Schaden und Ersatz: Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Ersatzfähigkeit von Einbußen 3166452486, 9783161603051, 9783166452487


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Table of contents :
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einleitung
Teil 1: Grundlagen
§ 1. Der Schadensbegriff in Schrifttum und Rechtsprechung
I. Ansichten in der Literatur
1. Dem natürlichen Schadensbegriff nahestehende Auffassungen
a) Flexible Differenzhypothese
b) Dreigliedriger Schadensbegriff
c) Bedarfsschaden
d) Ökonomisch beeinflußter Schadensbegriff
e) Schadensbegriff mit Soziabilitätsschranke
f) Wiederbelebte Differenzhypothese
2. Normativer Schadensbegriff und verwandte Ansichten
a) Gemäßigt-normativer Schadensbegriff
b) Schaden als Interesse
3. Gemischter Schadensbegriff
4. Problemorientierte Betrachtungsweise
a) Problembezogene Schadensbetrachtung
b) Einzelgliederungen
c) Neue Leitprinzipien
d) Praktischer Schadensbegriff
5. Verzicht auf einen Schadensbegriff
II. Die Rechtsprechung
III. Diskussion
§ 2. Das weitere Umfeld
I. Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz
II. Ökonomische Analyse des Rechts
§ 3. Grundzüge und Eigenarten der Schadensrechtssysteme
I. Deutsches Schadensrecht
1. Die Grundlagen
2. Besondere, das Schadensrecht prägende Züge
II. Vorbemerkung zum anglo-amerikanischen Schadensrecht
1. Zweck des Schadensrechts
2. Einfluß der Richterschaft auf das Recht
3. Einfluß der Richterpersönlichkeit
4. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden
III. Englisches Schadensrecht
1. Ausgangslage
2. Grundsätze des Schadensrechts
3. Weitere, das englische Schadensrecht prägende Faktoren
IV. Schadensrecht der USA
1. Allgemeines
2. Besonderheiten des US-amerikanischen Schadensrechts gegenüber dem englischen Common Law
3. Grundsätze des US-amerikanischen Schadensrechts
V. Französisches Schadensrecht
1. Ausgangslage
2. Grundsätze des französischen Schadensrechts
3. Schadensabkommen
4. Neueste Entwicklung
Teil 2: Fallgruppen
§ 4. Ersatz fiktiver Reparaturkosten
I. Deutschland
II. England
III. USA
IV. Frankreich
V. Vergleich
§ 5. Beschädigung neuer Sachen
I. Deutschland
1. Kraftfahrzeuge
2. Andere Sachen
II. England
III. USA
IV. Frankreich
V. Vergleich
§ 6. Ersatz konkret entstandener Mietwagenkosten
I. Deutschland
1. Fixe Obergrenze?
2. Bestimmte Frist?
3. Geringer Fahrbedarf
4. Abzug für Eigenersparnis
5. Kaskoersatz
6. Würdigung
II. England
1. Fixe Obergrenze?
2. Bestimmte Frist?
3. Geringer Fahrbedarf
4. Abzug für Eigenersparnis
5. Kaskoersatz
6. Würdigung
III. USA
1. Fixe Obergrenze?
2. Bestimmte Frist?
3. Geringer Fahrbedarf
4. Abzug für Eigenersparnis
5. Kaskoersatz
6. Würdigung
IV. Frankreich
1. Fixe Obergrenze?
2. Bestimmte Frist?
3. Geringer Fahrbedarf
4. Abzug für Eigenersparnis
5. Kaskoersatz
6. Würdigung
V. Zusammenfassender Vergleich
1. Fixe Obergrenze
2. Bestimmte Frist?
3. Geringer Fahrbedarf
4. Abzug für Eigenersparnis
5. Kaskoersatz
6. Würdigung
§ 7. Abstrakte Nutzungsentschädigung
I. Deutschland
1. Gebrauchsentzug beim privaten Kfz
a) BGH-Rechtsprechung
b) Untergerichte
c) Schadenshöhe
2. Gebrauchsentzug bei gewerblich genutzten Fahrzeugen
3. Nutzungsausfall bei anderen Gegenständen
4. Würdigung
II. England
1. Private Kraftfahrzeuge
2. Gewerblich genutzte Fahrzeuge
3. Entzug sonstiger Gegenstände
a) Schiffe
b) Hausgrundstücke
c) Übrige Gegenstände
4. Würdigung
III. USA
1. Private Kraftfahrzeuge
a) Grundsatz
b) Schadenshöhe
2. Gewerbliche Fahrzeuge
3. Andere Gegenstände
4. Ansprüche auf vertraglicher Grundlage
5. Würdigung
IV. Frankreich
1. Kraftfahrzeuge
a) Grundsatz
b) Schadensbemessung und Schadenshöhe
c) Regulierungspraxis
2. Andere Sachen
3. Ansprüche auf vertraglicher Grundlage
4. Würdigung
V. Zusammenfassender Vergleich
1. Auf Fallgruppen beschränkte Nutzungsentschädigung
2. Berechnungsmethode und Höhe der Entschädigung
3. Gewerbliche versus private Geschädigte
4. Differenzierungen
5. Vertraglicher Aspekt
§ 8. Urlaubs- und Freizeitbeeinträchtigung
I. Mangelhafte Reiseleistung
1. Deutschland
a) Rechtsprechung
b) Reisevertragsgesetz
2. England
3. USA
4. Frankreich
II. Urlaubsschaden auf Grund deliktischen Verhaltens
1. Deutschland
2. England
3. USA
4. Frankreich
III. Zeitverlust durch Anspruchsverfolgung
1. Deutschland
2. England
3. USA
a) Ansprüche gegen Versicherungsunternehmen
b) Sonstige Fälle
4. Frankreich
IV. Genereller Einsatz von Freizeit
1. Deutschland
2. England
3. USA
4. Frankreich
V. Zusammenfassender Vergleich
1. Urlaubsbeeinträchtigung durch Vertragsbruch
2. Urlaubsbeeinträchtigung durch Delikt
3. Zeitverlust durch Anspruchsverfolgung
4. Geldersatz für vergeudete Freizeit
§ 9. Beeinträchtigung der Arbeitskraft
I. Problemstellung
II. Deutschland
1. Ausfall des haushaltsführenden Ehegatten
2. Erwerbsschaden Selbständiger
3. Ausgleich durch Schmerzensgeld
III. England
1. Allgemeines
2. Verlust der Arbeitskraft an sich
3. Ausgleich durch Schmerzensgeld
IV. USA
1. Allgemeines
2. Verlust der Arbeitskraft an sich
3. Bewertung
V. Frankreich
1. Ausgleich für „incapacité“
2. Beeinträchtigte Arbeitskraft
3. Bewertung
VI. Zusammenfassender Vergleich
Teil 3: Folgerungen
§ 10. Folgerungen hinsichtlich der sachlichen Ergebnisse
I. Deutsches Recht
II. Rechtsvergleich
III. Folgerungen
1. Alte und neue Positionen
2. Wertungsoffenheit
3. Präventionszweck
§ 11. Gestaltung des Schadenskonzeptes
I. Deutsches Recht
II. Vergleich der Konzepte
1. Frankreich
2. England
3. USA
4. Zusammenfassender Vergleich
a) Materieller/Immaterieller Schaden
b) Begriff des Vermögensschadens
c) Grundsatz der Naturalrestitution
d) Der Grundsatz der Totalreparation
e) Art und Weise der Schadensberechnung
f) Fortbildung des Schadensrechts
III. Folgerungen und Lösungsvorschlag
1. Ausgangsüberlegungen
2. Das geltende Konzept
3. Alternative Schadenskonzepte
a) Rückkehr zur klassischen Differenzhypothcse
b) Ökonomischer Begriff des Vermögensschadens
c) Genereller Geldausgleich für immaterielle Schäden
d) Ersatz subjektiv-wirtschaftlicher Schäden
4. Eigene Lösung
a) Zielvorstellungen
b) Lösungsvorschlag
c) Abgrenzung
d) Zum Vermögensschaden
e) Einwände aus § 253 BGB?
f) Zum Grundsatz der Totalreparation
g) Objektivierende Schadensberechnung
§ 12. Prozeß der Bildung und Entwicklung des Schadensrechts
I. Lage in der Bundesrepublik
II. Rechtsvergleich
III. Folgerungen
Zusammenfassung der Ergebnisse
Anhang: Die Entscheidung des Großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 9.7.1986
Literaturverzeichnis
Entscheidungsregister
Sachregister
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Schaden und Ersatz: Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Ersatzfähigkeit von Einbußen
 3166452486, 9783161603051, 9783166452487

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Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht

51 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Professor Dr. Ulrich Drobnig, Professor Dr. Hein Kötz und Professor Dr.Dr.h.c. Emst-Joachim Mestmäcker

Schaden und Ersatz Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Ersatzfähigkeit von Einbußen

von

Ulrich Magnus

ARTIBUS

J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Magnus, Ulrich: Schaden und Ersatz : e. rechtsvgl. Unters. zur Ersatzfähigkeit von Einbussen/ von Ulrich Magnus. - Tübingen : Mohr, 1987. (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht; 51) ISBN 3-16-645248-6 / eISBN 978-3-16-160305-1 unveränderte eBook-Ausgabe 2022 ISSN 0340-6709 NE:GT

© 1987 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­ halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein­ speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Typobauer Filmsatz GmbH, Scharnhausen; Druck: Gulde-Druck GmbH, Tübingen; Ein­ band von Großbuchbinderei Heinrich Koch, Tübingen Printed in Germany

Für meine Frau Sabine und unsere Kinder Tim, Jessica, Dorothea, Robert und Konstanze

Vorwort Schadensfragen stellen sich überaus häufig und in vielgestaltiger Form. Die Antworten berühren die Betroffenen meist ganz elementar. Es ist ferner oft das Schadensrecht, über das die Rechtsordnung mit neuen Entwicklungen, ihren Risiken und Opfern zuerst konfrontiert und zur Auseinandersetzung gezwungen wird. Kein Wunder also, daß das Schadensrecht bei uns, aber auch anderswo seit langem zu den ständigen Diskussionspunkten, ja „Unruheherden“ zählt. Das gilt zumal für die Grundfrage, welche Einbußen denn überhaupt Ersatz finden sollen. Für alle Zeiten und alle Fälle gültige Lösungen kann es hier nicht geben. Gefordert ist eine ständige und immer wieder erneuerte Überprüfung der Grundpositionen des Schadensrechts und ihrer konkreten Wirkungen im Einzelfall. Sie müssen weiterentwickelt und neuen Lösun­ gen zugeführt werden. Dazu will diese Arbeit einen Beitrag leisten. Sie bedient sich für diese Aufgabe intensiv der Rechtsvergleichung, die hier - als objektiver Prüfmaßstab wertvolle Hilfen zu geben vermag. Die Arbeit hat 1983 dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Ham­ burg als Habilitationsschrift vorgelegen. Wichtige Entwicklungen habe ich bis Ende 1986 nachgetragen; der Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH vom 9. 7.1986 ist ein Anhangskapitel gewidmet. Dem Berichterstatter der Entscheidung, Herm Vorsitzenden Richter am BGH Dr. Erich Steffen, dem ich die Arbeit vor der Veröf­ fentlichung des Beschlusses zugänglich gemacht hatte, möchte ich auch an dieser Stelle für seine freundlich-wohlwollende Stellungnahme danken. Die Arbeit habe ich als Referent am Hamburger Max-Planck-Institut unter seinem früheren Direktor, meinem verehrten Lehrer Konrad Zweigert beginnen und unter seinen jetzigen Direktoren Ulrich Drobnig, Hein Kötz und Emst-Joachim Mestmäkker fertigstellen können. Ihnen gilt mein herzlicher Dank - auch für die Aufnahme der Arbeit in die Institutsreihe. Dank gebührt auch Hein Kötz und Herbert Bernstein für die Mühen der Begutachtung. Besonderen Dank sagen möchte ich meinem Freund und Institutskollegen Dieter Martiny als geduldig-beharrlichem Gesprächspartner und kritischem Leser des Manuskripts dieser Arbeit. Dank hat ferner Frau Helga Alambwa verdient, die das Manuskript schnell und sorgfältig geschrieben hat. Schließlich sei der DFG für ihre Druckkostenbeihilfe gedankt. Hamburg, im September 1987

Ulrich Magnus

Inhaltsübersicht Vorwort....................................................................................................... Inhaltsverzeichnis....................................................................................... Abkürzungen............................................................................................. Einleitung...................................................................................................

VII IX XV 1

Teil 1: Grundlagen § 1 Der Schadensbegriff in Literatur und Rechtsprechung.......................... § 2 Das weitere Umfeld.................................................................................... § 3 Grundzüge und Eigenarten der Schadensrechtssysteme..........................

9 22 28

Teil 2: Fallgruppen § 4 Ersatz fiktiver Reparaturkosten................................................................. § 5 Beschädigung neuer Sachen....................................................................... § 6 Ersatz konkret entstandener Mietwagenkosten....................................... § 7 Abstrakte Nutzungsentschädigung.......................................................... § 8 Urlaubs- und Freizeitbeeinträchtigung.................................................... § 9 Beeinträchtigung der Arbeitskraft ..........................................................

58 74 84 131 185 238

Teil 3: Folgerungen §10 Folgerungen hinsichtlich der sachlichen Ergebnisse................................ § 11 Gestaltung des Schadenskonzeptes.......................................................... §12 Prozeß der Bildung und Entwicklung des Schadensrechts...................

270 283 321

Zusammenfassung der Ergebnisse.............................................................

334

Anhang....................................................................................................... Literaturverzeichnis................................................................................... Register.......................................................................................................

339 341 352

Inhaltsverzeichnis Vorwort...................................................................................................... Inhaltsübersicht......................................................................................... Inhaltsverzeichnis...................................................................................... Abkürzungen............................................................................................. Einleitung...................................................................................................

VII VIII IX XV 1

Teil 1: Grundlagen

§1. Der Schadensbegriff in Schrifttum und Rechtsprechung...........

9

Ansichten in der Literatur.............................................................. 11 1. Dem natürlichen Schadensbegriff nahestehende Auffassungen . 11 a) Flexible Differenzhypothese............................................................... 11 b) Dreigliedriger Schadensbegriff....................................................... 11 c) Bedarfsschaden ................................................................................ 12 d) Ökonomisch beeinflußter Schadensbegriff..................................... 13 e) Schadensbegriff mit Soziabilitätsschranke......................................... 13 f) Wiederbelebte Differenzhypothese.................................................... 14 2. Normativer Schadensbegriff und verwandte Ansichten 14. . . . a) Gemäßigt-normativer Schadensbegriff............................................. 15 b) Schaden als Interesse......................................................................... 15 3. Gemischter Schadensbegriff................................. 16 16 4. Problemorientierte Betrachtungsweise................. a) Problembezogene Schadensbetrachtung......................................... 16 b) Einzelgliederungen......................................................................................... 17 c) Neue Leitprinzipien......................................................................... 18 d) Praktischer Schadensbegriff.............................................................. 18 5. Verzicht auf einen Schadensbegriff........................ 19 19 II. Die Rechtsprechung......................................................................... III. Diskussion......................................................................................... 20

I.

§ 2. Das weitere Umfeld.....................................................................

22

Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz...................... Ökonomische Analyse des Rechts.........................................

22 24

I. II.

§ 3. Grundzüge und Eigenarten der Schadensrechtssysteme............... I. 1. 2.

II. 1. 2. 3.

28 Deutsches Schadensrecht......................................................... 28 Die Grundlagen.................................................... 28 Besondere, das Schadensrecht prägende Züge..... 30 Vorbemerkung zum anglo-amerikanischenSchadensrecht ....31 ZweckdesSchadensrechts.................................... 31 Einfluß der Richterschaft auf das Recht.............. 34 Einfluß der Richterpersönlichkeit ........................ 34

4.

III. 1. 2. 3.

IV. 1. 2. 3.

V. 1. 2. 3. 4.

Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden................. 35 Englisches Schadensrecht........................................................ 36 Ausgangslage........................................................... 36 Grundsätze des Schadensrechts.............................. 37 Weitere, das englische Schadensrecht prägende Faktoren .... Schadensrecht der USA........................................................ 43 Allgemeines ........................................................... 43 Besonderheiten des US-amerikanischen Schadensrechts gegenüber dem englischen Common Law........................... 44 Grundsätze des US-amerikanischen Schadensrechts. 48 Französisches Schadensrecht.................................................. 50 Ausgangslage........................................................... 50 Grundsätze des französischenSchadensrechts.......... 51 Schadensabkommen............................................... 54 Neueste Entwicklung ........................................... 55

Teil 2: Fallgruppen

§ 4.

Ersatz fiktiver Reparaturkosten.................................................... Deutschland............................................................................ England.................................................................................. USA........................................................................................ Frankreich.............................................................................. Vergleich..................................................................................

I. II. III. IV. V.

§ 5.

Beschädigung neuer Sachen.......................................................... I. 1. 2.

II. III. IV. V.

Deutschland........................................................................... Kraftfahrzeuge........................................................ Andere Sachen........................................................ England.................................................................................. USA........................................................................................ Frankreich.............................................................................. Vergleich..................................................................................

Ersatz konkret entstandener Mietwagenkosten I.

1. 2. 3. 4. 5. 6.

II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Deutschland........................................ Fixe Obergrenze?................. Bestimmte Frist?................. Geringer Fahrbedarf........... Abzug für Eigenersparnis.... Kaskoersatz........................... Würdigung........................... England............................................... Fixe Obergrenze?................. Bestimmte Frist?................. Geringer Fahrbedarf........... Abzug für Eigenersparnis.... Kaskoersatz........................... Würdigung...........................

58 58 65 68 70 71 74 74 74 76 77 78 79 81

84 84 86 88 89 90 93. 96 101 102 102 103 103 105 105

39

III.

IV.

§ 7.

USA...................................... 1. Fixe Obergrenze?............. 2. Bestimmte Frist?............. 3. Geringer Fahrbedarf . . . 4. Abzug für Eigenersparnis . 5. Kaskoersatz...................... 6. Würdigung...................... Frankreich............................. 1. Fixe Obergrenze?............. 2. Bestimmte Frist?............. 3. Geringer Fahrbedarf . . . 4. Abzug für Eigenersparnis . 5. Kaskoersatz...................... 6. Würdigung....................... Zusammenfassender Vergleich 1. Fixe Obergrenze............ 2. Bestimmte Frist?............. 3. Geringer Fahrbedarf . . . 4. Abzug für Eigenersparnis . 5. Kaskoersatz...................... 6. Würdigung......................

Abstrakte Nutzungsentschädigung.............................................. I. a) b) c)

2. 3. 4. II. 1. 2. 3. a) b) c)

4.

III. 1. a) b)

2. 3. 4. 5. IV. 1.

131 131 131 131 BGH-Rechtsprechung...................................................................... 135 Untergerichte.................................................................................... 136 Schadenshöhe .................................................................................... 137 .... Gebrauchsentzug bei gewerblich genutzten Fahrzeugen 141 Nutzungsausfall bei anderen Gegenständen ....... 146 Würdigung............................................................. 151 England.................................................................................. 152 Private Kraftfahrzeuge.......................................... 154 Gewerblich genutzte Fahrzeuge ........................... 155 Entzug sonstiger Gegenstände............................. 156 Schiffe............................................................................................... 159 Hausgrundstücke............................................................................. 159 Übrige Gegenstände......................................................................... 160 Würdigung............................................................. 161 USA....................................................................................... 161 Private Kraftfahrzeuge.......................................... 161 Grundsatz........................................................................................... 165 Schadenshöhe.................................................................................... 166 Gewerbliche Fahrzeuge........................................... 167 Andere Gegenstände............................................. 169 Ansprüche auf vertraglicher Grundlage ............. 170 Würdigung............................................................. 171 Frankreich.............................................................................. 171 Kraftfahrzeuge.......................................................

Deutschland............................................................................ Gebrauchsentzug beim privaten Kfz....................

1.

106 108 109 110 110 111 111 112 115 115 117 118 118 119 119 120 122 125 127 128 129

171 173 174 175 2. Andere Sachen....................................................... 3. Ansprüche auf vertraglicher Grundlage ............. 176 4. Würdigung............................................................. 176 177 Zusammenfassender Vergleich.......................................................... 1. Auf Fallgruppen beschränkte Nutzungsentschädigung ............. 177 179 2. Berechnungsmethode und Höhe der Entschädigung................ 182 3. Gewerbliche versus private Geschädigte.............. 183 4. Differenzierungen................................................. 184 5. Vertraglicher Aspekt............................................. a) b) c)

§ 8.

Urlaubs- und Freizeitbeeinträchtigung........................................ I.

Mangelhafte Reiseleistung...................................................... Deutschland ..........................................................

1. a) b)

2. 3. 4.

1. 2. 3. 4. III. 1. 2. 3. a) b)

4. IV. 1. 2. 3. 4.

V. 1. 2. 3. 4.

Rechtsprechung................................................................................. Reisevertragsgesetz.........................................................................

England.................................................................... USA....................................................................... Frankreich............................................................. Urlaubsschaden auf Grund deliktischen Verhaltens Deutschland ................................ England.......................................... USA............................................. Frankreich................................... Zeitverlust durch Anspruchsverfolgung. Deutschland ............................. England....................................... USA.............................................

II.

§ 9.

Grundsatz........................................................................................... Schadensbemessung und Schadenshöhe......................................... Regulierungspraxis.............................................................................

Ansprüche gegen Versicherungsunternehmen . . Sonstige Fälle....................................................

Frankreich................................. Genereller Einsatz von Freizeit................. Deutschland ............................. England....................................... USA.......................................... Frankreich................................. Zusammenfassender Vergleich.................. Urlaubsbeeinträchtigung durch Vertragsbruch Urlaubsbeeinträchtigung durch Delikt .... Zeitverlust durch AnspruchsVerfolgung . . . Geldersatz für vergeudete Freizeit................

Beeinträchtigung der Arbeitskraft I. II.

1. 2.

..............................................

Problemstellung...................................................................... Deutschland............................................................................ Ausfall des haushaltsführenden Ehegatten.......... Erwerbsschaden Selbständiger.............................

185 186 186 186 191 192 195 199 201 201 206 207 208 208 209 211 212 214 221 223 225 226 227 227 227 227 228 231 232 236

238 238 240 241 244

Ausgleich durch Schmerzensgeld........................... England................................................................................. Allgemeines ........................................................... Verlust der Arbeitskraft an sich.............................. Ausgleich durch Schmerzensgeld........................... USA........................................................................................ Allgemeines ........................................................... Verlust der Arbeitskraft ansich................................ Bewertung.............................................................. Frankreich............................................................................... Ausgleich für „incapacit".................................... Beeinträchtigte Arbeitskraft................................. Bewertung.............................................................. Zusammenfassender Vergleich...............................................

3. III.

1. 2. 3.

IV. 1. 2. 3. V. 1. 2. 3. VI.

247 248 248 249 250 251 251 251 254 254 254 257 258 259

Teil 3: Folgerungen

§10 . Folgerungen hinsichtlich der sachlichen Ergebnisse.................

270

Deutsches Recht..................................................................... Rechtsvergleich..................................................................... Folgerungen........................................................................... Alte und neue Positionen....................................... Wertungsoffenheit................................................. Präventionszweck .................................................

270 273 277 277 281 282

I. II. III. 1. 2. 3.

§11 . Gestaltung des Schadenskonzeptes I. II. 1. 2. 3. 4.

...........................................

283

Deutsches Recht..................................................................... Vergleich der Konzepte......................................................... Frankreich.............................................................. England.......................................... USA.............................................. Zusammenfassender Vergleich....

283 289 290 292 294 296 297 297 299 299 300 300 301 301 303 304 305 305 306 306 307 307 308 309

a) Materieller/Immaterieller Schaden....................... b) Begriff des Vermögensschadens.......................... c) Grundsatz der Naturalrestitution....................... d) Der Grundsatz der Totalreparation...................... e) Art und Weise der Schadensberechnung.............. f) Fortbildung des Schadensrechts.....................

III.

Folgerungen und Lösungsvorschlag...................... 1. Ausgangsüberlegungen...................................... 2. Das geltende Konzept ................. 3. Alternative Schadenskonzepte.... a) Rückkehr zur klassischen Differenzhypothese . . b) ökonomischer Begriff des Vermögensschadens . . c) Genereller Geldausgleich für immaterielle Schäden d) Ersatz subjektiv-wirtschaftlicher Schäden . . . .

Eigene Lösung..............................

4. a) b) c)

Zielvorstellungen................................................ Lösungsvorschlag................................................ Abgrenzung...........................................................

Zum Vermögensschaden.................................................................. Einwände aus § 253 BGB?............................................................... Zum Grundsatz der Totalreparation................................................ Objektivierende Schadensberechnung.............................................

311 312

§12. Prozeß der Bildung und Entwicklung des Schadensrechts .... I. Lage in der Bundesrepublik.................................................. II. Rechtsvergleich..................................................................... III. Folgerungen...........................................................................

321 321 324 329

Zusammenfassung der Ergebnisse.............................................................

334

d) e) f) g)

318 319

Anhang: Die Entscheidung des Großen Zivilsenats des Bundesgerichts­

hofes vom 9. 7. 1986 ................................................ 339 Literaturverzeichnis................................................................................... Entscheidungsregister................................................................................ Sachregister................................................................................................

341 352 373

Abkürzungen A. a.A. aaO abl. Abs. A.C. AcP ADAC a.E. affd. AG AK-BGB AllE.R. A.L.R. Alt. Am.BarAss.J. Am.Jur. Anm. Ann. App. Cas. Ariz. Ark. Art., Artt. Aufl.

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B. BAG BB Bd., Bde Beil. Bem. BGB BGBl. BGH BGHZ Brit.J.L.Soc. BT-Drucksache Bull. civ. Bull. crim. BVerfG

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XVI

Abkürzungen

BVerwG bzw.

Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise

C.A.

Court of Appeal (England) Court of Appeals (USA) California Supreme Court Reports California Appellate Reports California Law Review California Reporter California Western Law Review Cour de cassation Code civil Law Reports, Chancery Division Circuit Current Law Current Law Yearly Command Paper (der englischen Law Commission) Columbia Law Review Colorado (Reports) Connecticut (Reports) County Court

Cal. Cal. App.

Calif.L.Rev. Cal. Rptr. Cal. West L. Rev. Cass. Cc Ch. Cir. C.L. C.L.Y. Cmnd. Col.L.R. Colo. Conn. Cty. Ct. D. Dak. DAR DB D.C. Del. ders., dies., dens. D.H.

Recueil Dalloz

Diss. Doct. DRiZ D.S.

Dakota (Reports) Deutsches Autorecht Der Betrieb District Court Delaware (Reports) derselbe, dieselbe(n), denselben Dalloz. Recueil Hebdomadaire de doctrine, de jurisprudence et de legislation Dissertation doctrine Deutsche Richterzeitung Recueil Dalloz Sirey

Eq. e.V. Ex.

Equity eingetragener Verein Exchequer

F. f., ff. Fla. FS F. Supp.

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Ga. Gaz. Pal. GrS

Georgia Gazette du Palais Großer Senat

H.

Heft

HansOLG Harv. L. Rev. H.C. HGB H.L. Hrsg.

Hanseatisches Oberlandesgericht Harvard Law Review High Court Handelsgesetzbuch House of Lords Herausgeber

I.C.L.Q. ni. in. App. Ind. insbes. Ins.L.J. Int.Enc. I.P.P. IR. I.T.P. I.T.T.

The International and Comparative Law Quarterly Illinois Illinois Appellate Court Reports Indiana insbesondere Insurance Law Journal International Encyclopedia of Comparative Law Incapacite permanente partielle Informations rapides Incapacite temporaire partielle Incapacite temporaire totale

J. J.C.P.

Journal La semainejuridique.

JherJb J.O. JR Jur. autom. Jur.-Cl. JuS JZ

Juris-Classeur periodique. Edition generale Jherings Jahrbücher der Dogmatik des Bürgerlichen Rechts Journal officiel Juristische Rundschau La jurisprudence automobile Juris-Classeur Civil Juristische Schulung Juristenzeitung

Kans. K.B. Kfz KG Ky.

Kansas Law Reports, King’s Bench Kraftfahrzeug Kammergericht Kentucky

La. La. App. LG L.J. Lloyd’s Rep. LM

L.R. LS Ltd.

Louisiana Louisiana Appellate Court Reports Landgericht Lord Justice Lloyd’s List Law Reports Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier und Möhring Law Reports Leitsatz Limited

m. Md. MDR

mit Maryland Monatsschrift für deutsches Recht

m.E. Mich. Minn. Mise. Miss. Mo. Mo. App. mod. Mod. L. Rev. Mot. M.R.

meines Erachtens Michigan Minnesota Miscellaneous Reports Missouri (Reports) Montana (Reports) Montana Appellate Court Reports modified Modem Law Review Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. 5 Bde. (1896) Master of the Rolls

N. N.C. N.C.App. N.E. Neb. N.J. Super NJW N.L.J. N.W. N.Y. N. Y. App.Div. N.Y. Jur. N.Y.S.

Fußnote North Carolina North Carolina Appellate Court Reports Northeastern Reporter Nebraska New Jersey Superior Court Reports Neue Juristische Wochenschrift New Law Journal Northwestern Reporter New York (Reports) New York Appellate Division New York Jurisprudence New York Supplement

Obs. Ohio L.Abs. OLG

observations Ohio Law Abstracts Oberlandesgericht

P. Pa. Pa. Super P.C. Prot.

Pacific Reporter (USA); Law Reports, Probate, Divorce and Admiralty Division (England) Pennsylvania Pennsylvania Superior Court Reports Privy Council Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches. Im Auftrag des Reichsjustizamts bearb. von Achilles/Gebhard/Spahn. 7 Bde. (1897-1899)

Q.B. Q.B.D.

Law Reports, Queen’s Bench Law Reports, Queen’s Bench (1875-1890)

r. RabelsZ

rechts Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privat­ recht, begründet von Emst Rabel Revue d'Alsace-Lorraine Revue generale des assurances et de responsabilite Revue trimestrielle de droit civil Reichsgericht

Rev. Als.-Lorr. Rev. gen. ass. resp. Rev. trim. dr. civ. RG

Rz.

Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesge­ richtshofes Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rutgers Law Review Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Han­ delsrecht des In- und Auslandes, hrsg. von Schlegelberger. 7 Bde. (1929-1940) Randziffer

S. sc. S.C. Schl. Hol. Anz. S.E. sec. SGA Sh.Ct.Rep. So. So. Cal. L. Rev. Sol.J. Somm. Sp. Stan. L. Rev. Sup.Ct. S.W.

Seite, Satz scilicet Supreme Court Schleswig-Holsteinische Anzeigen Southeastern Reports section Sale of Goods Act Scottish Court Reports Southern Reporter Southern California Law Review The Solicitor’s Journal Sommaire Spalte Stanford Law Review Superior Court Southwestern Reporter

Tabl. an. Tenn. Tex. Tex. Civ. App. Trib.gr. inst. Trib.inst. Trib.pol. Tul. L. Rev.

Tableau analytique Tennessee Texas (Reports) Texas Civil Appeals Reports Tribunal de grande instance Tribunal d'instance Tribunal de police Tulane Law Review

U. Miami L. Rev. U.S. u.U.

University of Miami Law Review United States Supreme Court Reports unter Umständen

V.

VersR vgl. Vorbem. VW

versus Versicherungsrecht vergleiche Vorbemerkung Versicherungswirtschaft

Wash. Wis. W.L.R.

Washington (Reports) Wisconsin (Reports) Weekly Law Reports

Yale L.J.

The Yale Law Journal

z.B.

zum Beispiel

RGRK

RGZ Rutgers L. Rev. RvglHwB

XX ZGB ZHR ZIP zit. ZPO zust.

Abkürzungen

Zivilgesetzbuch Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert Zivilprozeßordnung zustimmend

Anlaß, sich mit dem Schadensrecht trotz einer Sturzsee einschlägiger Publi­ kationen zu beschäftigen, besteht offenbar. Die Literatur attestiert dem Gebiet seit Jahren einen unverändert kritischen Zustand1. Höchste deutsche Schadensrichter formulieren offen ihr Unbehagen2. Hauptmißstand des ge­ genwärtigen Schadensrechts ist das Fehlen eines geschlossenen Systems, eines durchgängigen Wertungsgerüstes. Von einem einheitlichen Schadensbegriff kann, so lautet die Kritik, nicht mehr die Rede sein. In der Tat ist das Schadensrecht heute weitgehend atomisiert. Übergrei­ fende Regeln und Gesichtspunkte haben abgedankt; die Fallgruppe oder gar der Einzelfall regiert3. Nun wäre dieser Umstand allein — wie das Beispiel des anglo-amerikanischen case law zeigt — noch kein Grund, Mißbehagen zu empfinden. Auch ohne ausgeprägtes Systemdenken kann man zu überzeu­ genden und miteinander zu vereinbarenden Entscheidungen finden. Doch gerade daran fehlt es in Deutschland. Auch bei uns ist das Schadensrecht inzwischen weitgehend richterlich geschaffenes Fallrecht. Die richterlichen Entscheide widersprechen einander aber häufig oder lassen doch ganz unter­ schiedliche Wertungen erkennen. Es ist deutlich, daß sie kein einheitlich ge­ handhabtes Schadenskonzept befolgen, sondern allein der Problematik des einzelnen Falles gerecht werden wollen4.

1 Etwa Lieb, JZ 1971,358; Staudinger(-Medicus) Vorbem. zu §§ 249-254 Rz. 31; Keuk 14; Stoll, Begriff 1; Tolk 13; Küppers 1; Brinker 13f.; STRÖFER 22. Siehe auch die Bemerkungen von Baur, FS Ludwig Raiser 119. 2 Hagen, FS Hauß 102 (wertungskonforme Koordinierung der einzelnen Rechtsfortbildun­ gen tut not); Nüssgens, 25 Jahre Bundesgerichtshof 102 weist auf die Schwierigkeiten der Rechtsprechung hin und spricht von „Übergangsphase“ des Schadensersatzrechts; zu Warnungen sieht sich auch Deinhardt, VW 1980, 168 ff. veranlaßt. Alle drei Autoren sind oder waren Mitglieder des für Schadensrecht in erster Linie zuständigen VI. Senats des BGH. Etwas neutraler formuliert Pfeiffer, der gegenwärtige Präsident des Bundesgerichtshofes, daß der Schadensbe­ griff immer wieder rechtsgrundsätzliche Fragen aufwerfe (DAR 1980, 303). 3 Beispiele solcher Fallgruppen sind die Vorteilsausgleichung, die sich vom allgemeinen Schadensrecht inzwischen weitgehend abgespalten hat und in der Literatur meist auch getrennt behandelt wird (vgl. Deutsch 452ff.; Lange 298ff.); die hypothetische Schadensverursachung; das rechtsmäßige Alternativverhalten (zu beiden Lange 110ff.). Die „Nutzungsfälle“, die „Ur­ laubsfälle“ sind weitere, noch konkretere Problembereiche, deren Behandlung ständig stärker in den Vordergrund gedrungen ist; siehe die Arbeiten von Grunsky, Aktuelle Probleme; Küppers; Schulte; Stoll, Begriff; Tolk. 4 Ebenso Schiemann 155 ff.

Als Beispiele widersprüchlicher Entscheidungen aus dem Fragenbereich, den die Arbeit behandelt, seien hier nur genannt: Zwischen mehreren BGH-Senaten war kontrovers, ob der finanziell wirkungslose Entzug von Wohnraum durch eine Nut­ zungsentschädigung abzugelten sei1. Uneinheitlich beurteilt man den Ausgleich für Verlust an abstrakter Arbeitsfähigkeit: trotz Eröffnung einer eigenen Praxis erhält eine wiederhergestellte Ärztin Ausgleich dafür, daß sie nicht mehr Landärzte vertreten kann2; der Diplomchemiker, der tatsächlich nur eingeschränkt weiterarbeitet, be­ kommt nichts3. Bei Pelzmantel4, Swimmingpool5, Motorboot6, Fernseher7 und Wohnwagen8 muß der Betroffene den vorübergehenden Entzug entschädi­ gungslos hinnehmen; bei Auto9, Privatflugzeug10 und Pferd11 dagegen nicht.

Auch die wichtige Entscheidung des Großen Zivilsenates des BGH vom 9. 7. 198612 überläßt die Frage, ob der Entzug einer Position schadensrechtEch relevant ist, weitgehend der Einzelfallprüfung. Die gegenwärtig unbefriedigende Lage des Schadensrechts hat ihre Ursa­ chen wesentlich im technischen und gesellschaftlichen Wandel, der ich seit dem Inkrafttreten des BGB vollzogen und das damals in Geltung gesetzte Schadensrecht — ebenso wie das gesamte Haftungsrecht — vor neue Aufgaben gestellt hat13. Deren Lösung Heß sich dem Gesetz beim besten Willen nicht entnehmen; sie mußten auf die Dauer die 1900 geschaffene systematische Einheitlichkeit sprengen. Der technische Fortschritt hat insbesondere über das Kraftfahrzeug Einzug ins Schadensrecht gehalten und durch eine Unzahl von Kfz-Schadensfragen diesem Gebiet wesentliche Züge aufgeprägt. Der gesellschaftliche Wandel hat zu einer starken Aufwertung von Gütern geführt, von denen der Gesetzgeber von 1900 schadensrechtlich noch keine Notiz nahm oder nehmen konnte: so beispielsweise die Freizeit- und Urlaubsmöglichkeiten des Einzelnen. Ihre Zugänglichkeit für jedermann ist jungen Datums; die im Massentourismus 1 Gegen Ersatz mehrere Urteile des V. Senats: 21. 4. 1978, BGHZ 71, 234; 30. 11. 1979, BGHZ 75, 366. Anders frühere Urteile des III. (11.7. 1963, NJW 1963, 2020) und des VIII. Zi­ vilsenats (14. 6. 1967, NJW 1967, 1803). Zweifel an der Richtigkeit der Rechtsprechung des V. Senats äußert der VII. Senat (28. 2. 1980, DB 1980, 1016). Für Ersatz nunmehr der Große Zivilsenat des BGH 9. 7. 1986, BGHZ 98, 212, dazu ausführlich unten S. 339£ 2 BGH 25. 9. 1973, VersR 1974, 142. 3 BGH 5. 5.1970, BGHZ 54, 45. 4 BGH 12. 2. 1975, BGHZ 63, 393. 5 BGH 28. 2. 1980, DB 1980,1016. 6 BGH 15. 11. 1983, BGHZ 89, 60. 7 LG Berlin 17. 12. 1979, VersR 1980, 830. 8 BGH 15. 12. 1982, BGHZ 86, 128. 9 BGH 15. 4. 1966, BGHZ 45, 212. 10 OLG Karlsruhe 16. 4. 1982, MDR 1982, 575. 11 BGH 21. 2.1979, BGHZ 73, 355. 12 BGHZ 98, 212, siehe dazu unten S. 339f. 13 Zu diesem Wandel Kötz, Sozialer Wandel 1 ff.; Nüssgens (oben S. IN. 2) 93.

sich ausprägenden, veränderten Konsumgewohnheiten und -möglichkeiten haben das Schadensrecht nicht unberührt gelassen. Andere Güter — wie etwa erträgliche Umwelt — haben durch ihre Verknappung einen ganz anderen Stellenwert als im Jahr 1900 erlangt. Vor allem aber hat sich die gesellschaftUche Einstellung gegenüber immateriellen Werten, insbesondere Persönlich­ keitsrechten gewandelt. Sie sind im BGB kaum berücksichtigt. Das Gesetz sorgt im wesentlichen nur für den Ausgleich eindeutig materieller Einbußen (§ 253 BGB). Mag eine solche Regelung den maßgeblichen Anschauungen um die Jahrhundertwende auch entsprochen haben, inzwischen sind immate­ rielle oder jedenfalls nicht rein materielle Werte vielfach „kommerzialisiert", und das heißt zweierlei: In der gesellschaftlichen Wirklichkeit haben diese Werte einerseits weitgehende Käuflichkeit erlangt und damit einen von man­ chen beklagten Abstieg auf die Geldebene vollzogen. Zum anderen und vor allem ist der Wandel der Anschauung aber davon getragen, daß die genannten Positionen stärker - auch durch die Sanktion des Schadenersatzes - geschützt und aufgewertet werden sollten. Man hat erkannt, daß für viele die nicht rein materiellen Werte ein wichtiges Potential an ,Vermögen41 (in 2 3 einem weiten Sinn) sind. Zu dieser Einsicht hat in Deutschland auch die Erfahrung des menschenverachtenden Nationalsozialismus wesentlich beigetragen. Die Reaktion des Grundgesetzes, die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte des Ein­ zelnen stärker zu sichern, hat auf das Schadensrecht eine bedeutende Wirkung ausgeübt. Bislang ist der Wandel allerdings nur in (einigen) Ergebnissen des Schadens­ rechts reflektiert. Weder die gesetzliche Regelung noch das begriffliche und systematische Instrumentarium des Schadensrechts sind offen verändert wor­ den. Die Spannungen, die sich ergeben, wenn man die neuen Einsichten mit dem herkömmlichen System ,abfangen4 will, sind jedoch nicht zu übersehen. Sie haben zu der „tiefgreifenden Unsicherheit441 geführt, die insbesondere in der Rechtsprechung zu beobachten ist. Ihr hat man auch schon „Begriffsver­ zerrungen und Kriterienwirrwarr“2 oder gar „innere UnWahrhaftigkeit443 vorgeworfen. Die eingangs zitierten Richterstimmen4 bestätigen, daß auch in der Richterschaft selbst die Entwicklung des Schadensrechts als problema­ tisch gesehen wird. Soweit die Diagnose. Welche Therapie ist vorzuschlagen? An Heilungsver­ suchen hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. In zwei Richtungen hat man Abhilfe gesucht. Zum einen sollte ein richtig verstandener, alle Fallgruppen

1 Mertens 14. 2 Hagen, FS Larenz 877. 3 Stoll, Begriff 36; für den Bereich des Nutzungsausfallersatzes noch schärfer Palandt (-Heinrichs) Vor § 249 Bem. 2b)cc): „fast schon chaotisches Bild“. 4 Siehe S. 1 N. 2.

abdeckender und erklärender Schadensbegriff das Heilmittel bieten. Hierüber ist eine engagierte Diskussion geführt worden, für die aus der jüngeren Zeit die Arbeiten von Mertens1 und Keuk2 besonders exemplarisch sind. Das Ergebnis der Diskussion ist bisher nur eine Vervielfältigung der Meinungen zum Schadensbegriff gewesen3. Die Vorschläge allgemeinerer Art haben das unkoordinierte Weiterwuchern des Fallrechts nicht verhindern können. Zum andern — und insoweit kann man von Heilungsversuch kaum mehr sprechen, eher von Resignation — hat die Literatur die Methode der Rechtsprechung übernommen, das Schadensrecht nur noch als ein Geflecht einzelner und immer kleinerer Fallgruppen zu begreifen. Der Einzelfall und seine konkrete Lösung verdrängen die systematische Durchdringung. Be­ grenzte Probleme wie beispielsweise die Vorteilsausgleichung oder, noch spezieller, die Nutzungsentschädigung, die „Urlaubsfälle“ etc. sind so Brenn­ punkte eigener Diskussion geworden. Der Zusammenhang mit einem gene­ rellen Schadensbegriff oder -konzept spielt hier meist keine Rolle mehr. Die Diskrepanz zwischen Begriff und Einzelfallösung ist oft eklatant4. Bleibt damit nichts anderes als die resignierende Feststellung von Medicus, daß „die Theorie dem Praktiker hier nur eine sehr beschränkte Hilfe bieten“5 kann? Tatsächlich ist von einer rein begrifflichen Neuordnung des Schadens­ rechts keine Besserung zu erwarten. Erörterungen, die aus dem richtigen’ Begriff des Schadens oder des Vermögensschadens die Lösung einzelner schadensrechtlicher Probleme ableiten wollen, vermögen der Praxis wohl in der Tat nicht wirksam zu helfen6. Daß ein einziger Schadensbegriff alle Schadensprobleme lösen könnte, ist, wie noch näher darzulegen sein wird, eine Illusion. Zu verschieden sind die Zusammenhänge und Fragestellungen, um sachgerecht stets mit ein und derselben Formel beantwortet werden zu können7. Zwischen Schadenserörterungen, die primär von zugrundegelegten Be­ griffen ausgehen, auf der einen Seite und der absoluten Herrschaft der Fallty­

1 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht (1967). 2 Keuk, Vermögensschaden und Interesse (1972). 3 Vgl. unten S. 9ff. die Übersicht über die unterschiedlichen Anschauungen. 4 Zum Schadensrecht findet sich deshalb neben den ,großen4 dogmatischen Arbeiten, wie sie Mertens; Keuk; Hagen, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik (1971) u.a. vorgelegt haben, eine überreiche Fülle von Praktikerliteratur", die allein zum konkreten einzelnen Schadensproblem Stellung nimmt. Beide Literaturebenen nehmen nur unzureichend voneinander Notiz. 5 Medicus, Unmittelbarer Schaden 43. 6 Siehe auch Hagen, FS Hauß 100. 7 Ebenso Hagen (vorige N.). Er spricht von Rückgängigmachen des Abstraktionsvorganges, den das BGB hier zu weit getrieben habe. Ähnlich auch schon Neuner, AcP 133 (1931) 314. Von derselben Hypothese geht auch Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensrechts (1981) 2 aus.

pen1 oder gar der Einzelfälle auf der anderen Seite verläuft jedoch ein methodischer Weg, der für das Schadensrecht bisher noch wenig erkundet ist. Es ist die (induktive) Methode, aus detaillierten Fallanalysen zu systematischen und begriffsbildenden Überlegungen zu gelangen2. Zugespitzt mögen ihr Weg und Ziel dahin charakterisiert werden: Mit dem Fallrecht über das Fallrecht hinaus3. Bislang ist jedenfalls weder nachgewiesen noch widerlegt, ob nicht für abgrenzbare größere Problemfelder des Schadensrechts abstrahie­ rende Feststellungen getroffen werden können, die ihrererseits - für das untersuchte Feld — zu einem konsistenten, mehrere Falltypen umfassenden Wertungsgerüst führen und sich u.U. auch zu Begriffen verdichten lassen. Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Sie geht von der Hypothese aus, daß für begrenzte Fragestellungen des Schadensrechts Abstraktionen aus dem jeweili­ gen Fallmaterial noch möglich sind. Für eines der denkbaren Problemfelder wird sie die einzelnen Fallgruppen durchmustern, sie auf die Angemessenheit der jeweiligen Lösung prüfen und anschließend untersuchen, ob und welche allgemeinen Folgerungen sich ziehen lassen. Als abgegrenzter Problemkreis soll hier untersucht werden, welche Posi­ tionseinbußen einen ersatzfähigen Schaden darstellen, allgemeiner formuliert: „was im Sinne des geltenden Schadenersatzrechts überhaupt als Schaden anzu­ sehen ist“4. Doch beabsichtigt die Arbeit nicht, sämtliche, auch die völlig unstreitigen Positionen daraufhin zu prüfen, ob ihre Beeinträchtigung zu Ersatz verpflichtet. Sie beschränkt sich auf die besonders umkämpften und exemplarischen Fälle, deren Behandlung in Rechtsprechung und Literatur aber gerade das Urteil darüber, was ein Schaden sein könne, hat unsicher werden lassen. Die Debatte hierüber, aus der die Begriffe „Kommerzialisie ­ rung“ und „normativer Schaden“ die bekanntesten Schlagworte sind, bildet den Kernpunkt der heutigen schadensrechtlichen Diskussion. Der damit abgesteckte Problemkreis läßt sich von anderen Schadensfragen trennen. Gegenüber der Vorteilsausgleichung, dem Rechtswidrigkeitszu­ sammenhang, dem rechtmäßigen Alternativverhalten und der überholenden 1 Wenn hier von Typen (Schadenstypen, Falltypen) die Rede ist, so ist das die Bezeichnung für größere oder kleinere Gruppen typischer, nämlich in den wesentlichen Zügen gleichgelagerter Sachverhaltensgestaltungen, die auch mit gewisser Häufigkeit vorkommen. Vgl. noch näher unten S. 57. 2 Insbesondere von Caemmerer hat diese Methode auf zahlreichen Gebieten exemplarisch genutzt: vgl. vor allem: Bereicherung und unerlaubte Handlung, in: FS Rabel I 333ff.; „Pro­ ducts Liability“, in FS Rheinstein II 659 ff. Ebenso verfährt Schiemann 2 und passim. Allerdings versucht er, Maßstäbe für die Richtigkeit der untersuchten Fallösungen nur aus dem internen Recht zu gewinnen. Auf diese Weise läßt sich aber nur die Widerspruchsfreiheit des Systems herstellen. Erhöhte Richtigkeitsgewähr folgt noch nicht daraus, daß man die Einzelfallösungen an den eben aus diesen Lösungen gewonnenen allgemeinen Prinzipien mißt. 3 In Frankreich hatte man für die Exegese des Gesetzes die Formulierung geprägt: „Par le Code civil au delä du Code civil.“ 4 Zeuner, AcP 163 (1964) 380.

Kausalität hebt er sich insofern ab, als jene schadensrechtlichen Komplexe voraussetzen, daß ein Verlust unzweifelhaft eingetreten ist. Ist die Entschei­ dung darüber gefallen, so regeln diese Rechtsfiguren, ob solche Einbußen nach dem Sinn und Zweck der Ersatzpflicht überhaupt auszugleichen, ob sie durch anderweitige Vorteile aufgehoben oder wegen anderer Ereignisse oder Verhaltensmöglichkeiten außer acht zu lassen sind. Gleiches gilt für das Mit­ verschulden. Auch hier wird der zunächst festzulegende Schadensumfang im nachhinein korrigiert. Ebenso Hegt es bei den sog. frustrierten Aufwendun­ gen. Auch bei ihnen ist die Ausgangsfrage nicht, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist. Fraglich ist nur, ob sinnlos gewordene Ausgaben — eine un­ zweifelhafte Einbuße — auf das Schadensereignis zurückgeführt werden kön­ nen und deshalb ersatzfähig sind. Zwar ist zuzugeben, daß sich das „eigent­ liche“ Schadensproblem in der Fallpraxis nicht immer so isolieren läßt, wie das theoretisch möglich und wünschenswert wäre1. Grenzfälle ergeben sich vor allem bei der Vorteilsausgleichung, beim Mitverschulden und bei den fru­ strierten Aufwendungen2. Deren Problematik wird ebenfalls anzusprechen sein. Ganz überwiegend können jedoch die Ermittlung ,des‘ Schadens und seine anschließende Korrektur durch andere Faktoren deutlich voneinander getrennt werden. Man könnte gegen diese Isolierung „des“ Schadensproblems freilich ein­ wenden, sie klammere zahlreiche weitere Probleme im Schadensrecht aus. Indessen tut im Schadensrecht ein Aufbau von „unten“, von den einzelnen Fallgruppen her, not. Jeder globale Ansatz, der alle Schadensfragen auf einmal lösen will, kann von den zahllosen Einzelfragen nur oberflächlich Notiz nehmen und auch nur reichlich abstrakte, damit für die Praxis kaum hilfreiche Antworten geben. Die Arbeit geht von der Hypothese aus, daß sich der deliktische und der vertragliche Güterschutz für die hier untersuchten Fallgruppen decken. Für einige Fallgruppen wird diese Hypothese überprüft werden. Dagegen bleibt die Frage ausgeklammert, ob vertragliche Interessen, deren Verletzung nicht gleichzeitig deliktsrechtlich geschützte Positionen berührt, gesonderten schadensrechtlichen Schutz genießen. Interessant für unsere Fragestellung wäre aus diesem Problembereich ohnehin nur, wieweit immaterielle Interes­ sen im Vertragsbereich über den deliktsrechtlichen Güterschutz hinaus ersatz­ fähig sind. Gerade hierzu Hegen aber neuere Arbeiten vor, die die Frage eingehend auch rechtsvergleichend untersucht haben3, so daß sich insoweit eine erneute Untersuchung erübrigt. 1 Vgl. auch Zeuner, FS Dietz 103ff.; Lange 28. 2 So z.B. im Fall des Ersatzes real entstandener Mietwagenkosten; dazu unten S. 84 ff. 3 Braschos, Der Ersatz immaterieller Schäden im Vertragsrecht (1979); Schmitz, Ersatz imma­ terieller Schäden nach Vertragsrecht. Englisches, kanadisches und amerikanisches im Vergleich zum deutschen Recht (Hochschulsammlung Rechtswissenschaft, Zivilrecht Bd. 1, 1980).

Daß sich die Arbeit der Rechtsvergleichung bedient, veranlaßt nur eine kurze Bemerkung. Der Rechtsvergleich objektiviert die Prüfung, ob eine Lösung für eine Fallgruppe angemessen ist. Er läßt überzeugendere Ergebnisse erwarten, als nur aus dem Recht eines Landes geschöpfte Erwägungen sie hervorbringen könnten1. Gleichwohl bleiben solche Erwägungen von er­ heblichem Gewicht. Denn selbstverständlich ist eine Lösung nicht schon des­ halb angemessen, weil sich für sie die Mehrheit der untersuchten Rechtsord­ nungen ausspricht. Vielmehr kommt es auf die Überzeugungskraft ihrer Gründe an, auf die deshalb bei der Darstellung der ausländischen Lösung besonderer Wert gelegt wird. In den Vergleich einbezogen sind Länder, von denen — bei allem Vorbehalt gegen derlei Generalisierungen — angenommen werden darf, daß hinsichtlich der untersuchten Fragen etwa vergleichbare soziale Bedingungen wie in der Bundesrepublik herrschen. Vom englischen und vom Recht der Vereinigten Staaten läßt sich weiter deshalb besonderer Ertrag erwarten, weil beide Rechte die case-law-Methode perfektioniert haben. Sie ist ja aber gegenwärtig auch die Methode des deutschen Schadens­ rechts. Das französische Recht wird in den Vergleich einbezogen, weil sich ihm entnehmen läßt, wie ein anderes, näher verwandtes Recht gleichfalls mit der gerade in unserem Gebiet ausgeprägten Lückenhaftigkeit und Alterung einer Kodifikation fertig wird. Eine weitere methodische Bemerkung ist anzufugen. Gegenstand des Ver­ gleichs wie der Erörterung ist, im eben umschriebenen Rahmen, der Mei­ nungsstand in Lehre und Rechtsprechung. Besonderes Schwergewicht wird jedoch auf die detaillierte Analyse der Rechtsprechung gelegt. Hier versucht die Arbeit auch die untergerichtliche Praxis einzubeziehen, sofern sie die Obergerichte ergänzt oder von ihnen abweicht. Damit ist ein wesentlicher Ausschnitt des in der Tatsächlichkeit geltenden und wirklich wahrgenomme­ nen Rechts und nicht nur das „law in the books“ erfaßt. Auf die Versicherungspraxis geht die Arbeit nach Möglichkeit ein. Umfas­ send und in systematischer Weise rechtsvergleichend konnte die außergerichtEche Schadensabwicklung aber nicht mitbehandelt werden, sollte die Arbeit noch überschaubar bleiben. Der Aufbau der Arbeit ergibt sich nach dem bisher Gesagten nahezu zwangsläufig. Den Hauptteil der Arbeit macht die detaillierte Untersuchung der für unser Thema wesentlichen Fallgruppen aus (Teil 2). Ihm ist ein kurzer einführender Abschnitt vorangestellt, der einige generellere Punkte, die für das Verständnis des Folgenden durchgängig bedeutsam sind, zusammenfaßt und vorweg behandelt (Teil 1). Der abschließende dritte Teil enthält dann die Untersuchung, ob aus den Falltypen allgemeinere Folgerungen zu ziehen sind. 1 Zweigert/Kötz I 13 ff.

Teil 1: Grundlagen § 1. Der Schadensbegriff in Schrifttum und Rechtsprechung Als Grundlegung ist zunächst ein Überblick über die Auffassungen uner­ läßlich, die zum Begriff des Schadens und zumal des Vermögensschadens vertreten werden. Denn sie erklären und bedingen die einzelnen Lösungsvor­ schläge zu den im Mittelpunkt unserer Untersuchung stehenden Fallgruppen. Mit den Ansichten zum Schadensbegriff muß sich aber auch jeder Versuch einer Neubestimmung auseinandersetzen. Das BGB verwendet zwar den Begriff des Schadens, legt aber nicht fest, was es darunter versteht. Es gibt auch keinen Anhalt, wo die Grenze zwischen Vermögensschaden und immateriellem Schaden verläuft, obwohl diese Ab­ grenzung zentrale Bedeutung dafür erlangt hat, ob eine Einbuße überhaupt ersatzfähig ist. Denn Geldersatz — entgegen der Konzeption des Gesetzes in der RechtsWirklichkeit statt der Naturalherstellung die primäre Ersatzform — steht im Grundsatz nur für Vermögensschäden zu (§ 253 BGB)1. Die Suche nach dem Schadensbegriff ist damit die Suche nach dem Vermögensschadens­ begriff. Die Väter des BGB hatten den Schadensbegriff vor Augen2, den Fried­ rich Mommsen bereits 1855 in seiner bekannten Definition des Interesses umschrieben hatte. Interesse ist danach „die Differenz zwischen dem Betrage des Vermögens einer Person, wie derselbe in einem gegebenen Zeitpunkte ist, und dem Betrage, welchen dieses Vermögen ohne die Dazwischenkunft eines bestimmten beschädigenden Ereignisses in dem zur Frage stehenden Zeit­ punkt haben würde.“3 Diese sog. Differenzhypothese hat das Schadensrecht lange und insbesondere die Praxis unangefochten beherrscht4. Man hat sie dahin verstanden, daß der Ersatz jedes Vermögensschadens eine Vermögens­ 1 Hierzu noch unten S. 312ff. 2 Vgl. Mertens 18; Keuk 14; Lange 18; Gottwald 43 (alle mit weiteren Nachweisen). 3 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse (1855) 3. 4 Lange 18: die Differenzhypothese sei bis heute herrschend geblieben. Siehe auch die Kom­ mentarliteratur: Staudinger (-Werner) Vorbem. vor § 249 Rz. 9 ff.; Soergel (-Reimer Schmidt) §§ 249-253 Rz. 3; Palandt(-Heinrichs) Bem. 2 b vor § 249; ERMAN(-Sirp) § 249 Rz. 8. Modifizierend: AK-BGB (-Rüssmann) vor §§ 249-253 Rz. 21; anderer Ansicht: Münch Komm (-Grunsky) Vor § 249 Rz. 7.

differenz, und zwar eine vom Schadensereignis ausgelöste Minderung des Gesamtvermögens voraussetzte. Die Ermittlung einer Differenz ist allerdings nur ein Rechen vorgang, dessen Ergebnis von den Werten abhängt, mit denen man rechnet. Und es ist wohl unbestreitbar, daß jede Schadensermittlung in irgendeiner Form solcher Rechnung bedarf, um die im Schaden hegende Minderung festzustellen. Mit der Differenzhypothese hat man in Deutsch­ land, ohne daß diese Lehre das aus sich ergäbe, weiter einen bestimmten Schadensbegriff verbunden. Ihr wurde — gleichfalls lange unangefochten — der natürliche oder faktische Schadensbegriff zugrundegelegt1. Ersatzfähiger Schaden ist danach die Einbuße, die bei „natürlicher“ Betrachtung als Vermö­ gensverlust erscheint. Der Rechtsanwender übernimmt die in der „Natur“, d.h. im Wirtschaftsverkehr vorgefundene Bewertung. Sieht der Verkehr ge­ wisse Positionen als wertlos an oder beeinträchtigt die Verletzungshandlung nicht die Transaktionsfähigkeit der verletzten Position, so fehlt damit ein (geldersatzfähiger) Schaden. Angriffe gegen dieses Verständnis der Differenzhypothese sind zunächst im Hinblick auf den sog. objektiven Schaden geführt worden. Man hat geltend gemacht, daß der Schaden am einzelnen Vermögensobjekt doch bestehen bleibe, auch wenn sich die Gesamtvermögensbilanz — ausnahmsweise — nicht verändert habe2. In jüngerer Zeit ist dem natürlichen dann in grundsätzEcherer Weise ein normativer Schadensbegriff gegenübergestellt worden3. Er erlaubt es, auf­ grund „normativer“ Wertungen Schadensersatz zuzusprechen oder abzuleh­ nen, obwohl eine Vermögensdifferenz fehlt oder besteht. Den heutigen Stand der Diskussion kennzeichnet eine erhebliche Mei­ nungsvielfalt, die oft um Nuancen der Differenzierung kämpft4. Nur zwi­ schen dem natürlichen (faktischen) und dem normativen Schadensbegriff zu trennen5, wird diesem Stand nicht mehr gerecht. Die folgende Übersicht versucht, die Hauptauffassungen zusammenzustellen.

1 Vgl. Lange Mertens 21 ff. jeweils mit Nachweisen. 2 So insbes. Neuner, Interesse und Vermögensschaden, AcP 133 (1931) 277ff. 3 Vor allem von Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung: AcP 158 (1959/60) 431 ff. und Selb, Schadensbegriff und Regreßmethoden (1963); ders., Karlsruher Forum 1964, 3ff; ders., NJW 1963, 2056ff.; NJW 1964, 18ff.; 1765ff. Zur Verwendung des normativen Schadensbegriffs ausführlich Medicus, Normativer Schaden, JuS 1979, 233 ff. 4 Siehe auch Lange 19 ff. 5 So aber etwa Deutsch 421 f.; Esser/Schmidt 131 ff ; Eike Schmidt, Grundlagen 552ff.

I. Ansichten in der Literatur 1. Dem natürlichen Schadensbegriff nahestehende Auffassungen

Mehrere Ansichten übernehmen mehr oder weniger abgewandelt den na­ türlichen Schadensbegriff.

a) Flexible Differenzhypothese

Hermann Lange hält die Differenzhypothese im Kem für unentbehrlich1. Daß sie zugleich rechtliche Wertungen notwendig macht, erkennt er an2. Allerdings sind für ihn „Abweichungen vom natürlichen Schadensver­ ständnis ... nur aufgrund konkreter und in der Rechtsordnung bereits ange­ legter Grundsätze legitim.“3 Grundsätzlich sei der Schaden Gesamtvermö­ gensschaden und nicht Objektschaden4; er sei ferner subjektbezogen und nur in begrenztem Rahmen nach objektiven Kriterien zu bemessen5. Doch ist Lange bereit, Ausnahmen anzuerkennen, die „in bestimmten Beziehungen ihre jeweils speziell zu begründende Berechtigung haben“ mögen6. Insgesamt tritt er damit für eine flexible Handhabung des Schadensbegriffs ein. Seine Definition erscheint eher als Umschreibung unterschiedlicher topoi. Lange fügt im folgenden dann eine Liste unterschiedlicher Schadensarten an7. Doch erst die einzelnen Fallgruppen nötigen zu deutlichen Entscheidun­ gen, um konkrete Ergebnisse zu gewinnen8.

b) Dreigliedriger Schadensbegriff

Gleichfalls auf dem Boden der Differenzlehre steht ein von Stoll entwikkelter dreigliedriger Schadensbegriff9; doch will auch er sie ergänzen. Die Differenzhypothese bestimme nach den Wertmaßstäben des Handels, welche Einbußen Vermögenswert hätten10. Sie schließe damit ungerechtfertigter­ 1 Lange, Schadensrecht (1979) 32. 2 Lange 28. 3 Lange aaO. 4 Lange 32. 5 Lange 28 ff. 6 Lange 33. 7 Lange 34 ff. 8LANGE162ff. 9 Vgl. insbesondere Stoll, Begriff und Grenzen des Vermögensschadens (1973). 10 Stoll 18.

weise Ersatz für „subjektiv wirtschaftliche Werte“ wie etwa den wirtschaft­ lichen Ruf einer Person etc. aus1. 2Über eine erweiterte Auslegung des § 842 BGB sollte nach dieser Ansicht auch subjektiv wirtschaftlichen Einbußen Ersatzfähigkeit zugebilligt werden. Damit ist eine dritte Kategorie von Schä­ den geschaffen, die zwischen den Vermögensschäden und den immateriellen Schäden angesiedelt ist.

c) Bedarfsschaden

Auf Zeuner geht eine einflußreiche Lehre zurück, die bereits im anerken­ nenswerten Bedarf, der die Folge eines Schadensereignisses ist, einen ersatzfä­ higen Schaden erblickt2. Zeuner knüpft daran an, daß der Schädiger nach § 249 S. 2 BGB die zur Wiedergutmachung erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen hat3. Damit hege der Schaden in dem entstandenen Bedarf nach Ausgleich. Zeuner gibt damit zwei Gedanken allgemeinere Geltung, die in der Rechtsprechung unter den Stichworten „Dispositionsbefugnis des Ge­ schädigten“ und „Subjektbezogenheit des Schadens“ auftauchen4. Sie be­ deuten das Folgende: Der Schaden sei grundsätzlich mit der Verletzungshand­ lung eingetreten; ob der Geschädigte den Schaden anschließend mit der Er­ satzsumme behebe oder nicht, unterliege seiner freien Disposition5. Andererseits ist nur der Schaden zu ersetzen, der gerade dem Geschädigten entstanden und für ihn fühlbar ist6. Ansatzpunkt für die Schadensberech­ nung sind damit die (objektiv) erforderlichen, nicht die tatsächlichen Ersatz­ kosten. Andernfalls bliebe derjenige, der sich, aus welchen Gründen immer, keinen realen Ersatz verschaffen konnte, ohne Ausgleich. Die Erforderlichkeit wird jedoch konkret überprüft. Der Bedarf muß — wie auch Zeuner fordert — nachweisbar sein7. Zeuner hält weiter — ähnlich wie Stoll — Geldersatz für Einbußen an vermögensrelevanten Gütern wie der Arbeitskraft auch ohne nachweisbare konkrete Geldeinbuße für zulässig. § 253 BGB betreffe diese 1 Stoll 19. 2 Zeuner, Schadensbegrif und Ersatz von Vermögensschäden, AcP 163 (1963) 380ff., 394 ff.; ders., Gedanken zum Schadensproblem, in: FS Dietz (1973) 99f., 118f. 3 Zeuner, FS Dietz 120 ff. 4 Siehe etwa die BGH-Urteile zur Nutzungsentschädigung des selbst gehinderten Eigentü­ mers: BGH 16. 10. 1973, NJW 1974, 33; BGH 19. 9. 1974, VersR 1975, 37; BGH 31. 10. 1974, BGHZ 63, 203; dazu unten S. 132f. 5 Siehe den bekannten „Stärkungsmittelfall“: BGH 29. 10. 1957, NJW 1959, 627. Die Argu­ mentation hat aber etwa auch bei der Frage eine Rolle gespielt, ob der Geschädigte auf Repara­ turkostenbasis abrechnen darf, auch wenn er den beschädigten Gegenstand verkauft hat; vgl. dazu ausführlich unten S. 58 ff. 6 Vgl. ebenfalls die in N. 4 genannte Rechtsprechung. 7 Zeuner, FS Dietz 118f.

