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German Pages 436 [437] Year 2021
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 532
Die Sonderstellung von Tieren im Zivilrecht Von
Imke Tuma-Koch
Duncker & Humblot · Berlin
IMKE TUMA-KOCH
Die Sonderstellung von Tieren im Zivilrecht
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 532
Die Sonderstellung von Tieren im Zivilrecht
Von
Imke Tuma-Koch
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.
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© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18340-1 (Print) ISBN 978-3-428-58340-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am European Legal Studies Institute in Osnabrück entstanden (2015 – 2018). Sie wurde im Sommersemester 2020 am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 15. Juli 2020 statt. Einzelne neuere Urteile sind bis Januar 2021 berücksichtigt. Auf die Entstehungszeit der Arbeit und meine Begleiter entlang des Weges blicke ich dankbar zurück. An erster Stelle möchte ich meinen Lehrer, Mentor und Doktorvater, Herrn Professor Dr. Hans Schulte-Nölke, nennen. In ihm hatte ich stets einen wertvollen, inspirierenden Gesprächspartner und ehrlichen Ratgeber. Was ich bei ihm lernen durfte, wird mich noch lange prägen. Ich danke ihm auch sehr für die Freiheit bei der Ausgestaltung des von mir selbst gewählten Themas der Dissertation, für die Förderung, Ermutigung und überhaupt für die Übernahme der Betreuung meiner Promotion sowie die Erstellung des Erstgutachtens. Die jederzeit angenehme, freundliche Arbeitsatmosphäre an dem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung und Europäische Rechtsgeschichte habe ich sehr genossen. Besonders erwähnen möchte ich Frau Anne-Katrin Suilmann, Frau Franziska Mürmann, Herrn Dr. Piotr Kwiatkowski, Frau Monika Baginski, Frau Carina Lübberding und Frau Antje Wietzorek. Es war mir ein Vergnügen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Für ihre Geduld, ihre Freundlichkeit und ihren Rat danke ich ihnen von Herzen. Mein Dank gebührt auch den studentischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Lehrstuhls sowie meinen damaligen Mitdoktoranden und -doktorandinnen für die Ausdauer und den Gedankenaustausch im Rahmen des regelmäßigen Doktorandenkolloquiums. Das European Legal Studies Institute hat mir mit seinen hervorragenden Arbeitsbedingungen und seinem – auch durch liebe Kollegen und Kolleginnen des benachbarten, anderen privatrechtlichen Lehrstuhls geprägten – internationalen Flair eine wunderbare Umgebung und wissenschaftliche Heimat gegeben. Stellvertretend nenne ich Frau Dr. Magda Schwandt und Herrn Dr. Carlos Nóbrega, denen ich auch wertvolle Hinweise zur Rechtsvergleichung zu verdanken habe. Ganz herzlichen Dank spreche ich Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Christian von Bar aus, der die Erstellung des Zweitgutachtens übernommen und sehr zum zügigen Ablauf des Verfahrens beigetragen hat. Abschließender Dank gebührt meiner Familie. Herrn Karl-Heinz Tuma danke ich für die Unterstützung bei der Publikation dieser Arbeit. Meinen Eltern, Manfred und Susanne Tuma, danke ich besonders für den Rückhalt und die völlige Freiheit auf all’
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Vorwort
meinen Wegen, meinen Geschwistern, Frauke und Steffen Tuma, für die Ermutigung und den Zuspruch in herausfordernden Phasen, und meinem Ehemann Matthias für die unbeschreiblich geduldige und unterstützende Begleitung während der Promotion und der gesamten Zeit meiner juristischen Ausbildung. Ich danke allen, die an meinem Weg liebevoll Anteil genommen oder sonst zum Abschluss dieser Arbeit beigetragen haben. Gewidmet ist sie meinen Großeltern. Ps. 28, 7. Lemförde, im Februar 2021
Imke Tuma-Koch
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Rechtswissenschaftliche Forschung zur Behandlung von Tieren im Recht . . . . . 19 II. Gegenstand und Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Hinweise zur Methodik und zum Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Erster Teil Tiere als Gegenstand des Rechts
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§ 1 Der Blick der Gesellschaft auf Tiere als Motor der Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . 29 I. Veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Rechtliche Aufwertung von Tieren als Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. International: Dynamische Entwicklung von „Animal Law“ zum eigenen Themenfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 2 Tiere als Schutzobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Ethische Grundkonzepte und die Positionierung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . 37 1. Anthropozentrischer versus ethischer Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Vorteile eines anthropozentrischen Ausgangspunkts des Tierschutzes . . . . . . . 39 3. Die Begründungsrhetorik des Gesetzgebers zum Motiv rechtlichen Tierschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Herausbildung eines einfachgesetzlichen Tierschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Tierschutz auf Verfassungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Der Weg zur Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . 49 b) Begründung der Erweiterung von Art. 20a GG um den Tierschutz . . . . . . . 53 c) Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Tierschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Bezugspunkte rechtlichen Tierschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 § 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Rechtshistorischer Blick auf die Einordnung von Tieren als Sachen . . . . . . . . . . 60 II. Sonderstellung trotz Sach-Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. Die Herauslösung von Tieren aus dem Sachbegriff durch § 90a BGB . . . . . . . . . 62 1. Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
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Inhaltsverzeichnis 2. Kritik an § 90a BGB und Streit um dessen Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Folgen des § 90a BGB für die rechtsdogmatische Einordnung von Tieren . . . 67 4. Fokus im Zivilrecht bleibt Einbindung von Tieren in den Rechtsverkehr . . . . 68 IV. Die Auswirkungen tierbezogener öffentlich-rechtlicher Normen auf das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Verfassungsrechtliche Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Einfachgesetzliche Tierschutznormen und Verweisklauseln im BGB . . . . . . . . 71 V. Einblick: Tiere in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Häufig auftauchende Arten von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Tiere als Rechtsobjekte besonderer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Schematisierung von Fallkonstellationen mit ihren tierspezifischen Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Das Tier zwischen Mensch und Sache: Illustrative Einzelbeispiele . . . . . . . . . 76 a) Beispiel 1: Rechtsfähigkeit von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Einerseits: Keine Prozessfähigkeit von Seehunden in der Nordsee . . . . 77 bb) Andererseits: Selbstverwirklichungsrecht von Katzen? . . . . . . . . . . . . . 78 b) Beispiel 2: Krankheitskosten bei Tieren als außergewöhnliche Belastung?
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c) Beispiel 3: Tierkrankenversicherung vergleichbar mit Krankenversicherung des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 d) Beispiel 4: Arzthaftungsregeln bei Humanmedizinern übertragbar auf Tiermediziner? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Sorgfaltsanforderungen: Rang der Rechtsgüter führt zu Unterschieden
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bb) Aufklärungspflichten: Selbstbestimmungsrecht führt zu Unterschieden 83 cc) Beweislastumkehr: Lebendigkeit führt zur Vergleichbarkeit . . . . . . . . . 84 dd) Fazit: Vergleich der faktischen Parallelen und Unterschiede maßgeblich 85 e) Übergreifende Beobachtungen: Nicht § 90a BGB, sondern wertender Vergleich der Interessenlagen entscheidet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 VI. Vergleich zu der Klassifizierung von Tieren im bürgerlichen Recht anderer Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Inhalt und Hintergrund von § 285a ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Reaktionen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Einfluss auf Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Inhalt und Hintergrund von Art. 641a ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Reaktionen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5. DCFR; weitere europäische Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 7. Zusammenfassende Tendenzaussagen und Entwicklungspotential . . . . . . . . . . 102
Inhaltsverzeichnis
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Zweiter Teil Tiere im Zivilrecht zwischen den Schutzgütern „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt . . . . . . . . . 104 I. Der Begriff des Affektionsinteresses und seine schadensrechtliche Herkunft . . . 104 1. Zur Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Bezugspunkt und Ausprägung eines Affektionsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Dogmatische Einbettung im Schadensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Keine schadensrechtliche Erfassung eines Affektionsinteresses ohne korrespondierende Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Affektionsinteresse als Teil des Integritätsinteresses, aber nicht des Wertsummeninteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Die Beeinträchtigung des Affektionsinteresses als Nichtvermögensschaden 109 d) Kein Geldersatz für die Beeinträchtigung eines Affektionsinteresses? . . . . 110 e) Berücksichtigung von Affektionsinteressen bei Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Aufwendungen zur Naturalrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Berücksichtigung von Affektionsinteressen außerhalb des Schadensrechts . . . 115 II. Generell gesteigertes Affektionsinteresse an Tieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Mögliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Anhaltspunkte im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Anhaltspunkte für die Einschätzung der Mensch-Tier-Beziehung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Haustiere als Teil der Lebensgestaltung und „Sozialpartner“ . . . . . . . . . . . . 123 b) Bestimmung des mutmaßlichen Willens des Tierhalters . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Wertbestimmung bei Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 d) Ersetzbarkeit von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Beispiele der (Nicht-)Berücksichtigung des Affektionsinteresses an einem Tier 131 1. Streit-/Beschwerdewert: Berücksichtigung möglich, da sedes materiae hinreichend offen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Kompensation bei Tötung: rein objektiver Wert maßgeblich, da § 253 BGB eindeutig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. „Schockschadenersatz“ bei Miterleben der Tötung eines Tieres: Ablehnung aus Wertungsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Zum Hintergrund: Ansprüche Angehöriger bei Schock und Trauer . . . . . . . 138 b) Gesundheit des Tierhalters als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Gründe gegen einen „Schockschadenersatz“ bei Tier-Unfällen . . . . . . . . . . 139 d) Sympathiebekundungen für eine Übertragung der „Schockschaden“Rechtsprechung auf Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 e) Einordnung und Bewertung: Kein „Schockschadenersatz“ bei Tötung eines Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
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Inhaltsverzeichnis IV. Die (Nicht-)Berücksichtigung des Affektionsinteresses in anderen Rechtsordnungen am Beispiel des Schadensersatzes bei Tötung eines Tieres . . . . . . . . . . . 144 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Berücksichtigung des Affektionsinteresses im Rahmen des Wertersatzes
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b) „Schockschadenersatz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Berücksichtigung des Affektionsinteresses im Rahmen des Wertersatzes: Art. 43 Abs. 1bis OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Systematische Verortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 cc) Typisierung des Affektionsinteresses an Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) „Schockschadenersatz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Weitere europäische Rechtsordnungen (Frankreich, Portugal); DCFR . . . . . . . 151 4. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Rechtliche Anknüpfungspunkte für eine Berücksichtigung immaterieller Interessen an Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5. Zusammenfassender Vergleich und Tendenzaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 § 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Begriff und rechtliche Dimension des „Tierwohls“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Zur terminologischen und rechtlichen Anknüpfung im TierSchG . . . . . . . . . . 160 2. „Tierwohl“ als rechtlich anerkanntes Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. „Tierwohl“ als im Zivilrecht zu berücksichtigender Belang . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Beispiele aus der Zivilrechtsanwendung für Einflüsse von Tierschutzerwägungen 162 1. Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften gemäß § 134 BGB durch Tierschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Entbehrlichkeit der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Notfallbehandlung lässt Fristsetzungserfordernis entfallen („Hundewelpen-Fall“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Entbehrlichkeit der Fristsetzung nur bei Luxustieren? („Pferde-TauschFall“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 cc) Fazit: Tierschutz fließt in zivilrechtliche Abwägungsentscheidung ein 167 b) Kosten der Notfallbehandlung bei mangelndem Vertretenmüssen des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Erfüllungsort der Nacherfüllung aus Tierschutzgründen beim Käufer? . . . . 170 3. Herausgabe: Tierschutzrecht als Hindernis für die Erfüllung eines zivilrechtlichen Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Kein Herausgabeanspruch bei entgegenstehendem Tierschutzrecht („Stuten-Fall“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
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b) Rechtliche Herleitung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Tierschutzwidrigkeit des Transports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) § 134 BGB: wenn Rechtsgeschäft von vornherein mit Verstößen gegen Tierschutzrecht einhergeht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 cc) § 275 Abs. 1 BGB: Herausgabe bei entgegenstehendem Tierschutzrecht rechtlich unmöglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Fazit: Tierschutzrecht beeinflusst zivilrechtliche Leistungspflichten . . . . . . 174 4. Nachbarrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Kein Beseitigungsanspruch bei Störungen durch naturschutzrechtlich geschützte Tiere („Schwalben-Fälle“ und „Frosch-Fälle“) . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Rechtliche Anknüpfungspunkte für die Ablehnung eines nachbarrechtlichen Abwehranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Störer-Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) „wesentliche Beeinträchtigung“, „Ortsüblichkeit“, „Zumutbarkeit“ 177 (3) entgegenstehendes Artenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (a) Tier-Artenschutzrecht als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (b) Auch Artenschutzrecht als Vehikel für „Tierwohl“ . . . . . . . . . . 182 bb) Fazit: Konkrete Tier- und Artenschutzvorgaben setzen sich auch im Zivilrecht durch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Artgerechte Haltung als Abwägungsaspekt bei nachbarrechtlichen Abwehransprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 5. Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Frage der artgerechten Haltung für die Zulässigkeit einer Tierhaltung bedeutungslos? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Tendenzen in Schrifttum und früherer Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 185 bb) BGH: Ob Tierhaltung artgerecht ist, bleibt außer Betracht . . . . . . . . . . 187 cc) Kritische Reaktionen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Lösung des BGH: rechtlich tragbar und praktisch einfacher . . . . . . 188 (2) Aber: Ob Tierhaltung artgerecht ist, beeinflusst richtigerweise die Schutzwürdigkeit der widerstreitenden privaten Interessen . . . . . . . 189 b) Abschaffung eines kranken Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6. Schadensrecht: Verfügungsfreiheit des Eigentümers über den zur Behandlung erforderlichen Betrag (§ 249 Abs. 1 S. 2 BGB) bei Verletzung eines Tieres . . 193 a) Folgerungen aus § 251 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Wortlaut des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als Argument gegen eine Dispositionsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Keine zivilrechtliche Pflicht zur Behandlung eines kranken Tieres aus § 251 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Frage der Dispositionsfreiheit . . . . . . . 196
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Inhaltsverzeichnis c) Keine unbedingte öffentlich-rechtliche Pflicht zur Behandlung eines kranken Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 d) Tötung oder Behandlung des Tieres als einzige tierschutzkonforme Handlungsoptionen, daher keine Erstattungsfähigkeit nur fiktiver Kosten . . . . . . 198 7. Versicherungs- und Verkehrsrecht: Ausweichmanöver im Straßenverkehr zur Rettung von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Kostentragungspflicht der Teilkaskoversicherung bei vermiedenen WildUnfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Rechtsprechungspraxis: Meist kein Versicherungsschutz für Schäden durch Fahrmanöver zum Schutz von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Verhältnis zum Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 dd) Bewertung: Tierschutz führt nicht zur Kostentragungspflicht der Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Sorgfaltswidrigkeit eines Fahrmanövers zur Rettung eines Tieres . . . . . . . . 207 aa) Abwägungsentscheidungen zwischen Personenschäden, Sachschäden, Schäden am Tier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Einbindung von Tierschutzerwägungen in die Abwägung . . . . . . . . . . . 211 cc) Bewertung und Tendenzaussagen: Jedenfalls gegen kleine Sachwerte setzt sich „Tierwohl“ durch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Ansätze zur Aktivierung des Zivilrechts als Instrument des Tierschutzes . . . . . . 213 1. Grundsatz: Zivilrecht ist kein Tierschutz-Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Drohende tierschutzwidrige Behandlung eines Tieres durch den Vindikationsgläubiger steht Herausgabeanspruch nicht entgegen . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Stimmen in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Gesichtspunkte zur Herleitung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (1) Kein überzeugender rechtlicher Anknüpfungspunkt für eine Herausgabeverweigerung im Rahmen des Vindikationsanspruchs . . . . 214 (2) Funktionale Trennung und zweistufiges staatliches Handeln vorzugswürdig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Kein Schmerzensgeld für „Ängste und Leiden“ von Tieren; TierSchG kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Recht der GoA: Aufwendungsersatzansprüche für Tierschützer? . . . . . . . . . . . 218 a) „Tierfund-Fälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) „Tierwohl“-Überlegungen bei der Bestimmung der „Fremdheit“ des Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (1) Ausgangspunkt: Versorgung eines Tieres als Geschäft des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (2) Subsidiär: Versorgung aufgrund von Tierschutz-Erwägungen als Geschäft der Fundbehörde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (a) Auslegung von § 967 BGB (Ablieferung eines Fundtieres) . . . . 220 (aa) Argumente und Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
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(bb) BVerwG: Ohne Ablieferung kein Aufwendungsersatz, außer: Notfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (cc) Bewertung: Entscheidung des BVerwG verdient im Ergebnis Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (b) „Fundtier“-Eigenschaft im Zweifel zu bejahen? . . . . . . . . . . . . 225 (3) Tierleiden als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung 227 bb) Einfluss des Tierschutzes auf die Frage, ob GoA „berechtigt“ . . . . . . . 229 (1) § 681 BGB: Vorrangige Entschließung der Behörde . . . . . . . . . . . . 229 (2) §§ 683 S. 1, 679 BGB: Interesse und Wille der Behörde . . . . . . . . . 229 cc) Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Einschreiten Privater gegen tierschutzwidrige Zustände im Wege der GoA 233 aa) Inhalt des Vorschlags von Cirsovius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (1) Geschäftsführung für den Tierhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (2) Geschäftsführung für die Tierschutzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 § 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“ . . . . . . . . . . 239 I. Schadensrecht: Verhältnismäßigkeit von Heilbehandlungskosten bei Verletzung eines Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Sedes materiae: Die Verhältnismäßigkeitsgrenze in § 251 Abs. 2 BGB und ihre Schwierigkeiten bei wertlosen Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Tendenzen zu einer besonderen Behandlung von Tieren vor Einfügung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Unterschiedliche Ansätze in der Handhabung der Verhältnismäßigkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Lokalisierung der Beweggründe für eine besondere Behandlung von Tieren 244 aa) „Tierwohl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Affektionsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 cc) Einwände gegen eine Berücksichtigung des Affektionsinteresses sowie Entgegnungen hierauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. § 251 Abs. 2 S. 2 BGB: Wirkungen und ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Äußerungen zur ratio legis in den Gesetzgebungsmaterialien . . . . . . . . . . . 251 b) Deutungen der ratio legis in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . 252 aa) Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Affektionsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 cc) Affektionsinteresse und „Tierwohl“ kumulativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 c) Folgerungen aus der konkreten Handhabung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB
255
aa) Höhe und Wirkung der Verhältnismäßigkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Maßgebliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (1) Immaterielles Interesse des Tierhalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (a) Das Affektionsinteresse am Tier in der Abwägungsentscheidung 260
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Inhaltsverzeichnis (b) Unterschiedlich starkes Affektionsinteresse je nach Tier-Kategorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (c) Herausfordernde Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (d) Ansätze zur Objektivierung: „Verständiger-Tierhalter-Test“ und Maßstab der Haltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (2) Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (3) Bedeutung des materiellen Wertes des Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4. Fazit und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Nebeneinander von „Affektionsinteresse am Tier“ und „Tierwohl“ in den Begründungsmustern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) § 251 Abs. 2 S. 2 BGB wirkt zugunsten beider Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Schutz des Affektionsinteresses als Hauptzweck, Tierschutz als erwünschte Begleiterscheinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 5. Übertragbarkeit der Wertung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB über das Schadensrecht hinaus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Kaufrecht: Kostenrahmen der Nachbesserung (§ 439 Abs. 4 BGB, § 275 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Vorschlag aus dem Schrifttum: Übertragung des Rechtsgedankens von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Grund: Tierschutz oder Schutz des Affektionsinteresses am Tier? . . . . 275 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (1) Konstellation 1: Nachlieferung möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (2) Konstellation 2: Nachlieferung unmöglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Fundtiere: Verhältnismäßigkeit von Aufwendungen für Tier-Behandlung und Möglichkeit der Versteigerung bei unverhältnismäßigen Kosten . . . . . 279 6. Blick in andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Österreich: § 1332a ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 bb) Konkrete Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 cc) Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 dd) Vergleich zum deutschen § 251 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Schweiz: Art. 42 Abs. 3 OR und Art. 43 Abs. 1bis OR . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 aa) Inhalt und ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 bb) Art. 42 Abs. 3 OR: Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 cc) Parallelen zur deutschen und österreichischen Regelung . . . . . . . . . . . . 290 dd) Art. 43 Abs. 1bis OR: Verhältnis zu Art. 42 Abs. 3 OR, Gesetzesbegründung und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 d) DCFR; weitere europäische Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 e) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
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f) Zusammenfassender Vergleich und Tendenzaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Mietrecht: Abschaffung eines seit längerer Zeit gehaltenen Tieres nicht erzwingbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Familienrecht: Zuweisung eines Haustieres bei Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Rechtlicher Ausgangspunkt: Regeln über die Verteilung von Haushaltsgegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 2. Eher „Tierwohl“, weniger „Affektionsinteresse“ in der Zuweisungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 c) Beweiserhebung über die Tier-Mensch-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Gerichtliche Umgangsregelung für Tiere? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 a) Ablehnung in Schrifttum und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Gegenstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Sonderfall: Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 5. Fazit und Bewertung: „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ bei der Zuweisungsentscheidung berücksichtigungsfähig, Umgangsrechte gibt es (noch) nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 6. Blick in andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 a) Österreich: Bindung zum Tier und „Tierwohl“ berücksichtigungsfähig . . . 312 b) Schweiz: Neue Sonderregel in Art. 651a ZGB stellt auf das „Tierwohl“ ab 313 c) Weitere europäische Rechtsordnungen (Portugal, Belgien) . . . . . . . . . . . . . 315 d) USA: Progressive Ansätze (visitation rights, best-interest-Test) vorhanden, aber umstritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 e) Zusammenfassender Vergleich und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 aa) Besonderheit 1: Affektionsinteresse der Parteien, vor allem bei Haustieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Besonderheit 2: Rücksichtnahme auf das „Tierwohl“, mit Folgen für die Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 cc) Parallelen zu Sorgerechtsstreitigkeiten um Kinder? . . . . . . . . . . . . . . . . 319 IV. Zwangsvollstreckungsrecht: Tierpfändung und andere ein Tier betreffende Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Vollstreckungsmaßnahmen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Tierschutz beeinflusst die Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO: „Verantwortung des Menschen für das Tier“ . . . . 323 aa) Anwendungsbereich und Wirkungsweise des § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO nach dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 bb) Gesetzesbegründung und Kritik im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . 324 cc) Reaktionen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 dd) Ratio legis: Tierschutz oder Schutz des Schuldners? . . . . . . . . . . . . . . . 326 c) Das Affektionsinteresse am Tier als Schuldner-Belang im Rahmen des § 765a Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
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Inhaltsverzeichnis 2. Pfändung von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Unpfändbarkeitstatbestände in § 811 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 b) § 811c ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Pfändungsschutz für bestimmte Haustiere vor 1990 . . . . . . . . . . . . . . . 331 bb) Neufassung des § 811c ZPO im Jahr 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 cc) Anwendung und Auslegung von § 811c ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 dd) Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (1) Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (2) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (a) Ratio legis der Vorgängerregelung (§ 811 Nr. 14 ZPO) . . . . . . . 335 (b) § 811c ZPO: Schutz der Beziehung des Schuldners zu seinem Tier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (c) § 811c ZPO: Schutz des Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (d) § 811c ZPO: Schutz des Tieres und Schutz der Beziehung des Schuldners zu seinem Tier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (e) Abwägungsfaktoren bei der Prüfung einer unbilligen Härte nach § 811c Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 ee) Bewertung des § 811c ZPO im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (1) Nicht weitreichend genug aus Tierschutz-Perspektive oder mangels praktischer Bedeutung gar überflüssig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (2) Kritik an der Ausgestaltung des § 811c ZPO: mangelnde Justiziabilität und verschleierter Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (3) Kritik an der Pfändbarkeit wertvoller Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (4) Bewertung des unterschiedlichen Schutzniveaus für Wirtschaftsund Liebhaber-Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 3. Fazit und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 a) „Tierwohl“ im Vollstreckungsrecht: berücksichtigungsfähiger Belang, aber Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 b) § 811c ZPO schützt Affektionsinteresse des Schuldners am Tier, aber nicht grenzenlos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 c) Parallelen zwischen § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und § 811c ZPO . . . . . . . . . . . 349 4. Blick in andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 a) Österreich: § 250 Abs. 1 Ziff. 4 Exekutionsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 b) Schweiz: Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 c) Weitere europäische Rechtsordnungen (Portugal, Frankreich) . . . . . . . . . . . 353 d) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 e) Zusammenfassender Vergleich und Tendenzaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 V. Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten an Tieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 1. Äußerungen im Schrifttum: Bindung an das Tier oder Tierschutz hindern Zurückbehaltungsrecht im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
Inhaltsverzeichnis
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2. Rechtsprechungspanorama: Tierschutz und Parallelen zum Vollstreckungsrecht prägen Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 3. Fazit und Bewertung: Zurückbehaltungsrecht an Tieren möglich, aber im Einzelfall durch Tierschutz-Gesichtspunkte und wegen der Bedeutung des Tieres für den Schuldner einschränkbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
Dritter Teil Ergebnisse und Perspektiven
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§ 7 Befunde der Rechtsanalyse: Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 I. Rückblick auf den Ausgangspunkt der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 1. Praxisrelevanz und Forschungsbedarf zur zivilrechtlichen Behandlung von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 2. Neuer Ansatz mit Fokus auf zwei Aspekte: Affektionsinteresse an Tieren und „Tierwohl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 II. Zum Aspekt des Affektionsinteresses an Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 1. Affektionsinteresse ist immateriell und daher der Restriktion des § 253 BGB unterworfen, aber als Teil des Integritätsinteresses geschützt . . . . . . . . . . . . . . 364 2. Affektionsinteresse an Tieren ist qualitativ anders als an Sachen . . . . . . . . . . . 364 3. Auch Affektionsinteresse an einem Tier ist nicht liquidierbar . . . . . . . . . . . . . 366 4. Schutzwürdigkeit des Affektionsinteresses an Tieren ist gesetzlich anerkannt 367 5. Affektionsinteresse an Tieren ist ein berücksichtigungsfähiger Belang . . . . . . 369 6. Betroffenes Spannungsfeld: Konflikt von ideellen und materiellen Privatinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 III. Zum Aspekt des „Tierwohls“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 1. Bestehen eines rechtlichen Schutzregimes unterscheidet Tiere von Sachen . . . 371 2. Zwingendes Tierschutzrecht begrenzt das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 3. „Tierwohl“ im weiteren Sinne als Gesichtspunkt bei der Zivilrechtsanwendung zu berücksichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 4. Grenzen: Zivilrecht ist nicht originäres Vehikel zur Verwirklichung von Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 5. Betroffenes Spannungsfeld: Konflikt von öffentlichem Interesse und Privatinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 IV. Zum Verhältnis von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ in der Begründungsrhetorik – kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 1. Häufig unsaubere Vermengung von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse am Tier“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2. Wertschätzung von Tieren durch den Menschen ist eigentliche Triebfeder . . . 378 V. Die Bedeutung von speziellen Tier-Regelungen im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . 381 1. § 90a BGB und vergleichbare Klauseln in anderen Rechtsordnungen: wirkungsschwach, aber nicht wirkungslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
18
Inhaltsverzeichnis 2. Tierspezifische Vorschriften wirken über ihren Anwendungsbereich hinaus
382
§ 8 Herausforderungen und mögliche Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 I. Schwierigkeiten in der konkreten Umsetzung der Berücksichtigung von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Beurteilungsgegenstand schwer zugänglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 2. Gefahr subjektiv gefärbter Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 II. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 1. Beibringungsgrundsatz und Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. „Tierwohl“-Gesichtspunkte: Koppelung an gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . 388 3. Affektionsinteresse am Tier: Koppelung an objektive Kriterien . . . . . . . . . . . . 389 a) Kategorisierung von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 aa) Kategorisierung von Tieren ist im Recht angelegt . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 bb) Kategorisierungstendenzen auch im Hinblick auf das Affektionsinteresse an Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 cc) Abgestuftes System maßgeblicher Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 (1) Ideeller Zweck der Tierhaltung als notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 (2) Räumliche Nähe zum Tier: Indiz-Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 (3) Tierart: Querschnittskriterium mit Indiz-Wirkung . . . . . . . . . . . . . . 397 (4) Vorbehalt: verständige Würdigung des Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 b) Geltendmachung nur im Rahmen einer jeweils erforderlichen Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 aa) Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 bb) Sonstige Rechtsstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 cc) Individuelle Umstände und Affektionsinteressen Dritter . . . . . . . . . . . . 401 III. Ausblick und zusammenfassende Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
Einleitung Das in juristischer Forschung bestehende Bild der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren1, insbesondere für den Zeitraum von Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht2 im Jahr 1990 bis zum heutigen Tag, ist noch in vielerlei Hinsicht unterbelichtet. Schon an einer breit angelegten, das heißt nicht nur punktuellen, sondern das Zivilrecht umfassender umspannenden Darstellung und Analyse von Rechtsprechung und Schrifttum zu Tier-Rechtsfällen und -fragen fehlt es. Auf die Frage, durch welche übergreifenden Besonderheiten sich eine Anwendung des Zivilrechts auf Tiere auszeichnet, und auf welchen Wertungen diese beruhen, gibt die Rechtswissenschaft bisher keine Antwort. Die vorliegende Arbeit geht dieser Forschungslücke nach und zielt darauf ab, die Konturen der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren im geltenden Recht anhand einer in dem Umfange bislang nicht vorzufindenden Rechtsprechungs- und Literatur-Auswertung und -Bewertung – einschließlich rechtsvergleichender Seitenblicke – zu schärfen und auf diese Weise das auf Tiere bezogene Zivil- und Zivilprozessrecht klarer sichtbar zu machen, zu ordnen und insgesamt auf eine neue Betrachtungsebene zu heben. Als übergreifendem Erklärungsansatz folgt sie dabei der Hypothese, dass sich tierspezifische Besonderheiten vielfach auf zwei – bisher kaum offengelegte und nicht konsequent unterschiedene – Schutzgüter zurückführen lassen: einerseits ein im Zivilrecht Platz greifender Schutz des Tieres, andererseits der Schutz des emotional begründeten besonderen immateriellen Interesses eines Menschen an einem Tier.
I. Rechtswissenschaftliche Forschung zur Behandlung von Tieren im Recht Es gibt ein vergleichsweise nicht sehr breites3 rechtswissenschaftliches Schrifttum, das sich mit der rechtlichen Behandlung von Tieren befasst. Leichte Konjunkturbewegungen gingen dabei wohl jeweils von den auf diesem Gebiet erfolgten gesetzgeberischen Aktivitäten aus, die naturgemäß eine gewisse Aufmerksamkeit 1 Was „Tiere“ sind, lässt sich in Anknüpfung an das in der biologischen Systematik bestehende gleichnamige Organismenreich bestimmen, vgl. Lorz/Metzger Einf. Rn. 1 ff. (6. Aufl. 2008). 2 BGBl. I 1990, S. 1762. 3 Raspé (S. 17) spricht von „Schattendasein“ des Tier(schutz)rechts in der Rechtswissenschaft; nach Michel/Kühne/Hänni, S. V steht die „Beschäftigung der Rechtswissenschaft mit dem ,Tierrecht‘ […] in Europa noch am Anfang“.
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des Schrifttums stimulieren. Zu den – in der Zahl eher wenigen – substantielleren Gesetzesänderungen zählen vor allem die Ablösung des Reichstierschutzgesetzes von 19334 durch das Bundesdeutsche Tierschutzgesetz vom 24. 7. 19725, dessen umfassende Überarbeitung im Jahr 19866, der Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20. August 19907 und die Einfügung des Staatsziels Tierschutz in das deutsche Grundgesetz8 im Jahr 2002. Um das sich bietende Spektrum der rechtswissenschaftlichen Literatur zu ordnen, kann man die neueren, seit Anfang der 1990er-Jahre erschienenen Werke für die Zwecke dieser Arbeit in etwa drei Gruppen untergliedern. Ein großer Teil lässt sich einem Zweig zuschlagen, der mit „Tierschutzrecht im engeren Sinne“ überschrieben werden kann. Diesen tierschutzrechtlichen Zweig des Schrifttums bilden Werke, die fokussiert das (eher öffentlich-rechtliche) genuine Tierschutzrecht – heute im Wesentlichen in Gestalt des Tierschutzgesetzes (TierSchG) einschließlich der dazu erlassenen Verordnungen9 sowie einigen unionsrechtlichen Vorgaben10 – beleuchten, entweder umfassend-systematisch und kommentarförmig durch Erläuterungen zu den Vorschriften des tierschutzrechtlichen Normbestands11 oder konzentriert auf – vor allem verfassungsrechtlich, strafrechtlich oder rechtshistorisch geprägte – Einzelfragen12. 4 Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte des Reichstierschutzgesetzes siehe eingehend Han, S. 207 ff.; zum propagandistischen Hintergrund auch von Harbou, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 571, 574 ff.; Jütte, Berichte des Institutes für Didaktik der Biologie, Suppl. 2 (2002), S. 167, 170; Dirscherl, S. 80 f., 200 f. 5 BGBl. I 1972, S. 1277 ff. 6 Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. 08. 1986 (BGBl. I 1986, S. 1309). 7 Siehe Fn. 2. 8 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) vom 26. Juli 2002, BGBl. I 2002, S. 2862. 9 Etwa Tierschutz-Schlachtverordnung vom 20. Dezember 2012, BGBl. I 2012, S. 2982; Tierschutztransportverordnung vom 11. Februar 2009, BGBl. I 2009, S. 375; Tierschutz-Versuchstierverordnung vom 1. August 2013, BGBl. I 2013, S. 3125, 3126; Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001, BGBl. I 2001, S. 838; Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung i. d. F. d. B. vom 22. August 2006, BGBl. I 2006, S. 2043. 10 Etwa RL 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, ABl. Nr. L 221 v. 08. 08. 1998, S. 23; RL 2007/43/EG des Rates vom 28. Juni 2007 mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern, ABl. Nr. L 182 v. 12. 07. 2007, S. 19 ff.; RL 2008/120/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen, ABl. Nr. L 47 v. 18. 02. 2009, S. 5; RL 1999/74/EG des Rates vom 19. Juli 1999 zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen, ABl. Nr. L 203 v. 03. 08. 1999, S. 53; RL 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere, ABl. Nr. L 276 v. 20. 10. 2010, S. 33. Siehe auch Lorz/Metzger Einf. Rn. 81 ff. (6. Aufl. 2008); Caspar, S. 377 ff. 11 Etwa Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz (6. Aufl. 2008); Kluge, Tierschutzgesetz; Pfohl, in: MüKo zum StGB – Tierschutzgesetz (3. Aufl. 2017); Sack, A 18 (§ 17 TierSchG), B 18 (§ 18
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Breiter und interdisziplinär (vor allem: philosophisch) geprägt ist der Ansatz einer anderen Gruppe von Arbeiten,13 die – im Kern beruhend auf einem ethischen Postulat und teils anhand konkreter Vorschläge – eine tierfreundlichere Rechtslage zum Ziel haben. Gemeinsam haben viele dieser zur Behandlung von Tieren im Recht erschienenen Monographien, dass sie Missstände bei der rechtlichen Behandlung von Tieren sowie die de lege lata vorgefundene Situation als unbefriedigend beklagen und der Frage nachgehen, wie die Rechtsstellung von Tieren, auch de lege ferenda, verbessert werden kann. Markante, freilich von Gegenstimmen14 begleitete Extremposition dieser Diskussion ist die Forderung nach einer Rechtsposition von Tieren, die sie – von praktischen Problemen bei der Operationalisierbarkeit abgesehen – zu einem Rechtssubjekt macht oder einem solchen immerhin annähert.15 Diese Forderung wird typischerweise hergeleitet durch oder jedenfalls umsäumt von einer gesellschafts-, TierSchG), in: Umweltschutz-Strafrecht (41. EL 2016); Schiwy, Deutsche Tierschutzgesetze, Bd. 1 (TierSchG) (231. EL Mai 2017); Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz (3. Aufl. 2016). 12 Beispiele: Glock, Das deutsche Tierschutzrecht und das Staatsziel „Tierschutz“ im Lichte des Völkerrechts und des Europarechts (Diss., Leipzig 2003); Schwarz, Das Spannungsverhältnis von Religionsfreiheit und Tierschutz am Beispiel des „rituellen Schächtens“ (Gutachten, 2003); Maisack, Zum Begriff des vernünftigen Grundes im Tierschutzrecht (Diss., Hamburg 2006); Fielenbach, Die Notwendigkeit der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz (Diss., Köln 2004); Pröbstl, Das Recht der Tierversuche unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben (Diss., Göttingen 2015); Ziekow, Tierschutz im Schnittfeld von nationalem und internationalem Recht (Gutachten, 1999); Cirsovius, Die Verwendung von Tieren zu Lehrzwecken (Diss., Hamburg 2001); Faller, Staatsziel „Tierschutz“ (Diss., Freiburg 2004); Hillmer, Auswirkungen einer Staatszielbestimmung „Tierschutz“ im Grundgesetz (Diss., Göttingen 2000); Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG (Gutachten, 2003); Leondarakis, Tierversuche – Kollisionen mit dem Tierschutz (Diss., Göttingen 2001). Strafrechtlich: Greven, Die Tierhaltung aus strafrechtlicher Sicht (Diss., Köln 1998); Röckle, Probleme und Entwicklungstendenzen des strafrechtlichen Tierschutzes (Diss., Tübingen 1996). Rechtshistorisch: Han, Gesetzlicher Tierschutz im Deutschen Reich (Diss., Köln 2013); Pfeiffer, Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972 (Diss., Kiel 2004). 13 Etwa Casper, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft (Habil.-Schrift, Hamburg 1998); Gerick, Recht, Mensch und Tier (Diss., Bielefeld 2004); Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben (Diss., Frankfurt/Main 2005); Stucki, Grundrechte für Tiere (Diss., Basel 2015). 14 Münz/Dürg-Scholz Art. 20a GG Rn. 75; Röckle, S. 4 ff.; 82 f.; Steinberg, S. 67 f. und Hofmann, JZ 1988, 265, 277 f. (allgemein bezogen auf Eigenrecht der Natur); Schmidt, FS Leisner, S. 437, 439 f.; Obergfell, ZRP 2001, 193, 195; aus rechtstheoretischer Perspektive Schlitt, ARSP 1992, 225 ff. 15 Siehe etwa Casper, S. 512 ff.; von Lersner, NVwZ 1988, 988 ff.; v. Loeper/Reyer, ZRP 1984, 205, 208 f.; Stucki, S. 171 ff.; Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1252 ff. m. w. N.; Arning, S. 62 ff.; Stucki, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 143 ff.; Raspé, S. 298 ff.; Brüninghaus, S. 133 ff., 140; von Harbou, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 571, 588 f.; Gruber, S. 173 f.; Meyer-Abich, S. 190 f. und Leimbacher (Schweiz), S. 378 f. (plädieren nicht nur für Rechte von Tieren, sondern allgemein der Natur); früher schon Elster, DJ 1936, 230 f.; Überblick (allgemein bezogen auf Rechtssubjektivität der Natur) auch bei Gassner, Treuhandklage, S. 41 ff. Rechten von Tieren zugewandt wohl auch Leondarakis, Tierversuche, S. 93 f.; Fischer, S. 144 ff.; Hager, S. 130; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 116 ff. u. 163 ff. (1. Aufl. 2002).
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kultur- oder religionsgeschichtlichen oder insbesondere philosophischen, das heißt ethisch-moralischen Betrachtung von Tieren. Da im Prinzip Einigkeit darüber herrscht, dass Tiere de lege lata keine Rechtssubjekte sind,16 liegt der Schwerpunkt zumeist darauf, wie und weshalb solches de lege ferenda rechtstechnisch ausgestaltet werden sollte.17 Diese rechtswissenschaftlichen Forschungsarbeiten spielen dabei in einer ihnen eigenen rechtspolitisch und emotional aufgeladenen Umgebung und in großer Nähe zur Ethik. Oft ist erkennbar, dass die Untersuchungen von einem bestimmten moralisch jeweils erwünschten oder nicht erwünschten Ergebnis her gedacht sind. Dies kann dazu verleiten, das Augenmerk allzu schnell von der geltenden Rechtslage und -anwendung abzuwenden. In der Rolle eines Argumentationssplitters kommt in diesen Arbeiten teils auch die zivilrechtliche Behandlung von Tieren vor. Gleichsam aus einem Gebot der Vollständigkeit heraus wird etwa bei Überlegungen zur „Rechtsstellung“ von Tieren de lege lata auch der Behandlung von Tieren speziell durch das Zivilrecht ein Augenmerk gewidmet. Dies aber geradezu pflichtschuldig, scheint doch mit dem Befund, das bürgerliche Recht behandele Tiere eben doch im Wesentlichen noch wie Sachen, alles gesagt. Ein Durchgang durch alle Bereiche des Zivilrechts mit der Darstellung, dass Tiere über die Verweisung in § 90a S. 3 BGB ebenso wie Sachen Gegenstand von Rechten, Rechtsgeschäften, Teil des Erbes etc. sein können, verspricht keinen aussichtsreichen Mehrwert, wenn nicht die Untersuchung auf eine konkret formulierte Fragestellung hin erfolgt. Als dritte Gruppe des mit der rechtlichen Behandlung von Tieren befassten Schrifttums kann man schließlich die eher dünn gesäten genuin zivilrechtlichen Monographien zählen, die – oft mit einer geringeren Affinität zu ethischen Grundsatzüberlegungen und einer gewissen Nähe zu rechtspraktischen Fragestellungen – Besonderheiten bei Tieren in Bezug auf ausgewählte Einzelbereiche des Zivilrechts, wie etwa das Kaufrecht18, Deliktsrecht19, Schadensersatzrecht20 oder das 16 Lorz/Metzger Einf. Rn. 63 (6. Aufl. 2008); von Harbou, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 571, 579; Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 4 (Neubearb. 2012); Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 2 (14. Aufl. 2014); jurisPK-Vieweg § 90a BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2014); Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 2 (41. Ed. 2016); Lorz, MDR 1990, 1057; Lorz, NuR 1994, 473, 476; NK-Ring § 90a BGB Rn. 2 (3. Aufl. 2016); Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1255 f.; Schaal, S. 33; Greven, S. 231 f.; Leondarakis, Tierversuche, S. 93. 17 Beispiele von Monographien neuerer Zeit, die sich dieser Frage widmen, sind etwa Capsar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft – Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage (Habil.-Schrift, Hamburg 1998); Arning, Eigenrechte für Tiere – Tierschutz de lege ferenda? Mehr Tierschutz durch ein Rechtskonzept für Tiere? (Diss., Augsburg 2008); Raspé, Die tierliche Person – Vorschlag einer auf der Analyse der Tier-Mensch-Beziehung in Gesellschaft, Ethik und Recht basierenden Neupositionierung des Tieres im deutschen Rechtssystem (Diss., Hamburg 2012); Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben (Diss., Frankfurt/Main 2005), siehe insbes. S. 180 ff.; Stucki, Grundrechte für Tiere (Diss., Basel 2015), hier insbes. S. 171 ff., 333 ff. 18 Hier vor allem mit Fokus auf den Pferdekauf; nur stellvertretend genannt seien Adamczuk, Pferdekaufrecht: Rechtsgeschichte des Pferdekaufs, geltendes Recht, Perspektiven (Diss.,
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Zwangsvollstreckungsrecht21 fokussieren. Eine demgegenüber breiter ansetzende und daher auf den ersten Blick für die Zwecke dieser Arbeit besonders instruktiv erscheinende Monographie widmet sich allgemein der „Stellung des Tieres im Bürgerlichen Gesetzbuch“22. Doch stammt diese nicht allzu ergiebige Dissertation, die sich selbst auch wieder ausdrücklich in den Kontext eines religiös-historischphilosophischen Hintergrunds stellt, aus einer Zeit recht kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht im Jahr 1990. Zentrale der seit dem Wegfall des Viehgewährleistungsrechts (§§ 481 bis 492 BGB a. F.) im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung23 noch verbleibenden tierspezifischen Sondervorschriften in BGB und ZPO wurzeln aber in diesem Gesetz. Dessen praktische Auswirkungen konnten in jener Arbeit ebenso wenig beleuchtet werden wie die der Einführung der Staatszielbestimmung „Tierschutz“ in das Grundgesetz im Jahr 2002. Auffällig an bestehender juristischer Forschung zur rechtlichen Behandlung von Tieren ist, dass sie verglichen mit anderen Forschungsthemen weniger im genuin juristischen Argumentationsraum abzulaufen scheint. Ein Grund dafür mag sein, dass dieses Feld womöglich besonders gut der gesellschaftlichen Wahrnehmung zugänglich und damit rechtspolitisch aufgeladen ist. Zum anderen bietet es zahlreiche Schnittstellen mit anderen Disziplinen, wie etwa der Philosophie oder Theologie. Gebietet die Ethik oder Religion den Schutz von Tieren? Was beeinträchtigt nach den Erkenntnissen der Biologie das Wohlbefinden eines Tieres? Haben manche Tiere für Menschen eine derartige soziale Funktion, dass die Mensch-TierBeziehung den Schutz des Rechts genießen sollte? Befunde aus anderen Disziplinen können insofern aus ihrem Erkenntnishorizont heraus der Rechtswissenschaft Impulse liefern und Argumente stützen. Die argumentative Nähe zu außerrechtlichen Betrachtungen hat aber dazu geführt, dass die durch rechtswissenschaftliche Monographien geführte Auseinandersetzung mit der rechtlichen Behandlung von Tieren vergleichsweise heftig von nicht genuin juristischen Disziplinen geprägt, wenn nicht Hannover 2007); Sommer, Der Pferdekauf (Diss., Münster 2000); Visser, Gewährleistung beim Reitpferdekauf (Diss., Bochum 2000). 19 Beispielhaft genannt seien Lorenz, Die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB (Diss., Würzburg 1991); Rottler, Die Tierhalterhaftung und ihre Begrenzung im deutschen, französischen und englischen Recht (Diss., Freiburg 1994); Schmalhorst, Die Tierhalterhaftung im BGB von 1896 (Diss., Kiel 2001). 20 Die Schweizerin Schneider Kayasseh hat eine deutschsprachige rechtsvergleichende Arbeit zur „Haftung bei Verletzung oder Tötung eines Tieres – unter besonderer Berücksichtigung des Schweizerischen und U.S.-amerikanischen Rechts“ vorgelegt (Diss., Zürich 2009). 21 Herfs, Im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere in der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in körperliche Sachen (Diss., Köln 1998); Schaal, Tiere in der Zwangsvollstreckung (Diss., Trier 2000). 22 Brüninghaus, Die Stellung des Tieres im Bürgerlichen Gesetzbuch (Diss., Münster 1992). 23 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001 (BGBl. I 2001, S. 3138). Zur Aufhebung der §§ 481 bis 492 siehe BT-Drs. 14/6040, S. 205 – 207.
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sogar dominiert wird. Argumente für eine bestimmte rechtliche Behandlung von Tieren aus Nachbardisziplinen zu generieren, ist vielfach in den Mittelpunkt des Intereses gerückt.24 Darin liegt eine Fokussierung, der diese Arbeit gerade nicht folgt.
II. Gegenstand und Ziele der Arbeit Ein Mangel besteht bei der Beforschung der rechtlichen Behandlung von Tieren im Kontrast zu den vorherrschenden ethisch motivierten und interdisziplinär argumentierenden Forschungsansätzen noch an ausführlichen genuin juristischen Analysen, zumal mit speziellem Fokus auf das bürgerliche Recht. Trotz aller Vorzüge interdisziplinärer Forschung und Argumentation ist Ziel dieser Arbeit daher weder, einen weiteren Vorschlag zur rechtlichen Behandlung von Tieren etwa aus religiösen, ethisch-philosophischen, soziologischen oder verhaltensbiologischen25 Erwägungen heraus zu entwickeln, noch setzt sich diese Arbeit überhaupt mit der Plausibilität der Forderung beispielsweise nach subjektiven Tier-Rechten oder deren Herleitung auseinander. Denn sie verfolgt schon im Ausgangspunkt eine andere Zielsetzung. Der hier gewählte Ansatz besteht vielmehr darin, auf der Grundlage der geltenden Rechtslage die sich in veröffentlichter zivilgerichtlicher Rechtsprechung und im Schrifttum niederschlagende zivilrechtliche Behandlung von Tieren einmal viel schärfer und detaillierter einer Nahaufnahme zu unterziehen als bisher geschehen und dabei nach Strömungen zu suchen, die die zivilrechtliche Behandlung von Tieren beherrschen, und doch kaum jemals explizit benannt werden, weil sie womöglich gar nicht bewusst, jedenfalls aber wenig beforscht sind oder erst bei Betrachtung des Gesamtbildes sichtbar werden. Das ergebnisoffene Ziel ist, die innerhalb der vorgefundenen Varianz erkennbaren Konturen einschließlich der womöglich dahinter liegenden Wertungen offenzulegen und zu bewerten. Die Arbeit soll damit zu einer klareren Sicht auf die zivilrechtliche Behandlung von Tieren und zu einer gewissen Konsolidierung beitragen, insbesondere für den Zeitraum seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht aus dem Jahr 1990. Da es bisher schon überhaupt an einer übergreifenden Darstellung mangelt, erscheint dieses Vorhaben interessant selbst unabhängig davon, ob sich am Ende Aussagen über einen generellen zivilrechtlichen Status von Tieren ableiten oder sich Orientierungspunkte nur begrenzt auf bestimmte Sachbereiche bestimmen lassen. 24
Etwa bei Raspé, Die tierliche Person – Vorschlag einer auf der Analyse der Tier-MenschBeziehung in Gesellschaft, Ethik und Recht basierenden Neupositionierung des Tieres im deutschen Rechtssystem (Diss., Hamburg 2012); Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft – Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage (Habil.-Schr., Hamburg 1998); Gerick, Recht, Mensch und Tier – Historische, philosophische und ökonomische Aspekte des tierethischen Problems (Diss., Bielefeld 2004); Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben (Diss., Frankfurt/Main 2005); Brüninghaus, S. 101 ff. 25 Dazu siehe v. Loeper, ZRP 1996, 143, 146 f.
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Diese Arbeit schert damit aus der Reihe der bislang das Forschungsfeld dominierenden Monographien aus. Ihr Ansatz ist einerseits enger, indem sie sich nämlich auf eine eher genuin rechtswissenschaftliche Untersuchung fokussiert und den in Bezug auf Tiere sehr im Vordergrund stehenden interdisziplinären Überlegungen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit widmet. Ihr Ansatz ist andererseits weiter, indem sie sich nicht auf eine zivilrechtliche Teilfrage verengt, sondern das Zivil- und Zivilverfahrensrecht ganzheitlich auf zwei Aspekte hin in den Blick nimmt, die sich in verschiedenen Zusammenhängen wiederkehrend als maßgeblich erweisen. Bei näherer Betrachtung lassen sich nämlich zwei Gesichtspunkte identifizieren, die in der hier zu analysierenden zivilrechtlichen Behandlung von Tieren durch Rechtsprechung und Schrifttum besonders oft (kumulativ oder alternativ) eine Bedeutung haben: Einerseits die Berücksichtigung der emotionalen Bindung eines Menschen an ein Tier und andererseits die Rücksichtnahme auf Tierschutzaspekte oder allgemein das Wohlergehen des betreffenden Tieres. Diese beiden übergreifenden Gesichtspunkte werden für die folgende Untersuchung zentral und leitend sein. Bei der emotionalen Bindung eines Menschen an ein Tier handelt es sich um ein ideelles Interesse. Für eine solche immaterielle, sich nicht im objektiven Marktwert widerspiegelnde Wertschätzung wird in der rechtswissenschaftlichen Diskussion üblicherweise der Ausdruck „Affektionsinteresse“26 verwendet. Daher wird im Folgenden auf das „Affektionsinteresse“ eines Menschen an einem Tier rekurriert, wenn das auf einer emotionalen Bindung zum Tier beruhende besondere subjektive, immaterielle Interesse am Tier gemeint ist. Geht es um die Rücksichtnahme auf das Wohlbefinden von Tieren, bedient sich die Arbeit des hierfür in neuerer Zeit geschaffenen Neologismus „Tierwohl“27. Dass sich die zivilrechtliche besondere Behandlung von Tieren vielfach auf diese beiden Aspekte, also „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse des Menschen an einem Tier“, zurückführen und sich anhand dieser beschreiben lässt, ist eine Grundhypothese, auf der die Arbeit beruht. Eine Kernaufgabe liegt daher darin, diese Annahme im Wege einer detaillierten Rechtsprechungs- und Schrifttumsanalyse zu überprüfen und dann, darüber hinausgehend, zu fragen, was den wertungsmäßigen und rechtlichen Unterbau des Phänomens bildet, wie dies zu bewerten ist und welche Schlussfolgerungen sich daraus ziehen lassen. Außerhalb der Zwecke dieser Abhandlung liegt es, ein Plädoyer für oder gegen die verstärkte Berücksichtigung immaterieller Werte im Zivilrecht zu halten, auch wenn jene Diskussion durch den hier untersuchten Gesichtspunkt des Affektionsinteresses an Tieren tangiert ist. Einen Beitrag leisten kann sie nur zu der Frage, inwiefern immaterielle Interessen in Bezug auf Tiere de lege lata zivilrechtlichen Schutz genießen. Am Ende mag die hier fokussierte Untersuchung anhand der Faktoren „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse am Tier“ dann selbst für die ethische Diskussion um die Behandlung von Tieren, an der sich diese Arbeit ja nur höchst sekundär beteiligt, 26 27
Dazu noch näher ab Fn. 534 ff. Näher zur Terminologie bei Fn. 874 ff.
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wieder von Nutzen sein. Denn Befunde darüber, in welchem Gewichtsverhältnis die beiden Gesichtspunkte zueinander stehen, haben auch eine gewisse Aussagekraft darüber, auf welchen Beweggründen eine etwaige rechtlich besondere Behandlung von Tieren tatsächlich beruht. Einer der zum Untersuchungsgegenstand erhobenen zwei Faktoren betrifft dabei die Rücksichtnahme auf das Wohl des Tieres, der andere die Rücksichtnahme auf das Interesse des Menschen. Es ist gerade eine der ethischen Kernfragen, ob eine rechtlich besondere Behandlung von Tieren um des Menschen willen oder um des Tieres willen erfolgt.28
III. Hinweise zur Methodik und zum Gang der Darstellung Mit der Berücksichtigung des emotionalen Interesses eines Menschen an einem Tier auf der einen und der des „Tierwohls“ auf der anderen Seite ist die Leitlinie der Untersuchung gespannt. Daraus ergeben sich Folgen für die Auswahl des Untersuchungsstoffs. Es lassen sich nämlich Teilbereiche des bürgerlichen Rechts abstecken, an denen die Bedeutung dieser beiden Gesichtspunkte besonders deutlich zu Tage tritt und die sich daher zur näheren Analyse besonders eignen. Dies sind bestimmte Aspekte des Schadensrechts, des Familienrechts, des Miet- und Nachbarrechts, des Kaufrechts und der Rechtsdurchsetzung (Zwangsvollstreckungsrecht sowie Zurückbehaltungsrechte). Damit erscheint das Panorama zugleich aber breit genug, um die Eignung der Faktoren „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“ zu einer gewissen Ordnung der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren aufzuzeigen und sicherzustellen, dass die Befunde nicht allzu sehr von punktueller, gleichsam zufälliger Kasuistik geprägt sind, sondern ein Mindestmaß an Allgemeingültigkeit aufweisen. Um das deutsche Zivilrecht daraufhin auszuleuchten, an welchen Stellen sich die Frage einer speziellen Behandlung von Tieren typischerweise in besonderer Deutlichkeit entzündet und von welchen Wertungen sich Gerichte und Schrifttum dabei leiten lassen, wurde die von Tieren (insbesondere) im Kontext zivilrechtlicher Fragen handelnde rechtswissenschaftliche Literatur in Gestalt von Monographien, Aufsätzen und Kommentarstellen (vor allem zu tierspezifischen zivilrechtlichen Vorschriften) ausgewertet, ebenso wie die Materialien zu den größeren gesetzgeberischen Aktivitäten mit Tier-Bezug seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. Eine breite Säule unter den Quellen bilden daneben veröffentlichte Urteile und Beschlüsse deutscher (vor allem ordentlicher, aber auch Verwaltungs-) Gerichte, in denen es um Tiere geht. Es wurden insgesamt über 500 Entscheidungen gesichtet. Der Blick war bei alledem auf das materielle Zivilrecht wie auch Zivilprozessrecht gerichtet. Um die Orientierung bei Bezugnahmen innerhalb des Werkes zu erleichtern, sind besonders markante Entscheidungen oder Entscheidungsreihen mit schlagwortartigen
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Dazu näher ab Fn. 95 ff.
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Kurznamen versehen, angelehnt an die Art von Tier, das Gegenstand der Entscheidungen war. Die darauf beruhende Analyse des (vorwiegend) deutschen Zivilrechts auf die besondere Behandlung von Tieren hin ist in dem mittleren Hauptteil dieser Arbeit dargestellt. Dabei entpuppen sich die beiden schon oben herausgestellten Faktoren – einerseits das an einem Tier bestehenden Affektionsinteresse und andererseits das Wohl von Tieren – als wesentlich. Auch der Gang der Darstellung orientiert sich deshalb an diesen zwei Schutzgütern. Entsprechend zerfällt der Hauptteil in drei Unterkapitel. Das erste und kürzeste Kapitel widmet sich Beispielen, in denen allein das Affektionsinteresse an einem Tier tangiert ist (§ 4); das zweite Kapitel nimmt Fälle in den Blick, in denen es allein um den Einfluss des „Tierwohls“ geht (§ 5); das dritte und längste Kapitel greift die Felder auf, in denen Argumentationsmuster zwischen beiden Aspekten changieren (§ 6). Vorangestellt sind jeweils Bemerkungen zur Terminologie und zur rechtlichen Einordnung der beiden in den Mittelpunkt gerückten Schutzgüter. Innerhalb der drei Kapitel ist die Darstellung gegliedert nach Teilgebieten und Einzelfragen des Zivilrechts, die sich im Zuge der Untersuchungen als diejenigen Beispiele hervorgetan haben, an denen sich – allgemein – die spezielle zivilrechtliche Behandlung von Tieren und – konkret – der Einfluss von Affektionsinteresse und „Tierwohl“ besonders deutlich erweist oder auf die Probe stellt. Die Reihenfolge und Anordnung dieser Einzelbereiche ist nicht zwingend. Sie ist im Grundsatz angelehnt an die Systematik des BGB, im Übrigen aber auch bedingt durch Sachzusammenhänge und durch gestalterische Entscheidungen an dem Maßstab, auf welche Weise sich die Entwicklung des Gedankengangs am nachvollziehbarsten darstellen lässt. Umrahmt ist der mittlere Hauptteil (Zweiter Teil) von einem Einführungsteil (Erster Teil) und einem Schlussteil (Dritter Teil). Zweck des ersten Teils ist es, den Untersuchungsgegenstand in einen Zusammenhang einzuordnen, das heißt jedenfalls in Ansätzen zu skizzieren, vor welchem Hintergrund, auf welchem Fundament die Frage der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren steht. Dazu gehört, den Rahmen der hierfür elementaren Rechtsgrundlagen aufzuzeigen und einen Überblick über die dahinter liegenden Rechtsentwicklungen und Wertungen zu geben. Darüber hinaus soll der erste Teil aber auch helfen, einen Eindruck von dem betroffenen Spannungsfeld zu vermitteln, auf dem sich diese Arbeit bewegt, und ein konkreteres Verständnis dafür zu erzeugen, worin ihr Beitrag liegen soll. Der dritte, abschließende Teil der Arbeit dient zum einen dazu, die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit darzustellen und das sich aus den Einzelfragen der im Mittelteil ausgebreiteten Auswertung ergebende Mosaik zu prägnanten übergreifenden Aussagen thesenförmig zu verdichten. Der Forschungsansatz und die Befunde der im Hauptteil ausgefalteten Analyse werden dazu im Lichte der eigenen Position resümiert und präzisiert sowie um übergreifende Beobachtungen ergänzt. Zum anderen werden – anknüpfend an die bisherige Entwicklung – Zukunftsperspektiven auf-
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gezeigt, Herausforderungen benannt und daraus zu ziehende Folgerungen und Empfehlungen beschrieben. Im Zuge der Untersuchung hat sich gezeigt, dass bereits ein eher flüchtiger Blick auf einzelne andere Rechtsordnungen bemerkenswerte Ähnlichkeiten und erkennbare Parallelen in der Entwicklung des materiellen Rechts und der fachlichen Diskussion binnen der letzten gut 25 Jahre hinsichtlich der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren zu Tage fördert. Eine eingehende systematische rechtsvergleichende Analyse der Behandlung von Tieren in europäischen oder gar internationalen Zivilrechtsordnungen überschreitet den Rahmen und Zweck dieser Arbeit. Allein deshalb auf die Darlegung einzelner, gut greifbarer Funde gänzlich zu verzichten, wäre jedoch misslich, denn interessant ist es allemal, eine – freilich sehr selektive, vor allem von der sprachlichen Zugänglichkeit beeinflusste – Probe-Untersuchung zu unternehmen und dies mag helfen, den sich in Deutschland andeutenden Weg zur zivilrechtlichen Behandlung von Tieren einzuordnen. Ohne den Anspruch, damit ein repräsentatives Bild abzugeben, sind deshalb an einigen Stellen dieser Arbeit Befunde aus anderen Rechtsordnungen eingestreut. Dabei ist der Blick vor allem auf Österreich und die Schweiz gerichtet, mit gelegentlichen Hinweisen auch zu Portugal, Frankreich und – als Rechtsordnungen des common-law – zu England und den USA. Als weiterer Bezugspunkt bietet sich der seinerseits auf einer Rechtsvergleichung fußende Draft Common Frame of Reference29 (DCFR) an.
29 von Bar, Principles, definitions and model rules of European private law: Draft Common Frame of Reference (DCFR), München 2009.
Erster Teil
Tiere als Gegenstand des Rechts Um der besonderen zivilrechtlichen Stellung von Tieren auf die Spur zu kommen, soll zuvor ein Blick auf das – durch gesellschaftliche, ethische und rechtliche Entwicklungen geprägte – Umfeld geworfen werden, in welchem der Untersuchungsgegenstand – bislang geradezu schlummernd – eingebettet liegt. Nur so lässt sich die rechtliche Ausgangslage im Zivilrecht, aber auch der allgemeine Rahmen verstehen, der sich für Tiere als Gegenstand des Rechts ergibt.
§ 1 Der Blick der Gesellschaft auf Tiere als Motor der Rechtsentwicklung I. Veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung von Tieren Recht und seine Fortentwicklung ist stets von der tatsächlichen Lebenswirklichkeit der Menschen inspiriert und beeinflusst, ja geradezu als Reaktion auf diese zu verstehen. Tiere kommen in dieser Lebenswirklichkeit seit jeher vor – und das mit nicht unerheblicher Bedeutung für den Menschen30. Die Erzeugnisse von Tieren, ihre Körpersubstanz, ihre Fähigkeiten oder ihre spezifischen Eigenschaften dienen dem Menschen zum elementaren Zweck der Ernährung, aber etwa auch zur Wissenschaft, Fortbewegung, Geselligkeit oder Unterhaltung. Die Einstellung, die Menschen gegenüber Tieren haben, variiert freilich im Einzelfall auf einer weiten Spannbreite – angefangen von tiefer emotional geprägter Zuneigung (wie sie sonst nur gegenüber Menschen besteht), über wissenschaftlichintellektuellem oder wirtschaftlichem Nutzungsinteresse bis hin zu blanker Abneigung.31 Empirische Forschung über die Haltung der Menschen zu Tieren32 lässt dabei bestimmte Grundeinstellungen unterschiedlicher Schwerpunktsetzung erkennen,33
30 Siehe nur Benecke, Der Mensch und seine Haustiere – Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung (Stuttgart 1994); Brüninghaus, S. 14 ff. 31 Siehe dazu Bortfeldt, S. 91 ff. 32 Vgl. hierzu ethnologisch-historisch Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1240, 1247 f. m. w. N. 33 Siehe die grundlegenden, ursprünglich aus den 1970er-Jahren stammenden Untersuchungen von Kellert, Attitudes, knowledge, and behaviour toward wildlife among the industrial superpowers: The United States, Japan, Germany, Journal of Social Issues Vol. 49, issue 1,
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
die aber wohl auch sehr von dem konkreten Bezugspunkt abhängen (ein einzelnes Tier/Tiere als solche/Haustiere/wilde Tiere). Danach kann die Haltung gekennzeichnet sein durch „Tierliebe“ im Sinne einer Affinität zum Tier als Individuum, die etwa im Hinblick auf Haustiere festzustellen ist, durch ein wissenschaftliches Interesse oder eine Betonung des Nutzungsgedankens bis hin zu einer hauptsächlich durch Gleichgültigkeit oder Aversion gegen Tiere gekennzeichneten Einstellung.34 Vorherrschend in Deutschland sind, wie eine jüngere Untersuchung von Bortfeldt konstatiert, gefühlsbetonte Einstellungen zu Tieren, was diese auf die Darstellung von Tieren in der Gesellschaft (unter anderem die Fokussierung von Medien auf emotionalisierende Themen) und den „hohen, oftmals vermenschlichenden Stellenwert“ von Tieren zurückführt.35 Insbesondere für das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts findet sich auch speziell in rechtswissenschaftlicher Literatur die These, der gesellschaftliche Blick auf Tiere im Allgemeinen habe sich gewandelt.36 Schon 1962 sprechen Stoltenberg/Zoebe von einer „zunehmende[n] Tierliebe der Stadtbevölkerung“37 und Gunst38 verweist 1978 auf eine gewandelte Einstellung des Menschen zu Tieren. Jedoch konstatiert er, das Recht in den zivilisierten Ländern Europas habe dies (noch) nicht mitvollzogen, denn Tiere seien in den großen Gesetzgebungswerken des Kontinents im Allgemeinen den Sachen gleichgestellt. Die Rechtsstruktur des Privatrechts bleibe hinter der geänderten Auffassung der tierfreundlicheren Allgemeinheit der Industriestaaten zurück. Von Lersner39 spricht 1988 von einer „ökologischen Bewusstseinswende“ und prophezeit „nun die durch die Erkenntnis von der Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ausgelösten [ökologischen] Reformen […], die unsere Rechtsordnung in nahezu allen ihren Bereichen vor neue Aufgaben stellen und zur Überprüfung bisheriger Annahmen zwingen“, und die er in ihrer Tragweite mit den liberalen Reformen des 18. und 19. Jahrhunderts und den sozialen des 19. und 20. Jahrhunderts vergleicht. Einen Bewusstseinswandel der Gesellschaft im Hinblick auf die Wahrnehmung von Tieren glauben auch andere zu erkennen.40 KariS. 53 – 69 und American attitudes toward and knowledge of animals: An update, International Journal for the Study of Animal Problems, Vol. 1, Nr. 2 (1980), S. 87 – 119. 34 Beschreibung der Einstellungen nach Bortfeldt, S. 91 f., 7 ff., 14. 35 Bortfeldt, S. 92 f. 36 Brüninghaus, S. 108; Steding, JuS 1996, 962, 963; Raspé, S. 16; Andelewski, NZV 2001, 61; Leondarakis, Tierversuche, S. 19; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 120 (1. Aufl. 2002) spricht von einem „veränderten Wertbewusstsein(…) für das Tier“; Gerick, S. 88: „das sich allmählich verändernde Wertebewusstsein in Bezug auf Tiere“; Schumann, in: Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium, S. 181, 183: „Tendenz zur Vermenschlichung von Haustieren“. 37 Stolting/Zoebe, S. 96; bekräftigt von Ennulat/Zoebe, S. 136. 38 Gunst, S. 124. 39 NVwZ 1988, 988. 40 Brüninghaus, S. 108; Steding, JuS 1996, 962, 963; Raspé, S. 16; Andelewski, NZV 2001, 61; Leondarakis, Tierversuche, S. 19; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 120 (1. Aufl. 2002) spricht von einem „veränderten Wertbewusstsein(…) für das Tier“; Gerick, S. 88: „das sich allmählich
§ 1 Der Blick der Gesellschaft auf Tiere als Motor der Rechtsentwicklung
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kierend ist etwa 1998 die Rede von einer „affektiven[n] Umpolung des modernen Menschen“, einem Trend in den Industriegesellschaften „weg vom Kind, hin zum Tier“.41 Diese gewandelte Wahrnehmung scheint sich in gewachsenen moralischen Ansprüchen42 an den Umgang mit Tieren im Allgemeinen und in einer gesteigerten Wertschätzung einzelner, als Freizeitgefährten gehaltener Tiere im Besonderen auszudrücken. Überhaupt hat die Funktion von Tieren als aus Liebhaberei gehaltene Freizeitgefährten an Bedeutung gewonnen. Dies dürfte wohl eher Ursache als Symptom der gewandelten Einstellung zu Tieren sein. Haben Tiere schon immer in ihrer Funktion als Nutztier für den Menschen eine durchaus substantielle Rolle gespielt, war diese aber doch eher materieller Natur. Demgegenüber scheinen Tiere nunmehr in ihrer Funktion als „Luxustier“ (als Gegensatz zum „Nutztier“ im Sinne des § 833 BGB) einen erheblichen Bedeutungszuwachs zu erleben.43 Dies lässt sich an einer seit Jahren steigenden Zahl von Haustieren und einem wachsenden Heimtiermarkt beobachten.44 Hierdurch dürfte insgesamt die Sensibilität der Beverändernde Wertebewusstsein in Bezug auf Tiere“; Otterstedt, in: Otterstedt/Olbrich, S. 15, 25: „Das Tier ist in den sog. modernen Gesellschaften des 20. und 21. Jhd. nicht nur Nahrungsquelle, Forschungs-, Status- und Sammelobjekt, es wurde auch Partner und Freund. Es ist v. a. das Haustier, welches durch seine psychosoziale Bedeutung das menschliche Bedürfnis nach Kontakt mit der Natur beantwortet“; vgl. auch v. Loeper, ZRP 1996, S. 143, 146 („tiefgreifender Umdenkungsprozeß“ in den Entscheidungsgremien von Wissenschaft und Wirtschaft). 41 Basedow/Spellenberg, ZEuP 1998, 411 f. 42 Parallel zu dem hier geschilderten rechtlichen Bedeutungsgewinn des Tierschutzes bildete sich insbesondere ab den 1970er-Jahren auch in der Disziplin der Ethik eine „Tierethik“ als Bereichsethik der Bioethik heraus, siehe Engels, Stichwort Tier– Ethisch (Spalte 406) in Religion in Geschichte und Gegenwart (4. Aufl. 2008). Indes: Von einer „Tierethik“ war auch schon im 19. Jahrhundert die Rede, siehe Gerick, S. 147. 43 Schon 1979 spricht Schmid, VersR 1979, 402 von „der zunehmenden Haltung von Luxustieren“. 44 Nach Statistiken, die durch das Statistik-Portal Statista unter Berufung auf Angaben des Zentralverbands zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. sowie des Internationalen Hundeverbandes veröffentlicht wurden, hat die Zahl der in deutschen Haushalten gehaltenen Haustieren seit dem Jahr 2000 deutlich (um über 45 Prozent) zugenommen; die Zahl der Katzen hat sich demnach fast verdoppelt und die Zahl der Hunde ist um über 70 Prozent gestiegen, siehe das Statista-Dossier zum Heimtiermarkt Deutschland (2017), S. 12. Eine ebenfalls auf Angaben des Zentralverbandes zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. beruhende Übersicht zum Umsatz mit Heimtierbedarf in Deutschland in den Jahren 2006 bis 2016 (Statista-Dossier zum Heimtiermarkt Deutschland 2017, S. 30) zeigt eine kontinuierlich steigende Tendenz. Dieser Trend lässt sich auch in anderen Ländern Europas erkennen (Statista-Dossier zum Heimtiermarkt Deutschland 2017, S. 27 unter Berufung auf Angaben des Industrieverbands Heimtierbedarf e.V., des Zentralverbandes zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. und Euromonitor). Auch eine vom Statistik-Portal Statista unter Berufung auf das Statistische Bundesamt veröffentlichte Statistik weist aus, dass der Nettoumsatz im Einzelhandel mit zoologischem Bedarf und lebenden Tieren in Deutschland in den Jahren 2003 bis 2015 stetig zugenommen und sich von 2009 bis 2015 sogar verdoppelt hat, siehe Statista-Dossier zum Heimtiermarkt Deutschland (2017), S. 39.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
völkerung gegenüber Tieren zugenommen haben, was Einfluss auf das Rechtsdenken und gesetzgeberische Aktivitäten nimmt. Auch Gunst45 bringt 1978 die von ihm wahrgenommene Veränderung in der Einstellung des Menschen zu Tieren damit in Verbindung, dass in den zivilisierten Ländern die Zahl der Tiere wachse, die nicht als Nutztiere gehalten werde. Als Beispiel nennt er Pferde, die früher vorwiegend als Nutzpferde, nunmehr vielmehr als Reitpferde gehalten würden. Die gleiche Beobachtung findet sich in Bezug auf Pferde auch anderenorts: Die Einstellung zum Pferd habe sich stark verändert. Während es früher hauptsächlich den Menschen bei der Arbeit unterstützt habe, sei es heute Partner beim Sport und bei der Freizeitgestaltung.46 Seit den 1950er-Jahren sei das Pferd als Nutz-, insbesondere Zugtier praktisch ausgestorben; im Vordergrund der Nutzung des Pferdes stünden nunmehr unangefochten Freizeitzwecke, insbesondere der Reitsport.47 Dies spiegelt sich auch in den zu Gericht gelangenden Fällen wider.48 Eine ähnliche Entwicklung wird hinsichtlich der Funktion von Hunden gesehen: Der Gebrauchshund trete im Gegensatz zu früher immer mehr in den Hintergrund, Liebhaberei und Schutzbedürfnis spielten eine immer größere Rolle, besonders bei den Hundehaltern in den Großstädten.49 Das AG Idar-Oberstein spricht Ende der 1990er-Jahre mit Blick auf die zurückliegenden zwei bis drei Jahrzehnte von einem starken Wandel in der Gesellschaft „hinsichtlich Hunden und Katzen von einem bloßen Funktionstier etwa als Wachhund oder Mäusefänger, hin zum Affektionstier“, welcher auch die Bereitschaft zur Ausgabe größerer Beträge für tierärztliche Behandlungskosten mit sich gebracht habe.50 Als allgemeine Aussage konstatiert Herfs im Jahr 1998: „Es ist (…) offensichtlich, daß der Haustierhaltung in immer stärkeren Umfang Vergnügungs- und Geselligkeitsaspekte zugrunde liegen“.51 45
Gunst, S. 124. Nelkel, S. 127. 47 Nelkel, S. 23 f.; Oexmann, Die zivilrechtliche Haftung des Pferdehalters, S. 4 f./Rn. 9 und S. 72/Rn. 220; ähnlich Sommer, S. 19 f.; OLG Schleswig, Urt. v. 24. 03. 1982 – 9 U 207/8, VersR 1983, 1084: „Die moderne Entwicklung in der Landwirtschaft hat es mit sich gebracht, daß Pferde kaum noch als Zugpferde, als Kraft- oder Fortbewegungsmittel eingesetzt werden, sondern wenn überhaupt zu reitsportlichen Zwecken gehalten werden“. 48 Siehe Oexmann, Die zivilrechtliche Haftung des Pferdehalters, S. 4 f./Rn. 9. 49 Nelkel, S. 16, unter Verweis auf Bötsch, Die Berücksichtigung von tierärztlichen Sachverständigenaussagen bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Hundehandel, Dissertation, München 1987. 50 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618 – 98, NJW-RR 1999, 1629. 51 Herfs, S. 40. Ähnlich für die USA Livingston, 82 Neb. L. Rev. 783 (2004), 802 f.: „(…) the place of animals has changed dramatically over the last one hundred years. Originally valued almost exclusively for their income-producing capacity, animals are now often regarded as members of the family and esteemed for the love, loyalty, and companionship that they provide. Certainly, many domestic animals, such as cattle, sheep, and chickens, are still valued primarily for their economic worth, but companion animals that live in or near the family home contribute much more in terms of their society than they do in terms of their services.“; Cupp, University of 46
§ 1 Der Blick der Gesellschaft auf Tiere als Motor der Rechtsentwicklung
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Die stärkere Bedeutung von Freizeittieren brachte Gunst52 1978 damit in Zusammenhang, dass der zivilisierte Großstadtmensch, der nicht von Kindesbeinen an in der Gesellschaft von Nutztieren aufwachse, zum Tier eine besondere persönliche Beziehung habe. Auch anderenorts findet sich die Urbanisierung der Gesellschaft und die damit einhergehende Entfremdung der Mehrheit der Menschen vom Umgang mit Nutztieren53 als Erklärungsansatz. Außerdem werden Gründe in gesellschaftlichen Entwicklungen gesehen, wie der Zunahme von Einzelhaushalten mit allein lebenden Menschen,54 in denen Tiere gleichsam als Kind-Ersatz fungieren55. Schneider Kayasseh56 verweist darauf, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der hohen Scheidungsraten in den Industrienationen die Anzahl allein lebender Menschen zunehme. Diese Personengruppe wie auch kinderlose Paare seien aufgrund ihrer sozialen Verhältnisse für eine besonders enge Verbundenheit zum Tier prädisponiert, da Heimtiere für diese Menschen Freund, Gesellschafter, Familienmitglied und manchmal sogar Kind-Ersatz seien. Womöglich ist die Entwicklung auch als Teil eines Trends zu sehen, wonach der Ausgestaltung der Freizeit allgemein mehr Bedeutung beigemessen wird.57
Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 11: „Although humans in the twentieth and twenty-first century are not the first to love companion animals, in developed nations we are among the first generations where most members of society regularly interact with owned animals almost exclusively as beloved companion animals. It seems inevitable that this change in our day-to-day relationships with animals is powerfully influencing our perceptions of how animals should be treated.“ 52 Gunst, S. 124. 53 Für die USA etwa Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 9 ff.; Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 52: „The changing nature of the relationship between people and companion animals has been attributed to the urbanization, industrialization, and isolation of modern society“. 54 Ennulat/Zoebe, S. 136 (1972) führen die Zunahme der Heimtierhaltung u. a. auf die „zunehmende Vereinsamung des Menschen in einer Massengesellschaft“ zurück; ähnlich schon 1962 Stolting/Zoebe, S. 96 („innere Einsamkeit vieler Menschen“). 55 Zum Tier als Person-Substitut und möglichen Ursachen siehe (aus psychologischer Sicht) Vernooij, in: Otterstedt/Rosenberger, S. 158, 160 ff., 167. Für die USA: McLain, 6 J. Animal L. 151 (2010), 153; McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), unter III A: „human families are smaller than in the past, last less time (with divorce being more common than in the past), and some households are substituting companion animals for human children“; vgl. auch Basedow/Spellenberg, ZEuP 1998, 411: „Weg vom Kind, hin zum Tier – so geht der Trend in den Industriegesellschaften.“; Schach, GE 1992, 1291: „Das Tier, des Menschen liebstes Kind?!“. 56 Schneider Kayasseh, S. 133. 57 Vgl. Köndgen, AcP 177 (1977), 1, 15: „Den Verfassern des BGB war in dieser historischen Situation der Gedanke fremd, daß dereinst rapide steigende Masseneinkommen im Zusammenwirken mit einer stetigen Verkürzung der Arbeitszeit den Konsum – und zwar gerade auch den Konsum zu effektiven oder ideellen Zwecken – zur absolut dominierenden Form der Vermögensverwendung machen würde“. Ähnlich Küppers, VersR 1976, 604, 607: [Heute werden] „große Teile des erwirtschafteten Volksvermögens zu Erlangung immaterieller Vorteile verwendet“.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
II. Rechtliche Aufwertung von Tieren als Reaktion Die Entwicklung des gesellschaftlichen Blicks auf Tiere war für den Gesetzgeber ein wichtiger Handlungsmotor, wie sich aus den Materialien zu den für die rechtliche Behandlung von Tieren bedeutenden Gesetzgebungsaktivitäten der vergangenen 50 Jahre ergibt.58 Hierzu gehören der erwähnte Erlass des Bundesdeutschen Tierschutzgesetzes vom 24. 7. 197259, dessen Überarbeitung im Jahr 198660, der Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20. August 199061 und die Einfügung des Staatsziels Tierschutz in das deutsche Grundgesetz62 im Jahr 2002. Die übereinstimmende Zielrichtung all dieser Gesetzgebungsaktivitäten zeigte dabei immer recht linear hin zu einer rechtlichen Aufwertung von Tieren,63 die Tendenz in der Begründungsrhetorik hin zu mehr Tierschutz, was der Gesetzgeber unter anderem als Reaktion auf einen entsprechenden Bewusstseinswandel in der Gesellschaft erklärte.64 Diese nicht besonders rasante, aber erkennbare Entwicklung ist danach als Antwort auf eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung von Tieren zu verstehen.65 Auch die Aktivitäten in Rechtsprechung und Schrifttum seit Mitte der 1980erJahre lassen eine Entwicklung hin zu einer an der Lebendigkeit von Tieren anknüpfenden stärkeren Spezialbehandlung gegenüber Sachen erkennen, die sich nicht zuletzt auch aus einer größeren Rücksicht auf an Tieren bestehenden immateriellen Interessen speist. Schaal66 befand im Jahr 2000, in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten seien Tiere verstärkt zum Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen geworden und auch von Teilen der Literatur sei ihnen eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet worden. Er führte dies auf ein steigendes Interesse der modernen Ge58 Vgl. auch Schneider Kayasseh, S. 3: „Die gesellschaftlich anerkannte Mensch-TierBeziehung beeinflusst wesentlich alle Rechtssätze, die sich mit Tieren befassen“. 59 BGBl. I 1972, S. 1277 ff. 60 Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. 08. 1986 (BGBl. I 1986, S. 1309). 61 BGBl. I 1990, S. 1762. 62 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) vom 26. Juli 2002, BGBl. I 2002, S. 2862. 63 Auch Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 95 (3. Aufl. 2016) sprechen von einer „Entwicklung im Tierrecht, die von einer stetigen Weiterentwicklung des Tierschutzgedankens im Sinne einer Höherbewertung seiner Belange gekennzeichnet ist“ (deren Beginn sie bereits im 19. Jahrhundert ansiedeln). 64 BT-Drs. 14/8860, S. 3 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Staatsziel Tierschutz] – Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP); BTDrs. 6/2559, S. 1 u. 9 (Tierschutzgesetz von 1972 – Gesetzentwurf der Bundesregierung). 65 Vgl. auch Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 95 (3. Aufl. 2016): „Solche Entwicklungen in der Gesetzgebung bilden zugleich einen Indikator für Stand und Inhalt der kollektiven Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen“. 66 Schaal, S. 1 f.
