Die Teilung der Militärgewalt im deutschen Bundesstaat: Die Militärhoheitsrechte in ihrer Verteilung zwischen Kaiser und Landesherrn. Mit besonderer Berücksichtigung des Königreichs Sachsen [Reprint 2022 ed.] 9783112668788, 9783112668771


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German Pages 48 [92] Year 1905

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einleitung
I. Der Begriff der Militärgewalt
II. Einfluß der bundesstaatlichen Verfassung des Deutschen Reiches auf die Militärgewalt
III. Aufgabe und Gliederung der Arbeit
Erster Teil. Die Duellen der Militärgewalt
I. Die Verfassung
II. Die Militärkonventionen
Zweiter Teil. Der Inhaber der Militärgewalt
I. Der Inhaber der Gesetzgebung-- und Aussichtsgewalt
II. Der Inhaber der Verordnungsgewalt
III. Der Inhaber der Regierungsgewalt
IV. Der Inhaber der Kommandogewalt
Dritter Teil. Das Resultat
I. Die Rechtsnatur der Militärgewalt
II. Die Rechtsnatur der Wehrpflicht. Der Fahneneid
III. Die Rechtsnatur des deutschen Heeres
Literatur
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Die Teilung der Militärgewalt im deutschen Bundesstaat: Die Militärhoheitsrechte in ihrer Verteilung zwischen Kaiser und Landesherrn. Mit besonderer Berücksichtigung des Königreichs Sachsen [Reprint 2022 ed.]
 9783112668788, 9783112668771

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Die

Teilung der Militärgewalt

im deutschen Bundesstaat. Die Militärhoheitsrechte in ihrer Verteilung zwischen Kaiser und Landesherrn.

Mit besonderer Berücksichtigung des Königreichs Sachsen.

Eine staatsrechtliche Studie von

Dr. jur. Walter Felix Mueller.

Leipzig Verlag von Veit & Comp. 1905

Leipziger juristische Inauguraldissertation.

Vorwort. Lebhafter Streit herrscht in der Staatsrechtswissenschaft über die

Frage, wem im deutschen Bundesstaat die Militärgewalt

Mlitärhoheit zusteht.

bzw. die

Trotzdem sich die Staatsrechtswissenschaft schon

länger als ein Vierteljahrhundert mit dieser Frage beschäftigt hat, hat dieselbe noch keine einheitliche Lösung gefunden.

sich die Wissenschaft in zwei scharf getrennte Lager; dem Reiche bzw. Kaiser,

Vielmehr teilt

das eine spricht

das andere dem Einzelstaat bzw. Landes­

herrn die Militärhoheit zu.

Der Verfasser vermag keiner der beiden

Ansichten sich anzuschließen.

Nach eingehender Prüfung ist er zu einer

dritten Anschauung gelangt, die er in Nachfolgendem darzulegen und zu. begründen versucht.

Er geht davon aus, daß im Deutschen Reiche

die Staatsgewalt an zwei Subjekte verteilt ist, an das Reich und die

Einzelstaaten;

er skizziert kurz das

allgemeine bundesstaatliche Ver­

hältnis des Reiches zu den Einzelstaaten und folgert daraus, daß im

deutschen Bundesstaat die Militärgewalt entweder dem Reiche,

oder

den Einzelstaaten, oder endlich dem Reiche und den Einzelstaaten zu­

gleich zustehen könne. das

Wem aber die Militärgewalt faktisch zusteht,

glaubt er allein durch eine genaue Untersuchung der einzelnen

Militärhoheitsrechte, aus denen sich die Militärgewalt bzw. Militär­ hoheit zusammensetzt, auf ihren Inhaber hin entscheiden zu können;

er sucht darum die einzelnen Militärhoheitsrechte zusammenzustellen

und ihren Inhaber zu bestimmen.

Auf diesem Wege kommt er zu dem

Resultat, daß die Militärhoheit allein weder dem Reiche, noch dem

Einzelstaat, sondern beiden zugleich, je zu einem Teil, zusteht; also eine

Vorwort.

IV

Teilung der Militärgewalt und Landesherrn.

zwischen Reich und Einzelstaat,

Kaiser

Dieses Resultat hat notwendigerweise eine Neu­

beantwortung der beiden anderen Hauptstreitfragen des Militärrechts, betreffend die Rechtsnatur der Wehrpflicht und die Rechtsnatur des

deutschen Heeres, zur Folge.

Als Grundlage seiner Untersuchungen diente dem Verfasser die Verfassungsurkunde, nicht aber die Militärkonventionen, da nur aus der Verfassung

die prinzipielle Gestaltung des deutschen Heerwesens

zu erkennen ist.

Die Militärkonventionen werden allein insoweit einer

besonderen Betrachtung unterzogen, als der Verfasser dieselben zur Orientierung über die durch sie geschaffene, tatsächlich bestehende Ge­

staltung des deutschen Heerwesens für notwendig erachtet.

sächsische Militärkonvention,

Nur die

die im allgemeinen mit der Verfassung

übereinstimmt, wird eingehender berücksichtigt.

W. F. M.

Inhalt. Einleitung. Seite

I.

Der Begriff der Militärgewalt................................................................................1

II. Einfluß der bundesstaatlichen Verfassung des Deutschen Reiches auf die Militärgewalt..............................................................................................................1

III.

Aufgabe und Gliederung der Arbeit.................................................................... 7

Erster Teil.

Die Quellen der Militärgewalt.

I. II.

Die Verfassung............................................................................................................9

Die Militärkonventionen........................................................................................ 10

1. Begriff und Arten derselben......................................................................... 10 2. Die Geltung derselben.....................................................................................11 3. Die Wirkung derselben..................................................................................... 17 Zweiter Teil.

Der Inhaber der Militärgewalt.

I.

Der Inhaber der Gesetzgebungs- und Aufsichtsgewalt...................................... 18

1. Die 2. Die

Militärgesetzgebung.................................................................................. 18

Beaufsichtigung........................................................................................19 II. Der Inhaber der Verordnungsgewalt...................................................................23 1. Die Rechtsverordnungen............................................................................ 23 2. Die Verwaltungsverordnungen.................................................................24 Einteilung.....................................................................................................24 A. Die Armeeverordnungen................................................................... 25 B. Die Armeebefehle.................................................................................... 32 Zusammenfassung .................................................................................... 34 III. Der Inhaber der Regierungsgewalt................................................................... 37 Einteilung....................... 37 1. Die Organisierung des Heeres............................................................. .37 2. Die Formierung des Heeres.........................................................................43 3. Die Lozierung des Heeres.............................................................................. 45

VI

Inhalt. Seite

4. Die Unterhaltung des Heeres................................................................... 45 A. Im allgemeinen..............................................................................45 B. In finanzieller Beziehung..................... '...................................... 47 5. Die Rechtspflege im . Heere.........................................................................53 6. Anhang: Die Verwaltung der Festungen.............................................. 54 Zusammenfassung............................................................................................. 55 IV. Der Inhaber der Kommandogewalt.............................................................59 1. Begriff und Wesen der Kommandogewalt............................................. 59 2. Der Inhaber der Kommandogewalt......................................................... 61 3. (Gegenständliche Abgrenzung der Kommandogewalt von derRegierungsgewalt ................................................................................................. 64

Dritter Teil.

Das Resultat. I. Die Rechtsnatur der Militärgewalt................................................................... 67 Anhang: Die militärrechtliche Stellung der Landesherrn.........................71 II. Die Rechtsnatur der Wehrpflicht. Der Fahneneid......................................... 74 III. Die Rechtsnatur des deutschen Heeres.............................................................. 80 Literaturverzeichnis ........................................................................................................83

Einleitung. I. Der Gegnff der Militärgewalt. Unter

„Staatsgewalt"

versteht

man die Gesamtheit der dem

Staate zustehenden Hoheits- oder Herrschaftsrechte.

Diese übt der

Staat auf fünf der staatlichen Herrschaft unterliegenden Gebieten aus,

auf den Gebieten des Rechtswesens, der inneren Angelegenheiten, des Militärwesens, der auswärtigen Angelegenheiten und des Finanzwesens.

Nach diesen fünf Herrschaftsgebieten, die man auch „Staatsgewalts­ gebiete" neunen könnte, lassen sich die staatlichen Hoheitsrechte in fünf

Gruppen scheiden, und ebenso die Staatsgewalt in fünf Teile zerlegen.

Je nach dem Staatsgewaltsgebiete,

auf das mau die Staatsgewalt

bezieht, läßt sich von einer Justizgewalt, einer Gewalt über die inneren Angelegenheiten (Wohlfahrtsgewalt), einer Militärgewalt, einer Gewalt über die auswärtigen Angelegenheiten und einer Finanzgewalt sprechen.

„Militärgewalt" wäre also der auf das Militärwesen bezügliche Teil der Staatsgewalt oder die Gesamtheit der dem Staate bezüglich des

Militärwesens zustehenden Hoheitsrechte.

Identisch mit Militärgewalt

ist der Begriff „Militärhoheit".

Die staatlichen Hoheitsrechte unterscheiden sich nun nicht nur nach

ihrem Gegenstand, d. h. nach dem Gewaltgebiete, auf dem der Staat sie ausübt; auch die Form, in der der Staat sie ausübt, ist eine ver­ schiedene.

Er übt die Hoheitsrechte einmal durch „Gesetzgebung" aus,

d. h. dadurch, daß er Gesetze ausstellt; dann durch „Vollziehung", d. h. dadurch, daß er für Ausführung dieser Gesetze sorgt und dieselbe leitet.

Alle Hoheitsrechte sind also teils gesetzgebender, teils vollziehender Natur. Demgemäß kann man die Staatsgewalt — und ebenso ihre einzelnen Teile, darunter auch die Militärgewalt — nach der Form, in der sie

ausgeübt wird, in Gesetzgebungs- und Vollziehungsgewalt teilen.

IL Einfluß der bundesstaatlichen Verfassung des Deutschen Reiches auf die Militärgewalt. 1. Wesentliches Kennzeichen des Einheitsstaates ist die Einheit

der Staatsgewalt und des Staatsgewalthabers. Wenn aber die StaatsMueller, Militärgewalt.

1

getoalt einheitlich ist, muß auch die Militärgewalt, als ein Teil der Staatsgewalt, einheitlich sein; sie kann nur einem einzigen Militär­ gewalthaber ganz und ungeteilt zustehen. — Anders in Deutschland. 2. A. Das charakteristische Merkmal des deutschen Staates ist seit Anfang des 13. Jahrhunderts in einer Zweiheit von Gewalten, in einem Dualismus von Gewalthabern zu finden; mehreren Einzel­ gewalten (Einzelstaatsgewalten) steht eine Zentralgewalt (Reichsgewalt) gegenüber, welche mit jeder dieser Einzelgewalten zusammenwirkt und dadurch die verschiedenen Einzelgewalten zu einem Ganzen zusammen­ faßt. Diese beiden Gewalten, die Einzelgewalt und die Zentralgewalt, sind allerdings nicht zu jeder Zeit zwei gleichberechtigte, voll aus­ gebildete „Staatsgewalten" gewesen; wohl aber können sie als zwei, ein­ ander von jeher gegenüberstehende Gewalten von staatsgewaltähnlichem Charakter angesehen werden, die sich in einem dauernden Konkurrenz­ kampf befinden, deren Wesen und rechtliche Natur darum in fort­ währender Wandelung begriffen ist. Je weiter die eine Gewalt vom Staatsgewaltcharakter sich entfernt, um so näher rückt die andere Gewalt demselben; in demselben Maße, in dem die eine, anfangs alleinbestehende Staatsgewalt sich schwächt (so die Reichsgewalt seit ihrem Bestehen 843—1806), entwickelt und verstärkt sich die andere Gewalt (es entsteht eine Lehnsgewalt bis 1232), verdichtet sich zu einer vollen Staatsgewalt (die Lehnsgewalt wird Territorialgewalt bis 1648) und überwuchert endlich die erste Staatsgewalt bis zu deren völligen Vernichtung (Untergang der Reichsgewalt, Souveränität der Einzelstaatsgewalt 1806). Die Kompetenzmassen dieser beiden Gewalten verhalten sich also zueinander, wie zwei Kreise, von denen der eine in demselben Maße sich verkleinert, in welchem der andere sich ver­ größert. Während aber die Entwickelungstendenz von 1232—1806 eine fortgesetzte Erweiterung der Einzelstaatsgewalt zeigt, der eine Schmälerung und schließliche Aufsaugung der Reichsgewalt korrespondiert (aus einem zerbröckelnden Einheitsstaat entwickeln sich souveräne Einzel­ staaten), tritt mit dem Jahre 1806 eine Umkehrung der Verhältnisse, eine Rückwärtsentwickelung ein. Der Reichsgedanke ersteht von neuem; er wächst stetig und führt schließlich mit der Gründung des Nord­ deutschen Bundes zur Bildung einer neuen Zentralgewalt, die der Einzelstaatsgewalt gegenübertritt, deren Streben auf fortwährende Macht­ erweiterung bei gleichzeitiger Schmälerung der Einzelstaatsgewalt ge-

Einfluß d. bundesstaatl. Berfassung des Deutschen Reiches auf d. Militärgewalt.

3

richtet ist, und die endlich in. der Gründung des Deutschen Reiches

ihre vorläufige Vollendung findet; beseitigt und

allerdings ohne die Einzelgewalt

ohne sich zur Staatsgewalt eines Einheitsstaates, die

keine andere Gewalt neben sich kennt, ausgewachsen zu haben. — So stehen sich jetzt im Deutschen Reiche zwei Gewalten gegenüber, die Reichsgewalt und die Einzelstaatsgewalt der verschiedenen Einzelstaaten. Beiden Gewalten sind durch die Verfassung bestimmte Befugnisse

zugewiesen worden; sie sind also bezüglich ihrer Kompetenzen scharf voneinander abgegrenzt und jede übt nur die ihr bestimmten Funktionen aus.

Trotzdem stehen beide Gewalten einander nicht fremd gegenüber.

Die von ihnen geübten Funktionen sind die Funktionen einer dritten Staatsgewalt, der Staatsgewalt der Staatengemeinschaft im deutschen

Bundesstaat.

Indem sie dieselben, einander ergänzend, erfüllen, bilden

sie zusammen eine Einheit, eben die Staatsgewalt des deutschen Bundes­

staates.

Die Staatsgewalt im Deutschen Reiche setzt sich also

zwei Gewalten zusammen,

die

aber einheitlich,

gänzend, ihre Funktionen ausüben.

aus

d. h. einander er­

In diesem Sinne spricht man

einerseits von der realen Teilung, andererseits von der idealen Einheit der Staatsgewalt im Deutschen Reiche (vgl. Hänel).

Die Verteilung der Befugnisse unter die beiden Gewalten

ist nach politischen Gesichtspunkten erfolgt und ist bezüglich der einzelnen

Staatsgewaltgebiete ganz verschieden.

Sie kann so sein, daß bezüglich

eines Gewaltgebietes alle staatsgewaltlichen Befugnisse,

also sowohl

die Gesetzgebungs- wie auch die Vollziehungsbefugnisse, einer der beiden

Gewalten, entweder der Reichsgewalt oder der Einzelstaatsgewalt, zu­

gewiesen sind; sie kann aber auch so sein, daß die beiden Gewalten sich in ein Gewaltgebiet teilen.

Letztere Teilung könnte so vorgenommen

sein, daß beiden Gewalten ein Teil der Gesetzgebungs- und ebenso ein Teil der Vollziehungsbefugnisse zustände; oder so, daß der einen Gewalt entweder die ganze Gesetzgebung oder die ganze Vollziehung, oder nur

ein Teil der Gesetzgebung oder Vollziehung, der anderen Gewalt jedes­ mal der Rest der Gewaltbefugnisse obläge; faktisch ist aber die Gesetz­ gebung stets der Reichsgewalt und die Vollziehung der Einzelstaats­ gewalt zugeteilt; nur ausnahmsweise hat das Reich neben Gesetzgebungs-

auch noch höchste Vollziehungsbefugnisse.

Was das Verhältnis der beiden Gewalten zueinander betrifft, so ist es bezüglich der einzelnen Gewaltgebiete, je nach der Kompetenz-

1*

4

Einleitung.

Verteilung, ein verschiedenes.

Soweit jede der beiden Gewalten sowohl

Gesetzgebungs- wie auch Vollziehungsbefugnisse ausübt, sind beide Ge­ walten unzweifelhaft nebengeordnet.

desselben Gewaltgebietes

der

Soweit aber bezüglich eines und

Reichsgewalt die

Gesetzgebungs-, der

Einzelstaatsgewalt nur die Vollziehungsbefugnisse zustehen, tritt eine

Überordnung der Reichsgewalt gemäß der vorherrschenden Natur der Gesetzgebung ein.

Denn die Reichsgewalt hat mit der Gesetzgebung

ein Aufsichtsrecht über die Ausführung der Gesetze, also über die Voll­

ziehungstätigkeit der Einzelstaaten; und damit verbunden das Zwangs­ recht der Exekution zwecks Herbeiführung rechtmäßiger Erfüllung der Gesetze? Diese Überordnung des Reiches reicht aber nur so weit, wie die Gesetzgebung

des Reiches; die Verwaltung besteht nämlich nur

zum Teil in Gesetzesvollziehung; zu einem anderen, wenn auch kleinerem Teil ist sie nicht durch Gesetz festgelegt;a sie reicht insoweit über die Gesetzgebung

hinaus und wird durch Verordnungen praeter legem

geleitet, ist also insoweit von der Gesetzgebung nicht abhängig, sondern selbständig; danach ist die Einzelstaatsgewalt, insoweit ihre Vollziehungs­

tätigkeit nicht durch Reichsgesetze festgelegt ist, auch nicht der Reichs­ gewalt untergeordnet, sondern selbständig. Übrigens ist auch in­ soweit, als die Reichsgewalt auf. Grund ihres Gesetzgebungs- und

Aufsichtsrechtes übergeordnet ist, der Einzelstaatsgewalt eine gewisse Selbständigkeit gelassen worden.

Das Aufsichtsrecht gibt, wie wir

unten1 2sehen werden, dem Reiche nicht das Recht, in die Vollziehungs­

tätigkeit der Einzelstaaten unmittelbar einzugreifen.

Das Reich kann

einzelstaatliche Vollziehungsmaßnahmen nicht aufheben; es kann nur die Einzelstaaten veranlassen, diese selbst aufzuheben. — Außer der

Gesetzgebung kann dem Reiche endlich ein Teil der Vollziehung, und zwar die höchste Vollziehung zustehen.

Auf solchen Gebieten ist die

Einzelstaatsgewalt, da sie nur die unteren Verwaltungsfunktionen ausübt,

der Reichsgewalt vollständig nntergeordnet.

Die Einzelstaaten sind hier

Organe des Reiches, die Verwaltung ist Reichsverwaltung. — Endlich

gebührt der Reichsgewalt auch insofern eine hervorragende Stellunga, 1 Näheres vgl. u. S. 19 ff.

2 Zu einem Teile kann die Verwaltung überhaupt nicht durch Gesetz fest­ gelegt werben; ihre Aufgabe ist eine weitergehende,

erfüllung. 8 Vgl. Laband I, 102; Meyer, St.R. 42.

als die einer bloßen Gesetzes­

Einfluß d. bundesstaall. Verfassung d. Deutschen Reiches auf d. Militärgewalt.

5

als sie kraft ihrer Kompetenz-Kompetenz die bestehende Kompetenz­

verteilung einseitig zu ihren Gunsten verändern kann. Das wesentlichste Charakteristikum des deutschen Bundesstaates ist danach das Vorhandensein zweier Gewalten, der Reichsgewalt und

der Einzelstaatsgewalt, welche mit bestimmten Befugnissen ausgerüstet sind und sich zu einer höheren Staatsgewalt, der Staatsgewalt des

deutschen Bundesstaates ergänzen.

Diese ist geteilt,

sich aus den beiden Gewalten zusammensetzt.

eben weil sie

Was das Verhältnis

der beiden Gewalten betrifft, so sind sie als Teile der Bundesstaats­

gewalt aufeinander angewiesen, und voneinander abhängig;

keine ist

eine volle, alle Staatstätigkeiten umfassende Staatsgewalt.

Nimmt

auch die Reichsgewalt auf Grund ihrer Gesetzgebungskompetenz

im

großen und ganzen eine übergeordnete Stellung ein, ist auch die Einzel­ staatsgewalt bezüglich

einzelner Teile ihrer Befugnisse eine voll­

ständig unselbständige und untergeordnete Gewalt, welche im Namen der Reichsgewalt und als Organ derselben tätig wird, so stehen doch

prinzipiell die beiden Gewalten, eben weil sie sich einander ergänzen, gleichgeordnet nebeneinander.

Eine Zweiheit der

Gewalten ist also

das „Grundverhältnis, welches das gesamte Staatswesen Deutschlands beherrscht, und in welches sich jede staatliche Organisation und Tätigkeit einstigen muß"? B. Wenn nun im Einheitsstaate die Militärgewalt eine einheitliche,

ungeteilte ist, wenn es im Einheitsstaate nur einen einzigen Militär­ gewalthaber gibt, müssen wir uns jetzt fragen, ob und inwieweit die eben festgestellte Zweiheit der Gewalten, die Teilung der Staatsgewalt im deutschen Bundesstaate in der Organisation des Heerwesens zur

Geltung kommt,

ob etwa auch von einer Teilung der Militär­

gewalt sich sprechen läßt und demnach zwei Militärgewalthaber zu

unterscheiden sind, denen die Militärgewalt geteilt zusteht, — kurz, welches das Wesen der Militärgewalt in unserem Bundesstaate ist.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Organisation der Staatsgewalt

auch

die Organisation der Militärgewalt

beeinflußt.

