwartung wird aber enttäuscht. Hegel erklärt im Gegenteil, die unterschiedslose 27 Zur Fortbestimmung des Urteils der Inhärenz Der spekulative Satz, 275-322.

zum

Urteil der Reflexion

vgl.

ausführlich Wohlfart,

102

Die drei Figuren des Schlusses

Identität sei im Urteil „noch nicht gesetzt" (ebd.). Den Grund dafür sieht er in der Unbestimmtheit der Kopula. Um die wahre Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat zu setzen, muss nicht nur ihre Bedeutung, sondern auch das zwischen ihnen herrschende Verhältnis bestimmt werden. Der nächste Schritt der Überlegung klingt vertraut. Um das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Prädikat zu bestimmen, ist die Form des Urteils ungeeignet. Aus dem Urteil muss der Schluss werden und an die Stelle der Kopula der Begriff treten. In dem mittleren Term des Schlusses kommt die unterschiedslose Identität des Subjekts mit dem Prädikat zum Ausdruck. Die „bestimmte und erfüllte Einheit des Subjekts und Prädikats" ist, wie es in der Einleitung zur Urteilslehre weiter heißt, „ihr Begriff (59). Die Entwicklung des Urteils mündet nicht in eine Theorie des spekulativen Satzes, sondern endet mit dem Übergang zur Form des Schlusses. Damit sind wir wieder bei der Ansicht angelangt, die zum ersten Mal in dem Aufsatz über Glauben und Wissen begegnet, wonach die wahre Bedeutung des Urteils nur in der 2R Form des Schlusses dargestellt werden kann.

5. Die Identitätstheorie des Urteils Man kann natürlich fragen, welche sachliche Plausibilität die Deutung der Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Urteils als Verhältnis der Identität besitzt. Um die Frage zu beantworten, ist es erforderlich, zwischen der Analyse der logischen Form einerseits und ihren ontologischen Implikationen andererseits zu unterscheiden. Aus heutiger Sicht mag man sich über die Selbstverständlichkeit wundern, mit der Hegel das prädikative Urteil als aus drei Bestandteilen gebildet betrachtet. Seit Frege hat sich die funktionale Analyse durchgesetzt, der zufolge jedes assertorische Urteil in zwei komplementäre Teile zerlegt werden kann, nämlich in einen Eigennamen und einen Begriff. Weil der Begriff für sich genommen etwas Unvollständiges ist, bedarf er der Ergänzung durch den Namen, der einen Gegenstand benennt. Unterscheiden sich Namen und Begriffe in der Weise, dass die letzteren ergänzungsbedürftig oder „ungesättigt" sind, wird die Kopula als das verbindende Glied des Urteils entbehrlich, denn es liegt in der Natur des Begriffs, der Vervollständigung durch den Namen zu bedürfen. Die Kopula ist zwar ein grammatikalisch eigenständiger Bestandteil des Satzes, sie gehört aber logisch gesehen zum Prädikat. Der Vorzug der funktionalen Analyse liegt unter anderem darin, dass die Verbindung des Subjekts mit dem Prädikat nicht als Relation und damit nicht als etwas ontologisch Dem entsprechend ist die These, die Begriffslogik im Allgemeinen und die Urteilslehre im Besonderen bildeten die ausgeführte Theorie des spekulativen Satzes (vgl. Theunissen, Sein und Schein, 58 ff), dahingehend einzuschränken, dass Hegel nicht das Urteil, sondern den Schluss als die geeignete Form zur Darstellung spekulativer Zusammenhänge erachtet. 29 Vgl. Gottlob Frege, „Funktion und Begriff' [1891], in: Funktion, Begriff Bedeutung. Fünf logische Studien, hg. v. Günther Patzig, Göttingen 1962, 16-37. 28

103

Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz

Eigenständiges aufgefasst werden muss. Abgesehen von der größeren Sparsamkeit lässt sich so der Regress vermeiden, der zu entstehen droht, sobald man fragt, was wiederum das Subjekt mit der Kopula und die Kopula mit dem Prädikat verbindet. Bei näherem Hinsehen zeigt sich freilich, dass der Gewinn bloß ein scheinbarer ist. Wie soll man beispielsweise mit den Ausdrücken für natürliche Arten verfahren? Ist .der Mensch' ein Name oder ein Begriff? Ist der Term ein gesättigter Ausdruck, mit dem sich ein Präwie in dem Satz ,der Mensch ist sterblich'? Oder ist er ein undessen Ergänzung ein Subjekt erforderlich ist wie in dem Satz ,Gaius ist ein Mensch'? Diese und weitere Merkwürdigkeiten haben dazu geführt, dass sich das Augenmerk in letzter Zeit wieder verstärkt auf die Kopula richtet. So wurde vorgeschlagen, ihre Rolle bestehe darin, aus dem Begriff allererst einen ungesättigten Ausdruck zu machen. Demnach bilden die Begriffe ,sterblich' oder ,der Mensch' nicht für sich genommen, sondern erst in der Verbindung mit dem Bindewort ,ist' ein Prädikat im Sinn Freges. Ob ein Ausdruck als Subjekt oder als Prädikat fungiert, hängt nicht allein von ihm selbst, sondern außerdem von seiner Verknüpfung mit der Kopula ab. Dass ein Urteil zustande kommt, liegt nicht an dem Prädikatbegriff als solchen, sondern an dem Bindewort ,ist'. Wie die Diskussion der logischen Analyse zeigt, lassen sich die Probleme der Theorie des Urteils nicht einfach lösen, indem man die Kopula dem Prädikat zuschlägt. Die eigentliche Unklarheit betrifft die Frage, wie die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat aufgefasst werden soll. In dem Punkt steht Hegel sowohl gegen die ältere als auch gegen die neuere Tradition. Gemäß der herkömmlichen, vorzüglich von Leibniz vertretenen Sichtweise drückt das Urteil das Verhältnis der Inhärenz der Attribute in einer Substanz aus. Dagegen findet sich bei Frege die Ansicht, dass das Subjekt einen Gegenstand benennt, der unter den durch das Prädikat bezeichneten Begriff fällt.33 Von beiden Auffassungen setzt sich Hegel mit der These ab, zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Urteils müsse eine Beziehung der Identität herrschen. Sie schlägt sich in der Forderung nieder, dass das Subjekt mit dem Prädikat vertauscht werden und jedes die Funktion des anderen übernehmen können muss, wie es in dem spekulativen Satz ,das Wirkliche ist das Allgemeine' geschehen kann. Betrachtet man indes keine spekulativen Sätze, sondern Urteile wie ,der Mensch ist sterblich', scheint wenig für die Identitätstheorie zu sprechen. Um hier zu mehr Klarheit dikat verbinden kann

gesättigter Ausdruck,

-

zu

-

30 Seine klassische Formulierung erhält dieser Einwand bei Francis Herbert Bradley, Appearance and Reality. A Metaphysical Essay, London 1893, 17 f. 31 Vgl. David Wiggins, „The Sense and Reference of Predicates: A Running Repair to Frege's Doctrine and a Plea for the Copula", in: The Philosophical Quarterly 34, 1984, 311-328, 318. 32 Vgl. die Bemerkung Donald Davidsons, die Rede Freges von ungesättigten Entitäten benenne eher eine Schwierigkeit als sie zu lösen („Truth and Meaning" [1967], in: Inquiries into Truth and Interpretation, Oxford 1984, 17-36, 17). 33 Vgl. Gottlob Frege, „Begriff und Gegenstand" [1892], in: Funktion, Begriff, Bedeutung, 64-78, 70.

104

Die drei Figuren des Schlusses

gelangen, ist noch einmal an den Unterschied zwischen der logischen Analyse und der ontologischen Deutung des Urteils zu erinnern. Was die erste betrifft, ist Hegel auf die Ansicht festgelegt, dass die Kopula einen eigenständigen Bestandteil des Urteils bildet und nicht einfach dem Prädikat zugeschlagen werden darf. Diese Analyse der Form des Urteils ist gegenüber der ontologischen Deutung des Verhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat als eine Beziehung der Inhärenz, der Subsumtion oder der Identität neutral. Darin liegt zugleich ihr Vorzug gegenüber der funktionalen Analyse. Denn würde das Urteil aus einem gesättigten und einem ungesättigten Ausdruck gebildet, stünden Subjekt und Prädikat für verschiedene Arten von Entitäten und könnten unmöglich miteinander identisch sein. Um sich den Weg zu der Identitätstheorie nicht von vornherein zu verbauen, tut Hegel also gut daran, an der dreigliedrigen Analyse des zu

Urteils festzuhalten. Die Deutung der Kopula als Identitätsanzeige hat Hegel, wie es scheint, mehr oder weniger unreflektiert aus der traditionellen Urteilslehre übernommen und seinen eigenen Bedürfnissen angepasst. Der Sache nach zum ersten Mal vertreten wurde die Identitätstheorie durch Wilhelm von Ockham. Seine Urteilslehre steht ganz im Zeichen der Kritik der aristotelischen Metaphysik. An der einschlägigen Stelle im zweiten Buch der Summa Logicae wendet sich Ockham gegen die Ansicht, das Prädikat bezeichne etwas, das dem Subjekt zukomme, das im Subjekt sei oder das zum Wesen des Subjekts gehöre. Ein Urteil wie ,Sokrates ist ein Mensch' drücke aus, dass Sokrates etwas ist, wofür das Prädikat ,Mensch' steht oder stehen kann. Das Subjekt und das Prädikat des Urteils beziehen sich mit anderen Worten auf ein und denselben Gegenstand. Daraus folgt für Ockham freilich weder, dass Subjekt und Prädikat realiter dasselbe sein, noch, dass sie außerhalb der Seele, das heißt außerhalb des denkenden Subjekts, miteinander verbunden werden müssten. Weiter entwickelt wurde die Identitätstheorie in der Logik von Port Royal. Arnauld und Nicole bestimmen die Natur des affirmativen Urteils als die „Vereinigung" oder „Identifikation" des Subjekts mit einem Attribut.35 Bei dem Attribut handelt es sich laut Arnauld und Nicole um das Merkmal einer Idee, bei dem Subjekt hingegen um etwas, dem eine Idee zukommt.36 Der Satz jeder Mensch ist ein Tier' besagt zum Beispiel, dass alles, was ein Mensch ist, auch ein Tier ist. Demnach hat man die Rede von der Identität des Subjekts mit dem Prädikat so zu verstehen, dass der Begriff des Tiers in dem Begriff des Menschen als Merkmal enthalten ist und auf alle darunter fallenden Gegenständen zutrifft.37 34 Vgl. Wilhelm von Ockham, Summa logicae, II, 2 (in: Opera philosophica, Bd. 1, hg. v. Philotheus Boehner [u. a.], St. Bonaventura [N. Y.] 1974, 249 f.). Ockham spricht davon, dass ein Terminus für etwas steht oder ,supponiert', wenn er von dem betreffenden Ding verifiziert werden kann (vgl. I, 63 -

[193]).

„Il est clair que la nature de l'affirmation est d'unir et identifier, pour le dire ainsi, le sujet avec l'attribut, puisque c'est ce qui est signifié par le mot est" (Arnauld; Nicole, La Logique, 161). 36 Vgl. a.a.O., 51. 37 „Quand je dis, que tout homme est animal, je veux dire et je signifie que tout ce qui est homme 35

Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz

105

Als direkte Quelle für Hegels Deutung der Kopula kommt Gottfried Ploucquet in Betracht. Dieser hatte während der ersten beiden Studienjahre Hegels am Tübinger Stift den Lehrstuhl für Logik und Metaphysik inne. Obwohl er wegen eines Schlaganfalls seit 1782 nicht mehr dozierte und ab 1785 von Johann Friedrich Flatt vertreten wurde, bildete Ploucquets Lehrbuch Expositiones philosophiae theoreticae auch weiterhin die Grundlage des Unterrichts und der Thesen für das Examen. Dort konnte Hegel gleich auf der dritten Seite über das affirmative Urteil lesen, es sei „die Einsicht in die Identität des Subjekts und Prädikats".39 Ploucquet begründet seine Definition des Urteils mit dem Hinweis auf den Unterschied zwischen der „Art, wie wir sprechen und schreiben", und dem „logischen Sinn" unserer Sätze. In der gesprochenen Sprache fehle die für den logischen Sinn des Urteils unverzichtbare Quantifizierung des Prädikats (signum quantitatis). Daher sei das Prädikat eines affirmativen Urteils stets partikulär aufzufassen. Zum Beispiel bedeute der Satz ,omnis homo est creatura' soviel wie ,omnis homo est quaedam creatura'.4 Auf die Weise versucht Ploucquet dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Mensch nicht die einzige Art von Geschöpfen darstellt. Im Unterschied zu der Logik von Port Royal hat es Ploucquet ferner darauf abgesehen, ohne die Unterscheidung zwischen dem Inhalt und dem Umfang eines Begriffs auszukommen. Sein Beispiel lässt sich rein extensional verstehen: Jedes Exemplar der Klasse .Mensch' ist numerisch identisch mit einem Exemplar der Klasse ,Geschöpf .41 Da es aber noch andere Geschöpfe gibt, muss das Prädikat partikulär aufgefasst werden. Obwohl mir kein eindeutiger Beleg bekannt ist, halte ich es für wahrscheinlich, dass Hegel die Interpretation der Kopula aus der traditionellen Logik übernommen und mit seiner eigenen Auffassung von der spekulativen Identität des Subjekts mit dem Prädikat verbunden hat. Was die hergebrachte Urteüslehre betrifft, lässt sich der Eindruck eines recht unscharfen Gebrauchs des Begriffs der Identität schwer von der Hand weisen. Gemeinsam ist den erwähnten Theorien lediglich, dass Subjekt und Prädikat auf denselben Gegenstand zutreffen müssen. Dessen ontologische Verfassung bleibt hingegen gänzlich unbestimmt. Das Resümee mag auf der einen Seite enttäuschen, denn offenbar gibt es keine von der hegelschen Logik unabhängige Begründung der These von der unanimal; et ainsi je conçois l'animal dans tous les hommes" (a. a. O., 161 f.). Vgl. die detaillierte Untersuchung bei Riccardo Pozzo, Hegel: Jntroductio in philosophiam'. Dagli studi ginnasiali alla prima lógica (1782-1801), Firenze 1989, 68-71. Michael Franz hat darauf hingewiesen, dass Schelling in seinen ersten beiden Druckschriften Ploucquets Zeichen > für die Negation verwendet (Schellings Tübinger Platon-Studien, Göttingen 1996, 113). 39 „Intellectio identitatis subjecti et praedicati est affïrmatio" (Gottfried Ploucquet, Expositiones philosophiae theoreticae, Stuttgart 1782, 3). 40 A. a. O., 5 f. Der Unterschied zwischen ,creatura' und ,quaedam creatura' lässt sich im Deutest aussi

38

-

'

,

schen wegen des unbestimmten Artikels nicht nachmachen. 41 Genau diese Auffassung findet sich in Leibniz' Manuskript zur Mathesis rationis: „Cum dico: Omne A est B, intelligo quemlibet eorum qui dicuntur A, eundem esse cum aliquo eorum qui dicuntur B" (Gottfried Wilhelm Leibniz, Opuscules et fragments inédits. Extraits des manuscrits de la Bibliothèque Royale de Hanovre, hg. v. Louis Couturat, Paris 1903 [ND Hildesheim 1961], 193). -

106

Die drei Figuren des Schlusses

terschiedslosen Identität des Subjekts mit dem Prädikat des Urteils. Doch die Sache lässt sich noch von einer anderen Seite sehen. Solange nicht ausgemacht ist, ob Subjekt und Prädikat für Dinge und ihre Eigenschaften, für Klassen und ihre Elemente oder für etwas Drittes stehen, bleibt ihr Verhältnis unbestimmt. Genau wie die dreigliedrige Analyse der Form des Urteils hat auch die Deutung der Kopula als Ausdruck der Identität den Vorzug, nicht auf eine bestimmte Ontologie festzulegen jedenfalls solange nicht, wie man darunter lediglich versteht, dass Subjekt und Prädikat auf denselben Gegenstand zutreffen. -

6. Das

allgemeine Schema des Schlusses

mit dem Prädikat spricht, meint er im Gegensatz zu seinen Vorgängern mehr, als dass beide auf denselben Gegenstand zutreffen. Es geht ihm nicht bloß um eine semantische Beziehung, sondern um die ontologische Verfassung des Erkannten. Unter der Rücksicht bildet die Identität für Hegel eine den Bestimmungen der Inhärenz und der Subsumtion überlegene Kennzeichnung des Verhältnisses zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen. Die Auffassung entspringt indes weder einer Analyse der Form des Urteils, noch lässt sie sich aus der Urteilstheorie im geläufigen Sinn gewinnen. Während die dreigliedrige Analyse also von Hegels Metaphysik unabhängig ist, gilt im Hinblick auf die von ihm in Anspruch genommene Art der Identität das Gegenteil. Der Ursprung für die hegelsche Variante der Identitätstheorie des Urteils liegt in seiner Auffassung von der Natur des Absoluten. Dessen Bestimmungen sind zwar einander entgegengesetzt, aber so aufeinander bezogen, dass die eine der anderen weder inhäriert, noch sie subsumiert. Wie Hegel die unterschiedslose Identität einer Mehrzahl von Bestimmungen genau konzipiert, wird im Zusammenhang mit dem Schluss der Notwendigkeit ausführlich zur Sprache kommen.42 Hier möchte ich es bei der Frage belassen, warum die Identität von Subjekt und Prädikat der Form nach durch den mittleren Term des Schlusses zum Ausdruck gebracht werden kann. Der Grund liegt in der doppelten Funktion des Mittelbegriffs, der gegenüber dem einen Extrem als Subjekt und gegenüber dem anderen als Prädikat erscheint. Auf die Weise fallen in dem mittleren Term des Schlusses Einzelnes und Allgemeines zusammen. „Dieselben Bestimmungen also, welche das Subjekt und Prädikat hat, hat damit auch ihre Beziehung selbst" (GW 12, 58). Betrachtet man das „allgemeine Schema" des Schlusses (94), zeigt sich die Eigenart des Mittelbegriffs freilich nicht sofort. Der Schluss hat die Form ,E-B-A'. Der Buchstabe E steht für ,das Einzelne', der Buchstabe B für ,das Besondere' und der Buchstabe A für ,das Allgemeine'. Die beiden Prämissen ergeben sich, indem man den ersten Term auf den zweiten sowie den zweiten auf den dritten bezieht. Die Konklusion Wenn

42

Hegel

von

der Identität des

Siehe dazu Teil III,

§

11

(2. und 4.).

Subjekts

Die Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz

107

ergibt sich aus der Beziehung des ersten Terms auf den dritten.

Die Formel des Schlusses lautet demnach: ,Das Einzelne ist das Besondere. Das Besondere ist das Allgemeine. Also ist das Einzelne das Allgemeine'. Das Schema entspricht dem traditionellen Syllogismus der ersten Figur. Lediglich die Reihenfolge der Prämissen ist vertauscht, so dass der Untersatz an erster und der Obersatz an zweiter Stelle steht. Hegel erläutert das Schema wie folgt: unter das Besondere subsumiert, dieses aber unter das Allgemeine; daher ist auch das Einzelne unter das Allgemeine subsumiert. Oder dem Einzelnen inhäriert das Besondere, dem Besonderen aber das Allgemeine; daher inhäriert dieses auch dem Einzelnen" (GW

„Das Einzelne ist

12,94).

Obwohl Hegel die Verhältnisse der Inhärenz und der Subsumtion in der Urteilslehre als unwahr ausgeschieden hat, beginnt er in der Schlusslehre wieder mit ihnen. Genau wie das qualitative Urteil betrachtet Hegel den Schluss des Daseins als die nächstliegende Lesart der logischen Form, aus der sich ihre wahre Bedeutung entwickeln muss. Der zitierten Erläuterung nach handelt es sich bei dem Schluss um eine Art transitiver Relation. Betrachtet man die beiden Prämissen und die Konklusion getrennt, subsumiert entweder jeweils das Prädikat das Subjekt, oder das Prädikat inhäriert jeweils dem Subjekt. In dem einen wie in dem anderen Fall kann der mittlere Term sozusagen übersprungen werden. Gleichwohl verfolgt Hegel nicht das Ziel, die Mitte einfach zu eliminieren. Aus der Transitivität der Verhältnisse der Subsumtion und der Inhärenz ergibt sich eine ganz andere, für sein Programm interessante Konsequenz. Wenn das Einzelne unter das Besondere und das Besondere unter das Allgemeine subsumiert ist, dann ist das Besondere im ersten Fall das Subsumierende und im zweiten das Subsumierte. Entsprechend verhält es sich, wenn das Allgemeine dem Besonderen und das Besondere dem Einzelnen inhäriert. Jedes Mal fungiert der mittlere Term des Schlusses gleichermaßen als Subjekt wie als Prädikat. Insofern er als das Subjekt des Obersatzes füngiert, subsumiert ihn bzw. inhäriert ihm das Prädikat der Konklusion. Insofern der mittlere Term als das Prädikat des Untersatzes fungiert, subsumiert bzw. inhäriert er dem Subjekt der Konklusion. Was sich bei der Form des Urteils nur in dem besonderen Fall des spekulativen Satzes als möglich erwies, dass nämlich das Subjekt und das Prädikat ihre Plätze tauschen, scheint bei dem mittleren Term des Schlusses das Normale zu sein. „Das Besondere ist nach der einen Seite, nämlich gegen das Allgemeine, Subjekt; gegen das Einzelne ist es Prädikat; oder gegen jenes ist es Einzelnes, gegen dieses ist es Allgemeines" (GW 12, 94).

ergibt sich die Antwort auf die Frage nach der Eignung des mittleren Terms zur Darstellung der unterschiedslosen Identität des Subjekts mit dem Prädikat des Urteils. Der Mittelbegriff des Schlusses drückt insofern die Einheit der entgegengesetzten Bestimmungen aus, als er die Funktion sowohl des Subjekts als auch des Prädikats wahrzunehmen imstande ist. Daher lässt sich das allgemeine Schema des Schlusses so interDaraus

108

Die drei Figuren des Schlusses

pretieren, dass das Besondere die Einheit des Einzelnen und des Allgemeinen darstellt. „Weil in ihm die beiden Bestimmtheiten vereinigt sind, sind die Extreme durch diese ihre Einheit zusammengeschlossen" (ebd.). Im Unterschied zu dem Subjekt und dem Prädikat eines gewöhnlichen Urteils vermag der mittlere Term des Schlusses als Einzelnes und als Allgemeines gleichermaßen aufzutreten. Er fungiert im Obersatz als Subjekt und im Untersatz als Prädikat. Als der mittlere Term des Schlusses kommt demzufolge nur ein Begriff in Betracht, von dem gilt, was Hegel mit dem Schema der wechselseitigen Subsumtion erreichen will und was den spekulativen Satz auszeichnet, nämlich der Einseitigkeit des Verhältnisses der Inhärenz und der Subsumtion enthoben zu sein.

109

Der Kreis der syllogistischen Figuren

§7

Der Kreis der syllogistischen Figuren

Wirft man zum ersten Mal einen Blick in das Inhaltsverzeichnis der Subjektiven Logik, erweckt das Inventar zumal der Schlusslehre einen ausgesprochen konventionellen Eindruck. Neben der traditionellen Lehre von den Figuren des Schlusses behandelt Hegel die üblichen Arten von Schlüssen. Beides scheint notdürftig an die Ordnung der kantischen Urteils- und Kategorientafel angepasst, um so dem Anspruch systematischer Ordnung und Vollständigkeit zu genügen. Es fällt schwer, sich nicht an die Rede von dem „verknöcherten Material" der formalen Logik im Vorbericht zu erinnern. Inwieweit es Hegel tatsächlich gelingt, sein Versprechen einzulösen und in dem „toten Stoff den „lebendigen Begriff zu entzünden (GW 12, 5), lässt sich im Voraus nicht entscheiden. Um zu mehr Klarheit zu kommen, hat man sich über die Absicht zu verständigen, die Hegel mit der ausführlichen Darstellung des Schlusses verfolgt. Welche Funktion besitzt die Lehre von den dreimal drei Formen des Schlusses im Allgemeinen und den syllogistischen Figuren im Besonderen innerhalb der hegelschen Lehre vom Begriff? Auszugehen hat die Antwort von der Einsicht, dass es in der Subjektiven Logik um die Entfaltung nicht irgendeines, sondern desjenigen ,Begriffs' geht, dessen Begriff das Resultat der Objektiven Logik bildet. Nichtsdestoweniger beginnt der erste Abschnitt mit der gängigen Auffassung, wonach der Begriff eine Form des subjektiven Denkens darstellt. Das bedeutet nicht, dass Hegel in seine spekulative Logik einfach eine Abhandlung über philosophische Psychologie oder ein Kompendium der formalen Logik integriert hätte. Die Situation lässt sich angemessener so beschreiben, dass er bei der Entwicklung jeder seiner Kategorien von einer ihm als nahe liegend erscheinenden Bedeutung ausgeht. So wird eben der Begriff in aller Regel als eine Form des Denkens angesehen. Nicht weniger selbstverständlich scheint es zu sein, in die Erörterung des Begriffs als eine Form des Denkens die Formen des Urteils und des Schlusses einzubeziehen, bei deren Bestandteilen es sich nach landläufiger Ansicht eben um Begriffe handelt. Doch nicht nur, was die Auswahl der behandelten Formen angeht, sondern auch, was die Entwicklung jeder einzelnen von ihnen betrifft, orientiert sich Hegel an der nächstliegenden Bedeutung. So soll der Sinn des Urteils zunächst der sein, dass einem Gegenstand eine allgemeine Bestimmung beigelegt wird. Hegel spricht in dem Zusammenhang von „dem Urteil, wie es unmittelbar ist". Als unmittelbar gilt eine Kategorie für ihn so lange, wie sie keine Entwicklung durchlaufen hat und zu keiner anderen in Beziehung gesetzt worden ist. Im Fall des qualitativen Urteils werden das Subjekt und das Prädikat jedes für sich als etwas Unmittelbares angesehen und der besonderen Form der Beziehung, die zwischen ihnen besteht, keine Beachtung geschenkt. „Unmittelbar ist sein Subjekt ein abstraktes, seiendes Einzelnes; das Prädikat eine unmittelbare Be' stimmtheit oder Eigenschaft desselben, ein abstrakt Allgemeines" (59). 1

Vgl. „Das Prädikat,

um von

diesem zuerst

zu

sprechen,

ist das abstrakte

Allgemeine. [...]

Ebenso

110

Die drei Figuren des Schlusses

In ähnlicher Weise verfahrt Hegel am Anfang der Schlusslehre. Dem qualitativen Urteil entspricht der Schluss des Daseins. Er ist „der Schluss, wie er unmittelbar ist", und hat „zu seinen Momenten die Begriffsbestimmungen als unmittelbare". Der Schluss des Daseins wird so verstanden, als habe man es bei jedem seiner Terme mit einem „einzelnen Inhalt" zu tun. Zwischen das Einzelne und das Allgemeine, die bereits die beiden Seiten des Urteils ausmachten, tritt der mittlere Term als die „zwischen ihnen stehende Die Bestimmungen des Allgemeinen, des Besonderen und des Besonderheit" Einzelnen hängen demzufolge nicht von der Funktion ab, die sie als Terme innerhalb des Schlusses übernehmen. Da die drei Momente erst durch das subjektive Denken zueinander in Beziehung gesetzt werden, besitzt die Art ihres Verhältnisses keinen Einfluss auf ihre Bedeutung. Das führt, wie wir gleich sehen werden, zu einer Diskrepanz zwischen dem „Schluss, wie er unmittelbar ist", und der vorgeblichen Funktion des mittleren Terms, das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Prädikat zu bestimmen. Die ganze weitere Entwicklung des Schlusses ist nichts anderes als der Austrag dieser Spannung. In dem Abschnitt über den Schluss des Daseins, von dem im Folgenden die Rede sein soll, erweist Hegel die drei Terme als in dem Sinn miteinander identisch, dass jeder von ihnen die Stelle der Mitte einnehmen kann.

(92).2

1. Die drei

Figuren des Aristoteles

Auf den ersten Blick handelt es sich bei den Bestimmungen des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen um eine Art von Variablen. Ähnlich wie die Zeichen A, B und r bei Aristoteles vertreten sie bestimmte Begriffe, die in der Form des Schlusses aufeinander bezogen werden. Daher darf die Rede von dem Allgemeinen, dem Besonderen und dem Einzelnen nicht mit der Unterscheidung zwischen universellen, partikulären und singulären Urteilen verwechselt werden. Die Unterscheidung, von der Hegel in dem Abschnitt über das Urteil der Reflexion selbst Gebrauch macht, hängt davon ab, ob das Prädikat nur einigen oder allen unter das Subjekt fallenden Gegenständen zukommt. Die auf Aristoteles zurückgehende Lehre von den syllogistischen Figuren und Modi operiert wesentlich mit dem Unterschied zwischen universellen und partikulären Aussagen. In Hegels Logik spielen die verschiedenen Modi des Schließens indes keine Rolle. Vielmehr polemisiert Hegel gegen Leibniz, der mit kombinatorischen Mitteln auf

ist das Subjekt ein abstrakt Einzelnes oder das Unmittelbare, das als solches sein soll; es soll daher das Einzelne als ein Etwas überhaupt sein" (GW 12, 60). 2 Vgl. „Der unmittelbare Schluss ist, dass die Begriffsbestimmungen als abstrakte gegeneinander nur in äußerem Verhältnis stehen, so dass die beiden Extreme die Einzelheit und Allgemeinheit, der Begriff aber als die beide zusammenschließende Mitte gleichfalls nur die abstrakte Besonderheit ist" (E

§ 182).

Der Kreis der syllogistischen Figuren

111

die Annahme von nicht weniger als 2048 möglichen Formen zu schließen kam, von denen er 2024 als unbrauchbar gleich wieder aussondern musste. Die Rede von dem Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen hat also nichts damit zu tun, um welche Art von Urteilen es sich bei den Prämissen und der Konklusion des Schlusses handelt. Schon näher liegt die Annahme, dass sich die Bezeichnung der drei Terme nach ihrem Umfang richtet. In dem Fall wären das Einzelne als im Besonderen und das Besondere als im Allgemeinen enthalten zu denken. Gestützt wird die Vermutung durch die aristotelische Definition des Schlusses, die sich auf drei ineinander enthaltene Allgemeinbegriffe mit wachsendem Umfang bezieht. Ein passendes Beispiel bilden die Begriffe ,Grieche Mensch Lebewesen'. Die genannte Ordnung trifft freilich nur auf den ersten Modus der ersten Figur zu. Die Lage ändert sich, sobald partikuläre und verneinende Sätze als Prämissen ins Spiel kommen. So ist etwa bei allen Modi mit partikulär bejahendem oder universell verneinendem Obersatz das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen unerheblich. Anders als Aristoteles scheint Hegel zwar einen einzelnen Gegenstand als Subjekt des Schlusses im Auge zu haben.5 Aber auch wenn ,das Einzelne' für einen singulären Term steht, muss das Einzelne nicht in allen Figuren und Modi im Besonderen und im Allgemeinen dem Umfang nach enthalten sein. Die Bezeichnung des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen kann demzufolge nicht nur mit dem Umfang der Terme zusammenhängen. Stattdessen gilt es eine andere Eigenheit des Gebrauchs der Variablen A, B und E zu bedenken. Während Aristoteles nämlich zur Beschreibung der zweiten und dritten Figur auf die Buchstaben M, N und S sowie n, P und I zurückgreift, soll in der Schlusslehre Hegels die veränderte Stellung der drei Terme anzeigen, um welche Figur es sich jeweils handelt. In der ersten Figur fungiert das Besondere, in der zweiten das Einzelne und in der dritten das Allgemeine als der mittlere Term. Daher geht die Bedeutung des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen über die Funktion von bloßen Variablen hinaus. Hegel bedient sich der drei Momente im Rahmen der Ableitung der zweiten und dritten Figur aus der ersten. Ausdrücklich beruft er sich auf die traditionelle Überzeugung, „dass andere Verhältnisse der Terminorum, welche die anderen Figuren geben, nur insofern eine Gültigkeit als Verstandesschlüsse haben können, als sie sich auf jenes ursprüngliche Verhältnis zurückführen lassen" (GW 12, 94). Das heißt, dass in der Mitte der zweiten Figur derjenige Term steht, der, sobald man den Schluss auf die erste Figur zurückführt, -

-

Vgl. GW 12, 109. Wie es scheint, verzichtete Hegel auch in seinen Nürnberger Gymnasialkursen auf die Behandlung der Modi des Schließens. 4 Der Grund liegt in der Möglichkeit der Konversion der betreffenden Prämisse. 5 Das Auftreten singulärer Terme in Syllogismen wird erst seit dem Mittelalter diskutiert. Vgl. die Hinweise auf Wilhelm von Ockham bei Paul Thom, Art. „Syllogismus; Syllogistik", in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, Basel 1998, Sp. 687-707, 698. 6 Vgl. Aristoteles, Analytica priora, I 5 (27 a 5 f.) und I 6 (28 a 18 f.). 3

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112

Die drei Figuren des Schlusses

dort als das Einzelne fungiert. Der mittlere Term der dritten Figur nimmt in der ursprünglichen Form die Stelle des Allgemeinen ein. Während sich die traditionelle Logik zur Ableitung der Figuren der Konversion und der Vertauschung der Prämissen bediente, präsentiert Hegel die drei Figuren des Schlusses als das Resultat der „dialektischen Bewegung des Schlusses des Daseins" (92). Doch bevor ich auf die Bewegung zu sprechen komme, will ich die Gemeinsamkeiten der hegelschen Figuren mit der aristotelischen Syllogistik herausstellen. Hegels Schematisierung der drei Figuren des Schlusses steht dem Wortlaut der aristotelischen Logik viel näher, als bei dem Vergleich mit den Handbüchern seiner Zeit zutage tritt. Die Zeitgenossen Hegels interpretierten den Syllogismus in der Regel als die Folge dreier Urteile. Über die Frage, zu welcher Figur ein bestimmter Schluss zu rechnen sei, entschied die Stellung des mittleren Terms in den beiden Prämissen. Da der mittlere Term sowohl im Obersatz als auch im Untersatz vorkommt und jeweils entweder als Subjekt oder als Prädikat fungieren kann, ergeben sich vier Kombinationen, wie die drei Terme angeordnet sein können. Ihnen entsprechen die vier Figuren des Schlusses.7 Im Gegensatz zu der Formel E B A lässt die Schematisierung des Schlusses als die Folge dreier Urteile nicht recht deutlich werden, in welchem Sinn bei der zweiten, dritten und vierten Figur von einem ,mittleren' Term gesprochen werden kann. Hegel weist zu Recht darauf hin, dass der Ausdruck médius terminus „von räumlicher Vorstellung hergenommen" sei (91 ). Eine zusätzliche Schwierigkeit bereitet der Umstand, dass Aristoteles selbst keine vier, sondern nur drei Figuren des Schlusses unterscheidet. Genau wie Hegel gebraucht er die Bezeichnung ,Mitte' (pxoov) in der zweiten und dritten Figur für den Term, der in der ursprünglichen Formel des Schlusses räumlich gesehen in der Mitte steht. So schreibt Aristoteles zur zweiten Figur: -

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„Mittelbegriff nenne ich in dieser Figur den, der von den beiden anderen ausgesagt wird, Außenbegriffe die, von denen er ausgesagt wird; größeren Außenbegriff den, der bei dem Mittelbegriff liegt, kleineren Außenbegriff den, der weiter von dem Mittelbegriff entfernt ist. Der Mittelbegriff steht außerhalb der Außenbegriffe und ist der Stellung nach der erste Be-

griff"8

für den ,kleineren' Außenbegriff den Buchstaben E, für den ,größeren' Außenbegriff den Buchstaben A sowie für den Mittelbegriff den Buchstaben B ein, ergibt sich das Schema B A E. Dem entspricht die dritte Figur Hegels. Ebenso lässt sich von der Definition der dritten aristotelischen Figur zeigen, dass sie das Schema A An der Erklärung sind freilich E B ergibt und so der zweiten Figur Hegels Setzt

man

-

-

-

entspricht.9

-

Vgl. zum Beispiel Kant, Logik Jäsche, § 58 und 68 (AA IX, 120 f. und 125 f.). 8 Aristoteles, Analytica priora, I 5 (26 b 36-39). 9 Vgl. Aristoteles, Analytica priora, I 6 (28 a 10-15). Zu der These, dass sich die Bestimmung der drei Terme in der aristotelischen Definition der zweiten und dritten Figur auf ihre räumliche Anordnung in gewissen „Standardformulierungen" bezieht, vgl. Günther Patzig, Die aristotelische Syllogistik. Logisch-philologische Untersuchungen über das Buch A der „Ersten Analytiken", Göttingen [1959] 3. Aufl. 1969, 108-113. 7

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113

Der Kreis der syllogistischen Figuren

zwei

Präzisierungen anzubringen.

Erstens ist

um

der

Genauigkeit willen

darauf hinzu-

weisen, dass Hegel die Terme in der entgegengesetzten Reihenfolge notiert wie Aristoteles. Betrachten wir dazu die aristotelische Formel der dritten Figur. Sie lautet: „Wenn sowohl n wie P jedem X zukommen, [sc. ergibt sich; G. S.] dass das n einem P notwendig zukommen muss". Gebraucht man nun statt des Ausdrucks ,kommt zu' (vndpxet) die Kopula ,ist', wird aus dem Satz ,A kommt jedem E zu' das prädikative Urteil jedes E ist A'. Dadurch kehrt sich die Reihenfolge der Terme um und die Formel des Schlusses lautet: ,Wenn jedes X sowohl P wie n ist, dann ist ein P notwendig n'. ' Dem entspricht nicht mehr das Schema A-E-B, sondern das Schema B E A.1 Die zweite Präzisierung betrifft die Anordnung der beiden äußeren Terme bei Hegel. Sie variiert in den verschiedenen Fassungen der Wissenschaft der Logik. In der großen Logik lautet das Schema der zweiten Figur B E A und das Schema der dritten Figur E A B. In der enzyklopädischen Logik gebraucht Hegel hingegen die beiden Schemata A-E-B und B-A-E.12 Der Unterschied fällt formal so lange nicht ins Gewicht, wie in der zweiten und dritten Figur nur partikulär bejahende oder universell verneinende Konklusionen vorkommen. Dann können der Schlusssatz konvertiert und die Prämissen vertauscht werden, so dass sich die Schemata der Wissenschaft der Logik in die der Enzyklopädie überführen lassen und umgekehrt. Aber der formale Punkt droht den eigentlichen Unterschied zwischen den beiden Reihen von Schemata zu verschleiern. Die Abfolge E-B-A, A-E-B und B-A-E beruht auf dem Grundgedanken Hegels, wonach die Gleichheit des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen in der Möglichkeit zum Ausdruck kommt, dass jedes Moment die Stelle aller drei Terme in der ursprünglichen Form des Schlusses einnehmen kann.13 Für den Gedanken scheint vor allem wichtig zu sein, dass jeder Term einmal an jeder Stelle des Schlusses zu stehen kommt. In der Wissenschaft der Logik führt Hegel die zweite und dritte Figur hingegen mit der Überlegung ein, sie dienten zur Begründung der beiden Prämissen der ersten Figur. Die Konklusion des Schemas B E A fungiert als der Obersatz B A und die Konklusion des Schemas E A B als der Untersatz E B. Auf beide Sichtweisen wird später zurückzukommen sein. Bei Aristoteles bezieht sich die Rede von dem größeren und dem kleineren Außenbegriff sowie von der Mitte stets auf die erste Figur. So kommt es, dass ,die Mitte' in der zweiten Figur am Anfang und in der dritten Figur am Ende steht. Hegel vermeidet -

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10 Aristoteles, Analytica priora, I 6 (28 a 18 f.). 11 Zur Transformation der Figuren Hegels in die aristotelischen vgl. Krohn, Die formale Logik, 48 f. 12 Vgl. GW 12, 99 und 102 mit HE § 134 sowie E § 186 f. Dieselben Schemata wie in der Enzyklopädie finden sich in der Subjektiven Logik für die Oberklasse von 1809/10 (§ 44 f. [WW 4, 151]) sowie in dem kurz zuvor entstandenen Fragment „Zur Lehre von den Schlüssen" (GW 12, 299-304). 13 Hegels Resümee der Entwicklung des qualitativen Schlusses in der enzyklopädischen Logik lautet: „Indem jedes Moment die Stelle der Mitte und der Extreme durchlaufen hat, hat sich ihr bestimmter Unterschied gegeneinander aufgehoben" (E § 188). 14 Zum Vergleich der beiden Fassungen vgl. auch Krohn, Die formale Logik, 44 f. -

114

Die drei Figuren des Schlusses

die Schwierigkeit, indem er den mittleren Term der ersten Figur ,das Besondere' nennt. Deshalb kann er in Bezug auf das Einzelne in der zweiten sowie auf das Allgemeine in der dritten Figur von dem médius terminus sprechen. Zur zweiten Figur schreibt Hegel: E, oder E B, und E A; der Médius Terminus ist daher beide Male subsumiert oder beide Male Subjekt, dem also die beiden anderen Termini inhärieren, also nicht eine Mitte, die das eine Mal subsumierend oder Prädikat und das andere Mal subsumiert oder Subjekt sein, oder der der eine Terminus inhärieren, die aber selbst dem anderen inhärieren soll" (GW 12, 101). „Die zwei Prämissen desselben sind B

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Man beachte, dass B E den Untersatz und E A den Obersatz darstellt. Wenn man das Urteil B E umkehrt, trifft die Beschreibung zu, wonach das Einzelne in beiden Prämissen als Subjekt fungiert. Um Hegels Schema B E A in die zeitgenössische Schreibweise überführen zu können, muss der Untersatz des Schlusses konvertierbar sein. Das entspricht genau der Bedingung, unter der die herkömmliche dritte Figur aus der ersten abgeleitet werden kann, die Hegel an der Stelle referiert. Der Obersatz steht richtig, denn die Prämisse E A hat bereits „das Verhältnis der Subsumtion des Médius Terminus unter das eine Extrem". Was hingegen die Prämisse E B betrifft,15 muss sie „das entgegengesetzte Verhältnis, das sie hat, erhalten und B unter E subsumiert werden können". Das Verhältnis der Subsumtion zwischen dem Besonderen und dem Einzelnen ist umkehrbar, wenn es sich bei dem Untersatz um ein partikuläres Urteil handelt. „Ein solches Verhältnis aber wäre die Aufhebung des bestimmten Urteils ,E ist B' und könnte nur in einem unbestimmten Urteil stattfinden in einem partikulären" (ebd.). Infolgedessen gilt auch der Schlusssatz nur partikulär. Daher kann schließlich das Verhältnis zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen umgekehrt und die Reihenfolge der -

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Prämissen vertauscht werden. Mit diesen wenigen Strichen zeichnet Hegel ein nahezu vollständiges Bild der Prinzipien zur Ableitung seiner zweiten aus der ersten Figur. Ebenso treffsicher wirken Hegels Bemerkungen zu seiner dritten Figur. Die beiden Prämissen lauten E A und A B. Wie im Fall der herkömmlichen zweiten Figur muss der Obersatz A B umgekehrt werden können. „Dies geschieht in einem Urteil, worin das Verhältnis von Subjekt und Prädikat gleichgültig ist, in einem negativen Urteil. So wird der Schluss legitim, aber die Konklusion notwendig negativ" (103). Daraus folgt wieder die Umkehrbarkeit des Verhältnisses zwischen dem Einzelnen und dem Besonderen sowie die -

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,E-B' ist eine Konjektur der kritischen Ausgabe (vgl. GW 12, 101). Alle früheren Ausgaben bringen ,B E', wodurch der folgende Satz unverständlich wird. 15

16 Durch die einfache Konversion des Untersatzes ergeben sich aus Darii und Ferio zunächst die Modi Datisi und Ferison, durch akzidentelle Konversion ferner Darapti und Felapton. Durch die zusätzliche Vertauschung der Prämissen wird aus Darii schließlich Disamis. Lediglich die Gültigkeit von Bocardo lässt sich auf die Weise nicht einsichtig machen. Er wird in der traditionellen Logik per impossibile auf den Modus Barbara zurückgeführt. Der Einschätzung von Klaus Düsing, Hegel habe die Modi Darapti und Datisi „zumindest angedeutet", während er Felapton, Disamis und Ferison gar nicht berühre (vgl. Das Problem der Subjektivität, 278), kann ich mich nicht anschließen. -

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115

Der Kreis der syllogistischen Figuren

Möglichkeit, die Prämissen zu vertauschen.17 In dem Zusammenhang kommt Hegel auf die vierte syllogistische Figur zu sprechen, „die Aristoteles nicht gekannt" habe.18 In der vierten Figur nehmen die Terme die umgekehrte Stellung ein wie in der ersten, das heißt der mittlere Term bildet das Prädikat des Ober- und das Subjekt des Untersatzes. Die Prämissen lauten demnach A-B und B E, die Konklusion hingegen E A. Um den Schluss aus der ersten Figur abzuleiten, müssen der Schlusssatz umgekehrt und die Prämissen vertauscht werden. Infolgedessen kann es sich bei der Konklusion nur um ein partikuläres oder verneinendes Urteil handeln.19 Da solche Sätze, verglichen mit bejahenden Urteilen, nicht übermäßig informativ sind, bemängelt Hegel an der vierten Fi-

gur, sie betreffe „vollends einen ganz ganz Müßiges" (103 f.).

2.

-

leeren, interesselosen Unterschied" und sei „etwas

Hegels Kritik der Syllogistik

In der enzyklopädischen Logik bemerkt Hegel, die Bestimmung der Qualität und Quantität der Sätze eines Syllogismus sei eine „mechanische Untersuchung" und wegen „ihrer inneren Bedeutungslosigkeit zu Recht in Vergessenheit gekommen" (E § 187 Betrachtet man Hegels Ausführungen zu den Figuren des Schlusses, wird man einräumen müssen, dass das Vergessen bei ihm selbst keineswegs so weit fortgeschritten war, dass er nicht mehr imstande gewesen wäre, die Grundzüge der traditionellen Schlusslehre angemessen zu kennzeichnen. Gleichwohl beendet Hegel den Abschnitt über den Schluss des Daseins mit einer längeren Anmerkung, in der er seiner Verachtung der Syllogistik freien Lauf lässt. Er verweist auf den „allgemeinen Verdruss und Ekel", zu dem ihre „so genannten Spitzfindigkeiten" geführt hätten (GW 12, 106). Die Anspielung auf Kants Programmschrift über Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren ist offenkundig. Kant hatte mit seiner über fünfzig Jahre zurückliegenden Abhandlung, bei der es sich immerhin um die Einladung zu einem Logikkolleg handelte, den Ton der Polemik angegeben. Mit der Berufung auf die Möglichkeit, die zweite, dritte und vierte Figur aus der ersten abzuleiten, kritisierte er das syllo-

Anm.).20

Durch die einfache Konversion des Obersatzes ergeben sich aus Celarent und Ferio die Modi Ceund Festino. Durch zusätzliches Vertauschen der Prämissen entsteht Camestres. Für Baroco gilt dagegen wie fur Bocardo, dass er nur per impossibile auf Barbara zurückgeführt werden kann. 18 Günther Patzig fuhrt das Fehlen der vierten Figur bei Aristoteles auf den Umstand zurück, dass es für die entsprechenden Modi keine „Standardformulierung" gibt, worin der Mittelbegriff einen eindeutigen Ort besitzt (vgl. Die aristotelische Syllogistik, 123-127). 19 Durch die Konversion des Schlusssatzes und die Vertauschung der Prämissen ergeben sich aus Barbara, Celarent und Darii die Modi Bamalip, Calemes und Dimatis. Nicht erfasst werden von Hegels Darstellung die Modi Fesapo und Fresison, die sich durch die Konversion der Prämissen aus Ferio ableiten lassen. 20 In dem entsprechenden Paragraphen der Heidelberger Enzyklopädie spricht Hegel sogar von der „Verachtung" der Syllogistik (HE § 134 Anm.). 17

sare

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Die drei Figuren des Schlusses

gistische Regelwerk als unnötigen Ballast. Auf die Unterscheidung der Figuren sei ein Logiker verfallen, als er beim Notieren der Prämissen untereinander auf die Regelmäßigkeit der möglichen Stellungen von Subjekt und Prädikat gestoßen sei und sich darüber so kindisch gefreut habe wie über die Entdeckung eines Anagramms im eigenen

Namen."

Hegel bemängelt die Nähe

der syllogistischen Regeln zu dem „Verfahren der Rechenmeister". Dadurch werde das Schließen zu einer mechanischen Operation, zu deren Verrichtung bereits Rechenmaschinen erfunden worden seien. Wenn man wie Leibniz die Modi des Schlusses mit kombinatorischen Mitteln errechne, setze man das begriffliche Denken auf eine Stufe mit der Frage nach den möglichen Ausgängen eines Würfel- oder Kartenspiels. Hegels Kritik lässt sich schlagwortartig so zusammenfassen, dass es sich um einen ,begrifflosen' Umgang mit Begriffen handle. Sobald man mit den Termen wie mit Zahlen verfahre, würden „die Formbestimmungen des Schlusses, welche Begriffe sind, als ein begriffloser Stoff behandelt". Leibniz habe „das Eigentümliche des Begriffs und seiner Bestimmungen, als geistige Wesen sich zu beziehen und durch dies Beziehen ihre unmittelbare Bestimmung aufzuheben, auf der Seite gelassen" (109). Die Anmerkung zum Schluss des Daseins gipfelt in der Polemik gegen den logischen Kalkül Ploucquets, auf den im nächsten Abschnitt noch einzugehen sein wird. Hegel erinnert an dessen Einschätzung, es könne „Ungebildeten durch den Kalkül mechanisch die ganze Logik beigebracht werden", und bescheinigt ihm, die Empfehlung sei „wohl das Schlimmste, was von einer Erfindung über die Darstellung der logischen Wissenschaft gesagt werden kann" (110). Der Zusammenhang zwischen der Kritik der Syllogistik und Hegels eigener Theorie des Begriffs tritt klarer hervor, wenn man den Bedenken nachgeht, die er gegenüber der Einbeziehung partikulärer und verneinender Prämissen in die Schlusslehre geltend macht. Seine Darstellung der vier Figuren betreffend erklärt Hegel, es seien „nur das Hauptmoment angegeben und die Fälle und Verwicklungen übergangen worden, welche entstehen, wenn der Unterschied von positiven und negativen Urteilen nebst der quantitativen Bestimmung, besonders der Partikularität, mit dazu gezogen wird" (106). Die Beschränkung auf partikuläre Konklusionen, schreibt Hegel anlässlich der Erläuterung der zweiten Figur, mache den Schluss „zu etwas Unbestimmtem" (101). Vom Standpunkt der formalen Logik leuchtet diese Behauptung nicht ohne weiteres ein. Solange es lediglich um die Gültigkeit des betreffenden Modus des Schließens geht, ist ein partikulärer Schlusssatz nicht weniger ,bestimmt' als ein universeller. Hinter der Äußerung Hegels steht seine etwas eigentümliche Deutung des partikulären Urteils. Ein Satz wie ,einige Dinge sind nützlich' bezieht sich auf eine Klasse von Gegenständen in dem Sinn, dass er einem Teil der Gegenstände das Prädikat zu- und einem anderen Teil dasselbe Prädikat abspricht. „Wenn einige Dinge nützlich sind, so sind eben deswegen einige Dinge nicht nützlich." Das partikuläre Urteil „enthält" laut 21

Vgl. Kant, Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren, § 5 (AA II, 55 ff).

117

Der Kreis der syllogistischen Figuren

das erste, positive und das zweite, negative Urteil „unmittelbar beide zugleich". Aus dem Grund erklärt er das partikuläre Urteil für „unbestimmt" (73). Einem solchen Satz, heißt es später, könne „eben kein großer Wert zugeschrieben werden" ( 102). Auch diese Behauptung leuchtet nur unter der Bedingung ein, dass man den Wert des partikulären Urteils an den beiden Sätzen ,dieses Ding ist nützlich' und ,alle Dinge sind nützlich' misst. Wenn ich mich für den Nutzen eines bestimmten Dings oder einer Klasse von Dingen interessiere, gehört die Auskunft,einige Dinge sind nützlich' mit Sicherheit nicht zu dem, was viel nützt. Hegel führt den geringen Wert des partikulären Urteils auf den Umstand zurück, dass sich das Subjekt zwar auf etwas Allgemeines bezieht, dass das Allgemeine aber als eine Menge einzelner Dinge aufgefasst wird. Die in dem Ausdruck ,einige' enthaltene Allgemeinheit sei „von den Einzelnen [...] getrennt" (73). An die Feststellung der Wertlosigkeit des partikulären Urteils knüpft Hegel die These von der „Gleichgültigkeit" des Verhältnisses zwischen dem Subjekt und dem Prädikat der Konklusion des Syllogismus der zweiten Figur. Gemäß der traditionellen Logik können solche gleichgültigen Verhältnisse umgekehrt werden.23 In der Schlusslehre ergibt sich daraus die Möglichkeit, die Extreme und die Prämissen zu vertauschen. „Es kann beliebig die eine oder die andere [sc. Bestimmtheit; G. S.] als Terminus Maior oder Minor, daher auch die eine oder die andere Prämisse als Ober- oder als Untersatz genommen werden" (102). In demselben Sinn spricht Hegel von der Gleichgültigkeit des Verhältnisses zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des negativen Urteils, das als die Konklusion eines Schlusses der dritten Figur fungieren muss. Da die Extreme wieder vertauscht werden können, ist es auch hier „gleichgültig", welche der beiden Prämissen den Obersatz und welche den Untersatz bildet (103). In formaler Hinsicht kann man Hegels Kritik an der traditionellen zweiten und dritten Figur aus mehreren Gründen als unbefriedigend empfinden. Erstens übergeht er die Klasse der partikulär verneinenden Urteile, bei denen das Subjekt keineswegs mit dem Prädikat vertauscht werden darf. Zweitens erwähnt Hegel mit keinem Wort, dass drei der insgesamt vier Modi der ersten Figur ebenfalls partikuläre und verneinende Sätze enthalten. In den Modi Celarent, Darii und Ferio sind die Verhältnisse der beiden äußeren Terme ebenso „gleichgültig" wie in den übrigen Figuren. Drittens genügt die besagte Gleichgültigkeit nicht als Argument zur Herabsetzung der vierten gegenüber der zweiten und dritten Figur. Die Liste der Bedenken lässt sich womöglich noch verlängern. Doch statt das Gewicht solcher Einwände im Einzelnen zu prüfen, möchte ich versuchen, die Stoßrichtung der Überlegung Hegels weiter zu präzisieren. Hegel beginnt die Ausführungen über die Ableitung der zweite syllogistischen Figur mit der Bemerkung: „Insofern er nur als ein subjektiver Schluss betrachtet wird, [...] so gilt er als eine Art des Schlusses, welche der Gattung, nämlich dem allgemeinen ScheB A entsprechen sollte" (101). Bezüglich der Ableitung der dritten Figur heißt ma E

Hegel

-

22

-

Hegel spricht

von

der

..Reflexionsallgemeinheit" (GW 12,

„im komprehensiven" Sinn (104 und 108). 23 Zum

Beispiel:

Wenn

74 und

118) oder der Allgemeinheit

einige Urteile nutzlos sind, dann ist einiges Nutzlose ein Urteil.

118

Die drei Figuren des Schlusses

sinngemäß, sie sei erforderlich, „insofern" der Schluss „als eine Art des Schlusses diesem [sc. dem Schluss als Gattung; G. S.] entsprechen soll" (103). Die Einschränkung auf partikuläre oder verneinende Sätze wird im Rahmen der traditionellen Syllogistik erforderlich, weil sie die zweite und dritte Figur als von der Gattung abgeleitete Arten des Schließens betrachtet. Das bedeutet für Hegel, dass bei der ersten Figur „als wahrhafter Form stehen geblieben" wird (101). Mit der Rede von der wahrhaften Form spielt Hegel auf die Auszeichnung des Syllogismus der ersten Figur als „vollkommenen Schlusses" an. Dem gegenüber vertritt er eine ganz andere Betrachtungsweise. Für ihn stellt die zweite Figur keine von der ersten abgeleitete Art zu schließen, sondern „ihre Wahrheit" dar. Die Schlusslehre kann nicht bei der ersten Figur stehen bleiben, weil ein „notwendiger Übergang der ersten in diese zweite Form" stattfindet (ebd.). Hegel beansprucht über eine Methode der Entwicklung des Schlusses zu verfügen, nach der die Konklusion der zweiten Figur zwar weiterhin als „gleichgültig" angesehen werden kann. Die Gleichgültigkeit hat aber nichts damit zu tun, dass es sich um eine von dem allgemeinen Schema des Schlusses abgeleitete oder weniger vollkommene Weise zu schließen handelte. In der Gleichgültigkeit offenbart sich vielmehr die wahre Natur des Schlusses der ersten Figur. Hegel wirft der Syllogistik letzten Endes vor, die dialektische Natur des Schlusses verkannt zu haben. „Indem nun überhaupt die qualitative Form E B A als das Letzte und Absolute gilt, so fällt die dialektische Betrachtung des Schlusses ganz hinweg; die übrigen Schlüsse werden somit nicht als notwendige Veränderungen jener Form, sondern als Arten betraches

-

tet"

-

(107).

3. Die

Vollständigkeit der Vermittlung

gesehen beruht der Übergang von der ersten zur zweiten Figur auf der Unterscheidung zwischen der Form und dem Inhalt des Syllogismus. Unter der „Form" versteht Hegel die Vermittlung zweier Begriffe durch einen dritten. Wie sich aus der Definition des Schlusses ergibt, handelt es sich bei den Begriffen um das Subjekt und Methodisch

das Prädikat eines Urteils, deren Verhältnis durch einen mittleren Term bestimmt werden soll. Mit dem „Inhalt" meint Hegel die Bedeutung der Terme des Schlusses. Gemäß der formalen Logik hängt die Gültigkeit des Schlusses allein von seiner Form und nicht von dem Inhalt der Terme ab. Durch den Gebrauch von Variablen werden die Regeln der Syllogistik in eine allgemeine Form gebracht, die keine Rücksicht mehr auf irgendeinen Inhalt nimmt. In der aristotelischen Logik können für die Variablen A, B und T beliebige Klassen von Gegenständen eingesetzt werden, zum Beispiel die Menge aller Griechen, die Menge aller Menschen und die Menge aller Lebewesen. Hegel dagegen 24 Vgl. Aristoteles, Analytica Priora, I 1 aristotelische Syllogistik, 55-65.

(24 b 22-24) und I 4 (25 b 32-35), sowie dazu Patzig, Die

119

Der Kreis der syllogistischen Figuren

unterstellt, dass sich die Terme des Schlusses auf konkrete Gegenstände und ihre Merkmale beziehen. „Das Einzelne ist irgendein unmittelbarer konkreter Gegenstand, die Besonderheit eine einzelne von dessen Bestimmtheiten, Eigenschaften oder Verhältnissen, die Allgemeinheit wieder eine noch abstraktere, einzelnere Bestimmtheit an dem Besonderen" (GW 12, 95). vor dem Hintergrund dieser Annahme ist die Entwicklung des Schlusses des Daseins zu verstehen. Die Form des qualitativen Schlusses hat einen vermeintlichen Inhalt, der sich in gewissen ontologischen Implikationen niederschlägt. Das Einzelne vertritt einen konkreten Gegenstand. Der Gegenstand besitzt eine Menge von Bestimmtheiten, von denen der mittlere Term des Schlusses eine vertritt. Ein ähnliches Verhältnis herrscht zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen. Der mittlere Term enthält seinerseits eine Reihe allgemeiner Bestimmungen, die dem Gegenstand ebenfalls zukommen und von denen eine das Prädikat der Konklusion bildet. Das Argument für den Übergang von der ersten zur zweiten Figur beruht auf der Unstimmigkeit, die Hegel zwischen dem Inhalt der Terme, so wie er unmittelbar verstanden wird, und der Form des Schlusses ausmachen zu können glaubt. Das Argument taucht in zwei Varianten auf, von denen die erste meines Erachtens eher propädeutischen Charakter besitzt. Ihre Grundlage bildet die Feststellung, dass es sich bei den drei Termen um voneinander unabhängige Inhalte handeln soll. Die Überlegung ist kurz gefasst die folgende: Der Schluss enthält seiner Form nach eine begrifflich vermittelte Beziehung. Unter der Voraussetzung, dass die drei Terme als unmittelbare Bestimmungen angesehen werden, muss die Vermittlung zweier Bestimmungen durch eine dritte erfolgen. Daher, so Hegel, ist die Vermittlung in der ersten Figur des Schlusses unvollständig. In der ersten Figur ist zwar das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen durch das Besondere bestimmt. Aber das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen sowie zwischen dem Einzelnen und dem Besonderen bleibt unbestimmt. Um die beiden übrigen Verhältnisse ebenfalls zu bestimmen, bedarf es der zweiten und der dritten Figur. Nur alle drei Figuren zusammen ergeben ein begrifflich vollständig vermitteltes Verhältnis. Hegel hat das Argument von der Vollständigkeit der Vermittlung, wie ich es einmal nennen will, zum ersten Mal in der Nürnberger Gymnasiallogik vorgetragen.25 Da der Text insgesamt viel knapper gehalten ist als die Darstellung in der Wissenschaft der Logik, tritt dort der Zusammenhang deutlicher hervor, der in den Augen Hegels zwischen der Vermittlung zweier Bestimmungen und der Begründung eines Urteils besteht. Der Mittelbegriff des Schlusses, so der Gedanke, kann als der Grund des Urteils ver-

Nur

standen werden. Der Schluss „enthält überhaupt das Urteil mit seinem Grund".26 Mit der Ansicht steht Hegel keineswegs allein da. Bereits Aristoteles deutet den Mittel-

25 26

Vgl. Hegel, Subjektive Logikfür die Oberklasse, § 43^17 (WW 4, Hegel, Subjektive Logik für die Oberklasse, § 39 (WW 4, 149.).