§ 1 Der Blick der Gesellschaft auf Tiere als Motor der Rechtsentwicklung
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sellschaft an Tieren zurück sowie darauf, dass „in immer größeren Bevölkerungskreisen“ die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf (§ 1 TierSchG) ernst genommen werde. Im Zuge dessen werde auch generell die Behandlung der Tiere durch die Rechtsordnung mit ständig wachsendem Interesse verfolgt.
III. International: Dynamische Entwicklung von „Animal Law“ zum eigenen Themenfeld Der Trend einer seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zunehmenden Sensibilität des Rechts und der Rechtsanwender für Besonderheiten, die sich aus der Lebendigkeit von Tieren ergeben, lässt sich auch in anderen Ländern Europas und der Welt erkennen. Vor allem aber fördert der Blick über die Grenze als Befund zu Tage, dass – anders als in Deutschland67 – in einigen Ländern das Feld der mit Tieren zusammenhängenden Rechtsfragen in den vergangenen 20 Jahren begonnen hat, sich zu einem eigenen Lehr- und Forschungsgebiet zu entwickeln. Erkennbar ist dies beispielsweise an der Gründung von juristischen Zeitschriften und Datenbanken, die sich dem „Tierrecht“ widmen, oder an der Schaffung von juristischen Ausbildungsgängen, die sich auf dieses Rechtsgebiet beziehen. Beobachten lässt sich solches in den USA, aber auch in Europa. Einen Eindruck von der Dynamik der Entwicklung vermittelt vielleicht die Chronologie einiger einschlägiger Aktivitäten: Ab dem Jahr 1994 beginnt die Lewis & Clark Law School in Portland, USA, die Zeitschrift „Animal Law Review“ herauszubringen.68 1995 gründet sich in Zürich die „Stiftung für das Tier im Recht“, deren Ziel nach eigenen Angaben die Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehung im Recht ist.69 Im Jahr 2002 richtet die Michigan State University, College of Law, ein sogenanntes Animal Legal & Historical Center ein, das insbesondere eine beachtliche Datenbank mit, nach eigenen Angaben, derzeit über 1.200 Volltext-Urteilen (vorwiegend aus den USA) sowie über 1.400 amerikanischen Vorschriften mit Bezug zu Tier-Rechtsfragen vorhält.70 Für das spanische Recht wird im Jahr 2007 eine ähnliche Datenbank von der an der Universitat Autònoma de Barcelona angesiedelten „Research Group ADS (Animales, Derecho y Sociedad)“ ins Leben gerufen.71 Im Jahr 2008 schafft man an der Lewis & Clark Law School in Portland, USA, das „Center for Animal Law Studies“, das insbesondere
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Raspé (S. 17) spricht von „Schattendasein“ des Tier(schutz)rechts in der Rechtswissenschaft; nach Michel/Kühne/Hänni, S. V steht „die Beschäftigung der Rechtswissenschaft mit dem ,Tierrecht‘ […] in Europa noch am Anfang.“ 68 Siehe https://law.lclark.edu/law_reviews/animal_law_review/. 69 Siehe http://www.tierimrecht.org/. 70 Siehe https://www.animallaw.info/. 71 Siehe http://www.derechoanimal.info/eng/basededatos/index.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Studienkurse und Konferenzen zum Thema Tier-Recht anbietet.72 Seit 2012 gibt es dort einen LL.M.-Studiengang „Master in Animal Law“.73 Zwischen 2010 und 2011 richtet bereits die spanische Universitat Autònoma de Barcelona ein Postgraduate Program „Animals, Law and Society“ sowie einen Masterstudiengang „Master in Animal Law and Society“ ein.74 Vor allem seit Ende der 2000er-Jahre werden an über einem Dutzend Universitäten in Australien75, über 100 Rechtsschulen oder Universitäten in den USA76 und auch an einigen britischen Universitäten77 im Rahmen eines Rechtsstudiums optionale Module speziell zum „animal law“ neu angeboten. Seit 2008 widmet die Association of American Law Schools diesem Themenfeld eine eigene Untergruppe (Section on Animal Law).78 Im Jahr 2009 gründet sich an der französischen University of Limoges die Tierrechts-Zeitschrift „Revue Semestrielle de Droit Animalier“79 und seit 2012 wird an der Åbo Akademi University in Finnland das „Global Journal of Animal Law“ herausgegeben80. Als nicht institutionell, sondern gleichsam in Form von Nichtregierungsorganisationen formierte Zusammenschlüsse von Juristen auf dem Gebiet des „Tier-Rechts“ lassen sich noch die in England angesiedelte „Association of Lawyers for Animal Welfare (ALAW)“ nennen, die seit 2005 das „Journal of Animal Welfare Law“ herausgibt81 sowie das in Chicago beheimatete „International Institute for Animal Law“82, das unter anderem an einer Datenbank namens „Animal Law Resource Center“83 teilhat. Die juristische Fakultät der Universität Basel in der Schweiz legt im Jahr 2012 das DoktorandenProgramm „Law and Animals“ auf, aus dem bereits erste Dissertationen hervorgegangen sind.84 Im Jahr 2013 schließt sich eine Gruppe von Rechtswissenschaftlern zur sogenannten EuroGroup for Animal Law Studies (EGALS) mit dem Ziel zu-
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Siehe http://law.lclark.edu/centers/animal_law_studies/. Siehe https://law.lclark.edu/centers/animal_law_studies/animal_law_llm/. 74 Siehe http://www.derechoanimal.info/eng/page/1498/postgraduate-program-in-%E2% 80%9Canimals-rights-and-society%E2%80%9D; http://www.derechoanimal.info/eng/page/4 763/new-poster-of-the-master-in-animal-law. 75 Liste unter https://www.voiceless.org.au/animal-law/study-animal-law. 76 Liste unter http://aldf.org/animal-law-courses/. 77 Liste unter http://www.animal-law.co.uk/courses.html. 78 Siehe https://memberaccess.aals.org/eWeb/dynamicpage.aspx?webcode=ChpDe tail&chp_cst_key=25b753df-26c8-4544-8e8b-36ac82e63e2e. Zur wachsenden Bedeutung von „animal law“ in den USA: Miller, 332 Science 28 (2011), S. 28 ff.; Schneider Kayasseh, S. 29 f.; Wilson, 57 Clev. St. L. Rev. 167 (2009), 175; Eichinger, 67 Mont. L. Rev. 231 (2006), 262 ff. 79 Siehe http://www.unilim.fr/omij/publications-2/revue-semestrielle-de-droit-animalier/. 80 Siehe https://ojs.abo.fi/index.php/gjal. 81 Siehe http://alaw.org.uk/resources/publications/. 82 Siehe http://www.animallawintl.org/contact.htm. 83 http://www.animallaw.com/. 84 Siehe www.law-and-animals.ch. 73
§ 2 Tiere als Schutzobjekt
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sammen, das Forschungsinteresse an dem Feld des „Tier-Rechts“ in Europa zu erhöhen und die Wissenschaft auf diesem Gebiet voranzutreiben.85 Es gibt also international eine Tendenz, dem speziell auf Tiere bezogenen Recht mehr Aufmerksamkeit zu widmen und es (in Form von Sonderfachzeitschriften, Lehrstühlen, Ausbildungsprogrammen) als eine eigene Disziplin – animal law – zu begreifen. Diese Bewegung ist, jedenfalls zum Teil, auch ideologisch motiviert. Hinter dem offenbar aufstrebenden „Tierrecht“ verbirgt sich freilich vielfach öffentliches Recht in Gestalt von Tierschutzrecht. Beschränkt ist es darauf jedoch nicht; auch zivilrechtliche Aspekte werden unter diesem Sammelbegriff behandelt.
§ 2 Tiere als Schutzobjekt Die Frage, auf welche Weise die Rechtsordnung – der Gesetzgeber – vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Wahrnehmung mit Tieren umgeht, kreist auch in Deutschland auf der obersten Wahrnehmungsebene vor allem um den Schutz von Tieren durch das Recht.
I. Ethische Grundkonzepte und die Positionierung des Gesetzgebers Als juristisches Untersuchungsfeld steht Tierschutzrecht und die rechtliche Behandlung von Tieren im Allgemeinen vor einem riesenhaften Hintergrund anderer Disziplinen86, die sich dem Verhältnis der Menschen zu Tieren etwa aus theologischer87, kulturgeschichtlicher88 oder ethisch-philosophischer89 Sicht widmen. Eine 85
Siehe http://egals.university/. Siehe etwa die Beiträge in Otterstedt/Rosenberger (Hg.), Gefährten, Konkurrenten, Verwandte. 87 Zum Beispiel Pangritz, Das Tier in der Bibel; Henry, Das Tier im religiösen Bewusstsein des alttestamentlichen Menschen; für einen Überblick zum Tier aus theologischer Sicht siehe Körtner, in: Theologische Realenzyklopädie, Stichwort Tier, S. 527 ff.; Peters, Riede, Jung, Kruk zum Stichwort Tier (Spalten 400 ff.) in Religion in Geschichte und Gegenwart (4. Aufl. 2008) m. w. N.; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 10 ff. (3. Aufl. 2016); Leondarakis, Tierversuche, S. 42 ff.; siehe auch bei Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1242 f.; Brüninghaus, S. 18 ff.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 17 f. (1. Aufl. 2002); Gerick, S. 74 ff. 88 Beispiel: Benecke, Der Mensch und seine Haustiere – Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung (Stuttgart 1994); Giebel, Tiere in der Antike (Stuttgart 2003); Lewinsohn, Eine Geschichte der Tiere; Findeisen, Das Tier als Gott, Dämon und Ahne; Sälzle, Tier und Mensch – Gottheit und Dämon; für einen Überblick siehe Otterstedt, in: Otterstedt/Olbrich, S. 15 ff.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 9 ff. (1. Aufl. 2002); Gerick, S. 25 ff. 89 Siehe nur Wolf (Hrsg.), Texte zur Tierethik; Wolf, Tierethik (2. Aufl. 2005); Caspar, Tierschutz unter rechtsphilosophischem Aspekt, ARSP 1995, 378 ff.; Hoerster, Haben Tiere eine Würde? – Grundfragen der Tierethik; Nida-Rümelin, in: Angewandte Ethik, S. 458 ff.; Teutsch, Lexikon der Tierschutzethik; Engels, Stichwort Tier – Ethisch, in: Religion in Ge86
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Sonderrolle in dieser nichtjuristischen Hintergrundkulisse nimmt die Disziplin der Ethik ein. Denn der Gesetzgeber selbst betont ausdrücklich, ein jeglicher heute im Gesetz angeordneter Tierschutz sei ethisch begründet.90 So selbstverständlich dies auch allenthalben rezitiert wird91, so befremdlich wirkt es auf den ersten Blick, dass sich der Gesetzgeber, dessen jegliches Handeln ja immer auch ins Verhältnis zu Geboten der Ethik gesetzt werden kann, in diesem Kontext stets so explizit auf ethische Gründe beruft.92 Auf die dadurch berührte Grundsatzfrage des Verhältnisses von Recht und Ethik als ein eigenes weites Feld kann hier lediglich hingewiesen werden.93 Freilich gibt es Rechtsfragen, die das moralische Empfinden der Menschen mehr und solche, die es weniger aufhorchen lassen. Die rechtliche Behandlung von Tieren dürfte zu den ersteren zählen.94 Doch womöglich ist noch ein anderer Grund ausschlaggebend für die starke Bezugnahme auf ethische Motive. Dieser wird deutlich, wenn man bedenkt, wie eigentümlich es erschiene, Vorschriften, die den Menschen schützen – etwa den Straftatbestand des Mordes – explizit damit zu begründen, es sei ethisch geboten, die Tötung eines Menschen mit Mitteln des Rechts zu unterbinden. Ein Berufen auf die Ethik wirkt hier überflüssig. Nicht so hinsichtlich der Tiere. Recht ist nämlich nicht nur etwas, das durch Menschen erschaffen und erkannt, sondern vor allem auch für diese erschaffen wird. Es adressiert ausschließlich Menschen und es dient ihnen – ausschließlich? Hier setzt eine wichtige schichte und Gegenwart (Spalten 406 ff.) m. w. N. Überblick zur Ideengeschichte u. zur Entwicklung der philosophischen Diskussion bei Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1241 f.; Brüninghaus, S. 26 ff.; Metzger/Lorz Einf. Rn. 32 ff.; Ennulat/Zoebe, S. 9 ff.; Maisack, S. 308 ff.; Hager, S. 19 ff.; bei Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 16 ff. (3. Aufl. 2016); Hkk-Rüfner §§ 90 – 103 BGB Rn. 18; Schneider Kayasseh, S. 6 f.; eingehend: Gerick, S. 158 ff.; zur Tierethik aus ethologischer Sicht: Olbrich, in: Otterstedt/Olbrich, S. 32 ff. 90 Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht: BTDrs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), BT-Drs. 11/7369, S. 1 u. 5 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses); Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz): BT-Drs. 14/8860, S. 1 u. 3 (gemeinsamer Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP), BT-Drs. 14/9090, S. 2 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses); Tierschutzgesetz von 1972: BTDrs. 6/2559, S. 1 (Gesetzentwurf der Bundesregierung). 91 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 2 (7. Aufl. 2015); Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 3 (Neubearb. 2012); Mühe, NJW 1990, 2238; Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 1 (211. EL 2016); Epping/Hillgruber-Huster/Rux Art. 20a GG Rn. 18 (31. Ed. 2016); Maunz/Dürig-Scholz Art. 20a GG Rn. 59 (79. EL 2016); Greven, S. 26. 92 Auch Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 22 (3. Aufl. 2016) bemerken: „es gibt kaum ein Gesetz, in dessen Text und Begründung so sehr auf die Begriffe ,ethisch‘ und ,Ethik‘ abgestellt wird wie im Tierschutzgesetz“. 93 Für einen Überblick Brüninghaus, S. 136 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, S. 251 ff., Rn. 404 ff. (7. Aufl. 2013); Lindner, JURA 2016, 8 ff.; Stucki, S. 75 ff.; Goetschel, in: Otterstedt/Rosenberger, S. 316, 322; Leondarakis, Ethik im Recht, S. 13 ff. 94 Als die Gemeinsame Verfassungskommission 1993 über die Aufnahme des Staatsziels Tierschutz ins GG diskutierte, erreichte sie hierzu die zweithöchste Zahl von Eingaben aus der Bevölkerung, die es zu einem bestimmten Beratungsgegenstand gab, BT-Drs. 12/6000, S. 69. Zur engen Verflechtung des Tierschutzrechts mit moralischen Wertvorstellungen siehe auch Stucki, S. 78.
§ 2 Tiere als Schutzobjekt
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rechtsethische Weichenstellung im Hintergrund der rechtlichen Behandlung von Tieren an: Warum – genauer: zu wessen Gunsten – schützt die Rechtsordnung Tiere? 1. Anthropozentrischer versus ethischer Tierschutz Mit zwei Grundströmungen lässt sich bei vergröbernder Betrachtung die rechtsethische Konzeption zur Frage des moralischen Motivs von Tierschutz beschreiben: Ein anthropozentrisch,95 das heißt auf den Menschen ausgerichteter Tierschutz auf der einen Seite, ein um des Tieres selbst willen erfolgender (überwiegend – wenn auch etwas missverständlich – mit ethisch beschriebener)96 Schutz des Tieres auf der anderen Seite.97 Von der Frage, mit welcher Begründung Tiere überhaupt rechtlichen Schutz genießen, zu trennen ist die noch darüber hinaus gehende Frage, wie weit dieser Schutz gehen sollte – zugespitzt also, ob und weshalb aus der Perspektive der Ethik Tiere und Menschen im Recht gleich oder unterschiedlich behandelt werden sollten, ja ob Tieren etwa Rechte zustehen sollten98. Diese genuin ethische Frage soll für die Zwecke dieser Arbeit nicht näher diskutiert werden. 2. Vorteile eines anthropozentrischen Ausgangspunkts des Tierschutzes Nach konsequent anthropozentrischer Sichtweise kommt Tieren nur ein instrumenteller Wert, etwa als Lebensgrundlage zu.99 Mag sie aus dem häufig eingenommenen emotional-humanistischen Blickwinkel heraus auch befremdlich erscheinen, so birgt eine anthropozentrische Betrachtungsweise doch erhebliches (mittelbares) Tierschutzpotential. Denn es gibt eine Reihe von Gesichtspunkten, auf deren Grundlage tierfreundliche Rechtsvorgaben gerade um des Menschen willen gemacht werden können,100 und sei es um der Menschen nachfolgender Genera95
Zum Begriff siehe Höffe, in: Lexikon der Ethik, S. 21 f. (7. Aufl. 2008); Raspé, S. 62 f. Vgl. Obergfell, NJW 2002, 2296, 2297: „mit dem Begriff des ethischen Tierschutzes [ist] der Schutz des Tieres um seiner selbst willen … gemeint“; ähnlich Schaal, S. 10; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 48 (1. Aufl. 2002). 97 Arning, S. 16; Leondarakis, Menschenrecht „Tierschutz“, S. 28 ff.; Leondarakis, Tierversuche, S. 24 f.; Lorz/Metzger Einf. Rn. 20 ff., 60 f. (6. Aufl. 2008); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 24 (3. Aufl. 2016); Greven, S. 4 f.; Stucki, S. 32 f.; Stolting/Zoebe, S. 11; Müller, Das Tier im Verwaltungsrecht, S. 29 f.; vgl. auch Kuhlmann, JZ 1990, 162 f. 98 Grundlegender Vertreter dieser ethischen Bewegung war Peter Singer mit seiner Kritik eines „Speziesismus“, für einen Einblick siehe Singer in Texte zur Tierethik, S. 25 ff.; Regan, in: Texte zur Tierethik, S. 33 ff.; siehe auch Feinberg, in: Ökologie und Ethik, S. 140, 142 ff.; Stucki, S. 51 ff. Überblick zu diesen Strömungen für Rechte von Tieren bei Schröter, NuR 2007, 468, 469 f.; Birnbacher, in: Ökologie und Ethik, S. 103, 121 ff.; siehe auch Schmidt, FS Leisner, S. 437, 439. 99 Vgl. Meyer-Abich, ZRP 1999, 428, 429. 100 Vgl. BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 69 (180. EL 2016); bezogen auf den Naturschutz allgemein: Bosselmann, KritJ 1986, 1, 5 f.: „der Schutz des Natur [nützt] immer auch dem 96
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
tionen willen101. Als Ausdruck dieses Gedankens ist auch die Staatszielbestimmung zugunsten von Tieren in Art. 20a GG zu sehen, wenn es darin heißt, der Staat schütze die Tiere „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“. Ein anthropozentrischer Ausgangspunkt tierschützender Rechtsvorgaben hat im Vergleich zu ethischen Begründungen in praktischer Hinsicht den Vorzug einer einfacheren Operationalisierbarkeit102. Dienen Rechtsvorschriften den Menschen, sind menschliche Erkenntnismittel immerhin prinzipiell geeignet, deren Interessen zu bestimmen. Dienen Teile des Rechts den Tieren, setzt dies eine Einschätzung darüber voraus, was dem Wohl von Tieren entspricht – etwas, das denknotwendig nur aus den subjektiven Augen eines insoweit außenstehenden (oder gar mit gegenläufigen Interessen betroffenen) und damit beschränkt hierzu fähigen Menschen erfolgen kann.103 Die Überlegung, dass – ganz gleich, zu wessen Schutz – Recht doch durch den Menschen und aus dessen Perspektive gesetzt wird,104 ist von der Frage nach einer anthropozentrischen oder ethischen moralischen Ausrichtung des Tierschutzes aber zu trennen. Damit angesprochen ist der Begriff des (nicht moralischen, sondern) epistemischen Anthropozentrismus105 : „Der Mensch kann erkenntnistheoretisch wie ethisch die Welt nur in menschlichen Begriffen erschließen und ist in der Beobachter- wie Teilnehmerposition perspektivisch begrenzt“.106 Bestechend an der (hier: moralisch-) anthropozentrischen Warte ist der einer ethischen Begründung gegenüber erreichte Gewinn an Klarheit und Transparenz. Eine in dieser Arbeit zu prüfende Hypothese wird sein, ob nicht eine jegliche vordergründig dem Wohle des Tieres dienende rechtliche Vorgabe letztlich primär als Menschen“; Gassner, Treuhandklage, S. 53: „Was gut für die Natur und was gut für den Menschen ist, schließt sich nicht aus, sondern deckt sich (…)“. 101 Hier bezogen auf den Schutz ganzer (Tier-)Arten, vgl. Meyer-Abich, ZRP 1999, 428, 429; Kuhlmann, JZ 1990, 162, 171; Gassner, Treuhandklage, S. 53; Hampicke, NaturschutzÖkonomie, 1991, S. 93 f.; Feinberg, in: Ökologie und Ethik, S. 140, 158; Hofmann, JZ 1988, 265, 277 f. („Nachweltschutz“). 102 Vgl. Schlitt, ARSP 1992, 225, 241. 103 Vgl. von Lersner, NVwZ 1988, 988, 991: „Da man auch mit den raffiniertesten Mitteln der Tierpsychologie nicht das wahre Empfinden einer Henne darstellen kann, die nie etwas anderes als ihren Käfig erlebt hat, beruhen derartige Normen immer auch auf einer gewiß fragwürdigen Identifikation der Menschen mit dem Tier.“ BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 68 (180. EL 2016) (gegen eine Ökozentrik des Rechts): „Es obläge (…) menschlicher Interpretationsmacht, die Interessen der Natur selbst zu definieren, deren eigene Artikulationsfähigkeit der menschlichen ,Übersetzung‘, sprich des Verständnisses des Menschen bedürfte. Letztlich würde so die Ökozentrik doch anthropozentrisch funktionieren“. Ähnlich auch v. Mangoldt/ Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 26 (6. Aufl. 2010); siehe zudem Irrgang, Christliche Umweltethik, S. 57 f. 104 Vgl. von Lersner, NVwZ 1988, 988, 990. 105 Zum Begriff siehe Körtner, in: Theologische Realenzyklopädie, Stichwort Tier, S. 527, 531; Stucki, S. 36 f. 106 Gergen, NuR 2012, 96, 101; ähnlich Gerick, S. 211; siehe dazu auch Vernooij, in: Otterstedt/Rosenberger, S. 158, 177.
§ 2 Tiere als Schutzobjekt
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eine solche zum Wohle des Menschen gemacht ist und – bejahendenfalls – ob nicht dies konsistenterweise bei der Rechtsanwendung auch offengelegt werden müsste.107 3. Die Begründungsrhetorik des Gesetzgebers zum Motiv rechtlichen Tierschutzes Die neuzeitlichen Anfänge dessen, was heute als „Tierschutzrecht“ bezeichnet wird, beruhten auf Motiven, die vor allem den Menschen, nicht primär den Tieren dienen sollten, was auch klar artikuliert wurde.108 Man verbot Tierquälerei,109 um vor der davon ausgehenden Beeinträchtigung des menschlichen Empfindens zu schützen und um zur Förderung der allgemeinen sozialen Ordnung einer Verrohung des menschlichen Wesens vorzubeugen, die man als Folge von Tierquälerei befürchtete.110 Die Beobachtung, dass eine schlechte Behandlung von Tieren dem natürlichen 107 In diese Richtung auch von Harbou, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 571, 580, wenn er zweifelt, ob bestimmte Differenzierungen im Tierschutz seitens der Rechtsprechung „tatsächlich als ,ethisch‘ und nicht eher als ästhetisch, konventionell oder emotional bezeichnet werden sollten“ und er im Hinblick auf den Gesetzgeber von „Lippenbekenntnis“, „Feigenblatt“ und einem „nicht selten vorrangig ästhetisch-vordergründigen“ Tierschutz spricht (S. 587), oder Grunsky, FS Jauch, S. 93, 102, der im Hinblick auf die im Zwangsvollstreckungsrecht im Jahre 1990 erfolgte Änderung konstatiert: „Das ,Tier als Mitgeschöpf‘ hat nur eine Feigenblattfunktion. In Wirklichkeit geht es um seinen ,Eigentümer als Mitgeschöpf‘.“ Kuhlmann, JZ 1990, 162, 165 analysiert anthropozentrische Aspekte des Tierschutzes: „Jedenfalls bleibt die Frage, welches weniger anthropozentrische Ziel das [Tierschutz]Gesetz und die Aufnahme des Tierschutzes in Art. 74 Nr. 20 GG haben sollen, als das Bedürfnis des Menschen dieser Gesellschaft zu befriedigen, mit sich selbst im reinen zu bleiben“, S. 167: „Das BVerfG stellt auf das ,Empfinden‘ statt auf das Bewusstsein der breitesten Bevölkerungskreise ab. Das kann auf Gefühle von ,Mit-Leid‘ bis ,Gewissensberuhigung‘ verweisen; von daher kann das BVerfG seine Rechtsprechung als an das menschliche Wohl-Befinden (…) orientiert (…) interpretieren. (…) In diesem Fall wäre Tierschutz durch menschliche Interessen legitimiert; das Tier würde nicht eigentlich um seiner selbst willen geschützt sein, sondern um des weitreichenden Konsenses willen, soweit darin die Bevölkerung (auf der Basis für menschliches Wohlbefinden relevanter Gefühle) sich seine ,Interessen‘ zu eigen gemacht hat“; Brüninghaus, S. 109, urteilt zum Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht: Es „erweckt den Eindruck, stärker die Tierhalter- und -hüterinteressen zu berücksichtigen als diejenigen der Tiere selbst“. 108 Siehe von Jhering, Der Zweck im Recht (4. Aufl. 1905), S. 110: „Im Tiere schützt der Mensch sich selber“. 109 § 360 Nr. 13 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 1. Januar 1872: „Mit Geldstrafe bis zu funfzig Thalern oder mit Haft wird bestraft, (…) wer öffentlich oder in Aergerniß erregender Weise Thiere boshaft quält oder roh mißhandelt.“ (Hervorhebung durch Verf.); siehe von Harbour, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 571, 573; Herfs, S. 5. Eingehend zu diesem Tatbestand: Han, S. 9 ff. 110 Vgl. Herfs, S. 5; Schaal, S. 6; Feinberg, in: Ökologie und Ethik, S. 140, 143; Schneider Kayasseh, S. 8; z. T. als „Reflextheorie“ bezeichnet. Von Jhering, Der Zweck im Recht, S. 110 schreibt 1905: „Im jugendlichen Tierquäler fürchten und verabscheuen wir den künftigen Menschenquäler; er beginnt beim Tier und endet beim Menschen. (…) Im Tiere schützt der Mensch sich selber, das Verbot der Grausamkeit, das er seinetwegen aufstellt, erfordert, daß es auch dem Tiere gegenüber beachtet werde“.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
inneren Empfinden von Menschen schlicht missfällt oder die Befürchtung, dass eine solche der Sittlichkeit von Menschen, etwa der Humanität gegenüber ihren – den Tieren nicht völlig unähnlichen – (Mit-)Menschen, schaden könnte,111 findet sich auch schon früher.112 Eine nicht anthropozentrische Perspektive wird dagegen in der Begründung des von den Nationalsozialisten am 24. 11. 1933 eingeführten Reichstierschutzgesetzes eingenommen, wenn es dazu heißt, „daß das Tier des Tieres wegen geschützt werden muß“.113 In den wichtigen jüngeren Gesetzgebungsaktivitäten, die sich mit dem rechtlichen Rahmen für Tiere befassen, werden die Gründe, die den Gesetzgeber zu einem tierschützenden Kurs bewegen, zumeist mit zwei sprachlichen Bausteinen beschrieben. Der erste lautet: Das Tier als „Mitgeschöpf“114. Dies könnte, abgesehen von der – wohl nicht primär als solche gemeinten115 – religiösen Konnotation116, in Richtung auf eine biozentrische117 Sichtweise deuten, wonach jedenfalls der belebten Umwelt ein aus ihrer Lebendigkeit folgender Eigenwert zukommt,118 um derentwillen der 111
Vgl. dazu Schlitt, ARSP 1992, 225, 240; Holste, JA 2002, 907, 909; v. Loeper, ZRP 1996, 143, 145 f.; Lübbe, NuR 1994, 469, 471 f.; Feinberg, in: Ökologie und Ethik, S. 140, 143. 112 Auch für Immanuel Kant bestand der Primärgrund für das ethische Verbot der Tierquälerei in dem daraus resultierenden moralischen Schaden einer derartigen Gesinnung, siehe dazu Caspar, ARSP 1995, 378, 385: Durch eine gewaltsame und grausame Behandlung von Tieren werde „das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität im Verhältnisse zu anderen Menschen sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt“ (Metaphysik der Sitten, Tugendlehre, § 17 – zitiert nach Caspar). Siehe auch Schneider Kayasseh, S. 7; Leondarakis, Tierversuche, S. 56; Gerick, S. 167; sowie Schlitt, ARSP 1992, 224, 240, der Immanuel Kant (Moralphilosophie, Ausgabe der Akademie der Wissenschaften, Bd. 27, 1, S. 459) mit den Worten zitiert: „Weil die Tiere ein Analogon der Menschheit sind, so beobachten wir Pflichten gegen die Menschheit, wenn wir sie als Analogon derselben beobachten, und dadurch befördern wir unsre Pflicht gegen die Menschheit.“ Ferner verweist er dort auf Thomas von Aquin, Summa Contra Gentiles III 112, den er mit den Worten zitiert: „Wenn sich … in der hl. Schrift gewisse Verbote finden, etwas Grausames gegen die vernunftlosen Tiere zu unternehmen, … so geschieht dies …, um das Gemüt des Menschen von der Grausamkeit auch anderen Menschen gegenüber fernzuhalten: damit man nicht vom grausamen Verhalten gegen Tiere zum grausamen Verhalten gegen Menschen übergehe …“. 113 Amtliche Begründung zum deutsche Reichs-Tierschutzgesetz vom 24. November 1933, Deutscher Reichsanzeiger Nr. 281 vom 01. 12. 1933, zitiert nach Mühe, NJW 1990, 2238; Hirt/ Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 3 (3. Aufl. 2016) und Schaal, S. 7. 114 Siehe nur § 1 S. 1 TierSchG; BT-Drs. 11/7369 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses), S. 1 u. 5. 115 von Harbou, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 571, 578 f.; Caspar, S. 290.; Nida-Rümelin/ v. d. Pfordten in Angewandte Ethik, S. 484, 487. 116 Dazu krit. Maunz/Dürig-Scholz Art. 20a GG Rn. 74 (79. EL 2016). 117 Zum Begriff siehe Höffe in Lexikon der Ethik, S. 21 f. (7. Aufl. 2008); Körtner, in: Theologische Realenzyklopädie, Stichwort Tier, S. 527, 531; Stucki, S. 64 f.; siehe auch Schmidt, FS Leisner, S. 437, 439. 118 Vgl. hierzu Meyer-Abich, ZRP 1999, 428, 429.
§ 2 Tiere als Schutzobjekt
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Mensch rechtliche Schutzmaßnahmen ergreift.119 Dass der Gesetzgeber zuweilen zusätzlich auf die Verantwortung des Menschen gegenüber dem Tier120 und eine gegenüber diesem bestehende Schutz- und Fürsorgepflicht121 rekurriert, könnte diese, also eine biozentrische Grundhaltung des Gesetzgebers erkennende Lesart, wohl ebenfalls stützen. So wurde in der Verwendung einer solchen Formulierung („Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf“) im Jahr 1986 bei Überarbeitung des TierSchG122 auch der Abschied vom anthropozentrischen Motiv des Tierschutzes gesehen.123 In noch weiter gehender Konsequenz findet sich dieser Gedanke in der schweizerischen Verfassung, die seit 1992 als erstes europäisches Land dem Staat aufgibt, der „Würde der Kreatur“ Rechnung zu tragen.124 Zentrales Element ist auch hier der Eigenwert eines jeden Lebewesens, der einen Schutz vor willkürlicher Beeinträchtigung gebietet, also menschliches Handeln zulasten von Tieren nicht ausschließt, aber rechtfertigungsbedürftig macht – um des Tieres selbst willen.125 Der zweite Sprachbaustein ist: Das Tier als ein „schmerzempfindliches Wesen“126. Damit angedeutet ist ein sogenannter pathozentrischer Ansatz127, wonach 119 Noch weitergehend ist eine radikal physiozentrische Sichtweise, die auch der unbelebten Natur einen aus der ökologisch bedingten Gemeinschaft folgenden Eigenwert zuerkennt, vgl. Meyer-Abich, ZRP 1999, 428, 429; Schmidt, FS Leisner, S. 437, 439; Körtner, in: Theologische Realenzyklopädie, Stichwort Tier, S. 527, 531. 120 § 1 S. 1 TierSchG: „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf“. Ferner BT-Drs. 11/7369 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses), S. 1 u. 5. 121 Etwa BT-Drs. 11/5463, S. 1 u. 5 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 122 Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. 08. 1986 (BGBl. I 1986, S. 1309). 123 Von Lersner, NVwZ 1988, 988, 989: Indem die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zum Leitmotiv erhoben sei, habe sich das Tierschutzgesetz ganz von der Reflextheorie (vgl. Fn. 110) gelöst. 124 Art. 120 II 2 der schweizerischen Bundesverfassung (bis 1999 in Art. 24novies III 2 BV a. F.); dazu Michel, NuR 2012, 102 f.; Stucki, S. 92 ff.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 171 (1. Aufl. 2002); Goetschel, in: Otterstedt/Rosenberger, S. 316, 319 f. Trotz der systematischen Stellung im Recht der „Gentechnologie im Ausserhumanbereich“ handelt es sich nach dem schweizerischen Bundesgericht um ein allgemeines Verfassungsprinzip, das für die gesamte Rechtsordnung Geltung beansprucht, BGE 135 II 384, 391 Erw. 3.1. 125 Michel, NuR 2012, 102 ff.; Art. 3 Buchst. a des Schweizer Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 definiert Würde als „Eigenwert des Tieres, der im Umgang mit ihm geachtet werden muss. Die Würde des Tieres wird missachtet, wenn eine Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden kann. Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier insbesondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird, wenn tief greifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen oder es übermässig instrumentalisiert wird“. Siehe auch Stucki, S. 95. 126 Etwa BT-Drs. 11/5463 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Gesetzesbegründung der Bundesregierung) u. BT-Drs. 11/7369
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
der moralische Eigenwert und die Schutzbedürftigkeit speziell aus dem Aspekt der Empfindungs- und Leidensfähigkeit abgeleitet werden.128 Weder der prinzipielle Anwendungsbereich des TierSchG129, noch das Schutzgut der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG130 knüpfen aber an die Leidensfähigkeit als Voraussetzung an. Gesetzlicher Tierschutz hat damit zwar vor allem leidensfähige Tiere vor Augen, ist auf diese indes nicht beschränkt. Die Empfindungsfähigkeit erscheint danach als ein Aspekt, der die schon aus anderen Gründen erkannte ethische Notwendigkeit von Tierschutz spezifisch untermauert. Zusammenfassend lässt sich ein Kerntableau ethischer Grundströmungen, denen sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Tiere im Laufe der Zeit wechselnd anschloss, wohl so skizzieren: Eine anthropozentrische und eine als „ethisch“ bezeichnete Ausrichtung stehen sich gegenüber. Während erstere einen auf den Menschen fokussierten Ausgangspunkt hat, erkennt letztere einen Eigenwert des Tieres als Selbstzweck an, der – jeweils als Unterkategorie – entweder aus dessen Lebendigkeit oder – insofern etwas enger – dessen Empfindungsfähigkeit gefolgert wird. Nach der Rhetorik des Gesetzgebers sind jedenfalls die heute in Deutschland geltenden Rechtsvorgaben mit tierschützendem Charakter – das heißt einfachgesetzlich vor allem das TierSchG und verfassungsrechtlich der Tierschutzaspekt des Art. 20a GG – ethisch und zwar aus der Lebendigkeit („Mitgeschöpflichkeit“) und speziell der Leidensfähigkeit heraus begründet. Indem allerdings § 1 S. 2 TierSchG die Zufügung von Schmerzen, Leiden oder Schäden an einem Tier bei Vorliegen eines „vernünftigen Grundes“ zulässt, steht der ethische Tierschutz letztlich unter einem anthropozentrischen Vorbehalt131. Daher (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses), jeweils S. 1 u. 5; BT-Drs. 14/8860 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Staatsziel Tierschutz] – Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP), S. 1 u. 3 u. BT-Drs. 14/9090, S. 2 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses); auf europäischer Ebene spricht Art. 13 AEUV von Tieren „als fühlende Wesen“ – zu daraus folgenden Implikationen für die ethische Ausrichtung siehe Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim Art. 13 AEUV Rn. 12 (60. EL Okt. 2016); von der Groeben/Schwarze/Hatje-Terhechte Art. 13 AEUV Rn. 9 f. (7. Aufl. 2015); Lorz/Metzger Einf. Rn. 80 (6. Aufl. 2008). 127 Zum Begriff Körtner, in: Theologische Realenzyklopädie, Stichwort Tier, S. 527, 531; Höffe, in: Lexikon der Ethik, S. 22 (7. Aufl. 2008); Stucki, S. 57 ff.; vgl. hierzu auch Lorz/ Metzger Einf. Rn. 38 (6. Aufl. 2008), Schmidt, FS Leisner, S. 437, 439. 128 Deutlich in der Begründung zum Regierungsentwurf des 1972 eingeführten Tierschutzgesetzes (BT-Drs. 6/2559, S. 9): „Nach den in diesem Gesetz festgelegten Tatbestandsmerkmalen soll sich der Schutz jedoch in erster Linie auf solche Tiere erstrecken, die einer Empfindung von Schmerz oder Leiden fähig sind. Daher soll die Schutzbedürftigkeit in der Regel dort enden, wo ein Empfindungsvermögen des Tieres nicht mehr zu erwarten ist.“ 129 Steding, JuS 1996, 962, 963. 130 Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 914. Vgl. aber andererseits BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 66 (180. EL 2016); Jarass/Pieroth-Jarass Art. 20a GG Rn. 12 (14. Aufl. 2016); Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 55 (3. Aufl. 2015) (teleologische Auslegung; Beschränkung auf schmerz- und leidensfähige Tiere). Sachs-Murswiek Art. 20a GG Rn. 31b (8. Aufl. 2018): „Schutzpflicht bezieht sich vor allem auf höher entwickelte Tiere“. 131 Schaal, S. 12.
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wird das in dieser Generalklausel festgelegte – freilich ausgesprochen wertungsoffene – Kriterium des „vernünftigen Grundes“ als „Dreh- und Angelpunkt“ bezeichnet, „an der sich letztlich die Wirksamkeit und Reichweite des zu gewährenden Tierschutzes“ erweise.132 In der Rechtsanwendung läuft diese Formulierung auf eine einzelfallbezogene Güterabwägung hinaus, bei der sich einerseits der ethisch motivierte Schutz des Tieres und damit das öffentliche Interesse an der „sittlichen Ordnung in den Beziehungen zwischen Mensch und Tier“ als Schutzgut des TierSchG133 und andererseits gegenläufige Freiheitsrechte, etwa wirtschaftliche oder wissenschaftliche Interessen von Tiernutzern, gegenüberstehen.134 Die über dieses Kriterium im Einzelnen zu treffende Feinabstufung ist freilich für sich genommen ein raumfüllendes Thema135 und soll für die Zwecke dieser Arbeit nicht näher ausgelotet werden.
II. Rechtsquellen Im klassischen Dreiklang von Strafrecht, Zivilrecht und öffentlichem Recht gedacht ist Tierschutzrecht überwiegend öffentlich-rechtlich geprägt.136 Die wichtigste Rechtsquelle ist hier das im Laufe der Zeit entwickelte TierSchG. Gesetzliche Anknüpfungspunkte finden sich aber zudem auf verfassungs- und europarechtlicher Ebene. Eine Nebenrolle spielt auch das Strafrecht. Zusätzlich zu den im TierSchG selbst enthaltenen Straf- und Bußgeldbestimmungen137 erwähnen punktuelle Vorschriften insbesondere des Umweltstrafrechts Tiere explizit.138 Hinzu kommt, dass strafrechtliche Tatbestände, die Sachen als Tatobjekte vorsehen, auch Tiere umfassen,139 sodass von einigen Strafvorschriften, die primär andere Schutzgüter haben 132
Schaal, S. 12. Siehe Lorz/Metzger Einf. Rn. 62 (6. Aufl. 2008); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 25, § 1 TierSchG Rn. 3 (3. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 84 (1. Aufl. 2002); Müller, Das Tier im Verwaltungsrecht, S. 36; ähnlich Greven, S. 26 u. 30; zum Schutzgut des tierschutzrechtlichen Straftatbestands in § 17 TierSchG vgl. Greven, S. 22 ff.; Röckle, S. 86 ff. 134 Schaal, S. 14; Greven, S. 30 f.; siehe auch Köpernik, AUR 2014, 290, 291 f. 135 Siehe dazu Binder, NuR 2007, 806 ff.; Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 22 ff. (211. EL 2016); Hirt/Maisack/Moritz § 1 TierSchG Rn. 30 ff. (3. Aufl. 2016); Lorz/Metzger § 1 TierSchG Rn. 58 ff. (6. Aufl. 2008); Kluge-von Loeper § 1 TierSchG Rn. 43 ff. (1. Aufl. 2002); Greven, S. 29 ff.; Röckle, S. 111 ff.; eingehend: Maisack, Zum Begriff des vernünftigen Grundes im Tierschutzrecht (Diss., Hamburg 2006). 136 Steding, JuS 1996, 962, 963; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 145 (3. Aufl. 2016). 137 §§ 17 ff. TierSchG. Siehe hierzu Röckle, S. 72 ff. 138 Besondere Erwähnung finden Tiere in §§ 184a, 309 VI Nr. 3, 311 I, 324a I Nr. 1, 325 I, 325a II, 326 I Nr. 1, Nr. 4 b), 327 II 2, 328 I Nr. 2, III, 329 III Nr. 6, IV, 330 I Nr. 3, 330d I Nr. 4, II 2 StGB. 139 BayObLG, Urt. v. 25. 06. 1991 – RReg. 4 St 124/90, NJW 1992, 2306, 2307; BayObLG, Beschl. v. 05. 05. 1993 – 4 St RR 29/93, NJW 1993, 2760, 2761; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02. 05. 2001 – 3 Ss 35/01, NJW 2001, 2488; Fischer § 242 StGB Rn. 3 (65. Aufl. 2018); 133
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(etwa Eigentum), mittelbar auch tierschützende Wirkung ausgeht140. Im BGB sowie in der ZPO gibt es mehrere tierspezifische Sonderregeln141, deren Zahl sich im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20. August 1990142 noch erhöht hat143. Jedoch ist das Zivilrecht auch nach 1990 für den Gesetzgeber erkennbar nicht das zentrale Instrument bei der Gestaltung des aus ethischen Gründen forcierten rechtlichen Tierschutzes;144 seine vorrangige Aufgabe bleibt die Regelung von Rechtsbeziehungen zwischen gleichgeordneten Privatrechtssubjekten.145 1. Herausbildung eines einfachgesetzlichen Tierschutzrechts Bereits aus der Antike sind vereinzelt Regeln mit tierschützendem Inhalt überliefert146 und auch beispielsweise die mittelalterliche Rechtsanschauung nahm Tiere deutlich in ihrer Dimension als Lebewesen wahr.147 Der Ursprung dessen, was heute die Bezeichnung „Tierschutzrecht“ trägt, wird aber erst im 19. Jahnhundert angesiedelt.148 In Europa nahm diese Entwicklung vor allem in England ihren Anfang.149 Schönke/Schröder-Eser/Bosch § 242 StGB Rn. 9 (29. Aufl. 2014); Schönke/Schröder-Stree/ Hecker § 303 StGB Rn. 3 (29. Aufl. 2014); LK-Wolff § 303 StGB Rn. 5 (12. Aufl. 2008); Graul, JuS 2000, 215, 219; Gerick, S. 93; Röckle, S. 51 f. 140 Vgl. BT-Drs. 11/7369 (Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses), S. 6; Lorz/ Metzger Einf. Rn. 132 ff. (6. Aufl. 2008); Herfs, S. 6 ff.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 128 f. (1. Aufl. 2002); krit. Küper, JZ 1993, 435,438. Näher zum strafrechtlichen Tierschutz Röckle, S. 51 ff. 141 §§ 581 II 2, 601 I, 701 IV, 833, 834, 960, 961 ff., 971 I BGB, § 811 I Nr. 3 ZPO. 142 BGBl. I 1990, S. 1762. 143 §§ 90a, 251 II S. 2, 903 S. 2 BGB, §§ 764a I S. 2, 811c ZPO wurden eingefügt. 144 Auch für Österreich wird dies so gesehen, vgl. Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 31: Tierschutz [kann] nicht unbedingt Sache des Privatrechts sein“; Harrer, in: Harrer/Graf, S. 77, 86: „Der zivilrechtliche Schutz wird (…) immer nur eine Ergänzung sein können, während die Hauptlast des Tierschutzes andere Rechtsgebiete zu tragen haben werden“. 145 Pütz, ZRP 1989, 171, 172. 146 In Babylon wurden nach dem Codex Hammurabi, der ca. um 1700 v. Chr. entstand, Tierhalter bestraft, die ihr Vieh zu hart arbeiten ließen, siehe Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1244; Greven, S. 7; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 1 (3. Aufl. 2016); Leondarakis, Tierversuche, S. 37; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 21 (1. Aufl. 2002); Gerick, S. 74; Müller, Das Tier im Verwaltungsrecht, S. 9. 147 Albrecht/Stuhldreier, ZInsO 2013, 2513, 2517; siehe auch Schumann, in: Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium, S. 181, 206. 148 Mühe, NJW 1990, 2238; von Harbou, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 571, 573; Schaal, S. 6; Caspar, S. 259; Schumann, in: Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium, S. 181, 183; näher zur Geschichte des Tierschutzrechts Caspar, S. 258 ff.; Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1244 ff.; Leondarakis, Tierversuche, S. 35 ff., 48 ff., 59 ff., 86 ff.; Lorz/Metzger Einf. Rn. 46 ff. (6. Aufl. 2008); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 20 ff. (1. Aufl. 2002); Hirt/Maisack/ Moritz Einf. TierSchG Rn. 1 ff. (3. Aufl. 2016); Ennulat/Zoebe, S. 9 ff.; MüKo(StGB)-Pfohl § 17 TierSchG Rn. 10 ff. (3. Aufl. 2017); Greven, S. 6 ff.; eingehend: Han, Gesetzlicher
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Auf dem deutschen Gebiet trat in Gestalt von Strafvorschriften gegen Tierquälerei in den Gesetzen einiger deutscher Staaten150 und schließlich auch im Reichsstrafgesetzbuchs von 1871151 der beginnende rechtliche Tierschutz in Erscheinung, der hier zunächst anthropozentrisch motiviert war, das heißt dem Schutz vor einer Verrohung des Menschen und dem Schutz des durch Tierquälerei beeinträchtigten menschlichen Empfindens diente.152 Unter den Nationalsozialisten wurde dies 1933 durch eine ethische Ausrichtung abgelöst, indem zuerst im damaligen § 145b StGB, dann im neu geschaffenen Reichstierschutzgesetz Tierquälerei nunmehr unabhängig von deren Öffentlichkeitswirkung unter Strafe gestellt wurde.153 Das Reichstierschutzgesetz galt in der Bundesrepublik bis ins Jahr 1972 fort, als es „in seiner Zielsetzung und wissenschaftlichen Grundlage [als] nicht mehr zeitgemäß“ angesehen wurde: Die Grundeinstellung des Menschen zum Tier im Sinne einer Mitverantwortung für dieses Lebewesen habe sich im Laufe der Zeit fortentwickelt. Der Tierschutz habe auch international erheblich an Gewicht und Aktualität gewonnen. In vermehrtem Maße berühre er Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Nunmehr sollte ein „von der Grundkonzeption eines ethisch ausgerichteten Tierschutzes“ ausgehendes neues TierSchG „zunehmend wissenschaftliche Feststellungen über tierartgemäße und verhaltensgerechte Normen und Erfordernisse zu Beurteilungsmaßstäben“ erheben.154 Das Ergebnis war der Erlass des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972155,
Tierschutz im Deutschen Reich (mit Fokus auf die Zeit zwischen 1871 und 1945); Dirscherl, Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus (mit Fokus auf die Zeit zwischen 1933 und 1945), S. 25 ff., 37 f., 48 ff., 79 ff.; Pfeiffer, Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972 (mit Fokus auf die Zeit zwischen 1950 und 1972). 149 Siehe Hkk-Rüfner §§ 90 – 103 BGB Rn. 18; Schneider Kayasseh, S. 7; MüKo(StGB)Pfohl § 17 TierSchG Rn. 10 (3. Aufl. 2017); Leondarakis, Tierversuche, S. 59 f.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 32 (1. Aufl. 2002); Gerick, S. 79 f.; näher: Pfeiffer, S. 21 ff. 150 Zum Beispiel Art. 310 des Sächsischen Kriminalgesetzbuchs von 1838, ähnliche Vorschriften u. a. auch in Württemberg (1839), Preußen (1851), Hessen (1847) und Bayern (1861) – siehe MüKo(StGB)-Pfohl § 17 TierSchG Rn. 11 (3. Aufl. 2017); Leondarakis, Tierversuche, S. 61 ff.; Glock, S. 21; Gerick, S. 81; Pfeiffer, S. 27 f. 151 § 360 Nr. 13 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 1. Januar 1872; dazu Leondarakis, Tierversuche, S. 67 ff.; Glock, S. 22; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 33 (1. Aufl. 2002); Hillmer, S. 40 f.; Gerick, S. 83; Pfeiffer, S. 28 f.; Röckle, S. 5 ff.; eingehend: Han, S. 9 ff. 152 Siehe dazu vorne bei Fn. 110. 153 Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1246; Lorz, NuR 1994, 473; Lorz/Metzger Einf. Rn. 48 f. (6. Aufl. 2008); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 3 (3. Aufl. 2016); Leondarakis, Tierversuche, S. 77; Gerick, S. 84 f.; Gruber, S. 170; vgl. auch Glock, S. 22 f.; Grau, DJ 1936, 1882 f.; Schaal, S. 7; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 34. (1. Aufl. 2002); Röckle, S. 9 ff. Näher zum Tierschutz im Nationalsozialismus Pfeiffer, S. 33 ff.; Han, S. 127 ff.; Dirscherl, S. 55 ff., 79 ff. 154 BT-Drs. 6/2559, S. 1 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Tierschutzgesetz von 1972). 155 BGBl. I 1972, S. 1277. Zur Vor- und Entstehungsgeschichte: Röckle, S. 12 ff.; eingehend: Pfeiffer, S. 44 ff.
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nachdem man mit verfassungsändernder Mehrheit eine Kompetenzgrundlage für den Bund in Gestalt von Art. 74 Nr. 20 GG geschaffen hatte.156 Zu einer recht umfangreichen Nachbesserung und Erweiterung des TierSchG, etwa im Hinblick auf Tierversuche, den gewerblichen Tierhandel, die Tierhaltung und das Schlachten, sah sich der Gesetzgeber im Jahr 1986 veranlasst,157 da seine mit dem TierSchG von 1972 verfolgten „Zielvorstellungen (…) nicht in vollem Umfang verwirklicht“ seien. Gleichwohl betonte er: „Die Erfahrungen in der Anwendung des Tierschutzgesetzes haben gezeigt, daß der ethisch ausgerichtete Tierschutz im Sinne einer Mitverantwortung des Menschen für die seiner Obhut anheimgegebenen Lebewesen als Grundkonzeption in der Gesellschaft anerkannt ist und sich bei der Durchführung des Gesetzes exakte und repräsentative wissenschaftliche Erkenntnisse als Beurteilungsmaßstäbe für den Schutz der Tiere bewährt haben.“158 In dem eingeschlagenen Kurs eines ethisch begründeten Tierschutzes fühlte sich der Gesetzgeber also bestätigt. Dies fand auch in der 1986 erfolgenden Erweiterung der programmatischen ersten Paragrafen des TierSchG einen deutlichen Niederschlag. Darin wurde nun nicht mehr nur der „Schutz des Lebens und Wohlbefindens des Tieres“ als Gesetzeszweck, sondern auch die ethische Begründung hierfür aufgenommen, die „Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf“.159 Die ethische Ausrichtung des Tierschutzes wurde damit erstmals so deutlich in einem Gesetzestext selbst artikuliert.160 Weitere, kleinere, zum Teil auf Europarecht zurückgehende Novellierungen erfuhr das TierSchG in den Jahren 1992, 1998, 2001, 2007 und 2013.161 2. Tierschutz auf Verfassungsebene Das Grundgesetz würdigt den Tierschutz in Gestalt einer Staatszielbestimmung162 und verleiht ihm damit Verfassungsrang. Die hierfür im Jahr 2002 durchgeführte 156 MüKo(StGB)-Pfohl § 17 TierSchG Rn. 15 (3. Aufl. 2017); Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1246; Herfs, S. 9; Schaal, S. 8; Leondarakis, Tierversuche, S. 88; Glock, S. 24; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 70 (1. Aufl. 2002); Hillmer, S. 46; Gerick, S. 86. 157 Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. August 1986, BGBl. I 1976, S. 1309. Dazu Lorz, NJW 1987, 2049 ff.; Brandhuber, NJW 1988, 1952 ff.; Händel, ZRP 1986, 120 ff.; Caspar, S. 284 ff.; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 6 (3. Aufl. 2016); Hillmer, S. 47 f.; Gerick, S. 88 f.; Röckle, S. 15 ff.; Pfeiffer, S. 218 ff. 158 BT-Drs. 10/3158, S. 1 (Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes – Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 159 Vgl. Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1238. 160 Vgl. Schröter, NuR 2007, 468. 161 Siehe Lorz/Metzger Einf. Rn. 52 ff. (6. Aufl. 2008); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 7 ff. (3. Aufl. 2016); MüKo(StGB)-Pfohl § 17 TierSchG Rn. 17 f. (3. Aufl. 2017); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 73 ff. (1. Aufl. 2002); Gerick, S. 89 f. 162 Zum Charakter von Staatszielbestimmungen siehe etwa Faller, S. 134 ff.; Pröbstl, S. 15; eingehend: Sommermann, S. 355 ff.
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Ergänzung in Art. 20a GG war Schlusspunkt einer sich über ein Jahrzehnt hinweg abzeichnenden politischen Entwicklung. a) Der Weg zur Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz Die Frage, ob der Umweltschutz und der Tierschutz in der Verfassung als Staatsbestimmung verankert werden sollten, stand Anfang der 1990er-Jahre anlässlich der Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat über eine Änderung des Grundgesetzes im Zuge der Herstellung der deutschen Einheit zur Diskussion. Während man, obgleich nach heftigen Kontroversen um die moralische (öko- oder anthropozentrische) Ausrichtung und die konkrete Ausgestaltung,163 ersteres bejahte,164 fand sich für das Staatsziel „Tierschutz“ in der Gemeinsamen Verfassungskommission nicht die für eine entsprechende Empfehlung erforderliche Zweidrittelmehrheit.165 Die Gegner166 wähnten den Tierschutz besser im einfachgesetzlichen Recht aufgehoben und sahen anderenfalls „die Gesamtbalance innerhalb der Werteordnung des bisher ausschließlich auf den Menschen bezogenen Grundgesetzes“ in Gefahr.167 Die Konsequenzen einer undifferenzierten Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung seien unabsehbar. Angesichts der Emotionalität des Themas wurde ferner davor gewarnt, der Glaubwürdigkeit des Grundgesetzes dadurch zu schaden, dass letztlich „eher eine Wunschvorstellung“ mit „zu große[r] Diskrepanz zur Realität“ in die Verfassung geschrieben werde.168 Die Befürworter hingegen hielten „den ethisch verantwortbaren Umgang des Menschen mit den Tieren“ durch das einfachgesetzliche Recht für nur unzureichend gewährleistet und versprachen sich von der Aufnahme einer Staatszielbestimmung „Tierschutz“ in das Grundgesetz die erforderliche Verbesserung.169 Wie schon in diesem Zusammenhang von den Befürwortern in der Gemeinsamen Verfassungs-
163 Epping/Hillgruber-Huster/Rux Art. 20a GG Rn. 2 ff. (31. Ed. 2016); Sachs-Murswiek Art. 20a GG Rn. 5 ff. (8. Aufl. 2018); BT-Drs. 12/6000, S. 65 ff. (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission). 164 BT-Drs. 12/6000, S. 65 (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission). 165 BT-Drs. 12/6000, S. 69 (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission). 166 Überblick zu den Argumenten, die gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung des Tierschutzes angeführt wurden (mit krit. Würdigung), bei Fielenbach, S. 189 ff. 167 BT-Drs. 12/6000, S. 71 (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission); ähnlich auch Rupp, WissR 1999, 177, 178 f.; Spranger, ZRP 2000, 285, 286 f.; Brohm, JZ 1994, 213, 219. 168 BT-Drs. 12/6000, S. 71 (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission); auch Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369, 375 f. warnen vor einer „Schwächung der normativen Kraft der Verfassung“, einer Lockerung der Verfassungsbindung und vor der Aufweichung des verbindlichen Verfassungsgesetzes durch weitere Staatsziele sowie davor, dass sich eine Staatszielbestimmung „Tierschutz“ „zur Enttäuschungsquelle entwickeln“ könne. 169 BT-Drs. 12/6000, S. 70 (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission).
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kommission erkannt,170 bestätigte sich in der Folgezeit bei der praktischen Rechtsanwendung zunehmend, dass sich der Aspekt des Tierschutzes ohne Verfassungsrang wenig wirkungsvoll bei einer Abwägung mit Verfassungsgütern in Stellung bringen ließ.171 Zwar würdigte das BVerfG den Tierschutz als Belang des öffentlichen Interesses;172 gerade Kollisionslagen mit vorbehaltlos garantierten Grundrechten173 sind indes nur der Abwägung mit solchen Gesichtspunkten zugänglich, die ihrerseits Verfassungsrang genießen.174 Einschränkungen vorbehaltloser Grundrechte auf Basis von Tierschutzerwägungen waren daher deutlichen Zweifeln an deren Verfassungsgemäßheit ausgesetzt.175 Als Reaktion darauf finden sich im Schrifttum176 Versuche, den Verfassungsrang des Tierschutzes anderweitig herzuleiten177. Mehrheitlich hielt man dies aber für 170
BT-Drs. 12/6000, S. 70 (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission). Obergfell, NJW 2002, 2296, 229; Kluge, ZRP 2004, 10, 11 f.; Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 915 ff.; Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 531, 532; Holste, JA 2002, 907, 910 ff.; v. Loeper, ZRP 1996, 143, 144; Brüninghaus, S. 121; Händel, ZRP 1996, 137, 138 f.; Leondarakis, Tierversuche, S. 102. 172 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 20. 06. 1978 – 1 BvL 14/77 (BVerfGE 48, 376), VerwRspr 1979, 129, 130 f. (hier in Abwägung mit der Berufsfreiheit). 173 Etwa gem. Art. 5 III S. 1 GG die Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit, siehe BVerwG, Urt. v. 18. 06. 1997 – 6 C 5/96, NVwZ 1998, 853, 855, oder die Kunstfreiheit, siehe AG Kassel, Urt. v. 05. 10. 1990 – 99 OWi 626 Js 15932.8/90, NStZ 1991, 443, 444. Siehe hierzu auch BKKloepfer Art. 20a GG Rn. 83 ff. (180. EL 2016). 174 Siehe BVerfG, Beschl. v. 26. 05. 1970 – 1 BvR 83, 244, 345/69 (BVerfGE 28, 243), NJW 1970, 1729, 1730; BVerfG, Beschl. v. 27. 11. 1990 – 1 BvR 402/87 (BVerfGE 83, 130), NJW 1991, 1471; BVerfG, Beschl. v. 16. 05. 1995 – 1 BvR 1087/91 (BVerfGE 93, 1), NJW 1995, 2477, 2479; BVerwG, Urt. v. 18. 06. 1997 – 6 C 5/96 (BVerwGE 105, 73), NVwZ 1998, 853, 854; Kuhl/Unruh, DÖV 1991, 94, 100; Cirsovius, S. 73 f.; Leondarakis, Tierversuche, S. 101 f.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 88 (1. Aufl. 2002); Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 69. 175 Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 531, 532; Kluge, ZRP 2004, 10, 11 f.; BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 83 f. (180. EL 2016); Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 915; Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 69; Fielenbach, S. 175; Huster, ZRP 1993, 326, 327; Caspar, ZRP 1998, 441 ff.; Hobe, WissR 1998, 309, 328 ff.; Kuhl/Unruh, DÖV 1991, 94, 98 ff.; eingehend: Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 74 ff.; vgl. auch Kloepfer, JZ 1986, 205 ff.; Obergfell, ZRP 2001, 193, 196; Hillmer, S. 104, 128 f.; Schelling, NuR 2000, 188, 193; Köpernik, S. 216: vor der verfassungsrechtlichen Verankerung des Tierschutzes habe sich die Rechtsprechung „nahe am Rande des rechtlich Möglichen bzw. bereits im verfassungsdogmatisch Unmöglichen bewegt“. 176 Brandhuber, NVwZ 1994, 561, 564; Brandhuber, NJW 1991, 725, 727 f.; v. Loeper/ Reyer, ZRP 1984, 205, 211 f.; Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1249 ff.; Kluge, ZRP 1992, 141, 143 f.; v. Loeper, ZRP 1991, 224, 226 f.; v. Heydebrand/Gruber, ZRP 1986, 115, 118; Kuhlmann, NuR 1995, 1, 3 ff.; Lübbe, NuR 1994, 469, 471 f.; Müller-Volbehr, JuS 1997, 223, 226. 177 Etwa aus der Kompetenznorm des Art. 74 Nr. 20 GG – hierzu Heyde, FS Zeidler II, S. 1429, 1441 f. und Pieroth, AÖR 114 (1989), 422, 447 (halten beide einen solchen Begründungsweg für möglich); Sachs-Degenhart Art. 74 GG Rn. 91 (8. Aufl. 2018) (zweifelnd); Münch/Kunig-Kunig Art. 74 GG Rn. 87 (6. Aufl. 2012), Cirsovius, S. 78 f., Fielenbach, S. 149 ff., Glock, S. 32 f.; Leondarakis, Tierversuche, S. 103 f.; Hillmer, S. 19 ff. und Greven, S. 113 f. (alle i. E. ablehnend); aus der Präambel des Grundgesetzes – hierzu Cirsovius, S. 86 ff.; der Menschenwürde gem. Art. 1 I GG – dazu Greven, S. 115 f.; ablehnend: Cirsovius, S. 74 ff.; 171
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nicht begründbar.178 Insbesondere einer Lesart, nach der Tierschutz im Sinne eines auch auf Einzeltiere bezogenen Schutzes schon im Staatsziel des Art. 20a GG a. F. (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) enthalten sei,179 erteilten mehrheitliches Schrifttum180 und die höchstrichterliche Rechtsprechung181 eine Absage. Auf politischer Ebene kam es mehrfach erfolglos zu Initiativen im Bundestag oder Bundesrat, die darauf abzielten, Tierschutzgedanken in das Grundgesetz einfließen zu lassen.182 Auch im Schrifttum183 wurde dies zusehends gefordert.