Fälle nicht1. Er hat ferner vorgeschlagen, Gedanken, die für die Vorteilsaus­ gleichung entwickelt wurden, insgesamt für die Schadensermittlung zu be­ rücksichtigen und eine Schadenssphäre von dem selbständigen Eigen- und Innenbereich des Verletzten abzugrenzen2.

d) Ökonomisch beeinflußter Schadensbegriff Zu den Vertretern eines natürlichen, jedoch ökonomisch beeinflußten Schadensbegriffs gehört Eike Schmidt. Er erklärt in seiner Bearbeitung des Lehrbuchs von Esser, der überkommenen Schadensbetrachtung zu folgen3. Die Differenzrechnung habe nach wie vor Gültigkeit4. Den normativen Schadensbegriff verwirft Schmidt dagegen5. Die Ausführungen zum Schadensbegriff, die weitgehend die gesetzlichen Ausgleichsregeln (§§ 249 ff. BGB) erläutern, verknüpft Eike Schmidt unmittelbar mit der Erörterung einzelner kritischer Schadensprobleme. Hier übernimmt er allerdings einige Ergebnisse der „Normativisten“, indem er in den Begriff des Vermögensscha­ dens ökonomische Überlegungen einfließen läßt, die der natürlichen’ Auffas­ sung vom Schaden und Vermögensschaden bisher fremd waren6. Ferner gesteht er standardisierten (kommerzialisierten) Genüssen und Vorteilen wie Theaterbesuch, Urlaub etc. Vermögenscharakter zu, auch wenn sie genuin immaterielle Werte darstellten7. Er verneint dagegen den Vermögenswert der nur aufgeschobenen, aber nicht aufgehobenen Nutzung eines Gegenstan­ des8. Insgesamt verfolgt Eike Schmidt damit eine über den Vermögensbe­ griff bereinigte Differenzrechnung.

e) Schadensbegriff mit Soziabilitätsschranke Einen entsprechenden Bestimmungsversuch hat Mertens unternommen. Zwar hat er der Möglichkeit eine Absage erteilt, den Schadensbegriff norma­ tiv „aufzuladen“, in ihn also nicht nur die Feststellung einer konkreten Güter­ minderung — gleichgültig aufgrund welcher Berechnung —, sondern zugleich eine wertende Aussage über ihre Ersatzwürdigkeit oder über Ersatzmöglich­ 1 Zeuner, FS Dietz 115ff. 2 Zeuner, FS Dietz 105f. 3 Eike Schmidt 144. 4 Eike Schmidt 133. 5 Eike Schmidt 135ff., 143f. Ebenso Eike Schmidt, Grundlagen 562f. 6 So für den Ersatz der Arbeitskraft (S. 138 ff.) und die Nutzungsentschädigung (S. 141) 7 Eike Schmidt 138. 8 Eike Schmidt 142.

keiten auch ohne errechenbare Güterminderung aufzunehmen1. 2 Auf der anderen Seite entwickelt er einen Vermögensschadensbegriff, der einer „So­ ziabilitätsschranke" unterliegt2. Verkürzt ausgedrückt ist danach der Ge­ danke des § 254 BGB schon für die Schadensbestimmung, nicht erst für die nachträgliche Reduktion des einmal eingetretenen Schadens zu beachten. Abwägungen und damit Wertungen sind auf diese Weise freilich unvermeidEch3.

f) Wiederbelebte Differenzhypothese4

Für die Differenzhypothese spricht sich auch eine von Rüssmann entwikkelte Ansicht aus, die den Vermögensschaden durch eine Verbindung der Kommerzialisierungsidee mit dem Frustrierungsgedanken bestimmen will. Ein Vermögensschaden ist danach „über den effektiven Geldabfluß und ver­ hinderten Geldzufluß hinaus immer dann anzunehmen, wenn dem Verletzten ein Gut endgültig entzogen oder vorenthalten wird, für das er oder andere Geld im Rahmen des gesellschaftlichen Durchschnittswerts aufgewendet haben oder doch aufwenden könnten, weil es für dieses Gut einen Markt gibt“5. Der Begriff des Vermögens wird damit weit gefaßt und der alleini­ gen Steuerung durch den Markt unterworfen. Einbußen, die nach dieser Lehre keinen Geldwert haben — etwa der Verlust der abstrakten Arbeitsfähig­ keit —, bleiben ohne Ersatz6.

2.

Normativer Schadensbegriff und verwandte Ansichten

Der normative Schadensbegriff hat den Gipfel seiner Popularität über­ schritten7. Im wesentlichen werden nur noch Auffassungen vertreten, die sich in abgeschwächter Form auf den normativen Schadensbegriff stützen8. 1 Mertens 87 ff. 2 Mertens 174. 3 So Mertens selbst 171 ff. und Keuk 13f. in ihrer Kritik an Mertens. 4 Formulierung von AK-BGB(-Rüssmann) vor §§ 249-253 Rz. 21, 23. 5 AK-BGB(-Rüssmann) vor §§ 249-253 Rz. 33. 6 AK-BGB(-Rüssmann) vor §§ 249-253 Rz. 30. 7 In den sechziger Jahren strahlte der normative Schadensbegriff einige Faszination aus (vgl. Selb (oben S. 10 N. 3.); ferner Steindorff, AcP 158 (1959/60) 431; ders., JZ 1961, 12ff.; JZ 1964, 423); heute überwiegt deutlich die Ablehnung: Siehe Medicus (oben N. 7); Münch Komm(-Grunsky) Vor § 249 Rz. 8; AK-BGB(-Rüssmann) vor §§ 249-253 Rz. 13. Ebenso die Bewegung in der Rechtsprechung; dazu unten S. 19 ff. 8 Anders aber Steindorff, ZHR 138 (1974) 518; auch Hansen, Normativer Schadensbegriff und Schadensberechnung (1977).

a) Gemäßigt-normativer Schadensbegriff Larenz vertritt einen »gemäßigt normativen41 2Schadensbegriff. 3 Was ein Schaden sei, bestimme sich zunächst nach der natürlichen" Anschauung; die Rechtsordnung präzisiere diese aber und bestimme den „rechtlich ersatzfähi­ gen Schaden“2, der in diesem Sinn ein normativer Begriff sei3. Konkrete Folgerungen für einzelne Schadensprobleme zieht Larenz aus dem allgemei­ nen Schadensbegriff aber nicht4. Konkrete Bedeutung hat für ihn erst die Unterteilung in Vermögens- und Nichtvermögensschaden5. Für die Ab­ grenzung zwischen ihnen sei entscheidend, ob das beeinträchtigte Gut „streng an die Person gebunden“ ist oder nicht6.

b) Schaden als Interesse In eine andere Richtung geht Keuk. Ihre Überlegungen kreisen um den Begriff des Interesses. Das Interesse des Geschädigten an dem Zustand, „wel­ chen der Schädiger durch sein ordnungsgemäßes Verhalten hätte herbeifuhren sollen“, sei zu vergüten7. Das Interesse sei möglichst konkret zu bestimmen. Dafür spiele zum einen eine Rolle, ob sich die Lage des Geschädigten real anders darstellen würde, wenn der Schädiger »korrekt4 gehandelt hätte8. Keuk verwertet hier Gedanken der Normzwecklehre wie des rechtsmäßigen Altemativverhaltens9. Entsprechende Fallgestaltungen stellen denn auch die große Zahl der Beispiele dar, die Keuk heranzieht10. Zum andern spielt der Zusammenhang der verletzten Position mit dem übrigen Vermögen für Keuk keine Rolle. Sie spricht sich entschieden gegen Mertens’ Einbindung der einzelnen Vermögensgegenstände in das als Dis­ positionsmasse verstandene Gesamtvermögen11 aus12. Mit dem Interesse ist

1 Larenz, Schuldrecht I 346 ff. 2 Larenz 347. 3 Larenz 347 N. 2. 4 Larenz 389 ff. 5 Larenz 383 fF. 6 Larenz 388 f. 7 Keuk, Vermögensschaden und Interesse (1972), insbes. S. 236ff. und 260. 8 Keuk gibt dafür Beispiele auf S. 238ff. 9 Sie sieht in ihrer Auffassung gerade die „wahre und umfassende Verwirklichung des Norm­ zweckgedankens“ (S. 260). 10 Vgl. S. 238ff., 250ff. 11 Mertens 227: die „Einheit der einzelnen Vermögensgegenstände in ihrer Beziehung auf die subjektiven Lebensgestaltungsziele des Vermögensträgers“. 12 Keuk 215ff.

freilich ein Begriff eingeführt, der seinerseits all das zu leisten hat, was her­ kömmlicherweise dem Schadensbegriff zu leisten angesonnen wird.

3. Gemischter Schadensbegriff Deutsch konstatiert in seinem Lehrbuch: „Was den Schadensumfang an­ geht, haben wir heute einen faktisch-normativen Schadensbegriff.“1 Zwar sei von einem natürlichen, an der Verkehrsanschauung orientierten Schadens­ verständnis auszugehen. Ihm seien aber „Schranken normativer Art“ gesetzt2, die Deutsch — insoweit ähnlich wie Keuk — auf die Zweckgebunden­ heit des Schadensrechts zurückfuhrt. Damit habe die Wertungsjurisprudenz in das Schadensrecht Einzug gehalten. Auch bei Deutsch erscheint die Defini­ tion des Schadensbegriffs allerdings als relativ folgenlose Zustandsbeschrei­ bung. Er läßt ihr einen Abschnitt über Artbildungen des Schadens folgen3 und gelangt dann erst im Abschnitt „materieller Schaden“ zu konkreten Folgerungen, wobei er bemerkt, daß es unmöglich sei, „den Schadensbegriff umfassend abzustecken. Vielmehr muß es genügen, die Schadensmaterien typologisch aufzuschlüsseln und gängige Schäden zu umschreiben.“4

4. Problemorientierte Betrachtungsweise

a) Problembezogene Schadensbetrachtung Eine weitere Ansicht verzichtet auf eine abschließende Begriffsbildung. In diese Richtung gehen vor allem die einflußreichen Arbeiten von Grunsky5. Die Differenzhypothese erklärt er als ungeeignet für die Feststellung eines Schadens6. Sie werde auch von ihren Vertretern nicht lückenlos durchgehal­ ten, sondern in einer Reihe von Fällen durch normative Wertentscheidungen korrigiert. Einem normativen Schadensbegriff verschreibt sich Grunsky den­ noch nicht. Ihn hält er für eine Leerformel7. Welchem Schadensbegriff er

1 Deutsch, Haftungsrecht, d. I.: Allgemeine Lehren (1976) 424. 2 Deutsch 423. 3 Deutsch 424ff. 4 Deutsch 435. 5 Insbesondere Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens (1968); ders., Art und Umfang des zu ersetzenden Schadens, Jura 1979, 57ff.; ders., in: Münch Komm, vor und zu §§ 249 ff. 6 Münch Komm Rz. 7 vor § 249. 7 Grunsky (vorige N.) Rz. 8.

folgt, legt Grunsky abstrakt nicht fest. Er will „einer wertenden Betrachtung der einzelnen zur Lösung anstehenden Probleme“1 vertrauen.

b) Einzelgliederungen Für Medicus stehen statt eines einheitlichen und umfassenden Schadensbe­ griffs einzelne Gliederungsmöglichkeiten im Vordergrund: Er hat etwa die Brauchbarkeit der Unterteilung in mittelbaren und unmittelbaren Schaden sowie die Brauchbarkeit des normativen Schadensbegriffs eingehend unter­ sucht2. Er bemüht sich darum, nicht zu einer globalen, wohl aber partiellen Abstraktion von Schadensregeln zu gelangen. Freilich bilden diese Abstrak­ tionen für ihn „nur den unvollkommenen Ausdruck von Sachargumenten“3. Ihren Wert für die Praxis schätzt Medicus selbst nicht sonderlich hoch ein4. Mit der Unterteilung in unmittelbaren und mittelbaren Schaden möchte er eine zeitliche Bedeutung verbinden und Primär- und Folgeschädigung unter­ scheiden5. Beide Schadensarten sollen teilweise unterschiedlich behandelt werden. Medicus hat dabei insbesondere die Folgeschäden aus eigener Ent­ scheidung des Geschädigten im Auge6. Insoweit will er § 254 BGB in die Erfassung des originären Schadens mit hineinnehmen und die Gesichtspunkte dieser Vorschrift konkretisieren7. Als „normative Schäden“ möchte Medicus nur noch jene Fälle bezeichnen, in denen „eine rechtliche Wertung die von Anfang an eintretende Verlage­ rung des Schadens auf eine andere Person als unbeachtlich erkennen läßt“8. Mit einer so verengten Bedeutung soll der Begriff überprüfbar und damit verwendbar gemacht werden9.

1 Grunsky aaO. 2 Medicus, Unmittelbarer und mittelbarer Schaden (Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe H. 131, 1977); ders., Normativer Schaden, JuS 1979, 233ff.; Staudinger(-Medicus) Vorbem. zu §§ 249-254 Rz. 35 fF. 3 Medicus, Unmittelbarer Schaden 43. 4 Medicus aaO. 5 Medicus aaO. 30f., 42 f. 6 Medicus 30 ff. 7 Medicus 36. 8 Medicus, JuS 1979, 239. 9 Medicus aaO.

c) Neue Leitprinzipien Schiemann hat kürzlich den interessanten Vorschlag gemacht, das Aus­ gleichsprinzip des BGB-Schadensrechts durch weitere Prinzipien, nämlich durch ein neu definiertes Haftpflichtprinzip, ferner ein Versorgungs- und ein Konsumschutzprinzip, zu ergänzen1. Ähnlich wie die vorliegende Arbeit analysiert Schiemann zunächst die (BGH-) Rechtsprechung zum Schadens­ recht. Aus ihr leitet er die genannten Prinzipien und aus ihnen wiederum Lösungen der meisten analysierten Fälle ab. Häufig gelangt er dabei allerdings zu anderen Ergebnissen als die BGH-Rechtsprechung. Damit bietet Schie­ mann neben einer scharfsichtigen Analyse der Rechtsprechung, die sich in vielem mit den Beobachtungen der vorliegenden Arbeit deckt, ein in sich geschlossenes widerspruchsfreies System. Seine Leitprinzipien (Täterhaftung, Versorgung und Konsumschutz) sind dabei wohl als „policies" zur Bestim­ mung des ersatzfähigen (Vermögens-)Schadens zu verstehen. Sie sind aller­ dings ähnlich abstrakt und damit für den konkreten Fall nicht hilfreicher als andere globale Bestimmungsversuche. Die Richtigkeit der aus den Prinzipien abgeleiteten einzelnen Lösungen wird allein aus der Überzeugungskraft eben jener Prinzipien gefolgert. Für sie spricht deshalb auch kaum mehr als für andere Ergebnisse.

d) Praktischer Schadensbegriff

Eine wiederum leicht veränderte Variante des Schadensbegriffs findet sich bei Weyers. Dem herkömmlichen Unfallhaftpflichtrecht steht er skeptisch gegenüber2. Für das traditionelle System konstatiert er, daß die Differenzhy­ pothese vor allem in den Fällen der Lohnfortzahlung modifiziert worden sei3. Größeres Interesse als der allgemeine Schadensbegriff hat für Weyers die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden. Den Sinn der Unterscheidung sieht er darin, daß für Vermögensschäden ein - dem Markt zu entnehmender — Schlüssel für die Schadensberechnung bestehe, der für immaterielle Schäden fehle. Deshalb sei „überall dort, wo ohne Schwie­ rigkeiten ein Schlüssel für die Bemessung des Geldwertes einer Position, eines Gutes zu finden ist, im Falle der Beeinträchtigung von einem Vermögensscha­

1 Schiemann 193 ff. 2 Vgl. Weyers, Unfallschäden (1971), insbes. 645ff. 3 Weyers, Der Begriff des Vermögensschadens im deutschen Recht in: Hefte der Vereinigung für den Gedankenaustausch zwischen deutschen und italienischen Juristen e.V. Heft 8/9 (1973) 37ff., 39f.

den auszugehen.“1 2Die Nutzungsentschädigung beispielsweise will Weyers aus diesem Grund nach den vollen Mietkosten eines Ersatzstückes bemessen.

5. Verzicht auf einen Schadensbegriff Kötz verzichtet in seinem Buch über das Deliktsrecht2 gänzEch auf eine Stellungnahme zum Schadensbegriff. Er stellt die denkbaren Arten von Schä­ den (Personen-, Sach-, Vermögensschäden) mit ihren jeweiligen Unterord­ nungen (wie Primär- und Folgeschäden etc.) zusammen. Im Rahmen des sich daraus ergebenden Systems behandelt er die wichtigen Einzelfragen des Schadensrechts an ihrem jeweiligen Ort3. 4

II. Die Rechtsprechung Es fällt schwer, gegenwärtig eine eindeutige Haltung der Rechtsprechung zum Vermögensschadensbegriff zu identifizieren. Ausgangspunkt ist wohl nach wie vor die Differenzhypothese mit ihrem natürlichen Vermögensschadensbegriff1. Für zahlreiche schadensrechtliche Konstellationen ist die Hypothese aber modifiziert und der Vermögensbegriff erweitert worden5. Gelegentlich hat sich der Bundesgerichtshof deshalb zum normativen Schadensbegriff be­ kannt6. Von ihm ist er inzwischen aber wieder abgerückt7. Gegenwärtig wird die Differenzhypothese von einer „wertenden Betrachtung“ ergänzt. „Ob ein Vermögensschaden anzuerkennen ist, darf, wie der Bundesgerichtshof schon wiederholt entschieden hat, nicht allein nach der sog. Differenzhypothese, also

1 Weyers (vorige S., N.3) 49. 2 Kötz, Deliktsrecht (3. Aufl. 1983). 3 Kötz 15fE, 214fF. 4 So BGH 21. 4. 1978, BGHZ 71, 234 (240) (V. Senat). 5 Das gilt insbesondere für die Lohnfortzahlung als Modifikation der Differenzhypothese. Den Vermögensschadensbegrif hat vor allem die Kommerzialisierung des Urlaubs und der Ersatz von Gebrauchsvorteilen erweitert. Ausführlich hierzu Hagen, Zur Normativität des Schadensbegriffs in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, FS Hauß (1978) 83 ff. 6 BGH GrS 9. 7. 1968, BGHZ 50, 304 (306); BGH 5. 5. 1970, BGHZ 54, 45 (49ff). Siehe ferner Hagen aaO. Auch RGRK(-ALFF) vor § 249 Rz. 2 konstatiert noch, daß der normative Schadensbegriff vom BGH - mit Vorbehalten - verwendet werde. Das Bundesverwaltungsge­ richt ging in zwei Entscheidungen von 1978 (12. 10.1978, VersR 1979, 658 und VersR 1979,659) noch davon aus, daß der BGH einem normativen Schadensbegriff folge. 7 Die jüngere Rechtsprechung des BGH verwendet den Begriff nicht mehr. Um Distanz bemüht auch schon BGH 5. 5. 1970, BGHZ 54, 45. Vgl. demgegenüber BverwG (vorige N.).

nicht nur danach beurteilt werden, in welchem Maße sich die infolge eines haftungsbe­ gründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage von derjenigen unterscheidet, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte. Geboten ist vielmehr eine wertende, an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Betrachtung.“1

Wann die wertende Betrachtung geboten ist, beurteilen die Senate des BGH aber unterschiedlich. Der VII. Senat meint, ein Vermögensschaden dürfe nicht allein aufgrund der Differenzhypothese angenommen oder abge­ lehnt werden2. Für den V. Senat ist die „Berücksichtigung anderer Kriterien aber — wenngleich nur aus zwingenden Gründen — nicht schlechthin unzuläs­ sig“3. Der hauptsächlich zuständige VI. Senat hat dagegen eine allgemeinere Festlegung bisher vermieden4. Offen ist weiter, welche Wertungen geboten sind. Eine eingehende Analy­ se5 der BGH-Rechtsprechung kommt zu dem Ergebnis, das Gericht habe die „maßgeblichen rechtlichen Wertungen“, die das Abgehen von der Diffe­ renzhypothese jeweils rechtfertigen sollten, aus allen möglichen Quellen ge­ schöpft - aus allgemeinen oder speziellen Gesetzesvorschriften, aus Rechtsge­ danken oder Problemzusammenhängen. Es sei jedoch nicht im voraus er­ kennbar, welche Wertungen für welche Schadensfragen Bedeutung haben6. Der Begriff des Vermögensschadens sei bei dieser problemorientierten Fallzu-Fall-Entscheidung auf der Strecke geblieben7. Die Analyse stellt schließ­ lich fest, „daß der BGH auf den verschiedensten Wegen jeweils zu dem ihm geboten erscheinenden Ergebnis gelangt ist (und sich wohl auch in Zukunft diese Freiheit nehmen wird).“8

III. Diskussion Der Überblick über die Vielfalt unterschiedlicher Auffassungen zum (Ver­ mögens-) Schadensbegriff zeigt eines mit Deutlichkeit. Eine allseits anerkannte Definition des Begriffs, der zu den zentralen Ordnungsbegriffen der bürgerEchen Rechtsordnung gehört, gibt es nicht. 1 BGH 28. 2. 1980, VersR 1980, 480 (VII. Senat); ähnlich BGH 4. 3. 1977, NJW 1978, 262 (V. Senat); BGH 21. 4. 1978, BGHZ 71, 234, 240 (V. Senat); BGH 26. 4. 1979, BGHZ 74, 231 (VII. Senat); BGH 30. 11. 1979, NJW 1980, 775, 776 (V. Senat). 2 BGH 28. 2. 1980, VersR 1980, 480. 3 BGH 21. 4. 1978, BGHZ 71, 234 (240). 4 Vgl. etwa BGH 10. 1. 1978, BGHZ 70, 199 (Linienbus); BGH 6. 11. 1979, BGHZ 75, 230 (Warendieb). 5 Siehe Hagen (vorige S., N. 5). Hagen war selbst Mitglied des VI. Senats des BGH. 6 Hagen aaO. 103. 7 Hagen 100. 8 Hagen 99.

Das wirft die grundsätzliche Frage auf, welche Funktion der Vermögens­ schadensbegriff denn zu erfüllen hat. Könnte auf ihn auch verzichtet werden? Die Antwort darauf kann nur nein heißen. Das Gesetz zwingt zur Abgren­ zung der Vermögensschäden von anderen Schäden, deren Ersatz in Geld prinzipiell ausscheidet. Diese gesetzliche Unterscheidung hat auch ihren be­ rechtigten Kem. Vermögensschäden sind in anderer Weise feststellbar und berechenbar als Nichtvermögensschäden, für die der Rechtsanwender auf Schätzung angewiesen ist und deren Ausgleich wegen dieser subjektiven Komponente deshalb stärkere Vorbehalte entgegenstehen. Ein rationales Schadenssystem, das dem Postulat der Rechtssicherheit genügen will, sollte die Abgrenzung auch nicht nur dem Einzelfall überlassen, sondern allgemeine Maßstäbe zur Verfügung stellen. Wir werden sehen, daß die anderen, hier untersuchten Rechtsordnungen die Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Schäden ebenfalls kennen, mit ihr allerdings weniger ein­ schneidende Wirkungen verbinden als das deutsche Recht. Auf eine Festlegung des (Vermögens-) Schadensbegriffs kann deshalb für das deutsche Recht nicht verzichtet werden. Freilich ist insoweit klarzustellen, daß die Begriffsbestimmung immer nur die abgekürzte Bezeichnung für ein Verfahren ist, wie man den Schaden und den ihm angemessenen Ersatz zu ermitteln hat. Der Begriff bezeichnet also ein Konglomerat von Regeln. Anders ist der Vielfalt schadensrechtlicher Einzelerscheinungen nicht gerecht zu werden. Aus sich selbst heraus oder nur aufgrund begrifflicher Überlegungen ist der Schadensbegriff allerdings nicht zu entwickeln, soll er praktisch verwertbare und überzeugende Ergebnisse gewährleisten. Vielmehr ist zunächst auf die Ebene der Analyse der einzelnen Fallgestaltungen zurückzugehen und dann von hier aus eine Begriffsbildung zu versuchen.

§ 2. Das weitere Umfeld I. Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz Einer wichtigen und aktuellen Frage muß sich die Arbeit in besonderem Maß stellen. In der Literatur mehren sich die Stimmen, die dem Haftungs­ recht „das Sterbeglöckchen läuten“1 und das zivilrechtliche Haftungssystem durch ein Versicherungssystem ersetzen wollen. Nach der grundlegenden Arbeit von Hippels2 sind in der Bundesrepublik bereits prominente Haf­ tungsrechtler wie Weyers3 und Kötz4 für diese Lösung eingetreten. Aus­ gangspunkt ist die Überlegung, das gegenwärtige Haftpflichtsystem verursa­ che derartige Kosten und liefere auch materiellrechtlich so wenig überzeu­ gende Ergebnisse, daß es reif für eine grundlegende Reform erscheine. Ist es dann aber überhaupt noch sinnvoll, so muß man fragen, über die Ersatzfähigkeit des Schadens nachzudenken, wenn das gesamte System des Haftungsrechts zu ändern ist? Es gibt, wie mir scheint, mehrere Gründe, die Frage zu bejahen. (1) Der Hauptgrund liegt darin, daß das hier untersuchte Problem auch durch die vorgeschlagenen Reformen nicht obsolet würde. Der Übergang zu einer Versicherungslösung allein brächte keine Entscheidung der Frage, die Gegenstand dieser Arbeit ist, welche Einbußen nämlich einen ersatzfähigen Schaden darstellen. Der Schadensbegriff würde unter einer versicherungs­ rechtlichen Lösung vielmehr an Bedeutung eher gewinnen als verlieren. Denn wie auch immer die versicherungsrechtliche Lösung konkret gestaltet würde, sie würde zwar heute noch geltende Haftungsvoraussetzungen des 1 Kötz, FS Hauß 201. 2 von Hippel, Schadensausgleich bei Verkehrsunfällen. Haftungsersetzung durch Versiche­ rungsschutz. Eine rechtsvergleichende Untersuchung (1968); ferner Güllemann, Ausgleich von Verkehrsunfallschäden im Licht internationaler Reformprojekte. Untersuchungen zur Einfüh­ rung einer obligatorischen Unfall- und Sachversicherung (1969). Beide Arbeiten ziehen ausländi­ sche Vorschläge heran. Einen eingehenden rechtsvergleichenden Überblick über den gegenwärti­ gen Stand gibt v. Hippel, Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz - Rechtsvergleichendes Generalreferat, in Fleming/Hellner/von Hippel, Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz (Arbeiten zur Rechtsvergleichung Bd. 100, 1980) 40ff. 3 Weyers, Unfallschäden. Praxis und Ziele von Haftpflicht- und Vorsorgesystemen (1971) 647ff. (freilich in sehr abwägender Weise und unter gewissen Vorbehalten). 4 Siehe insbesondere: Kötz, Sozialer Wandel im Unfallrecht (1976) passim; ders., Deliktsrecht 35. Für eine Volksversicherung gegen Personenschäden Schäfer 175 ff.; v. Caemmerer, RabelsZ 42 (1978) 5ff., 11 meint, daß „eine allgemeine Versicherungslösung der gesamten Unfall­ probleme am Ende der Entwicklung stehen werde und wohl auch stehen sollte“.

Zivilrechts (insbesondere die Schuld des Schädigers) abbauen, auf den Schadensbegriff aber nicht verzichten können, um das vom Versicherer über­ nommene Risiko zu beschreiben. Der Begriff würde voraussichtlich zum Hauptinstrument aufrücken, um die Leistungsansprüche zwischen Versiche­ rer und Geschädigtem zu bestimmen1. Mögen auch taxmäßige Wertetabel­ len (wie etwa Gliedertaxen) die Schadensfestsetzung vielfach schematisieren und damit vereinfachen, die heutigen Formen der Schadensversicherung zei­ gen, daß dies nicht durchgängig möglich ist und Schadensprobleme deswegen keineswegs entfallen2. Da sich nicht alle Fallgestaltungen in Tabellen einfan­ gen lassen, die Tabellenwerte aber ihrerseits auf einer bestimmten einleuchten­ den und gerecht erscheinenden Konzeption des Schadens aufbauen müssen, ist ein abstraktes Schadenskonzept unverzichtbar. Selbst wenn also das Haftungs­ system ersatzlos wegfiele und durch eine Direktversicherung ersetzt würde3, müßte (und würde) ein gewisses allgemeines Schadenskonzept entwickelt werden, dem sich die Ersatzfähigkeit von Einbußen geschädigter Versicherter entnehmen Heße. (2) Versicherungslösungen an Stelle des gegenwärtigen Haftungssystems sind vorwiegend für Straßenverkehrsunfälle4 oder generell für Unfälle vor­ geschlagen worden5, meist jedoch nur für die Abwicklung von Personen­ schäden6. Damit sind keineswegs alle zivilrechtlichen Schadensfälle abge­ deckt. Es verbleiben unter Umständen alle Sachschäden, ferner die vertragEche Schadenshaftung und daneben alle Schädigungen, die sich der Kategorie Unfall entziehen, also insbesondere die „economic torts“7. Hier wird sich ein Feld erhalten, in dem schadensrechtliche Überlegungen herkömmlichen Zu­ schnitts unverändert relevant bleiben. (3) Eine Lösung, die die Schadensfestsetzung ausschließlich in die Hand der

1 Siehe auch Schäfer 166: „Das bedeutet nichts anderes, als daß der Schaden selbst zum alleinigen Rechtsgrund und zum alleinigen Bemessungskriterium für alle Restitutionsleistun­ gen ... zu machen ist“. 2 Vgl. hierzu etwa Hofmann, Privatversicherungsrecht (1978) 142f. 3 Wie etwa Weyers, Unfallschäden 652 auch für Unfallsach schaden vorgeschlagen hat; zu­ stimmend Kötz FS Hauß 201 f. 4 So etwa der Vorschlag von Hippels für ein Verkehrsversicherungsgesetz: von Hippel 117ff.; auch Güllemann 164f. 5 So Schäfer 175 ff. Von entsprechenden ausländischen Regelungen sei hier auf das neusee­ ländische Beispiel hingewiesen: mit dem Accident Compensation Act von 1972 hat Neuseeland als erster und einziger Staat eine Volksunfallversicherung eingeführt. Vgl. hierzu insbesondere McKenzie/Palmer/Clark, Tort in Transition (1976) 260ff.; Blair, Accident Compensation in New Zealand (1978); von Hippel (vorige S., N. 2) 51 ff.; Deutsch, Rabelsz 44 (1980) 487ff. 6 Schäfer aaO. Auch der neuseeländische Accident Compensation Act von 1974 betrifft Personenschäden. ATYAH 627 f. schlägt dagegen für England die Abschaffung der zivilrechtlichen Haftung auch für Sachschäden (aus Verkehrsunfällen) vor. Der Pearson Report I 3 hat sich nur mit Personenschäden befaßt, die Haftung für Sachschäden indessen unberührt gelassen. 7 Etwa die Schädigung des geschäftlichen Ansehens, der Geschäftsbeziehungen etc.

Versicherer legt, — seien diese öffentlichrechtlich oder privatrechtlich organi­ siert birgt Gefahren. So legitim es ist, Schadenersatzansprüche auch im Hinblick auf ein rationelles und wirtschaftliches Ausgleichssystem (durch Ver­ sicherer) zu sehen und in ihrer Höhe deshalb vielleicht zu reduzieren, so kann doch dieser Blickwinkel nicht die ausschließliche Maxime sein, nach der sich der Güterausgleich für Geschädigte zu richten hat. Auch bei einer Versiche­ rungslösung ist die Einrichtung einer unabhängigen Instanz unerläßlich, die, wie bisher die Gerichte im zivilrechtlichen Haftungssystem, die Schadensfest­ setzung der Versicherer im Einzelfall auf ihre Angemessenheit hin überprüft. Auch deshalb werden Erörterungen über den Schadensbegriff selbst bei einer versicherungsrechtlichen Lösung unvermeidlich sein. (4) Schließlich ist das gegenwärtige System in Geltung und wird es wohl noch länger bleiben, wenn man die Kräfteverhältnisse richtig einschätzt, die für eine grundlegende Reform des Haftpflichtrechts den Ausschlag geben. Eine Erörterung zum Schadensrecht kann daran kaum vorbeigehen.

II. Ökonomische Analyse des Rechts In den USA wird die Rechtstheorie seit Beginn der Sechziger jahre von einer ökonomisch orientierten Richtung (economic analysis of law) nicht unerheblich beeinflußt1. In der Bundesrepublik ist die Entwicklung mit skeptischem Interesse verfolgt worden2. Inzwischen hat dieser methodische Ansatz auch hier Gewicht gewonnen3. In die Grundlagen der ökonomischen 1 Ihr heute wohl prominentester Vertreter ist Posner; sein Hauptwerk: Economic Analysis of Law (2. Aufl. 1977). Die 1. Aufl. hat Harald Koch, RabelsZ 40 (1976) 181 besprochen. Inzwi­ schen gibt es in den USA zu nahezu allen juristischen Problemfeldern ökonomisch fundierte Rechtsanalysen, zum Schadensrecht etwa — außer den grundsätzlichen Studien von Calabresi (S. 25 N. 3) - kürzlich u.a. Seplaki, The Economics of Treble Damages under the RobinsonPatman Act, 31 Rutgers L.Rev. 167ff. (1978); Jackson, „Anticipatory Repudiation“ and the Temporal Element of Contract Law: An Economic Inquiry into Contract Damages in Cases of Prospective Nonperformance, 31 Stan.L.Rev. 69ff. (1978); De Alessi, The Rule of Liability for Loss of Use when Property is Totally Destroyed: Some Economic Considerations, 32 U. Miami L.Rev. 255 ff. (1978). - Ein von Posner herausgegebenes Journal of Law and Economics hat 1987 den 30. Jahrgang erreicht. Einen Überblick über die economic analysis aus englischer Perspektive gibt Veljanowski, The Economic Approach to Law: A Critical Introduction, (1980) 7 Brit.J.L. Soc. 158f. 2 Vgl. etwa Horn, Zur ökonomischen Rationalität des Privatrechts. - Die privatrechtstheore­ tische Verwertbarkeit der ,Economic Analysis of Law‘, AcP 176 (1976) 307ff.; Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts (1978); Koch, Die Ökonomie der Gestaltungs­ rechte, FS Zweigert 851 ff.; Kötz, Ökonomische Analyse von Rechtsproblemen, in Horn/Tietz (Hrsg.), Sozialwissenschaften im Studium des Rechts Bd. I (1977) 234ff. stellt den Entwurf einer entsprechenden Lehrveranstaltung für Juristen vor. 3 Vgl. grundlegend jetzt Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (1986); Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts (1986).

Analyse des Rechts ist hier nicht einzufuhren1. Für das Verständnis des Folgenden ist es jedoch wichtig, die Ziele dieser Lehre zu kennen. Sie will einerseits rechtliche Lösungen unter dem Gesichtspunkt ihrer ökonomischen Effizienz analysieren, damit über ihre wirtschaftlichen Folgen orientieren2. Sie will andererseits aber auch selbst wirtschaftlich effiziente Lösungen für Konflikte anbieten. Insoweit beansprucht sie eine normative Funktion. Für das Schadensrecht hat die Richtung zu Überlegungen geführt3, die man - etwas verkürzt - folgendermaßen zusammenfassen kann: Als zu erset­ zender Schaden wird nicht mehr der Vermögensschaden (pecuniary datnage), sondern der wirtschaftliche Schaden (economic damage) definiert4. Wirtschaft­ licher Schaden ist die Einbuße jeder Position, die der Betroffene sich nicht ohne Entgelt (Kosten) abkaufen lassen würde. Posner5 demonstriert den Unterschied beider Schadensarten am Beispiel des Schmerzensgeldes. Der Verlust eines Ohres oder der Zunge habe, soweit er nicht die Arbeitsfähigkeit beeinträchtige oder sonstige Vermögensaufwendungen verursache, keine „pe­ cuniary dimension". Doch nicht etwa, weil der Verlust kein „true economic loss" sei; vielmehr nur deshalb, weil es keinen entsprechenden Markt gebe. Zungen und Ohren seien nicht zu kaufen und hätten deshalb keinen Preis. „But they have opportunity costs". Unter opportunity costs versteht Posner den niedrigsten Gegenwert (Preis), zu dem sich ein Rechts- oder Sachinhaber von dem Gut trennen würde: „the benefit forgone by employing a resource in a way that denies its use to someone eise.“6 Niemand würde sich „for nothing“ von seinem Ohr oder seiner Zunge trennen. Weil Ohr und Zunge damit ihren Preis (opportunity costs) haben, sei ihr Verlust auch ein wirt­ schaftlicher Schaden. Auch der herkömmliche Begriff des Vermögensschadens deckt allerdings Aufwen­ dungen, die zur Heilung oder zum Ersatz (etwa für eine Ohrplastik) gemacht werden. Insoweit sind auch „Ohren“ zu kaufen und besteht Deckungsgleichheit zwischen dem wirtschaftlichen Schaden und dem Vermögensschaden. Der Vermögensschaden erfaßt freilich nicht mehr das Schmerzensgeld, das aber für Posner durchaus noch unter den

1 Siehe dazu die S. 24 N. 2 und 3 genannte Literatur. 2 Posner 17; siehe auch die Hinweise von Koch (vorige S., N. 2) 853; Schäfer/Ott 1. 3 Vgl. vor allem die Arbeiten von Calabresi, Some Thoughts on Risk Distribution and the Law of Torts, 70 Yale LJ. 499ff. (1961); ders., The Decision for Accidents: An Approach to Nonfault Allocation of Costs, 78 Harv.L.Rev. 713ff. (1965); ders., The Costs of Accidents: A Legal and Economic Analysis (1970); ferner Posner 142 ff. In Deutschland hat namentlich Köndgen, Ökonomische Aspekte des Schadensproblems, AcP 177 (1977) lff. diesen Ansatz für das Schadensrecht aufgegriffen. Siehe aber auch schon Weyers 481 ff.; nunmehr Schäfer/Ott 85 ff. 4 Posner 6, 149, dessen Darstellung - als die konsequenteste - hier zugrundegelegt sei. 5 Posner 149. 6 Posner 6.

Begriff des economic loss fallen soll1. In seinem Rahmen sind die opportunity costs — genaugenommen nicht für Zungen und Ohren, sondern - für erlittene Schmerzen, für Entstellung etc. zu ermitteln. Aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts ist zu ermitteln, für welche Summe der Betroffene den Schmerz auf sich genommen hätte.

In unserem Untersuchungsfeld ist zur Theorie der economic analysis of law zweierlei zu bemerken. Zum einen erweitert sie den Schadensbegriff in fruchtbarer Weise. All die Positionen, die, wie Verlust der abstrakten Arbeits­ kraft, entgangener Urlaub, Gebrauchsentzug, den Begriff des Vermögens­ schadens heute zu sprengen drohen, lassen sich zwangslos als wirtschaftlicher Schaden verstehen2; denn der Betroffene (oder ein Dritter) würde jeweils Kosten aufwenden, um sich vor solchen Einbußen zu bewahren. Damit wäre die grundsätzliche Ersatzfähigkeit all dieser Positionen bejaht. Auch für die Bemessung der Schadenshöhe Heße sich, wenngleich nicht immer unproble­ matisch, als Parameter das Kostenmaß verwenden, das der konkret Betroffene oder ein durchschnittlicher Betroffener aufgewendet hätte, um die Einbuße abzuwehren. Auf der anderen Seite steht folgendes Dilemma. Ein so verstan­ dener wirtschaftlicher Schaden deckt an sich jede Einbuße, die der Betroffene nicht „for nothing“ hinnehmen würde. Eine Grenze der Ersatzfähigkeit von Einbußen ließe sich dann wohl kaum noch ziehen. Will man eine solch grenzenlose Ausdehnung des Begriffs des wirtschaftlichen Schadens nicht akzeptieren, so bleibt nur die Möglichkeit einer normativen Grenzziehung. Dann indessen erscheint der „wirtschaftliche Schaden“ genauso von vorgege­ benen Wertungen abhängig wie der herkömmliche Vermögensschaden. Zum Einfluß solcher Wertungen sei zitiert, was Posner über das Schmerzensgeld bemerkt: „The attempt to affix a money value to human suffering is disagreeable. But it would also be disagreeable to increase that suffering by reducing the incentives to avoid inflicting it.“3

Was „agreeable" oder aber „disagreeable“ ist, läßt sich jedenfalls keineswegs allein aus ökonomischen Kategorien ableiten. Hier fließen Wertungen ein, die im gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozeß entstehen und moralische, ethische, politische Komponenten enthalten. Grundwertungen in der Gesellschaft, insbesondere die grundrechtlich ge­ schützten Freiheitsrechte des Einzelnen (die liberalen Rechte in der Wohl­

1 Posner 149ff. 2 Schäfer/Ott 228 £ prägen hierfür den „nutzentheoretischen Schadensbegriff". 3 Posner 149.

fahrtsökonomie)1, beeinflussen das Ergebnis entscheidend. Dabei unterlie­ gen diese Grundwertungen einem allmählichen, steten Wandel und fordern deshalb immer wieder zu Abwägungsentscheidungen heraus2. Für die not­ wendige Abwägung ist die ökonomische Analyse bzw. die Wohlfahrtsökono­ mie freilich nicht grundsätzlich besser gerüstet als die Jurisprudenz. Beide stehen hier vielmehr vor dem gleichen Problem, den gesellschaftlichen Nut­ zen von Regelungen zu bewerten. Die ökonomische Analyse des Rechts weist in unserem Zusammenhang damit auf einen wichtigen Aspekt hin, der bei der Schadensermittlung nicht vernachlässigt werden darf: Die wirtschaftlich beachtlichen Voraussetzungen und Folgen von Schadensrecht sollten jeweils mitbedacht werden. Insbeson­ dere ist darauf zu achten, daß Schadensregeln potentielle Schädiger und Ge­ schädigte veranlassen, einen sinnvollen Schadensvermeidungsaufwand zu be­ treiben, der die Schadensentstehung minimiert, andererseits sie in den Kosten nicht etwa übersteigt3. Ziel des Schadensrechts muß insoweit regelmäßig sein, Regeln zu schaffen, die die Gesamtsumme aus Schadenskosten und Vermeidungsaufwand auf dem geringstmöglichen Niveau halten4. Freilich lassen sich die hier untersuchten schadensrechtlichen Probleme nicht schon abschließend aufgrund der ökonomischen Analyse entscheiden. Denn die endgültige Wertung, eine verlorene Position als Schaden zu betrachten, hängt, wie oben gezeigt, nicht allein von ökonomischen Überlegungen ab, auch wenn diese oft wesentliches Gewicht haben oder gelegentlich gar den Ausschlag geben. Im Ergebnis hat die economic analysis of law damit die Funktion, einen durchgängig beachtenswerten topos für die Entscheidung der jeweiligen Schadensprobleme beizutragen5. Bei der Erörterung der einzelnen Schadensprobleme wird im folgenden den Überlegungen der ökonomischen Analyse des Rechts, soweit möglich, Rechnung zu tragen sein.

1 Dazu Schäfer/Ott 229. 2 Ein plastisches Beispiel geben Schäfer/Ott 229: Es liege auch ein Nutzenverlust in folgen­ dem Fall vor: „In einer Gaststätte in Zimbabwe mögen manche Weiße den Zeiten nachtrauem, in denen Schwarzen der Eintritt verwehrt war.“ Das liberale Recht (der Schwarzen) schließe aber einen Ersatz des (immateriellen) Schadens zwingend aus. Gerade dieses Beispiel zeigt, in welchem Maß politisches System und gesellschaftliche Wirklichkeit darüber disponieren, welche Rechte und ggf. Ersatzansprüche der Einzelne hat. Die frühere eklatante Rassendiskriminierung verstieß gegen elementare Freiheitsrechte, war aber gleichwohl im damaligen Rhodesien geltendes und durchgesetztes Recht. 3 Nachdrücklich dazu Schäfer/Ott 86 ff. 4 Siehe auch Schäfer/Ott 94. Ähnlich bewertet Horn (oben S. 24 N. 2) 331, 333 die „economic analysis of law“. Für einen anderen Zusammenhang ebenso Koch (oben S. 24 N. 2) 874ff.

§ 3. Grundzüge und Eigenarten der Schadensrechtssysteme

Rechtsvergleichung braucht heute nicht mehr gerechtfertigt zu werden. Der folgende Abschnitt weicht jedoch von der üblich gewordenen Verglei­ chung zweifach ab. Er gibt zunächst vorgezogen einen Überblick über das Schadenssystem der hier herangezogenen Rechtsordnungen. Er versucht wei­ ter, dabei auch die Faktoren zusammenzutragen, die dem jeweiligen System sein unverwechselbares Gepräge geben1. Zweigerts Lehre der stilprägen­ den Merkmale2 wird damit für den Mikrokosmos Schadensrecht fruchtbar zu machen gesucht.

I. Deutsches Schadensrecht 1. Die Grundlagen Der Schadenersatz soll — jedenfalls darüber besteht in Deutschland weitge­ hend Einigkeit — in erster Linie Ausgleich für erlittene Einbußen schaffen3. Andere Funktionen wie die der Prävention, der Sanktion, der Genugtuung, der Garantie der Rechtssphäre des Einzelnen (Rechtsverfolgungsgedanke)4 oder auch der Schadensstreuung5 gewinnen dagegen nur gelegentlich und nur in besonderen Zusammenhängen (etwa beim Schmerzensgeld, beim Schadenersatz für die Verletzung gewerblicher Schutzrechte) ein eigenes Ge­ wicht6. Unbekannt sind sie dem deutschen Schadensrecht freilich nicht. Bei der Formulierung einzelner Schadensregeln hat sich der Gesetzgeber außerordentlich zurückgehalten. Den Schadensbegriff hat er nicht definiert, sich vielmehr begnügt, für den Schadensausgleich im wesentlichen zwei

1 Ein Beispiel hierfür: ohne Kenntnis, welchen Einfluß die Jury in amerikanischen Schadensprozessen hat, bleibt manche Eigenheit des amerikanischen Schadensrechts unverständ­ lich. Näher dazu unten S. 45£ 2 Zweigert, FS Yntema 42 ff. sowie Zweigert/Kötz I 72 ff. 3 Deutsch 66ff., 73; Lange 5f£, 6; Mertens 93ff., 95 jeweils mit weiteren Nachweisen. 4 Zu diesem Gedanken schon Neuner, AcP 133 (1931) 292f£; ferner Deutsch 72; Lange 7f. („Gedanke ohne Eigenwert“). 5 Dazu insbes. Deutsch 70 f. 6 Vgl. die in N. 3 Zitierten.

Grundsätze festzulegen: den der Totalreparation und den des Naturalersatzes (§ 249 S. 1 BGB). Der Schaden ist in vollem Umfang und er ist primär in natura auszugleichen. Nach der Vorstellung des BGB ist das Schadensereignis „ungeschehen“ zu machen, nämlich der Zustand herzustellen, der ohne das Schadensereignis bestünde. Man hat diese Regelung gewählt, obwohl sie auf der Auffassung zu beruhen scheint, daß sich der schadensfreie Zustand real wiederherstellen lasse. Jeder Schadens­ ausgleich kann aber nur zu annäherungsweiser Wiederherstellung in einem wirklichen oder gar naturwissenschaftlichen Sinn fuhren. Der reparierte Gegenstand ist genau genommen nicht mehr der unbeschädigte Gegenstand. Die Frage kann deshalb nur sein, ob die Reparatur eine dem schadensfreien Zustand gleichwertige Lage herbeige­ führt hat. Jeder Schadensausgleich kann damit nicht tatsächlich, sondern nur in der rechtlichen Bewertung den Zustand wiederherstellen, der ohne das Schadensereignis bestünde. Diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen, ist der Schädiger nach BGB verpflichtet. In den Erörterungen, die § 249 BGB vorausgingen, haben Stimmen hierauf hingewiesen und aus diesem Grund den Vorrang des Geldersatzes vor der Naturalrestitution gefordert1.

Die weiteren gesetzlichen Regeln des Schadensrechts haben nach der Kon­ zeption des BGB Ausnahmecharakter: So der Ausgleich in Geld, der nur in bestimmten Sonderfällen in Betracht kommen soll.2 Ebenso haben die Re­ geln Ausnahmecharakter, die den Schaden für Sonderfälle umschreiben (§ 252 BGB: entgangener Gewinn) oder seinen Ersatz begrenzen (§ 253 BGB: kein Geldersatz für immaterielle Schäden außer in den gesetzlich vor­ gesehenen Fällen; § 254 BGB: Berücksichtigung des Mitverschuldens für die Schadenshöhe). Viel mehr läßt sich dem Gesetz unmittelbar nicht entneh­ men3. Doch selbst in diesen wenigen, sehr weitmaschigen Regeln spiegelt das Gesetz die Rechtswirklichkeit nur unvollkommen wider. Geldersatz ist ge­ genüber der Naturalherstellung rechtstatsächlich die weit überwiegende Er­ satzform. Das Gesetz statuiert damit ein Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen den Reparationsformen, das in der Rechtswirklichkeit gerade umgekehrt besteht. Das vertauschte Regel-Ausnahmeverhältnis hat für den Ersatz imma­ terieller Schäden eine wichtige Konsequenz gehabt. Denn diese Schäden sind zwar nach der Ausgangsregel des BGB ebenso umfassend wie Vermögens­

1 Prot. I 1032. 2 Nämlich nach Belieben des Geschädigten bei Körperverletzung oder Sachbeschädigung (§ 249 S. 2 BGB); nach Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§ 250 BGB); schließlich bei Unmöglichkeit, Ungenügen oder Unverhältnismäßigkeit der Herstellung (§ 251 BGB). 3 Siehe auch Mertens 17.

schaden auszugleichen — eben durch Wiederherstellung. Der als Ausnahme konzipierte Geldersatz ist für sie aber nochmals eingeschränkt. Geldausgleich ist für sie nur möglich, soweit im Gesetz (S§ 847, 1300 BGB) ausdrücklich vorgesehen. Da Geldersatz (Kompensation) heute jedoch die Hauptform der Schadensreparation ist, sind immaterielle Schäden damit im Ergebnis weitge­ hend vom Ersatz ausgeschlossen. Die weitere Folge war, daß im deutschen Recht die Abgrenzung zwischen Vermögens- und NichtVermögensschäden zu einer zentralen Frage des Schadensrechts aufgerückt ist. Doch auch zur Abgrenzung dieser beiden Schadensarten ergibt das Gesetz nichts. Die wohl notwendig karge Regelung des Schadensrechts1 im BGB hat dazu geführt, daß der Rechtsprechung in diesem Gebiet überragende Bedeu­ tung zukommt. Sie hat erhebliche Korrekturen am gesetzlichen Konzept angebracht. Die Grenze zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden hat sie intuitiv immer weiter in den immateriellen Bereich verschoben. Die Einzelheiten der Entwicklung und der heutige Stand sind für die wichtigsten Fallgruppen noch eingehend zu untersuchen.

2. Besondere, das Schadensrecht prägende Züge

Besondere Stilzüge der eigenen Rechtsordnung hervorzuheben, entbehrt selten eines erheblichen subjektiven Einschlags. Für das deutsche Schadens­ recht sei hier auf fünf Punkte aufmerksam gemacht. 1) Daß das deutsche Schadensrecht heute weitgehend richterliches Fallrecht ist, wurde schon angemerkt. Theoretisch ist dieses Phänomen bislang jedoch kaum aufgegriffen worden; eine entwickelte Fallrechtsmethodik — wie man sie im anglo-amerikanischen System antrifft — läßt sich in der deutschen Rechtsprechung nicht beobachten. 2) Erheblichen Einfluß auf den Stand des geltenden Schadensrechts hat es, daß die deutsche Rechtsprechung vergleichsweise wenig zentralisiert ist. Die zahlreichen Oberlandesgerichte, deren Existenz vielfach noch die Nachwir­ kung des früheren Partikularismus in Deutschland ist, können nicht für bun­ desweite Einheitlichkeit in der Rechtsprechung sorgen. Der Bundesgerichts­ hof als höchste Zivilinstanz hat zwar Schadensfragen primär einem Senat übertragen. Doch äußern sich auch andere Senate in grundsätzEcher Weise zu Schadensfragen2. Zu einer abschließenden Vereinheitlichung kommt es sel­

1 Wohl kein Gesetzbuch enthält gegenwärtig wesentlich ausführlichere Schadensregeln; vgl. dazu noch unten S. 323f.; ferner schon Bünger, RvglHwB VI 111. 2 Vgl. nur die oben S. 2 und S. 19ff. zitierte Rechtsprechung.

ten1. Darüber hinaus nehmen andere oberste Bundesgerichte für ihre Zu­ ständigkeitsgebiete zu (zivilrechtlichen) Schadensgrundsätzen letztinstanzlich Stellung2. Die mangelnde Zentralisierung der im Schadensrecht besonders wichtigen Rechtsprechung fuhrt zu erheblicher Uneinheitlichkeit. 3) Gleichfalls zu den auch das Schadensrecht prägenden Charakteristika gehört die Anonymität der richterlichen Entscheidung und der mit ihr ver­ bundene Anstrich, das Recht als Vorgegebenheit nur anzuwenden. Damit wird der Eindruck einer erhöhten Objektivität und einer außerhalb des rich­ terlichen Einflusses liegenden Legitimation vermittelt. Beides kann aber ge­ rade richterlich geschaffenes Recht nicht für sich beanspruchen. 4) Der sonst dem deutschen Recht nachgesagte Zug zum Dogmatisch­ akademischen3 läßt sich wohl in der literarischen Theoriebildung des Schadensrechts, weniger allerdings in der Rechtsprechung — vor allem des Schadenssenates des Bundesgerichtshofs - beobachten. Der VI. Senat scheint - insoweit zurückhaltender als der V. oder VII. Senat4 — allgemeine Festle­ gungen, etwa des Begriffs des Vermögensschadens, eher zu vermeiden5. 5) Weit entwickelt ist im deutschen Recht — im Vergleich zu anderen Rechten — die Methodik der (Gesetzes-) Auslegung, insbesondere die auf den Regelungszweck zurückgreifende teleologische Auslegung6. Für das Schadensrecht mit seinem Mangel an Normen ist diese grundsätzliche metho­ dische Denkweise des Zweckrationalismus bislang vielleicht noch nicht prä­ gend geworden. Als Stileigenheit des deutschen Rechts wirkt sie sich aber auch hier aus.

II. Vorbemerkung zum anglo-amerikanischen Schadensrecht 1. Zweck des Schadensrechts Gegenüber dem deutschen Recht zeigt das anglo-amerikanische Schadens­ recht eine erheblich breitere Sanktionsfächerung, die sich aus einem anderen Verständnis der Zwecke und Funktionen zivilrechtlichen Schadenersatzes her­ 1 Der große Senat hat zu Schadensfragen 1968 und 1986 Stellung genommen (BGH GrS 9. 7. 1968, BGHZ 50, 304; BGH 9. 7.1986, BGHZ 98,212). Mit dem Beschluß von 1968 (zum Ersatz für die Arbeitskraft der verletzten Ehefrau) war man keineswegs sehr glücklich: vgl. BGH 5. 5. 1970, BGHZ 54, 45 (51). 2 So z.B. BAG 24. 4. 1970, JZ 1971, 380; BverwG 12. 10. 1978, VersR 1979, 658 und VersR 1979, 659 (zwei Urteile). 3 Vgl. etwa Zweigert/Kötz I 75, 214. 4 Vgl. oben S. 20 und N. 1 f. 5 Oben S. 20 und N. 3. 6 Zu ihr ausführlich Larenz, Methodenlehre 321 ff.

leitet. Das anglo-amerikanische Schadensrecht kennt ein sehr fein abgestuftes System rechtlicher Reaktionen auf ziviles Unrecht. Tragendes Fundament ist der Gedanke der Kompensation des verursachten Schadens1. Schadenersatz bezweckt also auch im Common Law in erster Linie Ausgleich (compensatory damages). Schon auf dieser Ebene treffen wir indessen auf zwei unterschiedliche Schadenskategorien: „general“ und „special damages“. Für die „general damages“ findet eine vergleichsweise abstrakte Schadensbestimmung in den Fällen statt, in denen typischerweise ein be­ stimmter, aber unter Umständen nicht näher bezifferbarer Schaden ein tritt2. Der Geschädigte braucht hier nur den Eintritt, nicht aber den konkreten Umfang des Schadens nachzu weisen. Die Zahl dieser Fälle geht weit über den Bereich hinaus, innerhalb dessen in der Bundesrepublik eine abstrakte Schadensberechnung zugelassen wird. „Special damages“ tragen hingegen den individuellen Besonderheiten des einzelnen Falles stärker Rechnung. Der Geschädigte erhält hier nur, aber auch all das, was er als Verlust im Einzelnen nachweisen kann3. Hauptsächlicher Grund für die Unterscheidung ist die Überlegung, daß die genaue Feststellung und Errechnung des Schadens dann überflüssig und zu aufwendig ist, wenn ein bestimmter Schadensumfang naheliegt4. Die Unterscheidung erledigt weitgehend jenes Problem, das im deutschen Recht mit dem Stichwort objektiver Schaden gekennzeichnet wird. Schon im Bereich dieser „compensatory damages“ findet sich aber auch die Figur der „aggravated damages“. Dem strikt nachgewiesenen oder abstrakt festgesetzten Schaden kann der Richter dann eine Summe hinzufugen, wenn der Ersatz andernfalls aus besonderen Gründen hinter der erlittenen Unbill zurückbliebe5. Weitere Sanktionsmöglichkeiten auf schadenstiftendes Verhalten verlassen den Boden des Kompensationsgedankens. So verfolgen die „exemplary or punitive damages“ keine Ausgleichfunktion. Zu diesem Strafzuschlag kommt 1 Für England: McGregor no. 9ff.; Ogus 17ff.; Street 3 ff; für die USA: Dobbs 135 ff.; York/Bauman 2ff. 2 McGregor no. 16ff; Ogus 3f.; Street 18ff.; die englischen Autoren weisen allerdings auf die Unschärfe und Mehrdeutigkeit des Begriffs hin. McGregor no. 21 f. benutzt deshalb die Terminologie „normal and consequential damages“. Eindeutiger die amerikanische Ansicht: Dobbs 138: „General damages... are damages that courts believe generally flow from the kind of substantive wrong done by the defendant.“ McCormick 32ff. 3 Vgl. die in N. 1 und 2 zitierten Autoren, insbes. Dobbs 138: „Special damages include, items of loss that are more or less peculiar to the particular plaintiffand would not be expected to occur regularly to other plaintiffs in similar circumstances." 4 Ausführlich zu den „policies“ für die Unterscheidung Dobbs 141 ff. 5 In England z.B. in Fällen von „false imprisonment", „malicious prosecution“ oder „defamation“ vgl. die Nachweise bei McGregor no. 1267, 1279, 1306ff. In den USA sind „aggravated damages“ inzwischen wohl gänzlich von den „punitive“ oder „exemplary damages“ abgelöst worden; vgl. schon McCormick 434.

es, wenn es dem Richter angemessen erscheint, dem Schädiger zu zeigen, „that tort does not pay."1 Diese Sanktionsmöglichkeit nimmt also spezial­ und generalpräventive Funktionen wahr. In England auf dem Rückzug be­ griffen1 2, haben die „punitive damages“ in den USA an Bedeutung heute eher noch gewonnen3. Wiederum andere Funktionen kommen den sog. „nominal damages“ zu. Zu ihnen kann verurteilt werden, wer Rechte anderer verletzt hat, ohne daß ein Schaden entstanden oder nachgewiesen ist4. Der Geschädigte erhält dann eine triviale Summe, etwa einen Dollar oder ein Pfund, und die Erklärung, in seinen Rechten verletzt worden zu sein. In den USA hat die Figur der „nominal damages“ wohl kaum noch Bedeutung5; in England ist sie ledig­ lich für Kostenfragen von Interesse6. Ihrer Funktion nach sollen „nominal damages“ dokumentieren, daß die Rechtsordnung den Anspruch des Verletz­ ten auf Wahrung seiner Rechtssphäre respektiert, auch wenn kein konkreter Schaden entstanden ist7. 1 Vgl. etwa Dräne v. Evangelou [1978] 1 W.L.R. 455 (C. A.). Für die USA s. Restatement of Torts § 908; Prosser 9. 2 Vgl. Rookes v. Barnard [1964] A.C. 1129 (H.L.); Broome v. Cassell & Co. Ltd. [1972] A.C. (H.L.). 3 Näheres noch unten S. 46f.; zum Für und Wider „strafenden Schadenersatzes“ Dobbs 219ff.; Prosser 11 ff. Ein Grund für punitive damages wird darin gesehen, daß derartiger Strafschaden zur Finanzierung der Verfahrenskosten beiträgt und hier eine sinnvolle Funktion erfüllt. Als gewichtiger wird das sog. „bounty argument“ betrachtet: „punitive damages“ sollen für den Privaten einen Anreiz bieten, in Fällen zu klagen, in denen öffentliche Strafverfolgungsbehörden nicht oder nur unter Schwierigkeiten Anklage erheben können und die schließlichen Strafen trivial sind. Beispiele sind etwa Umweltschutz-, Arzneimittel-, Antitrustprozesse. Verstöße „nur“ gegen das öffentliche Interesse sind hier vielfach nicht besonders strafwürdig; Verletzungen der Rechte einzelner Privatpersonen sollen dagegen scharf geahndet werden. 4 Für England: McGregor no. 293ff. Für die USA: McCormick 85ff.; Dobbs 191 ff. 5 Dobbs 193. 6 McGregor no. 298f. 7 Neuner, AcP 133 (1931) 277ff., 291 f. hat die These aufgestellt, daß der Schadenersatz im anglo-amerikanischen Recht häufig die Funktion habe (und das einzige Mittel sei), ein Recht festzustellen und zu wahren. Er hat dafür auf die „nominal damages“ hingewiesen. Da sie ihre praktische Bedeutung indessen fast ganz verloren haben, läßt sich Neuner’s These heute jeden­ falls nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten. Auch damals scheint sie mir aber eine zutref­ fende Beobachtung mit einer wenig zutreffenden Folgerung verbunden zu haben. Das anglo­ amerikanische stellt stärker als das deutsche Schadensrecht den Sanktionsgedanken neben den Ausgleichsgedanken. Der beherrschende Gedankengang war und ist: Die Rechtsordnung ist dort zum Einschreiten verpflichtet, wo Unrecht geschieht. Ist die Rechtssphäre des Einzelnen auf nicht akzeptable Weise verletzt worden, so hat das Recht für Ausgleich zu sorgen, der nach der Philosophie des Common Law meist nur in Geld zu leisten ist. Ob die Rechtsverletzung auch einen in Geld meßbaren Schaden verursacht hat, ist dagegen erst ein nachrangiger Belang. Vgl. schon Blackstone III 23: „.. .it is a general and indisputable rule, that where there is a legal right, there is also a legal remedy,... whenever that right is invaded.“ Daß Schadenersatz im anglo-amerikanischen Recht das einzige Mittel sei, einen Anspruch oder ein Recht zu schützen, trifft gleichfalls nicht (mehr) zu; vgl. für England Lawson, Remedies of English Law (2. Aufl. mit Teff, 1980); für die USA Dobbs.