150

ff).

120

Die drei Figuren des Schlusses

begriff als den Grund wissenschaftlicher Beweise. Ernst Platner definiert den Schluss als „ein Urteil mit beigeordnetem [...] Grund". Als den Grund des Urteils betrachtet Platner „dasjenige, woraus erkannt wird, warum das bejahende oder verneinende Prädikat dem Subjekt zukommt".28 Danach wäre der Begriff ,Lebewesen' der Grund -

-

des Urteils ,alle Menschen sind sterblich', weil ihm einerseits das Prädikat ,sterblich' zukommt und weil er andererseits das Subjekt ,alle Menschen' subsumiert. Hegel versteht unter dem Grund des Urteils die besondere Beschaffenheit, aufgrund deren ein Subjekt unter ein bestimmtes Prädikat fällt. Ausdrücklich hervor tritt der Grund in dem so genannten Urteil des Begriffs, genauer im apodiktischen Urteil. Hegel nennt als Beispiel den Satz: „Die Handlung so und so beschaffen ist recht" (GW 12, 87). Obwohl das Subjekt den allgemeinen Term der Handlung enthält, bezieht sich das Prädikat nicht generell auf alle Handlungen, sondern nur auf solche von einer gewissen Beschaffenheit. „Das Urteil hat daher an der Beschaffenheit des Subjekts seinen Grund" Mit der Rede von dem Grund des Urteils bereitet Hegel den Übergang zur Form des Schlusses vor. Er spricht nicht nur von dem Grund des apodiktischen Urteils als der „bestimmten und erfüllten Kopula", sondern nennt auch die Beziehung des Subjekts auf das Prädikat „die Bestimmtheit als ein Allgemeines oder die Besonderheit" (88 f.). Am Anfang der Schlusslehre verweist Hegel auf den Übergang zurück, indem er den mittleren Term als den die Extreme „haltenden Grund" ausgibt (91). Das Argument von der Vollständigkeit der Vermittlung beruht demnach auf der Forderung, dass nicht nur die Beziehung zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen, sondern auch die Beziehungen zwischen dem Einzelnen und dem Besonderen sowie zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen einen Grund haben müssen. Hegel entwickelt das Argument ausführlich in dem Abschnitt über die erste Figur des Schlusses. Er macht zunächst auf die unterschiedlichen Arten der vorhandenen Beziehungen aufmerksam. Zwischen den beiden Extremen und der Mitte herrscht jeweils eine „unmittelbare" Beziehung, die sich in den beiden Prämissen niederschlägt. Dagegen stehen die beiden Extreme in einer „vermittelten" Beziehung zueinander. Das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen ist durch das Besondere bestimmt. Die Unmittelbarkeit der Prämissen bedeutet für Hegel einen Widerspruch zu der „Natur des Schlusses, nach welcher die unterschiedenen Begriffsbestimmungen nicht unmittelbar bezogen, sondern ebenso deren Einheit gesetzt sein soll" (98).

(88).30

27 Vgl. Aristoteles, Analytica Posteriora, I 6 (74 b 26-32). 28 Ernst Platner, Philosophische Aphorismen, § 544 f. (in: Fichte, GA II/4, Supplement, 129). 29 Platner spricht von der „Subordination" des Subjekts „mit einem dritten Begriff, um anzuzeigen, dass das Subjekt sowohl über als auch unter dem Mittelbegriff stehen kann (vgl. Philosophische Aphorismen, § 546 [129 f.]). 30 In der enzyklopädischen Logik spricht Hegel von der „unmittelbaren Beschaffenheit des Subjekts", die sich als der „vermittelnde Grund zwischen der Einzelheit des Wirklichen und seiner Allgemeinheit" zeige (E § 180).

121

Der Kreis der syllogistischen Figuren

Nach der Auffassung der formalen Logik kommt ein gültiger Schluss unabhängig davon zustande, ob seine Prämissen zutreffen oder nicht. Erkenntnistheoretisch gesehen besteht eine Arbeitsteilung zwischen dem Aufstellen wahrer Prämissen und dem Ableiten formal gültiger Schlusssätze. Tatsächlich verhält es sich freilich in den meisten Fällen so, dass die Prämissen nicht einfach hingenommen werden. „Die Forderung an die Prämissen lautet daher gewöhnlich, sie sollen bewiesen, d. h. sie sollen gleichfalls als Schlusssätze dargestellt werden" (ebd.). Die Forderung nach dem Beweis der Prämissen ist gleichbedeutend mit der Weigerung, sie als selbstevident oder sinnlich gewiss einfach vorauszusetzen. Einlösen lässt sich die Forderung nur durch einen weiteren Schritt der Vermittlung. Deshalb scheint die Begründung der Prämissen eines Schlusses die Form von zwei neuen Schlüssen annehmen zu müssen. Der erste dient der Vermittlung des Subjekts der Konklusion mit dem mittleren Term, der zweite bestimmt das Verhältnis zwischen dem mittleren Term und dem Prädikat des Schlusssatzes. Wenn nun die beiden Schlüsse, mit deren Hilfe die Prämissen E B und B A begründet werden sollen, wiederum dem Schema E B A folgen, gerät man in eine Schwierigkeit. Denn jeder der beiden neuen Schlüsse enthält nicht nur einen zusätzlichen Mittelbegriff, sondern auch zwei weitere unbewiesene Prämissen. Sie verdoppeln also das Problem, das durch sie gelöst werden sollte, ohne dass ein Ende der Reihe abzusehen wäre. Dagegen lässt sich zwar einwenden, dass irgendwann der Punkt erreicht werde, an dem eine Prämisse als gesichert gelten oder auf die Forderung nach ihrem Beweis aus pragmatischen Gründen verzichtet werden könne. Aber das ändert natürlich nichts an dem prinzipiellen Unterschied zwischen formal unbewiesenen und bewiesenen Prämissen. Bleibt man also bei der ersten Figur als der einzig wahren Form des Schließens stehen, bezahlt man die Forderung nach der Begründung der Prämissen mit einem „Progress ins Unendliche" (ebd.).31 Um den Fortgang in die schlechte Unendlichkeit zu vermeiden, schlägt Hegel vor, sich der zweiten und der dritten Figur des Schlusses zu bedienen. Zur Vermittlung der beiden Prämissen soll auf den jeweils dritten Term zurückgegriffen werden. Die Begründung des Obersatzes B A erfolgt also mit Hilfe eines Schlusses der Figur B E A, die Begründung des Untersatzes E B geschieht durch einen Schluss der Figur E A B. -

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Hegel rekapituliert an der Stelle die Ausführungen über die schlechte qualitative Unendlichkeit in Seinslogik (vgl. GW 12, 98 mit 11, 79 ff). Bereits in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes grenzt Hegel die Bewegung des spekulativen Satzes von dem ab, „was bei dem gewöhnlichen Beweis vorkommt, dass die Gründe, die er gebraucht, selbst wieder der Begründung bedürfen, und so fort ins Unendliche" (GW 9, 45). 31 der

-

122

Die drei Figuren des Schlusses

4. Die Wahrheit der drei

Figuren

Standpunkt der absoluten Methode her gesehen besitzt die Berufung auf die Begründungsbedürftigkeit der beiden Prämissen des Schlusses der ersten Figur eher propädeutischen Charakter. Das wird daran deutlich, dass Hegel gleich im Anschluss beginnt, „diesen Übergang näher seinem Begriff nach" zu betrachten. Die folgende Überlegung zielt auf den Nachweis, dass es sich bei der zweiten Figur um „die Wahrheit" der ersten handelt (GW 12, 99). Um die dialektische Bewegung des Schlusses zu verstehen, muss man sich das methodische Konzept von der „Wahrheit" oder der „objektiven Bedeutung" einer bestimmten Form des Schließens klarmachen.32 Wie in den anderen Partien der Logik präsentiert Hegel auch in der Schlusslehre jede neue logische Form als die „Wahrheit" der vorhergehenden. So eröffnet er die Erläuterung der zweiten Figur mit Vom

dem Satz:

„Die Wahrheit des

ersten qualitativen Schlusses ist, dass etwas mit einer qualitativen Bestimmtheit als einer allgemeinen nicht an und für sich zusammengeschlossen ist, sondern durch eine Zufälligkeit oder in einer Einzelheit" (GW 12, 99 f.).33

Legt man das zugrunde, was oben über den unmittelbaren Inhalt der Terme gesagt wurde, dann meint das ,etwas' das Subjekt und die allgemeine Bestimmtheit das Prädikat des Schlusssatzes der ersten Figur. Bei dem Prädikat handelt es sich um eines von mehreren Merkmalen des mittleren Terms, der sich wiederum auf irgendeine beliebige Bestimmung des Subjekts bezieht. Deshalb bezeichnet Hegel die Mitte, die das Subjekt mit dem Prädikat zusammenschließt, als „eine Zufälligkeit" oder „eine Einzelheit". Solange es sich bei dem Besonderen um eine beliebige Bestimmung des Subjekts handelt, ist die Vermittlung „nicht im Begriff der Sache gegründet". Statt auf dem Begriff der Sache beruht der Schluss auf dem zufälligen Umstand, dass dem einzelnen Subjekt die Bestimmung zukommt, die das Prädikat enthält. Insofern erfolgt die Vermittlung durch etwas Unmittelbares. „Das Unmittelbare aber ist unter den Begriffsbestimmungen das Einzelne" Also kommt die objektive Bedeutung der ersten Figur am besten zum Ausdruck, wenn das Einzelne in der Mitte des Schlusses steht, wie es in der zweiten Figur der Fall ist. Hegel nennt noch ein anderes Indiz, warum der Zusammenschluss der ersten Figur in Wahrheit durch das Einzelne geschieht. Der Grund liegt in der Form des Schlusses, der sich auf zwei gleichsam unbegründete Prämissen stützt. Auch in diesem Sinn gilt, dass

(99).34

32 Vgl. „Der bestimmte und objektive Sinn dieses Schlusses ist, dass..." (GW 12, 100). „Die objektive Bedeutung des Schlusses [...] ist, dass..." (104). Der Schluss „hat auch die objektive Bedeutung, dass..." (114). „Die Wahrheit des Schlusses der Induktion ist daher [...] der Schluss der Analogie" (115). „Was die Wahrheit des hypothetischen Schlusses ist, [...] ist somit im disjunktiven Schluss gesetzt" (124). 33 In der enzyklopädischen Logik heißt es, die zweite Figur „drückt die Wahrheit der ersten aus, dass die Vermittlung in der Einzelheit geschehen, hiermit etwas Zufälliges ist" (E § 186). 34 Zu der von Hegel beanstandeten Zufälligkeit des Schlusses des Daseins siehe Teil III, § 10 (2.). -

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123

Der Kreis der syllogistischen Figuren

Vermittlung durch etwas Unmittelbares oder Einzelnes erfolgt. Hegel beendet die Erläuterung der ersten Figur mit einer „näheren" Betrachtung der Konklusion. Sie entdie

hält zwei weitere Motive, warum in Wahrheit das Einzelne „zum Vermittelnden geworden" ist. Hegel verweist auf den Schlusssatz, in dem das Einzelne „als Allgemeines gesetzt" werde, nachdem es im Untersatz bereits „als Besonderes" gesetzt worden sei. In dem Einzelnen seien somit „diese beiden Bestimmungen vereinigt". Die Angabe steht in einer gewissen Spannung zu der folgenden Erklärung, wonach in dem Schlusssatz der ersten Figur die Besonderheit „entwickelt" und „als die Beziehung des Einzelnen und [der] Allgemeinheit gesetzt" wird. Da das Allgemeine weiterhin eine „qualitative Bestimmtheit" darstellt, so Hegel, könne die Allgemeinheit des Einzelnen ihren Niederschlag nur darin finden, dass es „als die Allgemeinheit der Extreme oder als Mitte" fungiert (ebd.). Obwohl ich keine der beiden zuletzt genannten Überlegungen für sonderlich überzeugend halte, ist die Stoßrichtung der Ausführungen klar. Solange die Terme des Schlusses als unmittelbare Bestimmungen und die Prämissen als unmittelbare Beziehungen aufgefasst werden, sind das Vermittelnde und die Vermittlung selbst etwas Unmittelbares. Diese Unmittelbarkeit kommt in der zweiten Figur dadurch zum Ausdruck, dass das Einzelne in der Mitte steht. Sehen wir nun zu, wie sich die Wahrheit der zweiten Figur darstellt. Mit dem Übergang von der ersten zur zweiten Figur tauschen das Einzelne und das Besondere ihre Stelle. Aus der traditionellen Logik übernimmt Hegel den Gedanken, dass das nur möglich ist, wenn es sich bei dem Untersatz um ein partikuläres Urteil handelt. Um es mit der Hilfe eines Beispiels zu sagen: Die drei Begriffe ,Grieche Athener Europäer' gehen zwar einen Schluss ein. Aber dass die Athener Europäer sind, genügt nicht zur Begründung der Annahme, dass alle übrigen Griechen ebenfalls Europäer wären. Daher gilt die Konklusion nur für ,einige Griechen'. Wie wir oben gesehen haben, deutet Hegel das partikuläre Urteil ,einige Griechen sind Europäer' so, dass es zugleich die beiden Sätze ,die Griechen sind Europäer' und ,die Griechen sind nicht Europäer' enthält. „Der Schlusssatz, indem er ebenso sehr positiv als negativ ist, ist somit eine gegen diese Bestimmtheiten gleichgültige, somit allgemeine Beziehung" (102). In dem Schluss der zweiten Figur herrscht eine allgemeine Beziehung in dem Sinn, dass die konkrete Bestimmtheit des Subjekts ,Europäer' oder ,nicht Europäer' keine Rolle -

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-

-

spielt.

Fragt man abermals nach der Wahrheit oder der objektiven Bedeutung des Schlusses, wird man von Hegel auf die dritte Figur verwiesen, in der das Allgemeine die Stelle der Mitte einnimmt. Genauer soll es sich bei dem mittleren Term um „das unbestimmte Allgemeine" oder „das Abstrakte" handeln. Unbestimmt oder abstrakt ist die Mitte der dritten Figur deshalb, weil sie das Einzelne mit dem Besonderen vermittelt, ohne dass sie etwas

Wesentliches miteinander

zu

tun haben müssten. Die Extreme sind nicht

„nach

35 „In Ansehung der Form hat ebenso die Vermittlung zu ihrer Voraussetzung die Unmittelbarkeit der Beziehung; jene ist daher selbst vermittelt, und zwar durch das Unmittelbare, d. i. das Einzelne"

(GW 12, 99).

124

Die drei Figuren des Schlusses

ihrer wesentlichen Bestimmtheit", sondern nur „nach ihrer Allgemeinheit" in der Mitte enthalten (103). Der mittlere Term subsumiert die beiden äußeren und fungiert in den beiden Prämissen als Prädikat. Gemäß der traditionellen Syllogistik müssen der Obersatz und infolgedessen die Konklusion verneinende Urteile sein, wie zum Beispiel in dem Fall eines Schlusses, den die drei Begriffen ,Rabe Lebewesen Stein' eingehen. Wegen der Unbestimmtheit und Abstraktheit des mittleren Terms stellt der Schluss der dritten Figur „an ihm selbst betrachtet [...] die Wahrheit des formalen Schlusses" dar. Die dritte Figur ist also nicht nur die objektive Bedeutung der zweiten, so wie die zweite die Wahrheit der ersten Figur war. Vielmehr kommt in dem Schema E A B die dialektische Entwicklung des Schlusses des Daseins zu einem vorläufigen Abschluss. Das Resultat, das Hegel damit für erreicht hält, lässt sich in zweifacher Hinsicht deuten. Entweder man bleibt bei der formalistischen Ansicht stehen, der zufolge die drei Terme „einen unmittelbaren, gegen die Form gleichgültigen Inhalt haben" (ebd.). Diese Möglichkeit soll uns im folgenden Abschnitt näher beschäftigen. Die Alternative besteht darin, die drei Figuren als eine Einheit zu betrachten. Dann wäre das Ergebnis der vorgetragenen Überlegung, dass alle drei Terme zusammen die Mitte dessen bilden, was man den wahren Schluss nennen könnte. Die wahre Mitte ist nichts Unbestimmtes oder Abstraktes mehr, sondern die „konkrete Identität" des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen. Wie Hegel dieses „positive Resultat" (106) auswertet, werden wir im dritten Teil der Untersuchung sehen. Bevor ich weitergehe, will ich jedoch versuchen, den Sinn des Kreises der drei Figuren noch ein wenig zu beleuch-

-

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ten.

5. Die Permutation der Terme des Schlusses Die verschiedenen Varianten des Arguments, mit dem Hegel die Figuren des Schlusses begründet, führen zu demselben Ergebnis. Ganz gleich, ob man die zweite und die dritte Figur als die Begründung der ersten ansieht oder ob sie die Wahrheit der jeweils vorhergehenden darstellen, hat am Ende jedes der drei Momente des Begriffs die Stelle des mittleren Terms eingenommen. Hegel beschreibt die „dialektische Bewegung" rückblickend so, dass die Bestimmungen des Besonderen, des Einzelnen und des Allgemeinen „in diesem Ganzen der formalen Schlüsse jede einzelne zur Stelle der Mitte gekommen ist" (105 f.). Die drei Figuren des Schlusses gehen durch die Permutation des mittleren Terms auseinander hervor. Damit verbunden ist ein Wechsel der beiden äußeren Terme. Nach der Vorstellung Hegels besetzen die drei Momente in jeder Figur eine andere Stel-

Vgl. „Die dialektische Bewegung des Schlusses des Daseins besteht nun darin, dass die Vermittlung, die den Schluss allein ausmacht, an seinen Momenten gesetzt werde" (GW 12, 92). 36

Der Kreis der syllogistischen Figuren

125

dass ein vollständiger Austausch nicht nur der Mitte, sondern auch der beiden Extreme stattfindet. In der Permutation der Terme liegt der systematische Grundgedanke der Schlusslehre Hegels. Der Ursprung dieses Gedankens lässt sich bis in die Jenaer Zeit zurückverfolgen. Doch während das Motiv der Einheit des Entgegengesetzten in der Mitte des Schlusses bereits in Glauben und Wissen begegnet, hält der Gedanke der Permutation der Terme erst später Einzug in Hegels Schlusslehre. Zum ersten Mal klar ausgesprochen findet er sich an einer vergleichsweise verborgenen Stelle der Naturphilosophie des dritten Jenaer Systementwurfs. Dort heißt es:

lung,

so

„Der Schluss ist die vermittelte Beziehung seiner selbst durch das Andere, jedes ist Mitte" (GW 8, 103).39 Dass Hegel nicht nur von der Form des Schlusses überhaupt, sondern auch von dem Motiv des Kreises dreier Schlüsse in der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06 ausgiebigen systematischen Gebrauch macht, habe ich schon erwähnt. Der zitierte Satz gehört in den Abschnitt über den chemischen Prozess und fällt im Rahmen der Erörterung der einerseits neutralisierenden, andererseits scheidenden Wirkung des Wassers. Hier kommt es allerdings nicht auf den realphilosophischen Zusammenhang, sondern lediglich auf das Motiv der vollständigen Permutation der Terme des Schlusses an.

Nach Hegels Verständnis entscheidend ist die Einheit der durch Permutation der Terme auseinander hervorgegangenen Schlüsse. Wie der chemische und der organische Prozess in der Naturphilosophie bilden auch die drei Figuren in der Logik einen Kreislauf. Der Kreis ist nicht nur eine einheitliche Bewegung, sondern im Verlauf der Bewegung ergibt sich auch die Identität der aufeinander bezogenen Momente. Dem Gedanken, dass die Einheit verschiedener Bestimmungen sichtbar wird, wenn sie sich in ein Verhältnis bringen lassen, in dem sie ihre Stellen miteinander tauschen können, ist Hegel möglicherweise bei Piaton begegnet. Dafür spricht jedenfalls das folgende längere Zitat aus dem Timaios in einer Anmerkung zur Differenzschrift: „Das wahrhaft schöne Band ist das, welches sich selbst und die Verbundenen eins macht. Denn wenn von irgend drei Zahlen oder Massen oder Kräften das Mittlere, was das Erste für dasselbe ist, eben das für das Letzte ist, und umgekehrt, was das Letzte fur das Mittlere ist, das Mittlere eben dies für das Erste ist, und dann das Mittlere zum Ersten und Letzten geworden, -

Obwohl Hegel in der Wissenschaft der Logik ausdrücklich erklärt, jede der Bestimmungen sei „die Stellen der beiden Extreme hindurch" gegangen (GW 12, 106), trifft das für die dort angegebenen Schemata formal nicht zu. In ihnen steht das Allgemeine nie an erster und das Einzelne nie an dritter 37

Stelle. 38 Vgl. dazu bereits Schmitz, Hegel als Denker der Individualität, 94 ff. 39 Hermann Schmitz, der den zweiten Systementwurf noch für den ersten hält und auf 1801 datiert, spricht mit Blick auf den dritten Systementwurf von der Ablösung einer am unendlichen Urteil ausgerichteten durch eine auf den Schluss gegründeten Dialektik (vgl. Hegel als Denker der Individualität,

101-138).

126

Die drei Figuren des Schlusses

das Erste und Letzte aber umgekehrt, beide zum Mittleren geworden sind, so werden sie notwendig alle dasselbe sein; die aber dasselbe gegeneinander sind, sind alle eins" (GW 4, 65

Anm.).40 In der Beschreibung Piatons geht es um die beiden Proportionen

1:2 2:3 und 3:2 2:1. Vertauscht man die mittlere Zahl mit den äußeren, ergeben sich die Proportionen 1 : 2. Sie entsprechen spiegelbildlich den beiden ersten, so 2:1=3:2 sowie 2 : 3 dass die Verhältnisse „alle dasselbe" sind. Aus der Identität der Verhältnisse folgert Piaton, dass „alle eins" seien. Hegel verweist auf Piaton zur Erläuterung der Einheit des subjektiven und des objektiven Subjekt-Objekts. Zwischen den beiden herrsche ein Verhältnis der „reellen Entgegensetzung durch die absolute Identität" (ebd.). Der Aspekt, dass die beiden Entgegengesetzten in einem Dritten eins sind, findet sich demnach schon in seinen ersten Schriften. Dass es sich dabei um die Einheit nicht von zwei, sondern von drei permutierenden Momenten handelt, hat Hegel dagegen erst später in seine Konzeption des Schlusses aufgenommen.41 Auch wenn Hegel mit der Permutation der Terme die Explikation einer bestimmten Art von Identität bezweckt, kann man die Frage stellen, in welchem logischen Sinn die syllogistischen Figuren einen Kreis bilden. Hegel selbst bedient sich zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen den drei Schlüssen des Begriffs der Voraussetzung. Gemäß dem Argument der vollständigen Vermittlung und der Forderung nach der Begründung der Prämissen haben „die sämtlichen Schlüsse des Daseins sich gegenseitig zur Voraussetzung". Die zwei Prämissen jeder Figur beruhen auf den Konklusionen der beiden anderen. Die drei Figuren zusammen nennt Hegel die „sich auf Vermittlung beziehende Vermittlung". Sie bilden einen „Kreis des gegenseitigen Voraussetzens" (GW 12, 105). In der enzyklopädischen Logik spricht er von einem „Kreis sich gegenseitig voraussetzender Vermittlungen" (E § 189). Angesichts dessen könnte man meinen, Hegels Rede von den sich gegenseitig voraussetzenden Schlüssen sei so zu verstehen, dass eine bestimmte Folge von Modi der drei Figuren tatsächlich einen Kreis ergibt. Die Suche nach den entsprechenden Syllogismen verläuft jedoch ohne Ergebnis.42 Darüber hinaus bezweifle ich, dass Hegel es für angemessen hielte, eine vollständige Vermittlung in den Formen des subjektiven Denkens zu erwarten. Statt das Voraussetzen im Sinn einer formalen Abhängigkeit zu deuten, scheint es mir deshalb passender, in den drei Figuren die Schritte einer Bewe=

=

=

40 Vgl. Piaton, Timaios, 31 c-32a. 41 Hermann Schmitz unterscheidet zwischen drei „Phasen" und zwei bzw. drei „Polen" des dialektischen Prozesses und deutet die Entwicklung Hegels als Weg von einer „zweipoligen" zu einer „dreipoligen" Dialektik (vgl. Hegels Logik, 47-51 ). 42 Klaus Düsing bemängelt, dass die partikulären bzw. negativen Schlusssätze der zweiten und dritten Figur formal gesehen nicht ausreichen, um die Prämissen der ersten Figur zu beweisen, so dass der Kreis der Figuren nicht schließt (vgl. Das Problem der Subjektivität, 279, sowie „Syllogistik und Dialektik", 28 Anm. 18). Die gleiche Kritik äußert bereits Trendelenburg (vgl. Logische Untersuchungen, II, 257 f.).

Der Kreis der syllogistischen Figuren

127

sehen, in deren Verlauf sich die wahre Bedeutung des Schlusses und der Terme herausbildet. Die Bewegung kommt in dem Augenblick zum Abschluss, in dem die

gung zu

Terme die drei Stellungen vollständig durchlaufen haben. Deshalb erklärt Hegel von der dritten Figur, in ihr sei „überhaupt die Bestimmung des Schlusses vollendet (GW 12, 103). Als Bewegung betrachtet bilden die drei Figuren einen Kreis. Jede der Figuren setzt die beiden anderen insofern voraus, als die Bedeutung des Schlusses ohne sie nicht vollständig erfasst wäre.43 Entgegen der spöttischen Absicht trifft Karl Marx etwas Wahres, wenn ihn Hegels Lehre von den drei syllogistischen Figuren an den Versuch erinnert, einen Streit zu schlichten, der damit endet, dass jeder für die Aussöhnung der beiden anderen sorgen muss. „Es ist die Geschichte von dem Mann und der Frau, die sich stritten, und von dem Arzt, der als Vermittler zwischen sie treten wollte, wo nun wieder die Frau den Arzt mit ihrem Mann und der Mann seine Frau mit dem Arzt vermitteln musste."44 Bezieht man das Ergebnis des ersten Teils der Schlusslehre auf Hegels Grundüberzeugung, dass es in der Philosophie um rein begriffliche Erkenntnis zu tun ist, lautet die Einsicht: Rein begriffliche Erkenntnis ist in der Form des Schlusses genau dann möglich, wenn jeder der drei Terme die Stelle der anderen einnehmen kann. Hegel entwickelt den Gedanken der Identität der Terme zunächst unter der Voraussetzung, dass es sich um unmittelbare Bestimmungen handelt. Erst im zweiten Teil beginnt die Entwicklung einer Bedeutung des Begriffs, die sich von dem Sinn einer unmittelbaren Bestimmung entfernt. Daraus ergibt sich die eigentümliche Situation, dass der einzelne qualitative Schluss, „obzwar für sich die Vermittlung, zugleich nicht an ihm selbst die Totalität derselben ist, sondern eine Unmittelbarkeit an ihm hat, deren Vermittlung sich außer ihm befindet" (ebd.). Der Kreis der drei syllogistischen Figuren im Ganzen enthält zwar die Totalität der Vermittlung. Aber solange die Terme als etwas Unmittelbares betrachtet werden, handelt es sich bei der Totalität um eine „Vermittlung der Reflexion" (105). Für Hegel ist damit der Übergang zu der zweiten Gattung des Schlusses gewonnen. Die wahre Bedeutung der Permutation der Terme liegt also jenseits dessen, was sich durch die Folge von drei Syllogismen formal darstellen lässt.

43 Deshalb greift die Kritik Vittorio Hösles meines Erachtens zu kurz, wonach der Kreis der drei Figuren nur die „umständliche Verkleidung eines einfachen Zirkels" darstellt (Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität, Bd. 1. Systementwicklung und Logik,

Hamburg 1987, 182).

44 Karl Marx, Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Kritik des Karl Marx; Friedrich Engels, Werke, Bd. 1, Berlin 1956, 203-333, 292.

Hegeischen Staatsrechts,

in:

128

§

8

Die drei Figuren des Schlusses

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

In der Einteilung zur Subjektiven Logik bezeichnet Hegel den formellen Begriff, das heißt den Begriff als solchen, das Urteil und den Schluss, als „ein Unmittelbares". Die Gegenstücke des „unmittelbaren" sind der „objektive" und der „adäquate" Begriff, das heißt die Idee (GW 12, 29 f.). Die Themen der formalen Logik sind weder das Einzige noch das Letzte, was Hegel zu dem Stichwort ,Begriff zu sagen hat. Dass er die Begriffslehre dennoch mit einer Abhandlung über die logischen Formen beginnt, hat mit der Überzeugung zu tun, dass sich die Bedeutung des objektiven und des adäquaten Begriffs aus dem formellen Begriff entwickeln lässt. Wie wir gesehen haben, unterliegt aber die Bedeutung nicht nur in der Subjektiven Logik als ganzer und in dem Sinn einer Entwicklung, dass auch das Objekt und die Idee ,der Begriff genannt werden können. Ebenso wenig reicht es aus zu sagen, dass Hegel die Formen des Urteils und des Schlusses als Realisierungen des Begriffs als solchen auffasst. Vielmehr geht auch im Schluss-Kapitel für sich genommen eine Entwicklung der Bedeutung des Begriffs vor sich. Der Ort, an dem sich die Veränderung zeigt, ist die Mitte des Schlusses. War der mittlere Term im qualitativen Schluss noch eine unmittelbare Bestimmung, enthält er im Schluss der Reflexion bereits eine Art der Vermittlung. Hegel verbindet die These, dass es sich bei der Mitte des Schlusses in Wahrheit nicht nur um eine unmittelbare Bestimmung handeln kann, mit der Kritik dieser von ihm der formalen Logik zugeschriebenen Auffassung des Schließens. Den Standpunkt der formalen Logik kennzeichnet Hegel als den des „subjektiven Denkens" (GW 12, 30). Gewöhnlich wird unterstellt, dass das Denken bestimmten formalen Gesetzmäßigkeiten folgt, die unabhängig von dem jeweiligen Inhalt zur Anwendung kommen. In dem Fall wäre es möglich, von dem Inhalt abzusehen und die Formen des Denkens für sich zu betrachten. Der Schluss könnte in der formalen Logik behandelt werden, ohne dass man sich über die Bedeutung seiner Terme genauer verständigen müsste. Dagegen lautet Hegels Credo, dass der Schein der Unmittelbarkeit trügt. Wie er meint zeigen zu können, liegt in den Formen des Denkens selbst die Tendenz, sich zu realisieren und den Gegensatz zwischen der Form und dem Inhalt am Ende aufzuheben. Subjektiv wäre demnach ein Denken zu nennen, das auf der einen Seite des Gegensatzes zwischen der Form des Denkens und seinen Inhalt stehen bleibt.

1. Der

Standpunkt des subjektiven Denkens

Hegels Kennzeichnung von Begriff, Urteil und Schluss als subjektives Denken kann in mehrfacher Hinsicht missverstanden werden. Erstens könnte man meinen, das Denken in Begriffen, Urteilen und Schlüssen sei ein gattungsspezifisches Merkmal des Menschen. Zu der Annahme mag der Umstand verleiten, dass die Begriffe, Urteile und Schlüsse eng an die menschliche Sprache gebunden scheinen, während es andere Arten

129

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

Intelligenz geben könnte, die ohne sie auskommen oder sich ganz anderer Formen bedienen. Einmal abgesehen von der Frage nach der sachlichen Plausibilität einer solchen Unterstellung, betrachtet Hegel den Ausdruck der Denkformen in der menschlichen Sprache nicht als einen Mangel, sondern gerade als den Beleg dafür, dass „das In dieLogische" die „eigentümliche Natur" des Menschen ausmacht (GW 21, selbe Richtung zielt Hegels Kritik an dem Versuch, die Sprache durch die Symbolik irgendeines Kalküls zu ersetzen. „Da der Mensch die Sprache hat als das der Vernunft eigentümliche Bezeichnungsmittel, so ist es ein müßiger Einfall, sich nach einer unvollkommeneren Darstellungsweise umsehen und damit quälen zu wollen" (GW 12, 48). Hegel vertritt also nicht die Auffassung, dass der Mensch gleichsam auf das Prokrustesbett eines in seiner Sprache verfertigten Bildes der Wirklichkeit gefesselt ist. Er sieht in der Sprache keine Begrenzung der Gattung des Menschen, sondern eine Weise, wie der Geist erscheint und das Subjekt seine Vorstellungen zum Ausdruck Das zweite mögliche Missverständnis der Rede von den Formen des Denkens liegt in der Identifikation des Denkens mit einer Aktivität des Bewusstseins. Die Logik des 18. Jahrhunderts stand, um es mit einem Schlagwort zu sagen, weitgehend unter dem Einfluss des auf Descartes zurückgehenden mentalistischen Paradigmas. Erst langsam setzte sich die Einsicht durch, dass den Funktionen des Denkens zwar bestimmte Operationen des Geistes entsprechen, dass die Logik aber nicht in der empirischen Erforschung des Bewusstseins bestehen kann. Kant trat als erster für eine strikte Trennung zwischen Logik und Psychologie ein. In der formalen Logik werden, unter Absehen von jedem Inhalt der Erkenntnis, die Regeln des reinen Denkens Wären sie aus der Beobachtung geschöpft, könnten sie keine normative Kraft entfalten. „Wir wollen in der Logik nicht wissen: wie der Verstand ist und denkt, und wie er bisher im Denken verfahren ist, sondern wie er im Denken verfahren sollte."4 In der Einleitung zur Wissenschaft der Logik erinnert Hegel an die „Erweiterungen" der Logik „durch psychologisches, pädagogisches und selbst physiologisches Material", die während der Aufklärung üblich waren, in der Zwischenzeit aber allgemein als „Verunstaltungen" anerkannt worden seien (GW 11, 23). So hatte bereits Kant die seit Wolff in Mode gekommenen Ergänzungen der Logik um alle möglichen Schulweisheiten kritisiert.5 Dass Hegel in dem Punkt nicht hinter Kant zurückzugehen beabsichtigte, zeigt seine gehässige Bemerkung von

10).'

bringt.2

aufgestellt.3

1 „Es kann in unseren Tagen nicht oft genug daran erinnert werden, dass das, wodurch sich der Mensch vom Tier unterscheidet, das Denken ist" (GW 21, 10). 2 Vgl. E § 459. Theodor Bodammer spricht von dem „Hintergrundcharakter" der Sprache in Bezug auf die Erscheinungsformen des objektiven und absoluten Geistes, einschließlich der Philosophie (Hegels Deutung der Sprache. Interpretationen zu Hegels Äußerungen über die Sprache, Hamburg 1969, -

239). 3 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 54 / B 78 und A 131 / B 4 Kant, Logik Jäsche, Einleitung, I. (AA IX, 14). 5 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B VIII.

170.

130

Die drei Figuren des Schlusses

über die „Seichtigkeit" des auf „anthropologischen Grundlagen" errichteten Systems der Logik seines Heidelberger Rivalen Fries. Wenn die Subjektivität der Formen des Denkens weder in ihrer Sprachgebundenheit noch in ihrem Bezug auf bestimmte Vollzüge des Bewusstseins zu suchen ist, bleibt die Möglichkeit, das Denken als in dem Sinn ,subjektiv' aufzufassen, dass seine Formen nur teilweise oder gar nicht zur Erkenntnis von Objekten taugen. Während der Skeptizismus die Formen des Denkens für prinzipiell ungeeignet hält, die Wirklichkeit zu erkennen, beruht die Transzendentalphilosophie auf der kritischen Begrenzung der Reichweite des Denkens. Zwar liefert die Verbindung reiner Begriffe des Verstandes mit sinnlichen Anschauungen objektiv gültige Urteile über die Gegenstände der Erfahrung. Aber die ästhetische und ideologische Beurteilung der Phänomene folgt lediglich subjektiv notwendigen Prinzipien, die nichts über die Beschaffenheit der besagten Gegenstände aussagen. Die Vernunft endlich wird von Kant als ein Vermögen in Anschlag gebracht, ausgehend vom Bedingten auf ein Unbedingtes zu schließen. Den Ideen der Vernunft kommt wiederum der Status subjektiv notwendiger Prinzipien zu. Mit der Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv notwendigen Prinzipien der Erkenntnis verbindet Kant neben der Einteilung des oberen Erkenntnisvermögens in Verstand, Urteilskraft und Vernunft auch die Unterscheidung der Gegenstände überhaupt in Erscheinungen und Dinge an sich. Während die ersten der Erkenntnis zugänglich sind, können wir uns die zweiten zwar denken, besitzen von ihnen aber keine Anschauung und mithin keine Erkenntnis. Daran schließt sich Kants Kritik der traditionellen Metaphysik als auf einer dialektischen Logik des Scheins beruhend an. Mit einer solchen Selbstbeschränkung des philosophischen Erkennens will sich Hegel bekanntlich nicht zufrieden geben. In der Einleitung zur Subjektiven Logik kritisiert er die These von dem regulativen Gebrauch der Ideen der Vernunft. Während die Ideen bei Kant lediglich zur Beförderung der systematischen Einheit der Erkenntnisse des Verstandes dienen, erhebt Hegel den Anspruch, die Idee selbst zu erkennen. Er polemisiert gegen die Prämisse der kantischen Vernunftkritik, dass nämlich der Bezug auf das sinnlich Erfahrbare für die Objektivität des Gedachten konstitutiv sei. „Hätte man es je denken sollen, dass die Philosophie den intelligiblen Wesen darum die Wahrheit absprechen würde, weil sie des räumlichen und zeitlichen Stoffes der Sinnlichkeit entbehren?" (GW 12, 23). Hegels Reserven richten sich indes nicht nur gegen die Einschränkung der Erkenntnis auf den Bereich der Gegenstände der Erfahrung. Wenn er vom subjektiven Denken spricht, meint er jedwede Auffassung des philosophischen Erkennens, die bei dem Gegensatz zwischen dem Denken und etwas dem Denken Äußerlichen und Fremden stehen bleibt. Auf der Annahme eines solchen

Gegensatzes

beruht

6 Vgl. GW 11,23 Anm. Der erste Abschnitt von Fries' System der Logik enthält unter der Überschrift „Anthropologische Propädeutik" eine an die traditionelle empirische Psychologie angelehnte Abhandlung über das Erkenntnis- und Vorstellungsvermögen (vgl. Jakob Friedrich Fries, System der Logik. Ein Handbuch für Lehrerund zum Selbstgebrauch, Heidelberg 1811, 31-101). -

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

131

die formale Logik nicht weniger als die transzendentale Logik Kants. In dem Sinn nennt Hegel das subjektive Denken „eine der Sache äußerliche Reflexion" (30).

2. Die formelle Ansicht des Schließens

Hegel sieht jede Trennung zwischen der Form und dem Inhalt des Denkens als etwas einseitig Subjektives an, das überwunden werden muss. Unter dieser allgemeinen Rücksicht sind nicht nur die drei Figuren des Schlusses des Daseins, sondern auch die anderen Gattungen und Arten des Schlusses subjektiv. Erst mit dem Übergang zur Objektivität am Ende der Schlusslehre wird der „Formalismus des Schließens" ganz aufgehoben (GW 12, 125). In dem Anschnitt über die erste Figur nennt Hegel als ein wesentliches Kennzeichen der „formellen Ansicht" die Deutung des Schlusses als „aus drei Urteilen bestehend" (94 f.). Die Beziehungen, die zwischen dem Allgemeinen, dem Besonderen

und dem Einzelnen herrschen, werden in den beiden Prämissen und der Konklusion getrennt dargestellt. Während die Prämissen als unmittelbare Urteile vorausgesetzt werden, soll der Schlusssatz als aus ihnen abgeleitet erscheinen. Dass es sich bei der Konklusion um ein vermitteltes Urteil handelt, bringt freilich nicht der mittlere Term zum Ausdruck, sondern das ,Daher' oder das ,Also', mit dem der Schlusssatz gewöhnlich eingeleitet wird.7 An der Stelle steht die bekannte Polemik gegen das Standardbeispiel „Alle Menschen sind sterblich. Gaius ist ein Mensch. Also ist er sterblich" (95). Bereits im Urteils-Kapitel macht Hegel sich über den „logischen Gaius" lustig, der „gewöhnlich zum Beispiel herhalten muss". Nichtsdestoweniger ist leicht verständlich, warum die formale Logik ihre Analysen mit Hilfe eines solchen „sehr wenig interessanten" Inhalts erläutert. Der Inhalt wird mit Absicht „so uninteressant gewählt", um „nicht die Aufmerksamkeit von der Form ab auf sich zu ziehen" (61). In Bezug auf das Standardbeispiel der Schlusslehre klagt Hegel über die Langeweile, von der man sogleich befallen werde, „wenn man einen solchen Schluss heranziehen hört". Aber der Unwille richtet sich dieses Mal nicht wieder gegen den logischen Gaius, sondern gegen die „unnütze Form" eines solchen Syllogismus (95). Ganz unabhängig von dem Inhalt des Beispiels wäre die Form des Schlusses von vornherein missverstanden, wenn der Schluss einfach als die Folge dreier Sätze interpretiert wird. Abgesehen davon, dass die Funktion des Mittelbegriffs nicht recht deutlich wird, hält Hegel der Darstellung des Schlusses als Folge dreier Sätze hauptsächlich entgegen, dass das Schließen als eine „im Subjekt vorgegangene Folgerung" erscheint (94). Die Deutung des Schlusses als eines psychologischen Vorgangs hat Hegel schon früh abgelehnt. Das belegt der von Karl Rosenkranz veröffentlichte Aphorismus „Zur historischen Lo,Also E ist A'; dass dies ein Urteil ist, ist ein bloß subjektiver Umstand; der Schluss ist eben diesei, d. h. nicht eine durch die bloße Kopula oder das leere Ist gemachte Beziehung, sondern durch die bestimmte, inhaltsvolle Mitte" (GW 12, 94). 7



ses, dass dies nicht bloß ein Urteil

132

Die drei Figuren des Schlusses

gik" aus der Jenaer Zeit: „Es wird versichert, dass wir urteilen ,das Gold ist gelb'. Diese Versicherung ist wahrscheinlich. Aber nicht ebenso wahrscheinlich ist, dass wir schließen ,alle Menschen sind sterblich; Gaius ist ein Mensch; also ist

er sterblich'. Ich wesoll im habe nie Es Inneren so vorgehen, ohne dass wir plattes Zeug gedacht. nigstens im viel Bewusstsein darüber haben. Freilich, Inneren geht vor, z. B. Harnbereitung und ein noch Schlimmeres, aber wenn es äußerlich wird, halten wir die Nase zu. Ebenso bei solchem Schließen" (GW 5, 489). In der Wissenschaft der Logik ist die Kritik im Ton zwar gemildert, aber in der Sache nicht weniger klar. Hegel führt es auf die subjektive Deutung zurück, wenn der Schluss als eine von mehreren Weisen ausgegeben wird, wie sich ein Urteil begründen lässt. Daher rührt seines Erachtens die Abwertung des Schlusses gegenüber anderen Formen des Erkennens. So erscheint der Schluss bisweilen „als ein subjektiver Notbehelf, zu dem die Vernunft oder der Verstand da ihre Zuflucht nehme, wo sie nicht unmittelbar erkennen könne". Dem setzt Hegel die Ansicht entgegen, dass die Unmittelbarkeit des Urteils „das bloß Subjektive" und die Vermittlung des Schlusses „das Objektive" sei. Das Objektive ist der Schluss aber nur insofern, als in ihm „das Vernünftige" als „die Natur der Dinge" zutage tritt. Hegel erläutert die Natur der Dinge mit der pointierten Formel: „Alle Dinge sind der Schluss, ein Allgemeines, das durch die Besonderheit mit der Einzelheit zusammengeschlossen ist". Die übliche Darstellung des Schlusses als die Folge dreier Sätze lenkt nicht nur von der „wesentlichen Einheit" der Bestimmungen des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen ab. Die formelle Ansicht beraubt auch die These von der schlussförmigen und daher vernunftgemäßen Verfassung aller Dinge ihres guten Sinns. Denn natürlich „sind sie nicht aus drei Sätzen bestehende Ganze" (GW 12,

95). 3. Der Verstandesschluss und der mathematische Schluss Mit der Wissenschaft der Logik im Allgemeinen und mit der der Lehre vom Begriff im Besonderen verfolgt Hegel das Ziel, den einseitigen Standpunkt des subjektiven Denkens zu überwinden. Wenn die Form des Schlusses dabei eine herausragende Rolle spielt, knüpft er an die gebräuchliche Sicht der Vernunft an. Sie galt als das Vermögen zu schließen einerseits und als „die Quelle von Gesetzen und sonstigen ewigen Wahrheiten und absoluten Gedanken" andererseits. Hegel beklagt freilich das Ungenügen dieser nicht zuletzt von Kant vertretenen Auffassung. Sie lässt nämlich die Frage offen, wie die eine Funktion der Vernunft mit der anderen zusammenhängt. „Es muss aber [...] die logische Vernunft, wenn sie als die formelle betrachtet wird, wesentlich auch in der Vernunft, die es mit einem Inhalt zu tun hat, zu erkennen sein; ja vielmehr kann aller Inhalt nur durch die vernünftige Form vernünftig sein." Demnach kann ein bestimmter Inhalt erst aufgrund seiner Form als vernünftig gelten. Es genügt nicht, die Vorstellung oder das Wissen „von Gott, der Freiheit, dem Recht und der Pflicht, dem

133

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

Unendlichen, Unbedingten, Übersinnlichen" als das Vernünftige zu betrachten, wenn man nicht angeben kann, „was es in allen jenen Gegenständen ist, um dessentwillen sie vernünftig sind" (GW 12, 90 f. ). Hegel fordert nun aber nicht einfach, dass die bisherige Behandlung der besagten In-

halte durch eine vernunftförmige Darstellung ersetzt werden müsse. Er ist vielmehr der Überzeugung, dass sich der Inhalt aus der Entwicklung der Form selbst ergeben muss. Dazu setzt er auf eine Konzeption des Begriffs, der sich „in sich unterscheidet" und auf die Weise selbst realisiert. Betrachtet man, wie in der Lehre von den syllogistischen Figuren, einzelne logische Formen, hat man stets im Blick zu behalten, dass der Begriff selbst „als die Einheit von diesen seinen verständigen und bestimmten Unterschieden ist". Sobald man die Einheit des Begriffs aus den Augen verliert, hört der Schluss auf, etwas mehr als seiner äußeren Form nach Vernünftiges zu sein. Genau das ist im qualitativen Schluss der Fall, dessen Terme lediglich als unmittelbare Bestimmungen aufgefasst werden. Obwohl der Schluss überhaupt „das Vernünftige" ist, bezeichnet Hegel den Schluss des Daseins abwertend als den „Verstandesschluss" (ebd.). Der Gegensatz zwischen Vernunft' und ,Verstand' dient Hegel schon früh zur Abgrenzung seines philosophischen Projekts. Gleich auf den ersten Seiten der Differenzschrift hebt er als den „Geist" der kantischen Philosophie die „Identität des Subjekts und Objekts" hervor. Sie bilde das „spekulative Prinzip" der transzendentalen Deduktion. „Diese Theorie des Verstandes ist von der Vernunft über die Taufe gehalten worden." Was Hegel der kantischen Konzeption des Verstandes zugute hält, das bemängelt er an den Theorien der Urteilskraft und der praktischen Vernunft. „Wenn der Verstand mit Vernunft behandelt worden war, wird dagegen die Vernunft mit Verstand behandelt" (GW 4, 5 f.). Die polemische Spitze der Stelle ergibt sich aus dem doppelten Sinn der Ausdrücke ,Verstand' und ,Vernunft'. Von Kant her gedacht beziehen sie sich auf einen Teil des Erkenntnisvermögens sowie den ihm zugeordneten Teil der Philosophie. So erinnert Hegel in der Wissenschaft der Logik, der Verstand und die Urteilskraft pflegten von der „formellen Vernunft" als dem „Vermögen der Schlüsse" unterschieden zu werden. Der abschätzige Gebrauch des Ausdrucks Verstand' sowie die einschränkende Rede von der formellen Vernunft rühren hingegen von der Umbestimmung her, der Hegel die beiden Begriffe unterzogen hat.9 Als ,verständig' kennzeichnet Hegel eine Behandlung etwa der Form des Schlusses, die nicht über die äußerliche Reflexion hinausgeht. „Der Schluss oder die Vernunft sind selbst, als Formales, nur ein Verstän,

,

diges" (GW 12, 32).

8 Vgl. „Der unmittelbare Schluss [...] ist somit das Vernünftige als begrifflos der formelle Verstandesschluss" (E § 182). Hegels Rede vom Verstandesschluss hat in der Sache nichts mit der Verwendung desselben Ausdrucks bei Kant zu tun (vgl. Kritik der reinen Vernunft, A 303 f. / B 360, sowie Logik Jäsche; § 44-55 [AA IX, 114-119]). 9 Vgl. dazu Horstmann, Die Grenzen der Vernunft, 174-185. Horstmann hebt vor allem die ontologische Konnotation von Hegels Begriff der Vernunft hervor. -

-

-

134

Die drei Figuren des Schlusses

Die Unterscheidung zwischen dem Schluss als einer Form des Denkens des Verstandes einerseits und seiner Rolle für das spekulative Erkennen andererseits findet sich zum ersten Mal in Hegels Jenaer Vorlesung über Logik und Metaphysik aus dem Jahr 1801/02. Wie ich bereits erwähnt habe, kündigt Hegel in der Inhaltsangabe für den dritten Teil der Logik die Untersuchung der „spekulativen Bedeutung der Schlüsse" an.1 Davon klar getrennt ist die Behandlung der Schlüsse als Formen des endlichen Denkens im zweiten Teil der Logik. Obwohl sie „gewöhnlich als das vernünftige Denken der Vernunft zugeschrieben werden", will Hegel zeigen, dass sie, „insofern sie ein bloß formelles Schließen sind, dem Verstand angehören" (GW 5, 273 f.). Hegels Rede von der verständigen Behandlung des Schlusses hat offenbar auf Schelling gewirkt. Das belegt eine Stelle aus dessen um die gleiche Zeit entstandenem Dialog Bruno. In klarer Anspielung auf Kants transzendentale Dialektik erklärt Schelling die „Erkenntnis durch Schlüsse" für keine „wahre Erkenntnis der Vernunft", sondern für eine „bloße durch Verstand". Das Absolute werde in die Formen des kategorischen, des hypothetischen und des disjunktiven Schlusses getrennt und zerfalle der Materie nach in die Seele, die Welt und Gott. „Der unseligste Missgriff also ist es, diese dem Verstand untergeordnete Vernunft für die Vernunft selbst zu halten." Während Schelling terminologisch an Hegels Rede vom Schluss als einer Form des Denkens des Verstandes anknüpft, gehen die Auffassungen beider hinsichtlich der Bedeutung des Schließens für die spekulative Philosophie weit auseinander. Schelling hält an der intellektuellen Anschauung als dem eigentlichen Organ der Erkenntnis des Absoluten fest. In der Abhandlung über Philosophie und Religion von 1804 kommt er auf die Stelle aus dem Bruno mit der Bemerkung zurück, dass sich „die sämtlichen Formen, in denen das Absolute ausgesprochen werden kann", auf die drei Formen der Schlüsse reduzieren, dass aber „die unmittelbare anschauende Erkenntnis jede Bestimmung durch Begriff unendlich übertrifft".12 Hegel wiederum entwickelt in Jena eine Theorie der spekulativen Bedeutung der Schlüsse und grenzt sie von der verständigen Behandlung des Schließens ab. In Nürnberg lässt er die Trennung nicht nur zwischen Logik und Metaphysik, sondern auch zwischen den Schlüssen als Formen des Verstandes und ihrer spekulativen Bedeutung fallen. Die Schlusslehre der Wissenschaft der Logik erscheint als eine einheitliche dialektische Bewegung, an deren Anfang der Verstandesschluss und an deren Ende der Übergang zur Objektivität steht. Den Schluss des Daseins oder den Verstandesschluss kennzeichnet die Deutung der Terme als „einfache, abstrakte Bestimmtheiten". Das gilt nicht nur für die beiden Extreme, sondern auch für die Mitte. Daher ist die „Vernünftigkeit" in dem qualitativen Schluss zwar im Prinzip „vorhanden", aber sie bleibt „unscheinbar". Weil es sich um eine abstrakte Bestimmtheit handelt, kann der mittlere Term nicht „das Wesentliche" des Schlusses, nämlich „die Einheit der Extreme" darstellen. „Die Abstraktion, indem 10 Siehe dazu Teil I, §4(3.). 11 Schelling, SW IV, 299 f. 12 Schelling, SW VI, 23.

135

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

sie die Selbständigkeit der Extreme festhält, setzt ihnen diese Einheit als eine ebenso feste für sich seiende Bestimmtheit entgegen und fasst dieselbe auf diese Art vielmehr als Nichteinheit denn als Einheit" (GW 12, 91). Das Stehenbleiben bei der abstrakten Sicht der Terme nennt Hegel den „Formalismus des Schließens" (92). Eines der Ziele der Entwicklung des qualitativen Schlusses ist, die Konsequenzen aufzuzeigen, zu denen der Formalismus führt. Die dritte Figur ist die „Wahrheit des formalen Schlusses" nicht nur in dem Sinn, dass in der Permutation der Terme die Vollständigkeit der Vermittlung erscheint, sondern in der dritten Figur ist auch „das gesetzt, worin der Formalismus des Schlusses besteht, dessen Termini einen unmittelbaren, gegen die Form gleichgültigen Inhalt haben" (103). Die Kritik des Formalismus im engeren Sinn entwickelt Hegel in dem Abschnitt über den so genannten „mathematischen" oder „verhältnislosen" Schluss. Das Schema dieser vierten Figur lautet A A A.' Damit will Hegel anzeigen, dass zwischen den Termen nicht die für die Natur des Begriffs einschlägigen Verhältnisse des Allgemeinen zum Besonderen oder zum Einzelnen bestehen. Vielmehr herrscht „die bloß äußerliche Einheit", nämlich „die Gleichheit derselben". Als das Prinzip des mathematischen Schlusses nennt Hegel den Satz: „Wenn zwei Dinge oder Bestimmungen einem Dritten gleich sind, so sind sie unter sich gleich" (104). In die Formelsprache übersetzt lautet das Prinzip .Wenn A C und B C, dann A B'. Die Gleichheit der Terme ist nicht im Sinn der spekulativen Identität Entgegengesetzter, sondern als „quantitative Gleichheit oder Ungleichheit" zu verstehen. Als Beispiele führt Hegel die Gleichheit von Figuren und Linien sowie die Gleichheit eines Dreiecks mit einem Quadrat an. Zugleich bemängelt er, dass die quantitative Gleichheit nur „durch die Abstraktion von dem qualitativen Unterschied und den Begriffsbestimmungen" zustande komme (105). Als den mathematischen Schluss bezeichnet Hegel die vierte Figur, wie sich nun zeigt, deshalb, weil die Terme nur als Größen betrachtet werden, über die beliebig quantifiziert werden kann.14 -

=

-

=

4. Der logische Kalkül

=

Ploucquets

vornherein klar, an welche Art von Schlüssen Hegel bei der vierten FiEin Hinweis lässt sich jedoch der schon erwähnten Anmerkung zum Schluss des Daseins entnehmen, an deren Ende die Polemik gegen den logischen Kalkül Ploucquets steht. Wie man sich erinnern wird, deutete dieser Sätze wie ,alle Menschen sind sterblich' als Identitätsaussagen. Er berief sich dazu auf den „logischen Sinn" des affirmativen Urteils, dessen Prädikat stets partikulär aufzufassen sei. Bei Es ist nicht

von

gur gedacht haben mag.

13 Die Bezeichnung des mathematischen Schlusses als vierte Figur hat nichts mit der traditionellen vierten Figur zu tun. Siehe dazu §7(1.). 14 „Welche der drei Beziehungen daher als die unmittelbaren und welche als die vermittelte genommen werden soll, hängt von äußeren Umständen und sonstigen Bedingungen ab nämlich davon, welche zwei derselben die unmittelbar gegebenen sind" (GW 12, 104). -

136

Die drei Figuren des Schlusses

näherem Hinsehen behauptete Ploucquet freilich nicht mehr, als dass jeder Mensch mit einem sterblichen Wesen numerisch identisch ist.15 Dahinter steht das Anliegen, die seit der Logik von Port-Royal eingebürgerte Unterscheidung zwischen dem Inhalt und dem Umfang eines Begriffs zu unterlaufen. Arnauld und Nicole sprechen von den in einer Idee enthaltenen Attributen einerseits und den Subjekten, denen die Idee zukommt, andererseits.16 Die traditionelle Logik ging davon aus, dass jeder Begriff eine gewisse Anzahl von Merkmalen enthält, die sich umgekehrt proportional zu der Zahl der unter ihn fallenden Gegenstände verhält. Je vollständiger' ein Begriff, desto kleiner ist die Menge dessen, was er unter sich fasst. Im äußersten Fall enthält der Begriff die Bestimmung eines einzigen Individuums. Das entgegengesetzte Extrem wäre ein Begriff, der so allgemein ist, dass es buchstäblich nichts gibt, das außerhalb seiner Sphäre läge. Die Unterscheidung zwischen dem Inhalt und dem Umfang schließt nicht aus, dass es sich beide Male um Begriffe handelt. So fallen beispielsweise die Begriffe ,rot', ,gelb' und ,grün' unter den Begriff der Farbe, aber keiner von ihnen gehört zu dessen Inhalt. Dagegen bezieht sich der Begriff der sekundären Qualität auf ein Merkmal des Begriffs ,Farbe', ohne selbst in seiner Sphäre zu liegen. Angesichts der drohenden Verwechslung zwischen der Extension und der Intension ist es ratsam, das Verhältnis eines Begriffs zu den unter ihm befassten Gegenständen von seinem Verhältnis zu den in ihm enthaltenen Merkmalen zu unterscheiden, und zwar auch dann, wenn es sich bei den Gegenständen und Merkmalen ontologisch gesehen jeweils wieder um Begriffe handelt. Hegel ist in seinen Nürnberger Gymnasialkursen dazu übergegangen, das Verhältnis eines Begriffs zu seinem Inhalt als „Inhärenz", das zu seinem Umfang als „Subsumtion" zu bezeichnen. „Das Allgemeine inhäriert dem Besonderen, dagegen es das Besondere unter sich subsumiert." Während sich die Verhältnisse der Inhärenz und der Subsumtion in der Begriffslehre auseinander halten lassen, führt der Unterschied in der Urteilslehre zu Unklarheiten. Bedeutet der Satz ,Gaius ist sterblich', dass dem Subjekt ,Gaius' das Prädikat .sterblich' inhäriert, oder dass das Prädikat .sterblich' das Subjekt ,Gaius' subsumiert? Selbst wenn die beiden Möglichkeiten, wie allgemein angenommen wird, umfangsgleich sind und das Prädikat jedem Gegenstand inhäriert, den es subsumiert, besitzen die beiden Deutungen des Urteils verschiedene ontologische Implikationen. Was Hegel betrifft, ist ihm nicht an einer Entscheidung der Alternative gelegen. Er vertritt im Gegenteil die Ansicht, dass das wahre Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Prädikat weder 15 Siehe dazu § 6 (5.). 16 „J'appelle compréhension de l'idée, les attributs qu'elle enferme en soi, et qu'on ne lui peut ôter sans la détruire. [...] J'appelle étendue de l'idée, les sujets à qui cette idée convient, ce qu'on appelle aussi les inférieurs d'un terme général qui à leur égard est appelé supérieur" (Arnauld; Nicole, La

Logique, 51).