Leondarakis, Tierversuche, S. 105 ff.; Glock, S. 26 ff.; Hillmer, S. 25 ff.; Ziekow, S. 20 f.; dem Sittengesetz i. S. v. Art. 2 I GG – hierzu Stober, S. 40; Greven, S. 117 ff.; ablehnend Cirsovius, S. 79 ff. u. Fielenbach, S. 172 f.; Glock, S. 31 f.; Hillmer, S. 23 ff.; Ziekow, S. 21 f.; dem Jugendschutzauftrag der Verfassung oder aus dem vom Grundgesetz unter Schutz gestellten Interesse des Menschen am Tierschutz, dem sogenannten anthropozentrischen Kern. Überblick zu den von der Literatur entwickelten Ansätzen zur Begründung eines Verfassungsrangs des Tierschutzes jeweils m. w. N. bei Kuhl/Unruh, DÖV 1991, 94, 100 f.; Schelling, NuR 2000, 188 ff.; Lübbe, NuR 1994, 469, 470; Obergfell, ZRP 2001, 193, 195 f.; Müller-Volbehr, JuS 1997, 223, 225 f.; BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 13 (180. EL 2016); Hobe, WissR 1998, 309, 324 ff. Eingehend: Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 58 ff. m. w. N.; Cirsovius, S. 74 ff.; Fielenbach, S. 149 ff.; Glock, S. 26 ff.; Hillmer, S. 19 ff. 178 Herfs, S. 4; Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369 f.; Kloepfer, JZ 1986, 205, 207 f.; Obergfell, ZRP 2001, 193, 195 f.; Obergfell, NJW 2002, 2296, 2297; Huster, ZRP 1993, 326, 327 f.; Schelling; NuR 2000, 188, 189 ff.; Hässy, BayVBl. 2002, 202 ff.; v. Mangoldt/Klein/StarckOeter Art. 74 GG Rn. 147 (6. Aufl. 2010); Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 73; Fielenbach, S. 175; Glock, S. 35; Hillmer, S. 38; Röckle, S. 150 ff.; Hobe, WissR 1998, 309, 324 ff.; Kuhl/ Unruh, DÖV 1991, 94, 100 f.; BVerwG, Urt. v. 18. 06. 1997 – 6 C 5/96 (BVerwGE 105, 73), NVwZ 1998, 853, 855; Überblick zum damaligen Meinungsstand bei Cirsovius, S. 51 Fn. 267. 179 So die Vorstellung eines aus dem Jahr 1994 stammenden Entschließungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drs. 12/8211; ebenso Kuhlmann, NuR 1995, 1, 3 ff.; in die Richtung auch Waechter, NuR 1996, 321, 324 u. 327 („auch der Tierschutz [ist] von Art. 20a GG [a. F.] her geboten“). 180 Holste, JA 2002, 907, 909; Epping/Hillgruber-Huster/Rux Art. 20a GG Rn. 18 (31. Ed. 2016); Sachs-Murswiek Art. 20a GG Rn. 31 (8. Aufl. 2018); Cirsovius, S. 76; Greven, S. 115, 252; Ziekow, S. 24; Fielenbach, S. 171; Bernsdorff, NuR 1997, 328, 331; Brohm, JZ 1994, 213, 219; Hillmer, S. 32 ff.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 91 (1. Aufl. 2002); Obergfell, ZRP 2001, 193, 195; Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369, 370; v. Loeper, ZRP 1996, 143, 144; Händel, ZRP 1996, 137, 140; Hobe, WissR 1998, 309, 326 f.; Schelling, NuR 2000, 188, 191; wohl auch Schink, DÖV 1997, 221, 223 f. (klingt etwas ambivalent); vgl. auch Huster, ZRP 1993, 326, 330. 181 BVerwG, Urt. v. 18. 06. 1997 – 6 C 5/96 (BVerwGE 105, 73), NVwZ 1998, 853, 855. 182 BT-Drs. 14/207 vom 14. 12. 1998 (Gesetzentwurf der Fraktion der FDP); BT-Drs. 14/ 282 vom 19. 01. 1999 und BT-Drs. vom 26. 02. 2002 (Gesetzentwürfe der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN); BT-Drs. 14/279 vom 19. 01. 1999 (Gesetzentwurf der Fraktion der PDS); BT-Drs. 14/758 vom 14. 04. 1999 (Gesetzentwurf des Bundesrates). 183 Schelling, NuR 2000, 188, 193; Caspar, ZRP 1998, 441 ff.; Händel, ZRP 1996, 137 ff.; Greven, S. 252; Hillmer, S. 129; Hobe, WissR 1998, 309, 330 f.; v. Loeper, ZRP 1996, 143 ff.; Obergfell, ZRP 2001, 193 ff.; Huster, ZRP 1993, 326, 330; a. A. Röckle, S. 185 „die Verankerung des Tierschutzes im GG in Form einer programmatischen Staatszielbestimmung [erscheint] überflüssig“.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Ein Beispiel für die bis dahin schwache verfassungsrechtliche Position des Tierschutzes gab Anfang 2002 eine Entscheidung des BVerfG184 zum religiös motivierten Schächten. Diese gilt im Schrifttum185 als entscheidender Katalysator dafür, dass letztlich doch die politische Mehrheit für eine Verfassungsänderung zustande kam – in Gestalt eines gemeinsamen Gesetzesentwurfs der Fraktionen SPD, CDU/ CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP186. Zwischenzeitlich hatten schon von Anfang der 1990er-Jahre an viele Bundesländer den Schutz von Tieren als Lebewesen und Mitgeschöpfe in ihre Landesverfassungen aufgenommen.187 Innerhalb der Europäischen Union war Deutschland indes der erste Staat, der diesen Schritt tat.188
184
BVerfG, Urt. v. 15. 01. 2002 – 1 BvR 1783/99 (BVerfGE 104, 337), NJW 2002, 663. Maunz/Dürig-Scholz Art. 20a GG Rn. 64 (79. EL 2016); Epping/Hillgruber-Huster/Rux Art. 20a GG Rn. 6 (31. Ed. 2016); Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 20a GG Rn. 9 (3. Aufl. 2015); Kluge, ZRP 2004, 10, 11, 12, 13; Faber, UPR 2002, 378; Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 916; Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 68; Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/ Hänni, S. 531, 533; Holste, JA 2002, 907; Schwarz, S. 40 („unmittelbare Reaktion“); Pröbstl, S. 17 („als Konsequenz“); Köpernik, Die Rechtsprechung zum Tierschutzrecht: 1972 bis 2008, S. 23; vgl. Schröter, NuR 2007, 468, 469; Bauer, in: Isensee/Kirchhof (3. Aufl. 2003), S. 699, 747 (§ 14 Rn. 74) sieht in der Verfassungsänderung allgemein die „Reaktion auf gerichtliche Entscheidungen, die den Tierschutz mangels verfassungsrechtlicher Verankerung in grundrechtlichen Konfliktlagen (Schächtverbot, Tierversuche usw.) nicht angemessen in Geltung bringen konnten“. Zur Vor- und Entstehungsgeschichte siehe auch: BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 14 f. (180. EL 2016); Köpernik, S. 20 ff.; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 101 ff. (1. Aufl. 2002); Hillmer, S. 132 ff.; Gerick, S. 100 ff.; Pröbstl, S. 13 f.; Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 2 (3. Aufl. 2016); Leondarakis, Tierversuche, S. 94 ff.; Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 30 f.; Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 12 ff., 22 f.; vgl. auch Braun, DÖV 2003, 488 f. 186 BT-Drs. 14/8860 vom 23. 04. 2002. 187 Art. 32 der Verfassung Thüringens vom 25. Oktober 1993; Art. 59a III der Verfassung des Saarlandes (eingef. durch Gesetz vom 25. August 1999); Art. 70 der Verfassung von Rheinland Pfalz (eingef. durch Gesetz vom 8. März 2000); Art. 6b der Niedersächsischen Verfassung (eingef. durch Gesetz vom 21. November 1997); Art. 11b der Bremer Verfassung (eingef. durch Gesetz vom 16. Dezember 1997); Art. 39 III der Brandenburger Verfassung vom 20. August 1992; Art. 31 II der Berliner Verfassung vom 23. November 1995; Art. 141 I S. 2 der Bayerischen Verfassung (eingef. durch Gesetz vom 20. Februar 1998); Art. 3b der Verfassung von Baden-Württemberg (eingef. durch Gesetz vom 23. Mai 2000); siehe auch Art. 10 I S. 2 der Sächsischen Verfassung vom 27. Mai 1992 und Art. 29a I der Nordrhein-Westfälischen Verfassung (eingef. durch Gesetz vom 3. Juli 2001). Seit 2006 auch in der Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern: Art. 12 I S. 1 (geändert durch Gesetz v. 14. Juli 2006 (GVOBl. MV S. 572)) und seit 2013 in der Verfassung von Schleswig-Holstein: ursprünglich Art. 7 (geändert durch Gesetz vom 20. Februar 2013), jetzt Art. 11. Siehe hierzu auch Kluge-von Loeper Einf. Rn. 97 ff. (1. Aufl. 2002); Überblick zum Wortlaut der jeweiligen Artikel bei Fielenbach, S. 178 und Leondarakis, Tierversuche, S. 98 f. 188 Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913; vgl. Braun, DÖV 2003, 488. 185
§ 2 Tiere als Schutzobjekt
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b) Begründung der Erweiterung von Art. 20a GG um den Tierschutz Das Gesetz, mit dem Art. 20a GG a. F. um die ausdrückliche Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel in der Bundesverfassung ergänzt wurde,189 trat am 1. August 2002 in Kraft. Sowohl aus der Plenardebatte190, als auch der Gesetzesbegründung ist deutlich erkennbar, dass die Verfassungsänderung als Reaktion auf die als unbefriedigend empfundenen Abwägungsergebnisse in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte. So wird darauf verwiesen, der Schutz des Tieres als Lebewesen sei in der deutschen Rechtsordnung „noch immer unzulänglich“. Das aus der Leidens- und Empfindungsfähigkeit insbesondere von höher entwickelten Tieren sowie den inzwischen bekannt gewordenen Ergebnissen von Wissenschaft und Forschung folgende dringend erforderliche „ethische (…) Mindestmaß für das menschliche Verhalten“ sei allein durch die einfachgesetzlichen Regelungen des TierSchG nicht ausreichend gewährleistet. Dem ethischen Tierschutz werde heute ein hoher Stellenwert beigemessen. Dem Bewusstseinswandel trage auch die Rechtsprechung bei der Verfassungsauslegung Rechnung, was sich aber nur angemessen vollziehen lasse, wenn der Gesetzgeber den Tierschutz ausdrücklich in das Gefüge des Grundgesetzes einbeziehe. Für „die gebotene Abwägung zwischen den Interessen der Tiernutzung und dem Anspruch der Tiere auf Schutz vor Leiden, Schäden oder Schmerzen“ sei es notwendig, dem Tierschutz Verfassungsrang zu geben. Art. 20a GG a. F. genüge dafür nicht, da der Schutz des einzelnen Tieres hiervon nicht erfasst sei. Die Regelungslücke gelte es zu schließen.191 Diese Gesetzesbegründung lässt, trotz der Bezugnahme auf die „Verantwortung für die künftigen Generationen“ in Art. 20a GG, und trotz Gegenstimmen, die auf die grundsätzlich anthropozentrische Ausrichtung des Grundgesetzes verweisen,192 keinen Zweifel daran, dass der nunmehr in der Verfassung verankerte Tierschutz ethisch begründet, das heißt um der Tiere selbst willen gemeint ist,193 beruhend auf einem aus ihrer Lebendigkeit und insbesondere ihrer Schmerzempfindlichkeit folgenden Eigenwert von Tieren. c) Wirkungen Für die Frage nach den Wirkungen der Verfassungsänderung liegt es vor dem Hintergrund ihrer Genese in erster Linie nahe, dass „Tierschutz“ nunmehr in Kon189
BGBl. I 2002, S. 2862. BT-Plenarprotokoll 14/237, S. 23662 u. S. 23667. 191 BT-Drs. 14/8860, S. 1 u. 3 (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP). 192 Dazu Münz/Dürig-Scholz Art. 20a GG Rn. 75 f.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Krings Art. 20a GG Rn. 30 (14. Aufl. 2018). 193 Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913; Holste, JA 2002, 907, 909; Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 3 ff. (6. Aufl. 2008); Faber, UPR 2002, 378, 379; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 13. 12. 2006 – 1 BvR 2084/05, NVwZ 2007, 808, 810. 190
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
fliktlagen mit anderen Verfassungsgütern als ein diesen ebenbürtiger Belang194 und damit in ungleich stärkerer Nachdrücklichkeit in die Abwägung eingestellt werden kann.195 Als für die Zivilrechtsanwendung bedeutsam erscheint die Einführung des Tierschutz-Aspekts in Art. 20a GG insofern, als die darin enthaltene verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten des Tierschutzes bei der Auslegung des einfachen Rechts,196 insbesondere der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Abwägungsentscheidungen zu beachten197 sein soll. Dies gelte auch für den Bereich ziviler Rechtsverhältnisse; dem Tierschutz aus Art. 20a GG könne dort, wo wertungs- und ausfüllungsbedürftige Tatbestände, insbesondere Blankettbegriffe und Generalklauseln bestünden, eine „Anreicherungswirkung“ zukommen.198 Auch privatrechtliche Vorschriften seien „orientiert an Art. 20a auszulegen“.199 Im Schrifttum wurde die Verfassungsänderung teils als „symbolische Gesetzgebung“200, teils aber auch als „Meilenstein in der Entwicklung des Tierschutz194
Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 17 (6. Aufl. 2008); BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 80 (180. EL 2016); Schröter, NuR 2007, 468, 469; Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 531, 554; Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369, 373; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 104d f. (1. Aufl. 2002); Hillmer, S. 146; Pröbstl, S. 20; KG Berlin, Beschl. v. 24. 07. 2009 – (4) 1 Ss 235/09 (150/ 09), NStZ 2010, 175, 176; VG Bremen, Urt. v. 28. 05. 2010 – 5 K 1274/09, BeckRS 2010, 50715, unter II 1; Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 8 (3. Aufl. 2016); Glock, S. 43; Faber, UPR 2002, 378, 381; Sachs-Murswiek Art. 20a GG Rn. 72 (8. Aufl. 2018); Obergfell, NJW 2002, 2296, 2298; Obergfell, ZRP 2001, 193, 196 f.; Pfeiffer, S. 227; a. A. (Nachrangigkeit des Tierschutzes jedenfalls gegenüber der Wissenschaftsfreiheit) Spranger, ZRP 2000, 285, 287 ff.; differenzierend Epping/Hillgruber-Huster/Rux Art. 20a GG Rn. 44 ff. (31. Ed. 2016). 195 Siehe Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 7 (6. Aufl. 2008); Maisack, S. 210 ff.; Bauer, in: Isensee/Kirchhof (3. Aufl. 2003), S. 699, 747 (§ 14 Rn. 74); BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 85 (180. EL 2016); Obergfell, NJW 2002, 2296, 2297 f.; Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 915 ff.; Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 531, 554 ff.; Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369, 374; Sachs-Murswiek Art. 20a GG Rn. 72 (8. Aufl. 2018); eingehend: Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 68 ff.; Hillmer, S. 152 ff.; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 2010 – 2 BvF 1/07 (BVerfGE 127, 293), NVwZ 2011, 289, 292 Tz. 121. 196 Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 209; Maisack, S. 214; so zu verstehen auch wohl Jarass/Pieroth-Jarass Art. 20a GG Rn. 1 (14. Aufl. 2016); v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 43, 91, 125 (6. Aufl. 2010); Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 18 (6. Aufl. 2008). 197 Braun, DÖV 2003, 488, 493; v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 90 (6. Aufl. 2010); Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 77 (3. Aufl. 2015); Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke-Krings Art. 20a GG Rn. 18 (14. Aufl. 2018); Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 13 (6. Aufl. 2008); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 104b (1. Aufl. 2002); Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 27 ff. (3. Aufl. 2016); Pröbstl, S. 34. 198 Faber, UPR 2002, 378, 381. Faber nennt als Beispiel den Begriff der Sittenwidrigkeit. Verträge, die dem Schutz und der Achtung gegenüber dem Tier zuwiderliefen, könnten daher wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. 199 Jarass/Pieroth-Jarass Art. 20a GG Rn. 2a, Rn. 23 (14. Aufl. 2016); ähnlich Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 13 (3. Aufl. 2016). Köpernik, S. 212, konstatiert etwas pauschal: „Die Auswirkungen von Art. 20a GG im Zivilrecht sind mannigfaltig“ und verweist dazu auf einige Beispiele aus der Rechtsprechung; ohne allerdings diese einer systematischen Analyse zu unterziehen. 200 Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 9 (3. Aufl. 2015); Epping/Hillgruber-Huster/ Rux Art. 20a GG Rn. 6.1 (31. Ed. 2016).
§ 2 Tiere als Schutzobjekt
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rechts“201 mit „erhebliche[r] Impulsfunktion“202 und als „Dreh- und Angelpunkt der Tierschutzdebatte“203 bezeichnet. Art. 20a GG verleihe dem Tierschutz „ein höheres Gewicht“.204 Zwar ziele Art. 20a GG „auch auf eine juristisch schwer fassbare Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins und des politischen Klimas“205, jedoch seien „die erheblichen Rechtswirkungen“ wertungsbezogener, ermessensausrichtender und interpretationsleitender Natur „nicht zu unterschätzen“206. Die Staatszielbestimmung bewirke eine „nicht unbeträchtliche verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Aufwertung“ des Tierschutzes;207 von ihr seien „wesentliche Impulse für die weitere Rechtsentwicklung“ zu erwarten; der Schutz der Tiere werde „verstärkt in den Fokus verfassungsrechtlicher und verfassungsinterpretierender Mühen rücken“208. Einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten des Schutzes tierischer Lebewesen sei eine „Ausstrahlungswirkung auf alle Bereiche des Rechts“ zuzuerkennen.209 Mittel- und langfristig sei zu erwarten, dass die Anreicherung des Rechts um die Belange des Art. 20a GG erheblich zunehme.210 Auf darüber hinaus im Schrifttum diskutierte Rechtswirkungen (zum Beispiel tierschutzrechtliches Minimum,211 Rückschritts- oder Verschlechterungsverbot212 und Optimierungs- oder Entwicklungsgebot213, Berücksichtigungs201
Lorz/Metzger Einf. Rn. 54 (6. Aufl. 2008); ähnlich Gerick, S. 103; Gruber, S. 219. Hillmer, S. 186. 203 Schröter, NuR 2007, 468. 204 Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 70 (3. Aufl. 2015); Maisack, S. 210, 219; ähnlich Faber, UPR 2002, 378, 382: „vergrößerte Bedeutung“; Pfeiffer, S. 227 „höheren Stellenwert“. 205 Ähnlich Hillmer, S. 186: „Einfluss auf die gesellschaftliche Bewußtseinsbildung und edukatorische Funktion“. 206 BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 95 f. (180. EL 2016). 207 BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 99 (180. EL 2016); von einer rechtlichen Aufwertung sprechen auch Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 10, 34, 52 (3. Aufl. 2016); Pröbstl, S. 27 und Hillmer, S. 146. 208 BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 97 f. (180. EL 2016). 209 Faber, UPR 2002, 378, 381. 210 BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 93 (180. EL 2016). 211 Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 12 (6. Aufl. 2008); Holste, JA 2002, 907, 909; DreierSchulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 71 (3. Aufl. 2015); Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 914; Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 531, 536, 543 f., 565; Caspar, ZRP 1998, 441, 445; v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 88 (6. Aufl. 2010); Hillmer, S. 188 f.; Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 47 f. 212 Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 12 (6. Aufl. 2008); Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 914; Holste, JA 2002, 907, 910; Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 71 (3. Aufl. 2015); Faber, UPR 2002, 378, 379; Kluge/v. Loeper, in: Handlexikon der Europäischen Union (5. Aufl. 2015), S. 921, 924; Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 44 ff.; ähnlich BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 94 (180. EL 2016); Tierschutzbericht 2011, BT-Drs. 17/6826, 14; Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 21 (3. Aufl. 2016); ablehnend: v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 88 (6. Aufl. 2010); Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 204 f.; Pröbstl, S. 33. Auch Jarass/Pieroth-Jarass Art. 20a GG Rn. 18 (14. Aufl. 2016) hält einen Abbau von Tierschutzvorschriften für nicht generell ausgeschlossen. 202
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
pflicht214, immanente Freiheitsschranke bei evidenter Verletzung des Schutzanliegens215) sei hier nur hingewiesen.216 3. Tierschutz auf europäischer Ebene Der Tierschutz ist im Primärrecht der Europäischen Union217 verankert. Nach Art. 13 des seit 2009 geltenden AEUVs218 tragen die Union und die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt unter Berücksichtigung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten „den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung“. Darin wird eine Auslegungshilfe für Normen des Unionsrechts, insbesondere bei der Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe und im Rahmen von Ermessensentscheidungen, gesehen219 sowie ein „Rechtsgebot im Sinne eines verbindlichen Handlungsauftrags an Union und Mitgliedstaaten“, wodurch Tierschutzbelange zwar 213 Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 12 (6. Aufl. 2008); Caspar/Geissen, NVwZ 2002, 913, 914; Hillmer, S. 191; Holste, JA 2002, 907, 908; Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 531, 544 f., 565; v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 88 (6. Aufl. 2010); Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 26 (3. Aufl. 2015); Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 19 f. (3. Aufl. 2016); Maisack, S. 215; Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 201 („Nachbesserungspflicht“); Faber, UPR 2002, 378, 379; Pröbstl, S. 29; ähnlich Caspar/Schröter, Staatsziel Tierschutz, S. 46 f. u. Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 72 (3. Aufl. 2015): Nachbesserungspflicht; Obergfell, ZRP 2001, 193, 197 f. 214 Hildermann/Fertig, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 531, 537 f., 543; Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 12 (6. Aufl. 2008); Hirt/Maisack/Moritz Art. 20a GG Rn. 16 (3. Aufl. 2016); v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 88 (6. Aufl. 2010); Faber, UPR 2002, 378, 380; in diese Richtung auch Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369, 375; Braun, DÖV 2003, 488, 493. 215 Maunz/Dürig-Scholz Art. 20a GG Rn. 71, 83 (79. EL 2016). 216 Ausführlich zu möglichen rechtlichen Implikationen des Staatsziels „Tierschutz“ für die Legislative, Judikative und Exekutive: Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, S. 43 ff.; Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 156 ff.; Hillmer, Auswirkungen einer Staatszielbestimmung „Tierschutz“ im Grundgesetz, S. 131 ff.; ausführlich zum Einfluss von Art. 20a GG auf die Rechtsprechung zum TierSchG: Köpernik, S. 29 ff. Dass der in Art. 20a GG enthaltene Verfassungswert „Tierschutz“ justiziable ist, zeigt BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 2010 – 2 BvF 1/07 (BVerfGE 127, 293), NVwZ 2011, 289, 292 f., Tz. 121 ff., in dem eine konkrete Verletzung von Art. 20a GG angenommen wurde (durch Verstoß gegen eine dem Tierschutz dienende Verfahrensanforderung). 217 Ausführlich zum Tierschutz auf europäischer Ebene (aber z. T. etwas überholt): Bolliger (Schweiz), Europäisches Tierschutzrecht, 2000; Caspar, Zur Stellung des Tieres im Gemeinschaftsrecht, 2001; Glock, Das deutsche Tierschutzrecht und das Staatsziel „Tierschutz“ im Lichte des Völkerrechts und des Europarechts, 2004 (Kap. 3 u. 4, S. 87 ff.); Kluge/v. Loeper, in: Handlexikon der Europäischen Union (5. Aufl. 2015), S. 921 ff., Stichwort Tierschutz in der EU; Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 40 ff. 218 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EG Nr. C 115 v. 09. 05. 2008, S. 47. 219 Calliess/Ruffert-Calliess Art. 13 AEUV Rn. 10 (5. Aufl. 2016).
§ 2 Tiere als Schutzobjekt
57
keinen absoluten Vorrang erlangten, aber im Wege praktischer Konkordanz mit kollidierenden Belangen in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden müssten.220 Aus Art. 13 AEUV folge ein Berücksichtigungsgebot; er gebe Abwägungsparameter vor, die einzubeziehen seien.221 Dass dem Tierschutz eine eigene, „vor die Klammer gezogene“ Querschnittsklausel gewidmet ist, wurde als Ausdruck eines politischen Bedeutungsgewinns gewertet,222 oder gar „als ein erster wichtiger Schritt in Richtung eines kohärenten Konzepts des Tierschutzes auf Unionsebene“223. Allerdings ist es, wie auch an der sektoriellen Begrenzung in Art. 13 AEUV erkennbar, kein eigenständiges Unionsziel224 oder allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, für das Wohlergehen von Tieren zu sorgen.225 Anerkannt ist der Tierschutz aber immerhin als „Unionsinteresse“ und als solches bei Abwägungsentscheidungen zu berücksichtigen.226 Insgesamt werden Bedeutung und konkrete Auswirkungen der Regelung als eher gering eingeschätzt.227 Art. 13 AEUV begründet auch keine Kompetenz der Union für den Tierschutz; es bestehen aber sektorielle Kompetenznormen.228 In Art. 36 AEUV wird der Tierschutz als ein Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit genannt.229
220
Calliess/Ruffert-Calliess Art. 13 AEUV Rn. 7 (5. Aufl. 2016). von der Groeben/Schwarze/Hatje-Terhechte Art. 13 AEUV Rn. 8 (7. Aufl. 2015); siehe im Einzelnen auch Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 42 ff. (3. Aufl. 2016). 222 Calliess/Ruffert-Calliess Art. 13 AEUV Rn. 1 (5. Aufl. 2016); ähnlich Grabitz/Hilf/ Nettesheim-Nettesheim Art. 13 AEUV Rn. 3 (60. EL Okt. 2016): „politische Aufwertung des Tierschutzes“; etwas zurückhaltender von der Groeben/Schwarze/Hatje-Terhechte Art. 13 AEUV Rn. 3 (7. Aufl. 2015); Streinz-Streinz Art. 13 AEUV Rn. 1 (2. Aufl. 2012). 223 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Terhechte Art. 13 AEUV Rn. 1 (7. Aufl. 2015). 224 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim Art. 13 AEUV Rn. 2 (60. EL Okt. 2016); StreinzStreinz Art. 13 AEUV Rn. 13 (2. Aufl. 2012); Kluge/v. Loeper, in: Handlexikon der Europäischen Union (5. Aufl. 2015), S. 921; Pröbstl, S. 8; anders wohl v. Mangoldt/Klein/StarckEpiney Art. 20a GG Rn. 117 (6. Aufl. 2010). 225 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-189/01, EuZW 2001, 728, 733, Slg. I 2001, 5689; Calliess/Ruffert-Calliess Art. 13 AEUV Rn. 8 (5. Aufl. 2016); von der Groeben/Schwarze/ Hatje-Terhechte Art. 13 AEUV Rn. 2 (7. Aufl. 2015). 226 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Terhechte Art. 13 AEUV Rn. 2 (7. Aufl. 2015) m. w. N. aus der EuGH-Rspr. 227 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim Art. 13 AEUV Rn. 4 f. (60. EL Okt. 2016); krit. daher Kluge/v. Loeper, in: Handlexikon der Europäischen Union (5. Aufl. 2015), S. 921, 923 f., die eine Ausweitung des Tierschutzes auf europäischer Ebene fordern. 228 Calliess/Ruffert-Calliess Art. 13 AEUV Rn. 12 (5. Aufl. 2016); Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim Art. 13 AEUV Rn. 8 (60. EL Okt. 2016); Streinz-Streinz Art. 13 AEUV Rn. 12 f. (2. Aufl. 2012). 229 Vgl. hierzu Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim Art. 13 AEUV Rn. 9 ff. (60. EL Okt. 2016). 221
58
1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Auf Ebene des Sekundärrechts gibt es eine Reihe von Verordnungen230 und Tierschutzrichtlinien231. Daneben betreibt die Europäische Union auch jenseits rechtsförmlichen Handelns politische Aktivitäten zur Förderung des Tierschutzes.232 Schon in den 1970er- und 1980er-Jahren trat überdies der Europarat als Urheber mehrerer Übereinkommen zum Schutz von Tieren auf,233 denen die Europäische Union zum Teil beigetreten ist.234
230 Etwa Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates v. 24. 9. 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung, ABl. Nr. L 303 v. 18. 11. 2009, S. 1; Verordnung (EG) Nr. 1/ 2005 des Rates v. 22. 12. 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97, ABl. Nr. L 3 v. 05. 01. 2005, S. 1. 231 Etwa RL 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, ABl. Nr. L 221 v. 08. 08. 1998, S. 23; RL 2007/43/EG des Rates vom 28. Juni 2007 mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern, ABl. Nr. L 182 v. 12. 07. 2007, S. 19 ff.; RL 2008/120/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen, ABl. Nr. L 47 v. 18. 02. 2009, S. 5; RL 1999/74/EG des Rates vom 19. Juli 1999 zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen, ABl. Nr. L 203 v. 03. 08. 1999, S. 53; RL 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere, ABl. Nr. L 276 v. 20. 10. 2010, S. 33. Siehe hierzu auch Lorz/Metzger Einf. Rn. 81 ff. (6. Aufl. 2008); Caspar, S. 377 ff.; Kluge/v. Loeper, in: Handlexikon der Europäischen Union (5. Aufl. 2015), S. 921, 924 f.; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 53 ff. (3. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 40 (1. Aufl. 2002); Glock, S. 132 ff. (z. T. veraltet). 232 Siehe den „Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006 – 2010“, KOM(2006) 13 endg. v. 23. 1. 2006 und dessen Fortführung durch KOM(2012) 6 endg. v. 19. 1. 2012. 233 Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19. September 1979; Europäisches Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere vom 18. März 1986; Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen vom 10. März 1976; Europäisches Übereinkommen über den Schutz von Schlachttieren vom 10. Mai 1979; Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren vom 13. November 1987; siehe auch Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 28 (3. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 41 (1. Aufl. 2002); eingehend: Glock, S. 93 ff. 234 Siehe etwa Beschluss 78/923/EWG des Rates vom 19. Juni 1978 zum Abschluss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen, ABl. Nr. L 323 v. 17. 11. 1978, S. 12; Beschluss 88/306/EWG des Rates vom 16. Mai 1988 über den Abschluss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Schlachttieren, ABl. Nr. L 137 v. 02. 06. 1988, S. 25; Beschluss 82/72/EWG des Rates vom 3. Dezember 1981 über den Abschluss des Übereinkommens zur Erhaltung der europäischen freilebenden Tiere und wildwachsenden Pflanzen und ihrer natürlichen Lebensräume, ABl. Nr. L 038 v. 10. 02. 1982, S. 1; Beschluss 1999/575/EG des Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere durch die Gemeinschaft, ABl. Nr. L 222 v. 24. 08. 1999, S. 29.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
59
III. Bezugspunkte rechtlichen Tierschutzes Als Bezugspunkt von Tierschutzrecht kommt zum einen ein Kollektiv von Tieren in Betracht, etwa wenn es um die Erhaltung einer Tierart als solcher oder um die Bewahrung des Lebensraums von Tieren geht;235 der andere denkbare Bezugspunkt sind Einzeltiere.236 Das TierSchG, die verfassungsrechtliche Verankerung des Tierschutzaspekts in Art. 20a GG237 und die Tierschutz-Querschnittsklausel in Art. 13 AEUV238 haben den letztgenannten Schutz des individuellen Einzeltieres vor Augen. Diesem wird durch das TierSchG insbesondere Schutz vor (willkürlicher) Tötung, Zufügung von Schmerz239 und vermeidbaren Leiden240 und (als Spezialfall oder unterhalb dieser Schwelle liegend) vor nicht tiergerechten Haltungsbedingungen241 gewährt.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs Wendet man den Blick nun näher auf die zivilrechtliche Ausgangssituation, dominiert hier nicht die Dimension von Tieren als Objekt rechtlichen Schutzes, sondern ihre Rolle als Objekt des Rechtsverkehrs.
235
Wie etwa im BNatSchG (BGBl. I 2009, S. 2542) oder in der Europäischen Artenschutzverordnung (Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates v. 9. 12. 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels, ABl. L 61 v. 03. 03. 1997, S. 1). 236 Vgl. Lorz/Metzger Einf. Rn. 13 (6. Aufl. 2008). 237 Siehe BT-Drs. 14/8860, S. 3 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Staatsziel Tierschutz] – Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP); BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 67 (180. EL 2016); Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 28, 55 f. (3. Aufl. 2015); Jarass/Pieroth-Jarass Art. 20a GG Rn. 12 f. (14. Aufl. 2016); Sachs-Murswiek Art. 20a GG Rn. 31b (8. Aufl. 2018); v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 19 (6. Aufl. 2010); Maisack, S. 208 f.; Braun, DÖV 2003, 488, 490; Faber, UPR 2002, 378, 379; Pröbstl, S. 16. 238 Calliess/Ruffert-Calliess, Art. 13 AEUV Rn. 3 (5. Aufl. 2016); Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim Art. 13 AEUV Rn. 7 (60. EL Okt. 2016). 239 § 1 S. 2 TierSchG. 240 BT-Drs. 14/8860, S. 3 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Staatsziel Tierschutz] – Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP). 241 § 2 TierSchG; BT-Drs. 14/8860, S. 3 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Staatsziel Tierschutz] – Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP).
60
1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
I. Rechtshistorischer Blick auf die Einordnung von Tieren als Sachen Die rechtshistorische Beleuchtung des Umgangs mit Tieren ist ein eigenständiges, anderenorts242 näher untersuchtes Feld, aus dem für die Zwecke dieser Arbeit nur eine elementare Grundlinie herausgestellt werden soll. Blickt man von der Antike her entlang eines Zeitstrahls, lässt sich schnell eine recht klar dominierende Tendenz erkennen – nämlich die Tendenz, Tiere als Rechtsobjekte und Sachen zu behandeln. So sah es bereits das insofern auch für die weitere Rechtsentwicklung einflussreiche243 römische Recht vor.244 Mit dem bei Schaffung des BGB zugrunde gelegten Zweiklang von Personen (§§ 1 – 89) als Rechtssubjekten auf der einen Seite und Sachen unter Einschluss von Tieren (§§ 90 – 103) als Rechtsobjekten auf der anderen Seite reihte sich auch das deutsche Zivilrecht in die Tradition des römischen Rechts.245 Ebenso alt wie die rechtliche Einordnung von Tieren als Sachen und damit ebenfalls historisch verankert ist aber gleichzeitig wohl das Bewusstsein um einen qualitativen Unterschied zwischen lebenden und nicht lebenden Sachen, das sich auch rechtlich in einem gewissen Sonderstatus von Tieren innerhalb der Rechtsobjekte niedergeschlagen hat. Bereits im römischen Rechtsalltag kam Tieren offenbar eine spezielle Stellung zu.246 Ohnehin darf nicht übersehen werden, dass rechtshistorisch betrachtet über eine lange Zeit die Grenzlinie zwischen Menschen und Tieren weit weniger scharf gezogen wurde, als es heute selbstverständlich erscheint. So ordnete nicht zuletzt das römische Recht unter bestimmten Umständen auch Menschen als Sachen und Rechtsobjekte ein – etwa Sklaven.247 Im Mittelalter zeigt sich ebenfalls deutlich, dass man Tiere als Lebewesen wahrnahm, indem man bei der Verletzung oder Tötung von Tieren, aber auch bei der Anrichtung von Schäden durch Tiere auf diese grundsätzlich ähnliche Grundsätze anwendete wie auf Menschen.248 Vermutlich wurden Tiere im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
242
Siehe nur Gergen, NuR 2007, 463 ff.; Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21 ff.; Müller, Das Tier im Verwaltungsrecht, S. 8 ff.; Fischer (mit Fokus auf Tierstrafen und Tierprozesse), S. 34 ff.; Überblick bei Schneider Kayasseh, S. 3 ff. 243 Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21; Brüninghaus, S. 60. 244 Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1240; Caspar, S. 41 ff.; Raspé, S. 274 f.; Schneider Kayasseh, S. 5; Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 27 ff., die, wie Brüninghaus, S. 60, der populären, aber unbelegten Aussage (etwa Erbel, DVBl. 1986, 1235, 1244; Lorz, MDR 1989, 201, 202; Lorz, NuR 1994, 473; Lorz/Metzger Einf. Rn. 46 (6. Aufl. 2008); Steding, JuS 1996, 962, 963) widerspricht, diese Einordnung beruhe auf Ädilischen Edikten, wohingegen das Tier zuvor gar außerhalb der Rechtsordnung gestanden habe. 245 v. Loeper/Reyer, ZRP 1984, 205, 206; Steding, Jus 1996, 962, 963; Brüninghaus, S. 63, 65, 66. 246 Schneider Kayasseh, S. 5; Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 29 f. 247 Honsell, S. 49 f. (7. Aufl. 2010); Wesel, S. 210 f. (3. Aufl. 2006). 248 Schumann, in: Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium, S. 181, 202 ff.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
61
(etwa 13. bis 17. Jahrhundert) sogar in Gestalt von Tierprozessen und Tierstrafen249 als Übel- und Straftäter vor „Gericht“ gestellt – gleichsam mit der einem Menschen ähnlichen Stellung eines Prozessbeteiligten250. Tierstrafen251 sollen dabei gegen einzelne Tiere dafür verhängt worden sein, dass diese einem Menschen Schaden zufügten, und damit im Ergebnis eine ähnliche Funktion erfüllt haben wie heutige behördliche Handlungsinstrumentarien gegen gefährliche Tiere nach Polizeirecht,252 während sich Tierprozesse253 gegen Kollektive von Schädlingen gewandt haben sollen, von denen eine Bedrohung für die Gesundheit oder Lebensgrundlagen der Menschen ausging, die durch den Prozess verhindert oder gestoppt werden sollte.254
II. Sonderstellung trotz Sach-Status Vor dem Hintergrund der langen historischen Tradition, Tiere den Sachen zuzuschlagen, kommt der Akt des Gesetzgebers im Jahr 1990, Tiere formal aus dem Begriff der Sachen auszuscheiden, scheinbar wie eine Zäsur255 daher. Doch aus juristischer Sicht ergab sich schon zuvor aus zahlreichen Sondervorschriften, „daß eine vollständige Gleichbehandlung zwischen Tieren und toten Gegenständen nicht der Konzeption des Gesetzgebers“256 entsprach. Tiere hatten bereits eine rechtliche Sonderstellung gegenüber (anderen) Sachen inne.257 Es war wohl allgemeines Bewusstsein der Rechtsanwender, dass die Einordnung von Tieren in den Sachbegriff auf rechtspraktischen Gründen beruhte,258 etwa für die Zuordnung von Rechtsgütern,259 und dass das Gesetz, indem es Tiere „für den juristischen Gebrauch“ Sachen 249
Kategorien zurückgehend auf Karl von Amira. Zu Tierprozessen und Tierstrafen siehe Caspar, S. 45 ff.; Albrecht/Stuhldreier, ZInsO 2013, 2513; Hülle, DRiZ 1990, 135 ff.; Leondarakis, Tierversuche, S. 49 f.; Greven, S. 9 f.; Gerick, S. 36 ff.; Müller, Das Tier im Verwaltungsrecht, S. 19 ff. – je m. w. N.; siehe auch Kluge-von Loeper Einf. Rn. 28 (1. Aufl. 2002); eingehend: Fischer, Tierstrafen und Tierprozesse, S. 34 ff.; Berkenhoff, Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tiertötung im Mittelalter. Schumann, in: Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium, S. 181, 188 ff., 200 f. zieht in Zweifel, ob es in Deutschland tatsächlich eine derartige Praxis gab. 250 Albrecht/Stuhldreier, ZInsO 2013, 2513, 2517; Hülle, DRiZ 1990, 135, 136; Müller, Das Tier im Verwaltungsrecht, S. 20. 251 Ausführlich dazu Fischer, S. 102 ff.; Berkenhoff, S. 10 ff. 252 Albrecht/Stuhldreier, ZInsO 2013, 2513, 2517. 253 Ausführlich dazu Fischer, S. 62 ff.; Berkenhoff, S. 84 ff.; Überblick bei Schaal, S. 5; Hülle, DRiZ 1990, 135, 137. 254 Albrecht/Stuhldreier, ZInsO 2013, 2513, 2518 ff. 255 Hkk-Rüfner §§ 90 – 103 BGB Rn. 18: „aus heiterem Himmel“. 256 Pütz, ZRP 1989, 171, 172. 257 Steding, JuS 1996, 962, 964; Schaal, S. 21 f.; Gruber, S. 22, 171; Lorz, MDR 1989, 201, 202: „Für unsere Rechtsordnung ist das Tier nicht ,nur eine Sache‘, es ist für sie ,Lebewesen und Sache‘“; Schneider, MDR 1999, 193: „Tiere sind noch nie Sachen gewesen“. 258 Lorz, MDR 1989, 201, 202. 259 Pütz, ZRP 1989, 171, 172.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
nennt, diese dadurch nicht zugleich für Sachen hält,260 die zivilrechtliche Grobgliederung in Personen und Rechtsobjekte also damit per se gar „keine Wertung über die Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Objektes“ enthielt.261 Daher war es nicht so sehr die (zivil-)rechtliche Behandlung von Tieren, als vielmehr die rechtstechnisch zum Einsatz kommende Terminologie, die zuvor des Öfteren den Stein des Anstoßes262 gebildet hatte.263 Freilich gibt es die Auffassung,264 eine solche (wenn auch im Ursprung nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende) Gesetzestechnik habe eine Ausstrahlungswirkung auf die gesellschaftliche Einstellung und Behandlung von Tieren.
III. Die Herauslösung von Tieren aus dem Sachbegriff durch § 90a BGB Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20. August 1990265 fügte der Gesetzgeber § 90a BGB in das BGB ein. Darin heißt es seither in Satz 1: „Tiere sind keine Sachen“. 1. Gesetzesbegründung Der Gesetzgeber begründete die Änderung damit, die „im Tierschutzrecht verankerte Anschauung, daß das Tier ein Mitgeschöpf des Menschen und ein schmerzempfindendes Lebewesen ist, dem gegenüber der Mensch zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist“, solle innerhalb der gesamten Rechtsordnung gelten und im BGB durch die „Beseitigung der formalen Gleichstellung des Tieres mit einer Sache“ zum Ausdruck kommen.266 Damit Tiere aber gleichwohl „weiterhin als Gegenstand von verpflichtenden Geschäften und sachenrechtlichen Vorgängen dem Rechtsverkehrs zugänglich“ blieben, würden sie „durch eine Verweisung einem
260
Schneider, JurBüro, 1977, 914. Pütz, ZRP 1989, 171, 172. 262 Etwa Sojka, WuM 1984, 259, 260: „Die materialistische Einstellung, die auch Lebewesen als Sachen bewertet, erscheint als unzeitgemäß“. 263 Vgl. Lorz, MDR 1990, 1057; Bocianiak, VersR 2011, 981; Schaal, S. 33; S. 26: Die bisherige Einbeziehung der Tiere in den Sachbegriff des § 90 BGB habe „im Gegensatz zum allgemeinen Sprachempfinden und zur allgemeinen Auffassung der Bevölkerung“ gestanden, sei „als nicht mehr zeitgemäß empfunden“ worden und „in immer größeren Teilen unserer Gesellschaft auf Unverständnis und Kritik gestoßen“. Für die Schweiz: Basler KommentarWiegand Art. 641a ZGB Rn. 3 (5. Aufl. 2015): „Der Gesetzgeber nimmt – unter Berufung auf das Volksempfinden – Anstoss an der formalen Einordnung des Tieres unter den Sachbergriff“. 264 Brüninghaus, S. 123. 265 BT-Drs. I 1990, S. 1762. 266 BT-Drs. 11/5463, S. 1 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Gesetzesbegründung der Bundesregierung); BT-Drs. 11/7369, S. 1 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 261
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Rechtsobjekt gleich[gestellt]“267 – nach § 90a S. 3 BGB sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Interessant für die Zwecke gerade dieser Arbeit mit ihrem oben beschriebenen besonderen Fokus auf die zivilrechtlichen Berücksichtigung einerseits des „Tierwohls“, andererseits der emotionalen Bindung eines Menschen an ein Tier (sogenanntes Affektionsinteresse), ist eine Äußerungen im Schrifttum zur ratio legis der Neuregelung. So wurde angemahnt, § 90a BGB bezwecke „allein eine Verstärkung des Tierschutzes im Zivilrecht und nicht des Gefühlsschutzes der an Rechtsgeschäften beteiligten Personen“. § 90a BGB dürfe „nicht als Einfallstor für Liebhaberei oder gar das bloße, dem allgemeinen Zeitgeist entsprechende Mitgefühl für Tiere mißbraucht werden“.268 Ein Affektionsinteresse am Tier werde durch § 90a BGB „keinem besonderen Schutz unterstellt“; ebenso wenig aber sei das bürgerliche Recht der richtige Ort, um tierschützende Bestimmungen weiterzuentwickeln.269 2. Kritik an § 90a BGB und Streit um dessen Regelungsgehalt Schon im Gesetzgebungsverfahren hatte sich in der Opposition Kritik allgemein gegen die „deklaratorische (…) und programmatische (…) Natur“ der durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht eingefügten Ergänzungen (einschließlich § 90a BGB) geregt, die im BGB „überflüssig oder sogar als Fremdkörper fehl am Platze“ seien. Auch sei es „in sich nicht schlüssig, wenn man einerseits die Aufhebung der Gleichstellung von Sachen und Tieren zwar zum Ausdruck bringe, andererseits aber sofort wieder auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über Sachen hinweisen und zurückgreifen müsse“.270 Es wurde bezweifelt, ob die Ergänzungen überhaupt Regelungsgehalt hätten.271 Den Eindruck einer eher programmatischen Gesetzgebung nährten auch die Regierungsfraktionen selbst, wenn sie von „Signalwirkung“, einer angestrebten „Bewusstseinsschärfung“ und einer auch „deklaratorisch[en]“ Umsetzung des An-
267 BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 268 Schaal, S. 156, siehe auch S. 38 u. 40. 269 Schaal, S. 40. 270 So BT-Drs. 11/7369, S. 6 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses) über die Gründe, aus denen die Fraktion der SPD gegen den § 90a BGB betreffenden Teil des Gesetzentwurfs stimmte. 271 Siehe BT-Drs. 11/7369, S. 6 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses).
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liegens sprachen, die Verantwortung des Menschen für das Tier als einem Mitgeschöpf und schmerzempfindenden Wesen im BGB hervorzuheben.272 So stiftete die neue, durch das Zusammenwirken von § 90a S. 1 und S. 3 BGB bestimmte Ausgestaltung der zivilrechtlichen Stellung von Tieren als in der Rechtsanwendung „schwerlich justitiabel“273 eine gewisse Verunsicherung274 und fand in den unmittelbar auf die Gesetzesänderung folgenden Reaktionen im Schrifttum ebenso wie bis heute in der zu § 90a BGB bestehenden Kommentarliteratur ein durchwachsendes Echo. Deutlich vernehmbar ist die zuweilen harsche Kritik am fehlenden Regelungsgehalt, durch Bezeichnungen des § 90a BGB als „symbolische Gesetzgebung“275, „nichtssagende Regelung“, welche etwas Selbstverständliches betone,276 „Begriffskosmetik“277, „gefühlige Deklamation“ ohne wirklichen rechtlichen Inhalt278 und ohne rechtliche Auswirkungen279, als „gutgemeinte, bekenntnishafte“ Aussage, der „jede normative Relevanz“ fehle,280 als „rechtlich funktionslos[e]“ Vorschrift, die „die Rechtslage nicht geändert, sondern ein außerrechtliches Bedürfnis an Explizität des Impliziten gestillt“ habe,281 als „reine Leerformel“282, einen „wahrhaft programmatische[n] Satz“283, als „evidente Torheit“ des „auf Stimmenfang bedachte[n] Gesetzgeber[s]“284 und „banal bis absurd anmutende (…) Regelung“ mit nahezu „keine[r] praktische[n] Bedeutung“285. „Bei Licht betrachtet“ erschöpfe sich die „,Tier-Novelle‘ in der Beschwörung des Tierschutzgedankens“, der allerdings schon im TierSchG hinreichend verankert und 272 BT-Drs. 11/7369, S. 5 u. 6 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 273 Steding, JuS 1996, 962, 964. 274 Siehe Jauernig-Mansel § 90a BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015); Braun, JuS 1992, 758; Schneider, MDR 1999, 193 sowie den Beitrag in SchsZtg 1991, 27 f. (beantwortet vom Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen). 275 Braun, JuS 1992, 758; Jauernig-Mansel § 90a BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015); Kanzler, FR 2000, 528. 276 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 A I Rn. 4 (18. Aufl. 2009). 277 Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 1178a/S. 503 (11. Aufl. 2016). 278 Palandt-Ellenberger § 90a BGB Rn. 1 (76. Aufl. 2017); zust. Bocianiak, VersR 2011, 981; NK-Ring § 90a BGB Rn. 2 BGB (3. Aufl. 2016). 279 Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 1 (14. Aufl. 2014); Palandt-Ellenberger § 90a BGB Rn. 1 (76. Aufl. 2017): keinerlei Änderung; NK-Ring § 90a BGB Rn. 2 BGB (3. Aufl. 2016): „keine große Änderung“; Soergel-Marly § 90a BGB Rn. 1 (13. Aufl. 2000): Bedeutung „verschwindend gering“. 280 Küper, JZ 1993, 435, 441. 281 Jauernig-Mansel § 90a BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015). 282 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 95. 283 Vahle, VR 1991, 290. 284 Braun, JZ 1993, 1, 7; ähnlich Grunsky, FS Jauch, 93, 94: „Als Ergebnis kann dabei vorweggenommen werden, daß das Gesetz (…) letztlich nur als Versuch gewertet werden kann, die Wählerstimmen von Tierfreunden zu fangen“. 285 jurisPK-Vieweg § 90a BGB Rn. 2 u. 4 (7. Aufl. 2014).
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konkretisiert worden sei.286 § 90a BGB wird als ein „ethisches Postulat“ gewertet und in diesem Zusammenhang als Fremdkörper im BGB kritisiert.287 Die kritische Beurteilung der Einfügung des § 90a BGB als programmatische, deklaratorische Gesetzgebung und die Diagnose eines Großteils des Schrifttums, der eine hierdurch ausgelöste Veränderung und hiervon ausgehende Auswirkung auf die Rechtsanwendung kaum oder gar nicht zu erkennen vermag,288 erklärt sich vor dem Hintergrund, dass Tiere bereits vorher gegenüber Sachen eine Sonderstellung im Zivilrecht genossen.289 Ist § 90a BGB tatsächlich eine überflüssige Bestimmung, eine reine Leerformel, die nur zwecks ihrer Außenwirkung in der Öffentlichkeit erlassen wurde, wäre dies verfassungsrechtlich, nämlich unter Rechtsstaatsgesichtspunkten, bedenklich.290 Manche Stimmen aber messen § 90a BGB durchaus Bedeutung und Wirkungen bei. Sie sehen in der Gesetzesänderung neben einem ethischen Fortschritt eine erforderlich gewesene rechtliche Klarstellung291 und immerhin die Möglichkeit langfristiger Auswirkungen auf die Rechtsanwendung durch „symbolische Wirkung“292, „Signalfunktion“293, den „Appell-Charakter“294 der Vorschrift, oder durch die darin enthaltene Mahnung, „die Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten eines ethischen Tierschutzes auch bei der Gesetzesanwendung und -auslegung im bürgerlichen Recht zu berücksichtigen“295. Die Norm zwinge „im Einzelfall zu der Prüfung, ob sich für leblose Sachen konzipierte Vorschriften ohne Weiteres auf ein Tier übertragen lassen“296 und ob ihre Anwendung angemessen sei297 und fördere so „eine dem Staatsschutzziel Tierschutz verpflichtete Rechtsanwendung“.298 286
Vahle, VR 1991, 290. NK-Ring § 90a BGB Rn. 2 (3. Aufl. 2016). 288 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 94 f.; Palandt-Ellenberger § 90a BGB Rn. 1 (76. Aufl. 2017); Jauernig-Mansel § 90a BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015); jurisPK-Vieweg § 90a BGB Rn. 7 (7. Aufl. 2014); Brüninghaus, S. 93; Bocianiak, VersR 2011, 981; Leondarakis, Tierversuche, S. 92; Gruber, S. 22 f.; Raspé, S. 277; Graul, JuS 2000, 215, 217; Schumann, in: Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium, S. 181: „im Grunde nichts geändert“; karikierend Schmidt, JZ 1989, 790 ff. 289 Siehe vorne bei Fn. 255 ff. 290 Pauly, JuS 1997, 287, 288; vgl. Braun, JuS 1992, 758, 761; Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, S. 61/Rn. 141 (4. Aufl. 1998). 291 Schaal, S. 38 f. 292 Raspé, S. 278. 293 Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 6 (41. Ed. 2016); NK-Ring § 90a BGB Rn. 7 (3. Aufl. 2016). 294 Hk-Dörner § 90a BGB Rn. 1 (9. Aufl. 2017); Gruber, S. 23 spricht von einer „rechtspolitische[n] Funktion“, § 90a BGB sei ein „Hinweis des Gesetzgebers (…), daß das Tier im Rechtsleben eine besondere Behandlung erfahren soll“. 295 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 3 (7. Aufl. 2015). 296 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 10 (7. Aufl. 2015). 297 Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 1 (41. Ed. 2016). 298 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 10 (7. Aufl. 2015). 287
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§ 90a BGB und der hinter der Vorschrift stehenden Wertentscheidung eines verbesserten Tierschutzes könne „bei der Auslegung von Rechtsproblemen eine ausschlaggebende Rolle zukommen“299. Die Regelung sei eine „Vorschrift mit Reflexwirkung für die gesamte Rechtsordnung“300, könne verstanden werden als „juristische[r] (Lern-)Ansatz für die Sonderbehandlung von Tieren“, als Auslegungshilfe in der Rechtspraxis „in allen Angelegenheiten (…), bei denen ein Tier im Spiel ist“ und als „deutliches Achtungszeichen des Gesetzgebers (…), daß die Besonderheiten des Tieres im Rechtsleben de lege ferenda im Bürgerlichen Recht(…) noch weitergehend ausgeprägt werden“.301 § 90a BGB stelle klar, dass in allen Bereichen des Rechts, auch im bürgerlichen Recht und bei der Zwangsvollstreckung, die möglichen nachteiligen Auswirkungen, die von einer Maßnahme für Leben, Unversehrtheit und Wohlbefinden von Tieren ausgehen könnten, einschließlich Fernwirkungen zu berücksichtigen seien; bei der Bewertung der widerstreitenden Belange müsse den Rechtsgütern des Tierschutzes entsprechend der gesetzlichen Zielsetzung hohes Gewicht beigelegt werden.302 Aus § 90a BGB wurde auch hergeleitet, die Sondervorschriften für Tiere seien (wohl über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus) „gleichermaßen bei der Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Vorschriften zu berücksichtigen“.303 Noch einen Schritt weiter gehend wertete man anderenorts, trotz der fortbestehenden Anwendbarkeit der für Sachen geltenden Vorschriften, „die Herausnahme des Tieres aus dem Sachbegriff“ angesichts der langen römisch-rechtlich geprägten Historie gar als „Wendepunkt in der Rechtsentwicklung“, als Abkehr von einer „alte[n] und gewohnte[n]“, „vielen schon zur Selbstverständlichkeit geworden[en]“ Betrachtungsweise,304 als „rechtliche[n] und ethische[n] Fortschritt“305 und als „Grundstein eines Status-Wechsels der Tiere“306. Durch die Gesetzesänderungen im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht sei „für Richter eine ganz andere Grundlage für die Urteilsfindung erwachsen“; es sei vorstellbar, dass Verfahren im Zusammenhang mit Tieren, die nach dieser Gesetzesänderung verhandelt würden, zu anderen Urteilen führten als vorher.307 Eine Überschätzung der Rechtsänderung unter Verkennung der schon vor 1990 praktizierten besonderen Behandlung von Tieren308 dürfte indes in der Annahme liegen, das Tier könne nun nicht mehr „wie ein Möbelstück mit einem merkantilen Wert als 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308
Pauly, JuS 1997, 287, 288. Dallemand/Balsam, WuM 1997, 23, 26. Steding, JuS 1996, 962, 964. Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 95 (3. Aufl. 2016). NK-Ring § 90a BGB Rn. 7 (3. Aufl. 2016). Lorz, MDR 1990, 1057, 1061. Lorz, MDR 1989, 201, 204. Raspé, S. 278. Nelkel, S. 137. Siehe bei Fn. 256 ff.
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Handelsware mißbraucht werden“, vielmehr habe „der Mensch dem Tier als Mitgeschöpf auch von Gesetzes wegen nunmehr Achtung entgegenzubringen“.309 Teils wurde die Einfügung von § 90a BGB als eine Art Lückenschluss des Gesetzgebers gewertet, um auch das bisher hierfür eine nur untergeordnete Rolle spielende Zivilrecht für den Tierschutz einzubinden.310 3. Folgen des § 90a BGB für die rechtsdogmatische Einordnung von Tieren Hinsichtlich der rechtsdogmatischen Einordnung von Tieren werden aus § 90a BGB, begleitet von einem latenten Unterton der Unsicherheit, terminologisch variierende Schlussfolgerungen gezogen. Den Boden dafür bereitet schon die Gesetzesbegründung311, die ebenfalls zwischen den Aussagen von § 90a S. 1 und S. 3 BGB hin- und hergerissen scheint, wenn es darin heißt, der Gesetzesentwurf löse sich „von der überkommenen dogmatischen Vorstellung der Anknüpfung des bürgerlichen Rechts an Rechtsträger und an ihre Beziehung zu Rechtsobjekten“ und stelle das Tier nun „nur noch durch eine Verweisung312 einem Rechtsobjekt gleich“, womit gewährleistet sei, dass „Tiere weiterhin dem Rechtsverkehr zugänglich bleiben“.313 Geschlossen wurde daraus etwa, dass Tiere nunmehr eine Kategorie sui generis bildeten,314 die zwar den Gegensatz von Rechtsträgern und Rechtsobjekten unberührt lasse, aber weder ersteren noch letzteren unterfalle, da eine Zuordnung zu den Rechtssubjekten nicht gewollt sei, die Tiere den Rechtsobjekt aber ebenfalls lediglich durch eine Verweisung gleichgestellt würden.315 Andere dagegen sehen Tiere, wenn auch nicht mehr als den Sachen, aber doch weiterhin als den Rechtsobjekten zugehörig an.316 § 90a BGB schaffe jedoch innerhalb der Rechtsobjekte eine „eigene Art innerhalb der körperlichen Gegenstände“317, eine „neue sachenrechtliche Kategorie“ und damit eine Erweiterung der „römischrechtlich fundierte[n] und über Jahrhunderte hinweg tradierte[n] Zweiteilung der Rechtsobjekte in körperliche und 309
Mühe, NJW 1990, 2238, 2240, Hervorhebungen durch Verf. Vgl. Steding, JuS 1996, 962, 963. 311 So findet Vieweg (jurisPK § 90a BGB Rn. 5, 7. Aufl. 2014), der Gesetzgeber lasse offen, welche rechtliche Qualifizierung Tieren nun zukommen solle. 312 Hervorhebung durch Verf. 313 BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 314 Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 2 (14. Aufl. 2014); MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 3 (7. Aufl. 2015). 315 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 3 (7. Aufl. 2015), Hervorhebung durch Verf. 316 Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 9 (Neubearb. 2012); NK-Ring § 90a BGB Rn. 3, 8 (3. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 5 (41. Ed. 2016); Schaal, S. 32, 156; Greven, S. 232. 317 Raspé, S. 277; Arning, S. 5; ähnlich Schaal, S. 32, 156: „eigene Untergruppe der körperlichen Gegenstände“. 310
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unkörperliche Gegenstände“318. Wieder leicht abgewandelt heißt es anderenorts, Tiere seien nunmehr „körperliche Gegenstände eigener Art“319, eine „eigenständige Erscheinung körperlicher Gegenstände“320 oder Rechtsobjekte eigener, besonderer Art321. Mit dem Hinweis auf einige Stellen der Gesetzessystematik, die – insofern terminologisch inkohärent zu § 90a S. 1 BGB – Tiere weiterhin unter den Sachbegriff fassen, gibt es auch den Vorschlag, Tiere durch eine berichtigende Auslegung in dem System von Rechtssubjekten (Personen) und -objekten (Sachen) dadurch zu belassen, dass man sie weiterhin als Sachen, allerdings nicht als leblose, sondern als Sachen sui generis ansieht.322 Klar ist jedenfalls, dass § 90a BGB Tiere nicht zu Rechtssubjekten macht.323 4. Fokus im Zivilrecht bleibt Einbindung von Tieren in den Rechtsverkehr Trotz Sonderstellung des Tieres, die es auch schon vor Einführung des § 90a BGB hatte, bleibt für das Zivilrecht die sachgerechte Einbindung von Tieren in den Rechtsverkehr der zentrale Gesichtspunkt. Der das TierSchG und den Tierschutzaspekt des Art. 20a GG prägende, durch das Begriffspaar der „Leidensfähigkeit“ und „Mitgeschöpflichkeit“ paraphrasierte Gedanke der ethisch begründeten, also um des Tieres selbst willen erfolgenden rechtlich besonderen Behandlung des Tieres schlägt sich im BGB nicht so sehr nieder.324 Auf Ebene des Privatrechts war vielmehr seit jeher325 die praktische Notwendigkeit, Tiere dem Rechtsverkehr zugänglich zu 318 Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 2 (Neubearb. 2012); ähnlich NK-Ring § 90a BGB Rn. 1 (3. Aufl. 2016). 319 jurisPK-Vieweg § 90a BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2014); ähnlich Soergel-Marly § 90a BGB Rn. 5 (13. Aufl. 2000); Schaal, S. 33, 156: „körperliche Gegenstände sui generis“; Lorz, MDR 1990, 1057: „Tiere sind für das Bürgerliche Gesetzbuch weiterhin Rechtsobjekt. Innerhalb des Oberbegriffs Gegenstand gehören sie offenkundig zu den körperlichen Gegenständen. Sie treten als neue und herausgehobene Kategorie dieser Gruppe zu den Sachen hinzu. Als Gegenstand sui generis erfahren sie eine besondere rechtliche Behandlung.“ 320 Soergel-Marly § 90a BGB Rn. 2 (13. Aufl. 2000). 321 Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 1, 2 (41. Ed. 2016); ähnlich Leondarakis, Tierversuche, S. 93 („Rechtsobjekt sui generis“); Gruber, S. 23 bezeichnet Tiere neben Sachen und Personen als „Tertium“, „das zwar einerseits noch nicht den Status eines Rechtssubjekts hat, das aber andererseits unter den körperlichen Rechtsobjekten eine geschützte Sonderstellung“ einnehme. 322 Jauernig-Mansel § 90a BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015); ähnlich Greven, S. 232 („Rechtsstatus einer Sache besonderer Art“); abl. jurisPK-Vieweg § 90a BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2014); Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 2 (41. Ed. 2016); krit. NK-Ring § 90a BGB Rn. 3 (3. Aufl. 2016). 323 NK-Ring § 90a BGB Rn. 2, 3 (3. Aufl. 2016); Soergel-Marly § 90a BGB Rn. 2 (13. Aufl. 2000); Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 4 (Neubearb. 2012); MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 3 (7. Aufl. 2015); Greven, S. 232; Leondarakis, Ethik im Recht, S. 31; Leondarakis, Tierversuche, S. 93; Gruber, S. 23. 324 Brüninghaus, S. 58. 325 Hkk-Rüfner §§ 90 – 103 BGB Rn. 18; Caspar, S. 41 f.
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machen, leitend. Dies gilt auch für die Einfügung des § 90a BGB. Aus den Gesetzesmaterialien spricht geradezu der sich aus praktischen Erfordernissen einer- und ethischem Anspruch andererseits ergebende Zwiespalt. So sollte mit der Gesetzesänderung zwar der in der Rechtsordnung (insbesondere im TierSchG) bereits verankerte Grundgedanke des ethischen Tierschutzes auch auf das bürgerliche Recht übertragen werden, gleichzeitig schien man aber die bisherige rechtstechnische Ausgestaltung im Zivilrecht doch für bewährt und zweckmäßig zu halten.326 Den Kompromiss sollte das Zusammenspiel aus § 90a S. 1 und S. 3 BGB bewerkstelligen. In der Bewertung durch das Schrifttum sah man aber, wie oben beschrieben, letztlich Satz 1 eher als Rhetorik und Satz 3 als für die (praktisch kaum veränderte) Rechtsanwendung maßgeblich an. Immerhin bestätigte der Gesetzgeber mit diesem Satz nach eigenen Worten „die bisherige Rechtsanwendung (…), daß das Tier im bürgerlichen Recht durchaus noch Rechtsobjekt ist“327, womit er das bestehende Bedürfnis, Tiere in das vorhandene System des Rechtsverkehrs und der Güterzuordnung einzubinden, nicht nur anerkannte, sondern ihm ausschlaggebende Bedeutung zumaß.
IV. Die Auswirkungen tierbezogener öffentlich-rechtlicher Normen auf das Zivilrecht Im Zivilrecht wird nach dem bisher Gesagten der Tierschutz als Gesichtspunkt eher aus dem Bemühen um Kohärenz der Rechtsordnung heraus etwas holprig am Rande integriert, während die Bestimmungen, die ausweislich ihrer Genese primär und unmittelbar dem ethischen Tierschutz dienen (TierSchG mit den dazu gehörenden Verordnungen, Art. 20a GG), öffentlich-rechtlicher Natur sind. Es greift aber zu kurz, die Regelungsbereiche gleichsam isoliert nebeneinander zu stellen. Dies tritt schon dadurch hervor, dass, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, immerhin das öffentlich-rechtliche Tierschutzrecht zur Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht herangezogen wurde, durch welches ja der ethische Leitgedanke des TierSchG auf das Zivilrecht überschwappte. Abgesehen von diesen Hintergrundwertungen gibt es aber auch eine grundsätzliche Verzahnung, indem öffentlich-rechtliche Vorgaben auf das Zivilrecht einwirken. Eine seriöse Auseinandersetzung mit der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren kommt deshalb nicht umhin, sich dessen bewusst zu sein. Für die Zwecke dieser Arbeit soll zunächst nur ein Überblick über das Panorama möglicher Anknüpfungspunkte eines solchen öffentlich-rechtlichen Einflusses aufgezeigt werden. 326
BT-Drs. 11/5463 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung): einerseits S. 1 (ethischer Tierschutz), andererseits S. 6 („dem Rechtsverkehr zugänglich“); BT-Drs. 11/7369 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses): einerseits S. 1, 5 (ethischer Tierschutz), andererseits S. 6 (§ 90a S. 3 BGB entspreche „dem berechtigten Anliegen, daß das Tier weiterhin dem Rechtsverkehr zugänglich bleibt“). 327 BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung).
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1. Verfassungsrechtliche Wertung Der vagste, aber auch potentiell umfassendste öffentlich-rechtliche Einfluss auf die zivilrechtliche Behandlung von Tieren kann von der verfassungsrechtlichen Wertung zugunsten des Tierschutzes in Art. 20a GG ausgehen. Für verfassungsrechtliche Wertentscheidungen gilt allgemein, dass sie auf die Anwendung des einfachen Rechts, auch des Zivilrechts, einwirken, insbesondere bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, der Abwägung widerstreitender Interessen und der Ausfüllung von Gesetzeslücken.328 Dies trifft auch auf die 2002 eingeführte Staatszielbestimmung „Tierschutz“ in Art. 20a GG zu.329 Ausgehend von der Anerkennung der verfassungsrechtlichen Grundwerte als objektive Wertordnung strahle die Staatszielbestimmung „Tierschutz“ in die gesamte Rechtsordnung hinein und sei deshalb auch dort zu bedenken, wo es sich nicht um tierschutzspezifische Regelungen handele.330 In der zivilrechtlichen Kommentarliteratur heißt es: „Der in Art. 20a GG verankerte verfassungsrechtliche Schutzauftrag ist – nach Maßgabe von Gesetz und Recht – auch von der Rechtsprechung wahrzunehmen. Zwar dürfen Gerichte nicht ihre eigene Vorstellung von einem ,richtigen‘ Tierschutz contra legem durchsetzen; jedoch ist der Wertentscheidung des Art. 20a GG (…) bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, der Abwägung widerstreitender Interessen und der Ausfüllung von Gesetzeslücken auch im Zivilrecht Rechnung zu tragen.“331
328 Allgemein zur Verpflichtung der Zivilgerichte, Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen, BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89 (BVerfGE 89, 214), NJW 1994, 36, 38 (Bürgschaftsentscheidung). 329 Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 209; Art. 20a GG als Auslegungs- und Abwägungshilfe bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und bei der Betätigung von Ermessen: Lorz/Metzger Art. 20a GG Rn. 13, 18 (6. Aufl. 2008); Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke-Krings Art. 20a GG Rn. 6 (14. Aufl. 2018); Jarass/Pieroth-Jarass Art. 20a GG Rn. 1 (14. Aufl. 2016); v. Mangoldt/Klein/Starck-Epiney Art. 20a GG Rn. 43, 90 f., 125 (6. Aufl. 2010); Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 77 (3. Aufl. 2015); Braun, DÖV 2003, 488, 493; am Beispiel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen: BVerwG, Urt. v. 25. 01. 2006 – 8 C 13/05, NVwZ 2006, 690, 692. 330 Faller, Staatsziel „Tierschutz“, S. 209. 331 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 10 (7. Aufl. 2015). Ähnlich (Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten des Tierschutzes bei der Auslegungeinfachen Rechts, insbesondere bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe) Köpernik, AUR 2014, 290, 292; VGH Mannheim, Beschl. v. 09. 02. 2005 – 1 S 2673/04, NuR 2006, 40, 41; von einem „neuen Abwägungs- und Auslegungsmaßstab“, insbesondere bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, einer „ermessensleitende[n] Funktion“ und einem damit einhergehenden „Bedeutungszuwachs tierschützender Überlegungen“ durch das Staatsziel „Tierschutz“ sprechen Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369, 375 zwar vor allem im Hinblick auf die Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Verwaltung; dies ist jedoch im Prinzip auf die Auslegung und Anwendung des Zivilrechts übertragbar.