Abgesehen davon, daß die Militärgewalt ein Teil der Staatsgewalt

ist, beweist dies auch die Entwickelungsgeschichte? des deutschen Heeres.

1 So Hänel 209. 2 Vgl.: Schulze II, 239 ff.; Gümbel 134 ff.; Gau 4 ff.

Einleitung.

6

Der Zerbröckelung des alten Deutschen Reiches entspricht eine stets fort­

schreitende Dezentralisation der Militärgewalt: aus dem einheitlichen Volksheer des fränkischen Reiches entwickelt sich im 9. Jahrhundert gleichzeitig mit dem Lehnsstaate ein Vasallenheer, und dieses verwandelt

sich im 13. Jahrhundert in ein Kontingentsheer, welches schließlich im Laufe der Jahrhunderte als Reichsarmee völlig entartet.

Andererseits

tritt mit dem Wendepunkte des deutschen Staatslebens, Anfang des

19. Jahrhunderts, auch das Heer in eine neue Entwickelungsphase; es schließen sich die Heere der deutschen Einzelstaaten, nachdem sie völlig auseinander gekommen, von jetzt ab nach und nach wieder zusammen.

Wie Preußen die Führung im staatlichen Neuaufbau seit 1806 über­ nimmt, so

leitet es

auch die Heeresreorganisation in neue Bahnen.

Es gibt nicht nur durch Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in seinem Kontingente dem ganzen Wehrsystem, in einer dem übrigen Deutschland zum Vorbilde dienenden Weise, eine neue Grundlage, sondern

erstrebt mit allen Kräften die Wiederherstellung einer starken, zunächst norddeutschen Heeresmacht unter preußischer Führung.

Hiervon legen

zwei Verfassungsentwürfe Preußens von 1806 und 1814', welche die Neuregelung der deutschen Bundesverhältnisse bezweckten und auf die Bundeskriegsverfassung besonderen Wert legten,

ebenso

wie spätere

Reformpläne Preußens bezüglich der Bundeskriegsvcrfassung? ein be­ redtes Zeugnis ab. Scheitern diese preußischen Pläne zunächst auch an der Eifersucht Österreichs und an dem partikularistischen Geiste der Einzelstaaten, so finden die in ihnen niedergelegten Ideen betreffend

der Herstellung eines starken deutschen Heeres schließlich doch in den Verfassungen des Norddeutschen Bundes und Deutschen Reiches eine

ungeahnte Verwirklichung.

Wenn nun auch dieser Entwickelungsgang des deutschen Heeres die Abhängigkeit der Hecresverfassung von der Staatsverfassung be­

weist, so ist doch mit der Bestimmung der bundesstaatlichen Verfassung

des Deutschen Reiches keineswegs die deutsche Heeresverfassung bestimmt; auf keinen Fall müssen in einem Bundesstaat, entsprechend der Zwei­

heit der Staatsgemalthaber,

auch zwei Inhaber der Militärgewalt

1 Entwurf von 1806 zwecks Gründung eines norddeutschen Bundes als Gegen­

gewicht gegen den Rheinbund.

Hardenbergscher Entwurf von 1814, a 31—39.

2 Näheres vgl. Gümbel 135, 136, 142, 143.

7

Aufgabe und Gliederung der Arbeit.

vorhanden sein.

Rein logisch ist vielmehr in unserem Bundesstaate

eine dreifache Ordnung des Heerwesens denkbar: Es könnte jeder der beiden Gewalten im Bundesstaat eine eigene

und besondere Militärgewalt zustehen; das Reich hätte dann ein eigenes Heer und ebenso jeder Einzelstaat.

Es könnte weiter die Militärgewalt ausschließlich einer der beiden

Gewalten übertragen sein, der Neichsgewalt oder der Einzelstaats­ gewalt; das Heer wäre dann entweder ein Reichsheer oder ein einzel­ staatliches Heer, ein Kontingentsheer.

Es könnte endlich die Militärgewalt unter beide Gewalten ver­ teilt sein.

Diese Teilung der Militärgewalt wäre wieder auf viererlei

Weise möglich: einmal könnten beide Gewalten, jede zu einem Teile, sowohl Gesetzgebungs- wie auch Vollziehungsfunktionen haben; dann

könnte der einen Gewalt die Gesetzgebung, der anderen die Vollziehung

zu eigen sein; oder es könnte der einen Gewalt nur ein Teil der Ge­

setzgebung, der anderen die übrige Militärgewalt zustehen; und endlich könnte der einen Gewalt die ganze Gesetzgebung und außerdem ein Teil der Vollziehung, der anderen Gewalt nur der Rest der Vollziehung

obliegen.

Welche von diesen möglichen Gestaltungen die deutsche Heeres­ verfassung angenommen hat, welches das Wesen und die Rechtsuatur der Militärgewalt ist, das kann nur an Hand der Einzelbestimmungen

der Verfassung,

der Militärgesetze

und

Verordnungen

beantwortet

werden.

III. Aufgabe und Gliederung der Arbeit. Diese Arbeit soll nun das Wesen der Militärgewalt in Deutsch­ land einer näheren Betrachtung unterziehen.

Sie soll feststellen, wie

die Zweiheit der Staatsgewalthaber, wie die Teilung der Staatsgewalt im Deutschen Reiche auf die Militärgewalt gewirkt hat; ob die Militär­ gewalt an zwei Militärgehalthaber verteilt ist und demgemäß von einer

„Teilung der Militärgewalt" zu sprechen ist, oder ob es nur einen

einzigen Militärgewalthaber, eine einheitliche Militärgewalt gibt.

Zu

diesem Zwecke müssen wir den Inhaber der Militärgewalt be­

stimmen und untersuchen, wem die einzelnen Militärhoheitsrechte, welche

8

Einleitung.

in der Militärgewalt enthalten sind, zustehen; ob dem Reiche oder den Einzelstaaten oder beiden. Ein Militärhoheitsrecht besitzt aber derjenige, welcher ein Befehlsrecht in Militärsachen aus eigenem Recht und im eigenen Namen, d. h. ein selbständiges, nicht von Dritten abgeleitetes Befehlsrecht unanfechtbar und unaufhebbar ausübt. Denn jegliches Hoheitsrecht bedeutet ein staatliches Herrschaftsrecht und Herrschaft wird durch Befehle ausgeübt?

Unsere Untersuchung über den Inhaber der Militärgewalt wäre

also auf alle in der Militärgewalt enthaltenen Hoheitsrechte zu er­ strecken. Diese Hoheitsrechte sind, wie überhaupt alle Hoheitsrechte, teils gesetzgebender, teils vollziehender Natur. Danach zerfällt die Militär­ gewalt in die „Gesetzgebungs-" und die „Vollziehungsgewalt". Der Vollziehungsgewalt ist charakteristisch, daß sie teilweise, soweit sie

sich auf die Verwendung des Heeres bezieht, mit einer besonders gearteten Zwangsgewalt ausgerüstet ist. Danach teilen wir die Vollziehungsgewalt

in „Befehlsgewalt" und „Regierungsgewalt" und verstehen unter Befehlsgewalt1 2 die Gesamtheit der dem Staate bezüglich der Ver­ wendung des Heeres zustehenden, mit besonderer Zwangsgewalt aus­ gerüsteten Vollzugsrechte, und unter Regierungsgewalt 3 die Gesamtheit der übrigen dem Staate bezüglich der Heeresverwaltung zustehenden Vollzugsrechte. — Die Verordnungen betreffs des Heerwesens gehören als Rechtsverordnungen inhaltlich zur Gesetzgebungsgewalt, als Verwaltungsverordnungen zur Vollziehungsgewalt. Im Interesse einheit­ licher Darstellung werden wir diese materiell verschiedenen Verordnungen verbinden und die „Verordnungsgewalt" in einem besonderen Teile

zwischen Gesetzgebungs- und Vollziehungsgewalt behandeln. Indem wir weiter die Vollziehungsgewalt in ihre beiden Teile scheiden, gelangen wir zu einer Vierteilung der Militärgewalt in Gesetzgebungsgewalt,

Verordnungsgewalt, Regierungsgewalt und Befehlsgewalt. Als Hauptquellen kommen für unsere Untersuchung die Verfassung die Militärkonventionen in Frage. Wegen des eigenartigen Charakters der letzteren sollen die Quellen vor unserer eigentlichen Aufgabe eine besondere Betrachtung erfahren und gleichzeitig zur Ein­

und

führung dienen. 1 So: Brockhaus 216; Gümbel 157. 2 S. Näheres u. S. 59 ff. 3 S. Näheres u. S. 37 ff.

Erster Teil.

Die Duellen der Militärgewalt. I. Die Verfassung. Die höchste staatsrechtliche Quelle

im Deutschen Reich ist die

Verfassungsurkunde des Norddeutschen Bundes bzw. Deutschen Reiches. Sie teilt die Staatsgewalt im Deutschen Reich in zwei Teile mit ganz bestimmten Funktionen und genau umgrenzten Kompetenzgebieten, in

die Reichsgewalt und in die Einzelstaatsgewalt; und zwar dadurch, daß sie der bei Gründung des Norddeutschen Bundes alleinbestehenden Einzelstaatsgewalt eine Reichsgewalt gegenüberstellt, dieselbe organisiert

und mit bestimmten Hoheitsrechten ausrlistet.

Die Einzelstaatsgewalt

unterwirft sie keiner Regelung; derselben gehören somit alle übrigen staatlichen Hoheitsrechte, die nicht ausdrücklich der Reichsgewalt zu­

gewiesen sind.

So das fast allgemein in der Staatsrechtwissenschaft

anerkannte Grundprinzip der Verfassung.

Auch die Militärgewalt findet in der Verfassung ihre Normierung: a 4 überträgt dem Reiche die Gesetzgebung und Beaufsichtigung über

das Militärwesen, und der 11. Abschnitt des besonderen Teiles der Ver­ fassung überweist ihm bestimmte Vollziehungsbefugnisse bezüglich des

Militärwesens.

Die dem Reiche nicht überwiesenen Militärhoheitsrechte

stehen nach obigem allgemeinen Grundsatz den Einzelstaaten zu.1 2 Sollte dieser Grundsatz bezüglich der Militärgewalt nicht Platz greifen, so

müßte er durch die Verfassung ausdrücklich ausgeschlossen sein; hält

man dies nicht für nötig, müßte mindestens seine Ausschließung aus dem Inhalte des 11. Abschnittes der Verfassung klar hervorgehen; der

11. Abschnitt müßte die landesherrlichen Militärhoheitsrechte vollständig aufzählen.

Tatsächlich fixiert er aber alle dem Reiche und dem Kaiser

bezüglich des Heerwesens zustehenden Rechte und hebt nur einzelne einzelstaatliche und landesherrliche Militärhoheitsrechte hervor? 1 Nach anderer Meinung stehen alle den Einzetstaalen nicht zuerkannten Militärhoheitsrechte dem Reiche zu; s. u. a.: Gau 11.

2 Vgl. hierzu auch u. S. 54, oben.

Die Quellen der Mitilärgewalt.

10

Die für die Militärgewalt die Grundlage bildenden Verfassungs­

normen erhalten durch eine große Anzahl von Reichsmilitärgesetzen

und Verordnungen eine weitere Ausführung.

II. Die Militärkonventionen.

1. Wegriff unb Arten derselben. A. Die militärische Organisation beruht aber nicht ausschließlich auf der Verfassung.

Die politischen und militärischen Verhältnisse bei

Gründung des Norddeutschen Bundes und Deutschen Reiches bedingten

notwendigerweise Abweichungen von der prinzipiellen Gestaltung, die man

dem Heerwesen in der Verfassung gegeben hatte.

Einmal vertrug es

sich nicht mit den militärischen Anforderungen, insbesondere nicht mit

der Schlagfertigkeit des deutschen Heeres, daß die von der Verfassung den Landesherren übertragenen militärischen Befugnisse auch von den

Fürsten der kleinen und kleinsten deutschen Staaten über ihre winzigen Truppenkörper ausgeübt wurden;

andererseits machte

die

politische

Stellung einiger größerer Staaten eine besondere Berücksichtigung der­ selben nötig.

So wurden von den Einzelstaaten in der Zeit von

1867—18731 mit Preußen oder mit dem Norddeutschen Bunde bzw.

Deutschen Reiche Verträge bezüglich des Militärwesens, sog. Miliärkonventionen, abgeschlossen, die das in der Verfassung aufgestellte Normal­

recht durch Festsetzung bestimmter Modifikationen den Verhältnissen der verschiedenen

Einzelstaaten

anpaßten und

ein dem Verfassungsrecht

gegenüberstehendes Partikularrecht erzeugten. B. Nach

ihrem Inhalte lassen sich die Militärkonventionen —

abgesehen von der Ulmer Konvention vom 16. Juni 1874 — in zwei Gruppen

zerlegen:

in

die

Militärkonventionen

Bayerns,

Württembergs und Sachsens mit dem Norddeutschen Bund, und in die Militärkonventionen aller übrigen deutschen Einzel­

staaten mit Preußen und dem Norddeutschen Bunde bzw. Deutschen

Reiche. Die Militärkonventionen der ersten Gruppe erweitern und ver­

mehren

die

verfassungsmäßigen

Militärhoheitsrechte

von

Bayern,

1 Nur die Braunschweiger Mil.-Konv. ist erst 1886 zustande gekonimen.

Die Militärkonvcntionen.

Württemberg

und

Bündnisvertrag

Sachsen.

vom

Bayern

wird

11

durch

23. November 1870, der

den

bayrischen

(Ziffer III, 5)

die

Geltung des 11. Abschnittes der Verfassung für das bayrische Heer

ausschließt und dieses einer besonderen Regelung unterzieht, eine von

allen anderen Bundesstaaten unterschiedliche militärische Stellung ein­ geräumt.

Die Militärkonventionen von Württemberg und Sachsen ent­

halten demgegenüber nur unbedeutende Modifikationen der Verfassung. Die Militärkonventionen der zweiten Gruppe übertragen die den

Einzelstaaten nach der Verfassung zustehenden Militärhoheitsrechte an Preußen. Diese Übertragung ist aber kein endgültiger Verzicht auf die Rechte, sondern ist nur eine Übertragung der Rechte zur Aus­ übung?

Neben dieser Übertragung enthalten die Konventionen noch

Zusicherungen des Kaisers betreffs bestimmter Ausübung einiger seiner

Militärhoheitsrechte, insbesondere des Dislokationsrechtes

und

des

Rechtes, die Formation und Gliederung der Kontingente zu bestimmen. — Der zweifache Inhalt dieser Konventionen findet in der Doppel­

stellung des einen Kontrahenten seine Erklärung, der als König von

Preußen die Ausübung der kontingentsherrlichen Rechte sich übertragen

läßt und, gewissermaßen als Gegenkonzession für die an ihn erfolgte Übertragung, als Kaiser obige Zusicherungen gibt. Die Konventionen sind also gleichzeitig mit dem König von Preußen und mit dem Bundes­ feldherrn bezw. deutschen Kaiser geschlossen?

Daran

ändert nichts

die Tatsache, daß nach dem Wortlaute der Konventionen der eine Kontrahent nicht immer als „König von Preußen und deutscher Kaiser" bezeichnet ist?

2. Die Geltung derselben. Die Frage nach der Geltung der Konventionen ist nach den beiden aufgestellten Gruppen verschieden zu beantworten:

A. Die Konventionen der ersten Gruppe bezwecken eine Verschiebung der durch

die Verfassung

vorgenommenen Kompetenz­

verteilung zu ungunsten des Norddeutschen Bundes

bzw. Deutschen

Reiches und zugunsten der betreffenden drei Einzelstaaten.

Da aber

niemals eine solche Verschiebung des verfassungsmäßigen Zustandes 1 So u. a. Gau 70. 2 So Brockhaus 164, 165. 3 Vgl. Reichsmilitärgesetze, 1. Ausl., 1. Bd. I, 55.

12

Die Quellen der Militärgewalt.

durch bloßen Vertrag rechtswirksam vorgenommen werden kann, so würden diese Konventionen rechtlich ungültig sein, wenn sie nicht durch eine rechtmäßige Verfassungsänderung in der Verfassung selbst An­ erkennung gefunden hätten. So sind der bayrische Bündnisvertrag und die Württembergische Militärkonvention durch die Schlußbestimmung

des 11. Abschnittes der Verfassung als gültig anerkannt und zu inte­ grierenden Bestandteilen der Reichsverfassung erhoben toorben1 2 und haben für Bayern und Württemberg ein Sonderrecht im Sinne des

a 78.2 geschaffen. — Betreffs der sächsischen Militärkonvention ist eine besondere Erörterung notwendig. Sie regelt ebenso wie die bayrische und Württem­ bergische Militärkonvention die militärischen Verhältnisse Sachsens zum Norddeutschen Bund bzw. Deutschen Reich und gewährt Sachsen eine gegenüber der Verfassung bevorrechtigte Stellung. Sie zeigt aber eine Besonderheit insofern, als sie am 7. Februar 1867, also vor Ein­ führung der Verfassung des Norddeutschen Bundes abgeschlossen worden

ist, und als sie, anders als obige Konventionen, nicht durch die Ver­ fassung sanktioniert worden ist. Und darum herrscht über ihre Gültig­ keit lebhafter Streit. Während Hänel3 ihre Gültigkeit verneint, wird

sie von Sey del u. a.3 in ihrem vollen Umfange

als gültig an­

gesehen. Unbestritten ist allein, daß die Absicht der Parteien darauf ge­

richtet war, Sachsens militärische Stellung endgültig zu regeln und die Militärkonvention mit bleibender Gesetzeskraft auszurüsten, ohne Rück­ sicht auf die noch zu erlassende Verfassung. Dies geht deutlich aus dem Eingang der Konvention hervor: „Der König von Preußen als

Bundesfeldherr ist mit dem König von Sachsen übereingekommen, die

Verfassung zu ergänzen und eine besondere Verabredung zu treffen, welche unabhängig von allen ferneren, darauf bezüglichen Verhand­ lungen in Kraft treten und bleiben soll."

Ebenso zeigt dies das

Nachtragsprotokoll vom 8. Februar 1867, wonach eine inzwischen er­ folgte Änderung des Verfassungsentwurfes „als über die Absicht der

Parteien hinausgehend" auf Sachsen nicht Anwendung finden soll. 1 So Zorn 1. Stuft., I, 303; Laband IV, 31; Seydel 380; Brock­ haus 166; Tepelmann 6. 2 Hänel 492; ähnlich: Zorn I, 304 u. Tepelmann 47. 8 So: Seydel 383; Gümbel 184; Gan 56.

Die Militärkonventionen.

13

Nun ist aber zweifellos, daß die Verfassung, wie jedes entgegen­ stehende Gesetz, so erst recht jeden widersprechenden Vertrag außer

Kraft setzt.

Soll der Vertrag Gültigkeit erlangen, so muß er, auch

wenn er vor der Verfassung abgeschlossen worden ist, in der Verfassung besonders anerkannt werden, wie es z. B. bei der württembergischen und bayernschen Konvention geschehen ist.

Ist keine solche Anerkennung

vorhanden, so ist der Vertrag, soweit

er der Verfassung

ent­

gegensteht, als ungültig anzusehen, gleichgültig um die Absicht der

Kontrahenten.

In der Verfassung

findet

sich keine Sanktion

der

sächsischen Konvention, weder eine allgemeine, — a66 kommt hierfür, wie wir unten1 sehen werden, nicht in Betracht; er gibt nicht das Recht zu vertragsmäßigen Verschiebungen der militärischen Kompetenzen zwischen Reich und Einzelstaaten, sondern bestätigt nur das Recht der Einzelstaaten, untereinander Konventionen zu schließen, —

noch

eine spezielle.

Darum ist auch von

der sächsischen Militär­

konvention zu sagen, daß sie, soweit sie der Verfassung entgegenstehende

Bestimmungen enthält, ungültig, im übrigen gültig ist. Ihre unter diesem Gesichtspunkte materiell gültigen Bestimmungen sind auch nicht deswegen als ungültig anzusehen, weil die Konvention vom preußischen König in seiner Eigenschaft als Bundesfeldherr zu

einer Zeit geschlossen worden ist, wo er noch gar nicht Bundesfeldherr

war. Dies hieße ganz formal urteilen und die politische Stellung, die

der König von Preußen bei Gründung des Norddeutschen Bundes eingenommen hat, vollständig ignorieren!

Nach der Auffassung der verbündeten Regierungen ist nun die

sächsische Konvention nicht nur zum Teil, sondern in ihrem vollen Um­ fange gültig und wird auch danach behandelt.

Da man nicht an­

nehmen kann, daß sie obigen staatsrechtlichen Grundsatz von der Priorität der Verfassung gegenüber Verträgen nicht kennen, muß dre Meinung

der Regierungen dahin gehen, daß die Konvention keine der Verfassung widersprechende Bestimmungen enthält.

Anderenfalls würde auch die

sächsische Regiemng, wenn sie der Ansicht gewesen wäre, daß durch die Verfassung einzelne Konventionsbestimmungen außer Kraft gesetzt würden, auf die Sanktion der Konvention in

der Verfassung ge­

drungen und ohne diese die Verfassung nicht angenommen haben.