2. Einfluß der Richterschaft auf das Recht Der augenfälligste Unterschied zwischen Civil Law und Common Law — hier kodifiziertes Recht, dort case law — hat für unsere Fragen keine Bedeu­ tung. Das Schadensrecht ist auch auf dem Kontinent weitgehend richterliches Fallrecht. Ohnehin wird heute eine Annäherung beider Standpunkte konsta­ tiert1. Die ehedem unterschiedliche Auffassung darüber, ob Recht, gar das Recht dauerhaft und lückenlos kodifizierbar sei, ist heute beiderseits der pragmatischen Einsicht gewichen, daß man nicht ohne zahllose, oft refor­ mierte Gesetze auskommt. Das Gesetz erscheint häufig als juristische Ge­ brauchsware, die altem und „verschleißen“ kann und der gegenüber deshalb oft die Rechtsprechung das kontinuierliche, Gerechtigkeit durchsetzende Ele­ ment verkörpern muß. Für Civil Law und Common Law unterschiedlich geblieben ist aber der Grad der Bewußtheit und Offenheit, mit der die Richterschaft an der Weiter­ bildung des Rechts und der Durchsetzung von Gerechtigkeitsvorstellungen beteiligt ist. Während in beiden Rechtskreisen faktisch die (höchstrichterliche) Rechtsprechung auf vielen Rechtsgebieten und zumal im Schadensrecht die Fortentwicklung wesentlich beeinflußt, gesteht man ihr diese Rolle nur im anglo-amerikanischen Recht auch offen zu. Die Richterschaft ist hier gerade dazu eingesetzt und versteht es selbst als ihre Aufgabe, das ,ewige4 Common Law auf seine Verträglichkeit mit heutigen sozialen Bedingungen zu überprü­ fen wie ebenso Gesetze am Gerechtigkeitsmaßstab des ungeschriebenen Com­ mon Law zu messen2. Im kontinentalen Recht wird demgegenüber die Befugnis des Richters zur Rechtsfortbildung nicht in gleicher Weise anerkannt3.

3. Einfluß der Richterpersönlichkeit Eine weitere übergreifende Besonderheit des anglo-amerikanischen Rechts, die aus dem Vorangehenden fast notwendig folgt und die auch für das Schadensrecht prägend ist, hegt darin, daß den Weg für Rechtsentwicklungen 1 Zweigert/Kötz I 251. 2 Etwa Templeman, An English View of the Judicial Function, in Jones (Hrsg.), Legal Institutions Today: English and American Approaches Compared (1977) 6£; Dias 415 ff, 436 ff, der in diesem Zusammenhang auch auf die Equity-Rechtsprechung verweist. Sie führte ja gegenüber dem strikten Recht das gerechte Recht ein. 3 Vgl. nur Benda, Richter im Rechtsstaat, in: Kurskorrekturen im Recht (1980) 243 bezeich­ net den Richter als Treuhänder des Gesetzes. Seine Aufgabe sei „(s)orgfältiges Nachdenken über die „richtige“ Auslegung einer Norm“. Larenz, Methodenlehre 419 hält eine „den Plan des Gesetzes übersteigende“ richterliche Rechtsfortbildung nur im Fall des Rechtsnotstandes für zulässig.

vielfach einzelne Richter, und zwar Richter mit einer glänzenden Feder1, bereitet haben. Die Auffassung von der Rolle der Rechtsprechung haben ebenso wie die ihr entsprechenden Verfahrensregeln — etwa daß auch in Kollegialgerichten jeder Richter sein persönliches Votum zum Fall erstattet — einen Richtertyp begünstigt, den häufig eine ausgeprägte Originalität und starkes Verantwortungsbewußtsein kennzeichnen. Herausragende Richter haben es verstanden, mit geschärfter, einprägsamer Formulierung ihre Voten durchschlagend zu begründen. Damit hat nicht die autoritative Entschei­ dungsmacht des anonymen Spruchkörpers, sondern der unvermittelt einsich­ tige common sense und daneben auch die rhetorische und Eterarische Brillanz der einzelnen Richterpersönlichkeit die Fortentwicklung des Rechts beein­ flußt. Das Gewicht anglo-amerikanischer Entscheidungen hängt damit auch oft von der Reputation des (der) sie tragenden Richter ab.

4. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden Das anglo-amerikanische Recht ersetzt — wie das deutsche Recht - Nicht­ vermögensschäden (non-pecuniary damages) nur eingeschränkt. Sehr viel ausgeprägter als bei uns ist dort aber das Bewußtsein, daß es in Fällen immate­ rieller Einbußen nur an der Ersatzfähigkeit der Einbuße, nicht etwa an einem Schaden schlechthin fehlt. Bedenken gegen die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden folgen im Common Law auch lediglich aus der praktischen Überle­ gung, daß derartiger Schaden in Geld nicht exakt meßbar sei2. Die Bereit­ schaft, wenn irgend kalkulierbar oder sogar wenn nur rechtspolitisch gefor­ dert, auch die immaterielle Einbuße in Geld auszugleichen, ist deshalb im anglo-amerikanischen Bereich ungleich größer als bei uns, wo noch die Über­ zeugung nachwirkt, daß immaterielle Güter nicht gegen Geld zu haben sein sollen3.

1 So z.B. Holmes, Cardozo, Traynor in den USA, Denning in England. 2 Ogus 4 mit Nachweisen aus der englischen Rechtsprechung. 3 Vgl. beispielsweise Prot. II 802: Vererblichkeit des Schmerzensgeldes vor Klagerhebung wird als etwas „Anstößiges“ empfunden.

III. Englisches Schadensrecht 1. Ausgangslage Das englische Schadensrecht (law of damages) ist ungeschriebenes, von der Rechtsprechung entwickeltes Fallrecht. Man behandelt es seit langem als eigenständiges Rechtsgebiet, das nahezu gleichwertig neben dem law of torts oder dem law of contracts steht und auch breite monographische Bearbeitung findet1. Die Literatur trennt zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Teil des Schadensrechts. Der allgemeine Teil2, der in dieser Form in der Rechtsprechung naturgemäß nicht zu finden ist, umfaßt gewöhnlich die Ziele des Schadenersatzes (Ausgleichsfunktion und weitergehende Zwecke), die Einschränkungen des Kompensationsgedankens durch die Verursachungs­ lehre (remoteness of damage) und das Mitverschulden, weiter den Einfluß besonderer Faktoren wie Steuern, Zinsen, Schwankungen des Geldwertes etc. Praktisch gewichtiger ist das besondere Schadensrecht, das für die nach Fallgruppen geordneten, einzelnen Schadensarten Regeln aufstellt. Geläufige Hauptunterteilung ist zunächst die Unterscheidung zwischen vertraglichen und deliktischen Schäden. Im Deliktsbereich sondert man dann zwischen Schäden aufgrund von Verletzungen von Personen, Sachen und Vermögen (letzteres durch economic torts)3. Doch erst weitere Untergliederungen fuhren zu konkreten Ergebnissen: So werden die Vernichtung (destruction) und die Beschädigung (damage) beweglicher Sachen getrennt und auch das 1 Führendes Werk ist heute McGregor on Damages (14. Aufl. 1980) ein ausführliches Hand­ buch, dessen erste Auflage aus der Feder von Mayne stammte und bereits 1856 erschien. Weitere systematische Darstellungen des Schadensrechts haben in jüngerer Zeit Street, Principles of the Law of Damages (1962) und Ogus, The Law of Damages (1973) (siehe dazu die Besprechung von Stoll in RabelsZ 44 (1980) 174) vorgelegt. Ältere Darstellungen sind Jackson, The Law of Damages (1934) und Gahan, The Law of Damages (1936). Spezial werke gibt es insbesondere für das Gebiet der Personenschäden: Kemp/Kemp, The Quantum of Damages (2 Bde. 4. Aufl. 1975, Supp. 1979) — das Werk wird durch ständige Übersichten in Current Law ergänzt und auf dem laufenden gehalten; ferner Munkman, Damages for Personal Injuries and Death (7. Aufl. 1985). Mehr oder minder ausführliche Darstellungen des Schadensrechts enthalten schließlich nahezu alle Werke zum Deliktsrecht: Clerk and Lindsell on Torts (15. Aufl. 1982) 168ff.; Winfield/ Jolowicz on Torts (12. Aufl. 1984) 530ff; Street, The Law of Torts (7. Aufl. 1983) 435ff.; James, General Principles of the Law Torts (4. Aufl. 1978) 418f.; Baker, Torts (3. Aufl. 1981) 304ff.; Williams/Hepple, Foundations of the Law of Tort (1976) 51 ff.; Bowden/Morris, An Introduction to the Law of Contract and Tort (1978) 299ff.; Fleming, An Introduction to the Law ofTorts (Repr. 1977) 124ff.; Dias and Markesinis, The English Law of Torts. A Comparative Introduction (1976) 215 ff; Colyer, A Modem View of the Law of Torts (1966) 60ff. Beachtenswert ferner Lawson (oben S. 33 N. 7) 54 ff. 2 Bei McGregor no. 1-563; bei Ogus S. 1-119; keine deutliche äußere Unterteilung bei Street. 3 Vgl. McGregor no. 1428ff.; Ogus 247, spricht von „injuries to economic interests“.

Schadensmaß wird gesondert festgesetzt1. Weitere Sachschäden bezeichnet das Stichwort „misappropriation of goods" (Eingriff in Eigentumsrechte an beweglichen Sachen). Doch auch dieser Komplex zerfällt in fünf Untergrup­ pierungen (conversion, trespass, wrongful distress, replevin und das inzwi­ schen beseitigte Delikt detinue)2, die in Rechtsprechung und Literatur je­ weils geschlossen für sich behandelt werden3. Sie zeigen, wie sehr man hier noch einem aktionenrechtlichen Denken verhaftet ist4. Der Sache nach gelten für die einzelnen Fallgruppen nämlich vielfach übereinstimmende Re­ geln.

2. Grundsätze des Schadensrechts Ausgangspunkt des englischen Rechts ist der Grundsatz der restitutio in integrum5. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die deliktische Schädigung oder die Vertragsverletzung stünde. Sein Schaden ist insoweit in vollem Umfang auszugleichen. Dies hat allerdings nicht durch Naturalrestitu­ tion, sondern durch Geldersatz zu geschehen. „It is well settled that the governing purpose of damages is to put the party whose rights have been violated in the same position, so far as money can do so, as if his rights had been observed.“6

Für Personenschäden entfalten sich die beiden Grundregeln — Totalrepara­ tion einerseits, Geldersatz andererseits - im wesentlichen in der folgenden Weise: Vermögensschäden, die aus einer Verletzung der Person folgen, sind zu 1 Im Anschluß an die Rechtsprechung und mit zahlreichen Belegen: McGregor no. 997ff.; Ogus 124 ff; Street 188 ff. generalisiert immerhin soweit, als er mit „loss of and damages to property“ die Grundsätze für Schäden an beweglichen und unbeweglichen Sachen zusammen­ faßt. 2 McGregor no. 1040ff. mit Nachweis der Rechtsprechung. 3 Ogus 141 ff. versucht hier allerdings, von vornherein einheitliche Regeln für den Gesamt­ komplex „misappropriation“ aufzustellen. Der Law Commission (1971, Cmnd. 4774) hatte vorgeschlagen, die fünf Einzeltatbestände in Voraussetzungen und Rechtsfolgen zu dem einheit­ lichen Delikt „wrongful interference with chattels" zusammenzufassen. Der Torts (Interference with Goods) Act von 1977 hat diese Anregung nur teilweise aufgegriffen und lediglich das Delikt detinue beseitigt; näher dazu McGregor no. 1041-1043. 4 Gegen diese Denkweise aber schon Lord Halsbury L.C. in The Mediana [1900] A.C. 113 (118): „ .. .whatever be the form of action, the principle assessing damages must be the same in all courts and for all forms of what I may call the unlawful detention of another man’s property.“ 5 Für deliktische Schäden siehe etwa Liesbosch Dredger v. Edison S. S. [1933] A. C. 449 (H.L.) per Lord Wright (S. 459); für vertragliche Schäden etwa Robinson v. Harman (1848) 1 Ex. 850 per Parke B. 6 Victoria Laundry (Windsor), Ltd. v. Newman Industries, Ltd. [1949] 2 K.B. 528 per As­ quith, L.J. (S. 539).

ersetzen1. Nichtvermögensschäden finden vor allem unter den drei „heads“: Schmerzensgeld (pain and suffering), Verlust an Annehmlichkeiten und Le­ bensfreude (loss of amenities of life) und verkürzte Lebenserwartung (loss of expectation of life) Ausgleich. Weitere Fallgruppen wie physisches Unbeha­ gen (physical inconvenience and discomfort), Rufschädigung (social discredit, injury to reputation), Verletzung von Gefühlen (mental suffering, injury to feelings) sowie Verlust der Gemeinschaft von Gatte und Kind (loss of society of spouse and child) sind darüber hinaus anerkannt2. Der immaterielle Scha­ den ist damit seinerseits in Typen gegliedert. Ersatz ist durch angemessene Geldleistung zu gewähren, so daß der Schädiger anschließend in der Lage sei, „(to) hold up his head among his neighbours and say with their approval that he has done the fair thing“3. Für Sachschäden ist „the normal measure of damages“ regelmäßig der Betrag, um den der Wert — soweit vorhanden: Marktwert — des Gegenstandes vermindert wurde4. Regeln für einzelne Fallgruppen konkretisieren jedoch, welche Faktoren die Wertminderung indizieren; so belegen etwa angemes­ sene Reparaturkosten die Wertminderung reparabel beschädigter Sachen und stellen prima facie den zu leistenden Ersatzbetrag dar5. Bei zerstörten Sachen ist das richtige Schadensmaß dagegen grundsätzlich der Marktwert der Sache am Ort und zur Zeit ihrer Zerstörung, denn mit diesem Betrag kann sich der Geschädigte Ersatz besorgen6. Eingriffe in die Vermögenssphäre führen zu Ersatz, soweit sich der Vermö­ gensschaden als Folgeschaden, als „consequential loss“ eines Personen- oder Sachschadens darstellt7. Ersatz für reinen Vermögensschaden, dem keine Per­ sonen- oder Sachverletzung vorausgeht, kann aufgrund sog. „economic torts“ geschuldet sein. Zu ihnen gehören insbesondere rechtswidrige Angriffe auf wirtschaftlich relevante Beziehungen des Geschädigten zu Dritten. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs etwa hat hier seine englische Entsprechung8. Schließlich besteht eine Reihe von Sonderregeln für Schadensersatzansprü­ che, die aus Vertragsverletzung hergeleitet werden. Hier erfahren die vertrag­ lichen Interessen besonderen Schutz. Insbesondere kann die Verletzung des 1 Siehe näher mit entsprechenden Nachweisen aus der Rechtsprechung McGregor no. 1161 ff. 2 Siehe die Übersicht bei McGregor no. 61 ff., 66ff 3 West & Son v. Shepard [1964] A.C. 326, per Lord Devlin (S. 357). 4 Vgl. McGregor no. 998, 1030, 1045, 1118, 1136 jeweils für die einzelnen Fallgruppen der Schädigung fremder Sachen mit Nachweis der Rechtsprechung. 5 The London Corporation [1935] P. 70; Darbishire v. Warran [1963] 1 W.L.R. 1067 (C. A.); Dodd Properties Ltd. v. Canterbury City Council [1980] 1 W.L.R. 433 (H.C. und C. A.). 6Liesbosch Dredger v. S.S. Edison [1933] A.C. 449 (H.L.). 7 McGregor no. 1005f., 1033ff, 1087ff, 1125ff, 1139, 1161 ff. für die jeweiligen Fallgrup­ pen mit eingehenden Nachweisen. 8 Näher hierzu McGregor no.1428ff; Ogus 247ff

Erfüllungsinteresses (expectation interest) zu weitergehendem Schadenersatz als nach deliktischen Grundsätzen fuhren1. Ein wichtiger Anwendungsfall ist im Sale of Goods Act (SGA) gesetzlich behandelt: Für verweigerte Abnahme, Nichtlieferung oder Zusicherungsbruch kann der jeweils betroffene Ver­ tragspartner Schadenersatz verlangen (sec. 50, 51, 53 SGA). „The measure of damages“ ist hier jeweils der zu schätzende Verlust, der in direkter und natürlicher Weise bei normalem Gang der Dinge aus dem Vertragsverstoß entstanden ist (sec. 50(2), 51(2), 53(2) SGA). Im Fall des Zusicherungsbruchs ist der (zu schätzende) Verlust „prima facie“ die Differenz zwischen dem Wert der Ware zur Zeit der Lieferung an den Käufer und dem Wert, den sie gehabt hätte, wenn sie dem Vertrag entsprochen hätte (sec. 53(3) SGA)2.

3. Weitere, das englische Schadensrecht prägende Faktoren

Den „Geist des englischen Rechts“ haben u.a. Radbruch,3 David4 oder Pollock5 zu erfassen gesucht. Im folgenden sind einige Besonderhei­ ten des englischen Rechts, deren Kenntnis für das Verständnis des Schadens­ rechts wichtig ist, hervorzuheben. a) Zunächst sei gerade für England noch einmal der Stellenwert der Justiz für die Rechtsfortbildung betont. Rechtliches Vorverständnis ist dabei, daß das Common Law als ein lückenloses, aus Tradition und Sitte geformtes Gebilde von Rechtsregeln bereits besteht und von der Justiz lediglich ange­ wendet wird.6 Prinzipiell hat der Gesetzgeber als Souverän die Macht, Änderungen des Common Law oder Statute Law zu vollziehen. Neben ihm darf aber auch das House of Lords - es ist ein aus dem Parlament bestellter, selbständiger Spruchkörper und oberste gerichtliche Instanz in England, ver­ klammert also legislative und jurisdiktionelle Funktion7 — unter bestimmten Voraussetzungen das Common Law ändern — nämlich von seinen früheren Entscheidungen zum Common Law abweichen8 — und Common Law sowie Statute Law autoritativ erläutern9. 1 Ausführlich hierzu Ogus 284f., 287, 290ff.; Treitel 328f. 2 Eingehend hierzu Benjamin’s Sale of Goods (1. Aufl. 1974) no. 1305ff. 3 Radbruch, Der Geist des englischen Rechts (3. Aufl. 1956). 4 David, Introduction ä l’etude du droit prive de l’Angleterre (1948) 220ff. zum „Esprit du Droit Anglais". 5 Pollock, Genius of the Common Law (1912). Aus amerikanischer Sicht Roscoe Round, The Spirit of the Common Law (1921). 6 Statt vieler Scarman, English Law — The New Dimension (1974) 2. 7 Näher etwa Walker/Walker, The English Legal System (5. Aufl. 1980) 176ff. 8 Das hat das H.L. 1966 in einem Statement näher niedergelegt [1966] 3 All E.R. 77; [1966] 1 W.L.R. 1234); ausführlich zur Präjudizienlehre Cross, Precedent in English Law (3. Aufl. 1977); Walker/Walker (vorige N.) 128 ff. 9 Dabei ist das Gesetz eng am Wortlaut auszulegen. Lücken des Gesetzes darf die Rechtspre-

Freilich, längst nicht alle Punkte des Common Law sind durch Präjudizien vorentschieden; ferner hat sich zur Überwindung allzu starrer Festgelegtheit die Kunst des „distinguishing" entwickelt, des Abweichens von Präjudizien mit der Begründung, der neu zu entscheidende Fall sei zwar ähnlich, aber liege doch anders. Das Statute Law schließlich, das immer nur kleine Inseln im Ozean des Common Law entstehen läßt, wurde stets und wird auch heute von der Rechtsprechung sehr restriktiv behandelt1. Ergibt der Gesetzes­ wortlaut nicht eindeutig, inwieweit das Statute das Common Law abändert, so nimmt die Rechtsprechung die Äußerung des Gesetzgebers nicht zur Kenntnis, sondern judiziert nach Common Law. Faktisch hat deshalb die Rechtsprechung am stärksten von allen hier untersuchten Rechtsordnungen in England die Fortentwicklung des Rechts in der Hand. Mehrere Faktoren lassen den Einfluß der englischen Rechtsprechung noch besonders wirksam werden. Zum einen ist der Kreis der einflußreichen Spruchkörper klein. Die , rechtsbestimmende4 Justiz ist außerordentlich zen­ tralisiert und konzentriert. Außer dem House of Lords ist an der Rechtsfort­ bildung nur noch der Supreme Court of Judicature beteiligt, der aus High Court — mit drei Abteilungen — und Court of Appeal besteht. An diesen Gerichten sind etwa 100 Richter tätig. Die zahlreichen anderen Untergerichte in England2 haben für die Fortentwicklung des Rechts so gut wie keine Bedeutung. Außer den Parteien nimmt von ihren Urteilen niemand ernstlich Notiz. Damit ist eine überschaubare und einheitliche Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung sehr viel leichter möglich als bei einer größeren Zahl einflußreicher Gerichte. Zum andern beherrscht die Richterschaft in England stärker als etwa in Deutschland und Frankreich die literarische Aufarbeitung des Rechtsstoffes. Ein erheblicher Teil der führenden textbooks stammt von denjenigen Rich­ tem, die für das jeweilige Rechtsgebiet besondere Autorität genießen. Schließlich entwickelt sich die Rechtsprechung in England zwar außeror­ dentlich kontinuierlich; auch jahrhundertealte Entscheidungen sind heute noch präzedenz- und zitierfähig. Sie sagen oft auch noch heute Wesentliches — in verständlicher Sprache. Die am Fall orientierte Rechtsprechung vermeidet aber nach Möglichkeit zu weit tragende Festlegungen. Als verfehlt erkannte Ausgangspunkte werden revidiert.

chung nicht von sich aus schließen. Vielmehr tritt dann das common law wieder in Kraft, das als „all-embracing customary law“ allgegenwärtig ist und von dem Gesetze nur ausnahmsweise Abweichungen bedeuten; vgl. Scarman (vorige S., N. 6) 3. 1 Gesetze werden in England deshalb mit einer oft kleinlich anmutenden Treue zum Wortlaut ausgelegt. Andere Auslegungsmethoden als die grammatikalische sind prinzipiell nicht zulässig. 2 Eine Übersicht geben Walker/Walker (vorige S., N. 7) 169ff.

b) Ein weiteres Spezifikum englischen Rechtsverständnisses ist, daß das Justizsystem Überzeugungskraft haben muß, daß die angewendeten Rechts­ sätze die Parteien und ihre Anwälte überzeugen müssen. Das Recht in seiner praktischen Anwendung ist keine präexistente Gegebenheit, die es im Prozeß lediglich zu enthüllen gilt. Die Existenz eines allgemein gültigen Rechts, die Idee der Gerechtigkeit wird zwar nicht geleugnet. Ein „allumfassendes“1 Common Law setzt man gerade voraus; doch ist die vollkommene Anschau­ ung hiervon dem Rechtsanwender nicht zugänglich. Deshalb steht im Prozeß die Argumentation im Vordergrund. Als Recht bricht sich das Bahn, wovon der mit Entscheidungsgewalt Ausgestattete überzeugt werden kann. Daß der Buchter auch hinsichtlich des Rechts vor Prozeßbeginn noch frei und vorur­ teilslos ist, ist eine wichtige Voraussetzung des Verfahrens. Dem Richter ist prinzipiell auch die Rechtslage klarzumachen. So sucht der Parteivertreter den Richter von der Richtigkeit der vorgebrachten Argumente, ihrem Einklang mit Rechtsquellen und Rechtstradition zu überzeugen. Das gelingt ihm in der Regel bereits, wenn er die Argumente der Gegenseite plausibel widerlegen kann. Eine Korrektur dieses Sieges unter Berufung auf „das“ Recht ist nicht möglich. Ein höheres, nur vom Richter erkanntes Recht gibt es nicht. Der Richter legt andererseits größten Wert darauf, von beiden Seiten „full argu­ ments“ gehört zu haben, und er scheut sich, Punkte zu entscheiden, bei denen er nicht „the benefit of full argument“ hatte. Der Richter entscheidet sodann, wovon er überzeugt worden ist, und er pflegt das auch als ganz persönlichen, fast privaten Entscheidungsvorgang zu kennzeichnen: Nicht das Recht gebie­ tet, sondern dieser Richter hält sein Ergebnis für geboten. Von seiner Rechts­ ansicht versucht er wiederum die unterlegene Partei zu überzeugen, deren Argumenten er im Urteil gewöhnlich seine Hauptaufmerksamkeit zu wendet und die er mit Sorgfalt zu widerlegen sucht. c) Die bisher genannten Züge sind um eine Reihe weiterer charakteristi­ scher Faktoren zu ergänzen. Die Zweiteilung des englischen Anwaltstandes in barristers — vor dem Supreme Court und dem House of Lords auftretende Prozeßanwälte - und soEcitors, die mit der Partei verhandelnden Anwälte, fuhrt zu einer gestuften vorgerichtlichen Rechtsberatung, deren Qualität und Wirkung hoch einzuschätzen sind. Rät auch der barrister zum Prozeß, dann sind die Erfolgsaussichten einer Klage nicht schlecht. Denn der barrister ist intimer Kenner der Rechtsprechung des Supreme Court und House of Lords und läßt sich auf allzu unsichere Prozeßabenteuer aus Gründen seiner Reputa­ tion gewöhnlich nicht ein. Zudem rekrutiert sich der Richternachwuchs aus dem Kreis der barristers. Zwischen bench (Richterbank) und bar (Prozeßan­ wälten) gilt deshalb ein gewisser einheitlicher comment. Man bringt sich gegenseitigen Respekt entgegen und hält auf bestimmte Formen und Kon­ 1 Scarman (oben S. 39 N. 6) 2.

ventionen. All das bewirkt in der Tendenz, daß „überflüssige“ Prozesse vor dem Supreme Court und dem House of Lords weitgehend vermieden wer­ den. d) Oft betont worden ist eine gewisse konservative Grundströmung des englischen Rechtswesens1. Schon das Präjudiziensystem zwingt zu ihr — oder ist ihre Folge. Das hohe Pensionierungsalter der Richter2, ihre Rekru­ tierung aus erfahrenen Praktikern wirken in diese Richtung. Dennoch ist eben diesen Richtern Neuerungsfähigkeit und Sensibilität für die Anpassung des Rechts an sozialen Wandel keineswegs abzusprechen3. 4 e) Charakteristisch ist weiter ein ausgesprochenes Vertrauen des Gesetzge­ bers in den praktischen Sinn und das Verantwortungsbewußtsein des Pächter­ Standes. Wesentlich häufiger als bei uns überlassen es Gesetze dem Ermessen des Pächters, das Ob und Wie von Entscheidungen festzulegen. Gesetzesfor­ mulierungen wie „if the court sees fit...“ oder „the court may if it thinks proper so to do declare.. ."4 sind häufig. Auf der anderen Seite ist das Statute von einer kleinlich wirkenden Ge­ nauigkeit und Umständlichkeit, die sich daraus erklärt, daß der Gesetzgeber mit der streng wortgetreuen Interpretation der Rechtsprechung rechnet. f) Weitere Charakteristika des englischen Rechts wirken auf den Betrachter weniger positiv als die bisher genannten Punkte. Auf vielen sozial wichtigen Rechtsgebieten, insbesondere im Arbeitsrecht, im weiten Feld des Verbrau­ cherschutzes ist der Zugang zum Supreme Court of Judicature und zum House of Lords durch Kostenbarrieren oder mangelnde Kompetenz der Ge­ richte verschlossen. Das Wort von der mangelnden Kompetenz gilt hier in beiderlei Sinn. Nicht nur fehlt die Zuständigkeit, es fehlt wohl auch, nach der Herkunft der Pächter kann das kaum anders sein, das Verständnis für diese Gebiete5. Vor dem Supreme Court und dem House of Lords klagen denn auch vor allem wirtschaftlich potente Kläger, insbesondere in Fragen des Handels- und Wirtschaftsrechts, in erheblichem Maß auch des Internationalen Handels- und Wirtschaftsrechts. In diesem Bereich zahlt sich die praktische Erfahrung der Richter voll aus. Hier leistet ihre Rechtsprechung m.E. Vor­ bildliches. Zur Lösung der großen sozialen Probleme des Landes, etwa auch 1 Vgl. nur Zweigert/Kötz I 262 £ 2 Mit 75 Jahren; Lord Denning war aber noch mit über 80 Jahren im Amt und einer der aktivsten Geister. 3 Geradezu als enfant terrible in dieser Hinsicht galt vielen Lord Denning M. R. 4 So etwa sec. 332(1) Companies Act 1948. 5 Scarman (oben 39 N. 6) 9ff. stellt denn auch eine ganze Reihe von „Herausforderungen“ (challenges) fest, denen er die gegenwärtige englische Justiz und das Common Law noch nicht gerecht werden sieht. Er konstatiert insbesondere „the challenge from overseas, the social challenge, the challenge of the enviroment, the industrial and regional challenge“. Zum Herkommen und zur Auswahl der Richter siehe auch ausführlich Kayser, Die Auswahl der Richter in der englischen und amerikanischen Rechtspraxis (Schriften zum Öffentlichen Recht Bd. 94, 1969) 87 ff.

der Schwierigkeiten mit rassischen Minderheiten, trägt die englische Rechtsprechung gegenwärtig dagegen nur wenig bei1. Im Schadensrecht beschäftigt das Massenphänomen Kfz-Unfall die Gerichte in einem erstaun­ lich geringen Maß. Die folgenden Detailuntersuchungen werden nach Mög­ lichkeit den Ursachen hierfür nachgehen.

IV. Schadensrecht der USA 1. Allgemeines

Das US-amerikanische Zivilrecht existiert nicht2. In den Vereinigten Staaten sieht man sich 50 einzelnen Rechtsordnungen gegenüber, von deren grundsätzlicher Eigenständigkeit auszugehen ist. Auch wenn auf manchen Gebieten des Zivilrechts eine inneramerikanische Vereinheitlichung — wie beispielsweise durch den Uniform Commercial Code — gelungen ist und andere Faktoren immerhin teilweise eine gewisse tatsächliche Einheitlichkeit bewirken3, so herrscht gerade im Schadensrecht wenig Uniformität. Zwar fußen mit Ausnahme Louisianas alle Jurisdiktionen in diesem Gebiet auf dem Common Law als dem gemeinsamen Ausgangspunkt. Weil im Schadensrecht nur wenig gesetzlich geregelt ist, ist diese Quelle auch noch nicht verschüttet. Doch hat der Umstand, daß das Schadensrecht vor allem Richterrecht ist, seinerseits eine starke Zersplitterung bewirkt; denn anders als in England gibt es keine Zentralinstanz auf diesem Gebiet. Amerikanische Darstellungen zum Schadensrecht haben es deshalb schwer4. Man bezeichnet diejenigen Regeln als „das“ Recht, die von einer repräsentativen Mehrheit der Einzelstaaten akzeptiert werden. Stärkere Abweichungen in einzelnen Staaten werden be­ sonders angemerkt, während man auf Details verzichtet5. Man gelangt dadurch zu einem „general approach“ hinsichtlich einzelner Schadensfragen, ferner zu einem allgemeinen Schadensrecht, das in der dargestellten Form so in keinem Bundesstaat in reiner Form existiert, jedoch die Grundtendenz aller Einzelstaaten anzeigt. 1 Scarman aaO. Scarman ist heute selbst Law Lord, also Mitglied des House of Lords. 2 Siehe Zweigert/Kötz I 304 ff. 3 Dazu Zweigert/Kötz 1 306f. 4 Beredte Klage fuhrt darüber etwa McCormick Vf. Sein 1935 erschienenes Handbook on the Law of Damages ist noch heute eines der führenden Werke zum Schadensrecht. 5 So die Vorgehensweise von McCormick; Dobbs, Handbook on the Law of Remedies (1973); auch schon Sedgwick, A Treatise on the Measure of Damages (9. Aufl. 1912); ders., Elements of the Law of Damages (1909); Hale(-Cooley), Handbook on the Law of Damages (2. Aufl. 1912); Bauer, Essentials ofthe Law of Damages (1919). Daneben bestehen Darstellun­ gen des Rechts einzelner US-Staaten, etwa Johns, California Damages. Law and Proof (2. Aufl. 1977); Clark, New York Law of Damages (2 Bde. 1925).

Eine gewisse Vorreiterstellung unter den Einzelstaaten der USA nimmt allerdings Kalifornien ein. Von hier gingen und gehen wesentliche Anstöße zur Rechtsfortbildung aus, etwa der Produkthaftung, des Verbraucherschut­ zes1. Der Rechtsprechung dieses Staates wie auch der wichtigen Jurisdiktion von New York ist deshalb besondere Beachtung zu schenken. Auf der ande­ ren Seite verdient der Staat Louisiana Aufmerksamkeit. Das Recht Louisianas ist in vielem durch französische Traditionen geprägt2 und hält zumal im Delikts- und Schadensrecht eine Mittelstellung zwischen Common Law und Civil Law3. Der Civil Code Louisianas ist dem Code Napoleon nachgebil­ det und wird mit anderen — dem Civil Law entlehnten — Auslegungsmetho­ den angegangen, als sie das Common Law kennt. Den gerichtlichen Ent­ scheidungen aus Louisiana allein lassen sich deshalb kaum Hinweise auf Ten­ denzen in der übrigen US-Rechtsprechung entnehmen. Doch gerade wegen der geschilderten Besonderheiten leistet Louisiana einen wichtigen Beitrag, der in den USA beachtet wird und nicht völlig übergangen werden kann. Für das Schadensrecht springt dabei ins Auge, daß in den amerikanischen Law Reports zu den verschiedenen Fallgestaltungen häufig aus Louisiana allein bereits ebenso viele Entscheidungen vertreten sind wie aus den übrigen Bun­ desstaaten zusammengenommen4. Die Gründe hierfür sind sicherlich viel­ fältig und mögen auch in dem Schadenskonzept hegen, dem das Recht dieses Staates folgt.

2. Besonderheiten des US-amerikanischen Schadensrechts gegenüber dem englischen Common Law a) Ein wesentlicher Unterschied des amerikanischen Schadensrechts gegen­ über dem englischen Recht Hegt darin, Schadensfragen sehr viel stärker auf die Ebene des Beweises zu verschieben. Kann der Betroffene dem Gericht, vor allem der in den USA noch weitgehend beteiligten Jury, plausibel machen, 1 Für die Produkthaftung war Greenman v. Yuba Power Products, Inc., 59 Cal. 2d 57, 377P. 2d 897,27 Cal. Rptr. 697 (1962) ein „landmark case“, der erstmals eine „strict liability in tort“ des Produzenten fehlerhafter Produkte aussprach; siehe hierzu Prosser 656ff.; Nordstrom 175f; v. Hippel, Verbraucherschutz 39ff. Aus dem Bereich des Verbraucherschutzes sind unten S. 212ff. einige Beispiele näher aufgeführt. In diesen Zusammenhang gehört es etwa auch, daß der bekannte amerikanische Verbraucheranwalt Ralph Nader sein Law Center for Consumer Protection in Kalifornien errichtet hat. 2 Näher Zweigert/Kötz I 128 ff. 3 Vgl. Stone, Tort Doctrine (Louisiana Civil Law Treatise Bd. 12, 1977) (speziell zum Schadensrecht: S. 22f.). 4 Insbes. die Zusammenstellung im 8th Decennial Digest, 1966—1976, Stichwort Damages belegt das deutlich.

daß seine Einbuße einen in Geld auszugleichenden Wert hat, dann tritt die Rechtsfrage, ob die Einbuße überhaupt ein Schaden im Rechtssinn ist, dahin­ ter zurück. Prozedurale Fragen, insbesondere „proof and pleading" stehen deshalb im Vordergrund1. Abstrakte „principles of damages“ sind dagegen überhaupt erst in neuerer Zeit entwickelt worden2. 3 4 Im Zusammenhang mit dieser Sichtweise steht die sog. „certainty-rule"3. Der Geschädigte muß nicht nur den Eintritt, sondern auch den Umfang seines Schadens mit „reasonable certainty" nachweisen. Sein Vortrag soll es der Jury ermöglichen, „(to) make a rational estimate"4. Welcher Grad der „vernünf­ tigen Sicherheit“ über das Ausmaß des Schadens damit erforderlich ist, wird allerdings im Einzelfall sehr flexibel bestimmt5 und ist insbesondere bei Beteiligung der Jury auch eine nur beschränkt überprüfbare Ermessensfrage6, 7 die aber für den materiellen Inhalt des Schadensrechts vielfach ent­ scheidende Bedeutung hat. b) Wegen ihrer Bedeutung gerade für das Schadensrecht ist auf die Jury näher einzugehen. Anders als in England ist sie in den USA in den meisten Schadensprozessen noch beteiligt. Der Richter hat lediglich die Aufgabe, „to instruct the jury“, also die Rechtsposition darzulegen, die für die Schadensbemessung bedeutsam ist; die Festsetzung trifft die Jury selbst. Be­ herrschende Leitlinie für die rechtlichen „instructions" des Richters ist, daß der Jury im Prozeß verlauf eine so deutliche Anschauung von der Schadens­ höhe vermittelt wird, daß hieraus ein verständiger Mensch ein vernünftiges Urteil gewinnen kann. Der Schwerpunkt der Rechtsfragen Hegt deshalb häufig in prozessualen Punkten, vor allem wie weit und welche Beweismittel hinsichtlich der Schadenshöhe notwendig und zulässig sind8. In diesem Gewand werden inzident materielle Fragen des Schadenersatzrechts entschie­ den: Die Art des Nachweises bestimmt oft zugleich den Umfang des zu ersetzenden Schadens. Beispiel dafür ist etwa die in vielen US-Jurisdiktionen geltende, prozessuale Regel, daß der Schadensumfang für einen irreparabel 1 Exemplarisch dafür Darstellungen wie Avnet, How to prove Damages in Wrongful Per­ sonal Injury and Death Cases (2. Aufl. 1978). Doch siehe auch McCormick: Auf die knappe Einleitung folgt unmittelbar der Abschnitt „Procedure"; auch die weiteren Kapitel gehen intensi­ ver auf Beweisfragen ein. Welche Positionen überhaupt ersatzfähig sind, ergibt sich nur mittelbar daraus, daß alle Verletzungstatbestände mit ihren zu ersetzenden Folgen abgehandelt werden. In abstrakter Form wird auf den „Schaden“ an keiner Stelle eingegangen. Dieses Phänomen hat im übrigen schon Neuner, AcP 133 (1931) 277, 291 beobachtet. 2 Etwa Dobbs 135 ff. 3 Zu ihr ausführlich McCormick 97ff.; Dobbs 150ff. mit Nachweis der Rechtsprechung. 4 So etwa Shannon v. Shaffer Oil & Ref. Co., 51 f. 2d 878, 78 A.L.R. 851 (lOth Circ. 1931); McCormick 99; „ .. .the jury must have factual data - something more than guesswork - ...“. 5 Vgl. die Fallgruppen bei Dobbs 151 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 6 Gründlich hierzu Maassen, Beweismaßprobleme im Schadenersatzprozeß (1975) 45 ff. 7 Dazu auch Maassen (vorige N.) 45ff. 8 Instruktiv Frumer III 354ff. und die dort zitierten Fälle.

beschädigten Wagen nicht durch die Reparaturkosten nachgewiesen werden kann. Diese Beweisregel fuhrt im Ergebnis dazu, daß bei irreparablen Sach­ schäden der Sachwert - und nicht die (durch die Reparaturkosten ausge­ drückten) Wiederherstellungskosten — zu ersetzen ist1. Die in Schadenspro­ zessen beteiligten Richter nehmen also für Fragen der Schadensbemessung insgesamt eine andere Position ein als deutsche oder englische Richter. Weil die konkrete Schadensfestsetzung im Prozeß der Jury, also Laien obliegt, kommt dem Richter meist nur eine rechtsleitende, nicht konkret streitent­ scheidende Funktion zu. Entsprechend sind die richterlichen Rechtsausfüh­ rungen zur Schadensfestsetzung in den veröffentlichten Urteilen gefaßt: Auf Details lassen sie sich nicht ein, sondern stellen Leitlinien auf, die so praktikabel und verständlich sind, daß auch der informierte Laie problemlos mit ihnen umgehen kann. Hat die Jury nach zutreffender Belehrung ihren Spruch gefällt, so können die Parteien hiergegen in der Regel nur noch dann erfolg­ reich vorgehen, wenn die Schadensfestsetzung „clearly excessive“ ist2. Die Festsetzung, die die Jury trifft, ist also weitgehend unangreifbar. Die eher intuitive, gelegentlich emotionale Einstellung der Jury ist ein Faktor, der auch zur häufig ungewöhnlichen Höhe der Schadenssummen beigetragen hat. c) In den USA dient Schadenersatz häufig auch anderen als nur kompensie­ renden Zwecken. Das gilt insbesondere von den punitive damages, von denen man — anders als in England - erheblichen Gebrauch macht3. Selbst die Auffassung, daß Schadenersatz in erster Linie den Schaden voll ausgleichen, kompensieren solle, ist mit gewissen Einschränkungen zu versehen. Sie ist zwar auch in den USA Ausgangspunkt aller schadensrechtlichen Überlegun­ gen4. Doch wird offener als in England zugestanden, daß das Interesse an rationeller Schadensabwicklung Regeln der Schadensbemessung fordern kann, die nur noch zu ungefährer Kompensation fuhren. „Thus the policy of compensation that lies as the main thrust behind the law of damages, is not the only policy involved, and it may be offset to a limited extent at times by the convenience of using general rules, even where those rules are known to be slightly inaccurate.“5 1 Frumer III 358ff. mit Nachweisen; ferner noch unten S. 49 und N. 7. 2 Vgl. z.B. Bellows v. Smith, 375 N.Y.S. 2d 43, 50, A.D. 2d 622 (1975); Lemaldi v. De Tomaso of America, Inc., 156 N.J. Super. 441, 383 A. 2d 1220, 1222 (1978) per Landau, J. Sc. : „(T)rial judges are cautioned not to interfere with the quantum of damages assessed by a jury unless it is so clearly disproportionate to the injury as to shock one’s conscience and to convince the judge that to sustain the award would be manifestly unjust.“ Vgl. auch Maassen (vorige S., N. 6) 47ff. 3 Vgl. etwa die Rechtsprechungsübersicht in 8th und 9th Decennial Digest, Damages, no. 87ff.; ferner Dobbs 204ff. 4 Insbes. in den älteren Werken zum Schadensrecht: Sedgwick I 24£; siehe aber auch Dobbs 135ff; ferner 8th Decennial Digest 1966-1976, Damages no. 15f. 5 Dobbs 138.

Die punitive damages haben öfters durch spektakuläre Schadensprozesse, in denen horrende Schadenssummen zugesprochen wurden, auch bei uns Aufse­ hen und Mißtrauen erregt. Hier hat die Rechtsprechung dies Instrument regelmäßig bewußt zur Steuerung von Vorgängen und Praktiken eingesetzt, die ihr sozial nicht tragbar erschienen1. Eine Reihe dieser Fälle ist unten angesprochen2. Jüngst erhielt eine New Yorke­ rin - allerdings nur in erster Instanz — 9 Millionen Dollar Schadenersatz für eine Verletzung, die sie sich bei einem Sturz zugezogen hatte. Gestürzt war sie, weil das Elektrizitätswerk unverhofft den Strom abgeschaltet hatte3.

Die Rechtsprechung versucht hier, den „Preis“ für Verletzungshandlungen derartig zu erhöhen, daß für die jeweilige Branche ein wirtschaftlicher Anreiz oder gar Zwang entsteht, Verletzungshandlungen zu unterlassen und Heber die Kosten für ihre Vermeidung zu tragen4. Auf diese Weise will sie — über den Weg der Schadenskosten — ein bestimmtes Verhalten (Tun oder Unterlas­ sen) erzwingen. Daß der Richter dabei aus der distanzierten Rolle tritt, die er in England einnimmt, und teilweise zum aktiven Gestalter sozialer Verhält­ nisse wird, ist offensichtlich. d) Für das amerikanische Schadensrecht ist noch stärker als für das englische Recht jener Zug hervorzuheben, den Neuner5 als rechtsverfolgenden Charakter des Schadensrechts bezeichnet und vor allem dem englischen Recht zugeschrieben hat6. Dieser Zug kommt etwa in dem Satz zum Ausdruck: „(A)n injury to any right protected by the common law will... be a subject for compensation.“7

Wird eine Rechtsposition beeinträchtigt, so muß dem Betroffenen ein Abwehrmittel zur Verfügung stehen. Sofern nichts anderes übrig bleibt, ist schließlich Schadensersatz das Mittel der Wahl. Eine solche Betrachtungsweise, die das von der Rechtsordnung zu behe­ 1 Zum „social engineering" im Delikts- und Schadensrecht insbes. Prosser 14 ff. 2 Vgl. S. 212ff. 3 Hall v. Consolidated Edison Corp., 428 N.Y.S. 2d 837 (1980). In zweiter Instanz wurde die Summe erheblich - auf insgesamt 250000- Dollar - reduziert. 4 Hier machen sich auch Überlegungen und Einflüsse der „economic analysis of law“ bemerk­ bar; zu ihr vgl. oben S. 24ff 5aaO. (oben S. 33 N. 7) 291 f. 6 aaO. 292; siehe dazu die Bemerkungen oben S. 33 N. 7. 7 Vgl. Sedgwick I 45; früher auch schon der in den USA sehr einflußreiche Blackstone III 123: „Wherever the common law gives a right or prohibits an injury, it also gives a remedy by action“; siehe auch oben S. 33 N. 7. Ein kürzliches Beispiel aus der Rechtsprechung ist etwa Goodmann v. Ramirez, 420 N.Y.S. 2d 185 (1979): wenn die Rechtsverletzung feststeht, darf Schadenersatz nicht wegen Bewertungsschwierigkeiten verweigert werden.

bende gravamen primär in der Rechtsverletzung und nicht nur im eingetrete­ nen Schaden sieht, trennt nicht den Zusammenhang des Schadensrechts mit dem allgemeinen Rechtsschutz, den das Delikts- und Vertragsrecht bereit­ stellt. Damit tritt die Kernfrage schärfer ins Bewußtsein, ob die Beeinträchti­ gung einer Position von der Rechtsordnung hingenommen oder abgewehrt werden soll. e) Ein weiterer einflußreicher und typischer Punkt im Schadensrecht der USA sind die Anwaltskosten. Die im Prozeß obsiegende Partei hat nach amerikanischem Kostenrecht in der Regel keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Anwaltskosten. Üblich und zulässig ist ferner die Vereinbarung eines Erfolgs­ honorars (contingent fee). Dessen Höhe ist gewöhnlich beträchtlich. Daß etwa 40% der endgültigen Schadenssumme dem Anwalt zufließen, scheint keine Seltenheit zu sein1. 2Deshalb dient ein Teil der Schadenssumme ge­ wöhnlich der Finanzierung des Rechtsstreits, und punitive damages und der Ersatz für „pain and suffering“ nehmen insoweit eine wichtige und in ameri­ kanischer Sicht berechtigte Funktion ein, als der Verletzte erst dann voll entschädigt ist, wenn die Schadenssumme auch seine Anwaltskosten mit einschließt2. f) Als genereller Zug ist in den USA ein stärkeres sozialreformerisches Engagement der Richterschaft als in England zu finden3, das sich im Schadensrecht als einem hierfür besonders geeigneten Feld auch auswirkt.

3. Grundsätze des US-amerikanischen Schadensrechts

Folgen aus Verletzungen der Person Schäden materieller Art (Ausgaben für Heilung, Einbußen an Einkommen)4, so hat der Schädiger sie voll auszuglei­ chen. Immaterielle Folgen, die man vor allem mit dem Stichwort „mental 1 Vgl. den brisanten (englischen) Fall Castanho v. Brown v. Root (U.K.) Ltd. a.o. [1980] 1 W.L.R. 833 (H.C. und C.A.): Hier veranlaßten texanische Anwälte den schwerverletzten Klä­ ger, die englische Klage zurückzunehmen und in den USA zu klagen, wo er voraussichtlich auch nach Abzug der 40%igen Anwaltskosten noch das Fünffache der in England zu erwartenden Schadenssumme beanspruchen konnte. Zuständig waren die Gerichte beider Staaten. 2 Hierzu Dobbs 221, 550f.; Williams, Fee Shifting and Public Interest Litigation, 64 Am. Bar Ass.J. 859 (1978) mit dem bezeichnenden Untertitel: „Beware of some fee-shifting proposals. They may put a damper on public interest suits." 3 Den Anstoß hierzu haben insbesondere Holmes und Roscoe Pound gegeben; vgl. etwa Holmes, The Path of Law, 10 Harv.L.Rev. 457ff, 468 ff. (1897); Roscoe Pound, Mechanical Jurisprudence, 8 Colum.L. Rev. 605ff. (1908). Eine scharfsichtige Analyse der Funktion der heutigen Justiz gibt Aldisert, An American View of the Judicial Function, in: Jones (oben S. 34 N. 2) 31 ff. Zur Periode der „Sociological Jurisprudence“ und des „Legal Realism" Reich, Sociological Jurisprudence und Legal Realism im Rechtsdenken Amerikas (Beihefte zum Jahr­ buch für Amerikastudien H. 23, 1967). 4 Aber auch an hypothetischem Einkommen; vgl. näher unten S. 251 ff.

and physical pain and suffering“ treffend beschreibt1, werden angemessen entschädigt. Wegen der Unmöglichkeit, diese Folgen exakt „in terms of money“ zu bemessen, haben sich in den USA Stimmen gegen eine solche Entschädigung2 oder für deren strikte Beschränkung3 ausgesprochen. Die Rechtsprechung tendiert jedoch dahin, den Ersatz immateriellen Schadens noch weiter auszubauen. Eine erhebliche - und wie es scheint wachsende — Zahl von Jurisdiktionen billigt bereits heute in gravierenden Fällen für die reine Gefühlsbeeinträchtigung, ohne vorangehende Körper- oder sonstige Verletzung, kompensatorischen Schadenersatz zu4. Für die Folgen aus Eingriffen in die Güterwelt eines anderen gilt ähnliches wie in England. Grundsätzlich ist der volle Sachschaden zu ersetzen. Er besteht regelmäßig in der — so weit möglich, nach Marktmaßstäben ermittelten — Werteinbuße. Freilich hat — ebenso wie in England — ein solcher allgemeiner Grundsatz wenig Bedeutung. Vielmehr differenziert man nach einzelnen Verletzungstatbeständen und bestimmt für jeden Tatbestand gesondert „the ordinary measure of damages“5. Die Zerstörung, die Beschädigung und der Entzug von Land oder von beweglichen Sachen sind deshalb jeweils für sich zu beurteilen6. So ist bei reparabel beschädigten Sachen die Werteinbuße nach der sog. „before and after-rule" grundsätzlich die Differenz zwischen dem Sachwert unmittelbar vor und dem unmittelbar nach der Schädigung; bei irreparablen Schäden dagegen der Marktwert vor Schädigung abzüglich eines etwaigen Rest(schrott)wertes. In freierem Maß als in England wird aber „the normal measure of dama­ ges“ festgelegt. Es gibt regelmäßig nicht nur eine einzige Möglichkeit der Berechnung; mehrere „tests“, etwa die Instandsetzungskosten oder die Wie­ derbeschaffungskosten, finden oft nebeneinander Verwendung7. Für die Wahl zwischen diesen Möglichkeiten ist entscheidend, welcher test zu einer Summe führt, die für das Gericht am überzeugendsten vollen Schadensaus­ gleich gewährleistet8. 1 Siehe etwa Dobbs 544; 8th Decennial Digest 1966-1976, Damages no. 31 ff. („physical suffering“), no. 47ff. („mental suffering“). 2 Etwa Seavey, Torts and Atoms, 46 Calif. L.Rev. 3ff. (1956). 3 Plant, Damages for Pain and Suffering, 19 Ohio St.L.J. 200ff. (1958). 4 Vgl. z.B. New York State Division of Human Rights v. Merante, 343 N.Y. S. 2d. 378 (N.Y. App.D. 1973); weitere Rechtsprechung für und gegen diese Ansicht im 8th Decennial Digest 1966-1976, Damages no. 48. 5 Typisch etwa Johns (oben S. 43 N. 5); aber auch Dobbs und McCormick. 6 Vgl. etwa Dobbs 312, 375. 7 Vgl. Dobbs 312 mit Rechtsprechungsnachweisen. Doch ist jeweils Vorsicht geboten: bei­ spielsweise gestatten es viele Einzelstaaten, Reparaturkosten nur bei reparablen Schäden als Indikator der Schadenshöhe zu verwenden (so etwa in California: Edrington v. Strong, 194 C. A. 2d 218, 15 Cal. Rptr. 34 (1961)). 8 Dobbs 312ff. Aus der jüngeren Rechtsprechung siehe etwa Benavie v. Baker, 420 N.Y.S. 2d 735 (1979).

Eingriffe in die Vermögenssphäre haben einmal dann Schadenersatzansprü­ che im Gefolge, wenn die Vermögenseinbuße Folgeschaden eines (primären) Personen- oder Sachschadens ist. Sollen reine Vermögensschäden Ausgleich finden, dann setzen sie Verletzungstatbestände voraus, deren Hauptgruppe man inzwischen als „commercial torts“ zusammenfaßt1. Schließlich beste­ hen im Vertragsrecht gewisse Sonderregeln der Schadensbemessung2. Doch scheint die amerikanische Rechtsprechung deliktisches und vertragliches Schadensmaß einander stärker anzunähern, als das etwa in England der Fall ist3.

V. Französisches Schadensrecht 1. Ausgangslage Auch in Frankreich ist der Rechtsprechung die Aufgabe zugefallen, den ersatzfähigen Schaden näher zu bestimmen. Das Gesetz gibt wenig Anhalt. Die schadensrechtlichen Vorschriften des Code civil sind noch rudimentärer als die des BGB. Für den Schadenersatz auf vertraglicher Grundlage stellen die Artt. 1146 ff. Cc eine Reihe allgemeiner Regeln auf. Von ihnen äußern sich nur die Artt. 1149 bis 1151 Cc zum Schadensumfang und bestimmen, daß erlittene Einbußen und entgangener Gewinn zu ersetzen sind (Art. 1149), soweit sie bei Vertragsschluß voraussehbar waren (Art. 1150) und „une suite immediate et directe“ der Vertragsverletzung darstellten (Art. 1151)4. Zum konkreten Umfang kompensatorischen Geldersatzes ergeben diese Regeln jedoch nichts5. Das außervertragliche Haftungsrecht des Code civil (Artt. 1382—1386 Cc) enthält keinerlei Regeln über den zu ersetzenden Schadensumfang. 1 Dazu insbes. Alexander, Commercial Torts (1973); Dobbs 431 ff.; York/Bauman 469ff, 580 ff. (sie behandeln die Verletzung von „business interests“). 2 Dobbs 786 ff. Punitive damages und Ersatz immateriellen Schadens scheiden hier weitgehend aus. 3 Dazu noch unten S. 169f. 4 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang der Civil Code der Seychellen von 1976, das Experi­ ment einer franco-britischen Zivilrechtskodifikation. (Dieses Gesetzgebungswerk ist eine im wesentlichen von dem englischen Rechtsvergleicher Chloros fortentwickelte Fassung des fran­ zösischen Code civil; siehe dazu Chloros, Codification in a Mixed Jurisdiction (European Studies in Law Bd. 3,1977 1 ff.) Der neue Code fugt Art. 1149 des Code civil drei neue Absätze an. Abs. 2 lautet: „Damages shall also be recoverable for any injury to or loss of rights of personality. These include rights which cannot be measured in money such as pain and suffering, and aesthetic loss and the loss of any of the amenities of life.“ Abs. 3 bestimmt, daß diese Form des Schadenersatzes bei Vertragsverletzungen wie Delikten „as appropriate“ zuzusprechen ist. 5 So ausdrücklich Cass. 4. 3. 1965, D. 1965.449 für Art. 1150Cc.

2. Grundsätze des französischen Schadensrechts Den Ausgangspunkt der Schadensberechnung bildet der Grundsatz der „reparation integrale.“1 2Die Cour de cassation verwendet dafür in ständiger Rechtsprechung die folgende Formulierung: „Attendu que le propre de la resposabilite civile etant de retablir aussi exactement que possible l’quilibre detruit par le dommage et de replacer la victime dans la Situation oü eile se serait trouvee si l’acte dommageable n’avait pas eu lieu.. ."2

Die hinter dieser Auffassung stehende „Schadensphilosophie“ läßt sich fol­ gendermaßen beschreiben: Das Schadensereignis hat in der Rechtssphäre des Geschädigten eine Lücke gerissen, die - soweit eine Haftung vorgesehen ist der Schädiger auszugleichen hat. Der fällige Ersatz soll das Loch in äquivalen­ ter Weise stopfen: „Le paradis perdu sera retrouve.“3 Die qualitative und quantitative Äquivalenz von Schaden und Ersatz bildet denn auch den haupt­ sächlichen Gegenstand der jüngsten französischen Monographie zum Schadensrecht4. Aus dem Gebot, den Geschädigten nach Möglichkeit in die Lage zu versetzen, in der er sich ohne das Schadensereignis befunden hätte, folgerte man jedoch — anders als in Deutschland — keinen Vorrang der Natu­ ralrestitution5. Es steht dem Richter im Gegenteil grundsätzlich frei, den Weg zu wählen, der das Ziel des vollkommenen Ausgleichs am besten ver­ wirklicht6. Dem Grundsatz der Totalreparation korrespondiert das Verbot, eine überschießende Bereicherung zuzusprechen: „La victime ne subisse point de perte et ne realise pas de profit.“7 Im übrigen bestehen nur wenige weitere Grundsätze, nach denen der Richter den Schaden zu bemessen hat. So hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß der „dommage pecuniaire“ nur Ersatz finde, wenn er „direct, actuel et certain“ sei8. Wegen der Weite und Unbestimmtheit dieser Eigenschaften kommt ihnen allerdings kaum definierende Kraft zu9. Gewißheit über die Schadenspraxis der Gerichte verschafft hier deshalb — ebenso wie in den angelsächsischen Ländern - nur die

1 Dazu Le Roy llf.; Le Tourneau 344 ff. 2 Vgl. etwa Cass. 12 2. 1975, Gaz.Pal. 1975.1.somm. 67. 3 Le Tourneau D.1976.J.138, note zu Cass. 19. 11. 1975. 4 Roujou de Boubee, Essai sur la notion de reparation (1974) 267 ff. 5 Siehe insbes. Mazeaud/Chabas 614ff. 6 Vgl. beispielsweise Cass. 12. 2. 1974, Bull.civ.1974.III. no. 72, S. 54. Eingehend zu dem Problem Roujou de Boubee 271 ff, freilich mit eigenen, von der Rechtsprechung abweichen­ den Ideen. Mazeaud/Chabas 614, 621 f. 7 Cass. 6. 6. 1946, D.1947.234 note Savatier; Cass. 25. 3. 1971. Bull.crim. 1971 no. 111. 8 Etwa Cass. 1. 6. 1931, D.H. 1934.377. 9 Zu den Voraussetzungen im einzelnen vor allem Mazeaud/Tunc I 268ff; Le Tourneau 167 ff. Siehe auch Ferid 2 B 87.

Durchsicht der einzelnen Fallgruppen. Bedeutsam ist dagegen ein Prinzip, das man als das Charakteristikum des französischen Schadensrechts bezeichnen kann, der Grundsatz des „pouvoir souverain“ des „juge du fond“. Der Tat­ richter setzt weitgehend unangreifbar den Schaden fest, besitzt einen weiter reichenden und von der Revisionsinstanz respektierten Ermessensspielraum als sein deutscher Kollege1. Die Schadensbemessung ist daher weitgehend Tatfrage und von Rechtsfragen, die bis in die letzte Instanz verfolgt werden können, sichtbar entlastet. Infolgedessen befassen sich die Obergerichte, die Cour de Cassation und die Cours d’Appel, relativ wenig mit Problemen der konkreten Schadensberechnung. Hier steht vielmehr im Vordergrund, ob eine Haftung überhaupt und des weiteren zu welcher Quote sie gegeben ist. Aussagen über „die“ schadensrechtliche Praxis in Frankreich sind damit, das ist die weitere Folge des „pouvoir souverain“, schwierig. Die tatrichterliche Praxis ist häufig nicht feststellbar und jedenfalls schwer zu erschließen. „Nous restons dans le vague“ hat man noch vor einigen Jahren geklagt2. In jüngster Zeit findet man aber zumindest im Bereich der Körperschäden umfangreiche Zusammenstellungen der Rechtsprechung, die deutlicher als bisher die einzel­ nen Schadensposten aufschlüsseln und der Praxis damit Leitlinien geben3. Eine weitere Besonderheit des französischen Rechts — und vieler seiner Tochterrechte — ist hervorzuheben: Der Ersatz immateriellen Schadens nimmt hier einen ungleich höheren Rang ein als in den anderen Rechtsord­ nungen der Welt4. Frankreich folgt dem Prinzip, daß auch alle immateriel­ len Verluste grundsätzlich auszugleichen sind. Der weite Umfang immateriel­ len Schadenersatzes zeigt an, daß die Person und ihre Rechtssphäre im franzö­ sischen Haftungsrecht in besonderem Maß Schutz genießt. Dieser Aus­ gangspunkt hat etwa die Konsequenz, daß als zu ersetzender Schaden im Zweifel der Verlust an Gebrauchsmöglichkeit und nicht der Wertverlust einer Sache angesehen wird5. Vor allem beim Ersatz für Schäden an älteren Ge­ genständen gelangt die Rechtsprechung so nicht selten zu Schadenssummen, die über dem Wert der beschädigten Sache Hegen6.

1 Ivainer, Le pouvoir souverain du juge dans l’appreciation des indemnites reparatrices, D.S. 1972.chr. 7; Jur.-Cl. (-Dupichot) no. 118f.; Jur.-Cl. (-Buot de l’Epine) no. 10 ff. jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 2 LADRET, Etüde critique des methodes d'valuation de prejudice corporel (Paris 1969) 105. Ähnlich Le Roy, L’evaluation du prejudice corporel (9. Aufl. 1982) lf. 3 Siehe die laufenden Übersichten in der Gazette du Palais: etwa Gaz.Pal. 1978.1. Somm. 54ff; Gaz.Pal. 1984.1. Somm. 80ff., 242ff, Gaz.Pal. 1984.2. Somm. 319ff, 467ff. 4 Aus umfassender rechtsvergleichender Perspektive dazu Stoll, Int.Enc. XI ch. 8 s. 17. 5 Siehe etwa Trib.inst. Montreuil — sur — Mer 21. 1. 1971, Jur. autom. 1971.320; Trib.inst. 26. 2. 1970, Jur. autom. 1971.318. 6 Dazu auch unten S. 81.

Die Grenze zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschadens hat des­ halb nicht die „guillotinierende“ Wirkung wie im deutschen Recht. Da die Einordnung als immaterieller Schaden keineswegs Ersatzansprüche völlig ab­ schneidet, besteht kein Anreiz zu fragwürdigen Versuchen, solche Schäden in Vermögensschäden umzudeuten. Der weite Umfang, in dem nichtmaterieller Schaden Ersatz findet, hat jedoch zu einer stärkeren Gliederung des Schadens und insbesondere des immateriellen Schadens in einzelnen Typen geführt: so sind etwa Untertypen des Komplexes Körperschaden die „incapacite temporaire“, die „incapacite permanente“. Beide decken in erster Linie den „Fähig­ keitsverlust“; er wird in Geld bewertet und umfaßt regelmäßig auch den Verlust der - Vermögenswerten - Arbeitsfähigkeit, indessen nicht nur ihn1. Hinzu kommen vor allem das pretium doloris, der prejudice esthetique (Ent­ stellungsschaden) und der prejudice d’agrement (Verlust an Wohlbefinden). Die starke Gliederung in Schadenstypen schafft die Möglichkeit, den immate­ riellen Schaden rationaler erfassen und umgrenzen zu können. Da für die Einzeltypen inzwischen gewisse tabellarische Werte bestehen, kann man in Frankreich auf diesem Gebiet heute — trotz aller Individualität des einzelnen Schadensfalles — doch in objektivierter und von vornherein zu übersehender Weise abschätzen, welche Summen in einem Schadensfall zu erwarten sind. Hier zeigt sich eine öfters zu findende, zu Schematisierungen neigende Ratio­ nalität2. Der Grundsatz der „reparation integrale“ bedeutet vollen Ausgleich aller Schäden, die Folge des Eingriffs in die Integrität der Person sind. Diese Schäden, insbesondere Unfallschäden werden in einem stärker abstrahier­ ten Maß bemessen, als das in den anderen Rechtsordnungen zu beobachten ist3. Für Schäden, deren Ursache Eingriffe in die Güterwelt des Betroffenen sind, gilt ein relativ festes Gefüge von Ausgleichsregeln. Ist der Schaden reparabel, so sind die Kosten für die Wiederinstandsetzung zu erstatten.4 Ihre

1 Näher dazu unten S. 254ff. 2 Im Schadensrecht sind Beispiele hierfür die mit vielerlei Tabellen arbeitenden Werke von Gagnieur/Archambault Evaluation du prejudice subi par les victimes des accidents de la circulation (1969); Beraud, Comment est valu le prejudice corporel (2. Aufl. 1971); Le Roy (vorige S., N. 2) insbes. 70ff.; ferner die laufenden Zusammenstellungen in der Gazette du Palais unter der Rubrik Dommages-Interets. Die formelhaften, sehr knappen Urteilsgründe der Cour de cassation, der in juristischen Arbeiten übliche, streng duale Aufbau spiegeln in anderer Hinsicht den Zug zu einem rationalen Schematismus wider. 3 Einen Eindruck hiervon gibt etwa die Arbeit von Gagnieur/Archambault, die zahlreiche Tabellen enthält. 4 Cass. 19. 11. 1975, Gaz.Pal. 1976, 1. Somm. 15, D. 1976. 137 (note Le Tourneau), Bull, civ. 1975.11. no. 243s. „(Attendu) que la reparation integrale du dommage cause ä une chose n’est assuree que par le remboursement des frais de remise en etat de la chose.“ Zum Problem ausführlich Roujou de Boubee 370ff.

feste Obergrenze finden sie allerdings nach der Rechtsprechung in den Kosten für die Wiederbeschaffung (coüt de remplacement)1, — vermindert um den Rest-(Verkaufs)-wert der Sache2. Läßt sich die Sache nicht reparieren, so gelten heute ebenfalls die Wiederbeschaffungskosten als der in erster Linie äquivalente Ersatz3. Scheidet wiederum die Möglichkeit der Wiederbeschaf­ fung aus, so verbleibt der „valeur venale" als Maßstab4. Eingriffe in die Vermögenssphäre ohne vorausgehende Verletzung der Per­ son oder von Gütern finden vornehmlich im Rahmen immateriellen Scha­ densersatzes Ausgleich5. Keine besonderen Schadensregeln hat das französische Recht für den Be­ reich der Vertragsverletzungen entwickelt6. Grundsätzlich gelten also ein­ heitliche Schadensregeln7. Auch immaterielle Schäden, die auf Vertragsver­ letzungen beruhen, sind zu ersetzen8.