17 Kant bezeichnet das Enthaltensein eines Begriffs unter einem anderen Logik Jäsche, § 14 [AA IX, 98]). 18 Hegel, Logik für die Mittelklasse von 1808/09, § 60 (WW 4, 104).

als

„Subordination" (vgl.

13 7

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

eines der Inhärenz noch eines der Subsumtion sein kann. Insofern folgt er Ploucquet in der Auffassung, dass die beiden Seiten des Urteils miteinander identisch sein müssen. Allerdings lehnt Hegel die Ansicht ab, dass es sich bei der Identität um ein Verhältnis der quantitativen Gleichheit handelt. In der Wissenschaft der Logik kritisiert Hegel gleich mehrfach alle Versuche, die Logik in einen Kalkül zu verwandeln. Schon im Begriffs-Kapitel wendet er sich gegen die Darstellung der Bestimmungen des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen als Linien oder Figuren. „Sie selbst und vollends deren Beziehungen wenn auch nur bei der Subsumtion und Inhärenz stehen geblieben wird sind von ganz anderer wesentlicher Natur als die Buchstaben und Linien und deren Beziehungen". Namentlich erwähnt Hegel den „scharfsinnigen Euler" und den „trocken verständigen Lambert" (GW 12, 47). In der Anmerkung zum Schluss des Daseins kommt er dann auf Ploucquets „logischen Kalkül" zu sprechen. Ploucquet verfolgt das Anliegen, durch die Quantifizierung des Prädikats ohne die Unterscheidung der Figuren sowie gültiger von ungültigen Modi des Schließens auszukommen.19 In den Augen Hegels beruht der logische Kalkül „darauf, dass von dem Verhältnisunterschied, dem Unterschied der Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit im Urteil abstrahiert und die abstrakte Identität des Subjekts und Prädikats festgehalten wird" (110). Ploucquet bezahlt seinen Ansatz mit absurden Konsequenzen. Die Annahme der abstrakten Identität bedeutet soviel wie die „mathematische Gleichheit" des Subjekts und des Prädikats. Beide haben denselben Umfang. In dem Satz ,die Rose ist rot' zum Beispiel soll „das Prädikat nicht das allgemeine Rot, sondern nur das bestimmte Rot der Rose bedeuten". Unter der Voraussetzung, so Hegel, werde das Schließen „zu einer völlig gehaltleeren und tautologischen Formierung von Sätzen" (ebd.). Ploucquet selbst bringt das unglückliche Beispiel: „Jeder Christ ist ein Mensch, ein Jude ist kein Christ". Nach seinem Kalkül soll daraus folgen: „Kein Jude ist ein bestimmter Mensch", nämlich ein Mensch wie der Christ.20 Der Schlusssatz ist zwar formal korrekt, aber es bleibt offen, ob das Subjekt nur nicht unter das quantifizierte oder gar nicht unter das Prädikat fällt. Daher verliert der Begriff ,Mensch' seine allgemeine, Christen und Juden umfassende Bedeutung. Die mathematische Gleichheit des Subjekts mit dem Prädikat des Obersatzes macht den Schluss tatsächlich zu einer leeren Tautologie. Wenn nur noch die Christen unter das Prädikat ,Mensch' fallen, dann gilt von allem und jedem, was kein Christ ist, dass es nicht in den Umfang des Begriffs des Menschen gehört.21 -

-

19 „Methodus haec non moratur figuras et modos, sed e datis praemissis quocumque ordine positis docet invenire et demonstrare propositionem necessario inde fluentem" (Gottfried Ploucquet, „Methodus calculandi in logicis", in: Sammlung der Schriften, welche den logischen Calcul Herrn Prof. Ploucquets betreffen, hg. v. August Friedrich Bök, Frankfurt; Leipzig, 1766 [ND Stuttgart-Bad Cannstatt

20 21

1970], 29-80, 66). Vgl. a.a.O., 65 und

133.

Die sarkastische Konklusion „Also sind die Juden keine Menschen" findet sich weder bei Ploucquet noch bei Mendelssohn, auf den Hegel hier verweist (vgl. GW 12, 110 sowie die Anmerkungen

138

Die drei Figuren des Schlusses

5. Das Resultat des Schlusses des Daseins Bei näherer Betrachtung ergeben sich eine Reihe von Ähnlichkeiten zwischen der Schlusslehre Ploucquets und dem mathematischen Schluss Hegels. Die Merkwürdigkeiten, die Ploucquets Verfahren der Quantifizierung des Prädikats zwangsläufig nach sich zieht, sind für Hegel nur die letzte Konsequenz der Deutung der Terme des Schlusses als abstrakte Bestimmungen. In dem Sinn nennt er den mathematischen Schluss das „negative Resultat" der Entwicklung des Schlusses des Daseins (GW 12, 106). Dieses Ergebnis wirft die Frage nach dem Verhältnis Hegels zur formalen Logik auf. Da sie hier nicht erschöpfend diskutiert werden kann, beschränke ich mich auf einige Hinweise. Wie aus dem Gesagten klar hervorgeht, versteht Hegel die Subjektive Logik im Allgemeinen und die Schlusslehre im Besonderen nicht als einen Beitrag zur Disziplin der symbolischen oder mathematischen Logik. Man mag das bedauern, aber man kann einem Autor schlecht vorwerfen, etwas versäumt haben, das zu leisten gar nicht in seiner Absicht lag. Angesichts dessen hat sich inzwischen überwiegend die Auffassung durchgesetzt, dass Hegels Lehre vom subjektiven Begriff nicht als formallogische Abhandlung gelesen werden darf. Weniger klar ist, inwiefern Hegels Logik als eine fundamentale Kritik der formalen Logik gewertet werden muss. Die Unklarheit besteht aus mehreren Gründen. Der erste Grund liegt in der Mehrdeutigkeit des Ausdrucks ,formale Logik'. Versteht man darunter in Anlehnung an das aristotelische Organon die Lehre von den Begriffen, Urteilen und Schlüssen? Oder versteht man darunter eine „allgemeine Logik" im Sinn Kants, die von allem Inhalt der Erkenntnis abstrahiert, und der eine transzendentale Logik gegenübersteht? Oder betrachtet man eine Logik nur in dem Maß als formal, wie sie ihre Aussagen in einer eigens zu dem Zweck geschaffenen symbolischen Formelsprache niederlegt? Dass Hegel sowohl das Abstrahieren von allem Inhalt als auch das Ersetzen der Begriffe durch Symbolzeichen ablehnt, bedarf keiner weiteren Belege. Doch wie ist der Umstand einzuschätzen, dass es sich bei der Kritik des Formalismus um das negative Resultat einer dialektischen Bewegung handelt, die zugleich die wahre Bedeutung der logischen Formen ergeben soll? Womöglich ist der Begriff der Kritik überhaupt ungeeignet, um die systematische Stellung zu erfassen, die Hegel gegenüber bestimmten philosophischen Standpunkten einnimmt. Der Ausdruck ,Kritik' ruft in der Regel die Vorstellung wach, die Auseinandersetzung erfolge von einem außerhalb des Kritisierten liegenden Standpunkt her. Gerade dem widerspricht der erklärte Sinn, den Hegel dem Wort gibt. In der Einleitung zur Subjektiven Logik bemängelt er mit Blick auf die gewöhnliche Darstellung der Logik, die logischen Formen würden „nur gleichsam historisch aufgenommen, nicht der Kritik, ob sie an und für sich ein Wahres seien, unterworfen" (27). Hegels Behauptung ,alle

Herausgeber). Wolfgang Krohn spricht von einem „Burgfrieden durch Arbeitsteilung" Logik und der Hegelinterpretation (Die formale Logik, 15).

der 22

zwischen der formalen

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

139

Dinge sind der Schluss' hätte man demnach so zu verstehen, dass die Kritik der Form des Schlusses diese als etwas an und für sich Wahres, nämlich als die Natur der Dinge erweist. Die Kritik hat zum Ergebnis, dass an die Stelle der ursprünglichen, unzulänglichen Auffassung des Schlusses als einer Form des subjektiven Denkens die von seiner wahren Bedeutung tritt. Hegel mahnt zur Vorsicht, einen solchen Vorgang einfach als die Ersetzung der falschen durch die entgegengesetzte wahre Ansicht zu begreifen. Wie er am Beispiel der Auseinandersetzung mit Spinoza deutlich macht, darf die Widerlegung „nicht von außen kommen", sondern muss dadurch geschehen, dass Spinozas Metaphysik der Substanz auf den „höheren" Standpunkt der Lehre vom Begriff „gehoben werde" (14 f.). In der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes vergleicht Hegel die Abfolge verschiedener philosophischer Systeme mit dem Übergang von der Knospe zur Blüte. „Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man könnte sagen, dass jene von dieser widerlegt wird" (GW 9, 10). Das heißt auf das Verhältnis zur formalen Logik übertragen: Hegel ist insoweit an einer Auseinandersetzung gelegen, als er die Lehre vom Begriff, Urteil und Schluss aus ihrer formalistischen Engführung befreien will. Der

eigentliche Preis für das Stehenbleiben bei der abstrakten Deutung der Terme liegt Hegel zufolge in dem Verzicht auf einen Erkenntnisgewinn durch das Schließen. So haben wir etwa im Fall von Ploucquets logischem Kalkül gesehen, dass der Sinn der Konklusion nicht über den Obersatz hinausgeht. Dem entspricht die gängige Kritik des Syllogismus als einer Petitio principii. Bereits Sextus Empiricus wendet gegen die Form des kategorischen Schlusses ein, das Argument werde nur von denen zugegeben, die den Obersatz für wahr hielten. Sei der Obersatz aber unstrittig, werde er überflüssig und es genügten der Untersatz und die Konklusion.23 In ähnlicher Weise erklärt später Descartes, die Schlüsse der Dialektiker führten stets zu schon bekannten Wahrheiten.24 Die übliche Erwiderung gegen solche Angriffe lautet, dass der Syllogismus gar nicht auf einen Erkenntnisgewinn in dem hier unterstellten Sinn zielt. Schon Aristoteles unterscheidet bekanntlich zwischen der reinen Analyse des syllogistischen Schließens und der Untersuchung des Einsatzes von Syllogismen zum Zweck des wissenschaftlichen Beweisens. Statt nun in die Diskussion um Nutzen und Nachteil des formalen Schließens einzusteigen, will ich noch einmal die Eigenheit des hegelschen Standpunkts herausstellen. Hegel beansprucht nicht weniger, als dass die Untersuchung der Form des Schlusses selbst zu inhaltlichen Einsichten führt, die unabhängig von allen empirischen Voraussetzungen Bestand haben sollen. „Indem die Logik Wissenschaft der absoluten Form ist, so muss dies Formelle, damit es ein Wahres sei, an ihm selbst einen Inhalt haben, welcher seiner Form gemäß sei" (GW 12, 27). Damit ist nicht nur die Frage nach der 23 24

Vgl. Sextus Empiricus, Pyrrhoneae hypotyposes, II, 163 ff Vgl. Descartes, Regulae ad directionem ingenii, X (AT X, 406).

Leistungsfähigkeit der logischen Formen, sondern nach den Grenzen der Disziplin der formalen Logik gestellt. Wenn es eine spekulative Philosophie in dem von Hegel angenommenen Sinn gibt, dann muss sich die Bedeutung der Formen des Denkens in einer

Weise entwickeln lassen, die sowohl zu der Erkenntnis eines Inhalts als auch zu der Einsicht in die Übereinstimmung von Form und Inhalt fuhrt. Gemessen an dem spekulativen Sinn von Logik greift jede Untersuchung der Formen des Denkens, die von ihrem Inhalt absieht, zu kurz. Man mag die Umprägung, die der Begriff der Logik durch Hegel erfahren hat, für ein 5 Unglück halten. Lässt man sie aber außer Acht, ist der Gedankengang der Wissenschaft der Logik nicht mehr sinnvoll zu verstehen. Das gilt auch für die Interpretation der Schlusslehre. Sie enthält in erster Linie weder die Darstellung noch die Kritik der verschiedenen Arten von Schlüssen. Die dialektische Bewegung dient vielmehr dem Zweck, die wahre Bedeutung der Form des Schlusses hervortreten zu lassen. Der erste Schritt auf diesem Weg ist die Entwicklung des Schlusses des Daseins. Sie führt zu der Einsicht, dass die vollständige Vermittlung nicht auf einer einzelnen Bestimmung, sondern auf der „konkreten Identität" des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen beruht (106). Daher bildet der qualitative Schluss einen Kreis von drei Figuren, die durch die Vertauschung der Terme auseinander entstehen. „Der ganze Verlauf durch die drei Figuren stellt die Mitte in jeder dieser Bestimmungen nacheinander dar, und das wahre Resultat, das daraus hervorgeht, ist, dass die Mitte nicht eine einzelne, sondern die Totalität derselben ist" (108). Ausgehend davon zielt die weitere Entwicklung des Schlusses auf die Vertiefung des Verständnisses von der Mitte des Schlusses als einer Totalität der Bestimmungen des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen. Der mathematische Schluss erlaubt eine Art von Vorschau auf dieses Ergebnis der Schlusslehre. Obwohl die vierte Figur im weiteren Verlauf der Logik keine Rolle mehr spielt, zeigt der mathematische Schluss etwas Wahres. Seine über den gegenwärtigen Abschnitt hinaus weisende Bedeutung liegt in der Aufhebung des Unterschieds zwischen den Termen. Die Einsicht ist auf der einen Seite als Kritik der ursprünglichen Auffassung zu werten, wonach das Einzelne für einen konkreten Gegenstand, das Besondere für eine von dessen Bestimmtheiten und das Allgemeine für eine noch abstraktere Bestimmtheit steht. Im Prinzip, so die These Hegels, kommt der qualitative Schluss nicht über die Verkettung dreier abstrakter Bestimmungen hinaus. Insofern besteht kein Unterschied zwischen dem Einzelnen, dem Besonderen und dem Allgemeinen, sondern jeder der Terme bezieht sich auf eine abstrakte Qualität. Die „Form der Unterschiedslosigkeit" der Terme (E § 188) weist auf der anderen Seite auf den Schluss der NotwenHeinrich Scholz schreibt beispielsweise: „Die erschütterndste Umdeutung hat der Begriff der Logik im aristotelischen Sinn unstreitig durch Hegel erfahren. Die Hegeische .Wissenschaft der Logik' [...] hängt mit der Logik im aristotelischen Sinn nur noch durch das Zerrbild zusammen, das sie im zweiten Band von dieser Logik entwirft" (Abriss der Geschichte der Logik, Freiburg i. Br. [1931] 2. Aufl. 1959, 18). 25

Hegels Kritik des Verstandesschlusses

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digkeit voraus, in dem der hegelsche Begriff als das objektive Allgemeine mit sich selbst zusammengeschlossen wird. Wie Hegel zu diesem Ergebnis gelangt, soll uns im folgenden Teil beschäftigen.

Dritter Teil

-

Die Entwicklung des Schlusses

Hegel hat die ausführliche Abhandlung über die Formen des subjektiven Denkens nicht bloß aus Anhänglichkeit an Aristoteles und Kant oder aus einem falsch verstandenen Bemühen um Vollständigkeit in die Wissenschaft der Logik aufgenommen. Vielmehr hält er die Bestimmungen des Begriffs als solchen, des Urteils und des Schlusses für geeignet, die Verfassung der Wirklichkeit zu explizieren. Die Pointe der Behauptung ist freilich, dass sich die Eignung erst zeigt, wenn man den Begriff gerade nicht nur einseitig als die Form des subjektiven Denkens in Betracht zieht, sondern im Sinn des adäquaten Begriffs oder der Idee versteht. Deshalb endet die Subjektive Logik nicht mit der Lehre vom formellen Begriff oder der Schlusslehre, sondern mit der absoluten Idee. Nichtsdestoweniger ist für Hegels Logik die Auffassung maßgebend, dass sich die wahre Verfassung des Begriffs ausgehend von seiner gewöhnlichen Bedeutung als einer Form des subjektiven Denkens entwickeln lässt. Was die Schlusslehre betrifft, beginnt Hegel seine Darstellung mit der von ihm der formalen Logik zugeschriebenen Ansicht, dass es sich bei den drei Tennen um abstrakte Bestimmungen handelt. Beim alltäglichen Schließen, wie etwa im Fall des Standardbeispiels, werden die Bestimmungen mit einem einzelnen Gegenstand und zwei allgemeinen Merkmalen in Verbindung gebracht, die beide dem Gegenstand inhärieren und von denen das eine das andere subsumieren soll. Die weitere Entwicklung dient nun dem Nachweis, dass weder die Sicht der drei Terme als abstrakter Bestimmungen der Natur des Schlusses noch die Unterscheidung zwischen einzelnen Gegenständen und allgemeinen Merkmalen der Natur der Dinge gerecht wird. Wie ich im Folgenden darlegen will, geht Hegel so vor, dass er zunächst die wahre Bedeutung insbesondere des mittleren Terms des Schlusses ableitet, um dann die Übereinstimmung mit dem gewöhnlichen Sinn des Begriffs der Objektivität festzustellen. Das Ziel der Schlusslehre besteht deshalb nicht in erster Linie in der Entfaltung der einzelnen Formen des Schließens, sondern in dem, was Hegel die Realisierung des Begriffs nennt. 1. Die drei

Gattungen des Schlusses

eigentümliche Aufbau der Schlusslehre ergibt sich aus dem Gedanken, dass die Realisierung des Begriffs auf der formalen Grundlage der Permutation der drei Terme erfolgt. In dem Abschnitt über den Schluss des Daseins zeigt Hegel, dass eine vollstänDer

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Die Entwicklung des Schlusses

dige Vermittlung nur zustande kommt, wenn jeder der drei Terme die Stelle der Mitte einnimmt, wie es in dem Kreis der syllogistischen Figuren der Fall ist. Die drei Figuren bilden eine Art Raster, das der Einteilung der Schlusslehre im Ganzen zugrunde liegt. Neben den drei Figuren des Schlusses des Daseins unterscheidet Hegel sechs weitere Formen. Sie sind in zwei Abschnitten angeordnet, so dass sich insgesamt dreimal drei Formen ergeben. Der Einfachheit halber werde ich von drei Gattungen und neun Arten des Schlusses sprechen. Die Gliederung der Schlusslehre kommt zustande, indem Hegel sowohl die Gattungen als auch die in jeder Gattung enthaltenen Arten jeweils einer Figur zuordnet. So sollen der Schluss des Daseins der ersten, der Schluss der Reflexion der zweiten und der Schluss der Notwendigkeit der dritten Figur entsprechen. Ferner sollen jeweils die erste Figur, der Schluss der Allheit und der kategorische Schluss, die zweite Figur, die Induktion und der hypothetische Schluss sowie die dritte Figur, die Analogie und der disjunktive Schluss einander entsprechen. Von der die Einteilung der Schlusslehre betreffenden Überlegung unangetastet bleibt die Zuordnung der Form des Schlusses überhaupt zur ersten Figur. Denn jeder Schluss, egal welcher Gattung oder Art er angehört, ist die Verbindung eines Subjekts und eines Prädikats durch einen mittleren Term. Infolgedessen kann jeder Schluss in dreierlei Hinsicht auf je eine der drei Figuren bezogen werden. Die Analogie beispielsweise folgt als Schluss überhaupt der ersten, als Schluss der Reflexion der zweiten und als die letzte Art ihrer Gattung der dritten Figur. Der hypothetische Schluss hingegen folgt als Schluss der Notwendigkeit der dritten und als die mittlere Art seiner Gattung der zweiten Figur. Während sich die Entsprechung zwischen den drei Figuren und den einzelnen Arten des Schlusses bisweilen eher schematisch ausnimmt, lässt sich der Zuordnung der Gattungen ein gewisser Sinn abgewinnen, wenn man den jeweiligen mittleren Term als das Maßgebliche betrachtet. Indem Hegel den Schluss der Reflexion und der Notwendigkeit den Schemata der zweiten und der dritten Figur zuordnet, deutet er an, dass in ihnen der Mittelbegriff auf eine vom qualitativen Schluss verschiedene Weise aufgefasst wird. Am Ende der Schlusslehre schreibt er:

„Die Figuren des Schlusses stellen jede Bestimmtheit des Begriffs einzeln als die Mitte dar, welche zugleich der Begriff als Sollen ist, als Forderung, dass das Vermittelnde seine Totalität sei. Die verschiedenen Gattungen der Schlüsse aber stellen die Stufen der kretion der Mitte dar" (GW 12, 125).

Erfüllung oder Kon-

Die Abfolge der drei Gattungen dient demnach der schrittweisen Vertiefung des Verständnisses der Funktion des mittleren Terms. In der Zuordnung jeder Gattung zu einer bestimmten Figur liegt ein Hinweis, wie der Mittelbegriffjeweils zu fassen ist. Den drei Gattungen entsprechen gleichsam drei verschiedene Theorien des Begriffs. Der weiteren Untersuchung vorgreifend lassen sie sich vereinfacht so kennzeichnen, dass der mittlere Term im Schluss des Daseins ein bestimmtes Merkmal, im Schluss der Refle-

Vgl. zum Beispiel die Kritik Trendelenburgs an der Zuordnung der Induktion zur zweiten und der Analogie zur dritten Figur (Logische Untersuchungen, II, 261-264). 1

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Die Entwicklung des Schlusses

einzelnen Gegenständen und im Schluss der Notwendigkeit eine „objektive Allgemeinheit" im Sinn der „allgemeinen Natur der Sache" oder der „Gattung" bezeichnet (GW 12, 118). Mit den verschiedenen Bedeutungen des mittleren Terms einher gehen unterschiedliche Arten, wie die Totalität des Begriffs zustande kommt. Steht der Begriff wie im Schluss des Daseins nur für ein bestimmtes Merkmal, braucht es dazu den Kreis der drei Figuren. „In dem formalen Schluss wird die Mitte nur dadurch als Totalität gesetzt, dass alle Bestimmtheiten, aber jede einzeln, die Funktion der Vermittlung durchlaufen" (125). Im Schluss der Reflexion und der Notwendigkeit enthält der mittlere Term dagegen die beiden Extreme, im ersten Fall als die Elemente einer Klasse, im zweiten Fall als die Bestimmungen oder die Arten einer Gattung. Genauer zu klären, was vor allem das Letzte bedeutet, ist die Aufgabe des verbleibenden Rests dieser Untersuchung. Die Zuordnung der Gattungen des Schlusses zu den drei Figuren darf nicht so verstanden werden, dass auch die drei Gattungen einen Kreis von Formen bilden, die sich gegenseitig begründen. Damit scheint freilich ein wesentliches Argument für die Dreizahl der Gattungen des Schlusses zu entfallen. Warum, so könnte man fragen, sollte es statt der dreimal drei nicht beispielsweise viermal drei Schlussformen geben? Die Antwort setzt in meinen Augen am besten bei der Entwicklungsgeschichte an. Wie nur schwer übersehen werden kann, ließ sich Hegel bei der Ausarbeitung der Schlusslehre in vielen Einzelheiten von der Urteilstafel Kants leiten. Die Gefolgschaft ist insofern verwunderlich, als Hegel die Art, wie Kant zu seiner Urteilstafel gelangt, für haltlos erklärt. Seines Erachtens verhält es sich mit der kantischen Urteilstafel nicht besser als mit den Kategorien des Aristoteles, von denen Kant seinerseits bemängelte, sie seien bloß „aufgerafft", weil es Aristoteles an einem Prinzip gefehlt habe, um die reinen Verstandesbegriffe abzuleiten. Dem Mangel versucht Kant Abhilfe zu schaffen, indem er sich der Urteilstafel als des Leitfadens zur Entdeckung der Kategorien bedient. Die Urteilsarten wiederum versteht er als die Funktionen des Verstandes, deren systematische Aufzählung in seinen Augen keine größeren Schwierigkeiten bereitet. Die Einschätzung der Urteilstafel wurde von wenigen Lesern Kants geteilt, so dass sich eine bis heute nicht erledigte Debatte über ihre Vollständigkeit entzündete.3 Hegel hält Kant die „Inkonsequenz" vor, die für die transzendentale Logik maßgeblichen Begriffe der subjektiven Logik entlehnt zu haben, wo er sie lediglich „empirisch aufgenommen" habe (44). Also ist Kants Tafel der Urteile nicht minder zufällig als die Liste der zehn Kategorien des Aristoteles. Dass Hegel sich dennoch an die Einteilung Kants anlehnen zu dürfen meinte, hängt mit seinem Anspruch zusammen, die einzelnen Formen des Urteils und des Schlusses im Zuge der dialektischen Bewegung des Begriffs auseinander hervorgehen zu lassen. Was die neun Formen zu schließen angeht, betrachtet Hegel ihre Aufstellung also weniger aufgrund der Rolle des Kreises der drei Figuren xión eine Klasse

von

2 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 81 / B 107. 3 Eine Übersicht über die wichtigsten Interpretationen der Urteilstafel Philosophie der Erkenntnis, 265-304.

gibt

Peter

Baumanns, Kants

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Die Entwicklung des Schlusses

als deshalb für vollständig, weil die Entwicklung des Schlusses zu einem Ende kommt und der Begriff in das Objekt übergeht. Nichtsdestoweniger ist der prägende Einfluss Kants auf die Einteilung der Schlusslehre nicht von der Hand zu weisen.

2. Die Geschichte der Einteilung der Schlusslehre

Hegels reife Urteilslehre, um damit zu beginnen, umfasst genau die zwölf aus der kantischen Urteilstafel geläufigen Positionen. Wie ein Blick auf die Geschichte seiner Urteilslehre zeigt, hat Hegel die Gliederung Schritt für Schritt der kantischen Ordnung angeglichen. In der Jenaer Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 stellt er noch zwei Gruppen von Urteilen einander gegenüber. Zu der ersten gehören die quantitativen und das hypothetische, zu der zweiten die qualitativen und das disjunktive Urteil. Sowohl das kategorische Urteil als auch die Urteile der Modalität fehlen.4 In der Nürnberger Gymnasiallogik von 1808/09 behandelt Hegel die ersten neun Formen der kantischen Urteilstafel. Ein Jahr später ergänzt er das assertorische, das problematische und das apodiktische Urteil. Trotz seines methodischen Anspruchs, die einzelnen Bestimmungen des Begriffs mit Hilfe der dialektischen Methode auseinander zu entwickeln, wird man kaum sagen können, dass es Hegel gelungen wäre, die Ordnung der viermal drei Urteilsformen vollends durchsichtig zu machen.6 Nicht weniger offensichtlich ist die systematische Orientierung Hegels an der kantischen Urteilstafel, was die Einteilung der Schlusslehre angeht. Auch hier erfolgt in den ersten Nürnberger Jahren eine schrittweise Angleichung. Während er in der Jenaer Logik von 1804/05 den hypothetischen, disjunktiven und kategorischen Schluss sowie die Induktion abhandelt, experimentiert Hegel in der Philosophischen Enzyklopädie von 1808/09 zum ersten Mal mit den Schemata der drei Figuren.8 Er begründet die Unterscheidung der drei Arten des Schlusses mit der Notwendigkeit, die Prämissen zu vermitteln, ohne dass es zu einem Fortgang in die schlechte Unendlichkeit kommt. „Der zweite allgemeine Schluss ist daher, dass das Besondere mit dem Allgemeinen durch die Einzelheit zusammengeschlossen wird." Außerdem „muss die Beziehung der Einzelheit auf die Besonderheit vermittelt werden, wozu das Allgemeine vorhanden ist". Die drei Schlüsse zusammen bilden ein Ganzes „der sich selbst gegenseitig voraussetzenden Vermittlung". Das Motiv des Kreises dreier Schlüsse ist aus dem dritten Jenaer Vgl. GW 7, 82-91 sowie dazu § 9 (4.). Vgl. Hegel, Philosophische Enzyklopädie für die Oberklasse, § 60-64 (WW 4, 23 f.) und Subjektive Logikfür die Oberklasse, § 15-38 (WW 4, 143-149). Bereits damals stellte Hegel übrigens die Reihenfolge um und behandelte die Qualität vor der Quantität. Vgl. dazu die Bemerkung zur „Einteilung des Seins" in der Wissenschaft der Logik (GW 11,41 f.). 6 Vgl. dazu bereits die Kritik bei Trendelenburg, Logische Untersuchungen, II, 190-207. 7 Vgl. GW 7, 97-105 sowie dazu §9 (6.). 8 Vgl. zum Folgenden Hegel, Philosophische Enzyklopädiefür die Oberklasse, § 65-77 (WW 4, 244 5

-

27).

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Die Entwicklung des Schlusses

Neu ist hingegen, dass Hegel den zweiten nun als „Schluss und den dritten als „Schluss der Analogie" bezeichnet. durch Induktion" Dieselbe Konzeption wie der Philosophischen Enzyklopädie liegt dem kurze Zeit später entstandenen Fragment „Zur Lehre von den Schlüssen" zugrunde. Der erste Teil des Textes enthält Überlegungen zur Bedeutung der drei Schemata E-B-A, A-EB und B A E. Daran schließt sich eine „Allgemeine Reflexion des Gangs und Resultats dieser Schlüsse" an (GW 12, 305). Wieder ordnet Hegel den drei Schemata den kategorischen Schluss, die Induktion und die Analogie zu. Ferner nennt er die erste Art den „Schluss des Seins", die zweite Art die „Schlüsse der Bestimmtheiten" und die dritte Art die „Schlüsse der Abstraktion" (306). Mit den drei Arten von Schlüssen verbindet Hegel dabei zum ersten Mal den Gedanken einer Entwicklung des Begriffs.

Systementwurf geläufig.

-

-

„Die Bewegung des Schlusses hat zum Resultat die Herstellung der Vernunfteinheit, d. h. die reine Begriffsbestimmung, die ebenso sehr subjektiv als objektiv ist, und deren Bewegung die Doppelsinnigkeit ist, dass Außersichkommen Insichgehen und umgekehrt" (GW 12, 307). =

In der ersten Art des Schlusses wird die Unmittelbarkeit des Seins aufgehoben, und an ihre Stelle tritt die Bestimmtheit. Bei der Bestimmtheit, die in der Induktion erscheint, handelt es sich Hegel zufolge um die „empirische" Bestimmtheit. Sie wird ihrerseits aufgehoben, und in der dritten Art der Schlüsse geschieht die Vermittlung durch „das Wesen".10 Was Hegel hier das Wesen nennt, entspricht dem objektiven Allgemeinen, das später als die Mitte des Schlusses der Notwendigkeit fungiert. Doch damit nicht genug. Die dritte Art der Schlüsse übernimmt in dem Fragment von 1809 außerdem die Funktion der Realisierung des Begriffs. Sie „realisiert die Abstraktion" und „setzt das Allgemeine (Innere) zugleich als Objektivität". Die drei Arten der Schlüsse entsprechen also nicht nur den drei Figuren, sondern sie spielen der Sache nach dieselbe Rolle wie später die Gattungen des Schlusses des Daseins, der Reflexion und der Notwendigkeit. Das Resultat der Schlusslehre von 1809 ist genau wie in der Wissenschaft der Logik die „absolute Einheit des Inhalts und der Form und der Bewegung" (GW 12, 308). Entwicklungsgeschichtlich gesehen bleibt der Zusammenfall der drei Schemata mit den Arten des Schließens eine Episode. Kurze Zeit danach beginnt eine neue Etappe, in der Hegel die Systematik der Schlusslehre weiter an die Urteilslehre anpasst. In der Subjektiven Logik von 1809/10 zählt er nicht drei, sondern dreimal drei Schlüsse auf." Der erste Unterabschnitt enthält die drei „Formen" des Schlusses, der zweite den mathematischen Schluss, die Induktion und die Analogie und der dritte den kategorischen, den hypothetischen und den disjunktiven Schluss. Abgesehen von dem mathematischen Schluss, der dem Schluss der Allheit weichen muss, hat Hegel den Aufbau der Schlusslehre später nicht mehr verändert. Die Titel der Unterabschnitte gleichen nun denen der -

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9 Vgl. GW 12,299-312. 10 Der Schluss der Analogie „drückt dies aus: Einzelne, die an sich dasselbe sind, haben auch die äußerliche Bestimmung gemein" (GW 12, 309). 11 Vgl. zum Folgenden Hegel, Subjektive Logik für die Oberklasse, § 42-55 (WW 4, 150-154).

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Die Entwicklung des Schlusses

Urteilslehre. Es sieht also alles danach aus, als habe Hegel nicht nur das Motiv der Permutation der Terme mit dem Gedanken der Bewegung des Begriffs verbunden, sondern beides außerdem mit der Systematik der Urteilslehre verschliffen.12 Die Geschichte erscheint weniger eigentümlich, wenn man nicht so sehr auf die Orientierung an der kantischen Ordnung achtet, sondern stattdessen bedenkt, dass die Bedeutung des Subjekts und des Prädikats des Urteils eine ähnliche Entwicklung durchläuft wie die des mittleren Terms des Schlusses. Die Einteilung der Schlusslehre spiegelt also nicht zufällig die Gliederung der Urteilslehre. Am Ende der Entwicklung des Schlusses nimmt der mittlere Term die Bedeutung eines objektiven Allgemeinen an. Von diesem meint Hegel zeigen zu können, dass seine Verfassung derjenigen eines Objekts entspricht. Am deutlichsten ausgesprochen hat er den Gedanken in der enzyklopädischen Logik: „Unter Objekt aber pflegt man nicht bloß ein abstraktes Seiendes oder existierendes Ding oder ein Wirkliches überhaupt zu verstehen, sondern ein konkretes, in sich vollständiges Selbständiges" (E § 193 Anm.). Das Ziel der Entwicklung des Schlusses liegt demzufolge in dem Nachweis, dass der mittlere Term als ein „konkretes, in sich vollständiges Selbständiges" aufgefasst werden Ein Kennzeichen der Selbständigkeit ist, dass es sich bei dem Begriff um etwas unabhängig von einem denkenden Subjekt, real Existierendes handelt. Darin gründet zugleich die Verwandtschaft des Arguments der Schlusslehre mit dem ontologischen Gottesbeweis. Die Überlegungen nachzuvollziehen, die zu diesem Ergebnis führen, ist die Aufgabe der folgenden Abschnitte. Der Untersuchung der Entwicklung des Schlusses in der Wissenschaft der Logik vorausschicken will ich jedoch eine gedrängte Darstellung der Schlusslehre des so genannten zweiten Jenaer Systementwurfs. Sie soll gleichsam als Kontrastfolie dienen, damit der Sinn der Rede von der Realisierung des Begriffs klarer hervortritt. muss.

12 Von einer Anlehnung Hegels an die kantische Schlusslehre kann insofern nicht die Rede sein, als Kant die Möglichkeit der Einteilung der Vernunftschlüsse nach der Quantität, der Qualität und der Modalität bestreitet (vgl. Logik Jäsche, § 60 [AA IX, 122]).

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Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

§ 9 Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik Jenaer Vorlesung über Logik, Metaphysik, Naturphilosophie aus dem Jahr 1804/05 enthält den ältesten vollständig ausgeführten Entwurf einer Begriffs-, Urteilsund Schlusslehre.1 Daher kommt dem betreffenden Abschnitt des zweiten Jenaer Systementwurfs entwicklungsgeschichtlich eine besondere Bedeutung zu. Die Abhandlung über die Formen des Denkens bildet den zweiten Teil des zweiten Kapitels der Logik. Diese zerfallt in insgesamt drei Kapitel, die nacheinander die „einfache Beziehung", das „Verhältnis" und die „Proportion" behandeln. Im ersten Teil des Kapitels über das Verhältnis erörtert Hegel unter dem Titel „Verhältnis des Seins" die drei Kategorien der Relation. Die Darstellung des Begriffs, des Urteils und des Schlusses im zweiten Teil des Kapitels ist mit „Verhältnis des Denkens" überschrieben. In der Abfolge Substanz, Kausalität, Wechselwirkung Begriff, Urteil, Schluss lässt sich unschwer der spätere Übergang vom letzten Kapitel der Wesenslogik zum ersten Abschnitt der Lehre vom Begriff erkennen. Mit der Logik und Metaphysik des zweiten Jenaer Systementwurfs verfolgt Hegel sein Programm einer philosophischen Erkenntnis des Unendlichen oder Absoluten. Am Ende des ersten Kapitels der Logik führt er den Begriff der Unendlichkeit ein. Die logische Kategorie der Unendlichkeit hat ihre Entsprechung in dem metaphysischen Begriff des absoluten Geistes.3 Während es in der Logik um die systematische Entfaltung des Begriffs der Unendlichkeit geht, zielt die Metaphysik auf den Nachweis, dass es sich bei dem Unendlichen ontologisch gesehen um die Beziehung des absoluten Geistes auf sich selbst handelt. Die Metaphysik von 1804/05 bildet demnach eine Theorie der absoluten Subjektivität. Die systematische Trennung von Logik und Metaphysik hat Hegel kurze Zeit später aufgegeben. Wie die Skizze am Ende der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06 zeigt, firmiert der erste Systemteil nun unter dem Titel „spekulative Philosophie" und enthält eine Theorie sowohl des Verhältnisses als auch des Geistes.

Hegels

-

1 Es sei daran erinnert, dass Hegel in der Logik und Metaphysik von 1801/02 den Abschnitt über die subjektiven Formen des Denkens wahrscheinlich nicht mehr ausgeführt hat. Vgl. Troxler, Erste absolute Metaphysik, 63-77. 2 Zur Entwicklung der Gliederung der Logik vgl. Paolo Giuspoli, „Objektive und Subjektive Logik. Über die allgemeine Organisation der Hegelschen Logik in den ersten Nürnberger Jahren", in: Hegel-

Studien 35, 2000, 77-106. 3 „Der absolute Geist ist die einfache oder sich auf sich selbst beziehende Unendlichkeit"

174). 4 „Diese Beziehung des Geistes auf sich selbst, das ist, ist das Unendliche" (GW 7, 175). 5 Zu

Hegels metaphysischer

Theorie der

an

ihm selbst

zugleich

Subjektivität vgl. Düsing,

(GW 7,

das Andere seiner selbst

Das Problem der

Subjektivität,

189-198, sowie Horstmann, Ontologie und Relationen, 92-97. 6 „Spekulative Philosophie, absolutes Sein, das sich Anderes (Verhältnis) wird, Leben und Erkennen und wissendes Wissen, Geist, Wissen des Geistes von sich" (GW 8, 286). -

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Die Entwicklung des Schlusses

1. Die Methode der Mitten Um die Logik des zweiten Jenaer Systementwurfs entwicklungsgeschichtlich besser einordnen zu können, ist es nützlich einen Blick zurückzuwerfen. Wie wir im ersten Teil gesehen haben, beginnt Hegel seine Lehrtätigkeit mit Vorlesungen über Logik und Metaphysik. Daneben kündigt er jeweils ein Kolleg über Naturrecht an. Erst im Wintersemester 1803/04 geht Hegel dazu über, das ganze System der Philosophie vorzutragen. Leider ist die Logik und Metaphysik des so genannten ersten Jenaer Systementwurfs nicht erhalten. Da wir auch aus den vorhergehenden Jahren lediglich über das Fragment ist es eines Manuskripts sowie eine knappe zusammenfassende Nachschrift nicht leicht, genaue Angaben über die Stellung und die Methode von Hegels früher Logik zu machen. Zwar hatte bereits Karl Rosenkranz in seiner Biographie Hegels aus dem Manuskript zu der Vorlesung von 1801/02 zitiert,8 aber der Text enthält außer eini-

verfügen,7

allgemeinen Bemerkungen über das spekulative Philosophieren nur eine vorläufige Inhaltsangabe der Logik. Angesichts der Quellenlage wage ich zu bezweifeln, dass sich die seit mehr als drei Jahrzehnten kontrovers diskutierte Frage nach dem Verhältnis dieses Konzepts zu der in dem Reinschriftfragment von 1804/05 enthaltenen Logik jemals wird endgültig klären lassen. Eng mit der genannten Schwierigkeit zusammen hängt die Frage, in welchem Sinn und in welchem Umfang Hegel der Jenaer Logik die Aufgabe einer Einleitung in das System der spekulativen Philosophie beigemessen hat. Gemäß dem Manuskript von 1801/02 übernimmt die Logik ihre einleitende Funktion aufgrund des Umstands, dass in ihrem letzten Teil die „Aufhebung" der zuvor erläuterten Formen des Verstandes „durch die Vernunft" erfolgt. Daher sei die Logik ein „negatives Erkennen" der Vernunft, das „die Reflexion vollständig erkennt und aus dem Weg räumt. Außerdem sollen in der Logik „überhaupt die Fundamente eines wissenschaftlichen Erkennens", das heißt „die eigentlichen Gesetze der Vernunft" angegeben werden (GW 5, 272 ff.).10 Da mein Thema aber nicht die Logik im Ganzen, sondern die Entwicklung der Schlusslehre

gen

7 Vgl. GW 5, 269-275 sowie Troxler, Erste absolute Metaphysik, 63-77. Wie aus der Nachschrift hervorgeht, hat Hegel den Abschnitt über die subjektiven Formen des Denkens wahrscheinlich nicht mehr ausgeführt. 8 Vgl. Rosenkranz, Hegels Leben, 190 ff. 9 Ausgelöst wurde die Diskussion durch die auf der Grundlage der Buchstabenstatistik erfolgte neue Datierung der Manuskripte. Die These einer Entwicklung der Logik zwischen 1801 und 1804 stammt von Johann Heinrich Trede, „Hegels frühe Logik (1801-1803/04). Versuch einer systematischen Rekonstruktion", in: Hegel-Studien 7, 1972, 123-168, sowie Horstmann, „Probleme der Wandlung". Beide reagieren auf Heinz Kimmerle, Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. Hegels „System der Philosophie" in den Jahren 1800-04, Bonn 1970. 10 Mit Berufung auf entsprechende Bemerkungen in der Differenzschrift (vgl. GW 4, 25 ff.) versteht Trede den dritten Punkt der Gliederung als Anspielung auf die Grundsätze, die in dem zweiten Systementwurf am Anfang der Metaphysik stehen (vgl. Hegels frühe Logik, 139-143 und 150 f.). -

Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

151

ist, werde ich mich im Folgenden auf sie beschränken.11 Was die Behandlung der Schlüsse in der frühen Logik angeht, kann es einen zunächst verwundern, dass das Stichwort nicht bloß einmal, sondern gleich unter zwei Gliederungspunkten fällt. Für den zweiten Teil der Logik kündigt Hegel die Betrachtung der Schlüsse als Formen des subjektiven Denkens an. In Anspielung auf die übliche Assoziation des Schließens mit der Vernunft spricht er von einer „Nachahmung der Vernunft durch den Verstand". Ob Hegel bei dem „formellen Schließen" bereits an das gedacht hat, was in Nürnberg der Schluss des Daseins oder der Verstandesschluss heißt, lässt sich schwer sagen. Klar ist indes die Trennung des formellen Schließens des Verstandes von der „spekulativen Bedeutung der Schlüsse", die Hegel im dritten Teil der Logik erörtern will (273 f.). Anders als in dem zweiten Jenaer Systementwurf hat Hegel die verschiedenen Arten Schlüssen in der frühen Logik offenbar noch nicht in einen fortlaufenden Entwicklungsgang eingebunden. Er behandelt die Formen des Schließens unabhängig von der Frage nach ihrem Stellenwert für die Einleitung in die spekulative Philosophie. Das Manuskript gibt zwar keine direkte Auskunft, worin Hegel die „spekulative Bedeutung der Schlüsse" gesehen hat. Ich halte es jedoch für zulässig, auf den kurze Zeit später erschienenen Aufsatz über Glauben und Wissen zurückzugreifen. Dort begründet Hegel die Überlegenheit des Schlusses gegenüber dem Urteil mit dem Hinweis, in dem mittleren Term stelle sich die absolute Identität des Besonderen mit dem Allgemeinen dar.12 Da die Suche nach der geeigneten Weise der Darstellung der absoluten Identität damals im Mittelpunkt von Hegels systematischem Ringen stand, liegt es nahe, in dem Zusammenhang auch die spekulative Bedeutung der Schlüsse zu suchen. Der entscheidende Fortschritt der späteren Fassungen gegenüber der frühen Logik bestünde also darin, dass Hegel die Aufstellung der verschiedenen logischen Formen und die spekulative Darstellung der Verfassung des Absoluten in eine einheitliche Abfolge gebracht hat. Den ersten Versuch in diese Richtung bildet die Schlusslehre des zweiten Jenaer Systementwurfs. Dass Hegel die Formen des Schließens auf der einen und die spekulativen Bedeutung der Schlüsse auf der anderen Seite ursprünglich in verschiedenen Teilen der Logik abzuhandeln beabsichtige, passt gut zu dem eigenartigen Befund, dass in den übrigen erhaltenen Texten aus den Jahren 1802 und 1803 nicht von den Schlüssen die Rede ist. Was das so genannte System der Sittlichkeit angeht, haben wir bereits gesehen, wie Hegel die Idee der absoluten Sittlichkeit nach dem Schema der wechselseitigen Subsumtion von Begriff und Anschauung darstellt.13 Im Jahr darauf verfasste Hegel den ersten vollständigen Entwurf der realphilosophischen Teile seines Systems. Da die Vorlesung, zu der Hegel die Naturphilosophie und die Philosophie des Geistes ausarbeitete, das ganze System der spekulativen Philosophie behandeln sollte, steht zu vermuten, von

11 Der jüngste Beitrag zu der Diskussion um die die Arbeit von Anne-Kristina Kwade, Grenze. 12 Vgl. GW 4, 328 sowie dazu Teil I, § 4 (4.). 13 Vgl. Teil II, § 6 (2.).

Stellung und Methode von Hegels Jenaer Logik ist

152 dass

Die Entwicklung des Schlusses er

sich für die

Logik und Metaphysik auf älteres Material stützte. Daher wissen wir

gegebenenfalls zur Schlusslehre ausführte. Bemerkenswert ist allerdings eine andere Beobachtung. In dem ersten Jenaer Systementwurf bedient sich Hegel nämlich durchgehend der Methode, zwei entgegengesetzte Bestimmungen in einer ,Mitte' nicht, zu

was er

vereinigen.

Schon die Wortwahl legt die Vermutung nahe, dass die Methode der Mitten und der Schluss etwas miteinander zu ton haben könnten. Umso verwunderlicher ist, dass sich Hegel nur an einer einzigen Stelle der aus der Schlusslehre vertrauten Terminologie bedient. In einer Randnotiz zum chemischen Prozess heißt es: „Alles als Allgemeines, Mittelbegriff und Einzelnes" (GW 6, 67). Darüber hinaus finden sich keine Belege, aus denen hervorginge, dass Hegel die Methode der Mitten mit der logischen Form des Schlusses in Verbindung gebracht hätte. Nichtsdestoweniger besitzen die ,Mitten', die Hegel in dem System der spekulativen Philosophie konstruiert, eine unübersehbare Ähnlichkeit mit dem mittleren Term des Schlusses. In beiden Fällen handelt es sich um die Einheit Entgegengesetzter. Die Mitte ist „das Dritte, worauf sie [sc. die Entgegengesetzten; G. S.] sich beziehen, in dem sie eins sind, aber dasjenige, woran sie sich ebenso unterscheiden" (275). Aufgrund dieser dreigliedrigen Struktur unterscheidet sich die Methode der Mitten merklich von dem zuvor befolgten Schema der wechselseitigen Subsumtion. Am markantesten beschrieben hat Hegel sein Vorgehen in der Übersicht am Beginn der Philosophie des Geistes, die er im Jahr 1803/04 erstmals am Leitfaden des Begriffs des Bewusstseins entwickelte. Das Bewusstsein steht in der Mitte zwischen dem, das sich bewusst ist, und dem, dessen es sich bewusst ist. Zugleich bestimmt Hegel das Bewusstsein als die Einheit der „Einzelheit" und der „allgemeinen Vielheit" (270). Als diese Einheit ist das Bewusstsein nicht nur das zwischen den beiden Seiten des Gegensatzes vermittelnde Dritte, sondern es trägt an sich selbst entgegengesetzte Bestimmungen. Im weiteren Verlauf der Philosophie des Geistes stellt Hegel die verschiedenen Formen dar, in die sich das Bewusstsein ausdifferenziert. Kennzeichnend für die einzelnen Formen des Bewusstseins ist, dass sich die Mitte als die Einheit zwischen einem mehr subjektiven oder einzelnen und einem mehr objektiven oder allgemeinen Moment begreifen lässt. Nehmen wir die erste Form, den von Hegel so genannten theoretischen Prozess, so erscheint das Bewusstsein in dem Gegensatz von Gedächtnis und Sprache. Mittels des Gedächtnisses werden die Gegenstände der Anschauung „zu einem Gedachten". Indem das Subjekt nun die Dinge benennt, macht es „ein Konkretes, in sich Mannigfaltiges, Lebendes und Seiendes [...] zu einem schlechthin in sich einfachen Ideellen" (287 f.). Während das Gedächtnis gleichsam auf der Seite des einzelnen Subjekts und den Dingen gegenüber steht, gehören die Laute der Sprache selbst in die Sphäre des Mannigfaltigen und der Dinge. Gleichwohl handelt es sich bei dem Gedächtnis ebenso wie bei der Sprache um Erscheinungsweisen des Bewusstseins als der Einheit des Gegensatzes. „Alle Momente desselben [sc. des Bewusstseins; G. S.] sind

Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

153

als Vermögen, Neigungen im Tätigen sowie als Bestimmtheiten des anderen, aber das Wesen ist die Mitte" (291). Auf den theoretischen folgt der so genannte praktische Prozess des Geistes. In ihm bezieht sich das Bewusstsein nicht erkennend auf die vielen Dinge, sondern es ist gegen sie tätig. Dabei erscheint es wiederum in zwei Formen, nämlich einerseits als Arbeit und andererseits als Werkzeug. Den Ursprung der Arbeit sieht Hegel in der Begierde des Individuums, das sich irgendwelche Dinge aneignen will. Als Mittel dazu dient ihm das Werkzeug.14 Obwohl es sich bei dem Werkzeug selbst um ein Ding handelt, wird an ihm der vermittelnde Charakter des Bewusstseins besonders deutlich. Das Werkzeug steht nicht nur zwischen dem arbeitenden Individuum und dem bearbeiteten Gegenstand, sondern es ist „selbst passiv nach der Seite des Arbeitenden und tätig gegen das Bearbeitete" (300). Insofern es auf der einen Seite als passiv und auf der anderen als tätig angesehen werden kann, gleicht das Werkzeug dem mittleren Term des Schlusses, der gegenüber dem einen Extrem als Subjekt und gegenüber dem anderen als Prädikat

fungiert. Auf die

übrigen

Fälle der Anwendung der Methode der Mitten will ich nicht mehr eingehen.15 Denn die Frage scheint mir auf der Hand zu liegen, warum Hegel über die logische Bedeutung der Methode der Mitten nicht weiter nachgedacht hat. Der Grund, aus dem er sie nicht mit der Form des Schlusses in Verbindung bringt, scheint mir darin zu liegen, dass er die logischen Formen zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht für geeignet hielt, eine systematische Rolle in der Metaphysik oder Realphilosophie zu übernehmen. Im Jahre 1802 hatte Hegel den Versuch, mit Hilfe der urteilslogischen Kategorien der Subsumtion, des Begriffs und der Anschauung ein System der Sittlichkeit aufzurichten, unvollendet liegen gelassen. In dem zweiten Jenaer Systementwurf von 1804/05 befasst er sich zwar ausführlich mit den Formen des Urteilens und des Schließens und bringt die verschiedenen Arten von Urteilen und Schlüssen zum ersten Mal in eine methodisch geregelte Abfolge. Aber weder in der Metaphysik noch in der nur zum Teil ausgeführten Naturphilosophie findet sich irgendein Hinweis, dass Hegel die Form des Schlusses für ein geeignetes Mittel gehalten hätte, um seine Philosophie systematisch darzustellen. Das ändert sich erst in dem dritten Jenaer Systementwurf. Der Durchbruch erfolgt mit der Entdeckung des Motivs des Kreises von drei Schlüssen, der durch die Permutation der Terme zustande kommt. In der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06 tritt an die Stelle des Schemas der wechselseitigen Subsumtion und der Methode der Mitten die Form der drei Schlüsse. Leider wissen wir nicht, wie Hegel zu der damaligen Zeit die logische Schlusslehre ausgeführt hätte. Die 14 Vgl. den Hinweis auf die Rede von dem „Mittel" als demjenigen, „wodurch" das Individuum „gegen ein anderes tätig ist" (GW 6, 278). 15 Die beiden wichtigsten sind der meteorologische Prozess und der Kreislauf des Organischen. In dem ersten erscheinen Luft und Erde als die doppelte Mitte zwischen Feuer und Wasser, in dem zweiten das lebendige Individuum Mann und Frau als die Mitte zwischen der Gattung und der unorganischen Natur (vgl. GW 6, 92 ff. und 186-189). -

-

Die Entwicklung des Schlusses

154

nächsten Entwürfe zur Logik stammen bereits aus Nürnberg. Dort ist es Hegel endgültig gelungen, das Motiv der Darstellung seines Systems in der Form des Schlusses mit dem Gedanken der logischen Ableitung der Arten des Schließens zu verbinden.

2. Der Schluss als Verhältnis des Denkens 1804/05 zu verstehen, muss man zunächst den Begriff des Verhältnisses richtig fassen, den Hegel aus der Kategorie der Unendlichkeit hervorgehen lässt. Als die „Unendlichkeit" bezeichnet Hegel eine bestimmte Weise, wie das Eine und das Viele aufeinander bezogen sind. Genauer gesagt ist die Unendlichkeit „das einfache Aufheben des Gegensatzes". Die Aufgabe der Logik ist das Auseinanderlegen der Momente dieser Bewegung. Insofern der Gegensatz besteht, spricht Hegel von der „Nichtbeziehung des Einen und Vielen". Der Nichtbeziehung gegenüber steht die „Beziehung des Einen und Vielen". Hegel nennt sie auch „das Einfache" oder „das Leere". Daher lässt sich das Aufheben des Gegensatzes als die Beziehung zweier Glieder bestimmen, nämlich des Gegensatzes einerseits und des Einfachen andererseits. Entsprechend sind „im Unendlichen" die Beziehung und die Nichtbeziehung des Einen und des Vielen aufeinander bezogen und bilden eine Einheit. Diese „vielfache Beziehung" nennt Hegel „das Verhältnis" (GW 7, 36 f.). Hinter dem Begriff des Verhältnisses steht also die spekulative Grundfigur der Identität von Identität und Nichtidentität. Der weitere Gang der Logik beruht auf der Überlegung, dass das Verhältnis so gefasst werden kann, als handle es sich nur um die Beziehung, deren Relata außerhalb ihrer selbst liegen. In dem Fall wäre das Verhältnis die „Grenze" oder das „Und" zwischen seinen beiden Gliedern.1 Insofern es sich bei dem Verhältnis um eine Beziehung handelt, die ihre beiden Glieder von sich ausschließt, spricht Hegel von der „negativen Einheit" der Glieder. Solange die beiden Glieder von der Einheit ausgeschlossen sind, erscheine ihre Einheit als „eine Idealität, die der Realität entgegengesetzt ist" (37 f.). Die Beziehung zwischen der negativen Einheit einerseits und den in ihr aufeinander bezogenen Gliedern andererseits betrachtet Hegel als das „Verhältnis des Seins". Auf die Einzelheiten will ich nicht näher eingehen, sondern begnüge mich mit dem Hinweis, dass er das Substantialitätsverhältnis mit der Bestimmung der Notwendigkeit und das Kausalitätsverhältnis mit dem Begriff der Kraft verbindet, und dass die Bewegung der Wechselwirkung schließlich zur Aufhebung der Trennung der Substanzen führt.17 Mit der Aufhebung aller Bestimmtheiten in der absoluten Einheit leitet Hegel vom Verhältnis des Seins zum Verhältnis des Denkens über. Im Unterschied zu vorher sind die aufeinander bezogenen Glieder nicht mehr „Seiende", sondern „Ideelle". Die beiden Um den Ansatz der Schlusslehre

von

16 Zum Begriff der Grenze vgl. GW 7, 5 ff. sowie Kwade, Grenze, 107-121. 17 „Die Wechselwirkung so an sich selbst zurückgekehrt ist das Aufgehobensein der getrennten Substanzen; es ist schlechthin nur eine, aber absolut erfüllte Substanz, die Indifferentiierung aller Bestimmtheiten, die in ihr als Aufgehobene gesetzt sind" (GW 7, 75).

Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

155

Seiten des Verhältnisses sind das Allgemeine und das Besondere. Das Allgemeine definiert Hegel als „das sich selbst gleiche Einssein der Entgegengesetzten". Das Besondere, das an die Stelle der getrennten Substanzen tritt, bestimmt er als „ein als aufgehoben Gesetztes" (75 f.). Das Allgemeine und das Besondere bilden das Inventar der Begriffs-, Urteils- und Schlusslehre. Der systematische Zusammenhang zwischen den Formen des bestimmten Begriffs, des Urteils und des Schlusses entspricht in wesentlichen Zügen bereits der Konzeption der Nürnberger Logik. Nachdem das Allgemeine und das Besondere in dem bestimmten Begriff als einfache Einheit erscheinen, treten sie im Urteil auseinander. Das Urteil seinerseits wird zum Schluss, indem die Kopula dem mittleren Term weicht. Obwohl Hegel das Verhältnis zwischen Begriff, Urteil und Schluss auf ähnliche Weise anlegt wie in der Wissenschaft der Logik, folgt die Entwicklung des Schlusses einer völlig anderen Gesetzmäßigkeit. Der Ausgangspunkt liegt in einer Ambivalenz der Form des Schlusses, die ganz der oben beschriebenen Dialektik der Grenze gleicht. Als die beiden Seiten eines Verhältnisses sind die Extreme des Schlusses einerseits in dem mittleren Term vereinigt und andererseits dem mittleren Term entgegengesetzt. Hegel spricht von der „Einheit" und der „Trennung" der Extreme, die „nicht selbst wieder vereinigt" sind (96 f.). Wie ich später darlegen werde, geschieht die Vereinigung letzten Endes durch den Nachweis, dass das Subjekt des Schlusses als unmittelbar mit dem Allgemeinen verbunden aufgefasst werden muss und umgekehrt. Auf die Weise wird aus der vermittelten wieder eine einfache Beziehung, auf deren beiden Seiten freilich jeweils ein Verhältnis steht. Das Subjekt des Schlusses nimmt das Allgemeine in sich auf und entspricht Hegel zufolge dem Verhältnis des Seins. Das Allgemeine als das andere Extrem des Schlusses soll umgekehrt das Besondere enthalten und dem Verhältnis des Denkens entsprechen. Die Entwicklung des Schlusses führt demnach zu der Beziehung zweier Verhältnisse. Gleich am Anfang der Schlusslehre erwähnt Hegel den „höheren Standpunkt", wonach der Schluss „die Identität des Verhältnisses des Seins und des Denkens" sei (95). Weil es sich bei den aufeinander Bezogenen um zwei Verhältnisse handelt, spricht Hegel von einer „Proportion" (105). In dem gleichnamigen dritten Kapitel der Logik legt er Rechenschaft über seine dialektische Methode ab. Danach vollzieht sich das Erkennen in drei Schritten, die Hegel als die Definition, die Einteilung oder Konstruktion und den Beweis bezeichnet. Das alles sind Themen, die später in das Kapitel über die Idee des Erkennens fallen. Legt man den Aufbau der reifen Logik zugrunde, geht Hegel von den Formen des subjektiven Denkens also direkt zur Ideenlehre über. Ein dem Abschnitt über die Objektivität entsprechendes Kapitel fehlt in dem zweiten Jenaer Systementwurf. Mit dem Erkennen endet die Logik und beginnt die Metaphysik. Auf die schwierige Frage nach dem Verhältnis dieser beiden Systemteile will ich hier nicht eingehen.18 Wichtig für meine Belange ist lediglich, dass das Ergebnis der Schlusslehre von 18

Vgl. dazu Düsing, Das Problem der Subjektivität,

154 ff.