1 S. u. ie Organisierung des Keeres. A. Die Organisierung des Heeres bedeutet die Bildung und

Ergänzung des Heeresorganismus aus dem Volke.

Sie geschieht durch

das Ersatzgeschäft und durch die Anstellung von Berufssoldaten. a) Die notwendige Voraussetzung für das Ersatzgeschäft bildet die allgemeine Wehrpflicht, die in a 57

jeder Deutsche mit dem

1. Januar

des

statuiert ist. Jahres,

in

Danach ist

dem

er das

20. Lebensjahr vollendet, „militärpflichtig", d. h. verpflichtet, sich zur

Stammrolle zu melden und zu gestellen?

ob,

die Meldung und

Gestellung

der

Dem Staate liegt es nun Militärpflichtigen

entgegen-

zunehmen, über ihre Tauglichkeit zum Militärdienst zu entscheiden und die Tauglichen als „Wehrfähige" auszuheben und in das Heer ein­

zustellen, wodurch letztere „dienstpflichtig" werden.

Auf diese Weise

wird das Heer gebildet; der Staat macht besonders befähigte Militär­ pflichte zu „Dienstpflichtigen", d. h. zu Angehörigen des Heeres, welche

verpflichtet sind, militärische Dienste gemäß a 59 zu leisten.

Diese

Tätigkeit des Staates, die die Einreihung wehrfähiger Militärpflichtiger in das Heer bezweckt, nennt man das „Ersatzgeschäft".

Es wird

von den Ersatzbehörden vorgenommen, deren vier zu unterscheiden sind:

die Ersatzkommission, die Oberersatzkommission, die Ersatzbehörde der

3. Instanz, die Ersatzbehörde der Ministerialinstanz?

Dies sind ge­

mischte Behörden, welche sich aus Militärpersonen und Beamten der Zivilverwaltung zusammensetzen.

Sie sind einander übergeordnet.

Die

oberste Instanz, die Ministerialinstanz, wird durch die Kriegsministerien derjenigen vier Einzelstaaten, welche die den Einzelstaaten nach der Ver­ fassung zustehende Regierungsgewalt tatsächlich auch ausüben, in Ver­

bindung mit den höchsten Zivilverwaltungsbehörden dieser vier Einzel­ staaten gebildet?

Sie hat die letzte Entscheidung darüber, ob jemand

wehrfähig, dienstpflichtig ist oder nicht.

Sie leitet also das Ersatz­

geschäft; in ihrem Namen, richtiger im Namen des Landesherrn, dem die Ministerialinstanz ihrerseits untergeordnet ist, nehmen die Ersatz­

behörden ihre Tätigkeit vor; seiner Entscheidung müssen sich die Militär1S. Wehrordnung § 20 ff.

2 S. Wehrordnung § 2.1.

8 S. Wehrordnung § 2.2.

Die Inhaber der Regierungsgewalt.

39

pflichtigen fügen; es gibt keine höhere Instanz des Reiches. Aus diesem höchsten Entscheidungs- und Verfügungsrechte des Landesherrn über die Militärpflichtigen folgt, daß die Ergänzung des Heeres dem Einzelstaat obliegt, daß das Ersatzgeschäft Recht und Pflicht des Einzelstaates ist?

Dieses Ergebnis entspricht auch dem Wortlaut des a 60, wonach

das Heer von den Einzelstaaten — es heißt nicht aus den Einzel­ staaten — pro rata ihrer Bevölkerung

gestellt, d. h. aufgebracht

wird; weiter auch der Tatsache, daß die vier Einzelstaaten, die das Ersatzgeschäft

tatsächlich

ausüben,

Rekrutierungsbezirke bilden?

selbständige

Aushebungs-

bzw.

Daß Militärpersonen beim Ersatzgeschäft

mitwirken, ändert an dem Resultate nichts?

Die Militärverwaltung

liegt nur zum Teil besonderen Militärbeamten, zum Teil auch dem

Heere selbst ob.

Soweit Militärpersonen Verwaltungsfunkiionen aus­

üben, sind sie dem Inhaber der Verwaltung Gehorsam schuldig, und

das ist hier eben der Einzelstaat. b) Das deutsche Heer setzt sich aber nicht nur aus Dienstpflichtigen zusammen, welche Militärdienste allein insoweit leisten, als sie ihnen durch Gesetz (a 59) auferlegt sind; es bedarf auch Personen, die über

die gesetzliche Dienstpflicht hinaus sich widmen,

dem

dauernd

die ihn zu ihrem Lebensberuf wählen.

Militärdienste

Sie nehmen, im

Gegensatz zu den ausgehobenen Militärpflichtigen, die Dienstpflicht frei­ willig auf sich; so die Offiziere, Unteroffiziere und Militärbeamten.

Ihre Einreihung in das Heer durch den Staat geschieht nicht, wie das

Ersatzgeschäft,

auf

Grund

eines

dem Staate

zustehenden Gewalt­

verhältnisses über seine Untertanen; die Einreihung in das Heer be­

deutet nicht die Entgegennahme gesetzlich geschuldeter, sondern die An­ nahme freiwillig angebotener Dienste durch den Staat.

Ihre Dienst­

pflicht wird nicht durch Aushebung und Einstellung, sondern durch „Anstellung" begründet, d. h. durch

einen Staatsakt, der der An­

stellung der übrigen Staatsbeamten analog ist.

Wie die Anstellung

der meisten Staatsbeamten, erfolgt nun auch ihre Anstellung durch den

Landesherrn. Bezüglich der Offiziere ist dies ausdrücklich durch a 66.i anerkannt.

Sie werden vom Kontingentsherrn ernannt.

Auch ihre

Versetzung, Beförderung und Entlassung geht vom Landesherrn aus,

dessen „Verordnungen in Personalangelegenheiten" die nötigen Anord1 So: Laband im Archiv III, 505; Gümbel 169; anders: Schulze II, 263; Brockhaus 54. ’ Näheres s. u. 44. 3 Anders: Hänel 526.

Ter Inhaber der Militärgewalt.

40

nurigen geben.

Diese Verordnungen haben unter Gegenzeichnung des

Kriegsministers1 zu ergehen, unterliegen aber sonst keinen Beschränkungen, insbesondere nicht denen des a 63.5, sind also nicht bloße formelle Ver­ ordnungen.

Der Kaiser hat nur ausnahmsweise bei der Beförderung

der Offiziere zu den höchsten Befehlshaberstellen mitzuwirken oder die­

selbe selbst vorzunehmen.

So hat er nach a 64.2 einerseits der Er­

nennung der Generäle innerhalb der Kontingente durch die betreffenden Kontingentsherrn

zuzustimmen,

andererseits

die Höchstkomman­

dierenden der Kontingente, sowie alle Offiziere, welche mehr als ein Kontingent befehligen, wie auch die Festungskommandanten selbst zu er­

nennen.

Nach a 64.3 hat er weiter das Recht, für obige von ihm zu

besetzende Stellen die Offiziere aus allen Kontingenten auszuwählen. In Sachsen erfährt dieses kaiserliche Recht durch a 7.2 der sächsischen

Militärkonvention nur insofern eine Modifikation, als der Kaiser die

Höchstkommandierenden der Armeekorps auf Grund von Vorschlägen

des Königs von Sachsen ernennt.

Da der Kaiser an diese Vorschläge

nicht gebunden ist, enthält auch a 7 der sächsischen Militärkonvention keine Einschränkung des verfassungsmäßigen kaiserlichen Rechts und ist

als gültig anzusehen. Anders die Bestimmung des Nachtragsprotokolls vom 8. Februar 1867; als

gegen a 64.3 verstoßend,

hat sie keine

formalrechtliche Gültigkeit, wenn sie auch faktisch in Anwendung ist.

c) Die Organisierungsgewalt, als ein Teil der Regierungsgewalt, liegt somit allein in den Händen der Einzelstaaten.

Ihnen steht sowohl

das Ersatzgeschäft, d. h. die Aushebung und Einstellung der wehrfähigen Militärpflichtigen, wie die Anstellung der Berufssoldaten, welche sich frei­ willig zur Übernahme der Dienstpflicht erbieten, zu. Der Kaiser hat nur

bezüglich der höchsten Offiziere ein Beförderungs- und Versetzungsrecht. Damit, daß der Kaiser auf Grund des ihm in a 63.3 über­ tragenen Jnspektionsrechtes über die Kriegstüchtigkeit und Vollzählig1 So in Sachsen.

In Preußen werden diese Verordnungen gemäß dem Erlaß

vom 18. Januar 1861 als Ausfluß der Kommandogewalt angesehen und werden nicht gegengezeichnet. Sie sind aber ein Ausfluß der Regierungsgewalt und sonach

gegenzuzeichnen.

Wären sie ein Ausfluß der Kommandogewalt, so müßten sie den

Ernannten auch militärische Funktionen, ein militärisches Amt übertragen. selbe erlangen die Ernannten aber

erst durch

Das­

die Diensteinweisung ihrer mit

militärischem Befehlsrecht ausgestalteten militärischen Vorgesetzten. Vgl. hierzu auch u. S. 66. — Richtiger Ansicht: Meyer, V.R. II, 103;

v. Kirchenheim in

v. Stengels WörterbuchII, 186; falsch: Gau 19; Bornhak 40; Laband IV,36,57.

41

Der Inhaber der Regierungsgewalt.

feit aller Truppenteile des deutschen Heeres, auch die Aufsicht darüber hat, daß die Organisierungstätigkeit der Einzelstaaten sich nach den ein­

schlagenden Reichsmilitärgesetzen und etwa ergangenen Ausführungstierorbmtngcn1 richtet, ist ihm nicht die höchste Organisierungsgewalt

gegeben.

Das Jnspektionsrecht bedeutet, wie wir schon oben2 gesagt

haben, keineswegs höchste Vollziehung und beeinträchtigt somit auch

nicht die einzelstaatliche Jnhaberschaft der Organisierungsgewalt. B. Nach a 6O.2

steht

nun

dem

Reiche

die

Feststellung

der

Friedenspräsenzstärke zu, d. h. es hat die Zahl der in Erfüllung

ihrer gesetzlichen Dienstpflicht bei den Fahnen befindlichen Mannschaften

(Offiziere, Unteroffiziere, Militärbeamte und Einjährig-Freiwillige sind in dieser Zahl nicht inbegriffen, vielmehr wird ihr Bestand durch den

Reichsmilitäretat bestimmt) und damit auch die Zahl der jährlich von den Einzelstaaten auszuhebenden Rekruten zu bestimmen.

Diese Bestimmung

hat im Wege der Gesetzgebung, also durch Bundesrat und Reichstag3 4zu

erfolgen. Als Gesetz ist auch das Etatgesetz anzusehen; darum genügt zur

Festsetzung der Friedenspräsenzstärke, an Stelle eines besonderen Gesetzes über den Friedenspräsenzstand, der Erlaß eines bloßen Etatgesetzes?

Im Gegensatz zu a 6O.2 scheint nun a 63.4 zu stehen, welcher dem Kaiser das Recht überweist,

den Präsenzstand der Kontingente des

Reichsheeres zu bestimmen. Daß hierdurch ein unbeschränktes kaiserliches

Bestimmungsrecht für den Krieg normiert wird, ist unbestritten.3 Streit herrscht aber darüber, wie weit im Frieden a 63.4 neben

a 6O.2 Geltung hat. Unseres Erachtens kann es keinem Zweifel unter« 1 Die einschlagenden Reichsmilitärgesetze sind: Wehrgesetz vom 9. No­ vember 1867; Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 mit mehreren Novellen; Land­ sturmgesetz vom 12. Februar 1875; Kontrollgesetz vom 15. Februar 1875 ff.

Als

Ausfürungsverordnung kommt die Wehrvrdnung vom 22. November 1888

für diese Gesetze in Betracht, welche für das gesamte Heer vom Kaiser auf Grund besonderer gesetzlicher Ermächtigung (s. Reichsmilitärgesetz § 71) erlassen worden ist.

Demgegenüber ist die Heerordnung vom 28. September 1875, welche die Wehr­

ordnung ausführt, direkt nur für die preußische Armee vom preußischen König er­ lassen und darauf in den übrigen Kontingenten durch besondere Publikation der

betr. Landesherrn eingeführt worden; sie ist also eine Landesverordnung.

3 S. 0. S. 20—22. 8 So die Reichsgesetze betr. die Friedenpräsenzstärke vom 3. August 1893 und vom 28. Juni 1896.

4 So: Seydel 325, III; Laband, IV, 83; v. Savigny 225.

6 Vgl. Gümbel 172.

42

Der Inhaber der Militärgewalt.

liegen, daß bei Vorhandensein eines Reichsgesetzes über den Friedens­

präsenzstand

das

kaiserliche

Bestimmungsrecht

nur

innerhalb

der

Schranken desselben, nur secundum und praeter legem, nicht contra

legem in Frage kommt.1 Zweifelhaft aber kann es sein, ob die Ver­ fassung für den Fall des Nichtzustandekommens, überhaupt beim Fehlen

eines Reichsgesetzes über den Präsenzstand, und zwar sowohl eines Sondergesetzes wie auch eines Etatgesetzes, dem Kaiser ein freies Be­ stimmungsrecht zuspricht. a62.2 scheint uns dagegen zu sprechen; hervor­ gegangen aus einem Konipromiß der Regierung und des Parlamentes,

trifft er für den Fall Vorsorge, daß in der Zeit nach dem 31. Dezember

18712 3kein Reichsgesetz betr. die Friedenspräsenzstärke zustande kommt und der Reichstag die Mittel für die Unterhaltung des Heeres nicht

bewilligt.

In solchem Falle sollen die Einzelstaaten verpflichtet sein,

die vor 1871 geleisteten Beiträge zur Unterhaltung des Heeres weiter zu zahlen.

Für die Höhe dieser Beiträge soll die Friedenspräsenz­

stärke maßgebend sein, wie sie durch das letzte Reichsgesetz normiert

worden ist.

Die alte Friedenspräsenzstärke soll also weiter gelten,

wenn kein Gesetz über die Friedenspräsenzstärke vorhanden ist. scheint uns aus a 62.2 hervorzugehen.

Dies

Somit hat der Kaiser auch

dann, wenn kein Reichsgesetz besteht, kein freies Bestimmungsrecht be­ treffs des Friedenspräsenzstandes? a 63.4 kann also nur das kaiserliche Recht aufstellen, die Friedens­

präsenzstärke innerhalb des Rahmens des bestehenden oder des zuletzt bestandenen Reichsgesetzes zu regeln.

Daß dieses Recht kein leeres

Recht ist, zeigt das Reichsgesetz vom 3. August 1893, das nicht mehr

die Maximalstärke, sondern nur den Durchschnittsbestand der Mann­ schaften festsetzt.

Der Kaiser ist danach berechtigt, von der aufgestellten

Ziffer sowohl nach unten, wie nach oben, z. B. durch frühere Entlassung der Mannschaften oder spätere Einstellung der Rekruten, durch Ein­

ziehung von Reserven usw. abzuweichen.

Nur im Jahresdurchschnitt

1 So Seydel 358. 2 3. 62.2 gilt nicht nur unmittelbar für die Zeit nach 1871, sondern auch jetzt noch. Er soll das dauernde Fortbestehen des Heeres garantieren. So: Thudichum, Verfassungsrecht des Norddeutschen Bundes 416; Laband IV, 88; Savigny 248; Arndt 248; anders: Seydel 341, III; Zorn 1. Aufl., I, 322. 3 Zu demselben Resultat kommen: v. Savigny 242; Brockhaus 47; anderer Meinung: Laband IV, 86; Arndt 255; Fürst Bismarck, Reichstags­ rede am 13. Januar 1887.

43

Der Inhaber der Regierungsgewalt.

darf der Präsenzstand die Ziffer nicht übersteigen.

Ausnahmsweise

kann allerdings sogar die Durchschnittsziffer überschritten werden, wenn

sich Verstärkungen des Heeres aus Anlaß besonderer Verhältnisse not­ wendig machen?

Mit der näheren Bestimmung

des Friedenspräsenzstandes

der

Kontingente des deutschen Heeres steht nun dem Kaiser auch das Recht zu, die Zahl der von den Einzelstaaten auszuhebenden Rekruten mit

Rücksicht auf die

gesetzlich

fixierte Friedenspräsenzstärke

festzusetzen.

Damit kommt aber das einzelstaatliche Ersatzgeschäft keineswegs in Unterordnung unter den Kaiser.

Ebensowenig, wie die dem Reiche

zustehende, umfassende Gesetzgebungskompetenz in Militärsachen die Jnhaberschaft der Einzelstaaten bezüglich der Organisierungsgewalt beein­

trächtigt oder beseitigt (denn Gesetzgebungs- fund Vollziehungsgewalt brauchen sich keineswegs in einer Hand zu befinden), ebensowenig hebt

das kaiserliche Recht, die Zahl der (auszuhebenden Rekruten (zu bestimmen,

die Selbständigkeit der Einzelstaaten bezüglich

des Ersatz­

geschäftes auf; das Ersatzgeschäft liegt den Einzelstaaten ob und keines­

wegs untersteht es dem Reiche bzw. dem Kaiser.

2. JHe Kormierung des Keeres. Die Formierung des Heeres ist die Zusammensetzung der durch die staatliche Organisierungstätigkeit ausgehobenen Masse von Dienst-

pflichtigen zu einem nach militär-technischen Grundsätzen gegliederten Heeresorganismus. Die hierdurch begründete Einteilung und Gliederung

des Heeres in einzelne Truppengattungen und Truppenteile nennt man die Formation des Heeres?

Die Formierungsgewalt ist durch a 63.4 dem Kaiser übertragen worden.

Der Kaiser hat somit ein unmittelbares Verordnungsrecht

in Formationsangelegenheiten.

Jede Tätigkeit des Heeres oder einer

Militärbehörde, die die Formation betrifft, geschieht im Namen und

in Unterordnung unter

den Kaiser.

Die Formierungsgewalt

des

Kaisers ist aber nur im Kriege, und im Frieden betreffs des Land­ sturmes, eine freie und unbeschränkte?

und

Bezüglich des stehenden Heeres

der Landwehr ist der Kaiser, ebenso wie die Einzelstaaten bei

1 Vgl. Wehrgesetz vom 9. November 1867, § 6.5.

2 Vgl. Brockhaus 65, 66.

8 Reichsmilitärgesetz § 6; Laband IV, 92.

44

Der Inhaber der Militärgewalt.

ihrer Organisierungsgewalt, im Frieden an die Verfassung und Reichsmilitärgesetze, insbesondere auch

die

an den Militäretat gebunden

und kann nur, soweit diese Gesetze nicht entgegenstehen, die Formation

frei bestimmen?

So muß er Rücksicht auf den Bestand der vier selb­

ständigen Kontingente^ nehmen. Er darf dieselben auch formationshalber nicht zerreißen oder Teile von ihnen loslösen, um sie anderen Kontingenten

einzureihen.

Er darf weiter nicht die in dem Rekrutierungsbezirk eines

dieser vier Kontigente ausgehobenen Militärpflichtigen in den Truppen­ körper eines anderen Kontingentes einstellen; denn jeder der Staaten

mit selbständiger Kontingentsverwaltung hat das Recht, aus den in ihm

ansgehobenen Militärpflichtigen,

ein ihm

eigenes

gleichsam radifiziertes Kontingent" zu bilden.

gehobenen eigenen Rekruten können —

„auf sein Gebiet

Von den in ihm aus­

aber müssen nicht



den

Truppenteilen eines anderen Bundesstaates nur so viel zugeteilt werden, als Untertanen

des

betreffenden Bundesstaates in ihm ausgehoben'

worden sind? Aber nicht nur den selbständigen Bestand der Kontingente

hat der Kaiser zu gewähren, auch bezüglich der Formation innerhalb der Kontingente sind ihm bestimmte Schranken teilweise durch Gesetz,

teilweise durch die Militärkonventionen gezogen. Als einschlagende Be­ stimmungen kommen für Sachsen die §§ 2—5 des Reichsmilitärgesetzes

und a 1 der Sächsischen Militärkonvention in Frage.

Trotz dieser Beschränkungen des kaiserlichen

Formationsrechtes

kann von einer Zersplitterung in der Gliederung des deutschen Heeres

keine Rede sein; einmal weil diese Beschränkungen nur bezüglich der Einzelstaaten mit selbständiger Kontingentsverwaltung, nicht aber bei den übrigen Einzelstaaten, die die Verwaltung ihrer Kontingente an Preußen

übertragen haben, Platz greifen; dann, weil auch die vier selbständigen Kontingente, Bayern, Wüttemberg, Sachsen und Preußen zu einer ein­ heitlichen Formation verbunden sind.

In welcher Weise diese herbei­

geführt ist, zeigt z. B. a 1 der Sächsischen Militärkonvention, welche

Bestimmung übrigens auch vom formalrechtlichen Standpunkte als gültig anzusehen ist, und weiter a 63.2 der Verfassung im 1. und 2. Absatz. 1 Laband IV, 87, 77.

2 S. o. S. 17.

3 ist 8 9-« des Reichsmilitärgesetzes aufzufassen, wie Laband im Archiv s. ö. R. III, 521 und Hänel 503 zeigen. § 9.4 spricht von den Bundesstaaten, welche eigene Armeekorps bilden und das sind eben diejenigen mit selbständiger

Kontingentsverwaltung.

Vgl. auch Laband IV, 50, 51.