3. Schadensabkommen

Eine weitere Besonderheit des französischen Schadensrechts stellen zwei Abkommen dar, denen sich ein Großteil der französischen Haftpflichtversi­ cherer angeschlossen hat und die der schnellen Abwicklung kleiner und mitt­ lerer Straßenverkehrsunfälle dienen sollen. Das zeitlich frühere der beiden Abkommen ist die Convention I.D. A. (Indemnisation Directe de l’Assure). Diese Konvention bestimmt, daß der Haftpflichtversicherer des Geschädigten dessen eigene Schäden reguliert, für die ein Dritter haftpflichtig ist. Der regulierende Versicherer hat die Möglichkeit, bei dem Versicherer des Haftpflichtigen Regreß zu nehmen9. Voraussetzung dieser Form der Regu­ lierung ist, daß die Beteiligten ein gemeinsames „constat amiable", also eine

1 Die „formule rituelle“ (so Chabas J.C.P. 1977. Doct. 2882 no. 131) der Cour de cassation lautet: „Le droit au remboursement des frais de remise en etat de la chose endommagee a pour limite sa valeur de remplacement.“ So Cass. 28. 10. 1954, J.C.P. 1955.11.8765 note Savatier; R.T. 1955.324 obs. H. et L. Mazeaud; Cass. 7. 12. 1974, Gaz.Pal. 1974.2. Somm. 174; Cass. 7. 12. 1978, J.C.P. 1979.IV.57. 2 Das Risiko ihrer Verkäuflichkeit trägt jedoch der Schädiger Cass. 17. 12. 1959, J.C.P. 1960.11493, note Esmein. 3 Cass. 17. 3. 1977, Gaz.Pal. 1977.2. Somm. 234, D. 1977. IR. 329, obs. LARROUMET. 4 Hierzu und zu weiteren Einzelheiten G.F., Valeur venale ou coüt des reparations, Gaz.Pal. 1974.1. Doct. 560. 5 Vgl. hierzu Le Tourneau 190ff. 6 Mazeaud/Tunc I 263ff.; Le Tourneau 156. Vgl. auch Ferid I 2 B 86f. 7 Zu gewissen, für unser Thema aber unerheblichen Ausnahmen Le Tourneau 157. 8 Mazeaud/Tunc I 424ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Le Tourneau 190f. 9 Im einzelnen hierzu Bedour(-Thomas) 533 f.

übereinstimmende Darstellung der wesentlichen Umstände des Unfalls abge­ geben haben1. Die Schadensfestsetzung erfolgt dann nach einem typisierten Haftungskatalog, dem „bareme de responsabihte.“2 Er nimmt vor allem auf die Stellung der Fahrzeuge beim Zusammenstoß Rücksicht, läßt dagegen Umstände wie die Geschwindigkeit etc. außer acht. Die Convention I.D. A. hat sich als ein durchschlagender Erfolg erwiesen3. Ihre vergröberte, aber gerade dadurch vereinfachte und beschleunigte Schadensfeststellung kommt den praktischen Bedürfnissen nicht nur der Versicherer, sondern auch der Parteien sehr entgegen. Mit ihr ist ein freiwilliger Schritt in Richtung auf eine Unfallversicherung getan worden. Gleichzeitig ist es der französischen Versicherungswirtschaft gelungen, den Haftungsumfang, der ihr sonst durch das Haftpflichtrecht vorgegeben ist, in bestimmtem Ausmaß selbst festzulegen, indem sie praktisch Tarife für den Ersatz von Unfallfolgen formuliert und strikt nur nach diesen Tarifen entschädigt. Der Erfolg der Convention I.D. A. hat zu einer gleichartigen Konvention für Personenschäden geführt. Die Convention I.D. A.C. (Indemnisation Di­ recte de l’Assure des Petits Sinistres Corporels) ist 1977 in Kraft getreten4. 5Sie folgt den gleichen Prinzipien wie die I. D. A. und gilt für Personenschäden, die zu nicht mehr als dreimonatiger Arbeitsunfähigkeit geführt haben.

4. Neueste Entwicklung In jüngster Zeit hat sich in Frankreich für den Bereich des Mitverschuldens eine Entwicklung vollzogen, die den Schadensumfang zwar nicht in seinen theoretischen Grundlagen, wohl aber im praktischen Ergebnis erheblich be­ einflußt. Mit dem Urteil „Desmares"5 hatte die Cour de Cassation den Grundsatz aufgestellt, daß der Halter (gardien) seine Haftung nicht mehr — wie bisher — durch Hinweis auf ein Mitverschulden des Geschädigten ein­ schränken oder gar ausschließen könne. Die Cour hatte damit den Opfer­ schutz ganz wesentlich erweitert. Der Gesetzgeber hat ihn für Verkehrsopfer

1 Zur Convention I.D.A. ausführlich Bedour(-Thomas) 531 ff.; Herrbach Gaz.Pal. 1971.1 Doct. 125f.; Hartmann 222 f. 2 Abgedruckt etwa bei Bedour(-Thomas) nach S. 544 (Stand: 1.1. 1977). 3Bedour(-Thomas) 534. 4 Zur Convention I.D. A.C. Bedour(-Thomas) 535ff. 5 Cass. 21. 7. 1982, D. 1982.449.

mit dem Gesetz vom 5. 7. 19851 zum Teil wieder eingeschränkt. Eigenes Mitverschulden mindert den Ersatzanspruch des im Straßenverkehr körperEch Geschädigten nunmehr nur dann, wenn es unentschuldbar und aus­ schließliche Ursache des Unfalls war2. Personen unter 16 und über 70 Jahre sowie Schwerbeschädigte mit mindestens 80 % dauernder Behinderung („incapacite“) erhalten jedoch stets den vollen (Körper-)Schaden ersetzt3. Neben diesen Regeln, die im Ergebnis den Schadenersatzanspruch von Verkehrsopfern vielfach im Umfang erhöhen, stehen Verfahrensbestimmun­ gen, die der besseren Durchsetzung des Anspruchs dienen. So hat der Versi­ cherer des Haftpflichtigen binnen acht Monaten nach dem Unfall ein Ent­ schädigungsangebot (für die Körperschäden) zu unterbreiten, das „tous les elements indemnisables du prejudice“ einschließt und das der Geschädigte annehmen kann, aber nicht annehmen muß4. Ist das Angebot verspätet oder vom Buchter als offensichtlich unzureichend festgestellt, so hat der Versicherer einen Strafzins in Höhe des doppelten gesetzlichen Zinses zu«zahlen5. Eine abschließende Bewertung der jüngsten französischen Entwicklung läßt sich derzeit noch nicht geben. Die rechtstheoretischen Grundsätze, nach denen Ersatzfähigkeit und Umfang von Einbußen zu bemessen sind, sind zwar unberührt geblieben. Im praktischen Ergebnis aber hat eine bedeutsame Ausweitung des Anspruchs auf Ersatz von Körperschäden stattgefunden, weil Mitverschulden grundsätzlich keine Rolle mehr spielt. Wieweit dies die real zugesprochenen Schadenssummen beeinflußt, läßt sich freilich noch nicht feststellen.

1 Loi no. 85—677 du 5. 7. 1985 Cendant ä l’amelioration de la Situation des victimes d’accidents de la circulation et ä l’acceleration des procedures d’indemnisation, J.O. 1985.7584. Das Gesetz trat rückwirkend zum 1.1. 1985 in Kraft. 2 Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes (vorige N.). 3 Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes (oben N. 1). Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Geschädigte „a volontairement recherche le dommage“ (Art. 3 Abs. 3). 4 Art. 12 des Gesetzes (oben N. 1). 5 Art. 16, 17 des Gesetzes (oben N. 1).

Teil 2: Fallgruppen In der Rechtsprechung und Literatur der letzten Jahre haben sich immer stärker bestimmte, besonders umstrittene Fallgruppen des Schadensrechts her­ ausgeschält: die Fälle des Gebrauchsentzugs, die Urlaubsfälle, die Fälle beeinträchtiger Arbeitsfähigkeit. Bei ihnen stellte und stellt sich mit aller Schärfe die Frage, ob die jeweilige Einbuße ersatzfähig ist. Mit diesen inzwischen zu Falltypen gewordenen Fällen sind Schadenssituationen erfaßt, die auf der einen Seite besonders schadensanfälligen Lebensbereichen des einzelnen Indi­ viduums entstammen, die auf der anderen Seite durch den herkömmlichen Güterschutz des Deliktsrechts aber nicht »offiziell* abgedeckt sind. Die Nut­ zung der eigenen Güter, die Sicherung der Arbeitskraft an sich, der Schutz von Erholung und Freizeit — das sind wesentliche Lebensbereiche des Einzel­ nen, die insbesondere wegen des wachsenden Freizeitanteils im Leben des Einzelnen ständig größere Bedeutung gewonnen haben. Im Schutzkatalog der Güter, die die Sphäre des Einzelnen ausmachen, kommen sie als eigenstän­ dige Schutzobjekte bislang aber nicht vor. Das Schadensrecht ist mit der Existenz dieser Bereiche jedoch immer häufiger konfrontiert. Diese vorgefundenen, von der Wirklichkeit geprägten Falltypen sind der folgenden Untersuchung zugrundegelegt. Hinzugenommen sind zwei wei­ tere typische Gestaltungen aus der großen Zahl der Kfz-Sachschäden: der Ersatz für beschädigte neue Kfz und der Ersatz für unrepariert verkaufte Kfz (Fallgruppe I und II). Sie haben exemplarischen Wert für diesen Bereich der Massenschäden. An ihnen ist die Behandlung ganz traditioneller und an sich problemloser Schadensfragen aufzuzeigen.

§ 4. Ersatz fiktiver Reparaturkosten Welchen Schadenersatzanspruch hat der Geschädigte, wenn er eine be­ schädigte Sache unrepariert weiterverkauft? Kann er vom Schädiger nur den Mindererlös verlangen, den er beim Verkauf erzielt? Oder steht ihm ein alternativer Anspruch auf die (höheren) Kosten zu, die eine Reparatur verur­ sacht hätte? Vor allem bei Kraftfahrzeugen spielen diese Fragen eine praktisch wichtige Rolle. Für dieses Feld wollen wir sie eingehender untersuchen.

I. Deutschland Nach den gesetzlichen Vorschriften kann der Geschädigte zunächst Wie­ derherstellung des ursprünglichen Zustandes oder den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 BGB). Ist die Wiederherstellung unmöglich, kommt nur eine Geldentschädigung in Betracht (§ 251 I BGB), über deren Höhe man mit der herrschenden Auslegung des § 251 II BGB freilich nur sagen kann, daß sie die Wiederherstellungskosten nicht unverhältnismäßig übersteigen darf. Beide Vorschriften scheinen den Fall des weiterverkauften Unfallwagens zu treffen. Prinzipiell unmöglich ist die Reparatur auch nach Weiterverkauf nicht (dann § 249 BGB); jedoch ist die Reparaturmöglichkeit dem Geschädigten verschlossen (dann § 251 BGB). Es bestand deshalb lange Streit, welche der beiden Vorschriften anzu wenden sei. Die Entwicklung der Rechtsprechung in den letzten 10—15 Jahren hierzu erscheint so aufschluß­ reich und symptomatisch, daß sie hier im Detail nachgezeichnet sei. Die Zahl der in den Jahren 1972—1976 veröffentlichten einschlägigen Ur­ teile war Legion1 2. Die Befürworter eines Anspruchs auf fiktive Reparaturko­ sten betonten unter Berufung auf § 249 BGB, es stehe dem Geschädigten 1 Vgl. etwa Münch Komm(-GRUNSKY), § 251 Rz. 12ff. 2 Allein in den Jahrgängen 1972-76 der Zeitschrift VersR finden sich gegen 30 Urteile zu dem Komplex, darunter zahlreiche OLG-Entscheidungen. Für den Anspruch auf fiktive Reparaturkosten trotz Weiterverkaufs u.a. OLG Oldenburg 3. 5.1974, DAR 1974,213; OLG Hamm 4. 12.1974, NJW 1975,654; OLG Hamm 17. 12.1974, VersR 1975, 573; OLG Nürnberg 31. 7. 1975, BB 1976, 250 (Grenze soll aber die Unverhältnis­ mäßigkeit der Reparaturkosten zum Zeitwert des Wagens sein); OLG Köln 27. 11. 1975, VersR 1976, 669 (in der Begründung aber widersprüchlich). Gegen den Anspruch auf fiktive Reparatur­ kosten u.a.: OLG Celle 10. 6. 1971, VersR 1973, 669; OLG Frankfurt 29. 2. 1972, VersR 1973, 672; OLG Schleswig 6. 3. 1973, VersR 1974, 271; OLG Celle 29. 3. 1973, VersR 1974, 578; KG

frei, wie er den Betrag verwende, der sich bei Schadenseintritt als erforderlieher Herstellungsaufwand einmal konkretisiert habe. Die Gegenmeinung hob hervor, es sei der weitere Schadensverlauf zu berücksichtigen, der die konkrete Wiederherstellung unmöglich gemacht habe. Damit gelte § 251 BGB und es sei nur der Wiederbeschaffungswert zu erstatten1. Der Geschädigte habe also nur Anspruch auf die Summe, mit der er sich ein gleichwertiges Fahrzeug beschaffen könne und von der der Rest­ wert des Unfallfahrzeugs abzuziehen sei. Im Jahr 1976 hat sich dann der BGH zu der umstrittenen Frage geäußert2. Er hat dem Geschädigten damals die fiktiven Reparaturkosten zugesprochen und der „bisher unverkennbar herrschenden Meinung, der Geschädigte könne Instandsetzungskosten nur so lange fordern, als er zur Instandsetzung der beschädigten Sache auch noch in der Lage sei“3, eine Absage erteilt. In der Praxis hat diese Entscheidung keine uneingeschränkte Gefolgschaft gefun­ den; vielfach wurde nur die Abrechnung auf dem billigeren Weg — das waren durchweg die Wiederbeschaffungskosten - zugelassen4. Im Jahr 1985 hat der BGH die Entscheidung von 1976, die der „Verdeutlichung" bedürfe, im Ergebnis revidiert5. Das diskutierte Problem ist deshalb Problem, weil es sich, anders als der BGH meint6, recht häufig lohnt, statt auf Wiederbeschaffungsbasis auf Re27. 9. 1973, VersR 1974, 576; OLG München 1. 7.1974, VersR 1975,144; OLG Karlsruhe 19. 3. 1975, NJW 1975,1285; OLG Frankfurt 2. 12. 1975, VersR 1977,160 mit Anm. Ringel. 1 Insbesondere KG 27. 9. 1973, VersR 1974, 576 (577). 2 BGH 23. 3. 1976, BGHZ 66, 239. Zu der BGH-Entscheidung auch Medicus, Unmittelba­ rer Schaden, 16; Emmerich, JuS 1976, 813; Anm. von Heinze in JR 1977, 418; Klimke, VersR 1977, 502; Wussow, W I 1976, 109; Riedmaier, VersR 1977, 1. Zum Problem weiter Lange 149f., 240f. Den im Urteil vom 23. 3. 1976 eingenommenen Standpunkt hat der BGH in mehreren fast gleichlautenden Entscheidungen bekräftigt, so in einem weiteren Urteil vom selben Tag (VersR 1977,134) und in zwei Urteilen vom 22. 11.1977 (VersR 1978,182 und 235). 3 So die Formulierung des BGH: BGHZ 66, 239 (243). 4 Vgl. OGL München 14. 12.1979, VersR 1980, 878; OLG Frankfurt/M. 13. 12.1980, VersR 1981, 841; LG Kiel 20. 2. 1981, VersR 1982, 609; OLG Stuttgart 25. 11. 1981, VersR 1982, 885; LG Osnabrück 14. 5. 1982, VersR 1982, 1108 (LS); OLG Oldenburg BB 1984, 1322. 5 BGH 5. 3.1985, VersR 1985, 593; bestätigt in BGH 18. 6.1985, VersR 1985, 866. 6 BGH 23.3. 1976, BGHZ 66, 239 (247). Abgeschwächt BGH 5. 3. 1985, VersR 1985, 593 (595): „.. .dürften bei richtiger Berechnung eigentlich die Kosten einer Instandsetzung nicht höher sein als die Kosten der Ersatzbeschaffung.“ Wie sehr es sich lohnt, belegt etwa BGH 22. 11. 1977, VersR 1978, 235. Auch Klimke, VersR 1977, 502 (503) meint, beide Abrechnungsweisen müßten zum selben Ergebnis fuhren. (Hieraufberufen sich wiederum BGH 22. 11. 1977, VersR 1978,182 und BGH 5. 3.1985, VersR 1985,593 (595)). Klimke nennt einige Gründe, warum dies so sein sollte. Die Wirklichkeit, für die die oben (vorige S., N. 2) zitierten Urteile nur ein Beleg sind, widerlegt ihn. Das Ergebnis des BGH will Klimke aber auch nur für eine ganz enge Fallgruppe und unter weiteren einschränkenden Voraussetzungen akzeptieren. Im übrigen will der BGH vom Zeitwert, der bei Abrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten die Ober­ grenze darstellt, den aktuellen Verkaufserlös offenbar nicht abziehen (vgl. BGH 22. 11. 1977 VersR 1978, 235; anders jedoch BGH 5. 3.1985, VersR 1985, 593).

paraturkostenbasis abzurechnen. Die Rechtsprechung toleriert diese Art der Abrechnung grundsätzlich, solange die Reparaturkosten den Wiederbeschaf­ fungswert des Unfallwagens abzüglich Restwert nicht um mehr als 30% übersteigen1. Bis zu 30% kann der Geschädigte also an sich auch mehr „herausholen“, wenn er seiner Schadensberechnung die fiktiven Reparatur­ kosten zugrunde legen darf2. Im Alltag scheint die Reparatur eines Wagens häufig teurer zu sein, als die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs (abzüglich seines Restwerts). Hohe (fiktive) Reparaturkosten lassen sich also leicht nach weisen. Anders ist auch kaum erklärlich, weshalb die Rechtsfrage so oft Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen war. Die Begründung des BGH in der Leitentscheidung von 19763 beruhte im wesentlichen auf drei Argumenten, die das Gericht auch in der neuen Ent­ scheidung von 19854 grundsätzlich bestätigt hat. 1. Das Gericht sieht die zu ersetzende Einbuße in der „Reparaturbedürftig­ keit“ und „Reparaturwürdigkeit“ des Fahrzeugs. Diese Einbuße entstehe mit dem Schadensereignis; sie schlage sich auch im Vermögen des Geschädigten nieder, „weil etwa das Verkaufsentgelt entsprechend geringer ausgefallen ist“, oder weil die Einbuße „doch den wirtschaftlichen Erfolg der Transaktion, etwa den Wert des Unfallfahrzeugs als Geschenk, beeinträchtigt.“5 Für Kfz gebe es nur eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsart, nämlich ihren weiteren Einsatz als Fahrzeug. Sie würden deshalb, soweit technisch möglich, immer wieder repariert. Der Reparaturbedarf sei aus diesem Grund der typische und übliche Schaden6. Im Ergebnis objektiviert der BGH damit den Schaden. Er entsteht mit Schadenseintritt als fixe Größe, nämlich in Höhe des Reparaturbedarfs, löst sich also ab von der Entwicklung des Vermögens des Geschädigten und verselbständigt sich. Der Reparaturaufwand avanciert zum objektiven Mindestschaden. 1 Siehe vor allem die enigmatische Entscheidung BGH 20. 6.1972, VersR 1972,1024 = NJW 1972,1800; dazu Medicus, JuS 1973,211. Weiter etwa OLG Oldenburg 27. 4.1973, VersR 1973, 379; KG 10. 3. 1975, VersR 1976, 391; OLG Stuttgart 30. 1. 1976, VersR 1977, 88; aus der jüngeren amts- und landgerichtlichen Rechtsprechung ebenso etwa LG Freiburg 19. 12. 1978, VersR 1979, 778; AG Kissingen 22. 8. 1978, VersR 1979, 779. Ferner Lange 240; Münch Komm(-GRUNSKY) § 249 Rz. 7 jeweils mit weiteren Nachweisen. Sanden Rz. 110ff., der ganz generell eine Schadensersatzansprüche einschränkende Tendenz vertritt, stellt die Rechtsprechung demgegenüber so dar, als halte sie 15 % für die äußerste Toleranzgrenze und akzeptiere normaler­ weise nur Überschreitungen bis zu 10%. Eingehend zum Problem auch Kötz, FS Hauß, 191. Auch Kötz möchte die Toleranzgrenze bei 10-15% ziehen. 2 Vgl. etwa KG 25. 9. 1978, DAR 1979, 72: AG Königswinter 12. 11. 1980, VersR 1982, 53 (LS). 3 BGH 23. 3. 1976, BGHZ 66, 239. 4 BGH 5. 3. 1985, VersR 1985, 593. 5 BGH 5. 3. 1976, BGHZ 66, 239, 244. 6 BGH aaO.

Diese Argumentation überzeugt m.E. nur dann, wenn der Minderwert, den der Geschädigte beim Verkauf des beschädigten Fahrzeugs realisiert, und der abstrakte Reparaturaufwand sich regelmäßig decken würden. Verkauft der Geschädigte indessen an einen Händler, dann hängt die Höhe des Preises für das Fahrzeug auch von anderen Faktoren ab, nicht allein von der Schwere (und den Kosten für die Beseitigung) des Schadens. So davon, ob der Ge­ schädigte bei diesem Händler einen neuen Wagen kauft, ob der Händler eine eigene Werkstatt (für die Reparatur) hat etc. Der Reparaturaufwand schlägt damit nur in mittelbarer Form auf den Schaden des Geschädigten durch, ist mit ihm aber nicht ohne weiteres identisch. Die „wirtschaftliche Fortwirkung der Reparaturbedürftigkeit“1, die keineswegs bestritten werden soll, belegt damit nicht, daß dem Geschädigten eine Einbuße gerade in Höhe des abstrak­ ten, von einer Werkstatt ihrem Kunden berechneten Reparaturaufwandes entstanden ist2. 2. Der BGH stützt sich weiter auf die Dispositionsfreiheit. Dem Geschädig­ ten stehe es frei, zu welchen Zwecken er die als Schadensersatz geschuldete Summe verwende3. Dieser wichtige Grundsatz überspiele hier die Regel, daß für die Bemessung des Schadenersatzes grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend sei4. Jedoch kann die Dispositionsfreiheit - das ist diesem Argument des BGH entgegenzuhalten — erst einsetzen, wenn der (erforderliche) Ersatzbetrag — einverständlich oder gerichtlich — festgelegt worden ist. Zwar ist es richtig, daß der Geschädigte wählen kann, welche Form der Herstellung er bevorzu­ gen will, wenn er statt der vom Schädiger zu bewirkenden Herstellung Geldersatz gemäß § 249 S. 2 BGB verlangt. Wenn von der Wahl die Höhe des Schadenersatzbetrages abhängt — wie im Fall des BGH —, so hat auch hier der Geschädigte so lange die Freiheit der Wahl, als der Schadensbetrag, der sich dabei ergibt, nicht den zur Herstellung erforderlichen Betrag übersteigt (oder § 251 BGB eingreift). Ob indessen die Forderung des Geschädigten diesen Betrag übersteigt oder sich noch im Rahmen des Erforderlichen hält, das ist eine Frage, die nicht der Geschädigte kraft Dispositionsfreiheit, sondern die nur das Gericht zu entscheiden hat. Wenn der BGH hier also die Disposi­ tionsfreiheit des Geschädigten als Begründung zitiert, so wird damit die inzidente (richterliche) Entscheidung verdeckt, daß der abstrakte Reparatur­ aufwand den nach Richtermeinung erforderlichen Betrag darstellt, auch 1 BGH aaO. 2 Der BGH aaO. S. 248 erkennt das auch an, meint aber ohne weitere Begründung, daß ein günstigerer Schadensverlauf— „eine erst durch die Anschaffung eines Neuwagens erkaufte günsti­ gere Verwertungsmöglichkeit für den Unfallwagen“ — dem Schädiger nicht zugute kommen solle. 3 BGH aaO. 241,246. 4 BGH aaO. 245.

wenn der Geschädigte in Wirklichkeit nicht repariert hat. Eine tragfähige Begründung, weshalb die Reparaturkosten ganz generell und unabhängig von ihrem tatsächlichen Anfall den stets erforderlichen Herstellungsbetrag ausmachen, ist damit aber nicht gegeben. Aus dem Grundsatz der Disposi­ tionsfreiheit läßt sich m.E. deshalb nichts für oder gegen die Abrechnung auf Reparaturkostenbasis herleiten1. 3. Schließlich will der BGH reparierende und verkaufende Geschädigte gleichbehandeln. „Der Geschädigte, der... über die beschädigte Sache ver­ fügt hat, kann billigerweise nicht anders gestellt werden als der, der nach Erhalt des für die Instandsetzung erforderlichen Betrags die beschädigte Sache doch weiter ge- und verbraucht.. .“2 Denn für den BGH ist der Wille des Geschädigten zur Reparatur ein „praktisch kaum nachprüfbarer innerer Tat­ bestand“. Er könne deshalb nicht zur Voraussetzung eines Anspruchs nach § 249 BGB gemacht werden3. Auch gegen diese Argumentation Hegt ein Einwand nahe. Jedenfalls für den Richter ist es unproblematisch, festzustellen, ob der Geschädigte bis zur letzten mündlichen Verhandlung seinen Wagen tatsächlich verkauft oder be­ halten hat. Für die richterliche Entscheidung führt es deshalb nicht zur Nach­ prüfung kaum feststellbarer innerer Vorgänge, wenn zwischen verkaufenden und nicht verkaufenden Geschädigten unterschieden wird4. In diesem Punkt - dem tatsächlichen Verkauf oder Behalten des Unfallwagens verläuft eine einfach feststellbare Differenzierungslinie zwischen beiden Fallausprägun­ gen; nicht aber, wie der BGH will, im Punkt des abstrakten Reparaturwillens, der in der Tat kaum nachprüfbar ist.

Für die Regulierungspraxis stellt sich die Frage etwas anders. Hier ist der Schadensberechnung nach Möglichkeit von vornherein ein bestimmter Be­ rechnungsweg zugrundezulegen. Doch auch die Schadensregulierung nimmt einen gewissen Zeitraum ein, bis zu dessen Ende wohl meist gleichfalls fest­ steht, ob der Geschädigte den Unfallwagen behalten oder verkauft hat. Würde der Geschädigte eine Wiederbeschaffung allein deshalb weiter hinaus­ zögern, um bei der Schadensregulierung noch auf Reparaturkostenbasis ab­ rechnen zu können, so bringt er sich um den Nutzungsausfall für die real 1 Auch bei der fiktiven Nutzungsentschädigung leitet man aus dem Grundsatz der Disposi­ tionsfreiheit nicht etwa her, daß der Geschädigte stets den Betrag verlangen könnte, den tatsäch­ liche Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug (minus Eigenersparnis) ausmachen würden. Hier ließe sich mit größerer Berechtigung sagen, die Miete eines Ersatzwagens sei der typische Weg der Schadensbeseitigung, dessen Kosten der Geschädigte immer verlangen könne, mag er ihn in concreto beschreiten oder einen billigeren Weg wählen; dazu noch näher unten S. 131 ff. 2 BGH 23. 3. 1976, BGHZ 66, 239, 244. 3 BGH aaO. 241. 4 Das erkennt der BGH nunmehr auch an, vgl. BGH 5. 3. 1985, VersR 1985, 593, 594.

benötigte, freilich angemessene Wiederbeschaffungszeit 1. Zudem entspricht es wohl eher der Erfahrung, daß der Geschädigte sich, wenn überhaupt, dann bald nach dem Unfall einen anderen Wagen beschafft. Andernfalls verliert er auch die Möglichkeit, gewisse Kosten (Ummeldekosten etc.) noch als Unfall­ folge geltend machen zu können. Unpraktikabel erscheint dagegen gerade die Überlegung des BGH in folgendem Punkt. Der Wiederbeschaffungswert eines Wagens ist relativ leicht zu ermitteln; hier bestehen meist schematische Wertetabellen2. Ebenso mag der Restwert des Wagens dadurch leichter feststellbar sein, daß der Geschädigte beim Verkauf hierfür jedenfalls eine gewisse Summe erhalten hat, die prima facie als Anhalt genommen werden kann. Dagegen lassen sich die fiktiven Reparaturkosten kaum ohne Sachver­ ständigengutachten ermitteln, das seinerseits noch einmal Kosten verursacht. Ist der Wagen verkauft, dann wird die Feststellung u. U. auch unmöglich sein. Im übrigen birgt das Gleichbehandlungsargument, dessen grundsätzliche Berechtigung zweifellos ist, auch Gefahren. Es ist sehr oft möglich, zu sagen: der Geschädigte hätte sich auch in dieser oder jener Weise verhalten können und hätte dann Anspruch auf höheren Ersatz gehabt. Zwar hat er sich so nicht verhalten, doch soll er mit jenen gleichgestellt werden, die sich so verhalten haben. Die eigentliche sachliche Begründung, weshalb solche Gleichstellung nicht gleich Hegender Fälle angezeigt ist, unterbleibt dabei fast immer. So auch hier. Dem BGH scheint die Gleichstellung zwischen verkaufendem und repa­ rierendem Geschädigten lediglich „billigerweise" angebracht3. Doch seiner dreifachen Argumentation vertraute der BGH damals selbst nicht recht. Etwa die Hälfte der Begründung im Urteil vom 23. 3. 1976 versucht nachzuweisen, daß das gefundene Ergebnis nicht unbillig sei4. In diesem Zusammenhang finden sich zahlreiche Einschränkungen und Kautelen. So dürfen nach Ansicht des BGH: „fiktive Reparaturkosten nur dann anzuerkennen sein, wenn sie in strengem Sinn wirtschaftlich erscheinen. Eine auch nur geringfügige Überschreitung des Zeitwerts des Fahrzeugs, wie sie sonst unter Umständen hingenommen werden kann..., er­ scheint hier ausgeschlossen, da die sie rechtfertigenden Billigkeitsgesichtspunkte auf Seiten des Gläubigers nicht vorstellbar sind.“5

Offenbar soll der Zeitwert (des Wagens vor dem Unfall) die letzte Ober­ grenze sein, bis zu der fiktive Reparaturkosten erstattet werden können6. 1 Vgl. etwa AG Hersbruck 7. 12. 1979, VersR 1980, 780. 2 Beispielsweise die bekannte „Schwacke-Liste“ oder ADAC-Tabellen. 3 BGH (vorige S., N. 2) 244. 4 BGH aaO. 245ff. 5 BGH aaO. 247. 6 So ausdrücklich BGH 22. 11. 1977, VersR 1978, 235.

Doch zieht die diesen Grundsatz bestätigende BGH-Entscheidung den Rest­ wert des beschädigten Wagens nicht vom Zeitwert ab1. Die Abrechnung auf Reparaturkostenbasis kann dann die Wiederbeschaffungskosten (minus Rest­ wert) erheblich übersteigen. Weiter hielt der BGH Strenge für geboten. Es bestehe kein „Anlaß dafür, den Umfang der erforderlichen’ Aufwendungen... großzügig zu bemes­ sen.“2 Die Aussage seines Ergebnisses relativierte der BGH dann noch weiter, indem der Geschädigte „möglicherweisc" doch einen besonders günstigen Gebrauchtwagen annehmen müsse oder „möglicherweise" fiktive Reparatur­ kosten doch nicht erhalte, wenn er einen entsprechenden Gebrauchtwagen tatsächlich gekauft habe3. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit solle darüber Aufschluß geben, wann diese Möglichkeiten zu beachten seien, wann man sie vernachlässigen dürfe. Schließlich habe sich der Geschädigte „bei mehreren vom Erfolg her gleichwertigen Mitteln der Schadensbeseitigung.. .für dasjenige zu entschei­ den, das einen deutlich geringeren Aufwand mit sich bringt“4. Sollte nun der Grundsatz gelten, daß der Geschädigte Anspruch auf die höheren fiktiven Reparaturkosten hat, oder nicht? In der Folge haben sich die nachgeordneten Gerichte für gegensätzliche Entscheidungen auf die Ausführungen des BGH berufen können5. Der Praxis waren mit der Leitentscheidung von 1976 eher Steine statt Brot gege­ ben. Im Ergebnis hatte die Entscheidung dank zahlreicher Kautelen keine Aussagekraft über den ganz konkreten Fall hinaus, hüllte vielmehr in Dunkel, wie gleiche, nur in Winzigkeiten abweichende Fälle zu entscheiden seien. Damit regte sie zu weiterem Streit geradezu an. Schon die eine der beiden Entscheidungen vom 22. 12. 19786 sieht sich zu gewissen, ebenfalls vagen Einschränkungen veranlaßt. Eine „Verdeutlichung" erschien dem BGH dann 1985 notwendig: Grundsätzhch könne der Geschädigte fiktive Reparaturkosten nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs verlangen7. Der BGH meint freiEch wiederum, daß beide Abrechnungsweisen (auf Reparatur- und Wieder­ 1 BGH (vorige N.) r.Sp. oben. Ebenso auch die Berechnung etwa von LG Köln 6. 12. 1978, VersR 1979, 827. Anders aber OLG Karlsruhe 12. 10. 1979, VersR 1980, 390. 2 BGH 23. 3. 1976, BGHZ 66, 239, 247. 3 BGH (vorige N.) 247f. 4 BGH aaO. 248; ebenso BGH 22. 11. 1977, VersR 1978, 183. 5 Vgl. etwa OLG Karlsruhe 12. 10. 1979, VersR 1980, 390. Das OLG korrigierte das LG, das sich zu Unrecht auf BGH VersR 1978, 235 statt auf BGH VersR 1978, 182 berufen und deshalb zu hohe fiktive Reparaturkosten zugesprochen habe. Das LG konnte sein Ergebnis jedenfalls auch auf Äußerungen des BGH stützen. 6 VersR 1978, 182. 7 BGH 5. 3. 1985, VersR 1985, 593.

beschaffungsbasis) „eigentlich“ zu identischen Ergebnissen fuhren müßten, von den Fällen wirtschaftlichen Totalschadens abgesehen1. Denn der KfzRestwert, der von den Wiederbeschaffungskosten abzuziehen sei, berücksich­ tige bereits die potentiellen Reparaturkosten sowie die Wertminderung des Fahrzeugs als Kostenfaktoren. Der befaßte Richter müsse deshalb Unter­ schiede zwischen beiden Berechnungswegen — selbst wenn die eingesetzten Werte zwischen den Parteien unstreitig seien — aufklären und anhand von „realistischen Vergleichswerten eines dem Geschädigten zugänglichen Markts“ überprüfen2. Auch das Rechnen mit den richtigen Werten kann die Unterschiede zwischen Reparaturkosten und Wiederbeschaffungskosten aber nicht beseitigen, wie die Wirklichkeit zeigt3. Tendiert die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Bundesrepublik damit jetzt auch dahin, dem Ge­ schädigten, der sein Fahrzeug unrepariert verkauft, grundsätzlich nur die Wiederbeschaffungskosten zu erstatten4, so bleibt jedoch noch abzuwarten, ob die eingeführte 30 %-Regel damit abgeschafft wurde.

II. England Die Frage, ob der Geschädigte Reparaturkosten auch ohne Reparatur be­ anspruchen kann, ist in England für Kfz — soviel zu sehen — bisher gerichtlich nicht entschieden. Doch hatten sich die Gerichte mit entsprechenden seerecht­ Uchen Fallgestaltungen zu befassen. Die dort aufgestellten Grundsätze dürfen allgemeine Geltung beanspruchen5. In The Kingsway6 war ein Schiff beschädigt worden. Der Eigner klagte auf Ersatz der Reparaturkosten, obwohl er das Schiff noch nicht hatte reparieren lassen, sondern damit bis zum Ende des Krieges warten wollte. Die drei Lordrichter des Court of Appeal halten es für einen etabUerten Grundsatz, daß auch künftige Reparaturkosten verlangt werden können, soweit sie mit einiger Sicherheit abzuschätzen sind. Pickford L.J.7 ist weiter der Auffassung, daß kein Anspruch bestünde, wenn die Reparaturen

1 BGH aaO. 595. 2 BGH aaO. 3 Vgl. nur BGH 18. 6. 1985, VersR 1985, 866; BGH 18. 6.1985, DAR 1985, 319. 4 In einem Fall, in dem der Geschädigte ein Hausgrundstück nicht instandsetzen ließ, sondern verkaufte, hatte der V. Senat 1981 bereits ebenso entschieden: BGH 2. 10.1981, BGHZ 81, 385. Anders - für den Verkauf eines unreparierten, beschädigten Schiffes BGH 21. 1. 1965, LM BGB § 251 Nr. 11. 5 So ausdrücklich Pickford L.J. in The Kingsway [1918] P. 344, 356 (C.A.). McGregor no. 998ff.; Ogus 124ff. 6 Vgl. vorige N. 7aaO. 358 f.

nicht mehr ausgeführt werden könnten, etwa weil das Schiff torpediert oder durch Sturm untergegangen sei. Gerade diese von Pickford genannte Sachverhaltsgestaltung war in The Glenfinlas1 zu beurteilen. Der Geschädigte erhielt hier die vollen geschätzten Reparaturko­ sten zugesprochen, obwohl das Schiff nach der Beschädigung vorläufig seetüchtig gemacht worden und dann auf eine Mine aufgelaufen war. Trotz dieser Entscheidung in The Glenfinlas ist doch nicht ganz geklärt, ob der Anspruch auf fiktive Reparatur­ kosten wirklich bestehen bleibt, wenn die Sache anschließend untergeht und die Reparatur damit objektiv unmöglich wird12. In The York3 war das beschädigte Schiff unrepariert verkauft, dann aber doch noch repariert worden. Der C. A. bestätigt, daß die Reparaturkosten in jedem Fall zu ersetzen seien, auch wenn das Schiff nicht mehr repariert worden wäre4.

In unserem Zusammenhang am aufschlußreichsten ist die Entscheidung The London Corporation5. Hier verkaufte der Eigner das beschädigte Schiff in unrepariertem Zustand an ein Abwrackunternehmen. Der Court of Ap­ peal billigte die fiktiven Reparaturkosten als Schadenersatz zu. Prima facie sei das Schiff um diesen Wert gemindert. Allerdings stehe dem Beklagten der Nachweis offen, daß der Geschädigte für das unbeschädigte Schiff auch keinen höheren Preis — als den Abwrackpreis — erhalten hätte. Lord Justice Greer betont in der tragenden Begründung des Urteils, der Weiterverkauf sei „an accidental circumstance which ought not to be taken into account in the way of diminution of damages.“6 Auch im Kaufrecht dürfe der Käufer die Differenz zwischen Markt- und Vertragspreis ohne den Nachweis fordern, einen derartigen Schaden tatsächlich erlitten zu haben. Ferner sei eine einfache Methode der Schadensberechnung wünschenswert. Die Rücksichtnahme auf begleitende, dazu nur einer Seite bekannte Umstände vereitele dies Ziel aber. Aus der bisherigen Rechtsprechung leitet er den folgenden Grundsatz her: „It is now clear that the shipowner, who Claims damages in respect of injuries to his ship, if it tums out that before he has in fact repaired her he has suffered the loss of the ship by something other than the act of the defendant, can still recover the estimated amount of the cost of repairing the ship, which he would have had to incur if she had not been lost. It seems to me that the principles that apply in those cases apply equally in this: that the owners of the Benguela are entitled to recover what has been agreed to 1 [1918] P. 363. Der Law Report berichtet nur in einer note über diesen vom Registrar entschiedenen Fall. Die Entscheidung ist jedoch öfters als Präjudiz zitiert und auch bestätigt worden: so schon in The Kingsway (vorige S., N. 5); fernr etwa in The York [1929] P. 178, 184f. (C.A.). 2 Vgl. die folgenden Entscheide. 3 [1929] P. 178 (C.A.). 4 Siehe insbesondere Scrutton L.J. 5 [1935] P. 70 (C.A.). 6 AaO. 78.

be the amount they would have had to expend for repairing their vessel, even though it has tumed out, by reason of a subsequent transaction, namely, the sale to shipbreakers, that they never would have to repair her at all.“1

Damit folgt man in England im wesentlichen dem gleichen Grundsatz, den in der Bundesrepublik der BGH im Jahr 19762 gutgeheißen hat. Der Ge­ schädigte kann also bei Sachschäden die fiktiven Reparaturkosten als den „Normschaden“ verlangen, ganz gleich ob er die Sache reparieren will oder nicht. Nicht ganz deutlich ist bisher in England, ob der Anspruch entfällt, wenn eine Reparatur objektiv ausscheidet, etwa weil die Sache inzwischen vernichtet worden ist. In England kann der Schädiger aber, anders als in Deutschland, widerlegen, daß der Normschaden eingetreten ist. Freilich dürfte ihm dieser Nachweis in der Praxis außerordentlich schwer fallen. Bis­ her auch nicht ausdrücklich entschieden ist der Fall, daß die Abrechnung auf Grund der fiktiven Reparaturkosten die Wiederbeschaffungskosten über­ steigt. In den Schiffsfällen ging es bislang nie um Reparaturkosten vs. Wieder­ beschaffungskosten, sondern stets nur um die Reparatur allein. Grund dafür ist wohl, daß die Wiederbeschaffung eines beschädigten Schiffes wegen der hohen Kosten und der viel kleineren Serien von Schiffsneubauten viel seltener ist als etwa die Wiederbeschaffung eines Kraftfahrzeugs. Mit der gebotenen Vorsicht wird man dennoch annehmen können, daß die Rechtsprechung Fälle, in denen Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis gegen Abrechnung auf Reparaturkostenbasis steht, grundsätzlich genauso wie die entschiedenen Sachverhalte behandeln, also Ersatz fiktiver Reparaturkosten zubilligen würde, selbst wenn diese — innerhalb vernünftiger Grenzen — höher als die Wiederbeschaffungskosten lagen. Auch die allgemeinen Grundsätze3 gestat­ ten es dem Geschädigten ja, maßvoll höhere Reparaturkosten an Stelle der Wiederbeschaffungskosten zu fordern. Gleiches mag dann bei fiktiven Repa­ raturkosten gelten. Im übrigen hat der Court of Appeal in The London Corporation4 auf eventuell niedrigere Wiederbeschaffungskosten gerade keine Rücksicht genommen5. Bei der Betrachtung des deutschen und des englischen Rechts springt ins Auge, mit wie wenig Aufwand die englische Praxis schon sehr früh zu einer Regel gelangt ist, die sich bei uns erst kürzlich durchgesetzt hat6. Immerhin hätte man sich vielleicht auch in England schwerer getan, einen akzeptierten 1 AaO. 79. 2 BGH 23. 3. 1976, BGHZ 66, 239 (dazu ausführlich oben S. 59ff.). 3 Vgl. die Darstellung bei McGregor no. 998ff. mit Nachweis der einschlägigen Rechtspre­ chung. 4 [1935] P. 70. 5 AaO. 6 Zum Gang der Entwicklung im deutschen Recht vgl. oben unter I.

Grundsatz zu erreichen, wären, wie bei uns, die Kfz-Fälle der Ausgangspunkt der Entwicklung gewesen. Weiter unterscheiden sich die Begründungen, die man hier wie dort der schließlichen Entscheidung gegeben hat. In England haben vor allem prakti­ sche Überlegungen den Ausschlag gegeben: Man hat sich für die einfachere und praktikablere Methode der Schadensbemessung entschieden1. In deut­ scher Terminologie: Die abstrakte Schadensberechnung bei objektiven Schä­ den, also bei Schäden, die unzweifelhaft eingetreten sind und wahrscheinlich auch noch fortwirken, ohne daß eine konkrete Vermögensminderung sofort nachweisbar ist. In Deutschland sind es dagegen nach außen hin eher dog­ matische Überlegungen gewesen, die die Entscheidung des BGH getragen haben2.

III. USA Ob der Geschädigte Reparaturkosten beanspruchen kann, auch ohne die Reparatur auszufuhren, läßt sich für die USA nicht einheitlich beantworten. Eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis scheidet jedenfalls bei Totalscha­ den in den US-Staaten aus, die dem Geschädigten diese Abrechnungsweise nur erlauben, wenn der Wagen objektiv noch reparabel ist3. Im übrigen kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die geltendgemachten Reparatur­ kosten tatsächlich entstanden sind oder noch entstehen werden. Da die Repa­ raturkosten nur eine Möglichkeit bedeuten, den eigentlichen Schaden, näm­ lich die Wertminderung der Sache nachzuweisen, kann der Geschädigte also durchaus auch angemessene, fiktive Reparaturkosten verlangen4. Einige Jurisdiktionen beschränken den Geschädigten jedoch dann auf einen geringe­ ren Betrag, wenn die Wertminderung der Sache unter den — fiktiven oder tatsächlichen — Reparaturkosten Hegt. Dann kann der Geschädigte nur den Betrag der Wertminderung verlangen5. Sind umgekehrt die Reparaturkosten niedriger als die Wertminderung, so 1 Allerdings ist diese Form der Schadensberechnung wohl nur bei Schiffen der praktikablere Weg. Die Reparaturkosten sind hier leichter festzustellen als die Wiederbeschaffungskosten, während es beim Massenartikel Auto gerade umgekehrt liegen dürfte. 2 Vgl. oben S. 59f. 3 Vgl. oben S. 49 und N. 7. 4 Vgl. Frumer 358 (Nachweise der Rechtsprechung in N. 4); aus neuerer Zeit etwa Riddell v. Mays, 533 S. W. 2d 910 (Tex.Civ. App. 1976); Wall v. Amoco Oil Co., 92 111. App. 3d 921, 416 N.E. 2d 705 (1981). 5Johnson v. Scholz, 276 App.Div. 163, 93 N. Y.S. 2d 334 (1959); Falcone v. Perry, 68 Wash. 2d 909, 416 P. 2d 690 (1966); Fairchild v. Keene, 48 ID.Dec. 475, 416 N.E. 2d 748, 93 111. App. 3d 23 (1981); Apostle v. Prince, 158 Ca. App. 56, 279 S.E. 2d 304 (1981).

erkennt man auch hier nur die niedrigere Summe zu1. Eine frühe New Yorker Entscheidung hat diese Lösung aus der Pflicht des Geschädigten herge­ leitet, den Schaden möglichst kleinzuhalten2. Seither folgt die auch für andere US-Staaten wichtige New Yorker Praxis dieser Ansicht, ohne ihr eine neue Begründung gegeben zu haben. Allerdings obliegt dem Schädiger der Nachweis, daß die — vom Geschädigten hinreichend überzeugend belegten — fiktiven Reparaturkosten über der Wertminderung hegen3. Verkauft der Geschädigte die beschädigte Sache, insbesondere ein Kraft­ fahrzeug, unrepariert, so ändert dies für die beiden erwähnten Ansichten nichts am jeweiligen Ergebnis: Nach der weitergehenden Auffassung, der wohl die größere Zahl der US-Staaten folgt, besteht der Anspruch auf Scha­ denersatz in der Höhe fort, die durch die angemessenen — fiktiven — Repara­ turkosten nachgewiesen ist4. In den Staaten, die hier der Schadens­ minderungspflicht größeren Einfluß einräumen, muß der Geschädigte dage­ gen auch nach dem Verkauf des unreparierten Gegenstandes die fiktiven Reparaturkosten als Ersatzbetrag hinnehmen, wenn sie unter der Wertminde­ rung Hegen5. Einigkeit besteht in den USA, daß der Schadenersatzanspruch nicht davon beeinflußt wird, ob der Geschädigte die beschädigte Sache repariert hat, sie noch reparieren will oder sie unrepariert verkauft. Deutlicher als im deutschen Recht trennt man zwischen dem eigentlichen Schaden — der Wertminderung der Sache — und seiner Bemessung. Den Schaden selbst betrachtet man als abgeschlossene Größe, für deren Berechnung jedoch mehrere Wege zugelas­ sen werden. Ziel dieser Wege hat zu sein, die Schadenshöhe in möglichst überzeugender Weise darzutun, aber auch ihre ökonomische Vertretbarkeit zu beachten. Dabei steht die Auffassung im Hintergrund, daß hier ohnehin nur ein möglichst fairer Näherungswert zu erreichen ist. Die konkrete Schadens­ fortentwicklung — wie sie sich in tatsächlichen Reparaturkosten oder im 1 Siehe Johnson v. Scholz (vorige N.) und die dort zitierte Rechtsprechung; Steffani v. Baker, 88 Mise. 2d 215, 387 N.Y.S. 2d 355 (1976); Smith v. Hill, 237 C.A. 2d 374, 47 Cal.Rptr. 49 (1965) (zu California eingehend Johns 266ff.). 2Hartshorn v. Haddock, 135 N.Y. 116, 31 N.E. 997, 17, L.R.A. 426 (1892): Der Beklagte hatte einen Damm derart in einen Fluß gebaut, daß das nächste Hochwasser das Grundstück des klagenden Flußanliegers teilweise wegschwemmte. Das Gericht hat dem Geschädigten nur die Wertminderung des Grundstücks, nicht die - höheren - Kosten der durchaus möglichen Wieder­ herstellung zugesprochen. In der Begründung beruft sich das Urteil auch auf Sedgwick und Parallelfälle aus Iowa und Pennsylvania. 3 Siehe Hartshorn v. Haddock aaO.; zum Ganzen ferner 36 N.Y. Jur. 2d, Damages § 82. Anderejurisdiktionen entscheiden zum Teil anders, vgl. Frumer 363f. mit Nachweisen. Einge­ hend auch Speiser/Krause/Gans 665 f. 4 So etwa Riddell v. Mays, 533 S. W. 2d 910 (Tex.Civ. App. 1976): Das Gericht bestätigte in abstracto den Grundsatz der freien Wahl zwischen Ersatz der Wertminderung oder Ersatz der Reparaturkosten einschließlich loss of use. Konkret ging es nur um den Ersatz für loss of use. 5 Vgl. Hartshorn v. Haddock aaO.; ebenso die kalifornische Rechtsprechung (oben N. 1).

Verkauf der unreparierten Sache zeigt - hat deshalb vor allem beweisrecht­ Uchen Stellenwert, indem Daten, die sich aus diesen Folgevorgängen ergeben, die Höhe des eigentlichen Schadens indizieren können, jedoch nicht an die Stelle des Schadens selbst treten. Hinsichtlich der Schadensbemessung im Einzelnen prägt sich eine Antino­ mie aus, auf die wir noch öfter stoßen werden1: Anspruch des Geschädigten auf Wiederherstellung ohne Rücksicht auf den Preis versus Anspruch auf „billigste" Ersatzform. Für das Recht der USA sind hier Präferenzen einzelner US-Staaten erkennbar, Präferenzen zugunsten des einen oder des anderen Pols dieses Gegensatzpaares. Generalisierend läßt sich freilich feststellen, daß im Recht der US-Staaten die Abrechnung aufgrund fiktiver Reparaturkosten weniger „Verdienstmög­ lichkeiten" enthält als im deutschen Recht. Zum einen steht dem Schädiger immer der Nachweis offen, daß die fiktiven Reparaturkosten die wahre Wertminderung nicht zutreffend wiedergeben, sondern sie übersteigen. Zum andern billigt die amerikanische — im Gegensatz zur deutschen — Rechtspre­ chung dem Geschädigten nicht ohne weiteres zu, die auf dem billigeren Ersatzweg ermittelte Schadenssumme bis zu 30 % überschreiten zu dürfen.

IV. Frankreich Hat der Geschädigte den (reparabel) beschädigten Wagen verkauft, bevor die Schadensfestsetzung endgültig geworden ist, so erlaubt ihm die französi­ sche Rechtsprechung, gleichwohl auf Reparaturkostenbasis abzurechnen. Beispiele bieten etwa Entscheidungen der Cour d’appel Rouen2 und des Tribunal de grande instance Dunkerque3. Die Cour de cassation hat in dem ähnlich liegenden Fall, daß der Geschädigte die Reparatur selbst oder durch eigenes Personal ausgeführt hatte, den Ersatz der vollen, auf dem Markt zu zahlenden Reparaturkosten zugebil­ ligt4. Im Schrifttum hat sich gegen eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis nach Verkauf anscheinend nur Roujou de Boubee ausgesprochen5. In der übrigen Litera­ tur wird dort betont, daß der Geschädigte mit der einmal geschuldeten Entschädigung unternehmen könne, was er wolle. Primär könne er Reparaturkostenersatz verlan­ gen6.

1 Vgl. unten S. 86 ff. 2 12. 10. 1971, Gaz.Pal. 1972.2.548 note H.M. 310. 5. 1972, D.1972.491. 4Cass. 19. 11. 1975, D.1976.137 note Le Tourneau. 5 371. 6Mazeaud/Tunc no. 2403 (S. 541 ff.).

Freilich gilt auch für diesen Komplex der generelle Grundsatz des französi­ schen Schadensrechts, daß die Wiederbeschaffungskosten die Obergrenze des Ersatzumfangs darstellen1. Da vom Wiederbeschaffungswert indessen der Restwert der Sache abzuziehen ist2, kann der Geschädigte im Ergebnis keine höhere Entschädigung verlangen, als im Höchstfall seine Werteinbuße aus­ macht, die man mit den Wiederbeschaffungskosten (und nicht dem Verkaufs­ wert, dem sog. „valeur venale") ja allerdings großzügig bemißt3. Obwohl die deutsche und die französische Rechtsprechung für die vorlie­ gende Fallgruppe heute die gleichen Regeln befolgen, kommen beide Rechte doch zu unterschiedlichen Ergebnissen. In der Bundesrepublik kann der Ge­ schädigte eine bis zu 30% höhere Entschädigung verlangen, als sie ihm in Frankreich für die gleiche Art der Einbuße gewährt wird. Die Regelung des französischen Rechts vermeidet das deutsche Ergebnis deshalb, weil in Frank­ reich die unterschiedlichen Berechnungswege doch nur zum gleichen Ergeb­ nis führen.

V. Vergleich Überblickt man die Regelungen in den Vergleichsländern, so läßt sich ein recht einheitlich befolgter Grundsatz konstatieren: der Geschädigte kann heute in allen vier Rechtsordnungen die Reparaturkosten für seine be­ schädigte Sache, insbesondere ein Kfz, grundsätzlich auch dann verlangen, wenn er sie unrepariert verkauft hat. Mit dem Schadensereignis ist der Scha­ den als fixe Größe bereits entstanden; er Hegt in der Wertminderung der Sache. Über den Betrag, der die Wertminderung ausgleichen soll, kann der Geschädigte nach Belieben verfügen4. Freilich darf die Einheitlichkeit des Ausgangspunktes nicht darüber hinwegtäuschen, daß die vier Rechtsordnun­ gen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Entscheidend ist, ob der Anspruch auf die Reparaturkosten in seiner Höhe durch den Wiederbe­ schaffungswert begrenzt wird. In der Bundesrepublik konnte der Geschädigte bisher fiktive Reparaturko­ sten im Ergebnis solange beanspruchen, als sie den Wiederbeschaffungswert seines unbeschädigten Fahrzeugs um nicht mehr als 30% überstiegen. Für England scheint die Rechtslage ähnlich zu sein, wenn auch nicht ganz zwei­ felsfrei festzustehen. In Frankreich und vielen Einzelstaaten der USA billigt 1 So ausdrücklich für die hier zu beurteilende Fallgruppe Trib.gr. inst. Dunkerque aaO. (vo­ rige S., N. 3). Ferner Mazeaud/Tunc aaO. mit zahlreichen Nachweisen. 2 Siehe oben S. 54. 3 Siehe oben S. 54. 4 Vgl. obenS. 61, 68£, 70.

die Rechtsprechung die fiktiven Reparaturkosten dagegen nur bis zur Ober­ grenze des (Wiederbeschaffungs-)Wertes des (unbeschädigten) Fahrzeugs zu. Liegen die fiktiven Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungswert, so bilden sie ihrerseits die Obergrenze des Ersatzes. In diese Richtung geht auch die jüngste BGH-Rechtsprechung. Man erstattet dem Geschädigten also nur den jeweils geringeren Betrag. Der Geschädigte darf grundsätzlich nur den billigeren der beiden Wege der Schadensbehebung wählen. Die bisherige deutsche Lösung befriedigt im Ergebnis nicht, weil sie dem Geschädigten durch Wahl einer Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Grund­ lage gestattet, mehr an Ersatz „herauszuholen“, als ihm bei Wahl des wirt­ schaftlich günstigsten Weges der Schadensbehebung zugestanden hätte. Dabei ist nicht erkennbar, daß nicht auch der billigere Weg die Einbuße (Wertmin­ derung des Kfz) voll ausgliche. Alle dogmatischen Rechtfertigungsversuche1 vermögen nicht, für eine derartige Lösung einzunehmen2. Im Ein­ klang mit der französischen und weithin der US-amerikanischen Regelung sollte der Geschädigte deshalb fiktive Reparaturkosten nur beanspruchen können, soweit sie die Kosten des alternativen Weges zur Schadensbeseitigung nicht übersteigen. Die jüngste Rechtsprechung des BGH3 ist deshalb zu begrüßen. Im deutschen Recht läßt sich diese Lösung — wie jetzt auch vom BGH vertreten — einmal dadurch erreichen, daß die alternativen Formen der Schadensbehebung in ihren (finanziellen) Ergebnissen angeglichen werden. Dann müßte für die hier behandelten Fälle die Regel fallen, daß der Ge­ schädigte noch bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegende Re­ paraturkosten verlangen kann4. Oder man folgt für die Schadensbeseitigung auch hier strikt dem Grundsatz des § 254 BGB und ersetzt bei äquivalenten Wegen nur die Kosten des wirtschaftlich günstigeren. Die letztere Regel verdient m.E. den Vorzug, weil sich die 30%-Regel allenfalls (auf vielleicht 10%) reduzieren, aber doch nicht ganz vermeiden läßt5. Eine gewisse Toleranzgrenze, bis zu der (tatsächliche) Reparaturkosten höher als die Wiederbeschaffungskosten liegen dürfen, ist m.E. zu akzeptie­ ren. Freilich besteht diese Notwendigkeit nur, wenn der Geschädigte tatsäch­ lich vor der Wahl stand, zu reparieren oder wiederzubeschaffen, und in

1 Auf die oben S. 60 ff. eingegangen ist. 2 Gegen Ersatz fiktiver Kosten energisch ESsER/SCHMIDT I 2 S. 155: „traurige Blüten“. 3 BGH 5. 3.1985, VersR 1985, 593. 4 Siehe dazu oben S. 60 N. 1. Gleichfalls müßte die Rechnung des BGH korrigiert werden, vom Zeitwert (als möglicher Obergrenze) den Restwert des Fahrzeugs nicht abzuziehen; so aber die Berechnung in BGH 22. 11. 1977, VersR 1978, 235. 5 Die Toleranzgrenze von 30 % ist recht großzügig bemessen. Sie verleitet dazu, sich ihrer nach Möglichkeit zu bedienen. Eine gewisse Herabsetzung (etwa auf 10%) erscheint durchaus ange­ bracht; hierfür auch Kötz, FS Hauß, 191; Sanden Rz. 110ff.

diesem Dilemma den geringfügig teureren Weg gewählt hat. Hat er dagegen tatsächlich den billigeren und damit prinzipiell richtigeren Weg der Schadens­ beseitigung eingeschlagen, so ist nicht einzusehen, warum ihm im Weg der Fiktion (als habe er den teureren Weg beschritten) dennoch ein Zuschlag gewährt werden soll. Für den vollen Schadensausgleich ist ein solcher Zu­ schlag nicht erforderlich. Die um den Verkaufserlös verminderten Wiederbe­ schaffungskosten beschreiben in diesem Fall zutreffend die Vermögensminde­ rung, die der Geschädigte erlitten hat, und gleichen sie auch im erforderlichen Umfang aus. Denn mit ihnen kann sich der Geschädigte ein gleichwertiges Stück beschaffen. Liegen die Reparaturkosten ihrerseits unter dem Wiederbeschaffungswert (minus Verkaufserlös), dann stellen sie gleichfalls, die zum vollen Ausgleich erforderliche, aber auch genügende Summe dar. Auch hier kann der Ge­ schädigte m.E. wegen § 254 BGB nicht den höheren Aufwand zur Schadens­ beseitigung verlangen. Die Fallgruppe veranschaulicht, daß Schaden und der zur Schadensbeseiti­ gung erforderliche Betrag nicht gleichzusetzen sind. Wiewohl der BGH sonst beide Begriffe sauber trennt, vermischt er hier die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Reparaturkosten mit dem Schaden selbst. Die Lücke, die das Schadensereignis gerissen hat, besteht in der Beschädigung und daraus folgen­ den Wertminderung des Kfz. Der Ausgleich hierfür, die geschuldete Wieder­ herstellung, kann in gleicher Weise durch eine Reparatur des Fahrzeugs wie durch ein gleichwertiges Ersatzstück erreicht werden. Nur die jeweils geringe­ ren Kosten sollten den erforderlichen Ausgleichsbetrag darstellen. Dieses Er­ gebnis wird durch den Rechtsvergleich unterstrichen. Im deutschen Recht bietet § 254 BGB die Basis für eine solche Lösung und zugleich ein Argument für sie.

§ 5. Beschädigung neuer Sachen Auch in dieser Fallgruppe geht es um die zutreffende Berechnung eines Sachschadens. Sie hat die Frage zum Gegenstand, ob die Neuheit der be­ schädigten Sache die Höhe des Ersatzanspruchs beeinflußt. Wiederum spielen Kfz-Schäden hier eine besondere Rolle. Sie stehen deshalb im Mittelpunkt der Untersuchung.