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2. Einfachgesetzliche Tierschutznormen und Verweisklauseln im BGB Auf einfachgesetzlicher Ebene können arten- oder tierschutzrechtliche Vorgaben auf das bürgerliche Recht durchschlagen, indem etwa Besitz-332, Vermarktungs- und Verkehrsverbote333 des Tier-Artenschutzrechts sowie die im Tierschutzrecht enthaltenen Beschränkungen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs334 für Verpflichtungsund Verfügungsgeschäfte über § 134 BGB Wirkung entfalten können.335 Auch der Gesetzgeber ging bei Schaffung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht von einer schon bestehenden „Wechselbeziehung“ des Zivilrechts „zu tier- und naturschutzrechtlichen Bestimmungen“ aus.336 Dennoch schrieb er noch zwei explizite Verweise auf die außerhalb des BGB liegenden tierschützenden Vorschriften ins BGB hinein. So heißt es nunmehr in § 90a S. 2 BGB: (Die Tiere) „werden durch besondere Gesetze geschützt“; und in § 903 S. 2 BGB: „Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten“. Nach überwiegender Einschätzung des Schrifttums entsprach beides aber schon bisher geltender Rechtslage, sodass diese Einfügung der Verweisklauseln als überflüssig337 angesehen und ihnen nur symbolischer338 oder allenfalls klarstellender339, hinwei332
Etwa § 44 II Nr. 1 BNatSchG, § 2 I Nr. 1 BWildSchV. Etwa § 44 II Nr. 2 BNatSchG, § 2 I Nr. 2 BWildSchV, § 3 II Nr. 1 BArtSchV, Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. L 61 vom 03. 03. 1997, S. 1). 334 Siehe etwa § 3 S. 1 Nr. 2 TierSchG: Verbot, ein gebrechliches, krankes, abgetriebenes oder altes, im Haus, Betrieb oder sonst in der Obhut des Menschen gehaltenes Tier, für das ein Weiterleben mit nicht behebbaren Schmerzen oder Leiden verbunden ist, zu einem anderen Zweck als zur unverzüglichen schmerzlosen Tötung zu veräußern oder zu erwerben; § 11 I 1 Nr. 8 b)/d) TierSchG: Erlaubnisvorbehalte für den gewerbsmäßigen Handel mit Wirbeltieren und das Zurschaustellen von Tieren; § 11c TierSchG: besondere Anforderungen an die Abgabe von Tieren an Kinder ; § 12 TierSchG: mögliche Anforderungen an das in-Verkehr-Bringen von Tieren. 335 Lorz, MDR 1990, 1057, 1058 f.; Brüninghaus, S. 117 ff. 336 So ergebe sich aus § 958 Abs. 2 BGB für besonders geschützte Tierarten nach § 22 Bundesnaturschutzgesetz oder nach dem EG-Artenschutzrecht ein Aneignungsverbot und nach § 134 BGB seien Rechtsgeschäfte nichtig, die gegen tierschützende Verbotsbestimmungen verstoßen, wie etwa gegen das Veräußerungsverbot nach § 3 Nr. 2 TierSchG, BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 337 Vgl. für § 90a S. 2 BGB: Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016); Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 8 (Neubearb. 2012); NK-Ring § 90a BGB Rn. 5 (3. Aufl. 2016); Schaal, S. 34 f.; Küper, JZ 1993, 435, 440; ähnlich Raspé, S. 278 f.; für § 903 S. 2 BGB: Bamberger/Roth-Fritzsche § 903 BGB Rn. 68 (41. Ed. 2016); ähnlich Pütz, ZRP 1989, 171, 172; Jauernig-Berger § 903 BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015): „Banalität“; wenig überzeugend differenzierend Brüninghaus, S. 93, 95: § 90a S. 2 BGB wertet sie als sachgerecht und positiv, „da auf diesem Wege das Bewußtsein des Rechtsanwenders und sonstiger Betroffener für die besondere Lage der Tiere geschärft wird“; § 903 S. 2 BGB hingegen als „völlig überflüssig und inhaltsleer“. 338 So für § 903 S. 2 BGB: MüKo-Brückner § 903 BGB Rn. 66 (7. Aufl. 2017). 333
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
sender340 oder mahnender341 Charakter zugesprochen wird. Tierschutzgesetze seien bei der Anwendung der allgemeinen Normen des Zivilrechts (schon deshalb) zu berücksichtigen, um die Einheit der Rechtsordnung zu wahren.342 Der Eigentümer einer „Sache“ könne soweit mit ihr nach Belieben verfahren, wie das Gesetz nicht entgegenstehe und als Gesetz sei dabei schon immer nicht lediglich das BGB in Betracht gekommen. Die Verfassung gewährleiste ein Eigentum, dessen Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt würden. Dabei sei festzuhalten, dass das Tierschutzrecht für den Eigentümer eines Tieres wie für jedermann gegolten habe und gelte. Das Tierschutzrecht räume dem Eigentümer in keinem Zusammenhang eine irgendwie geartete Sonderstellung ein. „Zumindest in den Augen eines Rechtskundigen“ habe es daher einer Gesetzesergänzung „kaum bedurft“.343 Eine weitergehende tierschützende Bedeutung wird vereinzelt § 90a S. 3 BGB beigemessen: § 90 S. 3 BGB bilde einen „Umsetzungsmechanismus, um die Bestimmungen des Tierschutzrechts direkt in das Zivilrecht einzubinden“; die entsprechende Anwendung der Sachvorschriften habe nicht nur dann zu unterbleiben, wenn sich aus zivilrechtlichen oder tierschutzrechtlichen Vorschriften ausdrücklich ein anderes ergebe, „sondern auch dann, wenn die Gleichbehandlung des Tieres mit einer Sache dem Postulat des § 1 TierSchG“ widerspreche.344
V. Einblick: Tiere in der Rechtsprechung Das veröffentlichte Fallmaterial deutscher Gerichte zeigt einen Spiegel der hier geführten Verfahren mit Bezug zu Tieren. Neben strafgerichtlichen Prozessen, die die Ahndung von Verstößen gegen das TierSchG zum Gegenstand haben, entfällt auch ein Teil auf verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten. In diesen geht es oft entweder um durch Tierhaltung hervorgerufene Immissionen, die baurechtlich zu würdigen sind, oder aber um die Rechtmäßigkeit von behördlichen Maßnahmen bei Verstößen gegen das TierSchG. In diesen Streitkonstellationen steht also (in der Regel) eine Privatperson dem Staat gegenüber, der entweder – im Rahmen des Tierschutzrechts – gegen eine rechtswidrige Verletzung des „Tierwohls“ ein339 Für § 90a S. 2 BGB: Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016); für § 903 S. 2 BGB: Graul, JuS 2000, 215, 216: „nur deklaratorische Bedeutung“. 340 Für § 90a S. 2 BGB: MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2015); Hk-Dörner § 90a BGB Rn. 1 (9. Aufl. 2017); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 96 (3. Aufl. 2016); ähnlich Soergel-Marly § 90a BGB Rn. 4 (13. Aufl. 2000). 341 Für § 90a S. 2 BGB: Soergel-Marly § 90a BGB Rn. 4 (13. Aufl. 2000); Lorz, MDR 1990, 1057, 1058; Leondarakis, Tierversuche, S. 92. 342 Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016); zust. NK-Ring § 90a BGB Rn. 6 (3. Aufl. 2016). Anders wohl Kluge-von Loeper Einf. Rn. 132 (1. Aufl. 2002), der offenbar erst in § 90a S. 2 BGB eine „besondere Verzahnung von Tierschutz- und Privatrecht“ erblickt; hierdurch seien die Vorschriften des Tierschutzgesetzes „zivilrechtlich inkorporiert“. 343 Lorz, MDR 1990, 1057, 1060. 344 Schaal, S. 37, 156.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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schreitet, oder – im Rahmen des Bauordnungsrechts – zur Wahrung der durch eine Tierhaltung potentiell beeinträchtigten schutzwürdigen Interessen von Nachbarn tätig wird. Diesem Bereich der Rechtsprechung über Tiere gilt für die Zwecke der vorliegenden Arbeit weniger Beachtung. Im Fokus steht vielmehr die zivilgerichtliche Kasuistik. 1. Häufig auftauchende Arten von Tieren Gegenstand von veröffentlichten zivilgerichtlichen Entscheidungen sind zu einem Großteil domestizierte, im Eigentum einer Person stehende Tiere, und zwar hauptsächlich solche, die aus einem Freizeit- und Liebhaberinteresse heraus gehalten werden.345 Eine Stichprobenuntersuchung346 lässt überdies darauf schließen, dass es darunter wiederum nur einige wenige Tierarten sind, die immer wieder im Zentrum der Streitigkeiten stehen. Ein überwältigend großer Anteil entfiel in der Stichprobe auf Pferde und – mit einigem Abstand – auf Hunde sowie – wiederum mit deutlichem Abstand – auf Katzen.347 Für die Entscheidung, ein Gericht zu befassen, spielt gewiss der materielle Wert des „streitgegenständlichen“ Tieres eine Rolle, was den deutlichen Vorsprung an Pferdestreitigkeiten begründen mag. Daneben dürfte zu den Faktoren, die den Befund erklären, wohl auch schlicht die Verbreitung bestimmter Tierarten zählen.348 Jedoch gibt es in Deutschland zahlenmäßig auch zum Beispiel sehr viele Schweine, Kühe oder Hühner.349 Die erkennbare Dominanz von typischerweise zu Freizeitzwecken gehaltenen Tierarten lässt daher vermuten, dass auch 345 Diese Beobachtung gilt übrigens auch für Gerichtsverfahren, in denen es um Verstöße gegen Tierschutzrecht geht, siehe auch Caspar, S. 250 ff. 346 Die Stichprobe bilden 45 veröffentlichte unter- und obergerichtliche Entscheidungen von 1992 bis 2014, die in der Rechtsdatenbank beck-online.de zum Suchbegriff § 90a BGB angezeigt wurden. 347 In der Stichprobe entfiel fast die Hälfte der Entscheidungen auf Pferde, über ein Drittel auf Hunde und knapp 9 Prozent auf Katzen. In den von Nelkel für den Zeitraum 1985 – 1990 untersuchten Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Tieren an oberfränkischen Gerichten entfiel fast die Hälfte der Entscheidungen auf Hunde und ein gutes Viertel auf Pferde; inhaltlich waren die von ihr vorgefundenen Fälle überwiegend dem Bereich der Tierhalter-Haftung zuzuordnen, in etwa einem Fünftel der Fälle ging es um Tierkauf, siehe Nelkel, S. 141. 348 Im Bereich der Haustierhaltung führt das Statistik-Portal Statista unter Berufung auf Angaben des Zentralverbandes zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. sowie des Internationalen Hundeverbandes für das Jahr 2016 eine Zahl von 13,4 Mio. Katzen und 8,6 Mio. Hunden an. Dabei lebten im Jahr 2016 in Deutschland 11,53 Mio. Menschen mit einem Hund im Haushalt, 12,59 Mio. Menschen mit einer Katze in einem Haushalt und 2,09 Mio. Menschen in einem Haushalt, in dem entweder sie selbst oder ein Haushaltsmitglied ein oder mehrere Pferde besitzen, so das Statistik-Portal Statista unter Berufung auf das Institut für Demoskopie (IfD) Allensbach in Deutschland, siehe das Statista-Dossier zum Heimtiermarkt Deutschland (2017), S. 12, sowie die Umfrage in Deutschland zum persönlichen Besitz eines Pferdes bis 2016. 349 Zum Bestand an Nutztieren nennt das Statistik-Portal Statista unter Berufung auf das Statistische Bundesamt für das Jahr 2015 eine Zahl von 12,6 Mio. Rindern, 27,7 Mio. Schweinen, 177,3 Mio. Stück Geflügel, 1,6 Mio. Schafen, 0,1 Mio. Ziegen und 0,5 Mio. Pferden, siehe das Dossier zur Nutztierhaltung in Deutschland (2017), S. 8.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
der ideelle Wert eines Tieres maßgeblichen Einfluss auf die Bereitschaft und Neigung hat, wegen ihm einen Rechtsstreit zu führen. 2. Tiere als Rechtsobjekte besonderer Art Über den in § 90a S. 3 BGB angeordneten Verweis können Tiere Gegenstand aller Materien des Zivilrechts werden. Sie können Gegenstand von Verpflichtungsund Verfügungsgeschäften sein,350 also etwa vermietet, geliehen, verkauft, verwahrt, übereignet, verpfändet werden oder Bestandteil des Nachlasses sein.351 Sie können vertretbar und verbrauchbar, Zubehör352 oder Früchte sein.353 An ihnen kann Besitz und gesetzlich (§§ 953 ff., §§ 948, 950 BGB354) oder rechtsgeschäftlich (§§ 929 ff. BGB) Eigentum erworben werden.355 Werden Tiere verletzt oder getötet, gelten §§ 823 ff. BGB sowie §§ 7, 18 StVG.356 Es bestehen jedoch in tatsächlicher Hinsicht zwischen Tieren und leblosen Gegenständen einige so gravierende Unterschiede, dass Tiere schon immer „Sachen“ und Rechtsobjekte besonderer Art waren. Hierzu gehört nicht nur ihre – jedenfalls für höher entwickelte Tiere naturwissenschaftlich ergründete357 – Schmerz- und Leidensfähigkeit. Anders als leblose Gegenstände haben Tiere eine Eigendynamik, ein von Menschen nicht in letzter Konsequenz steuer- und berechenbares Eigenverhalten. Tiere sind (ohne eine vorherige Programmierung wie bei Maschinen) in der Lage, mit Menschen (und anderen Tieren) zu interagieren, deren Gefühlsregungen anzusprechen und können soziale Funktionen gegenüber ihnen erfüllen358. Sie werden geboren, können erkranken, sie pflanzen sich fort, sterben und erhalten sich durch Stoffwechsel am Leben. All dies unterscheidet Tiere von leblosen Gegenständen in evidenter Weise und verweist stattdessen auf Parallelen zum Menschen. Einige tierspezifische Besonderheiten haben auch unmittelbar in Regelungen des BGB Niederschlag gefunden, etwa die Beweglichkeit359 und Unberechenbar-
350
Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 5 (41. Ed. 2016). Lorz, MDR 1990, 1057, 1058; Brüninghaus, S. 42 ff. 352 Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 4 (14. Aufl. 2014). 353 Lorz, MDR 1990, 1057, 1058; Brüninghaus, S. 37 ff. 354 Lorz, MDR 1990, 1057, 1058. 355 Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 10 (Neubearb. 2012); Bamberger/RothFritzsche § 90a BGB Rn. 5 (41. Ed. 2016). 356 Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 4 (14. Aufl. 2014); Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 5 (41. Ed. 2016). 357 Vgl. Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 11 (211. EL 2016). 358 Siehe Caspar, S. 246 ff. 359 Vgl. §§ 961 – 964 BGB; § 971 I S. 2 BGB; § 701 IV BGB – dazu Staudinger-Werner § 701 BGB Rn. 48 (Neubearb. 2015). 351
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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keit360 von Tieren, deren krankheitsbedingtes Verlustrisiko361 oder die Tatsache, dass es zur Erhaltung eines Tieres der regelmäßigen Fütterung bedarf362. 3. Schematisierung von Fallkonstellationen mit ihren tierspezifischen Besonderheiten Auf Grundlage der aufzufindenden zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu Tieren lassen sich einige besonders typische Fallgestaltungen schematisieren, die eine konkretere Vorstellung davon vermitteln, in welchem Gewand Tiere als Gegenstände des Zivilrechts in Erscheinung treten. In mancher Hinsicht sind sie dabei mit Sachen durchaus vergleichbar, jedoch führt die Lebendigkeit von Tieren zu Besonderheiten: Das Tier als Gefahrenquelle. Die körperliche Integrität und das Leben von Menschen können, ebenso wie durch Sachen, auch durch Tiere verletzt werden (zum Beispiel Biss eines Hundes, Tritt eines Pferdes). Allerdings ist das von Tieren ausgehende Gefahrenpotential durch die Unberechenbarkeit, die aus der Eigendynamik von Tieren bis zu einem gewissen Grad folgt, weniger als bei Sachen steuerbar; dem wird im Deliktsrecht Rechnung getragen.363 Das Tier als Quelle von Immissionen. Sowohl Tiere, die wirtschaftlichen Zwecken dienen (zum Beispiel Masttiere), als auch Freizeittiere (zum Beispiel Haustiere, Sportpferde) werden in Menschennähe gehalten. Aufgrund ihrer natürlichen Ausscheidungen und des von ihnen ausgehenden, nur begrenzt steuerbaren Lärms sind Tiere dabei je nach Art, im Allgemeinen aber wohl in einer anderen Qualität als Sachen potentielle Quelle von Immissionen, was im Nachbar- und Mietrecht eine Rolle spielt. Das Tier als Gegenstand eines Kaufvertrags. Wie für Sachen gibt es für Tiere einen Markt. Die Handelbarkeit von Tieren, der Bedarf einer „Umlauffähigkeit“, ist uralt.364 Aus ihrer Lebendigkeit folgt aber etwa die Möglichkeit von Krankheiten, die stärker als der Defekt einer Sache durch eine dem Menschen in gewisser Weise entzogene Eigendynamik geprägt ist, was auf Fragen der Gewährleistungshaftung Einfluss nehmen kann.365 360 Dem trägt § 833 BGB Rechnung; zur „tierspezifischen Gefahr“ siehe BGH, Urt. v. 06. 07. 1976 – VI ZR 177/75 (BGHZ 67, 129), NJW 1976, 2130 f.; Staudinger-Eberl-Borges § 833 BGB Rn. 5, 32 ff. (Neubearb. 2012, Stand: 12. 11. 2014); Rottler, S. 10 f. Müller, Das Tier im Verwaltungsrecht, S. 194 f., nennt die „Willkür ihres Tuns“ und die körperliche Kraft, die Tiere dabei entfalten, als Merkmale ihrer besonderen Gefährlichkeit. 361 Vgl. § 582 II S. 2 BGB. 362 Vgl. § 601 I BGB. 363 Siehe dazu schon vorne den Hinweis auf § 833 BGB, Fn. 360. 364 Siehe Brüninghaus, S. 61. 365 In BGH, Urt. v. 29. 03. 2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 hatte sich der BGH etwa mit Besonderheiten bei der Anwendung der Vermutungswirkung des § 476 BGB (§ 477 BGB n. F.) auf den Tierkauf zu beschäftigen, in BGH, Urt. v. 09. 10. 2019 – VIII ZR 240/18 – juris mit der Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren im
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Das Tier als Verteilungsgut und Vermögensgegenstand. Tiere stehen je nach privater oder wirtschaftlicher Nutzung in Zuordnungszusammenhängen (etwa als Haustier im Haushalt einer Familie oder als Wirtschaftsgut eines Bauernhofes). Brechen diese auseinander, besteht bei Tieren, ebenso wie bei Sachen, das Erfordernis einer Neuzuordnung. Außerdem kommt Tieren (wie Sachen) gleichsam als Handelsgut ein materieller Wert zu. Insofern verkörpern sie einen Vermögensgegenstand, was mit einem wirtschaftlichen Interesse an ihnen einhergeht. Sie können etwa Bestandteil einer Erbschaftsmasse sein. Im Rahmen von Rechtsdurchsetzungsund Befriedigungsbestrebungen von Gläubigern kommen sie als Teil einer Insolvenzmasse, als Pfändungsobjekt oder Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts in Betracht. In diesen Zusammenhängen kommt die Frage auf, ob sich aus Tierschutzanforderungen oder daraus, dass ein Beteiligter eine starke emotionale Bindung zu dem betreffenden Tier hat, Besonderheiten ergeben. Das Tier als Objekt einer Eigentumsverletzung und Naturalrestitution. Eigentum, das an einem Tier im Grundsatz ebenso besteht wie an Sachen, kann durch eine deliktische Handlung beeinträchtigt werden. Wie eine Sache zerstört werden kann, kann ein Tier getötet werden. Die Nutzung eines Tieres kann, wie die einer Sache, beeinträchtigt werden. Doch gibt es Besonderheiten bei den Rechtsfolgen, das heißt bei der vom Schädiger grundsätzlich geschuldeten Wiederherstellung im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB (Naturalrestitution). Denn zum einen sind Verletzungen von Tieren, also Eingriffe in deren körperliche Integrität und Gesundheit, wohl stärker als bei Sachbeschädigungen von einer gewissen Eigendynamik und Unwägbarkeit geprägt (Heilungsprozess). Zum anderen kann sich die Frage stellen, ob aus der Leidensfähigkeit von Tieren und aus dem ideellen Wert, den das geschädigte Tier unter Umständen für seinen Eigentümer verkörpert, Folgen für die Naturalrestitution erwachsen. Insgesamt spielen in Tier-Fällen mithin vor allem drei Unterschiede zu leblosen Gegenständen eine Rolle: Die begrenzte Steuerbarkeit der körperlichen Vorgänge und Eigenschaften von Tieren sowie der von ihnen ausgehenden Umweltwirkungen (Gefahren, Lärm); ihre Empfindungs- und Leidensfähigkeit mit den daraus folgenden Anforderungen für den Umgang mit Tieren; und schließlich die im Vergleich zu Sachen wohl größere Bedeutung ideeller Interessen. 4. Das Tier zwischen Mensch und Sache: Illustrative Einzelbeispiele Gemeinsamer rechtlicher Ausgangspunkt zivilrechtlicher Entscheidungen mit Bezug zu Tieren ist die durch § 90a S. 3 BGB angeordnete, in ihrer Abstraktheit recht Rahmen von § 474 II 2 BGB und § 309 Nr. 8 b) BGB. Bis 2002 galt wegen der tierspezifischen Besonderheiten für den Verkauf von Pferden, Eseln, Mauleseln und Maultieren, von Rindvieh, Schafen und Schweinen ein eigenes Viehmängelgewährleistungsrecht gem. §§ 481 – 492 BGB a. F., das u. a. die Haftung des Verkäufers zeitlich auf eine bestimmte Gewährfrist und sachlich auf sog. Hauptmängel beschränkte, die in der über § 481 BGB a. F. anwendbaren Viehmängelverordnung bestimmt waren.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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einfach klingende Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften. In der praktischen Rechtsanwendung machen sich jedoch Besonderheiten, die Tiere von Sachen unterscheiden, schnell bemerkbar und bringen Zivilgerichte nicht selten in die Lage, Pionierarbeit leisten zu müssen. Dabei geht es nicht nur um die Überlegung, ob jeweils Modifikationen der für Sachen geltenden Vorschriften angezeigt sind, sondern um die Frage, inwieweit bestimmte für Menschen – und nicht für Sachen – gedachte Regeln und Konzepte auf Tiere anzuwenden oder zu übertragen sind – und damit letztlich um eine Verortung von Tieren im Spektrum zwischen Sache und Mensch. Dies zeigt der Blick auf vier beispielhafte Aspekte, anhand derer die Rechtsprechung ihr Verständnis von Tieren zum Ausdruck bringen musste. Dabei handelt es sich freilich lediglich um „Spotlights“ auf punktuelle Entscheidungen, die auch eher mit randständigen Rechtsfragen befasst und zum Teil sogar außerhalb des Zivilrechts anzusiedeln sind. Sie wurden hier vor allem colorandi causa ausgewählt, um einen Eindruck davon zu vermitteln, zu welchen Balanceakten auf dem Grat zwischen Sache und Mensch sich Gerichte bei der Behandlung von Tieren anschicken. a) Beispiel 1: Rechtsfähigkeit von Tieren Kein Graubereich im Abgrenzungsfeld von Sache, Tier und Mensch, sondern gleichsam die äußerste aller Außengrenzen ist betroffen, wenn es um die Frage einer Rechtsfähigkeit von Tieren geht. aa) Einerseits: Keine Prozessfähigkeit von Seehunden in der Nordsee Die Notwendigkeit, sich über den rechtlichen Status von Tieren zu erklären, kann ein Gericht auch schon in prozessualen Fragen, nicht erst auf Ebene des materiellen Rechts ereilen. So hatte das VG Hamburg in einer vor Einführung des § 90a BGB ergangenen Entscheidung einst die Zulässigkeit einer Klage zu beurteilen, die namens der „Seehunde in der Nordsee“ erhoben worden war.366 Doch nicht nur vermisste das Gericht eine nähere Bestimmung, „welche species (Phoca vitulina, Ph. hispida, auch Halichoerus cristata u. weitere?) in welcher Anzahl und näherer örtlicher Verbreitung das Antragsrecht als vermeintliches Rechtsubjekt wahrnimmt“.367 Vor allem fehle Tieren die – für die Beteiligtenfähigkeit im Sinne von § 61 VwGO entscheidende – Rechtsfähigkeit. Rechtsfähigkeit komme, wie hier unter Heranziehung historischer, systematischer und grammatikalischer Auslegungsargumente begründet wird, nur Menschen zu. Der deutschen Rechtsordnung sei es auch sonst fremd, „die Personen-Eigenart, und damit die Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben, auf Tiere zu übertragen“. Vielmehr würden Tiere „im rechtlichen Gegensatz zu ,Personen‘ (…) als Sache 366 367
VG Hamburg, Beschl. v. 22. 09. 1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058. VG Hamburg, Beschl. v. 22. 09. 1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
behandelt“. Diese Auffassung sei „bis in die neueste Zeit vom Gesetzgeber aufrechterhalten worden“, „auch in solchen Regelungen, in denen eine andere Betrachtungsweise sich am ehesten aufdrängen könnte“. Auch im Tierschutzrecht sei „der Schutz des Tieres als eines Mitgeschöpfes nur als sittliche Pflicht des Menschen, nicht aber als Recht dieses Geschöpfes selbst ausgeformt“. Das Tier sei danach unverändert Sache im Sinne des bürgerlichen und des Verwaltungsrechts, es sei „nicht irgendwie zur Rechtspersönlichkeit erhoben, dem Rechte gegenüber dem Menschen gegeben sein könnten“. Der Einführung eines „Eigenrechtes“ der Tiere habe sich der Gesetzgeber eben verschlossen.368 Für eine Erweiterung der Prozessfähigkeit auf Tiere im Wege richterlicher Rechtsfortbildung und damit eine Loslösung der in § 61 VwGO vorgesehenen Koppelung der Beteiligungsfähigkeit an die Rechtsfähigkeit sah das Gericht ebenfalls keinen Raum. Die richterliche Rechtsfortbildung könne lediglich eine Ergänzung und Differenzierung zum Gegenstand haben, die in ihrem Kern in der gesetzlich gestalteten Regelung bereits angelegt sein müsse. Hierfür fehle „nicht nur nach dem Wortlaut jeder Anhalt“. Es könne auch schwerlich angenommen werden, dass der Gesetzgeber den in § 61 VwGO statuierten Rechtsgrundsatz, „dem in seiner systematischen Stellung elementare und weitreichende Bedeutung“ zukomme, habe richterlicher Rechtsschöpfung mit ausweitender Tendenz aussetzen wollen. Die getroffene Regelung mit ihrer Bindung der Beteiligungs- und Rechtsfähigkeit an die Personen-Eigenschaft folge einer alten Rechtstradition und die Zuordnung von Rechten an andere – nicht personale – Lebewesen sei dieser Rechtstradition „mindestens seit der Rezeption des römischen Rechtes in das Gemeine Recht und damit seit Beginn der Neuzeit (…) fremd“. Die vorgetragenen gegenteiligen „im wesentlichen auf naturrechtliche Thesen gestützten Rechtsansichten“ könnten nicht überzeugen und scheiterten, weil sie dem geschriebenen abschließenden Recht widersprächen. Sie könnten nur „als rechtspolitische Auffassungen gewertet werden, die Anstoß zu einer Diskussion mit dem Gesetzgeber für eine weitergehende Rechtsgewährung“ böten.369 Nach Lage des Gesetzes und nach dem Meinungsstand der Rechtswissenschaft370 ist eine Rechtsfähigkeit von Tieren zu verneinen. Die Ablehnung der Prozessfähigkeit von Tieren war daher erwartungsgemäß. bb) Andererseits: Selbstverwirklichungsrecht von Katzen? Dahingegen finden sich vereinzelt in der Rechtsprechung auch reichlich skurril anmutende Formulierungen, die klingen, als werde Tieren doch Rechtsfähigkeit zuerkannt. So begründete das VG Gießen371 in einem Fall um aufgefundene Tiere die 368 369 370 371
VG Hamburg, Beschl. v. 22. 09. 1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058. VG Hamburg, Beschl. v. 22. 09. 1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058, 1059. Siehe vorne bei Fn. 323. VG Gießen, Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367.
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Ablehnung der formalen Fund-Eigenschaft (§§ 965 ff. BGB) mehrerer Katzen und damit eines Aufwendungsersatzanspruchs des „Finders“ unter anderem mit folgenden hanebüchenen, für sich selbst sprechenden und daher hier nicht weiter kommentierten Ausführungen: [Die Katzen] „haben ersichtlich nach ihrem Willen selbstbestimmt auf diesem Grundstück gelebt. In diesen freien Selbstbestimmungswillen einzugreifen, oblag nicht der Klägerin. Es unterfällt nämlich dem eigenständigen Selbstverwirklichungsrecht auch herrenloser oder dem Halter entlaufener Tiere, ein Leben und Dasein dort zu führen, wo und wie sie es wollen. In dieses Recht einzugreifen, stellt im Lichte des Staatsziels Tierschutz in Art. 20a GG eine Missachtung der Selbstbestimmungsrechte der betroffenen Tiere dar, die nicht zu einem Aufwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte zu führen vermag“. b) Beispiel 2: Krankheitskosten bei Tieren als außergewöhnliche Belastung? In einem steuerrechtlichen Kontext tauchte einmal die Frage auf, ob rechtliche Grundsätze, die für Menschen gelten, auf Tiere ausgeweitet werden können. Bemerkenswert ist, dass der im Jahr 1990 eingeführten zivilrechtlichen Vorschrift des § 90a BGB selbst in diesem steuerrechtlichen Fall die Rolle eines nicht unwesentlichen, neuen Argumentationsbausteins beigemessen wurde. Inhaltlich ging es um die steuerliche Absetzbarkeit von Krankheitskosten bei Tieren. Sedes materiae ist § 33 Abs. 1 EStG, der die einkommenssteuerrechtliche Abzugsfähigkeit von sogenannten außergewöhnlichen Belastungen regelt. Darunter fallen nach ständiger Rechtsprechung auch Aufwendungen für Krankheiten (des Menschen).372 Das FG Düsseldorf373 hatte nun zu entscheiden, ob dies – wie die Klägerin unter Hinweis auf eine aus § 90a BGB folgende „rechtliche und sittliche Verantwortung des Halters eines Tieres, dieses als Mitgeschöpf zu behandeln“, meinte – auch für die dem Steuerpflichtigen entstandenen „Krankheitskosten“ der Behandlung seines Tieres (hier: Tierarztkosten für ein Reitpferd) galt. Die Frage verneinte das Gericht und widersprach der Argumentation der Klägerin: Insbesondere sei „die Gleichbehandlung nicht aufgrund der Regelung in § 90a BGB geboten“. Die Regelung in § 90a S. 1 BGB, wonach Tiere keine Sachen sind, beruhe „zwar auf dem Gedanken, dass das Tier als Mitgeschöpf nicht der Sache gleichgestellt werden soll“, sie beinhalte jedoch nicht „eine Zuordnung der Tiere zum Rechtssubjekt ,Person‘ des Zivilrechts“ – auch nicht für Teilbereiche. Daher bestehe auch „kein Anlass, Mensch und Tier im Steuerrecht gleich zu behandeln“. 372 BFH, Urt. v. 14. 02. 1980 – VI R 218/77 (BFHE 130, 54) – juris, Tz. 8 ff.; Urt. v. 17. 07. 1981 – VI R 77/78 (BFHE 133, 545) – juris, Tz. 6 ff.; Urt. v. 13. 02. 1987 – III R 208/81 (BFHE, 149 222) – juris, Tz. 10, 14; Urt. v. 20. 03. 1987 – III R 150/86 (BFHE 149, 539) – juris, Tz. 14; Urt. v. 11. 01. 1991 – III R 70/88 – juris, Tz. 12 f.; Urt. v. 18. 06. 1997 – III R 84/96 (BFHE 183, 476) – juris, Tz. 7; Urt. v. 03. 12. 1998 – III R 5/98 (BFHE 187, 503) – juris, Tz. 30; Urt. v. 01. 02. 2001 – III R 22/00 (BFHE 195, 144) – juris, Tz. 17 f.; Urt. v. 19. 04. 2012 – VI R 74/10 (BFHE 237, 156) – juris, Tz. 13 ff.; Urt. v. 18. 06. 2015 – VI R 68/14 (BFHE 250, 166) – juris, Tz. 9 f. 373 Urt. v. 27. 02. 1998 – 3 K 85/95 E – juris.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Weiterhin stellte das Gericht darauf ab, dass es an der Zwangsläufigkeit im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG fehle, da die (vorgelagerte) Anschaffung des Tieres auf einer freiwilligen Entscheidung beruht habe. Auch passten die Erwägungen, die zur Anerkennung der Krankheitskosten von Menschen als außergewöhnliche Belastung führten (das die Krankheit auslösende Ereignis kann nicht ohne unzumutbares Eindringen in die Privatsphäre festgestellt werden), nicht auf Tiere. c) Beispiel 3: Tierkrankenversicherung vergleichbar mit Krankenversicherung des Menschen Dass Gerichte, wenn Tiere betroffen sind, trotz eindeutiger Weichenstellung in § 90a S. 3 BGB jedenfalls gedanklich neben den für Sachen geltenden Vorschriften auch das für Menschen geltende Regelungsregime als Referenzpunkt miteinbeziehen, und sich von der Überlegung leiten lassen, welches Regelungsregime für Tiere sachnäher und interessengerecht ist, zeigt ein erstinstanzlich vor das AG Hannover374 gebrachter Fall aus dem Versicherungsrecht. Darin war die sich nach damaligem Recht stellende, nunmehr durch § 92 Abs. 1 VVG gesetzgeberisch entschiedene Frage berührt, ob das für Feuerversicherungen in § 96 Abs. 1 VVG a. F. vorgesehene Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht auf alle Fälle der Sachversicherung (analog) zu übertragen sei.375 In Bezug auf eine Tierkrankenversicherung sah das Gericht diese Frage aber schon gar nicht als einschlägig an, denn Tiere seien nach § 90a BGB ja keine Sachen. Als Lebewesen seien „für sie eher die Grundsätze der Allgemeinen Krankenversicherung heranzuziehen“, in der eine Kündigung nach Eintritt eines Versicherungsfalls ausgeschlossen ist. Verkehrserwartung und Vertrauensschutz stünden auch bei der Tierkrankenversicherung einem Kündigungsrecht entgegen. Auch hier sei zu erwarten, dass „Versicherungsfälle mit steigendem Alter häufiger eintreten“. Gerade dieses Risiko wolle der Versicherungsnehmer, der ein Haustier krankenversichere, „um ihm, unabhängig vom Wert des Tiers, mit steigender Krankheitsanfälligkeit aufgrund der gewachsenen emotionalen Beziehung die bestmögliche Pflege angedeihen zu lassen, in der Regel abdecken. In dieser Erwartung und dem im Hinblick auf die gezahlten Prämien zu schützenden Vertrauen würde er enttäuscht, wenn die Versicherung die Möglichkeit hätte, den Vertrag nach Eintritt eines Versicherungsfalls zu kündigen.“376 Die Entscheidung wurde auch durch das Berufungsgericht bestätigt.377 Der Vertrag der Parteien vermittele den Eindruck, dass es sich um eine Krankenversicherung handele; versichertes Risiko sei ersichtlich die „Gesundheit“ des Tieres. Deshalb sei aus Sicht der Versicherungsnehmerin mit einer Kündigungsmöglichkeit 374 375 376 377
AG Hannover, Urt. v. 29. 08. 1997 – 506 C 9694 – 97, NJW-RR 1999, 467. Zum damaligen Meinungsstand siehe Fricke, VersR 2000, 16 ff. AG Hannover, Urt. v. 29. 08. 1997 – 506 C 9694 – 97, NJW-RR 1999, 467, 468. LG Hannover, Urt. v. 14. 10. 1998 – 1 S 295/97, VersR 2000, 226.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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wegen Eintritts des Versicherungsfalls nicht ohne weiteres zu rechnen, weil Krankenversicherungsverträge in der Regel unkündbar seien. Auch stellte das Berufungsgericht ergänzend darauf ab, dass vor Abschluss des Versicherungsvertrags bereits seit 1990 Vorschriften in das BGB eingefügt worden seien, die dem Tier eine gegenüber Sachen hervorgehobene Rechtsstellung zuwiesen. In dem hier interessierenden Zusammenhang des zu gewährenden Versicherungsschutzes sei insbesondere § 251 Abs. 2 S. 2 BGB von Bedeutung, der bei der Heilbehandlung eines verletzten Tieres auch solche Aufwendungen für erstattungsfähig halte, die den Wert des Tieres erheblich überstiegen; dies müsse berücksichtigt werden. Hier sah man, bezogen auf die Einzelfrage des Kündigungsrechts, einen Vertrag, der die Unversehrtheit eines (Haus-)Tiers versichert, also wertungsmäßig näher an einem Vertrag, der gleichsam die Unversehrtheit von Menschen versichert, als an einem Vertrag, der die Unversehrtheit von Sachen versichert. Dies ist freilich nicht ohne Kritik geblieben. Im Schrifttum heißt es etwa: Auch wenn durch § 90a BGB „ein von hehren Idealen geleiteter Gesetzgeber 1990 das Tier aus seiner traditionellen rechtlichen Einordnung als Sache befreit“ habe, gehe „ein Vergleich der Tierkrankenversicherung mit der menschlichen Krankenversicherung denn doch fehl“. Während in der privaten Krankenversicherung des Menschen ein Kündigungsrecht im Versicherungsfall „in der Tat aus sozialpolitischen Gründen verfehlt“ sei, zumal wenn sie einen die staatliche Sozialversicherung substituierenden Charakter habe, spielten solche Erwägungen aber in der Tierkrankenversicherung keine Rolle.378 Nach geltender Rechtslage würde sich die Frage – wenn auch bisher wohl nicht aufgeworfen oder entschieden – noch in fast gleicher Weise, jetzt in Form der Anwendbarkeit des § 92 Abs. 1 VVG auf Tierkrankenversicherungen, stellen. Dabei spricht die im BGB in Gestalt von § 90a S. 3 vorgenommene Weichenstellung für die Grundannahme, dass die Vorschriften über die Sachversicherung einschließlich des in § 92 Abs. 1 VVG vorgesehenen Kündigungsrechts auf Tierkrankenversicherungen anwendbar sind. Raum für die Überlegung, ob Modifizierungen angezeigt sind, ergäbe sich methodisch kunstgerecht gleichwohl dadurch, dass in § 90a S. 3 BGB immerhin nur die entsprechende Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften angeordnet ist. d) Beispiel 4: Arzthaftungsregeln bei Humanmedizinern übertragbar auf Tiermediziner? Sorgfaltspflichten, Aufklärungspflichten und Beweislastumkehr: Der Gedanke, für die Haftung des Veterinärs bei Tierbehandlungen ähnliche Grundsätze anzuwenden wie für die Arzthaftung bei der Behandlung von Menschen,379 erschien 378
Fricke, VersR 2000, 16, 22. Rechtsvergleichend hierzu Schneider Kayasseh: Für die USA stellt sie fest, dass sich dort die Haftung und der Sorgfaltsmaßstab des Veterinärmediziners „weitgehend an den für die Humanmedizin entwickelten Regeln“ orientiere (Schneider Kayasseh, S. 251 f., 253). Im 379
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Gerichten immerhin so naheliegend, dass sie diesen für verschiedene Aspekte näher ausführten. Zwar wird dabei, vor allem gestützt auf die Unterschiedlichkeit der betroffenen Interessen und deren Wertigkeit, eine Trennung zwischen den einen Humanmediziner einer- und einen Tiermediziner andererseits treffenden Pflichten vorgenommen. Anerkannt wird gleichzeitig aber auch, dass in der Zielsetzung, einen lebenden Organismus zu erhalten und zu heilen, die medizinische Behandlung von Mensch und Tier einen gemeinsamen Ausgangspunkt hat: aa) Sorgfaltsanforderungen: Rang der Rechtsgüter führt zu Unterschieden Um die an einen Tierarzt zu stellende Sorgfaltsanforderung (hier: Pflicht, sich über neue medizinische Erkenntnisse zu informieren) ging es in einem schon vor geraumer Zeit, vor Einführung des § 90a BGB entschiedenen Fall vor dem BGH380. Als maßgeblich für die Frage, „inwieweit Tierarzt und Humanmediziner rechtlich verschieden oder aber gleich zu behandeln sind“, erachtete der BGH dabei einen „Vergleich der Funktionen“. Einerseits stimme „die Tätigkeit des Tierarztes als solche, die Erhaltung und Heilung eines lebenden Organismus, mit derjenigen des Humanarztes weitgehend überein“. Andererseits sei „die wirtschaftliche und rechtliche Zweckrichtung dieser Tätigkeit verschieden, weil sie sich beim Tierarzt auf Sachen, ja vielfach ,Waren‘„ beziehe, und sich „deshalb – begrenzt nur durch die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes – weithin nach wirtschaftlichen Erwägungen richten“ müsse, die „in der Humanmedizin im Rahmen des Möglichen zurückzudrängen“ seien. Dass „an den Humanmediziner ganz besonders strenge Anforderungen gestellt werden“ müssten, hänge zusammen mit den „betreuten Rechtsgütern, dem Leben und der Gesundheit von Menschen“. Hier also könnten sich „gegenüber der Veterinärmedizin durchaus gradmäßige Unterschiede ergeben“. Bei dieser könne es sinnvoll sein, „die Grenzen der zeitlichen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit bei der laufenden wissenschaftlichen bzw. technischen Information eher z. B. an den Anforderungen an einen mit wertvollen Maschinen befaßten
schweizerischen Recht (Schneider Kayasseh, S. 238) seien die Haftungsgrundsätze für Veterinärmediziner „mit denen des Humanmediziners weitgehend identisch“. Gleich wie beim menschlichen Patienten bestehe auch beim Tierpatienten die Schwierigkeit darin, dass es sich um einen lebenden Organismus handele, der im Rahmen der Behandlung eine Eigendynamik entwickeln könne, ohne dass der Tierarzt daran beteiligt wäre. Zwar seien die Schwerpunkte bei Tierarzthaftungsfällen anders zu setzen, jedoch gehe es auch bei der Tätigkeit des Tierarztes nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern auch um das Leben und die Gesundheit der behandelten Tiere „und nicht zuletzt häufig überdies um emotionale Werte des Patienteneigentümers“. Zur Einsichtnahme in die „Krankenakte“: „Obwohl das Selbstbestimmungsrecht des Tierpatienten bzw. Patienteneigentümers beim tiermedizinischen Behandlungsverhältnis keine Rolle spielt, rechtfertigen sich hier in Anbetracht der wirtschaftlichen, emotionalen und tierschützerischen Interessen keine Einschränkungen gegenüber dem Patienten in der Humanmedizin.“ – Schneider Kayasseh, S. 235. 380 BGH, Urt. v. 15. 03. 1977 – VI ZR 201/75, NJW 1977, 1102.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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Techniker oder an einen Kunstrestaurator zu messen“. Diese Differenzierung entspreche auch der Verkehrsauffassung.381 bb) Aufklärungspflichten: Selbstbestimmungsrecht führt zu Unterschieden Ein nur wenige Jahre später, ebenfalls vor Einführung des § 90a BGB ergangenes Urteil des BGH382 über die einen Tierarzt treffenden Aufklärungspflichten383 stellte ebenfalls auf einen Vergleich der Funktionen ab und wählte damit einen ähnlichen Ausgangspunkt wie die vorangegangene Entscheidung zu den Sorgfaltspflichten, auf die es auch Bezug nimmt. Zwar gehe es „bei der Tätigkeit des Tierarztes auch um die Erhaltung und Heilung eines lebenden Organismus, aber eben doch um Sachen, deren Erhaltung weithin sich nach wirtschaftlichen Erwägungen zu richten“ habe, „begrenzt durch die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes“. Deshalb könnten „die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über Art und Umfang der humanärztlichen Aufklärungspflicht nicht ohne weiteres auf die Tiermedizin übertragen werden“. Stehe „in der Humanmedizin das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, seine Personalität im Vordergrund, die aus sittlichen Gründen zu achten“ sei, so spiele „dieses Moment in der Tiermedizin keine Rolle“. Dort gehe es „um wirtschaftliche Interessen, selbst wenn gefühlsmäßige Bindungen des Tierhalters an sein Tier im Einzelfall dominieren mögen“. Von diesen verschiedenen Ausgangspunkten her müssten „Art und Umfang der tierärztlichen Aufklärungspflicht im Einzelfall nach den dem Tierarzt erkennbaren Interessen seines Auftraggebers oder nach dessen besonderen Wünschen“, die er äußere, bestimmt werden. Dabei könne „etwa auch der materielle oder ideelle Wert des Tieres für den Auftraggeber eine Rolle spielen.“384 Der einige Zeit zuvor vom OLG Oldenburg385 vertretenen Auffassung, die in der Humanmedizin anerkannten Grundsätze über die Aufklärungsverpflichtung des Arztes würden grundsätzlich auch für den Bereich der Tiermedizin gelten, erteilte dieses Urteil mithin eine Absage und bildete zugleich die Grundlage für eine von nun an konstante Rechtsprechung auf Linie des BGH.386
381
BGH, Urt. v. 15. 03. 1977 – VI ZR 201/75, NJW 1977, 1102 f. BGH, Urt. v. 18. 03. 1980 – VI ZR 39/79, NJW 1980, 1904. 383 Zu diesem Thema siehe Schneider Kayasseh, S. 227 ff. 384 BGH, Urt. v. 18. 03. 1980 – VI ZR 39/79, NJW 1980, 1904, 1905. 385 OLG Oldenburg, Urt. v. 15. 12. 1977 – 3 U 93/77, NJW 1978, 594. 386 OLG Düsseldorf, Urt. v. 08. 11. 1984 – 8 U 41/53, VersR 1986, 61, 62 f.; OLG Celle, Urt. v. 21. 12. 1988 – 1 U 29/88, NJW-RR 1989, 539, 540; LG Köln v. 28. 03. 1990 – 16 O 545/87, VersR 1992, 207; OLG München, Urt. v. 09. 10. 2003 – 1 U 2308/03 – juris, Tz. 54 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 24. 10. 2012 – 5 U 603/12 – juris (amtl. Ls. 1); OLG Celle, Urt. v. 20. 01. 2014 – 20 U 12/13 – juris, Tz. 17. 382
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
cc) Beweislastumkehr: Lebendigkeit führt zur Vergleichbarkeit Übertragen wurden Prinzipien der humanmedizinischen Arzthaftung auf die Tätigkeit des Tierarztes hingegen hinsichtlich der (ursprünglich von der Rechtsprechung hergeleiteten387 und nunmehr in § 630h Abs. 5 BGB normierten) Regeln über die Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern und Befunderhebungsfehlern. Deren Geltung auch für tierärztliche Behandlungen entsprach bereits seit längerer Zeit ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung388 und herrschender Meinung im Schrifttum389 und wurde nunmehr seitens des BGH390 bestätigt. Das Urteil des BGH fand im Schrifttum jedenfalls im Ergebnis Zustimmung391 und wird für die instanzgerichtliche Rechtsprechung künftig als Referenzpunkt dienen.392 Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Regeln über die Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern – nämlich auf Hufschmiede – wurde auf dieser Grundlage auch bereits vorgeschlagen.393 Zur Begründung seiner Entscheidung stellte der BGH wieder auf einen Vergleich der Funktionen von Humanmediziner und Veterinär ab. Beide Tätigkeiten bezögen sich auf einen lebenden Organismus. Gerade wegen der Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit des lebenden Organismus könne ein Fehlschlag 387 Etwa BGH, Urt. v. 27. 04. 2004 – VI ZR 34/03, NJW 2004, 2011, 2012 f.; BGH, Urt. v. 16. 11. 2004 – VI ZR 328/03, NJW 2005, 427, 428 f.; BGH, Urt. v. 08. 01. 2008 – VI ZR 118/06, NJW 2008, 1304 f.; BGH, Urt. v. 13. 01. 1998 – VI ZR 242 – 96, NJW 1998, 1780, 1781; BGH, Urt. v. 13. 09. 2011 @ VI ZR 144/10, NJW 2011, 3441; BGH, Urt. v. 02. 07. 2013 – VI ZR 554/ 12, NJW 2013, 3094 f.; BGH, Urt. v. 13. 02. 1996 – VI ZR 402/94, NJW 1996, 1589 f. 388 OLG Celle, Urt. v. 13. 02. 1989 – 1 U 15/88, VersR 1989, 714; OLG München, Urt. v. 09. 03. 1989 – 24 U 262/88, VersR 1989, 714; OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 06. 1995 – 14 U 26/94, VersR 1996, 1029; OLG Hamm, Urt. v. 22. 04. 2002 – 3 U 1/01, VersR 2003, 1139; OLG Hamm, Urt. v. 03. 12. 2003 – 3 U 108/02 – juris, mit Zurückweisungsbeschl. d. BGH v. 05. 04. 2005 – VI ZR 23/04, BeckRS 2005, 04007; OLG Schleswig, Urt. v. 14. 01. 2011 – 4 U 86/07 – juris, Tz. 59; OLG Frankfurt, Urt. v. 01. 02. 2011 – 8 U 118/10, NJW-RR 2011, 1246; OLG Celle, Urt. v. 14. 02. 2011 – 20 U 2/09, NJW-RR 2011, 1357, 1358; OLG Brandenburg, Urt. v. 26. 04. 2012 – 12 U 166/10, juris, Tz. 17; OLG Hamm, Urt. v. 21. 02. 2014 – 26 U 3/11 – juris, Tz. 32; ähnlich auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 18. 05. 1989 – 8 U 157/86, VersR 1990, 867; a. A. OLG Koblenz, Beschl. v. 18. 12. 2008 – 10 U 73/08, VersR 2009, 1503, 1504; offenlassen in OLG Koblenz, Beschl. v. 21. 08. 2014 – 5 U 554/14, MDR 2015, 29 f. 389 Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen-Adolphsen § 16 Rn. 279, 305 (2. Aufl. 2013); Baur, VersR 2010, 406; BeckOGK-Spindler § 823 BGB Rn. 1005 (15. 10. 2016); StaudingerHager § 823 BGB Rn. I 13 (Neubearb. 2009); Saenger-Saenger § 286 ZPO Rn. 71 (6. Aufl. 2015); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 587 (7. Aufl. 2014); Bleckwenn, S. 414 ff., 425 f.; Schulze, S. 144 f.; Oexmann/Wiemer, S. 35 f. 390 BGH, Urt. v. 10. 05. 2016 – VI ZR 247/15, NJW 2016, 2502. Angedeutet hatte sich dies bereits in einem Zurückweisungsbeschluss aus dem Jahr 2005 (BGH, Beschl. v. 05. 04. 2005 – VI ZR 23/04, BeckRS 2005, 04007.). 391 Koch, NJW 2016, 2461 ff.; Förster, JA 2017, 144, 146; Fischer, jM 2016, 454 ff.; teils wurde dogmatische Kritik geübt, etwa von Fielenbach, JZ 2016, 966 ff., der stattdessen für die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis plädiert. 392 So bereits geschehen in OLG Hamm, Urt. v. 12. 09. 2016 – I-3 U 28/16 – juris, Tz. 14. 393 OLG Köln, Urt. v. 02. 09. 2016 – 19 U 129/15 – juris, Tz. 53 f.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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oder Zwischenfall nicht allgemein ein Fehlverhalten oder Verschulden des Arztes indizieren.394 Der tragende Grund für die Beweislastumkehr in Bezug auf die medizinische Behandlung von Menschen träfe ebenso auf grob fehlerhafte tiermedizinische Behandlungen zu – in solchen Fällen habe der Arzt durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft; die Beweislastumkehr solle einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden sei. Zwar sind die Regeln zur Beweislastumkehr nunmehr in § 630h Abs. 5 BGB und damit einer allein zugunsten von Menschen anwendbaren Vorschrift kodifiziert worden. Dies schließt die Übertragung auf grob fehlerhafte tiermedizinische Behandlungen aber nicht aus, wie der BGH unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien395 zur Neuregelung des Behandlungsvertrag in §§ 630a ff. BGB feststellt. Darin äußerte der Gesetzgeber selbst die Auffassung, die nunmehrigen gesetzlichen Regelungen zum Behandlungsvertrag hinderten die Rechtsprechung nicht daran, an der Anwendung der im Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze zur Beweislastverteilung auch im Bereich der Veterinärmedizin festzuhalten.396 Für eine Gleichbehandlung in dem hier entschiedenen Umfang spreche im Übrigen auch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht, durch das der zentrale Grundgedanke eines ethisch fundierten Tierschutzes, dass der Mensch für das Tier als einem Mitgeschöpf und schmerzempfindenden Wesen Verantwortung trage, auch im bürgerlichen Recht deutlicher habe hervorgehoben werden sollen.397 dd) Fazit: Vergleich der faktischen Parallelen und Unterschiede maßgeblich Dass in den hier genannten Beispielen jeweils die Übertragung von Regeln der (Human-)Arzthaftung auf tierärztliche Behandlungen diskutiert und zum Teil auch vollzogen wurde, ist zwar ein bemerkenswerter Ausdruck der sachlichen Nähe, die zwischen Rechtsfragen in Bezug auf Menschen und in Bezug auf Tiere von der Rechtsprechung gesehen wird. Eine Aussage über die wertungsmäßige Verortung von Tieren ist damit aber wohl nur bedingt verbunden. Denn Ausgangspunkt ist jeweils eine eher faktische Betrachtung der Parallelen und Unterschiede, gleichsam eine Gegenüberstellung der veterinärmedizinischen Behandlung von Tieren mit einerseits der Heilbehandlung eines Menschen, andererseits der Reparatur einer Sache. Wie bei Sachen und anders als bei Menschen können auch in Bezug auf Tiere wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen, nicht aber ein Selbstbestimmungs394
So bereits BGH, Urt. v. 15. 03. 1977 – VI ZR 201/75, NJW 1977, 1102 f. BT-Drs. 17/10488, S. 18 (Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten – Gesetzentwurf der Bundesregierung). 396 BGH, Urt. v. 10. 05. 2016 – VI ZR 247/15, NJW 2016, 2502, 2503 f. 397 BGH, Urt. v. 10. 05. 2016 – VI ZR 247/15, NJW 2016, 2502, 2504. 395
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
recht des „Patienten“. Anders als bei Sachen geht es wie bei der medizinischen Behandlung von Menschen aber um einen lebenden Organismus. e) Übergreifende Beobachtungen: Nicht § 90a BGB, sondern wertender Vergleich der Interessenlagen entscheidet Der kleine Schaufenster-Blick auf diese zum Teil kurios anmutenden Rechtsprechungsfälle zeigt, dass sich die Frage nach der rechtlichen Behandlung von Tieren in der Rechtspraxis in unterschiedlichster Einkleidung stellen kann. Ausganspunkt ist dabei stets die Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften. Dies entspricht einer langen Rechtstradition und ist heute in § 90a S. 3 BGB verankert. Auf einer gedanklichen Skala lässt sich dann der rechtliche Umgang mit Tieren stärker oder schwächer von dieser Kategorie der Sachen und Rechtsobjekte weg, hin in Richtung auf die Kategorie der Menschen und Rechtssubjekte bewegen. Die dargestellten Entscheidungen haben gemeinsam, dass sie sich jeweils mit einer (durch eine der Prozessparteien angeregten) Verschiebung entlang dieser Skala hin zu einer Annäherung an die für Menschen geltenden Grundsätze zu befassen hatten. Vergleichsweise klar sind dabei noch die beiden Außenflanken. Eine Verleihung von Rechtsfähigkeit, also Rechtssubjektivität an Tiere liegt praktisch ebenso im Abseits des Meinungsspektrums wie eine völlig unmodifizierte Anwendung sämtlicher für Sachen geltenden Vorschriften auf Tiere. Beides galt auch schon vor Einführung von § 90a BGB. Zu welcher Stufe der Skala ein Gericht jedoch im Zwischenraum dieser beiden Pole gelangt, ist nicht eindeutig vorhersehbar. Es gibt keine universale für diese Frage heranziehbare gesetzliche Regelung. Auch § 90a BGB ist hierfür nicht ergiebig. Zwar kommen rechtliche Erwägungen zu Tieren seit Einführung des § 90a S. 1 BGB nicht mehr umhin, sich zu den Auswirkungen dieser Vorschrift zu äußern, sodass sie seither doch prominent Raum einnimmt; vor allem die Befürworter einer an Menschen angenäherten rechtlichen Behandlung von Tieren wittern darin eine Argumentationschance. Deren Hoffnungen haben die Gerichte aber nur bedingt bestätigt. Zwar findet das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres durchaus als Argumentationssplitter Erwähnung. Im Wesentlichen konnten die Gerichte, wie ihre Entgegnungen zeigen, gerade § 90a BGB jedoch keinen echten, mit einer Veränderung der Rechtslage einhergehenden neuen Aussagegehalt entnehmen. Vielmehr gelangten sie in oben beschriebenen Fällen, selbst dann, wenn sie (wie im Fall der Tierkrankenversicherung) maßgeblich auf § 90a BGB abstellten, zu ihrer Entscheidung (für oder gegen eine Ausweitung der für Menschen entwickelten Grundsätze auf Tiere) durch eine differenzierte, an der betroffenen Interessenlage und den hinter den einschlägigen rechtlichen Vorschriften liegenden Wertungen und Rechtsgütern orientierten Argumentation. Maßgeblich für die Frage, welche Regeln für Tiere passen und sachgerecht sind, war eine wertende Betrachtung dessen, was Tiere einerseits von Sachen, andererseits von Menschen in rechtserheblicher Weise trennt oder sie verbindet – je unter Berücksichtigung der Zwecke des konkreten Rechtsgebiets.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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VI. Vergleich zu der Klassifizierung von Tieren im bürgerlichen Recht anderer Rechtsordnungen Es gibt erkennbare Parallelen zwischen Rechtsordnungen Europas (und auch zu den USA) in der Frage, wie Tiere formal in die Begriffs-Kategorien der Zivilrechtsordnung einzuordnen und nach welchem Regelungsregime sie zu behandeln sind. Verbindend ist etwa die Betrachtung von Tieren als Eigentumsobjekt. Ausgangspunkt war dabei ebenso wie in Deutschland auch anderenorts, Tiere mit in den Begriff der Sachen zu fassen. Doch ging seit Ende der 1980er-Jahre in jeweils gewissem zeitlichen Abstand eine ganze Reihe von Rechtsordnungen ebenso wie Deutschland dazu über, Tiere aus dem Begriff der Sachen auszuscheiden und stattdessen lediglich die Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften anzuordnen, vorbehaltlich besonderer Regelungen zum Schutz von Tieren. Im Schrifttum wurde vor diesem Hintergrund bereits von einer „Tendenz zur Einführung eines zivilrechtlichen Sonderstatus für Tiere“ in ganz Europa gesprochen.398 Beispiele der Einführung solcher „Tier-Klauseln“ (zumeist) in Zivilrechtskodifikationen finden sich etwa für Österreich, Polen, der Schweiz, Katalonien, Tschechien, Ungarn, Frankreich und Portugal, wie die nachfolgende Synopse im Überblick zeigt.
Norm
Österreich § 285a ABGB Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt.
Inhalt
Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.
Inkraft1. 7. 1988400 treten
398
Deutschland § 90a BGB
Polen Art. 1 des poln. Tierschutzgesetzes 1. Das Tier als Tiere sind keine leidensfähiges Sachen. Lebewesen ist keine Sache. Der Mensch Sie werden durch schuldet ihm besondere Gesetze Respekt, Schutz und geschützt. Pflege. Auf sie sind die für 2. In den nicht durch dieses Gesetz Sachen geltenden geregelten Bereichen Vorschriften entgelten die Besprechend anzuwenden, soweit nicht stimmungen über Sachen für Tiere etwas anderes sinngemäß.399 bestimmt ist.
Schweiz Art. 641a ZGB
1. 9. 1990401
1. 4. 2003403
24. 10. 1997402
Tiere sind keine Sachen.
Soweit für Tiere keine besonderen Regelungen bestehen, gelten für sie die auf Sachen anwendbaren Vorschriften.
Hkk-Rüfner §§ 90 – 103 BGB Rn. 18. Originalfassung: „1. Zwierze˛ , jako istota z˙ yja˛ca, zdolna do odczuwania cierpienia, nie jest rzecza˛. Człowiek jest mu winien poszanowanie, ochrone˛ i opieke˛ . 2. W sprawach nieuregulowanych w ustawie do zwierza˛t stosuje sie˛ odpowiednio przepisy dotycza˛ce rzeczy.“ 400 Bundesgesetz vom 10. März 1988 über die Rechtsstellung von Tieren, Österr. BGBl. vom 31. März 1988 (Nr. 179), S. 1832. 399
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
Katalonien
Tschechien
Ungarn
Frankreich
Art. 511 – 1(3) katal. CC
§ 494 tschech. BGB
§ 5:14 (3) ungar. ZGB
Artikel 515 – 14. CC
Tiere gelten nicht als Sachen und stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze.
Ein lebendiges Tier hat eine besondere Bedeutung und Wert schon als ein mit Sinnen ausgestattetes lebendiges Wesen. Ein lebendiges Tier ist keine Die Regelungen Sache, und die über Güter finden Bestimmungen auf sie nur über die Sachen Anwendung, werden auf ein wenn ihre Natur lebendiges Tier es erlaubt.404 nur in dem Maße angewendet, in welchem es seiner Natur nicht widerspricht.405
Die Regeln über Sachen sollen auf Tiere unter Berücksichtigung der sich aus der Natur der Tiere ergebenden Abweichungen angewendet werden.406
1. 7. 2006409
15. 3. 2014411
1. 1. 2014410
Portugal Art. 201-B CC Art. 201-C CC Art. 201-D CC Tiere sind Tiere sind emempfindungspfindungsfähige fähige Lebewesen und Lebewesen. kraft ihrer Natur Gegenstand rechtlichen Schutzes. Der rechtliche Schutz von Tieren wird durch Unter Vorbehalt Vorschriften dieses der Gesetze zum Zivilgesetzbuchs Tierschutz und durch besonwerden Tiere der dere Gesetze Regelung für bewirkt. Güter unterIn Ermangelung worfen.407 spezieller Bestimmungen finden die für Sachen geltenden Vorschriften auch auf Tiere subsidiär Anwendung, sofern diese nicht mit der Natur von Tieren unvereinbar sind.408 16. 2. 2015412
1. 5. 2017413
401 Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20. August 1990, BGBl. I 1990, S. 1762. 402 Dz.U. 1997 nr 111 poz. 724, Ustawa z dnia 21 sierpnia 1997 r. o ochronie zwierza˛t. 403 Bundesgesetz vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463. 404 Übersetzung nach von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 234 Fn. 555; Originalfassung: „Los animales, que no se consideran cosas, están bajo la protección especial de las leyes. Solo se les aplican las reglas de los bienes en lo que permite su naturaleza.“ 405 Übersetzung nach von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 233 Fn. 551; Originalfassung: „Zˇ ivé zvírˇe má zvlásˇtní vy´znam a hodnotu jizˇ jako smysly nadany´ zˇ ivy´ tvor. Zˇ ivé zvírˇe není veˇ cí a usta-novení o veˇ cech se na zˇ ivé zvírˇe pouzˇ ijí obdobneˇ jen v rozsahu, ve kterém to neodporuje jeho povaze.“ 406 Originalfassung: „A dologra vonatkozó szabályokat az állatokra a természetüknek megfelelo˝ eltéréseket megállapító törvényi rendelkezések figyelembevételével kell alkalmazni.“ 407 Originalfassung im Französischen: „Les animaux sont des êtres vivants doués de sensibilité. Sous réserve des lois qui les protègent, les animaux sont soumis au régime des biens.“ 408 Originalfassung: Art. 201-B CC „Os animais são seres vivos dotados de sensibilidade e objeto de proteção jurídica em virtude da sua natureza“; Art. 201-C CC „A proteção jurídica dos animais opera por via das disposições do presente código e de legislação especial.“; Art. 201-
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1. Österreich a) Inhalt und Hintergrund von § 285a ABGB Österreich schuf als erste der in dieser Arbeit herangezogenen Rechtsordnungen eine Tier-Klausel in seiner Zivilrechtskodifikation. Hierzu fügte der österreichische Gesetzgeber auf eine parlamentarische Initiative hin mit einem Gesetz aus dem Jahr 1988414 hinter § 285 ABGB, der „Sache im rechtlichen Sinne“ definiert, einen neuen § 285a ABGB ein. Anliegen der neuen Bestimmung war nach den Materialien415, im ABGB den Unterschied zwischen Tieren und leblosen Sachen herauszuarbeiten und klarzustellen sowie diesen Unterschied durch die Schaffung eines eigenen Paragrafen zu betonen. Es sollte deutlich gemacht werden, „daß Tiere nicht allgemein den Regelungen unterliegen, wie leblose Gegenstände, daß also z. B. das Eigentumsrecht nicht nach Willkür ausgeübt werden darf (…), sondern daß die Tiere unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen und dementsprechend im Interesse des Tieres erlassene Schutzvorschriften zu beachten sind“. In der darüber geführten, stellenweise emotional bis pathetischen Parlamentsdebatte416 wird die Klarstellung überwiegend als ein geradezu evident naheliegender, überfälliger und von den meisten Österreichern begrüßter Schritt gehuldigt.417 Etwas aus dem Rahmen fällt dabei nur die Warnung vor einer Gesellschaft, „welcher das Wohl der Tiere mehr bedeute[t] (…) als das Wohl der Menschen“418. Von der Änderung versprach man sich einen Einfluss „auf die Bewußtseinsbildung, auf die Sensibilisierung der Menschen“419 und gar Fernwirkungen für Bereiche wie der Massentierhaltung oder Tierversuche420. Lebewesen D CC „Na ausência de lei especial, são aplicáveis subsidiariamente aos animais as disposições relativas às coisas, desde que não sejam incompatíveis com a sua natureza.“ 409 Ley 5/2006, de 10 de mayo, del libro quinto del Código civil de Cataluña, relativo a los derechos rea-les, DOGC núm. 4640 de 24 de Mayo de 2006 y BOE núm. 148 de 22 de Junio de 2006. 410 Zákon cˇ . 89/2012 Sb.Zákon ze dne 3. února 2012 obcˇ ansky´ zákoník. 411 2013. évi V. törvény a Polgári Törvénykönyvro˝ l. 412 Art. 24, 25 Loi n8 99 – 5 du 6 janvier 1999 relative aux animaux dangereux et errants et à la protection des animaux. 413 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017-03-03. 414 Bundesgesetz vom 10. März 1988 über die Rechtsstellung von Tieren, Österr. BGBl. vom 31. März 1988 (Nr. 179), S. 1832; Art. 1 Nr. 1. 415 Bericht des Justizausschusses, 497 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. Gesetzgebungsperiode. 416 Stenographisches Protokoll über die 53. Sitzung des Nationalrates vom 10. 03. 1988, XVII. Gesetzgebungsperiode, S. 6100 ff. 417 Vgl. Abg. Dr. Fuhrmann, S. 6100, Abg. Haupt, S. 6112, Abg. Horvath, S. 6107, Abg. Buchner, S. 6104 f. 418 Abg. Vonwald, S. 6109. 419 Abg. Dr. Hubinek, S. 6102; ähnlich Abg. Horvath, S. 6107, Abg. Dr. Fuhrmann, S. 6100. 420 Bundesjustizminister Dr. Foregger, S. 6116.
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aus dem „juristischen Zusammenhang mit der leblosen Materie“ zu lösen, sei etwas Moralisches und Humanes.421 Es gehe „weniger um den rechtlichen Gehalt, der manchem dürftig erscheinen“ möge, es gehe „um den menschlichen Fortschritt, der aus dieser Neuregelung sichtbar“ werde,422 um die „eminente moralische Komponente“423. Nur vereinzelt wurde die Gefahr eines praktisch wirkungslosen AlibiGesetzes zur Gewissensberuhigung424 gewittert. b) Reaktionen im Schrifttum Im Schrifttum wurde der Bestimmung ebenfalls eher eine bewusstseinsbildende425 und programmatische426 Funktion zugeschrieben: Das Tier solle man nicht Sache nennen;427 diesem Unbehagen habe man entgegenwirken wollen.428 Einen unmittelbaren normativen Gehalt oder Rechtsfolgen habe das für sich keine.429 Das Tier sei eine Nichtsache, auf die sachenrechtliche Vorschriften anzuwenden seien.430 Es handele sich um einen Akt symbolischer, plakativer Gesetzgebung,431 um eine Novellierung mit reinem „Beschwichtigungscharakter“432. Durch die vorgesehene Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften seien Tiere weiterhin als Rechtsobjekte anzusehen.433 Da eine den Unterschieden zu leblosen Sachen Rechnung
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Bundesjustizminister Dr. Foregger, S. 6115. Abg. Dr. Ofner, S. 6103. 423 Bundesjustizminister Dr. Foregger, S. 6115. 424 Abg. Geyer, S. 6110. 425 Rummel/Lukas-Holzner § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2016); Schwimann TK-Kodek § 285a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2015); Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Eccher/Riss § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2014); Schwimann/Kodek-Hofmann § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2012). 426 Gschnitzer, S. 397 (2. Aufl. 1992); Schwimann TK-Kodek § 285a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2015); Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Eccher/Riss § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2014); Schwimann/Kodek-Hofmann § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2012). 427 Rummel/Lukas-Holzner § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2016); ähnlich Klang-Stabentheiner § 285a AGB Rn. 3 (3. Aufl. 2011). 428 Klang-Stabentheiner § 285a AGB Rn. 1 (3. Aufl. 2011). 429 Rummel/Lukas-Holzner § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2016); Schwimann/KodekHofmann § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2012); ähnlich Bydlinski, RdW 1988, 157: „der klassische Fall einer Novellierung, die an der Rechtslage überhaupt nichts ändert.“, S. 158: keine „greifbare Änderung der ,Rechtsstellung von Tieren‘, S. 159: „ohne Rechtsfolgen“. 430 Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2007). 431 Klang-Stabentheiner § 285a AGB Rn. 1 (3. Aufl. 2011); Schwimann/Kodek-Hofmann § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2012). 432 Bydlinski, RdW 1988, 157. 433 Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Eccher/Riss § 285a ABGB Rn. 2 (4. Aufl. 2014); Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65; Saria, ÖJZ 2001, 161, 164; Klang-Stabentheiner § 285a AGB Rn. 3 (3. Aufl. 2011); Schwimann TK-Kodek § 285a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2015); Binder, S. 5; vgl. auch OGH v. 29. 09. 1998 – 1 Ob 160/98 f, ÖNZ 1999, 403: „Unbestritten ist, 422
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tragende besondere Behandlung von Tieren sowie der Vorrang spezieller Gesetze zum Schutz von Tieren schon vorher geltender Rechtslage und -praxis entsprochen habe, wird § 285a ABGB, ähnlich den Reaktionen zu § 90a BGB in Deutschland, für fehlenden Regelungsgehalt kritisiert434 und als eine „nichtssagende Leerformel“435 und „oberflächliche ,Wortkosmetik‘“436 zur Befriedigung „emotionalisierter Vertreter des Tierschutzes“ bezeichnet, die über die Rechtsstellung von Tieren in Wirklichkeit gar nichts aussage,437 oder für ihre Widersprüchlichkeit gar als „Nonsens“ beschrieben.438 Zudem sei Tierschutz keine zivilrechtliche Angelegenheit.439 Andere sehen in § 285a ABGB immerhin die Schaffung einer neuen Bewusstseinslage440 oder einen zum Ausdruck kommenden Wertewandel441 und halten eine Überprüfung bisheriger Auslegungen im Lichte des neuen § 285a ABGB für angebracht442 oder würdigen seine Bedeutung als „Bezugs- und Orientierungspunkt für die Gesetzesauslegung“443 ; § 285a ABGB statuiere eine Auslegungsmaxime, dass bei der Abgrenzung von Rechtspositionen im Interpretationsweg ein tierfreundlicheres Verständnis angelegt werden sollte.444 Vereinzelt wird aus § 285a ABGB gar ein neues (notstandsfähiges) Rechts- und Schutzgut hergeleitet, nämlich das „Tiereswohl“445, nebst einer gesetzlichen Bewertung dahingehend, dass dieses tendenziell höher zu bewerten sei als das Eigentum.446 c) Einfluss auf Deutschland Dass die in Deutschland im Folgejahr beschlossene Einfügung des § 90a BGB447 von dem Beispiel Österreichs inspiriert war, liegt angesichts der zeitlichen Nähe und der Ähnlichkeit der Regelungen nahe. Auch Äußerungen im Schrifttum implizieren daß auch nach der Neuregelung die sachen- und nicht die personenrechtlichen Vorschriften auf Tiere anzuwenden sind.“ 434 Lippold, ÖJZ 1989, 335 ff.; Bydlinski, RdW 1988, 157; ähnlich auch Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2007). 435 Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 66. 436 Ähnlich Schwimann/Kodek-Hofmann § 285a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2012): „juristische Kosmetik“; Bydlinski, RdW 1988, 157: „kosmetische Veränderung“. 437 Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65 f. 438 Lippold, ÖJZ 1989, 335, 337. 439 Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65 f. 440 Binder, S. 5. 441 Saria, ÖJZ 2001, 161. 442 Saria, ÖJZ 2001, 161 ff.; anders hingegen wohl Schwimann/Kodek-Hofmann § 285a ABGB Rn. 1 f. (4. Aufl. 2012). 443 Klang-Stabentheiner § 285a AGB Rn. 2 (3. Aufl. 2011). 444 Klang-Stabentheiner § 285a AGB Rn. 5 (3. Aufl. 2011). 445 Böhm, in: Harrer/Graf, S. 47, 59 ff. 446 Böhm, in: Harrer/Graf, S. 47, 62 f. 447 Dazu näher vorne ab Fn. 265 ff.
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dies.448 Zu weit würde aber wohl gehen, in dem Vorbild Österreichs das alles entscheidende Moment zu sehen. Denn der Gedanke, Tiere aus dem zivilrechtlichen Sach-Begriff herauszulösen, war in Deutschland nicht neu.449 Auch nehmen die Gesetzesmaterialien450 zu § 90a BGB die österreichische Regelung nicht sehr stark in Bezug.451 Darin wird eher die Änderung des TierSchG im Jahr 1986, mit der „die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren“ habe und das „Bekenntnis des Gesetzgebers zum ethischen Tierschutz (…) unmittelbar geltendes Recht geworden“ sei,452 als Veranlassung dargestellt. Entsprechend hieß es auch im Schrifttum, die förmliche Hervorhebung des Tieres als Mitgeschöpf in der Neufassung des TierSchG habe für die deutsche Gesetzesinitiative „Antrieb“453 oder „neuen Auftrieb“454 gegeben. 2. Schweiz a) Inhalt und Hintergrund von Art. 641a ZGB Auch in der Schweiz455 galten Tiere ursprünglich als Sachen im Sinne des Zivilrechts.456 Doch schon im Jahr 1989, fast 15 Jahre vor dem Inkrafttreten des
448 Hkk-Rüfner §§ 90 – 103 BGB Rn. 18: „Nach dem Vorbild Österreichs…“; Saria, ÖJZ 2001, 161, 163: „in Anlehnung“ an § 285a ABGB; Klang-Stabentheiner § 285a AGB Rn. 1 (3. Aufl. 2011): Die österreichische Neuregelung habe „beträchtliche grenzüberschreitende Strahlkraft“ gezeigt. § 90a BGB habe sein Vorbild in der österreichischen Regelung. Schaal, S. 26 Fn. 104: Die Diskussion in Deutschland sei u. a. von der in Österreich vorgenommenen Gesetzesänderung „angeregt“ worden. Pütz, ZRP 1989, 171 (im Vorfeld): „anlässlich“ der Reformen in Österreich würden auch im bundesdeutschen Justizministerium entsprechende Überlegungen angestellt. Eine Verbindung zu § 285a ABGB wird auch hergestellt bei Steding, JuS 1996, 962, 963; Schmidt, JZ 1989, 790, 791; juris-PK-Vieweg § 90a BGB Rn. 3 (7. Aufl.); Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 1 (Neubearb. 2012). 449 Vgl. Lorz, MDR 1989, 201, 202 m. w. N.; zum Beispiel v. Loeper/Reyer, ZRP 1984, 205, 208. 450 Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-Drs. 11/5463) erwähnt die österreichische Vorschrift gar nicht; allein in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 11/7369, S. 6, heißt es: „Auch in Anlehnung an die Formulierung des 1988 in das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch eingefügten § 285a (…) wurde nach eingehenden Beratungen die mit § 90a Satz 1 und 2 beschlossene Fassung für geeignet empfunden, das zentrale Anliegen des Gesetzentwurfs zum Ausdruck zu bringen.“ 451 Darauf weist auch Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 1 (Neubearb. 2012) hin. 452 BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 453 Mühe, NJW 1990, 2238; Schneider Kayasseh, S. 18; hierauf abstellend auch Schaal, S. 26 f. 454 Lorz, MDR 1989, 201, 202. 455 Eingehend zur Rechtsstellung des Tieres im schweizerischen Zivilrecht: Poret, Le statut de l’animal en droit civil, Zürich 2006; näher zu Art. 641a ZGB: Schneider Kayasseh, S. 21 ff.