Der Inhaber der Regierungsgewalt.

45

3. Die Lozierrmg des Keeres? Die Lozierung des Heeres, d. h. die Bestimmung des Standortes der

einzelnen Truppenteile, steht nach a 63.4 ausschließlich und unbeschränkt dem Kaiser zu. Dieser hat somit auch das Dislokationsrecht; er kann den

Truppenkörpern der einzelnen Kontingente andere Garnisonen anlveisen, ja sie auch außerhalb ihres Kontingentsgebietes

Territorium stationieren.

in einem

anderen

Alle Konventionsbestimmungen, die diesem

kaiserlichen Rechte widersprechen oder es inhaltlich einschränken, sind rechtlich als ungültig anzusehen, a 5 der Sächsischen Konvention enthält aber aus denselben Gründen, die wir schon oben1 2 beleuchtet haben,

keine wirkliche Beschränkung des kaiserlichen Dislokationsrechts und ist

darum gültig.

4. Die Anterhaltuug des Keeres. A) Im allgemeinen? Das

organisierte,

formierte und

lozierte Heer will unterhalten

Nach

seinem besonderen Wesen und Zweck hat es besondere

Bedürfnisse,

die es, anders als die meisten anderen Staatsorgane,

sein.

nur zum

Teil

selbst

befriedigen

Der

kann.

Befriedigung

dieser

Bedürfnisse dient die wirtschaftliche Heeresunterhaltung, das Sanitäts­

wesen, das Bildungswesen und das Seelsorgewesen. a) Die wirtschaftliche

Heeresunter Haltung^ hat für die

Verpflegung, Bekleidung, Bewaffnung, Ausrüstung, Garnisonierung des Heeres Sorge zu tragen.

Instanz vom Heere selbst vorgenommen.

Besoldung und

Sie wird in der unteren

In der höheren Instanz liegt

sie in den Händen besonderer Behörden, der Intendanturen, die sich der Division und dem Armeekorps angliedern.

Diese Intendanturen

sind einmal einander untergeordnet, so die Divisions- der Korpsinten­ dantur, dann unterstehen sie als Hilfsorgane des Heeres notwendiger­

weise den Befehlshabern der Truppenteile, denen sie angegliedert sind.

Die höchste Instanz auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Heeresunter­ haltung bilden die Kriegsministerien der vier Einzelstaaten mit selbst­

ständiger Kontingentsverwaltung. Sie leiten die wirtschaftliche Heeres-

1 Vgl. Laband IV, 37 ff. 2 S. o. S. 16. » Vgl. Meyer, V.R. II, 59. 4 Vgl. Hänel 518; Bornhak III, 48.

Ter Inhaber der Mililärgewalt.

46

Unterhaltung. Alle Verwaltungsorgane empfangen von ihnen ihre Weisungen; auch die Militärbefehlshaber sind, insoweit ihre Tätigkeit

sich auf die wirtschaftliche Heeresunterhaltung bezieht, ihnen unter­ Diese vier Kriegsministerien leiten nun wiederum ihre Gewalt

worfen.

von ihren Landesherrn ab, welchen auf dem Gebiete der wirtschaft­ lichen Heeresverwaltung das Verordnungsrecht znsteht; in ihreiu Namen üben sämtliche Verwaltungsorgane ihre Tätigkeit aus. Die Landes­

herrn der vier Einzelstaaten mit selbständiger Kontingentsverwaltung sind darum auch die Inhaber der wirtschaftlichen Heeresverwaltung. Prinzipiell sind auch die übrigen Landesherrn als Inhaber dieser Ver­ waltung anzusehen, nur- daß für sie auf Grund des durch die Kon­ ventionen geschaffenen Zustandes der preußische König die Verwaltung

ausübt.

Die

wirtschaftliche Heeresverwaltung

ist also

Landesver­

waltung? Daß das Verordnungsrecht für Sachsen und Württemberg gemäß a 63.5 ein bloß formelles Verordnungsrecht ist, dem nur bezüglich der Bestimmung der äußeren Abzeichen nach a 63.2 eine materielle Be­

deutung innewohnt, beeinflußt den einzelstaatlichen Charakter der wirt­ schaftlichen Heeresverwaltung nicht. Auch das dem Kaiser zwecks Erhaltung der Einheitlichkeit der Verwaltung zustehende Inspektions­

recht hebt denselben nicht auf, wie wir schon o6en2 gesehen haben. b) Das Sanitätswesen ist für das Heer von besonderer Wichtigkeit. Es sorgt für die Erhaltung der Gesundheit im Heere. So ist es auch zu erklären, daß das Sanitätskorps, das sich aus den

Sanitätsoffizieren, den Lazarettgehilfen und Krankenwärtern zusammen­ setzt, seit dem Gesetz vom 6. Februar 1873 zu den Personen des Soldatcnstandes gehört, während es früher zu den Militärbeamten gerechnet wurde.

Das Sanitätskorps ist ebenfalls den einzelnen Truppenkörpern angegliedert. Die Sanitätsorgane sind darum auch den Militärbefehls­

habern, deren Truppenteilen sie beigeordnet sind, unterstellt.

In Aus­

übung ihrer Heilsaufgabe sind aber die Sanitätsorgane einander untergeordnet. An der Spitze des Sanitätskorps in den einzelnen

Armeekorps steht der Korpsgeneralarzt, der seinerseits der Medizinal­

abteilung eines der vier Kriegsministerien untersteht. 1 Anders Schulze II, 287.

S. o. S. 20—22.

Das Sanitäts-

Der Inhaber der Regierungsgewalt.

47

korps empfängt danach ebenfalls seine Weisungen vom Kriegsminister

bzw. vom Landesherrn. Die Sanitätsverwaltung ist Landesverwaltung. c) Das Bildungsweseu bezweckt die Förderung der militärischen Berufsbildung. Dazu dienen besondere Anstalten, wie die Unteroffizier­ schulen, Kadettenhäuser, Kriegsschulen, Reitinstitnte, Turnanstalten, Schießschulen, Kriegsakademien usw. Alle diese Anstalten sind Landes­ anstalten? Einige derselben, wie die Kriegsakademie, die Zentralturn­

anstalt sind ausschließlich preußische Anstalten, deren Mitbenutzung aber den übrigen Einzelstaaten durch die Militärkonventionen gewähr­

leistet ist: Sächsische Militärkonvention a 3.2; Württembergische Kon­ vention a 12. Das Bildungswesen liegt also den Einzelstaaten ob. d) Auch das Seelsorgewesen ist der Einzelstaatsgewalt ver­

blieben mit der Besonderheit, daß hier die die landesherrliche Verord­ nungsgewalt einschränkende Bestimmung des a 63.6 nicht Platz greift. Die Einzelstaaten haben in geistigen Angelegenheiten nach a 6I.1 nicht nur ein formelles, sondern auch ein materielles Verordnungsrecht; allerdings üben dasselbe nur obige Staaten mit eigenen Kriegs­

ministerien aus. B. In finanzieller Beziehung. Die staatliche Unterhaltungstätigkeit, die die Bedürfnisse des Heeres befriedigt, hat zum großen Teil vermögensrechtliche Wir­ kungen; sie macht Kosten und erfordert finanzielle Mittel. Da nun die Unterhaltung des Heeres, wie wir eben gesehen haben, allein in den

Händen der Einzelstaaten liegt, so könnte man schließen, daß den Einzel­ staaten die Unterhaltung auch insoweit, als sie von finanzieller Wir­

kung ist, ausschließlich obliegt; daß sie z. B. den Militäretat auf­ stellen, d. h. die Kosten der Heeresunterhaltung im voraus veranschlagen

und die für deren Deckung zu gewährenden Mittel festlegen, weiter daß sie diese finanziellen Mittel selbst aufbringen und auch selbst ver­

ausgaben, und endlich, daß sie über die Verausgabung einzelstaatlichen Organen Rechnung legen. Dem ist aber nicht so. a) Militäretat: Nach Beendigung des in den Artikeln 62.i und 71.2 normierten und bis 1875 verlängerten Provisoriums werden

die der Heeresverwaltung zur Verfügung zu stellenden Mittel alljährlich 1 Vgl. v. Kirchenheim in v. Stengels Wörterbuch II, 103—105.

48

Ter Inhaber der Militärgewalt.

nach Maßgabe des Präsenzstandes im Militäretat festgesetzt und ihre Verausgabung näher bestimmt: a 71i und a 62.»? Dieser Militäretat

ist ein Bestandteil des Reichshaushaltsetats;

er kommt also durch

einen Gesetzgebungsakt des Reiches zustande.

Er enthält vier von­

einander getrennte Voranschläge, entsprechend

den vier selbständigen

Koutingentsverwaltungen; von diesen ist der sächsische Voranschlag und

ebenso

der

preußische

und

Württembergische

eingehend spezialisiert,

während im bayrischen nur die Höhe der Ausgaben in einer General­

summe fixiert ist.

Das Reich legt also die zur Deckung der Kosten

der Heerverwaltung notwendigen Mittel für Preußen, Württemberg und Sachsen im einzelnen fest und bestimmt damit zugleich auch die

militärische Unterhaltungstätigkeit dieser Staaten.

b) Militärfiskus: Die in den vier Voranschlägen des Militär­ etats ausgeworfenen Summen überweist das Reich den Einzelstaaten zur Verausgabung nach den im Militäretat bestimmten Grundsätzen.

Es bestreitet diese Summen aus seinen Einnahmen?, trägt also die

Kosten des Heerwesens. — Daraus, daß es den Einzelstaaten diese Summen überweist, folgt zugleich, daß es Militärvermögen hat, daß ein Reichsmilitärfiskus besteht. Notwendigerweise müssen dem Reiche Vermögensmassen zu militärischen Zwecken, eben zur Überweisung an

die Einzelstaaten, zur Verfügung stehen.

den

Die

Einzelstaaten

Einzelstaaten zu verausgaben.

überwiesenen Summen haben nun die

Ihnen liegt die unmittelbare finanzielle

Verwaltungstätigkeit ob, sie ziehen die Rechnungen ein, zahlen die Be­

träge usw.

Daraus könnte man schließen, daß die den Einzelstaaten

überwiesenen Summen in deren Eigentum übergegangen sind. würden

die

Dann

Einzelstaaten durch ihre Verwaltungstätigkeit sich selbst

berechtigen und verpflichten, sie würden vermögensfähige Rechtssubjekte auch in Militärsachen darstellen; neben einem Reichsfiskus würde ein

Landesfiskus bestehen.

Laband? hat diesen Schluß gezogen; er hat

1 Vgl. Meyer, St.R. 702. 2 Soweit die eigenen (Einnahmen des Reiches nicht ausreichen, diese Kosten des Heerwesens zu decken, wird das Defizit durch die dem Reiche von den Einzel­ staaten zufließenden Mairikularbeiträge ausgeglichen:

a 70.

Auf diese Weise ist

die in a 58 geforderte Gleichmäßigkeit in der Verteilung der Heereslasten auf die

Einzelstaaten hergestellt. 3 Laband im Archiv III, 4C9—505; auch Joel, Annalen 1888, 837.

Der Inhaber der Regierungsgewalt.

49

dadurch die Anomalie zu beseitigen gesucht, die er darin fand, daß bei

selbständiger

einzelstaatlicher

Militärverwaltung

kein Landesmilitär­

fiskus, sondern nur ein Reichsmilitärfiskus existieren sollte?

Jedoch

seit dem Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1875 (§§ 151, 149) und seit dem Reichsgesetz über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen

Gebrauch

in

der

Reichsverwaltung

bestimmten

Gegenstände

vom

25. Mai 1873 hat sich nach und nach die gegenteilige Meinung Gel­ tung verschafft; und jetzt ist allgemein anerkannt, daß die den Einzel­

staaten überwiesenen Summen nicht ins Eigentum derselben übergehen,

daß es, abgesehen von Bayerns ausschließlich einen Reichsmilitärfiskus gibt, daß alle zur Militärverwaltung gehörigen Gegenstände dem Reiche gehören, daß das Geld in den Militärkassen Reichsgeld ist, daß durch

die einzelstaatliche Militärverwaltung unmittelbar und

ausschließlich

das Reich verpflichtet und berechtigt wird? Allerdings ist Laband darin recht zu geben, daß bei dieser Auf­ fassung a 67 überflüssig ist, welcher statuiert, daß Ersparnisse aus der

einzelstaatlichen Militärverwaltung dem Reiche zufallen.

Sie gehören

demselben schon an und für sich, da die Einzelstaaten, wenn sie mit unmittelbarer Wirksamkeit für das Reich die militärische Verwaltung

führen, gar nicht eigene Ersparnisse machen können,

a 67 kann dann

nur so erklärt werden, daß die Verfassung auf jeden Fall und in nicht mißzuverstehender Weise zum Ausdruck bringen sollte, daß den Einzel­

staaten die Möglichkeit genommen wäre, auf Kosten der Schlagfertig­

keit ihrer Kontingente finanzielle Vorteile zu erlangen. c) Rechnungslegung: Da die Einzelstaaten mit Ausnahme von

Bayern die Kosten der Militärverwaltung nicht tragen, so wird über die Militärverwaltung auch nicht einzelstaatlichen Organen, ausschließlich

von Preußen,

dem Reiche Rechnung Württemberg und

gelegt.

Die

sondern

Kriegsministerien

Sachsen ziehen zu diesem Zwecke

die schon von den Divisions- und Korpsintendanturen durchgesehenen

Rechnungen zusammen,

unterziehen

sie einer Vorprüfung (der sog.

Rechnungskontrolle) und schicken sie dann dem Reichsschatzamt.

Dieses

1 S. Näheres u. S. 51. In Bayern besteht auch ein Landesmilitärfiskus. 3 So: Schulze II, 264; Meyer, V.N. II, 41; Brockhaus 25; Hänel 510; Gümbel 175, 176; Seydel 353; Denkschrift des Fürsten Bismarck im Archiv III, 150—158; R.G.E. in Zivilsachen XX, S. 148; auch Laband IV, 341 ordnet sich jetzt dieser Meinung unter. Mueller, Militärgewalt.

50

Der Inhaber der Militärgewalt.

stellt die Rechnungen aus den drei Einzelstaaten zusammen und über­

mittelt sie

dem deutschen Rechnungshof, dem dann die

eigentliche

Prüfung (die sog. Verwaltungskontrolle) darüber obliegt, ob die Finanz­ verwaltung gemäß dem Etat und den übrigen Gesetzen vor sich ge­ gangen ist. Das Ergebnis seiner Prüfung fixiert er in einer Denk­ schrift an den Bundesrat und an den Reichstag, nach deren Prüfung (sog. Staats- oder Verfassungskontrolle) beide Organe selbständig den Reichskanzler entlasten? d) Die Rechtsnatur der finanziellen Heeresverwaltung: Wir sehen also, daß die militärische Verwaltungstätigkeit der Einzel­

staaten, insoweit als sie finanziell zurückwirkt, in einem besonderen Ver­ hältnis zum Reiche steht; sie wird durch den Reichsetat näher be­ stimmt, sie verpflichtet und berechtigt das Reich ausschließlich und unmittelbar (Reichsfiskus), über sie wird dem Reiche Rechnung gelegt. Damit ist ein Resultat gefunden, das zu der oben charakterisierten Militärverwaltung, als einer von Landesbehörden im Namen und in Unterordnung unter die Einzelstaaten geführten, in Widerspruch zu stehen scheint. Denn da der Militärfiskus Reichsfiskus ist und die einzelstaatliche Militärverwaltung für Rechnung des Reiches und mit

unmittelbarer Wirkung für das Reich geführt wird, auch über sie dem Reiche Rechnung gelegt wird, so liegt die Folgerung nahe, daß die Militärverwaltung, insoweit sie von finanzieller Wirkung ist, nicht im

Namen der Einzelstaaten, sondern im Nrunen und in Vertretung des Reiches geführt wird. Diese Folgerung ist, rein privatrechtlich ver­

standen,

unzweifelhaft

richtig.

Die

Mehrzahl

der

staatsrechtlichen

Schriftsteller? gehen aber weiter und geben dieser Folgerung einen staatsrechtlichen Sinn. Sie behaupten, daß die Militärbehörden bei

Ausübung derjenigen Militärverwaltung, welche finanzielle Wirkungen äußert, dem Reiche untergeordnet, also nicht Landesbehörden, sondern Reichsbehörden seien. Am schärfsten und klarsten kommt diese Ansicht bei Hänel zum Ausdruck. Nach ihm ist die Militärverwaltung „nicht eine wirtschaftliche Selbstverwaltung der Einzelslaaten, sie ist nur eine organische Gliederung der Reichsfinanzverwaltung, so wie eine Pro1 Vgl. Handwörterbuch der Staatswissenschaften: Rechnungshof und Rechnungskomrolle VI, 317. 2 So: Schulze II, 264; Brockhaus 36, 214; Meyer, V.R. II, 41; Hänel 514—516; Gau 37, 38, allerdings etwas modifiziert.

Der Inhaber der Regierungsgcwalt.

vinzialverwaltung

im

Einheitsstaat."

Auch

51

Laband

hält

diesen

Schluß, der aus der Reichsnatur des Militärfiskus gezogen wird, für richtig; und um ihn eben nicht ziehen zu müssen, leugnet er seine Prä­

misse,

den ausschließlichen Reichsmilitärfiskus,

und

versucht, einen

Landesmilitärfiskus zu konstruieren.

Es kann aber nicht zweifelhaft sein, daß zivilrechtliche Begriffe nicht auf das Staatsrecht übertragen werden können.

unseres Erachtens auch nicht aus der Tatsache,

Darum kann

daß die militärische

Finanzverwaltung für Rechnung und mit unmittelbarer Wirksamkeit für das Reich. geführt wird, gefolgert werden, daß die Militärbehörden

die Finanzverwaltung im Namen des Reiches und in Unterordnung

unter dasselbe, als Reichsbehörden führen, daß die militärische Finanz­

verwaltung Reichsverwaltung ist. Nur dann könnte von der militärischen Finanzverwaltung als von einer Reichsverwaltung gesprochen werden, wenn dem Reiche das höchste Verwaltungsverordnungsrecht bezüglich

der militärischen Finanzverwaltung zustände; nur dann würden die

Militärbehörden in direkter behördenmäßiger Unterordnung unter dem

Reiche stehen. Man könnte nun wohl der Meinung sein, daß dem Kaiser ein

solches Verordnungsrecht zustände, daß der Kaiser die höchste Leitung der militärischen Finanzverwaltung innehätte.

Der Reichskanzler, der

dem Reichstag über die Finanzverwaltung Rechnung zu legen hat, also die Verantwortung für die Einhaltung des Etatgesetzes dem Parlamente

gegenüber trägt, wäre dann infolge seines Rechtes auf Kontrasignatur

der kaiserlichen Verordnungen unzweifelhaft auch in der Lage, für die Rechtmäßigkeit der Finanzverwaltung einzustehen; er stände an der Spitze der die Finanzverwaltung führenden Behörden und wäre mit

unmittelbarem Eingriffsrecht in ihre Tätigkeit begabt. — Dem Kaiser steht ein solches Verordnungsrecht aber nicht zu.

Alle militärischen

Verwaltungsverordnungen, welche sich auf die Unterhaltung des Heeres beziehen, darunter auch

die, welche die Finanzverwaltung betreffen,

gehen von den Landesherren aus und werden von deren Kriegsministern

gegengezeichnet.

Berühren sie den Etat, so

befindet sich allerdings

neben der ministeriellen Kontrasignatur auch die Gegenzeichnung des

Reichskanzlers auf ihnen; denn der Reichskanzler hat diejenigen Ver­ ordnungen des preußischen Königs, welche die Finanzverwaltung an­ gehen, neben dem Kriegsminister, und zwar noch bevor sie den übrigen 4*

52

Der Inhaber der Militärgewalt.

Kontingenten zur Nachverordnung mitgeteilt werden, zu kontrasignieren.' Mer diese Gegenzeichnung des Reichskanzlers macht die Verordnungen keineswegs zu Reichsverordnungen. Sie bleiben Landesverordnungen und werden in den Landesverordnungsblättern publiziert. Infolgedessen

steht

der Reichskanzler auch nicht an der Spitze der militärischen

Finanzbehörden und hat kein unmittelbares Eingriffsrecht in die Ver­

waltungstätigkeit derselben.

Sein Gegenzeichnungsrecht ist nur die

Form, in der er die Kontrolle ausübt, die er notwendigerweise über die militärische Finanzverwaltung haben muß, um später über sie Rech­

nung zu legen? Landesherrliche Verordnungen leiten also die militärische Finanzverwaltung. In Unterordnung und im Namen des Landesherrn werden die Militärbehörden bei der Finanzverwaltung tätig. Ver­ pflichten und berechtigen sie auch durch ihre finanzielle Verwaltungs­ tätigkeit das Reich unmittelbar, so unterscheidet sich doch staatsrechtlich diese ihre Tätigkeit in nichts von der Tätigkeit anderer Landesbehörden. In gleicher Unterordnung unter den Einzelstaat erfüllen sie das Reichs­ etatgesetz, wie z. B. die Justizbehörden die Reichsjustizgesetze. Nur

privatrechtlich handeln sie im Namen des Reiches; staatsrechtlich im

Namen des Einzelstaates. Darum ist auch die finanzielle Militärver­ waltung nicht Reichs-, sondern Landesverwaltung^; allerdings eine Landesverwaltung, die zum Unterschied von anderen Landesverwaltungen

in Stellvertretung des Reichsfiskus handelt. Und wie über jede Landes­ verwaltung, die durch Reichsgesetz geregelt ist, so steht dem Reiche auch über die finanzielle Militärverwaltung die Aufsichtsgewalt zu. Sie ist

es, die dem Reiche, auch ohne daß dem Kaiser oder Reichskanzler ein unmittelbares Eingriffsrecht in diese Verwaltung zusteht, doch die

rechtmäßige Erfüllung des Etatgesetzes garantiert. 1 Vgl. Laband IV, 23.