L Deutschland 1 .Kraftfahrzeuge

Wird ein neuer Wagen erheblich beschädigt, so erlaubt die deutsche Rechtsprechung dem Geschädigten, daß er sich einen neuen Wagen wieder­ beschafft und die Kosten hierfür ohne jeden Abzug berechnet, auch wenn eine Reparatur und eventueller Ersatz für merkantilen Minderwert den Schaden gänzlich ausgleichen würden und insgesamt billiger wären1. Diese Auffas­ sung hat der BGH 1976 in einem Grundsatzurteil bestätigt2, und ist damit der überwiegenden Praxis der Instanzgerichte gefolgt3. Seiner Ansicht nach besteht ein vermögensrelevanter Unterschied zwischen einem „nagelneuen“ und einem „nicht unerheblich reparierten“ Kfz. Der Unterschied liege darin, daß bei einem neuen Wagen die Garantieansprüche unzweifelhafter seien als bei einem reparierten Wagen, bei dem der Verkäufer Mängel auf den Unfall und die Reparatur schieben könne. Auch unabhängig hiervon sei ein reparier­ ter Wagen in den Augen seines Eigentümers weniger wert. Zwar gebe es für Unlustgefühle grundsätzlich keine unmittelbare Entschädigung. „Mittelbar

1 BGH 4. 3. 1976, NJW 1976, 1202 = VersR 1976, 732; BGH 3. 11. 1981, VersR 1982, 163; BGH 25. 10.1983, VersR 1984, 46. Eingehende Darstellung der Rechtsprechung auch bei Lange 242 und insbes. N. 383; ferner Sanden Rz. 115. Die in diesem Abschnitt untersuchte Fallgruppe ist kein Sonderfall des wirtschaftlichen Total­ schadens. Eine Reparatur wäre hier im Gegenteil der wirtschaftlichere Weg zur Schadensbehe­ bung. Zur Unterscheidung beider Fallgruppen siehe etwa OLG Düsseldorf 20. 6. 1974, VersR 1976, 69. 2 BGH 4. 3. 1976, NJW 1976, 1202. 3 Siehe die vom BGH aaO. zitierten Urteile; ferner auch KG 23. 10. 1975, DAR 1976, 45.

aber können auch ästhetische Urteile und selbst irrationale Vorurteile schadensrechtlich erheblich werden, wenn sie sich wegen ihrer allgemeinen Verbreitung zwangsläufig auf den Verkehrswert der Sache, auf die sie sich beziehen, auswirken.“1 Der Verkehr mache insbesondere bei der Preisgestal­ tung einen deutlichen, „rational nicht voll erklärbaren“ Unterschied zwischen fabrikneuen und mäßig gebrauchten oder auch reparierten Wagen. Wie auch in anderen Zusammenhängen stützt sich der BGH hier auf die Verkehrsan­ schauung, der er eine objektivierende Wirkung in dem Sinn beilegt, daß sie Gefühlswerte in Geldwert umzumünzen vermag2. Allerdings werden die Voraussetzungen für eine Abrechnung auf Neuwa­ genbasis nicht einheitlich gehandhabt. Bis zu welcher Grenze ein Wagen als neu gelten kann, bestimmt die Rechtsprechung in erster Linie nach der Fahrleistung. Als Faustregel werden etwa 1000 km als Obergrenze angesetzt3. Einige Oberlandesgerichte gingen bis zu 2000 km4. Andere lehnten eine starre Grenze ab. Sie entschieden nach den Umständen des Einzelfalles und sahen auch in noch höheren Fahrleistungen keinen Grund, die Herstel­ lung durch Kauf eines neuen Wagens zu versagen5. Der BGH hat die Faustregel von 1000 km ausdrücklich gebilligt, aber Ausnahmen von ihr zugelassen6. Die — freilich auch nicht ausnahmslose — Höchstgrenze seien 3000 km oder ein Monat Fahrtdauer7. Zu welchen Unterschieden in der endgültigen Schadensfestsetzung die verschiedenen Ansätze führen können, demonstriert ein Fall des OLG München8: bei Abrechnung auf Neuwagen­ basis standen dem Kläger 11700 DM zu, bei Abrechnung auf Reparaturko­ stenbasis nur 5600 DM. Weil der Kläger schon 3000 km gefahren war, galt der Wagen nicht mehr als „neu“, erhielt der Kläger nur Reparaturkosten in 1 BGH (vorige S., N. 2) 1203. 2 Zur Verkehrsanschauung und ihrer Bedeutung auch unten S. 3 So BGH 3. 11.1981, VersR 1982,163; BGH 25. 10.1983, VersR 1984, 46. Aus der vorange­ henden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte etwa OLG Bamberg 21. 12. 1971, NJW 1972, 828; OLG München 23. 8. 1973, VersR 1974, 65; OLG Düsseldorf20. 6. 1974, VersR 1976, 69; OLG Bremen 16. 2. 1977, VersR 1978, 236 mit Anm. Klimke, VersR 1978, 1117; OLG Celle 16. 5. 1980, VersR 1980, 67. Für eine Grenze von 500 km: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht Rz. 1197. 4 Vgl. etwa OLG Hamm 14. 2. 1968, NJW 1968, 993; OLG Köln 12. 10. 1978, DAR 1979, 111. 5 KG 23. 10. 1975, DAR 1976, 45 mit Hinweisen auf weitere Entscheidungen des KG; OLG Frankfurt 8. 6. 1979, VersR 1980, 335 [LS]. 6 BGH 3. 11. 1981, VersR 1982, 163; BGH 29. 3. 1983, VersR 1983, 658; BGH 25. 10. 1983, VersR 1984, 46. 7 BGH 29. 3. 1983, VersR 1983, 658. 8 23. 8. 1973, VersR 1974, 65. Ähnlich die Relationen im Fall des LG Frankfurt 22. 2. 1979, DAR 1980, 154 (hier 7000,- DM für Neukauf statt 4000,- DM für Reparatur zugesprochen, da der Wagen erst 1200 km gelaufen war). Noch deutlicher die Differenz in den genannten, vom BGH entschiedenen Fällen (N. 6): einmal 3000,- DM (Reparaturkosten) zu 10000,- DM (Wie­ derbeschaffungskosten); ferner 9500,- DM zu 19000,— DM und 2700,- DM zu 10000,- DM.

Höhe von 5600 DM. Wäre er nur 1000 km gefahren, so hätte ihm das OLG den doppelten Betrag zuerkannt. Im Extremfall entscheidet also ein Kilome­ ter mehr oder weniger darüber, ob der Geschädigte nur „einfachen“ Scha­ densersatz oder möglicherweise das Doppelte und mehr erhält. Einheitlicher Handhabung entzieht sich weitgehend auch die weitere Vor­ aussetzung, daß der neue Wagen erheblich beschädigt worden sein muß. Allge­ mein anerkannt ist zwar, daß reine Blechschäden, die sich folgenlos beheben lassen, noch keine erhebliche Beschädigung bedeuten1. Andererseits ist nicht gefordert, daß die Reparatur unmöglich oder teurer als die Wiederbeschaf­ fung eines neuen Wagens sei — dann läge ein echter oder wirtschaftlicher Totalschaden vor2. Von den reinen Blechschäden abgesehen, verbleibt je­ doch noch ein recht breites Feld, auf dem Schäden als erheblich oder unerheb­ lich betrachtet werden können. Dieses Feld wird vorwiegend von Zumutbar­ keitsgesichtspunkten beherrscht. Für den Geschädigten ist es dann nicht zu­ mutbar, sich mit den Reparaturkosten zufriedenzugeben, wenn sein Wagen trotz der Reparatur noch zum Unfallwagen abgestempelt wäre3. Die Ge­ richte folgen insoweit unterschiedlichen Ansätzen4. Diesen Verästelungen soll hier nicht im einzelnen nachgegangen werden. Festzuhalten bleibt jedenfalls für diese Fallgruppe des stärker beschädigten Neuwagens folgendes: Die Rechtsprechung erlaubt dem Geschädigten eine aufwendigere Schadensberechnung, als sie nach den üblichen Schadensregeln an sich zulässig ist. Grund dafür ist der vom Markt angenommene Minder­ wert des Unfallwagens gegenüber dem fabrikneuen Wagen. Dieser Minder­ wert ist teilweise auf objektivierbare Umstände, teilweise auch auf irrationale, vom Markt aber geforderte und ausgenutzte Vorurteile zurückzuführen. Die Rechtsprechung folgt der vorgefundenen Kommerzialisierung solcher Ein­ schätzungen.

2 . Andere Sachen

Auch bei anderen Gebrauchsgütern als Kraftfahrzeugen (Kleider, Haus­ haltsgeräte etc.) stellt sich die Frage, ob für die erhebliche Beschädigung des neuwertigen Guts grundsätzlich nur die Reparaturkosten oder (höhere) Wie­ derbeschaffungskosten für ein neues Stück verlangt werden können. 1 Siehe BGH 4. 3. 1976, NJW 1976, 1202; ferner auch hierzu OLG München aaO.; OLG Karlsruhe 26. 10. 1973, VersR 1974, 671. 2 Exemplarisch: OLG München aaO. 3 So insbesondere KG 26. 4. 1976, VersR 1977, 155 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung der letzten Jahre. 4 Vgl. etwa OLG Düsseldort 21. 1. 1974, VersR 1974, 604 und 20. 6. 1974, VersR 1976, 69 einerseits, KG 26. 4. 1976, VersR 1977, 155 andererseits.

Soweit Güter durch ihr Alter an Wert gewinnen (z.B. Bäume, Wein, Kunstgegen­ stände), geht es freilich im Gegenteil darum, ob der Geschädigte nur die billigere Wiederbeschaffung (z.B. eines jungen Baumes mit eventuellem finanziellem Aus­ gleich) oder die (teurere) Beschaffung eines gleichartigen Gegenstandes - also etwa eines gleichgroßen Baumes - beanspruchen kann1.

In der gerichtlichen Praxis spielt die Eingangsfrage bisher keine große Rolle, wohl deshalb, weil die Schere zwischen Reparatur- und Wiederbe­ schaffungskosten bei anderen Gegenständen nicht derart weit auseinander­ klafft wie bei Kraftfahrzeugen. Gewöhnlich muß sich der Geschädigte bei benutzten Sachen im Weg der Vorteilsausgleichung einen den Umständen angemessenen Abzug „neu für alt“ gefallen lassen2. Hat die Benutzung der Sache ihr die Neuheit noch nicht genommen, so entfällt freilich ein Abzug3. Doch scheint es, als halte sich die Rechtsprechung hier stärker als bei Kraft­ fahrzeugen zurück, den Verlust der Neuheit besonders zu honorieren4.

II . England Es ist zunächst an den Ausgangspunkt zu erinnern, von dem aus Sachscha­ den in England Ersatz findet. Für die bloße Beschädigung einer Sache sind grundsätzlich die Reparaturkosten „the normal measure of damages“; für die Vernichtung der Sache sind es dagegen die Wiederbeschaffungskosten 5. Wird eine neuwertige Sache, insbesondere ein neuer Wagen beschädigt, so hängt es damit erst einmal von der Art der Beschädigung ab, ob aufgrund der Reparaturkosten — so bei reparabler Beschädigung — oder der Wiederbeschaf­ fungskosten — so bei Totalschaden — abzurechnen ist. Dabei kennt man durch­ aus den Begriff des wirtschaftlichen Totalschadens (constructive total loss oder constructive write-off)6, der einem technischen Totalschaden gleichsteht 1 Vgl. hierzu etwa BGH 13. 5. 1975, VersR 1975, 1047 mit Anm. Koch VersR 1975, 1102; KG 22. 1. 1976, VersR 1976, 735 mit Anm. Koch; KG 2. 10. 1978, VersR 1979, 36 mit Anm. Koch VersR 1979, 330; KG 20. 11. 1978, VersR 1979, 139; OLG Hamburg 6. 12. 1978, VersR 1979,962: OLG Celle 14. 1.1982 und 9. 12.1982, VersR 1984,69. Ferner Kappus, Der Schadens­ ersatzanspruch bei Zerstörung von Straßenbäumen, VersR 1984, 1021; Koch, Der Schadenser­ satzanspruch bei Zerstörung von Straßenbäumen, VersR 1985, 213; Breloer, Der Schadenser­ satzanspruch bei Zerstörung von Straßenbäumen, VersR 1985, 322. 2 BGH 24. 3.1959, BGHZ 30,29; BGH 23. 10. 1973, VersR 1974, 243; ausführlich dazu auch Larenz § 29Ila (S. 391); Lange 171 ff. 3 Lange 173; Münch Komm(-GRUNSKY) § 251 Rz. 10 jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 4 Vgl. die Zusammenstellung bei Lange 173. 5 The London Corporation [1935] P. 70 (C. A.); Liesbosch Dredger v.S.S. Edison [1933] A.C. 449 (H.L.). 6 Vgl. Darbishire v. Warran [1963] 2 All E.R. 310 (C.A.); zur Versicherungspraxis vgl. Killick 109f.

und regelmäßig dazu dient, überdimensionierte Reparaturkosten abzuweh­ ren1. Außerhalb dieses Schemas scheint es aber keine weiteren Besonderhei­ ten zu geben2. Jedenfalls sind keine Fälle ersichtlich, in denen für die repara­ ble Beschädigung neuwertiger Wagen oder sonstiger Sachen Wiederbeschaf­ fungskosten erstattet wurden, die höher als die Reparaturkosten lagen.

IIL USA Die „before and after rule", die zahlreiche Jurisdiktionen zum Aus­ gangspunkt der Berechnung reparabler Sachschäden nehmen3, verlangt, daß der Schädiger die Wertminderung ausgleicht, die er der Sache zugefugt hat, also die Differenz zwischen dem „before and after“-Wert ersetzt. Nur dann ist der Forderung nach vollem Ersatz des Schadens Genüge getan. Die Wertminderung richtet sich in erster Linie nach der Differenz zwischen dem Marktpreis der Sache vor und nach ihrer Beschädigung; sie ist dagegen nicht ohne weiteres mit den Reparaturkosten identisch. Der Geschädigte kann damit in zahlreichen Einzelstaaten von vornherein einen anderen (und höhe­ ren) Betrag als die Reparaturkosten einklagen und so den vom Markt aufge­ nommenen „normalen“ merkantilen Minderwert oder auch einen weiterge­ henden Wertverlust geltend machen4. Doch muß er diesen Minderwert konkret - etwa durch die sachverständig ermittelten Marktpreise oder in einer sonst das Gericht überzeugenden Form — nachweisen und erhält nicht etwa von einer festen Grenze (einer bestimmten Kilometerzahl, einem bestimmten Schadensbetrag) an automatisch das Recht, die Kosten eines Neuwagens zu verlangen. In den einschlägigen Fällen, die freilich nicht sehr zahlreich zu sein schei­ nen5, hat die Rechtsprechung dem Eigentümer eines beschädigten neuen Wagens wohl eine erheblich über den Reparaturkosten liegende Wertminde­ rung, doch nicht die vollen Wiederbeschaffungskosten ersetzt6. Wie man 1 Vgl. insbesondere Darbishire v. Warran aaO. 2 Siehe auch Killick aaO. 3 Siehe dazu Frumer 354 ff.; ferner Dobbs 379f.; speziell für California Johns 266 ff. jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen; ferner oben S. 49. 4 So in Texas: Merrill v. Tropoli, 414 S. W. 2d 474 (Civ.App. 1967); in Wisconsin: Krueger v. Steffen, 30 Wis. 2d 445,141 N. W. 2d 200 (1966). Anders dagegen California: Smith v. Hill, 237 C.A. 2d 374, 47 Cal.Rptr. 49 (1965). Vgl. im übrigen auch oben S. 68 N. 4 und 5. 5 Etwa Alber v. Wise, 53 Del. 126, 166 A. 2d 141 (1960); Champion Home Builders v. Shumate, 388 F. 2d 806 (106h Cir. [Kans.] 1967); Barstow v. Jackson, 429 S.W. 2d 536 (Tex.Civ. App. 1968). Ältere Rechtsprechung bei Frumer aaO. 6 Vgl. die in N. 5 zitierte Rechtsprechung. Eine Ausnahme macht, soweit ersichtlich, lediglich die louisianische Entscheidung Moss Tie Co. v. General Motors Corp., 68 So. 2d 227 (La. 1953) (Hier war der Wagen drei Tage alt und ca. 300 km gefahren. Der Geschädigte erhielt im Ergebnis den vollen Wert des Kaufpreises).

regelmäßig verfährt, zeigt die Entscheidung Champion Home Builders v. Shumate1. Der Kläger besaß einen 19 Tage alten Neuwagen, dessen Fahrleistung nicht mitge­ teilt wird. Die Beschädigung war, nach den geschätzten Reparaturkosten zu urteilen, nicht sehr schwer, aber auch kein Bagatellschaden. Zum Nachweis seines Schadens hatte der Kläger Kostenvoranschläge für die Reparatur vorgelegt, jedoch auch eine darüber hinausgehende Wertminderung behauptet und durch persönliche Aussagen und Fotos zu beweisen versucht. Die Jury sprach ihm eine Summe in Höhe des halben Kaufpreises des neuen Fahrzeugs und damit das Vierfache der Reparaturkosten zu. In der Instanzentscheidung wurde das Jury verdict" aufrechterhalten, denn „the jury, exercising their knowledge of affairs common to all people, could reasonably conclude that when a new car is damaged in a collision, estimates of repair alone cannot properly compensate the owner for the damages to his property.“2

Ganz ähnlich lagen die übrigen Fälle; ähnlich lakonisch, eher noch knapper fielen auch dort die gerichtlichen Begründungen aus3. Insgesamt ist die amerikanische Rechtsprechung in den diskutierten Fällen also zurückhalten­ der als die deutsche Judikatur. Eine starre Grenze, bis zu der noch der volle Neuwert und jenseits derer nur Reparaturkosten (und merkantiler Minder­ wert) zu erstatten sind, ist ihr fremd. Für andere Gegenstände als Kraftfahr­ zeuge folgt man den gleichen Regeln4.

IV. Frankreich Die französische Rechtsprechung hat für die hier zu untersuchende Fall­ gruppe keine Sonderregeln aufgestellt. Sie folgt dem Grundsatz, daß für reparable Sachen die Reparaturkosten den Schadensumfang bestimmen. In der Höhe sind sie freilich beschränkt auf die Kosten, die die Wiederbeschaf­ fung eines adäquaten Wagens verursachen würde5. Dementsprechend billigt keine der publizierten Entscheidungen dem Geschädigten von vornherein die Wiederbeschaffungskosten zu, wenn ein neuer Wagen erheblich, aber repara­ bel beschädigt wurde. Vielmehr erhält der Geschädigte auch in diesem Fall prinzipiell nur die Reparaturkosten6.

1 388 F. 2d 806 (10* Cir. (Kans.) 1967). 2 Champion Home Builders v. Shumate aaO. 810. 3 Vgl. etwa Moss Tie Co. v. General Motors Corp., 68 So. 2d 227 (La. 1953); Alber v. Wise, 53 Del. 126, 166 A. 2d 141 (1960); Barstow v. Jackson, 429 S.W. 2d 536 (Tex.Civ.App. 1968). 4 Vgl. Dobbs 379ff.; Frumer 361 f.; Johns 266 ff. 278 ff. (für California). 5 Siehe oben S. 53f. 6 Gleichlautende Feststellungen trifft für das französische Recht auch Rainer Hartmann 72.

So entschied die Cour d’Appel Nancy für einen drei Tage alten Wagen mit 1233 km Fahrleistung1; ähnlich lag der Sachverhalt der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance Aix-en-Provence2, in der die sehr erheblichen Schäden an einem zwei Monate alten Wagen (ohne km-Angabe) ebenfalls nicht zum Ersatz des Neuwer­ tes führten3. Aus der Rechtsprechung der Cour de cassation sind zwei Entscheidungen von Interesse, ohne allerdings gänzlich einschlägig zu sein. Die 2. Zivilkammer der Cour hat bei starker Beschädigung eines unter sechs Monate alten Wagens neben den Reparaturkosten einen Zuschlag für „depreciation“ zugesprochen4. Die Chambre de Criminelle der Cour de Cassation hob ein Urteil auf, das dem Eigentümer eines 14000 km gelaufenen Wagen die Kosten für ein neues Fahrzeug zugebilligt hatte statt sich auf den Ersatz der Reparaturkosten zu beschränken5. Einige Stimmen in der Literatur6 vertreten demgegenüber die Auffassung, daß die erhebliche Beschädigung eines neuen Fahrzeugs einen Anspruch auf den Neuwert begründe7. Die Gerichtspraxis stützt diese Auffassung aber nicht.

Die Rechtsprechung erhöht die Reparaturkosten allerdings um einen ge­ wissen Zuschlag für die unfallbedingte Entwertung (depreciation) des Wa­ gens8. Doch wird dieser Zuschlag, dem im deutschen Recht das Institut des merkantilen Minderwerts entspricht, keineswegs nur gewährt, wenn neue Wagen Schaden genommen haben. In letzterem Fall wird der Betrag für die „depreciation“ freilich höher bemessen und mag unter Umständen auch einmal zusammen mit den Reparaturkosten den Neuwert erreichen9. Doch als Regel gewährt das französische Recht — ähnlich der Regelung in England und den USA und ganz im Gegensatz zu Deutschland - keine besonders erhöhte Entschädigung, wenn ein neuer oder fast neuer Wagen in der Weise

1 22. 12. 1971, Gaz.Pal. 1972.1. Somm. 38 note; ebenso Paris 26. 3. 1963, D. 1963. 487. 2 21. 12. 1970, Gaz.Pal. 1971.1.152, note. 3 Da in diesem Fall weder Reparatur noch Wiederbeschaffung zum Zug kamen, geht das Gericht für die Schadensberechnung vom „valeur venale“ aus, als den es den Kaufpreis des Wagens nimmt, ihn aber wegen „vetuste“ um 9 % kürzt. Davon war dann noch der Restwert des Wagens abzuziehen. 4 Cass. 6. 10. 1966, Gaz.Pal 1967.1.16 note. 5 9. 11.1972, Gaz.Pal. 1973.1 somm. 153 note. 6 Siehe die note (vorige N.) und den Aufsatz (ohne Verfassernamen) eines Mitarbeiters der Gazette du Palais „particulierement averti en la matiere“ „Valeur venale ou coüt des reparations“, Gaz.Pal. 1974.1.560 (561). 7 Die Anmerkung zur Entscheidung der Chambre Criminelle beruft sich dafür auf die Urteile der Cour d’Appel Nancy und des Tribunal gr. inst. Aix-en-Provence (oben N. 1 und 2). 8 So insbes. die Entscheidungen der Cour de cassation (oben N. 4) und der Cour d’Appel Nancy (oben N. 1). Näher Le Tourneau 349f. 9 Doch ist ein solcher, gerichtlich entschiedener Fall bisher nicht ersichtlich. Paris 27. 11. 1971, Juris. Autom. 1972.16 betont lediglich, daß „la devalorisation" bei neuen Wagen besonders gravierend sei.

beschädigt wurde, daß eine Reparatur technisch noch möglich und auch nicht unwirtschaftlich war. Die Frage, welchen Einfluß das Altem von Gegenständen auf den Ersatz­ umfang hat, spielt im französischen Recht jedoch in anderer Hinsicht eine wesentliche Rolle. Unter dem Stichwort „vetuste“ (Altersabschlag) hat man ausführlicher als in den anderen drei Rechten diskutiert, ob bei Schäden an länger gebrauchten Sachen der Ersatzanspruch (auf die Reparatur— oder die Wiederbeschaffungskosten) generell zu kürzen, also immer ein Abschlag „neu für alt“ vorzunehmen sei. Die heute herrschende Ansicht verneint das im Grundsatz, wenn die Brauchbarkeit der alten Sache nur durch die Beschaf­ fung neuerer — und damit an sich wertvollerer — Ersatzgegenstände wieder­ hergestellt werden kann1. Da man im französischen Schadensrecht den Wert einer Sache vor allem an der Brauchbarkeit für ihren Inhaber bemißt, soll der Geschädigte als Ersatz eine gleich brauchbare Sache erhalten oder sich ver­ schaffen können. Kann dieser Zustand nur zu Kosten hergestellt werden, die den Wert der beschädigten Sache übersteigen, so hat der Schädiger gleich­ wohl diesen höheren Betrag zu leisten. Umgekehrt spricht man aber auch keinen höheren Betrag zu als jenen, der die Brauchbarkeit (durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung) wiederherstellt.

V. Vergleich Das deutsche Recht weicht für den untersuchten Komplex auffällig von den übrigen Rechten ab. Während in Deutschland der Eigentümer für einen Wagen, der noch nicht mehr als 1000 km gefahren und erheblich beschädigt wurde, stets den vollen Neuwert verlangen kann, auch wenn eine Reparatur billiger wäre, kennen England, die USA und Frankreich eine solche Regel nicht. Das englische Recht berücksichtigt einen besonderen Kfz-„Neuwert“ wohl überhaupt nicht; in Frankreich und den USA gewährt man abgestuft nach dem Grad der Benutzung einen gewissen Neuheitszuschlag, der indessen zusammen mit den Kosten der möglichen Reparatur nicht den vollen Neu­ wert erreicht. Allenfalls dann, wenn der Wagen gänzlich unbenutzt war, erstattet man auch nach diesen Rechten den vollen Neuwert. Die in Frankreich und den USA praktizierte Regel verdient m.E. den

1 Zum Grundsatz und seinen Ausnahmen: Mazeaud/Tunc III 538ff.; Le Tourneau 346f.; Roujou de BOUBE 374 ff. Aus der Rechtsprechung siehe etwa Trib. Pol. La Roche-Sur-Yon, 10. 2.1978, D. 1978. IR. 407, note Larroumet; früher Cass. 9. 5.1972, Gaz.Pal. 1972.1. AusfuhrUche Nachweise auch bei Derrida no. 103.

Vorzug. Drei Gründe geben dafür den Ausschlag. Einerseits läßt sich kaum begründen, weshalb ein Wagen mit 1000 km (oder welcher Zahl immer) Fahrleistung noch neu sein soll, mit wenig mehr Kilometern aber nicht mehr. Das wirkt zumal dann arbiträr, wenn daraus je nachdem, ob die Fahrleistung diesseits oder jenseits der Grenze Hegt, Schadenssummen hergeleitet werden, die bis zu 100% auseinanderklafFen1. Wirklich neu ist nur ein Wagen, der noch überhaupt nicht gefahren wurde. Zum anderen leuchtet nicht ein, weshalb bei schwerer beschädigten, neu­ wertigen Wagen die in § 254 BGB verankerte Pflicht des Geschädigten nicht gelten soll, den billigeren Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Ist der — auch erhebliche — Schaden folgenlos reparabel und eine verbleibende Wert­ minderung - die bei neuen Wagen höher ausfällt als bei alten — berücksichtigt, dann ist der Schaden voll behoben und es müßten schon besonders wichtige Gründe dafür sprechen, dem Geschädigten ein weiteres Mehr an Ersatz zuzu­ billigen, nur weil eine subjektiv empfundene Minderung der Neuheit des Wagens verbleibt2. Schließlich existiert kein Markt für „gebrauchte Neuwagen.“3 Der Be­ wertung, wenig gelaufene Wagen im Wert nagelneuen gleichzusetzen, haftet deshalb ohnehin ein gewisses irreales Moment an. In der Tatsächlichkeit ist diese Bewertung jedenfalls kein marktüblicher und typischer Vorgang. Gäbe es aber einen entsprechenden Markt, so ist es kaum wahrscheinlich, daß Käufer und Verkäufer wenig gelaufene Wagen zu gleichen Preisen wie gänz­ lich unbenutzte Kfz handeln würden4. Vielmehr würde sich mit einiger Sicherheit die Praxis ergeben, einen kontinuierlichen, am jeweiligen Benut­ zungsgrad ausgerichteten Abzug vorzunehmen. Schon bisher ist es im Handel üblich, bei einem Verkauf für jede Strecke, die das Fahrzeug hinter sich hat, einen prozentualen Abzug vom Listenpreis vorzunehmen5. Ja schon der Umstand, daß ein Wagen einmal auf einen Halter zugelassen wurde, vermin­ dert in der Praxis den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs ganz unabhängig von jeder Fahrleistung6. 1 Vgl. insbesondere OLG München 23. 8. 1973, VersR 1974, 65; LG Frankfurt 22. 2. 1979, DAR 1980, 154. Die Berechtigung einer festen Kilometergrenze zieht auch Lange 242 in Zweifel. 2 Ebenso Kötz, FS Hauß 188 ff. 3 Siehe auch Lange 244. 4 Lange 247 weist zutreffend darauf hin, daß die Tatsache der Benutzung für sich dem Kfz schon an Wert nimmt. Auskünfte Hamburger Kfz-Händler ergaben, daß allein der Umstand der Erstzulassung (unabhängig von jeder Fahrleistung) den Wiederverkaufs wert neuer Fahrzeuge um 10—20% mindert. 5 So die Auskünfte einer Reihe großer Hamburger Autohäuser, die ich eingeholt habe; ebenso Sanden Rz 119; Lange 247. 6 Einen aus diesem Grunde geforderten „Zweithandzuschlag“ hat der BGH abgelehnt: BGH 7. 3. 1978, DAR 1978, 281.

Insgesamt erscheint die deutsche Regel als eine Konzession an den besonde­ ren Besitzerstolz, den der Erwerber eines neuen Wagens für einige Zeit empfindet, eine Wertschätzung, die sich am Markt nicht niederschlägt und ein starkes subjektives Element (Affektionsinteresse) enthält, das sonst im Schadensrecht nicht berücksichtigt wird.

§ 6. Ersatz konkret entstandener Mietwagenkosten

Der folgende Abschnitt behandelt als weitere wichtige Fallgruppe den Ersatz real entstandener Mietwagenkosten. Sie fällt in den Bereich der KfzSachfolgeschäden. Der Geschädigte hat sich hier bis zur Wiederherstellung des alten oder Wiederbeschaffung eines neuen Wagens ein Ersatzfahrzeug ge­ nommen und dafür tatsächliche (Miet-) Kosten aufgewendet1.

I. Deutschland Dem in § 249 BGB verankerten Grundsatz der Naturalrestitution hat die Rechtsprechung entnommen, daß derjenige, dessen Fahrzeug so beschädigt wurde, daß es zeitweise unbenutzbar war, während der Ausfallzeit Anspruch auf ein Ersatzfahrzeug hat2. Dieser Grundsatz gilt auch bei gewerblich ge­ nutzten Fahrzeugen - etwa Taxen3. Da der Schädiger Ersatz nur höchst selten in natura stellen kann, ist der Geschädigte selbst zur Herstellung berech­ tigt und kann den Ersatz der daraus entstehenden Kosten verlangen4. Der Schaden — das hat zumal der BGH deutlich gemacht5 — liegt im Gebrauchs­ 1 Die Fallgruppe hat auch erhebliche praktische Bedeutung: Mietwagenkosten machen etwa 7% des Gesamtaufkommens der Kfz-Schadensregulierung aus; vgl. Born, VersR 1978, 777. Nicht zu dieser Fallgruppe gehört der Fall, daß der Geschädigte den Ersatzwagen kostenlos — etwa von Verwandten oder Freunden — oder nur zu Scheinkosten erhielt, die er real nicht zu tragen hatte. In Frankreich weist man besonders auf die hier naheliegenden Mißbrauchsmöglich­ keiten hin und will daraus Folgerungen für den Ersatz von Mietwagenkosten generell ableiten; vgl. etwa Beraud 51. In der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts verursacht die »kosten­ lose* Ersatzgestellung dagegen prinzipiell gleich hohe Kosten, wie wenn der Geschädigte selbst Mietwagenkosten aufbringt. Denn die Kosten für die Ersatzsache übernimmt hier ja nur ein Dritter, indem er die eigene Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs vorübergehend aufgibt und damit gerade die Kosten trägt, die der Geschädigte sonst dem Dritten hätte erstatten müssen. 2 Der erste obergerichtlich entschiedene Fall ist, wie es scheint, RG 19. 8. 1943, RGZ 171, 292 unter Berufung auf RG 7. 6. 1909, RGZ 71, 121 (in diesem Fall ging es allerdings um einen Kahn). 3 BGH 4. 12. 1984, VersR 1985, 283. 4 So das Reichsgericht (RG 19. 8. 1943, RGZ 171, 292) und ihm folgend der Bundesgerichts­ hof (BGH 18. 5. 1971, BGHZ 56, 214 (215); siehe auch BGH 6. 11.1973, VersR 1974, 90; BGH 6. 11. 1973, VersR 1974,143 (144); BGH 29. 10. 1974, VersR 1975,184; BGH 2. 7. 1985, DAR 1985, 317). 5 BGH aaO.

entzug, nicht in den zur Schadensbehebung aufgewendeten Kosten. Der Schädiger ist gemäß § 249 S. 2 BGB allerdings verpflichtet, den (Geld-)Aufwand zu ersetzen, den der Geschädigte für erforderlich halten durfte, um den Zweck der Wiederherstellung zu erreichen1. Dieser Anspruch des Geschädigten unterliegt Einschränkungen, die sich schon aus § 249 BGB selbst ergeben2. Nur das zur Wiederherstellung „Er­ forderliche" kann verlangt werden3. Schranken folgen auch aus der Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Für die hier einschlä­ gigen Fälle hat der BGH beide Vorschriften zu einer Formel zusammengezo­ gen : „Der Schädiger hat... den konkreten Aufwand für Maßnahmen zu tragen, die der Geschädigte etwa bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges unter Beachtung der durch § 254 Abs. 2 BGB gezogenen Grenzen für erforderlich halten durfte“4. Anders gewendet besagt diese Formel (da § 254 BGB als Konkretisierung des § 242 BGB angesehen wird5): der Geschädigte kann den Herstellungsaufwand in Geld verlangen, der nach Treu und Glauben erfor­ derlich ist. Schaden, sofern man darunter die einmal eingetretene Lücke versteht, und berechtigtes Ersatzverlangen spielen damit stärker als sonst ge­ trennte Rollen, weil erst die Wiedergutmachungsform den genauen Scha­ densumfang bestimmt. Die untergerichtliche Praxis hat die vom Bundesge­ richtshof geprägte Formel freilich bisher nicht übernommen, sondern zieht ganz überwiegend nur § 254 BGB heran6. In den tatsächlich entstandenen Kosten (für einen Mietwagen) sieht der Bundesgerichtshof einen Anhalt dafür, daß diese Kosten erforderlich waren. Grundsätzlich sind deshalb die tatsächlichen Kosten zu ersetzen, es sei denn, der Geschädigte hat übermäßigen Herstellungsaufwand getrieben7. Aller­ dings hat der BGH dem Geschädigten gelegentlich den Nachweis auferlegt, daß sein Herstellungsaufwand nicht unangemessen war8. 1 BGH jeweils aaO. 2 Die weitere Einschränkung, die § 251 Abs. 2 BGB vorsieht (unverhältnismäßiger Restitu­ tionsaufwand ist nicht zu ersetzen), kommt selbst bei gewerblich genutzten Fahrzeugen kaum zum Tragen: vgl. BGH 4. 12. 1984, VersR 1985, 283. 3 Zu diesem Tatbestandsmerkmal siehe insbesondere die beiden Urteile des BGH vom 6. 11. 1973, VersR 1974, 90 und VersR 1974, 144 und kürzlich BGH 2. 7. 1985, DAR 1985, 317. 4 BGH 18. 5. 1971, BGHZ 56, 215. Vgl. auch BGH 29. 10. 1974, VersR 1975, 184 (185): „In den Fällen des § 249 S. 2 BGB, in denen es lediglich um die Bewertung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes geht, ist die Vorschrift des § 254 BGB ohnehin nur sinngemäß anwend­ bar“. 5 Siehe etwa BGH 21. 9. 1971, VersR 1971, 1123 (1124) unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des VI. Senats. 6 Vgl. die unten S. 86 N. 2 ff. zitierten Entscheidungen. 7 BGH 29. 10. 1973, VersR 1975, 184; BGH 6. 11. 1973, VersR 1974, 90 und 6. 11. 1973, VersR 1974, 143. 8 BGH 6. 11. 1973, VersR 1974, 90 (92) (für Kreditkosten, um Reparatur zu finanzieren) mit insoweit abl. Anm. Hartung VersR 1974, 147; BGH 4. 12. 1984, VersR 1985, 283.

Diese Grundsätze lassen der Beurteilung des Einzelfalls viel Spielraum und erlauben, die den Umständen des Einzelfalls jeweils angemessene Lösung zu finden. Die Weite der Grundsätze hat jedoch auch dazu geführt, daß zahlrei­ che Unterfragen des Mietkostenersatzes sehr kontrovers beantwortet werden. Die Uneinheitlichkeit der Gerichtspraxis überschreitet hier bei weitem das unvermeidliche Maß an Divergenz, das eine Bindung allein an den Maßstab der Billigkeit wohl stets mit sich bringt1.

1. Fixe Obergrenze?

Offen ist bislang, ob Mietwagenkosten grundsätzlich nur bis zu einer fixen Obergrenze, etwa dem Fahrzeugwert vor dem Unfall, oder aber auch dar­ über hinaus erstattet werden können. Eine Reihe von Entscheidungen ver­ neint eine solche Begrenzung. Exemplarisch ist ein Fall des OLG Karlsruhe2. Der Wagen des Klägers hatte vor dem Unfall einen Zeitwert von 3000,— DM. Danach wurde der Wagen vorläufig und notdürftig repariert (geschätzte Kosten: 1500,— DM). Für diese Zeit und für eine anschließende Frankreich-Reise mit seiner hochschwangeren Frau nahm der Kläger einen Mietwagen. Die Mietwagenkosten sprach ihm das OLG auch für die Frankreichreise in voller Höhe zu, obwohl eine Flugoder Bahnreise billiger gewesen wäre. Insgesamt erhielt der Kläger 4000,- DM Miet­ wagenkosten und zusätzlich weitere Ersatzleistungen für den eigentlichen’ Sachscha­ den. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, ein anderes Verkehrsmittel zu benutzen. Daß die Mietwagenkosten den Fahrzeugwert erheblich überstiegen, wird ausdrücklich für unbeachtlich erklärt. „In Ausnahmefällen mag dies [sc. Benutzung eines anderen Verkehrsmittels] zwar verlangt werden können... Im Hinblick auf den Grundsatz der Naturalrestitution, der es nun einmal mit sich bringt, daß der geschädigte Fahrzeughal­ ter Anspruch auf die Einräumung der Nutzung eines - anderen - Fahrzeugs hat, können diese Fälle jedoch nur besondere Ausnahmen sein. Insbesondere kann der geschädigte Halter auch dann nicht auf ein anderes Verkehrsmittel verwiesen werden, wenn dies billiger als das Mietfahrzeug ist und die beanspruchten Mietwagenkosten zusammen mit den anderen vom Schädiger zu erbringenden Ersatzleistungen den Zeitwert des beschädigten Fahrzeugs sichtbar übersteigen.“3

Im Ergebnis haben ebenso entschieden etwa OLG München4, LG Saar­ brücken5.

1 Ebenso Lange 182. 2 27. 2. 1974, VersR 1974, 1005. 3 OLG Karlsruhe aaO. 1006. 4 14. 6.1983, VersR 1983,1064 [LS] 5 23. 11. 1970, VersR 1972, 302.

Hier waren Mietwagenkosten von ca. 12000,— DM für vier Monate entstanden; der Zeitwert des Wagens ist allerdings nicht mitgeteilt. Das LG stellt nur darauf ab, daß der Nutzungsentzug adäquate Folge des schädigenden Verhaltens ist: „Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten..., der Kollision mit einem Chevrolet und der langen Reparaturzeit kann daher auch nicht durch Billig­ keitserwägungen in Frage gestellt werden.“

Sowie LG Nürnberg-Fürth1: Die Klägerin befand sich auf einer Urlaubsfahrt in die Türkei; Mietwagenkosten von 4200,- DM wurden voll zugesprochen, obwohl Bahnkosten billiger gewesen wären: Der Geschädigte solle nicht zugunsten des Schädigers auf Gebrauchsvorteile eines eigenen Fahrzeugs verzichten müssen.

Der BGH hat sich dieser Auffassung im Grundsatz angeschlossen, dem Geschädigten aber auferlegt, nicht das erstbeste Angebot anzunehmen, son­ dern Vergleichsangebote einzuholen2. Die gegenteilige Position vertritt u. a. das OLG Nürnberg. Danach entfällt ein Anspruch auf Mietwagenkosten, soweit diese den Wiederbeschaffungs­ wert des Fahrzeugs des Geschädigten übersteigen3. Ein Türke, der sich auf der Heimreise befand, erlitt einen Unfall und setzte anschlie­ ßend die Fahrt (11000 km) mit einem Mietwagen fort. Die Kosten dafür waren etwa doppelt so hoch wie für den Kauf eines mit dem Unfallwagen gleichwertigen Ge­ brauchtwagens. Das OLG hielt den Kläger für verpflichtet, den Schaden durch Wahl dieses billigeren Ersatzweges (Kauf eines Ersatzwagens) kleinzuhalten. Das Gericht begründet das Ergebnis mit § 254 BGB, spricht sich allerdings gleichfalls dafür aus, daß ein „Umsteigen“ auf ein billigeres Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

Weitergehend hat das OLG Stuttgart4 ein Umsteigen auf die billigere Bahn für zumutbar erklärt und statt 7000,- DM Mietwagenkosten nur 2000,- DM Bahnkosten zugesprochen5. Mehrere Landgerichte haben hohe Mietwagenkosten der Geschädigten für Auslandsreisen nicht durch die Grenze des Wiederbeschaffungswertes, son­ dern dadurch reduziert, daß sie solche Kosten nur für die übliche Wiederbe­ 114. 2. 1973, VersR 1974, 507. 2 BGH 2. 7.1985, DAR 1985, 317. 3 21. 9. 1973, VersR. 1974, 677. Ganz ähnlich Sachverhalt und Entscheidungen in einem Fall, der dem OLG Köln vorlag: 27. 4. 1979, VersR 1979, 965. 4 7. 11. 1975, VersR 1977, 44. 5 OLG Stuttgart aaO.: „Das Gepäck, das der Kläger und seine Angehörigen [sc. für eine Urlaubsheimreise nach Griechenland] mit sich führte, hätte zwar insbesondere beim Ein- und Ausladen Schwierigkeiten und Umstände bereitet. Solche Unannehmlichkeiten werden jedoch bei solchen Reisen alltäglich auf sich genommen.“ Ähnlich LG Freiburg 8. 12.1983, DAR 1984, 153.

schaffungszeit zubilligen1. Nach § 254 BGB seien die Kläger verpflichtet gewesen, Reisen bis zur Wiederbeschaffung eines neuen Fahrzeugs aufzu­ schieben. Eine mittlere Linie verfolgt das Kammergericht2. Es wägt nach den Um­ ständen ab, ob Mietwagenkosten für eine längere Auslandsreise angemessen sind. Einem Türken, der auf der Reise in die Türkei am Wochenende schuld­ los angefahren worden war, hat es die gesamten (um 15% gekürzten3) Mietwagenkosten zugesprochen. Schließlich ist ein „vernünftiges Verhältnis“ der Mietwagen- zu den Repa­ raturkosten als Grenze gefordert worden4. Der BGH hat lediglich die Un­ verhältnismäßigkeit der Mietwagenkosten als Grenze (§ 251 Abs. 2 BGB) angegeben5. Die hier skizzierten Fälle lassen zwei gegensätzhche Tendenzen deutlich erkennen: Ein Teil der Rechtsprechung will dem Geschädigten Mietwagen­ kosten ohne Rücksicht auf sonstige Vergleichswerte einräumen; ein anderer im Gegensatz dazu Mietwagenkosten nur unter Bindung an solche Wertrela­ tionen zusprechen. Hauptstütze der zweiten Auffassung ist § 254 BGB, wäh­ rend sich die erste auf das Gebot vollen Schadenersatzes in § 249 BGB stützt. Hintergrund der unterschiedlichen Beurteilung ist ein unterschiedliches Ver­ ständnis von der Funktion des Schadenersatzes. Dem Geschädigten sei nach Möglichkeit keinerlei Einschränkung seiner Dispositionsmöglichkeiten zuzu­ muten. Schadenersatz habe sie voll wiederherzustellen. Oder dem Geschädig­ ten sei — auch aus Rücksicht auf die Schadensanfälligkeit seiner Position - eine gewisse Einschränkung zumutbar. Schadenersatz habe nur den üblichen, , nor­ malen* Schaden auszugleichen6.

2. Bestimmte Frist?

Für welche Frist dem Geschädigten Mietwagenkosten zugesprochen wer­ den können, ist ebenfalls umstritten. Im Grundsatz ist dies der Zeitraum, der für eine Reparatur oder Wiederbeschaffung in gleichliegenden Fällen übli­ cherweise erforderlich ist. Generell orientiert sich die Rechtsprechung dabei zunächst an der tatsächlichen Ausfallzeit, reduziert sie aber in einer Reihe von 1 Beispielsweise LG Kempten 15. 1.1974, VersR 1974,1036; LG Bonn 6. 8.1974, VersR 1975, 456; ähnlich auch LG Köln 10. 12. 1975, VersR 1977, 48. 2 Vgl. etwa KG 11. 10. 1976, VersR 1978, 426 [LS]. 3 Zu diesem üblichen Abzug für Eigenerspamis siehe noch unten 4. 4 AG München 18. 4. 1984, VersR 1985, 300. 5 4. 12. 1984, VersR 1985, 283. 6 Die Rechtsprechung verwendet öfters die Formulierung, der Geschädigte solle nicht mehr erhalten, als er bekommen hätte, wenn er den Schaden aus eigener Tasche behoben hätte.

Fällen. So ist in den schon im vorigen Abschnitt berührten Reiseentscheidun­ gen durchaus unsicher, welcher Zeitraum als noch üblicherweise erforderlich gelten kann1. Weiter wurde jedenfalls bis zum Urteil des BGH vom 29. 10. 19742 uneinheitlich beurteilt, ob der Geschädigte Mietwagenkosten auch für die Zeit beanspruchen kann, die durch werkstattbedingte Reparaturverzöge­ rung verstrichen war3. 4Die BGH-Auffassung erlegt die Werkstattfehler jetzt dem Schädiger auf1. Sie läuft mit ihrer Ersatzausdehnung freilich der Ten­ denz der Untergerichte zuwider, die Schadenersatzansprüche eher eindäm­ men wollen. Die Untergerichte sehen jetzt zum Teil das Problem darin, ob der Geschädigte die „richtige“ Werkstatt ausgesucht und sie etwa zur zügigen Reparatur genügend gedrängt hat5. Läßt es der Geschädigte hieran fehlen, so kann das als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ein Mitver­ schulden begründen und den Anspruch mindern6. Ebenfalls gespalten ist die Rechtsprechung in der Sonderfrage, ob Mietwa­ genkosten für die konkrete Lieferfrist eines schon bestellten Wagens oder nur für den üblichen Zeitraum zustehen, binnen dessen ein entsprechender Ge­ brauchtwagen zu beschaffen ist7.

3. Geringer Fahrbedarf

Ziemlich einhellig ist die heutige Praxis der Untergerichte, tatsächliche Mietwagenkosten dann nicht in voller Höhe zu erstatten, wenn der Ge­ schädigte den Mietwagen nur in geringem Umfang genutzt, also einen gerin­ gen „Fahrbedarf* gehabt hatte8. Zum großen Teil hat die gerichtliche Praxis hier - wenn der Geschädigte mit dem Mietwagen täglich weniger als etwa 1 Siehe die vorige S., N. 1 genannten Entscheidungen. Dazu auch Sanden Rz. 322. 2 VersR 1975, 184. 3 Einen Anspruch hatten u.a. verneint: OLG Düsseldorf 3. 2. 1969, VersR 1969, 429; LG Bremen 9. 11. 1973, VersR 1974, 684; AG Augsburg 4. 6. 1974, VersR 1975, 191. Einen An­ spruch hatte dagegen bejaht: etwa LG Saarbrücken 21. 11. 1970, VersR 1972, 309. 4 BGH aaO. (oben N. 2). 5 Vgl. etwa OLG Karlsruhe 9. 3. 1976, VersR 1976, 1162; AG Wilhelmshaven 9. 10. 1979, VersR 1980, 494. 6 Vgl. OLG Karlsruhe; AG Wilhelmshaven aaO.; vgl. auch Sanden Rz. 323, 324. 7 Für Ersatz der Mietwagenkosten für die konkrete Lieferfrist: etwa OLG Hamm 21. 2. 1975, VersR 1976,174 [LS]; OLG Nürnberg 7. 10.1975, VersR 1976, 373. Für Ersatz der Mietwagen­ kosten nur für die (kürzere) übliche Wiederbeschaffungsfrist: etwa OLG Bremen 12. 3. 1968, VersR 1969, 333; OLG München 27. 11. 1975, VersR 1976, 1145. 8 Vgl. aus den letzten Jahren etwa LG Schweinfurt 11.5.1973, VersR 1974, 919; LG Köln 6. 3. 1974, VersR 1975, 145; AG Stuttgart 10. 4. 1974, VersR 1975, 577; AG Köln 23. 8. 1974, VersR 1975, 621; AG Amberg 17. 9. 1974, VersR 1975, 548; LG Bochum 16. 4. 1975, VersR 1976, 299 [LS]; AG Bensheim 15. 5.1975, VersR 1976, 201 [LS]; AG Dannenberg 24. 9.1976, VersR 1977, 944 [LS]; LG Karlsruhe 6. 10. 1977, VersR 1978, 263 [LS]; LG Wiesbaden 25. 2. 1982, VersR 1983, 671.

25 km gefahren war — nicht die tatsächlichen Mietwagenkosten, sondern nur die entsprechenden (geringeren) Taxikosten für die gefahrene Strecke zuge­ billigt. Begründet wird diese Auffassung durchweg mit § 254 BGB; der Geschädigte hat den Schaden kleinzuhalten. Solange die Fahrt mit dem Taxi billiger ist als ein Mietwagen — das ist bis zur Grenze von etwa 25 km pro Tag rechnerisch der Fall —, könne der Geschädigte nur die Kosten des billigeren Transportmittels verlangen. Nur in Einzelfällen hat man aus Zumutbarkeits­ gesichtspunkten dem Geschädigten trotz eines geringen Fahrbedarfs gestattet, die Kosten für ein Ersatzfahrzeug zu liquidieren.

4. Abzug für Eigenerspamis

Ein weiterer Komplex der Mietwagenproblematik, mit dem die Gerichte in den letzten Jahren besonders stark beschäftigt wurden, ist die Frage der „Ei­ generspamis“3. Nach dem Prinzip der Vorteilsausgleichung muß sich der Geschädigte von seinem Anspruch auf Mietwagenkosten nämlich den Betrag abrechnen lassen, den er dadurch erspart, daß er seinen eigenen Wagen wäh­ rend der Ausfallzeit nicht fährt und so lange also weder Öl, Bremsflüssigkeit, Reifen etc. verbraucht oder abnutzt. Über die Höhe des Abzugs besteht weitgehend Einigkeit. Die Praxis der damit vor allem befaßten Amts- und Landgerichte setzt regelmäßig 15 % für diese eingesparten Aufwendungen an, soweit sie nicht einen solchen Betrag von den konkreten Mietwagenkosten abzieht4. Der BGH hatte 1970 allerdings noch 20% für angemessen gehalten5.

1 Vgl. LG Schweinfurt, AG Stuttgart, AG Amberg, LG Bochum, AG Dannenberg jeweils aaO.; anders freilich AG Köln mit abl. Anm. Klimke, das vom Anspruch des Geschädigten einfach die Mietwagenkosten für einige Tage abrechnet. 2 Vgl. etwa AG Herford 19. 10.1971, VersR 1972, 701 (einem Kriegsbeschädigten sei es nicht zumutbar, auf ein Taxi verwiesen zu werden); LG Köln 23. 1. 1973, VersR 1974, 893 mit Anm. Heidel VersR 1975, 480 (Mietwagen gestattet, um das Kind täglich vom und zum Kindergarten zu bringen). 3 Ausführlich hierzu Born, VersR 1978, 777ff. mit zahlreichen Nachweisen. 4 Vgl. z.B. AG Bremen 14. 6. 1973, VersR 1974, 983; AG Überlingen 28. 8. 1973, VersR 1974,1012; AG Bremen 16. 10.1973, VersR 1974, 508 [LS]; LG Köln 23. 11. 1973, VersR 1974, 1231 mit Anm. Himmelreich; KG 26. 1. 1976, DAR 1976, 155; OLG Stuttgart 28. 1. 1976, VersR 1977, 65 [LS]; LG Detmold 13. 3. 1984, VersR 1985, 149 [LS]. Anders aber etwa OLG Karlsruhe 16. 6.1978, VersR 1978, 384; 20. 4. 1979, VersR 1979, 964; 12. 10. 1979, VersR 1980, 390, das 15 % für einen zu hohen Satz hält. Das Gericht läßt einen pauschalen Abzug ohnehin nur bei Einigkeit beider Seiten zu (vgl. Urteil 16. 6. 1978) und berechnet den Abzug sonst konkret nach den entsprechenden ADAC-Tabellen, die jährlich die Kosten pro 100 km für jeden Fahr­ zeugtyp ermitteln. Dem OLG Karlsruhe folgend etwa: AG Ettlingen 20. 6. 1979, VersR 1979, 1157. 517 . 3.1970, VersR 1970, 547.

Ob und wann ein Abschlag für Eigenersparnis gerechtfertigt ist, beurteilt man in verschiedenen Einzelfragen aber doch uneinheitlich. So hat der BGH zwar 19661 entschieden, daß ein Prozentsatz für Eigen­ ersparnis im Regelfall auch dann abzuziehen sei, wenn der Geschädigte einen billigeren als seinen eigenen Wagen gemietet hatte. Denn regelmäßig sei es keine „fühlbare Vermögenswerte Beeinträchtigung“, wenn der Geschädigte einen leistungsschwächeren Wagen fahre2. Das zeige sich gerade daran, daß sich der Geschädigte mit einem kleineren Fahrzeug begnüge. Bis vor kurzem hatte der BGH mit dieser Ansicht auch ganz überwiegend Gefolgschaft gefunden3. In den letzten Jahren hat indessen eine größere Zahl von Untergerichten einen anderen Standpunkt als der BGH eingenommen4. Diese Judikatur beschreitet im wesentlichen zwei Wege, um keinen Abzug für Eigenersparnis zuzulassen, wenn der Geschädigte ein klassentieferes Ersatzfahrzeug mietet. Ein Teil der zitierten Entscheidungen folgt zwar der Auffassung des BGH, daß es auf die Fühlbarkeit der Beeinträchtigung ankomme. Doch nehmen diese Urteile gerade im Gegensatz zum BGH an, es sei ein fühlbarer und mithin ersatzfähiger Schaden, wenn der Geschädigte einen wesentlich kleineren Wagen gemietet habe5. Ein anderer Teil der Entscheidungen stützte sich hingegen zunächst auf die Regelung im Rahmenabkommen zwischen dem Gesamtverband der Kfz-

1 2. 12. 1966, VersR 1967,183. 2 So auch BGH 17. 3.1970, VersR 1970, 547 (548): In diesem konkreten Fall fand das Gericht aber denn doch einen materiellen Schaden darin, daß der Fahrer eines Mercedes 600 für einige Zeit mit einem Opel Rekord vorliebnehmen mußte. Der Geschädigte durfte hier pauschal 30 % der (abstrakten) Mietwagenkosten eines Mercedes 600 berechnen (= 90,- DM/Tag), während ihm selbst konkrete Mietwagenkosten für den Opel (25,- DM/Tag) gar nicht entstanden waren, weil seine Firma ihm den Ersatzwagen bezahlt hatte. 3 Siehe nur AG Duisburg-Ruhrort 27. 3. 1974, VersR 1975,1016 [LS]; AG Wiesbaden 13. 9. 1974, VersR 1976, 156; OLG Saarbrücken 29. 11. 1974, VersR 1975, 1132 [LS]; LG Wuppertal 17. 7. 1975, VersR 1976 741; OLG Celle 30. 10. 1975, DAR 1976, 130; OLG Karlsruhe 23. 1. 1976, VersR 1976, 790 [LS]; LG Köln 26. 3. 1976, VersR 1977, 49 [LS]; KG 26. 4. 1976, VersR 1978, 164 [LS]; LG Nürnberg-Fürth 20. 9. 1978, VersR 1979, 1134; LG Düsseldorf 12. 1. 1979, VersR 1979,456; LG Heidelberg 14. 3.1979, VersR 1980,175; Born VersR 1978,799 sieht hierin die überwiegende Meinung. 4 Siehe etwa LG Bonn 7. 2. 1970, VersR 1972, 382 (anders aber LG Bonn 1. 7. 1975, VersR 1977, 90 [LS]; AG Mannheim 10. 5. 1974, VersR 1975, 148; LG Tübingen 26. 2. 1975, VersR 1976, 476 [LS]; LG Mannheim 9. 7. 1975, VersR 1976, 1185; LG Köln 19. 2. 1976, VersR 1977, 458; AG Essen 25. 11. 1976, VersR 1978, 358; AG Rheine 30. 12. 1976, VersR 1977, 832; AG Schwäbisch-Hall 7. 6. 1978, VersR 1979, 44 (unter Hinweis auf ein gleichlautendes unveröffentlchtes Urteil des LG Nürnberg-Fürth); AG Uelzen 19. 9. 1978, VersR 1979, 336; OLG Frankfurt 23. 11. 1978, VersR 1980, 196 (die Begründung des OLG ist nicht abgedruckt). 5 Siehe etwa LG Bonn 7. 2. 1970, VersR 1972, 382 (Opel Rekord statt Opel Admiral); LG Mannheim 9. 7. 1975, VersR 1976, 1185 (Mercedes 200 - kurzfristig sogar „nur“ Opel - statt Mercedes 280 E).

Vermieter Deutschlands e. V. und dem HUK-Verband e. V. vom 9. 6. 19721. In dem Abkommen, das 1979 gekündigt und seither nicht wieder erneuert wurde, hatte sich eine Anzahl von Versicherern2 den Kfz-Vermietern gegen­ über verpflichtet, keinen Betrag für Eigenersparnis abzusetzen, wenn der Geschädigte einen entsprechend — und das heißt: in den Mietwagenkosten um mindestens 15% - billigeren und kleineren Wagen gemietet hatte. Zwar entfaltete das Rahmenabkommen nach überwiegender Ansicht keine direk­ ten Wirkungen zugunsten des Geschädigten, weil dieser ganz regelmäßig nicht Partei des Abkommens war3. Dennoch hat man dem Geschädigten teilweise erlaubt, sich unmittelbar auf das Abkommen zu berufen, so jeden­ falls, wenn sein Vermieter dem Gesamtverband der Kfz-Vermieter angehörte und damit Vertragspartei war4. Findige Geschädigte haben sich den An­ spruch des Kfz-Vermieters aus dem Abkommen abtreten lassen und so ihre fehlende Beteiligung am Abkommen wettgemacht5. Inzwischen scheidet die Berufung auf das — gekündigte — Abkommen aus, doch haben einige Versicherer öffentlich (gegenüber dem ADAC) erklärt, die bisherige Praxis fortzusetzen6. Einige Gerichte haben den Grundsatz des Abkommens und jener Erklärungen gegenüber dem ADAC im Ergebnis für das geltende Recht rezipiert und einen Abzug für Eigenerspamis dann ausge­ schlossen, wenn der Mietwagen um mindestens 15% (die normale Eigen­ ersparnis) billiger als das beschädigte Fahrzeug und der damit eigentlich zuste­ hende Ersatzwagen war7. 8Für die damit nötige Berechnung hat sich diese Praxis auf die Nutzungswerte gestützt, die jeweils bei Sanden/Danner8 an­ gegeben sind9. 1 Veröffentlicht in Anwaltsblatt 1972, 312. 2 Eine Übersicht über die dem Abkommen beigetretenen Versicherer gibt Sanden Rz. 319 b N. 200; näher auch Born, VersR 1978, 779. 3 Siehe LG Karlsruhe 8. 11. 1974, VersR 1975, 620; LG Köln 26. 3. 1976, VersR 1977, 49; KG 26. 4. 1976, VersR 1977, 155; das AG Hameln 7. 1. 1977, VersR 1978, 240 hat auch die mit dem Rahmenabkommen übereinstimmende Empfehlung des Bundesaufsichtsamtes für Versiche­ rungswesen für unerheblich gehalten. 4 So etwa AG Schwäbisch-Hall 7. 6. 1978, VersR 1979, 145. 5 Vgl. den Fall des AG Rheine 30. 12. 1976, VersR 1977, 832. 6 Vgl. hierzu AG München 13.12.1983, DAR 1984,223; AG Köln 21.10.1983, VersR 1984,474. 7 AG Ingolstadt 30. 8.1978, VersR 1979, 44 unter Hinweis auf LG Nürnberg-Fürth (unveröf­ fentlicht); AG Uelzen 19. 9. 1978, VersR 1979, 336; OLG Frankfurt 23. 11. 1978, VersR 1980, 196; AG Freiburg 28. 9. 1979, VersR 1980, 852; AG Freiburg 21. 5. 1980, DAR 1980, 219; AG Bochum 20. 8.1982, DAR 1982,404; AG München; AG Köln (beide vorige N.); OLG Frankfurt 27. 10. 1983, VersR 1984, 667. Für eine solche - kostensparende — Abrechnung spricht sich auch Sanden Rz. 319b aus. Born, VersR 1978, 779, die den Abzug für Eigenerspamis auch beim kleineren Mietwagen verteidigt, räumt ein, daß „diese Ergebnisse sicher vielfach recht unbegreifEch“ sind. 8 Zuletzt VersR 1985, 417ff. 9 Siehe die in N. 7 genannte Rechtsprechung. Das AG Freiburg hat die Preislisten der ört­ lichen Mietwagenunternehmen herangezogen.

Ein weiterer Streitpunkt innerhalb des Komplexes Eigenersparnis ist die Frage, ob bis zu einer „Bagatellgrenze“, die zwischen 500 und 1000 km Fahrstrecke angenommen wird, auf einen Abzug wegen Eigenersparnis zu verzichten ist. Bejahende1 wie verneinende2 Erkenntnisse sind bis in die letzte Zeit etwa gleichgewichtig zu verzeichnen gewesen. Nachdem die wich­ tigen Kölner Gerichte ihre Praxis nunmehr aber geändert zu haben scheinen3, mag das Pendel zugunsten der Ansicht ausschlagen, die Mietwagenko­ sten auch für relativ kurze Strecken und kurze Zeiten mit einem Erspamisabschlag belegt. Die Grenze, bis zu der der „Fahrbedarf4 nach Meinung der Rechtsprechung einen Mietwagen überhaupt nicht veranlaßt4, darf dabei freilich nicht übersehen werden.

5. Kaskoersatz Ein weiterer schadensrechtlich bedeutsamer Sonderaspekt der Mietwagen­ problematik steht im folgenden Fall im Vordergrund: Der Geschädigte ver­ langt Ersatz des Betrages, den er für eine Vollkaskoversicherung des Mietwa­ gens (häufig zusätzlich auch „Volldeckung“ gegenüber Mietausfall, die hier jedoch außer Betracht bleiben soll) aufgewendet hat. Sein eigener Wagen war dagegen nicht kasko- oder vollkaskoversichert. Kann der Geschädigte die zusätzEchen Kosten ersetzt verlangen? Auch diese Frage ist Gegenstand zahlreicher Urteile der letzten Zeit gewe­ sen5. Zur gleichen Zeit hat hierüber eine engagierte Diskussion in der Litera­ tur stattgefunden6. 1 OLG Saarbrücken 29. 11. 1974, VersR 1975, 1132 [LS]; LG Köln 23. 11. 1973, VersR 1974, 1231 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung der Kammer (anders aber offenbar LG Köln 26. 3. 1976, VersR 1977, 49 [LS]); AG Köln 29. 9. 1975, VersR 1977, 70; AG Köln 27. 10. 1975, VersR 1977, 70 (anders ebenfalls AG Köln 19. 3. 1976, VersR 1977, 236 mit Anm. Himmelreich); AG Karlsruhe-Durlach 26. 4. 1979, VersR 1979, 874; AG Albstadt 23. 7. 1982, VersR 1983, 693. 2 KG 26. 1.1976, VersR 1977, 82; AG Alzey 23. 9.1977, VersR 1978,144 [LS]; AG Karlsruhe 4. 5. 1979, VersR 1979, 728. 3 Vgl. N. 1. 4 Vgl. dazu oben unter 3. 5 Vgl. die Angaben im folgenden. 6 Vgl. insbesondere von Caemmerer, Aufwendungen für eine Haftungsfreistellung bei der Anmietung von Ersatzwagen, VersR 1971, 973 (insbes. 890); Klimke, Kosten der Haftungsfrei­ stellung im Falle der Ersatzanmietung, VersR 1970, 792; DENS., Einige Grundzüge für die Abrechnung erstattungsfähiger Mietwagenkosten im Rahmen eines Kfz-Haftpflichtschadens, VersR 1974, 422 (425 ff); DENS., Erstattungsfähigkeit von Kosten für „Volldeckung" im Falle eines Kfz-Haftpflichtschadens, VersR 1974, 901; Himmelreich, Unfallschäden und ihre Regulie­ rung. Bekannte Probleme aus der Sicht neuerer Rechtsprechung, NJW 1973, 673 (675ff); Müller, Klaus, Grundprobleme der Mietwagenkosten im Rahmen der Unfallregulierung, JuS 1985, 279 (285f).

Der Bundesgerichtshof hat sich 19731 und 19742 in drei Entscheidungen zu dem Problem geäußert und die maßgebenden Grundsätze niedergelegt. Danach kann der Geschädigte Ersatz für Vollkaskobeträge in drei unterschiedUchen Fallgestaltungen beanspruchen: zum einen, wenn sein eigenes Fahrzeug in dieser Weise versichert war3. Zum anderen, wenn er „während“ der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war4; und schließlich, wenn er trotz zumutbarer Suche nur einen vollkaskoversicherten Mietwagen finden konnte5. Ein erhöhtes Risiko bringt nach Auffassung des BGH ein Mietwagen etwa dann mit sich, wenn er fast neu, der Unfallwagen dagegen nur noch wenig wert war6. Die Grundsatzentscheidung des BGH vom 6. 11. 19737 will darüber hinaus ein erhöhtes Mietwagenrisiko auch für Bagatellschäden anerkennen, weil Kfz-Vermieter solche Schäden gewöhnlich vollständig beheben, während private Fahrer sie oft selbst und nur teilweise beseitigen oder gar tolerieren, um Kosten zu sparen8. Der Geschädigte kann daher den Beitrag für die Haftungsfreistellung von Bagatellschäden regelmä­ ßig beanspruchen. Der BGH fügt sodann noch weitere Erläuterungen an, wie die Schadens­ höhe im konkreten Fall zu ermitteln sei. Diese Ausführungen sind indessen sehr unklar und verwirrend. Sie stellen vielfältige Kautelen, aber keinen deutlichen und praktikablen Grundsatz auf. „Typische Umstände können im Regelfall für ein gewisses Zurückbleiben des Eigenrisikos... beim Fahrzeugschaden... sprechen. Damit erscheint es möglich und geboten, den Anteil des Freistellungsaufwandes, der auf die Risikoerhöhung entfällt, mit der Maßgabe allgemein zu schätzen, daß der Geschädigte im Einzelfall besondere Umstände darzulegen und zu beweisen hat, aus denen er ein für ihn günstigeres Ergebnis herleitet... Ob und in welchem Umfang sich die in typischen Fällen zu unterstellenden Um­ stände i.S. einer zu entschädigenden Risikodifferenz auswirken, läßt sich indessen nur aufgrund der Feststellung entscheiden, welches Haftungsrisiko der Geschädigte bei in seiner besonderen Lage zumutbarer Prüfung der Mietangebote ohne die Freistellung hätte in Kauf nehmen dürfen.“9 16. 11. 1973, BGHZ 61, 325 = VersR 1974, 143 und 6. 11. 1973, VersR 1974, 331 (beide Urteile stimmen in den hier entscheidenden Passagen wörtlich überein). 219. 3. 1974, VersR 1974, 657. 3 Man hat offenbar nie angezweifelt, daß der Geschädigte Vollkaskoersatz verlangen kann, wenn er bereits in dieser Weise vor dem Unfall versichert war. Indessen ist es auch hier keine Selbstverständlichkeit, sondern bedarf, strenggenommen, der genauen Prüfung, wann und ob diese Kosten als zur Herstellung des früheren Zustandes erforderlich ersetzt werden sollen. 4 So BGH 19. 3. 1974, VersR 1974, 657. 5 BGH (oben N. 1 und 2) jeweils aaO. 6 So BGH 19. 3. 1974, VersR 1974, 657. 7 BGHZ 61,325. 8 BGH aaO. 333f. 9 AaO. 336f.