156

Die Entwicklung des Schlusses

1804/05 mehr mit der Idee des Erkennens als mit dem tivität heißt.

zu

3. Die schlechte und die wahrhafte Realität des

Begriffs

tun

hat, was später die Objek-

Bevor ich mich der Begriffs-, Urteils- und Schlusslehre im engeren Sinn zuwende, will ich einige Bemerkungen über Hegels Verwendung des Ausdrucks „Realisierung" einfügen. In der Logik von 1804/05 herrscht ein Unterschied zwischen der „schlechten" und der „wahrhaften" Realität einer Kategorie. Die schlechte Realität liegt dann vor, wenn die in einer logischen Kategorie enthaltenen Gegensätze als getrennt erscheinen. In dem Sinn nennt Hegel zum Beispiel das Urteil die „(schlechte) Realität" des bestimmten Begriffs (80). Die wahrhafte Realität zeigt sich bei dem Übergang einer Kategorie in die nächste, in der ihre Gegensätze aufgehoben sind. So hat die einfache Beziehung „ihre wahrhafte Realisierung" in der Unendlichkeit (29), das „realisierte Sein" ist der bestimmte Begriff (77), und der Begriff ist wiederum in der Proportion „realisiert" (105). Im Methoden-Kapitel ordnet Hegel die schlechte und die wahrhafte Realität zwei verschiedenen Momenten der „Bewegung des Erkennens" zu. Während die Bewegung insgesamt „das Darstellen eines Begriffs als Realität oder Totalität" zum Ziel hat, leistet die Einteilung oder Konstruktion nur „die Darstellung desselben als schlechter Realität". Hegel spricht von dem „Außersichkommen" oder „Anderswerden" des Begriffs. Erst im Beweis wird die Trennung wieder aufgehoben und zu der „wahrhaften Realität"

zurückgeführt ( 113). Die wenigen Andeutungen mögen genügen, um klar zu machen, dass Hegel die Darstellung des Begriffs als dialektische Kreisbewegung verstanden wissen will. Die in der schlechten Realität einander entgegengesetzten Momente werden als in der wahrhaften Realität des Ganzen enthalten gedacht. Das „Aufheben dieses Anderswerdens" erfolgt „durch die Subsumtion desselben unter die erste Einheit" (ebd.). Das Motiv der Subsumtion des Gegensatzes unter die erste Einheit begegnet auch in der Form des Schlusses, dessen mittlerer Term die Einheit der im Urteil getrennten Momente des bestimmten Begriffs enthält. Im Schluss ist das Urteil „in den Begriff zurückgekehrt und unter ihn subsumiert" (94). Die Sicht des zweiten Jenaer Systementwurfs ist nicht mehr weit entfernt von der Definition des Schlusses in Hegels reifer Logik. Dank des mittleren Terms stellt der Schluss die Einheit des Begriffs und des Urteils dar. „Der bestimmte Begriff hat im Schluss seine Realität erhalten; er ist als die Mitte das einfache Einssein des Allgemeinen und Besonderen, denn die Entwicklung erhält sich in der Einheit; und seine Momente sind stimmt" (GW 7, 94 f.).

19 in:

zugleich

als die Extreme

auseinandergesetzt

Vgl. dazu Urs Richli, „Die Bewegung des Erkennens Philosophisches Jahrbuch 85, 1978, 71-86.

in

und

gegeneinander

be-

Hegels Jenenser Logik und Metaphysik",

157

DIE REALISIERUNG DES BEGRIFFS IN HEGELS JENAER LOGIK

der späteren Fassung der Schlusslehre unterscheidet, ist das Prinzip der Entwicklung des Schlusses. Während die Entwicklung in der Wissenschaft der Logik auf dem Gedanken der Permutation der Terme beruht, folgt sie in der Logik von 1804/05, wie wir gleich sehen werden, noch ganz dem Schema der wechselseitigen Subsumtion. Was die frühere

4. Die

von

Entwicklung des Urteils

Anders als in den späteren Fassungen unterscheidet Hegel in der Jenaer Logik nicht drei, sondern nur zwei Momente des Begriffs. Die beiden Glieder des Verhältnisses des Denkens sind zunächst das Allgemeine und das Besondere. Erst in der Nürnberger Gymnasiallogik zählt Hegel neben der Allgemeinheit und der Besonderheit auch die Einzelheit als ein Moment des Begriffs. In dem zweiten Jenaer Systementwurf ist von der Einzelheit zwar im Zusammenhang mit den Formen des Urteils und des Schlusses die Rede, aber ohne dass sich dadurch an der Konzeption des Begriffs als der Einheit zweier Pole etwas änderte. Das zeigt sich nicht zuletzt am Aufbau der Schlusslehre. Sie zerfallt, nicht anders als die Urteilslehre, in zwei Teile, die der Darstellung der Subsumtion der übrigen Terme jeweils unter das eine Extrem gewidmet sind. Dem methodischen Schritt der Rückkehr zu der ursprünglichen Einheit entspricht also weder ein drittes Moment des Begriffs noch eine eigene Figur des Schlusses.21 Die Entwicklung des Verhältnisses des Denkens beginnt mit dem „bestimmten Begriff, den Hegel als das „einfache Ineinandersein" des Allgemeinen und des Besonderen definiert (GW 7, 76). Zur Erklärung der Bedeutung des bestimmten Begriffs greift er auf das Verhältnis zwischen Substanz und Akzidens zurück. Mit dem Besonderen ist demnach irgendeine Substanz, mit dem Allgemeinen irgendeine Eigenschaft gemeint. Das Verhältnis zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen oder der Substanz und dem Akzidens beschreibt Hegel als wechselseitige Subsumtion. Einerseits ist das Besondere eine von mehreren Substanzen, die unter das Allgemeine fallen. Andererseits ist das Allgemeine eine von mehreren Eigenschaften, die der Substanz zukommen. „Das Allgemeine ist eine Eigenschaft der Substanz, neben anderen; die Substanz ist ein Besonderes, ein in dem Allgemeinen gesetztes, neben anderen Besonderen" (79). In dem bestimmten Begriff werden die besondere Substanz unter die allgemeine Eigenschaft und die allgemeine Eigenschaft unter die besondere Substanz subsumiert. Da Hegel terminologisch nicht zwischen der Subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine und der Inhärenz des Allgemeinen im Besonderen unterscheidet, kann er von einer „gedoppelten entgegengesetzten Subsumtion" sprechen (ebd.). 20 Vgl. Hegel, Logikfür die Mittelklasse von 1808/09, § 58 (WW 4, 103). 21 Vgl. die Feststellung von Herrmann Schmitz, die Trias Allgemeines Besonderes Einzelnes werde in dem zweiten Jenaer Systementwurf „nur gestreift und nirgends produktiv für die Dialektik -

eingesetzt" (Hegels Logik, 193).

-

158

Die Entwicklung des Schlusses

Erläuterung zeigt, hat man bei dem bestimmten Begriff nicht nur an eine allgemeine Bestimmung, sondern, modern gesprochen, an ihre Instantiierung durch einen bestimmten Gegenstand zu denken. Der Begriff ,rot' etwa wird dadurch zu einem bestimmten Begriff, dass er nicht einfach die Klasse aller roten Gegenstände, sondern beispielsweise das Rot dieser Rose bezeichnet. Der bestimmte Begriff abstrahiert also von allen anderen Gegenständen mit derselben Eigenschaft sowie von allen anderen Eigenschaften derselben Substanz. Erst im Zuge der Realisierung des Begriffs werden das Besondere und das Allgemeine als ganze unter das jeweils andere subsumiert. Mit dem Verhältnis der Subsumtion meint Hegel dabei nicht nur die logische Beziehung des Enthaltenseins des Besonderen im Allgemeinen. Er denkt vielmehr an ein Verhältnis der ontologischen Abhängigkeit, wie in dem Fall der Inhärenz der Eigenschaft in der Substanz. Hegel konzipiert die Subsumtion als die Aufhebung der einen Bestimmung in der anderen. Das Subsumierende ist „das Wesentliche" im Gegensatz zu dem in ihm „als aufgehoben Gesetzten" (ebd.). Das Verhältnis der wechselseitigen Subsumtion oder der Aufhebung des Besonderen im Allgemeinen und des Allgemeinen im Besonderen bedeutet nach Hegel einen „Widerspruch des bestimmten Begriffs in ihm selbst". Der Widerspruch zeigt sich in der Form des Urteils, in der das Besondere als das Subjekt und das Allgemeine als das Prädikat voneinander getrennt erscheinen. In dem Urteil hat der bestimmte Begriff „seine (schlechte) Realität". Doch gerade deshalb ist das Urteil „der Ausdruck dessen, was der Begriff in Wahrheit ist" (80). Das Subjekt und das Prädikat des Urteils stehen für die Wie die

beiden einander entgegengesetzten Subsumtionen. Je nach dem, welches das Wesentliche ist, erscheint das Prädikat als eine Eigenschaft des Subjekts oder das Subjekt als eine Instantiierung des Prädikats. In dem ersten Fall ist das Prädikat im Subjekt, in dem zweiten Fall das Subjekt im Prädikat Dass Hegel die Subsumtion tatsächlich als ein Verhältnis der ontologischen Abhängigkeit konzipiert, zeigt die Metaphorik, mit der er die Bewegung der Aufhebung schildert. Um als das Wesentliche zu gelten, muss das eine das andere sozusagen unter seine Gewalt bringen. Hegel spricht von der „Selbsterhaltung durch Bezwingung des anderen unter sich" Entsprechend den beiden Richtungen des Verhältnisses der Subsumtion verläuft die Entwicklung des Urteils in zwei Phasen. Die erste ist durch das „Fürsichsein des Prädikats" und die Aufhebung des Subjekts, die zweite durch das „Fürsichsein des Subjekts" Grundsätzlich stellt Hegel die Entund die Aufhebung des Prädikats des Urteils als die des wicklung Realisierung jeweils subsumierten Gliedes dar. Im ersUrteilslehre erscheint Teil der das unter das Prädikat subsumierte Subjekt zunächst ten selbst als ein Allgemeines und realisiert sich als das Besondere. Umgekehrt erscheint im

aufgehoben.22

(82).23

gekennzeichnet.24

„Das Subjekt und das Prädikat sind die in den entgegengesetzten Subsumtionen Wesentlichen; in der, in welcher das eine das Wesentliche ist, ist das andere als das Ideelle oder Aufgehobene gesetzt" (GW 7, 81). 23 Auf die Stelle hat Michael Theunissen besonders hingewiesen (vgl. Sein und Schein, 444). 24 Vgl. GW 7, 82-87 und 87-91.

22

DIE REALISIERUNG DES BEGRIFFS IN HEGELS JENAER LOGIK

159

zweiten Teil das unter das Subjekt subsumierte Prädikat zunächst selbst als ein Besonderes und realisiert sich als das Allgemeine. Die Realisierung des Subjekts und des Prädikats erfolgt im Durchgang durch die verschiedenen Formen von Urteilen. Ähnlich wie Hegel im System der Sittlichkeit die einzelnen Kategorien der praktischen Philosophie entweder der Subsumtion des Begriffs unter die Anschauung oder der Anschauung unter den Begriff zuordnete, sollen in der Logik von 1804/05 die Formen des Urteils das eine Mal die Subsumtion des Subjekts unter das Prädikat und das andere Mal die Subsumtion des Prädikats unter das Subjekt zum Ausdruck bringen.25 So einfach, wie sich der Grundgedanke der Urteilslehre von 1804/05 angeben lässt, so schwer ist es, den genauen Sinn der verschiedenen Urteilsformen auszumachen.26 Was die Anordnung betrifft, lässt sich eine gewisse Nähe zur kantischen Urteilstafel erkennen, auch wenn Hegel ihr weit weniger starr und schematisch folgt als in der Nürnberger Logik. Die Realisierung des Subjekts geschieht durch die Formen des universellen, partikulären, singulären und hypothetischen Urteils, während die Realisierung des Prädikats in dem negativen, unendlichen und disjunktiven Urteil erfolgen soll. Die ersten drei der genannten Urteilsformen entsprechen dem kantischen Titel der Quantität. Sie sprechen allen, einigen oder einem der unter das Subjekt fallenden Gegenstände das Prädikat zu. Im universellen Urteil bezieht sich das Subjekt auf eine „Allheit" von Gegenständen. Aber als Allheit, so Hegel, ist das Subjekt nicht etwas Besonderes, „sondern hat die Allgemeinheit des Prädikats". Das ändert sich im partikulären Urteil, in dem das Subjekt nicht nur in Beziehung auf das Prädikat, sondern auch „an ihm selbst" ein Besonderes ist (83). Statt der Allheit subsumiert das partikuläre Urteil nur einen Teil der Sphäre des Subjekts unter das Prädikat. Mit dem partikulären Urteil ist die Realisierung des Subjekts aber noch nicht abgeschlossen. Der Grund liegt in der eigentümlichen Weise, auf die Hegel das partikuläre Urteil deutet. Wie wir im Zusammenhang mit der zweiten Figur des Schlusses gesehen haben, hält er das partikuläre Urteil für in dem Sinn unbestimmt, dass die Sätze .einige A sind B' und .einige A sind nicht B' gleich richtig sind. Die Unbestimmtheit verschwindet im singulären Urteil. In ihm wird ein einzelnes Subjekt unter das Prädikat subsumiert. Doch auch damit gibt sich Hegel nicht zufrieden. Dem einzelnen Subjekt fehle ebenso wie der Allheit der Charakter des Besonderen. „Denn das Einzelne als Besonderes ist zugleich gesetzt als auf das Allgemeine bezogen" (84). Das hypothetische Urteil, zu dem Hegel nun übergeht, soll die Vorzüge des partikulären mit denen des singulären Urteils vereinen. Wie im singulären Urteil ist das Subjekt auf der einen Seite „eine Substanz, eine numerische Einheit". Auf der anderen Seite ist die Substanz wie im „Die Deduktion der Urteilsverhältnisse sucht also nicht verschiedene gleichberechtigte Urteilsformen, sondern das wahre Verhältnis des Urteils aufzustellen, das die entworfene Idee des Urteils mit beiden Subsumtionen' erfüllt" (Düsing, Das Problem der Subjektivität, 167). 26 Theodor Haering spricht von einer „ans Spitzfindige grenzenden Weise" der Zuordnung der Urteilsarten (Hegel, sein Wollen und sein Werk. Eine chronologische Entwicklungsgeschichte der Gedanken und der Sprache Hegels, 2 Bde., Leipzig; Berlin 1929-38, II, 220). 25

,

160

Die Entwicklung des Schlusses

partikulären Urteil „nur als eine mögliche, als eine aufgehobene gesetzt". Dabei deutet Hegel die Bedingung ,wenn Dieses ist' als die Einheit zwischen dem ,Dieses' und einer allgemeinen Sphäre des Möglichen. Als diese Einheit von Wirklichkeit und Möglichkeit stelle das Subjekt „die Natur der Besonderheit an sich ganz entwickelt dar" (85). Die Realisierung des Subjekts führt zu einer Form des Urteils, bei der die Seite des Subjekts selbst ein Verhältnis bildet. Das hypothetische Urteil ist das „Verhältnis des Verhältnisses der Wirklichkeit und Möglichkeit zum Allgemeinen, dem Prädikat" (87). Im zweiten Teil der Urteilslehre geht es um die entsprechende Realisierung des Prädikats, das am Ende ebenfalls als Verhältnis erscheinen wird. Die Entwicklung beginnt mit den Formen des negativen und des unendlichen Urteils. Sie sollen die Subsumtion des Allgemeinen unter das Besondere und damit die Aufhebung des Prädikats im Subjekt zum Ausdruck bringen. Im negativen Urteil, erklärt Hegel, sei das Prädikat „als Bestimmtes in der Tat ein nicht an sich selbst Seiendes, sondern durch die negative Einheit in seinem Entgegengesetzten Untergehendes" (ebd.). Die Form des negativen Urteils ,B ist nicht A' lässt offen, ob es ein dem ,nicht A' entsprechendes positives Prädikat C gibt, das dem Subjekt zukommt. Noch einen Schritt weiter geht die Aufhebung im unendlichen Urteil, in dem nicht nur das Prädikat A, sondern auch das „höhere Allgemeine", worunter das Prädikat und sein Gegenteil fallen, von dem Subjekt verneint werden. Als Beispiele nennt Hegel die Sätze „das Gefühl hat nicht eine rote Farbe" und „der Geist ist nicht sechs Fuß lang". Sie werden niemanden zu der Annahme veranlassen, das Gefühl sei vielmehr blau und der Geist nur zwei Fuß lang. Da zwischen dem Subjekt und der Sphäre des Prädikats überhaupt keine Beziehung herrscht, ist das unendliche Urteil nur ein „leerer Schein" (88 f.).27 Um das negative nicht als unendliches Urteil erscheinen zu lassen, braucht es das disjunktive Urteil. Wenn das Subjekt,entweder A oder C ist, kann der Satz ,B ist nicht A' kein unendliches Urteil sein. Deshalb ist in dem disjunktiven Urteil das Prädikat realisiert. Die Disjunktion ,entweder A oder C bezieht sich einerseits auf etwas Allgemeines, nämlich auf die gemeinsame Sphäre der Bestimmungen A und C. Andererseits sind A und C einander so entgegengesetzt, dass das eine das andere ausschließt. Das Prädikat bedeutet somit zugleich etwas Besonderes, nämlich die negative Einheit der Bestimmungen A und C. „Das Subjekt, das sich auf das eine bezieht, kann sich nicht auf das andere beziehen, aber es muss sich auf diese Weise auf beide beziehen; es bezieht sich auf beide zugleich so, dass die Beziehung auf das eine die auf das andere ausschließt, also zugleich auf beide nicht, und positiv nur auf ihr Allgemeines" (90). Wie im hypothetischen Urteil das Subjekt, so stellt im disjunktiven Urteil das Prädikat „die Totalität des Verhältnisses an sich dar" (91).

27 Zur Theorie unendlicher Urteile vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 71 ff. / B 97 f. Da zwei einander entgegengesetzte unendliche Urteile beide falsch sein können, spricht Kant von einer „dialektischen Opposition" (vgl. A 504 / B 532). -

Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

5. Die

161

Entwicklung des Schlusses

Da ich keine Interpretation der Urteilslehre als solcher bezwecke, möchte ich es mit diesen Bemerkungen bewenden lassen. Es dürfte klar geworden sein, dass die beiden Teile zu einem spiegelbildlichen Ergebnis führen. Während die eine Seite des Verhältnisses jeweils unverändert bleibt, realisiert sich die andere in der Weise, dass das Subjekt und das Prädikat selbst als ein Verhältnis erscheinen. Überblickt man die Entwicklung im Ganzen, stellt sich das Resultat für Hegel freilich so dar, dass die Realisierung des Subjekts und des Prädikats nicht ein, sondern zwei Urteile erfordert. Die „gedoppelte Subsumtion" führt zu der „Verdoppelung" der Formen des hypothetischen und des disjunktiven Urteils. „Die wahrhafte Realisierung des Subjekts und Prädikats ist selbst eine schlechte Realisierung des Urteils" (GW 7, 92). Einen weiteren Mangel erblickt Hegel darin, dass das realisierte Subjekt des hypothetischen und das realisierte Prädikat des disjunktiven Urteils beide als problematisch gesetzt sind. Denn weder besagt die Bedingung ,wenn Dieses ist', dass das Subjekt tatsächlich existiert, noch sagt die Disjunktion ,entweder A oder C, was das Subjekt tatsächlich ist. Den Mängeln des Urteils Abhilfe schaffen soll die Form des Schlusses. Den Übergang vom Urteil zum Schluss hat man sich so verständlich zu machen, dass das für sich seiende Prädikat des ersten und das für sich seiende Subjekt des zweiten Teils der Urteilslehre die beiden Extreme des Schlusses bilden. Was dagegen den mittleren Term betrifft, verweist Hegel auf die jeweils realisierte Seite des disjunktiven und des hypothetischen Urteils. „Das für sich seiende Subjekt von jenem und das für sich seiende Prädikat von diesem sind gesetzt, und das realisierte Prädikat von jenem und das realisierte Subjekt von diesem sind beide eins und dasselbe, die Mitte zwischen den Extremen" (93). Der Schluss vereinigt die beiden Arten des in die Formen des hypothetischen und des disjunktiven Urteils verdoppelten Verhältnisses.29 Während die beiden Extreme des Schlusses weiter für sich sind, fungiert der mittlere Term als die „Einheit des Besonderen und des Allgemeinen" (ebd.). In dem Zusammenhang begegnet zum ersten Mal in Hegels Laufbahn das Motiv von der Erfüllung der Kopula. „Subjekt und Prädikat hören auf, durch das leere ,ist' des Urteils verbunden zu sein, sie sind durch die erfüllte Mitte, die ihre Identität ist, und hiermit durch die Notwendigkeit zusammengeschlossen" (ebd.). Das Verhältnis zwischen Begriff, Urteil und Schluss in dem zweiten Jenaer Systementwurf gleicht also dem, was wir später in der Wissenschaft der Logik vorfinden. Die Extreme des Schlusses entsprechen den beiden Seiten des Urteils und werden durch den mittleren Term aufeinander bezogen. Der Mittelbegriff des Schlusses tritt an die Stelle der Kopula des Urteils und verkörpert die Einheit der beiden Extreme. Da es sich bei dem Subjekt und 28 Im hypothetischen und disjunktiven Urteil ist „die Form der Notwendigkeit der Beziehung auf ein noch nicht Gesetztes vorhanden" (GW 7, 93). 29 „Beide Urteile sind ein Schluss, denn das entwickelte Subjekt und Prädikat sind dieselbe Ent-

wicklung" (GW 7, 94).

162

Die Entwicklung des Schlusses

dem Prädikat des Urteils aber um die getrennten Momente des Begriffs handelt, stellt die Mitte des Schlusses zugleich die ursprüngliche Einheit des Begriffs dar. Der Ausgangspunkt der Entwicklung des Schlusses ist die Möglichkeit, das Verhältnis der Mitte zu den Extremen auf zweierlei Weise zu deuten. Das Einzelne und das Allgemeine sind sowohl „in der Mitte befasst" als „ihr auch entgegengesetzt" (96). In der ersten Hinsicht subsumiert das Besondere die beiden Extreme. In der zweiten Hinsicht schließt jeder Term die beiden anderen von sich aus. Ähnlich wie im Fall des Urteils ist Hegel der Auffassung, dass die einzelnen Arten des Schlusses die genannte Ambivalenz zum Ausdruck bringen. „Der Schluss muss seinen Begriff realisieren, indem er diesen Widerspruch an sich darstellt" (97). Der in der Form des Schlusses gelegene Widerspruch zeigt sich letzten Endes darin, dass eine vermittelte Beziehung des Einzelnen und des Allgemeinen nicht zustande kommt. Das eigentliche Resultat der Entwicklung des Schlusses ist daher die Aufhebung der Vermittlung.30 Statt sich bei der Darstellung wie in der Wissenschaft der Logik auf die Bedeutung des mittleren Terms zu stützen, gebraucht Hegel für die Entwicklung des Schlusses abermals das Schema der wechselseitigen Subsumtion. Er deutet den Schluss als die Subsumtion von je zwei Termen unter den dritten. Dabei fungiert immer eines der beiden Extreme als das Subsumierende. Im ersten Fall werden das Besondere und das Einzelne unter das Allgemeine, im zweiten Fall das Besondere und das Allgemeine unter das Einzelne subsumiert. Die erste Subsumtion kennzeichnet Hegel als „positive", die zweite als „negative" Subsumtion.31 Er beschreibt das wechselseitige Verhältnis metaphorisch als ein „Aufsteigen des Einzelnen zum Allgemeinen" und ein „Niedersteigen des Allgemeinen zum Einzelnen". Die Mitte erscheint bei der Bewegung des Auf- und Niedersteigens als „der Übergangspunkt" (ebd.). Als ein solcher Übergangspunkt unterliegt die Mitte des Schlusses der für die Bestimmung des Verhältnisses überhaupt charakteristischen Dialektik der Grenze. Sie kann ebenso als das Trennende wie als die Einheit der beiden in ihr einander entgegengesetzten Seiten aufgefasst werden. Anders als die Urteilslehre führt die Entwicklung des Schlusses zur Realisation nicht des jeweils subsumierten, sondern des subsumierenden Gliedes. Infolgedessen handelt der erste Teil der Schlusslehre von der „Realisation des Subjekts als Einzelnen", im zweiten Teil geht es um die „Realisation des Allgemeinen".32 In der Form des Schlusses sind das Einzelne und das Allgemeine einander entgegengesetzt und nur durch das Besondere aufeinander bezogen. Indem sich das Einzelne und das Allgemeine realisieren, entwickelt sich das Verhältnis der beiden Extreme des Schlusses zu einer Beziehung der Gleichheit zweier Verhältnisse. „Aus dem mittelbaren Beziehen wird ein unmittelbares 30 Klaus Düsing deutet die Entwicklung des Schlusses als die Überwindung des „diskursiven Mittelbegriffs" (vgl. Das Problem der Subjektivität, 172-176).

31 Die Glieder des Schlusses stehen in einem „Verhältnis aufeinander, nach welchem das eine als rein Allgemeines beide positiv subsumiert, sowie umgekehrt das Subjekt beide negativ" (GW 7, 97). Das „negative" Verhältnis entspricht dem, was Hegel in der Nürnberger Logik die Inhärenz nennt. 32 Vgl. GW 7, 97-103 und 103-105.

-

163

Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

Einssein." Die Rede von der unmittelbaren Einheit ist so zu verstehen, dass jedes der beiden Extreme unmittelbar das Andere subsumiert. Indem so das realisierte Subjekt das Allgemeine und das realisierte Allgemeine das Subjekt enthält, stehen sich zwei Verhältnisse gegenüber, die einander entsprechen. Die Gleichheit der beiden Verhältnisse nennt Hegel die Proportion. War der Schluss wegen der Ungleichheit des Subjekts und des Prädikats nicht anders als das Urteil nur die „schlechte Realität" des Begriffs, bildet die Proportion seine wahrhafte Realisierung (105 f.). Hegel bezeichnet die beiden Seiten des Schlusses nicht wie die beiden Momente des bestimmten Begriffs und die Seiten des Urteils als das Besondere und das Allgemeine, sondern er spricht von dem „rein Diesen" oder „absolut Einzelnen" einerseits und dem „rein Allgemeinen" andererseits (96). Der Grund dafür ist nicht bloß in dem Umstand zu suchen, dass der Titel des Besonderen für die Mitte des Schlusses gebraucht wird. Es sieht vielmehr so aus, als habe Hegel außerdem zum Ausdruck bringen wollen, dass es sich bei dem Subjekt des Schlusses um etwas Einzelnes im Sinn einer individuellen Substanz handelt.33 Gleichwohl gibt er das realisierte Subjekt am Ende des ersten Teils der Schlusslehre als „ein Besonderes" aus, das sich von anderen unterscheidet (102). Im zweiten Teil kennzeichnet er die Realisation des Allgemeinen als „das Setzen des Allgemeinen zugleich als eines Besonderen" (104). Der Unterschied zwischen dem realisierten Subjekt und dem realisierten Allgemeinen besteht darin, dass das Subjekt die anderen Besonderen außer sich hat, während das Allgemeine die Besonderen in sich enthält. In der Proportion schließlich beziehen sich das realisierte Subjekt und das realisierte Allgemeine aufeinander.

6. Die Formen des Schließens Was die behandelten Formen betrifft, ist die Schlusslehre des zweiten Jenaer Systementwurfs bei weitem nicht so ausgearbeitet wie die Nürnberger Logik. Während die Lehre von den syllogistischen Figuren ganz fehlt, erörtert Hegel im ersten Teil den hypothetischen, den disjunktiven und den kategorischen Schluss, das heißt die drei Arten des Vernunftschlusses nach Kant.34 Im zweiten Teil nimmt er außerdem Bezug auf die Induktion, die Kant als eine der beiden Schlussarten der Urteilskraft ansah.35 Im Durchgang durch die vier Arten des Schlusses will Hegel zeigen, dass durch keine von ihnen eine vermittelte Beziehung zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen zustande kommt. Stattdessen müssen die Extreme als unmittelbar aufeinander bezogen gedacht werden. Anders als in der Wissenschaft der Logik ist die Entwicklung des Schlusses 33 „Das Subjekt des Schlusses ist [...] für sich reine Einzelheit der Substanz" (GW 7, 95 f.). Theodor Haering sieht den Schlüssel zur Logik des Verhältnisses in der „dialektischen Beziehung von (ideeller) Allgemeinheit und Besonderheit und (reeller) Einzelheit" (Hegel, II, 210). 34 Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 304 / B 361, sowie Logik Jäsche, § 60 f. (AA IX, 121 f.). 35 Vgl. Kant, Logik Jäsche, § 84 (AA IX, 132 f.). -

Die Entwicklung des Schlusses

164

also nicht die Entwicklung der Bedeutung des mittleren Terms, sondern sie vollzieht sich an den beiden Extremen. Dadurch kommt es gleichsam zum Wegfall der Mitte und zur Verdopplung des Verhältnisses. Betrachtet man die Abhandlung über die einzelnen Formen des Schlusses genauer, gewinnt man den Eindruck, dass es Hegel vor allem um den Nachweis zu tun ist, dass die Beziehung des Einzelnen durch das Besondere auf das Allgemeine niemals den Charakter der Notwendigkeit annimmt. Im Hinblick auf den hypothetischen, disjunktiven und kategorischen Schluss zieht er daraus die Konsequenz, dass das Einzelne mit dem Allgemeinen unmittelbar zusammengeschlossen und so als ein bestimmtes Allgemeines, das heißt ein Besonderes gesetzt werden muss. Nur dann tritt „das Wirkliche selbst als Allgemeines" auf (GW 7, 97). Demnach liegt in der Realisation des Subjekts zugleich die Kritik der Vorstellung von dem „rein Diesen" auf der einen und dem „rein Allgemeinen" auf der anderen Seite, die durch die Mitte des Schlusses miteinander verbunden werden sollen. Der Untersatz des hypothetischen Schlusses, mit dem die Realisation des Einzelnen beginnt, behauptet die reale Existenz des Subjekts, die im hypothetischen Urteil problematisch geblieben war. Hegel deutet das Einzelne zunächst als „die Einheit [...] unendlich vieler Bestimmtheiten". Seine Beschreibung erinnert an eine Art Bündeltheorie, der zufolge das einzelne Subjekt nichts anderes ist als die Menge der von ihm instandierten Eigenschaften. Im Hintergrund steht wohl der Begriff der leibnizschen Monade.36 „Diese so genannte Individualität soll Realität haben; ,sie ist' ist das, was von ihr gesagt wird, indem das im hypothetischen Urteil nur mögliche Sein, als wirklich ausgesprochen wird" (98). Da das Subjekt aber erst durch die ihm zukommenden unendlich vielen Prädikate bestimmt wird, enthält es „nichts als das ganz leere Sein, welches dem Nichts vollkommen gleich ist". Daher ist das Dieses „ein bloßes Gedankending" (98 f.).37 Sollen aber das Einzelne und das Allgemeine einander wirklich subsumieren, kann weder das Subjekt ein „rein Dieses" noch das Prädikat ein „rein Allgemeines" sein. Dem hypothetischen gewissermaßen gegenüber steht der disjunktive Schluss. In dessen Untersatz ,B ist A' wird das Subjekt als „einzelne Bestimmtheit" oder als „dieses Prädikat" gesetzt. Da das Subjekt im Obersatz ,B ist entweder A oder C auf eine allgemeine Sphäre bezogen wird, schließt die Konklusion ,B ist nicht C die diesem Prädikat entgegengesetzte Bestimmung von dem Subjekt aus. Wenn dem Einzelnen unendlich viele Bestimmungen zukommen, ist es jedoch nicht nur „gleichgültig", welche von ihnen dem Subjekt im Untersatz zugesprochen wird, sondern es ist -

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36 In der Metaphysik des zweiten Jenaer Systementwurfs spricht Hegel von der Monade als „ein Dieses" oder „ein Einfaches in seiner unendlich vielfachen Bestimmtheit" (GW 7, 144 f.). 37 Hegel spricht von dem „absoluten Sein" und der „absoluten Gewissheit" des Dieses, die sich „im gemeinen Erkennen als absolute Wahrheit geltend" machen (GW 7, 98 f.). Klaus Düsing weist zu Recht auf die Nähe der Passage zum ersten Kapitel der Phänomenologie des Geistes hin (vgl. Das Problem der Subjektivität, 174 Anm. 68). -

165

Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

„widersprechend", an dem Subjekt „nur die eine Bestimmtheit zu setzen" und die andere von ihm auszuschließen (100 f.). Mit dem Hinweis, dass „die Beziehung des Subjekts nicht auf diese Bestimmtheit, sondern durch sie nur auf eine andere" gesetzt werden solle (ebd.), leitet Hegel vom disjunktiven zu dem „Schluss überhaupt" oder „einfachen Schluss" über. Hinter dem Titel steht der kategorische Schluss, das heißt der Syllogismus der ersten Figur. Der wesentliche Punkt dessen, was Hegel an der Form des Schlusses überhaupt bemängelt, nimmt die spätere Kritik am Schluss des Daseins vorweg. Hegel bestreitet die Notwendigkeit der Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Schlusses. Wie dem Subjekt im Untersatz des disjunktiven Schlusses unendlich viele Bestimmungen beigelegt werden können, lässt sich das Einzelne im kategorischen Schluss mit unendlich sogar

-ig

vielen Prädikaten zusammenschließen. Während es mit einem bestimmten Prädikat verbunden wird, ist es seiner Natur nach „ebenso auf die entgegengesetzte Bestimmtheit bezogen". Im Prinzip lässt sich das Subjekt durch entgegengesetzte Mittelbegriffe mit unendlich vielen Prädikaten verbinden. Daraus folgt für Hegel nicht nur die „Zufälligkeit" der Verbindung, sondern auch der „Widerspruch des Verbundenen" (102). Auf die These, dass die Verbindung eines Subjekts mit entgegengesetzten Prädikaten zu einem Widerspruch führt, werde ich im nächsten Abschnitt eingehen. Im Augenblick kommt es mir nur auf die Behauptung an, dass in der Form des Schlusses keine notwendige Verbindung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat zustande kommt. Aus ihr leitet Hegel das eigentliche Resultat des ersten Teils der Schlusslehre ab. Es besteht in der Einsicht, dass das Subjekt „als Allgemeines, nicht als Substanz gesetzt" ist. Als Allgemeines gesetzt bedeutet das Subjekt „die Indifferenz der unendlich vielen Bestimmtheiten". Insofern führt die Realisation des Subjekts als Einzelnen zur Aufhebung der Vermittlung. „Das Subjekt ist nicht durch die Bestimmtheiten mit dem Allgemeinen zusammengeschlossen, sondern unmittelbar an und für sich." Demzufolge ist das Subjekt mit dem Allgemeinen identisch. Es ist nichts dem Allgemeinen Gegenüberstehendes oder durch etwas Drittes von ihm Getrenntes, sondern das Allgemeine selbst. Nichtsdestoweniger ist das als Allgemeines gesetzte Subjekt ein bestimmtes, anderen Subjekten entgegengesetztes. In diesem Sinn nennt Hegel das realisierte Subjekt schließlich „ein Besonderes" (ebd.).40 Ebenso wie im ersten Teil das Subjekt realisiert sich im zweiten Teil der Schlusslehre das Prädikat als ein Besonderes. Hegel erörtert eine weitere Form des Schlusses, um zu zeigen, dass wieder keine vermittelte Beziehung zustande kommt. Wie bereits 38 Nur im Vorbeigehen streift Hegel den Fall, dass das Besondere und das Allgemeine gleich sind und der Obersatz eine Tautologie bildet (vgl. GW 7, 101). 39 „Es ist etwas ganz anderes als diese [sc. notwendige; G. S.] Verbindung, was durch den Schluss ist..." (GW 7, 102). 40 Der Gedanke des Gegensatzes zwischen dem realisierten Subjekt und anderen Besonderen wird wieder aufgegriffen in dem Kapitel über die „Definition", die Hegel als die „Selbsterhaltung" des Subjekts darstellt (vgl. GW 7, 106 ff).

166

Die Entwicklung des Schlusses

erwähnt, handelt

es sich um die Induktion, in der das Allgemeine als ein Besonderes wird. „Der Schluss, welcher das Allgemeine als subsumierend darstellt, schließt gesetzt es durch die Einzelheit mit dem Besonderen zusammen, und ist die Induktion" (104). Das Prädikat kommt nicht nur einem einzelnen, sondern vielen Dingen zu. In der Induktion wird „die ganze Menge dieses Vielen" zusammengenommen und unter das Allgemeine subsumiert (105). Dabei tritt die Menge ihrerseits als Einheit auf und fungiert als Subjekt. Im Vergleich zu den einzelnen Elementen der Menge ist das Subjekt etwas Allgemeines, im Vergleich zu dem Prädikat ist es etwas Besonderes. Daher sind die beiden Extreme der Induktion das Besondere und das Allgemeine. Wie schon in Bezug auf die drei ersten Arten des Schlusses stellt Hegel auch im Hinblick auf die Induktion fest, sie sei kein „wahrhaftiges" Zusammenschließen. Den Grund deutet er mehr an, als dass er ihn ausfuhrt, wenn er schreibt: „Denn die Einzelheiten, deren Zusammen das Subjekt ausdrücken soll, sind als Einzelheiten absolut viele und haben als solche keine Realität". Der Satz ist meines Erachtens als der Hinweis auf die Unabschließbarkeit der Induktion zu verstehen. Da die Menge der vielen Einzelnen niemals vollständig ist, lässt sich das Allgemeine nicht durch das Einzelne mit dem Besonderen zusammenschließen. Um das Allgemeine zu realisieren, muss es daher „unmittelbar mit dem Besonderen verbunden" werden. Die unmittelbare Verbindung erfolgt wieder in der Weise, dass das Allgemeine mit dem Besonderen einfach gleichgesetzt wird. Im Unterschied zu dem realisierten Subjekt ist das realisierte Allgemeine aber kein Besonderes, das andere außer sich hätte, sondern es enthält sie. Das realisierte Allgemeine ist unmittelbar die „negative Einheit" der entgegengesetzten Bestimmtheiten (ebd.). Noch bevor Hegel auf die Induktion zu sprechen kommt, erläutert er den Sinn der Rede von dem unmittelbaren Zusammenschluss des Allgemeinen mit dem Besonderen. Der dialektischen Methode entsprechend handelt es sich um eine Bewegung in mehreren Schritten. Das Allgemeine teilt sich zunächst in die entgegengesetzten Bestimmtheiten und hebt die Trennung anschließend wieder auf. Auf die Weise stellt sich das nennt die Bewegung des Allgemeinen eine Allgemeine als „Totalität" dar. Hegel ' „Reflexion in sich selbst" (103). Die Aufhebung der Trennung bedeutet so viel wie das Setzen der Identität des Allgemeinen mit den in ihm enthaltenen, einander entgegengesetzten Bestimmtheiten. Das Allgemeine und das Besondere sind unmittelbar gleich. Die Realisierung des Allgemeinen geschieht, um es mit den Worten Hegels zu sagen, dadurch, „dass es als A zum Gegensatz des B -C und C -B wird, und in diesem sich selbst gleich ist" (104).42 =

An derselben Stelle erläutert

Subjekts.

Hegel

Anders als das realisierte

=

auch noch einmal den Sinn der Realisation des enthält das realisierte Subjekt nicht die

Allgemeine

Das Allgemeine ist „als die Reflexion in sich selbst sich teilend in die entgegengesetzten Bestimmtheiten und sie als aufgehoben setzend" (GW 7, 103). 42 Der Gedanke der Gleichheit des Allgemeinen und des Besonderen wird wieder aufgenommen in dem Kapitel über die „Einteilung" des Begriffs als Gattung in mehrere Arten (vgl. GW 7, 109 ff). 41

167

Die Realisierung des Begriffs in Hegels Jenaer Logik

entgegengesetzten Bestimmtheiten, sondern diese sind „außer ihm". Dennoch ergibt

sich der Gegensatz zwischen dem Subjekt und anderen Besonderen ebenfalls auf dem Weg der Reflexion in sich selbst. „Die Reflexion des Subjekts ist, dass es als sich selbst gleich, als B [sich bestimmt], indem es ein anderes wird als +B gegen C -B und dieses Plus seiner Bestimmtheit wieder aufhebt" (ebd.).4 Für das Verständnis des weiteren Gangs der Logik kommt es allerdings weniger auf den genauen Sinn der Reflexion des Subjekts und des Allgemeinen in sich als darauf an, dass es sich bei dem realisierten Subjekt ebenso wie bei dem realisierten Allgemeinen um ein Verhältnis handelt. Deshalb ist das Ergebnis der Schlusslehre die Aufhebung der Vermittlung und die Beziehung der Gleichheit dieser beiden Verhältnisse. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Entwicklung des Schlusses in dem zweiten Jenaer Systementwurf von der Konzeption der Wissenschaft der Logik grundlegend abweicht. Im Vorgriff auf die folgenden Abschnitte nenne ich nur den wichtigsten Aspekt. Die Realisierung des Begriffs vollzieht sich später nicht mehr an den Extremen des Schlusses, sondern die dialektische Bewegung betrifft die Bedeutung des mittleren Terms. Wenn ich die Ausführungen über die Logik, Metaphysik, Naturphilosophie mit dieser Bemerkung beende, dann geschieht das in dem Bewusstsein, dass zur Aufhellung der relationslogischen Kategorien, die Hegel in dem Fragment gebliebenen Entwurf entwickelt, noch viel zu tun wäre. Davon fühle ich mich aber insofern entbunden, als die Grundgedanken der Schlusslehre von 1804/05 deutlich hervorgetreten sein dürften. Wie außerdem schon mehrfach erwähnt, hat Hegel bereits kurze Zeit nach der Fertigstellung des Entwurfs nicht nur die Logik und Metaphysik zu einem einzigen Systemteil verbunden, sondern auch den Gedanken der Permutation der Terme gefasst, der die Schlusslehre von da an strukturiert. =

43 In

Anlehnung an die Definition des Schlusses nennt Hegel das realisierte Subjekt „die sich selbst gewordene Mitte, die nur in verschiedenen Beziehungen, gegen anderes gekehrt, entgegengesetzt ist" (GW 7, 102).

168

Die Entwicklung des Schlusses

§ 10 Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit Entwicklung des Schlusses des Daseins führt, wie wir im zweiten Teil der Untersuchung gesehen haben, zu dem negativen Ergebnis, dass so lange, wie die drei Terme als abstrakte Bestimmungen aufgefasst werden, kein wirklicher Schluss zustande kommt. Das positive Resultat des ersten Abschnitts der Schlusslehre sieht Hegel in der Einsicht, dass zur vollständigen Vermittlung die drei Terme in dem Sinn gleich sein müssen, dass jeder von ihnen die Stelle der Mitte einnehmen kann. In dem verbleibenden Rest der Schlusslehre geht Hegel der Frage nach, wie der Begriff verfasst sein muss, um als die Verbindung der beiden Extreme zu fungieren, ohne dass das Schließen der Form nach in einen Kreis von drei Schlüssen auseinander fällt. Im Schluss der Allheit, den Hegel als nächstes behandelt, werden die drei Bestimmungen, die in den syllogistischen Figuren nacheinander die Mitte ausmachten, wie die Elemente einer Klasse in einer einzigen zusammengefasst. Wenn Hegel den Schluss der Allheit als den „Verstandesschluss in Die

seiner Vollkommenheit" bezeichnet (GW 12, 111), hat man ihn daher so zu verstehen, dass der mittlere Term die abstrakten Bestimmungen des Besonderen, des Einzelnen und des Allgemeinen wie die Elemente einer Klasse unter sich fasst. Die Entwicklung des Schlusses der Reflexion, der ich mich im Folgenden zuwende, soll zeigen, dass mit der Interpretation des mittleren Terms als einer Menge einzelner Gegenstände in dem Fall der drei Momente des Begriffs nichts gewonnen ist. Um das zu zeigen, stützt sich Hegel auf Überlegungen, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die drei Formen des Schlusses der Reflexion zirkulär sind und auf einer Petitio principii beruhen. Dem voraus geht freilich die berüchtigte Behauptung, dass die Deutung des mittleren Terms als eines bestimmten Merkmals zu bestenfalls zufälligerweise wahren Konklusionen führt, dass aus wahren Prämissen aber ebenso gut falsche Schlüsse gezogen werden können. Da die dahinter stehende These von der Zufälligkeit des qualitativen Schlusses mit der Kritik des Schlusses der Reflexion sachlich eng zusammenhängt, habe ich den Punkt im zweiten Teil der Untersuchung ausgespart und will ihn hier abhandeln. -

1. Die

-

Beispiele der ersten Figur

Auffassung vom Wesen des Schlusses auch immer einer vertritt, werden alle wenigstens darin übereinstimmen, dass der Schlusssatz insofern kein Produkt des Zufalls in dem Sinn sein darf, als man ebenso gut auch das Gegenteil der Konklusion behaupten könnte. Das gilt schon dann, wenn man wie die formale Logik die Frage nach der Wahrheit der Prämissen ganz außer Acht lässt und das Augenmerk allein auf die gültige Ableitung der Konklusion legt. Aus ,a > b' und ,b > c' folgt eben ,a > c' und nicht ,c > a'. Deshalb ist Hegel durch die Behauptung ins Gerede gekommen, gewöhnliche Syllogismen könnten zu Konklusionen führen, deren Gegenteil ebenso wahr sei. Welche

169

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

Streitpunkt ist wohlgemerkt nicht der triviale Fall, in dem aus falschen Prämissen zufälligerweise wahre Konklusionen folgen. Dass aus falschen Voraussetzungen beliebige, das heißt wahre ebenso wie falsche Folgerungen gezogen werden können, hat die traditionelle Logik stets anerkannt und in dem Prinzip ex falso quodlibet festgehalten. Was Hegel zu interessieren scheint, ist vielmehr die Möglichkeit der formal gültigen Ableitung falscher Konklusionen aus wahren Prämissen. Welche Art von Zufall er dabei im Blick hat, entnimmt man am besten den Beispielen, die er selbst anführt. Das Der

erste stammt aus dem Bereich der Farbenlehre: aus dem Médius Terminus, dass eine Wand blau angestrichen worden, geschlossen wird, dass sie hiermit blau ist, so ist dies richtig geschlossen; aber die Wand kann dieses Schlusses unerachtet grün sein, wenn sie auch mit gelber Farbe überzogen worden, aus welchem letzteren Umstand für sich folgen würde, dass sie gelb sei" (GW 12, 96).

„Wenn

Beginnen wir mit dem ersten Teil des Satzes, dem Schluss von dem blauen Anstrich auf die blaue Farbe der Wand. Der Schluss beruht auf der nahe liegenden Annahme, dass Gegenstände, die mit einem blauen Anstrich versehen wurden, blau sind. Hegel erwähnt die Prämisse ,etwas blau Angestrichenes ist blau' zwar nicht ausdrücklich, aber er muss sie im Kopf haben, wenn er die Folge „richtig geschlossen" nennt. So gesehen handelt es sich bei dem Beispiel zunächst um ein Enthymem, das heißt um einen gültigen Schluss mit ausgelassener Prämisse. Dasselbe gilt für den zweiten Teil des Satzes, wonach aus dem Umstand, dass die Wand gelb angestrichen wurde, „für sich folgen würde, dass sie gelb sei". Hier lautet die unterdrückte Prämisse: ,etwas gelb Angestrichene ist gelb'. Das Spiel des Zufalls soll nun darin bestehen, dass es blau oder gelb angestrichene Gegenstände gibt, die weder blau noch gelb, sondern eben grün sind. So könnte eine blau gestrichene Wand durch einen zusätzlichen gelben Anstrich grün geworden

sein.1

Wie das Beispiel der grünen Wand zeigt, haben die Bestimmungen ,blau angestrichen' und ,blau' nicht denselben Umfang. Die Prämisse ,etwas blau Angestrichenes ist blau' scheint also falsch zu sein.2 Wahr wären hingegen Sätze wie ,etwas, das ausschließlich mit blauer Farbe angestrichen wurde, ist blau' oder ,etwas, das sowohl blau als auch gelb angestrichen wurde, ist grün'. Es liegt deshalb nahe, den Ursprung dessen, was Hegel Zufall nennt, in der Ungenauigkeit der versteckten Prämissen zu suchen und den Zufall für ein Problem des schlussfolgernden Denkens im Alltag zu halten.3 Sobald 1 Dass es sich bei dem doppelten Anstrich um ein Beispiel und nicht um die gängige Praxis handelt, zeigt ein mündlicher Zusatz Hegels zur Farbenlehre der Enzyklopädie (§ 320), in dem es heißt: „Kein Maler ist ein solcher Tor, Newtonianer zu sein [sc. und sieben Grundfarben anzunehmen; G. S.]; sie

haben Rot, Gelb und Blau, und machen daraus die anderen Farben. Selbst durch die mechanische Mischung zweier trockener Pulver, die gelb und blau sind, entsteht Grün" (WW 9, 254). 2 Vgl. den Einwand etwa von John McTaggart, die Konklusionen in Hegels Beispielen seien anhand falscher Obersätze gewonnen (A Commentary on Hegel's Logic, Cambridge [1910] 2. Aufl. 1964,

224).

3 So

interpretiert Geoffrey

R. G. Mure den Schluss des Daseins als „the

simple syllogistic

inference

170

Die Entwicklung des Schlusses

wir uns in wissenschaftlichen oder formallogischen Kontexten bewegen, muss der Obersatz präziser gefasst und soweit eingeschränkt werden, dass für zufällige Abweichungen kein Platz mehr bleibt. Der Einwand beruht im Prinzip auf dem Gedanken, die einfache Bestimmung ,blau angestrichen' durch eine komplexere zu ersetzen, die alle Bedingungen enthält, unter denen eine blau angestrichene Wand tatsächlich blau ist. Darin liegt zugleich die Grenze der Entgegnung. Denn um jeden Zufall mit Sicherheit auszuschließen, müsste nicht nur gefordert werden, dass die Wand mit keinem weiteren Anstrich versehen wurde, sondern es müsste außerdem an Fälle von Wahrnehmungstäuschung oder etwa an die Möglichkeit gedacht werden, dass im Lauf der Zeit Moos auf der Wand gewachsen und sie dadurch grün geworden ist. Man kann natürlich darüber streiten, ob das Beispiel glücklich gewählt ist. Meines Erachtens lässt sich aber zeigen, dass es Hegel nicht um das Problem der Ungenauigkeit der versteckten Prämisse geht. Seine Überlegung zielt vielmehr auf die Einsicht, dass Bestimmungen wie ,blau angestrichen' prinzipiell ungeeignet sind, die dem mittleren Term beigemessene Funktion zu erfüllen. Sie genügen nicht zur Begründung einer notwendigen Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat der Konklusion. Worin der Mangel liegt, lässt sich leichter verstehen, wenn man die nächsten Beispiele Hegels in die Betrachtung einbezieht. Der zweite Schluss kreist um die Sittlichkeit des Menschen: „Wenn aus dem Médius Terminus der Sinnlichkeit geschlossen wird, dass der Mensch weder gut noch böse sei, weil vom Sinnlichen weder das eine noch das andere prädiziert werden kann, so ist der Schluss richtig, der Schlusssatz aber falsch, weil vom Menschen, als dem Konkreten, ebenso sehr auch der Médius Terminus der Geistigkeit gilt" (GW 12, 96). Die Situation scheint ähnlich wie in dem vorigen Beispiel. Bei dem „richtigen Schluss" handelt es sich um einen Gedanken der Art: ,Der Mensch ist ein sinnliches Wesen. Sinnliche Wesen sind weder gut noch böse. Also ist der Mensch weder gut noch böse'. Dass der Mensch weder gut noch böse ist, bedeutet soviel wie: der Mensch ist kein sittliches Wesen. Dieser Satz ist freilich falsch. Hegel verweist auf den Mittelbegriff der „Geistigkeit". Aus ihm ergebe sich, dass der Mensch sehr wohl gut oder böse, das heißt ein sittliches Wesen ist.5 Wie die Wand in dem ersten Beispiel trotz ihres blauen Anstrichs grün war, so ist der Mensch trotz seiner Sinnlichkeit ein sittliches Wesen. Aus der Bestimmung ,sinnlich' folgt nicht notwendigerweise das Prädikat ,weder gut noch of everyday experience" und fügt hinzu, dass es sich für Aristoteles dabei um keinen Syllogismus, sondern um eine Induktion gehandelt hätte (A Study of Hegel's Logic, Oxford 1950, 211 f.). 4 Bruno Liebrucks beraubt das Beispiel seiner Spitze, indem er den Schlusssatz von vornherein als die Behauptung versteht, der Mensch sei „als Sinnenwesen" weder gut noch böse (vgl. Sprache und Bewusstsein, Band 6: Der menschliche Begriff. Sprachliche Genesis der Logik, logische Genesis der Sprache. Hegel: Wissenschaft der Logik, Teil 3: Der Begriff, Frankfurt 1974, 331). 5 Wenn Hegel vom Menschen „als dem Konkreten" spricht, meint er nicht das Individuum, sondern die Gattung als eine bestimmte Art sinnlicher Wesen.

171

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

böse'.6 Ähnlich verhält es sich bei dem dritten Beispiel, dessen Bezugspunkt die Theorie der Gravitation bildet: „Aus dem Médius Terminus der Schwere der Planeten, Trabanten und Kometen gegen die Sonne folgt richtig, dass diese Körper in die Sonne fallen; aber sie fallen nicht in sie, da sie

eigenes Zentrum der Schwere Zentrifugalkraft getrieben werden" (GW 12, 96). ebenso sehr für sich ein

sind oder, wie

man es

nennt,

von

der

Die versteckten Prämissen lauten dieses Mal .alles Schwere fällt in die Sonne' und .alles Schwere flieht die Sonne'. Die Mechanik Newtons beruht auf der Annahme, dass jeder Körper als ein eigenes Schwerezentrum betrachtet werden kann. Mit dem Attribut der Schwere ist die Wirkung sowohl einer Zentripetal- als auch einer Zentrifugalkraft verbunden. Sobald die beiden Kräfte aus dem Gleichgewicht geraten, verlässt ein Planet seine Bahn und fällt entweder in den Zentralkörper oder flieht in gerader Richtung. Aus der Schwere eines Körpers kann daher nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass er in das Zentrum des Systems stürzt. Wieder haben wir es mit dem Problem zu tun, dass irgendeine qualitative Bestimmung nicht ausreicht, um zu entscheiden, ob dem Subjekt ein gewisses Prädikat zukommt oder nicht. Dasselbe gilt für das vierte und letzte Beispiel Hegels. Es stammt aus der praktischen Philosophie: „So wie aus dem Médius Terminus der Sozialität die Gütergemeinschaft der Bürger gefolgert werden kann, aus dem Médius Terminus der Individualität aber, wenn er ebenso abstrakt verfolgt wird, die Auflösung des Staates folgt, wie sie z. B. im deutschen Reich erfolgt ist, indem sich an letzteren Médius Terminus gehalten worden" (GW 12, 96 f.). Die beiden Schlüsse sind im Ergebnis falsch, weil es zu einem Ausgleich zwischen den individuellen Interessen und der sozialen Natur des Menschen kommen soll, dem weder durch die Abschaffung des Privateigentums noch durch die Auflösung des Staats gedient ist. Mit dem Beispiel will Hegel zeigen, dass es von der mehr oder weniger willkürlichen Wahl des Mittelbegriffs abhängt, in welches der beiden Extreme jemand verfallt. Aus einem mündlichen Zusatz zur enzyklopädischen Logik lassen sich Fälle ergänzen, in denen die Wahl des mittleren Terms erkennbar von den strategischen Interessen geleitet ist, die einer verfolgt. Im „bürgerlichen Rechtsstreit" und bei „diplomatischen Verhandlungen" werde sich derjenige, der Anspruch auf ein bestimmtes Land erhebt, je nach den Umständen auf das Erbrecht, auf die geographische Lage oder auf die Abstammung und die Sprache der Bewohner berufen. Wieder geht es um den Nachweis, dass sich aus den qualitativen Bestimmungen eines Gegenstands leicht konträre oder kontradiktorische Prädikate folgern lassen. „Wenn eine solche Deduktion

Vgl. zu dem Beispiel auch Friederike Schick, „Begriff und Mangel des formellen Schließens. Hegels Kritik des Verstandesschlusses", in: Anton Friedrich Koch; Alexander Oberauer; Konrad Utz (Hg.), Der Begriff als die Wahrheit. Zum Anspruch der Hegelschen „Subjektiven Logik", Paderborn 2003,85-100,91-94. 7 Vgl. E § 184 Zusatz (WW 8, 337) sowie dazu Vorlesungen über Logik und Metaphysik (1817), in: Vorlesungen, Bd. 11, 158, und Vorlesung über die Logik (1831), in: Vorlesungen, Bd. 10, 193 f. 6

Die Entwicklung des Schlusses

172

schön durch Schlüsse sich verlaufen hat und ihre Richtigkeit völlig zugegeben dies noch im geringsten zu nichts, indem es immer übrig bleibt, dass noch fuhrt ist, andere Medii Termini sich finden, aus denen das gerade Gegenteil ebenso richtig ab-

noch

so

so

geleitet werden kann" (GW 12, 97). 2. Die

Zufälligkeit des Schlusses des Daseins

Die Beispiele zielen meines Erachtens auf die Frage, wie der Mittelbegriff beschaffen sein muss, wenn die besagte Art von Zufall oder Willkür ausgeschlossen sein soll. Die Antwort kann letzten Endes nur lauten, dass es sich bei dem mittleren Term um einen Artbegriff handeln muss, der das Prädikat als Merkmal enthält. Enthielte beispielsweise der Begriff des sinnlichen Wesens das Merkmal ,weder gut noch böse', müsste dem Menschen außer dem Merkmal ,sinnlich' auch das Prädikat ,weder gut noch böse' beigelegt werden. Wenn das Prädikat allen Gegenständen inhäriert, die der Mittelbegriff subsumiert, kann von dem Subjekt des Schlusses nicht zufälligerweise das Gegenteil gelten. Fasst man den mittleren Term hingegen als eine unmittelbare Bestimmung auf, fehlt für den Schluss die Grundlage. Stattdessen tritt ein, was Hegel beklagt, dass nämlich dem Gegenstand aufgrund verschiedener Merkmale einander entgegengesetzte und widersprechende Prädikate zugeschrieben werden können. In dem Fall wäre es „überhaupt völlig zufällig und willkürlich, welche der vielen Eigenschaften eines Dings aufgefasst und von welcher aus es mit einem Prädikat verbunden werde; andere Medii Termini sind die Übergänge zu anderen Prädikaten" (GW 12, 96). Weniger leicht zu verstehen als die These von der Zufälligkeit des Inhalts des qualitativen Schlusses ist Hegels offenbar weitergehende Behauptung, dass die aufgrund der vielen verschiedenen Bestimmungen eines Gegenstands möglichen Schlüsse zu widersprüchlichen Konsequenzen führen müssen. „Diese Schlüsse, die dasselbe Subjekt betreffen, müssen auch in den Widerspruch übergehen." Dabei scheint es unzählige Fälle zu geben, in denen das nicht zutrifft.8 Hegel begründet seine Behauptung mit der knappen Feststellung: „Denn der Unterschied überhaupt, der zunächst gleichgültige Verschiedenheit ist, ist ebenso wesentlich Entgegensetzung" (ebd.). Die Bemerkung verweist zurück auf das Kapitel über die Reflexionsbestimmungen aus der Wesenslogik. Dort entwickelt Hegel die Kategorie des Widerspruchs aus der des Unterschieds und des Gegensatzes. Das Kapitel gipfelt in der plakativen Feststellung: „Alle Dinge sind an

nennt das folgende Beispiel: „Alle Doktoren der Theologie in Cambridge sind Kleriker und Akademiker. Aus dem ersten können wir entweder schließen, dass sie ordiniert wurden, oder dass sie keinen Sitz im Parlament haben dürfen. Aus dem zweiten können wir entweder schließen, dass ihnen ihre Grade vom Senat verliehen wurden, oder dass sie für ihre Grade von einem Mitglied der Universität vorgeschlagen wurden. Alle vier Konklusionen sind wahr" (A

8 John

McTaggart

anglikanische

Commentary, 222 f.).