2 Da der Reichskanzler nicht unmittelbar leitend in die militärische Finanz­ verwaltung eingreifen kann, trifft ihn auch nicht die volle ministerielle Verant­ wortlichkeit für dieselbe.

Er ist nur dafür verantwortlich, daß er die ihm obliegende

Kontrolle über die finanzielle Verwaltungstätigkeit der Militärbehörden ausgeübt und die Einhaltung des Etatgesetzes eventuell mittels der dem Reiche zustehenden

Aufsichtsgewalt erzwungen hat. ^Derselben Meinung: Seydel 350,351,353; Gümbel 156; Laband IV,340,

342; auch die Denkschrift des Reichskanzlers nimmt an, daß die Einzelstaaten „aus­ schließlich und unbeschränkt" (d. h. nicht in Unterordnung unter das Reich) die finan­ zielle Militärverwaltung führen: Archiv f. öf. 91.IV, 155; ebenso R.G.E. ebendort 163.

53

Der Inhaber der Regierungsgemalt.

5. Die Uechtspflege im Keer. Den besonderen Aufgaben des Heeres Rechnung tragend, räumte man schon früher den Militärpersonen eine Sonderstellung gegenüber den anderen Staatsangehörigen, insbesondere eine Sondergerichtsbar­

keit ein.

Während diese sich früher sowohl auf Strafsachen wie auch

auf Zivilsachen erstreckte, hat das Heer seit Anfang des 19. Jahr­

hunderts nur noch eine eigene Strafgerichtsbarkeit.

Militärstrafrecht,

ein

besonderes

Ein besonderes

Militärstrafgericht,

ein besonderer

Militärstrafprozeß dienen der Aufrechterhaltung des militärischen Ge­ horsams, der militärischen Zucht und Disziplin und sollen das Heer

zu seiner Zweckverwendung besonders geeignet erhalten.

Die militärische

Sonderstrafgerichtsbarkeit ist somit als ein Teil der Militärverwaltung, Verwaltung hier im weiteren Sinne gebraucht, anzusehen. von Heeresangehörigen ausgeübt;

Sie wird

die Militärgerichte setzen sich aus

Militärpersonen zusammen, welche in dieser ihrer Rechtspflegetätigkeit

durch

besondere

juristische Berufsorgane, die Auditeure, unterstützt

werden.

Wie nun die Verwaltung zum größten Teil in den Händen der Einzelstaaten liegt, ebenso die Rechtspflege. die Kriegs- und Oberkriegsgerichtsräte;

Der Landesherr ernennt

im Namen des Landesherrn

übt der Gerichtsherr seine Funktionen aus; im Namen des Landesherrn

sprechen die Standes-, Kriegs- und Oberkriegsgerichte Recht; der Landes­ herr hat das Recht, die militärgerichtlichen Erkenntnisse zu bestätigen oder zu verwerfen; er hat auch das Begnadigungsrecht?

An der

Militärgerichtshoheit der Landesherrn kann demnach nicht mehr ge­

zweifelt werden; den Einzelstaaten steht die Militärjustizverwaltung zu; allerdings üben sie gemäß den Konventionen nur die vier Einzel­

staaten mit selbständiger Konüngentsverwaltung aus. Ausführungen des Blockhaus? sind

Die gegenteiligen

genugsam von La band? ad

absurdum geführt. — Erst durch Einführung des Reichsmilitärgerichts

auf Grund der Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898

ist auch das Reich für die Revisionsinstanz, also zu einem Teil Sub­ jekt der Militärgerichtshoheit geworden. 1 Vgl. Militärstrafgerichtsordnung § 93, 418 ff. 2 Brockhaus 128 ff. 3 Laband im Archiv f. äs. R. III, 525; auch Gau 40.

Der Inhaber der Militärgewalt.

54

In der Feststellung

des Inhabers der Rechtspflegegewalt liegt

übrigens eine Bestätigung unserer Ansicht, daß auch für das Heer­ wesen der allgemeingültige Verfassungsgrundsatz Geltung hat, wonach

alle Hoheitsrechte, die nicht ausdrücklich durch die Verfassung dem Die Militär­

Kaiser zugewiesen sind, den Landesherrn verblieben sind.

rechtspflege steht den Einzelstaaten zu, ohne daß dies in der Verfassung

normiert ist.

Aus der Verfassung müssen also nicht die landesherrlichen,

wohl aber die kaiserlichen Rechte nachgewiesen werden.

6. Anhang: Werwattnng der Jestungen. Die rechtliche Natur der Verwaltung der Festungen ist grund­

sätzlich von der des Heeres verschieden.

A. Während

die

Aufstellung

des Heeres zum größten Teile

Landessache ist, liegt nach a 65 die Anlage von Festungen inner­

halb des ganzen Reichsgebietes dem Kaiser ob.

Dieses kaiserliche

Recht ist, abgesehen davon, daß es an die budgetmäßige Bewilligung der dazu erforderlichen Geldmittel durch das Reich gebunden ist, ein

völlig unbeschränktes; kein Einzelstaat hat ein Widerspruchsrecht gegen

eine Anordnung des Kaisers, nach der auf seinem Gebiet eine Festung zu errichten ist.

Das kaiserliche Recht ist auch ein ausschließliches;

kein Einzelstaat kann neben dem Reiche in seinem Gebiete Festungen

bauen. — Mit dem Rechte, Festungen anzulegen, steht dem Kaiser auch die

Befugnis, die Festungsanlagen zu erweitern und abzuändern und weiter

notwendigerweise das Expropriationsrecht und das Recht, die Rayon­ beschränkungen aufzuerlegen, zu.

Das

Expropriationsrecht hat der

Kaiser nach dem in dem betreffenden Einzelstaat erlassenen Gesetz aus­ zuüben; die Auferlegung der Rayonbeschränkungen ist durch das Reichs­ gesetz betreffend die Beschränkungen des Grundeigentumes in der Um­

gebung von Festungen vom 21. Dezember 1871 näher bestimmt. Alle die einzelnen Verwaltungsakte zur Durchführung der Enteignung, zur

Feststellung der Rayonbeschränkungen, überhaupt alle zur Anlage der

Festungen notwendigen staatlichen Funktionen unterliegen dem kaiser­

lichen

Verordnungsrecht \

Die

Militärorgane

üben

dieselben

1 Eine Ausnahme greift Platz bei Bayern und Württemberg.

im

Der Inhaber der Regierungsgewalt.

55

Namen des Kaisers und in Unterordnung unter den Kaiser aus; sie sind insoweit Reichsorgane. B. Ebenso wie die Anlage, so steht auch die Erhaltung der

Festungen unter einem direkten Verordnungsrecht des Kaisers.

Alle

diesbezüglichen Verordnungen des Kaisers sind, ebenso wie die die

Anlage von Festungen betreffenden, Verwaltungsverordnungen und er­ gehen unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers. 0. Die Kosten für Anlage und Erhaltung der Festungen werden

aus Reichsmitteln bestritten. inventar steht darum, wie es

Das mobile und immobile Festungs­ auch

im Reichseigentumsgesetz § 1 i

festgesetzt ist, im Eigentum des Reiches.

gelegten Festungen sind Reichseigentum.

die vor 1867 an­

Auch

Hieraus folgt aber nicht,

daß die Einzelstaaten ihre Territorialhoheit über das Festungsgebiet

verloren haben.

D. Als unbestrittenen verfassungsmäßigen Grundsatz finden wir sonach:

alle Festungen sind Reichsfestungen?

durch a 8.i der Sächsischen Militärkonvention.

Dies

wird bestätigt

Eine Modifikation des

Grundsatzes findet sich nur in der Württembergischen Konvention und in der Vereinbarung bezüglich

der Festung Ulm zwischen Preußen,

Bayern und Württemberg von: 16. Juni 1874. allerdings

obiger Grundsatz überhaupt nicht;

Für Bayern gilt

nach

dem

bayrischen

Bündnisvertrag sind die bayrischen Festungen, im Gegensatz zu den anderen Festungen im Reichsgebiet, Landesfestungen.

Zusammenfassung. Das

Ergebnis unserer Untersuchungen über den Inhaber der

Regierungsgewalt wäre demnach folgendes: Die Regierungsgewalt über die Festungen steht völlig, die Regierungsgewalt über das Heer nur zu

einem Teil dem Reiche zu; so die Formations- und Lokationsgewalt und das Ernennungs- und Beförderungsrecht bezüglich der höchsten

Offiziere.

Im übrigen liegt die Regierungsgewalt über das Heer in

den Händen der Einzelstaaten.

Allerdings wird sie gemäß den in den

1 So auch Seydel 372. Tie einschlägige Literatur findet sich bei: Schulze II, 283; Meyer, V.R. II, 57; Brockhaus 68; Laband IV, 71; Arndt 258; Gümbel 180.

Der Inhaber der Militärgewalt.

50

Konventionen enthaltenen Bestimmungen, welche den verfassungsmäßigen Zustand modifizieren, tatsächlich nur von den vier Einzelstaaten: Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen ausgeübt. Für die übrigen Staaten übt Preußen die Regierungsgewalt aus; dieselben sind aber trotzdem noch als Inhaber der Regierungsgewalt anzusehen,

da sie in den Militärkonventionen nur die Ausübung der Regierungs­ gewalt an Preußen übertragen haben. Soweit die Regierungsgewalt den Einzelstaaten zusteht, üben

sie dieselbe völlig selbständig aus. Die Landesherrn erlassen unter Gegenzeichnung ihrer Kriegsminister die Verwaltungsverordnungen, welche die Tätigkeit der unteren Militärbehörden regeln und leiten. Nur ihnen sind diese Militärbehörden Gehorsam schuldig; nur ihnen sind sie untergeordnet; nur in ihrem Namen werden sie tätig. Das Reich ist nicht berechtigt, weder auf Grund seiner Gesetzgebungs-, noch

auf Grund seiner Aufsichtsgewalt, in diese Verwaltungstätigkeit der Militärbehörden unmittelbar einzugreifen; es hat auf dem Gebiete der einzelstaatlichen Regierungsgewalt kein Verordnungsrecht? Auch dem

Kaiser steht ein solches nicht zu; selbst sein Jnspektionsrecht gewährt ihm, wie wir oben gesehen? kein direktes Eingriffsrecht. — Aber trotz dieser Selbständigkeit bei Ausübung der Regierungsgewalt üben die

Einzelstaaten die ihnen zustehende Regierungsgewalt nur zum Teil im

eigenen Namen und zu eigenem Recht aus. Die Regierungsgewalt ist ein Teil der Militärverwaltung und wird als solche entweder secundum oder praeter legem tätig? Soweit sie sich secundum legem betätigt, also in reiner Gesetzesvollziehung besteht, erfüllt sie den Willen des Gesetzgebers. Gesetzgebungsgewalt in Militärsachen hat aber das Reich, dem außerdem als Garantie für die Durchführung seines Ge­

setzgebungswillens die Aufsichtsgewalt zusteht. Demnach handeln die Einzelstaaten als Inhaber der Regierungsgewalt, insoweit als die

Regierungsgewalt in Gesetzesvollziehung besteht, im Auftrag und Namen des Reichs, als dessen Delegatare, genau so wie auf allen anderen staatlichen Gebieten, auf denen sie Reichsgesetze auszuführen haben; die

in der Regierungsgewalt enthaltenen Verwaltungsrechte sind also in»

1 Vgl. 8 Vgl. ’ Vgl.

o. S. 20. o. S. 21, 22. o. S. 4.

Der Inhaber der Regierungsgewalt.

57

soweit abgeleitete Hoheitsrechte? Nur insoweit als die Regierungs­ gewalt praeter legem tätig wird, also auf Gebieten, auf denen das

Reich auf gesetzliche Regelung verzichtet hat und deren Leitung es den

Einzelstaaten vermittels Verordnungen praeter legem überlassen hat.

ist sie weder der Gesetzgebungs-, noch der Aufsichtsgewalt des Reiches unterstellt; ist also auch keine abgeleitete Gewalt; vielmehr üben in­

soweit die Einzelstaaten die Regierungsgewalt im eigenen Namen und zu eigenem Recht aus. Daraus folgt: Die Einzelstaaten führen die ihnen zustehende Regierungsgewalt gegenüber dem Reiche wohl selbst­

ständig — nur ihnen sind die Militärbehörden untergeordnet —, aber doch nur zum Teil im eigenen Namen und zu eigenem Recht aus. Soweit ihr Verhältnis zum Reich. — In ihrem Verhältnis unter­ einander sind nun die Einzelstaaten als Inhaber der Regierungsgewalt nicht gleichberechtigt, vielmehr nimmt Preußen eine führende Stellung ein. Die Landesherrn der übrigen Einzelstaaten — in Frage kommen auf Grund des durch die Konventionen geschaffenen Zustandes nur Württemberg und Sachsen — können für ihr Kontingent nur dasjenige verordnen, was der König von Preußen für das ©einige verordnet hat und sind nur bezüglich der Bestimmung der äußeren Abzeichen und der Ernennung der Offiziere frei und unbeschränkt. Allein Bayern

ist im Frieden grundsätzlich nicht an die preußischen Verordnungen gebunden. Auf diese Weise ist, ohne daß den Einzelstaaten die Regierungsgewalt genommen und dem Reiche übertragen worden ist, trotzdem eine völlige Gleichmäßigkeit und Einheitlichkeit in der Aus­

übung der Regierungsgewalt durch die Einzelstaaten erzielt worden. Die Einzelstaaten haben ein dem Reiche gegenüber selbständiges Ver­

ordnungsrecht. Das Verordnungsrecht ist aber nur für Preußen und Bayern ein inhaltlich unbeschränktes, für die übrigen Einzelstaaten ein nur formelles. Soweit dem Reiche die Regierungsgewalt zusteht, übt der Kaiser die höchste Verordnungsgewalt unter Kontrasignatur des Reichskanzlers aus. Während aber im Einzelstaat ein Kriegsministerium als höchstes militärisches Verwaltungsorgan besteht, steht dem Kaiser kein besonderes,

höchstes militärisches Verwaltungsorgan, kein Reichskriegsamt, zur Seite; vielmehr übt dessen Funktionen, mangels eines Reichskriegsamtes, 1 Anders Hänel 820; nach ihm üben die Einzelstaaten die Verivaltung im eigenen Namen und zu eigenem Recht aus.

58

Der Inhaber der Mlitärgewalt.

der Reichskanzler mit dem preußischen Kriegsministerium aus.

Das

preußische Kriegsministerium nimmt so eine zweifache Stellung ein; einmal ist es Organ Preußens, also eines Einzelstaates, dann Organ

des Reiches. Diese seine Doppelstellung wird dadurch besonders kompliziert, daß es schon in seiner Eigenschaft als Organ Preußens eine vor allen übrigen Kriegsministerien hervorragende Stellung ein­

nimmt; einmal durch die ihm konventionsmäßig übertragene Verwaltung

der Mehrzahl der Kontingente, dann durch den vorbildlichen Erlaß von Verordnungen für die übrigen noch selbständigen Kontingente,

endlich

dadurch, daß es in zentraler Weise bestimmte Verwaltungs­

zweige, wie das höhere Militärbildungswesen und die technischen Institute, in Händen hat. Ob diese Häufung von Funktionen im

preußischen Kriegsministerium auch jetzt noch beibehalten werden muß, oder ob es besser ist, die reichskriegsamtlichen Funktionen vom preußi­ schen Kriegsministerium loszulösen und ein Reichskriegsamt zu bilden,

ist eine Frage, die von uns nicht erörtert werden soll. Bemerkt soll nur werden, daß allerdings die zu steter Erweiterung der Reichs­ kompetenz hinneigende Entwickelnngstendenz im Deutschen Reiche auf die Bildung eines Reichskriegsamtes hinzuschreiten scheint und daß eine solche Bildung die staatsrechtliche Stellung der landesherrlichen Kriegs­

ministerien nicht mehr beeinflussen würde, als wie z. B. die einstige Schaffung des Reichsjustizamtes die Stellung der Landesjustizmini­

sterien. Die Regicrungsgcwalt ist also zwischen Reich und Einzelstaaten geteilt. Dieser Teilung entspricht auch eine Zweiheit der unteren Militärverwaltungsbehörden. Sie sind Reichs- oder Landesbehörden, je nachdem ihre Funktionen in das Kompetenzgebiet des Reiches oder

des Einzelstaates fallen, je nachdem sie also dem Reiche oder dem Einzelstaat untergeordnet sind? Ja, es ist auch denkbar, daß eine Be­ hörde sowohl Reichsbehörde, wie auch Landesbehörde ist; und das ist der Fall, wenn sie nicht nur im Kompetenzgebiet des Reiches, sondern auch des Einzelstaates tätig ist. Dieser Teilung entsprechend ist weiter dem Reichstag und ebenso den einzelstaatlichen Volksvertretungen die Kontrolle der Militärverwaltung und das Recht der Initiative in Militürsachen zuzusprechen. 1 Bgl. Laband I, 340—42.

59

Der Inhaber der Kommandogewalt.

IV. Der Inhaber der Kommandogewalt.

1. Wegriff imd Wesen der Kommandogewakt. Wir haben die militärische Vollzugsgewalt in Regierungsgewalt und Kommandogewalt geteilt und verstehen unter „Kommandogewalt"

den auf die Zwecktätigkeit des Heeres bezüglicheu Teil der militärischen Vollzugsgewalt?

„Zwecktätigkeit des Heeres"

nennen wir diejenige

Heerestätigkeit, die in der Ausübung des Waffenhandwerkes besteht, und die entweder zur Erlernung des Waffenhandwerkes, zur Ausbildung und

Vervollkommnung in demselben dient oder unter Entfaltung von Waffen­

gewalt zur Vernichtung äußerer und innerer Feinde des Staates vor­ genommen wird.

Gegenstand der Kommandvgewalt ist danach jegliche

Tätigkeit des Heeres zu Ausbildungs-, Kriegs- und Polizeizwecken? Die Kommandogewalt ist nun insofern besonders geartet, als das

in ihr enthaltene Befehlsrecht, das die Zwecktätigkeit des Heeres aus­ löst und leitet, einen besonderen, dasselbe von allen anderen staatlichen Befehls- und Hoheitsrechten unterscheidenden, Charakter an sich trägt.

Diesen besonderen Charakter zeigen auch die aus diesem Befehlsrecht

sich herleitenden Befehle,

die sogenannten militärischen Befehle^, zu

welchen z. B. die Armeebefehle,

Divisionsbefehle,

Regimentsbefehle,

Bataillonsbefehle, die Befehle des Kompagnieführers, des ausbildenden

Gefreiten, wie auch die Exerzierreglements, die Felddienstordnungen, Wachvorschriften und Schießinstruktionen gehören.

Die Eigentümlichkeit des militärischen Befehlsrechtes besteht einmal

darin, daß es nicht wie das übrige Verwaltungsbefehlsrecht durch Ge­ setze normiert und in bestimmten Schranken gehalten wird; es gibt keine Militärgesetze, die dieses Befehlsrecht zu berücksichtigen hätte.

Denn die Zwecktätigkeit des Heeres, die durch die militärischen Befehle bestimmt und geleitet wird,

ist nach den jeweiligen dem Heere zu­

geteilten Aufgaben, nach den jeweiligen Verhältnissen verschieden; sie kann also nicht durch Gesetz festgelegt sein.

Aber nicht nur materiell, auch formell ist das militärische Befehls­

recht unbeschränkt.

Die militärischen Befehle müssen schnell gegeben

1 Ähnlich: Meyer, V.R. II, 35, 40, 55; Hänel 472; Bornhak 39.

2 Näheres darüber s. u. S. 64—67. 8 Vgl» Hecker in v. Stengels Wörterb. I, 145; Hänel 473.

60

Der Inhaber der Militärgewalt.

werden und darum muß dem Militärbefehlshaber bezüglich der Form

der Befehle volle Entschlußfreiheit gewährt sein.

Es hieße das Befehls­

recht völlig lahm legen, wollte man die Gültigkeit eines militärischen

Befehls von dem Vorhandensein bestimmter Formerfordernisse abhängig machen.

So ist für das militärische Befehlsrecht keine bestimmte Form

vorgeschrieben;

auch die Armeebefehle, als die höchsten militärischen

Befehle, ergehen formlos; sie brauchen nicht von dritten Personen ge­

nehmigt und gegengezeichnet zu werden. Endlich verpflichtet das militärische Befehlsrecht das Heer zum unbedingten Gehorsam.

Das Heer ist dasjenige Staatsorgan, das

der Staatsgewalt zur Durchsetzung ihres Willens im äußersten und letzten Falle zur Verfügung steht.