Im Anschluß daran fuhrt der BGH aus, nach welchen Grundsätzen und aufgrund welcher weiteren Ermittlungen diese Feststellung zu treffen ist. Dann folgen weitere Einschränkungen; es ist festzustellen, „ob die Freistellungsbeträge... nach allgemeinen versicherungswirtschaftlichen Grundsätzen nicht groß überhöht erscheinen muß­ ten .. ."1 Wer als sparsamer Geschädigter auf zu teure Haftungsfreistellung verzichtet hat, kann dann aber „insoweit, als sich später ein typisch durch die Kfz-Miete bedingtes Mehr-Risiko verwirklichen sollte, die ihm darauf erwachsende Belastung als Folge­ schaden gegenüber dem Schädiger zusätzlich geltend machen..jedoch hat der Senat diese Frage derzeit nicht abschließend zu entscheiden.“12

Diese Rechtsprechung des BGH hat das strittige Problem nicht geklärt. Die Untergerichte haben in der Folge vier verschiedene Positionen einge­ nommen. Teils haben sie schematisch die Hälfte der Kaskoversicherungsbe­ träge als Ersatz zugesprochen3. Teils haben sie Kaskokosten für stets ersatzfä­ hig angesehen, weil das Eigenrisiko durch den Mietwagen generell erhöht sei4. Teils haben sie den Ersatz abgelehnt5. Soweit die Rechtsprechung die Auffassung des BGH übernommen hat, ermittelt sie anhand der Einzelfallum­ stände jeweils genau, ob sich das Risiko des Geschädigten dadurch meßbar erhöht hatte, daß er einen Mietwagen genommen hatte6. Die erste und letzte der genannten Positionen verbindet schließlich das OLG Hamburg7 in der erneuten Entscheidung des Falles, den der BGH mit dem Revisionsurteil vom 19. 3. 19748 an das OLG zurückverwiesen hatte: Zwar untersucht das OLG die Umstände des Falles, um festzustellen, ob im konkreten Fall ein erhöhtes Risiko den Kläger berechtigte, den Kaskoversi­ 1 AaO. 337. 2 AaO. 338. 3 AG Würzburg 5. 2. 1974, VersR 1975, 193 (LS ausdrücklich im Anschluß an BGHZ 61, 325); LG München II 14. 2. 1974, VersR 1974, 1115; OLG Schleswig 23. 7. 1974, VersR 1975, 268 (ebenfalls unter Berufung auf BGHZ 61, 325): schätzt die abstrakte Erhöhung des Eigenrisi­ kos „mangels anderer Anhaltspunkte“ auf die Hälfte des Kaskobetrages; OLG Schleswig 19. 11. 1974, VersR 1975, 673; AG Karlsruhe-Durlach 26. 4. 1979, VersR 1979, 874 (im Ergebnis gewährt das Gericht aber 75 % der Haftungsfreistellungskosten, weil der Mietwagen wesentlich wertvoller als das beschädigte Fahrzeug war); LG Baden-Baden 6. 3. 1981, VersR 1983, 592; LG Detmold 13. 3. 1984, VersR 1985, 149. 4 LG Kiel 23. 11.1973, VersR 1975,244 [LS]; LG Köln 5. 4.1974, VersR 1975,935 (auch unter Berufung auf BGHZ 61, 325); AG Karlsruhe/Durlach 16. 12. 1976, VersR 1977, 874. 5 OLG Oldenburg 10. 3. 1982, VersR 1983, 470. 6 So OLG Karlsruhe 28. 2. 1975, VersR 1975, 526 (auch diese Entscheidung beruft sich auf BGHZ 61, 325; dies war das Revisionsurteil zu dem jetzt entschiedenen Fall); AG Neuburg/Donau 28. 2. 1975, VersR 1975, 625; KG 3. 3. 1975, VersR 1976, 370; OLG Karlsruhe 16. 6. 1978, VersR 1979,384 (das OLG folgt dem BGH, den es gegen „unrichtige“ Interpretationen in Schutz nimmt, läßt einen Anspruch auf Ersatz des halben Haftungsfreistellungsbetrages aber daran scheitern, daß der Kläger keine Tatsachen vorgetragen habe, die ein erhöhtes Eigenrisiko ergä­ ben). • 71. 7. 1975, VersR 1976, 371. 8 VersR 1974, 657.

cherungsbetrag vom Schädiger ersetzt zu verlangen. Das OLG will diese Frage an sich auch bejahen. Es furchtet aber, daß der Kläger dadurch berei­ chert werde, und kommt zu dem Ergebnis, daß der Schaden — wegen der Schwierigkeit seiner Feststellung — zu schätzen sei. Es schätzt ihn auf die Hälfte des Freistellungsbetrages1. Klimke war in seiner Anmerkung2 zum BGH-Urteil3 noch zu dem Ergebnis gelangt, daß kein Anspruch auf Kaskoersatz gegeben sei. Der Senat meint, jedenfalls die Möglichkeit der Haftung für Mietausfall habe das Risiko des Geschädigten erhöht. Die Freistellung von Sachschäden am Mietwagen habe in der Tat nur „verhältnismä­ ßig geringe Bedeutung“ gehabt. Eine Spezifizierung der Anteile für die Haftungsfrei­ stellung für Mietausfall- und für Sachschadenshaftung nimmt das OLG nicht vor.

Die Lösung des BGH taugt nicht für die Praxis. Sie führt öfters zu unver­ hältnismäßigem Aufwand für die Schadensfeststellung und stellt insgesamt zu vage Regeln auf. Nach der rechtsvergleichenden Umschau ist zu prüfen, welcher der ja auch in Deutschland vertretenen Alternativen der Vorzug gegeben werden sollte.

6. Würdigung

Überschaut man den Gesamtkomplex des Ersatzes konkret entstandener Mietwagenkosten, von dem hier nur eine Reihe wichtigerer Einzelprobleme angesprochen werden konnte, so drängen sich mehrere Überlegungen auf. a) Der Grundsatz, nach dem real entstandene Mietwagenkosten erstattet werden, eröffnet weite Spielräume: denn erstattungsfähig sind die Kosten, die nach Treu und Glauben erforderlich waren. Für die Lösung des konkreten Falles ist damit noch nichts gewonnen. Näheren Aufschluß ergibt erst ein Überblick über die zahlreichen engeren Fallkonstellationen des Komplexes. Er zeigt indessen eine Rechtsprechungspraxis, die nicht in allen, aber doch in sehr vielen Punkten uneinheitlich ist. Selbst Fallgestaltungen, zu denen der BGH sich abschließend geäußert hat, werden in der untergerichtlichen Praxis weiterhin kontrovers beurteilt, so insbesondere die Frage des Kaskoersatzes 1 OLG Hamburg 1. 7.1975, VersR 1976,371 (372): „Da die vollständige Aufklärung aller hier maßgeblichen Umstände zumindest mit ungewöhnlich großen Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung (151,20 DM) außer jedem Verhältnis stehen, macht der Senat von der ihm durch § 287 Abs. 2 ZPO gewährten Befugnis Gebrauch, den Schaden des Klägers, der sich aus dem Gesamtbetrag der gezahlten Zuschläge abzüglich der Bereicherung errechnet, nach freier Überzeugung zu schätzen. Er schätzt den Schaden auf die Hälfte der Gebühr für den Haftungsausschluß .. 2 VersR 1974, 901. 3 Siehe vorige S., N. 8.

und des Abzugs für Eigenersparnis. Für ein Rechtsgebiet, das wie das hier untersuchte Massenerscheinungen des Alltags bewältigen soll, erscheint dieser Zustand auf Dauer kaum erträglich. b) Eine wesentliche Ursache für die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung insgesamt ist die mangelnde Leitfunktion der BGH-Entscheidungen. Die Entscheidungen geben kaum Orientierungshilfe, weil der BGH es vermeidet, sich festzulegen, und auf die ganz konkreten Umstände des Falles abstellt. Der nachgeordneten Praxis wird damit kein hinreichender Anhalt geboten. So etwa, wenn der BGH Eigenersparnis grundsätzlich abrechnet, beim „Ab­ stieg“ vom Mercedes 600 auf einen Opel Rekord dem Geschädigten aber im Ergebnis doch erlaubt, hier wegen einer „fühlbaren Vermögenswerten Beein­ trächtigung“1 einen höheren Betrag als die sonst erstattungsfähigen Mietko­ sten für den tatsächlich gefahrenen Ersatzwagen2 zu verlangen. Ebenso im Fall des Kaskoersatzes: Der BGH stellt darauf ab, ob sich durch die Miete eines Ersatzwagens das Eigenrisiko des Geschädigten erhöht hat oder nicht. Um das zu ermitteln, ist in jedem Fall eine umfangreiche Liste von Einzelumständen nachzuprüfen3, ein Aufwand, dessen Kosten nicht nur im Fall des OLG Hamburg4 außer Verhältnis zum schließlich zugesprochenen Schadenersatz stehen dürften. Das Resultat der richterlichen Prüfung ist zudem kaum voraussehbar. Bei der Vielzahl einschlägiger Fälle, für die die Regeln des BGH jeweils gelten, ist Rechtssicherheit aber eine unabdingbare Forderung. Das Abstellen auf die Fallumstände, um damit die Forderung nach Einzelfallgerechtigkeit zu erfül­ len, muß spätestens dann ein Ende haben, wenn dabei Regeln entstehen, die im Einzelfall nicht mehr eingehalten werden können. Die mangelnde Leitfunktion der BGH-Entscheidungen zeigt sich auch an einer hohen Zahl zurückverweisender Revisionsurteile5. Die Voraussetzun­ gen, die der BGH jeweils für Ersatzansprüche aufstellt, zwingen zu immer neuen Tatsachenfeststellungen, die die Vorinstanz dann nachzuholen hat. Wei­ ter ist eine Fülle gerichtlicher Erkenntnisse insbesondere zu den beiden Fragen der Eigenersparnis und des Kaskoersatzes6 auch nach den und trotz der BGH-Entscheidungen ergangen, wobei meist ganz geringe Summen auf dem Spiel standen. Hier würden simplere, aber praktikable Regeln den Unterge­

117. 3. 1970, VersR 1970, 547 (548). 2 Also die um 15% Eigenersparnis geminderten tatsächlichen Mietwagenkosten. 3 Siehe BGH 6. 11. 1973, BGHZ 61, 325 und dazu oben und e). 4 1. 7. 1975, VersR 1976, 371. 5 Beispiele sind unter anderen: BGH 20. 6.1972, VersR 1972,1024; BGH 6. 11.1973, BGHZ 61, 325; BGH 19. 3. 1974, VersR 1974, 657; BGH 19. 11. 1974, VersR 1975, 261; BGH 22. 11. 1977, VersR 1978,182; BGH 24. 10.1978, VersR 1978,1170; BGH 18. 9.1979, VersR 1980, 46; BGH 18. 3. 1980, VersR 1980, 555; BGH 4. 12. 1984, VersR 1985, 283. 6 Siehe oben unter 4. und 5.

richten wie der Regulierungspraxis der Versicherungen entschieden bessere Hilfe geben. Angesichts des Umstandes, daß die angeführten BGH-Entscheidungen für die Frage, die sie entscheiden sollten, keine wesentliche Orientierungshilfe gegeben haben, muß es verwundern, daß die amts- und landgerichtliche Praxis im wesentlichen ohne obergerichtliche Anleitung zumindest in zwei Punkten zu einer recht einheitlichen Rechtsprechung gelangt ist: So ist es einheitliche Praxis, dem Geschädigten, der trotz geringen Fahrbedarfs einen Mietwagen genommen hatte, bei Fahrstrecken unter 25 km pro Tag im Grundsatz nur die der tatsächlichen Fahrtstrecke entsprechenden Taxikosten zuzubiUigen1. Diese einfache und billigens werte Regel versucht gleichzeitig die Schadenskosten kleinzuhalten. Auch der Prozentsatz, den man — sofern überhaupt — für Eigenerspamis abzieht, ist in der untergerichtlichen Praxis recht einheitlich — bei 15 % — und gerade entgegen höheren Vorstellungen des BGH2 festgelegt worden3. Freilich ist solche Einheitlichkeit keineswegs die Regel; die übrigen Fallkonstellationen des untersuchten Komplexes haben das deutlich offenbart. c) In den Entscheidungen des BGH zur Eigenersparnis und zum Kaskoer­ satz spielt die „Fühlbarkeit“ der Beeinträchtigung eine wesentliche Rolle4. Ob sich der Abstieg zum kleineren Mietwagen schadensrechtlich auswirkt, hängt - nimmt man den BGH5 ernst - von der Spürbarkeit des Komfort­ unterschiedes zum beschädigten Wagen ab. Auch für das Problem des Kas­ koersatzes hat die Fühlbarkeit Bedeutung. Das Eigenrisiko des Geschädigten, der einen Mietwagen nimmt, ist — jedenfalls bei Bagatellschäden — für den BGH generell erhöht: denn „der gänzliche Verzicht auf eine Instandsetzung kann hier... oft vernünftig, weil für den Eigentümer kaum fühlbar sein“6. Das Merkmal Fühlbarkeit bedeutet dabei keineswegs nur den selbstver­ ständlichen Hinweis darauf, daß ganz unwesentlicher Schaden nicht ersetzt werde. Die „Fühlbarkeit“ des Schadens hat in der Rechtsprechung des VI. Senats weiterreichende Funktionen. In den zitierten Fällen ist sie das entschei­ dende Kriterium, um über die Ersatzfähigkeit der Einbuße zu entscheiden7. Dabei hat der Begriff Fühlbarkeit keinen fest umschriebenen Inhalt. Er be­ zeichnet im wesentlichen das richterliche Werturteil darüber, ob eine Einbuße

1 Vgl. oben unter 3. 2 BGH 17. 3. 1970, VersR 1970, 547. 3 Vgl. oben unter 4. 4 Auch in anderen Zusammenhängen räumt der BGH der „Fühlbarkeit“ wesentliche Bedeu­ tung ein: so insbesondere bei der Nutzungsentschädigung; dazu unten S. 131 fF. 517. 3. 1970, VersR 1970, 547. 6 BGH 6. 11. 1973, BGHZ 61, 325 (333£). 7 Anders dagegen die Rechtsprechung des V. Senats: Er versagt Ersatz trotz Fühlbarkeit der Einbuße; vgl. etwa BGH 30. 11. 1979, BGHZ 75, 366.

noch zu tolerieren (nicht fühlbar) oder nicht mehr akzeptabel, eben fühlbar ist. Das Werturteil speist sich seinerseits aus den Anschauungen, die sich der Richter über die soziale Verträglichkeit von Handlungsweisen gebildet hat. Ein in strengem Sinn justiziabler Maßstab ist die Fühlbarkeit damit nicht. In einem anderen Zusammenhang taucht die Fühlbarkeit bei der Frage der Eigenerspamis auf: Es sei ein Indiz gegen die Fühlbarkeit eines (Vermögens-) Schadens, wenn der Geschädigte sich mit einem kleineren Mietwagen be­ gnügt habe1. Zugespitzt formuliert: wer sich bei der Schadensbehebung selbst beschränkt, empfindet offenbar den Schaden nicht als so gravierend und verdient deswegen weniger Ersatz. So kann man freilich leicht den bescheide­ nen Geschädigten »bestrafen*, den anspruchsvollen dagegen prämieren. Denn in die entgegengesetzte Richtung läßt sich dann gleichermaßen argumentie­ ren : Es kann dann beispielsweise auch als Indiz für die „fühlbare“ Erhöhung des Eigenrisikos genommen werden, wenn und weil der Geschädigte sich für den Mietwagen vollen Deckungsschutz verschafft hat. Insgesamt erscheint die Fühlbarkeit als zu vages Kriterium, um die Ersatzfähigkeit einer Einbuße festzulegen. d) Einfachere und praktischere Lösungen ließen sich für die hier untersuch­ ten Fragen, aber auch für weitere problematische Punkte des Gesamtkomple­ xes „Ersatz realer Mietwagenkosten“ durchaus denken, wenn die höchstrich­ terliche Rechtsprechung sich entschließen könnte, sich auf wenige, klare Grundsätze zu beschränken, und vermeiden würde, fast alles auf die Um­ stände des Einzelfalles abzustellen. Für den Komplex der Eigenersparnis besteht zwar kein Anlaß, die Praxis zu ändern, dem Geschädigten einen gewissen Prozentsatz für ersparte eigene Aufwendungen abzurechnen, wenn er einen Mietwagen gleicher Klasse wie sein eigenes Fahrzeug nimmt. Denn er spart eigene Aufwendungen. Der Pauschalsatz von 15%, der sich in der untergerichtlichen Praxis eingespielt hat, scheint als einheitlich verwendbare Größe auch durchaus akzeptabel. Nimmt der Geschädigte hingegen einen kleineren Wagen, dann spart er damit zunächst einmal in die Tasche des Schädigers, ohne daß dieser das verlangen könnte. Denn der Geschädigte ist berechtigt, einen dem beschädig­ ten Fahrzeug gleichwertigen Wagen als Ersatz zu nehmen. Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb der „Abstieg“ auf einen kleineren Wagen nicht bei der Berechnung berücksichtigt werden soll. Allerdings spart der Geschädigte auch dann eigene Aufwendungen, wenn er einen kleineren Wagen mietet. Wenn man diese Eigenersparnis — zu dem üblichen Satz von 15 % — von den konkre­ ten Mietwagenkosten abzieht, so ist diese Rechnung freilich nicht ganz kor­ rekt. Denn die eigenen ersparten Aufwendungen sind — wie sonst ohne „Abstieg“ — mit 15% von den Mietwagenkosten eines dem Unfallwagen 1 BGH 2. 12. 1966, VersR 1967, 183.

gleichwertigen Typs zu beziffern. Diese Kosten müssen von den Kosten für den billigeren Mietwagen abgesetzt werden, und sie machen hier natürlich einen Prozentsatz aus, der dann höher als 15% Hegt. Die gegenwärtige schematische Berechnungsweise ist also ohnehin ungenau. Gegen die Praxis, Eigenersparnis auch bei billigeren Mietwagen abzuziehen, spricht schließlich, daß die Versicherungspraxis den „Abstieg“ weithin honoriert. Der findige Geschädigte konnte sich einen entsprechenden Anspruch seines Kfz-Vermie­ ters — aus dem bis 1979 bestehenden Rahmenabkommen 1 — sogar abtreten lassen, um das sonst verwehrte Ergebnis zu erreichen. Schließlich geht der Anreiz, den Schaden auf diese Weise kleiner zu halten, weitgehend verloren, wenn der Geschädigte auch für den billigeren Wagen einen Eigenbeitrag leisten muß. Mietwagenkosten sollten deshalb dann voll erstattet werden, wenn sie nicht höher als die um 15% gekürzten Mietwagenkosten für ein gleichwertiges Fahrzeug Hegen. Für die Frage des Kaskoersatzes — ohnehin ist sie ja umstritten nur, wenn der Geschädigte für den Mietwagen mehr Deckungsschutz nimmt, als für seinen eigenen Wagen bestand - scheint am praktikabelsten die salomonische Lö­ sung, den Freistellungsbetrag zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten generell zu teilen. Ein gewisses Bedürfnis des Geschädigten, sich vor der Haftung für Schäden am fremden Mietwagen zu sichern, ist berechtigt, denn die mangelnde Vertrautheit mit dem fremden, meist gepflegten Fahrzeug sowie das daraus resultierende Unsicherheitsgefühl wird das Risiko eines Unfalls etwas näherrücken. Dieses leicht erhöhte Haftungsrisiko ist durch den Schadensvorgang veranlaßt, wenngleich das genaue Ausmaß der Gefahrerhö­ hung schwer festzustellen ist. Auf der anderen Seite darf der Geschädigte sich nicht auf Kosten des Schädigers mehr Sicherheit verschaffen, als ihm vor dem Unfall zustand. Eine Selbstbeteiligung wird den Geschädigten deshalb wohl dazu veranlassen, auf die Interessen des Schädigers Rücksicht zu nehmen. Gelangt man damit generell zu einer Teilung des Haftungsfreistellungsbetra­ ges, so bleibt allenfalls die Frage, ob in außergewöhnlichen Umständen Aus­ nahmen zuzulassen sind. Ein solches Ventil wird man nicht verschließen können, es aber doch sehr ungewöhnlichen Fällen vorbehalten.

1 Vgl. oben S. 91 f.

II. England Auch in England räumt man dem Geschädigten grundsätzlich das Recht ein, während der Ausfallzeit seines Wagens einen Ersatzwagen zu nehmen und dessen Kosten zu liquidieren. Doch steht der Anspruch auch hier, wie bei uns, unter dem generellen Vorbehalt, daß der Verletzte den Schaden nach Kräften kleinzuhalten hat. Diese Regel hat der englische Supreme Court — High Court und Court of Appeal — in einer Reihe von Entscheidungen näher konkretisiert1 2. Die Zahl der Urteile ist jedoch im Vergleich zu Deutschland auffallend gering3 und läßt auch nicht jene Differenzierung in weitere Fallgruppen und Einzelfälle erkennen, wie sie für das deutsche Recht festzu­ stellen ist4. Anders als in der Bundesrepublik finden auch keine größeren Kontroversen im Schrifttum statt. Ob und in welchem Umfang tatsächlich entstandene Mietwagenkosten zu ersetzen sind, richtet sich im wesentlichen nach dem — § 242 BGB vergleich­ baren — Grundsatz der „reasonableness". Nur soweit es verständig war, einen Ersatzwagen zu mieten, kann der Geschädigte Geldausgleich verlangen5. Die Einzelpunkte, die oben für das deutsche Recht dargestellt wurden6, behandelt die englische Rechtsprechung, soweit zu ermitteln, in der folgen­ den Weise:

1 O’Grady v. Westminster Scaffolding, Ltd. [1962] 2 Lloyd’s Rep. 238 (Q.B.D.); Darbishire v. Warran [1963] 3 All E.R. 310 (C. A.); Watson Norie v. Shaw (1967) 111 Sol.J. 117; Moore v. DER Ltd. [1971] 3 AU. E.R. 517, [1971] 1 W.L.R. 1476 (C. A.); Martindale v. Duncan [1973] 1 W.L.R. 574 (C. A.). Näher Samuels, Damages for Loss ofUse of Vehicle, (1974) 118 Sol.J. 159; auch Ogus 135 ff. 2 Vgl. die in N. 1 zitierte Rechtsprechung. Die große Masse der gerichtlichen Fälle entscheiden allerdings die County Courts, deren Urteile jedoch kaum einmal veröffentlicht werden. Leitent­ scheidungen für die Praxis fällen praktisch nur der High Court und der Court of Appeal. Ihren Erkenntnissen pflegen die County Courts zu folgen; das House of Lords ist mit entsprechenden Fragen bisher, soweit ersichtlich, nicht befaßt worden. 3 Auch und gerade, wenn man für die Bundesrepublik nur die obergerichtlichen Entscheidun­ gen als Vergleichsgröße heranzieht. 4 Vgl. oben unter I. 5 Vgl. etwa Moore v. DER Ltd. [1971] 3 All E.R. 517, [1971] 1 W.L.R. 1476 (C.A.); Martindale v. Duncan [1973] 1 W.L.R. 547 (C.A.). 6 Vgl. oben unter I.

1. Fixe Obergrenze? Die deutsche Diskussion1 hat in England keine Parallele. In den Fällen Moore v. DER Ltd.2 und Martindale v. Duncan3 wurden ganz erheb­ liche Mietwagenkosten zugebilligt, die die Reparaturkosten und möglicher­ weise auch den — nicht genannten — Wiederbeschaffungswert überstiegen. Gleichwohl wurde nicht erörtert, ob die Mietwagenkosten aus diesem Grund zu kürzen seien. In Moore v. DER Ltd. pflegte der Geschädigte alle zwei Jahre einen neuen Rover zu kaufen. Nach 18 Monaten erlitt er einen Totalschaden. Bis zur Lieferung eines neuen Rover vergingen wegen „industrial troubles" 6 Monate. Der Court of Appeal gewährte dem Geschädigten die Mietwagenkosten für die gesamte Zeit, obwohl ein entsprechender Gebrauchtwagen jederzeit zu kaufen gewesen wäre. In Martindale v. Duncan hatte der Geschädigte gewartet, bis der Versicherer des Schädigers zur Übernahme der Reparaturkosten bereit war. Während dieser Zeit von 10 Wochen hatte er einen Mietwagen gefahren. Die Kosten hierfür sprach ihm der C. A. in vollem Umfang zu. In beiden Fällen stellte der C. A. fest, daß der Geschädigte sich verständig verhalten und einen Mietwagen für so lange Dauer habe nehmen dürfen. In Watson Norrie v. Shaw4 hat der C.A. freilich die Kosten für einen besonders aufwendigen Mietwagen nicht voll zugesprochen, mit der Begründung, ein billigerer Wagen hätte den angestrebten Repräsentationszweck auch erfüllt.

Eine feste Obergrenze, die sich etwa am Fahrzeugwert oder an anderen fixen Größen orientiert, kennt die englische Rechtsprechung für ersatzfähige Mietwagenkosten demnach nicht. Vielmehr ersetzt man prinzipiell die durch den Schaden veranlaßten Mietwagenkosten und stutzt nur bei ganz unge­ wöhnlichem und übertriebenem Mietwagenaufwand die Kosten auf ein er­ trägliches Maß zurück.

2. Bestimmte Frist? Der Geschädigte erhält die Mietwagenkosten nur für die Zeit, in der er seinen Wagen vernünftigerweise reparieren lassen oder durch einen neuen ersetzen konnte5. Der Maßstab der „reasonableness “, der auch hier die

1 Vgl. oben 1.1. 2 Vgl. vorige S., N. 5. 3 Vgl. vorige S., N. 5. 4 (1967) 111 Sol.J. 117 (C. A.); dazu Ogus 138. 5 Siehe die vorige S., N. 5 genannte Rechtsprechung. Dazu auch Samuels aaO.

entscheidende Rolle spielt, geht wohl von den üblichen Reparatur- oder Wiederbeschaffungsfristen aus, läßt aber doch erheblichen Raum für die Umstände des Einzelfalles wie in dem oben berichteten Fall Moore v. DER Ltd.1. Reparaturverzögerungen, die von der Werkstatt — oder durch son­ stige Umstände — verursacht wurden, gehen grundsätzlich zu Lasten des Schädigers2. Wie im deutschen Recht macht man dem Geschädigten aber u. U. zum Vorwurf, daß er keine zuverlässige Werkstatt beauftragt habe, und reduziert auf diese Weise üppige Mietwagenkosten3.

3. Geringer Fahrbedarf

Die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen ergeben hisher nichts dazu, ob geringe Fahrleistungen den Anspruch auf Mietwagenkosten einschränken oder ganz entfallen lassen können. Nirgends ist aber auch eine bestimmte Fahrleistung zur Voraussetzung dieses Anspruchs gemacht worden. Vom ge­ nerell geltenden Grundsatz her, den Schaden nach Kräften kleinzuhalten, mag ein englisches Gericht im Einzelfall wohl einmal Mietwagenkosten bei nur geringem Fahrbedarf verweigern. Eine etablierte Regel, unterhalb einer be­ stimmten km-Grenze keine Mietwagenkosten, sondern allenfalls die entspre­ chenden Taxikosten zu ersetzen, ist jedoch nicht festzustellen.

4. Abzug auf Eigenerspamis

Hinsichtlich der Eigenersparnis stößt man in England keineswegs auf eine ähnliche Fülle gerichtlicher Erkenntnisse wie in Deutschland. Die wenigen veröffentlichten Entscheidungen, denen zu der Frage etwas zu entnehmen ist, zeigen keine ganz einheitliche Linie. Einigkeit besteht wohl insoweit, als kein Abzug für Eigenersparnis erfolgt, wenn die tatsächlichen Mietwagenkosten geringer waren als üblicherweise bei der Miete eines gleichwertigen Ersatzwa­ gens. Beleg ist die Entscheidung Moore v. DER Ltd.4 Der Geschädigte konnte hier einen Mietwagen zu einem besonders billigen Freundschaftspreis mieten. Diese Kosten wurden voll ersetzt. 1 [1971] 3 All E.R. 517, [1971] 1 W.L.R. 1476 (C.A.). 2 Stacy v. Fallas [1973] 2 C.L. 72 (hier beruhte die Verzögerung der Reparatur auf einem Streik. Der Schädiger mußte für die dadurch verlängerte Mietdauer aufkommen.) 3 Vgl. O’Grady v. Westminster Scaffolding, Ltd. [1962] 2 Lloyd’s Rep. 238 (Q.B.D.); Har­ greaves v. Holbrook [1970] R.T.R. 380 (C. A.). 4 [1971] 3 All E.R. 517, [1971] 1 W.L.R. 1476 (C.A.).

Ähnlich die Entscheidung Griffin & Co., Ltd. v. De-La-Hayel: Der Geschädigte hatte einen kleineren Lastwagen als den beschädigten gemietet und erhielt gleichfalls die vollen Mietkosten ersetzt.

Damit scheint man in England gerade in einer Frage einig zu sein, die in der Bundesrepublik besonders umstritten ist1 2. 3 Unterschiedlich ist dagegen die Praxis im übrigen, soweit sie den Abzug für Eigenerspamis zu beurteilen hatte. In O’Grady v. Westminster Scaffolding, Ltd? setzte der High Court für „wear and tear on the car during the period of its immobilization" 15 L an und zog diese Summe vom Gesamtschaden ab. Justice Edmund Davies betont, daß die Summe der Versuch eines „intelligent guess“ sei4. Einen Zusammenhang mit der Höhe der Mietwagenkosten, etwa einem gewissen Prozentsatz dieser Summe, stellt er nicht her. Tatsächlich beträgt das Verhältnis beider Summen ungefähr 1:10, der Abzug also ca. 10 %5. In der späteren Entscheidung Martindale v. Duncan6 erhielt der Geschädigte dagegen die vollen Mietwagenkosten ohne jeden Abzug für „wear and tear“, obwohl er ein dem eigenen vergleichbares Fahrzeug gemietet hatte. Für Eigenersparnis einen Abzug vorzunehmen, wird in dem Urteil überhaupt nicht erwogen. Möglicherweise beruht der Unterschied zwischen den beiden Entscheidungen nur darauf, daß in Martindale v. Duncan der Haftpflichtige keinen Abzug für „wear and tear“ geltend gemacht hatte7.

Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die englische Gerichtspraxis mit Abzügen für Eigenerspamis zurückhaltender ist als die deutsche Rechtsprechung. Man kürzt in Großbritannien den Anspruch auf die vollen Mietwagenkosten nicht, wenn der Geschädigte einen kleineren Wagen genommen hat. In den übrigen Fällen scheint nicht einmal ganz sicher, daß überhaupt ein Abzug für Eigen­ erspamis vorgenommen wird, und wenn er erfolgt, so zieht man jedenfalls geringere Beträge von den Mietwagenkosten ab als in Deutschland. Ihre

1 [1968] 2 Lloyd’s Rep. 253 (Q.B.D.). 2 Vgl. oben S. 90f. 3 [1962] 2 Lloyd’s Rep. 238 (Q.B.D.). 4aaO. 241. 5 L 15 Abzug; Mietwagenkosten: L 133. 6 [1973] 1 W.L.R. 547 (C.A.). 7 Kämmer, Die Stellung des Verkehrsopfers im englischen Haftpflicht- und Versicherungs­ recht (1969) 174 meint, die englische Praxis (auch der Gerichte) ziehe generell einen ermessensge­ mäßen Beitrag für „avoidance of wear and tear“ ab. Wenn der Geschädigte einen billigeren Wagen als Ersatz mietet, trifft dies nicht zu. Auch als Grundsatz für die übrigen Fälle läßt sich diese Annahme nicht eindeutig verifizieren.

Höhe wird geschätzt und nicht als fester Prozentsatz der Mietwagenkosten ermittelt.

5. Kaskoersatz Ob und wann der Geschädigte die Mietwagenkosten einschließlich des Betrages für eine Vollkaskodeckung zurückverlangen kann, ist eine Frage, zu der man in der englischen Praxis vergeblich nach Präjudizien sucht. Wird Ersatz von Mietwagenkosten begehrt, so behandelt die Rechtsprechung die mit der Miete verbundenen Kosten als Einheit und spricht sie in der Weise zu, wie das in den vorangehenden Fallgruppen dargestellt ist. Eine Aufteilung in eigentliche Mietkosten und Kosten für Vollkaskodeckung findet nicht statt, sei es, weil Vollkaskokosten in den entschiedenen Fällen nicht entstanden waren, sei es, weil die Rechtsprechung keine Trennungslinie zwischen beiden Posten zieht.

6. Würdigung

Drei Punkte fallen für das englische Recht in dem untersuchten Bereich besonders ins Auge. Zum einen ist das die geringe Zahl einschlägiger Urteile der ,rechtsbestimmenden4 Gerichte1. Die Praxis dieser Gerichte scheint hier eine wesentlich stärkere Leitfunktion zu erfüllen, als sie in Deutschland der Bundesgerichtshof wahrnimmt. Zum anderen fehlen die Unterfallgruppen und Differenzierungen, die im Recht der Bundesrepublik zu beobachten waren. Der ebenso flexible wie unscharfe Maßstab der „reasonableness“ ge­ nügt in England bisher, um die Einzelfragen offenbar akzeptabel zu beant­ worten. Ohnehin lassen sich die englischen Gerichte hier nicht auf Einzelhei­ ten der Berechnung ein, sondern folgen - insbesondere beim Abzug für Eigenerspamis — einem Ansatz, der sich mit recht ungefährer Schätzung begnügt. Schließlich folgt die englische Rechtsprechung bei den untersuchten Fragen durchweg einer Tendenz, die mit „liberal“ bezeichnet sei. Dem Ge­ schädigten wird großzügiger als bei uns Ersatz für tatsächliche Mietwagenko­ sten zuerkannt. Die demgegenüber auffallende Tendenz der bundesdeutschen Gerichte, die Schadenersatzforderung zurückzuschrauben, findet in England keine Parallele. Der Aspekt der „sozialen“ SchadensVerteilung, die auch auf den Schädiger und die hinter ihm stehende Versichertengemeinschaft Rück­

1 Dazu oben S. 40.

sicht nimmt, prägt sich jedenfalls bei dieser Fallgruppe in England bisher nicht in gleichem Maße aus wie in der Bundesrepublik.

III. USA Die Regeln der 50 Einzelstaaten der USA bieten für den Ersatz realer Mietwagenkosten ein ähnlich zersplittertes Bild wie die der Bundesrepublik. Jede der unterschiedlichen Lösungen, die in Deutschland zu den Einzelfragen des Problems (ausgenommen den Kaskoersatz) vertreten wird, findet in ir­ gendeinem US-Staat ihre Parallele. Das übergreifende „gemeinamerikanische Recht“ erfaßt die hier zu behan­ delnden Sachverhalte unter dem Stichwort „loss of use“, das als Gesamtkom­ plex alle aus dem Sachentzug folgenden Schäden umschließt. Deshalb gehört hierher nicht nur der Ausgleich für tatsächliche — oder fiktive — Mietwagenko­ sten, sondern auch der Ersatz für den Verlust möglicher Einnahmen, die aus dem Vermieten einer gewerblich genutzten Sache hätten erwachsen können. In der deutschen Terminologie rangiert die letztgenannte Fallgestaltung dage­ gen unter der gesonderten Rubrik des Ersatzes entgangenen Gewinns. Die amerikanische Sichtweise bringt eine gewisse Vereinheitlichung der Rechts­ folgen mit sich. Zwei Formen der Schadensberechnung stehen dem Ge­ schädigten für Fälle des Gebrauchsverlustes generell offen: Entweder die Be­ rechnung auf der Grundlage des Gebrauchswertes der Sache, der sich wie­ derum nach dem marktüblichen Mietwert (rental value) bzw., wo dieser fehlt, nach den individuellen Gegebenheiten richtet. Oder es kommt — insbe­ sondere bei kommerziell genutzten Gegenständen — zu einer Berechnung des entgangenen Gewinns, der ohne den Unfall entstanden wäre1. Der Fall, daß der Geschädigte tatsächlich eine Ersatzsache mietete und die erste Form der Schadensberechnung, also Ermittlung des Gebrauchswertes, wählte, ist also nur ein Ausschnitt aus diesem Gesamtkomplex. Wir beschränken uns dabei auf den Kfz-Haftungsbereich. Der Geschädigte, so erkennen heute alle US-Staaten an2, kann jedenfalls dann einen Mietwagen nehmen und dessen Kosten liquidieren, wenn das

1 Frumer II1236f.; Dobbs 383ff.; SPEISER/KRAUSE/GANS 666 ff. jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 2 In Arkansas wurde loss of use bis 1974 nicht in Geld vergütet: vgl. etwa Jones v. Herrin, 252 Ark. 837, 481 S. W. 2d 362 (1972). Nunmehr wie alle anderen US-Staaten: vgl. Sharp v. Great Southern Coaches, Inc., 256 Ark. 773, 510 S. W. 2d 266 (1974). In Colorado hat die Rechtspre­ chung in dem frühen Fall Hunter v. Quaintance, 69 Colo. 28, 168 P. 918 (1917) ebenfalls tatsächliche Mietwagenkosten — für einen „pleasure car“ - versagt.

beschädigte Fahrzeug noch reparabel ist und wegen der Reparatur ausfällt1. Ist der Wagen dagegen derart zerstört, daß eine Reparatur tatsächlich oder wirtschaftlich nicht mehr in Betracht kommt, dann verwehrt ein Teil der USStaaten den Ersatz realer Mietwagenkosten, billigt vielmehr nur den vollen Sachwert zu2. Dahinter steht die Auffassung, der Substanzwert einer Sache schließe ihren Gebrauchswert mit ein. Mit dem Ersatz des Gesamtwertes der Sache — bei ihrer Zerstörung gilt wie im englischen Recht der Marktwert der unversehrten Sache als der Normschaden3 — ist dann zugleich der Ge­ brauchsverlust abgegolten4. Bei noch reparabler Beschädigung ist der Ge­ brauchswert nach dieser Auffassung dagegen ein selbständiger Schadenspo­ sten. Gewisse Konzessionen macht man in Louisiana, das dieser Auffassung ebenfalls folgt5, allerdings für die Zeit, während der noch offen ist, ob der Wagen tatsächlich ein „total loss“ ist. Für eine angemessene Überlegungsfrist erhält der Geschädigte auch dann Ersatz seiner Mietwagenkosten, wenn der Unfallwagen schließlich doch als Totalschaden abgeschrieben werden muß6. Andere Einzelstaaten, unter ihnen California und inzwischen wohl auch New York, gehen weiter und ersetzen Mietwagenkosten ganz unabhängig davon, ob der Unfallwagen zerstört oder nur reparaturbedürftig war. In Kalifornien hat der Supreme Court in Reynolds v. Bank of America7 aus­ gesprochen, daß es gleichgültig sei, ob der Gebrauchsverlust auf der Zerstörung oder bloßen Beschädigung eines „vehicle" beruhe. Konkret ging es um den Gebrauchsver­ lust bei einem Flugzeug8.

1 Siehe bereits Cardozo v. Bloomingdale, 79 Mise. 605,140 N. Y. 377 (1913); Cook v. Packard Motor Car Co., 88 Conn. 590, 92 A. 413 (1915); ferner FrumerIII 372ff. und die dortigen Nachweise; ausführlich auch die Ann. 18 A.L.R. 3d 497, 508ff. (1968); Speiser/Krause/Gans 666ff. 2 Vgl. beispielsweise Kansas City So. R.R. v. Frederick, 276 S.W. 2d 332 (Tex.Civ.App. 1955); Harris v. Keller, 84 Ohio L. Abs. 45, 170 N.E. 2d 305 (1960); Neil v. McGinn, 175 Neb. 369,122 N.W. 2d 65 (1963); Orr v. Williams, 379 S.W. 2d 181 (Mo.App. 1964); Small v. Lyons, 198 So. 2d 475 (La.App. 1967); Carolina Timber Management Co., Inc. v. Bell, 21 N.C. App. 143,203 S.E. 2d 339 (1974); weitere Nachweise auch in der Ann. 18 A.L.R. 3d 497,516f. (1968). Anders aber die unten N. 7 ff zitierte Rechtsprechung. 3 Vgl. oben S. 38. 4 Diese Auffassung hat insbesondere Sedgwick §§ 178, 282 propagiert. Zum heutigen Stand der Diskussion ausführlich Dobbs 384f. 5 Vgl. etwa Small v. Lyons, 198 So. 2d 475 (La.App. 1967). 6 So z.B. in Bernard v. Fidelity & Cas. Co. of New York, 186 So. 2d 904 (La.App. 1966); noch etwas weiter scheint die Entscheidung Washington v. Lake City Beverage, Inc., 352 So. 2d 717 (La.App. 1977) gehen zu wollen. 7 53 Cal. 2d 49, 345 P. 2d 926 (1959), 73 A.L.R. 2d 716 (1960). 8 Die wichtige Entscheidung ist auch aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts (siehe dazu oben S. 24ff) eingehender Prüfung unterzogen worden: De Alessi, The Rule of Liability for Loss of Use When Property is Totally Destroyed: Some Economic Considerations, 32 Univ. Miami L.Rev. 255 (1978).

Für New York liegt erst eine untergerichtliche Entscheidung vor, die diese weiter­ gehende Ansicht ausdrücklich bestätigt. Judge Blaustein bezeichnet in Livingstone v. Knight1 die von ihm vertretene Richtung als „the modern approach“ und als „the bettet view“. Möglicherweise werden auch andere New Yorker Gerichte dieser An­ sicht folgen. In Wisconsin2 und in Indiana3 ist der Ersatz von Mietwagenkosten ebenfalls unabhängig davon, ob die Sache zerstört oder „nur“ beschädigt wurde. Dieser Ansicht hat sich jetzt auch Iowa angeschlossen4. Ebenfalls folgt ihr das jüngste Schrifttum zum Schadensrecht5.

Besteht nach diesen Grundsätzen ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagen­ kosten, so unterliegt er jedoch noch der weiteren Schranke der „reasonableness“. Ersatzfähig sind nur solche Kosten, die für einen Reparatur- oder auch Wiederbeschaffungszeitraum von angemessener Dauer entstanden6. Insge­ samt scheint aber die reasonableness-Schranke kein großes Hindernis zu sein. In Vance v. Hinton7 hatte sich die Reparatur verzögert, weil die Geschädigte noch andere - nicht unfallbedingte - Reparaturen ausfuhren ließ, für die Ersatzteile fehlten; sie erhielt die Mietwagenkosten für die gesamte Zeit. In Winter v. Elder8 hatten ein Streik und ein Werkstattwechsel die Reparatur verzögert; im Ergebnis wurde zurück­ verwiesen, der Anspruch auf die Mietwagenkosten aber im Grundsatz bereits bejaht.

1. Fixe Obergrenze?

Die amerikanische Rechtsprechung ist ähnlich uneinig wie die der Bundes­ republik. In einer größeren Zahl von US-Staaten wird der Marktwert, den das Fahrzeug vor dem Unfall hatte, als Obergrenze angesehen, den die Ge­ samtsumme aus Reparaturkosten und Ersatz für „loss of use“ nicht überstei­ gen darf9. Dies steht in Einklang mit der Auffassung, der Substanzwert 1 90 Mise. 2d 941, 396 N. Y.S. 2d 562 (1976); anders aber New York Jur. 198 ff. 2 Nashban Barrel & Container Co. v. G.G. Parsons Trucking Co., 49 Wis. 2d 591,182 N. W. 2d 448 (1971). 3 New York Cent. R.R. v. Churchill, 140 Ind. App. 426, 218 N.E. 2d 372 (1966). 4 Long v. McAllister, 319 N. W. 2d 256 (Iowa 1982). 5 Speiser/Krause/Gans 668 f. 6 Aus der Rechtsprechung s. etwa Texas Tool Traders, Ins. v. Mosley Machinery Co., 422 S.W. 2d 229 (Tex.Civ.App. 1967); Venable v. Import Volkswagen, Inc., 519 P. 2d 667 (Kan. 1974). Ferner Speiser/Krause/Gans 666. 7 200 So. 2d 341 (La.App. 1967), writ ref. 251 La. 62,202 So. 2d 562 (1967); ähnlich Holleman v. Viola, 330 So. 2d 252 (La.App. 1976). 8 492 S.W. 2d 146 (Mo.App. 1973). 9 So beispielsweise Georgia: Perkins v. Beatles, 133 Ga.App. 671, 211 S.E. 2d 920 (1975); Iowa: Harlan v. Passot, 150 N. W. 2d 87 (Iowa 1967); Kansas: Venable v. Import Volkswagen, Ins. 519 P. 2d 667 (Kan. 1974); Texas: Jalco, Ins. v. Tool Traders, Inc. 535 S.W. 2d 898 (Tex.Civ.App. 1976). Nachweise der älteren Rechtsprechung in Ann. 18 A.L.R. 3d 497, 540 (1968).

schließe den Gebrauchswert in sich ein1. Bei schweren Schäden bleibt daher für Mietwagenkosten nur ein recht begrenzter Spielraum; bei leichten Schä­ den ist er hingegen meist so groß, daß er regelmäßig nicht ausgeschöpft werden kann. Unklar ist allerdings, ob eine Obergrenze gilt und wie sie festzulegen ist, wenn der Wagen zerstört wurde und die Rechtsprechung des Einzelstaates auch dann Ersatz für loss of use zubilligt. Die bisherigen Ent­ scheidungen geben hierüber keinen Aufschluß. Andere Einzelstaaten kennen dagegen überhaupt keine derartige Ober­ grenze2. Wie in Deutschland findet man in den USA also zwei rivalisierende Auffassungen: die eine, überwiegende, spricht sich für eine dem Schädiger gegenüber rücksichtsvollere, wertmäßig beschränkte Wiederherstellung aus, die Mindermeinung dagegen für eine „rücksichtslose“, gänzliche Wiederher­ stellung.

2. Bestimmte Frist? Die amerikanische Rechtsprechung billigt dem Geschädigten Mietwagen­ kosten für den Zeitraum zu, der für eine sorgfältige Reparatur (in einigen Staaten auch für die Wiederbeschaffung)3 nach den Umständen erforderlich und angemessen ist (the reasonable time)4. Die Praxis der Einzelstaaten untereinander ist wiederum nicht ganz einheitlich5. Insgesamt scheint man in diesem Punkt einem noch stärker subjektbezogenen Maßstab als in Deutschland zu folgen6. Die Angemessenheit der Reparaturzeit und der entsprechenden Mietdauer richtet sich deshalb ganz nach den Umständen des Einzelfalles. Man orientiert sich nicht unbedingt an der Reparaturdauer, die in gleichliegenden Fällen üblich ist7. Verzögerungen während der Reparatur­ zeit muß weitgehend der Schädiger tragen8. Nur in Fällen ganz außerge­ wöhnlich langwieriger Verzögerungen, die der Schädiger nicht zu vertreten 1 Siehe oben S. 185. 2 Siehe etwa Connecticut: stdg. Rechtsprechung seit Doolittle v. Otis Elevator Co., 98 Conn. 248, 118 A. 818 (1922); Lousiana: Cook v. Southern Farm Bureau Casualty Ms. Co., 124 So. 2d 183 (La.App. 1960); Minnesota: Kopischke v. Chicago, St. P.M. & O. R. Co., 230 Minn. 23, 40 N.W. 2d 834 (1950); zum Komplex siehe auch Speiser/Krause/Gans 668. 3 Vgl. oben S. 107f. 4 Vgl. die ausführlichen Nachweise in Ann. 18 A.L.R. 3d 497, 545 ff. (1968). 5 Vgl. die Ann. aaO. 6 Vgl. die Ann. aaO. und das dort wiedergegebene umfangreiche Fallmaterial. 7 Vgl. auch die oben S. 108 bei N. 7 und 8 berichteten Fälle. 8 Vgl. S. 108 N. 7 und 8, ferner etwa auch Parsons v. Lambert, 209 Miss. 649, 48 So. 2d 143 (1950); Pelican Trucking Co. v. Rossetti, 251 Miss. 37,167 So. 2d 924 (1964). Deselle v. Wilson, 200 So. 2d 693 (La.App. 1967); Winter v. Elder, 492 S.W. 2d 146 (Mo.App. 1973); Nolan v. Auto Transporters, 497 P. 2d 614 (Kan. 1979).

hat, kann der Geschädigte seine Mietwagenkosten nicht liquidieren. Diese recht großzügige Haltung der Rechtsprechung ist wohl auch verantwortlich dafür, daß die Entscheidungssammlungen nur relativ wenige Urteile zu dem Problemkreis enthalten.

3. Geringer Fahrbedarf Es ist nicht ersichtlich, daß die US-amerikanische Praxis den Anspruch auf tatsächlich entstandene Mietwagenkosten deshalb kürzt, weil der Geschädigte den Mietwagen im Ergebnis nur wenig gebraucht hatte. Außer in der frühen Entscheidung Perkins v. Brown12 scheint die Frage auch nicht näher behan­ delt zu sein3. In Perkins v. Brown4 hatte der Geschädigte allerdings kein Ersatzfahrzeug gemie­ tet. Sein gewöhnlicher Fahrbedarf beschränkte sich auf „a few hours of the day for pleasure and shopping drives“. Das Gericht hielt es deshalb für unangemessen, den vollen Tagesmietpreis als Schadenersatz zuzusprechen. Obwohl die Ausführungen zum Fahrbedarf generell gehalten sind, lassen sich der Entscheidung wohl keine über den konkreten Fall hinausgehenden Grundsätze entnehmen.

Man kann deshalb wohl davon ausgehen, daß geringer Fahrbedarf den Anspruch auf die vollen tatsächlichen Mietwagenkosten in aller Regel nicht kürzt, auch wenn etwa die Benutzung eines Taxis billiger gewesen wäre.

4. Abzug für Eigenersparnis In den meisten Einzelstaaten der USA hat der Geschädigte einen Abzug für Eigenersparnis hinzunehmen, wenn er tatsächlich entstandene Mietkosten geltend macht5. Die Rechtsprechung zieht den Anteil ab, der in den Miet­

1 So etwa U. S. A. C. Transport, Inc. v. Baltimore & Ohio R. Co., 209 F. Supp. 815 (D. C. Md. 1962). 2 132 Tenn. 294, 177 S.W. 1158 (1915). 3 Weder die bereits mehrfach zitierte Annotation (18 A.L.R. 3d 497 (1968), die die gründ­ lichste Übersicht über die einschlägigen Urteile gibt) noch die Zusammenstellung bei Frumer 372f. und im Eight Decennial Digest (1966-1976) Damages S. 1384f. oder Ninth Decennial Digest (1976-1981) Damages S. 630f. berichten weitere Fälle. 4 Siehe N. 2. 5 Vgl. etwa Pelican Trucking Co. v. Rossetti, 251 Miss. 37 167 So. 2d 924 (1964) insoweit aufrechterhalten 251 Miss. 45, 170 So. 2d 573 (1965). Weitere Nachweise in Ann. 18 A.L.R. 3d 497, 543ff. (1968).

wagenkosten die Ausgaben für Benzin, Öl und Unterhalt deckt1. Auf diese Weise wird der eigentliche Gebrauchswert („net rental value“) bestimmt. Ein fester Prozentsatz wurde in den veröffentlichten Entscheidungen bisher nicht verwendet2. In der pennsylvanischen Entscheidung Bauer v. Armour & Co.3 hat das Gericht es im übrigen abgelehnt, ein Urteil zu revidieren, das den Abzug nicht berücksichtigt hatte. Man berief sich auf die de minimis Regel, hielt die Frage also für zu geringfügig, um deshalb ein im übrigen fehlerfreies Urteil aufzuheben. Angesichts dieser Lage verwundert es nicht, daß keine Entscheidungen zu der Frage ersichtlich sind, ob die Kürzung wegen Eigenersparnis wegfällt, wenn der Geschädigte einen Wagentyp mietet, der kleiner als sein eigener ist.

5. Kaskoersatz Hat der Geschädigte für ein Mietfahrzeug Volldeckung genommen, ob­ wohl sie für sein eigenes Fahrzeug nicht bestand, so scheint dieser Umstand in den USA nicht dazu zu führen, daß man den Anspruch auf die vollen tatsächEch entstandenen Mietwagenkosten kürzt. Entsprechende Entscheidungen sind jedenfalls nicht auszumachen4. Insgesamt spielt diese Frage in der Ge­ richtspraxis keine Rolle.

6. Würdigung Die Stellungnahmen, die amerikanische Gerichte zu Einzelfragen des Ersat­ zes tatsächlich entstandener Mietwagenkosten abgegeben haben, sind, so zeigt der Überblick, relativ rar. Das mag zum Teil darin begründet sein, daß in den zugänglichen Entscheidungssammlungen nicht alle einschlägigen Ent­ scheidungen erscheinen. Doch auch in der Bundesrepublik werden nicht sämtliche, vor allem untergerichtliche Urteile publiziert. Der Vergleich der obergerichtlichen Praxis legt jedenfalls die Vermutung nahe, daß in Deutsch­ land über diese Fragen sehr viel häufiger gerichtlicher Streit entsteht. Soweit veröffentlicht, belegt die Praxis der US-Gerichte zweierlei. Zum 1 Perry v. Harris, 31 Ohio Ops. 2d 216,95 Ohio L. Abs. 21,197 N.E. 2d 416 (1964); sieheauch Frumer 378. 2 Vgl. Ann. aaO. 543 ff. 3 84 Pa. Super. 174 (1924). 4 Siehe die Urteilsübersichten bei Frumer 372ff.; Anm. 18 A.L.R. 3d 497 (1968); Eighth Decennial Digest (1966-1976) Damages S. 1378f. und Ninth Decennial Digest (1976-1981) Damages S. 630f.

einen folgt man einer für den Geschädigten eher großzügigen Tendenz. Zum anderen ist die Rechtsprechung insgesamt nicht geneigt, allzu detaillierte Einzelheiten der Schadensberechnung zu erörtern. Die Rechtsausführungen in den Urteilen geben der Jury weitgehend abstrakte und ziemlich grobma­ schige Richtlinien, die vor allem auf problemlose Verwendbarkeit in der Praxis hin ausgerichtet erscheinen.

IV. Frankreich In Frankreich finden sich nur wenige veröffentlichte Urteile, die Grund­ sätze festlegen, nach denen die Entschädigung für „l’immobilisation" eines Wagens zu bemessen ist. Die Stellungnahmen, die in der Literatur zu dem Thema erscheinen, stützen sich denn auch auf begrenztes und oft nur unveröf­ fentlichtes Rechtsprechungsmaterial1. Dagegen stößt man immerhin auf einige Urteile auch des obersten Gerichts, die sich - oft inzident — jedenfalls zum Ob einer solchen Entschädigung äußern2. Die Cour de cassation hat dagegen bisher, soweit ersichtlich, zum Wie der Schadensberechnung nicht Stellung genommen. Die Vermutung liegt nahe, daß die Regulierungspraxis den Beteiligten keinen Anlaß gibt, häufig um gerichtliche Klärung einzelner Berechnungsweisen nachzusuchen. Als Grundsatz kann heute in Frankreich gelten, daß der Geschädigte die Kosten eines Mietwagens für die Zeit liquidieren darf, für die der beschädigte Wagen wegen notwendiger Reparaturarbeiten ausfiel. Die Miete eines Er­ satzwagens und der Ersatz seiner Kosten werden in diesem Fall als die ,richtige4 Form des Schadensausgleichs angesehen. „La reparation la plus appropriee serait de rembourser le prix de location d’un vehicule.“3

Frühere Auffassungen, daß dieser Grundsatz nur für kommerziell genutzte Fahrzeuge gelte4, finden heute in dieser Ausschließlichkeit keine Gefolg-

1 Etwa Duthoit 34; Herrbach Gaz.Pal. 1972.1. Doct. 261; Beraud 48 ff. 2 So beispielsweise Cass 16. 3. 1960, Bull, civ. 1960. II. no. 123; Cass. 31. 3. 1965 Gaz.Pal. 1965.2.76 note; Cass 26. 1. 1966, Bull. civ. 1966. II. no. 110 S. 78; Cass. 25. 4. 1968, Bull. civ. 1968. II. no. 116 S. 80; Cass. 25. 10. 1976, J.C.P. 1976. IV. 375. 3 Le Tourneau 348; nahezu wörtlich ebenso Colmar 20. 3. 1969, J.C.P. 1970.IV.1; zum Ganzen ausführlich auch Duthoit 34ff. und Herrbach Gaz.Pal. 1972.1. Doct. 261 (265ff.); ferner Beraud 48ff. 4 Vgl. die Zusammenstellung der Nachweise und die Diskussion bei Duthoit 34f.; dazu auch Herrbach (vorige N.) 267f. Die Arbeit von Rainer Hartmann 128ff. geht noch davon aus, daß diese Auffassung die herrschende Praxis sei.

schäft mehr1. Einige neuere Urteile haben stattdessen allerdings einen berech­ tigten Grund für die Miete des Ersatzwagens verlangt2. Ob diese Ansicht inzwischen als repräsentativ für die Gerichtspraxis insgesamt zu gelten hat, läßt sich freilich nicht sicher nachweisen. Denn in den übrigen Fällen ging der Streit meist nur um die Frage, ob die behauptete Dauer der „immobilisation" berechtigt oder zu lang bemessen war3. Diese Entscheidungen geben immer­ hin keinen Hinweis darauf, daß die Mietkosten für den Ersatzwagen nur deshalb zugesprochen wurden, weil ein hinreichender Bedarf für die Miete nachgewiesen war. Im Urteil des Tribunal de Grande Instance in Aix-en-Provence4 findet sich aller­ dings der Hinweis, daß der Geschädigte „pere de famille nombreuse“ war. Ob und welche Bedeutung das Gericht diesem Umstand beigemessen hat, ist dem Urteil aber nicht zu entnehmen.

Die Literatur ist sich über die Notwendigkeit eines berechtigten Grundes, der die Miete des Ersatzwagens rechtfertigen muß, nicht einig. Derrida5, Durry6 und Le Tourneau7 stellen in ihren freilich kurzen Erläuterungen diese Forderung nicht auf8. Auch das von Richter Maier de Tergoule vorgeschlagene Schema9 enthält eine Sparte „immobilisation de la voi-

1 Vgl. etwa Colmar 20. 3.1969,J.C.P. 1970.IV.1; auch Cass. 31. 3.1965, D. 1965. Somm.lll. Aus der Literatur: Le Tourneau 347f; Durry, Rev. trim. dr. civ. 1967, 400; Derrida no. 104; Duthoit aaO.; und insbes. die Äußerungen von Bedour(-Beuchard) 365: „II faut cependant reconnaitre qu’une certaine tendance se manifeste parfois pour admettre l’existence d’un prejudice (sc. durch Gebrauchsentzug) meme si la victime n’utilise son vehicule que pour la promenade.“ Und 367: „Cette pretention (sc. Ersatz tatsächlicher Mietwagenkosten) est en principe fondee et admise par la jurisprudence, notamment lorsque le lese est un representant de commerce ou un artisan.“ Ganz ähnlich Beraud 48f. Ferner auch Herrbach (oben vorige S., N. 1) 268, der aber stattdessen verlangt, daß der Geschädigte eine gewisse „justification" - etwa einen besonderen Bedarf - für die Miete eines Ersatzwagens nach weist. 2 So etwa Colmar (vorige N.). Ähnlich Trib. gr. inst. Paris 17. 6. 1969, Gaz.Pal. 1969.2. Somm. 14 note: Das Gericht hat die tatsächlichen Mietwagenkosten zugesprochen und in der Begründung den Umstand herangezogen, daß der Geschädigte auf seinen Wagen angewiesen sei. 3 Siehe etwa Montauban 10. 3. 1966, J.C.P. 1967.14933 note Clavel; Cass. 25. 4. 1968, Bull, civ. 1968. II. no. 116 S. 80; Trib. gr. inst. Toulouse Gaz.Pal. 1969.1. Somm. 24 note; Trib. gr. inst. Aix-en-Provence 21. 12. 1970, Gaz.Pal. 1971.1.152; Rennes 30. 11. 1973, Gaz.Pal. 1974.1.110 note und Besprechung in Gaz.Pal. 1974.1.560 (hier ging es allerdings um den Ersatz fiktiver Mietwagenkosten); Aix-en-Provence 16. 2. 1976, D. 1977. LR. 107 obs. Larroumet. 4 21. 12. 1970, Gaz-Pal. 1971.1.152. 5 no. 104. 6 Rev. trim. dr. civ. 1967, 400. 7 326. 8 Ebenso wie die Genannten Larroumet, obs. zu Aix-en-Provence 16. 2. 1976, D. 1977. LR. 107. 9J.C.P. 1969. Doct. 2260.

ture ... jours a... Francs... F", die an keine weitere Voraussetzung anknüpft1. Duthoit2 will immerhin dann den Ersatz tatsächlicher Mietwa­ genkosten versagen, wenn der Geschädigte seinen Wagen nur ganz gelegent­ lich benutzt hatte. Ähnlich möchte offenbar auch Herrbach3 verstanden werden. Andere Stimmen fordern dagegen den Nachweis, daß der gemietete Ersatzwagen in casu „une perte eonomique“ vermeiden half4. Die Versiche­ rungspraxis verfährt in der Weise, daß sie die Mietwagenkosten für eine angemessene Reparaturdauer und ein gleichwertiges Fahrzeug regelmäßig ersetzt. Die französische Praxis hat reale Mietwagenkosten zunächst — etwa bis zum Beginn der 60er Jahre — im wesentlichen nur ersetzt, wenn das beschädigte Fahrzeug kommerziell genutzt wurde und sein Ausfall eine Geldeinbuße bedeutete. Dann erkannte man auch jedes berechtigte Interesse als Grund an, einen Ersatzwagen zu nehmen. Heute scheint bereits die Anschauung vorzu­ herrschen, daß der Entzug des Fahrzeugs per se ein Recht gibt, einen Ersatz­ wagen zu mieten und dessen Kosten vom Schädiger zu liquidieren. Freilich bleibt dabei zu berücksichtigen, daß auch die französischen Gerichte dem Geschädigten die Pflicht auferlegen, den Schaden kleinzuhalten. Diese Pflicht kann Einfluß auf die Frage nehmen, ob die Miete eines Ersatzfahrzeugs der richtige Weg zur Schadensbehebung war5. Doch scheint die Praxis von dieser Einschränkung nicht allzu häufig Gebrauch zu machen. Beachtung verdient, wie man in Frankreich den Anspruch auf Ersatz des Immobilitätsschadens begründet. Lehre und Rechtsprechung stützen sich nicht (mehr) darauf, daß dem Geschädigten mit der Nutzungsmöglichkeit ein geldwerter Vorteil entzogen wird, sondern hebt hervor, daß der Gebrauchs­ entzug den Geschädigten in seiner Persönlichkeitssphäre beeinträchtige. „La voiture vaut par sa utihte, et de plus en plus, s’affirme comme un prolongement de personnahte“6. Da aus diesem Grund der Nutzungsverlust in Geld zu vergüten sei, solle man den Ersatz für „l'immobilisation" auch nicht jeweils nach den Gebrauchsabsichten des Geschädigten abstufen. Zum einen könne und solle man nicht über die verschiedenen (zulässigen) Absichten wertend richten; zum anderen solle man den nicht bestrafen, der sich einen Wagen ,nur‘ privat leiste, indem man ihm den Ersatz für Gebrauchsentzug versage7. 1 Auch im erläuternden Text fuhrt Maier de Tergoule „le coüt d’immobilisation du vehi­ cule“ als selbstverständlichen Betrag auf. 2 35. 3 Gaz.Pal. 1972.1. Doct. 268. 4 So Rusconi, Le prejudice automobile, zit. nach Herrbach, Gaz.Pal. 1972.1. Doct. 261. Weitere Nachweise auch bei Rainer Hartmann 131 Fn. 10. 5 Dazu insbes. Duthoit 35. 6 Duthoit 35 unter Hinweis auf entsprechende Entscheidungen; ganz ähnlich auch Herr­ bach, Gaz.Pal 1972.1. Doct. 265 und Beraud 48f, im Anschluß an Duthoit. 7 So insbes. Beraud 49 f.

1. Fixe Obergrenze?

Unter den veröffentlichten Urteilen ist bisher kein Fall ersichtlich, in dem die Mietwagenkosten den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Wagens oder seinen Zeitwert vor dem Unfall überstiegen hätten. In der Rechtsprechung hat etwa das Tribunal de grande instance in Aix-en-Provence1 mit 4000- Fr. einen relativ hohen Betrag für Mietwagenkosten ersetzt. Doch machte diese Summe in dem entschiedenen Fall nicht mehr als die Hälfte des Wertes des unbeschädigten Wagens aus.