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Art. 641a ZGB, hatte bereits das schweizerische Bundesgericht anlässlich einer Entscheidung über einen Verkehrsregelverstoß die gegenüber anderen Sachen besondere Stellung von Tieren betont.457 Konkret ging es dabei um die Frage, ob eine Autofahrerin durch eine Starkbremsung zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit zwei Tieren gegen Art. 12 Abs. 2 S. 2 Verkehrsregelnverordnung verstoßen hatte, wonach brüskes Bremsen nur im Notfall gestattet ist oder wenn kein Fahrzeug folgt. Entgegen der Vorinstanzen entschied der Kassationshof: Wenn auf der Fahrbahn überraschend Tiere auftauchten, insbesondere wenn es sich dabei um Wirbeltiere handele, so stelle dies eine Gefahrensituation dar, in welcher auch bei brüskem Bremsen nicht von unnötigem Anhalten gesprochen werden könne. Zur Begründung führte er aus: Zwar würden Tiere von der Rechtsordnung nach wie vor als Sachen behandelt. Die Grundeinstellung des Menschen zum Tier habe sich jedoch mit der Zeit im Sinne einer Mitverantwortung für diese Lebewesen zum sogenannten „ethischen Tierschutz“ entwickelt, welcher weiter gehe als der Schutz lebloser Dinge, und welcher das Tier als lebendes und fühlendes Wesen, als Mitgeschöpf anerkenne, dessen Achtung und Wertschätzung für den durch seinen Geist überlegenen Menschen ein moralisches Postulat darstelle. Den heutigen ethischen Vorstellungen könne nur ein umfassender Lebensschutz auch des tierischen Lebens gerecht werden, wobei gewisse Ausnahmen (Nahrungsgewinnung, Schädlingsbekämpfung) den Grundsatz nicht erschüttern könnten. Dieser Grundsatz gelte entsprechend dem Anwendungsbereich des TierSchG zumindest für die Wirbeltiere. Von einem Lenker zu verlangen, dass er beim Auftauchen von Wirbeltieren einfach zufahre, lasse sich nicht mit der dem Menschen eigenen Achtung vor dem tierischen Leben vereinbaren, welche darauf gerichtet sei, auch das tierische Leben zu erhalten und nicht, dieses zu vernichten. Der dann mit Wirkung zum 1. April 2003 eingefügte Art. 641a ZGB458 reiht sich als weiteres Beispiel in die Serie der fast gleich lautenden zivilrechtlichen TierKlauseln ein und ist auch wohl vom Vorbild Österreichs und Deutschlands inspiriert.459 Anders als in Deutschland, wo das Schweigen des Gesetzes zu dieser Frage einige Verunsicherung auslöste,460 wurde in der Schweiz im Zuge dieses Änderungsgesetzes durch einen neuen Art. 110 Ziff. 4bis des schweizerischen Strafgesetzbuchs auch für das Strafrecht explizit klargestellt, dass eine Bestimmung, wenn 456 Vgl. Schneider Kayasseh, S. 21; BBl. (Bundesblatt) 2001, 2521, 2527 (Botschaft zu den Volksinitiativen „für eine bessere Rechtsstellung der Tiere (Tier-Initiative)“ und „Tiere sind keine Sachen!“). 457 Kassationshof, Urt. v. 02. 08. 1989 – BGE 115 IV 248, 254. 458 Ziff. I des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463. 459 Vgl. etwa die rechtsvergleichenden Bemerkungen in den jeweiligen Gesetzgebungsmaterialien (BBl. 1999, 8935, 8940; BBl. 2001, 2521, 2529; BBl. 2002, 4164, 4167 f.); Büchler/Jakob-Domej Art. 641a ZGB Rn. 1 (2012): „nach dem Vorbild…“; Schneider Kayasseh, S. 22. 460 Vgl. nur Graul, JuS 2000, 215 f.; Küper, JZ 1993, 435 ff.
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1. Teil: Tiere als Gegenstand des Rechts
sie auf den Begriff der Sache abstellt, entsprechende Anwendung auf Tiere findet.461 Bereits auf parlamentarische Initiativen Anfang bis Mitte der 1990er-Jahre hin hatte es einen im Wesentlichen identischen Gesetzesentwurf462 gegeben, der jedoch im Jahr 1999 im Nationalrat gescheitert war.463 In der Folgezeit wurde er erneut zum Gegenstand einer parlamentarischen Initiative gemacht464 und zwei Volksinitiativen aus dem Jahr 2000465 verlangten die Herausnahme von Tieren aus dem Sach-Begriff per Verfassungsänderung. Die im Jahr 2003 schließlich durchgesetzte Einfügung des Art. 641a ZGB sollte den Materialien zufolge den rechtlichen Status der Tiere verbessern, „um der neuen Sensibilität der Bevölkerung“466 und „dem gewandelten Volksempfinden gegenüber Tieren“467 Rechnung zu tragen. Die auf der römisch-rechtlichen Tradition basierende Auffassung, das Tier sei eine Sache, gelte in weiten Teilen der Bevölkerung als überholt. In dem neuen Grundsatzartikel werde die Achtung vor dem Tier ausgedrückt.468 Er habe jedoch „in erster Linie deklaratorischen Charakter“. Dass abweichende Vorschriften der öffentlich-rechtlichen Tierschutzgesetzgebung „die Befugnisse des Tierhalters als Eigentümer beschränken bzw. erst konkretisieren“, sei „aus juristischer Sicht eine Selbstverständlichkeit“.469 Auch solle keine neue rechtliche Kategorie für Tiere geschaffen werden; vielmehr sollten Tiere auch in Zukunft als Rechtsobjekte betrachtet werden und keine Rechtsfähigkeit haben.470 b) Reaktionen im Schrifttum Erwartungsgemäß wird auch Art. 641a ZGB im Schrifttum als deklaratorische471, programmatische Bestimmung mit geringem normativen Gehalt und eher symbo461 Ziff. III des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463, 465. 462 BBl. 1999, 8935. Parlamentarische Initiativen Loeb („Tier keine Sache“) und Sandoz („Wirbeltiere. Gesetzliche Bestimmungen“); dazu Schneider Kayasseh, S. 22 f. 463 Vgl. BBl. 2002, 4164, 4165 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats); BBl. 2002, 5806, 5807 (Stellungnahme des Bundesrats). 464 Parlamentarische Initiative Marty („Die Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung“); Schneider Kayasseh, S. 23 f. 465 Vgl. BBl. 2001, 2521. Volksinitiativen „Tiere sind keine Sachen!“ und „für eine bessere Rechtsstellung der Tiere (Tier-Initiative)“; Schneider Kayasseh, S. 23 f. 466 BBl. 2002, 4164, 4165 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 467 BBl. 2002, 4164, 4166 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats); ähnlich BBl. 2002, 5806, 5807 (Stellungnahme des Bundesrats). 468 BBl. 2002, 4164, 4166 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 469 Ähnlich auch Schneider Kayasseh, S. 27; Basler Kommentar-Wiegand Art. 641a ZGB Rn. 6 (5. Aufl. 2015). 470 BBl. 2002, 4164, 4166, 4168. Stucki, S. 88, betont aber, Tiere nähmen nunmehr „neben den Personen und Sachen einen Platz als Drittes ein – als Rechtsobjekt sui generis“. 471 Hk Schweizer Privatrecht-Arnet/Belser Art. 641a ZGB Rn. 2 (2. Aufl. 2012); Basler Kommentar-Wiegand Art. 641a ZGB Rn. 2 (5. Aufl. 2015).
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lischer Bedeutung eingestuft, die primär der Bewusstseinsbildung und der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse diene.472 Mit der Herausnahme von Tieren aus dem zivilrechtlichen Sach-Begriff habe „der Gesetzgeber auf sprachliche Sensibilitäten reagiert, ohne direkt rechtliche Neuerungen herbeizuführen“.473 Wiegand474 kritisiert die Vorschrift als „Fremdkörper“ in einer zivilrechtlichen Kodifikation und bezweifelt, ob das Sachenrecht geeignet sei, „um einem ethischen Postulat zum Durchbruch zu verhelfen“. Schneider Kayasseh475 meint, ein Weg, „die Zielsetzung der Gesetzesrevision, nämlich die Verbesserung der Rechtsstellung der Tiere“, tatsächlich zu erreichen, sei, die „Berücksichtigung der Nicht-Sachqualität der Tiere bei der Auslegung sämtlicher Normen des Privatrechts“. Brehm476 sieht die Gesetzesänderung als Aufwertung der affektiven Beziehung zwischen Mensch und Haustier. 3. Frankreich Der französische code civil (im Folgenden: code civ.), der in Art. 516 code civ.477 zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen unterscheidet, fasste ursprünglich darunter in Art. 524 code civ. a. F.478 (immeubles) und Art. 528 code civ. a. F.479 (meubles) auch Tiere. Infolge eines Änderungsgesetzes im Jahr 1999480 trennten diese Vorschriften fortan terminologisch zwischen Gegenständen (les objets) und Tieren (les animaux).481 Die Entwicklung blieb jedoch in Frankreich, anders als in den bisher angesprochenen Rechtsordnungen, nicht bei einer gleichsam negativAbgrenzung der Tiere von Sachen (oder hier: objets) stehen, sondern ging dann noch in Gestalt einer positiv-Definition einen Schritt weiter: Mit einem aus dem Jahr 2015 472
Büchler/Jakob-Domej Art. 641a ZGB Rn. 1 u. 6 (2012). Hk Schweizer Privatrecht-Arnet/Belser Art. 641a ZGB Rn. 2 (2. Aufl. 2012); ähnlich Schneider Kayasseh, S. 28; Basler Kommentar-Wiegand Art. 641a ZGB Rn. 3 (5. Aufl. 2015): „Der Gesetzgeber nimmt – unter Berufung auf das Volksempfinden – Anstoss an der formalen Einordnung des Tieres unter den Sachbergriff“. 474 Basler Kommentar-Wiegand Art. 641a ZGB Rn. 2 (5. Aufl. 2015). 475 Schneider Kayasseh, S. 27, ähnlich S. 28 f., 269. 476 Berner Kommentar-Brehm Art. 49 OR Rn. 72 (4. Aufl. 2013). 477 „Tous les biens sont meubles ou immeubles.“ 478 „Les objets que le propriétaire d’un fonds y a placés pour le service et l’exploitation de ce fonds sont immeubles par destination. Ainsi, sont immeubles par destination, quand ils ont été placés par le propriétaire pour le service et l’exploitation du fonds: Les animaux attachés à la culture […].“ (Hervorhebung durch Verf.). 479 „Sont meubles par leur nature, les corps qui peuvent se transporter d’un lieu à un autre, soit qu’ils se meuvent par eux-mêmes, comme les animaux, soit qu’ils ne puissent changer de place que par l’effet d’une force étrangère, comme les choses inanimées.“ (Hervorhebung durch Verf.). 480 Art. 24, 25 Loi n8 99 – 5 du 6 janvier 1999 relative aux animaux dangereux et errants et à la protection des animaux. 481 Art. 524 code civ. a. F.: „Les animaux et les objets […].“; Art. 528 code civ. a. F.: „Sont meubles par leur nature les animaux et les corps […].“ 473
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stammenden Änderungsgesetz482 schuf man Art. 515 – 14 code civ., der Tiere als empfindungsfähige Lebewesen anerkennt (Satz 1: „Les animaux sont des êtres vivants doués de sensibilité.“). Was jedoch die rechtspraktische Handhabung von Tieren betrifft, wählt auch Frankreich den aus anderen Rechtsordnungen bekannten Weg, indem Tiere, vorbehaltlich besonderer Vorschriften zu ihrem Schutze, dem für Sachen geltenden Regelungsregime unterstellt werden (Satz 2: „Sous réserve des lois qui les protègent, les animaux sont soumis au régime des biens.“).483 4. Portugal Mit Wirkung zum 1. Mai 2017 ist in Portugal ein Änderungsgesetz484 in Kraft getreten, durch das unter anderem ebenso wie in Frankreich eine positiv formulierte Tier-Klausel in das Zivilgesetzbuch eingefügt wurde. Bis dahin galten Tiere als Sachen.485 Jedoch waren sie im Schrifttum bereits zusehends als Objekte besonderer Art gekennzeichnet worden und schon im Jahr 2005 hatte das portugiesische Justizministerium einmal eine Rezeption des deutschen § 90a BGB geprüft.486 In einem neuen Art. 201-B des portugiesischen Código Civil heißt es nunmehr: „Tiere sind empfindungsfähige Lebewesen und kraft ihrer Natur Gegenstand rechtlichen Schutzes.“487 Abgesehen von dieser Positiv-Definition ähnelt die weitere Struktur der neuen Grundsatzartikel zu Tieren derjenigen des deutschen § 90a S. 2, 3 BGB. Art. 201-C sagt: „Der rechtliche Schutz von Tieren wird durch Vorschriften dieses Zivilgesetzbuchs und durch besondere Gesetze bewirkt.“488 Gemäß Art. 201-D finden in Ermangelung spezieller Bestimmungen die für Sachen geltenden Vorschriften auch auf Tiere subsidiär Anwendung, sofern diese nicht mit der Natur von Tieren unvereinbar sind.489 Anders als in Deutschland490 wurde allerdings die terminologische Trennung von „Tieren“ und „Sachen“ in Portugal im Zuge dieses Änderungsgesetzes in das Strafgesetzbuch (Código Penal) konsequent überführt, in dem dort in zahlreichen Tatbeständen die Bezugnahme auf eine Sache durch den Zweiklang aus „Sache oder Tier“ („coisa ou animal“) ersetzt wurde. 482 Art. 2 LOI n8 2015 – 177 du 16 février 2015 relative à la modernisation et à la simplification du droit et des procédures dans les domaines de la justice et des affaires intérieures. 483 Vgl. auch Art. 528 Satz 2 code civ.: „Les animaux que le propriétaire d’un fonds y a placés aux mêmes fins sont soumis au régime des immeubles par destination.“ 484 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017 – 03 – 03. 485 von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 233 Rn. 171, Fn. 551. 486 von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 233, Fn. 551. 487 „Os animais são seres vivos dotados de sensibilidade e objeto de proteção jurídica em virtude da sua natureza.“ 488 „A proteção jurídica dos animais opera por via das disposições do presente código e de legislação especial.“ 489 „Na ausência de lei especial, são aplicáveis subsidiariamente aos animais as disposições relativas às coisas, desde que não sejam incompatíveis com a sua natureza.“ 490 Vgl. dazu Graul, JuS 2000, 215 ff.; Küper, JZ 1993, 435 ff.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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Neu sind auch einige Einfügungen im Sachenrecht. Ein neuer Art. 1302 Abs. 2 des portugiesischen Código Civil stellt klar, dass Tiere Eigentumsobjekte sein können.491 Allerdings statuiert nunmehr Art. 1305-A spezielle Vorschriften für das Eigentum an Tieren. Dieser enthält, neben einem – § 903 S. 2 BGB entsprechenden – Verweis darauf, dass der Eigentümer bei Ausübung seines Eigentumsrechts die außerhalb des Zivilgesetzbuchs bestehenden Sondervorschriften zum Schutz von Tieren zu beachten hat,492 einige Anforderungen an die Haltung von Tieren, wie sie in Deutschland im TierSchG angesiedelt sind.493 Die Verortung solcher, der Förderung von speziellen öffentlichen Zielen – hier dem Tierschutz – dienenden Vorgaben im Zivilrecht ist aus deutscher Sicht ungewöhnlich. Allerdings folgen aus diesem strukturellen, rechtstechnischen Unterschied keine substantiellen Implikationen. Denn auch das im deutschen BGB geregelte Eigentumsrecht im Sinne der §§ 903 ff. BGB reicht nicht weiter, als es verbindliche Vorschriften des – in Deutschland öffentlich-rechtlichen – Tierschutzrechts zulassen.494 Art. 1305-A Código Civil schafft daher wohl kein irgendwie geartetes „tierspezifisches“ dingliches Recht. 5. DCFR; weitere europäische Rechtsordnungen Der auf rechtsvergleichenden Arbeiten beruhende Draft Common Frame of Reference (DCFR)495 aus dem Jahr 2009 fasst in seiner Definition von „goods“ (corporeal movables) in Art. VIII.–1:201 Satz 2 darunter ausdrücklich auch Tiere. Doch auch hier sah man sich immerhin in den dazu gehörigen Comments veranlasst, ausdrücklich zu betonen, diese Zuordnung erfolge aus rechtstechnischen und -praktischen Gründen; damit sei keinerlei ethische Wertung verbunden.496
491 „Podem ainda ser objeto do direito de propriedade os animais, nos termos regulados neste código e em legislação especial.“ 492 Art. 1305-A Abs. 1 Código Civil: „O proprietário de um animal deve (…) observar, no exercício dos seus direitos, as disposições especiais relativas à criação, reprodução, detenção e proteção dos animais e à salvaguarda de espécies em risco“. 493 So ähnelt Art. 1305-A Abs. 2 Código Civil (Zugang zu Wasser und Nahrung, veterinärmedizinische Versorgung) dem deutschen § 2 TierSchG; Art. 1305-A Abs. 3 Código Civil (Zufügung von Schmerzen, Leiden oder anderen Misshandlungen ohne einen berechtigten Grund) ähnelt dem deutschen § 1 S. 2 TierSchG. 494 Vgl. etwa Bamberger/Roth-Fritzsche § 903 BGB Rn. 68 (41. Ed. 2016): Da tierschützende Gesetze allgemeinverbindlich seien, habe sie natürlich auch der Tiereigentümer zu beachten. 495 von Bar, Principles, definitions and model rules of European private law: Draft Common Frame of Reference (DCFR), München 2009. 496 „The term [goods, Anm. d. Verf.] also applies to animals. This is not intended to imply any ethical values but is simply to be seen against the background of the content of this Book: the transfer of ownership and other property law matters.“ – Faber/Lurger, Acquisition and Loss of Ownership of Goods (2011), S. 256.
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Einen guten Überblick über den zivilrechtlichen Status von Tieren in weiteren europäischen Rechtsordnungen bietet ein großes im Jahr 2015 vorgelegtes rechtsvergleichendes Werk zum Sachenrecht497. Darin heißt es zunächst, „die meisten Rechtsordnungen“ hätten es bis heute bei der schon im römischen Recht herrschenden Einordnung von Tieren in den Kreis der Sachen belassen. Als Beispiele werden unter anderem498 das bulgarische, griechische, niederländische und schwedische499, das spanische und belgische500 sowie das englische Recht501 genannt.502 Andererseits bestätigen die dort dargestellten Befunde die oben für Deutschland, Österreich, Frankreich, Portugal und die Schweiz aufgezeigte Tendenz, Tieren eine besondere gesetzliche Regelung zu widmen, denn das Werk listet gesetzgeberische Beispiele weiterer Rechtsordnungen auf,503 die Tiere explizit aus dem Begriff der Sachen herausgelöst haben504 und/oder ihre Sonderstellung gegenüber Sachen zum Ausdruck bringen, indem auf ihre Lebendigkeit505 oder auf die zu ihrem Schutz bestehenden besonderen Vorschriften abgehoben wird506. Im Übrigen werde aber auch in diesen Rechtsordnungen gleichzeitig die Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften angeordnet507 oder von deren Anwendbarkeit ausgegangen.508 Zur Aufnahme von Verweisungsklauseln auf tierschützende Regelungen in die Zivilgesetzbücher (wie in § 90a S. 2 BGB oder § 903 S. 2 BGB) konstatiert von Bar: Da Eigentum an Tieren ohnehin besonderen öffentlich-rechtlichen Ausübungsbeschränkungen unterliege, zu denen auch der Tierschutz gehöre, und der Vorrang von Spezialgesetzen selbstverständlich sei, erschöpften sich die Regelungen weitgehend in einem Appell und veränderten das Sachenrecht nicht. Vielmehr schüfen solche Regelungen neue, bis dahin unbekannte Probleme.509 497 von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht, Band 1: Grundlagen, Gegenstände sachenrechtlichen Rechtsschutzes, Arten und Erscheinungsformen subjektiver Sachenrechte, München 2015, S. 233 ff. 498 Für die dort ebenfalls genannten Rechtsordnungen Frankreich, Portugal und Tschechien dürfte sich die Aufzählung etwas überholt haben, da in deren Zivilgesetzbücher inzwischen jeweils eine Sondervorschrift für Tiere eingefügt wurde, die sie explizit aus dem Sach-Begriff ausklammert. 499 Jeweils Tiere als Sachen im Rechtssinne. 500 Jeweils Tiere als Güter. 501 Tiere als choses in possession. 502 von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 233 f. m. w. N. 503 von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 234 f. 504 Weitere Beispiele nach von Bar: Art. 511 – 1 (3) des katalanischen Zivilgesetzbuchs, seit 1997 Art. 1 des polnischen Tierschutzgesetzes und seit 2014 § 494 des tschechischen BGB. 505 Beispiel nach von Bar: § 494 des tschechischen BGB. 506 In diese Richtung nach von Bar wohl § 5:14 (3) des ungarischen Zivilgesetzbuchs, Art. 1 des polnischen Tierschutzgesetzes. 507 So nach von Bar beispielsweise auch das estnische Zivilgesetzbuch. 508 von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 235. 509 von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 235.
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Insgesamt gelangt dieses rechtsvergleichende Werk zu der Beurteilung, bei der Herauslösung von Tieren aus dem Begriff der Sachen handele es sich um eine „Modeerscheinung“510. Die teils eingeführten neuen Regelung zum besonderen zivilrechtlichen Status von Tieren seien letztlich doch in alten Denkweisen verhaftet, „merkwürdig folgenlos“ geblieben und gleichsam nicht zu Ende gedacht: Von tierspezifischen subjektiven Sachenrechten, die hätten entwickelt werden müssen, wenn Tiere wirklich eine eigene Gruppe sachenrechtsfähiger Objekte hätten bilden sollen, sei man weit entfernt, selbst in den unmittelbar betroffenen Sachenrechtsordnungen Österreich, Deutschland, Polen oder Tschechien. Tierspezifisches Sachenrecht befasse sich bis heute „allenthalben nur mit Regeln über den Erwerb und den Verlust des Eigentums an Tieren“; hier aber würden sie „wieder zu ganz gewöhnlichen Sachen“. Es handele „sich nun nur noch darum, allgemeine sachenrechtliche Lehren für Sachenrechtsobjekte zu spezifizieren, die sich autonom fortbewegen können und ernährt werden müssen“.511 6. USA Im US-amerikanischen common law512 ist ebenfalls für den zivilrechtlichen Status von Tieren ihre Rolle als Eigentumsobjekt, als property kennzeichnend.513 Jedoch gibt es Forderungen danach, die Einordnung von Tieren als property aufzugeben514 und beispielsweise stattdessen nicht vom Eigentümer eines Tieres zu sprechen (owner), sondern von einer Art treuhänderischem Betreuer (guardian) – ein Vorschlag, der offenbar nennenswerte öffentliche und sogar gesetzgeberische Resonanz
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von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 234 f. von Bar, Gemeineuropäisches Sachenrecht Bd. 1, S. 236. 512 Gleiches lässt sich übrigens auch für das Englische common law sagen, siehe Radford, S. 99 ff.; Brooman/Legge, S. 50 ff.; Swadling, in: Birks, S. 203, 350 f. (Rn. 4.467); Mitchell, in: Birks, S. 133, 142 (Rn. 3.19): „English law has never regarded non-human animals as possessing the capacity to enjoy legal rights“. 513 Root, 47 Vill. L. Rev. 423 (2002), 423; Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 4; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 321 ff.; Schneider Kayasseh, S. 29; Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 68; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 69 ff.; Favre, 93 Marq. L. Rev. 1021 (2010) 1026; Livingston, 82 Neb. L. Rev. 783 (2004), 787; Duckler, 8 Animal L. 199 (2002), 199; Wagman/Waisman/Frasch, S. 74; Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1205 ff.; Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 194; Kondaurov v. Kerdasha, Supreme Court of Virginia, April 21, 2006, 629 S. E.2d 181, 186 f. (m. w. N.): „The fact remains, however, that the law in Virginia, as in most states that have decided the question, regards animals, however beloved, as personal property.“; Arrington v. Arrington, Court of Civil Appeals of Texas, Fort Worth, March 19, 1981, 613 S.W.2d 565, 569: „A dog, for all its admirable and unique qualities, is not a human being and is not treated in the law as such. A dog is personal property“. 514 Etwa Root, 47 Vill. L. Rev. 423 (2002), 446; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 524; vgl. Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 69 f. 511
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auslöste.515 Moderatere Ansätze beschränken sich darauf, sprachlich und in der rechtlichen Handhabung deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass es sich bei lebendigen und empfindungsfähigen Tieren (oder jedenfalls einigen Tieren) um property besonderer Art handelt,516 was an das dargestellte Vorgehen europäischer Rechtsordnungen erinnert. Doch auch schon jetzt, ohne terminologische Hervorhebung, lassen sich in Äußerungen amerikanischer Gerichte in Streitigkeiten um Tiere Hinweise dafür finden, dass sie Tiere als eine besonders geschützte Form von property ansehen und behandeln. Dies weist zum Beispiel Cupp, Jr.517 nach. Dazu zitiert er aus einer Entscheidung des Vermont Supreme Court518 aus dem Jahr 1997, welches erklärte, moderne Gerichte hätten erkannt, dass sich Haustiere grundsätzlich nicht bruchlos in die traditionellen sachenrechtlichen Prinzipien einordnen ließen. Stattdessen müssten Gerichte Regeln formen und anwenden, die dem einzigartigen Status von Tieren gerecht würden.519 Der Wert von Haustieren sei nicht primär finanzieller, sondern emotionaler Natur; ihr Wert leite sich aus der Beziehung des Tieres zu seinem menschlichen Gefährten ab.520 Als besonders prägnantes Beispiel führt Cupp, Jr. überdies ein Urteil des Texas Supreme Court521 aus dem Jahr 2013 an, das in seiner Entscheidung über 20 Mal die besondere Stellung von Tieren im Vergleich zu sonstigen Eigentumsobjekten („animals are more than merely typical property“522) betont habe. Das Texas Supreme Court hebt hervor, dass die rechtliche Einordnung als property aus rechtspraktischen Gründen erfolge und damit keine Äußerung über
515
Eichinger, 67 Mont. L. Rev. (2006), 231, 257 ff.; Schneider Kayasseh, S. 30; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 371 ff.; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 486 ff.; Newell, 6 Animal L. 179 (2000), 183. 516 Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 12 ff.; Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1227; Favre, 93 Marq. L. Rev. 1021 (2010), 1042 ff.; Wilson, 57 Clev. St. L. Rev. 167 (2009), 183 ff.; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 379 ff.; Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 197 ff. 517 Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 31 ff.; siehe aber auch Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 343 ff. 518 Morgan v. Kroupa, Supreme Court of Vermont, September 5, 1997, 702 A.2d 630. 519 „modern courts have recognized that pets generally do not fit neatly within traditional property principles. (…) Instead, courts must fashion and apply rules that recognize their unique status“, Morgan v. Kroupa, Supreme Court of Vermont, September 5, 1997, 702 A.2d 630, 633. 520 „pets’ worth is not primarily financial, but emotional; its value derives from the animal’s relationship with its human companions“, Court of Vermont, September 5, 1997, 702 A.2d 630, 633. 521 Strickland v. Medlen, Supreme Court of Texas, 2013, 397 S.W.3d 184. 522 Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 34.
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die rechtliche Wertschätzung von Tieren verbunden sei;523 außerdem sei das Recht in der Lage, zwischen property verschiedener Art sinnvolle Unterschiede zu machen.524 Eine Entscheidung eines Kalifornischen appellate court aus dem Jahr 2012 erklärt unter Hinweis auf Vorschriften unter anderem über die Strafbarkeit von Tierquälerei oder über Schadensersatz mit Strafcharakter („exemplary damages“) bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung von Tieren, der Gesetzgeber in Kalifornien erkenne seit 1872 an, dass Tiere besondere, empfindungsfähige Wesen seien, da sie im Unterschied zu anderen Formen von Eigentumsobjekten Schmerz fühlen, leiden und sterben könnten.525 Auch in anderen Entscheidungen kommt ein gewisses Unbehagen der Gerichte gegenüber der „kalten rechtlichen Charakterisierung“526 von Tieren als Eigentumsobjekt zum Ausdruck. Ein Haustier als property zu bezeichnen, verfehle es, den emotionalen Wert zu beschreiben, den Menschen der Kameradschaft eines Haustieres beimäßen.527 Der Begriff property beschreibe die Beziehung zwischen einem Menschen und einem Haustier unzulänglich und ungenau.528 Ein Hund sei kein mit anderen Eigentumsobjekten vergleichbarer beweglicher Gegenstand, wie ein Wohnzimmer-Sofa oder ein Esszimmer-Schrank.529 Schon in einer Entscheidung eines New Yorker Gerichts aus dem Jahr 1979 heißt es, ein Haustier sei nicht bloß eine Sache, sondern besitze eine spezielle Stellung irgendwo zwischen
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„The term ,property‘ is not a pejorative but a legal descriptor, and its use should not be misconstrued as discounting the emotional attachment that pet owners undeniably feel.“ – Strickland v. Medlen, Supreme Court of Texas, 2013, 397 S.W.3d 184, 186. 524 „(…) the law draws sensible, policy-based distinctions between types of property“, Strickland v. Medlen, Supreme Court of Texas, 2013, 397 S.W.3d 184, 198. 525 „In California, the Legislature has recognized since 1872 that animals are special, sentient beings, because unlike other forms of property, animals feel pain, suffer and die.“, Martinez v. Robledo, Court of Appeal, Second District, Division 2, California, October 23, 2012, 147 Cal. Rptr. 3d 921, 926. 526 Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 491: „At the outset, we note that we are uncomfortable with the law’s cold characterization of a dog, such as Dakota, as mere ,property‘.“ 527 Myers v. Hartford, Connecticut Court of Appeal, August 10, 2004, 84 Conn.App. 395, 402: „Labeling a pet as property fails to describe the emotional value human beings place on the companionship that they enjoy with such an animal.“; ähnlich Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 491: „Labeling a dog ,property‘ fails to describe the value human beings place upon the companionship that they enjoy with a dog.“ 528 Myers v. Hartford, Connecticut Court of Appeal, August 10, 2004, 84 Conn.App. 395, 402: „Although dogs are considered property (…) this term inadequately and inaccurately describes the relationship between an individual and his or her pet.“; ähnlich Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 492: „This term inadequately and inaccurately describes the relationship between a human and a dog.“ 529 Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 491 f.: „A companion dog is not a fungible item, equivalent to other items of personal property. A companion dog is not a living room sofa or dining room furniture.“
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einer Person und einem Eigentumsobjekt.530 Anders als bei einer unbelebten Sache werde einem Haustier Zuneigung nicht bloß entgegen gebracht, sondern es erwidere diese.531 Zu sagen, ein Hund sei nicht mehr als ein Stück Eigentum, sei eine Verweigerung von Menschlichkeit.532 Auch in England, als weiterer Rechtsordnung des common law, setzt sich das Schrifttum mit einer Verbesserung der (zivil-)rechtlichen Stellung von Tieren auseinander.533 7. Zusammenfassende Tendenzaussagen und Entwicklungspotential Mit aller Vorsicht lässt sich nach alledem wohl insgesamt von einer erkennbaren Tendenz innerhalb Europas sprechen, auch wenn der selektive und nur holzschnittartige Charakter des in diesem Rahmen möglichen Rechtsvergleichs keine umfassende Aussage erlaubt. Die Tendenz ist genkennzeichnet durch den auch § 90a BGB beherrschenden Spagat zwischen einerseits dem rechtspraktischen Bedürfnis, Tiere den Vorschriften über Sachen zu unterwerfen und insbesondere als Eigentumsobjekt zu behandeln, und andererseits einem offenbar seit Beginn des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts vom Gesetzgeber stark wahrgenommenen öffentlichen Bedürfnis, den besonderen Schutzstatus von Tieren gegenüber anderen Eigentumsobjekten explizit zum Ausdruck zu bringen. Für die USA lässt sich Ähnliches beobachten. Diese Tendenz könnte auf eine Entwicklung hindeuten, die in der Einführung von zivilrechtlichen Tier-Klauseln womöglich erst ihren Anfang genommen hat. Auffällig ist immerhin, dass die neueren diesbezüglichen Änderungen in Zivilrechtskodifikationen – in Frankreich im Jahr 2015 und in Portugal im Jahr 2017 – über eine Negativ-Abgrenzung von Sachen hinaus gegangen sind und mit der Hervorhebung der Empfindungsfähigkeit deutlich machen, worin genau der entscheidende Unterschied von Tieren zu Sachen gesehen wird; in Frankreich als Teil einer dort abgelaufenen mehrschrittigen Entwicklung. Ob die französische und portugiesische Regelung deshalb indes in ihrem Normgehalt über die in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu findenden negativ-Definitionen hinausgehen, ist dennoch zweifelhaft. Auch in letztgenannten Ländern war, wie das Schrifttum widerspiegelt, die Rechtsanwendung bereits vor der gleichsam formalen Herauslösung von Tieren aus dem Sach-Begriff von dem Bewusstsein getragen, dass es sich bei Tieren auf530 Corso v. Crawford Dog & Cat Hosp., Inc., Civil Court of the City of New York, County of Queens, March 22, 1979, 415 N.Y.S.2d 182, 183: „a pet is not just a thing but occupies a special place somewhere in between a person and a piece of personal property“. 531 Corso v. Crawford Dog & Cat Hosp., Inc., Civil Court of the City of New York, County of Queens, March 22, 1979, 415 N.Y.S.2d 182, 183: „A pet is not an inanimate thing that just receives affection it also returns it.“ 532 Corso v. Crawford Dog & Cat Hosp., Inc., Civil Court of the City of New York, County of Queens, March 22, 1979, 415 N.Y.S.2d 182, 183: „To say it [a dog] is a piece of personal property and no more is a repudiation of our humaneness“. 533 Vgl. Radford, S. 102 ff.; Brooman/Legge, S. 71 ff.
§ 3 Tiere als Objekt des Rechtsverkehrs
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grund ihrer Lebendigkeit um Eigentumsobjekte besonderer Art handelt, sodass es bei den Gesetzesänderungen um einen mehr deklaratorischen Akt und ein Zugeständnis an ein gesellschaftliches Empfinden ging, das Anstoß an der juristischen Begrifflichkeit nahm. Das darf aber nicht über ein mögliches Potential dieser Entwicklung hinwegtäuschen, die am Ende Früchte tragen könnte, die die Rechtsanwendung sehr wohl nachhaltig verändern. Denn letztlich ist die Einführung der Sonder-Klauseln für Tiere doch ein Schritt, mit dem eine offenbar gewandelte Wahrnehmung von Tieren dokumentiert und gesetzgeberisch in Rechnung gestellt wird. Die nun im Hauptteil dargestellte Analyse der Behandlung von Tieren im deutschen Zivilrecht hebt bestimmte Rechtsfragen in den Mittelpunkt, an denen eine spezielle Behandlung von Tieren ganz besonders intensiv problematisiert wird und damit auch jene, die für solche möglichen weitergehenden Veränderungen besonders prädestiniert sein könnten.
Zweiter Teil
Tiere im Zivilrecht zwischen den Schutzgütern „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“ § 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt Das „Tierwohl“ und das Affektionsinteresse eines Menschen an einem Tier sind Kernelemente, mit denen sich eine besondere Behandlung von Tieren im Zivilrecht häufig erklären lässt. Diese zentrale These soll im Hauptteil dieser Arbeit anhand von Beispielen exemplifiziert werden. Das erste Teilkapitel (§ 4) nimmt den Aspekt des Affektionsinteresses in den Blick. Zunächst soll dabei eine Begriffsbeschreibung und dogmatische Einordnung (I.) den Boden bereiten, um dann speziell auf ein Affektionsinteresse an Tieren zu sprechen zu kommen, indem Schrifttum und Rechtsprechung vor allem auf zwei Untersuchungsaspekte hin ausgewertet werden: Zum einen (II.) soll gezeigt werden, dass die Beziehung des Menschen zu Tieren dort eine Sonderstellung (mit gesteigertem Affektionsinteresse) einnimmt, zum anderen (III.) geht es um konkrete Beispiele der zivilrechtlichen (Nicht-)Berücksichtigung eines Affektionsinteresses an Tieren.
I. Der Begriff des Affektionsinteresses und seine schadensrechtliche Herkunft 1. Zur Terminologie „Affektionsinteresse“ ist ein römischen Quellen (affectio) entlehnter Begriff,534 der in ähnlicher Gestalt auch später in neuzeitlichen Kodifikationen535 auftaucht. Er wird in der deutschen Rechtswissenschaft benutzt, um die individuell-subjektive Wertschätzung einer Person gegenüber einem konkreten Gegenstand zu beschreiben, 534
Wacke, FS Behrends, S. 555, 567. Art. 216 des hessischen Entwurfs eines BGB von 1853: „… Wert, welchen der Beschädigte nach seiner persönlichen Vorliebe oder aus Neigung dem Gegenstande beilegt (Affectionswerth) …“; I 6 § 87 des Preußischen ALR von 1794: „Werth der besondern Vorliebe“; Art. 1151a des Badischen Landrechts von 1809: „bloße(r) Neigungswerth (…) des Beschädigten“; § 1331 des österreichischen AGBGB von 1811: „Werth (…) der besondern Vorliebe“; zitiert nach Wacke, FS Behrends, S. 555, 560 f. 535
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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die nicht von der Verkehrsauffassung gestützt wird, sondern auf einer gefühlsmäßigen Bindung beruht.536 Kennzeichnend für ein Affektionsinteresse ist, dass das Begehren, einen konkreten Gegenstand zu erwerben oder zu behalten, wegen einer subjektiven Beziehung der Person zu diesem Gegenstand über dessen gemeinen Wert hinausgeht und daher auch von der Bereitschaft getragen ist, einen über dem Marktwert liegenden Preis zu entrichten.537 Affektionsinteresse meint also den von der Allgemeinheit so nicht geteilten persönlichen Gefühlswert538, den eine Einzelperson einem bestimmten Gegenstand aufgrund ihrer persönlichen Zuneigung und Vorliebe beimisst.539 Aus dem Begriff des „Affektionsinteresses“ ausscheiden müssen nach diesem Verständnis damit solcherlei Interessen an Gegenständen, die zwar immaterieller Natur sind, aber nicht auf der emotionalen Wertschätzung eines Individuums beruhen, sondern auf einer gesellschaftlichen Einstufung als zum Beispiel historisch, wissenschaftlich, ökologisch oder künstlerisch wertvoll540. Zuweilen wird „Affektionsinteresse“ auch mit dem Wort „Liebhaberinteresse“ vermischt oder synonym verwendet. Charakteristisch an einem Affektionsinteresse im hier gemeinten Sinne ist aber die ausgesprochene Subjektivität der Wertschätzung,541 eine (jedenfalls weitgehende) Singularität der individuellen Bindung einer Person zu einem konkreten Objekt. Von dem Begriff abzuscheiden sind daher „Liebhaberwerte“, die – wenn auch nicht von der Mehrzahl der Menschen – aber doch von einer Gruppe Interessierter geteilt werden, die als Nachfrager einen Markt erzeugen und so den Wert ihrer aller besonderen Vorliebe in gewisser Weise bezifferbar machen (zum Beispiel bei Oldtimern), als geldwerte Liebhaberwerte auf Spezialmärkten.542 Ein reines Affektionsinteresse zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die besondere Wertschätzung nur in der Person desjenigen empfunden wird, der zu dem Gegenstand eine individuelle emotionale Verbindung entwickelt hat, das heißt dass es einen irgendwie gearteten Marktwert für das Affektionsinteresse mangels anderer Menschen, die eben diesen konkreten „Gefühlswert“ teilen, nicht gibt. 536
Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 676 (6. Aufl. 2014). Wacke, FS Behrends, S. 555, 557. 538 LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244. 539 Siehe auch Sanden/Völtz, Sachschadenrecht, Rn. 181 (9. Aufl. 2011), die „Affektionsinteresse“ definieren als „Liebhaberwert, den eine (…) Sache aus bestimmten emotionalen und persönlichen Gründen für ihren Eigentümer“ hat. 540 Beispiele bei Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 102. 541 Vgl. MüKo-Oetker § 249 BGB Rn. 25 (7. Aufl. 2016); Staudinger-Schiemann Vor §§ 249 – 254 BGB Rn. 47 (Neubearb. 2005). 542 Vgl. Ködgen, AcP 177 (1977), 1, 11; Staudinger-Schiemann Vor §§ 249 – 254 BGB Rn. 47 (Neubearb. 2005); MüKo-Oetker § 249 BGB Rn. 25 (7. Aufl. 2016); Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 10 (76. Aufl. 2017); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 24 (3. Aufl. 2016); Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 52 (3. Aufl. 2003); Wacke, FS Behrends, S. 555, 559; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht, Rn. 181 (9. Aufl. 2011); OLG Koblenz, Urt. v. 10. 05. 1999 – 12 U 323/98, r + s 2000, 456, 457; LG Essen, Urt. v. 29. 06. 1983 – 15 S 137/83, zfs 1986, 201. 537
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In der Antike spielten Affektionsinteressen, die ja bereits Gegenstand des römischen Rechts waren, nicht zuletzt eine Rolle in Bezug auf Sklaven.543 In diesem Zusammenhang tritt eine weitere Abgrenzungslinie hervor, die auch Tiere betrifft. Es ist nämlich Humanität und das generelle Mitgefühl gegenüber Lebewesen als solchen zu trennen von der auf ein ganz individuelles Bezugsobjekt konkretisierten Zuneigung.544 Nur letztere ist hier mit Affektionsinteresse gemeint, nicht etwa eine allgemein Tieren oder gewissen Arten von Tieren gegenüber bestehende positive Grundstimmung oder Empathie. Ebenfalls nicht berührt ist ein Affektionsinteresse, wenn von einer individuellen545 oder subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Rede ist.546 Hinter dieser Formulierung steht vielmehr die Überlegung, dass sich die Schadensermittlung an den konkret für den Geschädigten in seinen individuellen Verhältnissen entstandenen wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren hat.547 Nicht zu verwechseln ist die Beeinträchtigung von Affektionsinteressen schließlich auch mit den aus dem Verlust eines vertrauten Gegenstandes resultierenden, über den bloßen Substanzverlust hinausgehenden Nachteilen wirtschaftlicher Natur, mögen sie den Geschädigten auch – wie bei der Verletzung des Gefühlswertes – individuell treffen, etwa indem die eigens auf die Sache gemachten notwendigen und Luxus-Aufwendungen nunmehr frustriert sind oder die Sache für die beabsichtigte künftige Nutzung oder einen anstehenden gewinnbringenden Verkauf nicht mehr zur Verfügung steht. 2. Bezugspunkt und Ausprägung eines Affektionsinteresses Grundsätzlich beschreibt der Begriff des Affektionsinteresses eine Wertschätzung, die Personen im Prinzip zu jeder Art von Gegenstand aufbauen könnten. Für die Frage, wie stark und wie schnell eine Person eine emotionale Bindung zu Gegenständen entwickelt, kommt dabei gewiss auch der jeweiligen charakterlichen Veranlagung ein großer Einfluss zu. Die Intensität eines Affektionsinteresses kann auf einer stufenlosen Skala sehr variieren und korrespondiert keineswegs proportional mit dem objektiven Wert des Bezugsobjekts548. Zu vielen Gegenständen mag allein aus einer gewissen Gewöhnung heraus eine individuelle Beziehung entstehen, die subjektiv empfunden wird und nicht bezifferbar ist (etwa der Ohrensessel, in dem man sich jahrelang niederließ; die Aktentasche, die einen tagtäglich begleitete). Dabei wird diese Bindung, typisierend betrachtet, umso stärker ausfallen, je mehr der 543
Wacke, FS Behrends, S. 555, 557 f., 576. Vgl. Wacke, FS Behrends, S. 555, 571; zwischen allgemeiner Tierliebe und einer auf ein ganz bestimmtes Tier konkretisierten Zuneigung differenziert auch LG Rottweil, Urt. v. 25. 01. 2017 – 1 S 23/16, NJW-RR 2017, 562, 563. 545 Wilk, S. 168 ff. 546 Vgl. dazu Schmid, VersR 1979, 402, 403. 547 Siehe BGH, Urt. v. 26. 09. 1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304; MüKo-Oetker, § 249 BGB Rn. 25 (7. Aufl. 2016). 548 Vgl. Reiff, NZV 1996, 425, 429. 544
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Gegenstand gleichsam durch einen subjektiven Widmungsakt einzigartig geworden ist, indem er als Bezugsobjekt von Erinnerungen an persönlich für wichtig empfundene Ereignisse oder Personen fungiert (etwa der Ohrensessel als Erbstück des verstorbenen Vaters; die Aktentasche als Mitbringsel von einer schönen Reise). Bei der Verwendung des Terminus „Affektionsinteresse“ im juristischen Zusammenhang schwingt jeweils die Vorstellung mit, dass nicht alle erdenklichen Gegenstände gleichermaßen als Bezugsobjekt einer gesteigerten emotionalen Wertschätzung in Frage kommen. Als Beispiele besonders typischer Objekte eines Affektionsinteresses werden etwa Erb- und Erinnerungsstücke, Familienfotos und andere Unikate mit besonderer Historie, Autos, Kunstwerke, Pflanzen, auch Grundstücke genannt.549 Im Hinblick auf die erforderliche Intensität des Affektionsinteresses folgt schon aus dessen Definition: Das ideelle Interesse an dem betreffenden Gegenstand muss mindestens so weit reichen, dass das durch die subjektive Beziehung zu dem Gegenstand begründete Erwerbs- oder Behaltensbegehren auch von der (potentiellen) Bereitschaft getragen ist, für diesen einen über dem Marktwert liegenden Preis zu zahlen.550 3. Dogmatische Einbettung im Schadensrecht Der Begriff des Affektionsinteresses ist vornehmlich im Schadensrecht angesiedelt. Unter diesem Begriff setzt sich die zu den §§ 249 ff. BGB entwickelte schadensrechtliche Dogmatik mit der Frage auseinander, welche Folgen die Rechtsordnung bei der Beeinträchtigung von solchen oben beschriebenen, in der Lebenswirklichkeit vorzufindenden gefühlsmäßigen Bindungen von Personen zu Gegenständen vorsieht. a) Keine schadensrechtliche Erfassung eines Affektionsinteresses ohne korrespondierende Rechtsposition Die Frage des Ersatzes für erlittene Beeinträchtigungen eines Affektionsinteresses stellt sich nicht isoliert und generell, sondern nur im Rahmen einer konkreten rechtlich geschützten Position als Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch. Das in den §§ 249 ff. BGB geregelte allgemeine Schadensrecht betrifft nur die Rechtsfolgenseite und setzt daher voraus, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht.551 Dies gilt auch für die Frage nach der Ersatzfähigkeit von „Gefühlswerten“. Zu ihr kommt es überhaupt erst, wenn eine Anspruchsgrundlage für eine Schadensersatzpflicht vorhanden ist, deren Umfang sich dann, wenn der 549
Beispiele bei Wacke, FS Behrends, S. 555, 557 f.; Schmid, VersR 1979, 402, 405; vgl. auch Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 102. 550 Wacke, FS Behrends, S. 555, 557. 551 Staudinger-Schiemann Vorbemerk. zu §§ 249 – 254 BGB Rn. 4 (Neubearb. 2005); Benicke, JA 1994, 1004.
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Tatbestand erfüllt ist, nach den §§ 249 ff. BGB bestimmt. Eine solche Schadensersatzpflicht knüpft an eine rechtlich geschützte Position des Verletzten an. Sofern es überhaupt einen Schutz von Affektionsinteressen im Wege des Schadensersatzes gibt, bedarf er also stets eines Ankers in Form einer schon vorhandenen Rechtsposition. Diese kann vertraglich begründet sein oder in Gestalt von im Gesetz angelegten Rechtsgütern (wie Eigentum, Besitz, körperliche Unversehrtheit) bestehen. In der Lebenswirklichkeit kann es freilich vorkommen, dass eine gefühlsmäßige Bindung zu einem Objekt (speziell zu Tieren) auch ohne eine Rechtsposition (insbesondere Eigentum) an diesem entsteht.552 Mit seiner großen persönlichen Wertschätzung eines Objektes wird jemand, der keine korrespondierende Rechtsposition hat, aber für die Zwecke des Schadensrechts schon allein aus diesem Grund nicht gehört. b) Affektionsinteresse als Teil des Integritätsinteresses, aber nicht des Wertsummeninteresses Der vorrangige Inhalt einer Schadensersatzpflicht liegt, wie man aus der Systematik der §§ 249 ff. BGB folgert, darin, den hypothetisch ohne die Schädigung bestehenden Zustand in natura wiederherzustellen, § 249 Abs. 1 BGB (oder in Fällen des § 249 Abs. 2 BGB den dazu erforderlichen Geldbetrag zu zahlen).553 Diese Naturalrestitution ist auf das Integritätsinteresse des Geschädigten gerichtet. Bezogen auf den Fall der Beschädigung einer Sache bedeutet sie vor allem deren Reparatur, im Falle der Verletzung eines Tieres dessen Heilbehandlung. Hierdurch werden gleichsam reflexartig auch etwaige Affektionsinteressen mit befriedigt,554 denn sie sind gekoppelt an die Integrität des konkreten Objekts, auf das sich die besondere emotionale Wertschätzung bezieht. Ob als Folge der Wiederherstellung Vermögens- oder Nichtvermögensschäden geheilt werden, spielt für die grundsätzliche Pflicht zur Naturalrestitution gar keine Rolle;555 für diese Unterscheidung ist sie blind. Naturtalrestitution ist etwa auch dann geschuldet, wenn die wiederherzustellende Sache nur einen Gefühlswert und überhaupt keinen materiellen Wert hat.556 Während im Falle der Reparatur, als einer Variante der Naturalrestitution, etwaige erlittene Beeinträchtigungen eines Affektionsinteresses automatisch mit 552
Siehe nur Schmid, VersR 1979, 402, 405. Staudinger-Schiemann Vorbemerk. zu §§ 249 – 254 BGB Rn. 3 (Neubearb. 2005); Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 1 (14. Aufl. 2014); BGH, Urt. v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90 (BGHZ 115, 364), NJW 1992, 302, 303; Urt. v. 15. 02. 2005 – VI ZR 70/04 (BGHZ 162, 161), NJW 2005, 1108; vgl. Fikentscher/Heinemann, S. 331 f. Rn. 672 (10. Aufl. 2011). 554 Vgl. Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Bamberger/Roth-Flume § 249 BGB Rn. 3 (41. Ed. 2016). 555 MüKo-Oetker § 249 BGB Rn. 24, 321 (7. Aufl. 2016); Jauernig-Teichmann § 249 BGB Rn. 2 (16. Aufl. 2015); Fikentscher/Heinemann, S. 331 Rn. 671 (10. Aufl. 2011); StaudingerSchiemann Vorbemerk. zu §§ 249 – 254 BGB Rn. 46 (Neubearb. 2005); Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 50 (3. Aufl. 2003); Benicke, JA 1994, 1004, 1005. 556 Deutsch, S. 451. 553
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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restituiert werden, trifft dies auf Ersatzbeschaffungen hingegen nicht zu. Jedenfalls bei vertretbaren Sachen (und in den Augen der Rechtsprechung557 auch darüber hinaus bei Gebrauchtwagen etc.) gilt auch die Ersatzbeschaffung als Naturalrestitution, da dies ebenfalls dem Interesse des Geschädigten am Erhalt seines Vermögens in der konkreten Zusammensetzung Rechnung trägt. Ein Affektionsinteresse wird freilich wegen seiner Koppelung an den ganz konkreten Gegenstand durch eine Ersatzbeschaffung nicht befriedigt. Jedoch lässt sich verallgemeinern, dass vertretbare Sachen ohnehin gar nicht zu der Kategorie von Objekten gehören, die häufiger mit einem Affektionsinteresse in Verbindung gebracht werden. Ersatzlos verpuffen müssen bestehende Affektionsinteressen aber jedenfalls, wenn aus den in § 251 BGB genannten Gründen eine Naturalrestitution nicht verlangt werden kann, da sie nicht möglich, zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. In diesem Fall greift die zweitrangige Ebene des Schadensersatzes, die Kompensation in Gestalt von monetärem Wertersatz. Befriedigt wird hierdurch nicht das Interesse des Geschädigten am Erhalt seines Vermögens in der konkreten Zusammensetzung, sondern dem Werte nach.558 „Wert“ freilich meint den durch das Schadensereignis eingebüßten objektiven materiellen Wert.559 Zu ersetzen ist der Betrag, der zum Ankauf einer gleichwertigen Sache erforderlich ist, der sogenannte Wiederbeschaffungswert.560 Die auf einer subjektiven Beziehung zu der konkreten nicht wiederherzustellenden Sache beruhende gesteigerte Wertschätzung spiegelt sich darin nicht wider; der insoweit erlittene Verlust bleibt also nach § 251 BGB unersetzt.561 c) Die Beeinträchtigung des Affektionsinteresses als Nichtvermögensschaden In der die Schadensdogmatik prägenden Zweiteilung in Vermögensschäden (materielle Schäden) und Nichtvermögensschäden (= immaterielle/ideelle562 Schäden) gehören Affektionsinteressen im hier zugrunde gelegten Sinne in letztere 557 St. Rspr., siehe BGH, Urt. v. 20. 06. 1972 – VI ZR 61/71, NJW 1972, 1800, 1801; Urt. v. 23. 03. 1976 – VI ZR 41/74 (BGHZ 66, 239), NJW 1976, 1396, 1397; Urt. v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90 (BGHZ 115, 364), NJW 1992, 302, 303; Urt. v. 15. 10. 1991 – VI ZR 67/91 (BGHZ 115, 375), NJW 1992, 305, 306; Urt. v. 29. 04. 2003 – VI ZR 393/02 (BGHZ 154, 395), NJW 2003, 2085; Urt. v. 15. 02. 2005 – VI ZR 70/04 (BGHZ 162, 161), NJW 2005, 1108; mit Zustimmung von Lipp, NZV 1992, 70, 71 sowie NZV 1996, 7, 8 und v. Gerlach, DAR 1992, 201, 202. 558 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 818 (26. Aufl. 2017). 559 Oetker, NJW 1985, 345, 346; vgl. Geigel-Knerr Kap. 3 Rn. 50 (27. Aufl. 2015). 560 Jauernig-Teichmann § 251 BGB Rn. 5 (16. Aufl. 2015). 561 Siehe Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 50 (3. Aufl. 2003); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 14 (7. Aufl. 2016); Oetker, NJW 1985, 345, 346; Theissen, JA 2009, 366, 371; Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 10 (76. Aufl. 2017); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 24 (3. Aufl. 2016); Sanden/Völtz, Sachschadenrecht, Rn. 181 (9. Aufl. 2011). 562 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 50 (3. Aufl. 2003).
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Kategorie, setzt doch „Vermögensschaden“ voraus, dass dem Vermögen ein in Geld messbarer563 Wert abgeflossen ist, was sich nach dem materiellen Wert des geschädigten Objekts bestimmt. Bezeichnend an einem Affektionsinteresse ist aber gerade, dass sich dieses nicht in einem allgemeinen Marktwert spiegelt, da es sich um einen rein subjektiven Gefühlswert handelt, der nur in der persönlichen Wertschätzung eines Einzelindividuums besteht. Der Mehrwert, den eine Person einem Objekt deshalb zumisst, weil es ein gewohnter und sogar lieb gewonnener Gegenstand ist, wird in der Form ebenso wenig von anderen geteilt und daher vom Markt honoriert wie der damit korrespondierende über den Marktwert hinausgehende Verlust, der empfunden wird, wenn eben dieser konkrete Gegenstand beeinträchtigt oder zerstört wird. Es handelt sich daher um einen immateriellen Schaden.564 Während die Wiederherstellungspflicht gemäß § 249 BGB unabhängig von der Einordnung eines Schadens als materiell oder ideell gilt, erlangt die Unterscheidung indes Bedeutung auf der Stufe der Kompensation. Soweit Nichtvermögensschäden betroffen sind, begrenzt nämlich § 253 BGB die Pflicht zur Entschädigung in Geld auf die gesetzlich bestimmten Fälle. Die Beschädigung oder Zerstörung eines Eigentumsobjekts (in deren Folge dann Affektionsinteressen berührt sein können) gehört nicht dazu.565 d) Kein Geldersatz für die Beeinträchtigung eines Affektionsinteresses? Ihre zentrale Bedeutung erlangt die Frage nach einem Schadensersatz für erlittene Beeinträchtigungen eines Affektionsinteresses beim Geldersatz (§ 251 BGB). Dabei bestätigt das heutige Schrifttum566 in großer Einigkeit den schon früher als „unangefochten[en]“ Lehrsatz567, gar als Axiom568 bezeichneten Grundsatz, dass das BGB Geldersatz für Affektionsinteressen (de lege lata) nicht gewährt. Als dogmatisches Argument wird maßgeblich die soeben genannte Sperre des § 253 BGB herangezogen,569 die den Geldersatz für Nichtvermögensschäden, zu denen auch die Beeinträchtigung von Affektionsinteressen gehört,570 begrenzt. 563 Vgl. jurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 24 (7. Aufl. 2014); Bamberger/Roth-Flume § 249 BGB Rn. 63 (41. Ed. 2016); Benicke, JA 1994, 1004, 1005. 564 Wacke, FS Behrends, S. 555, 564. 565 Vgl. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 821 (26. Aufl. 2017); Theissen, JA 2009, 366, 371. 566 Etwa Bamberger/Roth-Flume § 249 BGB Rn. 129 (41. Ed. 2016); MüKo-Oetker § 249 BGB Rn. 25 (7. Aufl. 2016); Staudinger-Schiemann Vorbemerk. zu §§ 249 – 254 BGB Rn. 47 (Neubearb. 2005); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 676 (6. Aufl. 2014); Lange/ Schiemann, Schadensersatz, S. 50 (3. Aufl. 2003). 567 Ködgen, AcP 177 (1977), 1, 11. 568 Wacke, FS Behrends, S. 555. 569 Erman-Ebert § 253 BGB Rn. 1 (14. Aufl. 2014); Oetker, NJW 1985, 345, 346; Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Staudinger-Schiemann Vorbemerk. zu §§ 249 – 254 BGB Rn. 47 (Neubearb. 2005).
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Das Affektionsinteresse als subjektive Wertschätzung ist eine innere Tatsache. Dies macht die Handhabung, wie bei allen Nichtvermögensschäden, problemanfällig. Die ablehnende Haltung gegenüber einer Erstreckung der Kompensationspflicht auf verletzte Affektionsinteressen und auch die Wertung in § 253 BGB erklären sich aus Bedenken bezüglich der Objektivierbarkeit571, Bezifferbarkeit572 und Nachweisbarkeit573 solcher Beeinträchtigungen (einschließlich der damit einhergehenden Missbrauchsgefahr), aus einer Abneigung gegenüber der ansonsten erforderlich werdenden unerwünschten Kommerzialisierung des Ideellen, aus Sorge vor der Eröffnung einer dem schrankenlosen richterlichen Ermessen ergebenen Billigkeitsrechtsprechung574 und einer für den Schädiger nicht absehbaren,575 damit schwer kalkulierbaren und folglich durch Versicherungen nicht gut kanalisierbaren Haftungsbelastung576. Allerdings gibt es auch Stimmen, die die Stichhaltigkeit dieser Erwägungen oder jedenfalls deren heutige Tragfähigkeit in Zweifel ziehen. Die Sorge vor auswuchernder richterlicher Ermessensfreiheit wird etwa unter Verweis auf den Begründungsdruck, der auf allen richterlichen Erwägungen lastet, relativiert.577 Das dem § 253 BGB ursprünglich zugrunde liegende Empfinden, ein Aufwiegen von ideellen Schäden mit Geld sei sittlich anstößig, wird als überholt angesehen.578 Dem Argument einer mangelnden Bezifferbarkeit immaterieller Schäden kann entgegen gehalten werden, dass eben dies auch im Hinblick auf Schmerzensgeldansprüche nach § 253 Abs. 2 BGB erforderlich ist sowie bei schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts praktiziert wird579 und die daraus erwachsende Rechtsprechung gangbare Wege für eine Bemessung und möglichst einheitliche Handhabung gefunden hat. Insofern gibt es die Überlegung, Affektionsinteressen ließen sich in ähnlicher Weise durch konventionelle Maßstäbe objektivieren.580 In diesem Zusammenhang wird auch auf die Möglichkeit der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO hingewiesen, mit dem Vorschlag einer extensiveren Anwendung der Norm.581 570 Schon die II. Kommission ordnete das Affektionsinteresse der Sperre des § 253 BGB unter, Protokolle I, S. 298. 571 Oetker, NJW 1985, 345, 346; OLG Koblenz, Urt. v. 10. 05. 1999 – 12 U 323/98, r + s 2000, 456, 457. 572 Fikentscher/Heinemann, S. 333 f. Rn. 678 (10. Aufl. 2011). 573 Schmid, VersR 1979, 402, 405. 574 Motive II, S. 22; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 51 (3. Aufl. 2003). 575 Oetker, NJW 1985, 345, 346. 576 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 56 (3. Aufl. 2003). 577 Ködgen, AcP 177 (1977), 1, 13. 578 Fikentscher/Heinemann, S. 334, Fn. 6 zu Rn. 678 (10. Aufl. 2011). 579 Wacke, FS Behrends, S. 555, 588. 580 Ködgen, AcP 177 (1977), 1, 13; Wacke, FS Behrends, S. 555, 565. 581 Ködgen, AcP 177 (1977), 1, 14; Wacke, FS Behrends, S. 555, 588.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
e) Berücksichtigung von Affektionsinteressen bei Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Aufwendungen zur Naturalrestitution Sobald die Weiche gestellt ist, dass nicht Naturalrestitution nach § 249 BGB, sondern Kompensation nach § 251 BGB geschuldet wird, herrscht zwar de lege lata Einigkeit darüber, ein etwaiges Affektionsinteresse bei Bemessung der Höhe der Geldentschädigung unberücksichtigt zu lassen. Im Rahmen dieser vorgelagerten Weichenstellung selbst kann ein Affektionsinteresse aber durchaus Bedeutung erlangen, nämlich im Rahmen des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB. Statt der Wiederherstellung in natura kann der Ersatzpflichtige danach den Gläubiger unter anderem dann lediglich in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Entscheidend für die Weichenstellung zwischen Naturalrestitution und Kompensation ist also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Nach verbreiteter582 Ansicht kann hierbei ein das Integritätsinteresse verstärkendes immaterielles Interesse Berücksichtigung finden583 oder, anders gewendet, das auch von einem Affektionsinteresse geprägte Anliegen des Geschädigten an der Herstellung einfließen.584 Dadurch setze man sich nicht in Widerspruch zu der in § 253 BGB zum Ausdruck kommenden restriktiven Grundwertung gegen eine Ersatzfähigkeit immaterieller Interessen, da hier dem Affektionsinteresse nur als Teil des Integritätsinteresses Rechnung getragen werde, welches der Gesetzgeber ersichtlich unabhängig vom materiellen Wert der Sache anerkannt habe.585 Als Argument wird auch die Überlegung angeführt, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung ansonsten bei Sachen mit ausschließlich immateriellem Wert (zum Beispiel objektiv wertloses Erinnerungsstück) undurchführbar wäre586 und in diesen Fällen der nach der Schadensdogmatik vorrangige Anspruch auf Naturalrestitution leerlaufen würde, da eine Wiederher582 A. A. aber zum Beispiel LG Wuppertal, Urt. v. 10. 05. 1979 – 9 S 347/78, NJW 1979, 2213 f. Für eine reine Orientierung am objektiven Verhältnis zwischen Wert des Gegenstandes und Herstellungskosten auch AG Augsburg, Urt. v. 19. 11. 1975 – 21 C 1476/75, VersR 1976, 648; RGRK-Alff § 251 BGB Rn. 19 (12. Aufl. 1976). 583 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 27 (Neubearb. 2005); Hk-Schulze § 251 BGB Rn. 4 (9. Aufl. 2017); Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 25 (14. Aufl. 2014); Deutsch, JuS 1987, 673, 680 f.; Grunsky, FS Jauch, S. 93, 96 f.; Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 102 f.; Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 6 (76. Aufl. 2017); Soergel-Ekkenga/Kuntz § 251 BGB Rn. 18 (13. Aufl. 2014); Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, § 51 II 5, Rn. 675 (21. Aufl. 2015); Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 238 (3. Aufl. 2003); Benicke, JA 1994, 1004, 1006; OLG Celle, Urt. v. 26. 05. 2004 – 3 U 263/03, NJW-RR 2004, 1605, 1606. 584 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 40 (7. Aufl. 2016); Oetker, NJW 1985, 345, 348; Reiff, NZV 1996, 425, 429 f.; Medicus, JuS 1969, 449, 453 (Hervorhebungen jeweils durch Verf.). 585 Oetker, NJW 1985, 345, 347 f.; Deutsch, JuS 1987, 673, 680. 586 § 251 II 1 BGB wird daher bei Sachen mit rein immateriellem Wert für unpassend (Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 25 [14. Aufl. 2014]) oder gar unanwendbar gehalten, woraufhin eine Abwägung anhand von § 242 BGB vorgeschlagen wird: JurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 58 (7. Aufl. 2014); vgl. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht I, Teilbd. 2, S. 208 (8. Aufl. 2000).
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stellung verglichen mit dem Marktwert (null) praktisch immer unverhältnismäßig wäre.587 Führe dies also dazu, dass immaterielle Interessen bei der Beeinträchtigung materiell wertloser Sachen zu berücksichtigen seien, gäbe es allerdings keinen Grund, nicht auch im Falle der Beschädigung einer Sache mit materiellem Wert zusätzlich das Affektionsinteresse des Eigentümers ins Gewicht fallen zu lassen.588 Im Ergebnis ist also bei der Frage, bis wie weit der Vorrang der Naturalrestitution reicht, nach dem Schrifttum das Affektionsinteresse des Eigentümers einer Sache in einer das durch § 249 BGB geschützte Integritätsinteresse verstärkenden Wirkung zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der subjektiven Wertschätzung eines Individuums gegenüber einer Sache – und damit letztlich eines Affektionsinteresses – verbirgt sich auch hinter dem auf der Rechtsprechung zur Wiederherstellung beschädigter Pkw beruhenden Begriff des „Integritätszuschlags“. Danach rechtfertigt das (nicht auf Kraftfahrzeuge beschränkte589) Interesse der Geschädigten daran, einen ihm vertrauten Gegenstand als solchen zu behalten, dass Kosten einer tatsächlich durchgeführten Reparatur desselben auch dann noch ersatzfähig sind, wenn sie bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes betragen, denn allein die Reparatur befriedige das Integritätsinteresse des Geschädigten.590 Die Rechtsprechung führt diese Abwägung allerdings nicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von § 251 Abs. 2 S. 1 BGB durch, sondern anhand des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB entnommenen591 „Wirtschaftlichkeitspostulats/-gebots“592. Dies erklärt sich daraus, dass der BGH die Kostenerstattung für die Wiederbeschaffung eines gebrauchten Kraftfahrzeugs als Fall der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ansieht.593 Somit stehen sich Reparatur und Beschaffung eines Ersatzwagens als zwei Arten der Wiederherstellung gegenüber, bei deren Auswahl der Schuldner das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten muss. Im 587 588
2014).
Medicus, JuS 1969, 449, 452; Berg, JuS 1978, 672, 674; Deutsch, JuS 1987, 673, 680. Medicus, JuS 1969, 449, 452; a. A. JurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 55 (7. Aufl.
589 Vgl. juris PK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 55; jüngst für die Reparatur eines Rennrads: OLG München, Urt. v. 16. 11. 2018 – 10 U 1885/18 – juris. 590 BGH, Urt. v. 05. 03. 1985 – VI ZR 204/83, NJW 1985, 2469 f.; Urt. v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90 (BGHZ 115, 364), NJW 1992, 302, 304; Urt. v. 15. 02. 2005 – VI ZR 70/04 (BGHZ 162, 161), NJW 2005, 1108, 1109. 591 Anknüpfungspunkt im Wortlaut des § 249 II 2 BGB ist, dass hier von dem zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag die Rede ist, siehe BGH, Urt. v. 29. 04. 2003 – VI ZR 393/02 (BGHZ 154, 395), NJW 2003, 2085; Reinking, DAR 1997, 425. 592 BGH, Urt. v. 15. 02. 2005 – VI ZR 70/04 (BGHZ 162, 161), NJW 2005, 1108; Urt. v. 29. 04. 2003 – VI ZR 398/02 (BGHZ 155, 1), NJW 2003, 2086, 2087; Urt. v. 29. 04. 2003 – VI ZR 393/02 (BGHZ 154, 395), NJW 2003, 2085; Urt. v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90 (BGHZ 115, 364), NJW 1992, 302, 303; Urt. v. 15. 10. 1991 – VI ZR 67/91 (BGHZ 115, 375), NJW 1992, 305, 306. Maßstab ist „ein verständiger, wirtschaftlich denkender Halter in der besonderen Lage des Geschädigten“, BGH, Urt. v. 06. 11. 1973 – VI ZR 27/73 (BGHZ 61, 346), NJW 1974, 34, 35; siehe dazu auch v. Gerlach, DAR 1992, 201, 202. 593 St. Rspr., zum Beispiel BGH, Urt. v. 15. 02. 2005 – VI ZR 70/04 (BGHZ 162, 161), NJW 2005, 1108; siehe hierzu schon die Nachweise bei Fn. 557.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Schrifttum594 geht man indes bei nicht vertretbaren Sachen, also auch in diesen Konstellationen eines individuellen gebrauchten Pkws, eher von der Unmöglichkeit der Naturalrestitution aus (da man die Wiederbeschaffung einer Ersatz-Sache nicht als Naturalrestitution ansieht), sodass es – allerdings verortet in § 251 Abs. 2 BGB – auf die im Ergebnis ähnliche Frage ankommt, ob noch Wiederherstellung – also Reparatur – geschuldet ist oder nur ein Kompensationsanspruch besteht, zu dessen Ausfüllung ebenfalls der Wiederbeschaffungswert herangezogen wird. Der BGH betont zwar, die Berücksichtigung eines Integritätszuschlags von 30 % des Wiederbeschaffungswerts beruhe keineswegs auf einer Anerkennung immaterieller Erwägungen oder eines – schadensrechtlich nicht berücksichtigungsfähigen – Affektionsinteresses, sondern vielmehr auf wirtschaftlichen Aspekten, die darin bestünden, dass der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs die Umstände, die seinem Fahrzeug ein individuelles Gepräge geben (wie dieses gefahren, gewartet und sonst behandelt worden ist, welche Mängel dabei aufgetreten und auf welche Weise sie behoben worden sind), kenne, während ihm diese beim Kauf eines (anderen) Gebrauchtwagens unbekannt seien.595 Darin liegt aber nichts anderes als eine subjektivindividuelle Wertschätzung, die nur in der Person des Geschädigten existiert; das beschriebene Gefühl des „Vertrauens“ gegenüber dem individuellen Kraftfahrzeug wird nicht von anderen geteilt und ist daher nicht marktfähig und monetär messbar, es verfügt über keinen objektiven Wert. Eben dadurch aber ist ein Affektionsinteresse charakterisiert. In der Sache handelt es sich bei dem für Reparaturkosten gewährten Integritätszuschlag daher entgegen der Deklarierung des BGH um die Berücksichtigung eines Affektionsinteresses.596 Da eine Reparatur das (eben auch durch Affektionsinteressen geprägte) Integritätsinteresse des Geschädigten am besten befriedigt, werden hierdurch verursachte Kosten auch dann noch für ersatzfähig angesehen, wenn sie höher ausfallen als diejenigen der alternativ geschuldeten Wiederbeschaffung. In diesem Ergebnis stimmen Rechtsprechung und Lehre trotz unterschiedlicher gesetzlicher Anknüpfungspunkte überein.597 594
427. 595
Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 818 (26. Aufl. 2017); Reiff, NZV 1996, 425,
BGH, Urt. v. 15. 02. 2005 – VI ZR 70/04 (BGHZ 162, 161), NJW 2005, 1008, 1009; krit. dazu Sanden/Völtz, Sachschadenrecht, Rn. 150 f. (9. Aufl. 2011). 596 Ebenso Schnell, S. 260; vgl. auch Lipp, NJW 1990, 104, 105 und NZV 1996, 7, 11 f. (Integritätszuschlag diene „dem Ausgleich immaterieller Interessen“); Völtz, NZV 1999, 160, 161 (Der BGH nähere sich mit dem Integritätszuschlag „entgegen aller Beteuerung (…) doch sehr einem Affektionsinteresse des Geschädigten“); Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 11 (Voraufl., 39. Ed. 2011), der den sog. Integritätszuschlag als Beispiel für die Berücksichtigung immaterieller Interessen nennt; zweifelnd Grunsky, JZ 1992, 806, 807 („geht es dabei vielleicht nicht doch eher um ein bloßes Affektionsinteresse“); den Integritätszuschlag wohl auch dem Affektionsinteresse bzw. immateriellen Interessen zuordnend Schiemann, EWiR 1992, 139 f.; Eggert, DAR 2001, 20, 23; Lehmann, VersR 2011, 1412, 1413; a. A. Reinking, DAR 1997, 425, 427. 597 Dass Rechtsprechung und herrschende Lehre trotz unterschiedlicher gesetzlicher Anknüpfungspunkte in der Sache zu ähnlichen Ergebnissen kommen, betonen auch Reiff, NZV 1996, 425, 426 u. Medicus/Pertersen, Bürgerliches Recht, Rn. 818 (26. Aufl. 2017).