Es muß darum der Staatsgewalt

die unbedingte Befolgung der militärischen Befehle, die am letzten Ende zur Durchsetzung ihres Willens dienen, gewährleisten und ist so zum

unbedingten Gehorsam gegen die Befehle der militärischen Vorgesetzten

verpflichtet. Die unbedingte Gehorsamspflicht bedeutet, daß die Militär­ personen nicht, wie sonst die Beamten, das Recht haben, die Befehle ihrer Vorgesetzten auf ihre Rechtmäßigkeit nach Inhalt und Form

und Kompetenz des Befehlenden zu prüfen und bei Unrechtmäßigkeit derselben den Gehorsam zu verweigern; daß sie vielmehr verpflichtet sind, den Befehlen ihrer militärischen Vorgesetzten auf jeden Fall Folge

zu leisten.

Diesen unbedingten Gehorsam verlangen nun im Grunde

nur die militärischen Befehle der Militärbefehlshaber, nicht ihre Verwaltungsbefehle.

Derselbe ist aber auf alle Befehle der militärischen

Vorgesetzten ausgedehnt worden, da es oft sehr schwer ist, die mili­ tärischen Befehle von den nichtmilitärischen Befehlen zu unterscheiden

und da erstere auf jeden Fall befolgt werden müssen.

Die Militär­

personen müssen also alle Befehle ihrer Militärbefehlshaber unbedingt befolgen, auch wenn die Befehle inhaltlich keine militärischen Befehle sind, sondern z. B. sich auf Verwaltungsangelegenheiten beziehen und somit

als solche eigentlich nicht unbedingten Gehorsam erfordern. Alle Befehle von militärischen Vorgesetzten sind von den Untergebenen als militärische

Befehle anzusehen, die unbedingt zu befolgen sind; die Militärpersonen

müssen denselben auch bei unrechtmäßigem Inhalt oder bei nicht vor­ handener Kompetenz des befehlenden Militärbefehlshabers gehorchen. 9tur ausnahmsweise sind sie vom Gehorsam entbunden, wenn sie wissen, daß der Befehl ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen oder

61

Der Inhaber der Kommandogewalt.

Vergehen bezweckt: § 47 des Militärstrafgesetzbuches. — Diese un­

bedingte Gehorsamspflicht

gilt gleicherweise für

alle Personen des

Soldatenstandes und erleidet nur bezüglich der Militärbeamten eine

Modifikation?

Auch sie müssen allen Befehlen

ihrer militärischen

Vorgesetzten? Gehorsam leisten; aber sie sind berechtigt und verpflichtet,

vor Befolgung der Befehle die Kompetenz des Befehlenden und die Rechtmäßigkeit von Form und Inhalt der Befehle zu prüfen und bei Unrechtmäßigkeit

derselben Gegenvorstellungen zu erheben.

Erst

nach Zurückweisung dieser Vorstellungen müssen sie die Befehle befolgen.

Das militärische Befehlsrecht und somit auch gewalt bedeutet also

die Kommando­

ein materiell und formell unbeschränktes und

besonders garantiertes Verfügungsrecht über das Heer.

Die Militär­

personen, als die aus dem Befehlsrecht Verpflichteten, stehen in einem besonders verschärften personenrechtlichen Gewaltverhältnis, das ihre

völlige Unterwerfung unter den Willen der Staatsgewalt zum Inhalt hat und das in dieser seiner Art nur einem einzigen Staatsorgan, dem Heere, bei seiner einzig gearteten Tätigkeit, als höchstes und letztes

Machtmittel der Staatsgewalt

deren

Willen

zur

Durchsetzung

zu

bringen, eigentümlich ist?

2. Der Inhaber der Kommandogewakt. A. Inhaber des militärischen Befehlsrechtes ist jeder militärische

Vorgesetzte.

Personen

Er ist berechtigt, allen ihm im Range untergeordneten

des Soldatenstandes

Befehle

zu

erteilen.

Da

er

aber

1 Vgl. Meyer, V.R. II, 143; Hecker 149. 2 Die Militärbeamten sind, wie wir oben gesehen, sowohl den besonderen

Militärverwaltungsbehörden, wie auch den Militärbefehlshabern untergeordnet.

Den

Befehlen ihrer amtlichen Vorgesetzten sind die Militärbeamten aber niemals un­ bedingten Gehorsam schuldig.

Deren ^Befehle sind keine militärischen Befehle, die

unbedingten Gehorsam erfordern, kein Ausfluß der Kommandogewalt, sondern stets nur der Regierungsgewalt.

Für sie gilt im Interesse einer gesetzmäßigen Heeres­

verwaltung das allgemeine Prüfungs- und das Gehorsamsverweigerungsrecht bei Unrechtmäßigkeit des Befehls. 3 Das Recht,

Gegenvorstellungen zu erheben, wird z. B. praktisch, wenn

ein Befehl des militärischen Vorgesetzten, der sich auf die Heeresverwaltung und nicht auf die Zwecktätigkeit des Heeres bezieht, gegen Verwaltungsnormen verstößt;

Weiler, wenn eine als Ausfluß der Regierungsgewalt der Gegenzeichnung bedürftige Verordnung nicht gegengezeichnet, also ungültig ist.

4 Vgl. Hänel 274.

62

Der Inhaber der Militärgewalt.

andererseits den Befehlen seines Vorgesetzten Gehorsam schuldet, übt

er sein Befehlsrecht nur in Ableitung von seinem Vorgesetzten und im Namen desselben aus; so der Gruppen führende Gefreite im Namen des Zug führendeu Leutnants, dieser im Namen des Kompagnieführers und so fort. Schließlich geht alles militärische Befehlsrecht auf den Inhaber des höchsten militärischen Befehlsrechtes zurück und dies ist nach a 63 der deutsche Kaiser. Er ist der höchste Befehlshaber in der kunstvoll gegliederten militärischen Hierarchie; der einzige, der keinem anderen Befehlshaber nebengeordnet oder untergeordnet ist. Sein Armeebefehl löst das Befehlsrecht aller anderen Militärbefehls­ haber aus, setzt das Heer in Tätigkeit und leitet es bei dieser seiner Tätigkeit. Der Kaiser ist also der Inhaber der Kommandogewalt, der höchste und absolute Willensträger im Heeresorganismus. Von ihm leitet sich jegliches militärische Befehlsrecht ab, in seinem Namen wird es ausgeübt?

Eine Ausnahme

ist allein für das bayrische

Kontingent statuiert, bezüglich dessen das kaiserliche Befehlsrecht auf den Krieg beschränkt ist. Unmittelbar untergeordnet sind dem Kaiser die Armeeinspekteure und die Korpskoinmandeurs; an sie ergehen die kaiserlichen Armee­ befehle direkt; sie sind dem Kaiser unmittelbar für die Ausführung seiner Befehle, für die Ausbildung und den kriegstüchtigen Zustand der ihnen unterstellten Truppen und für die kriegerische Leitung der­

selben verantwortlich.

Vom kommandierenden General zweigen sich

dann in strikter Unterordnung unter denselben alle übrigen Befehls­ haberstellen innerhalb seines Armeekorps ab. Zur unmittelbaren Wahrnehmung der zentralen Befehlsgeschäfte steht dein Kaiser das Militärkabinett und der große Generalstab zur Seite. Den kommandierenden Generälen ist das Generalkommando beigeordnet, das sich aus dem Generalstab mit der Adjutantur, aus der Korpsintendantur, dem Korpsauditeur, dem Korpsgeneralarzt, dem Militäroberpfarrer und dem Korpsroßarzt zusammensetzt, und das nach

den Anordnungen des kommandierenden Generals die sämtlichen Korps­ geschäfte führt. Der Korpskommandeur hat also nicht nur die Hand­ habung des militärischen Befehls, sondern auch die Leitung der Armee­ verwaltung für das betreffende Armeekorps; in ersterer Hinsicht ist er

1 So Hänel 501.

Der Inhaber der Kommandogewalt.

63

dem Kaiser, in letzterer ist er, wie oben gesagt, dem Kontingentsherrn und dessen Kriegsministerium unterstellt.

B. Nach a 63.i hat nun der Kaiser, als Inhaber der Kommando­

gewalt, die Zwecktätigkeit des Heeres in Krieg und Frieden zu leiten, also sowohl die Tätigkeit zu Kriegs- wie auch zu Ausbildungs- und Polizeizwecken.

Von diesem Grundsatz ist in der Verfassung selbst

(a 66.2) eine Ausnahme aufgestellt. Bezüglich der Tätigkeit des Heeres zu Polizeizwecken ist nämlich zu unterscheiden, ob der Kriegszustand

erklärt ist oder nicht.

Während das militärische Befehlsrecht über das

Heer zu Ausbildungs- und zu Kriegszwecken ausschließlich dem Kaiser

zusteht, hat er ein militärisches Befehlsrecht zu polizeilichen Zwecken nur, wenn er nach a 68 in einem Bundesgebiet

den Kriegszustand

erklärt hat; ist der Kriegszustand nicht erklärt worden, hat der Landes­

herr gemäß a 66.2

die Kommandogewalt zu polizeilichen Zwecken?

Allerdings steht dem Landesherrn das militärische Befehlsrecht nur über die eigenen Truppen zu; betreffs der fremden, in seinem Gebiet

dislozierten Truppen hat er allein das Recht, dieselben zur Hilfe­ leistung zu requierieren und leisten diese dann unter ihrem Militär­ befehlshaber die ersuchten Dienste?

Abgesehen von diesem militärischen Befehlsrecht zu polizeilichen Zwecken steht dem Landesherrn kein selbständiges militärisches Be­

fehlsrecht zu.

Sein Recht, die Offiziere seines Kontingents selbständig

zu ernennen, ist nicht etwa ein solches Recht; es ist überhaupt kein

militärisches Befehlsrecht, kein Ausfluß der Kommandogewalt, sondern

der Regierungsgewalt, wie wir schon oben gesehen haben? Man könnte nun meinen, daß dem Landesherrn auf den Gebieten

des kaiserlichen militärischen Befehlsrechts vielleicht ein dem Kaiser untergeordnetes, von diesem abgeleitetes

sei.

Befehlsrecht übertragen

Doch dies liegt nicht im Sinne der Verfassung.

Die Stellung des

Landesherrn als Souverän und seine Unverantwortlichkeit als solcher

1 Hänel 506 betrachtet fälschlich das landesherrliche Recht der Verwendung der Truppen zu polizeilichen Zwecken, nicht als ein militärisches Befehlsrecht. — Richtig: Seydel 377; Gümbel 178; Bornhak 41; Gau 23. 8 So: Bornhak 42; Gau 22. Anders: Brockhaus 107, der fälschlich die Verwendung der eigenen Truppen und die Requirierung der fremden Truppen nicht unterscheidet. 3 S. o. S. 40, Anm.

64

Ter Inhaber der Militärgewalt.

verträgt weder die mit jedem militärischen Befehlsrecht notwendiger­

weise verbundene Unterordnung unter

den

kaiserlichen Armeebefehl,

noch die aus solchem Befehlsrecht ebenfalls resultierende Verantwort­

lichkeit für die richtige Ausübung des Befehlsrechtes.

haus * hat dies klar und treffend

ausgeführt.

Schon Brock­

Führt trotzdem in

Wirklichkeit ein Landesherr ein militärisches Kommando, so ist dies

Aber nicht nur dies,

staatsrechtlich als höchst bedenklich anzusehen.

auch politisch gibt es zu ernsten Bedenken Anlaß; die Kollision der aus dem Kommando folgenden Pflichten der Unterordnung und der

Verantwortung mit der verfassungsmäßigen Stellung des Landesherrn als unverantwortlicher Souverän kann zu höchst unliebsamen Kon­

sequenzen führen.

3. Gegenständliche Abgrenzung der Kommandogewakt von der Hlegiernngsgewatt. Die von uns vorgenommene Bestimmung des Gegenstandes der

Kommandogewalt2 beruht nicht auf einer gesetzlichen Fixierung.

Weder

die Verfassung noch Gesetze enthalten etwas darüber.

Praxis

hat allein ein Gewohnheitsrecht8 ausgebildet.

Die

Aber da dieses Gewohn­

heitsrecht den Gegenstand des Armeebefehls, des höchsten Ausflusses

der Komniandogewalt, wie wir oben gesehm haben8, nicht bestimmt, so kaun es auch nicht den Gegenstand der Kommandogewalt bestimmen

und denselben von dem Gegenstand der Regierungsgewalt abgrenzen. Auch in der Literatur ist bisher die Frage nach der gegenständlichen Abgrenzung

der Kommandogewalt

gestreift? — Nun kann allerdings gewalt nicht

im

einzelnen

von

der

Regierungsgewalt

nur

der Gegenstand der Kommando­

gesetzlich

fixiert

werden,

da

die der

Kommandogewalt unterliegende Heerestätigkeit sich nach den jeweiligen

Verhältnissen richtet und ganz verschieden ist; wohl aber läßt sich die Kommandogewalt betreffs ihres Gegenstandes im allgemeinen um­

schreiben und gegenüber der Regierungsgewalt abgrenzen, und zwar

ergibt sich diese Abgrenzung aus dem Wesen der Kommandogewalt. Wir

haben oben gesehen,

daß die Kommandogewalt besonders

1 Brockhaus 100—102. 2 S. o. S. 59. 3 4S. * * o. S. 33, 34. 4 Vgl. Thudichum 92. Von einigen Schriftstellern wird die Möglichkeit prinzipieller Abgrenzung von Regierungs- und Kommandogewalt verneint: Zorn I. 302; Laband IV, 35.

65

Der Inhaber der Kommandogewalt.

geartet ist; daß der militärische Befehl, der sich als Ausfluß der Kommandogewalt darstellt, an keine Form gebunden

unbedingter Gehorsam geschuldet wird. nun nur deswegen

so geartet,

ist,

daß ihm

Dieser militärische Befehl ist

weil er eine Tätigkeit des Heeres

regelt, die an dem sie regelnden Befehl einerseits keine Form verträgt, andererseits unbedingten Gehorsam gegen denselben verlangt.

Inhalt

des militärischen Befehls und damit Gegenstand der Kommandogewalt kann also nur diejenige Tätigkeit des Heeres sein, welche an dem sie leitenden Befehl keine Form verträgt und unbedingten Gehorsam gegen

denselben

Solche Erfordernisse stellt

verlangt.

aber

nur diejenige

Heerestätigkeit, durch welche das Heer seine Aufgabe erfüllt, als letztes

und höchstes Machtorgan der Staatsgewalt, deren Willen gegen Wider­ strebende — seien es nun innere oder äußere Feinde — zur Durch­

Nur diese Heerestätigkeit unterscheidet sich von

setzung zu bringen.

der Tätigkeit der übrigen Staatsorgane und bedarf zu ihrer Durch­ führung

einer besonderen Garantie, wie sie in der eigentümlich ge­

arteten Befehlsgewalt mthalten ist.

Wir haben sie die „Zwecktätigkeit"

des Heeres genannt; sie besteht in der Ausübung des Waffenhandwerks; das Waffenhandwerk übt aber das Heer ebenso wie zu Kriegs- und

Polizei-, so auch zu Ausbildungszwecken aus.

Die Zwecktätigkeit des

Heeres in dem Sinne, wie wir oben gezeigt haben, ist also der Gegen­ stand der Kommandogewalt.

Diese von uns vorgenommene Begrenzung des Gegenstandes der Kommandogewalt stellt sich in Gegensatz zu der bestehenden staats­

rechtlichen Literatur, soweit diese überhaupt eine solche Begrenzung

versucht hat.

Unbestritten ist allein, daß die Zwecktätigkeit des Heeres

im Kriege unter die Kommandogewalt fällt.

Im übrigen faßt man

den Gegenstand der Kommandogewalt teilweise enger, teilweise weiter.

So scheidet GümbM die Tätigkeit des Heeres zu Ausbildungszwecken aus dem Gegenstand der Kommandogewalt aus und rechnet sie zur

Regierungsgewalt.

Die Tätigkeit des Heeres zur Ausbildung ist aber

ganz gleichgeartet der Tätigkeit des Heeres im Kriege.

Das Heer ist

die Bildungsschule der Nation für den Krieg; es muß das Waffen­

handwerk nach denselben technischen Regeln, nach

denen es dasselbe

im Ernstfälle zu vollziehen hat, schon im Frieden ausbildungshalber

1 Gümbel 178. Mueller, Militärgewalt.

66

Der Inhaber der Militärgewalt.

ausüben; es muß von denselben Befehlen, die es im Ernstfälle zum Kanipfe führen, schon im Frieden geleitet werden.

Es ist darum auch

nicht angängig, die Tätigkeit des Heeres im Kriege unter die Kom­ mandogewalt, die Tätigkeit des Heeres im Frieden zu Ausbildungs­

zwecken unter die Regierungsgewalt zu subsumieren.

Gegenstand der

Kommandogewalt ist vielmehr ebenso wie die Ausübung des Waffen­

handwerks für Kriegszwecke, so auch die Ausübung des Waffenhand­ werks für Ausbildungszwecke. — Weiter gehört unter die Kommando­ gewalt auch die Tätigkeit des Heeres zu polizeilichen Zwecken; denn

das Heer übt auch, wenn es die Polizeiorgane unterstützt, das Waffen­ handwerk nach gleichen militär-technischen Grundsätzen aus. — Laband* sieht außerdem auch die Organisierung (nach ihm bedürfen z. B. die

Verordnungen in Personalangelegenheiten nicht der Gegenzeichnung^),

Formierung und Lozierung des Heeres als Gegenstand der Kommando­ gewalt

an.

Die Organisierungs-,

Formierungs- und Lozierungs-

tätigkeit ist aber keine Tätigkeit, durch welche das Heer seine eigen­

tümliche Aufgabe erfüllt; sie unterscheidet sich in nichts von sonstiger Organisierungstätigkeit des Staates, bedarf also auch nicht einer be­ sonderen Befehlsgewalt und ist darum nicht Gegenstand der Kommando­

gewalt, vielmehr der Regierungsgewalt.

Ob

es nun ratsam ist, die Grenze zwischen Kommando- und

Regierungsgewalt in der von uns oben ausgeführten Weise gesetzlich

zu fixieren, ist eine gesetzgebungspolitische Frage, deren Entscheidung nicht in den Rahmen dieser Arbeit gehört.

daß durch

Bemerkt soll nur werden,

eine solche Fixierung endgültig festgelegt werden würde,

welche Gebiete durch Armeebefehl und welche durch Armeeverordnung zu regeln sind; anders ausgedrückt, welche Anordnungen in der Form

der Armeeverordnung,

also mit Gegenzeichnung, und welche in der

Form des Armeebefehls, also ohne Gegenzeichnung, zu ergehen haben. Erginge dann eine als Ausfluß der Regierungsgewalt gegenzeichnungs­

bedürftige Anordnung ohne Gegenzeichnung, also nicht in der Form

der Armeeverordnung, sondern als Armeebefehl, so wäre dieselbe vom

rechtlichen Standpunkte ungültig.

Allerdings ist zuzugeben, daß sie

infolge der unbedingten Gehorsamspflicht der Militärpersonen gegen

den Befehl eines militärischen Vorgesetzten faktisch wirksam sein würde;

1 Laband IV, 36.

1 Bgl. o. S. 40, Anm.

Die Rechtsnatur der Militärgewalt.

67

denn das Heer hat jeden Befehl eines militärischen Vorgesetzten un­ bedingt zu befolgen;

es kann ihn nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin

prüfen und bei Unrechtmäßigkeit den Gehorsam gegen denselben ver­ weigern. — Faktisch würde die Fixierung der Grenze zwischen Kom­ mando-

und

Regierungsgewalt nur die Wirkung

haben, daß der

Reichskanzler, der verpflichtet ist, die die Heeresverwaltung betreffenden Anordnungen des Kaisers gegenzuzeichnen als Beweis dafür, daß er

sie gutheißt, auch wirklich dafür verantwortlich zu machen wäre, wenn er dieser Pflicht nicht nachkommt.

Gegenstandes

Ohne rechtliche Feststellung des

der Kommandogewalt kann die Gegenzeichnung

einer

gegenzeichnungsbedürftigen Anordnung unterbleiben, ohne daß dafür der Reichskanzler zur Verantwortung gezogen werden kann; und "damit

sind Verordnungen der Kontrolle entzogen, deren Natur, anders als die der Armeebefehle, gar nicht den Wegfall der Kontrolle nötig macht,

vielmehr eine Kontrolle erfordert.

Dritter Teil. Das

Resultat.

I. Die Kechtsnatur der Militärgewalt. Es ist in der Staatsrechtswissenschaft allgemein anerkannt, daß sowohl das Reich, wie auch die Einzelstaaten militärische Funktionen

zu erfüllen haben, daß sowohl das Reich, wie auch die Einzelstaaten an der Ausübung der Militärgewalt beteiligt sind.

Im Zweifel ist

man aber über das Verhältnis, in dem die Reichsgewalt und die

Einzelstaatsgewalten

bei

Ausübung

der

Militärgewalt zueinander

stehen; und darum herrscht Streit über den Inhaber der Militärgewalt. Der jetzige Standpunkt der Streitfrage ist der, daß man immer eine der beiden Gewalten, entweder die Reichsgewalt oder die Einzelstaats­

gewalt, als den einzig berechtigten und ausschließlichen Inhaber der

Militärgewalt ansieht, welcher der anderen Gewalt übergeordnet ist

und von dem die andere Gewalt ihre Befugnisse ab leitet; so plädiert 5*

Tas

68

Resultat.

man entweder für eine Militärhoheit des Reiches' oder eine solche

der Einzelstaaten? Nach der ersten Ansicht sind die militärrechtlichen Befugnisse den

Einzelstaaten nur zur Ausübung vom Reiche übertragen worden. Die Einzelstaaten leiten danach ihre Rechte vom Reiche ab; sie fun­

gieren nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Reiches als dessen Repräsentanten und Organe31,42und 5 sind dem Reiche untergeordnet.