Entsprechend fehlen in der Rechtsprechung, aber auch in der Literatur bisher Äußerungen, die einen bestimmten Wert als Obergrenze ersatzfähiger Mietwagenkosten festlegen oder eine solche Grenze ausdrücklich ablehnen. Allzu hohen Mietwagenkosten begegnet die Rechtsprechung — und insbeson­ dere die Versicherungspraxis — vielmehr dadurch, daß sie die Dauer der „immobilisation" begrenzt (hierzu sogleich).

2. Bestimmte Frist? Die Rechtsprechung vergütet tatsächlich entstandene Mietwagenkosten — wie im deutschen Recht — grundsätzlich nur für diejenige Dauer der „immo­ bilisation", die zur Reparatur oder Wiederbeschaffung erforderlich ist2. Der Grundsatz kann in französicher Sicht indessen auf zweierlei Weise ausgefüllt werden: „Erforderlich" kann entweder die theoretisch — unter optimalen Reparatur- oder Wiederbeschaffungsbedingungen — notwendige oder aber die Zeit sein, die angesichts der Marktbedingungen (beispielsweise kann die Werkstatt nicht sogleich mit den Arbeiten beginnen etc.) tatsächlich notwen­ dig wurde. „La duree technique" und „la duree effective" stehen sich damit u.U. gegenüber3. Die Praxis der Gerichte und Versicherungen berücksich­ tigt heute grundsätzlich nur die „duree technique“, die der Sachverständige festsetzt4. Man will damit Mißbräuchen (durch zu ausgedehnte Mietzeiten) 1 21. 12. 1970, Gaz.Pal. 1971.1.152 note. 2 Aus der Rechtsprechung der Cour de cassation etwa Cass. 31. 3. 1965, Gaz.Pal. 1965.2.76 note; aus der übrigen Rechtsprechung Aix-en-Provence 16. 2. 1976, D. 1977. I.R. 107 obs. Larroumet. Ausführlich in der Literatur zum Problem vor allem Herrbach, Gaz.Pal. 1972.1. Doct. 261 (265f). 3 Vgl. Bedour(-Beuchard) 368. 4 Siehe das bei Bedour(-Beuchard) 368 f. zusammengestellte Rechtsprechungsmaterial und die dortigen Angaben über die Versicherungspraxis: Gelegentlich haben die Gerichte die „duree technique“ freilich auch zugunsten der längeren „duree effective“ korrigiert: etwa Cass 31. 3. 1965, Gaz.Pal. 1965.2.76 note (von 1% Tagen auf 3 Tage angehoben).

vorbeugen1. Noch zurückhaltender beurteilt man den Ersatz für Mietzeiten, sofern besondere Umstände (Lieferzeiten etc.) sie verlängert haben2. Solche Umstände, die und soweit sie außerhalb der Einflußsphäre des Schädigers hegen, lassen den Stillstand des Fahrzeugs nicht mehr als „suite directe" des Schadensereignisses erscheinen und unterbrechen nach französischer Auffas­ sung den „Een de causaHte“ zwischen haftungsbegründender Handlung und Schaden3. Wie die Praxis im einzelnen verfährt, illustrieren die folgenden Entscheidungen. Im Fall, den die Cour de Cassation mit Urteil vom 25. 4. 1968 entschied4, war die technisch notwendige Reparaturdauer deshalb überschritten worden, weil der Reparateur sein Zurückbehaltungsrecht am Wagen ausgeübt hatte. Das Zurückbehaltungs­ recht konnte er geltend machen, weil der Geschädigte selbst finanziell nicht in der Lage war, die Reparaturkosten zu zahlen. Der Haftpflichtige aber leistete nicht. Der Kassa­ tionshof sprach die Mietwagenkosten für die gesamte Zeit zu, während der der Geschädigte über den Wagen nicht verfugen konnte. Denn der Schädiger habe die überlange Dauer des Gebrauchsentzugs veranlaßt. Üblicherweise verfährt die Praxis heute jedoch wie die Cour d’Appel Aix-enProvence5. Das Gericht ließ den Schädiger die Mietwagenkosten nur für die vom Sachverständigen geschätzte Reparaturdauer (11 Tage) tragen und nicht für die tat­ sächliche Ausfallzeit (2 Monate), da diese auf langen Lieferfristen für Ersatzteile be­ ruhte.

Zu lange Reparaturzeiten setzt der Richter also auf das angemessene Maß herab, das meist mit der vom Sachverständigen geschätzten Dauer identisch sein wird. Die Schätzung des Sachverständigen spielt faktisch zwar eine große Rolle6. Doch bindet sie den Richter nicht im Rechtssinne7. Das französische Recht geht also von dem ja sehr flexiblen Grundsatz aus, daß Mietwagenkosten für die erforderliche Reparatur- oder Wiederbeschaf­ fungszeit zu ersetzen sind. In der tatsächlichen Anwendung versucht man diesen Grundsatz nach Kräften zu objektivieren. Insbesondere in Reparatur­ fällen stehen Mietwagenkosten nur für den Zeitraum zu, der für die Repara­ 1 Siehe Bedour(-Beuchard) 368; auch die note zu Cass. 31. 3. 1965, Gaz.Pal. 1965.2.76. 2 Vgl. die Rechtsprechungsangabe in der vorigen N.; ferner Trib. gr. inst. Montauban 10. 3. 1966, J.C.P. 1967.11.14933 note Clavel; Trib. gr. inst. Toulouse 22. 11. 1968, Gaz.Pal. 1969.1.Somm. 24 note; Trib. Gr. Inst. Paris 17. 6. 1969, Gaz.Pal. 1969.2.somm. 14 note. Weitere (ältere) Rechtsprechung bei Duthoit 35 und Herrbach (S. 112 N. 1) 265f. 3 Vgl. insbes. die note zu der oben (vorige S., N. 1) genannten Entscheidung; ferner Durry 401. 4 Buh. civ. 1968.11. no. 116 S. 80. 5 D. 1977.1.R.107 obs. Larroumet; vgl. auch Bedour(-Beuchard) 368f. 6 Daraufmacht insbes. Herrbach, Gaz.Pal. 1972.1. Doct. 261 (265) aufmerksam. Siehe ferner Bedour(-Beuchard) 368 f. 7 Vgl. Cass. 31. 3. 1965, Gaz.Pal. 1965.2.76 note.

tur in gleichliegenden Fällen üblich und objektiv erforderlich ist. Individuelle Abweichungen finden keine Berücksichtigung, es sei denn, der Schädiger habe sie veranlaßt. Im Ergebnis entscheidet vor allem die Frage der angemes­ senen Reparaturdauer darüber, ob und in welcher Höhe Mietwagenkosten zu ersetzen sind.

3. Geringer Fahrbedarf

Einige Entscheidungen verlangen, wie bereits erwähnt, eine »justification“, einen berechtigten Grund als generelle Voraussetzung dafür, daß der Ge­ schädigte einen Mietwagen nehmen und dessen Kosten liquidieren darf. Sie lassen sich dahin deuten, daß nur ein berechtigter Fahrbedarf zum Ersatz von Mietwagenkosten fuhren kann1 2. 3Allerdings legen weder diese noch andere Entscheidungen eine bestimmte Kilometergrenze fest, die der Geschädigte mit dem Mietwagen täglich mindestens zurücklegen muß, um seinen Fahrbe­ darf nachzuweisen. Man wird den Entscheidungen vielmehr zu entnehmen haben, daß nicht ein bestimmtes kilometermäßiges Fahrbedürfnis zählt, son­ dern das berechtigte Bedürfnis, überhaupt einen Wagen zur Verfügung zu haben — etwa wegen der großen Familie3 oder anderer ähnlicher Umstände. Ob die genannten Urteile freilich für die Rechtsprechung repräsentativ sind, läßt sich gegenwärtig nicht beantworten. Generell, dies ergibt die veröffentEchte Praxis, verlangen die Gerichte jedenfalls keinen entfernungsmäßig fest­ gelegten Fahrbedarf des Geschädigten. Allerdings ist auch hier der Grundsatz zu beachten, daß der Geschädigte den Schaden nach Kräften kleinhalten soll4. Duthoit5 meint deshalb, der Schädiger habe nicht mehr als die Taxikosten zu ersetzen, wenn der Ge­ schädigte auch mit dem Taxi täglich hätte zur Arbeit fahren können und wenn diese Kosten unter dem Preis für einen Mietwagen gelegen hätten. Einschlägige Rechtsprechung kann Duthoit freiEch nicht anführen. Mehr als eine allgemeine Mißbrauchsschranke wird man in dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht für unseren Punkt deshalb gegenwärtig im fran­ zösischen Recht kaum sehen können.

1 Vgl. oben S. 113 N. 2. 2 Siehe insbes. Colmar 20. 3. 1969, J.C.P. 1970. IV. 1. 3 Wie etwa in dem Fall des Trib. gr. inst. Aix-en-Provence 21. 12. 1970, Gaz.Pal. 1971.1.152, ohne daß das Gericht diesem Umstand freilich in den Urteilsgründen explicit Bedeutung beige­ messen hätte. 4 Siehe dazu Herrbach Gaz.Pal. 1972.1. Doct. 261 (266) mit Rechtsprechungsnachweisen. 5 35.

4. Abzug für Eigenersparnis

Die heutige Rechtsprechung zieht von den Mietwagenkosten regelmäßig einen Teil für Aufwendungen ab, die der Geschädigte derweil am eigenen Wagen eingespart hat1. Ist man sich auch über den Grundsatz einig, so besteht doch wegen des „pouvoir souverain“ des „juge du fond“, den Ab­ schlag für Eigenersparnis (abattement) ermessensgemäß festzusetzen, wenig Einheitlichkeit unter den Gerichten. So hat die Cour d‘ Appel de Paris in einem Urteil vom 11. 3. 19712 die Mietwa­ genkosten um 20 % gekürzt; das Tribunal de grande instance d’Aix-en-Provence3 hat einen Abschlag von weniger als 10% für angemessen gehalten. Teilweise haben Gerichte aber auch nur die Hälfte oder noch geringere Teile der Mietwagenkosten ersetzt4.

Die wenigen veröffentlichten richterlichen Äußerungen deuten daraufhin, daß offenbar die Notwendigkeit für eine intensive richterliche Beschäftigung mit dem Thema fehlt. So finden sich weder Urteile, die sich mit der — in Deutschland vielbehandelten - Fallgestaltung befassen, daß der Geschädigte einen klassenniederen Wagen gemietet hat, noch gibt es explizite Äußerungen der Rechtsprechung zur Eigenersparnis bei Fahrstrecken unterhalb einer be­ stimmten Grenze.

5. Kaskoersatz

In Frankreich sucht man — ebenso wie in England — vergeblich nach veröf­ fentlichten Entscheidungen der Rechtsprechung, die sich mit dem Ersatz einer Voll- oder Teilkaskoversicherung für den Mietwagen befassen, wenn der Geschädigte den eigenen Wagen nicht in gleicher Weise versichert hatte.

1 Vgl. Bedour(-Beuchard) 367 und insbes. Herrbach (S. 112 N. 1) 268 mit Nachweis unveröffentlichter Rechtsprechung. Offenbar ist die ältere Rechtsprechung ebenso verfahren: vgl. die Nachweise bei Herrbach aaO.; anders wertet dagegen Rainer Hartmann 133 (Text und N. 18) die frühere Rechtsprechung. 2 Jur. autom. 1971,143; näher besprochen bei Herrbach aaO. 268. 321. 12.1970, Gaz.Pal. 1971.1.152 note. 4 Vgl. die bei Bedour(-Beuchard) 367 (Text und N. 45) berichtete Rechtsprechung.

6. Würdigung

Wiewohl der Grundsatz — der Geschädigte hat Anspruch auf die erforderUchen (tatsächlich entstandenen) Mietwagenkosten — in Deutschland und Frankreich übereinstimmt, hat die französische Praxis keineswegs die gleichen zahlreichen Untergruppen gebildet, die wir für die Bundesrepublik vorge­ funden haben. Mit der Feststellung, daß die Reparaturdauer objektiv erfor­ derlich war, hat es in Frankreich sein Bewenden und es scheint, daß dieses Regulativ im wesentlichen genügt, um überzogene Ansprüche abzuwehren. Mit der Anknüpfung an die objektiv zur Reparatur erforderliche Zeitdauer werden allzu delikate Wertungsfragen — im Hinblick auf Fahrbedarf, wertmä­ ßige Höchstgrenze etc. — vermieden. Im Ergebnis gewährt die französische Rechtsprechung wegen dieser Anknüpfung oft geringeren Ersatz für Miet­ wagenkosten als die deutschen Gerichte. In der Frage der Eigenersparnis stimmt das französische Recht im Grund­ satz ebenfalls mit dem deutschen überein. Die Einzelheiten, zumal die Höhe des Abzugs für Eigenersparnis behandelt man in Frankreich dagegen — anders als in Deutschland — uneinheitlich.

V. Zusammenfassender Vergleich Ausgangspunkt ist überall der gleiche Grundsatz: Der Geschädigte erhält Ersatz der verständigerweise erforderlichen Mietwagenkosten. In vielen USStaaten befolgt man diese Regel allerdings nur bei reparaturbedingtem Gebrauchsentzug1, während in den anderen Ländern der Grund für den Nut­ zungsausfall — Reparatur oder Wiederbeschaffung — unerheblich ist2. Der genannte Grundsatz koppelt den Gedanken der Totalreparation mit der Pflicht zur Schadensminderung. Das Verhältnis beider Gedanken zueinander läßt sich einem Parallelogramm vergleichen. Verschiebt man eine Seite, so verschiebt sich automatisch auch die andere. In der Bundesrepublik ist die Tendenz insbesondere der Untergerichte am stärksten ausgeprägt, den Ersatz (durch eine Vielzahl von Instrumenten wie eine Wertobergrenze, beschränkte Frist, Fahrbedarf, Eigenersparnis etc.) zu beschränken, also die Pflichtenseite des Parallelogramms zu erweitern und automatisch die „Ersatzseite“ zu ver­ mindern. England verfolgt demgegenüber eine wesentlich großzügigere Hal­ tung, betont also stärker die Ersatzseite; in den USA und Frankreich ist man in dieser Hinsicht etwas großzügiger als in der Bundesrepublik.

1 Vgl. oben S. 107f. 2 Vgl. die vorangehenden Länderberichte.

Bemerkenswert ist weiter, daß Frankreich in der objektiv erforderlichen Zeitdauer offenbar das wesentliche Steuerungsinstrument sieht, um Ersatzan­ sprüche der hier untersuchten Art auf das richtige Maß zuzuschneiden. Die USA und die Bundesrepublik verlegen sich dagegen auf eine Mehrzahl von Instrumenten, um diesen Zweck zu erreichen. Dies zeigt ein Vergleich der einzelnen Problemkreise.

1. Fixe Obergrenze

Hinsichtlich einer festen Obergrenze für Mietwagenkosten zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Auf der einen Seite steht die Auffassung, die in den USA weitgehend und in der Bundesrepublik teilweise Anerkennung gefunden hat, daß Mietwagenkosten einschließlich weiterer Ersatzleistungen für das be­ schädigte Fahrzeug über den ursprünglichen Fahrzeugwert hinaus nicht zu ersetzen sind. In den USA begründet man das Ergebnis mit der Überlegung, der Substanzwert einer Sache schließe ihren Gebrauchswert in sich ein und bilde die Obergrenze des Gesamtsachschadens1. In der Bundesrepublik führt man an, der Geschädigte müsse den Schaden durch billigere Mittel (etwa den Kauf eines gleichwertigen Gebrauchtwagens) kleinhalten2. Der Ansicht, ein Anspruch auf Mietwagenkostenersatz sei an keine be­ stimmte Obergrenze oder Wertrelation gebunden, folgen England und Frankreich; sie hat auch Vertreter in den USA und der Bundesrepublik. Sie beruht vorwiegend auf der Überlegung, der Geschädigte habe vollen An­ spruch darauf, so zu stehen wie ohne den Unfall. Er könne deshalb ein Ersatzfahrzeug verlangen und dessen Kosten liquidieren. Der Gebrauchswert erlangt damit zwangsläufig Selbständigkeit gegenüber dem Substanzwert der Sache und es leuchtet dann nicht ein, seine Ersatzfähigkeit an andere Größen wie etwa an den Substanzwert — zu binden. Im Ergebnis beschneidet die erste Ansicht die Schadenshöhe in einer Reihe von Fällen, in denen die zweite Ansicht einen höheren Schadensumfang als noch ersatzfähig toleriert. Diese Fälle sind gar nicht einmal besonders selten und auch in ihren wirtschaftlichen Dimensionen nicht bedeutungslos3. Damit hat die erste Ansicht zwei wirtschaftliche Effekte: Sie billigt dem einzelnen Geschädigten im konkreten Fall weniger Ersatz zu; sie führt jedenfalls im Kfz-Haftungsbereich — andererseits dazu, daß die regelmäßig eintretende Versichertengemeinschaft um diese Einsparungen entlastet wird.

1 Siehe oben III. 1. 2 Oben LI. 3 Siehe insbes. die oben unter 1.1. zitierte deutsche Rechtspr.

Gegenteilige Effekte löst die zweite Ansicht aus. Die erste Ansicht hat freilich weiter die Konsequenz, daß die Marge zwischen der Ersatzsumme für den reinen Sachschaden einerseits und dem Substanzwert als der Obergrenze andererseits um so stärker schrumpft, je schwerer der Schaden und je weniger wert der Wagen ist. Je kleiner diese Marge wird, desto stärker schmilzt der Spielraum, innerhalb dessen der im Gebrauchsentzug hegende Schaden dann noch ersetzt werden kann. Indessen gilt: Je schwerer der Schaden, desto länger prinzipiell die Reparaturdauer und die Zeit des Gebrauchsentzugs, desto stärker also das Bedürfnis nach Ausgleich für den Gebrauchsentzug. Damit entschädigt die erste Ansicht für Gebrauchsentzug zum einen unterschied­ lich - der Geschädigte erhält nicht in jedem Fall des Gebrauchsentzugs gleich­ viel —, zum anderen tendenziell in den „falschen“ Fällen, nämlich nur dann ohne weiteres in voller Höhe, wenn die Reparatur leicht und entsprechend kurz ist, der Gebrauchsentzug den Geschädigten also weniger belastet als in den schweren Fällen, in denen sein Fahrzeug wegen der Reparatur lange ausfällt. Denn hier läßt die Differenz zwischen den Ersatzkosten für den reinen Sachschaden und dem Substanzwert unter Umständen keinen vollen Ersatz des Gebrauchsschadens mehr zu. Weiter findet der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens um so eher seine Grenze, je weniger der beschädigte Wagen wert war. Will man sich für eine der beiden Ansichten entscheiden, so liefert m.E. weder der Grundsatz der Totalreparation noch die Argumentation mit dem im Substanzwert beschlossenen Gebrauchswert eine überzeugende Begrün­ dung. Die Nutzungsmöglichkeit einer Sache ist ein Faktor neben der Sachsub­ stanz, deren Wert der Substanzwert der Sache nicht unbedingt und unter allen Umständen mit einschließen und korrekt widerspiegeln muß. Ebenso wie die Gebrauchsmöglichkeit nicht etwa ausschließlich den (Substanz-) Wert einer Sache bestimmt1, so wenig ausschließlich bestimmt m.E. der Substanzwert den Wert der Gebrauchsmöglichkeit. Das gilt zumal dann, wenn eine Sache vor allem auf verbrauchende Nutzung hin angelegt ist wie das Kfz2. Bei der Diskussion des fiktiven Nutzungsentzugs meint Küppers3, der der Frage­ stellung näher nachgegangen ist, freilich generell, der Vermögenswert einer Sache setze sich immer aus ihrem Substanzwert und ihrem Gebrauchswert zusammen. „(D)er angeblich eigene Vermögenswert der Gebrauchsvorteile“ sei „identisch mit dem Wert der Sache überhaupt“, „der sich aus der abstrakten Wertschätzung ihrer Tauglichkeit ergibt.“4 Würde man dem folgen, so hätte man auch die Konsequenz zu ziehen, daß der Geschädigte dann neben dem vollen Ersatz der Sache keinen Anspruch mehr darauf hätte, für die Ausfallzeit eine Ersatzsache real zu mieten und deren Kosten 1 Siehe hierzu vor allem Küppers 107; Werber AcP 173 (1973) 182. 2 Eingehend dazu Küppers 107ff. 3107. 4 Küppers aaO.

zu liquidieren. Denn mehr als den ,absoluten* Sachwert könnte er nicht beanspruchen. Diese Konsequenz zieht Küppers aber selbst nicht1. Seine Überlegungen zeigen, daß man für das Problem des realen und des abstrakten Gebrauchsentzugs den Gebrauchs­ wert einer Sache nicht einmal im Sachwert aufgehen lassen, ein andermal als selbstän­ dig ansehen kann.

Doch auch der Grundsatz der Totalreparation kann — strikt eingehalten — zu stoßenden Ergebnissen fuhren. Soll beispielsweise der Geschädigte aufgrund des Postens Mietwagenkosten im Ergebnis an die 6000,— DM Ersatz erhalten, wenn sein 3000,— DM wertes Fahrzeug einen schweren Schaden (geschätzte Reparaturkosten: 1500,— DM) erlitten hat2? Der Kauf eines gleichwertigen Gebrauchtwagens und Mietwagenkosten für eine angemessene Wiederbe­ schaffungszeit gleichen den Schaden billiger und hinreichend aus. Dennoch ist die Ansicht vorzuziehen, die Mietwagenkosten ohne Ober­ grenze ersetzt. Denn die Konsequenzen, die aus der gegenteiligen Ansicht folgen, sind aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit nicht akzeptabel. Wenn die Bindung der Mietkosten an den Fahrzeugwert tendenziell Ge­ schädigte benachteiligt, die besonders schweren Sachschaden erlitten haben und/oder deren Fahrzeuge besonders wenig wert waren, so fehlt für eine solche Selektion eine einleuchtende Begründung. Nichts spricht dafür, den Gebrauchsentzug dann weniger auszugleichen, wenn er besonders gravierend (bei schweren Schäden mit langen Reparaturzeiten) oder wenn die Sache weniger wertvoll ist. Den Ersatz realer Mietwagenkosten an eine fixe Ober­ grenze wie etwa an den Fahrzeugwert zu binden, stellt sich damit m.E. als untaugliches Ventil dar, den Faktor Mietwagenkosten in der Schadensrech­ nung zu beschränken.

2. Bestimmte Frist?

Übereinstimmend gehen die untersuchten Rechte davon aus, daß Mietwa­ genkosten dem Geschädigten nur für den Zeitraum zustehen, der für die Reparatur oder Wiederbeschaffung3 erforderlich war. Die Regel wird in­ dessen unterschiedlich angewendet. Der aus Frankreich bekannte Unterschied zwischen „duree technique“ und „duree effective“4 kehrt auch in der rechtsvergleichenden Perspektive wieder. 1110.

2 So OLG Karlsruhe 27. 2. 1974, VersR 1974, 1005. 3 In den USA räumt man bei Schäden, die nur durch Wiederbeschaffung einer gleichwertigen Sache auszugleichen sind, aber überwiegend keinen Anspruch auf Mietwagenkosten ein: siehe oben S. 107f. 4 Siehe oben S. 115.

Das französische Recht verfolgt eine eher einschränkende Haltung. Man ersetzt keineswegs immer und ohne weiteres die Mietwagenkosten, die wäh­ rend der tatsächlichen Ausfallzeit entstanden waren; vielmehr setzt sich fak­ tisch weitgehend das Sachverständigenurteil1 über die angemessene Ausfall­ dauer durch. Es folgt regelmäßig strengen, objektivierten Standards und sieht von individuellen Gegebenheiten weitgehend ab. Insbesondere bei der Repa­ ratur zählt nur die Zeit, in der die Wiederherstellung technisch möglich war. Anders in den anderen Ländern. In England und den USA nimmt man auf die individuellen Gegebenheiten erheblich stärker Rücksicht und bemißt die erforderliche Reparaturdauer generell großzügiger. Hier ist es in erster Linie die tatsächliche Ausfallzeit, die den Maßstab für zu ersetzende Mietwagenko­ sten abgibt. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, daß Mietwagenko­ stenersatz in vielen US-Staaten gänzlich entfällt, wenn der beschädigte Wagen ein „total loss“ war. Die Mitte zwischen der französischen und der anglo-amerikanischen Posi­ tion nimmt das deutsche Recht ein. Für die Mietwagendauer orientiert man sich zunächst an der tatsächlichen Nutzungszeit. Unübliche Verzögerungen, etwa durch Lieferzeiten für Ersatzteile oder Werkstattfehler, gehen aber in der Bundesrepublik wie in Frankreich — dagegen nicht in den USA und England — im Grundsatz zu Lasten des Geschädigten. Eine eher zurückhaltende und tarifartige Bemessung der erforderlichen Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer — wie in Frankreich praktiziert stellt sicherlich ein taugliches Mittel dar, um ausufernde Mietwagenkosten zu beschneiden. Die Bestimmung der „richtigen“ Reparatur- oder Wiederbe­ schaffungsdauer ist deshalb für Frankreich denn auch das Steuerungsinstru­ ment, um für den Ersatz von Mietwagenkosten das zutreffende Maß zwischen vollem Ausgleich für den Geschädigten und nötiger Rücksicht auf den Schädiger und die Versichertengemeinschaft zu finden. Doch wirft eine solche Lösung auch Fragen auf. Sie steht zunächst in gewissem Widerspruch zum Grundsatz der Totalrepa­ ration. Sie muß rechtfertigen, weshalb der Geschädigte nicht stets die vollen, durch keine andere abgrenzbare Schadensquelle („cause etrangere“) verur­ sachten Mietwagenkosten erhalten soll, sondern nur die Kosten für die ab­ strakt nötige Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit. Hierfür vermag die in Frankreich gegebene Antwort, man beuge so Mißbräuchen (durch zu lange Mietzeiten) vor2, nicht sonderlich zu befriedigen. Wenige Mißbräuche ver­ langen nicht unbedingt eine „hard rule" für alle Fälle. Das Argument verweist aber auf einen Punkt, den man in Frankreich wohl als Selbstverständlichkeit übergeht. Um den Grundsatz der Totalreparation voll zu verwirklichen. 1 Zur Rolle des Sachverständigen im französischen Kfz-Schadensprozeß siehe oben S. 116. 2 So Bedour(-Beuch ARD) 368; note zu Cass. 31. 3.1965, Gaz.Pal. 1965.2.76.

gleichwohl aber Mißbräuche zu beschneiden, müßte man den Feststellungs­ aufwand im Einzelfall beträchtlich erhöhen, um die jeweils berechtigte Dauer der Mietzeit zutreffend zu ermitteln. Eine solche grundsatzgetreue Regel steht wegen ihrer Impraktikabilität in Frankreich offenbar nicht zur Debatte. Ver­ gegenwärtigt man sich weiter, daß die französische Lösung in erster Linie ein Produkt der Versicherungspraxis ist1, so haben wohl vor allem Gründe der rationellen und zugleich billigen Schadensabwicklung zum heutigen Rechts­ zustand geführt. Charakteristisch für die in Frankreich herrschende Praxis ist weiter der Umstand, daß Schadenssachverständige sowohl in der Regulierungspraxis wie im Gerichtsverfahren gerade auch bei der Festlegung der berechtigten Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer stärker als in den übrigen Ver­ gleichsländern beteiligt sind. Zudem wird, wie BEUCHARD berichtet2, der Sachverständige der Versicherung des Geschädigten tätig, nicht der Sachver­ ständige des Versicherers des Schädigers, gegen dessen Schadensschätzung der Geschädigte eher Einwände erheben mag. Die Einschaltung des Sachverstän­ digen ist für die französische Lösung notwendige Bedingung und, wenn man so will, ihr Preis. Freilich wird das genaue Ausmaß eines Kfz-Schadens heute wohl überall regelmäßig mit sachverständiger Hilfe ermittelt — sowohl in der Regulierungspraxis wie im gerichtlichen Verfahren. Die Tätigkeit des Sach­ verständigen auf die Ermittlung der — objektiv notwendigen — Wiederherstel­ lungsdauer zu erstrecken, bedeutet dann aber nur einen kleinen Zusatz im Rahmen seiner ohnehin erforderlichen Beteiligung. Überschaut man das rechtsvergleichende Material, so kann wohl keine der drei skizzierten Haltungen eine deutliche Präferenz für sich beanspruchen. Am wortgetreuesten verwirklicht die deutsche Auffassung den Grundsatz der Totalreparation. Für die anglo-amerikanische Praxis sprechen ihre Praktikabi­ lität und Großzügigkeit. Die französische Neigung, nur die „duree technique“zu berücksichtigen, kann kostensparende Effekte für sich ins Feld führen, die das mitbeteiligte Schadenskollektiv (die Versichertengemeinschaft) entla­ sten und langfristig wohl auch dem einzelnen potentiellen Geschädigten wie aber ebenso dem potentiellen Schädiger3 wieder zugute kommen. Eines legt der Rechtsvergleich immerhin nahe. Vorbehalte ergeben sich gegen Lösungen, die das Prinzip der Totalreparation überstrapazieren, indem sie von Fall zu Fall die Berechtigung der geltendgemachten Ausfallzeit genau nachzuprüfen zwingen. Solche Lösungen veranlassen einen so umfangreichen Feststellungsaufwand, daß sie sich für die Schadenspraxis wenig eignen.

1 Es ist der Sachverständige der Versicherung des Geschädigten, der die „duree technique“ zunächst einmal ermittelt; vgl. näher Bedour(-Beuchard) 368. 2 Bedour(-Beuchard) aaO. 3 Der ja meist gleichfalls Mitglied einer solchen Versichertengemeinschaft ist.

Die deutsche Auffassung läuft am ehesten Gefahr, diesem Fehler zu verfal­ len, und hat sich von ihm in der Vergangenheit auch nicht immer freihalten können. Insoweit kann der Rechtsvergleich anregen, sich hier von einer zu starren Bindung an das Prinzip der Totalreparation zu befreien. Die Freiheit, mit der England, die USA (indem sie gelegentliche Überkompensation hin­ nehmen) und Frankreich (indem es häufiger unterkompensiert) den Grund­ satz variieren, zeigt, daß der Grundsatz keineswegs die ausschließliche Richt­ schnur sein muß, sondern daß auch Praktikabilitätserwägungen eine wichtige Rolle spielen, will man das Ziel angemessener Kompensation auch nur inner­ halb dieses Mikrokomplexes sinnvoll erreichen.

3. Geringer Fahrbedarf Es mag überraschen, daß das deutsche Recht bezüglich des geringeren Fahrbedarfs keine Parallele in den Vergleichsrechten hat. Obwohl auch sie die Pflicht statuieren, den Schaden nach Kräften kleinzuhalten, findet sich dort dennoch nirgends die feste Übung, Mietwagenkosten erst ab einem bestimm­ ten täglichen Kilometerlimit zuzusprechen, ein Limit, das seinerseits den Punkt bezeichnet, bis zu dem ein Taxi die gleiche Fahrtstrecke billiger absol­ viert hätte. Die deutsche — von den Untergerichten eingeleitete — Rechtsprechung verpflichtet den Geschädigten in diesem Punkt strikt auf den billigeren Weg der Schadensbehebung und hat mit der Kilometergrenze von ca. 25 Tageski­ lometern auch eine einfache und praktikable Regel gefunden, um dieses Ziel durchzusetzen. In zahlreichen anderen Punkten, daran sei erinnert, engt die deutsche Rechtsprechung die Freiheit, zwischen zwei Wegen der Schadensbehebung zu wählen, keineswegs so stark ein. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Mög­ lichkeit, auf Reparaturkostenbasis noch solange abzurechnen, als dabei der Wiederbeschaffungswert nicht um mehr als 30% überschritten wird1; ein anderes die Möglichkeit, für beschädigte neuwertige Sachen den Neuwert zu verlangen, auch wenn eine — alle Schäden behebende — Reparatur billiger wäre2. Die deutsche Lösung überrascht um so mehr, als sie auch nicht ganz in Einklang steht mit einem streng verstandenen Grundsatz der Totalrepara­ tion, dem man sonst — siehe nur den vorigen Abschnitt — gerne strikt folgt. Denn der Geschädigte kann ja weitestmögliche Herstellung des Zustandes verlangen, der ohne Schadensereignis bestanden hätte. Dann aber hätte er unabhängig von jedem Fahrbedarf einen Wagen ständig und nicht nur für die 1 Siehe oben S. 59f. 2 Siehe oben S. 74ff.

einzelnen Fahrten zur Verfügung gehabt1. Zugunsten des Schädigers sieht man dennoch von der durchaus möglichen Herstellung des ursprünglichen Zustandes ab und gewährt nur Ersatz, soweit für die Nutzung des Wagens konkreter Bedarf bestand2. Deutlicher noch als nur das deutsche Recht zeigt der Rechtsvergleich das arbiträre Moment dieses Vorgehens. Gleichwohl läßt sich die deutsche Lösung durchaus verteidigen. Sie be­ grenzt im einzelnen Fall das Schadensvolumen (und entlastet damit den Schadensträger) an einem Punkt, an dem die Einschränkung den Geschädig­ ten kaum schmerzt (nicht „fühlbar“ wird, wenn man die Terminologie des BGH verwenden will). Wohl ist es bequemer, sofort in den Wagen steigen zu können, statt erst ein Taxi rufen zu müssen, doch wird man kaum behaupten können, der Bequemlichkeitsverlust zwinge hier zum Ersatz3. Sucht man allerdings nach einem faßbaren Kriterium, warum hier vom Grundsatz der Totalreparation abgewichen werden darf, so stößt man nur auf allgemeine, aus § 254 BGB hergeleitete Zumutbarkeitsüberlegungen4. Im Ergebnis reaEsiert die untergerichtliche Rechtsprechung damit eine wohl eher intuitiv für nötig befundene Sozialbindung („SoziabiEtätsschranke“5), indem sie dem Geschädigten auferlegt, eine gewisse Einbuße — den Verzicht auf ein unmittel­ bar verfügbares Fahrzeug - hinzunehmen. Ein eigentliches Problem des § 254 BGB ist der Fall m.E. nicht. Da der Ersatz nur der Taxikosten nicht die ganze Lücke stopft, die das Schadensereignis gerissen hat, stellt sich nicht die Frage der Wahl zwischen zwei unterschiedlich teuren Wegen zur Schadensbehebung. Vielmehr sinnt der eine Weg (Taxikosten) dem Geschädigten an, ein gewisses Zurückbleiben gegenüber dem ursprünglichen Zustand hinzunehmen, bestimmt also den ersatzfähigen Schaden bereits anders als der andere Weg (volle Mietwagenkosten). Zudem wäre es aus Kostengründen im einzelnen Fall wohl kaum einmal für den Schädiger unzumutbar, die volle Lücke zu stopfen. Methodisch nimmt man damit § 254III BGB, wonach „der“ (festgestellte) Scha­ den kleinzuhalten ist, auch hier bereits in die Schadensermittlung mit hinein. Der Gesetzesbefehl des § 254III BGB, den - entstandenen - Schaden nicht zu vergrößern, wird dahin erweitert, daß der Schaden von vornherein, soweit zumutbar, möglichst niedrig bemessen werde.

Der Hinweis allein auf die Zumutbarkeit befriedigt allerdings wenig. Aber auch ausführliche Überlegungen über die ökonomischen Effekte der Lösung 1 Gerade das „ständig zur Verfügung haben“ des Fahrzeugs hatte ja den BGH mit dazu bewogen, in der Nutzungsmöglichkeit einen Vermögenswert zu sehen und deshalb eine abstrakte Nutzungsentschädigung zu gewähren: BGH 30. 9. 1963, BGHZ 45, 345 (349). 2 Es drängt sich auf, dabei auf Zeuner’s Bedarfstheorie (AcP 163 [1963] 380, 396ff.) zurückzu­ greifen, ohne daß die Rechtsprechung dies indessen ausdrücklich täte. 3 Siehe demgegenüber die in N. 1 erwähnte Argumentation des BGH. 4 Vgl. die oben S. 90 zitierte Rechtsprechung. 5 Im Sinn von Mertens 174 ff.

würden nicht weiterhelfen. Denn sollte die Einsparung, die die Rechtspre­ chung hier auf Kosten des Geschädigten vornimmt, auf das Prämienniveau durchschlagen, so würde dieser Umstand potentielle Geschädigte und Schädi­ ger entlasten; die Schädiger1 zudem entweder auch durch gesenkte Prämien oder durch geringere Haftung im konkreten Einzelfall. Ob diese Folge im Interesse eines erschwinglichen Versicherungsschutzes erforderlich oder we­ nigstens akzeptabel ist, erscheint immerhin nicht unzweifelhaft. Es bleibt damit ein etwas unbefriedigendes Ergebnis. Im Rahmen des hier angestellten Rechtsvergleichs fällt die deutsche Lö­ sung aus dem Rahmen. Besonders starke Gründe vermag sie nicht für sich anzufuhren. Ihr Ergebnis ist allerdings praktikabel und scheint billig, wenn­ gleich sich andere Ergebnisse (etwa nur Ersatz entsprechender Bahn- oder Buskosten, Verweis auf Fußweg) in gleichem Maß denken und mit dem Hinweis auf die Zumutbarkeit rechtfertigen ließen.

4. Abzug für Eigenersparnis

Alle untersuchten Rechtsordnungen halten es für eine fast selbstverständ­ liche Regel, von den Mietwagenkosten einen Betrag dafür abzuziehen, daß der Geschädigte während der Mietzeit gewisse Kosten für seinen eigenen Wagen gespart hat. Dem Geschädigten werden die Vorteile (Einsparungen) angerechnet, die das Schadensereignis für ihn mit sich brachte. Doch während die deutsche Rechtsprechung die Einhaltung dieses Grundsatzes sehr genau überwacht, ist man in den anderen Ländern großzügiger2. Hinsichtlich der Höhe des ersparten Betrages hat sich die deutsche Rechtsprechung (mit ihrem Pauschalbetrag von 15% der tatsächlichen Mietwagenkosten) am einheitlich­ sten entwickelt. In der Rechtsprechung der anderen Länder, für die die kor­ rekte Höhe der Eigenersparnis ohnehin eine nur nebensächliche Rolle spielt, finden sich dagegen erhebliche Schwankungen der Beträge, die damit z.T. unter, z.T. über dem in Deutschland üblichen Satz Hegen3. Die Einzelfragen, ob Eigenersparnis auch beim „Abstieg“ auf einen kleine­ ren Wagen abzuziehen ist, ob eine kilometermäßige Bagatellgrenze einen Abzug überhaupt ausschließt, sind in der englischen, US-amerikanischen und französischen Rechtsprechung — im Gegensatz zu Deutschland - kaum be­ handelt. Die dort geübte grobfingerige Schätzung tendiert, soweit sich das überhaupt sagen läßt, wohl eher dahin, in beiden Fällen keinen Betrag für 1 Die zumeist gleichfalls als Mitglied einer Versichertengemeinschaft an Prämiensenkungen teilnehmen würden. 2 Siehe insbes. die oben S. 103 ff., 1 lOf. dargestellte Lage in England und den USA. 3 Vgl. etwa Frankreich mit Abzügen zwischen 10% und 50%: siehe oben S. 118.

Eigenersparnis abzuziehen1. Der allzu eingehenden Beschäftigung mit der­ artigen Fragen ist man abhold: der Richter soll nicht mit zu detaillierten Berechnungen zudem minimaler Beträge belästigt werden. Der Vergleich bestätigt m.E. die deutsche Grundregel. Die Eigenersparnis des Geschädigten zu berücksichtigen, entspricht dem Grundsatz der Totalre­ paration. Der Geschädigte soll nicht weniger, aber auch nicht mehr erhalten, als er verloren hat. Einsparungen als Folge der Versorgung mit einem anderen Fahrzeug würden ihm aber ein — finanziell errechenbares — Mehr als vorher lassen. Auch einen einheitlichen Pauschalsatz für die Eigenersparnis anzuset­ zen, erscheint als begrüßenswerte, weil praktikable Hilfe. Für die Sonderpro­ bleme des „Abstiegs“ und einer Bagatellgrenze warnt der Rechtsvergleich hingegen vor Lösungen, die den Richter zur Pfennigfuchserei zwingen und ihn gleichsam zum Buchhalter der Parteien machen. Vielmehr sollte man auch hier ähnlich generalisierende und gleichermaßen praktikable Regeln anstreben. Für das Problem des „Abstiegs“ bietet es sich an, ihn stets zu honorieren, sofern der tatsächliche Mietwagen mindestens 15% geringere Kosten verur­ sacht, als wenn ein gleichwertiger Wagen genommen worden wäre. Ist die Einsparung geringer als 15%, so sollte der Satz für Eigenerspamis voll abgezogen werden.

Für den Geschädigten entsteht so ein Anreiz, die Schadensbehebung billiger zu gestalten, als er verpflichtet wäre2. Für eine Bagatellgrenze spricht, daß sich unterhalb einer gewissen Fahrt­ strecke die Eigenerspamis nur noch in Pfennigbeträgen ausdrückt. Man könnte daran denken, Eigenerspamis erst abzuziehen, soweit sie einen be­ stimmten Betrag (etwa 50,— DM) übersteigt; oder, wie die Rechtsprechung dies teilweise tut, eine Kilometergrenze festsetzen (500 oder 100 km)3. Doch erscheint auch hier die Einheitlichkeit fast wichtiger als eine Ausformung der Regel in der einen oder anderen Richtung.

5. Kaskoersatz Außer in der Bundesrepublik findet sich in den untersuchten Rechten kein Entscheidungsmaterial dazu, ob Beträge für eine weitergehende Haftungsfrei­ stellung, als sie der Geschädigte für das eigene Fahrzeug besaß, mit den 1 Siehe insbes. für England oben S. 103ff. 2 Siehe dazu auch schon oben S. 99 f. 3 Gegen die Kilometergrenze spricht m.E., daß sie Inhaber teurer Fahrzeuge begünstigt. Ihnen wird - in absoluten Zahlen - ein höherer Abzug erlassen als den Inhabern billiger Wagen.

Mietwagenkosten zu ersetzen sind. Das Schweigen einer ausländischen Rechtsordnung recht zu deuten, ist stets ein Risiko. Was unsere Frage angeht, so hat es möglicherweise in England, den USA und Frankreich bislang an Phantasie gefehlt, eine Trennung zwischen allgemeinen Mietwagenkosten und besonderer Haftungsfreistellung vor Gericht geltend zu machen und unterschiedlichen Ersatz für beide Fälle vorzuschlagen. Allerdings erscheint es auch fraglich, ob nicht die Rechtsprechung dieser Länder angesichts der jeweiligen Kausalitätsregeln gar keinen Zweifel hätte, hier vollen Kaskoersatz zu gewähren. Mit dem Kausalitätsaspekt ist eine gewisse Besonderheit der vorliegenden Fallgestaltung angesprochen. Der Geschädigte will hier unzwei­ felhaft ein Mehr gegenüber dem Zustand vor Schadenseintritt — nämlich die zusätzliche Haftungsfreistellung. Die Berechtigung des Mehr soll sich aus einem dem Mehrbetrag äquivalenten Risikozuwachs ergeben. Das erhöhte Risiko wird dabei im Fahren mit dem fremden und meist wertvollen Miet­ wagen gesehen. Man kann nun diesen Zusammenhang sofort als ein Kausali­ tätsproblem begreifen: Sind die unstreitigen Mehrausgaben, die den Risiko­ zuwachs decken sollen, überhaupt vom Schädiger veranlaßt? Man kann hierin aber ebenso zunächst ein Schadensproblem sehen: Hat der Schädiger über­ haupt eine Lücke gerissen, ist eine ersatzfähige Einbuße entstanden? Letztere Fragestellung ist der Ausgangspunkt der deutschen Rechtsprechung und unter zahlreichen Einschränkungen bejaht man hier diese Frage. Im Ergebnis spricht m.E. am meisten für die schon oben1 vertretene Auffassung, daß Kosten für die Haftungsfreistellung im Regelfall zwischen Schädiger und Geschädigtem geteilt werden sollten. Beiden Seiten sind gute Argumente zuzubilligen. Eine genauere Ermittlung der jeweils berechtigten Haftungsfreistellungskosten veranlaßt einen derartigen Feststellungsaufwand, daß ein rationelles Schadenssystem hierauf verzichten sollte.

6. Würdigung Für den Komplex des Ersatzes realer Mietwagenkosten hat das deutsche Recht eine ausgefeilte Ordnung wiederum in sich weiterdifferenzierter Ein­ zelfallgruppen ausgebildet. Man hat dabei den Eindruck, daß die Behandlung des konkreten Einzelfalles ganz im Vordergrund steht und seine Einbettung in den Gesamtkomplex oder gar in das Schadenssystem überhaupt so gut wie keine Rolle spielt. Die Grundsätze, nach denen die Rechtsprechung einzelne dieser Fälle entscheidet, stimmen kaum überein, widersprechen sich teilweise auch, wie man etwa das Prinzip der Totalreparation für die zutreffende Mietwagenfrist strikter als für die Frage des Mietwagenbedarfs verwendet. 1 S. 100.

Der Tendenz des Bundesgerichtshofs, die Orientierung am Einzelfall immer weiter zu treiben, stehen zudem — bescheidene — Versuche der Unter­ gerichte gegenüber, sich auf möglichst einheitliche, schadensbeschränkende Regeln zu verständigen (Eigenersparnis von 15 %; Fahrbedarf von mindestens 25 km/Tag). Der Rechtsvergleich zeigt, daß sich die Rechtsprechung in anderen Län­ dern auf eine rechtsleitende Funktion beschränkt. Mietwagenkostenersatz wird entweder recht großzügig zugebilligt oder doch nur mit sehr wenigen Instrumenten beschränkt. Gegenüber den ausländischen Rechten hebt sich die deutsche Situation in den untersuchten Fällen dadurch ab, daß hier eine Unzahl einzelner Fragen gerichtlich behandelt, wenn auch nicht immer ge­ klärt worden ist, die in den fremden Rechten nicht als Rechtsfragen proble­ matisiert worden sind. Man wird das kaum als Vorzug des deutschen Rechts sehen können. M.E. hegt hierin vielmehr ein Nachteil des deutschen Rechts­ systems, indem sich die Rechtsprechung, überspitzt gesagt, zum Buchhalter der Parteien, damit vor allem der Versicherer machen läßt. Sofern man sich hierauf einläßt, sollte man dann aber auch die versicherungswirtschaftlichen Aspekte, etwa die konkreten Auswirkungen auf das Prämienniveau, berück­ sichtigen. Davon kann für die deutsche Rechtsprechung keine Rede sein.

§ 7. Abstrakte Nutzungsentschädigung

Der folgende Abschnitt beschäftigt sich wiederum mit einem Sachfolge­ schaden : Der Anspruchsteller hat durch das Schadensereignis vorübergehend die Möglichkeit eingebüßt, den beschädigten (oder zerstörten) Gegenstand zu nutzen. Im Gegensatz zur vorangehenden Fallgruppe hat er sich aber keinen realen Ersatz beschafft und damit keine sofort bezifferbaren Kosten gehabt. Ob ihm gleichwohl und vor allem in welchen Fällen ihm dennoch Ersatz in Geld zuzusprechen ist, ist in der Bundesrepublik trotz zahlreicher höchstrich­ terlicher Urteile für viele Situationen immer noch offen oder umstritten. Wiederum spielen innerhalb der Fallgruppe Kfz-Fälle eine besondere Rolle. Doch auch bei anderen Gegenständen ist ein Karenzschaden denkbar und im folgenden näher zu untersuchen.

I. Deutschland 1. Gebrauchsentzug beim privaten Kfz a) BGH-Rechtsprechung

Seit 1963 gewährt der Bundesgerichtshof eine Entschädigung für den puren Gebrauchsentzug eines Kfz — unabhängig davon, ob Mietwagenkosten ent­ standen sind1. Mit Urteil vom 15. 4. 19662 bestätigte der für Haftpflichtfragen zuständige VI. Senat eine Entscheidung des III. Senats vom 30. 9. 19633, die in einem Amtshaf­ 1 Zur Entwicklung der Rechtsprechung insbes. Jahr, Schadenersatz wegen deliktischer Nut­ zungsentziehung - zu Grundlagen des Rechtsgüterschutzes und des Schadenersatzrechts, AcP 183 (1983) 725 ff.; Küppers 103 ff; Detlefsen 16 ff; Klimke, Schadenersatz für entgangene Gebrauchsvorteile aus haftpflichtrechtlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht, DB Beil. 4/74; Waitz 29 ff; Hansen 42 ff; eingehend und übersichtlich auch Lange 184ff; Hohloch, 420 ff; Brinker 28 ff; Ströfer 68 ff. 2 BGHZ 45, 212. 3 BGHZ 40, 345. Der BGH nahm damit eine Ansicht auf, die einige Münchener Gerichte zu Beginn der 60er Jahre propagiert hatten. Sie waren wiederum der Versicherungspraxis gefolgt, die vor allem aus Gründen rationeller Arbeitsweise eine pauschale Abrechnung der entstandenen oder nicht entstandenen Mietwagenkosten bevorzugte. Heute läßt sich in der Nutzungsentschädigung auch eine Prämie für solche Geschädigte sehen, die auf (höhere) Mietwagenkosten verzichten. Zu diesem Gedanken Weber, Nutzungsausfall Ein „Tagegeld“ aus Auslobung (§ 657 BGB)?, VersR 1984, 597.

tungsfall die neue Entwicklung eingeleitet hatte. Die stereotype Begründung für den Anspruch auf abstrakte Nutzungsentschädigung lautet seither: „Diese Rechtspre­ chung geht davon aus, daß die ständige Verfügbarkeit des eigenen Kfz als geldwerter Vorteil und dessen vorübergehende Entziehung als Vermögensschaden anzusehen ist. Sie stützt sich u.a. auf den Umstand, daß für ein sofort verfügbares, fahrbereites Kfz insgesamt ein berechenbar höheres Entgelt erzielt wird. Der Geschädigte soll die in dem Verzicht auf einen geldwerten Gebrauch (oder Verbrauch) Hegende Entbehrung nicht im Interesse des Schädigers auf sich nehmen müssen.“1

Nachdem inzwischen auch eine schematisierte Schadensberechnung (30 % der entsprechenden — fiktiven — Mietwagenkosten bzw. der Werte der Tabel­ len von Sanden/Danner2) weithin unangefochtene Übung ist, hatte sich der BGH gerade in den letzten Jahren mit mehreren Sonderaspekten des Gebrauchsentzugs zu befassen. Die beachtliche Zahl der BGH-Urteile — seit 1970 zumindest 10 veröffentlichte Entscheidungen3 - zeigt, daß der Pro­ blemkreis doch noch nicht ganz abgeklärt ist. Bereits in den Urteilen der 60er Jahre zum Nutzungsentzug hat der BGH hervorgehoben, daß eine Nutzungsentschädigung nur bei „fühlbarer“ Nut­ zungsbeeinträchtigung zu gewähren sei4. Die Subjektbezogenheit des Schadens erfordere, daß der Geschädigte zur Nutzung eines fiktiven Mietwa­ gens konkret in der Lage und bereit gewesen wäre. Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit seien die Voraussetzungen für den Anspruch auf fiktive Mietwagenkosten5. Der Geschädigte, der persönlich einen Mietwagen wäh­ rend der Ausfallzeit nicht hätte fahren können — wegen Krankheit6, fehlen­ den eigenen Führerscheins7, Führerscheinentzugs8 oder aus sonstigen Gründen —, habe deshalb in der Regel keinen Anspruch auf Nutzungsentschä ­ digung. Dieses Ergebnis rechtfertigt der BGH vor allem mit der Überlegung, daß der Geschädigte in diesen Fällen auch keinen Anspruch darauf gehabt hätte, tatsächlich entstandene Mietwagenkosten erstattet zu verlangen9. Denn wer nicht habe fahren können oder dürfen, habe auch keinen Fahrbe­ darf gehabt. Eine Nutzungsentschädigung entfalle aber auch dann, wenn das Fahrzeug — aus unfallunabhängigen Gründen — überhaupt nicht benutzt wor­ den wäre10. 1 Vgl. etwa BGH 18. 5. 1971, BGHZ 56, 214; BGH 16. 10. 1973, NJW 1974, 33. 2 Sanden/Danner, VersR 1973, 97; VersR 75, 972ff.; VersR 1978, 1092; VersR 1980, 14; VersR 1985, 417; siehe zu diesen Tabellen auch BGH 18. 5. 1971, BGHZ 56, 214 (217ff). 3 Siehe die Zusammenstellung im folgenden Text. 4 Vgl. BGH 15. 4.1966, BGHZ 45, 2121. 5 BGH 7. 6. 1968, VersR 1968, 803; vgl. später auch BGH 16. 10. 1973, NJW 1974, 33. 6 BGH 19. 9. 1974, VersR 1975,37. 7 BGH 16. 10.1973, NJW 1974, 33. 8 BGH 31. 10.1974, BGHZ 63, 203; BGH 18. 9.1975, NJW 1975, 2341. 9 BGH 15. 4. 1966, BGHZ 45, 212 (26); BGH 7. 6. 1968, VersR 1968, 803; siehe auch Nüssgens, BGH-Festschrift 103 f. 10 BGH 26. 3.1985, VersR 1985, 736.

Nicht ganz einheitlich ist die Rechtsprechung des BGH zu der weiteren Frage, ob ein Fahrbedarf auch anzuerkennen ist, wenn der Eigentümer des beschädigten Wagens sich anderweitig behilft — etwa mit einem Zweitwagen, mit dem Wagen eines Familienmitgliedes etc. In der Entscheidung vom 14. 10. 19751 bei der es um ein gewerblich genutztes Fahrzeug ging, hat der BGH dem Anspruchsteller zugemutet, auf seinen Zweitwagen zurückzugrei­ fen. Wegen dieser Ersatzmöglichkeit sei der Gebrauchsentzug nicht fühlbar gewesen. Auch Vorhaltekosten wurden hier nicht ersetzt. Mit dieser Entschei­ dung läßt sich ein Urteil vom 19. 11. 19742 nur schwer vereinbaren, dessen Sach verhalt freilich etwas anders lag. Hier hatte sich der geschädigte Eigentü­ mer den VW seiner Ehefrau als Ersatz „gemietet“ und gewerbliche Mietko­ sten (minus Eigenerspamis) als Schaden berechnet. Der haftende Versicherer war nur bereit, die (geringere) abstrakte Nutzungsentschädigung für den tatsächlich ausgefallenen Wagen (Mercedes 280 SL) zu tragen. Im Ergebnis verwies der VI. Senat zurück, mit der ambivalenten Anweisung, die berech­ neten Mietwagenkosten seien vielleicht zu hoch; vielleicht sei aber auch noch ein weiterer Zuschlag vertretbar. Jedenfalls sei die Ehefrau nicht verpflichtet gewesen, ihren Wagen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, zumal sie dessen Alleineigentümerin war. Ein in der engsten Familie vorhandener Er­ satzwagen läßt es also nicht als zumutbar erscheinen, auf diesen Wagen unent­ geltlich zurückzugreifen. Daß es damit womöglich nur auf die formale Eigentümerstellung an­ kommt, befriedigt freilich wenig. Denn damit träte folgendes Ergebnis ein: Hat der Geschädigte einen Zweitwagen einem Familienmitglied geschenkt, so kann er volle Mietwagenkosten ersetzt verlangen; gehört der Zweitwagen ihm selbst, so erhält er nicht einmal die abstrakte Nutzungsentschädigung. Bedenken weckt auch ein weiterer Punkt. In einem Urteil vom 17. 3.19703 hatte der VI. Senat dem Geschädigten die grundsätzliche Wahl zwi­ schen konkreter und pauschalierter Berechnung zugebilligt. Konkrete Be­ rechnung heißt in unserem Zusammenhang: Berechnung nach den Mietwa­ genkosten für einen tatsächlich gefahrenen Ersatzwagen — für den der Kläger selbst in beiden Entscheidungen in Wirklichkeit aber nichts zahlen mußte. Pauschalierte Berechnung bedeutet die Berechnung nach den fiktiven Miet­ wagenkosten für ein dem Unfallwagen gleichwertiges Fahrzeug. Für den Geschädigten wird damit zum Rechenexempel, welcher Weg ihm „mehr einbringt“. In dem Fall von 1970 hatte sich der Kläger deshalb — gerade entgegengesetzt zum Kläger im Fall von 1974 — für die abstrakte Nutzungs­ entschädigung entschieden, die höher lag als die Mietwagenkosten für den real gefahrenen Wagen. Da jedoch in beiden Fällen die Berechnung auf einer 1 VersR 1976, 170 m. Anm. Klimke, VersR 1976, 828. 2 VersR 1975, 261. 3 VersR 1970, 547.

Fiktion aufbaut (daß der Geschädigte Kosten gehabt habe), erscheint die Wahlmöglichkeit zwischen beiden Berechnungsweisen wie die Erlaubnis zum freien Jonglieren mit Berechnungen, aus denen sich der Geschädigte die günstigste aussuchen kann. Eine Lösung, die den Geschädigten zur Wahl der billigsten Abrechnung verpflichtet, würde der Gefahr der Überkompensation begegnen, die mit Berechnungsweisen, die auf fiktiven Ereignissen aufbauen, unvermeidlich verbunden ist. In einem weiteren Fall fiktiv entgangener Nutzung1 hat der BGH immer­ hin eine Berechnungsweise abgelehnt, die sich - bezeichnenderweise ging der Fall bis zum BGH - in noch weitere Fiktionen verstieg. Hier wollte der Kläger Nutzungsausfall für die Dauer (16 Tage) der fiktiven Reparatur seines Wagens beanspruchen, während er den Wagen tatsächlich unrepariert nach 4 Tagen verkauft hatte. Nur für die Zeit des tatsächlichen Nutzungsentzugs gewährte der BGH Entschädigung, freilich unter Andeutung denkbarer Aus­ nahmen, die weitere Streitfälle nur allzu wahrscheinlich machen2. Vom Prinzip der Subjektbezogenheit des Schadens macht der BGH indes­ sen eine bedeutsame Ausnahme, die die ersatzeinschränkende Wirkung dieses Prinzips wieder stark zurücknimmt. Denn auch derjenige Geschädigte, der aus persönlichen Gründen an der Nutzung verhindert ist, kann einen eigenen Vermögensschaden geltend machen, wenn der Gebrauch zugleich auch ande­ ren Personen entzogen wird, die den Wagen beabsichtigterweise hätten fahren sollen3. In der Ausgangsentscheidung vom 15. 4. 19664, die diesen Gedan­ ken bereits andeutet, scheint der BGH hauptsächlich das Beispiel eines ge­ werblich genutzten Fahrzeugs vor Augen gehabt zu haben, bei dessen Ausfall konkreter Gewinn entgeht. In den späteren Entscheidungen ist dann aus­ gesprochen, daß auch der - selber am Fahren verhinderte — Eigentümer des privaten Kfz Nutzungsausfall erhält, wenn sein Sohn5, seine Verlobte6, seine Ehefrau7 „oder andere Personen“8 den Wagen hätten nutzen sollen. „Fühlbar ist deshalb die Nutzungsbeeinträchtigung immer, wenn der Wagen während der Reparaturzeit nicht zu dem mit seiner Anschaffung verfolgten Zweck Dienste leisten kann, diese Nutzungsmöglichkeit aber bestehen würde, wenn der Wagen verfügbar wäre.“9 Der Vermögensschaden liegt also darin, 1 BGH 23. 3. 1976, VersR 1976, 874. 2 BGH aaO. 877. Gegen diese fiktiven Schadensberechnungen vehement Esser/Schmidt I 2 S. 155. 3 Siehe schon BGH 15. 4.1966, BGHZ 45,212; vor allem aber BGH 16. 10.1973, NJW 1974, 33; BGH 28. 1. 1975, VersR 1975,426. 4 BGHZ 45, 212. 5 BGH 16. 10.1973, NJW 1974, 33. 6 BGH 28. 1. 1975, VersR 1975,426 (427). 7 BGH (vorige N.). 8 So BGH 16. 10.1973, NJW 1974, 33 (34). ’BGHaaO.

daß die „beabsichtigte und durch Vermögensaufwendungen erkaufte Nut­ zungsmöglichkeit" vereitelt wurde.

b) Untergerichte

Die veröffentlichte Rechtsprechung der Untergerichte weicht vor allem in den folgenden Punkten von der des BGH ab. Einige Gerichte legen auf die Subjektbezogenheit des Schadens wenig Wert. Sie sprechen eine Nutzungs­ entschädigung auch dann zu, wenn der Geschädigte die Nutzung konkret nicht entbehrt hat. So hatte der Geschädigte im Fall des LG Düsseldorf5 und des AG Köln3 das Fahrzeug unrepariert weiterbenutzt. Dennoch erhielt er Nutzungsentschädigung. Im Fall des LG Darmstadt4 hatte der Geschädigte einen Ersatzwagen zur Verfügung; dennoch erhielt auch er Nutzungsentschädigung. Im Fall des LG Köln5 war der Geschädigte von seiner Ehefrau gefahren worden; das Gericht bejahte den Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Für die Ansicht, Nutzungsausfall nur zu ersetzen, wenn die Nutzung auch tatsäch­ lich entzogen war, haben sich dagegen etwa LG Osnabrück6, AG Hanau7, AG Krefeld8, LG Köln9 ausgesprochen. Bedeutsamer sind zwei Entscheidungen - des OLG Köln und des OLG Zweibrükken — zur Frage der Nutzungsentschädigung, wenn ein Dritter den Wagen mitbe­ nutzte. Das OLG Zweibrücken10 hat eine Entschädigung versagt. Hier hatte ein Bekannter der Geschädigten für die Reparaturdauer tatsächlich einen Mietwagen genommen; die Geschädigte selbst war in dieser Zeit vermutlich in Urlaub gewesen. Weder Mietwagenkosten noch eine Nutzungsausfallentschädigung standen der Kläge­ rin nach Ansicht des OLG zu. Bei den Mietwagenkosten habe es sich um den — nicht ersatzfähigen - Schaden eines mittelbar Geschädigten gehandelt; die direkt Ge­ schädigte habe für die Zeit ihrer Abwesenheit keinen Anspruch auf Nutzungsersatz. Die Frage, ob die Klägerin einen eigenen Schaden dadurch erlitt, daß der Wagen für die Nutzung durch ihren Bekannten nicht zur Verfügung stand, erörtert das OLG nicht näher. Im Ergebnis gewährt es keinen solchen Anspruch.

1 BGH aaO. 33. 2 5. 6. 1974, MDR 1974,1016. 318 . 6. 1976, VersR 1977, 70. Vgl. auch AG Köln 14. 3. 1980, DAR 1980, 174. 4 15. 5.1975, VersR 1975,840 mit abl. Anm. Heidel. Wie LG Darmstadt auch LG Osnabrück 26. 4. 1983, VersR 1984, 1178 [LS]. 5 31. 7. 1974, VersR 1974, 244 (LS). 6 27. 4. 1973, VersR 1974, 982; anders jetzt aber LG Osnabrück (N. 4). 7 6. 6. 1973, VersR 1974, 1182 (LS). * 8 25. 11. 1975, VersR 1976, 648. 914 . 12. 1977, VersR 1978, 878. 10 29. 6. 1973, VersR 1974, 274.

Im Fall des OLG Köln1 hatte der Kläger, der im Krankenhaus lag, Nutzungsent­ schädigung deshalb verlangt, weil seine Ehefrau ihn mit dem Wagen sonst im Kran­ kenhaus hätte besuchen können. Das OLG verneint gleichfalls einen eigenen Anspruch des Klägers. Ein Anspruch bestehe nur, wenn der Wagen zur gemeinsamen Nutzung angeschafft und vorher auch gemeinsam benutzt worden sei. Die Benutzung gerade nur für die Krankenhausbesuche genüge diesen Anforderungen nicht.

Die Praxis der Untergerichte zeigt damit widerstreitende Tendenzen: teil­ weise entscheidet man großzügiger als der BGH und läßt die Subjektbezo­ genheit des Schadens — genauer: die Frage, ob der Geschädigte wirklich konkret von der Einbuße „betroffen“ wurde - auf sich beruhen (so die oben angeführten LG- und AG-Entscheidungen). Teilweise ist man dagegen stren­ ger als der BGH und verneint die Subjektbezogenheit selbst in Fällen, in denen der BGH sie wohl noch bejahen würde (so die beiden OLG-Urteile).

c) Schadenshöhe Mit dem grundsätzlichen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung ist noch nicht die Frage der Schadenshöhe entschieden. Der BGH hat seine zunächst großzügigere Praxis, von den vollen Mietwagenkosten auszugehen2, im Laufe der Zeit eingeschränkt. Das oberste Zivilgericht geht jetzt von den Werten aus, die in den Tabellen von Sanden und Danner3 berech­ net sind und die wesentlich unter den Mietwagenkosten liegen4. 5 Einige Kölner Urteile der jüngeren Zeit haben die Nutzungsentschädigung noch geringer angesetzt als bisher üblich. Sie akzeptierten den bei Sanden/ Danner errechneten Tabellenwert (Tabelle P Sp. 3)5 nicht mehr als Regel­ satz.6 Vielmehr nehmen diese Urteile im Regelfall den Mittelwert aus Spalte 2 und Spalte 3 der Tabelle von Sanden/Danner7. Damit liegt die Nutzungsentschädigung regelmäßig deutlich niedriger als nach der bisherigen 1 24. 6. 1976, VersR 1977, 937. 2 So noch BGH 15. 4. 1966, BGHZ 45, 212 (220). 3 Zuletzt VersR 1985, 417. Gegen die Tabellen, die Sanden und Danner 1978 (VersR 1978, 1092) veröffentlicht hatten, waren allerdings Bedenken erhoben worden: vgl. Dittmann, DAR 1979, 201. Das AG Köln etwa (14. 9. 1979, VersR 1980, 396) hatte deshalb den Berechnungen von Dittmann den Vorzug gegeben; ebenso LG Saarbrücken 21. 10. 1980, DAR 1981, 94. 4 BGH 18. 5. 1971, BGHZ 56, 214. 5 Der Tabelle 1980, VersR 1980, 14f. 6 So BGH (N. 4) 217. 7 AG Köln 17. 12. 1975, VersR 1977, 165; AG Köln 18. 2. 1976, VersR 1977, 166 (LS); LG Köln 14. 7. 1976, VersR 1977, 184 mit zust. Anm. Himmelreich; LG Köln 28. 7. 1976 (unveröff.): Anders aber jetzt AG Köln 14. 9. 1979, VersR 80, 396, das die (höheren) Werte von Dittmann vorsieht; vgl. oben N. 3.