173

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

sich selbst widersprechend" (GW 11, 286).9 Der wesenslogische Begriff des Widerspruchs bezieht sich auf die so genannten selbständigen Reflexionsbestimmungen des an sich Positiven und des an sich Negativen. Das Positive erklärt Hegel als die „Gleichheit mit sich, die in ihr selbst die Beziehung auf die Ungleichheit enthält". Mit dem Negativen meint er dagegen die „Ungleichheit, die in ihr selbst die Beziehung auf ihr Nichtsein, die Gleichheit enthält" (273). Man verdeutlicht sich die beiden Bestimmungen am besten anhand eines Subjekts, dem einander entgegengesetzte Prädikate zukommen können auf der einen, und diesen Prädikaten selbst auf der anderen Seite. Der Gegensatz besteht also nicht zwischen unterschiedlichen Bestimmungen, sondern zwischen den möglichen Bestimmungen und ihrem Träger. Geht man davon aus, dass dem Subjekt des Schlusses unterschiedliche Bestimmungen zukommen, aus denen sich entgegengesetzte Prädikate ableiten lassen, liegt genau dieselbe Situation vor wie in dem Kapitel der Wesenslogik über die Reflexions-

bestimmungen. Was Hegels eigene systematische Position betrifft, ist er keineswegs der Ansicht, dass einem Subjekt unter keinen Umständen einander entgegengesetzte oder widersprechende Prädikate zukommen dürften. Was er ablehnt, ist vielmehr die Meinung, aus irgendeinem Merkmal mit Gewissheit die eine Bestimmung folgern und ihr Gegenteil ausschließen zu können. Der Schluss der Reflexion stellt einen ersten, im Ergebnis aber unzureichenden Versuch dar, dieser Schwierigkeit Herr zu werden. Angenommen, der Mittelbegriff bezöge sich nicht auf irgendein Merkmal, sondern auf eine Klasse von Gegenständen, scheint die Gefahr der Ableitung eines zufälligerweise falschen Schlusssatzes gebannt. Wenn es, um bei dem ersten Beispiel zu bleiben, möglich sein soll, von dem blauen Anstrich auf die tatsächliche Farbe der Wand zu schließen, dann muss von der Menge aller blau gestrichenen Gegenstände gelten, dass jeder einzelne von ihnen tatsächlich blau ist. Eine solche Überlegung kommt in dem von Hegel so genannten Schluss der Allheit zum Der Übergang vom Schluss des Daseins zum Schluss der Allheit mutet insofern eigentümlich an, als es nahe läge, den Obersatz eines gewöhnlichen Syllogismus der ersten Figur bereits für eine Allaussage zu halten. So lautet auch die Prämisse des In meinen Augen Standardbeispiels: „Alle Menschen sind sterblich" (GW 12,

Tragen.11

95).12

9 Vgl. GW 11, 265-290 sowie dazu Michael Wolff, Der Begriffdes Widerspruchs. Eine Studie zur Dialektik Kants und Hegels, Königstein 1981, 101-168. 10 Michael Wolff nennt als Beispiel die beiden Prädikate „wohlriechend" und „nicht-wohlriechend" auf der einen und das Subjekt „riechender Körper" auf der anderen Seite (vgl. Der Begriff des Wider-

spruchs, 11

Man

f.). beachte, dass Hegel selbst die Einführung des Schlusses der Reflexion nicht mit der

126

Zufälligkeit oder Widersprüchlichkeit der Konklusionen des Schlusses des Daseins, sondern aus dem Kreis der drei syllogistischen Figuren begründet. Siehe dazu Teil II, § 7 (5.). 12 Adolf Trendelenburg stellt die polemische Frage: „Wie soll überhaupt der Obersatz in einem

Schluss des Daseins lauten, um sich vom Schluss der Allheit zu unterscheiden?" Da ein Schluss nur zustande komme, wenn das Subjekt als Ausdruck der Allheit verstanden wird, sei der Schluss des

Die Entwicklung des Schlusses

174

der Punkt aber nicht gegen, sondern eher für Hegel. Die Entwicklung des Schlusses des Daseins soll nämlich zu der Einsicht verhelfen, dass es sich bei dem mittleren Term in Wahrheit nicht um eine unmittelbare Bestimmung, sondern um eine Art von Allgemeinem handeln muss. Tatsächlich wird es so sein, dass erst der kategorische Schluss die Funktion wirklich erfüllt, die in der Regel von dem Standardbeispiel und der ersten Figur erwartet wird. Wie ich im Folgenden zeigen möchte, steht hinter der Entwicklung des Schlusses nicht zuletzt der Gedanke, dass auch das alltägliche Schließen nur dann zu begrifflich begründeten Erkenntnissen führt, wenn der mittlere Term die Bedeutung eines „objektiven Allgemeinen" besitzt (117).

spricht

3. Die Urteile der Reflexion Im zweiten Teil der Schlusslehre erörtert Hegel jedoch zunächst eine andere Deutung des Mittelbegriffs. Sie ist durch die Zusammenfassung einer Mehrzahl von Bestimmungen in einem einzigen Term gekennzeichnet. Die unter den Begriff fallenden Gegenstände gleichen den Elementen einer Menge. Ob es sich bei den Elementen um Begriffe oder Vorstellungen, um Dinge oder Eigenschaften handelt, spielt weiter keine Rolle. Es genügt, wenn sie irgendein Merkmal miteinander teilen, an dem sich ihre Zugehörigkeit zu der Klasse von Gegenständen festmachen lässt. Hegel spricht von der Mitte des Schlusses als der „Totalität der Bestimmungen" oder der „gesetzten Einheit der Extreme" und erläutert sie dahingehend, dass der mittlere Term die Extreme „in sich befasst" (GW 12, 110). Der Bedeutungswandel betrifft jedoch nicht nur den mittleren Term, sondern auch die Extreme des Schlusses der Reflexion. Was sie angeht, verweist Hegel ohne weitere Umschweife auf die Urteilslehre. „Die Extreme sind die Bestimmungen des Urteils der Reflexion." Sowohl bei dem Einzelnen als auch bei dem Allgemeinen handle es sich um eine „Verhältnisbestimmung" im Sinn einer „Mannigfaltiges in sich zusammenfassenden Reflexion" (111). Die Urteile der Reflexion entsprechen den quantitativen Urteilen Kants. Ihre Entwicklung verläuft vom singulären über das partikuläre zum universellen Urteil. Anders als beim Urteil des Daseins bezieht sich das Subjekt nicht mehr auf einen einzelnen, sondern auf eine ganze Klasse von Gegenständen. Die Urteile der Reflexion befinden darüber, ob das Prädikat einem, einigen oder allen der unter das Subjekt fallenden Gegenstände zukommt. Insoweit es um die Bestimmung der Quantität geht, folgt Hegel der gängigen Sichtweise. Ungewöhnlich hingegen ist die Behauptung, die Prädikate der Urteile der Reflexion seien „von anderer Art" als die Prädikate der Urteile des Daseins. Hegel zufolge ist nicht nur das Subjekt, sondern auch das Prädikat eines Urteils der Reflexion „eine Bestimmung im Verhältnis oder eine zusammenfassende Allgemeinheit" Daseins „eine 256 f.).

müßige, streng

genommen eine

unmögliche Bildung" (Logische Untersuchungen, II,

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

(71). Aufweiche Erläuterung: „Als Beispiele

Art von

von

175

Bestimmungen er es dabei abgesehen hat, zeigt die folgende

Reflexionsurteilen können daher dienen: Der Mensch ist sterblich, die der Körper, die

Dinge sind vergänglich, dies Ding ist nützlich, schädlich; Härte, Elastizität Glückseligkeit usf. sind solche eigentümlichen Prädikate" (GW 12, 71).

Die angeführten Urteile und Prädikate beziehen sich nicht auf einzelne Qualitäten, sondern fassen eine Vielzahl von unmittelbaren Bestimmungen eines Gegenstands oder einer Klasse von Gegenständen zusammen. Modern gesprochen schreiben die Urteile der Reflexion dem Subjekt eine Disposition zu.13 Man könnte auch sagen, sie bestimmen das Verhalten, das der Gegenstand unter gewissen Bedingungen an den Tag legt. Dabei kann es sich um ein einmaliges Geschehen handeln, wie bei dem Sterben des Menschen oder beim Vergehen der Dinge. Es kann um Bestimmungen gehen, die mit der Funktion oder dem Gebrauch des Gegenstands zusammenhängen, wie der Nutzen oder der Schaden einer Sache. Oder es kann eine bestimmte Reaktion auf Einwirkungen von außen gemeint sein, wie in dem Fall, dass ein fester Körper dem Druck widersteht, der auf ihn ausgeübt wird, während ein elastischer Körper sich verformt. Die Disposition, sich auf eine bestimmte Art zu verhalten, tritt immer nur in Erscheinung, wenn etwas im Verhältnis zu anderen Gegenständen steht. Deswegen nennt Hegel die besagten Bestimmungen auch die „relative Natur" der Dinge (GW 12, 71). Nützlich oder schädlich, hart oder elastisch kann nur etwas sein, das nicht für sich allein existiert.14 Im Unterschied zu der heutigen Diskussion über Dispositionswörter kümmert sich Hegel weder um die Frage, wie Dispositionen auf manifeste Eigenschaften zurückgeführt werden können, noch interessiert ihn das Problem, ob ein Gegenstand Merkmale besitzen kann, die möglicherweise niemals in Erscheinung treten.15 Es kommt ihm allein auf das „Sich-Zusammennehmen mannigfaltiger Eigenschaften und Existenzen" in einem allgemeinen Prädikat an. Das Prädikat drückt „eine Wesentlichkeit" des Subjekts aus (ebd.). Angesichts dessen stellt es keinen schwerwiegenden Einwand gegen die Überlegungen Hegels dar, wenn man die Unterscheidung zwischen einzelnen Eigenschaften und Verhältnisbestimmungen überhaupt in Zweifel zieht.16 Beim Blick auf die Entwicklung des Urteils der Reflexion zeigt sich nämlich, dass das Prädikat nicht nur in dem Sinn wesentlich sein soll, dass es die Disposition eines einzelnen Gegenstands be13 Friederike Schick spricht von der „dispositionalen Fassung" der Prädikate des Urteils der Reflexion („Die Urteilslehre", 213). 14 In der Urteilslehre der Enzyklopädie spricht Hegel von der Existenz des Subjekts „im Verhältnis und Zusammenhang mit einem Anderen, mit einer äußeren Welt" (E § 174). 15 Vgl. Nelson Goodman, Fact, fiction, and forecast, Cambridge (Mass.) [1954] 4. Aufl. 1983, 4049. Goodman erörtert die Dispositionsprädikate in dem größeren Rahmen seiner „Theorie der Fortsetzung", die zugleich eine neue Sicht auf das Problem der Induktion bieten soll. 16 So könnte man beispielsweise von einem phänomenalistischen Standpunkt das Prädikat ,rot' als die Disposition eines Gegenstands verstehen, die Farbwahrnehmung ,rot' auszulösen (vgl. a. a. O., 40 f.). -

Die Entwicklung des Schlusses

176

zeichnet. Die Entwicklung zielt auf eine Wesentlichkeit vor allem in dem Sinn, dass das Prädikat einer ganzen Klasse von Gegenständen zukommt, wie es im universellen Urteil der Fall ist. Dass die Elemente einer Klasse in ihren Prädikaten oder Dispositionen übereinstimmen, braucht nicht zu bedeuten, dass ein innerer Zusammenhang zwischen ihnen besteht. Es genügt, wenn die Gegenstände zu einer Klasse zusammengefasst werden. Im äußersten Fall kommt die Menge dadurch zustande, dass man ihre Elemente einzeln aufzählt. In den Urteilen der Reflexion dienen Ausdrücke wie ,dieses Ding' ,einige Tiere' oder ,alle Menschen' zur Bezugnahme auf eine Menge von Gegenständen. Die Ausdrücke enthalten einen allgemeinen Begriff in Verbindung mit dem Quantor ,ein', ,einige' oder ,alle'. Auf die Verwendung von Artbegriffen in solchen Urteilen sind wir deshalb angewiesen, weil es unmöglich ist, sich vermittels eines Eigennamens auf mehrere Dinge gleichzeitig zu beziehen.17 Nur das Subjekt des universellen Urteils umfasst sämtliche Individuen einer Klasse. Es bedeutet soviel wie „alle Einzelnen". Dem kantischen Sprachgebrauch folgend nennt Hegel das Subjekt des universellen Urteils die „Allheit" (74).18 Um ein universelles Urteil treffen zu können, muss von jedem Gegenstand für sich feststehen, dass er das betreffende Merkmal besitzt. Ob die Klasse insgesamt oder nur zum Teil unter das Prädikat fällt, ist eine Frage, die für jedes Element einzeln beantwortet werden muss. Daher beschreibt Hegel die Allheit als „ein Zusammenfassen der für sich bestehenden Einzelnen" und „eine Gemeinschaftlichkeit, welche ihnen nur in der Vergleichung zukommt" (ebd.). Das Problem der Kategorie der Allheit besteht in der Gewähr der Vollständigkeit. Wie kann ich zum Beispiel sicherstellen, dass die Winkelsumme tatsächlich aller Dreiecke zwei rechten entspricht? Solange jedes Dreieck für sich genommen wird, lässt sich die Forderung nach der Allheit nur durch den Progress ins Unendliche einlösen. „Wenn bei der Allgemeinheit nur die Allheit vorschwebt, [...] so ist dies ein Rückfall in jene schlechte Unendlichkeit; oder aber es wird auch nur die Vielheit für Allheit genommen" (75). Während das erste in der Mathematik geschieht, ist das zweite bei empirischen Allaussagen der Fall. Solange das Subjekt eine Allheit bezeichnet, kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass das universelle Urteil eines Tages widerlegt wird. „Ein empirisch-allgemeiner Satz denn es werden deren doch aufgestellt beruht nun auf der stillschweigenden Übereinkunft, dass, wenn nur keine Instanz des Gegenteils angeführt werden könne, die Mehrheit von Fällen für Allheit gelten solle oder dass die subjektive Allheit, nämlich die der zur Kenntnis gekommenen Fälle, für eine objektive Allheit genommen werden dürfe" (GW 12, 75). -

-

17 „Das Subjekt des partikulären Urteils kann nicht mehr sein ,einige Gaii', denn Gaius soll ein Einzelner als solcher sein" (GW 12, 73). 18 Für Kant ist „die Allheit (Totalität) nichts anderes als die Vielheit als Einheit betrachtet" (Kritik der reinen Vernunft, B 111).

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

177

Mit dem Problem der empirischen Allgemeinheit ist im Prinzip schon das Thema der Induktion angesprochen. Dabei geht es Hegel nicht um das seit Bacon diskutierte Programm einer induktiven Logik der Forschung. Er moniert vielmehr die „stillschweigende" Gleichsetzung von „Mehrheit" und „Allheit". Er folgt darin Kant, der in der Einleitung zur Kritik der reinen Vernunft erklärt hatte: „Erfahrung gibt niemals ihren Urteilen wahre oder strenge, sondern nur angenommene und komparative Allgemeinheit (durch Induktion), so dass es eigentlich heißen muss: so viel wir bisher wahrgenommen haben, findet sich von dieser oder jener Regel keine Ausnahme".19 Deshalb ist die komparative oder empirische Allgemeinheit keine objektiv gültigen Erkenntnisse zu liefern imstande.

4. Das

Beispiel des Schlusses der Allheit

des über das universelle Urteil Gesagten besteht wenig Anlass zu der Erdass das Problem der Zufälligkeit des Schließens mit Hilfe des Schlusses der wartung, Allheit in den Griff zu bekommen ist. Tatsächlich ist Hegel der gegenteiligen Ansicht. Die weitere Entwicklung soll zeigen, dass bei der Deutung des mittleren Terms als Allheit eine notwendige Beziehung ebenso wenig zustande kommt wie bei seiner Deutung als unmittelbare Bestimmung. Die Bewegung des Schlusses der Reflexion führt vom Schluss der Allheit über die Induktion zur Analogie. Die drei Formen bilden jedoch nicht mehr einen Kreis von sich gegenseitig voraussetzenden Figuren. Stattdessen macht Hegel geltend, dass in dem Schuss der Allheit für sich bereits eine Petitio principii liegt. Wenn der Obersatz in der geschilderten Weise von ,allen Einzelnen' gelten soll, dann setzt er die Konklusion voraus, in der das Prädikat einem der vielen Einzelnen zugesprochen wird. Dem Vorwurf der Petitio principii ist nur zu entgehen, wenn sich der Obersatz des Schlusses der Allheit auf eine vollständige Induktion stützt. Doch die Induktion ist von einer neuerlichen Petitio principii nur frei, wenn sie auf dem Schluss der Analogie beruht.20 An der Analogie wird endlich sichtbar, dass die Mitte des Schlusses nicht als Allheit, sondern als objektive Allgemeinheit aufgefasst werden

Angesichts

muss.

Bevor wir die

Entwicklung im Einzelnen betrachten, will ich auf ein weiteres das Beispiel eingehen, Hegel in dem Abschnitt über den Schluss der Allheit anführt. Es zielt nicht wie die Beispiele im ersten Teil auf den Nachweis der Zufälligkeit des 19 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 3 f. In § 7 der Kritik der Urteilskraft ordnet Kant der strengen Allgemeinheit „universale", der komparativen Allgemeinheit „genérale" Regeln zu (AA V, 213). In § 84 der Logik Jäsche heißt es, durch Induktion bekomme man „wohl genérale, aber nicht universale Sätze" (AA IX, 133). 20 In der enzyklopädischen Logik spricht Hegel davon, dass der erste auf dem zweiten und der zweite auf dem dritten Schluss der Reflexion „beruht" bzw. „für seine Vermittlung" auf ihn „verweist" -

(E § 190).

Die Entwicklung des Schlusses

178

Schließens oder die Möglichkeit einander widersprechender Konklusionen, sondern auf die Erläuterung des Sinns der Rede von der Allheit. Gleich am Anfang schreibt Hegel: nur äußerlich in die Allgemeinheit zusamEinzelne noch als ein unmittelbar für sich Bestehendes in

„Die Form der Allheit fasst das Einzelne zunächst

umgekehrt erhält sie das der Allgemeinheit" (GW 12, 111). men, und

In Anlehnung an den heute üblichen Sprachgebrauch verwende ich statt des Begriffs der Allheit des Einzelnen die Bezeichnung einer ,Klasse von Gegenständen'. Um Hegels Argument zu verstehen, kommt es in beiden Fällen darauf an, dass es sich bei den Elementen der Klasse um konkrete Einzelne handelt. Ferner müssen die Elemente über irgendeine Gemeinsamkeit verfügen, damit es sich um Gegenstände einer Art handelt und sie unter einen Artbegriff fallen.21 Angenommen nun, der mittlere Term des Schlusses wird als Allheit oder als Klasse von Gegenständen aufgefasst, besagt der Obersatz nichts anderes, als dass das Prädikat jedem einzelnen Gegenstand zukommt. Da es sich bei dem Subjekt des Schlusses um einen dieser Gegenstände handelt, kann mit ihm „nur ein Prädikat verbunden werden, das ihm als konkretem zukommt" (GW

11,112).

Wären die oben genannten Beispiele Schlüsse der Allheit, dann müsste jede einzelne blau angestrichene Wand blau erscheinen, jedes einzelne sinnliche Wesen weder gut noch böse sein, jeder einzelne schwere Gegenstand in die Sonne fallen und jedes einzelne soziale Wesen in Gütergemeinschaft leben. Insofern nach Hegels eigenem Verständnis nichts von alledem zutrifft, können die Beispiele bestenfalls dem Anschein nach Schlüsse der Allheit sein. Den Unterschied zwischen dem Schluss der ersten Figur und dem Schluss der Allheit verdeutlicht das angekündigte neue Beispiel. In ihm beschreibt Hegel ein und dieselbe Überlegung zunächst als Schluss des Daseins und dann als Schluss der Reflexion. dem Médius Terminus ,grün' geschlossen werden sollte, dass ein Gemälde weil das Grün dem Auge angenehm ist, oder ein Gedicht, ein Gebäude usf. angenehm sei, schön sei, weil es Regelmäßigkeit besitze, so könnte das Gemälde usf. dessen ungeachtet hässlich sein um anderer Bestimmungen willen, aus denen auf dies letztere Prädikat geschlossen werden könnte" (GW 12, 112).

„Wenn

z.

B.

aus

Ausgangslage gleicht der Situation im ersten Teil der Schlusslehre. Es geht um Gedankengänge wie ,Etwas Grünes ist dem Auge angenehm. Das Gemälde ist grün. Also ist das Gemälde dem Auge angenehm' oder .Etwas Regelmäßiges ist schön. Das Gedicht ist regelmäßig. Also ist das Gedicht schön'. Auch der Einwand folgt der oben gelegten Spur. Es kann durchaus grüne Gemälde und regelmäßige Gedichte geben, die ausgesprochen hässlich sind. Hegel zufolge kommt kein Schluss zustande, weil das Die

21 Obwohl Hegel in dem Abschnitt über den Schluss der Reflexion von der „vorausgesetzten, d. h. hier noch unmittelbar angenommenen Gattung" spricht (GW 12, 111), verwende ich den neutraleren Ausdruck ,Art'. Die Klärung des Begriffs der Gattung soll erst im nächsten Abschnitt erfolgen.

179

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

Subjekt des Obersatzes „nur die Abstraktion von Grün, Regelmäßigkeit" bedeutet. Genau

das ändert sich, wenn ein universelles Urteil den Obersatz des Schlusses bildet.

„Indem hingegen der Médius Terminus die Bestimmung der Allheit hat, so enthält er das Grüne, die Regelmäßigkeit als ein Konkretes [...]; mit diesem Konkreten können nun nur Prädikate verbunden sein, die der Totalität des Konkreten gemäß sind" (GW 12, 112). Das Grüne ,als ein Konkretes' ist die Menge aller grünen Gegenstände. Bezieht sich der mittlere Term auf sie, behauptet der Obersatz von jedem einzelnen grünen Ding, dass es schön sei. Das Entsprechende gilt von allem Regelmäßigen. Der Schluss der Allheit gilt für „alle wirklichen konkreten Gegenstände, die grün oder regelmäßig sind, die also als konkrete mit allen ihren Eigenschaften, die sie außer dem Grünen oder der Regelmäßigkeit noch haben, genommen werden" (ebd.). Infolgedessen kann nicht mehr irgendein grünes Gemälde oder irgendein regelmäßiges Gebäude hässlich sein, ohne dass die Prämissen des Schlusses falsch würden. Aus heutiger Sicht mag der Gedanke befremden, alles Grüne sei angenehm oder alles Regelmäßige sei schön. Daher ist es nützlich, an die ästhetische Diskussion des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts zu erinnern. Bekanntlich widmete sich Kant im ersten Teil der dritten Kritik der Frage nach der Geltung ästhetischer Urteile. Seine Antwort lautete, dass Urteile über Schönes und Erhabenes zwar keine „objektive", wohl aber „subjektive Allgemeingültigkeit" besitzen.22 Im Zuge dessen verweist Kant auf die grüne Farbe einer Wiese oder eines Rasenplatzes als Beispiel für etwas, das alle Menschen übereinstimmend als angenehm Außerdem geht er auf die verbreitete Annahme eines Zusammenhangs zwischen geometrischer Regelmäßigkeit und Schönheit ein. Wenn Hegel auf das Grüne und das Regelmäßige zurückgreift, kommt es ihm freilich nicht auf die subjektive Allgemeingültigkeit, sondern auf die Form der Allheit an. Um wahr zu sein, müsste ein Satz wie ,alles Grüne ist angenehm' oder ,alles Regelmäßige ist schön', in Bezug auf jeden einzelnen regelmäßigen Gegenstand zutreffen.

empfinden.23

5. Die Induktion als der Schluss der Erfahrung Für den Übergang vom Schluss der Allheit zur Induktion befolgt Hegel das übliche Verfahren und erweist die zweite logische Form als die Wahrheit der ersten. Dem voraus geht die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Obersatz und der Konklusion des Schlusses der Allheit. Wenn der Obersatz das Prädikat jedem einzelnen Gegenstand zuspricht, der unter den Mittelbegriff fällt, dann „hat das einzelne Subjekt jenes Prädikat schon unmittelbar und erhält es nicht erst durch den Schluss". Versteht man den mittle-

Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft, § 8 (AA V, 215). Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft, § 3 und § 14 (AA V, 206 und 224). Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft, Allgemeine Anmerkung zum ersten (AAV,241 ff.). 22 23 24

Abschnitt der

Analytik

180

Die Entwicklung des Schlusses

Term als Allheit in dem dargelegten Sinn, wird der ganze Schluss „zu einem bloßen Blendwerk" (GW 12, 112). Die Diagnose gilt es weiter zu präzisieren. Hegels Bedenken gegen den Schluss der Allheit beruhen auf der Annahme, dass der Sinn des universellen Urteils in der Zuschreibung des Prädikats zu jedem einzelnen Element einer Klasse besteht. Interpretiert man den Obersatz des Schlusses als die Konjunktion aller Urteile, die allen Gegenständen einer Klasse dasselbe Merkmal zuschreiben, enthält die Prämisse die Konklusion. Die Prämisse ,alle Menschen sind sterblich' trifft nur zu, wenn der Satz ,Gaius ist sterblich' wahr ist. „Wäre Gaius zufälligerweise nicht sterblich, so wäre der Obersatz nicht richtig." Das bedeutet wiederum zweierlei. Auf der einen Seite haben wir es mit einer Form des Schlusses zu tun, für die das gilt, was sich beim Schluss des Daseins erst in dem Kreis der drei Figuren ergab, dass nämlich „der Obersatz seinen Schlusssatz voraussetzt". Während die Prämissen der drei Figuren jeweils die Konklusionen der beiden anderen waren, beruht der Obersatz des Schlusses der Allheit auf seiner eigenen Konklusion. „Ehe der Obersatz als richtig gelten kann, ist vorher die Frage, ob nicht jener Schlusssatz selbst eine Instanz gegen ihn sei" (112 f.). Daher liegt dem Schluss der Allheit eine Petitio principii zugrunde. Dass der Schluss der Allheit seine Konklusion voraussetzt, bedeutet auf der anderen Seite, dass es sich bei dem Obersatz nicht um ein unmittelbares Urteil handeln kann. In Wahrheit ist die Beziehung zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen in dem Obersatz des Schlusses „vermittelt". Das Vermittelnde ist die „Einzelheit als Allheit" (113). Mit dem Übergang zum Schluss der Induktion wird die Vermittlung ausdrücklich. Entsprechend dem Schema der zweiten Figur wird in der Induktion das Besondere durch das Einzelne mit dem Allgemeinen verbunden. Die beiden Extreme entsprechen dem Subjekt und dem Prädikat des universellen Urteils. Das Prädikat bezieht sich auf irgendeine Bestimmung, die sämtlichen Gegenständen einer Art zukommen soll. Das Subjekt bezeichnet die betreffende Klasse von Gegenständen. Bevor das Subjekt in der Konklusion mit dem Prädikat verbunden wird, muss es jedem einzelnen Gegenstand der fraglichen Klasse zugeschrieben werden. Auf die Weise entsteht eine Reihe von „unmittelbaren Prämissen" wie etwa ,Titos ist sterblich', ,Tullia ist sterblich' und so weiter. Die Namen der einzelnen Elemente der Klasse bilden gleichsam den Mittelbegriff des Schlusses der Induktion. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Individuen einer Art oder die Arten einer Gattung handelt. Wichtig ist allein die Vollständigkeit der Aufzählung, das heißt die „Gleichheit des Umfangs" des Subjekts mit dem mittleren Term. Hegel nennt als Beispiel „die Gattung des vierfüßigen Tiers", worunter „der Löwe, der Elefant usf." fallen ren

(114).26

25 .Alle Menschen sind sterblich, also ist Gaius sterblich', ,alle Metalle sind elektrische Leiter, also auch z. B. das Kupfer'. Um jene Obersätze, die als Alle die unmittelbaren Einzelnen ausdrücken und wesentlich empirische Sätze sein sollen, aussagen zu können, dazu gehört, dass schon vorher die Sätze über den einzelnen Gaius, das einzelne Kupfer für sich als richtig konstatiert sind" (E § 190 „

Anm.). 26

Der Gedanke, dass einer der Terme der Induktion als die

Zusammenfassung (cruyKsiuevov) vieler

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

181

Hegel nutzt die Erörterung der Induktion, um den Unterschied zwischen der Allheit und der echten, objektiven Allgemeinheit herauszustellen. Die Mitte des Schlusses der Induktion ist eine Menge von Einzelnen, die lediglich durch die Form des Schlusses oder durch die Reflexion eines Subjekts aufeinander bezogen werden. Hegel beschreibt die Induktion als den Schluss „des subjektiven Zusammenfassens der Einzelnen in die Gattung und des Zusammenschließens der Gattung mit einer allgemeinen Bestimmtheit, weil sie in allen Einzelnen angetroffen wird". Das Kennzeichen der Reflexion ist, dass die Allgemeinheit nur in der Form der Allheit, das heißt als die Vollständigkeit einer Aufzählung erscheint. Die Allheit ist nichts von vornherein Gegebenes. Sie „bleibt vielmehr eine Aufgabe" (ebd.). Um vollständig zu sein, müssten alle Individuen oder Arten, die unter das Subjekt fallen, einzeln genannt werden. Bereits anlässlich des universellen Urteils hatte es geheißen: „Die empirische Allheit bleibt darum eine Aufgabe, ein Sollen, welches so nicht als Sein dargestellt werden kann" (75). In der Schlusslehre stellt Hegel abermals fest: „Die Einzelheit soll als identisch mit der Allgemeinheit gesetzt werden, aber indem die Einzelnen ebenso sehr als unmittelbare gesetzt sind, so bleibt jene Einheit nur ein perennierendes Sollen" (114). Die Rede von dem ins Unendliche fortlaufenden Sollen ist eine Anspielung auf die Transzendentalphilosophie Kants und Fichtes. In der Kritik der reinen Vernunft knüpfte Kant die Möglichkeit einer intelligiblen Kausalität an das unbedingte praktische „Sollen". Fichte zufolge stehen die so genannten thetischen Urteile, zu denen neben dem absoluten Grundsatz ,Ich bin' auch der Satz ,der Mensch ist frei' gehört, für eine widersprüchlich scheinende Idee. Sie enthalten deshalb „bloß eine Aufgabe": „Der Mensch soll sich der an sich unerreichbaren Freiheit ins Unendliche immer mehr nähern".28 Die Kennzeichnung der Induktion als ein perennierendes Sollen bedeutet keine Empfehlung. Hegel kritisierte schon in der Differenzschrift Fichtes Konzept des Sollens als der Reflexion verhaftet. In der Jenaer Logik prägte er für den aus der bloßen Forderung nach der Aufhebung der Gegensätze sich ergebenden Progress den Begriff der „schlechten Unendlichkeit".29 Im ersten Teil der Wissenschaft der Logik nimmt das Thema der schlechten Unendlichkeit einen breiten Raum ein und bleibt mit den Namen Kant und Fichte verbunden. Was nun die Induktion betrifft, schlägt sich das perennierende Sollen in der Weise nieder, dass um der Gültigkeit des Schlusses willen angenommen werden muss, es werde niemals eine Instanz auftreten, die den Schlusssatz widerlegt. Weil sich die KonkluEinzelner verstanden werden muss, findet sich schon bei Aristoteles

28]).

(vgl. Analytica priora, II, 23 [68 b

Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 547 f. / B 575 f. Fichte, G A 1/2, 277 (= SW I, 116 f.). Vgl. Hegel, GW 4, 45 f. und 7, 32 f. Vgl. zum Begriff des Sollens GW 11, 73 ff. / 21, 118-123, zum Begriff der schlechten oder einseitigen Unendlichkeit GW 11, 79 ff. / 21, 127 ff. und zum quantitativen Progress ins Unendliche GW 27 28 29 30

11, 140-147/21,220-228.

182

Die Entwicklung des Schlusses

auf die unmittelbar gegebenen oder wahrgenommenen, sondern auf alle Elemente einer Klasse bezieht, nennt Hegel die Induktion den „Schluss der möglichen Erfahrung". Um zu einer „vollendeten Erfahrung" zu gelangen, müssten die Elemente der Klasse vollständig aufgezählt und sämtliche Prämissen der Induktion überprüft werden. Insofern das nicht geschieht oder geschehen kann, bleibt der Schlusssatz „problematisch". Dennoch soll die Induktion gewährleisten, dass das Prädikat auch den Individuen oder Arten zukommt, die (noch) nicht beobachtet wurden. Die Geltung über den Bereich des unmittelbar Gegebenen hinaus unterscheidet die Erfahrung von der bloßen Wahrnehmung. „Eine Erfahrung, die auf Induktion beruht, wird als gültig angenommen, obgleich die Wahrnehmung zugestandenermaßen nicht vollendet ist" (ebd.). Aufbauend auf dieser Überlegung gewinnt Hegel den Übergang von der Induktion zur Analogie. Anzunehmen, dass keine Instanzen die Erfahrung widerlegen werden, bedeutet soviel wie den Schlusssatz „als ein Unmittelbares" vorauszusetzen, bevor jedes Element der Klasse einzeln überprüft wurde (ebd.). Damit beruht die Induktion nicht anders als der Schluss der Allheit auf einer Petitio principii. Setzte dort der Obersatz ,alle Menschen sind sterblich' den Schlusssatz ,Gaius ist sterblich' voraus, liegt hier der Annahme, jeder einzelne Mensch werde sich auch in Zukunft als sterblich erweisen, die Wahrheit des Satzes ,alle Menschen sind sterblich' zugrunde. Und ähnlich wie die Induktion die versteckte Voraussatzung des Schlusses der Allheit, bringt die Analogie die Voraussetzung der Induktion zum Ausdruck. Ein Grund zu der Erwatung, dass sich keine Instanzen gegen den Schlusssatz ergeben, besteht nämlich genau dann, wenn das Prädikat den einzelnen Elementen der Klasse nicht zufällig, sondern kraft ihrer allgemeinen Natur zukommt, es sich also um ein für alle Gegenstände einer Art wesentliches Merkmal handelt. Nur wenn Titos und Tullia nicht qua Individuum, sondern qua Exemplar der Gattung ,Mensch' sterblich sind, kann tatsächlich ausgeschlossen werden, dass Instanzen gegen die Konklusion auftreten. sion nicht

nur

6. Die Analogie und der Begriff der Gattung

Hegel führt die Analogie als „die Wahrheit des Schlusses der Induktion" ein (GW 12, 115). Nach dem gängigen Verständnis schließt die Analogie aus der Übereinstimmung zweier Gegenstände in ihren wesentlichen Merkmalen, dass eine gewisse Eigenschaft des einen auch dem anderen zukommt. Bereits Aristoteles kennt die Analogie unter dem Titel des Beispielschlusses (/rapotSsiyua). Was von dem einen Exemplar einer Art gilt, das gilt auch von einem beliebigen anderen. Hegel nennt das folgende Beispiel eines Analogieschlusses: „Die Erde hat Bewohner. Der Mond ist eine Erde. Also hat der Vgl. Aristoteles, Analytica priora, II, 24 (68 b 38 ff). Die Bezeichnung „Exempelschluss" finbeispielsweise noch bei Georg Friedrich Meier (vgl. Auszug aus der Vernunftlehre, § 401 [in: Kant, AA XVI, 753]). 31

det sich

-

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

183

Mond Bewohner" (ebd.). Aus damaliger Sicht erscheint das Beispiel nicht ganz so aus der Luft gegriffen wie heute. Die Frage nach den Bewohnern zwar nicht des Mondes, wohl aber anderer Planeten wurde im achtzehnten Jahrhundert ernsthaft diskutiert.32 In einem mündlichen Zusatz zur enzyklopädischen Logik distanziert sich Hegel jedoch von allzu voreiligen Analogien. „Dass die Erde Bewohner hat, beruht nicht bloß darauf, dass sie ein Himmelskörper ist, sondern es gehören dazu noch weitere Bedingungen, so namentlich das Umgebensein von einer Atmosphäre, das damit zusammenhängende Vorhandensein von Wasser usw., und diese Bedingungen sind es gerade, welche dem 33 Mond, soweit wir ihn kennen, fehlen." In der Wissenschaft der Logik bemängelt Hegel zunächst die „Oberflächlichkeit" der Vorstellung von der Analogie als einer „bloßen Ähnlichkeit" zweier Gegenstände. Um von der Beschaffenheit des einen auf die des anderen Gegenstands schließen zu können, genügt keine äußere Ähnlichkeit, sondern muss es sich um zwei Dinge derselben Art handeln. Obwohl die Analogie einzelne Gegenstände zueinander in Beziehung setzt, stützt sie sich auf die allgemeine Natur einer bestimmten Art von Dingen. Als die Mitte des Schlusses fungiert die Einzelheit, „die unmittelbar an sich selbst Allgemeinheit ist". Unter der Allgemeinheit sind hier nicht irgendwelche abstrakten Merkmale zu verstehen, sondern die „Natur" des konkreten Gegenstands (ebd.). Kraft ihrer allgemeinen Natur besitzen zwei Dinge die gleichen Eigenschaften. So wird in dem genannten Beispiel der Begriff der Erde „als ein Konkretes genommen, das nach seiner Wahrheit ebenso sehr eine allgemeine Natur oder Gattung als ein Einzelnes ist" (117). Im Vorbeigehen kritisiert Hegel den Versuch als „unpassend", der Analogie den Status eines ordentlichen Schlusses dadurch zu nehmen, dass man sie in ein Prinzip überführt, das den Obersatz eines Syllogismus bilden soll. Das Prinzip lautet: „Was einem Objekt in einigen Merkmalen ähnlich ist, das ist ihm auch in anderen ähnlich". Durch die Aufstellung eines solchen Prinzips, so Hegel, wird die Form des Schlusses als der Inhalt des Obersatzes ausgegeben. Die Rekonstruktion ist schon deshalb ungenügend, weil der Schluss aufhört, aus drei Termen zu bestehen. Nach dem zitierten Prinzip stellt die Analogie das Verhältnis zwischen zwei Gegenständen, einer Reihe von übereinstimmenden Merkmalen sowie einem weiteren Merkmal dar. „So kann es scheinen, dass dieser Schluss vier Bestimmungen, die quaternionem terminorum, enthalte" (116). In dem angeführten Beispiel wird die quaternio terminorum notdürftig verschleiert, indem ,die Erde' als der Name eines Gegenstands und ,eine Erde' als die Bezeichnung der gemeinsamen Natur der Erde und des Mondes gebraucht wird. Damit die Analogie nicht von vornherein aufhört ein Schluss zu sein, hält Hegel an der Dreizahl der Terme 32 So enthält der dritte Teil von Kants Allgemeiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels den „Versuch einer auf die Analogien der Natur gegründeten Vergleichung zwischen den Einwohnern verschiedener Planeten" (AA I, 349). Später erklärt Kant die Annahme vernünftiger Bewohner anderer Planeten für eine „Sache der Meinung" (vgl. Kritik der Urteilskraft, § 91 [AA V, 467]). 33 E § 190 Zusatz (WW 8, 343). Vgl. dazu Vorlesungen über die Logik (1831), in: Vorlesungen, Bd. 10, 197.

184

Die Entwicklung des Schlusses

fest. Als der mittlere Term soll etwas Konkretes fungieren, das aber in seiner „wesentlichen Allgemeinheit" genommen wird (117). Man wird das Argument gegen die quaternio terminorum schwerlich für überzeugend halten können. Ungeachtet dessen führt Hegel die Unvollkommenheit des Schlusses der Analogie zu Recht auf den Umstand zurück, dass mit der Zugehörigkeit zweier Dinge zu derselben Art ihre Übereinstimmung zwar in allen wesentlichen, aber nicht in den unwesentlichen Eigenschaften einhergeht. Dass zwei Dinge derselben Art angehören, genügt offensichtlich nicht, um von den Merkmalen des einen auf die des anderen zu schließen. Es muss erst geklärt werden, „ob dem einen Subjekt die Bestimmtheit, die auch für das andere erschlossen wird, vermöge seiner Natur oder vermöge seiner Besonderheit zukommt". So teilen zum Beispiel Kupfer und Silber das Merkmal der Leitfähigkeit, ohne dass sich das Silber an feuchter Luft wie das Kupfer grün verfärben würde. Was die Analogie von Erde und Mond betrifft, hängt die Gültigkeit des obigen Beispielschlusses davon ab, ob die Erde „als Weltkörper überhaupt oder nur als dieser besondere Weltkörper Bewohner hat" (ebd.). Die Analogie ist nur gültig, wenn es sich bei dem Prädikat um ein wesentliches Merkmal des Subjekts sowie des vermeintlichen mittleren Terms handelt. Wollte man die Bedingung ausdrücklich machen, hätte man den Schluss wie folgt zu formulieren: Kupfer als Metall ist ein elektrischer Leiter. Silber ist ein Metall. Also ist Silber als Metall ein elektrischer Leiter'. Wie an dem Beispiel deutlich wird, stimmt der Obersatz formal mit der Konklusion überein. Beide Sätze sprechen einem bestimmten Element qua Metall das Merkmal der elektrischen Leitfähigkeit zu. In der Übereinstimmung der Prämisse mit dem Schlusssatz erblickt Hegel nun „die Forderung, dass auch jene Prämisse ein solcher sei" (ebd.). Mit anderen Worten: Auch die Prämisse .Kupfer ist ein elektrischer Leiter' soll deshalb gelten, weil Kupfer ein Metall ist. Denn nur, wenn die elektrische Leitfähigkeit in der allgemeinen Natur des Metalls liegt, kann von der Leitfähigkeit des Kupfers auf die des Silbers geschlossen werden. Hegel interpretiert die Forderung nach der Vermittlung des Obersatzes nun wieder so, dass der Schluss seine eigene Konklusion voraussetzt. Die Analogie beruht also genau wie der Schluss der Allheit und die Induktion auf einer Petitio principii. Zu der Petitio principii kommt es bei der Analogie nicht im wörtlichen, sondern in dem übertragenen Sinn, dass der Obersatz als in derselben Weise vermittelt angesehen werden muss wie die Konklusion. Daraus zieht Hegel die weitergehende Konsequenz, dass eine wie immer verstandene Menge konkreter Einzelner grundsätzlich nicht geeig,

ist, als die Mitte des Schlusses zu fungieren. „Indem also der Schluss der Analogie Forderung seiner Vermittlung gegen die Unmittelbarkeit ist, mit welcher seine Vermittlung behaftet ist, so ist es das Moment der Einzelheit, dessen Aufhebung er fordert." Als die Mitte des Schlusses genügt weder ein abstraktes Merkmal noch eine net

die

Klasse von Gegenständen. Um eine notwendige Beziehung zwischen dem Subjekt und einem bestimmten Prädikat zu begründen, ist „das objektive Allgemeine, die Gattung" erforderlich (ebd.). Die Frage, was Hegel unter der objektiven Allgemeinheit der Gat-

Empirischer Zufall und logische Notwendigkeit

185

uns im nächsten Abschnitt beschäftigen. Zuvor will ich aber ein kurzes Resümee ziehen. Die Entwicklung des Schlusses der Reflexion wäre missverstanden, sähe man darin hauptsächlich die Kritik an den Formen des empirischen Denkens. Denn einerseits ist das Unbehagen an der Induktion und der Analogie keineswegs originell. So wird beispielsweise schon der Leser der Logik 4von Port-Royal vor den Irrtümern gewarnt, die auf fehlerhaften Induktionen beruhen. In der Phänomenologie des Geistes bemerkt Hegel ironisch: „Die Analogie gibt nicht nur kein volles Recht, sondern sie widerlegt, um ihrer Natur willen, sich so oft, dass, nach der Analogie selbst zu schließen, die Analogie vielmehr keinen Schluss zu machen erlaubt" (GW 9, 143). Andererseits darf nicht vergessen werden, dass Hegel in der Wissenschaft der Logik anders als viele seiner Zeitgenossen die Induktion und die Analogie als eigenständige Formen des Schließens immerhin anerkennt. Dass es ihm dabei dennoch nicht in erster Linie um das empirische Denken zu tun ist, ergibt sich aus der spekulativen Absicht seines Unternehmens. Angesichts dessen mag jemand die Frage aufwerfen, inwieweit es sich bei den Schlüssen der Allheit, der Induktion und der Analogie überhaupt um Formen des reinen Denkens handeln kann. Trifft die hier vorgelegte Interpretation zu, ist die Frage dahingehend zu beantworten, dass die Formen des Schlusses der Reflexion einen ersten, wenn auch ungenügenden Versuch darstellen, dem Resultat des ersten Teils der Schlusslehre Rechnung zu tragen. Die Entwicklung des Schlusses des Daseins endete mit der Einsicht, dass zwei Begriffe durch einen dritten nur aufeinander bezogen werden können, wenn jeder von ihnen die Stelle des mittleren Terms einzunehmen imstande ist. Das Ergebnis wird im zweiten Teil der Schlusslehre zunächst so interpretiert, als handle es sich bei der „konkreten Einheit" des Einzelnen, des Besonderen und des Allgemeinen um eine Klasse von drei Gegenständen. Die Entwicklung des Schlusses der Reflexion führt ihrerseits zu der Einsicht, dass ein notwendiger Zusammenschluss nur zustande kommt, wenn die beiden Extreme durch die objektive oder „an und für sich seiende Allgemeinheit" vermittelt werden (118). Das geschieht in dem so genannten Schluss der Notwendigkeit. Die wahre Bedeutung des mittleren Terms zeigt sich daher in den Formen des kategorischen, des hypothetischen und des disjunktiven Schlusses.

tung versteht, wird

34

Vgl. Arnauld; Nicole, La Logique, 277 ff.

186

§

Die Entwicklung des Schlusses

11 Die substantielle Identität der Terme

Entwicklung des Schlusses dient unter anderem der Klärung der Frage, welche Art Begriff als der mittlere Term eines gewöhnlichen Syllogismus zu fungieren in der Lage ist. Im ersten und zweiten Teil der Schlusslehre scheidet Hegel zwei mögliche Auffassungen des mittleren Terms als ungenügend aus. Wenn es sich wie im Schluss des Daseins um eine einfache Qualität handelt, ist zur vollständigen Vermittlung der beiden äußeren Terme ein Kreis von drei sich gegenseitig voraussetzenden Figuren erforderlich, in denen die drei Momente des Begriffs nacheinander als der mittlere Term fungieren. Das bedeutet laut Hegel, dass die Mitte die Bestimmtheit der beiden Extreme Die

von

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sie aufeinander beziehen zu können. Ein solches Enthaltensein mehwie beim Schluss der Reflexion rerer Bestimmungen in einer allgemeinen lässt sich nach dem Schema der Elemente einer Klasse verstehen. Die Untersuchung der einschlägigen Formen des Schließens macht aber deutlich, dass so lange, wie die einzelnen Bestimmungen nur äußerlich zusammengefasst werden, der Schluss auf einer Petitio principii beruht. Im dritten Teil der Schlusslehre erörtert Hegel deshalb eine andere Weise, wie die Einheit der drei Terme aufgefasst werden kann. Die Mitte enthält die beiden Extreme nicht wie die Elemente einer Klasse, sondern sie ist mit ihnen in einem Sinn identisch, der dem Verhältnis einer Gattung zu ihren Individuen oder Arten nahe kommt. In der Ermangelung eines geeigneteren Ausdrucks bezeichne ich das fragliche Verhältnis mit Hegels Worten als das einer „substantiellen Identität". Die Relata des Verhältnisses der substantiellen Identität sind die drei Terme des Schlusses. In der reinen Logik handelt es sich bei den Termen des Schlusses um die drei Momente des Begriffs. Bereits am Anfang des Begriffs-Kapitels trägt Hegel die Ansicht vor, dass Jedes jener Momente so sehr ganzer Begriff als bestimmter Begriff und als eine Bestimmung des Begriffs" ist (GW 12, 32). Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit weist das Verhältnis der drei Momente eine Reihe von Eigentümlichkeiten auf. Betrachtet man das Allgemeine, das Besondere und das Einzelne als bestimmte Begriffe, verhalten sie sich wie die Arten einer Gattung. So wie die Gattung in ihren Individuen und Arten, erscheint der ,ganze Begriff stets in der Gestalt eines seiner Momente. Weiterhin besitzt der hegelsche Begriff die Eigenheit, dass ihm seine Bestimmungen mit derselben Notwendigkeit zukommen wie einem Individuum die wesentlichen Merkmale seiner Gattung oder Art. Die Momente liegen also gewissermaßen in der Natur oder im Wesen des Begriffs. Eine dritte Besonderheit ergibt sich schließlich aus der Verbindung der beiden ersten. Wenn es sich bei den bestimmten Begriffen des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen um die notwendigen Bestimmungen des ganzen Begriffs handelt, dann liegt in jedem bestimmten Begriff zugleich der Ausschluss der beiden anderen und damit der negative Bezug auf sich selbst. enthalten muss,

um

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187

DIE SUBSTANTIELLE IDENTITÄT DER TERME

1. Der kategorische

Schluss, die erste Figur und der Schluss der Allheit

Den Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung der These von der substantiellen Identität der Momente des Begriffs bilden die Darlegungen des dritten Teils der Schlusslehre. Dort erörtert Hegel die Formen des kategorischen, des hypothetischen und des disjunktiven Schlusses. Es war Kant, der die Vernunftschlüsse je nach der Form ihres Obersatzes in die drei genannten Arten eingeteilt hatte. Die traditionelle Logik unterschied im Wesentlichen zwischen den „einfachen" oder „ordentlichen" und den „zusammengesetzten" oder „außerordentlichen" Schlüssen. Als die Grundform des Schließens galt der deduktive oder, wie Kant sagt, der kategorische Syllogismus der ersten Figur. Von einem „zusammengesetzten" Schluss sprach die Tradition immer dann, wenn als der Obersatz ein aus mehreren Teilsätzen gebildetes hypothetisches oder disUrteil Kant hingegen gewinnt die Einteilung der Schlüsse aus junktives den drei möglichen Relationen des Urteils. Die Entgegensetzung von ordentlichen und außerordentlichen Schlüssen weist er als „grundlos und falsch" zurück, da der kategorische, der hypothetische und der disjunktive Schluss aus drei „einander gleich wesentlich verschiedenen Funktionen der Vernunft" entspringen. Unter dem Titel des kategorischen Schlusses behandelt Kant die traditionelle Lehre von den syllogistischen Figuren. Das ruft die Frage wach, wie sich Hegels Schluss des Daseins der ersten Figur zu dem kategorischen Schluss der Notwendigkeit verhält. Hegel selbst warnt davor, der kategorische Schluss werde „oberflächlicherweise [...] für nicht mehr genommen als für einen bloßen Schluss der Inhärenz" (GW 12, 119). Die Aufzählung kann um den Schluss der Allheit erweitert werden, dessen Unterschied zu den beiden Erstgenannten ebenso wenig offen zutage liegt. Vordergründig lässt sich die Schwierigkeit daran ablesen, dass für den qualitativen Schluss der ersten Figur, den Schluss der Allheit und den kategorischen Schluss dieselben Beispiele in Betracht kommen. Worin also unterscheidet sich die jeweils erste Form der drei Gattungen? Und unter welche der drei Arten soll etwa das Standardbeispiel gezählt werden? In Anbetracht des bisher über die Entwicklung des Schlusses Gesagten müsste das Kriterium der Einteilung des Schlusses in der Deutung des Obersatzes liegen. Die Art des Schlusses richtet sich danach, ob man den Obersatz als ein Urteil des Daseins, der Reflexion oder der Notwendigkeit interpretiert. Die Rede von der Deutung oder der Interpretation des Obersatzes ist hier deshalb angebracht, weil die Formulierung des Urteils allein keine hinreichende Auskunft gibt. Selbst wenn man in einem Fall wie dem Standardbeispiel einen Unterschied zwischen ,der Mensch ist sterblich' und ,alle Menschen sind sterblich' einräumt, fehlt eine dritte Ausdrucksmöglichkeit, um die Redeweise reglementieren zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass eine dem hegelschen Schluss der Allheit entsprechende Form der herkömmlichen Logik schlicht ungeläufig -

fungierte.1

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1 Vgl. zum Beispiel Meier, Auszug aus der Vernunftlehre, § 367 (in: Kant, AA XVI, 719). 2 Kant, Logik Jäsche, § 60 (AA IX, 122). Vgl. Kritik der reinen Vernunft, A 304 / B 361. 3 Vgl. Kant, Logik Jäsche, § 65-74 (AA IX, 125-128). -

188

Die Entwicklung des Schlusses

sein scheint. Der Sache am nächsten kommt vielleicht die Ansicht, die John Stuart Mill später vertreten hat. Er deutet empirische Allsätze als die Konklusionen induktiver Schlüsse. Sie geben die Grundlage für deduktive Schlüsse ab, in denen die zuvor gewonnenen allgemeinen Einsichten auf einzelne Fälle angewandt werden. Nachdem wir also auf induktivem Weg zu dem Satz ,alle Menschen sind sterblich' gelangt sind, leiten wir aus ihm die Sterblichkeit des Gaius ab. Hegels Lehre von dem Schluss der Reflexion sperrt sich jedoch nicht zuletzt deshalb gegen den Vergleich mit der induktiven Logik Mills, weil er im Blick auf das Konzept der empirischen Allgemeinheit den Unterschied zwischen der Vielheit und der Allheit des Einzelnen einschärft. Daher könnte Hegel gegen Mill einwenden, dieser habe in dem Glauben an die Gleichförmigkeit der Natur das Problem der Vollständigkeit der Induktion einfach beiseite geschoben. Die Überlegungen Hegels zielen auf die Begründung einer notwendigen Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Schlusssatzes. Dazu genügt es in seinen Augen nicht, wenn der mittlere Term als ein unmittelbares Merkmal des Subjekts oder als eine Klasse von Gegenständen aufgefasst wird, denen das Prädikat zukommen soll. Stattdessen muss der Mittelbegriff als etwas objektives Allgemeines verstanden werden. Mit dem kategorischen Schluss ist „die bestimmtere Bedeutung verbunden, dass die Mitte desselben die objektive Allgemeinheit ist" (ebd.). Der Bedeutungszuwachs des Mittelbegriffs ergibt sich aus der Entwicklung des Schlusses. Bei dem Schluss des Daseins, als dessen Mitte irgendeine Qualität fungierte, lief es auf eine Frage des Zufalls hinaus, ob dem Subjekt neben dem mittleren Term auch das Prädikat inhärierte. Dem ließ sich nur durch die Forderung Abhilfe schaffen, die Prämissen ihrerseits durch immer neue Mittelbegriffe zu beweisen. Der Kreis der syllogistischen Figuren führte sodann auf den Schluss der Reflexion, bei dem die Vermittlung auf der Zusammenfassung einer Menge von Gegenständen mit gemeinsamen Merkmalen beruhte. Damit verbunden war indes die Schwierigkeit, dass die universelle Geltung eines empirisch allgemeinen Satzes wie ,alle Menschen sind sterblich' den Schluss sowohl von den schon beobachteten auf noch nicht beobachtete Einzelne als auch von den unmittelbar wahrgenommenen auf nicht unmittelbar wahrgenommene Eigenschaften voraussetzt. Wie wir gesehen haben, hebt Hegel im zweiten Teil der Schlusslehre nicht darauf ab, dass der Schluss der Allheit zur Stützung seines Obersatzes der Induktion und der Analogie bedarf. Sein Bedenken lautet vielmehr, dass jede Art des Schlusses der Reflexion eine Petitio principii begeht, da die Prämissen in je unterschiedlicher Weise den Schlusssatz voraussetzen. Sowohl der Progress ins Unendliche als auch die Petitio principii sollen nun im kategorischen Schluss vermieden werden. Dazu muss der mittlere Term die Bedeutung eines objektiven Allgemeinen annehmen. Die Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis des kategorischen Schlusses zur ersten Figur und zum Schluss der Allheit hängt also von der genauen Klärung dessen ab, was Hegel unter

zu

Vgl. John Stuart Mili, A System of Logic, Ratiocinative and Inductive. Being the Principles of Evidence and the Methods of Scientific Investigation, London, in: Collected Works, VII, 157-163. 4

a

Connected View of 8. Aufl. 1872,

[1843]

DIE SUBSTANTIELLE IDENTITÄT DER TERME

189

dem objektiven Allgemeinen versteht. Hegels eigener Auskunft zufolge wird im kategorischen Schluss „ein Subjekt mit einem Prädikat durch seine Substanz zusammengeschlossen". Er fährt fort: „Die Substanz aber, in die Sphäre des Begriffs erhoben, ist das

Allgemeine". Wenig später heißt es von der Mitte des kategorischen Schlusses, „näher bestimmt" sei sie „die Gattung" (ebd.). Nimmt man das Standardbeispiel, müsste ,der Mensch' als „die Substanz" oder „das Allgemeine" und genauer als „die Gattung" des Gaius aufgefasst werden. Was auch immer Hegel damit genau meint aufgrund der vorangegangenen Entwicklung kann zweierlei mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Das objektive Allgemeine ist kein unmittelbares Merkmal und die Gattung ist mehr als bloß eine Klasse von Gegenständen. Vorbehaltlich der weiteren Klärung des Sinns der Rede von dem objektiven Allgemeinen ergibt sich aus dem Gesagten die folgende These: Um zu einer notwendigen Beziehung zwischen dem Subjekt,Gaius' und dem Prädikat .sterblich' zu gelangen, muss der Mittelbegriff .Mensch' etwas objektives Allgemeines bezeichnen. Mit anderen Worten: Auch vermeintlich alltägliche Schlüsse beruhen Hegel zufolge auf einer Theorie des Begriffs, die seiner eigenen näher steht als die Lehre vom Begriff als Merkmal oder als einer Klasse von Gegenständen. Obwohl es Hegel selbst weder um Subjekte wie Yarns' noch um Prädikate wie ,sterblich' geht, wäre es daher ein Irrtum zu meinen, die Form des kategorischen Schlusses habe nur noch wenig mit gewöhnlichen Schlüssen wie dem Standardbeispiel zu tun. Hegel scheint mir im Gegenteil die Ansicht zu vertreten, dass sich der Anspruch, vermittels des Begriffs des Menschen begründen zu können, dass Gaius sterblich ist, nicht mit der Deutung des Beispiels als Schluss des Da-

seins oder als Schluss der Reflexion verträgt.

2. Die Substanz als das objektive

Allgemeine

Eine angemessene Analyse des Schlusses der Notwendigkeit muss die Kategorien der Substanz, des Begriffs, des Allgemeinen und der Gattung in die richtige Beziehung zueinander setzen. Hegel führt die Bezeichnung ,Begriff am Ende der Objektiven Logik als die Nachfolgebestimmung der Kategorie der Substanz ein. Der Ausdruck ,Substanz' seinerseits diente ihm zur Bezeichnung eines Verhältnisses, dessen Relate in der Beziehung absoluter Notwendigkeit zueinander stehen. Bei den Relate handelte es sich zunächst um die in den ersten beiden Abschnitten der Wesenslogik eingeführten Bestimmungen des Wesens und der Existenz. Unter dem Wesen versteht Hegel eine dem unmittelbaren Sein entgegengesetzte, gleichsam innere Bestimmung, die sich in der äußeren Erscheinung manifestiert. Die Einheit des Wesens und der Erscheinung nennt

190

Die Entwicklung des Schlusses

Hegel die Wirklichkeit oder das Absolute. Damit knüpft er an die Metaphysik Spinozas

und dessen Definition der Substanz als causa sui an. Im letzten Kapitel der Lehre vom Wesen führt Hegel den Nachweis, dass die von Kant her geläufigen Kategorien der Relation das Verhältnis des Absoluten zu sich selbst in einer Weise zu bestimmen erlauben, die in die Form des Begriffs übergeht.6 Die erste Kategorie der Relation ist das Verhältnis von Substanz und Akzidens. Auf der einen Seite steht die mit sich identische, beharrliche Substanz. Sie besitzt das Vermögen, in einer Reihe wechselnder Bestimmungen zu erscheinen. Insofern die Substanz aber ihre Akzidenzien setzt, herrscht zwischen den beiden Seiten ein Verhältnis der Kausalität. Ursache und Wirkung sind wiederum so aufeinander bezogen, dass die Ursache einerseits in die Wirkung übergeht, während andererseits an der Verschiedenheit beider festgehalten werden muss. Das ist nur möglich, indem die Kausalität als das Verhältnis einer aktiven zu einer passiven Substanz aufgefasst wird. Da nun aber die passive Substanz auf die Aktivität der anderen reagiert, stehen die Substanzen in Wechselwirkung miteinander. In dem Verhältnis der Wechselwirkung ist jede der beiden Substanzen aktiv und passiv zugleich und insofern mit der anderen identisch. Hegel gelangt zu dem Resümee:

„Der Verlauf der Substanz durch die Kausalität und Wechselwirkung ist daher nur das Setzen, dass die Selbständigkeit die unendliche negative Beziehung auf sich ist, negative überhaupt,

in der das Unterscheiden und Vermitteln zu einer Ursprünglichkeit gegeneinander selbständiger Wirklicher wird, unendliche Beziehung auf sich selbst, indem die Selbständigkeit derselben eben nur als ihre Identität ist" (E § 157). -

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Das absolute Verhältnis besteht in der Beziehung eines Selbständigen in einem Anderen auf sich selbst. Zur Bezeichnung dieses Beziehungsgefüges führt Hegel am Ende der Objektiven Logik den Terminus .Begriff ein. In der Subjektiven Logik unternimmt er einen neuen und seines Erachtens endgültigen Versuch, das Absolute kategorial zu fassen. Hinter der Lehre vom Begriff steht der Anspruch, über Denkmittel zu verfügen, die dem System Spinozas und den Kategorien der Relation überlegen sind. Der Vorzug der Kategorie des Begriffs gegenüber der Substanz ergibt sich für Hegel aus dem Umstand, „dass der Unterschied ihr immanent ist, wogegen die Substanz den ihrigen nur in ihren 5 „Die Wirklichkeit ist die Einheit des Wesens und der Existenz" (GW 11, 369). „Dem Begriff des Absoluten [...] entspricht der Begriff der spinozistischen Substanz" (376). Vgl. „Per causam sui intelligo id, cuius essentia involvit existentiam, sive id, cuius natura non potest concipi, nisi existens" (Spinoza, Ethica, Pars I, Definitio 1). Zu der Anknüpfung der Lehre vom Begriff an Spinoza siehe außerdem Rüdiger Bubner, „Hegels Logik des Begriffs", in: ders., Zur Sache der Dialektik, Stuttgart -

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1980,70-123,77-84.