Diese Ansicht stützt sich hauptsächlich auf die Tatsache, daß dem Reiche die Militärgesetzgebung zusteht, weiter auf die Behauptung, daß die

Wehrpflicht dem Reiche geleistet wird, daß dem Reiche die Dienst­

herrlichkeit über das Heer gehört. Mit Recht wird dagegen von den Vertretern der Gegenmeinung,

die umgekehrt die ausschließliche Militärhoheit den Einzelstaaten zu­

sprechen,

angeführt, daß

die Gesetzgebungskompetenz des Reiches in

Militärsachen einer Militärhoheit der Einzelstaaten ebensowenig wider­ spreche, wie die Reichsgesetzgebungskompetenz in Justizsachen der Justiz­ hoheit der Einzelstaaten? Beharre man aber auf dem entgegengesetzten

Standpunkte, so

dürfe man auch keine bayrische Militärhoheit an­

nehmen, da auch das bayrische Kontingent der Reichsgesetzgebung unter­

stehe? — Eigentümlicherweise berufen sich nun die Anhänger einer

einzelstaatlichen Militärhoheit ebenfalls auf die Dienstherrlichkeit, da

sie umgekehrt die Dienstgewalt über das Heer nicht dem Reiche, son­ dern den Einzelstaaten zusprechen.

Sie sagen, das militärische Dienst­

verhältnis der Truppen wird durch den Kontingentsherrn begründet; der Kontingentsherr sei darum der Dienstherr; ihm seien sowohl Mann­

schaften wie Offiziere zu Treue und Gehorsam verpflichtet.

Der Ge­

horsam gegen den Kaiser sei in der Gehorsamspflicht gegen den Landes­ herrn enthalten, sei ein Bestandteil der Treu- und Dienstverpflichtung

1 So: Thudichum 87 ff.; Meyer, V.R. II, 38; Zorn 1. Ausl., I, 308; Schulze II, 253; v. Kirchenheim 344; Brockhaus 214; Bornhak 39; Hänel 531; Arndt 252; Gau 80. 2 So: Seydel in Hirths Ann. 1875, 1396; Seydel, Kom. 310; Labanb IV, 54, 67; Hecker 374; Gümbel 166; Denkschrift des Fürsten Bismarck im Archiv f. ö. R. IV, 150; Reichsgerichtsentscheidung in Zivils. XX, 148. 3 Vgl. Meyer, V.R. II. 41; Bornhak 36. 4 Vgl. Gümbel 155. 5 Laband im Archiv f. ö. R. III, 497; Laband IV, 56, Anm. 4.

69

Die Rechtsnatur der Militärgewalt.

gegen den Landesherrn.

Der Landesherr sei also der Träger der

Militärgewalt; von ihm leite der Kaiser sein Befehlsrecht ab. Unsere Ansicht ist, daß die Dienstgewalt, ganz gleichgültig, wen

man als ihren Inhaber ansieht*, zur Entscheidung der Frage, ob dem Reiche oder den Einzelstaaten die Militärhoheit zuzusprechen ist, über­

haupt nicht in Betracht kommen kann.

Die Dienstgewalt ist nur ein

Teil der Militärgewalt; sie kann, da wir unter Militärhoheit die Ge­ samtheit der Militärgewalt verstehen, unmöglich den Sitz der Militär­ Die Frage kann allein dadurch entschieden werden,

hoheit bestimmen.

daß man alle in der Militärgewalt enthaltenen Hoheitsrechte auf ihren Inhaber hin untersucht und feststellt, ob dem Reiche allein oder auch den Einzelstaaten solche Hoheitsrechte zukommen.

Auf diese Weise haben wir durch den zweiten Teil unserer Arbeit die Frage zu lösen versucht.

Als maßgebend für den Sitz

eines

Militärhoheitsrechtes haben wir die Jnnehabung eines selbständigen, höchsten Befehlsrechts in Militärsachen angesehen und haben so ge­

funden, daß das Reich (es hat die Gesetzgebungs- und Aufsichtsgewalt, die Kommando- und einen Teil der Regierungsgewalt) im Besitze

von Militärhoheitsrechten sich befindet, daß aber auch den Einzelstaaten der Besitz von Militärhoheitsrechten nicht völlig abzusprechen ist; denn die

Einzelstaaten sind

gierungsgewalt.

höchste Inhaber des anderen Teiles der Re­

Die Regierungsgewalt ist nun wohl ein Teil der

Vollziehungsgewalt, als solche vom Gesetz abhängig und dem Gesetz­ geber, also

haben,

geht

dem Reiche, untergeordnet.

die Vollziehungstätigkeit

Aber wie wir schon gesagt über

bloße

Gesetzeserfüllung

hinaus?; nicht die Gesamtheit der Vollziehungsakte kann durch Gesetz fixiert und festgelegt werden.

Soweit die Vollziehungstätigkeit nicht

durch Gesetz geregelt ist, ist auch die Vollziehungsgewalt nicht der Gesetzgebungsgewalt

untergeordnet;

vielmehr

übt

sie insoweit ihre

Funktionen selbständig aus und leitet die Verwaltungstätigkeit der

unteren Verwaltungsorgane durch

„Verordnungen

praeter legem".

Dementsprechend ist auch die militärische Regierungsgewalt, insoweit

als die militärische Verwaltung nicht durch die Militärgesetze geregelt

ist, selbständig.

Die Einzelstaaten als Inhaber der Regierungsgewalt

1 Näheres über den Inhaber der Dienstgewalt s. u. S. 74 ff.

2 S. o. S. 4, 56.

Das Resultat.

70

sind also bezüglich der nicht durch Gesetz geregelten Militärverwaltung auch nicht

dem Reiche,

untergeordnet;

als dem Inhaber der Gesetzgebungsgewalt,

vielmehr steht ihnen zur Leitung dieser Verwaltung

ein Verordnungsrecht praeter legem zu, wie wir schon oben fest­

gestellt haben.

Dieses Verordnungsrecht üben sie nicht im Namen

des Reiches als dessen Organe aus, sondern im eigenen Namen und aus eigenem Rechte.

Wenn ihr Verordnungsrecht sich auch inhaltlich

nach den preußischen Verordnungen richten muß, so ist es doch dem

Reiche gegenüber völlig frei und unbeschränkt; die betreffenden Ver­ ordnungen sind landesherrliche Verordnungen und sind den Reichs­ gesetzen gegenüberzustellen; das Reich hat keinen unmittelbaren Einfluß auf dieselben.

In der den Einzelstaaten zustehenden Regierungsgewalt

ist also ein selbständiges höchstes Befehlsrecht enthalten und das be­ deutet, daß auch den Einzelstaaten Militärhoheit zusteht. Danach ist das Reich nicht alleiniger und ausschließlicher Inhaber

der Militärhoheit; auch die Einzelstaaten befinden sich im Besitze von Militärhoheit.

Das Reich hat die Gesetzgebung und Beaufsichtigung

bezüglich des Militärwesens; in die Vollziehung teilt es sich mit den Einzelstaateu.

Und zwar liegt der eine Teil der Vollziehung, die

Kommandogewalt, (wir wollen jetzt absehen von dem landesherrlichen Recht der Verwendung der Truppen zu polizeilichen Zwecken und von

dem bayrischen Sonderrecht) ausschließlich

dem Kaiser ob, während

der andere Teil, die Regierungsgewalt, wenn auch nicht ausschließlich,

so doch zum größten Teil sich in den Händen der Landesherrn be­ findet.

So haben die Landesherrn die Organisierung und Unter­

haltung des Heeres, wie auch die Rechtspflege im Heer; der Kaiser hat nur die Formierung und Lozierung des Heeres und ein Ernennungs­

recht bezüglich der höchsten Offiziere. Ist nun auch der eine Teil der den

Einzelstaaten

zustehenden

Regierungsgewalt von der Gesetzgebungs­

gewalt abhängig und wird im Namen des Reiches geübt, so ist doch der übrige Teil der Regierungsgewalt frei von dieser Abhängigkeit und

wird, wie wir gesehen haben, von den Einzelstaaten im eigenen Namen und zu eigenem Rechte ausgeübt.

Es sind demnach zwei Militär­

gewalthaber vorhanden, das Reich und der Einzelstaat, unter welche

die Militärgewalt verteilt ist.

Der bundesstaatlichen Teilung

der

Staatsgewalt entspricht eine „Teilung der Militärgewalt", eine Teilung

der Militärhoheit.

Dieselbe steht teils dem Reiche, teils dem Einzel-

Die Rechtsnatur der Militärgewalt.

staute zu.

71

Muß man auch zugeben, daß sie zum größten und wich­

tigsten Teile sich in den Händen des Reiches befindet und nur zum

kleinen Teile in denen des Einzelstaates, so ist doch die Tatsache, daß den Einzelstaaten überhaupt Militärhoheit zukommt, von prinzipieller

Bedeutung

für

die

Betrachtung der staatsrechtlichen Stellung

Einzelstaaten bezüglich

des Militärwesens.

der

Aus ihr folgt, daß die

Einzelstaaten auf militärischem Gebiete dem Reiche nicht nur unter­ geordnet, sondern auch nebengeordnet sind; daß es zwei selbständig

nebeneinanderstehende Militärgewalthaber gibt; dem Reiche, beziehent­

lich dem Kaiser, stehen die Einzelstaaten, beziehentlich die Landesherrn, gegenüber.

Diese Zweiheit der Militärbefehlshaber bedeutet keine logische oder juristische Unmöglichkeit, da beide Befehlshaber ihre Befehlsrechte nicht auf demselben Gewaltgebiete ausüben. Sie findet in der Teilung der Staatsgewalt im Bundesstaate ihre Erklärung.

Die beiden Be­

fehlshaber werden auf scharf abgegrenztem Kompetenzgebiete selbständig

(reale Teilung der Militärgewalt) und doch in völliger Harmonie zur

Erfüllung einer einheitlichen Staatsaufgabe (ideale Einheit der Militär­ gewalt) tätig.

Die Harmonie ihres Zusammenwirkens wird durch die

Verfassung hergestellt und garantiert (a 7,1.3 in Verbindung mit a 19). Was die Souveränität der unter zwei Inhaber geteilten Militär­

gewalt betrifft, so ist, wenn wir unter Souveränität die unbeschränkte Unabhängigkeit der Staatsgewalt nach innen und

außen verstehen,

keiner der beiden Teile der Militärgewalt als souverän anzusehen. Beziehen wir dagegen, wie Binding, die Souveränität nur auf einen

einzelnen Staatsgewaltakt und bezeichnen als Souveränität die end­ gültige, d. h. von keiner Seite anfechtbare und aufhebbare Vornahme

eines einzelnen Gewaltaktes, so ist sowohl die Militärhoheit des Reiches, als auch die der Einzelstaaten souverän zu nennen.

Anhang: Aie mikitärrechtkiche Stellung der Landesherr«. 1. Während vor 1866, in der Zeit der Souveränität der Einzel­

staaten, die Landesherrn die Regierungs- und die Kommandogewalt, überhaupt die gesamte Militärgewalt, in ihrer Hand vereinigten und

die einzigen Träger der Militärhoheit waren, steht ihnen jetzt, wie wir

Das Resultat.

72

oben gesehen, nach der Verfassung nur noch ein Teil der Regierungs­

gewalt zu;

die übrige Militärgewalt, insbesondere die Kommando­

gewalt, ist ihnen genommen und dem Reiche, beziehentlich dem Kaiser übertragen worden. Die notwendige Folge dieser Kompetenzverschiebung ist eine Änderung der militärischen Stellung der Landesherrn gewesen.

Mit der Entziehung

der Kommaudogewalt haben die Landesherrn

auch ihre militärische Rangstellung als Oberbefehlshaber ihres Kon­

tingents verloren,

sind

überhaupt aus der militärischen Hierarchie

heransgerückt worden; dafür haben sie als Inhaber eines Teiles der

Regierungsgewalt

eine neue militärische Machtstellung erlangt und

stehen in dieser ihrer Machtstellung den militärischen Befehlshabern, die die militärische Hierarchie bilden, gegenüber.

Die Stellung der

Landesherrn außerhalb der militärischen Hierarchie machte es nun aber notwendig, ihr Verhältnis zu den Militärbefehlshabern neu zu regeln; insbesondere war es nötig, bem einzelnen

Landesherrn,

gegenüber

dem Militärbefehlshaber der in seinem Lande befindlichen Truppen­

teile, eine besondere militärische Rangstellung einzuräumen.

Dies tat

die Verfassung, indem sie den Landesherrn zum „Chef" dieser Truppen­ teile machte.

Als Chef ist der Landesherr nicht Kommandeur eines

Truppenkörpers; er hat kein militärisches Befehlsrecht erhalten und steht insofern auch jetzt noch außerhalb der militärischen Hierarchie; er hat nur denselben militärischen Rang und genießt dieselben militärischen

Ehren, wie wenn er wirklich der Kommandeur von Truppen wäre. Hierdurch ist sein Rangverhältnis zu dm Militärbefehlshabern der in seinem Gebiete befindlichen Truppen geregelt worden.

Er genießt die­

selben Ehren, wie der höchste Militärbefehlshaber dieser Truppen; steht also neben demselben.

Ja, in den Fällen, wo die in seinem Land­

gebiete befindlichen Truppenkörper kleiner als ein Armeekorps sind, ist dem Landesherrn sogar meistens durch die Militärkonventionen Titel

und

Rang

eines

kommandierenden

Generals zugesprochen worden.

Man hat ihm eine höhere Rangstellung, als ihm auf Grund der Größe des betreffenden Truppenkörpers zukommt, eingeräumt und ihn

nicht neben, sondern über den Kommandeur dieser Truppen gestellt,

um ihm,

dem Fürsten, nicht eine gegenüber dem kommandierenden

General untergeordnete Rangstellung einnehmen zu lassen.

Als Chef ist

danach der Landesherr wieder in die militärische Hierarchie eingerückt; aber seine Stellung innerhalb derselben ist eine bloße Ehrenstellung.

Die Rechtsnaiur der Militärgewalt.

73

Mit dieser Ehrenstellung sind gemäß a 66 noch drei weitere Rechte für den Landesherrn verknüpft: Das Jnspektionsrecht über die in seinem Gebiete befindlichen Truppenteile, das Recht auf Rapporte und

Meldungen über vorkommende Veränderungen und das Recht auf Mit­ teilung von Avancements und Ernennungen in diesen Truppenteilen. Alle diese Rechte sind ebenfalls Ehrenrechte und bloß formellen In­

haltes? Das Jnspizierungsrecht gibt dem Landesherrn nicht etwa das Recht, vorgefundene Mängel durch Verordnungen abzustellen, sondern nur das Recht, dem Höchstkommandierenden von den Mängeln Mit­

teilung zu machen. Das landesherrliche Recht auf Mitteilung der vom Kaiser nach

a 64 vorgenommenen Ernennungen ist auf die Perfektion der Er­ nennungen nicht vom geringsten Einfluß und soll ihm nur von allen, nicht von ihm selbst ausgehenden Veränderungen im Offizierskorps der in seinem Lande lozierten Truppen Kenntnis verschaffen. nennungen sind auch ohne diese Mitteilung gültig.

Alle Er­

Gleicherweise ist auch das Recht auf Rapporte und Meldungen ein bloßes Ehrenrecht. Daß die Chefstellung und obige drei Rechte nur von formeller

Bedeutung und rein ehrenrechtlichen Charakters sind, erhellt auch daraus, daß sie dem Landesherrn nach a 66 nicht nur bezüglich der eigenen,

in seinem Gebiete befindlichen Truppen, über die er die Regierungs­ gewalt ausübt, sondern bezüglich aller seinem Gebiete angehörenden Truppen zustehen, also auch bezüglich der in seinem Gebiete dislo­ zierten fremden Truppen, die unter der Militärgewalt eines fremden Kontingentsherrn stehen. Es erhellt weiter daraus, daß diese Rechte dem Landesherrn nicht bezüglich der eigenen, in einem fremden Ge­ biete dislozierten Truppen eingeräumt sind. Es erhellt endlich daraus, daß auch denjenigen Kontingentsherrn, die die Ausübung der Kon­ tingentsherrlichkeit an Preußen übertragen haben, ihre Chefstellung und der Genuß obiger drei Rechte verblieben ist. 2. Die landesherrlichen Rechte bezüglich des Militärwesens teilen

sich also in zwei große Gruppen. Die „Kontingentsherrlichkeit"1 2,

1 So: Brockhaus 103,104; Guu 42ff. Anders: Laband im Archiv 111,514. 2 Vgl. darüber Gau 12—14, 17.

74

Das Resultat.

als die Gesamtheit aller dem Landesherrn zustehenden militärischen Rechte, umfaßt einmal Rechte materieller, dann Rechte formeller Natur,

die sog. Ehrenrechte.

Die materiellen Rechte, die man unter der Bezeichnung Kon­

tingentsherrlichkeit im engeren Sinne zusammenfaßt, sind alle diejenigen

Rechte, die man aus politischen Gründen den Landesherrn belassen zu müssen glaubte, also die Überbleibsel der alten Militärhoheit der Landesherrn.

Es sind inhaltlich verschiedene Rechte; sie bestehen in

der Mehrzahl aus Ausflüssen der Regierungsgewalt, zum kleinen Teil

aus Ausflüssen der Kommandogewalt. Auch die formellen Rechte sind inhaltlich verschiedene Rechte.

Es sind diejenigen Rechte, die neu durch die Verfassung begründet worden sind und

die der Notwendigkeit entspringen, den Landesherrn eine

ihrem fürstlichen Range entsprechende Stellung gegenüber den Militär­

befehlshabern einzuräumen.

Sie beziehen sich auf alle im Staats­

gebiete des Landesherrn befindlichen Truppen, ganz gleichgültig, ob

sie seinem eigenen oder einem fremden Kontingent angehören. Die landesherrlichen Rechte sind also verschiedenartigster Natur;

sie stellen keinen Komplex inhaltlich zusammengehöriger Rechte dar, sondern sind

alle nur Teilrechte verschiedenen Inhaltes.

Darum ist

es vergebliche Liebesmühe, diese Rechte nach ihrem Inhalte unter einen

einheitlichen staatsrechtlichen Begriff subsumieren zu wollen?

II. Die Rechtsnatur der Wehrpflicht.

Der Fahneneid.

Wir haben hier die Frage zu entscheiden, ob die Wehrpflicht eine

Reichs- oder Staatenbürgerpflicht ist.

Dazu müssen wir untersuchen,

wem die Wehrpflicht geleistet wird, dem Reiche oder dem Einzelstaate?

Anders ausgedrückt, wer der Inhaber der Dienstgewalt ist?

Die

Dienstgewalt oder Dienstherrlichkeit ist der Teil der Militärgewalt, dessen Grundlage die jedem Deutschen durch Gesetz auferlegte Wehr­

pflicht bildet.

Bisher hat man nun die Dienstgewalt entweder dem Reiche oder dem Einzelstaate zugesprochen.

So nehmen alle Anhänger einer einzel­

staatlichen Militärhoheit an, daß die Wehrpflicht dem Einzelstaate ge-

1 So: Schulze 266; Gau 87, 88.

Die Rechtsnatur der Wehrpflicht. leistet wird?

Der Fahneneid.

75

Andererseits behaupten die Anhänger einer Reichsmilitär-

hoheit, daß die Wehrpflicht dem Reiche geleistet wird?

Daß die Wehrpflicht eine Pflicht gegen das Reich ist, wird einmal

auf die Tatsache gestützt, daß die Wehrpflicht den Deutschen nicht durch Landesgesetz, sondern durch Verfassung und Reichsgesetz auferlegt ist;

da aber allein der Inhalt eines Gesetzes und nicht der Inhaber der

Gesetzgebungsgewalt dafür maßgebend ist, ob bestimmte Leistungen dem

Reiche oder den Einzelstaaten zu inachen sind, so beweist diese Tat­ sache allein nichts. — Weiter beruft man sich auf die militärische Frei­ zügigkeit, wonach der Wehrpflichtige seine Wehrpflicht nicht in seinem

Heimatsstaat erfüllen muß, sondern

auch in dem Aufenthaltsstaate,

unter bestimmten Voraussetzungen sogar in jedem beliebigen Einzelstaat erfüllen kann?

Da

er also, so schließt man, die Wehrpflicht dem

Heimatsstaate zu leisten nicht verpflichtet ist, und da er andererseits einem fremden Einzelstaate, dessen Untertan er nicht ist, zur Erfüllung

einer Untertanenpflicht nicht verpflichtet sein kann, so wird die Wehr­

pflicht überhaupt nicht einem Einzelstaate, sondern dem Reiche geleistet?

Dies ist

ein Schluß aus einer falschen Prämisse.

Das Gesetz sagt

nicht, daß der Wehrpflichtige nicht verpflichtet ist, „dem" Heimatsstaate

es sagt nur, daß der Wehrpflichtige unter

die Wehrpflicht zu leisten;

bestimmten Voraussetzungen nicht verpflichtet ist, „ im," Heimatsstaate die Wehrpflicht zu erfüllen.

Die Worte des Gesetzes lauten:

„der

Wehrpflichtige wird zum Militärdienste in dem Aufenthaltsstaate heran­ gezogen."