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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4. Berücksichtigung von Affektionsinteressen außerhalb des Schadensrechts Der Begriff des Affektionsinteresses und die Frage nach der rechtlichen Bedeutsamkeit einer solchen subjektiv-individuellen Wertschätzung spielt im Zivilund Zivilverfahrensrecht auch jenseits des Schadensrechts vereinzelt eine Rolle. So ist beispielsweise im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs des Verwahrers gegen den Hinterleger (§ 693 BGB) bei der Frage, ob der Verwahrer die zum Zwecke der Aufbewahrung gemachten Aufwendungen „den Umständen nach für erforderlich halten“ durfte, zwar grundsätzlich der objektive Wert der Sache maßgeblich; ein im Einzelfall bestehendes besonderes Affektionsinteresse des Hinterlegers an der Sache soll jedoch dazu führen, dass Aufwendungen noch über den objektiven Wert der Sache hinaus für erforderlich gehalten werden dürfen.598 Ähnliches dürfte dann auch im Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch des Beauftragten (§ 670 BGB) oder des Geschäftsführers einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 S. 1, 670 BGB) gelten. Ein weiteres Beispiel findet sich im Kontext des Rechtfertigungsgrundes „Notstand“ gemäß § 228 BGB, dessen Tatbestand eine Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht. Ausgangspunkt für diese bildet zwar ein Vergleich des materiellen Werts der sich gegenüberstehenden Sachgüter, jedoch sollen Affektionsinteressen auf beiden Seiten der Güterabwägung Berücksichtigung finden.599 Teilweise wird formuliert600, dies solle nur für berechtigte Affektionsinteressen gelten. Damit ist wohl eine Beschränkung auf solcherart von emotional begründeter subjektiver Wertschätzung gemeint, die von der allgemeinen Verkehrsanschauung als nachvollziehbar eingestuft wird. Im Zivilverfahrensrecht taucht die Frage nach einer Berücksichtigung von Affektionsinteressen bei der Bemessung von Streitwerten und des Wertes der Beschwer auf. Für die Wertfestsetzung nach § 3 ZPO sollen zwar grundsätzlich objektive Gesichtspunkte zugrunde zu legen und der Verkehrswert des Gegenstandes zu ermitteln601 sein. Jedoch können im Einzelfall auch „Liebhaber- und sonstige Affektionsinteressen“ mitberücksichtigt werden,602 denn auch ein Prozess über derartige Interessen müsse geführt und sein Streitwert bestimmt werden können.603 598 jurisPK-Jülch § 693 BGB Rn. 8 (7. Aufl. 2014); Staudinger-Reuter § 693 BGB Rn. 6 (Neubearb. 2015). 599 Erman-Wagner § 228 BGB Rn. 7 (14. Aufl. 2014); MüKo-Grothe § 228 BGB Rn. 10 (7. Aufl. 2015); beide unter Verweis bereits auf das RG (JW 1926, 1145 f.). 600 jurisPK-Backmann § 228 BGB Rn. 12 (7. Aufl. 2014); Staudinger-Repgen § 228 BGB Rn. 31 (Neubearb. 2014). 601 Musielak/Voit-Heinrich § 3 ZPO Rn. 8 (13. Aufl. 2016). 602 Musielak/Voit-Heinrich § 3 ZPO Rn. 9 (13. Aufl. 2016); Saenger-Bendtsen § 3 ZPO Rn. 7 (6. Aufl. 2015); Stein/Jonas-Roth § 3 ZPO Rn. 15 (23. Aufl. 2014); BGH, Beschl. v. 16. 01. 1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547, 548. 603 Musielak/Voit-Heinrich § 3 ZPO Rn. 9 (13. Aufl. 2016); Stein/Jonas-Roth § 3 ZPO Rn. 15 (23. Aufl. 2014).
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Eine Hervorhebung verdienen zwei Vorschriften aus dem Erbrecht: § 2373 S. 2 BGB und § 2047 Abs. 2 BGB könnte man als eine gesetzliche Anerkennung von an Familienpapieren und Familienbildern bestehenden Affektionsinteressen werten.604 Gemäß § 2373 S. 2 BGB sind bei einem Erbschaftskauf Familienpapiere und Familienbilder im Zweifel nicht als mitverkauft anzusehen. Die Gesetzgebungsmaterialien sprechen davon, dass hierdurch „Pietätsinteressen“ des Erbschaftsverkäufers geschützt werden sollen.605 § 2047 Abs. 2 BGB bestimmt, dass bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft Schriftstücke, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers, auf dessen Familie oder auf den ganzen Nachlass beziehen, gemeinschaftlich bleiben. Dies soll sich (jedenfalls auch) aus dem ideellen Interesse rechtfertigen, das die Miterben an dem Fortbestand einer gesamthänderischen Bindung dieser Schriftstücke haben.606 Familienbilder werden von § 2047 Abs. 2 BGB im Unterschied zu § 2373 S. 2 BGB nicht erwähnt. Eine von manchen als wünschenswert erachtete607 Anwendung von § 2047 Abs. 2 BGB auch auf Familienfotos oder andere Erinnerungsstücke ist daher wegen der insoweit ausdrücklich abweichenden Formulierung in § 2373 S. 2 BGB de lege lata nach allgemeiner Ansicht ausgeschlossen.608 Dass sich der Gesetzgeber der Existenz immaterieller Interessen bewusst ist und diesen – wenn auch restriktiv – unter bestimmten Umständen rechtliche Bedeutung beimisst, geht schon aus § 253 BGB hervor. Die genannten Regelungen des Erbrechts könnten aber darüber hinausgehend als Beleg dafür gesehen werden, dass der Gesetzgeber auch speziell die subjektivemotionale Bindung einer Person zu einer Sache – das Affektionsinteresse als eine Subkategorie immaterieller Interessen – als potentiell rechtserheblich einstuft und typisierend für eine bestimmte Art von Bezugsobjekt unter einen – der Disposition der betreffenden Parteien unterworfenen609 – Schutz des Gesetzes stellt.
604
Wacke, FS Behrends, S. 555, 558. Protokolle II, S. 114; Bamberger/Roth-Litzenburger § 2373 BGB Rn. 1 (41. Ed. 2016); MüKo-Musielak § 2373 BGB Rn. 2 (7. Aufl. 2017); Staudinger-Olshausen § 2373 BGB Rn. 4 (Neubearb. 2016). 606 Staudinger-Löhnig § 2047 BGB Rn. 5 (Neubearb. 2016). 607 Staudinger-Löhnig § 2047 BGB Rn. 7 (Neubearb. 2016); siehe auch schon Bartholomeyczik, in: 4. Denkschrift des Erbrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht, S. 287 f. 608 MüKo-Ann § 2047 BGB Rn. 7 (7. Aufl. 2017); Bamberger/Roth-Lohmann § 2047 BGB Rn. 3 (41. Ed. 2016); Erman-Bayer § 2047 BGB Rn. 3 (14. Aufl. 2014); jurisPK-Schütte § 2047 BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2014). 609 Bei § 2373 S. 2 BGB handelt es sich, wie schon dem Wortlaut zu entnehmen ist, um eine bloße Auslegungsregel; und auch von der Regel des § 2047 II BGB kann durch einvernehmliche Vereinbarung der Miterben abgewichen werden, siehe Bamberger/Roth-Lohmann § 2047 BGB Rn. 3 (41. Ed. 2016); jurisPK-Schütte § 2047 BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2014); Staudinger-Löhnig § 2047 BGB Rn. 6 (Neubearb. 2016). 605
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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II. Generell gesteigertes Affektionsinteresse an Tieren? Tieren kommt, so eine Hypothese dieser Arbeit, als Bezugspunkt eines Affektionsinteresses im Vergleich zu Sachen eine Sonderrolle zu, die darin besteht, dass nach genereller Betrachtung (gleichsam im Durchschnitt) Tiere – vor allem Haustiere – deutlich öfter und intensiver Bezugspunkt eines Affektionsinteresses sind als Sachen. Das ist nicht folgenlos, denn bei der in § 90a S. 3 BGB angeordneten entsprechenden Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften kann einem solchen generellen Unterschied zu Sachen Rechnung getragen werden, mit Konsequenzen für die zivilrechtliche Behandlung von Streitigkeiten, die Tiere zum Gegenstand haben. 1. Mögliche Gründe Einige naheliegende Überlegungen lassen es plausibel erscheinen, dass die Beziehung von Menschen zu Tieren emotionaler geprägt ist als zu Sachen, auch wenn die genauere soziologische, ethologische und psychologische Erforschung des Mensch-Tier-Verhältnisses den jeweiligen Fachdisziplinen vorbehalten bleiben muss, auf die hier nur verwiesen werden kann.610 Evident scheint jedenfalls, dass die aus der Lebendigkeit von Tieren folgenden Eigenschaften sie in besonderer Weise von Sachen unterscheiden. Denn diese legen Parallelen zum Menschen offen und führen so dazu, dass der Mensch sich mit Tieren identifizieren kann.611 Besonders ausschlaggebend für ein wohl gegenüber Tieren im Allgemeinen stärkeres Affektionsinteresse könnte sein, dass Tiere, anders als Sachen, aus einer ihrer Lebendigkeit entspringenden Eigendynamik heraus in der Lage sind, mit Menschen gleichsam sozial zu interagieren.612 Menschliche Zuneigung scheint sich dabei vor allem zu solchen Tieren einzustellen, die dem Menschen den subjektiven Eindruck zu vermitteln vermögen, zu ihm als Individuum ihrerseits eine Bindung zu haben (Paradebeispiel: „Familienhund“), woraufhin der Mensch vielleicht das in der sozialen Interaktion mit Menschen erlernte Muster anwendet, die ihm in seiner Wahrnehmung seitens des Tieres entgegengebrachte „Wertschätzung“ wohlwollend mit erwidernder Zuneigung zu quittieren. Die Eigendynamik eines Tieres hat auch zur Folge, dass Menschen einen eigenen Charakter und Willen des Tieres zu erkennen glauben und ihm seine Zuneigung gleichsam als Akt der Liebenswürdigkeit zurechnen. Als weitere aus der Lebendigkeit von Tieren erwachsene Parallele zu ihm selbst erkennt der Mensch in Tieren auch die Fähigkeit zu Gefühlen wie Schmerz oder Freude, was Empathie ermöglicht und so Raum für eine emotionale Nähe und Anteilnahme gibt. 610
Siehe dazu die Beiträge in Otterstedt/Rosenberger, S. 55 ff. m. w. N., und bei Otterstedt/ Olbrich, S. 68 ff. 611 Zur Übertragung menschlicher Charaktereigenschaften auf Tiere siehe auch Schumann, in: Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium, S. 181, 182 f. 612 Siehe dazu die Beiträge in Otterstedt/Olbrich, S. 84 ff.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
2. Anhaltspunkte im Schrifttum Im juristischen Schrifttum finden sich Hinweise darauf, dass vielfach bei Tieren von einer besonders ausgeprägten gefühlsmäßigen Bindung des Menschen ausgegangen wird. So heißt es etwa, Tiere könnten „nicht uneingeschränkt wie Sachen behandelt werden (…), deren Wert ausschließlich materieller Art“ sei.613 Es bestehe eine „besondere(…) Qualität der Beziehung zwischen Mensch und Haustier“614; „der Halter eines lebenden Wesens [unterhalte] zu diesem ganz andere Beziehungen als der Besitzer einer materiellen Sache“615 ; für den Betroffenen stelle „das Tier eine Persönlichkeit mit unverwechselbaren, individuellen Zügen dar, die sich nicht einfach austauschen“ lasse „wie ein Auto“616. Bei der Verletzung eines Tieres werde „oftmals ein beträchtlicher Nichtvermögensschaden mit gegeben sein“617. Menschen sähen „im Tier den treuen und uneigennützigen Freund und Gefährten“.618 Haustiere trügen „häufig ganz wesentlich zum emotionalen und sozialen Miteinander einer Familie oder einer anderen Lebensgemeinschaft bei“; sie seien „Mitglied und Subjekt dieser Gemeinschaft, zu dem ein Mensch (…) eine lebhafte Gefühlsbeziehung“ entwickeln könne und „dadurch oft erst wieder stärker den Zugang zu sich“ finde.619 Man geht sogar so weit, zu sagen, „in Zeiten, in denen in Deutschland immer weniger Kinder geboren werden“, komme „dem Tier eine immer größere Ersatzfunktion zu“.620 Es ist die Rede von einer „emotionale[n] Beziehung des Menschen zum Tier als Sozialpartner“621. Im Kontext der mietrechtlichen Zulässigkeit von Tierhaltung wird darauf verwiesen, das Halten von Hunden oder Katzen, zu denen eine Bindung bestehe, entfalte erhebliche positive Wirkungen für den Menschen, unter anderem kommunikative Bedürfnisse könnten dadurch erfüllt werden.622 Tiere stellten „für viele und gerade ältere Menschen ein wichtiges Mittel dar, um der Vereinsamung Herr zu werden“623. Die Haltung von Haustieren werde „gemeinhin als ein Stück Lebensqualität angesehen“.624 Der Hund sei „des Menschen bester Freund“.625 613
MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 57 (7. Aufl. 2016). Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 26 (14. Aufl. 2014). 615 Sojka, WuM 1984, 259, 260. 616 Keller, VersR 1977, 145. 617 Thüsing, VersR 2001, 285, 293 Fn. 94. 618 Ennulat/Zoebe, S. 136; so auch schon Stolting/Zoebe, S. 96. 619 Kluge-von Loeper Einf. Rn. 145 (1. Aufl. 2002). 620 Börstinghaus, NZM 2008, 905, 907. 621 Kluge-von Loeper Einf. Rn. 131 (1. Aufl. 2002). 622 Apitz, WuM 2013, 127, 130 f.; zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse durch Tiere siehe (aus psychologischer Sicht) Vernooij, in: Otterstedt/Rosenberger, S. 158, 160 ff.; siehe auch Wolf, Tierethik, S. 89: „Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Kreislauftätigkeit, Lebensfreude und der Präsenz von geliebten Haustieren“. 623 Schach, GE 1992, 1291; ähnlich Sojka, WuM 1984, 259; siehe auch Sojka, WuM 1983, 127 f. (mit Beispielen aus der Rechtsprechung). 624 Steinig, GE 1997, 523. 614
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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Dabei wird hinsichtlich der Intensität der emotionalen Beziehung häufig eine Differenzierung danach vorgenommen, zu welchem Zweck die domestizierten Tiere im Einzelfall (hauptsächlich) gehalten werden, ob als Nutz- und Liebhabertiere626: „die gefühlsmäßige Bindung des Eigentümers“ könne „bei Haustieren wie Katzen oder Hunden ungleich stärker sein als bei reinen Nutztieren“627, „(…) bei sogenannten Affektionstieren (Hund, Hauskatze etc.)“ erfordere „die besondere emotionale Bindung zwischen Tier und Mensch eine andere Betrachtungsweise (…) als bei ,leblosen Sachen‘“628 ; dem Menschen liege „ein Haustier mehr am Herzen (…) als eine Sache“, „gerade Hunde oder Katzen“ würden „von den Haltern oft als vollwertiges Familienmitglied angesehen“629. Diese Prämissen werden nicht auf empirische Befunde oder soziologische oder psychologische Studien gestützt, sondern eher als evidente Beobachtung oder Ansicht der Verkehrsauffassung vorausgesetzt; so wird etwa darauf verwiesen, dass „[w]eite Kreise der Bevölkerung (…) zwischen Tieren und leblosen Sachen“ differenzierten und „individuellen, manchmal schon persönlichen Beziehungen zwischen Mensch und Tier eine Bedeutung“ beimäßen, „hinter der der Sachwert völlig“ zurücktrete.630 Neben solchen expliziten Äußerungen tritt die Annahme, dass ideelle Interessen in Bezug auf Tiere eine ungleich größere Bedeutung haben als in Bezug auf Sachen, in der juristischen Literatur auch mittelbar zu Tage. Oben631 wurde beschrieben, dass der Begriff des Affektionsinteresses über seine Ansiedelung im Schadensrecht hinaus auch an anderen Stellen des Zivil- und Zivilverfahrensrechts auf den Plan tritt, etwa im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Notstandes (§ 228 BGB), im Rahmen der subjektiv-objektiven Erforderlichkeitsprüfung beim Aufwendungsersatzanspruch des Verwahrers (§ 693 BGB) oder bei der Streitwertfestsetzung. Bezeichnend ist, dass in diesen Zusammenhängen unter den Beispielen eines berücksichtigungsfähigen Affektionsinteresses in geradezu überwältigender Präsenz Fälle mit Bezug zu Tieren oder speziell die Bindung des Menschen zu einem Tier genannt werden.632 625
Steinig, ZMR 1991, 285, 286. Bocianiak, VersR 2011, 981, 983; Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011); Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 30 (Neubearb. 2005); Berg, JuS 1978, 672, 673. 627 Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011). 628 Bocianiak, VersR 2011, 981, 982. 629 Lehmann, VersR 2011, 1412, 1413; vgl. Koch, WuM 1997, 148. 630 Schmid, VersR 1979, 402, 404. 631 Siehe vorne bei Fn. 598 ff. 632 Im Kontext von § 228 BGB: jurisPK-Backmann § 228 BGB Rn. 12 (7. Aufl. 2014); Staudinger-Repgen § 228 BGB Rn. 31 (Neubearb. 2014); Erman-Wagner § 228 BGB Rn. 7 (14. Aufl. 2014); im Kontext von § 693 BGB: jurisPK-Jülch § 693 BGB Rn. 8 (7. Aufl. 2014); MüKo-Henssler § 693 BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017); im Kontext der Streitwertfestsetzung: BeckOK Streitwert-Dürbeck Stichwort Familienrecht – Haushaltssachen Rn. 8, u. – Haustiere Rn. 2 (23. Ed. 2018). 626
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Weitere Anhaltspunkte für die Einschätzung der Beziehung von Menschen zu einem Tier durch das juristische Schrifttum lassen sich anhand der Frage der „Ersetzbarkeit“ eines Tieres sammeln. Diese kann sich zum einen im Schadensrecht stellen – bei der Beurteilung, ob Naturalrestitution in Form einer Wiederbeschaffung geleistet werden kann. Für Sachen wird dies von Rechtsprechung und Schrifttum dann bejaht, wenn die Sache vertretbar ist;633 der BGH634 lässt auch genügen, dass eine Ersatzsache „gleichartig und gleichwertig“ wäre. Zum anderen kann die Frage im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht auftreten, wenn es darum geht, ob im Falle der Lieferung eines mangelhaften Tieres Nacherfüllung in Gestalt der Nachlieferung möglich ist. In Bezug auf Sachen wird dies vor allem beim Gattungskauf bejaht; doch auch beim Stückkauf halten dies Rechtsprechung635 und herrschendes Schrifttum636 prinzipiell für denkbar, nämlich dann, wenn die Kaufsache nach dem (durch Auslegung zu ermittelnden) Willen der Parteien bei Vertragsabschluss durch eine gleichartige und gleichwertige Sache ersetzbar ist. Werden diese Kriterien angewendet auf Tiere, so taucht im Kaufrecht wiederum regelmäßig eine Unterscheidung nach der Funktion der Tiere auf: Nutztiere sieht man tendenziell als ersetzbar an, sodass Nachlieferung als Nacherfüllung hier möglich sein soll; anderes gelte aber für Liebhabertiere:637 Beim Kauf eines nach Besichtigung ausgewählten Tieres komme „die vor Vertragsschluss begründete emotionale Beziehung zwischen dem Tier und dem Käufer als Besonderheit hinzu“.638 Der Erwerb eines Tieres sei oftmals von dessen Individualität geprägt und dem Käufer deshalb mit der Lieferung eines Artgenossen nicht gedient.639 Für die Auswahl eines Tieres seien „nicht nur objektive Kriterien (…), sondern weitgehend emotionale Faktoren und der davon beeinflusste Gesamteindruck von Bedeutung“. Die auf ein konkretes Tier bezogene Kaufentscheidung sei daher „ein Vorgang, der vom Verkäufer nicht ohne wesentliche Beeinträchtigung der Käuferinteressen bei einer Nachlieferung wiederholt werden“ könne. Daher entspreche „beim Tierkauf die einseitige Austauschbarkeit durch den Verkäufer im Gewährleistungsfall in der Regel nicht dem übereinstimmenden Parteiwillen bei Vertragsabschluss“.640 Auch könne eine zu diesem Zeitpunkt gewollte Austauschbarkeit später „auf Grund einer 633
Hk-Schulze § 249 BGB Rn. 10 (9. Aufl. 2017). BGH, Urt. v. 10. 07. 1984 – VI ZR 262/82 (BGHZ 92, 85), NJW 1984, 2282; zust. MüKoOetker § 249 BGB Rn. 328 ff. (7. Aufl. 2016). 635 BGH, Urt. v. 07. 06. 2006 – VIII ZR 209/05 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839, 2841; Urt. v. 29. 11. 2006 – VIII ZR 92/06 (BGHZ 170, 86), NJW 2007, 1346, 1347. 636 Palandt-Weidenkaff § 439 BGB Rn. 15 (76. Aufl. 2017); MüKo-Westermann § 439 BGB Rn. 12 (7. Aufl. 2016); Roth, NJW 2006, 2953 ff.; Erman-Grunewald § 439 BGB Rn. 5 (14. Aufl. 2014); a. A. Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 523 f. (Fn. 9); Ackermann, JZ 2002, 378, 379. 637 Siehe Wertenbruch, NJW 2012, 2065 f.; Müller, FS Westermann, S. 517, 524; Adamczuk, S. 66 f. 638 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066. 639 Müller, FS Westermann, S. 517, 524. 640 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066; ähnlich für den Pferdekauf Adamczuk, S. 66. 634
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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zwischen Übergabe des Tieres und Mangelauftritt entstandenen emotionalen Bindung ausgeschlossen sein“.641 Die gleiche Unterscheidung nach dem Zweck des Tieres findet sich auch im Schadensrecht bei der Frage, ob die Wiederbeschaffung eines „Ersatztieres“ als Form der Naturalrestitution in Betracht kommt.642 Handele es sich um ein Liebhabertier, könne die Beschaffung eines Ersatztieres das Integritätsinteresse des Geschädigten nicht befriedigen. Sei das betreffende Tier hingegen „wie eine vertretbare Sache rein wirtschaftlich genutzt worden“, könne durch Wiederbeschaffung der Anspruch auf Naturalrestitution erfüllt werden.643 Dass der Sondercharakter der Mensch-Tier-Beziehung im Vergleich zu Sachen einmal explizit negiert wird, ist kaum ersichtlich. In diese Richtung deuten ließe sich allenfalls eine Äußerung von Grunsky, der in einem schadensrechtlichen Kontext warnt, es dürfe nicht übersehen werden, „daß es außer Tieren auch andere Rechtsgüter“ gebe, „die einen immateriellen Wert“ hätten; immaterielle Interessen seien nicht nur dann schutzwürdig, wenn es um die Verletzung eines Tieres gehe; Tierfreunde hätten „kein Monopol“ auf die schadensrechtliche Bewertung immaterieller Interessen.644 Zusammenfassend legen die zu findenden Äußerungen also nahe, dass nach dem Schrifttum Affektionsinteressen in Bezug auf Tiere – verglichen mit Sachen – eine größere Bedeutung erlangen, es aber innerhalb dieser Gruppe vor allem die aus Liebhaberei gehaltenen Tiere sind, zu denen bei typisierender Betrachtung im Vergleich zu anderen Rechtsobjekten häufiger und stärker eine emotionale Bindung besteht.
3. Anhaltspunkte für die Einschätzung der Mensch-Tier-Beziehung in der Rechtsprechung In der Rechtsprechung stößt man in verschiedensten rechtlichen Zusammenhängen auf Formulierungen, die einen Einblick in das Verständnis der Gerichte vom Verhältnis des Menschen zu Tieren gewähren. Zu untersuchen war hier, ob sich neben 641 Staudinger-Matusche-Beckmann § 439 BGB Rn. 65 (Neubearb. 2013); ähnlich Müller, FS Westermann, S. 517, 524. 642 Siehe dazu Terbille/Schroeder-Printzen/Clausen-Adolphsen § 16 Rn. 318 (2. Aufl. 2013); Medicus, JuS 1969, 449, 452; Deutsch, JuS 1987, 673, 679 f. 643 Medicus, JuS 1969, 449, 452; Deutsch, JuS 1987, 673, 679 f.; ähnlich aus schweizerischer Sicht Schneider Kayasseh, S. 127: „Namentlich bei Tieren, die zu Vermögens- und Erwerbszwecken gehalten werden, wo es also primär um die Leistung und weniger um den ideellen Wert geht, erscheint eine Naturalrestitution am Ehesten in Frage zu kommen. (…) Wo das Tier als Sozialpartner oder Familienmitglied gehalten wird, ist demgegenüber in der Regel von einer inhärenten Unersetzbarkeit auszugehen. Der Tiereigentümer hatte gerade zu diesem speziellen Tier eine besondere emotionale Bindung, die durch den Tod des Tieres jäh unterbrochen wurde.“ 644 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 98.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Beispielen, die eine im Einzelfall geltend gemachte „besondere emotionale“, „besonders enge gemütshafte Bindung“645 zwischen einem Menschen und einem Haustier in Rechnung stellen, zudem Hinweise darauf ergeben, dass auch Gerichte von einem generellen Unterschied zwischen Tieren und Sachen insoweit ausgehen, dass Tiere für den Menschen im Allgemeinen eine gegenüber Sachen gesteigerte emotionale Bedeutung haben. Schon vor Einfügung des § 90a BGB gibt es Beispiele untergerichtlicher Entscheidungen, die nicht nur (implizit) von Besonderheiten der Mensch-Tier-Beziehung ausgehen, sondern diese sogar explizit beschreiben – etwa mit dem Gedanken, „daß ein Hund als lebender Begleiter und Freund eines Menschen einer leblosen Sache, die stets nach ihrem gemeinen Wert zu erfassen“ sei „und bei der der reine Liebhaberwert außer Betracht zu bleiben“ habe, „nicht gleichgesetzt werden“ könne.646 An anderer Stelle heißt es: „Daß es bei Haustieren, die schon seit längerer Zeit bei einem Menschen sind, zu Formen der Gewöhnung, Vertrautheit, ja sogar der persönlichen Beziehung“ komme, bedinge eine „besondere(…) Sachqualität, die sich nicht ohne weiteres mit dem wirtschaftlichen Verkehrs- oder Wiederbeschaffungswert ausdrücken“ ließe. Entscheide „bei einem leblosen Gegenstand allein der Wirtschaftswert,“ so bestehe „bei ,lebendigen Sachen‘ oft ein Affektionsinteresse von nicht unerheblicher individueller und sozialer Bedeutung“. Der „Erhaltungswert“ werde „verstärkt, wenn man den besonderen Empfindungswert, der sich aus der Beziehung des Menschen zu einem lebendigen, seit Jahren vertrauten Wesen“ ergebe, berücksichtige.647 Ein anderes Gericht äußert: „Persönliche Beziehungen“, die zu einem im nichtvermögensrechtlichen Bereich liegenden Affektionsinteresse führten, seien „häufig im Verhältnis zu Haustieren anzutreffen“.648 In Bezug auf einen Hund findet sich das Zitat, zwischen ihm und einem Menschen bestehe „eine besondere Beziehung“ und es könne sich „auch gleichsam Zuneigung entwickeln“; insofern unterscheide „sich ein Hund durchaus von einem toten Gegenstand wie einem Auto oder z. B. Schmuck“.649 Aus diesem Grund werde, wie ein Gericht nach Einführung des § 90a BGB erklärt, auch „in § 90a S. 1 BGB ausdrücklich festgelegt, dass Tiere keine Sachen sind“.650 Jenseits solcher Funde, in denen die Sonderstellung der Mensch-Tier-Beziehung derart explizit behandelt wird, lassen sich in dem veröffentlichten Fallmaterial deutscher Gerichte in bestimmten Bereichen auch indirekt aus gerichtlichen Aussagen Rückschlüsse auf die implizit zugrunde liegende Vorstellung des Verhältnisses von Menschen zu Tieren ziehen: 645
LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609, 610. AG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 07. 03. 1986 – 3 C 534/85, VersR 1987, 1202. 647 AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316. 648 AG Hamburg, Urt. v. 21. 01. 1988 – 20b C 446/87, VersR 1988, 700. 649 AG Essen-Borbeck, Urt. v. 02. 03. 1983 – 6 C 858/82, zfs 1986, 197; so später auch AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18. 650 AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18. 646
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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a) Haustiere als Teil der Lebensgestaltung und „Sozialpartner“ Ein nicht kleiner Teil der vor Gericht gebrachten, von Tieren handelnden Streitfälle entfällt auf Miet- und Nachbarschaftsstreitigkeiten, das heißt Prozesse, in denen es im Wesentlichen um die von der (privaten) Tierhaltung einer Partei ausgehenden beeinträchtigenden Wirkungen auf eine andere Partei geht. In diesen Zusammenhängen fällt auf, dass Gerichte die gesellschaftliche Bedeutung und Funktion von (Haus-)Tierhaltung betonen und Tieren tendenziell eine besondere Rolle als Gestaltungselement der privaten Lebensführung zuweisen: So findet sich etwa im Kontext des für nachbarrechtliche Streitigkeiten wichtigen § 906 BGB651 der Hinweis, jedenfalls die Katzen- und Hundehaltung gehöre „zur Lebensführung vieler Familien“652 und „in den Rahmen der gewöhnlichen Benutzung eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks“653. In Bezug auf das Betreten eines fremden Grundstücks durch eine im freien Auslauf gehaltene Nachbarkatze wird insofern regelmäßig eine aus dem nachbarschaftsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende Duldungspflicht angenommen, etwa mit der Begründung, anderenfalls liefe dies auf ein Verbot der (artgerechten) Haltung von Katzen hinaus.654 In die Erwägungen wird dabei eingestellt, dass es sich hier um eines der beliebtesten Haustiere in Deutschland handele.655 Auch eine gleichsam „soziale Funktion“ von Tieren wird in Rechnung gestellt: Ein Tier komme „– gerade bei alten Menschen – auch als Ersatz für eine fehlende Bezugsperson in Betracht“656. In ähnlicher Weise heben ebenso Funde aus mietrechtlichen Entscheidungen der vergangenen 30 Jahre657 die besonderen Funktionen von Haustieren für den Menschen und den festen Platz der Haustier- (insbesondere Katzen- und Hunde-)Haltung in der menschlichen Lebensgestaltung hervor. Dementsprechend wird diese regelmäßig als der „allgemeinen Lebensführung“ und damit dem „typischen“658 „vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung“659 und dem „Inhalt des normalen Woh651
Bedeutsam ist hier vor allem § 906 II BGB („ortsübliche Benutzung“). LG Augsburg, Urt. v. 24. 08. 1984 – 4 S 2099/84, NJW 1985, 499; AG Rheinberg, Urt. v. 28. 11. 1991 – 10 C 415/91, NJW-RR 1992, 408; LG Lüneburg, Urt. v. 27. 01. 2000 – 1 S 198/99, NZM 2001, 397. 653 LG Braunschweig, Urt. v. 11. 09. 1975 – 7 S 132/74, BeckRS 1975, 31258673. 654 AG Neu-Ulm, Urt. v. 03. 11. 1998 – 2 C 947 – 98, NJW-RR 1999, 892. 655 LG Bonn, Urt. v. 06. 10. 2009 – 8 S 142/09, NJW-RR 2010, 310; AG Neu-Ulm, Urt. v. 03. 11. 1998 – 2 C 947 – 98, NJW-RR 1999, 892; LG Lüneburg, Urt. v. 27. 01. 2000 – 1 S 198/99, NZM 2001, 397. 656 OLG Celle, Urt. v. 27. 03. 1986 – 4 U 64/85, ZMR 1986, 286. 657 Zu entsprechenden Äußerungen in älteren Entscheidungen siehe Stolting/Zoebe, S. 102. 658 AG Dortmund, Urt. v. 21. 06. 1989 – 119 C 110/89, WuM 1989, 495. 659 AG Bonn, Urt. v. 12. 12. 1989 – 6 C 463/89, WuM 1990, 197; AG Offenbach, Urt. v. 12. 06. 1985 – 34 C 705/85, ZMR 1986, 57; AG Köln, Urt. v. 13. 07. 1995 – 222 C 15/95, NJWRR 1995, 1416; AG Köln, Urt. v. 13. 01. 1997 – 213 C 369/96, MDR 1997, 344; AG Bremen, Urt. v. 05. 05. 2006 – 7 C 240/05, NJW-RR 2007, 959; AG Köln, Urt. v. 09. 08. 2012 – 210 C 103/ 12, BeckRS 2013, 16624; AG Bremen, Urt. v. 01. 06. 2017 – 6 C 32/15, BeckRS 2017, 113227; 652
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
nens“660 zugehörig angesehen. (Verfassungs-)rechtlich ist das Halten eines Tieres der geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit zuzurechnen.661 Damit nimmt es jedoch gegenüber Freizeitgestaltungsvarianten, die sich nicht Tieren, sondern zum Beispiel bestimmten Sachen widmen, noch keine Sonderrolle ein. Verstärkend wird hier aber auf eine „gesellschaftliche Wertvorstellung“ und die „hiesigen tradierten sozio-kulturellen Vorstellungen“662, eine „grundsätzliche Bedeutung der Tierhaltung“663 und „durch lange Übung gefestigte[…] Verhaltensweisen“664 rekurriert: Die Haltung von Katzen und Hunden habe in Deutschland eine große Bedeutung, was sich bereits an der Anzahl der gehaltenen Tiere erkennen lasse.665 Hunde und Katzen könnten – nicht nur für Kinder und alleinstehende ältere Menschen – anerkanntermaßen eine wichtige Rolle bei der Erfüllung kommunikativer666, aber auch pädagogischer667 sowie medizinischer Bedürfnisse668 spielen und „durchaus eine soziale Funktion“669 übernehmen. Die Haltung von Katzen und Hunden betreffe anerkanntermaßen den höchstpersönlichen Lebensbereich des Mieters; ihm die Tierhaltung zu untersagen, bedeute damit einen gravierenden Einschnitt in dessen Lebensgestaltung.670 Mitte der 1990er-Jahre prognostiziert ein Gericht, diesen Aspekten der Tierhaltung komme „angesichts der zu beobachtenden wachsenden
a. A. LG Konstanz, Urt. v. 13. 02. 1987 – 1 S 273/86, DWW 1987, 196; AG Neukölln, Urt. v. 17. 10. 1991 – 7 C 204/91 (Kurztext über juris). 660 AG Friedberg, Urt. v. 26. 05. 1993 – C 66/93, WuM 1993, 398; AG Köln, Urt. v. 13. 07. 1995 – 222 C 15/95, NJW-RR 1995, 1416; AG Köln, Urt. v. 13. 01. 1997 – 213 C 369/96, MDR 1997, 344. 661 BVerfG, Beschl. v. 21. 02. 1980 – 1 BvR 126/80, WuM 1981, 77. 662 OLG Stuttgart, Beschl. v. 04. 03. 1982 – 8 W 8/82, ZMR 1983, 322. 663 AG Köln, Urt. v. 09. 08. 2012 – 210 C 103/12, BeckRS 2013, 16624; AG Köln, Urt. v. 25. 10. 2012 – 222 C 205/12, ZMR 2013, 545. 664 LG Köln, Urt. v. 28. 11. 2013 – 1 S 300/12, ZMR 2014, 453. 665 AG Köln, Urt. v. 09. 08. 2012 – 210 C 103/12, BeckRS 2013, 16624; AG Köln, Urt. v. 25. 10. 2012 – 222 C 205/12, ZMR 2013, 545. 666 OLG Stuttgart, Beschl. v. 04. 03. 1982 – 8 W 8/82, ZMR 1983, 322. 667 AG Dortmund, Urt. v. 21. 06. 1989 – 119 C 110/89, WuM 1989, 495; zum Einsatz von Tieren in der Pädagogik siehe die Beiträge in Otterstedt/Olbrich, S. 253 ff. und 348 ff.; Frömming, S. 24 ff. 668 AG Friedberg, Urt. v. 26. 05. 1993 – C 66/93, WuM 1993, 398; AG Köln, Urt. v. 13. 07. 1995 – 222 C 15/95, NJW-RR 1995, 1416; AG Bremen, Urt. v. 05. 05. 2006 – 7 C 240/05, NJWRR 2007, 959; AG Bremen, Urt. v. 01. 06. 2017 – 6 C 32/15, BeckRS 2017, 113227; vgl. auch LG Mannheim, Urt. v. 16. 09. 1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545 f. (keine Abschaffung des von der Mieterin gehaltenen Hundes aufgrund ihrer Depression); zum therapeutischen Einsatz von Tieren siehe die Beiträge in Otterstedt/Olbrich, S. 121 ff. und Frömming, S. 24 ff. 669 AG Bonn, Beschl. v. 16. 03. 1987 – 8 C 510/86, WuM 1987, 142; zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse durch Tiere siehe (aus psychologischer Sicht) Vernooij, in: Otterstedt/ Rosenberger, S. 158, 160 ff. 670 AG Bremen, Urt. v. 01. 06. 2017 – 6 C 32/15, BeckRS 2017, 113227.
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Vereinsamung vieler – insbesondere älterer – Menschen gerade in den Großstädten wachsende Bedeutung zu.“671 Aufmerksamkeit verdient hier die Frage nach der Beurteilungsgrundlage. Während sich die gesellschaftliche Signifikanz der Haustierhaltung zum Beispiel auf die im Tierschutzbericht der Bundesregierung festgestellte Anzahl der in Deutschland gehaltenen Heimtiere stützen lässt,672 gilt das Wissen um die (sozialen, pädagogischen, medizinischen, …) Funktionen von Haustieren offenbar als vorauszusetzendes, nicht belegungsbedürftiges Allgemeingut („unbestritten ist,…“673, „wird nicht verkannt,…“674, „anerkanntermaßen“675), zu dessen Beurteilung sich das Gericht aus eigener Anschauung heraus im Stande sieht. Dass dabei zu einem gewissen Grad auch die persönliche Einstellung zu (Haus-)Tieren eine Rolle spielt, tritt zuweilen offen hervor, wenn es etwa heißt, der Wunsch, die Freizeit „durch die Beschäftigung mit dem Tier sinnvoll und freudebringend auszufüllen“, erscheine dem Gericht „gut nachvollziehbar“676 oder es liege auf der Hand, dass ein Interesse bei der Anschaffung eines Haustieres immer bestehe: die Lebensqualität zu Hause zu verbessern.677 In Bezug auf Hundehaltung äußert das LG Hamburg678, es seien in der Regel die davon ausgehenden erwarteten „positive[n] Auswirkungen einer Hundehaltung auf das Allgemeinbefinden“ der Anlass dafür, sich einen Hund anzuschaffen, wenn hierzu sonst keine spezielle Notwendigkeit bestehe; „in der überwiegenden Zahl der Fälle“ werde „ein Hund aus kommunikativen Gründen und nicht aus Gründen der Sicherheit (Wachhund) oder zur Erfüllung sonstiger spezieller Aufgaben (zum Beispiel als Führhund) gehalten“. Als Beobachtung lässt sich daher auf der Grundlage der geschilderten Funde zusammenfassend formulieren, dass die Gerichte jedenfalls Haustieren einen doch bei genereller Betrachtung besonderen gesellschaftlichen Stellenwert beimessen, einerseits aufgrund der (zahlenmäßigen) Verbreitung als Mittel der Lebensgestaltung, andererseits wegen der von ihnen erfüllbaren – und für ihre weite Verbreitung sicher mitursächlichen – Funktionen (sozialer, pädagogischer, kommunikativer, 671
AG Köln, Urt. v. 13. 07. 1995 – 222 C 15/95, NJW-RR 1995, 1416. AG Köln, Urt. v. 25. 10. 2012 – 222 C 205/12, ZMR 2013, 545; Urt. v. 13. 07. 1995 – 222 C 15/95, NJW-RR 1995, 1416; Urt. v. 09. 08. 2012 – 210 C 103/12, BeckRS 2013, 16624. 673 AG Friedberg, Urt. v. 26. 05. 1993 – C 66/93, WuM 1993, 398. 674 AG Bonn, Beschl. v. 16. 03. 1987 – 8 C 510/86, WuM 1987, 142. 675 AG Dortmund, Urt. v. 21. 06. 1989 – 119 C 110/89, WuM 1989, 495; vgl. auch LG Mannheim, Urt. v. 16. 09. 1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545, 546: Dass Hundehalter an ihrem Tier hängen und es ihnen schwerfällt, es wegzugeben, sei „für die meisten Hundehalter typisch“, oder LG Heilbronn, Beschl. v. 29. 01. 1980 – 1 T 270/79 II, DGVZ 1980, 111: „die sich naturgemäß entwickelnden besonderen gefühlsmäßigen Beziehungen eines Hundehalters zu seinem Tier“ (Hervorhebung durch Verf.). 676 LG Hamburg, Urt. v. 30. 08. 2001 – 334 S 26/01, WuM 2002, 666. 677 AG Köln, Urt. v. 09. 08. 2012 – 210 C 103/12, BeckRS 2013, 16624, Hervorhebung durch Verf. 678 LG Hamburg, Urt. v. 26. 07. 1994 – 316 S 44/94, WuM 1996, 532, 533, das aber i. E. den Mietern die Hundehaltung untersagt. 672
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
medizinischer Art). Dass Tieren in dem beschriebenen Anschauungsmaterial aus dem Bereich von Nachbarschafts- und Mietrechtsstreitigkeiten soziale und kommunikative Funktionen beigemessen werden, steht mit der aufgeworfenen Ausgangshypothese in Einklang, wonach auch Gerichte die Beziehung des Menschen zu Tieren qualitativ grundsätzlich anders, nämlich als emotionaler geprägt einschätzen als zu Sachen. b) Bestimmung des mutmaßlichen Willens des Tierhalters Einblick in die Beurteilung des Verhältnisses vom Menschen zu einem Tier in den Augen von Gerichten lässt sich auch aus Situationen gewinnen, in denen die Rechtsprechung den mutmaßlichen Willen eines Tierhalters bestimmen muss. So nahm das AG Bad Homburg679 bei der Prüfung eines Aufwendungsersatzanspruchs für die Behandlung eines Hundes im Rahmen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses an, bei einer lebensnotwendigen Operation sei der mutmaßliche Wille zur Tätigung von Aufwendungen zu bejahen, auch wenn ein Einschläfern des Hundes eventuell preisgünstiger gewesen wäre. Im Kontext von § 994 Abs. 1 S. 2 BGB (gewöhnliche Erhaltungskosten im Zeitraum, für welchen dem Besitzer die Nutzung verbleibt) beschrieb das Gericht sodann, was es hier unter der „Nutzung“ des Tieres verstand: Die Haltung eines Hundes diene „primär dem Affektionsinteresse seines Halters“; entsprechend bestehe die Nutzung „in dem Affektionsinteresse am Hund“. Die Frage nach dem mutmaßlichen Willen kann sich auch im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag stellen, wenn Kommunen die tierärztliche Behandlung eines aufgefundenen Tieres veranlassen. In einem vor das VG Dresden680 gebrachten Fall differenzierte das Gericht für den Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 677, 683, 670 BGB analog mit Billigung der zweiten Instanz681 hinsichtlich des mutmaßlichen Willens zwischen der tierärztlichen Erstversorgung und einer nachfolgenden aufwendigen Operation einer Katze. Dass „jedenfalls die Erstversorgung“ der Katze dem mutmaßlichen Willen und Interesse der Halterin entsprach, habe die Kommune annehmen dürfen. Es sei „in der heutigen Zeit generell davon auszugehen, dass der Halter einer Katze auch ohne Marktwert aufgrund eines bestehenden Affektionsinteresses die tierärztliche Versorgung von Verletzungen seines Tieres“ zunächst anstrebe. Zwingende Voraussetzung für die Beurteilung der Frage einer möglichen und erforderlichen Heilbehandlung sei die (Erst-)Untersuchung durch den Tierarzt. Deren Kosten seien daher zu ersetzen, auch wenn sie den Wert der Katze um ein Vielfaches überstiegen. Für die Kosten einer im Anschluss veranlassten aufwendigen Operation gelte dies allerdings nicht. „Denn die Halter von derartigen Katzen, die kostenlos oder gegen geringes Entgelt (meist bezeichnet als sog. Schutzgebühr) erworben“ würden oder 679 680 681
AG Bad Homburg, Urt. v. 11. 04. 2002 – 2 C 1180/01 (10), NJW-RR 2002, 894, 895. VG Dresden, Urt. v. 28. 04. 2011 – 6 K 1248/09 – juris. OVG Bautzen, Beschl. v. 13. 08. 2012 – 3 A 419/11, BeckRS 2012, 57045.
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zuliefen, würden „die Entscheidung, ob sie eine Operation durchführen oder das Tier einschläfern“ ließen, „u. a. in Abhängigkeit von den Kosten und ihrer wirtschaftlichen Tragfähigkeit treffen“. Ein mutmaßlicher Wille und ein Interesse des unbekannten Katzenhalters, eine Operation durchzuführen, die einen Kostenaufwand von über 1.000 Euro verursache, habe von der Kommune bei der Entscheidung über die weitere Behandlung der Katze nicht angenommen werden können. Denn die Halter von Katzen ohne Marktwert wiesen ein weites Spektrum in Bezug auf ihr persönliches Verhältnis zum Tier auf. Dieses reiche von der rein auf den Nutzen bezogenen Haltung (Katze als Mäusefänger auf Höfen insbesondere im ländlichen Bereich) bis zur Katze als „vollwertiges“ Familienmitglied. Im zu entscheidenden Fall wertete das Gericht das Fehlen einer Kennzeichnung, mit der ein Tierhalter seine besondere Verbundenheit mit dem Tier deutlich mache, als ein gegen dessen Interesse an einer aufwendigen Behandlung sprechendes Indiz. Auch diese Beispiele aus der Rechtsprechung spiegeln eine gerichtliche Vorstellung wider, wonach sich Menschen im Umgang mit ihren Tieren häufig von einem gewissen immateriellen Interesse leiten lassen, wenn auch nicht unter völliger Ausblendung wirtschaftlicher Überlegungen. Freilich sind die zitierten Äußerungen in Bezug auf klassische Haustiere getätigt worden und in ihrer Geltung auf diese beschränkt. Für zu wirtschaftlichen Zwecken gehaltene Tiere finden sich solche Aussagen sicher nicht. c) Wertbestimmung bei Tieren Ein weiteres Feld, das einen Eindruck der Sicht von Gerichten auf das Verhältnis des Menschen zu Tieren vermittelt, ist die in manchen Urteilen erforderlich werdende Wertbestimmung bei Tieren. Müssen sich Gerichte zum Wert eines Tieres äußern, so findet sich häufig die schon aus anderen Zusammenhängen bekannte Differenzierung danach, ob ein Tier aus Liebhaberei im Haushalt des Menschen oder als Mittel der Wirtschaftstätigkeit besessen wird. Letzterenfalls hält regelmäßig ein Markt wie bei anderen Wirtschaftsgütern Anhaltspunkte zur Wertbestimmung bereit, gegen deren Anwendung die Gerichte keine Bedenken haben. Besonders deutlich wird dies auch in von Nutztieren handelnden steuerrechtlichen Fällen, in denen diese als „bewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter“ Teil des Anlage- oder Umlaufvermögens sein können und bei denen gegebenenfalls der „Schlachtwert“ als Äquivalent zum Schrottwert von Sachen zu bestimmen ist.682 Der „gemeine Wert“, das heißt „der im Verkehrswert zum Ausdruck kommende volle Wert des Tieres für jedermann unter Ausschluss des rein subjektiven Affektionsinteresses“ ist auch Bezugspunkt,
682 Vgl. Kanzler, FR 2000, 528; BFH, Urt. v. 04. 06. 1992 – IV R 101/90 (BFHE 169, 397), BeckRS 1992, 22010346; BFH, Beschl. v. 27. 04. 1999 – III R 49/97 (BFHE 190, 559), BeckRS 1999, 25003515.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
wenn es um den Ersatz bei einer durch Seuchen ordnungsrechtlich gebotenen Tötung von (Nutz-)Tieren geht.683 In zivilgerichtlichen Entscheidungen herrscht ebenfalls das Bemühen, einen objektiven Wert von Tieren zu bestimmen – mittels Schadensschätzung (§ 287 ZPO) anhand von Kriterienkatalogen684 und mithilfe einer Marktanalyse durch Sachverständige685, freilich mit Unsicherheiten hinsichtlich Details der Berechnungsmethode – etwa in der Frage, ob gleichsam im Wege der Abschreibung die ursprünglichen Anschaffungskosten für ein Tierjunges plus die angefallenen Ausbildungskosten auf die zu erwartende Lebensdauer umzulegen sind.686 Aufschlussreich für die hier interessierende Frage einer Sonderstellung der Mensch-Tier-Beziehung in den Augen der Rechtsprechung ist dagegen, dass Gerichten in Bezug auf aus Liebhaberei gehaltene Tiere Zweifel kamen, ob es hier überhaupt einen (objektiven) Marktwert gebe.687 Vor allem im Kontext des Pferdehandels klingt an, dass in die Preisbildung vielfach „subjektive wertbildende“688, „mitunter irrationale“689 Faktoren einfließen und „für eine Kaufentscheidung Hoffnung der Motor der Preisfindung bzw. subjektive Vorlieben maßgeblich sind“690.
683 VG München, Urt. v. 19. 10. 2011 – 18 K 09.3181, BeckRS 2012, 46664; BVerwG, Urt. v. 20. 01. 2005 – 3 C 15/04, NVwZ-RR 2005, 446. 684 Bei Pferden etwa Abstammung, Anlagen, Aussehen/Typ/Exterieur/Farbe, Alter, Ausbildungsstand, Rittigkeit, Leistung/Erfolge, Gesundheit/Interieur, Pflegezustand, Angebot und Nachfrage/Marktlage, Nutzungsart und –perspektive, siehe LG Darmstadt, Urt. v. 21. 03. 2012 – 19 O 293/01, BeckRS 2013, 09300; LG Kiel, Urt. v. 12. 06. 2008 – 12 O 377/05, BeckRS 2013, 08727; LG Essen, Urt. v. 07. 09. 2006 – 4 O 243/02, BeckRS 2008, 12064; OLG Hamm, Urt. v. 30. 05. 1988 – 3 U 296/84, VersR 1989, 1105; OLG München, Urt. v. 15. 10. 2003 – 7 U 2703/03, BeckRS 2005, 01724; OLG Frankfurt, Urt. v. 27. 04. 2007 – 19 U 47/06, BeckRS 2007, 14338; OLG Karlsruhe, Urt. v. 17. 01. 2008 – 12 U 73/07, MDR 2008, 388; OLG Hamm, Urt. v. 27. 05. 2008 – 10 U 63/05, VersR 2009, 691; VG Aachen, Beschl. v. 11. 09. 2003 – 6 L 734/03 – juris, Tz. 35; OLG Düsseldorf, Urt. v. 09. 11. 2004 – 21 U 140/01 – juris; OLG Hamm, Urt. v. 25. 08. 2009 – 7 U 94/08, I-7 U 94/08 – juris. Bei Schweinen etwa Alter, Herkunft, Gewicht, Gesundheitsstatus, Leistungsniveau bzw. -erwartung, siehe OLG Hamm, Urt. v. 21. 09. 2012 – 26 U 15/07, BeckRS 2014, 10764. 685 Zum Beispiel unter Heranziehung von auf Auktionen erzielbaren Vergleichspreisen, LG Osnabrück, Urt. v. 03. 09. 2001 – 9 O 2255/99, BeckRS 2014, 06968. 686 So LG Köln, Urt. v. 08. 04. 1987 – 10 S 143/86, zfs 1987, 170; eine lineare Abschreibung für einen Jagdhund ablehnend: LG Kaiserslautern, Urt. v. 06. 02. 1990 – 1 S 312/89, Jagdrechtliche Entscheidungen XI Nr. 75; vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 27. 05. 1993 – 7 U 9/92, NJWRR 1994, 289 f.; OLG Celle, Urt. v. 25. 05. 1994 – 20 U 2/94, Jagdrechtliche Entscheidungen XI Nr. 97. 687 Für einen 10 1/2 Jahre alten Hund: LG Köln, Urt. v. 08. 04. 1987 – 10 S 143/86, zfs 1987, 170; für ein 8-jähriges Dressurpferd: OLG Hamm, Urt. v. 30. 05. 1988 – 3 U 296/84, VersR 1989, 1105. 688 OLG Düsseldorf, Urt. v. 09. 11. 2004 – 21 U 140/01 – juris. 689 OLG Hamm, Urt. v. 25. 08. 2009 – 7 U 94/08, I-7 U 94/08 – juris. 690 LG Darmstadt, Urt. v. 21. 03. 2012 – 19 O 293/01, BeckRS 2013, 09300, das jedoch für die Wertermittlung nur auf objektivierbare Kriterien abstellen will.
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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In einem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall, in dem das objektive Missverhältnis zwischen Wert und Verkaufspreis eines Pferdes in Streit stand, vertrat das Gericht etwa in Bezug auf den Handel mit Spring- und Turnierpferden die Ansicht, die Preise, die Erwerber zu zahlen bereit seien, seien „ganz erheblich von dem Affektionsinteresse der Person des Erwerbers beeinflusst“; entscheidend sei „die persönliche Harmonie zwischen Pferd und Reiter“, es sei „typisch, dass die Geschäftsanbahnung zwischen den Parteien (…) aufgrund der spontanen emotionalen Neigung“ des Reiters zu dem Pferd erfolge. „Der Kauf eines lebendigen, sich damit ständig entwickelnden Pferdes“ sei „vergleichbar mit dem Erwerb zeitgenössischer Kunst, wo ebenfalls ein erhebliches Affektionsinteresse“ bestehe. Eine Wertbestimmung aufgrund objektiver Kriterien sei „bei dem Kauf eines Lebewesens, insbesondere auf einem so emotionalen Gebiet wie dem des Pferdeturniersports“ nicht in der Weise möglich wie bei anderen Vermögensgegenständen.691 Aufmerksamkeit verdient wieder die Frage, auf welche Beurteilungsgrundlage das Gericht solche Aussagen stützt. Diese Frage musste sich das OLG Düsseldorf hier sogar in der Revisionsentscheidung durch den BGH vorhalten lassen: Einen – weder auf eigene Sachkunde des Gerichts hinsichtlich der Preisbildung und der Übungen im einschlägigen Handel, noch auf ein Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen gestützten – „Erfahrungssatz des Inhalts (…), dass bei Geschäften mit Sportpferden die Käufer regelmäßig aus rein subjektiven Erwägungen bereit sind, einen Preis zu akzeptieren, der den objektiven Marktwert um ein Mehrfaches übertrifft“, sah der BGH darin als zweifelhaft und jedenfalls nicht belegt an. Vielmehr sei „davon auszugehen, dass sich auch beim Handel mit Spring- und Turnierpferden die Preisbildung regelmäßig in erster Linie nach objektiven Kriterien“ vollziehe und „dass subjektive Erwägungen des Käufers – wie sonst auch – sich nur in Grenzen preiserhöhend“ auswirkten. Darüber hinaus schließe allein die Tatsache, dass subjektive Gesichtspunkte eine wesentliche Rolle spielten, das Bestehen eines objektiven Marktpreises nicht aus.692 Festhalten lässt sich nach alledem zunächst, dass der Wert von Tieren in der Rechtsprechung vornehmlich anhand von objektiven Kriterien zu bestimmen versucht wird, die vom jeweiligen Markt – falls vorhanden – als wertbildend eingestuft werden. Dies entspricht dem Vorgehen bei Sachen und deutet damit nicht auf einen etwaigen von den Gerichten vorausgesetzten Sonderstatus der Mensch-Tier-Beziehung hin. Im Prinzip uneingeschränkt gilt dieser Ansatz allerdings nur für zu wirtschaftlichen Zwecken gehaltene Tiere, während bei Entscheidungen, in denen es um den Wert von Liebhaber-Tieren geht, durchaus die – wenn auch seitens des BGH so nicht bestätigte – Wahrnehmung mitschwingt, dass hier „der Marktwert im Sinne des Preises, den ein Käufer aus subjektiven Erwägungen zu zahlen bereit“ ist, doch 691
OLG Düsseldorf, Urt. v. 16. 04. 2002 – 21 U 140/01 – juris. BGH, Urt. v. 18. 12. 2002 – VIII ZR 123/02, NJW-RR 2003, 558; zust. LG Essen, Urt. v. 07. 09. 2006 – 4 O 243/02, BeckRS 2008, 12064; so denn auch nach Zurückverweisung durch den BGH: OLG Düsseldorf, Urt. v. 09. 11. 2004 – 21 U 140/01 – juris; von einem Marktpreis von Pferden ausgehend auch OLG Koblenz, Urt. v. 10. 05. 1999 – 12 U 323/98, r + s 2000, 456, 457. 692
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
häufig oberhalb des „objektiv nachvollziehbaren Wertes“ liegt,693 was auf eine bei genereller Betrachtung im Vergleich zu Sachen größere Bedeutung subjektiver Wertschätzungsfaktoren zurückzuführen sein dürfte und sich damit in das Bild einer Sonderstellung der Mensch-Tier-Beziehung einfügt. d) Ersetzbarkeit von Tieren Rückschlüsse für die Frage, inwieweit Gerichte von einer Sonderstellung der Mensch-Tier-Beziehung ausgehen, erlauben auch deren Positionen zur „Ersetzbarkeit“ von Tieren, wenn es im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht um die Frage geht, ob im Falle der Lieferung eines mangelhaften Tieres Nacherfüllung in Gestalt der Nachlieferung möglich ist. Bei dem Kauf jedenfalls von Liebhaber-Tieren handelt es sich in aller Regel um Stückkäufe, für die der BGH die Möglichkeit der Nachlieferung im Allgemeinen davon abhängig macht, ob die Kaufsache nach dem Willen der Parteien austauschbar ist.694 Dieses Kriterium wenden die Gerichte auch in Tier-Fällen an. Allein die Tatsache, dass der Kaufgegenstand in einem Tier besteht, schließt dabei nach allgemeiner Ansicht für sich genommen eine Austauschbarkeit noch nicht aus und macht eine Auslegung anhand des Parteiwillens nicht entbehrlich.695 Bedeutung für die Bestimmung des Interesses des Käufers erlangen hier die Umstände696 (zum Beispiel persönliche Besichtigung, Kaufentscheidung aufgrund „einer emotionalen Zugewandtheit“697), unter denen, und der Zweck698 (zum Beispiel Familienhund699 versus Sportpferd700), zu dem dieser das Tier erwarb. Ein Aspekt aber, der bei aus Liebhaberei gehaltenen Tieren oft als ausschlaggebendes Argument für oder gegen die Möglichkeit einer Nachlieferung angesehen wird, ist die Frage des Bestehens eines Affektionsinteresses infolge einer emotionalen Bindung, die der Käufer, sobald er das (mangelhafte) Tier in Empfang genommen hat, zu diesem 693
juris.
Formulierungen entnommen aus OLG Düsseldorf, Urt. v. 09. 11. 2004 – 21 U 140/01 –
694 BGH, Urt. v. 07. 06. 2006 – VIII ZR 209/05 (BGHZ 168, 64, 72 ff.), NJW 2006, 2839, 2841; Urt. v. 29. 11. 2006 – VIII ZR 92/06 (BGHZ 170, 86), NJW 2007, 1346. 695 OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2012 – I-19 U 132/11, BeckRS 2012, 21874; LG Magdeburg, Urt. v. 05. 10. 2011 – 2 S 117/11, BeckRS 2012, 00625; LG Siegen, Urt. v. 10. 06. 2011 – 2 O 107/09, BeckRS 2012, 23488; BGH, Beschl. v. 24. 11. 2009 – VIII ZR 124/09 – juris; LG Hildesheim, Urt. v. 27. 04. 2007 – 7 S 21/07, AUR 2007, 419 f.; OLG Koblenz, Urt. v. 23. 04. 2009 – 5 U 1124/08, NJW-RR 2009, 985, 986. 696 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 05. 2014 – I-22 U 151/13, BeckRS 2015, 04598; OLG Zweibrücken, Urt. v. 30. 04. 2009 – 4 U 103/08, BeckRS 2009, 11963; LG Rottweil, Urt. v. 25. 01. 2017 – 1 S 23/16, NJW-RR 2017, 562, 563. 697 OLG Frankfurt, Urt. v. 01. 02. 2011 – 16 U 119/10, ZGS 2011, 284. 698 OLG Celle, Urt. v. 07. 04. 2014 – 20 U 29/13, MDR 2014, 765 f. 699 LG Oldenburg, Urt. v. 26. 08. 2004 – 9 S 255/04, BeckRS 2009, 04446. 700 LG Siegen, Urt. v. 10. 06. 2011 – 2 O 107/09, BeckRS 2012, 23488; OLG Hamm, Urt. v. 05. 06. 2012 – I-19 U 132/11, BeckRS 2012, 21874; OLG Zweibrücken, Urt. v. 30. 04. 2009 – 4 U 103/08, BeckRS 2009, 11963.
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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aufzubauen beginnt.701 Dass diesem Gesichtspunkt – anders als bei Sachen702 – in Bezug auf Tiere eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird, dürfte kein Zufall sein, sondern vielmehr ein weiterer Niederschlag der wohl auch in der Rechtsprechung vorzufindenden Annahme, dass das Phänomen sogenannter Affektionsinteressen, also einer individuell-subjektiven Wertschätzung aufgrund besonderer emotionaler Bindung, in Bezug auf Tiere – vor allem Liebhabertiere – bei generalisierender Betrachtung eine im Vergleich zu Sachen ungleich größere Rolle spielt.
III. Beispiele der (Nicht-)Berücksichtigung des Affektionsinteresses an einem Tier Dass Affektionsinteressen in den Augen von Rechtsanwendern, wie die soeben dargestellten Hinweise in Literatur und Rechtsprechung nahelegen, in Bezug auf (Liebhaber-)Tiere eine im Vergleich zu Sachen deutlich größere Bedeutung haben, trifft noch keine Aussage darüber, ob solche immateriellen Interessen an Tieren auch rechtlich geschützt werden. Darauf hin soll die Rechtspraxis anhand dreier exemplarischer Bereiche untersucht werden, in denen sich diese Frage stellt. 1. Streit-/Beschwerdewert: Berücksichtigung möglich, da sedes materiae hinreichend offen In Streitigkeiten um die Zulässigkeit von Tierhaltung in einer Mietwohnung scheint die Bedeutsamkeit des mit den betreffenden Tieren verbundenen Affektionsinteresses so stark hervorzutreten, dass dessen Berücksichtigung nicht erst auf Ebene des materiellen Rechts, sondern sogar für die Bemessung des prozessualen Streitwerts und des Wertes der Beschwer (erheblich etwa für die sachliche Zuständigkeit, die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Höhe der Rechtsverfolgungskosten)703 diskutiert wird. Die für die Streitwertbestimmung maßgebliche Norm ist hier in der Regel § 3 ZPO (Wertfestsetzung nach freiem Ermessen des Gerichts),704 innerhalb derer
701 BGH, Urt. v. 22. 06. 2005 – VIII ZR 281/04 (BGHZ 163, 234), NJW 2005, 2852, 2854 f.; LG Rottweil, Urt. v. 25. 01. 2017 – 1 S 23/16, NJW-RR 2017, 562; OLG Frankfurt, Urt. v. 01. 02. 2011 – 16 U 119/10, ZGS 2011, 284; LG Düsseldorf, Urt. v. 19. 11. 2007 – 12 O 18/07, BeckRS 2008, 19405; LG Mosbach, Beschl. v. 01. 10. 2007 – 1 T 45/07, RdL 2007, 313 f.; LG Mosbach, Beschl. v. 30. 08. 2005 – 1 S 61/05, BeckRS 2005, 12241; LG Oldenburg, Urt. v. 26. 08. 2004 – 9 S 255/04, BeckRS 2009, 04446; offengelassen von LG Kleve, Urt. v. 21. 11. 2003 – 5 S 99/03 – juris, Tz. 10. 702 LG Mosbach, Beschl. v. 30. 08. 2005 – 1 S 61/05, BeckRS 2005, 12241. 703 Vorwerk/Wolf-Wendtland § 3 ZPO (23. Ed. 2016). 704 Dallemand/Balsam, WuM 1997, 23, 24.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
auch schon jenseits von Tier-Fällen das „affektive oder ideelle Interesse“705 bei der Bemessung des Streitwertes jedenfalls im Einzelfall706 „im Unterschied zu sonstigen bürgerlich-rechtlichen Wertungen“707 für ausnahmsweise beachtlich gehalten wird. Konflikte um die Tierhaltung in Mietwohnungen können die Gerichte im Wesentlichen in zwei denkbaren prozessualen Einkleidungen erreichen, nach denen für die Frage des Einflusses von Affektionsinteressen auf den Streitwert häufig differenziert wird.708 Ein Szenario besteht darin, dass der Vermieter gegen den Mieter auf Unterlassung der Tierhaltung klagt. Hier stellt der wohl überwiegende Teil von Rechtsprechung und Literatur für die Streitwertbemessung auf die Interessen des Vermieters ab und lehnt folglich eine Beachtlichkeit des Affektionsinteresses des Mieters an der Tierhaltung ab709, auch wenn „Haustieren wie Hunden, Katzen aber auch Wellensittichen und Fischen ein oftmals erheblicher Liebhaberwert“ zukomme.710 Ein anderer Teil sieht dagegen „die Besonderheiten im Zusammenhang mit der emotionalen Verbundenheit zwischen Mensch und Tier, die durch das Unterlassungsbegehren betroffen“ werde, in dieser Klagekonstellation als im Rahmen des § 3 ZPO wertbestimmend an711 und spricht sich für eine Berücksichtigung des Affektionsinteresses des Tierhalters (und seiner Familie) aus.712 Für die zweite prozessuale Konstellation, eine Klage des Mieters gegen den Vermieter auf Gestattung der Tierhaltung, ist die Berücksichtigung des immateriellen Interesses des Mieters an der Tierhaltung hingegen verbreitet. Hinsichtlich des Streitwerts werden etwa „subjektive(…) Kriterien“713 des Mieters, die „individuelle
705 BGH, Beschl. v. 16. 01. 1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547, 548; zust. Stein/JonasRoth § 3 ZPO Rn. 15 (23. Aufl. 2014). 706 Saenger-Bendtsen § 3 ZPO Rn. 7 (6. Aufl. 2015). 707 Musielak/Voit-Heinrich § 3 ZPO Rn. 9 (13. Aufl. 2016). 708 Wie hier Gies, NZM 2003, 886, 890; Hülsmann, NZM 2004, 841, 844 f.; Blank, NZM 1998, 5, 9; vgl. BGH, Urt. v. 14. 11. 2007 – VIII ZR 340/06, NZM 2008, 78, 79. 709 LG Kiel, Beschl. v. 16. 06. 1998 – 1 S 111/98, WuM 1999, 586, 587; Beschl. v. 19. 08. 1991 – 1 S 209/91, WuM 1998, 574; LG Berlin, Beschl. v. 08. 01. 1996 – 67 S 353/95, GE 1996, 470, 471; LG München, Beschl. v. 28. 06. 2002 – 23 T 10223/02, NZM 2002, 820; LG Köln, Urt. v. 04. 02. 2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533; Beschl. v. 21. 06. 1999 – 30 S 145/99, WuM 2000, 94; LG Hannover, Urt. v. 13. 09. 1983 – 11 S 210/83, WuM 1985, 127; Beschl. v. 24. 11. 1988 – 3 T 214/88, WuM 1989, 567; LG Darmstadt, Beschl. v. 23. 01. 1991 – 17 S 514/90, WuM 1992, 117; Schmidt-Futterer-Eisenschmid § 535 BGB Rn. 572 (12. Aufl. 2015); Gies, NZM 2003, 886, 890; Hülsmann, NZM 2004, 841, 844; Blank, NZM 1998, 5, 9. 710 LG Hannover, Urt. v. 13. 09. 1983 – 11 S 210/83, WuM 1985, 127; gewisses Verständnis äußert auch das LG Berlin, Beschl. v. 08. 01. 1996 – 67 S 353/95, GE 1996, 470, 471: „Sicherlich soll nicht verkannt werden, daß die durch ein Urteil erzwungene Abschaffung eines dem Mieter ans Herz gewachsenen Haustieres als besondere Härte empfunden wird“. 711 LG Wiesbaden, Beschl. v. 21. 07. 1994 – 1 T 46/94, WuM 1994, 486. 712 BeckOK Streitwert-Winkler Stichwort Mietrecht – Tierhaltung Rn. 2, 7 (23. Ed. 2018). 713 Gies, NZM 2003, 886, 890; Blank, NZM 1998, 5, 9.