Vgl. zum Folgenden GW 11, 389^409 und E § 150-159 sowie die Einleitung zur Begriffslehre, wo Hegel das „absolute Verhältnis" als die „Genesis des Begriffs" resümiert und mit dem „System des Spinoza" konfrontiert (GW 12, 11-16). Einen Vergleich mit Kants Behandlung der Kategorien der Relation bietet Stephen Houlgate, „Substance, Causality, and the Question of Method in Hegel's Science of Logic", in: Sally Sedgwick (Hg.), The Reception of Kant's Critical Philosophy. Fichte, Schelling, and Hegel, Cambridge 2000, 253-282.

6

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191

DIE SUBSTANTIELLE IDENTITÄT DER TERME

Akzidenzien, nicht aber als Prinzip in sich selbst hat" (GW 12, 77). Die Bestimmungen des Begriffs werden nicht von außen an ihn herangetragen, sondern sie ergeben sich in der Wissenschaft der Logik im Zuge der dialektischen Bewegung des reinen Denkens als des Begriffs selbst. Wie die Entwicklung des formellen Begriffs zeigt, betrachtet Hegel als die Nachfolgebestimmung der Substanz im engeren Sinn das objektive Allgemeine. Es tritt im ersten Abschnitt der Subjektiven Logik als das Prädikat des kategorischen Urteils und als der mittlere Term des kategorischen Schlusses in Erscheinung. Zur Kennzeichnung des objektiven gegenüber anderen Formen des Allgemeinen bedient sich Hegel des Begriffs der Gattung. In der Wortwahl liegt ein Hinweis, dass seine Theorie des Begriffs der klassisch-antiken Auffassung näher steht als dem neuzeitlichen Verständnis. Nach der antiken Vorstellung gibt der Begriff das allgemeine Wesen einer Sache an. So fragt bereits Sokrates nach dem eîôoç der Tugend.7 In seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie erklärt Hegel, das Interesse des Sokrates sei darauf gerichtet gewesen, „das Allgemeine im Menschen zum Bewusstsein zu bringen". Die Einsicht Piatons habe darin bestanden, dass das Allgemeinen nicht bloß „das Ideelle", sondern zugleich „das allein Reale" bedeute. „Das Allgemeine überhaupt nennt Platon eîôoç oder töea. Jenes können wir ,Gattung' oder ,Art' übersetzen." Wenn Hegel das platonische Allgemeine mit den Ausdrücken der Gattung oder der Art wiedergibt, hat er neben den logischen auch naturphilosophische Konnotationen im Hinterkopf. „Wenn freilich unser Verstand meint, ,Gattung' sei nur dies, dass das Äußerliche für uns zum Merkmal, zur Bequemlichkeit zusammengefasst sei, sie sei ein Zusammenfassen von gleichen Bestimmungen von mehreren Einzelnen, gemacht durch unsere Reflexion, so haben wir aller-

dings das Allgemeine in ganz äußerer Form. Die Gattung der Tiere ist Lebendigkeit; dies ihre Gattung; die Lebendigkeit ist ihre substantielle Natur."9

ist

Lebendigkeit

ist mehr als eine Eigenschaft, die alle Tiere miteinander teilen und mittels derer wir bequem auf eine große Zahl von Individuen Bezug nehmen können. Hegel verbindet mit dem Begriff der Gattung nicht nur den Sinn eines allgemeinen Merkmals, sondern den der „substantiellen Natur" eines Wesens. Denselben Ausdruck gebraucht er in der Wissenschaft der Logik, wenn er auf das objektive Allgemeine zu sprechen kommt. So heißt es von dem Prädikat des kategorischen Urteils, an ihm habe das Subjekt „seine immanente Natur" (78). Die Mitte des kategorischen Schlusses erklärt Hegel für „die wesentliche Natur des Einzelnen, nicht irgendeine der Bestimmtheiten oder Eigenschaften desselben" (120). Die

Vgl. Piaton, Menon, 72 c-e. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, in: Vorlesungen, Bd. 8, 21 f. Einen Hauptinhalt der platonischen Dialoge sieht Hegel in dem Aufweis, „dass nur Eine Tugend, nur Eins das Wahre sei". Womöglich in Anspielung auf die eben genannte Stelle fährt Hegel fort, Piaton lasse „das allgemeine Gute hervorgehen aus den besonderen Tugenden" (23). 9 A. a. O., 22. Vgl. dagegen Kant, Logik Jäsche, § 63: „Die Gattungs- und Art-Begriffe sind nämlich allgemeine Merkmale aller der Dinge, die unter diesen Begriffen stehen" (AA IX, 123). 7 8

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Die Entwicklung des Schlusses

192

3. Der Begriff der Gattung in

Hegels Naturphilosophie

Zufall, dass Hegel in seinen Vorlesungen als das Beispiel einer Gattung oder substantiellen Natur gerade die Lebendigkeit der Tiere wählt. Das Lebendige diente ihm in allen Phasen seines Schaffens als ein Modell für die Art, wie er das Verhältnis des Allgemeinen zum Einzelnen aufgefasst wissen wollte. Den paradigmatischen Charakter des Lebendigen für Hegels Konzept von Allgemeinheit macht man sich am besten anhand dessen klar, wie er die Kategorie des Lebens näher bestimmt. Dazu muss man sich zunächst vor Augen führen, dass es der damaligen Naturwissenschaft an einem einheitlichen Konzept des Lebendigen fehlte, mit dessen Hilfe die unterschiedlichen Forschungsergebnisse von Botanik, Zoologie, Anatomie und Physiologie sich hätten bündeln lassen. Angesichts dessen bestand eine der Hauptaufgaben der Philosophie der ° Natur in der Vereinheitlichung des Phänomenraums des Lebendigen. Auf diese Lage reagiert Hegel, wenn er der Abhandlung über die Pflanzen und Tiere in seinen Jenaer Systementwürfen eine Darstellung der „allgemeinen Idee des Organischen" (GW 6, 193) voranschickt.11 Ab der Nürnberger Zeit bildet die „Idee des Lebens" sogar ein eigenes Kapitel in Hegels Wissenschaft der Logik. Was die frühe mit allen späteren Konzeptionen verbindet, sind die beiden Grundgedanken, dass das organische Leben als das Zusammenspiel von Individuum und Gattung begriffen werden muss, und dass Individuum und Gattung ihrerseits jedes als die Einheit von Einzelheit und Allgemeinheit zu fassen sind. Die beiden Gedanken bilden das theoretische Rüstzeug, mit dessen Hilfe Hegel nicht nur das Verhältnis des Individuums zu seinen Artgenossen, sondern auch das des Organismus zu seinen Gliedern sowie zur unorganischen Natur erklärt. Liest man Hegels Darlegungen vor dem Hintergrund der Theorie des Organismus, die Kant im zweiten Teil der Kritik der Urteilskraft entwickelt, wird man möglicherweise wenig Bemerkenswertes an ihnen finden. Das ändert sich, wenn man die Naturphilosophie Hegels mit der ebenfalls von Kant beeinflussten Sicht Schellings vergleicht. In seinem Ersten Entwurf eines Systems der Naturphilosophie erklärt Schelling die Erhaltung des Individuums gegenüber dem „allgemeinen Organismus" der Natur mit Hilfe der von Fichte übernommenen Kategorie der „Wechselbestimmung der Rezeptivität und der Tätigkeit in allem Organischen".14 Hegel dagegen verzichtet auf das dynamische Sprachspiel von Kraft, Ursache und Wirkung und bedient sich stattdessen des begrifflichen Schemas der Einheit von Allgemeinheit und Einzelheit. Dieses Schema wendet er in zweifacher Weise auf das Lebendige an. Erstens werden der individuelle Es ist kein

10 Zur biologischen Forschung und dem „Theoriedefizit" um 1800 vgl. Olaf Breidbach, Das Organische in Hegels Denken. Studie zur Naturphilosophie und Biologie um 1800, Würzburg 1982, 1-130. 11 Vgl. GW 6, 178-193 sowie GW 8, 119-128 und 300 f. 12 So zum ersten Mal in der Philosophischen Enzyklopädiefür die Oberklasse von 1808/09, § 85-93 (WW 4, 30 ff). Vgl. ferner GW 12, 179-191 sowie E § 216-222. 13 Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft, § 64-66 (AA V, 369-377). 14 Schelling, HKA 1/7, 69 (= SW III, 6). Vgl. ausführlicher HKA 1/7, 117-134 (= SW III, 69-93). -

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DIE SUBSTANTIELLE IDENTITÄT DER TERME

193

als das Allgemeine und seine Glieder sowie die Elemente, aus denen er als Einzelne betrachtet. In dem System der spekulativen Philosophie von das besteht, 1803/04 spricht Hegel von einem „Kreislauf der Selbsterhaltung" (186). Später unterscheidet er genauer zwischen den Prozessen der „Gestalt" und der „Assimilation". In dem einen bezieht sich der lebendige Organismus auf sich selbst, in dem anderen auf seine Umwelt.15 Doch Hegel fasst nicht nur das lebendige Individuum, sondern auch die Gattung nach dem Schema der Einheit von Allgemeinheit und Einzelheit auf. Deshalb spricht er weiterhin von dem „Kreislauf oder dem „Prozess der Gattung".16 Dazu rechnet er die Fortpflanzung, die Krankheit und den Tod des Individuums. Mit dem Prozess der Gattung verbindet Hegel die auf den ersten Blick wenig plausible These von dem Untergang des Individuellen im Allgemeinen und dem gleichzeitigen Werden des Geistes. „In dem Gattongsprozess gehen die abgesonderten Einzelheiten des individuellen Lebens unter. [...] In der Begattung erstirbt die Unmittelbarkeit der lebendigen Individualität; der Tod dieses Lebens ist das Hervorgehen des Geistes" (GW 12, 191). Ich will auf die Problematik des Übergangs von der Philosophie der Natur zur Philosophie des Geistes hier nur mit dem Hinweis eingehen, dass es sich wohl kaum um eine reale Abfolge handeln soll. Denn auch Hegel dürfte klar gewesen sein, dass er nach dem Tod des Individuums im wörtlichen Sinn keine Philosophie des Geistes mehr zu machen brauchte.17 Für mein Thema interessant ist der Prozess der Gattung unter einer anderen Rücksicht. Mit der Reproduktion einher geht die Unterscheidung der Gattung in zwei Geschlechter. Entsprechend einer seit der Antike geläufigen Vorstellung betrachtet Hegel Mann und Frau als in ihren wesentlichen Merkmalen einander entgegengesetzt und auf gegenseitige Ergänzung angelegt. Es kommt mir hier nicht auf Hegels eigentümliche Metaphysik der Geschlechter an, sondern auf seine systematische Deutung des Verhältnisses der Individuen untereinander und zur Gattung. Das Lebendige entwickelt sich laut Hegel in zwei komplementär ausgebildeten Gestalten von Individuen.

Organismus

„Die Idee der organischen Individualität ist Gattung, Allgemeinheit; sie ist unendlich ein An-

deres und in diesem Anderssein sie selbst, existiert in der Trennung der Geschlechter, deren jedes die ganze Idee ist, aber die, sich auf sich selbst als auf ein Äußeres beziehend, sich im Anderssein als sich selbst anschaut und diesen Gegensatz aufhebend" (GW 6, 185).

Vgl. GW 12, 182-189 sowie E § 218 f. und § 353-366. Vgl. GW 6, 186 ff; GW 8, 172-176; GW 12, 189 ff. sowie E § 220 f. und § 367-375. Wolfgang Neuser verweist als Quelle für die These von der Erhaltung der Gattung durch den Untergang der Individuen auf die Recherches physiologiques sur la vie et la mort des französischen Arztes Xavier Bichat (vgl. „Die Naturphilosophie (§§ 245-376)", in: Hermann Drüe [u. a.], Hegels „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" (1830). Ein Kommentar zum Systemgrundriss, 15 16 17

Frankfurt

2000, 139-205, 192 und 196).

Ich muss gestehen, dass ich in Bichats Text keinen habe. passenden Beleg gefunden 18 „Das Weibliche erscheint als das [...] die Form Empfangende, das Männliche aber [...] als das Tätige der Form" (GW 6, 185). Vgl. Piaton, Symposion, 189d-193d, und Aristoteles, De generatione animalium, I 2 (716al 18). a.

M.

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194

Die Entwicklung des Schlusses

Unter der Gattung versteht Hegel demzufolge ein Allgemeines, das in einer Mehrzahl Individuen existiert, von denen jedes als das Ganze angesehen werden kann. Ferner soll sich das eine Individuum so auf das andere beziehen, dass sich der Gegensatz zwischen ihnen aufhebt. In der Beziehung auf sich selbst als ein Anderes erweist sich das Organische als die Einheit von Allgemeinheit und Einzelheit. Aus dem Grund besitzt das Lebendige paradigmatische Bedeutung für die Bestimmung des Verhältnisses der substantiellen Identität. Bereits in den Entwürfen aus der Frankfurter Zeit nimmt Hegel Bezug auf lebendige Organismen, um eine bestimmte Konzeption von Einheit zu erläutern. In dem Manuskript über den Geist des Christentums von 1798/99 findet sich eine Passage, wo er das Verhältnis, in dem Jesus Christus zu Gott steht, mit dem Bild eines Baumes illustriert. Zunächst lobt Hegel die Bezeichnung Jesu als des Sohnes Gottes. Das Verhältnis des Sohnes zum Vater drücke die „lebendige Beziehung Lebendiger, gleiches Leben" aus. Um nun das Dogma von der Einheit der göttlichen Personen verständlich zu machen, verweist Hegel auf den Unterschied zwischen der Einheit „von Objekten, von Totem" und der Einheit des Lebendigen. „Die Lebendigen sind Wesen als Abgesonderte, und ihre Einheit ist ebenso ein Wesen." Zur Verdeutlichung zieht Hegel das Bild heran: „Ein Baum, der drei Äste hat, macht mit ihnen zusammen einen Baum; aber jeder Sohn des Baumes, jeder Ast (auch seine anderen Kinder, Blätter und Blüten), ist selbst ein Baum". Sobald ein Ast von dem Stemm getrennt und in die Erde gesteckt wird, wächst ein neuer Baum. Daraus folgert Hegel, es sei „ebenso wahr, dass hier nur ein Baum ist, als dass es drei Bäume sind". Während es vordergründig nahe liegt, eine der beiden Behauptungen für falsch zu halten, geht es Hegel um die Einsicht, dass „im Reich des Lebens" an beiden zugleich festgehalten werden muss. In der Sphäre des Lebendigen herrscht eine Art von Identität, die „im Reich des Toten" als glatter Widerspruch erscheinen muss.

von

4. Die Identität des Inhalts Ich habe die Ausführungen über die Theorie des Organismus eingeschoben, um zu zeigen, dass Hegel mit dem Begriff der Gattung die Annahme einer bestimmten Form von Einheit des Allgemeinen und des Einzelnen verbindet, die er im Fall des Lebendigen als exemplarisch verwirklicht ansieht. Vor dem Hintergrund lässt sich die Verwendung

Hegel, WW 1, 376 f. Manfred Baum zufolge soll durch die naturphilosophischen Bilder „nichts Geringeres zum Ausdruck gebracht werden als die These, dass das Spezifische der christlichen Gottesvorstellung gegenüber dem Judentum in einer ihr inhärenten monistischen, die Transzendenz Gottes gegenüber der Welt leugnenden Lebensmetaphysik bestehe" („Das Lebendige in Hegels früher Metaphysik", in: Karen Gloy [Hg.], Die Naturphilosophie im deutschen Idealismus, Stuttgart-Bad Cannstatt 19

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1993, 224-237, 225).

20 Näheres findet sich in meinem Beitrag über logie und Philosophie 77, 2002, 54-72.

„Hegels

Idee des individuellen Lebens", in: Theo-

DIE SUBSTANTIELLE IDENTITÄT DER TERME

195

Begriffs der Gattung im ersten Abschnitt der Subjektiven Logik leichter verstehen. Hegel führt ihn als die Bezeichnung für das objektive Allgemeine am Übergang vom universellen zum kategorischen Urteil ein. Dort bestimmt er die Gattung als „die Allgemeinheit, welche an ihr selbst Konkretes ist". Während das Subjekt des universellen Urteils die Gattung noch „in ihrer Vereinzelung" ausdrückt, wird sie in dem kategorides

schen Urteil als Einheit betrachtet. „Statt ,alle Menschen' ist nunmehr zu sagen ,der Mensch'." Zu der in dem kategorischen Urteil ausgedrückten Einheit der Gattung des Menschen gehört nicht nur das Verhältnis zwischen den einzelnen Individuen beiderlei Geschlechts sowie der verschiedenen Generationen. Die Einheit der Gattung verlangt außerdem, dass jedem Einzelnen gewisse wesentliche Bestimmungen zukommen. Die Gattung „enthält alle vereinzelte Bestimmtheit in ihrer substantiellen Gediegenheit auf-

gelöst" (GW 12, 76). Die Gattung ist mehr als eine Eigenschaft, die dem Subjekt inhäriert. Ebenso wenig bezeichnet die Gattung nur eine Klasse von Gegenständen, die unter sie subsumiert würden. Das Prädikat des kategorischen Urteils soll vielmehr die „immanente Natur" des Subjekts ausdrücken. Zwischen dem Subjekt und dem Prädikat besteht Hegel zufolge eine Beziehung weder der Inhärenz noch der Subsumtion, sondern der „substantiellen Identität". Als Beispiele nennt er die Sätze ,die Rose ist eine Pflanze' und ,dieser Ring ist Gold' (78). In beiden Fällen wird von einem einzelnen Gegenstand seine allgemeine Natur ausgesagt. Ein ähnliches Verhältnis wie innerhalb des kategorischen Urteils herrscht auch zwischen den Termen des kategorischen Schlusses. Hegel spricht zwar schon vorher von der Gattung als dem objektiven Allgemeinen. So erklärt er von der Mitte des Schlusses der Allheit, sie enthalte die Allgemeinheit „als vorausgesetzte, d. h. hier noch unmittelbar angenommene Gattung" (111). Von dem Subjekt der Induktion schreibt Hegel, es könne „die unmittelbare Gattung sein, wie sie in der Mitte des vorigen Schlusses oder im Subjekt des universellen Urteils vorhanden ist und welche in den sämtlichen Einzelnen oder auch Arten der Mitte erschöpft ist" (113). Als die „allgemeine Natur der Sache" erscheint die Gattung aber erst in dem Schluss der Notwendigkeit. Dazu heißt es, die Extreme hätten „an der Mitte ihre innere Identität" (118 f.). Um den Sinn der Behauptung zu klären, geht man am besten von der Bedeutung des Subjekts und des Prädikats des kategorischen Schlusses aus. Das eine Extrem bezieht sich laut Hegel auf „das Wirkliche" als „unmittelbare Einzelheit". Das andere Extrem bezeichne dagegen eine „abstrakte Allgemeinheit" oder „allgemeine Bestimmtheit". Bei der Bestimmtheit soll es sich nicht um irgendein zufälliges Merkmal, sondern um den „wesentlichen Unterschied" oder die „spezifische Differenz" der Gattung handeln (119). Im kategorischen Schluss wird ein einzelnes Wirkliches durch seine Gattung mit einer allgemeinen Wesensbestimmung zusammengeschlossen, genau wie es in dem Standardbeispiel der Fall ist. Mit dem wesentlichen Unterschied meint Hegel hier offensichtlich nicht die spezifische Differenz im üblichen Sinn. Gewöhnlich versteht man unter der spezifischen Differenz dasjenige Merkmal, das einen Gegenstand einer Art von den Gegenständen anderer Arten unterscheidet, die derselben Gattung angehören. Nach

196

Die Entwicklung des Schlusses

dem herkömmlichen Verständnis wäre die spezifische Differenz etwa des Menschen als eines lebendigen Wesens die Vernunft. Im Definitions-Kapitel schreibt Hegel selbst: „Diesen Unterschied hat der Gegenstand an der spezifischen Differenz, welche ihn zu der bestimmten Art macht und welche seine Disjunktion gegen die übrigen Arten begründet" (210). Anders als bei der Definition geht es im kategorischen Schluss jedoch

nicht um die Unterscheidung des Einzelnen von anderen Arten von Gegenständen derselben Gattung, sondern um die Bestimmung seiner wesentlichen Merkmale überhaupt. Dazu zählen im Fall des Menschen neben der Vernunft auch die Lebendigkeit und die Sterblichkeit oder die Sinnlichkeit und die Sittlichkeit. Das Ausschlaggebende ist, dass die gewählte Bestimmung dem Gegenstand mit Notwendigkeit, das heißt kraft seiner Natur zukommt. Die notwendige Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat findet ihren Niederschlag in den Formen des Urteils und des Schlusses der Notwendigkeit. Wie bei dem Obersatz des Schlusses der Allheit um ein Urteil der Reflexion, so soll es sich bei den Prämissen des kategorischen Schlusses um kategorische Urteile handeln. „Der kategorische Schluss hat das kategorische Urteil zu einer oder zu seinen beiden Prämissen" (119). Was den Untersatz angeht, bedarf die Behauptung keiner langen Erörterung. In ihm wird die unmittelbare Einzelheit mit der objektiven Allgemeinheit verbunden. Der Untersatz ,Gaius ist ein Mensch' entspricht genau dem kategorischen Urteil ,die Rose ist eine Pflanze'. Weniger klar liegt der Fall bei der anderen Prämisse, dem Obersatz ,der Mensch ist sterblich'. Hier handelt es sich um den in der Urteilslehre nicht diskutierten Fall, dass die Gattung als Subjekt und der wesentliche Unterschied als Prädikat fungiert. Auch eine solche Verbindung der objektiven mit der abstrakten Allgemeinheit erachtet Hegel offenbar als ein kategorisches Urteil. Aus den beiden Prämissen ergibt sich der gewünschte Schluss. Wenn ein Mensch zu sein die Natur des Gaius und sterblich zu sein im Wesen des Menschen gelegen ist, dann ist Gaius notwendigerweise sterblich. Mit dem bisher Gesagten sind wir zwar der Funktion, aber nicht der Bedeutung des mittleren Terms näher gekommen. Hegel selbst spricht von der Mitte als der „inhaltsvollen Identität" der Extreme (120). Das heißt, das einzelne Wirkliche und die allgemeine Bestimmtheit unterscheiden sich zwar der Form, aber nicht dem Inhalt nach. Bleibt man bei dem Standardbeispiel, stellt sich sofort die Frage, inwiefern das Subjekt ,Gaius' und das Attribut ,sterblich' denselben Inhalt haben sollten. Die Ausführungen Hegels lassen sich sinnvoll nur so verstehen, dass es sich bei dem einen ebenso wie bei dem anderen um eine Gegebenheitsweise der Gattung ,Mensch' handelt. Dass eine solche Interpretation nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, lässt sich an dem Umstand ablesen, dass Hegel sowohl die unmittelbare Einzelheit als auch die abstrakte Allgemeinheit mit der „Akzidentalität" der Substanz in Verbindung bringt. Das einzelne Wirkliche nennt Hegel die „in die Form für sich seienden Bestehens zusammengefasste Akzidentalität", die allgemeine Bestimmtheit „die Akzidentalität der Substanz in die einfache Bestimmtheit [...] zusammengefasst" (119). In dem konkreten Individuum wie

DIE SUBSTANTIELLE IDENTITÄT DER TERME

197

in dem bestimmten Attribut tritt das objektive Allgemeine in je unterschiedlicher Weise in Erscheinung. An der Stelle gerät die Anwendbarkeit des Standardbeispiels sichtbar an ihre Grenzen. Denn selbst jemand, der zuzugestehen bereit wäre, dass das Subjekt ,Gaius' eine Form des für sich seienden Bestehens der Gattung des Menschen darstellt, wird die Bestimmtheit der Gattung kaum in dem Prädikat ,sterblich' zusammengefasst finden. Hegel ist sich dessen durchaus bewusst. Wie wir gleich sehen werden, haftet deshalb auch dem kategorischen Schluss ein Rest von Zufälligkeit an. Lässt man indes das Beispiel fallen, ergeben sich interessante Einsichten im Blick auf die Verfassung des hegelschen Begriffs. Der Anhaltspunkt liegt einmal mehr in der Unterscheidung zwischen Inhalt und Form. Im reinen Denken kommen als die „Inhaltsbestimmungen" der Mitte nur die „Formbestimmungen" der Extreme in Frage (119). Das objektive Allgemeine ist dem Inhalt nach als die Einheit der unmittelbaren Einzelheit und der abstrakten Allgemeinheit bestimmt. Zur Erläuterung der These von der inhaltsvollen Identität zweier formal Verschiedener mag es hilfreich sein, an eines der aus der Gestaltpsychologie bekannten Vexierbilder zu erinnern. So kann man in der von Wittgenstein „H-E-Kopf genannten Kippfigur sowohl einen Hasen- als auch einen Entenkopfsehen. In beiden Fällen hat man es mit ein und derselben Gestalt zu tun. Der Effekt der Umkehrung ergibt sich nicht, weil bestimmte Teile des Bildes übersehen oder falsch gedeutet würden, sondern dasselbe Bild stellt zwei ganz verschiedene Gegenstände dar, nämlich einen Hasen und eine Ente.21 Kehren wir zu den Ausführungen Hegels über den kategorischen Schluss zurück. Wie die Kippfigur als Hase und als Ente, so erscheint der Begriff das eine Mal als das unmittelbare Einzelne und das andere Mal als das abstrakte Allgemeine. Die Mitte des Schlusses vertritt die Identität der beiden Extreme. Hegel geht in seiner Überlegung allerdings einen Schritt weiter. Die Einsicht, dass es sich bei Hase und Ente gleichsam um die zwei Seiten derselben Medaille handelt, liegt auf einer anderen Ebene als die Wahrnehmung der Figur als das eine von beiden. Die Verfassung des hegelschen Begriffs hat man sich hingegen so klar zu machen, dass die Einheit der beiden Extreme eine dritte Bestimmung darstellt, in der das Ganze genauso unmittelbar erscheint wie in den anderen beiden. Hegel schreibt in Bezug auf den kategorischen Schluss: „Die Termini stehen nach dem substantiellen Inhalt in identischer, als an und für sich seiender Beziehung aufeinander; es ist ein die drei Términos durchlaufendes Wesen vorhanden, an welchem die Bestimmungen der Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit nur formelle Momente sind" (GW 12, 120). Die Terme des Schlusses entsprechen drei Weisen, wie der Begriff als solcher gegeben sein kann. Statt von Gegebenheitsweisen spricht Hegel von den Momenten des Be21

Vgl. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen. Kritisch-genetische Edition, hg.

Joachim Schulte, Frankfurt a. M. 2001, 1025-1029.

v.

198

Die Entwicklung des Schlusses

Zu ihrer Bezeichnung greift er auf die traditionellen Bestimmungen des Eindes Besonderen und des Allgemeinen zurück. Anders als die herkömmliche Lozelnen, gik gebraucht Hegel die Ausdrücke aber nicht einfach als Bestimmungen der Quantität. Sie beziehen sich nicht auf den Umfang von Begriffen oder Urteilen, sondern bezeichnen die verschiedenen Bestimmungen des Begriffs als solchen. Am Ende der Objektiven Logik schildert Hegel die Selbstunterscheidung der absoluten Substanz in die Momente des Begriffs. Da in jedem Moment „das Ganze" erscheint, handelt es sich um „drei Totalitäten", die zusammen „eine und dieselbe Reflexion" bilden (GW 11, 409).

griffs.

5. Die

Zufälligkeit des kategorischen Schlusses

Was die Wahrheit der Konklusion betrifft, ist in dem kategorischen Schluss aufgrund der substantiellen Identität der Terme jeder Zufall ausgeschlossen. Als Mensch kann Gaius nicht zufälligerweise unsterblich oder unsittlich sein. Doch damit nicht genug. Insofern es sich bei dem objektiven Allgemeinen um die Natur des Gaius handelt, kann er auch nicht zufälligerweise etwas anderes als ein Mensch sein. Die Zugehörigkeit des konkreten Einzelnen zu seiner Gattung ist eine ebenso notwendige Beziehung wie das Verhältnis der Gattung zu ihren Merkmalen. Das ist deshalb wichtig, weil es ein mögliches Missverständnis der Schlusslehre Hegels auszuräumen erlaubt. Der kategorische Schluss darf nicht einfach als die Analyse des mittleren Terms verstanden werden. Es geht nicht bloß darum, dass der Begriff des Menschen das Merkmal ,sterblich' enthält, und dass jedem Gegenstand die Merkmale des Begriffs zukommen, unter den er fällt.23 Es geht, wenn man so will, nicht um die Notwendigkeit de dictu, sondern um die Notwendigkeit de re der Beziehung sowohl des Einzelnen auf seine Gattung als auch der Gattung auf ihre Bestimmungen. Trotz der substantiellen Identität der Terme trägt der kategorische Schluss den Charakter des Zufälligen. Der Schluss ist zwar in dem Sinn notwendig, dass die Konklusion mit Gewissheit gilt. Nichtsdestoweniger erachtet Hegel die unmittelbare Einzelheit und die abstrakte Allgemeinheit gemessen an der Gattung für etwas Zufälliges. „Das Subjektive des Schlusses besteht in dem gleichgültigen Bestehen der Extreme gegen den Begriff oder die Mitte." Die Zufälligkeit schlägt sich in gleich dreifacher Weise nieder. Erstens enthält die Gattung mehr als das eine Individuum, von dem im Untersatz die 22 In ähnlicher Weise sind das Sein und das Nichts die „Momente" der Einheit des Werdens (GW 11, 56), das Ansichsein und das Sein-für-Anderes die „Momente" des Daseins bzw. des Etwas (GW 11, 63), die Schranke und das Sollen die „Momente" des Endlichen (GW 21, 120) usw. Zum Ursprung des Begriffs ,Moment' in der Hebeltheorie vgl. Paul Ziehe, Mathematische und naturwissenschaftliche Modelle in der Philosophie Schellings und Hegels, Stuttgart-Bad Cannstatt 1996, 240-271. 23 So lautet Kant zufolge das Prinzip der kategorischen Vernunftschlüsse: „Was dem Merkmal einer Sache zukommt, das kommt auch der Sache selbst zu" (Logik Jäsche, § 63 [AA IX, 123]; vgl. Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren, § 2 [AA II, 49]). -

DIE SUBSTANTIELLE IDENTITÄT DER TERME

199

Rede ist. „Unter derselben stehen noch andere, unbestimmt viele Einzelne; es ist daher zufällig, dass nur dieses Einzelne darunter als subsumiert gesetzt ist." Zweitens weist das Einzelne seinerseits Merkmale auf, die unwesentlich für seine Zugehörigkeit zu der Gattung sind. „Indem das Subjekt ein unmittelbares Einzelnes ist, enthält es Bestimmungen, welche nicht in der Mitte als der allgemeinen Natur enthalten sind." Mit der Bemerkung hebt Hegel auf den Unterschied zwischen essentiellen und kontingenten Merkmalen ab. So besitzt Gaius beispielsweise rote Haare und ist befreundet mit Tullia. Das dritte Einfallstor des Zufalls ist der Umstand, dass die Gattung über mehr Wesensmerkmale verfügt, als ihr in dem Obersatz zugeschrieben werden. Der Mensch ist zum Beispiel nicht nur sterblich, sondern auch ein sinnliches Wesen. Daher hat das Allgemeine „gleichfalls die Bestimmung der Unmittelbarkeit, somit eines zufälligen Seins gegen seine Mitte" (GW 12, 120 f.). Die Zufälligkeit des kategorischen Schlusses kommt dadurch zustande, dass weder das unmittelbare Einzelne noch das abstrakte Allgemeine den Begriff der Gattung erschöpfen. Daher erweist sich auch der kategorische Schluss als eine Form, die ihrem Inhalt nicht entspricht. Die Unstimmigkeit zwischen dem Inhalt und der Form nimmt Hegel zum Anlass für den Übergang zum hypothetischen Schluss. Ähnlich wie bei dem Übergang von der ersten zur zweiten Figur geht es nicht darum, den Zufall zum Verschwinden, sondern in der neuen Form des Schlusses zum Ausdruck zu bringen. Gemäß der dialektischen Methode führt Hegel den hypothetischen Schluss als die ,Wahrheit' des kategorischen Schlusses ein.24 Zu dem Zweck zieht er das folgende Resümee: „Was hiermit im kategorischen Schluss gesetzt ist, sind einerseits Extreme in solchem Verhältnis zur Mitte, dass sie an sich objektive Allgemeinheit oder selbständige Natur haben und zugleich als Unmittelbare sind, also gegeneinander gleichgültige Wirklichkeiten. Andererseits

aber sind sie ebenso sehr als zufällige oder ihre Unmittelbarkeit als tität bestimmt" (GW 12, 121).

aufgehoben in ihrer Iden-

In den zitierten Sätzen nennt Hegel die beiden Aspekte, unter denen der kategorische Schluss betrachtet werden kann. Die eine Seite entspricht dem Aspekt des Zufalls. Trotz ihrer substantiellen Identität erscheinen die Extreme des kategorischen Schlusses als die unmittelbare Einzelheit und die abstrakte Allgemeinheit. Keines von ihnen erschöpft den Begriff der Gattung. Gegeneinander gleichgültig sind die Extreme insofern, als auch ein anderes Einzelnes mit einem anderen Allgemeinen zusammengeschlossen werden könnte. Die zweite Seite, von der Hegel in dem Zitat spricht, ist die Aufhebung des Zufalls und der Unmittelbarkeit. Insofern die Extreme in der notwendigen Beziehung zu dem objektiven Allgemeinen stehen, unterliegen sie dem notwendigen Zusammenhang der Gattung. Die beiden Aspekte der Unmittelbarkeit der Extreme einerseits und ihrer notwendigen Beziehung andererseits kommen Hegel zufolge in den beiden Prämissen 24 Die Formel dafür habe (GW 12, 121).

lautet, dass sich der Schluss der Notwendigkeit zum hypothetischen „bestimmt'

200

Die Entwicklung des Schlusses

des hypothetischen Schlusses zum Ausdruck. In welcher Weise das geschieht und was sich daraus in Bezug auf die Natur des Begriffs ergibt, soll uns als Nächstes beschäf-

tigen.

HEGELS ONTOLOGISCHES ARGUMENT

§

201

Hegels ontologisches Argument

12

Entwicklung des Schlusses dient nicht dem Zweck der Einführung eines bestimmRepertoires von Formen des subjektiven Denkens. Methodisch gesehen geht es Hegel vielmehr um die Wahrheit' der Form des Schlusses und des formellen Begriffs überhaupt. Der systematische Ausgangspunkt der hier vorgelegten Interpretation der Schlusslehre ist die aus der Funktion des mittleren Terms sich ergebende Frage nach seiner Bedeutung. Das bisherige Ergebnis lautet, dass die Mitte des Schlusses weder als eine einfache Qualität noch als eine Klasse von Gegenständen, sondern als .objektives Allgemeines' oder ,Gattung' aufgefasst werden muss. Verstünde Hegel darunter nur einen Allgemeinbegriff in dem üblichen Sinn, wäre an der Behauptung wenig Bemerkenswertes. Was seine Logik indes auszeichnet, ist die mit dem Konzept der objektiven Allgemeinheit verbundene besondere Art von Identität. Sie findet sich exemplarisch im Bereich des Lebendigen als das Verhältnis einer Gattung zu ihren Individuen. Eine vergleichbare Art von Identität herrscht Hegel zufolge zwischen den Termen des Schlusses. Jeder der Terme bezeichnet eine Bestimmung, worin der Begriff als ganzes erDie

ten

,

scheint.

kategorischen Schluss vertritt der Mittelbegriff das objektive Allgemeine oder die Gattung, während sich die beiden Extreme auf ein einzelnes Individuum und auf ein allgemeines Merkmal der Gattung beziehen. Wie wir gesehen haben, betrachtet Hegel den kategorischen Schluss deshalb als noch immer dem Zufall unterworfen. Es ist gleichgültig, welches Individuum und welches Merkmal zusammengeschlossen werden. Daraus folgt für Hegel, dass die von ihm so genannte substantielle Identität des Inhalts nicht „zugleich als Identität der Form" in Erscheinung tritt (GW 12, 120). Das ändert sich mit dem hypothetischen und dem disjunktiven Schluss. Wie ich im Folgenden zeigen möchte, dienen die beiden letzten Formen des Schließens der weiteren Explikation der Verfassung des Begriffs. Auf den letzten Seiten der Schlusslehre entfaltet Hegel die provozierende These, dass sich der Begriff nicht nur in seinen Momenten negativ auf sich selbst bezieht, sondern als ein real existierendes Selbständiges angesehen werden muss. Er spricht von der ,Objektivität' des Begriffs oder von dem Begriff als ,Objekt'.1 Die reale Existenz des Begriffs soll sich aus der Entwicklung des Schlusses ergeben. Hegel nennt den Übergang auch die „Realisierung des Begriffs" (E § 193) und schließt ausdrücklich an den ontologischen Gottesbeweis Anselm von Canterburys und DesIm

cartes'

an.

1 Das erste ist die Überschrift des betreffenden Abschnitts in der in der Enzyklopädie.

Wissenschaft der Logik, das zweite

202 1.

Die Entwicklung des Schlusses

Hegel und die philosophische Theologie

Wenn ich im Blick auf den letzten Teil der Schlusslehre von dem ontologischen ArguHegels spreche, gilt es das Missverständnis fernzuhalten, Hegel habe an der Stelle einen Gottesbeweis führen wollen. Er selbst drückt sich vorsichtig so aus, dass der Übergang von der Subjektivität zur Objektivität „seiner Bestimmung nach" dasselbe sei, was in der herkömmlichen Metaphysik „als der so genannte ontologische Beweis vom Dasein Gottes vorkam" (GW 12, 127). Die Vorsicht ist aus zweierlei Gründen angebracht. Einerseits muss erst geklärt werden, wie sich der objektive Begriff Hegels und der Begriff Gottes zueinander verhalten. Andererseits bemängelt Hegel die Form, in der das ontologische Argument üblicherweise vorgebracht wurde und in der es die berechtigte Kritik Kants auf sich gezogen hatte. Daher halte ich es für angeraten, vorab etwas über Hegels Verhältnis zur philosophischen Theologie zu sagen. Bekanntlich bildete die Theologie einen Teil der traditionellen Metaphysik, in deren Nachfolge Hegel mit der Wissenschaft der Logik zu treten beansprucht. Der Begriff des Absoluten, von dem Hegel so reichen Gebrauch macht, trägt unübersehbar theologische Konnotationen.3 Hegel schreibt, der Inhalt sei „die Wahrheit selbst", und fährt fort: „Man kann sich deswegen ausdrücken, dass dieser Inhalt die Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist" (GW 11, 21). Nimmt man Hegel beim Wort, dann erfordert die metaphysische Erkenntnis Gottes also keinen eigenen, von der Logik getrennten Beweisgang. Etwas anderes als Logik und Metaphysik ist die Philosophie der Religion, mit deren Ausarbeitung Hegel schon in Jena begann. Im Religions-Kapitel der Phänomenologie des Geistes schildert er die Religionsgeschichte als die stufenweise Ausbildung des religiösen Bewusstseins. In seinen Berliner Vorlesungen ordnet er den einzelnen Stadien jeweils einen bestimmten Gottesbeweis zu. So sollen der kosmologische Beweis der natürlichen und der physikotheologische der römischen Religion entsprechen. Den ontologischen Beweis reserviert Hegel für das Christentum als die „vollendete Religion". Den Ausschlag dazu gibt weniger der dogmatische Gehalt der christlichen Theologie etwa die Lehren von den drei göttlichen Personen oder von der Menschwerdung Gottes als der in Hegels Augen dem Christentum zugrunde liegende „metaphysische ment

-

-

2 Die schon zu Hegels Lebzeiten umstrittene Frage nach der Orthodoxie seiner theologischen Ansichten bleibt im Folgenden unberührt. 3 In der Enzyklopädie gibt Hegel die logischen Bestimmungen „als Definitionen des Absoluten, als die metaphysischen Definitionen Gottes" aus (E § 85). Des ungeachtet ist die „wahrhafte Natur Gottes" und die „höchste Definition des Absoluten" nicht die Idee, sondern der Geist (vgl. GW 11, 368 und E § 384 Anm.). 4 In § 1 der Enzyklopädie erklärt Hegel, die Philosophie teile ihren Gegenstand mit der Religion: „Beide haben die Wahrheit zu ihrem Gegenstand, und zwar im höchsten Sinn in dem, dass Gott die Wahrheit und er allein die Wahrheit ist" (E § 1). 5 Vgl. zum Folgenden Walter Jaeschke, Die Vernunft in der Religion. Studien zur Grundlegung der Religionsphilosophie Hegels, Stuttgart-Bad Cannstatt 1986, 279 ff. und 309 ff. -

203

Hegels ontologisches Argument

Begriff Gottes. Während Gott konkret als Geist bestimmt werden muss, ist der abstrakBegriff Gottes die absolute Idee, verstanden als die Einheit des Begriffs und der Realität. „Diese abstrakte Bestimmung ist es, welche der Metaphysik beim so genannten ontologischen Beweis vom Dasein Gottes vorschwebt." Wenn demnach das Christentum mit dem ontologischen Beweis und der ontologische Beweis mit dem Begriff Gottes als der absoluten Idee zu tun hat, dann gehört der abstrakte Begriff der christlichen Religion der Sache nach in die Wissenschaft der Logik. Daher kann es auch nicht verwundern, dass Hegel bei der Erörterung des ontologischen Arguments am Anfang des dritten Teils der Vorlesungen über die Philosophie der Religion nicht über das in der Logik Gesagte hinausgeht. Im Sommersemester 1829 hielt Hegel neben seinem Kolleg über Logik und Metaphysik nur eine einstündige Privatvorlesung Über die Beweise vom Dasein Gottes. Den Beweggrund bildete einerseits sein geschwächter Gesundheitszustand, andererseits die sachliche Nähe zur Logik. Außerdem spricht einiges dafür, dass Hegel das Manuskript im Blick auf eine spätere Veröffentlichung als Buch abfasste.7 Damit hätte er die Ankündigung aus dem dritten Teil der Wissenschaft der Logik eingelöst, bei einer anderen Gelegenheit „den vielfachen Missverstand, der durch den logischen Formalismus in den ontologischen sowie in die übrigen so genannten Beweise vom Dasein Gottes gebracht te

worden ist, wie auch die kantische Kritik derselben näher zu beleuchten und durch Herstellen ihrer wahren Bedeutung die dabei zugrunde liegenden Gedanken in ihren Wert und [ihre] Würde zurückzuführen" (GW 12, 129). Hegel beginnt die Vorlesungen über die Gottesbeweise mit der Bemerkung, sie bildeten eine „Art von Ergänzung" zu dem Kolleg über die Logik. Bei den Gottesbeweisen handle es sich um „eine eigentümliche Gestalt von den Grundbestimmungen der Logik". Zugleich warnt er davor, das Verhältnis zwischen der Logik und der Philosophie der Religion als eines der Form zum Inhalt oder der Methode zur Anwendung zu verstehen. Das Logische sei „nicht bloß die formelle Seite", sondern es stehe „im Mittelpunkt des Inhalts" der Religion (GW 18, 228).8 Deshalb bedeutet die Identifikation des metaphysischen Begriffs des Christentums mit der absoluten Idee für Hegel keine Verfälschung. Was die Wissenschaft der Logik angeht, lässt sich zweierlei feststellen. Auf der einen Seite führt Hegel eine Art ontologischen Gottesbeweis, indem er durch reines Denken 6 Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion, in: Vorlesungen, Bd. 5, 5 ff. 7 Vgl. den editorischen Bericht in: GW 18, 398 ff. Hegels Manuskript ist bedauerlicherweise über den kosmologischen Beweis nicht hinausgekommen. Die Vorlesungen enden mit dem Begriff des absolut notwendigen Wesens als dessen Resultat (vgl. GW 18, 307). 8 Auch in der Wissenschaft der Logik betont Hegel, zwischen dem „logischen Verlauf der Objektivierung des Begriffs" und dem Gottesbeweis bestehe „in Wahrheit nicht das Verhältnis einer Anwen-

dung" (GW 12, 129).

9 „Der traditionelle ontologische Beweis ist für Hegel nichts als eine verstandesmäßige Explikation der absoluten Idee. Und nicht der ontologische Beweis in seiner traditionellen Form, sondern die absolute Idee ist der metaphysische Begriff der christlichen Religion" (Jaeschke, Die Vernunft in der Reli-

gion, 311).

204

Die Entwicklung des Schlusses

das real existiert. Auf der anderen Seite kritisiert er die herkömmliche, seines Erachtens verfehlte Auffassung vom Begriff Gottes und von der Natur des Schlusses auf seine Existenz. Zum ersten Mal erwähnt Hegel den Beweis in den Anmerkungen zum ersten Kapitel der Lehre vom Sein. Dort verteidigt er seine These von der Identität des Seins und des Nichts mit dem Hinweis, sie dürfe nicht auf ein konkretes Etwas angewendet werden. Denn sobald man sich in der Sphäre des Daseins bewege, bestehe ein „realer Unterschied" zwischen Sein und Nichts. Es sei offenkundig nicht dasselbe, „ob ich bin oder nicht bin, ob dieses Haus ist oder nicht ist, ob diese hundert Taler in meinem Vermögenszustand sind oder nicht". Eben darauf ziele Kants Feststellung, „dass die Existenz keine Eigenschaft oder kein reales Prädikat sei, das heiße nicht ein Begriff von etwas, was zu dem Begriff eines Dings hinzukommen könne" (GW 11, 46 ff.).1 Die kantische Kritik des ontologischen Arguments erfolgte insofern mit einem gewissen Recht, als die philosophische Theologie einen bestimmten Begriff Gottes voraussetzt, nämlich den Begriffeines Wesens, dem alle ,Realitäten' zukommen.11 Im zweiten Kapitel der Seinslogik geht Hegel auf die mit dem „vormaligen metaphysischen Begriff von Gott" verbundenen Schwierigkeiten ein. Um Gott nicht als etwas erscheinen zu lassen, das widersprüchliche Eigenschaften in sich vereint, sei der Ausdruck Realität' rein affirmativ verstanden worden. Dagegen wendet Hegel ein, mit dem Wegfall jeder Negation gehe auch alle Bestimmtheit der Realität verloren. Der „Inbegriff aller Realitäten" bleibe deshalb leer (64 f.). Während in der Lehre vom Sein die kritischen Töne überwiegen, stellt Hegel in der Wesens- und Begriffslogik die verdienstvolle Seite des ontologischen Gottesbeweises heraus. Das geschieht anlässlich des Übergangs vom Grund zur Existenz sowie von der Subjektivität zur Objektivität. Sowohl unter der Existenz als auch unter der Objektivität versteht Hegel Formen der Unmittelbarkeit, die aus der Aufhebung einer bestimmten Weise der Vermittlung hervorgehen. Die Vermittlung erfolgt im ersten Fall durch die Bestimmung des Wesens als Grund, im zweiten Fall durch die Form des Schlusses. Aus Platzgründen kann ich auf den Gedankengang des ersten Abschnitts der Wesenslogik hier nicht näher eingehen. Für meine Zwecke genügt es festzuhalten, dass der Existenz die vermittelnde Bestimmung des Grundes vorausgeht.1 In dem Zusammen-

den

Begriff eines Absoluten entwickelt,

,

10 Bereits in dem Aufsatz über das Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie polemisiert Hegel gegen die „unendliche Selbstgefälligkeit", mit der seit Kant auf den Gegensatz zwischen Denken und Sein gepocht werde (GW 4, 223). In der Enzyklopädie spricht er von einer „trivialen Bemerkung". Die hundert Taler „einen Begriff zu nennen", bezeichnet Hegel als „Barbarei" (E § 51 Anm.). 11 Über die eigentliche Stoßrichtung von Kants Kritik nämlich dass der Inbegriff aller Realitäten informiert Dieter Henrich, Der zur Explikation des Begriffs des notwendigen Wesens ungeeignet ist ontologische Gottesbeweis. Sein Problem und seine Geschichte in der Neuzeit, Tübingen 1960, 139— 178. 12 Zu den verschiedenen Formen der Unmittelbarkeit vgl. GW 11, 324 und 12, 130 sowie E § 142 Anm. 13 Die Existenz ist die „durch Grund und Bedingung vermittelte und durch das Aufheben der Vermittlung mit sich identische Unmittelbarkeit" (GW 11, 322). Vgl. zu dem Kapitel über den Grund -

-

-

205

Hegels ontologisches Argument

hang erwähnt Hegel die „Beweise von der Existenz Gottes". Seines Erachtens wird an der Erscheinung des Wesens und an dem Übergang vom Grund zur Existenz die „Natur der Vermittlung überhaupt" deutlich. Die Vermittlung darf nicht als etwas rein Äußerliches begriffen werden, sondern muss in die Bestimmung der Existenz eingehen. Hegel spricht metaphorisch vom „Zugrundegehen der Vermittlung" als dem „Grund, aus dem das Unmittelbare hervorgeht" (324 ff). In der Anwendung auf die Gottesbeweise bedeutet das über den Grund und die Existenz Gesagte, dass der „Grund für die Erkenntnis [...] in dem Gegenstand, der zunächst als begründet dadurch erscheint, verschwindet". Auf die Weise will Hegel einem doppelten Irrtum wehren. Es wäre erstens falsch zu meinen, die Vermittlung die im Fall des ontologischen Beweises durch den Inbegriff aller Realitäten erfolgen soll sei „ein bloß Subjektives". Im Gegenteil kommt es für Hegel darauf an zu sehen, „dass und wie" die vermittelnde Bewegung „im Wesen selbst ist". Demnach wäre es zweitens ebenso falsch, die Existenz „bloß als Unmittelbares" zu betrachten (325). Sobald man -

-

die Existenz Gottes für etwas Unmittelbares halte, drohe sie als nur noch im Glauben zugänglich angesehen zu werden. Die Rede von der Aufhebung der Vermittlung schließt also den Beweis nicht aus. Der Beweis muss freilich so verstanden werden, dass die Existenz, die aus ihm hervorgeht, ihren Grund und ihr Wesen in sich selbst hat. Solange die Vermittlung nicht als etwas in der Sache selbst Gelegenes erkannt wird, bleibt der Beweis wertlos. Anlässlich des Übergangs von der Subjektivität zur Objektivität kommt Hegel erneut auf das ontologische Argument zu sprechen. An der Stelle fällt zum ersten Mal der Name Descartes. Hegel rühmt als dessen „erhabensten Gedanken", dass Gott dasjenige In der Schlusslehre der sei, „dessen Begriff sein Sein in sich schließt" (GW 12, erwähnt außerdem Anselm von enzyklopädischen Logik Hegel Canterbury als den Bedes zitiert Er die Schlüsselsätze aus dem Proslogion, gründer ontologischen Arguments. in denen Anselm zeigen will, dass Gott unmöglich nur „in unserem Denken" sein könne. Hegel verteidigt zwar den Begriff Gottes als des Vollkommensten. In ihm zeige sich die „spekulative Identität" des Begriffs mit dem Objekt. Zugleich aber bemängelt Hegel, Anselm habe die Einheit beider nur „vorausgesetzt" (E § 193 Anm.). Die Voraussetzung liegt in den Prämissen des Beweises, in denen zunächst Gott als der Inbegriff aller Realitäten bestimmt und dann das Sein als eine der Realitäten angenommen wird.15 Mit dem Übergang des formellen Begriffs zur Objektivität meint Hegel über ein Argument zu verfügen, das frei von den Schwächen des traditionellen Gottesbeweises

127).14

Klaus J. Schmidt, G. W. F. Hegel: Wissenschaft der Logik Die Lehre vom Wesen. Ein einführender Kommentar, Paderborn 1997, 81-132. 14 Im Vorbegriff der enzyklopädischen Logik zitiert Hegel Descartes' These, dass in der Idee Gottes die notwendige Existenz enthalten sei (vgl. E § 76 Anm. und Descartes, Principia Philosophiae, I, 15 -

[AT VIII-1, 10]). 15 Der ontologische

Beweis hätte danach in etwa die Form: ,Gott ist der Sein ist eine Realität. Also ist Gott'.

Inbegriff aller

Realitäten.

206

Die Entwicklung des Schlusses

ist. Deren

Ursprung liegt für Hegel in der verfehlten Sicht des Beweises als etwas einseitig Subjektiven. Dabei werden Begriffe, Urteile und Schlüsse in der für den Verstand typischen Weise aufgefasst. Der Begriff gilt als „abstrakte Allgemeinheit" und das Urteil als die „Bestimmung eines Gegenstands durch Prädikate". Dem entsprechend bleibt die Auffassung des Beweises bei der „schlechten Form des formalen Schlusses" stehen (GW 12, 127 f.). Eine unüberwindliche Schwierigkeit ergibt sich dann, wenn das Sein Gottes, wie das Beispiel der hundert Taler nahe legt, „im Kontext der äußeren Erfahrung oder in der Form der sinnlichen Wahrnehmung" gesucht wird. In dem Fall droht eine einseitige Sicht nicht nur des Erkennens, sondern auch des Erkannten. „Wenn ein Philosophieren sich beim Sein nicht über die Sinne erhebt, so gesellt sich dazu, dass es auch beim Begriff nicht den bloß abstrakten Gedanken verlässt; dieser steht dem Sein gegenüber" (129). Solange man sich in der Sphäre der sinnlich wahrnehmbaren Dinge bewegt, erscheinen Denken und Sein als prinzipiell voneinander Getrennte.

Die

Überwindung der einseitigen Auffassung von Begriff, Urteil und Schluss ist das

sich Hegel in der Wissenschaft der Logik zugute hält. Das andere ist die Klärung, „was denn das Sein oder Dasein selbst ist" (128). Die Frage verweist auf den Anfang, an dem das reine Sein als das „unbestimmte Unmittelbare" gestanden hatte (GW 11, 43). Der Hinweis auf das Sein vom Anfang bereitet einen Gedanken vor, mit dem Hegel die Überlegenheit seines Arguments gegenüber dem ontologischen Gottesbeweis sichtbar machen will. „Das Sein, als die ganz abstrakte, unmittelbare Beziehung auf sich selbst, ist nichts anderes als das abstrakte Moment des Begriffs, welches abstrakte Allgemeinheit ist, die auch das, was man an das Sein verlangt, leistet, außer dem Begriff zu sein" (GW 12, 128). Mit der abstrakten Allgemeinheit meint Hegel das Moment der Besonderheit des Begriffs. Im Begriffs-Kapitel erklärt er die Besonderheit so, dass die „Bestimmtheit" dem ursprünglichen Moment der „Allgemeinheit" gegenübertritt.16 Demnach findet sich ein der Trennung von Denken und Sein verwandter Gegensatz innerhalb des Begriffs als solchen. Die Besonderheit ist „der Unterschied oder das abstrakte Urteil desselben, indem er sich selbst sich gegenüberstellt" (GW 12, 128). Diese Bemerkung soll nicht den Gedanken Anselms und Descartes' als letztlich trivial entlarven. Vielmehr will Hegel die Aufmerksamkeit auf den inneren Zusammenhang der Bestimmungen des Seins und des Denkens lenken. In derselben Absicht bringt er auch das dritte Moment des Begriffs ins Spiel: „Der Begriff, auch als formaler, enthält schon unmittelbar das Sein in einer wahreren und reicheren Form, indem er, als sich auf sich beziehende Negativität, Einzelheit ist" (GW 12,

eine,

was

128).17

16 „Die Bestimmtheit des Begriffs oder die Besonderheit ist wieder weiter nichts als die bestimmte Allgemeinheit. Der Begriff ist in ihr außer sich" (GW 12, 40). 17 Im Begriffs-Kapitel schreibt Hegel, durch die Einzelheit sei der Begriff „als sich selbst Gleiches hergestellt, aber in der Bestimmung der absoluten Negativität" (GW 12, 49).

HEGELS ONTOLOGISCHES ARGUMENT

207

Weder die zuerst genannte unmittelbare noch die zuletzt ins Spiel gebrachte negative Beziehung auf sich selbst bringen im Gedankengang der Logik etwas Neues.18 Indem Hegel an die bereits vorhandenen Bestimmungen erinnert, stellt er die Neuartigkeit der Kategorie der Objektivität heraus. Obwohl auch das Objektive etwas Unmittelbares darstellt, versteht Hegel unter der Objektivität mehr als unter dem Sein, dem Dasein oder der Existenz. Er beansprucht, ein dem herkömmlichen Gottesbeweis überlegenes Argument zu besitzen, denn im Unterschied zur Ontotheologie führt seine Überlegung zu einer begriffslogischen Bestimmung des Absoluten.19 Wie der genauere Blick auf den Sinn der Rede von der Objektivität des Begriffs freilich schnell deutlich macht, hat es Hegel dabei nicht auf irgendeine Art von kommunikationstheoretischem Paradigma abgesehen. Die These von der Realisierung des Begriffs bildet nicht den Rahmen einer Theologie der Offenbarung,20 sondern gehört in Hegels Metaphysik.

2. Die

Objektivität des Begriffs

Mit der Schlusslehre endet der erste Abschnitt der Subjektiven Logik. In ihm behandelt Hegel den Begriff als solchen, das Urteil und den Schluss als die Formen des subjektiven Denkens. Sie bilden die Themen der herkömmlichen formalen Logik und sind die Erscheinungsweisen des von Hegel so genannten „formellen" Begriffs. Der formelle Begriff bildet jedoch nur die eine Seite dessen, was Hegel den „adäquaten" Begriff oder die Idee nennt. Auf der anderen Seite steht der „objektive" Begriff oder die Objektivität (GW 12, 30). Darunter fallen der Mechanismus, der Chemismus und die Teleologie. Die Rede von der Objektivität des Begriffs ist einer Reihe von Missverständnissen ausgesetzt. Hegel selbst verwahrt sich gegen die „triviale" Auffassung, „dass Begriff und Objekt an sich identisch seien" (E § 193 Anm.). Die Ideenlehre beruht zwar auf der Einheit von Subjektivität und Objektivität, aber der Unterschied zwischen den beiden Momenten der Idee soll nicht einfach eingeebnet werden. Das bedeutet methodisch, dass der subjektive Begriff und das Objekt erst in der Rückschau, das heißt von der Idee aus betrachtet, als spekulative Einheit gelten können. Mit dem Übergang von der Subjekti18 Am Beginn der Ideenlehre erklärt Hegel rückblickend, bereits der Begriff als solcher besitze Realität. „Denn der unbestimmte Ausdruck Realität heißt überhaupt nichts anderes als das bestimmte Sein; dies aber hat der Begriff an seiner Besonderheit und Einzelheit" (GW 12, 176). 19 Wolfgang Albrecht weist zwar zu Recht daraufhin, dass es sich bei der „erfüllten Mitte" um den „hegelschen Begriff handelt (Hegels Gottesbeweis. Eine Studie zur „Wissenschaft der Logik", Berlin 1958, 87), geht dann aber mit keinem Wort auf den Übergang zur Objektivität ein. Stattdessen interpretiert er das Sein vom Anfang der Logik als die „hypostasierte Kopula" (vgl. 89-92). 20 So sieht es Michael Theunissen, dem zufolge in der Kopula des Urteils die begriffslogische Form der „Unmittelbarkeit des Daseins" wieder hervortritt. Als „kommunikative Freiheit" unterscheide sie sich von der die Seinslogik prägenden „Gleichgültigkeit" ebenso wie von der die Wesenslogik bestimmenden „Herrschaft" (vgl. dazu insgesamt Sein und Schein, 383—471, sowie die Diskussion in Fulda; Horstmann; Theunissen, Kritische Darstellung der Metaphysik, 40^16 und 80-106).