Die militärische Freizügigkeit kommt also für die Frage,

wem die Wehrpflicht geleistet wird, überhaupt nicht in Betracht; ins­ besondere beweist sie nicht, daß die Wehrpflicht deni Reiche geleistet wird.

Dies hat schon Laband klar und treffend nachgewiesen und

jetzt ist es in der Wissenschaft allgemein anerkannt?

Dem gegenüber stützen sich die Vertreter der Meinung, daß die Wehrpflicht dem

Einzelstaate geleistet werde, darauf, daß das mili­

tärische Dienstverhältnis

durch

den Einzelstaat begründet wird, daß

1 So: Laband im Archiv f. ö. R. III, 517; Laband IV, 67; Seydel 313; Gümbel 148—50, 170. 2 So: Meyer in Hirths Ann. 1880, 344; Meyer, St.R., 743; Meyer, VR. II, 77; Brockhaus 112; Schulze II, 266; Bornhak 38; Gau 84. 3 Vgl. Reichsmilitärgesetz 12; Wehrgesetz 17. 4 So: Meyer in Hirths Ann. 1880, 344; Schulze 266; Brockhaus 112. 5 So: Laband im Archiv III, 517 ff; Bornhak 37; Gümbel 149; Gau 83.

76

Das Resultat.

der Einzelstaat die Meldung und Gestellung der Militärpflichtigen entgegcnnimmt und die Aushebung derselben leitet.

Die Wehrpflicht

verpflichtet aber nicht nur jeden Deutschen bei Eintritt in ein be­

stimmtes Alter zur Meldung und Gestellung, sondern verpflichtet auch

diejenigen Deutschen, die sich gemeldet und gestellt haben und die als

wehrfähig befunden und ausgehoben worden sind, zur Leistung mili­ tärischer Dienste int Heere.

Erstere Pflichten faßt man unter dem

Namen „Militärpflicht" zusaminen; letztere unter dem Namen „Dienst­

pflicht".

Die Wehrpflicht hat also zwei Bestandteile, die Militär­

pflicht und die Dienstpflicht*; und darum genügt es zur Entscheidung

der Frage, wem die Wehrpflicht geleistet wird, nicht, dasjenige Sub­ jekt allein zu bestimmen, welchem die Militärpflicht geleistet wird; viel­

mehr muß auch das aus der Dienstpflicht berechtigte Subjekt bestimmt

werden.

Beide Teile der Wehrpflicht sind einer Untersuchung zu unter­

werfen, was bisher niemals getan worden ist.

Es könnte ja sein, daß

die Militärpflicht und die Dienstpflicht nicht demselben Subjekt geleistet Die beiden Pflichten sind inhaltlich grundverschieden; denn die

wird.

Militärpflicht verpflichtet zur Gestellung, die Dienstpflicht zu mili­ tärischer Dienstleistung; ebenso sind die aus beiden Pflichten Ver­

pflichteten, die sog. Militär- und die Dienstpflichtigen, nicht immer die­

selben Personen; denn nicht alle Militärpflichtigen werden dienstpflichtig^,

nicht alle Dienstpflichtigen sind militärpflichtig gewesen3 1; 2 es also wohl auch

könnten

die aus beiden Pflichten berechtigten Subjekte zwei

verschiedene Subjekte sein. — Als die aus der Militärpflicht beziehent­

lich Dienstpflicht berechtigten Subjekte, denen die Militär- bezugsweise

die Dienstpflicht geleistet wird, sind nun diejenigen anzusehen, denen ein selbständiges

pflichtigen zusteht.

Befehlsrecht über die Militär- beziehentlich Dienst­

Denn die Rechte aus der Militär- und Dienstpflicht

sind Hoheitsrechte und für den Sitz von Hoheitsrechten ist stets die

Jnnehabung eines selbständigen Befehlsrechtes maßgebend. entscheidenden Fragen lauten also: über die Militärpflichtigen?

Die zu

Wer hat ein höchstes Befehlsrecht

Wer über die Dienstpflichtigen?

Bezüglich der Militärpflichtigen haben wir die Frage schon beant­ wortet.

Das Ersatzgeschäst liegt in den Händen der Einzelstaaten/

1 Vgl. Laband IV, 135, 147. 2 So nicht die vom Militärdienst Ausgeschlossenen oder Ausgemusterten. 8 So nicht viele der freiwilligen Dienstpflichtigen: Offiziere usw. 4 S. o. S. 38.

Die Rechlsnatur der Wehrpflicht.

Diese

führen

dasselbe

teils

Der Fahneneid.

zu fremdem

Rechte,

im

77

Rainen des

Reiches — soweit die Reichsgesetzgebung die Materie geregelt hat —, teils zu eigenem Rechte — soweit ihnen die Regelung vermittelst Ver­

ordnungen praeter legem überlassen ist. — Danach hat sowohl das Reich, wie auch

der Einzelstaat ein höchstes Befehlsrecht über die

Militärpflichtigen.

Die Militärpflicht wird sowohl dem Reich, wie

auch dem Einzelstaate geleistet.

Es bleibt die Dienstpflicht zu untersuchen.

verpflichtet die ausgehobenen

Die Dienstpflicht

Militärpersonen, allen Befehlen ihrer

Vorgesetzten Gehorsam zu leisten. Die Gehorsamspflicht ist der eigent­

liche Inhalt der Dienstpflicht. SBenit Sttliiiiib1 noch von einer zweiten Pflicht, der sog. Treupflicht, spricht, so ist dies nicht ganz richtig.

Die Treupflicht stellt nicht besondere rechtliche Verpflichtungen auf, sondern qualifiziert nur die Gehorsamspflicht; sie enthält eine moralische Verpflichtung betreffs der Art und Weise, wie die Gehorsamspflicht

zu erfüllen ist, nämlich mit eventueller Aufopferung der eigenen höchst­

persönlichen Interessen des Dienstpflichtigen. — Die Befehle der Vor­ gesetzten, welche die Gehorsamspflicht der Dienstpflichtigen auslösen,

beziehen sich nun entweder auf die Unterhaltung oder aus die Zweck­ tätigkeit des Heeres. Selbstunterhaltung

Sie fordern Handlungen des Soldaten, die der

dienen oder in der Ausübung des

des Heeres

Die Befehle ersterer Art sind als Aus­

Waffenhandwerks bestehen.

flüsse der Regierungsgewalt zum großen Teil selbständige landesherr­

liche Befehle; die Befehle letzterer Art sind kaiserliche Befehle.

Die

Dienstpflichtigen sind also sowohl dem Kaiser wie auch dem Landes­ herrn gehorsamspflichtig;

Heeres, letzterem

ersterem bezüglich

bezüglich

der

Zwecktätigkeit

der Unterhaltung des Heeres.

des

Daraus

ergibt sich, daß die Dienstpflicht weder allein dem Reiche, noch allein

dem Einzelstaate, sondern nur zum Teil dem Reiche und zum Teil dem Einzelstaate geleistet wird; die Dienste, die sich auf die Heeres­ unterhaltung beziehen, werden zum größten Teil dem Einzelstaate, die

Dienste,

welche in

der Ausübung des Waffenhandwerkes bestehen,

werden dem Reiche geleistet.

Dem Doppeluntertanenverhältnis ent­

spricht also ein Doppeldienstverhältnis; zwei verschiedene, nebeneinander

stehende Subjekte sind aus der Dienstpflicht berechtigt.

1 Vgl. Laband IV, 147, 151.

Das Resultat.

78

Diese rechtstheoretische Konstruktion der Dienstpflicht scheint uns

auch mit den tatsächlichen Verhältnissen im Einklang zu stehen. So tragen z. B. seit 1897 auf Grund eines Übereinkommens der vier Kontingentsherrn deren Truppen gewissermaßen als Versinnbildlichung

ihres Doppeldienstverhältnisses zwei Kokarden, neben der Landeskokarde die Reichskokarde.

Weiter findet unsere Auffassung der Dienstpflicht im Fahneneid ihre Bestätigung.

Er

bekräftigt anerkanntermaßen

Dienstverhältnis, muß also

das militärische

auch zum Ausdruck bringen,

wem die

Dienstpflicht geleistet wird.

Im sächsischen Fahneneid, welcher der Verfassung entspricht, schwört der Soldat, „daß er Seiner Majestät dem König von Sachsen während seiner Dienstzeit als Soldat treu dienen, dem Kaiser und den Kriegs­

gesetzen Gehorsam leisten toitL"1

Bisher hat nun der Fahneneid, je

nachdem man den Kaiser oder den Landesherrn als Dienstherrn be­

trachtet, eine mehr oder minder gekünstelte und dem Wortlaut wider­

sprechende Auslegung erfahren, eben um ihn mit der jeweiligen Kon­

struktion der Dienstherrlichkeit

in Einklang

zu

bringen.

Die eine

Lehrmeinung, die dem Kaiser bzw. dem Reiche die Dienstherrlichkeit

zuspricht, behauptet,

die eidliche Versicherung des Gehorsams gegen

den Kaiser sei der einzige, rechtlich relevante Inhalt des Fahneneides; die Versicherung,

dem Landesherrn als Soldat treu zu dienen, sei

eine bloße Bekräftigung der fortdauernden Untertanentreue gegenüber

dem Landesherrn2 3und 4 rechtlich völlig irrelevant?

Scharf und zu­

treffend ist diese Auslegung des Fahneneides von La band u. a?

widerlegt worden.

Danach sind die Worte des Fahneneides:

„dem

Landesherrn als Soldat treu zu dienen" keineswegs rechtlich irrelevant, müssen vielmehr so aufgefaßt werden, wie wenn sie lauteten:

Landesherrn getreulich militärische Dienste zu leisten".

„dem

Da jede mili­

tärische Dienstleistung in der gehorsamen Ausführung eines gegebenen Befehls besteht, so gelobt der Soldat, wenn er schwört, seinem Landes-

1 Vgl. Sachs. Militärkonvention a 6. 2 So: Meyer in HirtHs Ann. 1890, 345; Brockhaus 119; Schulze II, 267; Hänel 507, Anm. 21. 3 So: Bornhak 38; Gau 32. 4 So: Laband im Archiv III, 522—24; Laband IV, 69; Seydel 369» Hecker 374; Gümbel 151.

Die Rechtsnatur der Wehrpflicht.

79

Der Fahneneid.

Herrn treu zu dienen, damit zugleich seinem Landesherrn Gehorsam;

im Fahneneid wird also nicht nur dem Kaiser, sondern auch bent Landes­ herrn Gehorsam gelobt.

Nun legt aber Laband entsprechend seiner

Ansicht, daß der Landesherr der alleinige Dienstherr ist und daß die Gehorsamspflicht gegen den Kaiser ein Bestandteil der Treuverpflich­ tung gegen den Landesherrn sei, nur dem Gehorsamsgelöbnis gegen

den Landesherrn Wert bei und behauptet, daß das Gehorsamsgelöbnis

des Soldaten gegen den Kaiser schon im Gelöbnis gegen den Landes­ herrn enthalten sei und ganz überflüssigerweise besonders abgelegt würde.

Auch diese Auslegung des Fahneneides ist gekünstelt.

Es ist nicht

anzunehmen, daß im Fahneneid ein völlig unnötiges und bedeutungs­

loses Gehorsamsgelöbnis abgelegt wird, um so weniger, als für eine

solche überflüssige Ablegung auch kein anderer Grund sprechen würde. Vielmehr ist anzunehmen,

daß

beide

Gehorsamsgelöbnisse

rechtlich

relevant sind und zur Bekräftigung zweier nebeneinander bestehenden,

jedem Soldaten auferlegten Gehorsamspflichten dienen,

einmal

der

Gehorsamspflicht gegen den Landesherrn, dann der Gehorsamspflicht

gegen den Kaiser.

Somit steht der Fahneneid mit unserer Ansicht,

daß die Dienstpflicht teilweise dem Kaiser bzw. dem Reiche und teil­

weise dem Landesherrn bzw. dem Einzelstaate geleistet wird, in Ein­

klang und bestätigt dieselbe.

Unsere Auffassung,

daß der Soldat die Dienstpflicht zu einem

Teil dem Landesherrn und zwar dem eigenen Landesherrn leistet, trifft auch dann zu, wenn er seine Dienstpflicht gar nicht im Kon­

tingente seines Landesherrn ableistet; sei es nun, daß er auf Grund der militärischen Freizügigkeit oder weil sein Landesherr die ihm zu­

kommende Militärgewalt auf den König von Preußen übertragen hat, in einem fremden Kontingente dient. Im zweiten Fall ist der Landes­ herr, da die Übertragung der Militärgewalt an Preußen nur eine

Übertragung der Ausübung ist, vom theoretischen Standpunkte der eigentliche Inhaber der Militärgewalt geblieben; er ist der formelle

Dienstherr, in dessen Namen und als dessen Vertreter der preußische König die Dienstleistungen entgegennimmt und das Befehlsrecht aus­ übt.

Ebenso ist auch im ersten Fall der Landesherr als formeller

Dienstherr anzusehen.

Dies wird bestätigt durch den Fahneneid, in

welchem der Dienstpflichtige seinem eigenen Landesherrn Treue und Gehorsam gelobt, auch wenn er in einem fremden Kontingente dient.

80

Das Resultat.

In diesem Gehorsamsgelöbnis ist aber zugleich das Gehorsamsgelöbnis

gegen den fremden Kontingentsherrn enthalten,

da dieser an Stelle

des eigenen Landesherrn die Militärgewalt ausübt. Der Ansicht, daß der Soldat die Dienstpflicht zu einem Teil dem Landesherrn leistet, widerspricht auch nicht die Tatsache, daß be­ stimmte hohe Offiziere und Festungskommandanten den Fahneneid dem Kaiser leisten. Sie geloben in demselben, „ihr Amt nur in Überein­

stimmung mit den Befehlen des Bundesfeldherrn (Kaiser) zu handhaben und zu verwalten."1 2 Da der Kaiser aber nicht auf den Verwaltungs­

gebieten, die dem Landesherrn unterstehen, zu befehlen berechtigt ist,

sind sie insoweit auch nicht den Befehlen des Kaisers, sondern ihres Landesherrn Gehorsam schuldig.

Das im ersten Fahneneid geleistete

Gehorsamsgelöbnis dieser Offiziere gegen den Landesherrn bleibt dem­

nach in Geltung.

Der zweite, dem Kaiser geleistete Eid enthält nur

eine ausdrückliche Betonung und

Bekräftigung

des schon im ersten

Fahneneid enthaltenen Gehorsamsgelöbnisses gegen den Kaiser. Das Resultat unserer Untersuchungen über die Rechtsnatur der

Wehrpflicht wäre demnach

folgendes:

Militärpflicht und die Dienstpflicht.

Die Wehrpflicht

umfaßt die

Die Militärpflicht ist eine Pflicht

teils gegen den Einzelstaat, teils gegen das Reich; und ebenso die Dienstpflicht.

Die Wehrpflicht wird demnach zum Teil dem Reiche,

zum Teil dem Einzelstaate geleistet.

Sie ist weder eine Reichs-, noch

eine Staatenuntertanenpflicht, sondern beides.

III. Die Nechtsnatur -es deutschen Heeres. Mit der rechtlichen Charakterisierung der Militärgewalt ist auch die Rechtsnatur des deutschen Herres bestimmt.

Da dem Reiche keine

ausschließliche Militärhoheit zukommt, ist auch das deutsche Heer kein

reines Reichsinstitut, kein einheitliches Reichsheer?; wenigstens nicht im Rechtssinne.

In politischer oder militärischer Hinsicht könnte man

es vielleicht als ein Reichsheer bezeichnen; aber im Rechtssinne wäre es nur dann ein Reichsheer, wenn dem Reiche die Gesamtheit der 1 Vgl. Sachs. Militärkonvention a 7.

2 Ein Reichsheer nehmen alle diejenigen an, welche dem Reiche die Militär­ hoheit zusprechen; vgl. o. S. 68, Anm. 1.

81

Die Rechtsnatur des deutschen Heeres.

Militärgewalt zustande.



Das

deutsche Heer ist aber auch kein

Kontingentsheer? da den Einzelstaaten die Dienstgewalt nicht aus­ schließlich zusteht, sie nicht alleinige Inhaber derselben sind. — Das deutsche Heer unterliegt vielmehr zwei Gewalten;

es setzt sich gemäß

der Verfassung aus den Kontingenten der Einzelstaaten zusammen, von

denen

jedes

Reichsgewalt

einmal

der

unterworfen

betreffenden ist.

Einzelstaatsgewalt, dann der

Es trägt also

das charakteristische

Merkmal des Bundesstaates, die Teilung der Gewalten, an sich ; es

spiegelt den bundesstaatlichen Charakter des deutschen Reiches wieder; ? wir möchten darum das Heer ein bundesstaatliches Heer, ein Institut

des deutschen Bundesstaates, nennen. Diese Charakterisierung steht der Verfassung nicht entgegen.

Sie

spricht abwechselnd, einmal von den Kontingenten der Einzelstaaten, den eigenen Truppen der Bundesfürsten und Senate, der preußischen

Armee usw.; dann von der Landmacht des Reiches, von einem deutschen Heer, einem Reichsheer.

Als Beweis für ein reines Reichsheer oder

ein reines Kontingentsheer läßt sich also die Verfassung nicht anführen.

Auch aus dm Worten des a 63.i „ein einheitliches Heer" läßt sich nichts entnehmen, wie Brockhaus ganz richtig ausführt? Wohl aber

spricht dieser verschiedene Sprachgebrauch Auffassung.

der Verfassung für unsere

Das bundesstaatliche Heer hat selbständige Kontingente,

über die die Landesherm einen Teil des Befehlsrechtes ausüben; da­

durch aber, daß im übrigen der Kaiser das Befehlsrecht über alle

Kontingente führt, werden diese zu einer höheren Einheit, zum Reichs­

heer verbunden.

Wie aus den verschiedenen Einzelstaatm sich das

Reich zusammensetzt, so aus den verschiedenen Kontingenten das Reichs­ heer; wie die Staatsgewalt im Bundesstaate trotz ihrer Teilung eine

einheitliche ist (ideale Einheit gegenüber der realm Teilung der Staats­ gewalt), so auch die Militärgewalt; die beiden Militärgewalthaber

führen bei schärfster Abgrenzung der beiderseitigen Kompetenzen doch zusammen die eine dem deutschen Heere obliegende Aufgabe durch.

Jnsofem kann das bundesstaatliche Heer ein einheitliches Heer genannt

werden.

Man kann somit den Worten

„ein einheitliches Heer" in

1 Ein Kontingentsheer nehmen alle die an, welche dem Einzelstaate die

Militärhoheit zusprechen; vgl. o. S. 68, Anm. 2. 2 So: Binding, Beilagen zum Staatsrecht, S. 83. * Brockhaus 7; Bornhak 35 ebenso. Mueller, Militärgewalt.

6

82

Das Resultat.

a 63.i auch eine staatsrechtliche Bedeutung beilegen und braucht die­ selben nicht nur militär-technisch aufzufassen.

Einheitlich im Sinne eines reinen Reichsinstitutes ist das deutsche Heer aber nicht. Die politischen Verhälnisse zur Zeit der Gründung des

Deutschen Reiches ließen die Schaffung eines Reichsheeres nicht zu; man konnte die staatliche Sonderung noch nicht aufgeben.

So hat

man den Einzelstaaten einen Teil der Militärhoheit gelassen und sich Das Reich hat

damit begnügt, ein bundesstaatliches Heer zu schaffen.

nur diejenigen Hoheitsrechte erhalten, die man ihm unbedingt gewähren

mußte, um das Heer zur Erfüllung seiner neuen, weiteren Aufgaben geeignet zu machen; und das sind Gesetzgebungs- und Aufsichtsgewalt,

Kommandogewalt und Feststellung des Militäretats.

Prinzip, das in der Verfassung fixiert worden ist.

Dies ist das

Modifiziert wird

es durch die Militärkonventionen, die vertragsmäßig die Heeresorgani­ sation weiter differenzieren und dadurch das deutsche Heer noch mehr

den militärischen Bedürfnissen und politischen Verhältnissen angepaßt haben.

Während sie Bayern, Württemberg und Sachsen, entsprechend

ihrer Machtstellung im Bundesstaate, mehr oder weniger bedeutsame

Sonderrechte eingeräumt haben, haben sie andererseits durch Angliederung der kleineren Kontingente an die preußische Armee die Zersplitterung

des deutschen Heeres in kleine und kleinste Kontingente verhütet und es einer faktischen Einheit nahegebracht. — Auf diese Weise hat der

Gesetzgeber seine Aufgabe in wunderbar fein durchdachter Weise gelöst. Er hat,

wie Laband sagt, in der Heeresverfassung ein juristisches

Kunstwerk geschaffen, das jedem, der Sinn dafür hat, einen ästhetischen

Genuß bereitet.

Literatur. A. Gesetze Verfassung des Norddeutschen Bundes. Verfassung des Deutschen Reiches. Die Militärgesetze des Deutschen Reiches mit Erläuterungen.

Herausg. v. Kgl.

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E. Zeitschriften. von Löbell, Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militär­

wesen; alljährlich seit 1874.

Verlag von Weit & Komp, in Leipzig.

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Schiedsspruch in dem

Rechtsstreite über die Thronfolge im Fürstentum Tippe. Wortgetreuer» unter Zustimmung der Parteien veröffentlichter Abdruck. Wit drei Anlagen. gr. 8. 1897. geheftet 1 Jk Druck v-n Metzger & Wittig in Leipzig.