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Wertigkeit“714 der Tierhaltung für ihn, die „in der Regel bestehenden affektiven Beziehungen des Mieters zum Tier“715, die „Bedeutung der Tierhaltung für die Lebensführung des Mieters“716 unter Einschluss von immateriellen und subjektiven717 oder auch vorwiegend emotionalen Gesichtspunkten wie der Überwindung von Umgebungsanonymität718 für maßgeblich erachtet. In einer Entscheidung des LG Kassel719 heißt es, in Bezug auf Haustiere stehe (anders als bei Nutztierhaltung in Mieträumen) ein auf emotionalen Gründen beruhendes immaterielles Interesse des Mieters und seiner Familie an der Haustierhaltung im Vordergrund, das nicht unerheblich einzuschätzen sei, „weil in der heutigen Zeit für viele Menschen, insbesondere in städtischen Wohnbereichen, die Haltung von Haustieren, hier eines Hundes, von erheblicher psychischer Bedeutung“ sei. In einer anonymen Wohnsituation könne „das Halten eines Hundes von erheblicher Bedeutung für die emotionale Verfassung des einzelnen Halters sein, weil das Tier einen persönlichen Bezugspunkt in der umgebenden Anonymität“ darstelle. Nach wohl herrschender, wenn auch bestrittener720 Ansicht sollen desgleichen im Fall des erstinstanzlichen Unterliegens des Mieters bei der Bemessung der Beschwer (§ 511 ZPO) „affektive Beziehungen des Mieters zum Tier“721, „das ideelle Interesse des Mieters an der Haltung eines Tieres“722 zu berücksichtigen und „im Hinblick auf die besondere Bedeutung, welche die Tierhaltung für die Lebensführung der Menschen haben kann“723, das „durch eine intensive Beziehung der gesamten Familie zu dem (…) Tier“ geprägte Affektionsinteresse des Mieters maßgeblich sein.724 Für manche725 ist der Anspruch des Mieters auf Erlaubnis zur Tierhaltung und „erst recht derjenige auf Behaltendürfen des Tiers“ sogar „dem Wesen nach eindeutig durch immaterielle Interessen und Belange geprägt“ und daher nicht vermögensrechtlicher Natur.726 Die Trennung eines Menschen von seinem Haustier sei „keiner nach ausschließlich wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Bezifferung zugänglich“. Dass stets – unabhängig von der prozessualen Rollenverteilung – dem 714 BeckOK Streitwert-Winkler Stichwort Mietrecht – Tierhaltung Rn. 1 (23. Ed. 2018); LG Kassel, Beschl. v. 21. 04. 1997 – 1 T 80/96, WuM 1998, 296. 715 Blank, NZM 1998, 5, 9. 716 Schmidt-Futterer-Eisenschmid § 535 BGB Rn. 573 (12. Aufl. 2015). 717 LG Hamburg, Beschl. v. 04. 12. 1985 – 16 S 248/85, WuM 1986, 248; a. A. noch LG Hamburg, Beschl. v. 10. 10. 1986 – 7 S 173/86 – juris. 718 Gies, NZM 2003, 886, 890. 719 LG Kassel, Beschl. v. 21. 04. 1997 – 1 T 80/96, WuM 1998, 296. 720 LG Berlin, Beschl. v. 31. 03. 2000 – 63 S 17/00, NZM 2001, 41. 721 Blank, NZM 1998, 5, 9. 722 LG Hamburg, Urt. v. 26. 07. 1994 – 316 S 44/94, WuM 1996, 532; Dallemand/Balsam, WuM 1997, 23, 25. 723 LG Hamburg, Beschl. v. 14. 06. 1991 – 311 T 71/91, WuM 1993, 469. 724 LG Braunschweig, Urt. v. 01. 11. 1995 – 12 S 86/95, WuM 1996, 291. 725 Dallemand/Balsam, WuM 1997, 23, 24. 726 A. A. LG Mannheim, Urt. v. 16. 09. 1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
immateriellen Interesse des Mieters an der Tierhaltung ausschlaggebende Bedeutung zukommen soll, wird dabei aus den Wertungen des Gesetzgebers – genauer: als Implikation des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht – herzuleiten versucht. Aus der Sicht des Mieters sei „die Zertrennung bzw. Aufrechterhaltung der Mensch-Tier-Bindung der maßgebliche Inhalt der Klage“; diese Bindung sei aber durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht mittlerweile auch vom Gesetz selbst unter besonderen Schutz gestellt. § 90a BGB trage dazu bei, „Rechtsstreitigkeiten, welche Tiere bzw. die Mensch-Tier-Bindung“ beträfen, „aus einer rein materiellen und vermögensrechtlichen Sichtweise herauszunehmen“. Indem die Gesetzesmaterialien es als zentralen, in der gesamten Rechtsordnung geltenden Grundgedanken bezeichneten, dass Tiere auch im bürgerlichen Recht keine Sachen, sondern Lebewesen seien, werde deutlich, dass „das gesamte Recht vor diesem Hintergrund einer neuen Betrachtung zugänglich gemacht werden“ solle.727 In Ansätzen kann man die Überlegung, ob das auf ein Tier bezogene Affektionsinteresse den Streit- und Beschwerdewert beeinflusst, auch in Streitigkeiten um die (familienrechtliche) Aufteilung von Haustieren nach einer Trennung beobachten. Hier wird vertreten, jedenfalls „in Ausnahmefällen“ (§ 48 Abs. 3 FamGKG) oder bei der Bewertung des Beschwerdegegenstandes (§ 61 Abs. 1 FamFG) ein Affektionsinteresse an dem Tier zu berücksichtigen.728 Bezeichnend ist, dass in diesem Kontext einmal als Vergleichsmaßstab der „Regelstreitwert in einer Kindschaftssache, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge betrifft“, herangezogen wurde, wenn auch nur, um dann die „sicherlich geringere(…) Bedeutung von Haustieren gegenüber Kindern“ zu betonen.729 Der Blick auf die zivilprozessuale Streitwertbemessung, hier insbesondere im Streit um die mietrechtliche Zulässigkeit von Tierhaltung, ergibt also hinsichtlich der Frage, ob Affektionsinteressen an Tieren dabei Berücksichtigung finden, ein gemischtes Bild. Jedenfalls ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums bejaht und praktiziert dies. Problematisch an einem Niederschlag immaterieller Interessen im Streit- und Beschwerdewert ist freilich die praktische Handhabbarkeit, denn dies stellt Gerichte vor die schwierige und mit vielen Unsicherheiten behaftete Aufgabe, das Affektionsinteresse in einem Geldbetrag ausdrücken zu müssen.730 Ob man allein aus diesem Grund auf dessen Einbeziehung in die Bemessung des Streitwerts und des Wertes der Beschwer verzichten sollte, ist allerdings zweifelhaft. Die für die Wertfestsetzung in den betreffenden Fällen maßgebliche, recht offene sedes materiae bedingt keine zwingende Auslegung hinsichtlich der generellen Möglichkeit zur 727
Dallemand/Balsam, WuM 1997, 23, 25. BeckOK Streitwert-Dürbeck Stichwort Familienrecht – Haushaltssachen Rn. 8, u. – Haustiere Rn. 2 (23. Ed. 2018). 729 OLG Köln, Beschl. v. 14. 03. 2011 – 4 WF 40/11, II-4 WF 40/11 – juris; zust. HkFamGKG-Türck-Brocker § 48 FamFG Rn. 21 (2. Aufl. 2014). 730 Bezeichnend dafür LG Berlin, Beschl. v. 08. 01. 1996 – 67 S 353/95, GE 1996, 470, 471: „Es [das Affektionsinteresse, Anm. d. Verf.] ist nicht meßbar“. 728
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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Berücksichtigung immaterieller Interessen. Das Gesetz lässt somit ausreichend Raum, bei den für die Festsetzung des Streit- und Beschwerdewertes zu beurteilenden jeweiligen Interessen auf Seiten der tierhaltenden Partei deren Affektionsinteresse einzubeziehen. Zudem zeigen die oben aufgeführten Beispiele aus der Gerichtspraxis, dass dies durchführbar ist. Für eine Berücksichtigung spricht dabei wesentlich, dass es sich bei dem Affektionsinteresse an dem Tier, wie auch Äußerungen in Schrifttum und Rechtsprechung betonen, typisierend betrachtet, um einen Belang handelt, der aus Sicht der betreffenden Partei als durchaus gewichtig und in den hier hervorgehobenen Fällen miet- und familienrechtlicher Art geradezu zentral empfunden wird, sodass ein Streit- oder Beschwerdewert, der dieses nicht reflektiert, die real an dem Prozess bestehenden Interessen der Parteien nur unzulänglich widerspiegelt. 2. Kompensation bei Tötung: rein objektiver Wert maßgeblich, da § 253 BGB eindeutig Besonders deutlich Farbe bekennen muss der Rechtsanwender, wenn ein Schadensersatzanspruch für die Tötung eines Tieres in Rede steht. Scheidet nämlich in diesem Fall, wie vor allem in Bezug auf Liebhaber-Tiere nicht selten anzunehmen sein wird,731 die Ersatzbeschaffung eines gleichwertigen Tieres – nach der Rechtsprechung eine Form der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) – aus, ist gemäß § 251 BGB Entschädigung in Geld zu leisten. Damit einher geht die Notwendigkeit, die geschuldete Kompensation mit einem Betrag zu beziffern. Zwar hat ein Blick auf das Vorgehen von Gerichten bei der Bestimmung des Wertes von Tieren732 gezeigt, dass der Versuch vorherrscht, jedenfalls im Ausgangspunkt (ausschließlich) objektive Kriterien als maßgeblich heranzuziehen, was insbesondere bei zu wirtschaftlichen Zwecken dienenden, gleichsam „vertretbaren“ Tieren auch funktioniert. Ein – auch von den Gerichten thematisierter – Schönheitsfehler in Bezug auf Liebhaber-Tiere ist aber der Umstand, dass hier typischerweise subjektiv-emotionale Gesichtspunkte schon für den Preis, den ein Käufer für den Erwerb zu zahlen bereit ist, mitbestimmend sind. Erst recht und umso mehr gilt dies für den Fall, dass ein Tier schon einige Zeit in der Obhut eines Menschen war und eine emotionale Bindung zum Tier entstanden ist, das heißt wenn das BehaltensInteresse in Rede steht. Für eine solche Konstellation ist nicht untypisch, dass der anhand objektiver Kriterien ermittelbare Wert und die subjektiv-individuelle Wertschätzung durch den an das Tier emotional gebundenen Menschen drastisch auseinander driften können – etwa bei Kreuzungskatzen und -hunden oder anderen objektiv nahezu wertlosen Haustieren, die aber als „Familienhund“, „Spielkamerad“
731 Siehe hierzu vorne bei Fn. 642 u. (im Kontext der Nachlieferung als Form der Nacherfüllung) bei Fn. 699. 732 Siehe vorne bei Fn. 684, 685.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
oder „Weggefährte“733 für den betreffenden Menschen von großem subjektiven Wert sind, was sich etwa daran zeigt, dass dieser zu hohen Aufwendungen für das Tier bereit ist. Auch ein solches Tier kann aber getötet werden und auch hier ist trotz dieser Schere zwischen objektivem und subjektivem Wert die Rechtsfolge anhand von § 251 BGB zu bestimmen. Es entspricht allgemeiner Auffassung zu § 251 BGB, dass bei der Bemessung der zu leistenden Kompensation das an dem zerstörten Objekt bestehende Affektionsinteresse (als immaterieller Schaden) des Geschädigten nicht zu berücksichtigen ist.734 Dieser Linie folgen Literatur735 und die Rechtsprechung736 einhellig auch bei der Frage nach der Geldentschädigung für getötete Tiere, indem lediglich der „reine Sachwert ohne Berücksichtigung subjektiver Beziehungen“737, der „objektive Wert“, der „Wiederbeschaffungswert“, der „Verkehrswert“ oder „Zeitwert“ für erstattungsfähig gehalten wird. Trotz der über dieses Ergebnis bestehenden Einigkeit in der veröffentlichten Rechtsprechung wird in Bezug auf (Haus-)Tiere gerade in älteren Entscheidungen zuweilen in auffälliger, fast schon bedauernder Weise herausgestellt, die Nichtberücksichtigung von Affektionsinteressen bei der Schadensbemessung sei nun einmal der de lege lata klar zu ermittelnde Befund, und es klingt nach leisem (rechtspolitischen) Verständnis für die Gegenposition, wenn es etwa (jeweils im Kontext von Fällen, die Hunde betrafen) heißt: Es werde nicht verkannt, dass die Nichtberücksichtigung des Affektionsinteresses „in Einzelfällen zu scheinbar unbilligen Ergebnissen führen“, „insbesondere den persönlichen und gefühlsmäßigen Bindungen zwischen Hund und Hundehalter nicht immer gerecht werden“ möge738 und „daß es für einen Hundehalter schmerzlich“ sei, „seinen ihn längere Jahre begleitenden Hund durch das Verhalten eines anderen zu verlieren“739. Oder: Es werde nicht verkannt, dass das Tier „in den Augen des Halters einen ganz erheblichen Wert“ darstelle. Doch sei dieser kein Vermögenswert, sondern ein durch Gefühle des Menschen gegenüber 733
Beispiele dafür (eher humoristischer Art) bei Rudolph, ZMR 1994, 551. Siehe dazu vorne bei Fn. 566. 735 Geigel-Knerr Kap. 3 Rn. 53 (27. Aufl. 2015); Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/ Janker-Jahnke § 249 BGB Rn. 287 (24. Aufl. 2016); Theissen, JA 2009, 366, 371; PalandtGrüneberg § 249 BGB Rn. 20 (76. Aufl. 2017); Terbille/Clausen/Schroeder-PrintzenAdolphsen § 16 Rn. 319 (2. Aufl. 2013); Berg, JuS 1978, 672, 673; Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 24 (Voraufl., 39. Ed. 2011); Schubert, S. 104; Lorz, MDR 1990, 1057, 1059; Benicke, JA 1994, 1004, 1005. 736 AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17; OLG Koblenz, Urt. v. 10. 05. 1999 – 12 U 323/98, r + s 2000, 456 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 17. 01. 2008 – 12 U 73/07, MDR 2008, 388; LG Essen, Urt. v. 29. 06. 1983 – 15 S 137/83, zfs 1986, 201; OLG Schleswig, Urt. v. 27. 05. 1993 – 7 U 9/92, NJW-RR 1994, 289 f.; vgl. LG Wuppertal, Urt. v. 10. 05. 1979 – 9 S 347/78, VersR 1980, 198; LG München, Urt. v. 21. 06. 1978 – 34 S 19183/ 77, NJW 1978, 1862; LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 01. 1987 – 22 S 505/86, zfs 1987, 139 f. 737 LG Essen, Urt. v. 29. 06. 1983 – 15 S 137/83, zfs 1986, 201. 738 LG Wuppertal, Urt. v. 10. 05. 1979 – 9 S 347/78, NJW 1979, 2213, 2214. 739 OLG Schleswig, Urt. v. 27. 05. 1993 – 7 U 9/92, NJW-RR 1994, 289, 290. 734
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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einem Haustier, welches so nah mit ihm zusammenlebe, geprägtes Affektionsinteresse. Dieses Interesse sei, da ohne Vermögenswert, nach dem geltenden Schadensersatzrecht nicht auszugleichen.740 Dass sich der bei der Tötung eines Tieres zu leistende Schadensersatz am Sachwert des Tieres ohne Rücksicht auf ein etwaiges Affektionsinteresse bemisst, entspricht, wie Schneider Kayasseh nachweist, auch schon dem Standpunkt früherer Rechtsordnungen.741 Die Bemessung der nach § 251 Abs. 1 BGB zu leistenden Kompensation am objektiven Wert des betreffenden Tieres ist auf Grundlage des geltenden Rechts zutreffend. Ausschlaggebend dafür ist vor allem die klare Wertung des § 253 Abs. 1 BGB. Für Tier-Fälle ließe sich, obschon in den einschlägigen Urteilen nicht thematisiert, als gewichtiger Gesichtspunkt hierfür auch noch der Wille des Gesetzgebers anführen. Denn in den Beratungen zum Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht742 wurde für den Fall der Tötung eines Tieres „keine Notwendigkeit für spezielle Regelungen gesehen, da die bestehenden Bestimmungen des Schadensersatzes dies ausreichend“ abdeckten; insbesondere wurde „kein Anlaß gesehen, hier einen Ausgleich für ein bloßes Affektionsinteresse zu schaffen“743. 3. „Schockschadenersatz“ bei Miterleben der Tötung eines Tieres: Ablehnung aus Wertungsgesichtspunkten Das Institut des „Schockschadenersatzes“ ist an Fällen entwickelt worden, in denen Menschen durch das Miterleben oder die Nachricht von dem Unfall-Tod eines nahen Angehörigen einen Schock erleiden.744 Es ist geradezu symptomatisch für die hier schon mehrfach angesprochene Sonderstellung der Mensch-Tier-Beziehung, dass es Erwägungen gab, diese Figur auf Fälle zu übertragen, in denen ein Mensch die deliktische Tötung seines über alles geliebten Tieres miterleben musste. Keinem Trugschluss unterliegt hier, wer bemerkt, dass dies gedanklich Tiere in die Nähe enger Angehöriger rückt oder ihnen gar gleichsetzt. Mit einer Übertragung der „Schockschaden“-Rechtsprechung auf den Tod eines Hundes wurden Gerichte bis hin zum BGH745 befasst. Ausgangspunkt ist wohl die Beobachtung, „die Verletzung oder Tötung eines dem Betreuer ,ans Herz gewachsenen‘ Tieres“ füge „dem betroffenen Menschen selbst Mit-Leid zu, also eine Beeinträchtigung des eigenen
740
LG Essen, Urt. v. 29. 06. 1983 – 15 S 137/83, zfs 1986, 201. Schneider Kayasseh, S. 12 (lex aquilia), S. 13 (lex salica), S. 14 (Sachsenspiegel). Zur lex aquilia auch Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 31. 742 BGBl. I 1990, S. 1762. 743 BT-Drs. 11/7369, S. 7 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung). 744 Grundlegend BGH, Urt. v. 11. 05. 1971 – VI ZR 78/70 (BGHZ 56, 163) – juris. 745 BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11 (BGHZ 193, 34), NJW 2012, 1730. 741
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
psychischen und physischen Wohlbefindens, die bis zur Depression und Verzweiflung führen“ könne.746 a) Zum Hintergrund: Ansprüche Angehöriger bei Schock und Trauer Im Einzelnen besagt die unter dem oben genannten Begriff „Schockschaden“ bekannte Rechtsprechungslinie: Erleidet eine Person durch das Miterleben des tödlichen oder mit schweren Verletzungen einhergehenden Unfalls747 eines nahen Angehörigen oder der Nachricht hiervon einen im Hinblick auf den Anlass verständlichen, Krankheitswert erreichenden und nach Art und Schwere über das normale Maß der in dieser Lage erfahrungsgemäß erwartbaren Beeinträchtigungen hinausgehenden Schock, kann sie unter diesen Voraussetzungen den Schädiger für ihre – von diesem mittelbar748 durch die eigentliche Schädigung verursachte – Gesundheitsverletzung (in Gestalt des pathologischen Schocks) auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch nehmen.749 Der „Schockschadenersatz“ ist zu trennen von dem im Jahr 2017 eingeführten „Hinterbliebenengeld“, § 844 Abs. 3 BGB. Für den Fall, dass ein Mensch durch eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB getötet wird, können danach Hinterbliebene, die zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen, für das ihnen hierdurch zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Voraussetzungen des Hinterbliebenengeldes sind einerseits enger, beispielsweise greift § 844 Abs. 3 BGB ausdrücklich nur beim Tod des Geschädigten ein (während für einen „Schockschadenersatz“ auch schwerwiegende Verletzungen ausreichen können). In einer wesentlichen Hinsicht ist der Anwendungsbereich jedoch weiter, indem § 844 Abs. 3 BGB nämlich eine Kompensation für mittelbar verursachtes seelisches Leid – den Trauerschmerz – unabhängig vom Nachweis einer medizinisch fassbaren Gesundheitsbeeinträchtigung gewährt. Zweck der Einführung des Hinterbliebenengeldes war es nach der Gesetzesbegründung wohl auch gerade, eine durch die diesbezüglichen engen Voraussetzungen des „Schockschadenersatzes“ vom Ge-
746 So in einem anderen Zusammenhang Sojka, WuM 1984, 259; ähnlich Sojka, WuM 1983, 127, 128. 747 Erweiternd neuerdings BGH, Urt. v. 21. 05. 2019 – VI ZR 299/17 (BGHZ 222, 125) – juris: Anwendbarkeit der Grundsätze über den „Schockschaden“ nicht nur bei Unfallereignissen im eigentlichen Sinne, sondern auch, wenn das haftungsbegründende Ereignis eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist. 748 Zu unterscheiden hiervon sind Fälle, in denen der psychisch Geschädigte der haftungsbegründenden Handlung selbst unmittelbar ausgesetzt war, siehe BGH, Urt. v. 17. 04. 2018 – VI ZR 237/17 (BGHZ 218, 220) – juris (Polizist erlebt Amok-Lauf). 749 Siehe BGH, Urt. v. 11. 05. 1971 – VI ZR 78/70 (BGHZ 56, 163), NJW 1971, 1883; Urt. v. 04. 04. 1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317 f.; Urt. v. 06. 02. 2007 – VI ZR 55/06, NJW-RR 2007, 1395; siehe zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzes für „Schockschäden“ im Einzelnen auch Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1000 ff. (15. Aufl. 2017).
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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setzgeber erkannte Schutzlücke zu schließen.750 Zum Verhältnis der beiden Rechtsinstitute zueinander verweist die Gesetzesbegründung auf die aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen grundsätzlich gegebenen eigenständigen Anwendungsbereiche. Lägen hingegen neben den Voraussetzungen des § 844 Abs. 3 BGB auch die Voraussetzungen für einen „Schockschadenersatz“ vor, so gehe letzterer vor beziehungsweise § 844 Abs. 3 BGB in diesem auf.751 b) Gesundheit des Tierhalters als Anknüpfungspunkt In Kategorien von Rechtsgütern gedacht, ist bei der Tötung eines Tieres in der Regel eine Eigentumsverletzung gegeben, die als Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch in Betracht kommt. Würde in diesem Falle das an dem lieb gewonnenen Tier bestehende Affektionsinteresse des Menschen bei Bemessung der Kompensation nach § 251 BGB in Geld aufgewogen, liefe das auf den (gesetzlich nicht angeordneten) Ersatz eines infolge einer Eigentumsverletzung entstandenen Nichtvermögensschadens hinaus und verstieße daher gegen die in § 253 Abs. 1 BGB getroffene Vorgabe. Anders gelagert ist dagegen der Fall, dass nicht die Verletzung des Eigentums, sondern der Gesundheit des betreffenden Tierhalters als Anknüpfungspunkt für etwaige Ansprüche in Rede steht und so § 253 Abs. 2 BGB den Weg für einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens ebnet. Damit gelangt man zu einer im Prinzip ähnlichen Ausgangskonstellation, wie sie der „Schockschaden“-Rechtsprechung zugrunde liegt. c) Gründe gegen einen „Schockschadenersatz“ bei Tier-Unfällen Einfach abzulehnen ist ein „Schockschadenersatz“ im Kontext von Tieren zunächst in Fällen, in denen es nach den Feststellungen des Gerichts schon am Krankheitswert der infolge der Tier-Tötung erlittenen psychischen Missstimmung fehlt.752 Ist eine Gesundheitsverletzung indes zu bejahen, kommt es darauf an, ob diese dem Schädiger, das heißt demjenigen, der das Tier getötet hat, noch zurechenbar ist oder ob sich – in Abgrenzung hiervon – mit dem durch das Ereignis ausgelösten Schock lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat.753 Im 750 BT-Drs. 18/11397, S. 8 (Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD). 751 BT-Drs. 18/11397, S. 12 (Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD). 752 AG Recklinghausen, Urt. v. 28. 02. 1989 – 15 C 754/88, zfs 1989, 191; LG Bad Kreuznach, Urt. v. 11. 07. 2007 – 1 S 33/07, BeckRS 2011, 08706, Jagdrechtl. Entscheidungen XI Nr. 128; AG Meppen, Urt. v. 09. 12. 1994 – 3 C 1226/94; AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18. 753 KreisG Cottbus, Urt. v. 12. 05. 1993 – 40 C 124/93, NJW-RR 1994, 804, 805; LG Bad Kreuznach, Urt. v. 11. 07. 2007 – 1 S 33/07, BeckRS 2011, 08706; BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730, 1731; Diehl, zfs 2012, 377, 378; Lorenz, FS G. Müller, S. 147, 148 f.; Jahnke, jurisPR-VerkR 9/2012 Anm. 1; Schubert, S. 105; krit. gegenüber diesem Ab-
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Ergebnis erteilt die Rechtsprechung,754 einschließlich des BGH755, der Gewährung von „Schockschadenersatz“ (inklusive Schmerzensgeld) bei Tier-Tötungen nahezu756 einhellig eine Absage, ebenso das Schrifttum757. Die Sorge vor einer ausufernden Ersatzfähigkeit lediglich mittelbar verursachter Schäden758 wirkt dabei vor dem Hintergrund der gesetzlich eher restriktiv angelegten Möglichkeiten deliktischen Schadensersatzes zügelnd.759 Die Begründung des Ergebnisses wird auf der Grundlage der zu den AngehörigenFällen entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung gesucht. So heißt es etwa, Konstellationen eines ersatzfähigen „Schockschadens“ setzten als Anknüpfungspunkt stets die Tötung eines Menschen voraus;760 eine Eigentumsverletzung wie bei der Tötung eines Tieres genüge nicht. Oder man argumentiert, es fehle an einem geeigneten,761 ausreichenden762 oder hinreichend nachvollziehbaren763, aus Sicht grenzungskriterium Huber, LMK 2012, 336116 u. Mäsch, JuS 2012, 841, 842 f., der stattdessen auf den Schutzzweck der Norm abstellen will. 754 OLG Köln, Urt. v. 16. 03. 2011 – 16 U 93/10, BeckRS 2012, 08243; LG Aachen, Urt. v. 19. 08. 2010 – 8 O 483/09, BeckRS 2012, 08245; LG Bad Kreuznach, Urt. v. 11. 07. 2007 – 1 S 33/07, BeckRS 2011, 08706, Jagdrechtl. Entscheidungen XI Nr. 128; KreisG Cottbus, Urt. v. 12. 05. 1993 – 40 C 124/93, NJW-RR 1994, 804, 805; AG Recklinghausen, Urt. v. 28. 02. 1989 – 15 C 754/88, zfs 1989, 191; AG Essen-Borbeck, Urt. v. 02. 03. 1983 – 6 C 858/82, zfs 1986, 197. 755 BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11 (BGHZ 193, 34), NJW 2012, 1730. 756 A. A. offenbar ein erstinstanzliches Urteil des AG Bad Kreuznach v. 13. 02. 2007 – 2 C 1516/06 (nicht veröffentlicht) sowie für den (nicht entscheidungserheblichen) Fall, dass sich „aufgrund längeren Kontakts eine feste Mensch-Tier-Beziehung entwickelt hätte“, KreisG Cottbus, Urt. v. 12. 05. 1993 – 40 C 124/93, NJW-RR 1994, 804, 805. 757 Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Jahnke Vor § 249 BGB Rn. 131, § 249 BGB Rn. 292 u. § 253 BGB Rn. 79 (24. Aufl. 2016); Jahnke, r + s 2003, 89, 90; Terbille/ Clausen/Schroeder-Printzen-Adolphsen § 16 Rn. 329 (2. Aufl. 2013); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 55 u. § 249 BGB Rn. 155 (7. Aufl. 2016); Palandt-Grüneberg Vorb. V. § 249 BGB Rn. 40 (76. Aufl. 2017); Theissen, JA 2009, 366, 371; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 150 (3. Aufl. 2003); Schubert, S. 104; Mäsch, JuS 2012, 841, 843; Diehl, zfs 2012, 377; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1003 (15. Aufl. 2017); Eilers, zfs 2009, 248, 250, Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 5 (41. Ed. 2016); Lorz, MDR 1990, 1057, 1059; für Österreich Karner/Koziol, S. 79 f. A. A. jedoch MüKo-Wagner § 823 BGB Rn. 191 (7. Aufl. 2017). 758 LG Aachen, Urt. v. 19. 08. 2010 – 8 O 483/09, BeckRS 2012, 08245; LG Bad Kreuznach, Urt. v. 11. 07. 2007 – 1 S 33/07, BeckRS 2011, 08706; AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18; Jahnke, jurisPR-VerkR 9/2012 Anm. 1. 759 OLG Köln, Urt. v. 16. 03. 2011 – 16 U 93/10, BeckRS 2012, 08243; BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730, 1731. 760 AG Essen-Borbeck, Urt. v. 02. 03. 1983 – 6 C 858/82, zfs 1986, 197; AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18; Jahnke, jurisPR-VerkR 9/2012 Anm. 1; Balke, SVR 2012, 303, 304. 761 AG Recklinghausen, Urt. v. 28. 02. 1989 – 15 C 754/88, zfs 1989, 191. 762 LG Bad Kreuznach, Urt. v. 11. 07. 2007 – 1 S 33/07, BeckRS 2011, 08706, Jagdrechtl. Entscheidungen XI Nr. 128. 763 OLG Köln, Urt. v. 16. 03. 2011 – 16 U 93/10, BeckRS 2012, 08243.
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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eines objektiven Beobachters verständlichen764 Anlass für den Schock. Oder aber es wird schlicht unter die Voraussetzungen der Angehörigen-Rechtsprechung subsumiert: „Bei der getöteten Hündin handelte es sich nicht um einen nahen Angehörigen“.765 Als Begründungssplitter in der Argumentation gegen eine Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“ in Tier-Fällen wird auch auf die (heute wegen § 90a S. 3 BGB nicht grundlegend geänderte) sachenähnliche rechtliche Klassifizierung von Tieren verwiesen.766 Aus § 90a BGB folge kein „umfassender Schutz der Mensch-TierBeziehung“; die Einführung der Vorschrift habe „dem Schutz des Tieres und dem Respekt vor diesem Lebewesen“ gedient; das Zuerkennen eines Schmerzensgeldanspruches hingegen verbessere nicht die Stellung des Tieres, was durch Einführung des § 90a BGB beabsichtigt worden sei, sondern die des Tierhalters.767 Bedeutung erlangt auch ein argumentum a fortiori, ein „wertende(r) Vergleich mit den Schockschadensfällen bei der Tötung eines Angehörigen“768 : Wenn schon, wie in der Rechtsprechung anerkannt,769 „Schockschäden“ entfernterer Angehöriger dem Schädiger nicht mehr zurechenbar seien, müsse dies erst recht in Bezug auf das Verhältnis eines Menschen zu einem Tier gelten.770 Gegen die Zurechnung des Schadens spreche „die unterschiedliche Qualität, die gesellschaftlich den Beziehungen zwischen Menschen bzw. Mensch und Tier zugemessen“ werde; MenschTier-Beziehungen seien auch nicht gleichermaßen typisierbar wie bei nahen Angehörigen.771 d) Sympathiebekundungen für eine Übertragung der „Schockschaden“-Rechtsprechung auf Tiere Trotz der im Ergebnis ablehnenden Haltung gegenüber einem „Schockschadenersatz“ bei Tier-Unfällen lassen es sich die Gerichte in den hier zugrunde liegenden, vor sie gebrachten Fällen der deliktischen Tötung von Hunden nicht entgehen, das gefundene rechtliche Ergebnis mit Verständnisbekundungen im Hinblick auf die besondere Qualität der Mensch-Tier-Beziehung zu säumen. Es werde nicht 764
Eilers, zfs 2009, 248, 250. LG Aachen, Urt. v. 19. 08. 2010 – 8 O 483/09, BeckRS 2012, 08245. 766 AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18; LG Aachen, Urt. v. 19. 08. 2010 – 8 O 483/09, BeckRS 2012, 08245; AG Recklinghausen, Urt. v. 28. 02. 1989 – 15 C 754/88, zfs 1989, 191; AG Essen-Borbeck, Urt. v. 02. 03. 1983 – 6 C 858/82, zfs 1986, 197. 767 AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18; vgl. Schubert, S. 105. 768 Schubert, S. 104. 769 Siehe etwa LG Tübingen, Urt. v. 29. 11. 1967 – 1 S 107/67, NJW 1968, 1187. 770 AG Essen-Borbeck, Urt. v. 02. 03. 1983 – 6 C 858/82, zfs 1986, 197; AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18; LG Bad Kreuznach, Urt. v. 11. 07. 2007 – 1 S 33/07, BeckRS 2011, 08706; LG Aachen, Urt. v. 19. 08. 2010 – 8 O 483/09, BeckRS 2012, 08245; ähnlich Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1003 (15. Aufl. 2017). 771 Schubert, S. 105. 765
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
verkannt, „daß zwischen einem Menschen und einem Hund eine besondere Beziehung“ bestehe, und „sich auch gleichsam Zuneigung entwickeln“ könne. Insofern unterscheide „sich ein Hund von einem toten Gegenstand wie einem Auto oder zum Beispiel Schmuck“772. „Auch die Verletzung bzw. Tötung eines Haustieres“ könne „zu erheblicher Aufregung und auch Beeinträchtigung des psychischen und seelischen Gleichgewichts führen“773. Ein Hund könne „von einem Menschen sehr geliebt werden“ und dessen Verlust könne „als sehr einschneidend empfunden werden“774. Der BGH, der feststellt, Beeinträchtigungen bei der Verletzung oder Tötung von Tieren gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko, ergänzt: „mögen sie auch als schwerwiegend empfunden werden und menschlich noch so verständlich erscheinen“.775 Man fragt sich nach der hinter diesen Äußerungen liegenden Intention. Unter rechtlichen Gesichtspunkten kommt am ehesten in Betracht, dass hiermit die wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör gebotene Würdigung des jeweiligen KlägerVorbringens776 zum Ausdruck gebracht werden soll. Eine daneben denkbare Deutungsweise wäre, daraus eine gerichtlicherseits bestehende gewisse Sympathie für die Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Interesses des Tierhalters abzulesen, mag dies manchen auch wie ein „– in Heller und Pfennig betrachtet wertloser richterlicher – verbaler Trostzuspruch“777 anmuten. Die in diesen Prozessen vorgebrachten, im Ergebnis nicht durchgreifenden Ausführungen der klagenden Parteien bekommen gleichsam den Klang rechtspolitischer Forderungen, denen Gerichte durch Äußerungen wie die oben genannten eine gewisse Nachvollziehbarkeit nicht absprechen. Einen Schritt weiter gehend haben sich auch Stimmen in der Literatur gemeldet, die gegenüber der Gewährung von „Schockschadenersatz“ in Fällen der Tötung geliebter Haustiere durchaus aufgeschlossen sind,778 sofern „eine besonders enge Beziehung“ zu dem Tier besteht.779 Verwiesen wird dazu auf Menschen, „die zu ,ihrem‘ Haustier eine besonders enge Beziehung haben, eine engere womöglich als zu Menschen (…), für die – jedenfalls kurzfristig – eine Welt zusammenbricht, wenn ihr (Kuschel-)Tier getötet wird“, „(…) erst recht, wenn das vor ihren Augen ge-
772 AG Essen-Borbeck, Urt. v. 02. 03. 1983 – 6 C 858/82, zfs 1986, 197; AG Frankfurt/M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17, 18. 773 AG Recklinghausen, Urt. v. 28. 02. 1989 – 15 C 754/88, zfs 1989, 191. 774 LG Aachen, Urt. v. 19. 08. 2010 – 8 O 483/09, BeckRS 2012, 08245. 775 BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730, 1731. 776 BVerfG, Beschl. v. 16. 06. 1995 – 2 BvR 382/95, NJW-RR 1995, 1033; BGH, Beschl. v. 10. 01. 2013 – VII ZR 264/11, ZfBR 2013, 340. 777 Huber, LMK 2012, 336116, Anm. zu BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730. 778 MüKo-Wagner § 823 BGB Rn. 191 (7. Aufl. 2017); Huber, LMK 2012, 336116; Spickhoff, Karlsruher Forum 2007, S. 7, 56. Für Österreich Kramer, FS Koziol, S. 743, 752; LG Feldkirch, Urt. v. 14. 10. 1997 – 8 Cg 262/96 g, ZVR 2001, 255 ff., mit verhaltener Zustimmung bei Einschränkungen von Karner, ZVR 2008, 44, 46 und Karner/Koziol, S. 80. 779 Spickhoff, Karlsruher Forum 2007, S. 7, 56.
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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schieht (…)“780, auf „alte, vereinsamte Menschen, deren einziger und dementsprechend emotional tief verbundener Ansprechpartner das geliebte Haustier war, das vor den Augen seines ,Frauchens‘ oder ,Herrchens‘ auf der Straße überfahren wird“781. Argumentiert wird, immerhin erkenne die Sonderregel für die Verhältnismäßigkeit der Heilbehandlungskosten bei Tieren in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB schadensrechtlich „den besonderen ideellen Wert von Tieren an“782. Auch sei kein „Dammbruch“ zu befürchten, wenn man in „solchen – eng umgrenzten – Fällen Schmerzensgeld“ gewähre; vielmehr würden dadurch „vergleichbare Fälle – Verlust eines engen Angehörigen und Verlust des Haustieres, zu dem gleichfalls oder unter Umständen noch mehr eine enge Affektionsbeziehung besteht“ – gleich behandelt.783 e) Einordnung und Bewertung: Kein „Schockschadenersatz“ bei Tötung eines Tieres „Schockschadensfälle“ sind nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Leitlinien für deren rechtliche Behandlung müssen folglich aus Wertungen des Delikts- und Schadensrechts heraus gesucht werden. Das dogmatisch für die Abgrenzung von (nicht) ersatzfähigen „Schockschäden“ herangezogene Kriterium der Zurechenbarkeit, mit den konkretisierenden Stichworten „allgemeines Lebensrisiko“ und „Schutzzweck der Norm“, bietet freilich wenig scharfe Konturen und lässt Raum für Wertungsgesichtspunkte, sodass das jeweils gefundene Ergebnis nur in begrenztem Maße zwingend ist. Eine latente Rolle spielt stets die Sorge vor ausufernder Deliktshaftung („floodgate“-Argument). Die Frage des „Schockschadenersatzes“ gehört in den größeren Kontext einer auch vor dem Hintergrund eines europäischen Vergleichs geführten Diskussion um Angehörigen-Schmerzensgelder.784 Eine bisher restriktive Haltung des Gesetzgebers hierzu korrespondiert mit einer ebenfalls eher restriktiven Linie der Rechtsprechung. Speziell im Hinblick auf einen „Schockschadenersatz“ bei Tötung eines geliebten Tieres kommt den durch die Rechtsprechung in Angehörigen-Fällen aufgestellten Grundsätzen eine starke Orientierungsfunktion zu. Zentral ist dann die letztlich daran anknüpfende Wertungsfrage, ob in diesen Fällen einer nur mittelbaren, psychischen Schädigung der Verlust eines Tieres, zu dem eine enge gefühlsmäßige Bindung bestand, derart vergleichbar ist mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen, dass beides rechtlich gleich behandelt werden sollte. Dafür mag sprechen, dass Bindungen von Menschen zu einem Tier, wie reale Fälle zeigen, tatsächlich eine große Intensität erreichen können. Dies ist Ausdruck 780 Huber, LMK 2012, 336116, Anm. zu BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730. 781 Für Österreich Kramer, FS Koziol, S. 743, 752. 782 Spickhoff, Karlsruher Forum 2007, S. 7, 56. 783 Huber, LMK 2012, 336116, Anm. zu BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730. 784 Siehe dazu Huber, NZV 2012, 5 ff.; Schultzky, VersR 2011, 857 ff.; Diederichsen, DAR 2011, 122 ff.; Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi, zfs 2012, 6 ff.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
einer Sonderstellung der Mensch-Tier-Beziehung im Vergleich zu Sachen, die auch Rechtsanwender eingestehen785 und die – wie noch näher zu zeigen ist – auch gewissen rechtlichen Schutz genießt. Durch das (auch in Angehörigen-Fällen geltende) Erfordernis eines pathologischen und außergewöhnlichen Ausmaßes des „Trauerschmerzes“ wäre gewährleistet, dass nur Extremfälle zu einem Anspruch führen. Im Ergebnis ist ein Anspruch auf Ersatz von „Schockschäden“ bei der Tötung von Tieren jedoch abzulehnen: In Rede steht hier eine nur mittelbare Schädigung. Gegenüber dem Ersatz für solche Schäden ist die deutsche Zivilrechtsordnung restriktiv eingestellt und lässt ihn selbst beim Miterleben von menschlichen Unglücksfällen nur sehr begrenzt zu. Als eine Ausdehnung der Kompensationsfähigkeit mittelbar verursachter Beeinträchtigungen ist zwar die Einführung des Hinterbliebenengeldes im Jahr 2017 zu werten. Dieses ist jedoch nach der Systematik von § 844 BGB eindeutig auf die Tötung eines Menschen beschränkt. Die Erstreckung von „Schockschadenersatz“ auf das Miterleben der Tötung eines geliebten Tieres stünde zu diesem Wertungsgefüge nicht im Einklang, denn trotz Sonderstellung der Mensch-Tier-Beziehung im Vergleich zu Sachen hat die Gesamtheit der Rechtsordnung Tiere noch nicht derart in die Nähe von Menschen gerückt, dass eine Gleichwertigkeit menschlicher Beziehungen mit der Beziehung des Menschen zu einem Tier erkennbar wäre. Ein gewichtiger Grund gegen die Gewährung eines Schmerzensgeldes unter dem Gesichtspunkt des „Schockschadens“ in Tier-Fällen ist auch der – soweit ersichtlich – erst in der hierzu vom BGH ergangenen Entscheidung aufgegriffene Aspekt, dass sich der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres786 explizit hiergegen aussprach.787 So ist in dem betreffenden Bericht des Rechtsausschusses788 zu lesen, „für einen besonderen Schmerzensgeldanspruch des Tierhalters“ bestehe „kein Anlaß“. Bezugnehmend auf die für Angehörige entwickelte Rechtsprechungslinie zu „Schockschäden“ heißt es: „die Verletzung oder Tötung von Tieren sollten diesen Fallgruppen weder gleichgestellt werden, noch sollte gar darüber hinausgegangen werden.“
IV. Die (Nicht-)Berücksichtigung des Affektionsinteresses in anderen Rechtsordnungen am Beispiel des Schadensersatzes bei Tötung eines Tieres Wird ein Tier getötet und der in ihm aus Sicht des Eigentümers verkörperte immaterielle Wert damit unwiederbringlich zerstört, ist nach deutschem Recht nur 785
Siehe dazu vorne bei Fn. 613 ff. BGBl. I 1990, S. 1762. 787 BGH, Urt. v. 20. 03. 2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730, 1731; aufgegriffen auch in den Anmerkungen von Jahnke, jurisPR-VerkR 9/2012 Anm. 1; Balke, SVR 2012, 303, 304; Huber, LMK 2012, 336116. 788 BT-Drs. 11/7369, S. 7 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung). 786
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der Wiederbeschaffungswert zu ersetzen, nicht aber das beeinträchtigte Affektionsinteresse auszugleichen (§ 253 BGB); andere Rechtsordnungen stehen hingegen, jedenfalls unter bestimmten Bedingungen, dem Ersatz von Nichtvermögensschäden generell oder auch speziell in Bezug auf Tiere aufgeschlossener gegenüber. 1. Österreich a) Berücksichtigung des Affektionsinteresses im Rahmen des Wertersatzes Nach österreichischem Recht ist wie in Deutschland bei Tötung eines Tieres grundsätzlich Wertersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswertes zu leisten.789 Jedoch sieht das ABGB schon seit seinem Inkrafttreten in Gestalt von § 1331 ABGB bei Vermögensschäden, die „vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbotenen Handlung oder aus Mutwillen und Schadenfreude verursacht worden“ sind, die Möglichkeit des Geschädigten vor, „den Wert der besonderen Vorliebe zu fordern“. Unter dem Wert der besonderen Vorliebe versteht man den sich „aus der Gefühlsverbundenheit des Geschädigten“ mit dem Objekt ergebenden Wert.790 Die Vorschrift ist, wie der OGH unter Verweis auf den „Willen des Gesetzes“ betont, eng aufzufassen: Bei Sachschäden solle „nur in Ausnahmefällen und nur bei außergewöhnlichen Gefühlsbeziehungen zu einer Sache“ ein Ausgleich ideeller Schäden zugelassen sein.791 Unter diesen speziellen, restriktiven Voraussetzungen ist also ein beeinträchtigtes Affektionsinteresse – auch (aber nicht nur) an Tieren792 – nach § 1331 ABGB ersatzfähig.793 Gemessen an hierzu veröffentlichen Entscheidungen scheint dies aber keine allzu große praktische Bedeutung zu haben.794 b) „Schockschadenersatz“ Ein von der Bemessung des Wertersatzes zu trennender, aber in seiner Zielrichtung ähnlicher Ansatz besteht in der vor die österreichische Rechtsprechung gebrachten Überlegung, dem Halter eines getöteten Haustieres einen Schmerzensgeldanspruch wegen der durch den Verlust ausgelösten seelischen Belastung zu gewähren. Im Falle der Tötung naher Angehöriger ist, vergleichbar mit der in Deutschland unter dem Begriff „Schockschadenersatz“ bekannten Rechtsprechung, 789 Vgl. Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 68; Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3a (3. Aufl. 2007); Schneider Kayasseh, S. 33. 790 Barth/Dokalik/Potyka § 1331 ABGB (24. Aufl. 2014). 791 OGH v. 29. 09. 1998 – 1 Ob 160/98 f, ÖNZ 1999, 403, 404. 792 Schneider Kayasseh, S. 135; Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 5 (3. Aufl. 2007); vgl. auch Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Danzl § 1332a ABGB Rn. 3 (4. Aufl. 2014). 793 Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Danzl § 1331 ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2014); Schneider Kayasseh, S. 135; Schwimann TK-Wittwer § 1332a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2015). 794 Schwimann TK-Wittwer § 1331 ABGB Rn. 5 (3. Aufl. 2015); Schneider Kayasseh, S. 135.
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im österreichischen Zivilrecht ein Schmerzensgeld für erlittene seelische Schmerzen möglich, sofern die Trauerreaktion Krankheitswert erreicht795 oder grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers vorliegt796. Einer Übertragung der österreichischen Institute des Angehörigenschmerzensgeldes auf die Tötung von geliebten Tieren erteilte das mit dieser Frage befasste Bezirksgericht Melk797 eine Absage: Maßgeblich für die Zuerkennung von Trauerschmerzensgeld sei die intensive Gefühlsgemeinschaft, wie sie zwischen den nächsten Angehörigen typischerweise bestehe. Um der Gefahr des Ausuferns von Ansprüchen zu begegnen, bedürfe es einer engen Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises. Ein Hund, um den es in dem betreffenden Fall ging, sei – wenn auch gemäß § 285a ABGB keine Sache – „keinesfalls (…) unter den Begriff eines nahen Angehörigen“ zu subsumieren. Damit sei die wesentliche Voraussetzung einer nahen Angehörigeneigenschaft nicht erfüllt; zudem drohe durch „die Zulassung des Schmerzensgeldanspruches für einen verstorbenen Hund eine nicht gewünschte und unzulässige Ausuferung der Ansprüche“. Demgegenüber hatte das LG Feldkirch fast ein Jahrzehnt zuvor einer alleinstehenden Klägerin, vor deren Augen ein von ihr seit 14 Jahren als Haustier gehaltener Zwerg-Pudel überfahren worden war, einen Schmerzensgeldanspruch für die durch den Verlust des Tieres verursachten psychischen Beeinträchtigungen (mit Krankheitswert) zuerkannt – ohne sich näher mit den restriktiven Voraussetzungen der Rechtsprechung zum „Schockschadenersatz“ in Angehörigen-Fällen auseinanderzusetzen.798 In Gestalt einer Entscheidung des OLG Wien799 liegt auch aus jüngerer Vergangenheit eine Rechtsprechungsstimme vor, die durch Bestätigung der entsprechenden erstinstanzlichen Entscheidung die Zubilligung von „Schockschadenersatz“ und Schmerzensgeld im Falle der (miterlebten) Tötung eines geliebten Haustieres bejaht, wenn die psychische Beeinträchtigung Krankheitswert erreicht.800 Im Schrifttum findet sich ebenfalls teils Sympathie für die Gewährung eines „Schockschadenersatzes“ im Falle der Tötung eines geliebten Tieres: Während ein durch die Zerstörung einer Sache ausgelöster Schock keinerlei Ersatz für die ge795 OGH v. 16. 06. 1994 – 2Ob45/93 (abrufbar über das Rechtsinformationssystem des Bundes [RIS]: https://www.ris.bka.gv.at/); OGH v. 21. 12. 1995 – 2Ob99/95 – RIS; OGH v. 22. 02. 2001 – 2Ob79/00 g – RIS; näher zu den zu trennenden Kategorien Schockschaden, Trauerschaden und Fernwirkungsschaden Schwimann TK-Huber § 1325 ABGB Rn. 134 ff. (3. Aufl. 2015). 796 OGH v. 16. 05. 2001 – 2Ob84/01v – RIS; vgl. Karner, ZVR 2008, 44. 797 BG Melk v. 01. 02. 2006 – 5C2336/04p – RIS. 798 LG Feldkirch v. 14. 10. 1997 – 8 Cg 262/96 g, ZVR 2001, 255; krit. Schwimann TKWittwer § 1331 ABGB Rn. 5 (3. Aufl. 2015). 799 OLG Wien v. 15. 10. 2010 – 12 R 146/10v, ZVR 2012, 62; krit. Schwimann TK-Wittwer § 1331 ABGB Rn. 5 (3. Aufl. 2015). 800 Als zweite Instanz hatte das OLG Wien noch über die Frage zu entscheiden, ob neben dem Schmerzensgeld für die Trauerreaktion mit Krankheitswert noch ein zusätzliches allgemeines „Trauerschmerzensgeld“ gefordert werden konnte, was verneint wurde.
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sundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund des Verlustschmerzes nach sich ziehen soll,801 da „derart akzentuierte Sensibilitäten“ dem allgemeinen Lebensrisiko des Betroffenen zuzurechnen seien,802 solle bei Tieren unter besonderen Voraussetzungen anders entschieden werden. Dies könne mit § 285a ABGB803 begründet werden. Beispielsweise sei an alte, vereinsamte Menschen zu denken, „deren einziger und dementsprechend emotional tief verbundener Ansprechpartner das geliebte Haustier war“, das vor den Augen des Besitzers überfahren werde.804 Anderenorts805 wird es hingegen als „verfehlt und aus dem Gesetz nicht ableitbar“ kritisiert, Schadensersatz für immaterielle Beeinträchtigungen bei fahrlässiger Tötung eines Haustieres zuzubilligen. Es handele sich vielmehr „um einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden“; Ersatz des immateriellen Schadens dürfe nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 1331 ABGB zugesprochen werden. 2. Schweiz a) Berücksichtigung des Affektionsinteresses im Rahmen des Wertersatzes: Art. 43 Abs. 1bis OR Eine Besonderheit bildet die Schweiz806, da sie die Ersatzfähigkeit des in einem getöteten Tier verkörperten Affektionsinteresses explizit regelt und dabei die Mensch-Tier-Beziehung als geschütztes Rechtsgut anerkennt807. Im Zuge eines Bundesgesetzes aus dem Jahr 2003, durch das auch die deklaratorische Tier-Klausel geschaffen wurde,808 fügte man Art. 43 Abs. 1bis in das schweizerische Obligationenrecht (OR) ein.809 Danach kann der Richter bei Bestimmung von Art und Größe des Ersatzes für den eingetretenen Schaden im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbs-
801
Kramer, FS Koziol, S. 745, 752; Karner, ZVR 2008, 44, 45. Kramer, FS Koziol, S. 745, 752. 803 § 285a ABGB sagt: „Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.“ Siehe dazu vorne bei Fn. 414 ff. 804 Kramer, FS Koziol, S. 745, 752. Karner, ZVR 2008, 44, 46 sowie Karner/Koziol, S. 80, bezeichnen eine solche Konstellation – wie sie im „Pudel-Fall“ des LG Feldkirch gegeben war – als einen (wegen der unmittelbaren Einbezogenheit der Betroffenen in das Unfallgeschehen noch zu rechtfertigenden) „Grenzfall“. 805 Schwimann TK-Wittwer § 1331 ABGB Rn. 5 (3. Aufl. 2015). 806 Ausführlich hierzu Schneider Kayasseh, S. 137 ff. 807 Vgl. BBl. 2002, 4164, 4172 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats); Schneider Kayasseh, S. 82. 808 Siehe dazu vorne bei Fn. 458 ff. 809 Ziff. II des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463. 802
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
zwecken gehalten wird, dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.810 aa) Systematische Verortung Die Wortwahl des Art. 43 Abs. 1bis OR unterscheidet sich von den Formulierungen, die der schweizerische Gesetzgeber in Bezug auf Schmerzensgeldansprüche benutzt. Jene werden bei Tötung eines Menschen sowie Körper- und Persönlichkeitsverletzungen gewährt und als „Genugtuung“ bezeichnet. Der Sache nach geht es aber hier wie dort um den monetären Ausgleich für die Beeinträchtigung eines immateriellen Interesses. Auch der Gesetzgeber sah eine Nähe zur „Genugtuung“: der Affektionswert sei keine eindeutig bestimmbare Größe und der Verlust eines geliebten Tieres könne nicht mit Geld aufgewogen werden; insofern solle wie bei der Genugtuung ein immaterieller Schaden teilweise durch Geld wieder gutgemacht werden.811 Jedoch wollte der Gesetzgeber die unter der Bezeichnung „Genugtuung“ geregelten Schmerzensgeldansprüche klar von der neuen, für Tiere geltenden Vorschrift getrennt wissen. Der Unterschied soll offenbar vor allem darin bestehen, dass es hinsichtlich des Affektionswerts keinen eigenständigen (Schmerzensgeld-)Anspruch gibt, sondern dieser Wert lediglich im Rahmen der Bemessung des Schadensersatzes einbezogen wird.812 Die Reaktionen im Schrifttum813 ordnen Art. 43 Abs. 1bis jedoch ebenfalls funktional eher einer Genugtuung zu.814 Noch nicht abschließend geklärt ist das Verhältnis zwischen Art. 43 Abs. 1bis OR und Art. 49 OR (Genugtuung bei Persönlichkeitsverletzung). Denn es wurde vor Einführung des Art. 43 Abs. 1bis OR und zum Teil auch danach durchaus für möglich gehalten, dass insbesondere in einer sehr grausamen Verletzung oder Tötung eines Tieres gleichzeitig eine Persönlichkeitsverletzung an dem dazu gehörigen Menschen liegt, die zu einer Genugtuungszahlung nach Art. 49 OR berechtigt.815 Ob Art. 43 Abs. 1bis OR als lex specialis zu Art. 49 OR anzusehen ist,816 oder Art. 43 Abs. 1bis OR und Art. 49 OR nebeneinander Anwendung finden, wird uneinheitlich beantwortet.817 Teils wird gefordert, die einschränkenden Voraussetzungen aus Art. 47 OR (Genugtuung bei Tötung oder Ver810
Hervorhebung durch Verf. BBl. 2002, 4164, 4172 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats); vgl. schon BBl. 2002, 5806, 5808 (Stellungnahme des Bundesrats). 812 BBl. 2002, 4164, 4172 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 813 Überblick bei Schneider Kayasseh, S. 137 f. 814 Kostkiewicz/Nobel/Schwander/Wolf-Fischer Art. 43 OR Rn. 16 (2. Aufl. 2009); Berner Kommentar-Brehm Art. 43 OR Rn. 88e (4. Aufl. 2013); anders Krepper, AJP 2008, 704, 707: neuer Rechtsanspruch sui generis. 815 Berner Kommentar-Brehm Art. 49 OR Rn. 72 (4. Aufl. 2013). 816 In diese Richtung Berner Kommentar-Brehm Art. 49 OR Rn. 72 (4. Aufl. 2013). 817 Überblick bei Schneider Kayasseh, S. 178 ff., 137 f. m. w. N. zum Meinungsstand im schweizerischen Schrifttum. 811
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letzung eines Menschen) und Art. 49 OR (Genugtuung bei Persönlichkeitsverletzung) in Art. 43 Abs. 1bis OR hinein zu lesen, um einen Wertungsgleichklang herzustellen.818 Insgesamt wird Art. 43 Abs. 1bis OR für seinen systematischen Standort819 und das als unausgewogen empfundene Verhältnis820 zu Art. 47 OR und Art. 49 OR kritisiert.Ungeachtet dessen finden sich im schweizerischen Schrifttum aber auch konkrete Vorschläge für die praktische Handhabung des Art. 43 Abs. 1bis OR, etwa in Gestalt von Kategorien und Kriterien, um zu bestimmen, in welchem Maße ein ersatzfähiges Affektionsinteresse vorhanden und mit welchem Betrag es auszugleichen ist.821 Es gibt Beispiele der Tötung von Haustieren, in denen die im Jahr 2003 eingeführte Regelung bereits Bedeutung erlangt hat;822 eine allzu große Rolle scheint Art. 43 Abs. 1bis OR aber bisher in der Gerichtspraxis nicht gespielt zu haben.823 bb) Gesetzesbegründung Begründet wurde die Einfügung der Neuregelung damit, dass der Beziehung zu Tieren in der Gesellschaft eine immer größere Bedeutung zukomme. Durch die ausdrückliche Nennung des Affektionswertes, den ein Tier für seinen Halter oder dessen Angehörige haben könne, solle klargestellt werden, dass das emotionale Verhältnis zwischen Tier und Mensch ein schützenswertes Rechtsgut sei, das der Richter in seine Güterabwägung einzubeziehen habe. Bisher sei bei der Bemessung des Schadensersatzes dem Affektionswert, den jemand einer Sache infolge einer ganz persönlichen, außerhalb wirtschaftlicher Überlegungen stehenden Hochschätzung beimesse, nicht Rechnung getragen worden. Anders als bei leblosen Dingen werde dies dem Verhältnis zu Tieren nicht gerecht. Im Fall der schweren Verletzung oder Tötung eines Tieres solle der Täter verpflichtet werden können, dem Tierhalter auch den Affektionswert zu ersetzen.824
818 In diese Richtung Berner Kommentar-Brehm Art. 43 OR Rn. 89a, 89i (4. Aufl. 2013); Kostkiewicz/Nobel/Schwander/Wolf-Fischer Art. 43 OR Rn. 17 (2. Aufl. 2009); krit. Schneider Kayasseh, S. 141 f.; Krepper, AJP 2008, 704, 707. 819 Berner Kommentar-Brehm Art. 43 OR Rn. 88 f (4. Aufl. 2013); Honsell-Schönenberger Art. 43 OR Rn. 14 (1. Aufl. 2014). 820 Kostkiewicz/Nobel/Schwander/Wolf-Fischer Art. 43 OR Rn. 17 (2. Aufl. 2009); Berner Kommentar-Brehm Art. 43 OR Rn. 89a und 89i (4. Aufl. 2013). 821 Schneider Kayasseh, S. 158 ff.; Krepper, AJP 2008, 704, 713 ff. 822 Vgl. Krepper, AJP 2008, 704, 717 f.; Schneider Kayasseh, S. 169. 823 Krepper, AJP 2008, 704, 718, ist kein Urteil zum Affektionswertsersatzanspruch bekannt; Schneider Kayasseh, S. 169, konstatiert, eine eigentliche Rechtsprechungspraxis habe sich bislang noch nicht etabliert, da entsprechende Verfahren auf dem Vergleichsweg erledigt worden seien. Auch in den herangezogenen Kommentaren werden keine Urteile angeführt. 824 BBl. 2002, 4164, 4172 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats).
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cc) Typisierung des Affektionsinteresses an Tieren Hervorzuheben sind vor allem zwei Weichenstellungen, die der schweizerische Gesetzgeber in seiner expliziten Regelung über den Affektionswert von Tieren getroffen hat. Zum einen definiert er einen Personenkreis, dessen Affektionsinteresse an einem Tier beachtlich sein kann: der Halter und dessen Angehörige.825 Zum anderen beschränkt er den Anwendungsbereich der Norm auf im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltene Tiere826. Mit der gewählten Formulierung wollte der schweizerische Gesetzgeber Tiere erfassen, „zu denen der Besitzer eine besonders enge Beziehung hat, unabhängig davon, ob sie im Haus, im Garten oder im Stall gehalten werden“.827 Im Schrifttum wird dem Art. 43 Abs. 1bis OR eine widerlegbare gesetzliche Vermutung des Bestehens einer werthaltigen Affektion zum verletzten oder getöteten Tier bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale entnommen.828 In der Anknüpfung einerseits an den Zweck, andererseits die räumliche Sphäre der Tierhaltung liegt eine für die Ziele dieser Arbeit interessante Typisierung des schweizerischen Gesetzgebers dahingehend, dass unter den beschriebenen Umständen (Haltung im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken) regelmäßig ein potentiell schutz- und ausgleichswürdiges immaterielles Interesse anzunehmen ist. Auf diese beiden Kriterien wird noch zurückzukommen sein, denn sie können auch in anderen Zusammenhängen für Konkretisierungen und Typisierungen eines Affektionsinteresses an Tieren als Referenzpunkt und mögliches Vorbild dienen. b) „Schockschadenersatz“ Hinsichtlich der Schadensposten, die gemeinhin unter dem Stichwort „Schockschaden“ behandelt werden, gibt es in Art. 47 OR eine gesetzliche Regelung, die im Falle der Tötung von Menschen die Möglichkeit einräumt, den Angehörigen „unter Würdigung der besonderen Umstände“ eine „angemessene Geldsumme als Genugtuung“ zuzusprechen. Im Schrifttum finden sich Überlegungen, solches auch für die Konstellation zuzulassen, dass die Verletzung oder Tötung eines Tieres einen Schock mit Krankheitswert auslöst.829
825
Hierzu näher Krepper, AJP 2008, 704, 711 f.; Schneider Kayasseh, S. 150 ff. Zur Auslegung dieser Formulierung näher Schneider Kayasseh, S. 56 ff.; Krepper, AJP 2008, 704, 709 ff. 827 BBl. 2002, 4164, 4170 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 828 Krepper, AJP 2008, 704, 714; anders Schneider Kayasseh, S. 155 f. 829 Schneider Kayasseh, S. 176 f. m. w. N. 826
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3. Weitere europäische Rechtsordnungen (Frankreich, Portugal); DCFR Unter der französischen deliktsrechtlichen Generalklausel des § 1382 code civ. sind weitgehend auch immaterielle Schäden (dommage moral) ersatzfähig.830 Wird der an einem Tier bestehende Gefühlswert durch dessen Tötung (aber wohl auch durch andere Handlungen, wie die Verletzung oder Vorenthaltung) beeinträchtigt, kann nach französischem Privatrecht Ersatz des Affektionsinteresses erlangt werden.831 In Portugal kann der Eigentümer seit dem 1. Mai 2017832 (unter anderem) im Falle der tödlichen Verletzung seines Tieres von dem Schädiger auf Grundlage eines neu geschaffenen Art. 493-A Abs. 3 des portugiesischen Código Civil (i. V. m. Art. 496 Abs. 1) ein vom Gericht nach Billigkeit festzusetzendes Schmerzensgeld verlangen, wenn es sich bei dem Tier um ein Haustier („animal de companhia“) handelte.833 Die Grundnorm in Art. 496 Abs. 1 Código Civil, auf die Art. 493-A Abs. 3 verweist, sieht die Berücksichtigung immaterieller Schäden bei der Bemessung des Schadensersatzes vor, wenn ihre Schwere rechtlichen Schutz rechtfertigt.834 Der DCFR gewährt im Falle der Tötung oder schweren Verletzung eines Menschen für das seelische Leid Angehöriger einen Schmerzensgeldanspruch (Art. VI. – 2:202 Abs. 1), allerdings eng begrenzt auf besonders nahe stehende Personen (Eltern, Kinder, Partner, nicht jedoch zum Beispiel bloße Freunde)835. Das dürfte dafür sprechen, dass ein Ersatz für immaterielle Schäden infolge der Tötung eines geliebten Tieres nach dem DCFR eher nicht vorgesehen ist.
830
Siehe Schneider Kayasseh, S. 134; Nörr, AcP 158 (1959), 1, 4. Schneider Kayasseh, S. 134 f.; Wacke, FS Behrends, S. 555, 564; Kluge-von Loeper Einf. Rn. 170 (1. Aufl. 2002); grundlegend Affaire Lunus, Cour de Cassation, chambre civile, 14 Janvier 1962, Dalloz 1962, 199 (zitiert nach Schneider Kayasseh, S. 134). Gleiches gilt aber wohl auch für eine Sache. 832 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017 – 03 – 03. 833 „No caso de lesão de animal de companhia de que tenha provindo a morte, a privação de importante órgão ou membro ou a afetação grave e permanente da sua capacidade de locomoção, o seu proprietário tem direito, nos termos do n.8 1 do artigo 496.8, a indemnização adequada pelo desgosto ou sofrimento moral em que tenha incorrido, em montante a ser fixado equitativamente pelo tribunal.“ 834 „Na fixação da indemnização deve atender-se aos danos não patrimoniais que, pela sua gravidade, mereçam a tutela do direito.“ 835 von Bar, Non-Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another (2009), S. 391 (comments, sub 7). 831
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4. USA a) Rechtliche Anknüpfungspunkte für eine Berücksichtigung immaterieller Interessen an Tieren Für eine Berücksichtigung des immateriellen Wertes eines getöteten Tieres bei der Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch in den USA836 kommen – ohne auf die Eigenheiten des amerikanischen Delikts- und Schadensersatzrechts im Detail einzugehen – verschiedene Anknüpfungspunkte in Betracht, die hier nur angedeutet werden können. Einen ersten Ansatzpunkt bietet die bei der Bemessung des Schadensersatzes für ein getötetes Tier erforderliche Wertbestimmung. Im Grundsatz verweisen amerikanische Gerichte hier auf die Einordnung von Tieren als property und darauf, dass folglich in erster Linie Ersatz des Marktwertes geschuldet ist.837 Jedoch gibt es, insbesondere dann, wenn das Tier kaum einen Marktwert hat, Ansätze, stattdessen auf den „special value to the owner“, „actual value“ oder „intrinsic value“ abzustellen,838 in den neben dem ursprünglichen Anschaffungspreis auch die während des Lebens des Tieres für dieses getätigten Aufwendungen und der Entgang künftiger mit diesem zu erzielender Einnahmen oder der besondere Nutzen des Tieres einfließen, eher nicht jedoch der rein emotionale Wert für den Halter („sentimental value“)839.
836
Ausführlich hierzu Schneider Kayasseh, S. 191 ff. Richardson v. Fairbanks N. Star Borough, Alaska Supreme Court, August 30th, 1985, 705 P.2d 454, 456; Petco Animal Supplies v. Schuster, Court of Appeals of Texas, April 29, 2004, 144 S.W.3d 554, 560 f.; Lachenman v. Stice, Court of Appeals of Indiana, November 30, 2005, 838 N.E.2d 451, 466 f.; Daughen v. Fox, Superior Court of Pennsylvania, March 30, 1988, 539 A.2d 858, 864; Soucek v. Banham, Court of Appeals of Minnesota, November 29, 1994, 524 N.W.2d 478, 481; Kondaurov v. Kerdasha, Supreme Court of Virginia, April 21, 2006, 629 S. E.2d 181, 186 f.; Jankoski v. Preiser Animal Hospital, Appellate Court of Illinois, First District, Fourth Division, June 25, 1987, 510 N.E.2d 1084, 1086. 838 Schneider Kayasseh, S. 187 ff.; Brousseau v. Rosenthal, Civil Court of the City of New York, New York County, June 20, 1980, 443 N.Y.S.2d 285, 286; McDonald v. Ohio State University Veterinary Hospital, Court of Claims of Ohio, October 11, 1994, 67 Ohio Misc.2d 40, 42 f.; Mitchell v. Heinrichs, Alaska Supreme Court, July 20th, 2001, 27 P.3d 309, 313 f.; Petco Animal Supplies v. Schuster, Court of Appeals of Texas, April 29, 2004, 144 S.W.3d 554, 560 f.; Jankoski v. Preiser Animal Hospital, Appellate Court of Illinois, First District, Fourth Division, June 25, 1987, 510 N.E.2d 1084, 1086 f. 839 Vgl. Schneider Kayasseh, S. 187 ff.; McDonald v. Ohio State University Veterinary Hospital, Court of Claims of Ohio, October 11, 1994, 67 Ohio Misc.2d 40, 42; Mitchell v. Heinrichs, Alaska Supreme Court, July 20th, 2001, 27 P.3d 309, 313 f.; Petco Animal Supplies v. Schuster, Court of Appeals of Texas, April 29, 2004, 144 S.W.3d 554, 560 f., 564 f.; a. A. Jankoski v. Preiser Animal Hospital, Appellate Court of Illinois, First District, Fourth Division, June 25, 1987, 510 N.E.2d 1084, 1087: „The concept of actual value to the owner may include some element of sentimental value“ und wohl auch Brousseau v. Rosenthal, Civil Court of the City of New York, New York County, June 20, 1980, 443 N.Y.S.2d 285, 286 (loss of companionship als ein Teilaspekt bei der Bestimmung des actual value). 837
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Zweitens wird im Kontext der Haftung für die Tötung eines Tieres ein Schadensersatz wegen „emotional distress“ diskutiert, im amerikanischen Deliktsrecht eine Art Schmerzensgeld, das unter bestimmten Umständen für die Verursachung einer schweren seelischen Belastung gewährt werden kann.840 Dabei ist zu unterscheiden: Bei einer fahrlässigen Herbeiführung der seelischen Belastung gelangen ähnliche Grundsätze zur Anwendung wie sie im deutschen Recht für sogenannte „Schockschäden“ gelten, insbesondere greift auch hier eine Begrenzung auf Fälle von psychischen Leiden infolge des Miterlebens der Tötung oder Verletzung naher Angehöriger.841 Vor diesem Hintergrund wird Schadensersatz wegen fahrlässiger Herbeiführung einer seelischen Belastung (negligent infliction of emotional distress) durch die Verletzung oder Tötung eines geliebten Tieres von amerikanischen Gerichten mehrheitlich abgelehnt.842 Rechtlicher Ausgangspunkt für diese Haltung ist letztlich die Einordnung von Tieren als (bloße) Eigentumsobjekte (property).843 Darüber hinaus scheinen rechtspolitische Erwägungen844 durch, nämlich neben 840
Vgl. dazu Schneider Kayasseh, S. 192 ff. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen negligent infliction of emotional distress: Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 496 ff.; Kaufman v. Langhofer, Court of Appeals of Arizona, Division 1, Department B, December 22, 2009, 222 P.2d 272, 279; Gluckman v. American Airlines, United States District Court, S.D. New York, February 9, 1994, 844 F. Supp. 151, 157; großzügiger hingegen Hawai: Campbell v. Animal Quarantine Station, Supreme Court of Hawai’i, August 26, 1981, 632 P.2d 1066 ff. 842 Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 496 ff.; Plotnik v. Meihaus, Court of Appeals of California, Fourth District, Division Three, August 31, 2012, 208 Cal.App.4th 1590, 1605; Kaufman v. Langhofer, Court of Appeals of Arizona, Division 1, Department B, December 22, 2009, 222 P.2d 272, 274 ff.; Strickland v. Medlen, Texas Supreme Court, 2013, 397 S.W.3d 184, 198; Lachenman v. Stice, Court of Appeals of Indiana, November 30, 2005, 838 N.E.2d 451, 460 f.; Johnson v. Douglas, New York Appellate Court, December 3, 2001, 734 N.Y.S.2d 847; Gluckman v. American Airlines, United States District Court, S.D. New York, February 9, 1994, 844 F. Supp. 151, 157; Myers v. Hartford, Connecticut Court of Appeal, August 10, 2004, 84 Conn.App. 395, 402; Kondaurov v. Kerdasha, Supreme Court of Virginia, April 21, 2006, 629 S. E.2d 181, 187; ähnlich auch Petco Animal Supplies v. Schuster, Court of Appeals of Texas, April 29, 2004, 144 S.W.3d 554, 561 ff.: Ablehnung eines Schadensersatzanspruchs wegen mental anguish bei Tötung eines Hundes infolge von Fahrlässigkeit (a. A. die Vorinstanz); a. A. Campbell v. Animal Quarantine Station, Supreme Court of Hawai’I, August 26, 1981, 632 P.2d 1066 ff. 843 Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 492; Plotnik v. Meihaus, Court of Appeals of California, Fourth District, Division Three, August 31, 2012, 208 Cal.App.4th 1590, 1606; Kaufman v. Langhofer, Court of Appeals of Arizona, Division 1, Department B, December 22, 2009, 222 P.2d 272, 274 f.; Strickland v. Medlen, Texas Supreme Court, 2013, 397 S.W.3d 184, 198; Lachenman v. Stice, Court of Appeals of Indiana, November 30, 2005, 838 N.E.2d 451, 461; Myers v. Hartford, Connecticut Court of Appeal, August 10, 2004, 84 Conn.App. 395, 402. 844 Strickland v. Medlen, Texas Supreme Court, 2013, 397 S.W.3d 184, 195 f.; Kaufman v. Langhofer, Court of Appeals of Arizona, Division 1, Department B, December 22, 2009, 222 P.2d 272, 278 f.; Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 497 ff.; Pantelopoulos v. Pantelopoulos, Connecticut Superior Court, January 13th, 2005, 841
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Beweis- und Abgrenzungsschwierigkeiten vor allem die Sorge vor ausufernden Klagewellen und Haftungsrisiken von Tierärzten (mit der Folge einer Preissteigerung für Tierbehandlungen und Versicherungen)845 sowie der Wertungsgesichtspunkt, dass bei Zuerkennung eines Schmerzensgeldes für den Tod eines Tieres womöglich die Relation zwischen der rechtlichen Behandlung einerseits der Mensch-zuMensch- und andererseits der Mensch-zu-Tier-Beziehung aus den Fugen geraten könnte,846 da Schmerzensgeld zwar beim Verlust naher Angehöriger (Kinder, Partner, Eltern),847 jedoch nicht beispielsweise beim Verlust von nahen „menschlichen“ Freunden gewährt wird.848 Schadensersatz wegen der vorsätzlichen Herbeiführung einer seelischen Belastung (intentional infliction of emotional distress) wird demgegenüber ohnehin nur unter engen Voraussetzungen, das heißt unter sehr hohen Anforderungen an das Verhalten des Schädigers zugestanden,849 die bei der Tötung eines Tieres oftmals nicht nachzuweisen sind;850 es gibt aber auch Ausnahmen.851 Ähnliches gilt für die 869 A.2d 280, 283 f.; Myers v. Hartford, Connecticut Court of Appeal, August 10, 2004, 84 Conn.App. 395, 402 f. Ausführliche Auseinandersetzung mit Argumenten gegen einen Ausgleich für das an Tieren bestehende Affektionsinteresse bei deren Tötung oder Verletzung bei: Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1234 ff.; Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 214 ff.; Boxberger, 5 T.M. COOLEY J. PRAC. & CLINICAL L. 139 (2002), 156 ff.; Schwartz/ Laird, 33 Pepp. L. Rev. 227 (2006), 237 ff., 249 ff.; Livingston, 82 Neb. L. Rev. 783 (2004), 811 ff., 834 ff. 845 Vgl. speziell zu den Auswirkungen auf die Haftung der Tierärzte: Byszewski, 9 Animal L. 215 (2003), 230 f.; Root, 47 Vill. L. Rev. 423 (2002), 441 ff. 846 Vgl. Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 32 f.; Wilson, 57 Clev. St. L. Rev. 167 (2009), 178 f. 847 Vgl. Waisman/Newell, 7 Animal L. 45 (2001), 47 ff.; Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1209 ff.; Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 91 f. 848 Lachenman v. Stice, Court of Appeals of Indiana, November 30, 2005, 838 N.E.2d 451, 461; Myers v. Hartford, Connecticut Court of Appeal, August 10, 2004, 84 Conn.App. 395, 402 ff. 849 Zu den Voraussetzungen Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 501; Plotnik v. Meihaus, Court of Appeals of California, Fourth District, Division Three, August 31, 2012, 208 Cal.App.4th 1590, 1609; Womack v. Von Rarden, Court of Appeals of Washington, Division 3, May 25, 2006, 135 P.3d 542, 545; Burgess v. Taylor, Court of Appeals of Kentucky, March 9th, 2001, 44 S.W.3d 806, 811; Lachenman v. Stice, Court of Appeals of Indiana, November 30, 2005, 838 N.E.2d 451, 456 f.; Daughen v. Fox, Superior Court of Pennsylvania, March 30, 1988, 539 A.2d 858, 860 ff.; Gluckman v. American Airlines, United States District Court, S.D. New York, February 9, 1994, 844 F. Supp. 151, 157 f.; Pantelopoulos v. Pantelopoulos, Connecticut Superior Court, January 13th, 2005, 869 A.2d 280, 282 f.; Brown v. Muhlenberg Township, United States Court of Appeals for the third Circuit, October 11, 2001, 269 F.3d 205, 218. 850 Wie hier: Rabideau v. Racine, Supreme Court of Wisconsin, June 12, 2001, 243 Wis.2d 486, 502 f.; Mitchell v. Heinrichs, Alaska Supreme Court, July 20th, 2001, 27 P.3d 309, 311 f.; Womack v. Von Rarden, Court of Appeals of Washington, Division 3, May 25, 2006, 135 P.3d 542, 545; Richardson v. Fairbanks N. Star Borough, Alaska Supreme Court, August 30th, 1985, 705 P.2d 454, 456 f.; Lachenman v. Stice, Court of Appeals of Indiana, November 30, 2005, 838
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
155
bei vorsätzlichen Schädigungen im amerikanischen Recht anerkannte Möglichkeit eines der Abschreckung dienenden Schadensersatzes mit Strafcharakter („punitive damages“852).853 Ein dritter möglicher Anknüpfungspunkt ist das im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte Institut des Schadensersatzes für „loss of companionship“, der bei der Tötung von Partnern, Kindern und Eltern eine Art finanzielle Genugtuung für den Verlust eines nahe stehenden Menschen gewährt.854 Einen Schadensersatz wegen loss of companionship im Falle der Tötung eines Tieres lehnen amerikanische Gerichte aber ab.855 Ein eher exotischer und vor den damit befassten Gerichten ebenfalls gescheiterter Ansatz ist schließlich noch, Schmerzensgeld für die von den Tieren selbst empfundenen Schmerzen und Leiden zu fordern.856 b) Tendenzen Die amerikanische Rechtsprechung steht insgesamt also einem schadensrechtlichen Ausgleich von an Tieren bestehenden Affektionsinteressen und der GewähN.E.2d 451, 456 f.; Daughen v. Fox, Superior Court of Pennsylvania, March 30, 1988, 539 A.2d 858, 864; Gluckman v. American Airlines, United States District Court, S.D. New York, February 9, 1994, 844 F. Supp. 151, 157 f. Das Gericht in Pantelopoulos v. Pantelopoulos, Connecticut Superior Court, January 13th, 2005, 869 A.2d 280, 284 sieht in Connecticut und New Jersey generell keinen „cause of action for intentional infliction of emotional distress in connection with the loss of a pet“. 851 Burgess v. Taylor, Court of Appeals of Kentucky, March 9th, 2001, 44 S.W.3d 806, 811 f.; Brown v. Muhlenberg Township, United States Court of Appeals for the third Circuit, October 11, 2001, 269 F.3d 205, 218 f. 852 Vgl. dazu Schneider Kayasseh, S. 203 ff. 853 Abgelehnt in Mitchell v. Heinrichs, Alaska Supreme Court, July 20th, 2001, 27 P.3d 309, 312; Petco Animal Supplies v. Schuster, Court of Appeals of Texas, April 29, 2004, 144 S.W.3d 554, 566 (a. A. die Vorinstanz); Soucek v. Banham, Court of Appeals of Minnesota, November 29, 1994, 524 N.W.2d 478, 481; zugestanden in Burgess v. Taylor, Court of Appeals of Kentucky, March 9, 2001, 44 S.W.3d 806, 814; Fredeen v. Stride, Supreme Court of Oregon, August 8, 1974, 525 P.2d 166, 169; La Porte v. Associated Independents, Inc., Supreme Court of Florida, April 3, 1964, 163 So. 2d 267, 268. 854 Vgl. Schneider Kayasseh, S. 200 ff. 855 Kaufman v. Langhofer, Court of Appeals of Arizona, Division 1, Department B, December 22, 2009, 222 P.2d 272, 278 f.; Strickland v. Medlen, Texas Supreme Court, 2013, 397 S.W.3d 184, 191 f.; Daughen v. Fox, Superior Court of Pennsylvania, March 30, 1988, 539 A.2d 858, 864 f.; Gluckman v. American Airlines, United States District Court, S.D. New York, February 9, 1994, 844 F. Supp. 151, 158. Differenzierter Jankoski v. Preiser Animal Hospital, Appellate Court of Illinois, First District, Fourth Division, June 25, 1987, 510 N.E.2d 1084, 1086 f. und Brousseau v. Rosenthal, Civil Court of the City of New York, New York County, June 20, 1980, 443 N.Y.S.2d 285, 286: loss of companionship nicht als eigenständige cause of action, aber als ein Teilaspekt bei der Bestimmung des actual value. 856 Gluckman v. American Airlines, United States District Court, S.D. New York, February 9, 1994, 844 F. Supp. 151, 159; Oberschlake v Veterinary Association Animal Hospital, Court of Appeals of Ohio, Second District, Greene County, February 28, 2003, 785 N.E.2d 811, 814; dazu Schneider Kayasseh, S. 202 f.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
rung von Schmerzensgeld für „Trauerschmerz“ jedenfalls bei fahrlässig begangener Schädigung eines Tieres restriktiv gegenüber und stellt in erster Linie auf den Ersatz des Marktwertes ab,857 wenn auch zuweilen begleitet von Verständnisbekundungen für die besondere emotionale Beziehung von Menschen zu ihren Tieren.858 Doch gibt es unter amerikanischen Richtern schon seit Langem auch Stimmen, die nicht nur die ganz besondere Beziehung des Menschen zu Tieren – allen voran Hunden – hervorheben, sondern sich auch dafür aussprechen, die jedenfalls bei der Tötung eines aus Liebhaberei und als Gefährten gehaltenen Tieres („companion animal“) erlittene immaterielle Einbuße bei der Bemessung des Schadens zu berücksichtigen oder eine Art Trauer-Schmerzensgeld zu gewähren.859 Insbesondere in Bezug auf vorsätzliche Schädigungen von Tieren haben sich Gerichte bereits offen für den Ausgleich immaterieller Schäden gezeigt.860 857 Vgl. Schneider Kayasseh, S. 136, 184; Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1215; Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 188, 193; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 332; Schwartz/Laird, 33 Pepp. L. Rev. 227 (2006), 235 ff.; Reppy Jr., 1 J. Animal L. & Ethics 19 (2006), 24 f.; Eichinger, 67 Mont. L. Rev. 231 (2006), 242 f.; Sadler, 11 Animal L. 283 (2005), 286 ff.; Livingston, 82 Neb. L. Rev. 783 (2004), 787 ff.; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 483, 494 ff.; Root, 47 Vill. L. Rev. 423 (2002), 426 ff.; Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 90 ff.; Boxberger, 5 T.M. COOLEY J. PRAC. & CLINICAL L. 139 (2002), 145 f.; Barton/Hill, 34 N.Y.L. Sch. L. Rev. 411 (1989), 412 f.; ausführliche Rspr.-Nachweise bei Zitter, 91 A.L.R.5th 545 und Miller, 61 A.L.R.5th 635 (1998). 858 Etwa Kondaurov v. Kerdasha, Supreme Court of Virginia, April 21, 2006, 629 S. E.2d 181, 186: „It is beyond debate that animals, particularly dogs and cats, when kept as pets and companions, occupy a position in human affections far removed from livestock. Especially in the case of owners who are disabled, aged or lonely, an emotional bond may exist with a pet resembling that between parent and child, and the loss of such an animal may give rise to grief approaching that attending the loss of a family member.“ 859 Etwa Corso v. Crawford Dog & Cat Hosp., Inc., Civil Court of the City of New York, County of Queens, March 22, 1979, 415 N.Y.S.2d 182, 183; Brousseau v. Rosenthal, Civil Court of the City of New York, New York County, June 20, 1980, 443 N.Y.S.2d 285, 286 f.; Campbell v. Animal Quarantine Station, Supreme Court of Hawai’I, August 26, 1981, 632 P.2d 1066, 1069 ff.: recovery for mental distress suffered as the result of the negligent destruction of a pet; Peloquin v. Calcasieu Parish Police Jury, Louisiana Court of Appeal, February 5th, 1979, 367 So. 2d 1246, 1251: damages for mental anguish as a result of injury to an animal; Knowles Animal Hospital, Inc., v. Wills, District Court of Appeal of Florida, Third District, June 13, 1978, 360 So. 2d 37, 38 f.: mental pain and suffering caused by neglectful conduct which resulted in the injury of a dog. (Weitere) Nachweise bei Waisman/Newell, 7 Animal L. 45 (2001), 53 ff.; Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1216 ff.; DeFabritiis, 32 N. ILL. U. L. REV. 237 (2012), 246 ff.; Byszewski, 9 Animal L. 215 (2003), 217 ff.; Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 195 ff., 210 ff.; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 329 ff.; Schwartz/Laird, 33 Pepp. L. Rev. 227 (2006), 243 ff.; Reppy Jr., 1 J. Animal L. & Ethics 19 (2006), 29 ff.; Eichinger, 67 Mont. L. Rev. 231 (2006), 247 ff.; Sadler, 11 Animal L. 283 (2005), 288 ff. (mit Überlegungen zu Auswirkungen auf die Versicherungsbranche); Livingston, 82 Neb. L. Rev. 783 (2004), 790 ff.; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 501 ff.; Root, 47 Vill. L. Rev. 423 (2002), 432 ff.; Boxberger, 5 T.M. COOLEY J. PRAC. & CLINICAL L. 139 (2002), 147; Barton/Hill, 34 N.Y.L. Sch. L. Rev. 411 (1989), 422 ff.; ausführliche Rspr.-Nachweise bei Zitter, 91 A.L.R.5th 545 (2001) und Miller, 61 A.L.R.5th 635 (1998). 860 Womack v. Von Rarden, Court of Appeals of Washington, Division 3, May 25, 2006, 135 P.3d 542, 546: „emotional distress damages“ following „malicious injury to a pet“; Fredeen v.