Berechnungsweise. Ähnlich einschränkend wollen OLG Frankfurt und AG Bremen1 den vollen Satz von Sanden/Danner nur bei neuen, jedenfalls nicht über 5 Jahre alten Wagen zubilligen. Demgegenüber sind gerade jüngst aber auch Versuche zu bemerken, den Betrag der Nutzungsentschädigung heraufzusetzen2, und damit der Tendenz entgegenzuwirken, den Anspruch auf Nutzungsentschädigung wieder stärker abzubauen.

2. Gebrauchsentzug bei gewerblich genutzten Fahrzeugen3

Die Fälle des Gebrauchsentzugs gewerblich genutzter Fahrzeuge liegen nicht gleich. Drei unterschiedliche Gestaltungen sind es im wesentlichen, die die Rechtsprechung bisher beschäftigt haben. (1) Sehr häufig kann der Eigentümer eines gewerblich genutzten Fahrzeugs (etwa eines Taxis) mehr oder minder konkret nachweisen, welcher Gewinn ihm durch den Ausfall des Wagens entgangen ist. (2) Der Geschädigte setzt ein eigenes Reservefahrzeug ein und macht einen Teil der Kosten geltend, die ihm für den ständigen Unterhalt des Ersatzwagens entstehen. (3) Der Geschädigte verlangt „echten“ Nutzungsausfall. Konkreter Gewinnentgang ist nicht nachweisbar, Aufwendungen für eigene Reservewagen sind nicht entstanden. Fälle dieser Art Hegen etwa vor, wenn der einzige Lastwagen beschädigt wird, mit dem der Eigentümer Waren an Kunden ausliefert oder den Werkverkehr durchfuhrt etc.

Nur in der letzten Fallgestaltung geht es um die eigentliche Nutzungsent­ schädigung, also um die Abgeltung des finanziell sonst nicht nachwirkenden Gebrauchsentzugs. In den beiden ersten Fallgestaltungen ist dagegen eine konkrete Vermögensminderung jedenfalls theoretisch errechenbar. Teilweise gestattet die Rechtsprechung freilich auch in den Fällen 1 und 2, den Schaden auf der Grundlage der „abstrakten“ Nutzungsentschädigung zu berechnen. Im einzelnen gilt folgendes: Soweit „echter“ Nutzungsausfall (Fälle der Gruppe 3) erstattet wurde, lag der wesentliche Unterschied zu der Fallgruppe der privaten Fahrzeuge in der Höhe der Nutzungsentschädigung, die für den Ausfall des gewerblichen Fahr­ zeugs berechnet wurde. Meist gewährt die Rechtsprechung dem gewerb­ lichen Geschädigten hier höhere Summen als dem privaten Geschädigten. Recht unterschiedlich ist dabei aber der Ansatz der Berechnung. Einige Ober­ landesgerichte sprechen gewerblichen Geschädigten 60% der fiktiven Miet­ wagenkosten zu4. 1 OLG Frankfurt 19. 9. 1984, VersR 1985, 248; AG Bremen 24. 8. 1977, VersR 1978, 431. 2 Dittmann (vorige S., N. 3); AG Köln 14. 9. 1979, VersR 1980, 396. 3 Siehe hierzu insbes. Klimke, DB 1978, 1323ff. 4 So OLG Nürnberg 28. 3. 1973, MDR 1973, 760; OLG Celle 5. 7. 1974, VersR 1975, 188 (LS); OLG Bamberg 16. 9. 1975, VersR 1976, 972.

Die Entscheidung des OLG Bamberg vom 16. 9. 19751 lag dem BGH zur Revi­ sion vor.2 Der BGH bestätigte die Entscheidung im Ergebnis, wählte aber eine gänzlich andere Berechnungsweise als das OLG. Dem BGH-Urteil ist deshalb nicht zu entnehmen, ob der Satz von 60% als Regelentschädigung gebilligt wird. M.E. hat der BGH die Argumentation des OLG zu Unrecht korrigiert. Zugrunde lag folgender Fall: Die Beklagte hatte den Lastzug der Klägerin beschädigt, der 14 Tage ausfiel. Die Klägerin, die keinen Ersatz gemietet hatte, machte eine Rentabilitätsrechnung auf und trug vor, sie habe mit ihrem Lastzug täglich 1022,- DM für „Fremdfrachtraten“ gespart3. Die Klägerin wollte den Betrag von 1022,- DM täglich (minus 261,- DM Eigenerspamis) ersetzt haben. Das OLG billigte ihr den Betrag (und diese „konkrete“ Schadensberechnung) nur für eine Woche zu, weil für diese Zeit kein Mietwagen zu beschaffen gewesen wäre. Für die zweite Woche geht das OLG von 60% der Kosten eines gleichwertigen Mietwagens (und damit von einer abstrakten Berechnung) aus. Der BGH will der Klägerin stattdessen durchgehend die „konkrete“ Berechnung gestatten, den damit grundsätzlich gegebenen Anspruch aber für die zweite Woche über § 254 BGH einschränken. Die Berechnungsweise der Klägerin erscheint insgesamt zweifelhaft. Für die Höhe ihres Schadens kann m.E. nicht maßgebend sein, was sie ausgegeben hätte, wenn eine fremde Spedition die Güter für sie befördert hätte (die „Fremdfrachtraten“), sondern nur das, was sie ausgegeben hätte, um sich einen gleichwertigen Wagen zu beschaffen und die Güter auch weiterhin selbst zu befördern. Nur sofern das nicht möglich gewesen wäre, mag es angehen, ihren Schaden nach dem Betrag zu bemessen, den eine fremde Spedition verlangt hätte. Dennoch erscheint mir größte Zurückhaltung ange­ bracht, auf Grund derart irrealer Ereignisse den Schadenersatzanspruch zu erhöhen.

Es sei in Erinnerung gerufen, daß der Private dagegen nur etwa 30 % der vollen Mietwagenkosten erhält4. Die Oberlandesgerichte haben das unter­ schiedliche Ergebnis im wesentlichen wie folgt begründet: Die Mietwagen­ kosten für ein vergleichbares Ersatzfahrzeug hätten zunächst den Aus­ gangspunkt der Berechnung zu bilden. Von den Bruttomietkosten entfielen 40% auf Gewinn und Kosten des gewerblichen Vermieters. Die restlichen 60 % seien der Wert, den ein einsatzfähiges Fahrzeug in der Hand des Gewer­ betreibenden habe. Anders als das private Fahrzeug diene es der Gewinnerzie­ lung und verursache sonstige Ausgaben (Kosten für Fahrer, Lohnsteuer für ihn etc.)5. „Ein dem Gewerbebetrieb dienendes Fahrzeug hat je nach der Art des Betriebs und den Zwecken, für die es bestimmt ist, nüchterne und reale

1 Siehe vorige N. 2 9. 11. 1976, VersR 1977, 331. 3 So der in VersR 1976, 972 abgedruckte Tatbestand des OLG; der BGH verkürzt den Sach verhalt dahin, daß der Klägerin Fremdfrachtraten tatsächlich entstanden seien: VersR 1977, 331. 4 Vgl. dazu oben S. 136f. 5 So insbes. OLG Nürnberg 28. 3. 1974, MDR 1973, 760.

Aufgaben; es hat besonders Gewinn zu erzielen... sein wirtschaftlicher Wert ist deswegen für den Geschädigten gesteigert.“1 Anders hat man den Gebrauchsentzug in einem Fall der Gruppe 2 (ein Linienbus war beschädigt und für ihn ein Ersatzfahrzeug eingesetzt worden) berechnet. Das OLG Bremen2 hat in einem einschlägigen Fall nur die Kosten zugesprochen, die das klagende Busunternehmen für die Vorhaltung eines Reservefahrzeugs tatsächlich aufgewendet hatte. Mit dem Ersatzbus hatte das Unternehmen den Ausfall aufgefangen. Das Gericht deduziert in der folgen­ den Weise: Der Ausfall eines Fahrzeugs werde allgemein als Vermögensscha­ den bewertet: Dieser Schaden sei in dem Augenblick entstanden, in dem das Fahrzeug beschädigt wurde. Der Schädiger habe den Zustand, wie er ohne die Schädigung bestünde, wiederherzustellen. Was hierzu erforderlich sei, könne sich an den Aufwendungen orientieren, die zur Wiederherstellung tatsächlich aufgebracht worden sind, hier also an den Vorhaltekosten für das tatsächlich benutzte Reservefahrzeug. Den danach zu ermittelnden Tagessatz erhöht das OLG allerdings nochmals um 12%, weil das Reservefahrzeug auch dann Kosten verursache, wenn es nicht eingesetzt werde. Der BGH hat die Entscheidung mit Revisionsurteil vom 10. 1. 19783 bestätigt. Er nimmt den Fall zum Anlaß, eine Differenzierung, weil „wirt­ schaftlich eher fernliegend", aufzugeben, die er 19604 für berechtigt gehalten hatte: Der Geschädigte muß das Reservefahrzeug nicht mehr, wie damals gefordert, ausschließlich zur Vorsorge gegenfremdverschuldete Unfälle bereit­ gehalten haben. Es genügt jetzt, daß das Ersatzfahrzeug auch bei fremd-, aber ebenso bei selbstverschuldeten Unfällen einspringen sollte. Auch dann können die Vorhaltekosten ersetzt werden. Über die Vorhaltekosten hinaus ist dann aber keine gesonderte Nutzungsentschädigung zuzubilligen. Hier führt der BGH indessen eine neue Differenzierung ein. Der Grundsatz gilt nicht etwa für alle gewerblich genutzten Fahrzeuge, sondern nur dort, „(w)o... das Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen dient, wie etwa eine Kraftdroschke.“5 Im übrigen sind die Erwägungen, die bei Privat­ fahrzeugen zur Anerkennung einer Nutzungsausfallentschädigung geführt haben, bei gewerblichen Fahrzeugen keineswegs „schlechthin ausgeschlos­ sen“, wenn auch eine zusätzliche Nutzungsentschädigung „bei einem Fahr­ zeug der hier in Frage stehenden Art... kaum denkbar“ sei6. Nicht deutlich 1 OLG Bamberg 16. 9. 1975, 972 (973). Ebenso Sanden Rz. 412; mit gleicher Begründung verneint LG Mannheim 16. 9.1977, VersR 1978, 476 dagegen einen Anspruch auf Nutzungsent­ schädigung. 2 OLG Bremen 18. 6. 1975, VersR 1976, 665. 3JZ 1978, 274. 4 BGH 10. 5. 1960, BGHZ 32, 280; dazu inbesondere Niederländer, JZ 1960, 617. 5 BGH 10. 1. 1978, JZ 1978, 275. 6 BGH aaO.

ersichtlich ist allerdings, ob der BGH noch eine Nutzungsentschädigung bei Taxen etc. zuläßt, wenn kein Zweitwagen in Reserve steht. Das BGH-Urteil bringt eine weitere Aufsplitterung in Einzelfallgruppen und damit eine erhebliche weitere Prüfungslast für die Untergerichte und die Regulierungspraxis mit sich. (1) Nur mit den Vorhaltekosten muß sich der gewerbliche Kfz-Halter begnügen, der ein Reservefahrzeug hat, es tatsächlich eingesetzt hat oder zumutbarerweise hätte einsetzen müssen, wenn er das Fahrzeug „unmittelbar gewerblich“ nutzte, sprich: damit Einnahmen aus Personen- oder Güterbeförderung erzielte. Eventuelle Beson­ derheiten des Einzelfalles können das Ergebnis aber noch ändern. (2) Der gewerbliche Halter eines „unmittelbar gewerblich genutzten“ Fahrzeugs ohne Zweitwagen muß — man muß einschränken: muß wahrscheinlich — einen kon­ kreten Gewinnentgang oder erforderliche Ersatzaufwendungen nachweisen; nur wo ein konkreter Schaden fehlt, kann bei „besonderen persönlichen Anstrengungen oder Verzichten“1 ein „abstrakter“ Entbehrungsschaden berechnet werden. (3) Der Geschädigte, der sein Fahrzeug nur mittelbar gewerblich nutzt (etwa im Werksverkehr), erhält dagegen grundsätzlich Nutzungsentschädigung, es sei denn, er hätte den Ausfall zumutbarerweise auffangen können2. Die genaue Höhe der Ent­ schädigung in diesem Fall ist indessen noch offen.

Zusammengenommen läßt sich die Rechtsprechung zur Nutzungsentschä­ digung bei gewerblichen Fahrzeugen kaum als befriedigend bezeichnen. Weder überzeugt die Begründung, mit der gewerblichen Geschädigten eine grundsätzlich höhere Entschädigung als privaten Geschädigten zugebilligt wird. Noch leuchtet ein, daß der Gewerbetreibende andererseits u.U. (insbes. bei Fallgruppe 2) weniger als der Private erhalten soll. Noch erweist sich schließlich das Geflecht einzelner Fallgruppen, in die der BGH das Gebiet zerlegt hat, als übersichtlich und praktikabel.

1 BGH 10. 1. 1978, JZ 1978, 274 (275). 2 Vgl. BGH 9. 11. 1976, VersR 1977, 331

3. Nutzungsausfall bei anderen Gegenständen1 Der BGH hat wiederholt betont, das Institut der Nutzungsentschädigung sei in erster Linie für private Kraftfahrzeuge entwickelt worden2. Auf gewerbEche Fahrzeuge hat er es indessen im Grundsatz selbst ausgedehnt3. Die jün­ gere Rechtsprechung ist über diese Grenzen aber noch hinausgegangen4. Eine feste Fallgruppe, für die Nutzungsentschädigung heute die akzeptierte Regel ist, ist der Gebrauchsentzug eines Schiffs5. In den entschiedenen Fällen handelte es sich um Frachtschiffe; den Nutzungsausfall hat man anhand des gewöhnlichen Liegegeldes berechnet, das in den konkreten Fällen aber nicht gezahlt werden mußte, weil das Schiff zur Reparatur aufgedockt war6. Diese Berechnungsweise nimmt es dem Richter ab, den konkreten Nutzungs­ verlust zu ermitteln, der sich häufig nur schwer ausmachen läßt. In der Regel wird der Geschädigte durch den Nutzungsentzug aber eine finanzielle Ein­ buße haben. Der Sache nach bedeutet die Berechnungsweise also wohl nichts anderes als die abstrakte Berechnung entgangenen Gewinns. Auffällig ist allerdings, daß der BGH bei gewerblichen Kraftfahrzeugen diese abstrakte Berechnung des Nutzungsausfalles gerade weitgehend abbauen will und den Geschädigten zur konkreten Berechnung seines Gewinnverlusts verpflichtet7. Handelte es sich dagegen um private Segel- oder Motorboote, so hat etwa das Kammergericht8 eine Entschädigung für Gebrauchsentzug versagt, das LG Kiel9 sie dagegen zugesprochen. Eine weitere Fallgruppe betrifft die Nutzungsbeeinträchtigung bei Wohn­ häusern10. Der BGH selbst hat zu diesem Komplex nur schwer miteinander

1 Zur grundlegenden Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH v. 9. 7. 1986, BGHZ siehe unten S. 339f. 2 Etwa BGH 14. 5. 1976, BGHZ 66, 277 (278 ff.). 3 Vgl. den vorigen Abschnitt. 4 Ältere weitergehende Entscheide sind etwa OLG Dresden 6. 12. 1902, Annalen des König­ lich-Sächsischen Oberlandesgerichts 24, 527; OLG Colmar 26. 9. 1907, Recht 1907 Nr. 3058; vgl. dazu auch Tolk 21 ff.; Küppers 12. 5 Vgl. etwa OLG Hamburg 27. 6. 1974, VersR 1974,1216, Hamburger Schiedsspruch 23. 10. 1974, VersR 1975, 1096; KG 20. 11. 1975, VersR 1976, 463; BGH 9. 2. 1978, VersR 1978, 418. 6 Vgl. OLG Hamburg aaO.; KG aaO. Besonders lag der BGH-Fall (BGH 9. 2. 1978, VersR 1978, 418): Der Geschädigte hatte hier geltend gemacht, durch die Werftarbeiten die tägliche Chartermiete von 1880,— DM zu verlieren. Während der Werftarbeiten hatte er das Schiff verkauft, nach seiner Behauptung aber das Recht behalten, es weiterhin zu verchartern. Das OLG hatte Nutzungsentschädigung nur bis zum Verkaufstermin zugesprochen; der BGH hob auf, weil ein Anspruch auch für die restliche Werftzeit gegeben sein könne. Der Sache nach ging es dabei jedoch um konkret entgangenen Gewinn. 7 Vgl. den vorangehenden Abschnitt und insbes. BGH 10. 1. 1978, JZ 1978, 274. 815. 5.1972, MDR 1972, 778. 9 8. 4. 1971, Schl. Hol. Anz. 1973, 33. 10 Siehe hierzu BGH(GrS) (oben N. 1).

vereinbare Entscheidungen gefällt. 1967 hat der VIII. Senat1 dem Eigentü­ mer eines beschädigten Wohnhauses eine Entschädigung zugebilligt, obwohl konkrete Kosten aus der Nutzungsbeeinträchtigung nicht nachgewiesen waren. Das Urteil zieht ausdrücklich die Parallele zum Kfz-Nutzungsausfall. 1976 hat demgegenüber der V. Senat einem Hauseigentümer keine Nut­ zungsentschädigung dafür zuerkannt, daß er erst verspätet in sein neues Haus einziehen konnte und für mehrere Monate mit einer minderen Mietwohnung vorheb nehmen mußte2. Der V. Senat prüft in einer gründlichen Entschei­ dung die verschiedenen Schadenslehren: Kommerzialisierungsthese, Frustrie­ rungslehre, Bedarfsschaden. Gegen alle erhebt der Senat Einwände und ver­ mag deshalb keinen Ersatzanspruch auf sie zu stützen. Die entgegenstehende Entscheidung des VIII. Senats räumt der V. Senat mit dem — recht formalen — Hinweis aus, dort habe der besitzende Eigentümer geklagt (vorliegend sollte das Haus erst erstellt werden), der sich auch nicht anderweit beholfen habe3. 4 Eine Entscheidung des gleichen Senats vom 4. 3. 19774 bestätigt das Ergeb­ nis und führt aus, ein Grundeigentümer könne keinen Schadenersatz dafür verlangen, daß zeitweise Immissionen die Nutzbarkeit seines Grundstücks vorübergehend behindert hätten. „Der Geschädigte konsumiert nicht etwa — wie beim merkantilen Minderwert — in überobligationsmäßiger Schadensminderung seinen - trotz Naturalherstellung (Repa­ ratur) verbleibenden - Schaden selbst, sondern sein Vermögensschaden endet dadurch, daß der Schädiger von sich aus die Immission einstellt und damit den vollen Verkehrs­ wert des Grundstücks wiederherstellt.“5

Im Ergebnis bleibt die Nutzungsbeeinträchtigung also dann ohne Sank­ tion, wenn sie keine wirtschaftlich faßbare Folge ausgelöst hat: Hat der Grundstückseigentümer keinen Mietausfall oder eine sonstige bleibende Ein­ buße erlitten, so entfällt ein Anspruch. Demgegenüber hat der VI. Senat die

114. 6. 1967, NJW 1967, 1803; ähnlich auch BGH 11.7. 1963, NJW 1963, 2020 (III. Senat). 214. 5. 1976, BGHZ 66, 277. 3 Im Urteil vom 30. 11. 1979, BGHZ 75, 366 versagt der V. Senat eine Nutzungsentschädi­ gung aber auch dem Hauseigentümer, der sich nicht anderweit behilft, sondern „unter fühlbaren Erschwernissen“ im eigenen (beschädigten) Haus wohnen bleibt. Das Gericht verneint die Paral­ lele zur Kfz-Rechtsprechung, weil dem Hauseigentümer die Nutzung nicht gänzlich entzogen worden war. Seine Lage sei mit der des Kfz-Eigentümers vergleichbar, der das Fahrzeug unrepa­ riert weiterbenutze. Im konkreten Fall war für die Klägerin ein Teil ihrer Wohnung aber behördlich gesperrt worden; sie hatte sich deshalb einen Schlafraum im Keller eingerichtet. Für einen Teil der Wohnung war ihr die Nutzung damit vollständig entzogen. Insofern Hegt der Sachverhalt also anders als bei Weiterbenutzung eines unreparierten Kfz. Diesem Fall stünde es gleich, wenn die Wohnräume zwar eingeschränkt, etwa nur zu bestimmten Zeiten, aber doch insgesamt noch nutzbar gewesen wären. 4 MDR 1977, 922. 5 BGH aaO.

Rechtsprechung zur Nutzungsentschädigung u.a. gerade damit begründet, daß ohne die Entschädigung für die Schädiger (und ihre Versicherer) „ein starker Anreiz gegeben (sei), die Erfüllung berechtigter... Ansprüche abzuleh­ nen und darauf zu vertrauen, der Anspruchsteller werde von der Anmietung eines Ersatzwagens aus Scheu vor einem finanziellen Risiko oder mangels liquider Geldmit­ tel absehen und sich behelfen. Wenn die unberechtigte Weigerung, eine Schuld zu erfüllen, im Ergebnis zur vollen Befreiung führt, so ist das insbesondere dann ein unerfreuliches Ergebnis, wenn das Motiv des Betroffenen, kein Risiko einzugehen, durchaus verständlich ist.“1

Mit diesen entgegenstehenden Überlegungen des VI. Senats befaßt sich die Entscheidung des V. Senats freilich nicht. Zwischen dem Karenzschaden bei Wohnraum und bei Kraftfahrzeugen besteht insoweit kein Unterschied. Denn auch für Wohnraum, dessen Gebrauch beeinträchtigt ist, kann der Geschädigte sich Ersatz beschaffen — sei es, daß er schließlich in ein Hotel ausweicht — oder kann aus Scheu vor dem finanziellen Risiko darauf verzich­ ten und die Beeinträchtigung hinnehmen2. Eine neuere Entscheidung gleichfalls des V. Senats3 behandelt die Frage, ob derjenige, dem seine Eigentumswohnung nicht fristgerecht übergeben wird, Anspruch auf Schadenersatz für die verspätete Lieferung und den mit ihr verbundenen Nutzungsentgang hat. Der V. Senat hat weder in den Auf­ wendungen (Gemeinschaftsumlagen etc.), die schon vor der tatsächlichen Lieferung fähig wurden, noch in der vorenthaltenen Nutzungsmöglichkeit einen ersatzfähigen Schaden gesehen. Die Aufwendungen seien nicht durch die Verspätung „frustriert“ worden, sondern wären in jedem Fall entstanden; ein Argument, mit dem man sich zufrieden geben kann. Allerdings sollte man deutlicher als der Senat die entscheidende Frage dahin formulieren, ob der Vertragsverstoß den Zweck und Sinn der Aufwendungen vereitelt hatte. Für den Nutzungsausfall gewährt der Senat keine Entschädigung, weil die „zeitweilig vorenthaltene Nutzungsmöglichkeit keinen selbständigen Vermö­ genswert hat und die mit der Vorenthaltung verbundene Einbuße daher eine immaterielle ist.“4 Zur Begründung beruft er sich auf sein Urteil vom 14. 5. 19765. Die Ergebnisse des V. Senats zieht wiederum der VII. Senat in Zweifel6. Für die Unbenutzbarkeit eines Swimmingpools gewährt er zwar im konkre­ 1 BGH 15. 4. 1966, BGHZ 45, 212 (217). 2 In einem kürzlichen Fall (BGH 30. 11. 1979, BGHZ 75, 366) hatte die Geschädigte 71 Mo­ nate lang zum Teil im Keller ihres Hauses gelebt. 3 BGH 21. 4. 1978, BGHZ 71, 234 m. zust. Anm. Stoll JZ 1978, 797. 4 BGH aaO.241. 5 BGHZ 66, 277; vgl. dazu den vorangehenden Text. 6 BGH 28. 2. 1980, DB 1980,1016,1017.

ten Fall keine abstrakte Karenzentschädigung, deutet aber an, daß er den Gebrauchsentzug für Wohnraum anders beurteilen würde1. Ähnlich uneinheitlich wie die Praxis des BGH ist die Judikatur der Unterge­ richte. Zusprechenden Urteilen2 stehen ablehnende Entscheidungen gegen­ über3. Die jeweiligen Begründungen dieser Urteile brauchen hier nicht im einzelnen nachgezeichnet zu werden. Ins Auge springt freilich der Umstand, daß sie fast ausnahmslos und fast ausschließlich auf dogmatischen oder syste­ matischen Erwägungen beruhen. Dazu, ob ein angemessener Schadensaus­ gleich die Entschädigung für die entzogene oder behinderte Nutzung eines Wohnhauses als angebracht, als „gerecht“ fordert, finden sich nur gelegent­ liche und beiläufige Bemerkungen4. Mit anderen Worten: Das teleologische Argument fehlt weitgehend. Vielmehr versuchen die Gerichte das bejahende oder verneinende Ergebnis aus dem Schadensbegriff oder den verschiedenen hierzu vertretenen Lehren (Kommerzialisierungslehre, Frustrierungsthese etc.) abzuleiten. Weiter fällt auf, daß bisher - soweit ersichtlich — nur Eigentü­ mer wegen behinderter Nutzung geklagt haben. Mieter, die ebenso behindert wurden, tauchen in den veröffentlichten Entscheidungen als Kläger nicht auf5. Ein buntes Bild bietet schließlich die Rechtsprechung zum Nutzungsausfall bei sonstigen Gegenständen. Motorrad und Motorroller haben mit ihrem Ausfall Gerichte ebenso veranlaßt, Nutzungsentschädigung zuzusprechen6, wie sie abzulehnen7. Für die vereitelte Möglichkeit, einen Pelzmantel zu tragen, hat der BGH keine Nutzungsentschädigung zugesprochen8, diesem Schaden vielmehr nur immaterielle Qualität zugeschrieben und betont, es bedürfe der „Abwägung im Einzelfall, ob nach der Verkehrsauffassung die Benutzbarkeit

1 BGH aaO. 2 KG 17. 11. 1966, NJW 1967, 1233; OLG Köln 13. 11. 1973, NJW 1974, 560 (hier war der Swimmingpool des Klägers eine Zeitlang nicht nutzbar - anders nun BGH 28. 2.1980, DB 1980, 1016). 3 Etwa LG Düsseldorf 13. 7. 1972, NJW 1973, 659. 4 Vgl. etwa BGH 14. 5. 1976, VersR 1976, 956 (957 r. Sp. oben). 5 Vgl. zu dem Komplex Küppers 119f. Küppers meint, wegen § 537 I BGB entstünde dem Mieter — etwa durch Immissionen — keinerlei Schaden. Doch gewährt § 537 I — Kürzung des Mietzinses wegen mangelnder Tauglichkeit der Mietsache - dem Mieter nur ein Recht und belastet ihn nicht etwa mit der Pflicht, seinen Schaden auf diese Weise beim Vermieter statt beim Störer geltend zu machen. Klagen von Mietern gegen Dritte, die den Mietgebrauch etwa durch Immissionen stören, sind deshalb durchaus denkbar, wenngleich bisher wohl wegen der Mög­ lichkeit des § 537 I BGB unüblich. 6 Etwa AG Kiel 15. 10. 1973, VersR 1975, 387 (das Gericht hat betont, der Prestigewert des Motorrades sei wichtig); AG Fürth 26. 1. 1984, DAR 1984, 224; AG Köln 24. 2. 1984, VersR 1984,491. 7 Etwa LG Bremen 26. 2. 1968, VersR 1968, 907 (Motorroller). 8 BGH 12. 2.1975, BGHZ 63, 393 = NJW 1975, 733 m. Anm. Batsch NJW 1975,1163 = JZ 1975, 529 m. Anm. Tolk. Ebenso die Berufungsinstanz Hans. OLG Hamburg 24. 5. 1973, MDR 1973, 847.

einer Sache als selbständiger Vermögenswert neben ihrem Substanzwert an­ gesehen wird und damit ihre Beeinträchtigung einen Vermögensschaden darstellt.“1 Die Formulierung des BGH ist m.E. charakteristisch für den Standort, den der BGH im Bereich des Schadensrechts einnimmt. Zunächst einmal vermeidet der BGH es, eine deutliche Leitlinie für die Behandlung des Großteils der Fälle zu geben; er verweist auf den Einzelfall. Wörtlich genommen, soll der Richter dann im Einzelfall abwägen, ob eine Verkehrsauffassung in einer bestimmten Richtung besteht. Ermitt­ lung einer Verkehrsauffassung - ein objektivierter Vorgang — und Abwägung im Einzelfall erscheinen aber kaum miteinander vereinbar. Entweder ermittelt der Rich­ ter eine Verkehrsauffassung, die „die Benutzbarkeit einer Sache als selbständige(n) Vermögenswert“ anerkennt, oder er wägt selbst ab, ob für den Nutzungsentzug entschädigt werden soll. Ob die Verkehrsauffassung den Gebrauchswert gegenüber dem Substanzwert einer Sache verselbständigt oder nicht, erscheint als reichlich lebensfremde Fragestellung. Der Verkehr bewertet nur, ob ein Gegenstand, eine Nutzungsmöglichkeit Geldwert hat. Die rechtliche Konsequenz, deshalb sei der Gebrauchswert verselbständigt, kann nur und wird immer eine Folgerung des jeweiligen Richters sein. Da der Verkehr nahezu jeder Sache einen - mietfähigen — Gebrauchswert zuschreibt, bedarf es inso­ weit auch regelmäßig nicht der Ermittlung entsprechender Verkehrsauffassungen. Anhaltspunkt für die vom BGH erstrebte Objektivierung kann deshalb nur sein, in welchem Maß es im Verkehr üblich ist, die Gebrauchsmöglichkeit einer Sache zu vermarkten. Grundsätzlich ist gewiß nichts dagegen einzuwenden, die Höhe des Schadens an dem Betrag zu messen, den der Markt für die Nutzungsmöglichkeit berechnet. Dagegen erscheint es mir erheblich bedenklicher, auch die Frage, ob eine Einbuße überhaupt als ersatzfähiger Schaden zu betrachten ist, hauptsächlich oder gar ausschließlich an den Maßstäben des Marktes zu messen. Der Markt ist darauf ange­ wiesen und ausgerichtet, Bedürfnisse zunächst zu wecken, um ihnen dann nachzukom­ men. Die Mechanismen, die den Markt steuern, sind nicht derart, daß der Richter die ihm in die Hand gegebenen Steuerungsinstrumente beruhigt beiseite legen könnte.

Ein vorenthaltenes Tonbandgerät hat das AG Iserlohn demgegenüber dazu bewogen, eine Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile auszuwer­ fen2. Soweit schließlich die Nutzung übriger Gegenstände behindert war, haben der BGH3 und das LG Nürnberg-Fürth4 übereinstimmend Jägern keinen Schadenersatz dafür zugesprochen, daß sie ihr Jagdrecht zeitweise nicht ausüben konnten5 oder daß man ihnen die Jagdfreude vergällt hatte.6 In beiden Fällen hatten die Kläger — ganz im Gegensatz zu den Fällen des Kfz1 BGHZ 63, 397. 2 4. 6. 1965, VersR 1965, 1212. 3 15. 12.1970, BGHZ 55,146. 4 30. 5. 1975, VersR 1976, 646. 5 So im Fall des BGH aaO. 6 So im Fall des LG Nürnberg-Fürth aaO.

Gebrauchsentzugs — sehr konkrete Rechnungen aufgemacht, welche überflüs­ sigen Aufwendungen bzw. welchen Gewinnausfall ihnen die Schadenshand­ lung verursacht habe. Gleichwohl blieben sie ohne Ersatz, im Fall des BGH, weil der Kläger nur in seiner persönlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt, der Gegenstandjagdrecht dagegen selbst nicht tangiert worden sei; im Fall des LG Nürnberg-Fürth, weil die Jagdfreude kein kommerzialisiertes Lebensgut mit eigenem Vermögenswert — sei1. Interesse verdient schließlich noch eine Entscheidung des BGH vom 21. 2. 19792. Hier scheint der BGH eine Nutzungsentschädigung für den Entzug eines Pferdes anzuerkennen3. Im Ergebnis scheiterte der auf § 823 BGB gestützte Anspruch des Klägers freilich daran, daß der Kläger kein Recht zum Besitz des Pferdes nachweisen konnte. Das LG München I hat es dagegen grundsätzlich abgelehnt, Nutzungsausfall für ein verletztes Pferd zu gewähren4.

4. Würdigung

Zunächst seien noch einige Überlegungen zu den Grundlagen der Nut­ zungsentschädigung angestellt, ohne daß freilich der alte Streit über ihre Berechtigung hier erneut aufgerollt werden soll: Wie die Rechtsprechung sie heute zumindest für Kraftfahrzeuge berechnet, umfaßt die Entschädigung für Nutzungsausfall nicht allein die tatsächlichen, aber vergeblichen Vermögens­ aufwendungen des Geschädigten, sondern übersteigt diesen Betrag „maß­ voll.“5 Jedenfalls der überschießende Betrag ist mit konkreten vermögens­ relevanten Einbußen oder Ausgaben - seien sie auch wegen der Schwierigkei­ ten ihres Nachweises pauschal berechnet - nicht zu begründen. Werden ihm die Gemeinkosten ersetzt, so erleidet derjenige, dem der Gebrauch des priva­ ten Kfz entzogen wird, damit keinen (weiteren) finanziellen Verlust. Auch das Argument des BGH, ein fahrbereiter Wagen steigere den Wert der Arbeits­ kraft seines Eigentümers6, kann kaum ernsthaft konkrete Vermögensvor­ teile dartun7. Wer mit der Bahn eine halbe Stunde länger zur Arbeit fährt

1 LG Nümberg-Fürth aaO. 647. 2 BGHZ 73, 355. 3 BGHZ 73, 361 f. 4 15. 11.1978, VersR 1979,384. Kürzlich hat, dieser Fall war längst zu erwarten, der entzogene Fernseher die Rechtsprechung beschäftigt: das LG Berlin (17. 12.1979, VersR 1980, 830) hat eine Nutzungsentschädigung versagt und die gegenteilige Vorentscheidung des Amtsgerichts aufge­ hoben. 5 BGH 18. 5. 1971, BGHZ 56, 214. 6 BGH 30. 9. 1963, BGHZ 40, 345 (349). 7 So etwa auch Küppers 110.

als mit dem Wagen, spürt das nicht an seinem Geldbeutel. Gerade für diese Unbequemlichkeiten soll der übersteigende Betrag ja entschädigen. Mit der entzogenen Nutzung erleidet der Betroffene deshalb nur dann einen Vermögensnachteil, wenn man der Nutzungsmöglichkeit selbst einen Vermögenswert zuschreibt, sie „kommerzialisiert". Ein solches Vorgehen läßt sich allerdings nicht allein mit der Behauptung rechtfertigen, es wende nur den vorgegebenen Begriff des Vermögensschadens konsequent an: weil ein Vermögenswert entzogen ist, ist zu entschädigen. Vielmehr handelt es sich hier um eine rechtspolitische (richterliche) Willensentscheidung, die einer an sich vermögensneutralen, nicht ersatzfähigen Position dadurch Ersatzfähigkeit verschafft, daß sie sie in den Vermögensrang erhebt. Um das gewünschte Ziel — die Ersatzfähigkeit des Nutzungsausfalls — zu erreichen, boten sich dem BGH rechtstechnisch zwei Wege an: Ausdehnung des Vermögensschadensbegriffs oder Einschränkung des § 253 BGB. Er hat die Ersatzfähigkeit durch eine Erweiterung des Begriffs des Vermögensscha­ dens erreicht. Ein Vermögensschaden kann danach in der Beeinträchtigung aller Werte Hegen, die dem Verkehr wertvoll erscheinen und das heißt, gegen Geld erworben werden können. Dieser Weg erhält die gesetzliche Entschei­ dung dem Wort nach aufrecht, daß Nichtvermögensschäden — von den be­ kannten engen Ausnahmen abgesehen — nicht zu ersetzen sind. Der Sache nach verschwimmt die Unterscheidung zwischen beiden Schadensarten jetzt aber so stark, daß jedenfalls der Sinn der gesetzgeberischen Unterscheidung weitgehend ausgehöhlt wird1. Denn nahezu jeder immaterielle Wert kann im Verkehr gegen Geld erworben werden. Die generelle Erweiterung des Begriffs des Vermögensschadens enthält auch die Gefahr, daß kein Einver­ ständnis mehr über seine neuen Grenzen erreicht werden kann. Die fehlenden Konturen der Rechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung bestätigen m.E. für eine exemplarische Fallgruppe, wie stark diese Gefahr ist. Der andere technische Weg führt über eine einschränkende Interpretation des § 253 BGB. Die Vorschrift kann — und das Ergebnis des BGH bewirkt nichts anderes — dahin eingeengt werden, daß für vermögensmäßig nicht faßbare Schäden nicht nur in den gesetzEchen Ausnahmefällen, sondern aus­ nahmsweise auch dann Ersatz zu leisten ist, wenn hierfür ein rechtspolitisch anerkennenswerter Grund besteht. Man wird solche Ausnahmen nur fall­ gruppenweise bilden und fortentwickeln können2. Man wird vor allem nach ihrer rechtspolitischen Berechtigung zu fragen haben. Damit nähert man sich auch direkt dem Kern des Problems - nämlich der Frage, ob in einem solchen Ausnahmefall der Ersatz für eine gezogene Position generell wünsch­ 1 Ebenso Lange 187. 2 Zur Zulässigkeit einer solchen Interpretation vgl. die Rechtsprechung zum Persönlichkeits­ recht (insbes. BVerfG 14. 2. 1973, BVerfGE 34, 269); ferner unten S. 312 ff.

bar und rechtspolitisch vertretbar ist — und nicht indirekt über die eher terminologische Frage, ob diese Position Vermögenswert hat oder nicht. „Wünschbar“ kann dabei, dies sei klargestellt, nicht heißen, daß nach Beheben entschieden werden darf. „Generell wünschbar“ ist der Ersatz, wenn ein einsehbares und rational nachprüfbares Bewertungssystem dafür spricht, Er­ satz zu gewähren. Fragt man nach der rechtspolitischen Vertretbarkeit der Nutzungsentschä­ digung, so soll diese Frage erst nach Durchsicht der Lösungen anderer Länder abschließend beantwortet werden. Immerhin hat der BGH seiner Entschei­ dung zugunsten der Nutzungsentschädigung auch eine gewisse rechtspolitisehe Erwägung beigefugt, die man hervorheben muß: Die Entschädigung soll verhindern, daß für den Haftpflichtigen ein Anreiz besteht, berechtigte An­ sprüche (auf einen Mietwagen) deshalb zu verweigern, weil er darauf speku­ lieren kann, daß der vorsichtige Geschädigte sich keinen Ersatzwagen nimmt. Die Entschädigung soll den Haftpflichtigen also auch zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten anhalten. Diese Argumentation verläßt den das Schadensrecht beherrschenden Ausgleichsgedanken und stellt stattdessen die Idee der Prävention in den Vordergrund: Die sanktionslose Beeinträchtigung der Gütersphäre eines anderen soll nach Möglichkeit vermieden werden1. Dem Schadensrecht wird hier also auch ein Präventionszweck entnommen, der es rechtfertigen kann, Ersatz dort zuzusprechen, wo ein echter Vermö­ gensschaden fehlt. Anzumerken ist freilich, daß der V. Senat sich diese Argu­ mentation nicht zu eigen gemacht hat2. Überblickt man die heutige Praxis zur Nutzungsentschädigung insgesamt, so lassen sich folgende Feststellungen treffen. 1) Das Institut der Nutzungsentschädigung ist kein ausschließliches Sonder­ recht für private Kfz. Es bestehen einige weitere feste Fallgruppen (gewerblich genutzte Kraftfahrzeuge, Schiffe) sowie einige uneinheitlich beurteilte Grup­ pen (Häuser, Motorräder, Motorroller, Reitpferde), schließlich eine diffuse Restgruppe, die alle sonstigen Gegenstände umfaßt und innerhalb der über­ wiegend keine Nutzungsentschädigung gewährt wird. 2) Die Tendenz der Rechtsprechung geht heute dahin, die Nutzungsent­ schädigung nach Höhe und Berechtigung einzuschränken. Die Höhe hat der BGH von den vollen Mietkosten einer Ersatzsache (minus gewisse Abschläge) reduziert auf einen maßvollen Betrag über den Gemeinkosten, die trotz Entzugs der Sache weiterlaufen3. Die Berechtigung hat er eingeschränkt auf

1 BGH 15. 4. 1966, BGHZ 45, 212 (216f). 2 Vgl. die Entscheidungen des V. Senats zur Nutzungsausfallentschädigung bei Wohnhäusern und Eigentumswohnungen, oben S. 142 ff. Strikt gegen den Sanktionsgedanken im Zivilrecht auch Esser/Schmidt I 2 S. 154. 3 Vgl. BGH 18. 5. 1971, BGHZ 56, 214.

denjenigen, der die Sache auch wirklich hätte nutzen können, den ihr Ausfall „fühlbar“ trifft1. Auf den konkreten Bedarf des Geschädigten kommt es andererseits nicht an. Eine Nutzungsentschädigung erhält also auch derjenige, der mangels Bedarf keine Ersatzsache, etwa einen Mietwagen, — auf Kosten des Schädigers — hätte nehmen dürfen. Als bisher letzten Schritt hat der BGH demjenigen einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung versagt, für den die entzogene Nutzung normalerweise konkreten Gewinnausfall bedeutet2. Nur den — nachgewiesenen — entgangenen Gewinn kann der Betroffene dann beanspruchen. 3) Schließlich hat die gegenwärtige Gerichtspraxis eine Reihe von Konse­ quenzen im Gefolge, deren Berechtigung unter Gesichtspunkten der Vertei­ lungsgerechtigkeit fragwürdig ist. (i) Der Eigentümer eines größeren Wagens erhält eine höhere Nutzungs­ entschädigung als der Eigentümer eines kleineren Wagens. Die Unterschiede können hier so gravierend sein, daß es sich u.U. lohnt, die abstrakte Nut­ zungsentschädigung statt der realen Kosten (für einen tatsächlich genomme­ nen kleineren Wagen) zu verlangen3. Nimmt man die Begründung des BGH ernst, daß das fahrbereite Fahrzeug dem Eigentümer Zeit spart und ihm so im beruflichen Fortkommen nutzt4, dann ist eine solche unterschiedliche Be­ wertung der Gebrauchsmöglichkeit, je nach Fahrzeugtyp, kaum zu rechtferti­ gen. Denn diese Funktion erfüllt jeder fahrbereite Wagen in nahezu gleicher Weise. Spricht man in Wirklichkeit Ersatz doch für die unterschiedliche Be­ quemlichkeit der einzelnen Fahrzeugtypen zu, so ist es gleichwohl wenig überzeugend, das Ausmaß an Bequemlichkeitsverlust zum Maßstab des mit der Schadenszumessung verbundenen Güterausgleichs zu machen. Im übri­ gen hält man selbst diesen Ansatz nicht konsequent durch, wenn man für neue und alte Modelle des gleichen Typs, die sich in ihrem Fahrkomfort regelmä­ ßig unterscheiden, wiederum gleiche Sätze der Nutzungsentschädigung ver­ anschlagt. Die gegenwärtige Praxis der typengebundenen Nutzungsentschä­ digung beruht weitgehend auf der Überlegung, daß der Geschädigte ja tat­ sächlich einem dem eigenen Wagen entsprechenden Mietwagen nehmen könnte. Vor allem deshalb setzt man die Höhe der abstrakten Nutzungsent­ schädigung in Relatipn zur Höhe der sonst jeweils erforderlichen Mietwagen­ kosten. Das läßt sich noch mit dem Grundsatz der Totalreparation rechtferti­ gen, soweit es um die gebrauchsunabhängigen Gemeinkosten des Fahrzeugs

1 Vgl. die Rechtsprechung zum Nutzungswillen und zur Nutzungsmöglichkeit; oben S. 133f.; sehr kritisch zur Fühlbarkeitsschranke Lange 187. 2 Vgl. die oben zitierte BGH-Rechtsprechung zur unmittelbar gewerblichen Nutzung eines Kfz. 3 Vgl, die oben S. 133 angeführte Rechtsprechung. 4 BGH 30. 9. 1963, BGHZ 40, 345 (349).

geht1. Der sie maßvoll übersteigende Betrag, der den „eigentlichen“ Ge­ brauchsentzug abgilt, hat aber keinen direkten Bezug zu den Mietwagenko­ sten und braucht keineswegs zwingend als Prozentsatz dieser Kosten bemessen zu werden. Eine typenunabhängige Pauschalsumme etwa würde nicht nach dem suspekten Maßstab des größeren oder kleineren Bequemlichkeitsverlu­ stes differenzieren. (ii) Nur der Eigentümer erhält bisher einen Ausgleich für den zeitweiligen Entzug der Sache. Er erhält die Entschädigung auch dann, wenn ein Dritter der in Wahrheit Betroffene ist, dem der Gebrauchsentgang aber keinen kon­ kreten Vermögensnachteil zufugt. Im übrigen haben relativ Berechtigte, die die Sache unentgeltlich nutzen konnten, bisher offenbar keine Entschädigung für entgangene Nutzung eingeklagt oder zugesprochen erhalten. Es soll hier nicht näher untersucht werden, ob auch sie entschädigt werden sollten. Die Auffassung jedoch, daß nur der formelle Eigentümer eine Entschädigung für seinen Gebrauchs vertust verdient, ein sonstiger (unentgeltlicher) Nutzer aber nicht, überzeugt nicht und wird auch von der Rechtsprechung selbst in Frage gestellt, wenn sie den Eigentümer dafür entschädigt, daß seine Ehefrau, Ver­ lobte, Tochter etc. um die Nutzung gebracht wurden2. (iii) Der gewerbliche Eigentümer erhält teilweise eine höhere Nutzungs­ entschädigung als der private Eigentümer; teilweise erhält er weniger. Soweit der „Gewerbliche“ nach der Rechtsprechung des BGH noch Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung geltend machen kann3, rechtfertigt die Ge­ richtspraxis die höhere Summe damit, daß gewerbliche Fahrzeuge Gewinne einfahren sollen, ihr Ausfall, so muß man ergänzen, also auch stärker gewinn­ mindernd wirke. Läßt sich indessen ein konkret entgangener Gewinn gerade nicht nachweisen, so sucht man nach einem einleuchtenden Grund, weshalb der gewerbliche hier generell günstiger als der private Geschädigte gestellt werden soll. Der Bequemlichkeitsverlust wird im Gegenteil den privaten oft stärker als den gewerblichen Geschädigten treffen. Umgekehrt ist nicht einzu­ sehen, weshalb der „Gewerbliche“ in einer Reihe von Fällen keine abstrakte 1 Dabei ist aber folgende Einschränkung zu machen. Wie oben (S. 86ff.) dargestellt, werden real entstandene Mietwagenkosten nicht in jedem Fall erstattet. Die Rechtsprechung hat vielmehr eine Reihe von Begrenzungen entwickelt, die den Anspruch einschränken können (Wertober­ grenze, Zeitbefristung, Fahrbedarf, Abzug für Eigenersparnis). Bei der abstrakten Nutzungsent­ schädigung können diese Fragen naturgemäß nicht alle in gleicher Weise überprüft werden, wie etwa für die Frage des Fahrbedarfs offensichtlich ist. Darüber hinaus hat man den Eindruck, daß die abstrakte Berechtigung, einen Mietwagen zu nehmen, generell sehr viel oberflächlicher geprüft und schneller bejaht wird, wenn es um Nutzungsentschädigung geht, als wenn der Ersatz realer Mietwagenkosten begehrt wird. Damit kommt der Grundsatz der Totalreparation bei der abstrakten Nutzungsentschädigung ohnehin nur in einer eher ins Vage variierten Form zur Anwendung. 2 Siehe die oben S. 134f. wiedergegebene Rechtsprechung. 3 Vgl. dazu oben S. 137 ff.

Nutzungsentschädigung beanspruchen kann, wenn ihm der Nachweis kon­ kreten Gewinnentgangs nicht gelingt. (iv) Schließlich dürfte sich die Zersplitterung der Rechtsprechung, zumal der Rechtsprechung des BGH mit ihrer immer weitergehenden Aufspaltung in Einzelfallgruppen, in der Tendenz zu Lasten der Geschädigten auswirken. Die Ausdifferenzierung macht für den Anspruchsteller immer weniger durch­ schaubar, wann ein Anspruch Aussicht auf Erfolg hat. Diese Lage wird nicht in erster Linie den treffen, der Ansprüche als Haftpflichtiger erfüllen soll, sondern zunächst denjenigen, der einen Anspruch erheben will und sich überlegen muß, ob er bei Weigerung des Haftpflichtigen klagen soll. (v) Die Ausdifferenzierung, die der BGH vorantreibt, ist für die Regulie­ rungspraxis, ja teilweise schon für die nachgeordnete Gerichtspraxis1 zu fein gesponnen und deshalb für das tägliche Massengeschäft weitgehend untaug­ lich. Hier werden gröbere Raster gebraucht und auch verwendet. Die Regu­ lierungspraxis des Alltags kümmert sich oft nicht mehr um die BGH-Feinhei­ ten2. 3Damit begibt sich der BGH hier in gewissem Umfang der Steuerungs­ funktion, die ihm zugewiesen und die notwendig ist, um nach Möglichkeit eine Art Waffengleichheit zwischen Anspruchstellern und Haftpflichtigen aufrecht zu erhalten.

II. England Das führende textbook von McGregor teilt die verschiedenen, hier zu behandelnden Fallgestaltungen in vier Kategorien ein: einerseits „damage to chattels", andererseits „destruction of chattels."3 Diese Unterscheidung hat freilich nur dogmatischen Charakter und wirkt sich für den Komplex „loss of use“ - mit diesem Stichwort bezeichnet man in England die Problematik —, im Ergebnis nicht aus4. Weiter wird für die Schadensberechnung zwischen „profit-earning" und „non-profit-earning chattels“ getrennt5. Im wesent­ lichen entspricht diese Unterteilung der Trennung in privat und gewerblich genutzte Gegenstände, wie wir sie für das deutsche Recht zugrundegelegt haben. Zwischen ihnen bestehen deutliche Unterschiede. 1 Siehe dazu die oben (S. 135 f.) zitierte Rechtsprechung. 2 So untersucht die Regulierungspraxis keineswegs in jedem Einzelfall abstrakter Nutzungs­ entschädigung, ob der Geschädigte Nutzungswillen und -möglichkeit hatte. Nur wenn sie von entgegenstehenden Umständen (Krankenhausaufenthalt des Geschädigten etc.) mehr oder min­ der häufig zufällig Kenntnis erlangt, verwertet die Praxis diese Kenntnis auch. 3 McGregor no. 997. 4 McGregor no. 1020f. und no. 1039. 5 McGregor no. 1007ff., 1020ff. und no. 1034ff., 1039. Ebenso teilen Street 203ff. und Ogus 124 ff. die Fallgestaltungen ein.

Die Grundsätze zur Gebrauchsentschädigung hat man in England — anders als in der Bundesrepublik - zunächst fast ausschließlich an Schiffahrtsfällen und nicht an Kfz-Haftungsfällen entwickelt. Die noch heute gültige Leitent­ scheidung stammt bereits aus dem Jahr 18971. Seither gewährt man im Prinzip Geldersatz für den reinen, finanziell sonst nicht spürbaren Gebrauchs­ entzug („non-tangible pecuniary loss“)2. Auf diese seerechtlichen Ent­ scheidungen ist in England deshalb im Zweifel auch zurückzugreifen, wenn zur Frage der Gebrauchsentschädigung, insbesondere im Kfz-Haftungsrecht, sonst keine einschlägigen Urteile vorliegen. Anzumerken ist freilich, daß in England weder zum Komplex der Nutzungsentschädigung im Seerecht noch im Kfz-Haftungsrecht jene überbordende Fülle gerichtlicher oder gar oberge­ richtlicher Entscheidungen vorzufinden ist, die für das deutsche Recht in diesem Bereich charakteristisch ist.

1. Private Kraftfahrzeuge Erheblich früher als in der Bundesrepublik hat die Rechtsprechung in England anerkannt, daß der Gebrauchsentzug des privaten Kfz auch dann in Geld zu vergüten ist, wenn der Geschädigte keinen Ersatzwagen gemietet hat3. In dem englischen Fall Berrill v. Road Haulage Executive4 hatte der High Court allerdings nur für die Zeit eine Nutzungsentschädigung zugesprochen, während der der Kläger tatsächlich keinen, auch nicht den Wagen seiner Frau zur Verfügung hatte. Von den zwei Monaten, während der der Wagen des Klägers stillag, wurden deshalb nur zwei Wochen berücksichtigt, in denen auch der Zweitwagen der Ehefrau ausgefal­ len war5. Street6 und Samuels7 kritisieren diese zeitliche Begrenzung des An­ spruchs als „wrong, illogical and erroneous". Freilich muß hervorgehoben werden, daß in Berrill v. Road Haulage Executive offenbar der Kläger — zur Überraschung des 1 The Greta Holme [1897] A.C.596 (H.L.). 2 Die Formulierung stammt von Lord Herschell: The Greta Holme aaO. S. 604. 3 Die erste gerichtliche Entscheidung in England ist, soweit ersichtlich, Berrill v. Road Haulage Executive [1952] 2 Lloyd’s 490 (Q.B.D.). Als Autorität werden aber auch zwei ältere schottische Entscheidungen angesehen: Gibb v. New Arrol—Johnston Motor Co., Ltd. (1911) 27 Sh. Ct. Rep. 235 und Peterson v. Spiersbridge Garage Co. (1941) 57 Sh. Ct. Rep. 126; vgl. näher Street 206; Samuels, Damages for Loss of Use of Vehicle, (1974) 118 S.J. 160. 4 [1952] 2 Lloyd’s 490 (Q.B.D.). 5 Diese Einschränkung entspricht der deutschen Praxis, meist keinen Nutzungsersatz zu ge­ währen, wenn ein Zweitwagen vorhanden ist, dessen Benutzung zumutbar ist; vgl. BGH 14. 10. 1975, VersR 1976, 170 m. Anm. Klimke, VersR 1976, 828; näher zu der Entscheidung oben S. 133. 6 206. 7 AaO. 160.

Richters - Ersatz für „loss of use“ selbst nur für diese begrenzte Zeit gefordert hatte1. Die Kritiker betonen, der Geschädigte habe während der gesamten Ausfallzeit die weiterlaufenden Kosten und die Entwertung des Wagens zu tragen gehabt. Samuels2 3 weist auch auf die entzogene Nutzungsmöglichkeit („losing the benefit of use“) hin und fügt an: „loss need not be financial to justify a claim, provided that some financial measure can be applied."3 Im Ergebnis hat Justice Slade in Berrill v. Road Haulage Executive als general damages für „loss of use and inconvenience" 40 s angesetzt. Er bezeichnet diese geringe Summe ausdrücklich nicht als nominal damages, also nur symbolischen Schadenersatz, sondern bemißt sie so niedrig, weil die Unbequemlich­ keit und die weiteren vom Kläger nicht spezifizierten Einbußen (general damages) trivial gewesen seien. Auf fiktive Mietwagenkosten als Vergleichswert greift Slade, J. bei seiner Schätzung nicht zurück4.

Berrill v. Road Haulage Executive ist, soweit ersichtlich, die einzige veröf­ fentlichte Entscheidung, die sich im Bereich der Kfz-Haftung mit dem Ersatz für reinen Nutzungsschaden befaßt.5 Allein diese Tatsache muß den deut­ schen Beobachter überraschen. Wiederum findet sich für die extensive ober­ gerichtliche Praxis in Deutschland kein englisches Pendant. Gerichtlichem Streit ist das Rechtsgebiet in England also weitgehend entzogen. Erst recht fehlen die Formen der Feindifferenzierung6, die bei uns der BGH dem Gebiet gegeben hat7. Die englische Versicherungspraxis verfährt offenbar in der Weise, daß sie für „loss of use“ auch bei privaten Fahrzeugen generell Ersatz leistet, soweit er für die tatsächliche Ausfallzeit verlangt wird8. Dabei scheint sie aber keine der Differenzierungen des deutschen Rechts nachzuvollziehen. Soweit sich den­ noch Lücken auftun, bieten offenbar die relativ sicheren Grundsätze hinrei­ chenden Anhalt, die für den Komplex „loss of use“ im Schiffahrtsrecht ent­ standen sind9. Besonders bemerkenswert erscheint an der geschilderten englischen Praxis ein eher prozenduraler Aspekt. Die Entschädigung für „loss of use“ trägt in England durchaus arbiträre Merkmale10. Street11 spricht in diesem Zu­ 1 Vgl. [1952] 2 Lloyd’s 493. 2 AaO. 160. 3 AaO. 4 Die - unten näher erörterten - seerechtlichen Entscheidungen verbieten ausdrücklich, fiktive Mietkosten als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, wenn tatsächlich kein Ersatz gemietet wurde: The Susquehenna [1926] A.C. 655 (H.L.). 5 Street 205 spricht deshalb — nachdem er die seerechtlichen Entscheidungen erörtert hat - von „striking absence of parallel authority on loss of use of other property, especially road vehicles". 6 Auch die seerechtlichen Entscheidungen zum Ersatz für „loss of use“ bringen keine vergleich­ baren Feindifferenzierungen vgl. unten S. 156ff. 7 Vgl. oben S. 132ff. 8 Siehe Killick 108; Shawcross 65; auch Kämmer 172 ff. 9 Vgl. McGregor no. 1023 A; Street 205 f. 10 So etwa Lord Sumner in The Chekiang [1926] A.C. 637, 647 (H.L.). 11 205.

sammenhang von der Schadensberechnung als von einem Jury type of question". Der Richter kann in sehr freiem Maß die Höhe der Entschädigung festsetzen1. Diese Freiheit, die für die Beteiligten gleichzeitig starke Unsi­ cherheit bedeutet, hat indessen keineswegs zu zahlreichen Prozessen geführt, in denen um nähere Klärung und Festlegung der Schadensberechnung nach­ gesucht wurde. Im Gegenteil ist die Zahl gerichtlicher Äußerungen auffallend gering. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte lauten, daß die Rechtsun­ sicherheit u. U. nur in der Theorie besteht, während die Praxis eingefahrene Wege geht. Vielleicht überzeugender ist die Hypothese, daß die unsichere Rechtslage Klagen eher abgewehrt als angeregt hat.

2. Gewerblich genutzte Fahrzeuge

Für gewerblich genutzte Fahrzeuge weist die Gerichtspraxis wiederum nur wenige einschlägige Fälle auf. In Jones v. Port of London Authority2 ging es um einen Wagen, der für den Gütertransport eingesetzt war und durch das Schadensereignis ausfiel. Der Kläger machte neben dem eigentlichen Sachschaden den „loss of hire“ geltend. Die Parteien hatten sich geeinigt, den durch Gebrauchsentzug entstehenden Mietaus­ fall mit 3410s pro Tag anzusetzen. Diese Summe, die wegen Mitverschuldens des Geschädigten auf die Hälfte herabgesetzt wurde, sprach der High Court für „loss of profits“ zu. Strittig war zwischen den Parteien nur, ob der Mietausfall für 39 Tage, wie eingeklagt, oder nur für 15 Tage zu erstatten war. Wegen besonderer Ausstattung seiner Lastwagen hatte der Geschädigte länger als üblich für die Wiederbeschaffung eines entsprechenden Wagens gebraucht. Der High Court erklärte dies Verhalten für „reasonable" und gewährte Mietausfall für 39 Tage.

Der Fall gehört also zu jener Gruppe, für die eine konkrete Vermögensein­ buße in Form entgangenen Gewinns nachweisbar und berechenbar ist. Schwierigkeiten, die für das deutsche und das englische Recht die gleichen sind und auf die hier nicht weiter einzugehen ist, ergeben sich allenfalls in der Frage, ob entgangener Gewinn zur Überzeugung des Richters nachgewiesen ist. Generell scheint der geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit für beide Rechte nicht sonderlich zu variieren. Ähnlich wie Jones v. Port of London Authority lag Martindale v. Duncan3. Hier ging es um ein Taxi, das ausgefallen war.

Justice Geoffrey Lane hat den Vorgang als „judicial guesswork“ bezeichnet: Birmingham Corporation v. Sowsberry [1970] R.T.R. 84, 86 (Q.B.D.). 2 [1954] 1 Lloyd’s Rep. 489 (Q.B.D.). 3 [1973] 1 W.L.R. 574 (C.A.).

Auch für die weitere Fallgestaltung, daß der Geschädigte den Ausfall mit einem eigenen Reservefahrzeug auffängt, also keinen Gewinnentgang erlei­ det, wohl aber Vorbehaltekosten zu tragen hat, Hegen englische Entscheidun­ gen vor. In Birmingham Corporation v. Sowsbery1 hat der High Court die Tageskosten eines geschädigten Busunternehmens für den Unterhalt eines Reservebusses errechnet und die Summe als den für jeden Ausfalltag zu ersetzenden Betrag zugesprochen2. Ähnlich wie Birmingham Corporation v. Sowsbery lag auch Dixons (Scholar Green) Ltd. v. Cooper Ltd3. Vergebens sucht man dagegen gerichtliche Entscheidungen, in denen der geschädigte Eigentümer eines gewerblichen Fahrzeugs weder entgangenen Gewinn noch Vorhaltekosten als Vermögenseinbußen geltend machen konnte, sondern nur der eigentliche Gebrauchsentzug zu bemessen war (etwa bei Wagen im Werksverkehr). Die Literatur spricht sich allerdings sehr deutEch dafür aus, daß auch hier Nutzungsentschädigung zu leisten ist. „In the case of a non-profit earning chattel, whether used by its owner for the purposes of his Business or, it is submitted, purely for his pleasure, the owner will be entitled to the reasonable cost of hiring a substitute if one is in fact hired. If no substitute is hired the owner is entitled to general damages for loss of use of his chattel and these will normally be calculated on the basis of interest on the Capital value of the damaged chattel plus depreciation and expenses, if any, for the period of non-use.“4

Im übrigen würden die ersatzweise heranzuziehenden seerechtlichen Fälle zum gleichen Ergebnis führen5.

3. Entzug sonstiger Gegenstände Soweit englische Gerichte sich zur abstrakten Nutzungsentschädigung ge­ äußert haben, handelte es sich meist um Schiffsunfälle. Eine weitere aner­ kannte Fallgruppe ist die vorübergehende Hinderung, ein Grundstück wie zuvor zu nutzen. Damit sind die Sachverhalte, in denen eine abstrakte Nut­ zungsentschädigung gewährt wird, aber, soweit zu sehen, auch schon er­ schöpft. Ersatzansprüche für den Gebrauchsentzug eines Pelzmantels, eines Tonbandes oder der Jagdmöglichkeit sind in England noch nicht gerichtskun­ dig geworden. 1 [1970] R.T.R. 84 (Q.B.D.). 2 Die Entscheidung lehnt die sog. Capital interest calculation ab. Zu den unterschiedlichen Methoden der Schadensberechnung ausführlich unten S. 158f. 3 (1970) 114 S.J. 319(C.A.). 4 Winfield und Jolowicz 584; ganz ähnlich Street 205 f. Zur Berechnung der Schadenshöhe siehe allerdings noch unten S. 158f. 5 Vgl. den folgenden Abschnitt.

a) Schiffe Soweit es um den reinen Gebrauchsentzug geht, sind wiederum die ver­ schiedenen, denkbaren Fallgestaltungen zu trennen: (1) Veranlaßt der Ausfall eines „profit-earning shipi( keinen konkreten Verlust von Frachtraten, so wird unter dem Stichwort „demurrage" ein abstrakt berechneter Betrag als general damages zugesprochen, dessen Höhe sich nach dem wahrscheinlich eingefahrenen Gewinn richtet1. Der Beweis eines kon­ kret höheren oder niedrigeren Schadens steht jedoch beiden Seiten offen2. Etwa seit Beginn des vorigen Jahrhunderts hat sich eine reiche Fallpraxis zur Frage gebildet, wie die abstrakten Gewinnaussichten von Schiffsfahrten zu bemessen seien. Die Rechtsprechung hat äußerst flexibel alle verwertbaren Umstände mitberücksich­ tigt. Die Verästelungen im einzelnen sind hier nicht weiter von Interesse. Sie widmen sich vor allem der Frage, welche Risiken bei Schiffsfahrten zu berücksichtigen sind und berühren damit das Problem der „remoteness of damage“.

(2) Auch der Ausfall eines „non-profit-eaming ship