208

Die Entwicklung des Schlusses

Objektivität will Hegel dagegen lediglich zeigen, dass der Begriff eine Bedeutung angenommen hat, die es zu sagen erlaubt, man habe es mit etwas Objektivem zu vität

zur

tun.

Infolgedessen handelt der zweite Abschnitt der Subjektiven Logik nicht von irgendwelchen Objekten, sondern von der Objektivität des Begriffs.21 Trotzdem ist auf den ersten Blick alles andere als klar, was mit der Objektivität gemeint ist, zu der sich der formelle Begriff entwickeln soll. Wohl deshalb sieht sich Hegel in den beiden Fassungen der Logik zu einer ausführlicheren Erläuterung dieser Bestimmung genötigt. Er beginnt mit der Klarstellung, dass sich die Rede von der Objektivität auf nichts beziehe, das irgendeiner Art von Subjekt entgegengesetzt wäre. Dabei denkt Hegel an den „subjektiven Idealismus" Fichtes, in dem das Objekt als die „mannigfaltige Welt" gegolten habe, der das Ich gegenüberstehe. Ganz allgemein gesprochen bedeute das Objekt hier „einen Gegenstand überhaupt für irgendein Interesse und [irgendeine] Tätigkeit des Subjekts". Hegel hingegen will unter dem Objekt „das Anundfürsichseiende" verstanden wissen. Objektiv wäre also gerade nichts auf irgendein Subjekt Bezogenes, sondern etwas, das „ohne Beschränkung und Gegensatz" ist. Als Beispiele nennt Hegel „vernünftige Grundsätze" und „vollkommene Kunstwerke". Sie heißen in dem Sinn objektiv, dass sie nicht die Neigungen oder den Geschmack einer einzelnen Person widerspiegeln. Ähnlich verhält es sich mit der „Erkenntnis der Wahrheit", die „frei von Zutat subjektiver Reflexion" sein soll (GW 12, 131). Hegels Begriff der Objektivität unterscheidet sich von dem Fichte zugeschriebenen hauptsächlich darin, dass das Objektive nichts durch die Reflexion des Subjekts oder die Formen des Denkens Vermitteltes, sondern etwas Unmittelbares sein soll. Die in der Form des Schlusses gelegene Vermittlung ist verschwunden. Mit dem Übergang zur Objektivität hat der Begriff „die in seiner Selbstbestimmung gesetzte Vermittlung zur unmittelbaren Beziehung auf sich selbst aufgehoben". Die unmittelbare Selbstbeziehung ist die Einheit der verschiedenen Momente des Begriffs, der nicht mehr wie in der Form des Schlusses als in mehrere Terme getrennt, sondern als unmittelbares Ganzes erscheint. „Diese Unmittelbarkeit ist dadurch selbst unmittelbar und ganz vom Begriff durchdrungen, so wie seine Totalität unmittelbar mit seinem Sein identisch ist" (ebd.). Die unmittelbare Beziehung auf sich selbst teilt die Objektivität mit dem reinen Sein vom Anfang der Logik. Deshalb bringt Hegel den Übergang vom formellen Begriff zum Objekt mit dem ontologischen Gottesbeweis in Verbindung. Gleichwohl meint er, mehr geleistet zu haben als die philosophische Theologie, denn die Bestimmung der Objektivität sei „viel reicher und höher als das Sein oder Dasein des ontologischen Beweises" (129).22 21 Vgl. dagegen die Behauptung Rüdiger Bubners: „Aus der Subjektivität des Begriffs geht die Objektivität der Welt hervor" („Hegels Logik des Begriffs", 110). Tatsächlich geht die Welt allenfalls am Übergang zur Natur hervor, in dem Bubner nur noch die „Wiederholung" des Übergangs zur Objektivität sehen kann (116). 22 Die Objektivität übertrifft zwar das Sein, aber auch sie erfasst „noch nicht die göttliche Existenz" -

Hegels ontologisches Argument

209

Hinter der Behauptung steht die kategoriale Trennung, die Hegel zwischen verschiedenen „Formen der Unmittelbarkeit" vorgenommen hat. Die Unmittelbarkeit selbst bildet ähnlich wie die Negativität keine eigene logische Kategorie, sondern als unmittelbar bezeichnet Hegel alles das, was ohne den Bezug auf etwas anderes bestimmt ist. Die Unmittelbarkeit schließt die Vermittlung nicht aus, sondern verlangt ihre Aufhebung.23 Zu den Formen der Unmittelbarkeit gehören neben dem Sein und dem Dasein sowie der Objektivität die Bestimmungen der Existenz und der Wirklichkeit, dann die Substantialität und schließlich die abstrakte Allgemeinheit.24 Was die einzelnen Formen voneinander unterscheidet, ist die jeweilige Art der Vermittlung, aus der sie hervorgehen. Während zum Beispiel die Existenz aus der Kategorie des Grundes entsteht, ist die Objektivität „die Unmittelbarkeit, zu der sich der Begriff durch Aufhebung seiner Abstraktion und Vermittlung bestimmt" (130). Um das Argument der Schlusslehre zu würdigen, muss man sich also die Besonderheit der aus der begrifflichen Vermittlung hervorgegangenen Form der Unmittelbarkeit klar machen. Die für den formellen Begriff einschlägige Weise der Vermittlung ist der Schluss. Die Entwicklung des Schlusses führt zu seiner Aufhebung als einer Form des subjektiven Denkens. In der enzyklopädischen Logik erklärt Hegel den Sinn der Rede von der Objektivi-

ausgehend vom alltäglichen Sprachgebrauch. Er appelliert an „unsere gewöhnliche Vorstellung von dem, was Objekt genannt wird". Unter einem Objekt pflege man „nicht bloß ein abstraktes Seiendes oder existierendes Ding oder ein Wirkliches überhaupt zu verstehen, sondern ein konkretes, in sich vollständiges Selbständiges" (E § 193 Anm.). Umgangssprachlich am nächsten kommt dem die Weise, in der etwa bildende Künstler oder Immobilienmakler von einem Objekt sprechen. Ein Objekt ist ein in sich strukturiertes, abgeschlossenes Ganzes. Indem Hegel das Objekt etwas Selbständiges nennt, spielt er auf die Kategorie der Substanz und das Ende der Wesenslogik an. Dort hatte er die Selbständigkeit als die „unendliche negative Beziehung auf sich" bestimmt (E § 157). Wie der Begriff in seinen Momenten bezieht sich das Objekt in seinen Unterschieden auf sich selbst. Und wie in jedem Moment der Begriff als ganzes erscheint, kennzeichnet Hegel auch die Unterschiede des Objekts als „Totalitäten".26 Wie sich aus dem bisher Gesagten ergibt, betrachtet Hegel den subjektiven Begriff und das Objekt als in der gleichen Weise verfasst. Die Entwicklung des Schlusses muss tät'

als „die in der Idee scheinende Realität" (GW 12, 129). 23 Daher spricht Hegel bisweilen von der „vermittelten Unmittelbarkeit", so in Bezug auf die Quantität (vgl. GW 21, 166), auf die Bedingung (vgl. GW 11, 317) oder auf die Allgemeinheit (vgl. E § 12

Anm.). 24 Vgl.

GW 12, 130. In der enzyklopädischen Logik begnügt sich Hegel mit Sein, Existenz und Wirklichkeit (vgl. E § 193 Anm.). 25 Das wäre auch auf den Einwand Trendelenburgs zu entgegnen, wonach der Übergang zur Objektivität deshalb keine Schwierigkeit bereitet, weil der Begriff als die Wahrheit der Substanz „immer im Objektiven geblieben" sei (Logische Untersuchungen, II, 271). 26 Das Objekt ist „nicht nur wesenhafte, sondern in sich allgemeine Einheit, nicht nur reelle Unterschiede, sondern dieselben als Totalitäten in sich enthaltend" (E § 193 Anm.). -

210

Die Entwicklung des Schlusses

demnach ein Zweifaches leisten. Sie muss erstens die angegebene Verfassung an dem Mittelbegriff aufzeigen. Das ist durch die Feststellung der substantiellen Identität der Terme bereits im Ansatz geschehen. Die verbleibenden Formen des Schließens sollen dazu die Einsicht in die negative Beziehung der Terme befördern helfen. Zweitens muss am Ende die Aufhebung des Schlusses als einer Form des subjektiven Denkens stehen. Dem Erfordernis glaubt Hegel dadurch Genüge zu tun, dass sich der Begriff im hypothetischen und im disjunktiven Schluss erkennbar nur auf sich selbst und auf seine Unterschiede bezieht. Sowohl der Form als auch dem Inhalt nach erscheint der Begriff als ein in sich strukturiertes und negativ auf sich selbst bezogenes Ganzes. Genau das gilt Hegel als die Rechtfertigung dafür, den Begriff statt als eine Form des subjektiven Denkens als etwas Objektives anzusprechen.

3. Der hypothetische Schluss Nachdem in Umrissen klar ist, auf welches Ziel die Entwicklung des Schlusses zusteuert, können wir uns den letzten beiden Formen im Einzelnen zuwenden. Was zunächst den hypothetischen Schluss betrifft, entspricht er dem klassischen Modus ponens. Sein Schema lautet: „Wenn A ist, so ist B. Nun ist A. Also ist B" (GW 12, 121). Insofern der hypothetische die wahre Bedeutung des kategorischen Schlusses darstellen soll, gleicht der Übergang methodisch gesehen den bisherigen. Die beiden Prämissen des hypothetischen Schlusses entsprechen den am Ende des vorigen Abschnitts genannten Aspekten der Form des kategorischen Schlusses, nämlich der substantiellen Identität der Extreme einerseits und ihrer Zufälligkeit andererseits. Bei der substantiellen Identität handelte es sich um eine notwendige Beziehung, wie sie Hegel zufolge in dem Urteil ,Wenn A ist, so ist B' zum Ausdruck kommt. „Das hypothetische Urteil enthält nur die notwendige Das hypothetische Urteil Beziehung ohne die Unmittelbarkeit der Bezogenen" besitzt eine tragende Rolle für die Explikation von Hegels Verständnis der Bestimmung des unmittelbaren Seins. Das Unmittelbare, so könnte man Hegels Ansicht wiedergeben, ist niemals etwas Absolutes. In der Urteilslehre verweist er auf „das Sein der endlichen Dinge", deren Wahrheit „nicht die abstrakte Identität mit sich, sondern die konkrete" sei. Während sich die konkrete Identität des Seienden in der Objektiven Logik nur im Modus des Übergehens oder des Scheinens in Anderes ausdrücken ließ, kommt sie in der Sphäre des Begriffs angemessen zur Darstellung. Gemäß dem hypothetischen Urteil ist das Seiende „unmittelbar an ihm selbst das Sein eines Anderen"

(ebd.).27

(79).28

Vgl. „Was in diesem Urteil gesetzt ist, ist der notwendige Zusammenhang von unmittelbaren Bestimmtheiten" (GW 12, 79). Zum Verhältnis zwischen Hegels Sicht des hypothetischen Urteils und dem formallogischen Begriff der „strikten Implikation" vgl. Krohn, Die formale Logik, 157-160. 28 Vgl. „Das Sein des A ist auch ebenso sehr das Sein eines Anderen, des B" (GW 12, 121). 27

-

211

Hegels ontologisches Argument

Der Obersatz des hypothetischen Schlusses behauptet also die notwendige Beziehung zweier unmittelbar Existierender. Hegel spricht von der „inneren substantiellen Identität bei äußerlicher Verschiedenheit der Existenz". Den Untersatz deutet er hingegen als den Ausdruck der „Unmittelbarkeit des Seins" des ersten der beiden aufeinander bezogenen Glieder. In ihm wird das A weder auf etwas anderes noch auf sich selbst bezogen, sondern es wird lediglich gesagt, dass A ,ist'. „Der Untersatz für sich spricht das unmittelbare Sein des A aus" (121). Entsprechend geht aus der Konklusion das unmittelbare Sein des B hervor.29 Um die Ausführungen Hegels besser zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst nach Beispielen zu suchen. Christian Wolff, dessen Schema demjenigen Hegels aufs Wort entspricht, nennt den Schluss: „Wenn alle Menschen zuweilen fehlen, so kann auch Titius zuweilen fehlen. Nun können alle Menschen zuweilen fehlen. Also kann auch Titius unterweilen fehlen". Weiterhin meint Wolff, der hypothetische lasse sich auf einen kategorischen Schluss zurückfuhren. Aus dem Beispiel wird so der Syllogismus: „Alle Menschen können unterweilen fehlen. Titius ist ein Mensch. Also kann auch Titius unterweilen fehlen".30 Demzufolge fungiert der Begriff Mensch' in dem bedingten Schluss als der mittlere Term. Die Deutung im Sinn Wolffs ist freilich mit einigen Schwierigkeiten behaftet. In dem Schema des hypothetischen Schlusses ist von einem dritten Term nichts zu sehen. Den Umstand könnte man notdürftig damit erklären, dass Hegel, vielleicht aus Flüchtigkeit, das Schema in einer abkürzenden Form notiert habe. Man könnte auch auf den Gedanken kommen, das Schema aussagenlogisch zu interpretieren. Dann stünden die Buchstaben A und B nicht für unmittelbare Bestimmungen wie zum Beispiel Titius oder dessen Fehlbarkeit, sondern sie bildeten zwei Satzvariable. In beiden Fällen wäre es genauer gewesen, hätte Hegel ein Schema wie das folgende angegeben: ,Wenn E A ist, so ist E B. Nun ist E B. Also ist E A'.32 Der Unterschied zwischen der Annahme, Hegel habe, aus welchen Gründen auch immer, einen Term unterschlagen, und der Deutung von A und B als Satzvariable ist nicht bloß eine Frage der formalen Genauigkeit, sondern von einigem sachlichen Gewicht. Denn in dem Schema ,wenn A ist, so ist B' wird das Hilfsverb offensichtlich nicht als Kopula gebraucht. Hätte Hegel die Formel einfach flüchtig niedergeschrieben, könnte man das ,ist' wie bei den übrigen Schemata des Schlusses als Kopula auffassen. Wären A und B hingegen Satzvariable, drückte das ,ist' ,

29 Man beachte, dass die Variablen A und B im Schema des hypothetischen Schlusses nicht mehr für das Allgemeine und das Besondere stehen. Später assoziiert Hegel die Bedingung und das Bedingte zwar mit der Allgemeinheit und der Einzelheit, erklärt es aber für gleichgültig, welche Seite mit welchem Moment in Verbindung gebracht wird (vgl. GW 12, 122). 30 Wolff, Deutsche Logik, Kap. 5, § 18 (GW 1/1, 170). Erst Kant betonte die Eigenständigkeit der hypothetischen und disjunktiven gegenüber den kategorischen Vernunftschlüssen (vgl. Kritik der reinen Vernunft, A 304 / B 361, und Logik Jäsche, § 60 [AA IX, 121 f.], sowie dazu Terry Boswell, Quellenkritische Untersuchungen zum Kantischen Logikhandbuch, Frankfurt 1991, 146). 31 Vgl. Hösle, Hegels System, 239. 32 Vgl. die Rekonstruktion der Form des hypothetischen Schlusses bei Wolfgang Krohn, Die formale Logik, 157 Anm. 125, sowie bei Bruno Liebrucks, Sprache und Bewusstsein, 360. -

212

DIE ENTWICKLUNG DES SCHLUSSES

das Bestehen eines Sachverhalts aus. Dann wäre das Hilfsverb veritativ zu verstehen und die Bedeutung von ,A ist' ließe sich am besten mit ,es trifft zu, dass A' wiederEine solche Interpretation der Form des bedingten Schlusses findet sich bei Friedrich Meier. Sein Beispiel lautet: „Wenn eine Vorsehung Gottes ist, so sind Georg alle ängstlichen Sorgen vergeblich. Nun ist das erste wahr, also auch das letzte".34 Wäre der Satz ,A ist' veritativ gemeint, könnte man das Schema des hypothetischen Schlusses folgendermaßen in die von Hegel sonst verwendete Schreibweise übersetzen: ,Wenn es zutrifft, dass E B ist, dann trifft5 es zu, dass E A ist. Nun trifft es zu, dass E B ist. Also trifft es auch zu, dass E A ist'. Mit der prädikativen und der veritativen Deutung ist das Spektrum der Möglichkeiten noch nicht erschöpft. Viel näher liegt es, den Satz ,A ist' als Existenzbehauptung zu verstehen. Lässt man für einen Augenblick den Unterschied außer Acht, den Hegel zwischen den Kategorien Sein, Dasein, Existenz und Wirklichkeit macht, besagt ,A ist' 6 dann soviel wie ,A existiert'. Die Deutung hätte einerseits den Vorteil, dass A und B nicht als Satzvariable verstanden werden müssen, sondern weiterhin als Terme gelten können. Andererseits trägt die Deutung als Existenzbehauptung dem zur Form des hypothetischen Urteils Gesagten am besten Rechnung. In der Urteilslehre spricht Hegel von A und B als „zwei unmittelbaren Existenzen" (79). Während das Urteil nur ihre Beziehung darstellt, bringt der hypothetische Schluss darüber hinaus die unmittelbare Existenz des A und des B zum Ausdruck. Angesichts dessen kann wohl kein Zweifel bestehen, dass Hegel den Satz ,A ist' als Existenzbehauptung verstanden wissen will. Mit dem Übergang vom kategorischen zum hypothetischen Schluss ist demnach der Wechsel von der prädikativen zur existentiellen Funktion des ,ist' verbunden. Das ruft natürlich die Frage nach dem Sinn und der Zulässigkeit einer solchen Existenzaussage wach. Was den Sinn betrifft, sollen das Sein oder die Existenz den Tennen A und B nicht als Merkmale zugeschrieben werden. Kantisch gesprochen gebraucht Hegel das Sein nicht als reales Prädikat. Worum es in dem hypothetischen Schluss vielmehr geht, ist der notwendige Zusammenhang zweier unmittelbar Existierender. Der Schluss stellt das unmittelbare Sein des B als etwas durch das unmittelbare Sein des A Vermitteltes dar. „Das Sein des A ist daher nicht als bloße Unmittelbarkeit, sondern wesentlich als Mitte des Schlusses zu nehmen" (121). Damit übernimmt nicht mehr die allgemeine Natur oder die Gattung, sondern etwas Unmittelbares die Funktion des Vermittelnden. Dieses

geben.33

Vgl. die Interpretation Geoffrey R. G. Mures, wonach ,A ist' ein „wirkliches Faktum" ausdrückt (A Study ofHegel 's Logic, 221 ). 34 Meier, Auszug aus der Vernunftlehre, § 393 (in: Kant, AA XVI, 745). 35 Wolfgang Krohn zufolge wollte Hegel das Gewicht auf „das Bestehen von E B" legen. „Demgegenüber ist unwichtig, ob dieses Bestehen als Begriff oder Urteil vorgestellt wird" (Die formale Logik, 157 Anm. 125). 36 Vgl. die Übersetzung des Schemas bei Eugène Fleischmann: „Si A existe, B existe aussi; or A existe; donc B existe aussi" (La science universelle ou la logique de Hegel, Paris 1968, 276). 33

-

Hegels ontologisches Argument

213

ist im Unterschied zu dem objektiven Allgemeinen des kategorischen Schlusses „nicht mehr bloß innere, sondern seiende Notwendigkeit". Die Mitte des hypothetischen Schlusses ist „in ihrer Objektivität auch Sein" (122). Spiegelbildlich zu der Einheit des Unmittelbaren und des Vermittelnden deutet Hegel den anderen Term des Schlusses als die Einheit des Unmittelbaren und des Vermittelten. Infolgedessen reduziert sich der Unterschied der Terme A und B auf den der „Notwendigkeit" von dem „Notwendigen"

(123). Da nun das eine unmittelbar Existierende ebenso notwendig in das andere übergeht, wie dieses notwendig aus jenem hervorgeht, entfallt die für den kategorischen Schluss einschlägige Art von Zufall. Die beiden Terme erscheinen gewissermaßen als die beiden Seiten eines notwendigen Zusammenhangs. Das Gemeinte lässt sich sprachlich kaum noch nachbilden.37 Zur Veranschaulichung sei noch einmal an das Beispiel aus der Gestaltpsychologie erinnert. Ein und dieselbe Figur kann unmittelbar auf zweierlei Weise wahrgenommen werden. Ich kann in dem Bild sowohl einen Hasen als auch eine Ente sehen. Es liegt ferner in der Natur der Sache, dass der H-Kopf in den E-Kopf übergeht und umgekehrt. Entsprechend erklärt Hegel in Bezug auf die beiden Terme des

hypothetischen Schlusses: „Der absolute Inhalt von A und B ¡st derselbe;

es sind nur zwei verschiedene Namen derselben für die insofern sie die Grundlage Vorstellung, Erscheinung der verschiedenen Gestalt des Daseins festhält und vom Notwendigen seine Notwendigkeit unterscheidet" (GW 12, 123).38

Jeder der beiden Terme des hypothetischen Schlusses vereinigt in sich den Aspekt der Unmittelbarkeit mit dem der Vermittlung. So gesehen besteht kein Unterschied zwischen der Bedingung A und dem Bedingten B. Die beiden Momente bilden einen notwendigen Zusammenhang, in dem jedes gleich unmittelbar existiert und eines in das andere übergeht. Damit komme ich auf die Frage nach der Zulässigkeit der Existenzaussage zurück. Wie inzwischen klar sein sollte, behaupten der Untersatz und die Konklusion des hypothetischen Schlusses nicht einfach das Sein oder die Existenz ,des Begriffs'. Was sie zum Ausdruck bringen, ist zunächst einmal die Unmittelbarkeit der beiden Terme. Einer der beiden Terme für sich genommen ist in Hegels Augen jedoch keineswegs etwas Selbständiges oder Objektives. Als das Unmittelbare ist jeder Term vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass er in etwas anderes übergeht, scheint oder sich entwickelt. Der Schlusssatz ,B ist' wäre also missverstanden, hielte man B nun für ein selbständig existierendes Objekt. Daher trifft die Konklusion des hypothetischen 37 Bruno Liebrucks behilft sich mit der etwas gestelzt klingenden Formulierung der Prämissen: „Wenn dieser Gaius Franzose ist, ist er romanischen Stammes" und „Dieser Gaius als Franzose ist" (Sprache und Bewusstsein, 359 ff). 38 „L'analyse du jugement hypothétique a montré que la connexion nécessaire était elle-même fondée dans une identité substantielle des deux termes. [...] A et B sont alors la manifestation phénoménale de cette identité substantielle" (Joël Biard [u. a.], Introduction à la lecture de la science de la logique de Hegel. III: La doctrine du concept, Paris 1987, 226).

214

Die Entwicklung des Schlusses

Schlusses auch nicht den Sinn, in dem Anselm begründen will, dass ,Gott existiert', und man tut gut daran, den Umstand ernst zu nehmen, dass Hegel erst gelegentlich des Übergangs zur Objektivität auf den ontologischen Gottesbeweis zu sprechen kommt.

4. Der disjunktive Schluss

Entgegen dem, was zu vermuten vielleicht nahe liegt, stützt sich Hegels ontologisches Argument nicht auf die Existenzaussagen des hypothetischen Schlusses. Entscheidend

für den Übergang von der Subjektivität zur Objektivität ist das Verschwinden des Unterschieds zwischen der Form und dem Inhalt des Schlusses. Dem kategorischen Schluss lag bereits die substantielle Identität des Inhalts zugrunde. Im hypothetischen Schluss wurde die Einheit der Form gesetzt. Die Terme A und B, das Vermittelnde und das Vermittelte erwiesen sich als die beiden Seiten einer notwendigen Beziehung. Der letzte Schritt des Arguments beruht auf der Überlegung, dass die für den hypothetischen Schluss einschlägige Einheit des Vermittelnden mit dem Vermittelten in der Form des disjunktiven Schlusses zum Ausdruck kommt. „Was die Wahrheit des hypothetischen Schlusses ist, die Einheit des Vermittelnden und des Vermittelten, ist somit im disjunktiven Schluss gesetzt, der aus diesem Grund ebenso sehr kein Schluss mehr ist" (GW

12, 124).

Hegel nennt zwei Schemata des disjunktiven Schlusses. Sie entsprechen dem Modus ponendo tollens und dem Modus tollendo ponens. Das erste Schema lautet: „A ist entweder B oder C oder D. A ist aber B. Also ist A nicht C noch D". Das zweite Schema lautet: „A ist entweder B oder C oder D. A ist aber nicht C noch D. Also ist es B" (ebd.). Wie man leicht sieht, fungiert der Term A sowohl in den Prämissen als auch in der Konklusion jeweils als das Subjekt. Die Variable A steht für ,den Begriff, der in den drei Teilsätzen nacheinander als das Allgemeine, als das Besondere und als das Einzelne erscheint. Im Obersatz des Schlusses wird das A als die Sphäre der disjunkten Bestimmungen B, C und D gesetzt. In den beiden folgenden Sätzen werden dem A zuerst die Bestimmung B zu- und dann die Bestimmungen C und D abgesprochen oder umgekehrt. Formallogisch betrachtet ist daran nichts Bemerkenswertes, denn der Satz ,A ist entweder B oder C oder D' lässt sich als die Disjunktion dreier Urteile auffassen, von denen eines zutrifft: entweder ,A ist B' oder ,A ist C' oder ,A ist D'. Hegel vergleicht die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des disjunktiven Urteils mit dem Verhältnis einer Gattung zu ihren Arten. Kennzeichnend dafür soll sein, dass die Gattung die sowohl positive als auch negative Einheit der Arten darstellt. Eine „positive Identität" nennt Hegel die Gattung in dem Sinn, dass sie aus der Summe ihrer Arten besteht.39 Eine „negative Einheit" bildet die Gattung dagegen inso39 „Das Subjekt ist daher sowohl B als C; dieses Sowohl-Als bezeichnet die Besonderen mit dem Allgemeinen" (GW 12, 80 f.).

positive

Identität des

215

Hegels ontologisches Argument

fern, als die Arten einander gegenseitig ausschließen. Die beiden Formen der Einheit zusammennehmend, bestimmt Hegel das Allgemeine als „die in die Totalität ihrer Arbesonderte

allgemeine Sphäre" (ebd.). Während das Subjekt in dem Obersatz als das Allgemeine gesetzt wird, erhält es im Untersatz und in der Konklusion die Bedeutung des Besonderen und des Einzelnen. Der eine der beiden Sätze identifiziert das Subjekt mit einer der unter das Allgemeine fallenden Arten. Insofern es sich um die bestimmte Art B handelt, schließt das Subjekt A die anderen Arten von sich aus, ist also ,nicht C nochD'.41 Der systematisch entscheidende Punkt ist, dass Hegel den Satz ,A ist nicht C noch D' als die negative Beziehung des Subjekts auf sich selbst interpretiert. „Dies Ausschließen ist nun ferner nicht nur ein gegenseitiges und die Bestimmung bloß eine relative, sondern ebenso sehr wesentlich sich auf sich beziehende Bestimmung das Besondere als Einzelheit mit Ausschließung der anderen" (ebd.). Im Begriffs-Kapitel definiert Hegel ten

-

die Einzelheit als „die sich auf sich selbst beziehende Bestimmtheit". Da die Bestimmtheit als Moment des Begriffs das Besondere ist, trägt sie gegenüber dem Allgemeinen den Charakter des Negativen. Die Einzelheit bedeutet die Negation dieses Negativen oder die „absolute Negativität" des Begriffs (43). Die Assoziation des Satzes ,A ist nicht C noch D' mit der Bestimmung der Einzelheit und der absoluten Negativität ist nur sinnvoll unter der Hinzunahme der anderen beiden Teilsätze des Schlusses. Nur wenn A einerseits eine Totalität von Arten bildet und andererseits als eine bestimmte Art B erscheint, liegt in dem Ausschluss der Arten C und D eine negative Beziehung auf sich selbst. Die Darstellung des disjunktiven Schlusses läuft auf die Behauptung hinaus, dass das Subjekt oder die „Mitte", wie Hegel den Term A auch nennt, in den drei Teilsätzen als Allgemeines, als Besonderes und als Einzelnes bestimmt wird. Ein und derselbe Term vereint in sich alle drei Momente des Begriffs. Deshalb spricht Hegel von der Mitte des disjunktiven Schlusses als der „mit der Form erfüllten" und „entwickelten objektiven Allgemeinheit" (123 f.). Die Form, zu der sich das objektive Allgemeine entwickelt hat, ist durch die verschiedenen Momente des Begriffs bestimmt. Hegel betrachtet das objektive Allgemeine als eine Gattung in dem anspruchsvollen Sinn, dass der Unterschied der Arten in der Natur der Gattung begründet liegt. In der Urteilslehre grenzt er den Sinn der objektiven Allgemeinheit von der empirischen Bedeutung des Allgemeinen ab. Die letztere beruht auf irgendeinem abstrakten Merkmal und ist eine „äußere, nur durch Vergleichung und Weglassung entstandene Allgemeinheit". Da die Arten der abstrakten Allgemeinheit etwas empirisch Vorgefundenes sind, bleibt ihre Unterscheidung etwas Zufalliges. Ebenso ungewiss ist die Vollständigkeit der Aufzählung der Arten. Der 40 „A ist entweder B oder C.

[...]

Dies Entweder-Oder ist die

12,81). 41

Die

Reihenfolge hängt vom Modus des Schließens ab.

Im Modus ponendo tollens wird das A Einzelnes gesetzt, im Modus tollendo ponens umgekehrt. spricht von einer „subjektiven" oder „zufälligen" Vollständigkeit (GW 12, 81 f.).

erst als Besonderes und dann als

42

Hegel

negative Beziehung derselben" (GW zu-

216

Die Entwicklung des Schlusses

empirischen oder abstrakten stellt Hegel die objektive als „immanente und konkrete" Allgemeinheit gegenüber (81). Deren Kennzeichen ist die Abgeschlossenheit ihrer Sphäre. Diese ist durch das Moment der Einzelheit des Begriffs gewährleistet, die jede weitere mögliche Art ausschließt. Das dritte Moment des Begriffs bildet sozusagen den Maßstab der Vollständigkeit der Disjunktion. Insofern sich das objektive Allgemeine als Einzelnes negativ auf sich bezieht, ist ihm der Unterschied immanent und es selbst konkret.4 Nachdem das Subjekt die Bedeutung des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen durchlaufen hat, stellt Hegel fest, die Mitte des disjunktiven Schlusses sei „als die Totalität des Begriffs gesetzt". Anders als bei dem kategorischen Schluss sind die Extreme nun dem Zufall enthoben und „in ihrer vollständigen Bestimmtheit" in der Mitte enthalten (124). Die Rede von der Mitte und den Extremen bezieht sich auf das Schema der dritten Figur, unter dem der disjunktive Schluss stehen soll.44 Doch wie passen die vier Variablen A, B, C und D zu dem Schema E A B? Müsste die Formel des disjunktiven Schlusses nicht eigentlich anders lauten? Man könnte zum Beispiel erwägen, ob Hegel den Obersatz nicht passender in der Form ,A ist entweder B oder E' angegeben hätte. Dann könnte freilich von der „totalen Besonderung" der allgemeinen Sphäre (ebd.) keine Rede mehr sein. Bei der Totalität der Arten muss es sich um alle drei Momente des Begriffs handeln.45 Dem hätte Hegel durch einen Obersatz der Form ,A ist entweder A oder B oder E' versuchen können Rechnung zu tragen. In dem Fall besteht aber die Schwierigkeit fort, dass das Subjekt A einem anderen logischen Typus angehört als die Glieder der Disjunktion. Die kurzen Bemerkungen mögen genügen, um zu zeigen, dass Hegel seine Absicht durch eine andere Notation nur bedingt hätte deutlicher machen können. Der entscheidende Grund dafür liegt meines Erachtens in dem Moment der Einzelheit des Begriffs. Das Einzelne soll nicht wie das Besondere als ein von anderen Unterschiedenes gedacht werden, sondern als etwas, das sich in seinen Unterschieden auf sich selbst bezieht. Die Form der negativen Selbstbeziehung kommt in der verneinenden Prämisse oder Konklusion des disjunktiven Schlusses, wie immer man sie formulieren mag, nicht klar zum Ausdruck. Daher widersetzt sich der hegelsche Begriff einer Formalisierung mit gewöhnlichen Mitteln. In dem disjunktiven Schluss sind es weniger die Teilsätze und die äußere Beziehung der Terme als vielmehr die wechselnde Bedeutung des Subjekts, an der die Einheit der -

-

43 „Diese Totalität hat ihre Notwendigkeit in der negativen Einheit des Objektiv-Allgemeinen, welches die Einzelheit in sich aufgelöst und als einfaches Prinzip des Unterschieds immanent in sich hat, wodurch die Arten bestimmt und bezogen sind" (GW 12, 81). 44 „Wie der hypothetische Schluss im Allgemeinen unter dem Schema der zweiten Figur A E B steht, so steht der disjunktive unter dem Schema der dritten Figur des formalen Schlusses E A B" -

(GW 12, 123).

-

-

-

45 Hegel schreibt über das disjunktive Urteil, die objektive Allgemeinheit sei „in dem Subjekt als die einfache Gattung und in dem Prädikat als die allgemeine Sphäre und als Totalität der Begriffsmomente" (GW 12, 83).

Hegels ontologisches Argument

217

Momente des Begriffs erscheint. Das Schema des Schlusses illustriert seinen Sinn mehr, als dass es ihn unmittelbar ausspricht. Angesichts alles dessen halte ich die genaue Formel des Schlusses im Letzten für unerheblich. Daran lässt sich leicht die weitere Feststellung knüpfen, dass es ein Irrtum wäre zu meinen, Hegel messe dem disjunktiven Schluss irgendeine Art von Vorrang gegenüber den anderen Formen des Schließens bei. Im Gegenteil bedient er sich, was die Form betrifft, im weiteren Verlauf der Logik stets der drei Es liegt ganz auf dieser Linie, wenn Hegel den disjunktiven Schluss der dritten Figur zuordnet und das Subjekt A als „seine Mitte" anspricht. Indem sich der vermeintliche mittlere Term als „vollkommen Bestimmtes" erweist, bringt der disjunktive Schluss die wahre Bedeutung des objektiven Allgemeinen zum Ausdruck. So kann Hegel resümierend feststellen: „Die ganze Formbestimmung des Begriffs ist in ihrem bestimmten Unterschied und zugleich in der einfachen Identität des Begriffs gesetzt"

Figuren.46

(125). 5. Die

Aufhebung des Formalismus des Schließens

Am Ende der

Entwicklung des

Schlusses geht der subjektive oder formelle Begriff in das Objekt über. Wie ich bereits dargelegt habe, versteht Hegel unter dem ,Objekt' nicht den Bezugsgegenstand eines epistemischen Subjekts, sondern ein in sich strukturiertes, selbständiges Ganzes. Die Behauptung der Objektivität des Begriffs beruht einmal auf dem schon vertrauten Umstand, dass das Subjekt des disjunktiven Schlusses als Allgemeines, Besonderes und Einzelnes zugleich erscheint. Infolgedessen, so Hegel, geht der für die Form des Schlusses konstitative Unterschied der Terme verloren. Schon bei dem hypothetischen Schluss handelte es sich nicht mehr um die Vermittlung zweier Terme durch einen dritten in dem ursprünglichen Sinn, sondern es zeigte sich bereits die „Identität des Vermittelnden und des Vermittelten". In Bezug auf den disjunktiven Schluss erklärt Hegel unumwunden, er sei „kein Schluss mehr" (GW 12, 123 f.). Mit der paradoxen Formulierung will er anzeigen, dass dem disjunktiven Schluss das für einen Schluss als Form des subjektiven Denkens maßgebliche Merkmal fehlt. Die formale Betrachtungsweise steht und fällt mit der Verschiedenheit der Extreme von dem sie vermittelnden Term. Dieser Unterschied wird am Ende der Schlusslehre aufgehoben. „Das, was vermittelt ist, ist selbst wesentliches Moment seines Vermittelnden, und jedes Moment ist als die Totalität der Vermittelten" (125). Die Einheit des Vermittelten mit dem Vermittelnden bringt Hegel an das Ziel seiner Überlegung. Im disjunktiven Schluss stimmen der Inhalt der „Mitte" und die Form des Schlusses überein. Beide bilden die Einheit des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen. Wegen dieser Übereinstimmung von Form und Inhalt kann es keinen Über46 Die einzige Ausnahme bildet der „chemische Prozess", den Hegel als „disjunktiven Schluss" bezeichnet. Doch auch hier spricht er von der „Mitte" und den „Extremen", so als handle es sich um einen Schluss der dritten Figur (vgl. GW 12, 149 ff.).

218

Die Entwicklung des Schlusses

gang zu einer weiteren Art zu schließen geben. Die ,wahre Bedeutung' des disjunktiven Schlusses ist nicht mehr eine Form des subjektiven Denkens. „Dadurch hat sich nun der Formalismus des Schließens, hiermit die Subjektivität des Schlusses und des Begriffs überhaupt aufgehoben." Formalistisch war die ursprüngliche Sicht, wonach die Vermittlung zwischen den Extremen des Schlusses durch den Begriff im Sinn einer „abstrakten Bestimmung" erfolgen soll (ebd.). Damit verbunden war die Annahme der prinzipiellen Verschiedenheit der beiden Extreme von der sie verbindenden Mitte. Gegen die Annahme richtete sich zunächst das Argument, dem zufolge die Mitte des Schlusses als etwas objektives Allgemeines und mit den Extremen substantiell Identisches zu gelten hat. Die Überlegung führt Hegel so zu Ende, dass die drei Terme nicht nur substantiell identisch, sondern in der geschilderten Weise negativ aufeinander bezogen sein müssen. Aufgrund dessen erklärt Hegel den Begriff für „realisiert" (ebd.). In der enzyklopädischen Logik von 1817 heißt es knapp: „Hierdurch ist der Begriff vollständig realisiert, und ist als diese Einheit seiner Unterschiede mit sich das Objekt" (HE § 140). Mit der Bestimmung der Objektivität verbindet Hegel den Sinn der Unabhängigkeit von allen subjektiven und insofern der Sache äußerlichen Faktoren. Das Ergebnis der Entwicklung des Schlusses ist daher die Aufhebung der „Trennung des Begriffs von der Sache". Hegel schreibt sich das Verdienst zu, die Überwindung der für das Denken des Verstandes maßgeblichen Trennung rein aus der Form des Schlusses selbst gezeigt zu haben. „Durch seine notwendige Fortbestimmung macht der formelle Begriff sich selbst zur Sache und verliert dadurch das Verhältnis der Subjektivität und Äußerlichkeit gegen sie" (GW 12, 30). Der zur Sache gewordene Begriff besitzt genau die für den Begriff als Form des Denkens abgeleitete Verfassung. Das zeigt sich nicht zuletzt in dem systematischen Gebrauch, den Hegel im zweiten Abschnitt der Subjektiven Logik sowohl von den Momenten des Begriffs als auch von der Form des Schlusses macht. So schildert er den „absoluten Mechanismus" der materiellen Welt als ein System von drei Schlüssen, deren Terme ein absoluter Zentralkörper, mehrere relative Zentren und eine Vielzahl unselbständiger Objekte bilden.48 In ähnlicher Weise bestimmt er die „Teleologie" als den Zusammenschluss eines subjektiven Zwecks mit einem äußerlichen Objekt durch ein Mittel.49 Zur Motivation des Übergangs von der Subjektivität zur Objektivität macht Hegel jedoch keine Anleihen bei späteren Lehrstücken der Logik, sondern präsentiert ihn als das alleinige Ergebnis der Entwicklung des Schlusses und der Aufhebung des Unterschieds zwischen dem Vermittelnden und dem Vermittelten. „Das Resultat ist daher eine Unmittelbarkeit, die durch Aufheben der Vermittlung hervorgegangen, ein

Sein, das ebenso sehr identisch mit der Vermittlung und der Begriff ist, der

aus

Dieter Henrich verweist auf den Unterschied zwischen dem „subjektiven Gegensatz von Begriff und Sein", der noch vor dem Anfang der Philosophie aufgelöst werden müsse, und ihrem „wahren Gegensatz", den die Wissenschaft der Logik vermittle (Der ontologische Gottesbeweis, 211). 48 Vgl. GW 12, 143 f. sowie E § 197 f. 49 Vgl. GW 12, 162-171 sowie E § 206-210. 47

219

Hegels ontologisches Argument und in seinem Anderssein sich selbst hergestellt hat. Dieses Sein ist daher eine Sache, die und für sich ist: die Objektivität" (GW 12, 126).

an

In der einleitenden Passage des Abschnitts über die Objektivität blickt Hegel noch einmal aus einer anderen Perspektive auf den Übergang zurück. Er verweist nicht mehr auf die Aufhebung der subjektiven Form des Schließens, sondern betont den Aspekt der „Realisation und Objektivierung des Begriffs" (128). Um einen Gegenstand zu erkennen, reiche es nicht, ihm bestimmte Prädikate beizulegen. In diesem ungenügenden Verständnis sieht Hegel die herkömmliche philosophische Theologie gefangen, wenn sie das ,Sein' oder die ,Existenz' Gottes aus dem Begriffdes vollkommensten Wesens zu beweisen versucht. Die Alternative zu dem urteilstheoretischen Modell bildet für ihn die Bewegung, in deren Verlauf der Begriff sich realisiert und als die Sache selbst erweist.

Glaubt man der Selbstdarstellung Hegels, besitzt der Begriff als Form des subjektiven Denkens die Tendenz, sich selbst zu realisieren erst in den Formen des Urteils ' und des Schlusses und dann in der Gestalt eines Objekts. Der Schlusslehre fällt im Rahmen der Subjektiven Logik eine Schlüsselrolle zu, da in ihr die Verfassung des formellen Begriffs vollends sichtbar wird und zugleich die Objektivität des Begriffs hervortritt. Der realisierte unterscheidet sich vom formellen Begriff weniger strukturell als darin, dass es sich eben nicht bloß um eine Form des Denkens handelt. Die Aufhebung der Vermittlung und der Hervorgang der Unmittelbarkeit erfolgen gleichwohl nicht in einer Weise, als seien die Formen des Urteils und des Schlusses an dem Begriff des Begriffs gleichsam spurlos vorübergegangen. Wie mehrfach betont, schlägt sich die Ablösung der Kategorie der Substanz durch den Begriff in dem systematischen Gebrauch nieder, den Hegel in den folgenden Abschnitten der Logik sowie in der Realphilosophie von den formallogischen Bestimmungen macht. -

6. Offene

Fragen

Schaut man vom Ende her auf die Entwicklung des Schlusses im Ganzen zurück, kann kaum ein Zweifel über deren leitende Absicht bestehen. Das Ziel Hegels ist es weniger, irgendwelche Einsichten in die Natur des Schlusses zu gewinnen, als die Verfassung dessen zu explizieren, was in seinen Augen ,der Begriff genannt zu werden verdient. Obwohl Hegel von der zu seiner Zeit gängigen Auffassung des Begriffs als eines Merkmals einzelner Gegenstände ausgeht, gelangt er am Ende zu einer so weitgehenden Re50 In den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie bemerkt Hegel anlässlich der Behandlung Anselms: „Der wahrhafte Beweis wäre, dass am Denken für sich aufgezeigt wird, dass es, für sich genommen, ein Unwahres ist, sich selbst negiert und sich damit zum Seienden bestimmt" (in: Vorlesungen, Bd. 9, 34 f.). 51 In der Ideenlehre spricht Hegel von der Bestimmtheit des Begriffs als „inhärierendes Prädikat" und als „äußerliches Ganzes" (GW 12, 176).

220

Die Entwicklung des Schlusses

vision der Theorie des formellen Begriffs, dass gewöhnliche Allgemeinbegriffe als Beispiele dafür, was ein Begriff ist, versagen. Den Dreh- und Angelpunkt der Diskussion bildet die Frage nach der Funktion des mittleren Terms. Ausgehend von der Annahme, der Mittelbegriff solle die notwendige Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat der Konklusion begründen, zeigt Hegel im ersten und zweiten Teil der Schlusslehre, dass es nicht genügt, wenn der Begriff die Bedeutung eines abstrakten Merkmals oder einer Klasse von Gegenständen besitzt. Um zu vermeiden, dass die Geltung des Schlusssatzes bloßer Zufall bleibt oder der ganze Schluss eine Petitio principii darstellt, muss der mittlere Term als objektives Allgemeines aufgefasst werden. Der dritte Teil der Schlusslehre dient der genaueren Bestimmung der Verfassung des objektiven Allgemeinen. Für sie ist kennzeichnend, dass es aus mehreren, substantiell identischen Momenten besteht, von denen jedes als ein Ganzes erscheint, und in denen sich das Allgemeine negativ auf sich selbst bezieht. An dieser Auffassung vom Sinn der Entwicklung des Schlusses hat Hegel nicht mehr gerüttelt. Das belegt der letzte Paragraph der Schlusslehre der enzyklopädischen Logik von 1830, wo es heißt: „Diese Realisierung des Begriffs, in welcher das Allgemeine diese eine in sich zurückgegangene Totalität ist, deren Unterschiede ebenso diese Totalität sind und die durch Aufheben der Vermittlung als unmittelbare Einheit sich bestimmt hat, ist das Objekt" (E § 193).

Verfassung des Allgemeinen, das Hegel als eine in sich zurückgegangene Totalität beschreibt, lässt sich mit anderen Mitteln als denen der spekulativen Logik nicht ausdrücken. Wie wir gesehen haben, eignet sich auch das Schema des disjunktiven Schlusses nur bedingt zur Darstellung der wahren Bedeutung des objektiven Allgemeinen. Beim kategorischen Schluss war es noch möglich, den Mittelbegriff mit der Hilfe geeigneter Beispiele zu den herkömmlichen Wesensbegriffen und den Termen für natürliche Arten in Beziehung zu setzen. Zur Illustration des Verhältnisses der substantiellen Identität habe ich mich der Kippfigur aus der Gestaltpsychologie bedienen können. Dem Moment der Einzelheit und der negativen Beziehung des Ganzen auf sich selbst Rechnung zu tragen, ist hingegen das uneingeschränkte Privileg des hegelschen Begriffs. Am Ende der Entwicklung des Schlusses herrscht Klarheit, dass die Schlusslehre nicht anders als die übrigen Partien der Wissenschaft der Logik im Dienst der Etablierung von Hegels eigener, spekulativer Konzeption des Begriffs steht. Was ich das ontologische Argument Hegels genannt habe, ist die im Zuge dessen erfolgende Selbstbestimmung des Begriffs zum Objekt. An das Ergebnis knüpfen sich klarerweise eine Reihe von Fragen. Insofern sie Hegels Theorie des Begriffs im Ganzen betreffen, will ich in dem noch verbleibenden letzten Abschnitt einen Blick auf sie werfen. Im Augenblick soll es lediglich um die Problematik des Übergangs zur Objektivität gehen. Die

Die Schlusslehre enthält offensichtlich kein Argument in dem üblichen Sinn, dass aus einer Anzahl von Prämissen nach den gängigen logischen Gesetzen gewisse Konsequenzen gezogen würden. Weder beabsichtigt Hegel ein solches deduktives Argument zu liefern, noch lässt es sich aus seinen Ausführungen rekonstruieren. Der Befund ent-

Hegels ontologisches Argument

221

spricht dem Verständnis Hegels von der Natur eines philosophischen Beweises. Es sei daran erinnert, dass in der Lehre von der dialektischen Bewegung des spekulativen Satzes für Hegel die Alternative zu den Beweisen der Mathematik liegt.52 Wer in Hegels Logik ein deduktives Argument der geläufigen Art zu finden erwartet, wird deshalb zwangsläufig enttäuscht. Das heißt freilich nicht, dass die sachlichen Erwägungen nicht identifizierbar wären, die hinter der Schlusslehre stehen und ihre Entwicklung leiten. Im Lauf der Untersuchung sollte deutlich geworden sein, wie Hegel im Durchgang durch die verschiedenen Formen des Schließens die Bedeutung des mittleren Terms schrittweise zu der spekulativen Theorie des Begriffs entwickelt. Gleichwohl hinterlässt gerade das Ende der Schlusslehre ein gewisses Unbehagen. Legt man es auf den Versuch einer immanent verfahrenden Kritik an, scheint mir der Vorwurf der Künstlichkeit der Anordnung der logischen Formen schwer von der Hand zu weisen. Am Anfang des dritten Teils habe ich die entwicklungsgeschichtlichen Faktoren genannt, die auf die Einteilung der Schlusslehre gewirkt haben. Ohne Frage spielt ferner das Bemühen Hegels eine Rolle, die Ordnung der Formen des Schließens möglichst eng an den Kreis der syllogistischen Figuren anzulehnen. Aber ungeachtet der Orientierung an gewissen historischen und systematischen Vorgaben, ist bei den letzten beiden Arten des Schlusses kaum zu erkennen, was die jeweiligen Schemata mit Hegels Definition des Schlusses einerseits und der ihnen zugeschriebenen ,objektiven Bedeutung' andererseits zu tan haben. Was den hypothetischen Schluss betrifft, zeigt sich die Unstimmigkeit an dem Schlusssatz ,B ist'. Während es sich gemäß der Definition des Schlusses bei dem Vermittelten um das Subjekt und das Prädikat eines Urteils, das heißt um zwei Terme handeln müsste, enthält die Konklusion nur das Subjekt B. Und obwohl Hegel den Term A das „vermittelnde Sein" nennt (GW 12, 122), fehlen ihm die für die Mitte eines Syllogismus typischen Kennzeichen. Ähnlich unklar liegt der Fall des disjunktiven Schlusses. Hier bezeichnet Hegel in Anlehnung an die dritte Figur das Subjekt A als „die Mitte". Selbst wenn man die Interpretation akzeptiert, der zufolge das Subjekt des disjunktiven Schlusses die Bedeutung aller drei Momente des Begriffs annimmt, bleibt die Frage, was den Term A formal als die Mitte auszeichnet und welches „die beiden Extreme" sein sollen, von denen Hegel wie selbstverständlich spricht (124). Auf die Bedenken könnte man mit der Beteuerung antworten, die Bedeutung der besagten Formen liege gerade in dem Verschwinden des Unterschieds zwischen dem Vermittelnden und dem Vermittelten und in der Aufhebung des Formalismus des Schließens. Doch die Entgegnung ändert nichts an der Unstimmigkeit, die entsteht, weil Hegel die Entsprechung des hypothetischen und disjunktiven Schlusses mit der zweiten und dritten Figur zumindest als Fiktion aufrechterhält. Der Einwand bestreitet nicht die Aufnur

Vgl. GW 9, 32^16 sowie dazu Teil II, § 5 (2.). Entsprechend zu relativieren scheint mir die Behauptung von Dieter Henrich, wonach das ontologische Argument zwar für den Standpunkt der logischen Wissenschaft von größter Bedeutung, der Beweis „an sich, im Gang der Logik" aber „leicht zu vollziehen" sei (Der ontologische Gottesbeweis, 218). 52 53

222

Die Entwicklung des Schlusses

hebung der Unterschiede, sondern zieht in Zweifel, dass die Natur der in dem Ganzen aufgehobenen Momente durch die Schemata des hypothetischen und des disjunktiven Schlusses klar zum Ausdruck kommt. Auch wenn man die Entwicklung von der ersten Figur über den Schluss der Allheit zum kategorischen Schluss und die mit ihr verbundene These, der mittlere Term müsse etwas objektives Allgemeines sein, für plausibel hält, fällt es meines Erachtens schwer, Hegel in der Ansicht zu folgen, dass die letzten beiden Formen des Schließens die Verfassung des Begriffs in der von ihm geforderten Weise explizieren. Angesichts dessen halte ich es letztlich für zweifelhaft, ob Hegel die Ableitung der Objektivität des Begriffs aus der Entwicklung des Schlusses der Notwendigkeit gelingt. Meine Bedenken richten sich wohlgemerkt gegen die konkrete Gestalt dessen, was ich Hegels ontologisches Argument genannt habe. Ich will nicht in Abrede stellen, dass sich der Bestimmung der Objektivität des Begriffs ein Sinn abgewinnen lässt. Ebenso wenig bestreite ich den Zusammenhang zwischen der Objektivität des Begriffs und Hegels Deutung der Form des Schlusses. Auf ihre Verbindung soll im Folgenden noch ein Blick geworfen werden.

Ausblick

Die Schlusslehre stand während der letzten zweihundert Jahre nicht gerade im Mittelpunkt des Interesses der Hegelforschung. Daran hat auch der Umstand nichts zu ändern vermocht, dass Hegel selbst der Form des Schlusses eine zentrale Rolle für die spekulative Philosophie zuweist. Die herausragende Bedeutung des Schlusses kommt zum ersten Mal in jener Habilitationsthese zum Ausdruck, wo Hegel den Syllogismus zum Prinzip des Idealismus erhebt. Später schlägt sie sich in der oft mit Befremden zitierten Behauptung nieder, alles Vernünftige und alle Dinge seien ein Schluss. Weiterhin zeigt sie sich in dem vielfältigen Gebrauch des Schlusses als Form der systematischen Darstellung bis hin zu dem Schluss der Methode und den drei Schlüssen des Systems. Gemessen an dieser unbestreitbaren Tatsache hat Hegels logische Theorie des Schlusses erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erfahren. Das Ausbleiben einer intensiveren Beschäftigung mit der Schlusslehre dürfte zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen sein, dass nicht leicht zu sehen ist, wie die konkreten Ausführungen des SchlussKapitels mit dem spekulativen Grandanliegen der Wissenschaft der Logik in Zusammenhang stehen. In der scheinbaren Ermangelung einer Alternative wurde die Schlusslehre Hegels meist in ihrem Verhältnis zur formalen Logik betrachtet. Nach meinem Eindruck zeitigt eine solche Untersuchung jedoch kein befriedigendes Ergebnis. Sie führt vielmehr schnell zu der Einsicht, dass Hegel zur Disziplin der formalen Logik im engeren Sinn nichts Wesentliches beizutragen hat. Deshalb habe ich in der vorliegenden Interpretation einen anderen Weg beschritten. Mein Ziel war es zu zeigen, dass der Schlüssel zum Verständnis der Schlusslehre in der Entwicklung der Bedeutung des mittleren Terms liegt. Wie die Untersuchung ergeben hat, entspricht jedem der drei Teile der Schlusslehre eine bestimmte Auffassung von der Natur des Mittelbegriffs. Die ersten beiden können knapp so gekennzeichnet werden, dass der Begriff zunächst als das Merkmal eines Gegenstands und dann als eine Klasse von Gegenständen gedeutet wird. Erst im letzten Teil bestimmt Hegel den mittleren Term sodann als das objektive Allgemeine. Darunter versteht er ein Allgemeines, das die Einheit einer Mehrzahl von Momenten bildet, die sich negativ aufeinander beziehen und von denen jedes als das Ganze erscheint. Angesichts der am Ende des letzten Abschnitts geäußerten Bedenken gegen den Übergang zur Objektivität erachte ich es für günstig, für die weitere Diskussion zwei Aspekte zu trennen. Der erste betrifft den Grundgedanken der Schlusslehre. Er lautet in -

224

Ausblick

einem Satz zusammengefasst: Die Funktion des Schlusses als Form des reinen Denkens ist genau dann gewährleistet, wenn der mittlere Term die Bedeutung des objektiven Allgemeinen annimmt. Die dazu gehörige Überlegung umfasst im Wesentlichen die Entwicklung des Schlusses des Daseins und der Reflexion und führt zu dem kategorischen Schluss der Notwendigkeit. Insofern die Darstellung der Entwicklung auf Gründen ruht, die gegen die Deutung des mittleren Terms als Merkmal oder als Klasse von Gegenständen sprechen, besitzt Hegels Schlusslehre eine kritische Funktion. Diesem Aspekt wende ich mich im Folgenden zuerst zu. Der zweite Punkt der Diskussion wird die Behauptung der Objektivität des Begriffs betreffen. Hegel zufolge hört der Begriff in den letzten beiden Arten des Schlusses auf, bloß eine Form des Denkens zu sein und wird zu der Sache selbst. Obwohl ich Zweifel hege, dass Hegel eine angemessene Darstellung dieses Übergangs am Ende der Schlusslehre gelungen ist, will ich die Motive anzugeben versuchen, die er zugunsten der Annahme der Objektivität des Begriffs ins Feld führt. Da sie auf Hegels Ideenlehre und sein Konzept des realen Begriffs führen, werde ich mit ihnen schließen.

1. Die kritische Funktion der Schlusslehre Jedem Leser der Lehre vom Begriff drängt sich früher oder später die Frage auf, ob Hegels Behandlung der logischen Formen zu irgendwelchen Einsichten führt, die unabhängig von seinem eigenen Projekt einer spekulativen Philosophie Bestand haben. Die Frage wird umso drängender, als Hegel weder den traditionellen Syllogismus noch die empirischen Schlüsse der Induktion und der Analogie mit besonderer Hochachtung zu behandeln scheint. Die Darlegungen der ersten beiden Teile der Schlusslehre sollen offenbar zeigen, dass keine der behandelten Formen einer vernünftigen Betrachtung standhält, sondern sie sich als der Willkür und dem Zufall unterworfen erweisen. Schon deshalb wäre es abwegig, bei Hegel in erster Linie die womöglich erschöpfende Behandlung aller Arten von Schlüssen zu suchen. Wie die vorangehende Untersuchung gezeigt hat, geht Hegel nicht einfach so vor, dass er eine Liste der von der Tradition unterschiedenen Schlussformen aufstellt, um sie dann auf ihren Wert zu prüfen. Abgesehen davon, dass er sich die einzelnen Arten des Schließens im Zuge der dialektischen Bewegung des Begriffs auseinander entwickeln lässt, stellt Hegel eine systematische Ordnung her, indem er gewisse Schlussformen mit bestimmten Auffassungen von der Natur des Begriffs in Verbindung bringt. Das kritische Potential der Schlusslehre Hegels beruht auf der These, dass nicht jede beliebige Theorie des Begriffs geeignet ist, um die Funktion zu erklären, die der Begriff innerhalb eines Schlusses zu erfüllen hat. Hegel löst die These ein, indem er zunächst den mittleren Term als denjenigen Bestandteil auszeichnet, der den Schluss von einem Urteil unterscheidet. Die Funktion des mittleren Terms besteht in der Begründung der Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat des Schlusssatzes. Solange keine

225

Ausblick

notwendige Beziehung der beiden Seiten zustande kommt, entspricht die Bedeutung des Mittelbegriffs nicht dem Wesen des Schlusses und verlangt revidiert zu werden. Die Revision erfolgt gemäß der Methode Hegels in der Weise, dass sich der betreffende Schluss zu einer neuen Form entwickelt, die seine ,wahre Bedeutung' zum Ausdruck bringt. Im Verlauf dieses Prozesses ändert sich nicht nur die Form des Schlusses, sondern auch die Natur des mittleren Terms. Die Entwicklung erreicht ihr Ziel, sobald der Schluss eine notwendige Beziehung darstellt. Das wiederum ist Hegel zufolge genau dann der Fall, wenn etwas objektives Allgemeines als die Mitte fungiert. Was ist nun von der These zu halten, dass die Natur des Begriffs von seiner Eignung abhängt, als der mittlere Term eines Schlusses zu fungieren? Wie ein Seitenblick auf die gegenwärtige Debatte um den semantischen Holismus zeigt, liegt der Gedanke Hegels nicht so fern, wie es zunächst scheinen mag. Während der letzten Jahrzehnte ist das Bewusstsein neu erwacht, dass Begriffe nicht nur dazu dienen, um Gegenstände zu bezeichnen oder von Gegenständen und anderen Begriffen prädiziert zu werden, sondern dass Begriffe wesentlich in inferentiellen Beziehungen zueinander stehen. Der Beginn dieser Bewegung ist mit dem Namen Wilfrid Sellars verbunden. Sellars wurde nicht nur bekannt für seine Kritik an dem empiristischen Mythos des Gegebenen und als der Begründer des Funktionalismus in der Philosophie des Geistes. Neben dem späten Wittgenstein gilt er auch als einer der ersten Vertreter einer ausschließlich am Gebrauch orientierten Theorie der Bedeutung. Wie der einflussreiche Essay Empiricism and the Philosophy of Mind von 1956 zeigt, steht im Hintergrund seiner Philosophie der Sprache die gegen den erkenntnistheoretischen Fundamentalismus gerichtete Ablehnung jeder Art von nicht-inferentiellem Wissen.1 Sellars zufolge ist schon ein einfacher Beobachtungssatz nur sinnvoll zu verstehen, wenn er in einem „Raum von Gründen" platziert wird. Das heißt, der Sprecher muss zur Rechtfertigung seiner Behauptung durch andere Überzeugungen willens und imstande sein. Bereits drei Jahre vor dem bekannten Essay hat Sellars einen kürzeren Aufsatz zur Schlusslehre veröffentlicht. Er diskutiert darin Argumente der Art ,Es regnet, also werden die Straßen nass'. Der Empirist, so Sellars, wird einen solchen Satz als Enthymem deuten, in dem der Obersatz ,Immer, wenn es regnet, werden die Straßen nass' weggefallen ist. Die Position des Empiristen ist Sellars zufolge durch die Unterscheidung zwischen formallogischen Regeln des Schließens einerseits und dem aus der Erfahrung gezogenen empirischen Gehalt andererseits gekennzeichnet. Während die logischen Regeln die allgemeine Bedingung bilden, unter der wir überhaupt über Begriffe verfügen, wird durch die empirische Erfahrung der spezifische Gehalt der Begriffe

festgelegt.3

1 Vgl. Wilfrid Seilars, Empiricism and the Philosophy of Mind, hg. v. Richard Rorty und Robert Brandom, Cambridge (Mass.) 1997, 68-71. 2 „The essential point is that in characterizing an episode or a state as that of knowing, we are not

giving an empirical description of that episode or state; we are placing it in the logical space sons, of justifying and being able to justify what one says" (a. a. O., 76). 3 Vgl. Wilfrid Sellars, „Inference and Meaning", in: Mind 62, 1953, 313-338, 313-317.

of rea-

226

Ausblick

Der Empirist gerät jedoch in Verlegenheit, sobald er kontrafaktische Konditionale erklären soll. Wie Sellars am Beispiel des Satzes ,Wenn es regnete, würden die Straßen nass' zeigt, erfordert die Analyse solcher Konditionale die Annahme „materialer Regeln der Inferenz". Es muss ein Zusammenhang zwischen allen Fällen, in denen es regnet, und der Nässe auf den Straßen unterstellt werden, der weder in der Beobachtung noch in rein logischen Prinzipien begründet ist.4 Der von Seilars gelegten Spur sind inzwischen John McDowell und Robert Brandom gefolgt. Im Gegensatz zu Seilars, der sich selbst als Kantianer versteht, schließen beide ausdrücklich an Hegel an. Wie in der Einleitung erwähnt, berufen sie sich auf die Phänomenologie des Geistes als den klassischen Bezugspunkt ihrer Überlegungen. Während McDowell eher der Philosophie des Geistes zuzurechnen ist und dort für die Überwindung der Dichotomie von Begriff und Anschauung eintritt, hat Brandom eine viel beachtete, von ihm selbst als Inferentialismus bezeichnete semantische Theorie vorgelegt. Der Grundgedanke lautet ähnlich wie bei Sellars, dass sich die Bedeutung von Begriffen nach den diskursiven Festlegungen richtet, die der jeweilige Sprecher einzugehen bereit oder verpflichtet ist. Brandom drückt sich auch so aus, dass der Gehalt eines Begriffs oder Satzes seiner „inferentiellen Rolle" entspricht. Das Geschäft der „expressiven Vernunft" besteht für ihn darin, die impliziten Festlegungen und inferentiellen Beziehungen offen zu legen und zum Ausdruck zu bringen.5 Um die begrifflichen Zusammenhänge explizit zu machen, braucht es das formallogische Vokabular, vor allem das Konditional und die Negation.6 Statt der Vorgabe Brandoms zu folgen und irgendwelche Wahlverwandtschaften oder Familienähnlichkeiten der Philosophie Hegels mit der neuen Form des semantischen Holismus zu diagnostizieren, will ich auf einige grundlegende Differenzen hinweisen. Wie sich zeigen wird, hängen sie letztlich alle mit der Frage nach der Möglichkeit rein begrifflichen Erkennens zusammen. Beginnen möchte ich mit der Beobachtung, dass sowohl Seilars als auch Brandom sich des Konzepts der materialen Inferenz bedienen, um gewisse Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich bei der Interpretation von Konditionalen ergeben. Der eine Typ von Problem stellt sich ein, sobald man Sätze wie die oben genannten nach dem Muster eines Syllogismus versteht. Wie Hegel im Rahmen der Abhandlung über den qualitativen Schluss der ersten Figur darlegt, droht bei dem Versuch, die Prämissen deduktiv zu begründen, ein Fortschreiten ins Unendliche. Brandom spricht von einer „formalistischen" Deutung des Schließens und stellt ihr seine „pragmatistische" Sicht gegenüber. Danach gehören material gültige Schlüsse in das „Spiel des Gebens und Forderns von Gründen", wo sie nur bei entsprechender Gele-

genheit eigens genannt werden müssen. Vgl. a. a. O., 323-326. Wie Sellars weiter zeigt, beruht auch die Bedeutung von Beobachtungsprädikaten auf materialen Regeln der Inferenz (vgl. 331-336). 5 Vgl. Brandom, Making It Explicit, 89 f. und 105 f. 6 Vgl. a.a.O., 108-115. 7 Vgl. Brandom, Making It Explicit, 98 und 205 f. An der zweiten Stelle ist ausdrücklich von dem

4

-

-

227

Ausblick

Während Brandom das Problem des Regresses im Blick hat, entwickelt Seilars einen ähnlichen Gedanken in Bezug auf die induktive Rechtfertigung konditionaler Aussagen. In einem frühen Aufsatz über den Status von Begründungen erörtert er die Rechtfertigung von Sätzen wie ,Es wird gleich regnen'. Man könnte nun auf die Wolken am Himmel zeigen und erklären, solche Wolken brächten regelmäßig Regen mit sich. Um diesen Zusammenhang seinerseits zu begründen, könnte man sich auf meteorologische Gesetzmäßigkeiten berufen und auf frühere Fälle verweisen, die sie bestätigen. Die Deutung des Verweises auf Vorkommnisse derselben Art als ein induktives Argument erklärt Seilars indes für zweifelhaft. Viel eher liege dem Ganzen ein sokratisches Vorgehen zugrunde, dessen Ziel es sei, die Regeln aufzudecken, die den Gebrauch der Begriffe ,Wolken' und ,Regen' bestimmen. Nimmt man die beiden genannten Aspekte zusammen, kann man sagen, dass zwischen Sellars und Brandom auf der einen und Hegel auf der anderen Seite Übereinstimmung hinsichtlich der Schwierigkeiten besteht, den Obersatz eines gewöhnlichen Schlusses sei es deduktiv, sei es induktiv zu -

begründen.

-

Die beiden zeitgenössischen Autoren nehmen die Anleihen zur Lösung des Problems bei der Tradition des Pragmatismus. Das heißt im Klartext, dass die Bedeutung eines Begriffs von der Entscheidung des Sprechers oder der Sprechergemeinschaft für ein bestimmtes System von Begriffen abhängt. Eine derartige Option ist Hegel fremd. Brandom weist zwar zu Recht auf die soziale und die historische Dimension des Geistes bei Hegel hin. Doch obwohl Hegel die Gesellschaft und die Geschichte als Formen der Realisierung der Idee ansieht, meint er keineswegs, dass die Entscheidung darüber, was als vernünftig gelten kann, sich einfach nach den sozialen und historischen Gegebenheiten zu richten hätte. Deshalb steht ihm eine pragmatische Deutung material gültiger Schlüsse nicht offen. Die von Hegel vorgeschlagene Lösung des Problems des formalen Schließens beruht stattdessen auf der Verständigung über die Natur des mittleren Terms als desjenigen Begriffs, der die vermittelnde Funktion übernehmen soll. Solange der Mittelbegriff entweder als Merkmal oder als Klasse von Gegenständen aufgefasst wird, kommt Hegel zufolge keine notwendige Beziehung zustande, das heißt die Konklusion kann nicht als begrifflich begründet gelten. Die Lage ändert sich erst, wenn man den mittleren Term als ein objektives Allgemeines der geschilderten Art versteht.

die Rede. In Articulating Reasons erklärt Brandom die Aufstellung einer vollständiPrämissen für unmöglich und kennzeichnet das materiale Schließen daher als ein „nichtmonotonisches" Begründen (vgl. 87 ff). 8 „Socratic method serves the purpose of making explicit the rules we have adopted for thought and action, and I shall be interpreting our judgments to the effect that A causally necessitates B as the expression of a rule governing our use of the terms ,A' and ,B' (Wilfrid Sellars, „Language, Rules and Behavior", in: Sidney Hook [Hg.], John Dewey: Philosopher of Science and Freedom, New York 1949, 289-315, 296 Anm.). Brandom zitiert die Stelle in Making It Explicit, 105. 9 Vgl. Brandom, „Pragmatistische Themen in Hegels Idealismus", 375-381.

Regressproblem

gen Liste

von

"

-

228

Ausblick

Um die Überlegungen Hegels würdigen zu können, ist natürlich die Frage zu klären, ob und inwieweit man auf eine an der Funktion des mittleren Terms orientierten Deutung des Schließens überhaupt festgelegt ist. Könnte es nicht sein, dass Hegels offenbar von der metaphysischen Urteilslehre herrührende Ansicht, wonach der mittlere Term als die Einheit der beiden Extreme verstanden werden muss, in die Irre leitet? Meines Erachtens wird eine solche Befürchtung durch die Überlegung ausgeräumt, dass sich die Anforderungen an die Natur des mittleren Terms erst im Verlauf der Entwicklung des Schlusses ergeben. Dabei sticht eine überraschende Parallele zu Seilars und Brandom ins Auge. Im ersten Teil der Schlusslehre zeigt Hegel, dass es nicht genügt, wenn der mittlere Term als das Merkmal eines einzelnen Gegenstands aufgefasst wird. Um eine inferentielle Funktion zu übernehmen, muss der Begriff eine Mehrzahl von Fällen unter sich fassen. Etwas Ähnliches geschieht, wenn der Protagonist in dem Beispiel von Sellars seine materiale Regel der Inferenz offen legt. Auch hier genügt nicht die Bezugnahme allein auf die fragliche Situation, sondern die Regel betrifft eine ganze Klasse von Vorkommnissen, das heißt von Fällen des Gebrauchs eines bestimmten Wortes. Bei einer solchen Klasse handelt es sich, mit Hegel zu sprechen, um ein Allgemeines der Reflexion. Die verschiedenen Fälle werden äußerlich, durch die Praxis des Sprechers oder der Sprechergemeinschaft zusammengefasst. Daher scheint es mir möglich, die Darlegungen des zweiten Teils der Schlusslehre gegen die inferentielle Semantik in Stellung zu bringen. Wie erinnerlich, beruht nach der Ansicht Hegels der Schluss der Allheit auf einer Petitio principii. Sobald ich mich entscheide, anzunehmen, dass alle Menschen sterblich sind, setze ich die Sterblichkeit des Gaius implizit voraus und sei es aus pragmatischen Gründen. Es ist gleich einzuräumen, dass derartige Annahmen laut Sellars und Brandom ihrerseits in unser System von Überzeugungen eingebunden und in ihm gerechtfertigt sein müssen. In dem Zusammenhang weisen beide dem Beobachtungswissen eine tragende Rolle zu.1 Doch mit der Einführung eines nicht ausschließlich inferentiell gewonnenen Wissens ergeben sich genau die Schwierigkeiten, die Hegel mit Blick auf die Induktion und die Analogie erörtert. Die empirische Bestätigung allgemeiner Sätze kann nicht anders als induktiv erfolgen. Schließe ich nun von den beobachteten Fällen auf die unbeobachteten, handelt es sich der Sache nach um eine Analogie. Folgt man den Hinweisen Hegels, leistet keine der zuletzt genannten Schlussarten das, was sie vorgibt, sondern beruhen beide auf einer Petitio principii. Bei der Induktion muss die Vollständigkeit, bei der Analogie die Ähnlichkeit der betrachteten Reihe von Fällen letztlich vorausgesetzt werden. An einer Art von Dezision führt kein Weg vorbei. Infolgedessen ist Hegels Darstellung des Schlusses der Reflexion weniger weit von dem Thema der materialen Inferenz entfernt, als es den Anschein haben mag. Die Bezugnahme auf eine Klasse von Fällen reicht für sich genommen nicht aus, um die inferen-

10 Vgl. Sellars, 213-229.

Empiricism and the Philosophy of Mind, 73-77, und Brandom, Making It Explicit,

229

Ausblick

tielle Funktion des Begriffs zu erklären. Vor diesem Hintergrund bringt Hegel im dritten Teil der Schlusslehre eine neue Möglichkeit der Deutung des mittleren Terms ins Spiel. Danach lassen sich mit der Hilfe eines Begriffs, der sich auf die Natur der Sache bezieht, Folgerungen anstellen, die weder in einen Regress münden noch auf der bloßen Dezision beruhen. Deshalb habe ich vorgeschlagen, das Argument der Schlusslehre so zu interpretieren, dass eine rein begriffliche Form der Begründung möglich ist, wenn der Begriff nicht nur, wie in der Tradition Freges üblich, funktional auf eine Menge von Fällen bezogen, sondern zugleich als die Natur der Sache verstanden wird.

2. Die revisionäre Theorie der Allgemeinheit des

Begriffs

Es wäre gewiss ein Irrtum zu meinen, Hegel hätte seine Lehre vom Begriff hauptsächlich im Blick auf die bekannten Schwierigkeiten der Syllogistik einerseits und des empirischen Denkens andererseits konzipiert. Im Gegenteil verfolgt er in der Subjektiven Logik das eigenständige Programm einer spekulativen Theorie des Begriffs. Angesichts dessen kann man fragen, inwiefern der Vergleich mit den am Gebrauch empirischer Begriffe orientierten holistischen Semantiken etwas über den besonderen Zuschnitt und die Leistungsfähigkeit seiner Konzeption aussagt. Immerhin dürfte leicht Einigkeit darüber herzustellen sein, dass im Mittelpunkt des hegelschen Interesses nicht die Begründbarkeit empirischer Urteile wie beispielsweise von Wetterprognosen steht. Aus dem Grund sollte man sich hüten, das objektive Allgemeine vorschnell mit der Art von Begriffen gleichzusetzen, die wir im Alltag und in den Wissenschaften gebrauchen. Andererseits hieße es, das Kind mit dem Bade auszuschütten, wenn man daraus die Konsequenz zöge, das eine habe mit dem anderen nicht das Geringste zu tun. Eine minimalistische Sicht, die das spekulative Begriffsschema von der normalen Sprache völlig löst, ist schon wegen der systematischen Anlage der Schlusslehre wenig plausibel. Hegel beginnt mit der von ihm für die gewöhnliche gehaltenen syllogistischen Deutung der Form des Schlusses. Von da ausgehend entwickelt er schrittweise den Sinn des objektiven Allgemeinen. Im Verlauf dieser Entwicklung muss der Punkt liegen, an dem sich die spekulative von der gewöhnlichen Auffassung trennt. Die Grenzmarke bildet meines Erachtens der kategorische Schluss. So könnte jemand gegen Sellars und Brandom die Auffassung vertreten, dass wir über einen begrifflichen Zugang zu der Natur gewisser Gegenstände wie etwa des Menschen verfügen. Weiter könnte er behaupten, die fraglichen Begriffe gestatteten uns, den Satz Gaius ist sterblich' für wahr zu halten, ohne dass wir uns auf direkte Anzeichen der Sterblichkeit des Individuums Gaius oder auf irgendwelche induktiven Belege stützen müssten. Zur Begründung könnte er ins Feld führen, der Begriff ,Mensch' bezeichne eine Art von Dingen, in deren Natur es liege, sterblich zu sein. Ein solcher als objektives Allgemei-

-

,

230

Ausblick

verstandener Begriff verhülfe demnach zur Begründung einer Art von notwendigen Aussagen de re. Das Problem der eingeschlagenen Richtung der Argumentation besteht darin, dass es offenbar nur eine einzige Sache gibt, von der Hegel in der Wissenschaft der Logik handelt, nämlich den realen Begriff. Jeder Versuch, die Geltung der Aussagen über den hegelschen Begriff als das objektive Allgemeine auf andere Begriffe oder Gegenstände auszudehnen, setzt sich dem Einwand aus, das Gebiet des reinen Denkens zu verlassen. Um über ihn zu entscheiden, muss zumindest das Verhältnis geklärt werden, in dem die Wissenschaft der Logik und die Realphilosophie zueinander stehen. Doch bevor ich dazu einige Bemerkungen mache, will ich Hegels Konzeption der Allgemeinheit des Begriffs noch genauer umreißen. Wie ich versucht habe deutlich zu machen, profiliert Hegel seine Theorie gegen zwei alternative Auffassungen. Die eine betrachtet das Allgemeine als irgendeine Qualität, die einem Begriff oder Gegenstand als Merkmal zukommt. Nach der anderen handelt es sich bei dem Allgemeinen um eine Klasse von

nes

Gegenständen. Im Hintergrund der ersten Auffassung steht zweifellos die auch von Kant vertretene Ansicht, dass sich Begriffe vermittels gewisser Merkmale auf Gegenstände beziehen. Ein Begriff ist in dem Sinn allgemein, dass alle Gegenstände unter ihn subsumiert werden, denen das betreffende Merkmal inhäriert. Genau das macht den Begriff in Hegels Augen abstrakt. Indem sich der Begriff auf ein bestimmtes Merkmal bezieht, wird davon abgesehen, dass die unter ihn fallenden Gegenstände noch andere Bestimmungen besitzen. Die Abstraktheit hat also nicht unmittelbar etwas mit der Anzahl der unter einen Begriff subsumierten Gegenstände zu tun. Der Punkt ist wichtig, um den Unterschied zu der zweiten von Hegel kritisierten Auffassung zu sehen. Dort geht es nicht mehr um ein abstraktes Merkmal, sondern um eine Klasse von Gegenständen. In dem Schluss der Reflexion soll aus der Zugehörigkeit zu der Klasse gefolgert werden, dass ein Gegenstand ganz bestimmte Eigenschaften besitzt. Das Schlagwort, mit dem Hegel die zweite Auffassung kennzeichnet, ist das der Äußerlichkeit. Die einzelnen Elemente der Klasse sind an sich voneinander unabhängig und werden durch das Denken äußerlich zusammengefasst. Unter den Bedingungen der Gegenwart wird man neben den bereits genannten pragmatischen am besten an nominalistische Theorien denken, denen zufolge wir mittels allgemeiner Terme auf eine Menge raum-zeitlicher Objekte Bezug nehmen. Darüber, welche Gegenstände unter einen Begriff fallen und welche nicht, entscheidet somit einzig unser begriffliches Schema. Mit dem Konzept des objektiven Allgemeinen versucht Hegel der Abstraktheit und der Äußerlichkeit gleichermaßen zu begegnen. Der hegelsche Begriff soll weder in dem Sinn abstrakt sein, dass er nur ein Merkmal des Gegenstands enthielte, auf den er zutrifft, noch dürfen die in dem Begriff enthaltenen Bestimmungen bloß äußerlich zusam11

Man erinnere sich

an

Saul A.

Necessity, Oxford 1980, 116-144).

Kripkes Theorie der Begriffe für natürliche Arten (vgl. Naming and

231

Ausblick

menhängen wie die Elemente einer Klasse. Hegel illustriert den einschlägigen Sinn von Allgemeinheit anhand der lebendigen Gattung. Der Begriff der Gattung ist einerseits

nichts Abstraktes, insofern die Individuen und Arten alle in ihm enthaltenen Merkmale aufweisen. Andererseits ist die Allgemeinheit der Gattung nichts Äußerliches, insofern die Individuen und Arten nicht nur nominell, sondern real aufeinander bezogen sind. Gleichwohl besteht ein gewichtiger Unterschied zwischen dem objektiven Allgemeinen Hegels und unseren Termen für natürliche Arten. Mit Blick auf die Entwicklung des Schlusses der Notwendigkeit lässt sich sagen, dass er in dem liegt, was Hegel die negative Einheit der Bestimmungen nennt. Diese Negativität ist gewissermaßen das Markenzeichen der spekulativen Theorie des Begriffs. Dank der negativen Beziehung des Begriffs auf sich selbst meint Hegel, über ein Allgemeines zu verfügen, das nicht leer oder abstrakt und der Sache äußerlich bleibt. Wie es bei theoretisch motivierten Begriffsprägungen häufig der Fall ist, läuft Hegels Konzeption des Begriffs unseren gewöhnlichen Ansichten zuwider. Es wäre freilich verfehlt, gegen Hegel den Vorwurf zu erheben, sich dessen nicht bewusst gewesen zu sein. Auf kaum etwas hat er zeit seines Lebens soviel Mühe verwandt wie auf die Klarstellung des Unterschieds zwischen dem, was er den ,Begriff nennt, und einer .Vorstellung'. Als Vorstellung bezeichnet Hegel das, was üblicherweise Begriff heißt. Zur Erklärung bedient er sich der beiden gerade genannten Kennzeichen. Erstens sind Vorstellungen Formen oder Funktionen des Denkens und als solche den Gegenständen, auf die sie sich beziehen, äußerlich. Zweitens treffen Vorstellungen auf eine Mehrzahl von Gegenständen zu, indem sie von der Fülle der Bestimmungen der Dinge irgendeine herausgreifen und von den anderen absehen. Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, wenn Hegel die Allgemeinheit des Begriffs als etwas bestimmt, das nicht nur alle wesentlichen Bestimmungen dessen enthält, was darunter fällt, sondern ferner in dem Sinn objektiv ist, dass Begriff und Sache einander nicht mehr äußerlich gegenüberstehen. Über den Begriff einer Sache verfügen wir demzufolge erst dann, wenn der Inhalt selbst die Form des Begriffs angenommen hat. Eben darin unterscheidet sich für Hegel das Erkennen vom Vorstellen. Interessant ist Hegels Konzeption des Allgemeinen, weil er ein methodisches Mittel bereitzustellen beansprucht, mit dessen Hilfe sich der Begriff und die Sache als konkret erweisen lassen. Gemeint ist das eben schon berührte Konzept der Negativität. Es ist hinlänglich bekannt, dass Hegel der Verneinung und dem Widerspruch in seiner Philosophie von Anfang an eine ähnlich prominente Rolle zugewiesen hat wie dem Schluss. Bereits in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes spricht Hegel von der „bestimmten Negation" und schreibt ihr die Funktion des Übergangs zu einer neuen Form des Bewusstseins zu. Die bestimmte Negation wirkt in Hegels Augen system12 „Wodurch sich das Erkennen von der bloßen Wahrnehmung und der Vorstellung unterscheidet, ist die Form des Begriffs überhaupt, die es dem Inhalt erteilt" (GW 12, 220). 13 Vgl. die Habilitationsthese: „Contradictio est regula veri, non contradicho falsi" (GW 5, 227). 14 Vgl. GW 9, 57. „Das Einzige, um den wissenschaftlichen Fortgang zu gewinnen, ist die Er-

232

Ausblick

bildend, indem sie sich auf sich selbst bezieht. Nach der gängigen Auffassung führt die

Negation zu zwei einander widersprechenden Begriffen oder Urteilen. Die doppelte Negation hebt den Widerspruch auf und lässt den ursprünglichen Begriff oder Satz zurück. Nach der Ansicht Hegels indes geht der Sinn der ersten Negation in die zweite ein. Daher führt die Negation der Negation nicht zum Ursprung zurück, sondern generiert eine neue, dritte Bestimmung. In der Wissenschaft der Logik erinnert Hegel an gewisse Ausdrücke unserer Sprache, die den Charakter des Widerspruchs in sich tragen. Als Beispiele nennt er die Begriffspaare „oben und unten, rechts und links, Vater und Sohn und so fort" (GW 11, 287). Vorderhand schließt jedes der beiden Wörter das andere aus. Der Vater ist nicht der Sohn und der Sohn ist nicht der Vater. Durch eine zusätzliche Verneinung wechselt einfache

unter normalen Umständen die Seite der Relation. Nicht ,nicht der Sohn' ist nicht der Vater, sondern der Sohn. Hegel dagegen betrachtet nicht,nicht der Sohn' zu sein als eine weitere Bestimmung des Vaters. Durch sie soll zum Ausdruck kommen, dass in dem Begriff des Vaters die notwendige Beziehung auf den Sohn enthalten ist. Denn ohne den Sohn oder die Tochter gäbe es den Vater nicht; die Person könnte zwar kinderlos sein, aber sie wäre eben nicht der Vater.15 Mit dem Beispiel bezweckt Hegel, eine Vorstellung von dem zu geben, was in der Wesenslogik der Widerspruch heißt. Vereinfachend kann man sagen, dass der Widerspruch zwischen der Einheit entgegengesetzter Bestimmungen auf der einen und den entgegengesetzten Bestimmungen selbst auf der anderen Seite herrscht. Die Auflösung des Widerspruchs erfolgt durch den „Rückgang" dieses Gegensatzes in seinen „Grund". Es geht mir hier nicht um die doppelte Negation und den Widerspruch um ihrer selbst willen. Was mich interessiert, ist der theoretische Nutzen, den sich Hegel von ihnen verspricht. Er drückt ihn so aus, dass die beiden Seiten des Widerspruchs eine „lebendige Einheit" bilden, die ihrerseits imstande ist, aus sich herauszutreten und sich zu verändern. „Etwas ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält, und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und auszuhalten" (ebd.). Wenn ich eben davon gesprochen habe, dass sich der hegelsche Begriff als konkret erweist, kann die Behauptung jetzt genauer gefasst werden. Für Hegel ist der Begriff etwas, das in sich selbst die Tendenz zur Differenzierung trägt. Der Begriff ist konkret nicht aufgrund der Fülle der Bestimmungen, die er enthält, sondern weil er als etwas bestimmt ist, das sich selbst konkretisiert. In der Begriffslogik drückt Hegel die absolute Negativität durch das Moment der Einzelheit aus. Das Einzelne ist etwas, dessen man

kenntnis des logischen Satzes, dass das Negative ebenso sehr positiv ist oder dass das sich Widersprechende sich nicht in Null, in das abstrakte Nichts auflöst, sondern wesentlich nur in die Negation seines besonderen Inhalts, [...] dass also im Resultat wesentlich das enthalten ist, woraus es resultiert"

(GW 11,25).

15 „Der Vater ist außer der Beziehung auf den Sohn auch etwas für sich; aber so ist sondern ein Mann überhaupt" (GW 11, 288). 16 Vgl. dazu GW 11, 279-283 sowie Wolff, Der Begriff des Widerspruchs, 139-168.

er

nicht Vater,

233

AUSBLICK

Unterschiede in ihm selbst liegen und das sie aus sich heraus setzt. In dem Moment der Einzelheit ist der Begriff „als sich selbst Gleiches hergestellt, aber in der Bestimmung der absoluten Negativität" (GW 12,49).

3.

Hegels Ideenlehre

Bis hierher habe ich Hegels Konzept des objektiven Allgemeinen erläutert, ohne auf den wohl provozierendsten Teil seiner Theorie des Begriffs einzugehen, die These nämlich, dass es sich bei dem Begriff um etwas real existierendes Selbständiges handelt. Wie angekündigt komme ich jetzt auf das Argument der Schlusslehre zurück, das dem ontologischen Gottesbeweis der Tradition entsprechen und die Objektivität des Begriffs erweisen soll. Ich will hier nicht die Fragen wiederholen, die sich am Ende des dritten Teils mit Blick auf die Entwicklung des Schlusses der Notwendigkeit ergeben haben. Nur kurz erinnern möchte ich an den kategorialen Unterschied, der zwischen den Bestimmungen des Daseins, der Existenz, der Wirklichkeit und der Objektivität besteht. Obwohl die Ausdrücke vielfach synonym gebraucht werden, so Hegel, besitzen sie in der Wissenschaft der Logik einen klar voneinander abgegrenzten Sinn.1 So meint Objektivität mehr als reale Existenz. Das Objektive ist für Hegel ein konkretes Selbständiges. Die Verfassung des Objekts entspricht genau derjenigen des Begriffs als eines negativ auf sich selbst bezogenen Ganzen. Am Ende der Schlusslehre entwickelt sich der formelle Begriff zwar zur Objektivität, aber der Übergang sagt für sich genommen noch wenig über das Verhältnis, in dem der Begriff und die Objektivität zueinander stehen. Um klarer zu sehen, muss man den Blick auf die Anlage der Subjektiven Logik im Ganzen weiten. Nachdem das Objekt die Stadien des Mechanismus, des Chemismus und der Teleologie durchlaufen hat, entwickelt es sich fort zur Idee. Sie ist „die Einheit des Begriffs und der Objektivität" (GW 12, 174). Von der Ideenlehre aus betrachtet, sind der formelle Begriff und die Objektivität gleichsam komplementäre Aspekte dessen, was Hegel den realen Begriff nennt. Den Begriff einfach für ein Objekt zu halten wäre deshalb genauso einseitig, wie in ihm bloß eine Form des Denkens zu sehen. Will man das Verhältnis zwischen dem formellen Begriff und der Objektivität genauer bestimmen, ist man abermals auf die für die hegelsche Konzeption des Begriffs einschlägige Struktur der negativen Selbstbeziehung angewiesen. Das Objekt steht zwar dem Begriff als einer Form des Denkens gegenüber, aber in der Idee werden die beiden Seiten des Gegensatzes als eine Einheit gedacht. Daher gleicht die Verfassung der Idee für Hegel dem Bewusstsein, das ein Subjekt von sich selbst hat. In der Einleitung zur Subjektiven Logik verweist Hegel auf Kant, der als das „Wesen des Begriffs" die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption erkannt habe. Hegel erinnert an die 17

Vgl.

GW 12, 130 f. sowie dazu Teil III,

§

12

(2.).

234

Ausblick

transzendentale Deduktion der Kategorien. „Nach dieser Darstellung ist die Einheit des Begriffs dasjenige, wodurch etwas nicht bloße Gefühlsbestimmung, Anschauung oder auch bloße Vorstellung, sondern Objekt ist, welche objektive Einheit die Einheit des Ichs mit sich selbst ist" (17 f.). Dem, was er bei Kant die objektive Einheit des Begriffs nennt, entspricht Hegels Konzept der Idee. Weder verbindet Hegel mit der Einheit des Selbstbewusstseins ein transzendentales Subjekt, noch deutet er die objektive Einheit als die Einheit von Vorstellungen in einem Urteil. Stattdessen dient ihm die bewusste Selbstbeziehung als ein Modell fur die Einheit des Begriffs und der Objektivität in der

Idee.18 Gleichzeitig

Bezug auf die kantische Theorie der Subjektivität gilt es zu den realen Begriff als die Nachfolgebestimmung der absoluten beachten, Hegel Substanz Spinozas ansieht. Darin liegt der monistische oder, wenn man lieber will, der holistische Zug seiner Philosophie. Die Idee ist nicht bloß der reine Gedanke einer Art Wissens von sich, sondern die Idee ist zugleich dasjenige, von dem im eigentlichen Sinn gesagt werden kann, dass es ist?9 Deshalb wäre es falsch, bei der Bestimmung der Objektivität einfach stehen zu bleiben und die Realisierung des Begriffs für beendet zu halten. Insofern nicht das Objekt, sondern die Idee als der reale Begriff zu gelten hat, ergibt sich auch die volle Bedeutung des objektiven Allgemeinen erst in der Ideenlehre. Hegel entwickelt in der Wissenschaft der Logik den Begriff eines Allgemeinen, als dessen immanente Bestimmung nicht nur alles zu gelten hat, was sonst ,der Begriff heißt, sondern ebenso auch das, was als ,das Objekt' üblicherweise dem Begriff entgegengesetzt wird. Wie verhält sich nun die Idee als der reale Begriff zu der Form des Schlusses? Auf die Frage lässt sich zweierlei sagen. Erstens ist festzuhalten, dass am Ende der Schlusslehre noch keine vollständige Einsicht in die Bedeutung des Begriffs gewonnen ist. Solange der formelle zwar in den objektiven Begriff, das Objekt aber nicht in die Idee übergegangen ist, hat das objektive Allgemeine noch nicht seine endgültige Bestimmung erhalten. Interessanter ist der zweite Punkt. Bei näherem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass die Idee genau die Bedingung erfüllt, die Hegel an den mittleren Term des Schlusses der Notwendigkeit gestellt sieht. Wie sich im Durchgang durch die Formen des Schließens ergeben hatte, genügt es nicht, wenn der Mittelbegriff einfach ein bestimmtes Merkmal oder eine Klasse von Gegenständen bezeichnet. Eine inferentielle Funktion besitzt der Begriff nur dann, wenn ein innerer Zusammenhang besteht zwimit dem

dass

18 In der enzyklopädischen Logik kennzeichnet er die Einheit der Idee als die „übergreifende Subjektivität" (E §215 Anm.). In seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie schreibt Hegel Aristoteles das Verdienst zu, den Begriff des Allgemeinen nach dem „Prinzip der Subjektivität" gefasst zu haben (in: Vorlesungen, Bd. 8, 68). In der Enzyklopädie heißt es, Aristoteles habe sich „in seinem Begriff der Entelechie des Denkens, welches vdnCTiç ttjç vorjaecoc ist, über die Platonische Idee (die Gattung, das Substantielle) emporgehoben" (E § 552 Anm.). 19 „Sein hat die Bedeutung der Wahrheit erreicht, indem die Idee die Einheit des Begriffs und der -

Realität ist;

es

ist also nunmehr nur das,

was

Idee ist"

(GW 12, 175).

Ausblick

235

sehen dem, was unter ihn fällt, und den Bestimmungen dessen, was unter ihn fällt. Nach aristotelischer Vorstellung genügen der Forderung die Terme für natürliche Arten, weil ihnen bestimmte wesentliche Merkmale mit Notwendigkeit de re zukommen. Genau dasselbe gilt offenbar für den hegelschen realen Begriff. Die Idee bezeichnet einerseits dasjenige, was im eigentlichen Sinn ,ist'. Andererseits enthält die Idee nur solche Bestimmungen, die wesentlich zu ihrem Begriff gehören. Von dem realen Begriff bestehen demzufolge wenig Zweifel, dass er sich auf die „allgemeine Natur der Sache" bezieht (118). So könnte man pointiert sagen, bei dem mittleren Term des Schlusses müsse es sich letzten Endes um den realen Begriff handeln. In der Idee wird das Wirkliche mit seinen Bestimmungen zusammengeschlossen. Insofern sowohl das Wirkliche als auch die fraglichen Bestimmungen ihrerseits nur die Momente des realen Begriffs sind, entfaltet der Schluss die negative Beziehung der Idee auf sich selbst. Diese Überlegung kann noch einen Schritt weiter geführt werden. Betrachtet man die Idee als die allgemeine Natur dessen, was ,ist', dann gilt von allen Dingen, dass sie in dem Maß ,sind', wie ihre Natur der Idee entspricht. Nach der Überzeugung Hegels heißt das nicht bloß, dass zwischen der Idee und irgendwelchen Dingen ein Verhältnis der äußeren Entsprechung herrscht. Gemeint ist vielmehr, dass das Wirkliche seinerseits eine Einheit von Begriff und Realität darstellt. Das ist exemplarisch bei lebendigen Wesen der Fall, die Hegel als die „unmittelbare Idee" ansieht (E § 337). Darüber hinaus bestimmt er den Geist als „die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee" (E § 381), so dass die verschiedenen Erscheinungsformen des Geistes als Weisen der Realisierung der Idee zu gelten haben.21 Sobald man die Sphäre des reinen Denkens verlässt und sich im Feld der Natur oder des Geistes bewegt, kann von einer Entsprechung zwischen Begriff und Realität freilich nicht mehr in dem gleichen absoluten Sinn die Rede sein wie bei der Idee. Laut Hegel zeichnen sich die endlichen Dinge gerade dadurch aus, dass sie „die Realität ihres Begriffs nicht vollständig an ihnen selbst haben, sondern dazu anderer bedürfen" (GW 12, 175). Daraus ergibt sich die Aufgabe der übrigen Teile des philosophischen Systems. In der Philosophie der Natur und des Geistes muss die, wenn auch nur gradweise vorhandene, Entsprechung der verschiedenen Gestalten der Wirklichkeit mit der Idee aufgezeigt werden. An der Stelle kommt die Form des Schlusses wieder ins Spiel. Während sich die Idee als die Natur einer Sache im engeren Sinn erweist, indem die Sache selbst als die Einheit von Begriff und Realität erscheint, schlägt sich die Entsprechung im weiteren Sinn so nieder, dass die Sache dem formellen Begriff gemäß verfasst ist. Genau in dem Maß, wie die Wirklichkeit als die Einheit der Momente des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen aufgefasst und in der Form des Schlusses beschrieben wer-

Gegenstand, die objektive und subjektive Welt überhaupt sollen mit der Idee nicht bloß kongruieren, sondern sie sind selbst die Kongruenz des Begriffs und der Realität" (GW 12, 174).

20 „Der 21

Der Geist ist „die Wahrheit und der Endzweck der Natur und die wahre Wirklichkeit der Idee" (E konkrete Begriff nur als reale

§251). „Das Nicht-Geistige und Nicht-Lebendige dagegen ist der Möglichkeit" (GW 12,241). -

236

Ausblick

den kann, entspricht ihre Verfassung derjenigen des Begriffs. Demnach dient neben der Idee auch der formelle Begriff als ein Maßstab der Einsicht in die Natur der Dinge. Hegel bedient sich der Form des Schlusses nicht erst in dem Kapitel über den lebendigen Organismus, sondern schon in der Mechanik. Deren höchste Ausprägung bildet die Theorie der Gravitation, die den „wahrhaften und bestimmten Begriff der materiellen Körperlichkeit" enthalten soll. Diese „Idee der Schwere" stellt Hegel als den Zusammenschluss mehrerer bewegter Körper zu einem System dar. Was dessen „nähere Bestimmung" angeht, verweist er auf das in dem Abschnitt der Logik über den absoluten Mechanismus angegebene „System von drei Schlüssen" (E § 269).22 Der Rolle auf den Grund zu gehen, die das Motiv des Schlusses und mit ihm verbunden des Kreises der drei Figuren im weiteren Verlauf der Logik sowie in der Realphilosophie spielt, würde eine eigene Untersuchung erforderlich machen. Das Beispiel der Gravitation genügt jedoch, um zweifelsfrei zu sehen, dass Hegel nicht an der Ableitung bestimmter Sätze aus vorher feststehenden Prämissen, sondern an der Erkenntnis der Übereinstimmung der Natur der Dinge mit der Form des Begriffs gelegen ist. So lässt sich der plakativen Behauptung ein Sinn abgewinnen: „Alle Dinge sind der Schluss". Als schlussförmig erweisen sich die Dinge nicht deshalb, weil sie „aus drei Sätzen bestehende Ganze" wären. Vielmehr drückt der Schluss „die Natur der Dinge, das Vernünftige" aus, indem er die Dinge als „ein Allgemeines" begreift, das „durch die Besonderheit mit der Einzelheit zusammengeschlossen ist" (GW 12, 95). Der Gebrauch, den Hegel in den weiteren Kapiteln der Logik sowie in der Philosophie der Natur und des Geistes von den Figuren des Schlusses macht, und die Bedeutung, die den Bestimmungen des Allgemeinen, des Besonderen und des Einzelnen dabei jeweils zukommt, ist nicht mehr mein Thema und muss einer anderweitigen Klärung vorbehalten bleiben. Ich will nur noch auf die offen gebliebene Frage nach dem Verhältnis zwischen dem objektiven Allgemeinen und bestimmten Begriffen wie etwa dem des Menschen zurückkommen. Obwohl die Subjektive Logik im Grunde dem realen Begriff gewidmet ist, stellt Hegel die Bedeutung anderer Begriffe als der Idee nicht rundweg in Abrede. Im Gegenteil folgt aus dem bisher Gesagten, dass etwas in dem Augenblick aufhört, eine bloße Vorstellung zu sein, und als ein bestimmter Begriff gelten kann, in dem ein Bezug auf das vorhanden ist, was Hegel die vernünftige Natur der Sache nennt. Zur Erläuterung sei ein allerletztes Mal das viel strapazierte Stan-

dardbeispiel herangezogen. Hegel hängt der essentialistisch klingenden Auffassung an, dass in dem Begriff des Menschen als eines lebendigen Wesens die Bestimmung der Sterblichkeit mit Notwendigkeit de re enthalten ist. Interessant ist nun allerdings der genaue Grand für die Annahme. Die Sterblichkeit des Menschen ergibt sich für Hegel aus der Idee des Lebens. Ähnlich wie die Gravitation schildert er den lebendigen Organismus als die Einheit dreier Prozesse oder „tätiger Schlüsse" (E § 217). An dritter Stelle steht der so genannte 22

Vgl. E §

197 f. sowie ausführlicher GW 12, 143 f.

237

Ausblick i

Gattung.23

Darunter fällt zunächst die ursprüngliche Teilung des LebendiProzess der gen in die beiden einander entgegengesetzten Geschlechter. Ferner liegt es in dem Prozess der Gattung, dass jedes Individuum seine Existenz dem Zusammenschluss zweier Wesen seinesgleichen verdankt. Endlich geht in dem Prozess der Gattung nicht nur neues Leben hervor, sondern in ihm geht das Individuum auch unter. Hegel spricht von der „abstrakten Macht" der Allgemeinheit, der das Individuum „seine Einzelheit einbildet" (E § 375). Der Satz ist nicht als die poetische Schilderung des Todes zu lesen, sondern hinter ihm steht die Anerkenntnis der Überlegenheit der unbelebten Natur gegenüber dem lebendigen Individuum.24 Auch hier wäre genau zu fragen, welches die Terme des Schlusses sein sollen, der den Prozess der Gattung ausdrückt. Sicher ist aber, dass sich das Interesse Hegels nicht auf die syllogistische Ableitung der Sterblichkeit des Gaius, sondern auf die Schlussförmigkeit des Begriffs des organischen Lebens richtet. Die Idee des Lebens enthält als eine ihrer Bestimmungen den Tod des Individuums. Dass Gaius ein Mensch und trotzdem unsterblich sein könnte, ist mit der Art, wie sich das Allgemeine, das Besondere und das Einzelne im Fall des lebendigen Organismus verhalten, nicht vereinbar. Was Hegels Theorie des Begriffs anbelangt, lässt sich deshalb das folgende Resümee ziehen: Der verbreiteten Auffassung, dass sich Begriffe auf Merkmale oder Klassen von Gegenständen beziehen, tritt Hegel mit der Ansicht entgegen, dass der Begriff seinen Namen nur verdient, wenn er Auskunft über die allgemeine Natur der Sache gibt. Worin diese konkret besteht, legt Hegel in der Wissenschaft der Logik dar. Wie im Lauf der Untersuchung deutlich geworden sein dürfte, verfolgt er mit seiner Lehre vom Begriff weitgehend revisionäre Ziele. Aus dem Grund sollte man sich von der Emphase, die Hegel auf das Schließen legt, nicht täuschen lassen. Vernünftig werden die Dinge nicht dadurch, dass sie in irgendwelchen inferentiellen Beziehungen zueinander stehen, sondern dass sie die Verfassung des hegelschen Begriffs an sich tragen. Wahrscheinlich ist vor allem die ontologische Konnotation der Rede von dem realen Begriff dafür verantwortlich, dass ihr kein großer Erfolg beschieden war. Bevor man aber über sie urteilt, sollte man sich vergegenwärtigen, dass es in der Hauptsache spekulative Belange waren, die Hegel zu der Entwicklung seiner Theorie bewogen haben. Im ersten Teil der Untersuchung habe ich anhand der Definition des Schlusses gezeigt, inwiefern Hegel auf die spezifische Situation reagiert, die in der Nachfolge Kants entstanden war. Auch wenn sich die philosophische Landschaft seitdem in vielem geändert hat, halte ich die von Kant aufgeworfene Frage nach der Reichweite unseres Denkens weiterhin für aktuell. In der Einleitung zur Wissenschaft der Logik erinnert Hegel an die „ältere Metaphysik", die noch ein Bewusstsein davon gehabt habe, dass „das Denken und die Bestimmungen des Denkens nicht ein den Gegenständen Fremdes, sondern vielmehr deren Wesen oder [...] das Denken in seinen immanenten Bestim-

Vgl. zum Folgenden GW 12, 189 ff. sowie E § 220 ff. und § Des ungeachtet verknüpft Hegel den Tod des Individuums „konkreter Allgemeinheit" (E § 376). 23 24

367-376. mit dem Hervorgang des Geistes als

238

Ausblick

mungen und die wahrhafte Natur der Dinge ein und derselbe Inhalt sei" (GW 11, 16). Auf der so gelegten Spur gewinnt Hegel die Alternative zu dem, was er die Reflexion nennt, nämlich eine Beschäftigung mit den Bestimmungen des Denkens, die nichts über das Wesen der Dinge auszumachen beansprucht. Im zweiten und dritten Teil der Untersuchung habe ich dargelegt, wie Hegel ausgehend von dem gewöhnlichen Verständnis des Schließens die Bedeutung des mittleren Terms als eines objektiven und konkreten Allgemeinen entwickelt. Im letzten Abschnitt habe ich dann zu erläutern versucht, in welchem Sinn die Bestimmungen des formellen und des realen Begriffs für Hegel als die wahre Natur der Dinge gelten. Dass die Betrachtung der Bestimmungen des Denkens als das Wesen der Dinge am Ende nicht zwangsläufig zu einem Verlust des Reichtums der Phänomene führt, belegen Hegels Philosophie der Natur und des Geistes an zahllosen Stellen. Doch das steht auf einem anderen Blatt.

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Die Schriften Hegels werden soweit wie möglich nach der kritischen Edition zitiert: Wilhelm Friedrich Hegel, Gesammelte Werke, schen Akademie der Wissenschaften, Hamburg 1968 ff.

hg. v. der Nordrhein-Westfäli[abgekürzt: GW]. In den Fällen, in denen die Bände der kritischen Edition noch nicht vorliegen, wird auf die Theorie-Werkausgabe zurückgegriffen: —, Werke in zwanzig Bänden, hg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt a. M. 1969-71 [abgekürzt: WW]. Die Vorlesungen Hegels werden ebenfalls soweit wie möglich nach der kritischen Ausgabe zitiert: Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, Hamburg 1983 ff. Alle Band- und Seitenangaben im Text beziehen sich auf die Werke Hegels. Lediglich die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften wird nach der Paragraphenzählung der ersten Ausgabe von 1817 [abgekürzt: HE] und der dritten Ausgabe von 1830 [abgekürzt: E] zitiert. Die Orthographie in den Zitaten wurde durchgängig, die Zeichensetzung weitgehend dem heutigen Stand angeglichen. Georg

,



2.

Sonstige Literatur

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Personenverzeichnis

Albrecht, Wolfgang 207 Anselm von Canterbury 201, 205 f., 214 Aristoteles 17, 31, 33, 37, 92, 98, 110-113, 115, 118 ff, 139, 143, 145, 170, 181 f., 193, 234 Arnauld, Antoine 37,104,136,185

Bacon, Francis 177 Bardili, Christoph Gottlieb 40 Baum, Manfred 67, 75, 194 Baumanns, Peter 48, 145

Baumgarten, Alexander Gottlieb 98 Biard, Joël 213 Bichat, Xavier 193 Bodammer, Theodor 129 Bondeli, Martin 43, 46 f. Boswell, Terry 211

Bradley, Francis Herbert

103

Brandom, Robert B. 16 f., 226-229 Breidbach, Olaf 192 Bubner, Rüdiger 190,208 Buldt, Bernd 92 Burkhardt, Bernd 20 Darwin, Charles 28 Davidson, Donald 15 Descartes, René 13, 37, 129, 139, 201, 205 f. Düsing, Klaus 31, 40, 65, 73 f., 95, 114, 126, 149, 155, 159,162, 164 Emundts, Dina 20 Euler, Leonhard 137 Fichte, Johann Gottlieb 11, 14, 31 f., 38 ff, 42-58, 61,65, 67, 82, 93 f., 181, 192,208 Fischer, Kuno 21,28 Flatt, Johann Friedrich 105 Fleischmann, Eugène 212 Frank, Manfred 39,46,53 Franz, Michael 40,45, 105

Frege, Gottlob 74,

102 f.

Fries, Jakob Friedrich 130 Fulda, Hans Friedrich 15, 19, 23, 76, 78, 207 Fuselli, Stefano 24 Gadamer, Hans-Georg 30

Giuspoli, Paolo

149

Goodman, Nelson 175 Grau, Alexander 16

Haering, Theodor 159,163 Halbig, Christoph 16,74 Harris, Henry S. 84 Hartmann, Klaus 19 Henrich, Dieter 20, 39, 76 f., 204, 218, 221 Hölderlin, Friedrich 11, 31 f., 38 ff, 44-48, 52 f., 55-58 Horstmann, Rolf-Peter 19 f., 23, 25, 42, 51, 60, 83,93, 133, 149 f., 207 Hösle, Vittorio 211

Houlgate, Stephen

190

Jacobi, Friedrich Heinrich 47, 65 Jaeschke, Walter 202 f.

Kant, Immanuel 11, 13-17, 21, 24, 30 f., 33, 37, 39,41 f., 44, 46-50, 52, 55, 59 ff, 65, 68 f., 73, 75, 82, 89, 92-95, 97 f., 112, 115 f., 129 f., 132 ff, 136, 138, 143, 145, 148, 160, 163,173 f., 176 f., 179, 181, 183, 187, 190 ff, 198, 202, 204, 211, 230, 233, 237 Kimmerle, Heinz 150 Koch, Anton Friedrich 77

Kripke, Saul A. 230 Krohn, Wolfgang 22 f., 113, 138, 210 ff. Kwade, Anne-Kristina 66, 151, 154

Lambert, Johann Heinrich 137 Leibniz, Gottfried Wilhelm 103, 105, 110, 116

Liebrucks, Bruno 170,211,213

248

PERSONENVERZEICHNIS

Marx, Karl 127 McDowell, John 15 f., 226 McTaggart, John 169,172 Meier, Georg Friedrich 182,187,212 Meist, Kurt Rainer 94

Schmitz, Hermann 26 f., 29, 84, 125 f., 157 Schnädelbach, Herbert 64 Scholz, Heinrich 140 Seilars, Wilfrid 225-229 Sextus Empiricus 139

Mendelssohn, Moses 137

Siep, Ludwig 74, 96

Mill, John Stuart 188 Mure, Geoffrey R. G. 169

Sinclair, Isaak von 46 Spinoza, Baruch de 26, 89 f., 139, 190,234 Stekeler-Weithofer, Pirmin 16

Neuser, Wolfgang 193 Nicole, Pierre 37, 104, 136,185

Patzig, Günther 112, 115,

118

Peirce, Charles S. 22 Pippin, Robert B. 15,69 Platner, Ernst 40, 52, 120 Piaton 125 f., 191, 193 Ploucquet, Gottfried 105, 116, 135, 137 ff. Pozzo, Riccardo 105

Quante, Michael

74

Reinhold, Karl Leonhard 11, 14, 42 f., 45, 50 Richli,Urs 156

Rorty, Richard

16

Rosenkranz, Karl 21, 67, 94, 131, 150 Sans, Georg 69, 194 Schäfer, Rainer 73

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 11, 19, 39, 41, 43 ff, 51, 56, 58, 61 f., 65, 67 f., 85, 93-96, 105, 134, 192, 198 Schick, Friederike 99,171,175 Schmidt, Josef 22 Schmidt, Klaus J. 205

Stern, Robert 17

Stolzenberg, Jürgen

50

Stuhlmann-Laeisz, Rainer 41,245

Theunissen, Michael 23, 100, 102, 158, 207 Thorn, Paul 111 Tilliette, Xavier 67 Trede, Johann Heinrich 150 Trendelenburg, Adolf 22, 126, 144, 146, 173,209 Troxler, Ignaz Paul 66, 149 f. van

der Meulen, Jan 24

Vos, Ludovicus de 75

Waibel, Violetta 40,47 Wieland, Wolfgang 76

Wiggins, David

103

Wilhelm von Ockham 104, 111 William of Sherwood 98

Wittgenstein, Ludwig 197,225

Wohlfart, Günter 63 f., 79, 101 Wolff, Christian 37, 129,211 Wolff, Michael 173,232 Ziehe, Paul 198

Stellenverzeichnis

Glauben und Sein WW

1,250 ff.

47

Der Geist des Christentums WW WW

Glauben und Wissen

(1798) (1798/99)

1,373 61 f. 1,376 f. 194

Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie (1801) GW 4, 5 f. 133 GW 4, 10 18 GW 4, 14 18 GW 4, 25 ff. 150 GW 4, 27 67 GW 4, 45 f. 181 GW 4, 64 64 GW 4, 65 Anm. 126 GW 4, 74 ff. 67

Einleitung in die Philosophie (1801/02) GW 5, 263 f. 67

Logik und Metaphysik (1801/02) GW 5,271 GW 5, 272 GW 5, 273 GW 5, 274

66 66 f., 150

65-68, 134, 150 f. 66 f., 150

Verhältnis des

Skeptizismus zur Philosophie (1802) GW 4, 223 204

(1802)

GW 4, 320 66 GW 4, 328 68 ff, 82, 151 GW 4, 412 66

System der Sittlichkeit (1802/03) GW 5, 279 95 ff. GW 5, 280 96 GW 5, 310 96

System der spekulativen Philosophie (1803/04)

Das

GW 6, 67 152 GW 6, 92 ff. 153 GW 6,185-188 193 GW 6, 186-189 153 GW 6, 193 192 GW 6, 270 152 GW 6, 275 152 GW 6,278 153 GW 6, 280 152 GW 6, 287 f. 152 GW 6, 291 153 GW 6, 300 153

Logik, Metaphysik, Naturphilosophie (1804/05) GW 7, 5 ff. 154 GW 7, 19 158 GW 7, 29 156 GW 7, 32 f. 181 GW 7, 36 ff. 154 GW 7, 75 154 f. GW 7,76 155,157

Stellenverzeichnis

250 GW 7, GW 7, GW 7, GW 7, GW 7,

77 156 79 97, 157 80 156 81 f. 158 83 f. 159 GW 7, 85 160 GW 7, 87-91 160 GW 7, 92 161 GW 7, 93 71, 161 GW 7, 94 161 GW 7, 95 155 f. GW 7, 96 162 f. GW 7, 97 155,162,164 GW 7, 98 f. 164 GW 7, 100 ff. 165 GW 7, 103 166 GW 7, 104 163, 166 f. GW 7, 105 155 f., 163, 166 GW 7, 106 163 GW 7, 106 ff. 165 GW 7, 109 ff. 166 GW 7, 113 156 GW 7, 144 f. 164 GW 7, 174 f. 83, 149

Naturphilosophie und Philosophie des Geistes (1805/06) GW 8, GW 8, GW 8, GW 8, GW 8, GW 8, GW 8,

103 125 120 ff. 84 172-176 193 197 Anm. 81 f. 199 83 200 84 286 149

Phänomenologie des Geistes (1807) GW 9, 10 139 GW 9, 12 79,85 GW 9, 18 f. 79 GW 9, 30 79 GW 9, 36 ff. 85 GW 9, 38 80 GW 9, 40 80 GW 9, 41 79 f. GW 9, 42 62 f. GW 9, 43 62 ff., 79, 81 GW 9, 44 64

GW GW GW GW GW GW GW GW

9, 45 81,121 9, 57 231 9, 100 ff. 83 9, 143 185 9, 164 f. 84 9, 166 85 9, 250 85 9, 390 85

Logik für die Mittelklasse (1808/09) WW4, 103 157 WW4, 105 98, 136 Zur Lehre

von

den Schlüssen (1809)

GW 12, 299-304 113 GW 12,305-309 147

Subjektive Logikfür die Oberklasse (1809/10) WW4, 149 119 WW 4, 150-154 147 WW4, 151 113

Logik für die Mittelklasse (1810/11) WW4, 196 f. 98 WW4,198 100

Wissenschaft der Logik, (1812)

Das Sein

11,7 13,19 11,8 73 11, 16 238 11,20 15 GW11,21 15,31 GW 11,23 129 f. GW 11, 25 13,232 GW 11,26 67

GW GW GW GW

GW GW GW GW GW GW GW

11,27 13,67 11,31 14 f. 11, 32 14

11,35 11,37 11,41 11,43

74 f. 18

f. 146 206

251

Stellenverzeichnis GW GW GW GW GW GW GW GW GW

11,44 22 11, 46 ff. 204 11, 52 79 11, 56 198 11,63 198 11, 64 f. 204 11, 77 78 11, 79 ff. 121 11, 112 178

—,

Die Lehre

GW GW GW GW GW GW GW GW GW —,

GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW

Wesen

vom

(1813)

11,279-283 232 11,286 173 11,287 f. 232 11, 317 209 11. 322 11, 324 11, 325 11, 368 11, 409

204 204 f. f. 205 202

26,89, 198

Die Lehre

vom

Begriff (1816)

12, 5 89,109 12, 11 20,89 12, 12 27,90 12, 14 f. 139 12, 16 91 12, 17 f. 70,234 12, 17-27 30 12, 23 130 12, 27 138 f. 12,28 33 12,29 128 12, 30 24 f., 28, 90, 128, 131, 207, 2tt 12,31 25 12,32 87, 133 12, 33 25 12, 36 27, 85 12,40 26,206 12, 43 27,215 12,44 145

12,46 12, 47 12, 48 12, 49 12, 53 12,54

26 137 129

206, 233 29,86,100 98 f.

GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW GW

12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12

55 56 57 58 59 60 61 63

17, 70 f., 99 53

70,99 71,99, 101 f., 106 86, 101 f., 109 110

59,131 100

71 100, 175 73 f. 117,176 75 176,181

76 195 77 100, 191 78 191, 195 79 210 81 214 ff. 82 215 83 216 84 100 GW 87 120 GW 88 99, 120 GW 89 71 f., 120 GW 90 11,32,73, 85 f., 133 GW 91 112,120,133,135 GW 92 110,124,135 GW 93 92 GW 94 71, 106 ff, 111, 131, 156 GW 95 119, 131 f., 173,236 GW 96 169-172 GW 97 171 f. GW 98 120 f. GW 99 113, 122 f. GW 100 122 GW 101 114, 116 ff. GW 102 113,117,123 GW 103 114 f., 117 f., 124, 127, 135 GW 104 115,117,122,135 GW 105 124, 126 f., 135 GW 106 115 f., 124 f., 138, 140 GW 107 118 GW 108 117,140 GW 109 111,116 GW 110 116,137,174 GW 111 168,174,178,195 GW 112 178 f. GW 12 113 180,195 GW 12 114 122, 180 f. GW 12 115 122, 182 f.

Stellenverzeichnis

252 116 183 117 174, 183 f. 118 34,117,145, 185,195,235 119 187 ff, 195 ff. 120 191, 196f., 199,201 121 199, 210 ff. 122 211,213,221 123 91, 213, 215 ff. 124 91, 122,214-217,221 125 30, 131, 144 f., 217 f. 126 219 127 202, 205 f. 128 206,219 129 203, 206, 208 f. 130 76,204,209,233 131 208,233 143 f. 218 148 77 149 ff. 217 173 90 174 19,233,235 175 234 f. 176 24,207,219 189 ff. 193,237 191 193 192 77 210 196 220 231 238 28,75 239 76 240 77 241 77,235 242 77 246 77,78 247 77,78,87 248 75,78 252 75 253 24,29 ,

Die Lehre vom Sein

GW 21, 10 129 GW 21, 45 15 GW 21, 46 f. 14 GW 21, 77 f. 79 GW 21, 120 198 GW 21, 166 209

(1832)

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1817) HE § 110 24 HE § 111 25 HE §128 11 HE §134 113 HE §134 Anm. 115 HE§ 140 218 HE §474 29 HE §475 ff. 12

Über die Beweise vom Dasein Gottes (1829) GW 18, 228 203 GW 18,307 203

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830) § 1 202 § 12 Anm 209 § 15 75 E§24 15 E§25 15,59 E§26 60 E§27 60 f. E§28 60 E § 31 Anm 61 E § 51 Anm. 204 E § 76 Anm. 205 E § 81 f. 67 E§85 202 E § 142 Anm 204 E § 157 190,209 E § 161 76 E§ 162 24 E § 163 25 E § 166 Anm. 46 E§ 168 45 E§ 174 175 E§ 180 120 E§ 181 11,37 E§ 182 110, 133 E§ 186 113,122 E§ 187 113 E§ 187 Anm 115

E E E

E§ 188 113 140

253

Stellenverzeichnis

§ 189 126 E§ 190 177 E§ 190 Anm. 180 E§ 193 201,220

E

E§ 193 Anm. 35,148,205,207,209 E§ 197 f. 236 E§ 213 Anm. 19 E§ 215 Anm. 234 E § 217 236 E§ 218-221 193 E§220ff. 237 E§249 75

E § 251 E§320 E§337

235 169 235 E§ 345 Anm. 75 E§ 367-376 237 E§ 381 235 E§ 384 Anm. 202 E§459 129 E§ 552 Anm. 234 E§574 29 E§575ff 12