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
157
Im Schrifttum wird das, was nach deutscher Diktion bei vergröbernder Betrachtung einem Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden und einem Schmerzensgeld für „Schockschäden“ entspricht, für den Fall der Tötung eines (insbesondere: Haus-)Tieres schon seit Längerem wiederholt gefordert861; begleitet auch von konkreten Textentwürfen für Gesetze862 und Vorschlägen dazu, anhand welcher Überlegungen ein solcher Schadensersatz beziffert werden könnte.863 Argumentiert wird dabei etwa mit den Funktionen des amerikanischen Deliktsrechts (tort law) – (volle) Kompensation des Geschädigten für die erlittene Beeinträchtigung sowie Verhaltenssteuerung (Abschreckung für potentielle Schädiger) unter Widerspiegelung der herrschenden gesellschaftlichen Wertungen864 –, die angesichts der enormen emotionalen Bedeutung von Haustieren für ihre Besitzer eine Berücksichtigung des immateriellen Wertes eines getöteten Tieres bei der Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch erforderten. Auch auf gesetzgeberischer Ebene zeigen sich leichte Ansätze in diese Richtung.865 Im Jahr 2000 hat Tennessee als erster Staat eine Bestimmung erlassen, die unter bestimmten Umständen866 im Falle der vorsätzlichen oder fahrlässigen Tötung von als Haustieren gehaltenen Hunden oder Katzen Ersatz des immateriellen Schadens (bis zu einer Höchstsumme) gewährt,867 als Ausgleich für den „Verlust der
Stride, Supreme Court of Oregon, August 8, 1974, 525 P.2d 166, 169: „liability for mental anguish“; Burgess v. Taylor, Court of Appeals of Kentucky, March 9th, 2001, 44 S.W.3d 806, 811 ff.: damages for intentional infliction of emotional distress + punitive damages; La Porte v. Associated Independents, Inc., Supreme Court of Florida, April 3, 1964, 163 So. 2d 267, 269: „the affection of a master for his dog is a very real thing and (…) the malicious destruction of the pet provides an element of damage for which the owner should recover“; vgl. Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 33 f.; näher (rechtsvergleichend für die US-Staaten) Reppy Jr., 1 J. Animal L. & Ethics 19 (2006), 33 ff. 861 Siehe DeFabritiis, 32 N. ILL. U. L. REV. 237 (2012), 263 ff.; Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 218 ff.; Livingston, 82 Neb. L. Rev. 783 (2004), 811 ff.; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 483; Root, 47 Vill. L. Rev. 423 (2002), 435 ff.; Boxberger, 5 T.M. COOLEY J. PRAC. & CLINICAL L. 139 (2002); Roukas, 3 J. Animal L. 45 (2007); Barton/Hill, 34 N.Y.L. Sch. L. Rev. 411 (1989), 439 ff.; Wise, 4 Animal L. 33 (1998); Waisman/Newell, 7 Animal L. 45 (2001); Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015); Byszewski, 9 Animal L. 215 (2003); in diese Richtung auch Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 103 ff.; a. A. jedoch Schwartz/Laird, 33 Pepp. L. Rev. 227 (2006), 235 ff. 862 Zum Beispiel Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 222 ff.; Roukas, 3 J. Animal L. 45 (2007), 56 ff. 863 Byszewski, 9 Animal L. 215 (2003), 233 ff.; Duckler, 3 J. Animal L. & Ethics 121 (2009), 135 ff.; Wilson, 57 Clev. St. L. Rev. 167 (2009), 193 f. 864 Vgl. Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1221. 865 Vgl. dazu auch Schneider Kayasseh, S. 205 ff. 866 Ausnahmen gelten etwa für Tötungen durch Tierärzte und staatliche Behörden. 867 Sog. „T-Bo-Act“, 2000 Tenn. Pub. Acts ch. 762, Tenn. Code Ann. § 44 – 17 – 403; dazu Waisman/Newell, 7 Animal L. 45 (2001), 69 f.; Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1212 f.; DeFabritiis, 32 N. ILL. U. L. REV. 237 (2012), 255 ff.; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
vernünftigerweise zu erwartenden Gesellschaft, Gemeinschaft, Liebe und Zuneigung des Tieres“868. Im Jahr 2002 führte Illinois in seinen Humane Care for Animals Act eine Vorschrift ein, die bei bestimmten tierschutzwidrigen Handlungen Schadensersatz des Tier-Eigentümers für emotional distress ermöglicht.869 Aktivitäten und Überlegungen solcher Art wurden, wenn auch nicht ohne Widerstände,870 ebenfalls in anderen Staaten gehegt.871 Insgesamt lassen diese Entwicklung sowie die Dynamik des Schrifttums auf diesem Feld vermuten, dass sich das amerikanische Recht mittelfristig mehr für die Berücksichtigung des in Tieren verkörperten immateriellen Wertes bei der Bemessung von Schadensersatz für die Tötung eines Tieres öffnen wird. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf die klassischen Haustiere, insbesondere Hund und Katze, und für vorsätzliche Schädigungen, da sich hier am ehesten ein Konsens erzielen lassen dürfte. 5. Zusammenfassender Vergleich und Tendenzaussagen Für die Ersatzmöglichkeiten bei der Tötung eines Tieres ist gedanklich zu trennen zwischen einerseits der Kompensation des in dem Tier verkörperten Affektionsinteresses und andererseits einem Schmerzensgeld für das Erleiden einer durch die Tötung hervorgerufenen psychischen Belastung, wenn auch die Grenzen schwimmend sein können. Was letzteres, also die Ausweitung des sogenannten „Schockschadenersatzes“ auf die Trauerreaktion nach der Tötung eines Tieres betrifft, gibt es zwar progressive Vorschläge beispielsweise in Deutschland, Österreich und den USA, die dieses fordern, oder sogar Rechtsprechung, die dieses praktiziert hat. Herrschend ist jedoch eine Sichtweise, die einen „Schockschadenersatz“ nach der Tötung eines Tieres ablehnt, vor allem um die Haftung nicht ausufern zu lassen und in Anerkennung eines qualitativen Unterschieds zwischen der Beziehung einerseits zweier Menschen zueinander und andererseits eines Menschen zu einem Tier. Eine Abweichung hiervon bildet wohl eine neue portugiesische Regelung (Art. 493-A Abs. 3 Código Civil). Ihr Wortlaut spricht von einem Schmerzensgeld für die durch die tödliche (oder schwere872) Verletzung des Haustieres eingetretene Trauer oder das seelisches Leiden des Eigentümers („desgosto ou sofrimento moral“). Freilich (2007), 338; Eichinger, 67 Mont. L. Rev. 231 (2006), 253 f.; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 517 ff.; Root, 47 Vill. L. Rev. 423 (2002), 435; Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 98. 868 „compensation for the loss of the reasonably expected society, companionship, love and affection of the pet.“ (Sect. 1, lit. d). 869 510 ILL. COMP. STAT. ANN. 70/16.3, dazu Sirois, 163 U. Pa. L. Rev. 1199 (2015), 1213 f.; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 339 f.; Reppy Jr., 1 J. Animal L. & Ethics 19 (2006), 32 f.; Eichinger, 67 Mont. L. Rev. 231 (2006), 254. 870 Schwartz/Laird, 33 Pepp. L. Rev. 227 (2006), 248 f. 871 Vgl. Byszewski, 9 Animal L. 215 (2003), 226; DeFabritiis, 32 N. ILL. U. L. REV. 237 (2012), 258 ff.; Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 190 f.; Eichinger, 67 Mont. L. Rev. 231 (2006), 254 ff.; Sadler, 11 Animal L. 283 (2005), 293; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 518 ff.; Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 101 f. 872 Siehe hierzu auch bei Fn. 1505 (im Kontext der bloßen Verletzung des Tieres).
§ 4 Das Affektionsinteresse an einem Tier als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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korrespondiert die Trauer über den Tod auch mit der dadurch erlittenen Einbuße des ideellen Interesses an dem Tier, sodass hier die Grenzen verwischen. Die Frage der Kompensation des an einem Tier bestehenden besonderen emotionalen Wertes wird nicht zuletzt im Einklang damit gelöst, wie die jeweilige Zivilrechtsordnung generell dem Ausgleich von Affektionsinteressen gegenüber steht, wenn auch die Tötung von Tieren ein besonders prominenter Anwendungsbereich hierfür ist. Ist eine Rechtsordnung, wie Frankreich, generell aufgeschlossen gegenüber dem Ersatz immaterieller Schäden oder gewährt, wie Österreich, unter bestimmten Umständen generell Ersatz des Affektionsinteresses, gilt dies ebenso für die Tötung von Tieren. Dahingegen herrscht beispielsweise in den USA und Deutschland der Ansatz, lediglich den objektiven Wert des Tieres zu ersetzen, wobei sich in den USA jedenfalls für Hunde und Katzen leichte Tendenzen für eine liberalere Sichtweise abzeichnen; in Deutschland ließe sich ein anderes Ergebnis hingegen ohne eine Gesetzesänderung (§ 253 BGB) nicht erzielen. Eine Sonderstellung nimmt die Schweiz ein, die in Gestalt einer im Jahr 2003 eingeführten Spezialvorschrift die Ersatzfähigkeit eines an einem Tier bestehenden verletzten Affektionsinteresses in Bezug auf im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere explizit anerkannt und dabei durch Anknüpfung an Zweck und räumliche Sphäre der Tierhaltung ein für sie schutzwürdiges Affektionsinteresse typisiert hat. Dies ist Ausdruck einer – auch in anderen Rechtsordnungen festzustellenden – allgemeinen Tendenz, den immateriellen Wert von Tieren rechtlich – wenn überhaupt – dann speziell für Haustiere zu berücksichtigen, wobei die Gewährung eines monetären Ausgleichs für die Beeinträchtigung des Affektionsinteresses an einem Tier die wohl intensivste Form einer solchen Berücksichtigung ist. Mit einer Vorschrift eigens den Ersatz des an (bestimmten) Tieren bestehenden Affektionsinteresses zu regeln, ist ein vergleichsweise sehr progressiver Schritt. Er passt als Mosaikstein zu dem Bild einer Tieren und Tierhaltern ohnehin recht zugewandten Schweiz.873
873 Vgl. nur die Anerkennung der „Würde der Kreatur“ in Art. 120 II 2 der schweizerischen Bundesverfassung.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt In Zivilrechtsfragen mit Bezug zu Tieren gibt es neben dem soeben thematisierten Spezifikum der Mensch-Tier-Beziehung eine weitere Besonderheit: Sobald Tiere betroffen sind, tritt ein Aspekt auf den Plan, der in zivilrechtlichen Fällen, die von Sachen handeln, denklogisch überhaupt nicht vorkommt, nämlich gleichsam das „Wohl“ des betroffenen Rechtsobjekts selbst. Inwieweit das „Wohl“ des von einer Zivilrechtsfrage betroffenen Tieres ein zivilrechtlich beachtlicher Belang ist und sich substantiell auf ein zivilrechtliches Ergebnis auswirken kann, ist die für das zweite Kapitel des Hauptteils (§ 5) zentrale Untersuchungsfrage, der jetzt nachzugehen ist. Bevor hierfür Schrifttum und Rechtsprechung anhand einiger geeigneter Beispielsbereiche analysiert werden, ist zunächst als Ausgangspunkt zu klären, wie das „Wohl“ eines Tieres terminologisch und rechtlich fassbar ist.
I. Begriff und rechtliche Dimension des „Tierwohls“ 1. Zur terminologischen und rechtlichen Anknüpfung im TierSchG Der Ausdruck „Tierwohl“ wird in dieser Arbeit als Bezugnahme auf jedwede genuin auf den Schutz des Tieres gerichtete Erwägung benutzt und ist wegen seiner Weite bewusst gewählt. Es handelt sich um einen Neologismus, der erst in jüngerer Vergangenheit geprägt worden ist und insbesondere im Zusammenhang mit der Forcierung verbesserter Haltungsbedingungen von Nutztieren Auftrieb erhalten hat. Doch letztlich ist er im TierSchG selbst angelegt. § 1 S. 1 sagt nämlich, Zweck des Gesetzes sei es, „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen“. Freilich ist das „Wohlbefinden“ eines Tieres für sich genommen eine unscharfe Kategorie. Der Gesetzgeber des TierSchG ging davon aus, das Wohlbefinden eines Tieres beruhe „im Wesentlichen auf einem ungestörten, artgemäßen sowie verhaltensgerechten Ablauf der Lebensvorgänge“874. Im Schrifttum heißt es, Anzeichen des Wohlbefindens seien „Gesundheit und ein in jeder Beziehung normales Verhalten“; dieses setze „die Freiheit von Schmerzen und Leiden“ voraus.875 Ein konkretes Bild davon, was der Gesetzgeber als einen zur Wahrung des „Wohlbefindens“ eines Tieres einzuhaltenden Mindeststandard ansieht, vermittelt der Katalog der (straf- und bußgeldbewährten) Ge- und Verbote des TierSchG, einschließlich der Vielzahl dazu erlassener Verordnungen. Zu den von der Rechtordnung unerwünschten Beeinträchtigungen des Wohlbefindens von Tieren gehören danach im Wesentlichen die willkürliche Tötung, die willkürliche Zufügung von Schmerz und vermeidbaren Leiden sowie eine nicht tiergerechte Haltung. Als 874 875
BT-Drs. VI/2559, S. 10 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 3 (211. EL 2016).
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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Grundregel ist es nach § 1 S. 2 TierSchG – vorbehaltlich eines vernünftigen Grundes – verboten, einem Tier „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zuzufügen. 2. „Tierwohl“ als rechtlich anerkanntes Schutzgut Manche sehen in § 1 S. 1 TierSchG einen Auslegungsgrundsatz, nach dem unter mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige zu wählen ist, „die dem tierlichen Wohlbefinden besser entspricht“876. „Bei Konflikten zwischen dem allgemeinen Recht und dem Tierschutzrecht“ verdiene „eine Lösung den Vorzug, die dem Tierschutz die optimale Entfaltungsmöglichkeit gibt, ohne die anderen Rechte unangemessen zurückzudrängen“.877 Zuzugeben ist dieser Sichtweise: Aus der Zusammenschau des (genuin) tierschützenden Normbestandes und insbesondere § 1 TierSchG lässt sich die (einfachgesetzliche) Wertung entnehmen, dass das Leben eines Tieres und grundsätzlich auch dessen körperliche Integrität und Wohlbefinden unter dem selbstständigen Schutz der Rechtsordnung steht.878 Dies bestätigend und verstärkend enthält auch die Verfassung mit der in Art. 20a GG zu findenden Staatszielbestimmung „Tierschutz“ eine entsprechende Wertung.879 Damit lässt sich das „Wohl“ eines Tieres als grundsätzlich rechtlich berücksichtigungsfähiger und -würdiger Belang einordnen. 3. „Tierwohl“ als im Zivilrecht zu berücksichtigender Belang Die öffentlich-rechtlichen Vorgaben des TierSchG sind von jedermann zu beachten, abstrakt von der bürgerlich-rechtlichen Einordnung von Tieren. Dennoch wird im BGB – nur deklaratorisch, wie sich aus dem Vorgesagten ergibt – an zwei Stellen, beide eingefügt durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht, ausdrücklich auf die besonderen Vorschriften zum Schutz von Tieren verwiesen – zum einen in § 90a S. 2 BGB, zum anderen in § 903 S. 2 BGB.880 Direkte Verknüpfungen öffentlich-rechtlicher Tierschutzvorschriften mit zivilrechtlichen Tier-Fällen sind zwar denkbar, wie Beispiele zeigen werden, aber – anders als die expliziten Verweisklauseln vermuten lassen könnten – praktisch eher selten zu beobachten.
876
Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 1 (211. EL 2016); ähnlich Hirt/Maisack/ Moritz § 1 TierSchG Rn. 1 (3. Aufl. 2016). 877 Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 1 (211. EL 2016). 878 Leben und Wohlbefinden des Tieres als Schutzgüter des TierSchG: Ennulat/Zoebe § 1 TierSchG Rn. 4; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 25 (3. Aufl. 2016); nach Lorz/ Metzger Einf. Rn. 62 (6. Aufl. 2008) besteht das geschützte Rechtsgut des ethischen Tierschutzes wohl allein in der „sittliche[n] Ordnung in den Beziehungen zwischen Mensch und Tier“. 879 Siehe dazu vorne ab Fn. 162. 880 Siehe hierzu schon vorne bei Fn. 337 ff.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Doch auch jenseits des direkten Durchgreifens konkreter Tierschutznormen auf das Zivilrecht ist eine Einbeziehung des „Tierwohls“ in zivilrechtliche Überlegungen vorstellbar: Wo die anwendbaren Zivilrechtsvorschriften etwa eine Abwägung vorsehen oder unbestimmte und damit auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe enthalten, öffnet sich das Zivilrecht für Wertungsgesichtspunkte. Das „Wohl“ eines Tieres an diesen Stellen als rechtserhebliche Erwägung einfließen zu lassen, ist rechtlich zulässig: Gestützt werden kann dies auf die in § 90a S. 3 BGB seit dem Jahr 1990 angeordnete lediglich „entsprechende“ Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften, was es dem Rechtsanwender nicht nur rechtlich ermöglicht, sondern ihn nachgerade dazu auffordert, den bei Tieren gegenüber Sachen vorliegenden Besonderheiten durch eine gegebenenfalls modifizierte Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften Rechnung zu tragen. Die aus der Lebendigkeit von Tieren folgende Leidensfähigkeit und die daran anknüpfende, ethisch hergeleitete rechtlich statuierte Schutzwürdigkeit des Wohlbefindens von Tieren ist eine solche Besonderheit. Tiere sind aber nicht nur einfachgesetzlich unter Schutz gestellt. Vielmehr würdigt durch die Staatszielbestimmung in Art. 20a GG sogar die Verfassung, deren mittelbares Einwirken auf die Zivilrechtsanwendung anerkannt ist, den Tierschutz. Das spricht dafür, dass eine Berücksichtigung von „Tierwohl“-Erwägungen bei der Auslegung und Anwendung des Zivilrechts nicht nur zulässig, sondern auch geboten ist.
II. Beispiele aus der Zivilrechtsanwendung für Einflüsse von Tierschutzerwägungen Im Schrifttum findet sich die These, tierische Bedürfnisse spielten im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine Rolle881 oder tierische „Interessen“ würden nur mittelbar, insbesondere wenn sie mit menschlichen Affektionsinteressen parallel liefen, berücksichtigt882. Das erscheint zweifelhaft. Anhand einiger Beispiele aus verschiedenen Gebieten des Zivilrechts lässt sich zeigen, dass und wie weit Rechtsprechung und Literatur „Tierwohl“-Gesichtspunkten bereits Bedeutung zugemessen haben. 1. Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften gemäß § 134 BGB durch Tierschutzrecht Kurz vorweg genommen werden soll hier ein Fall, in dem der Einfluss von Tierschutzerwägungen leicht erkennbar und unmittelbarer Art ist: Nämlich die Konstellation, dass konkrete Tierschutznormen als „Verbotsgesetze“ im Sinne des § 134 BGB einzuordnen sind und damit direkt in das Zivilrecht durchgreifen. So ist 881 882
Brüninghaus, S. 78. Arning, S. 6.
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etwa eine Eigentumsaufgabe (§ 959 BGB) an Tieren gemäß § 134 BGB unwirksam, wenn es sich dabei – wie im Regelfall – um ein Aussetzen des Tieres im Sinne von § 3 S. 1 Nr. 3, 4 TierSchG handelt.883 Weitere Beispiele sind Besitz-, Vermarktungs- und Verkehrsverbote des Tier-Artenschutzrechts sowie im Tierschutzrecht enthaltene Beschränkungen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs,884 die zur Unwirksamkeit der ihnen widersprechenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte gemäß § 134 BGB führen können.885 2. Kaufrecht Zumeist tauchen Tierschutzerwägungen im Zivilrecht jedoch an versteckteren Stellen auf. Diese sollen nunmehr bei einem Streifzug durch verschiedene Rechtsbereiche und Einzelfragen erstmals in gebündelter und zusammenhängender Form an die Oberfläche gehoben werden. Der Streifzug beginnt im Kaufrecht, für das sich anhand von drei Aspekten Überlegungen zur Berücksichtigung von „Tierwohl“Erwägungen nachweisen lassen. Die Ausgangskonstellation, die hierzu jeweils Anlass gab, bildet ein Tier, das Gegenstand eines Kaufvertrags ist, nach der Übergabe an den Käufer erkrankt und einer tierärztlichen Behandlung bedarf. a) Entbehrlichkeit der Fristsetzung aa) Notfallbehandlung lässt Fristsetzungserfordernis entfallen („Hundewelpen-Fall“) Höchstrichterlich explizit als ein in concreto entscheidungserheblicher Gesichtspunkt angeführt wurde der Schutz eines Tieres in einem kaufrechtlichen Fall886, in dem es um die für den Übergang von Nacherfüllung zu Schadensersatz bedeutsame Frage ging, ob es einer Fristsetzung bedurfte oder diese nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich war. Der Käufer eines Hundewelpen verlangte Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB für Kosten einer tierärztlichen
883 Hk-Schulte-Nölke § 959 BGB Rn. 1 (9. Aufl. 2017); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 116 (3. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 138 (1. Aufl. 2002) (gemeint ist dort wohl § 134 statt § 104 BGB); VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 20; OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885 u. Urt. v. 30. 01. 2013 – 3 L 93/09 – juris, Tz. 74; OVG Bautzen, Urt. v. 21. 09. 2016 – 3 A 549/15 – juris; offen gelassen in OVG Münster, Beschl. v. 01. 08. 2016 – 5 B 1265/15, NJW 2016, 3673, 3674; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, 1607, Tz. 22; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326. 884 Für Beispiele solcher Verbote und Beschränkungen siehe bereits vorne Fn. 332, 333, 334. 885 Lorz, MDR 1990, 1057, 1058 f.; Brüninghaus, S. 117 ff. 886 BGH, Urt. v. 22. 06. 2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Behandlung, die er wegen einer kurze Zeit nach der Übergabe auftretenden akuten Erkrankung des Welpen ohne Einschaltung des Verkäufers veranlasst hatte. Wertet man die – wohl schon bei der Übergabe vorliegende – Krankheit des Hundes als Mangel (jedenfalls § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) bei Gefahrübergang (§ 446 S. 1 BGB), so ist die Heilbehandlung eine Maßnahme zur Behebung des Mangels, das heißt eine Nachbesserung. Die Regie über die Nacherfüllung führt jedoch der Verkäufer, denn wie sich an dem Fristsetzungserfordernis aller übrigen Rechtsbehelfe ablesen lässt, hat der Verkäufer nach der gesetzlichen Wertung ein Recht zur zweiten Andienung.887 Eine Möglichkeit des Käufers zur Selbstvornahme und anschließenden Liquidierung der Kosten beim Verkäufer besteht daher nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht.888 Der Einschaltung des Verkäufers bedarf es indes nicht, wenn die Fristsetzung entbehrlich ist. Nach der Generalklausel des § 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB ist das unter anderem dann gegeben, wenn „besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen“. Dies sah der BGH in dem zu entscheidenden Fall als erfüllt an. Zur Begründung stellte er darauf ab, es sei „davon auszugehen, dass es sich bei der (…) tierärztlichen Behandlung (…) um eine Notfallmaßnahme“ gehandelt habe, „die aus damaliger Sicht keinen Aufschub“ geduldet „und auch einen Transport des erkrankten Hundes zum Wohnort des (Verkäufers) nicht“ zugelassen habe. Nach Einschätzung des Sachverständigen sei „die sofortige tierärztliche Behandlung bei dem Welpen geboten und erforderlich“ gewesen. Explizit heißt es in den Urteilsgründen des BGH, „Gesichtspunkte des Tierschutzes“ hätten „ein sofortiges Handeln erforderlich“ gemacht.889 Ein näherer rechtlicher Anknüpfungspunkt zur Begründung der Berücksichtigungsfähigkeit des Tierschutzes im Rahmen der in § 281 Abs. 2 BGB vorgeschriebenen Interessenabwägung wird nicht genannt. Diese „Hundewelpen-Entscheidung“ des BGH als Beleg dafür zu sehen, dass in den Augen des obersten Zivilgerichts Erwägungen des „Tierwohls“ im bürgerlichen Recht Platz greifen können, dürfte nicht übertrieben sein. Die oben als rechtlich begründbar aufgezeigte potentielle Bedeutung von „Tierwohl“-Gesichtspunkten für das Privatrecht gewinnt dadurch an Gewicht als ein realistisches Szenario. Jedoch ist zu relativieren. Die Begründung der Entbehrlichkeit der Fristsetzung stützte der BGH zwar auch, aber nicht nur („überdies“) und nicht zentral auf den Schutz des betreffenden Tieres. Vielmehr zog der BGH ebenso den eher nach wirtschaftlichen Erwägungen klingenden Gedanken heran, dass durch den mit der Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen Zeitverlust ein größerer Schaden drohte als bei einer vom Gläubiger sofort vorgenommenen Mängelbeseitigung.890 Wirtschaftlichkeits887 Siehe nur Bamberger/Roth-Faust § 439 BGB Rn. 2 (41. Ed. 2014); näher Schroeter, AcP 207 (2007), 28. 888 BGH, Urt. v. 23. 02. 2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348. 889 BGH, Urt. v. 22. 06. 2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212. 890 BGH, Urt. v. 22. 06. 2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212.
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erwägungen und Tierschutz-Belang laufen hier in der Argumentationsrichtung parallel. Zustimmung gefunden hat die Bejahung einer Ausnahme nach § 281 Abs. 2 BGB in Bezug auf die aus ex-ante-Sicht unaufschiebbare Erstbehandlung im Schrifttum zum Beispiel mit dem Argument, dafür spreche auch § 1 S. 2 TierSchG, wonach einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen.891 Auf Kritik892 gestoßen ist hingegen, dass der BGH die Entbehrlichkeit der Fristsetzung über die erste Notfallbehandlung hinaus auch auf die folgenden tierärztlichen Behandlungstermine ausdehnte, indem er eine „Aufforderung des Verkäufers zur weiteren Nachbesserung mit der Möglichkeit, den behandelnden Tierarzt zu wechseln“, für verzichtbar hielt: „Bei der medizinischen Behandlung eines akut erkrankten Tiers, insbesondere eines Hundewelpen, die sich über einen Zeitraum von vier Wochen“ hinziehe, erscheine „bei der gebotenen Interessenabwägung ein derartiger Wechsel für den Käufer unzumutbar und unzweckmäßig“.893 Mit ihrem Leitsatz, dass beim Kauf eines Tieres besondere Umstände im Sinne des § 281 Abs. 2 BGB dann vorliegen können, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen lässt, die vom Verkäufer nicht rechtzeitig veranlasst werden könnte, hat die „Hundewelpen-Entscheidung“ Eingang in die (Kommentar-)Literatur gefunden894 und entfaltet so Orientierungswirkung für die Rechtspraxis, insbesondere die Rechtsprechung der Instanzgerichte895. Ihr wurde die Aussage entnommen, dass eine Fristsetzung „aus Tierschutzgründen entbehrlich sein“ kann896 oder, anders gewendet, dass im Rahmen der Abwägung des § 281 BGB „Elemente des Tierschutzes berücksichtigt werden“ können.897 bb) Entbehrlichkeit der Fristsetzung nur bei Luxustieren? („Pferde-Tausch-Fall“) Kurze Zeit vor der höchstrichterlichen „Hundewelpen-Entscheidung“ hatte bereits ein Instanzgericht898 in einem Fall, der zwar ähnlich gelagert war (Klage auf Ersatz von Kosten für die Behandlung eines kurz zuvor getauschten Pferdes), jedoch 891
Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066; der Entscheidung des BGH zustimmend wohl auch Müller, FS Westermann, S. 517, 525 („zu einem angemessenen Ergebnis gelangt“). 892 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2067. 893 BGH, Urt. v. 22. 06. 2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212 f. 894 Staudinger-Matusche-Beckmann § 434 BGB Rn. 257 (Neubearb. 2013); jurisPK-Alpmann § 281 BGB Rn. 54 (7. Aufl. 2014). 895 Beispiel: OLG Brandenburg, Urt. v. 30. 04. 2009 – 12 U 196/08 – juris. 896 Lorenz, NJW 2007, 2623; ähnlich Müller, FS Westermann, S. 517, 525. 897 Nassall, jurisPR-BGHZivilR 42/2005 Anm. 3. 898 LG Bautzen, Urt. v. 26. 04. 2005 – 1 S 145/04 (nicht veröffentlicht), Inhalt des Urteils ist der Wiedergabe in der Revisionsentscheidung entnommen.
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gerade keine tierärztliche Notmaßnahme zum Gegenstand hatte, eine Fristsetzung mit der Begründung als entbehrlich angesehen, das Nacherfüllungsverlangen sei für die Klägerin wegen der besonderen Schutzfunktion des Tierschutzes (Art. 20a GG) unzumutbar gewesen. Nicht einleuchtend verknüpfte das Gericht diesen Gedanken jedoch mit einer Differenzierung nach der Nutzungsart des Tieres: Entbehrlich sei das Nacherfüllungsverlangen unter Berücksichtigung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Tierschutzgedankens für den Käufer dann, wenn es sich nicht um ein Nutztier, sondern um ein so genanntes Luxustier handele, das vom Erwerber nicht aus wirtschaftlichen, sondern ausschließlich aus persönlichen Beweggründen erworben worden sei. Dem ist der nachfolgend angerufene BGH899 in seiner Revisionsentscheidung entgegengetreten: Zwar bekräftigte er darin seine in der „Hundewelpen-Entscheidung“ begründete Rechtsprechung von der Entbehrlichkeit der Fristsetzung bei unaufschiebbaren Notmaßnahmen, stellte aber ausdrücklich klar, auch beim Kauf eines Tieres gelte im Grundsatz das Fristsetzungserfordernis. Einer generellen Ausnahme für „Luxustiere“ erteilte der BGH eine Absage.900 Auf eine Differenzierung nach dem Erwerbsmotiv des Käufers eines Tieres komme es für die Beurteilung, ob dem Käufer zugemutet werden könne, vom Verkäufer des Tieres Nacherfüllung zu verlangen, nicht an. Solches sei weder aus den einschlägigen Bestimmungen des BGB (§§ 90a, 433 ff. BGB) noch aus dem Tierschutzgedanken des Art. 20a GG herzuleiten. In der Tat überzeugt bei einem Abstellen auf den Aspekt des Tierschutzes – der in der Rechtsordnung im Grundsatz unabhängig vom beabsichtigten Nutzungszweck ausgestaltet ist – die Unterscheidung zwischen Liebhabertieren und Wirtschaftsvieh nicht. Eher ist eine solche Differenzierung typisch bei der Frage nach der Ausprägung des Affektionsinteresses, das ein Mensch an einem Tier hat. Insofern liegt nahe, dass hier, wenn auch verpackt in dem Gewand des Tierschutzes, in Wahrheit vielmehr eine Abstufung nach der Intensität der emotional geprägten Verbindung des Menschen zu dem Tier gemeint war. Ein Beispiel für eben diese Anknüpfung der Entbehrlichkeit der Fristsetzung an das Affektionsinteresse des Menschen liefert eine Entscheidung des LG Essen901. Das Gericht hatte sich schon vor der „Hundewelpen-Entscheidung“ des BGH in einem Fall der dringlichen Heilbehandlung eines gekauften Tiers mit einem Entfallen des Fristsetzungserfordernisses zu befassen und dabei erwogen, ob nicht „die emotionale Bindung des Klägers zu dem Hund“ einen sofortigen Übergang auf die sekundären Rechtsbehelfe rechtfertigen könne. Immerhin habe der Käufer „den Hund nicht als Nutz- oder Zuchttier, sondern als Familienhund erworben“. Daraus werde „ganz deutlich, dass für den Kläger keinerlei wirtschaftliches Interesse an dem Kaufgegenstand, sondern allein ein persönliches“ bestanden habe. „Das Affekti899 900 901
BGH, Urt. v. 07. 12. 2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988. Zust. Gsell, LMK 2006, 168751. LG Essen, Urt. v. 04. 11. 2003 – 13 S 84/03, NJW 2004, 527 f.
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onsinteresse des Käufers“ sei daher „durchaus Teil der Geschäftsgrundlage“ gewesen. Ob dieser Aspekt ausreichte, um in concreto die Entbehrlichkeit eines Nacherfüllungsverlangens zu begründen, ließ das Gericht aber offen und stellte stattdessen – gleichsam in einer Pioniertat schon vor dem BGH und im Vergleich zu diesem auch entschiedener und mit eingehenderer rechtlicher Begründung – auf den Schutz des betreffenden Tieres ab: „Der – inzwischen mit Verfassungsrang ausgestattete – Tierschutzgedanke“ gebiete es, dass der Kläger „sich sofort um tiermedizinische Hilfe“ bemühe. „Vor dem Hintergrund des Art. 20a GG“ seien „eine Auslegung und Anwendung der Vorschriften des BGB geboten, die es dem Tierkäufer“ ermöglichten, „sofort Hilfe und Linderung für ein ihm anvertrautes Tier zu suchen. Bei der Anwendung offener Rechtsbegriffe und der Abwägung widerstreitender Rechtsinteressen“ komme „den Grundentscheidungen der Verfassung mittelbare Drittwirkung zu, so dass sich eine formale Anwendung der Rechtsbehelfe im besonderen Leistungsstörungsrecht“ verbiete. cc) Fazit: Tierschutz fließt in zivilrechtliche Abwägungsentscheidung ein In der Argumentation des LG Essen aufgezeigt ist damit der Weg, über den am wahrscheinlichsten Tierschutz-Gesichtspunkte in zivilrechtliche Fälle Eingang finden. Im Kontext von Generalklauseln, die eine Interessenabwägung vorsehen, oder im Kontext von unbestimmten Rechtsbegriffen, die einer Auslegung bedürfen, sind Wertungsleitlinien erforderlich. Um diese zu gewinnen, werden auch Grundaussagen der übrigen Rechtsordnung einbezogen. Hier entstehen Öffnungen des Zivilrechts, durch die Gesichtspunkte einströmen können, die zwar rechtliche, aber nicht genuin privatrechtliche Wertungen repräsentieren. Hierzu gehört auch der Gedanke des Tierschutzes, den das BGB zwar anerkennt (siehe nur § 90a S. 2 BGB, § 903 S. 2 BGB), sich aber nach bisheriger Lesart nicht gleichsam zu eigen macht, etwa als eigenständigen bürgerlich-rechtlichen Grundsatz. Als rechtlich belastbare Referenz, die Auskunft über die einstellbaren Belange und deren Gewicht zu geben vermag, kommt insbesondere die Verfassung in Betracht. „Tierschutz“ als Belang hat daher durch die Einführung der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG im Jahr 2002 eine starke Argumentationsbasis erhalten. Im hier dargestellten Beispiel (§ 281 Abs. 2 BGB: Entbehrlichkeit der Fristsetzung) ermöglichte es eine Generalklausel, die eine Interessenabwägung vorsah, dass der Tierschutz-Aspekt in einem zivilrechtlichen Fall Berücksichtigung fand; und zwar – daher verdiente dieses Beispiel es, vorangestellt zu werden – durch den BGH. b) Kosten der Notfallbehandlung bei mangelndem Vertretenmüssen des Verkäufers Eine weitere kaufrechtliche Frage, an der sich eine auf Tierschutzerwägungen gestützte Argumentation beobachten lässt, ist die Überlegung, wer die Kosten der Notfallbehandlung eines gekauften Tieres trägt, wenn der Verkäufer die zugrunde liegende Erkrankung als Mangel nicht zu vertreten hat. Auslöser der Diskussion war
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ein obiter dictum des BGH in der oben thematisierten Revisionsentscheidung zum Pferde-Tausch-Fall902. Darin hatte sich dieser auch zu der Konstellation geäußert, dass zwar eine Notbehandlung angezeigt und folglich das Nacherfüllungsverlangen entbehrlich ist, der Verkäufer die in der Lieferung eines kranken, das heißt mangelhaften Tieres bestehende Pflichtverletzung jedoch nicht zu vertreten hat. Dann scheide, so der BGH, nicht nur ein auf Ersatz der Behandlungskosten gerichteter Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus, sondern es seien wegen des abschließenden Charakters der Regelungen in §§ 437 ff. BGB die Kosten der Mangelbeseitigung auch nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hatte, nach § 326 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 BGB (analog) zu erstatten.903 Der Käufer sei hier auf die verschuldensunabhängigen Rechtsbehelfe verwiesen.904 Den Schadensposten „Kosten der mangelbedingten Notbehandlung“ kann ein Käufer unter den beschriebenen Umständen nach dieser Ansicht also jedenfalls nicht unmittelbar als solchen geltend machen, sondern nur den Kaufpreis um einen (mit diesen Kosten nicht kongruenten) Betrag mindern oder – was wegen einer womöglich entstandenen emotionalen Bindung zum Tier vielleicht gar nicht seinen Interessen entspricht – zurücktreten905 und Ersatz für notwendige Verwendungen nach § 347 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen. Diese Sichtweise ist im Schrifttum unter Heranziehung von Tierschutz-Gesichtspunkten kritisiert worden. „Der wesentliche Unterschied zu den Fällen der eigenmächtigen Nachbesserung durch den Käufer“ bestehe „darin, dass ein Tier bei Vorliegen eines Notfalls sofort behandelt werden“ müsse „und daher ein Nachbesserungsverlangen aus Gründen des Tierschutzes nicht in Betracht“ komme.906 Es dürfe dem Käufer „nicht zum Nachteil gereichen, dass er im Sinne des Tierschutzes bei einer akuten Erkrankung nicht“ zuwarte, „sondern die gebotene Behandlung vielmehr sofort“ einleite.907 Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Fall der Notselbstvornahme bedacht und durch §§ 437 ff. BGB abschließend habe regeln wollen; insofern sei wegen der aus der Notfallbehandlung entstandenen Tierarztkosten ein Rückgriff auf Ansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 681 S. 2, 670 BGB) oder Rückgriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) möglich.908 902
BGH, Urt. v. 07. 12. 2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988, siehe hierzu vorne bei Fn. 899. 903 Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht scheiden nach dem BGH aus, siehe nur BGH, Urt. v. 22. 06. 2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212. § 439 II BGB kommt bei einer Selbstvornahme ebenfalls nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht, Palandt-Weidenkaff § 439 BGB Rn. 13 (76. Aufl. 2017). 904 BGH, Urt. v. 07. 12. 2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988, 989 f. 905 Gsell, LMK 2006, 168751 wirft die Frage auf, ob Rücktritt wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Mangelfreiheit überhaupt möglich ist. 906 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. 907 Müller, FS Westermann, S. 517, 526. 908 Müller, FS Westermann, S. 517, 526; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068.
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Zutreffend ist zunächst: Die (ja auch eine Mangelbeseitigung beinhaltende) Notbehandlung eines Tieres ist in der beschriebenen Sachverhaltsgestaltung der Sache nach eine Nacherfüllungshandlung, zu deren Vornahme der Verkäufer bei Lieferung eines mangelhaften Kaufgegenstandes erst einmal, auch unabhängig von einem etwaigen Vertretenmüssen, verpflichtet wäre. Ein Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung, das unterlaufen zu werden droht, kann in der Konstellation einer Notbehandlung nicht für eine Sperrwirkung der kaufrechtlichen Sonderregeln angeführt werden, da die Fristsetzung hier ja gerade nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich ist.909 Eine Wertung des Mängelgewährleistungsrechts, die ausgehöhlt werden könnte, ist allerdings die Abhängigkeit des Schadensersatzanspruchs vom Vertretenmüssen des Schuldners. In einer Fallgestaltung, in der sich der Käufer frei entscheiden kann, ob er den Mangel trotz der – mangels Vertretenmüssens – fehlenden Aussicht auf Schadensersatz beheben lässt oder nicht, spricht dies dagegen, dem Käufer die Kosten aus anderen Anspruchsgrundlagen zu ersetzen. Auch der BGH folgt einem strikten Kurs hinsichtlich des abschließenden Charakters der §§ 437 ff. BGB.910 Fraglich ist aber, ob nicht diejenigen Konstellationen einer besonderen Behandlung bedürfen, in denen die Vornahme der Mangelbeseitigung aus dringenden, von der Rechtsordnung anerkannten Gründen geboten ist. Wertenbruch nennt hier als Beispiel den Fall einer „akute[n] Gefährdung von Rechtsgütern (…) (z. B. undichter Gastank)“.911 Ob man in diesen Gestaltungen zum Beispiel einen Anspruch des Käufers aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag (im Folgenden: GoA) für die Vornahme der Mangelbeseitigung anerkennt, ist eine sich grundsätzlich stellende, nicht auf Tier-Käufe beschränkte und hier nicht tiefer zu erörternde Frage. Dafür könnte aber sprechen, dass dann, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung ohnehin anfallen, da diese rechtlich geboten ist, wertungsmäßig wohl eher der Verkäufer damit belastet werden sollte. Denn die Mangelfreiheit zählte zu dessen ursprünglichem Pflichtenprogramm und er war auch Schuldner eines auf die Mangelbeseitigung gerichteten Nacherfüllungsanspruchs, bevor eben diese notfallbedingt schon durch den Käufer veranlasst wurde. Letzteres lässt die Rechtsordnung durch die Möglichkeit einer Entbehrlichkeit des Nacherfüllungsverlangens ja auch gerade zu. In dem Fall einer gebotenen Notmaßnahme dürfte es unter dem Aspekt der Verhaltenssteuerung auch durchaus sinnvoll sein, deren sofortige Vornahme durch den Käufern ohne Nachteile für diesen zu ermöglichen. Bedeutsam für die hier interessierenden Zwecke ist aber vornehmlich, inwiefern es auch speziell Tierschutz-Gesichtspunkte sein können, die einen solchen Notfall, der die zwingende Vornahme der Mangelbeseitigung erforderlich macht, auslösen. 909
Gsell, LMK 2006, 168751. BGH, Urt. v. 23. 02. 2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348; Urt. v. 22. 06. 2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212; Urt. v. 07. 12. 2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988, 989 f. 911 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. 910
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Davon scheinen die oben zitierten Literaturstimmen dem Grunde nach auszugehen. Dafür spricht § 1 S. 2 TierSchG, der es verbietet, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen und insofern dazu verpflichtet, einem kranken Tier durch geeignete Maßnahmen Linderung zu verschaffen. Dass das Tier zufällig Gegenstand eines Kaufvertrags ist und sich der Käufer daher für die Behandlung nach § 439 BGB an den Verkäufer wenden muss, dürfte – jedenfalls in akuten veterinärmedizinischen Notfällen – von dieser Pflicht wohl kaum dispensieren. c) Erfüllungsort der Nacherfüllung aus Tierschutzgründen beim Käufer? Ein letztes Beispiel für einen möglichen Niederschlag von „Tierwohl“-Gesichtspunkten im Kaufrecht liefert ein Vorschlag Wertenbruchs, wonach sich Tierschutzerwägungen auf den Erfüllungsort der Nacherfüllung auswirken sollen. Zwar auch unter Hinweis auf Wirtschaftlichkeits- und Praktikabilitätserwägungen, aber ebenso aus Gründen des Tierschutzes spricht sich dieser dafür aus, „die nacherfüllungsbedingte Tierarztbehandlung (…) als ortsgebundene Leistung einzustufen mit der Folge, dass gem. § 269 Abs. 1 BGB der Sitz des Käufers als Erfüllungsort anzusehen ist“912. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund einer Grundsatzentscheidung des BGH913 zu sehen, in der er § 269 Abs. 1 BGB als für die Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung maßgeblich ansah und Anhaltspunkte für mögliche bei dessen Anwendung zu berücksichtigende Kriterien gab (zum Beispiel Art und Ortsgebundenheit der Nacherfüllungshandlung; Möglichkeit und Praktikabilität eines Rücktransports). Im Zweifel wäre nach § 269 Abs. 1 BGB der Wohnsitz des Verkäufers Leistungsort der Nacherfüllung. Wertenbruch meint, „die Besonderheiten des Tierkaufs“ führten „zu einem anderen Ergebnis“. Der Transport eines Tieres sei „generell mit Belastungen und Gefährdungen verbunden“914, zumal wenn „ein krankes Tier transportiert werden“ müsse. Hinzu komme noch, dass „zum Zwecke der Beseitigung eines Mangels häufig mehrere Tierarzttermine erforderlich“ seien (mit der Folge eines mehrfachen Hin- und Rücktransports oder einer Unterbringung beim Verkäufer, so der Nacherfüllungsort bei ihm wäre). Insgesamt sei daher „die Behandlung des Tieres am Sitz des Käufers (…) für das Tier ohne Zweifel weniger belastend“. § 269 Abs. 1 BGB sieht vor, dass der Leistungsort, sofern nicht ausdrücklich bestimmt, durch Auslegung unter Einbeziehung der Umstände, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, zu ermitteln ist. Die Vorschrift ist damit ein weiteres Beispiel für die Eröffnung von Argumentationsfreiräumen im BGB. Sie lassen sich, 912
Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066. BGH, Urt. v. 13. 04. 2011 @ VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 – „Faltanhänger-Entscheidung“. 914 Siehe hierzu Hirt/Maisack/Moritz Einf. Tiertransport-VO Rn. 19 (3. Aufl. 2016). 913
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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wie Wertenbruch zu Recht meint, hier nutzen, um zur Bestimmung des Nacherfüllungsorts (auch) Aspekte des Tierschutzes einzubeziehen. Häufig werden diese wohl in der Tat für einen Nacherfüllungsort beim Käufer sprechen; eine Einzelfallbetrachtung macht das aber nicht entbehrlich. 3. Herausgabe: Tierschutzrecht als Hindernis für die Erfüllung eines zivilrechtlichen Anspruchs a) Kein Herausgabeanspruch bei entgegenstehendem Tierschutzrecht („Stuten-Fall“) Ein Beispiel für die gerichtliche Berücksichtigung von Tierschutz-Aspekten in einer genuin zivilrechtlichen Fallkonstellation bietet eine im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor das LG Münster915 gekommene Streitsache, in der es um einen auf ein Tier gerichteten Herausgabeanspruch ging. Der Besitzer eines Pferdes hielt darin einem gegen ihn geltend gemachten vertraglich begründeten, also schuldrechtlichen Herausgabeanspruch Tierschutz-Gesichtspunkte entgegen und drang mit diesem Einwand auch durch. Konkret berief er sich darauf, die Erfüllung des Herausgabeanspruchs, nämlich der Transport des Tieres zum Gläubiger, stehe mit dem Tierschutz nicht in Einklang. Bei dem herauszugebenden Tier handelte es sich um eine hochtragende Stute, deren Transportfähigkeit nach der Stellungnahme sachkundiger Experten nicht gegeben war. Ihnen zufolge barg der Transport aufgrund des dadurch bedingten erheblichen Stresses für das Tier „die Gefahr einer Verfohlung“ und war daher „mit erheblichen Gefahren für Stute und Fohlen“ verbunden. Aus den Gefahren für Stute und Fohlen ergibt sich, dass man auch aus Wirtschaftlichkeitserwägungen hätte in Frage stellen können, ob die Rechtsordnung den Transport des Tieres zwecks Erfüllung des Herausgabeanspruchs unter den gegebenen Umständen wirklich erzwingen sollte. Das Gericht stellte aber zentral auf den Tierschutz ab. Es befand, „eine Erfüllung des Herausgabeanspruchs“ komme „aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht in Betracht“. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung der Vorschriften der §§ 903 S. 2, 90a BGB sowie § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO zu erkennen gegeben, dass die Ausübung eigentumsrechtlicher Befugnisse beschränkt werde durch tierschutzrechtliche Vorschriften. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Tierschutz nunmehr auch Verfassungsrang erlange, könne nichts anderes gelten für die Ausübung besitzrechtlicher Ansprüche sowie vertraglicher Ansprüche auf Herausgabe von Tieren. Eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter führe dazu, dass dem Tierschutz Vorrang zu gewähren sei. Worauf sich diese von dem Gericht erwähnte Befugnis zur Abwägung stützt, bleibt freilich unklar. Dass es sich dabei um einen Ausfluss des ja im Verfahren des einstweiligen
915
LG Münster, Urt. v. 29. 05. 2002 – 2 O 260/02 – juris.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Rechtsschutzes nur summarischen Charakters der Anspruchsprüfung handelte, klingt in den Gründen jedenfalls nicht an. b) Rechtliche Herleitung des Ergebnisses Auf welche Weise die Erwägungen des Tierschutzes den hier dem Grunde nach gegebenen Herausgabeanspruch rechtstechnisch genau zu Fall brachten, legte das Gericht nicht offen. Als rechtliche Anknüpfungsunkte in Betracht kommen § 134 BGB und § 275 Abs. 1 BGB. Vorgelagert ist aber zu allererst die Überlegung, woraus sich überhaupt die Tierschutzwidrigkeit des zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs erforderlichen Transports ergibt. aa) Tierschutzwidrigkeit des Transports Transportbezogene tierschutzrechtliche Vorgaben findet man heute916 vor allem in einer auf europäischer Ebene ergangenen Verordnung (EG-TiertransportVO)917. Danach darf eine Tierbeförderung unter anderem nur unter der Bedingung durchgeführt werden, dass die Tiere transportfähig sind (Art. 3 Buchst. b)). In den technischen Vorschriften in Anhang I zur Verordnung heißt es in Kapitel I Abs. 2 näher, als nicht transportfähig gälten Tiere mit physiologischen Schwächen oder pathologischen Zuständen, darunter vor allem trächtige Tiere in fortgeschrittenem Gestationsstadium (das heißt im letzten Trächtigkeitszehntel vor der Geburt – bei einem Pferd also gut einen Monat vor dem Fohlen). Die Entscheidung des einstweiligen Rechtsschutzes erging im Stuten-Fall etwa sechs bis vier Wochen vor dem AbfohlTermin. Zu diesem Zeitpunkt hätte die zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs erforderliche Handlung also nach dem bisher Gesagten gegen Vorschriften des Tierschutzes verstoßen. Daraus folgt: Hätte das Gericht auf sofortige Herausgabe erkannt, so hätte es zu einer Handlung verurteilt, deren Vornahme zwingend mit einem Verstoß gegen tierschutzrechtliche Vorgaben einhergegangen wäre. Im Ergebnis verdient die Ablehnung eines Herausgabeanspruchs in der Sachverhaltsgestaltung des Stuten-Falls daher Zustimmung. Näher zu beleuchten ist aber, wie der drohende Verstoß gegen Tierschutzrecht sich rechtstechnisch auf den Herausgabeanspruch auswirkt.
916 Zur Zeit der Entscheidung wäre wohl v. a. die aufgrund § 2a II TierSchG erlassene Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport i. d. F. d. B. v. 11. Juni 1999 (BGBl. I 1999, S. 1337) heranzuziehen gewesen, die besonders in §§ 4 I, 27, § 3 II TierSchTrV 1999 für den konkreten Fall Anhaltspunkte im Hinblick auf Transport(un)fähigkeit gegeben hätte. 917 Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97, ABl. L 3/1 v. 05. 01. 2005.
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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bb) § 134 BGB: wenn Rechtsgeschäft von vornherein mit Verstößen gegen Tierschutzrecht einhergeht Da der Transport eines hochträchtigen Tieres gegen Tierschutzrecht verstößt, ist für die Ablehnung des Herausgabeanspruchs zunächst an § 134 BGB zu denken. Tierschützende Vorschriften kommen als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB in Frage,918 auch Regelungen in EU-Verordnungen919. Wird durch ein Verbotsgesetz eine Erfüllungshandlung untersagt, so erfasst die Nichtigkeit grundsätzlich auch das Geschäft, das zu ihr verpflichtet.920 Die Anwendung von § 134 BGB erweist sich im Stuten-Fall jedoch als nicht sachgerecht. Der zu berücksichtigende921 Sinn und Zweck der die Erfüllungshandlung hier verbietenden Bestimmung in Art. 3 Buchst. b) EG-TiertransportVO dürfte darauf gerichtet sein, während des Transports die Gesundheit von Tieren zu schützen, eine artgerechte Tierbehandlung zu gewährleisten und Tieren Leiden zu ersparen.922 Die Vorschrift als Verbotsgesetz anzusehen und die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB anzunehmen, wäre daher zu erwägen bei Rechtsgeschäften, die schon von vornherein923 und unter allen Umständen einen tierschutzwidrigen Transport zum Gegenstand haben, das heißt bei Rechtsgeschäften, die ohne Verstoß gegen Tierschutzrecht nicht denkbar sind. Davon war bei der im Streitfall zugrunde liegenden Parteivereinbarung aber nicht auszugehen.924 Vielmehr hatte sich der drohende Rechtsverstoß erst durch die tatsächliche Entwicklung, nämlich die fortschreitende Trächtigkeit ergeben. cc) § 275 Abs. 1 BGB: Herausgabe bei entgegenstehendem Tierschutzrecht rechtlich unmöglich Ein geeigneter rechtlicher Anknüpfungspunkt für den vom Gericht angebrachten Aspekt des Tierschutzes in der Anspruchsprüfung ist § 275 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift umfasst auch die Konstellation, dass die geschuldete Leistung aus Rechtsgründen nicht erbracht werden kann (sogenannte rechtliche Unmöglichkeit), etwa weil sie sich auf einen Erfolg richtet, der von der Rechtsordnung nicht zugelassen 918
Vgl. KG Berlin, Beschl. v. 19. 10. 2011 – 25 W 73/11, BeckRS 2011, 27141; Lorz, MDR 1990, 1057, 1058 f.; Brüninghaus, S. 117 ff. 919 MüKo-Armbrüster § 134 BGB Rn. 37 (7. Aufl. 2015). 920 So wörtlich MüKo-Armbrüster § 134 BGB Rn. 9 (7. Aufl. 2015). 921 Vgl. MüKo-Armbrüster § 134 BGB Rn. 41 (7. Aufl. 2015). 922 Vgl. Erwägungsgrund 6 der EG-TiertransportVO (ABl. L 3/1 v. 05. 01. 2005). 923 Vgl. BeckOGK-Riehm § 275 BGB Rn. 106 f. (01. 11. 2016): Nichtigkeit nach § 134 BGB, wenn der versprochenen Leistung von Anfang an ein rechtliches Verbot entgegensteht, rechtliche Unmöglichkeit i. S. d. § 275 I BGB bei nach Vertragsschluss entstehenden rechtlichen Leistungshindernissen. 924 Die entscheidende Passage der Vereinbarung sah eine Herausgabe der Stute „zu einem angemessenen Zeitpunkt bevor sie abfohlen wird“ vor.
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ist,925 oder weil die Erfüllung der Leistungspflicht rechtlich verboten ist.926 Nach wohl überwiegender Ansicht927 kann § 275 BGB dabei überdies für den Fall einer vorübergehenden Unmöglichkeit herangezogen werden, sodass der Schuldner, solange er die Leistung nicht erbringen kann, nicht zur Leistung verpflichtet ist und eine gleichwohl hierauf gerichtete Klage als „zur Zeit unbegründet“ abzuweisen wäre.928 Dem liegt ein Verständnis zugrunde, wonach § 275 Abs. 1 BGB die Leistungspflicht nicht entfallen lässt, sondern nur deren Durchsetzbarkeit blockiert.929 Auch der Stuten-Fall lässt sich somit auf § 275 Abs. 1 BGB stützen: Der zur Vornahme der Leistung erforderlichen Handlung standen (hier: temporär) Tierschutzvorschriften entgegen und somit war die Erfüllung des an sich bestehenden Herausgabeanspruchs vorübergehend rechtlich unmöglich und daher mit Mitteln der Rechtsordnung nicht durchsetzbar. c) Fazit: Tierschutzrecht beeinflusst zivilrechtliche Leistungspflichten Die hier für den Stuten-Fall gefundenen rechtlichen Ergebnisse lassen sich zu folgenden generellen Aussagen verallgemeinern: Bei Rechtsgeschäften, die schon von vornherein mit Verstößen gegen Tierschutzrecht einhergehen müssen, kann – je in Ansehung des Einzelfalls – von einer Nichtigkeit nach § 134 BGB auszugehen sein. Greift eine Unwirksamkeit nach § 134 BGB nicht ein, scheitert ein Anspruch auf Vornahme einer Leistung, die zwingend einen Verstoß gegen Vorschriften des Tierschutzrechts mit sich bringt, aber gleichwohl wegen rechtlicher Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB.930 Das muss folgerichtig nicht nur gelten, wenn – wie im 925
Hk-Schulze § 275 BGB Rn. 12 (9. Aufl. 2017). BeckOGK-Riehm § 275 BGB Rn. 105 (01. 11. 2016). 927 MüKo-Ernst § 275 BGB Rn. 137 (7. Aufl. 2016); Staudinger-Caspers § 275 BGB Rn. 48 ff. (Neubearb. 2014); Arnold, JZ 2002, 866, 870; Gsell, FS Buchner, S. 267, 270 ff.; Däubler, FS Heldrich, S. 55, 59; Medicus, FS Heldrich, S. 347, 349; Schlechtriem, FS Sonnenberger, S. 125, 129 f.; Canaris, FS Huber, S. 143, 146 f.; Lobinger, S. 308; vgl. auch BGH, Urt. v. 12. 03. 2013 – XI ZR 227/12 (BGHZ 197, 21), NJW 2013, 3437, 3439 (Tz. 26) u. 3442 (Tz. 52); einschränkend Harke, ZRG rom. Abt. 123 (2006), 102, 149 ff.; a. A. Kaiser, FS Hadding, S. 121, 127 ff.; Schmidt, S. 87 ff. 928 BGH, Urt. v. 16. 09. 2010 – IX ZR 121/09, NZI 2010, 956, Tz. 22; MüKo-Ernst § 275 BGB Rn. 137 (7. Aufl. 2016); Staudinger-Caspers § 275 BGB Rn. 48 (Neubearb. 2014); Däubler, FS Heldrich, S. 55, 59; Medicus, FS Heldrich, S. 347, 349; Canaris, FS Huber, S. 143, 147; Otto, FS Canaris I, S. 945, 952; Schwarze, § 4 Rn. 25; a. A. Kaiser, FS Hadding, S. 121, 129 (sofortige Verurteilung unter – in den Tenor aufzunehmender – aufschiebender Bedingung behobener Unmöglichkeit); Gsell, FS Buchner, S. 267, 272 ff.: befristete Verurteilung des Schuldners. 929 Vgl. Staudinger-Caspars § 275 BGB Rn. 49, 79 (Neubearb. 2014); MüKo-Ernst § 275 BGB Rn. 137 (7. Aufl. 2016): § 275 BGB ordne „nicht eine Beendigung des Schuldverhältnisses überhaupt“ an, „sondern nur die einzelne Befugnis zur Erzwingung der Leistung in Natur“. Der Anspruch gelte (jedenfalls für die Zwecke der Verjährung) in diesem Status als „noch nicht entstanden“. 930 In diese Richtung auch Schmid, JR 2013, 245, 247. 926
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Stuten-Fall – tierschützende Vorschriften vorübergehend entgegenstehen, sondern erst recht auch, wenn dies dauerhaft der Fall ist (Beispiel: Transportfähigkeit eines Tieres im Sinne des Tierschutzrechts dauerhaft nicht gegeben). Überdies hindert im Falle eines gleichwohl zugunsten des Gläubigers ergehenden Urteils oder einer erst später eintretenden rechtlichen Unmöglichkeit dieser Einwand auch die Vollstreckung.931 Dies entzieht dem Gläubiger die Möglichkeit, die Erfüllung seines nach isolierter Anwendung des Zivilrechts grundsätzlich bestehenden, etwa aus einem Vertrag oder aus dem Eigentum fließenden Anspruchs in natura mithilfe der Rechtsordnung durchzusetzen. Doch steht die Ausübung zivilrechtlicher Befugnisse, wie § 903 S. 2 BGB für das Eigentum noch einmal deklaratorisch besonders hervorhebt, von vornherein unter dem Vorbehalt, dass sie mit öffentlich-rechtlichen Tierschutzvorgaben im Einklang ist. Rechtstechnisch lässt sich das Tierschutzrecht dabei über § 275 Abs. 1 BGB in Stellung bringen. Danach ist eine zivilrechtlich ursprünglich geschuldete Leistung, deren Vornahme aber aus dem übrigen Gesetzesrecht heraus verboten ist, nicht durchsetzbar. Zwar schließt diese Lösung ein, dass ein Zivilgericht (wie hier geschehen) darüber befinden und gegebenenfalls Beweis erheben muss, ob Vorschriften des Tierschutzrechts verletzt werden oder verletzt zu werden drohen. Die Möglichkeit, dass in einem zivilrechtlichen Verfahren auch einmal die Prüfung zivilrechtsfremden materiellen Rechts anfallen kann, legt jedoch das BGB beispielsweise in § 134 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB bereits an. Tierschutzrecht beeinflusst nach der hier dargestellten Lösung unmittelbar zivilrechtliche Leistungspflichten. Der skizzierte Weg über § 275 Abs. 1 BGB lässt sich anhand des Gesetzes herleiten. Dass hierdurch eine sachgerechte Lösung erreicht wird, die zwischen effektivem Tierschutz und zivilrechtlich zugewiesenen Rechtspositionen vermittelt, zeigt sich, wenn man sich als Kontrollüberlegung die beiden denkbaren entgegengesetzten Entscheidungsszenarien noch einmal in ihren konkreten Folgen vor Augen hält: Wird in der hier betrachteten Konstellation einem bei isolierter Anwendung des Zivilrechts bestehenden Anspruch stattgegeben und in der Folge die geschuldete Handlung vorgenommen, ist damit der zivilrechtlichen, typischerweise auf Vertrag oder dem Eigentum beruhenden Rechtsposition zwar zur Geltung verholfen. Gleichzeitig wird aber eine tierschutzrechtliche Vorgabe irreversibel verletzt. Allenfalls könnte man dann darauf verweisen, es mögen die für die Durchsetzung des Tierschutzrechts zuständigen Behörden gegen die Vornahme der Erfüllungshandlung einschreiten. Dass eine funktionierende Rechtsordnung indes auf eine solche Vorgehensweise angelegt sein soll, erscheint unter dem Gesichtspunkt effizienten Staatshandelns eher abwegig.
931 Schmid, JR 2013, 245, 247. Inwiefern Tierschutz-Gesichtspunkte im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchgreifen können, ist eine an späterer Stelle noch tiefer zu verfolgende Frage, siehe dazu in dem Kapitel ab Fn. 1637.
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Lässt man im Gegensatz dazu die Durchsetzbarkeit des zivilrechtlichen Anspruchs scheitern, wird die von der Erfüllungshandlung ausgehende Verletzung tierschützender Vorschriften vermieden. Die Rechtsposition des Gläubigers ist gleichwohl nicht völlig entwertet. Zwar kann er nicht, wie es ihm nach Zivilrecht grundsätzlich zugestanden hätte, Erfüllung in natura verlangen. Sofern dies aber, wie oben gezeigt, auf § 275 Abs. 1 BGB beruht, kommen für ihn Sekundärrechte in Betracht, die er gegen den Schuldner richten kann. Neben einem Recht, sich durch Rücktritt nach §§ 323, 326 Abs. 5 BGB von dem zugrunde liegenden Vertrag zu lösen (Folge: Rückabwicklung, §§ 346 ff. BGB), ist an einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB (oder – sofern die Leistung schon vor Vertragsschluss rechtlich unmöglich war – gemäß § 311a Abs. 2 BGB) oder an einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB zu denken. Letztere Ansprüche setzen freilich voraus, dass der Schuldner das Leistungshindernis – etwa die eine Erfüllung der Herausgabepflicht verhindernde Transportunfähigkeit – zu vertreten hat, was aber immerhin nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird. Ein solches Vertretenmüssen wäre übrigens auch in dem Stuten-Fall in Frage gekommen, denn der Sachverhalt enthielt Anhaltspunkte dafür, dass der Gläubiger die Herausgabe des Pferdes bereits angefragt hatte, als die Trächtigkeit noch nicht so weit fortgeschritten war und somit der Transport womöglich noch tierschutzgemäß gewesen wäre. Die Verweigerung des Schuldners war somit unter Umständen zunächst unberechtigt und es wäre, bejahendenfalls, darauf angekommen, ob er dies hätte erkennen können. 4. Nachbarrecht Auch an Beispielen aus dem Nachbarrecht lässt sich beobachten, wie „Tierwohl“Erwägungen auf das Zivilrecht Einfluss nehmen. Ausgangskonstellation der dafür näher in den Blick genommenen nachbarschaftsrechtlichen Streitigkeiten ist, dass sich ein Grundstückseigentümer durch Tiere, die auf dem Grundstück seines Nachbarn angesiedelt und diesem somit zuzuordnen sind,932 beeinträchtigt fühlt und gegen diese Störung gerichtlich – insbesondere mit einem auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteten Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB – vorgeht. a) Kein Beseitigungsanspruch bei Störungen durch naturschutzrechtlich geschützte Tiere („Schwalben-Fälle“ und „Frosch-Fälle“) Die hier zunächst im Mittelpunkt stehenden, in der Rechtsprechung wiederholt aufgetretenen und zum Teil bis vor den BGH gelangten Sachverhalte933 handeln von Fröschen, deren Quaken, oder Schwalben, deren Kot den Unmut eines Nachbarn erregte. Das vom Zivilrecht vorgesehene Instrument, um gegen derartige ungebetene Einwirkungen von Nachbargrundstücken vorzugehen, ist der Abwehranspruch nach 932 933
Vgl. jurisPK-BGB-Vieweg/Regenfus § 906 BGB Rn. 48 (7. Aufl. 2014). Karikierend Hensen, ZIP 1993, 163; Schwabe, JR 1993, 240, 241.
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§ 1004 BGB. Es lassen sich verschiedene Anknüpfungspunkte identifizieren, an denen ein solcher Anspruch zugunsten der betroffenen Tiere in der Rechtsprechung in Frage gestellt wurde. aa) Rechtliche Anknüpfungspunkte für die Ablehnung eines nachbarrechtlichen Abwehranspruchs (1) Störer-Eigenschaft Kurz vorweg geschickt werden soll hier der Vollständigkeit halber ein Anknüpfungspunkt, der zwar auf einer tierspezifischen Besonderheit, nämlich der Eigendynamik von Tieren beruht, aber nicht als „Tierwohl-Erwägung“ einzuordnen ist: die für § 1004 Abs. 1 BGB erforderliche Störer-Eigenschaft des in Anspruch genommenen Grundstückseigentümers, bei dem sich die betreffenden lärmenden Frösche oder kotenden Schwalben niedergelassen hatten. In einem Fall aus den 1980erJahren verneinte einmal ein Gericht bei einem Grundstückseigentümer die StörerEigenschaft aufgrund des Umstandes, dass sich in concreto die störenden Schwalben von allein an dem Haus des Beklagten eingenistet hatten: Die Beeinträchtigung gehe „allein auf Naturkräfte zurück“. Schwalben seien keine Haustiere; der Beklagte habe auch keine Vorbedingung für das Auftreten der Schwalben geschaffen. Diese nutzten als Kulturfolger lediglich das dem Beklagten gehörende Haus.934 Zumeist war in den zu Gerichten gelangten Frosch- und Schwalben-Fällen die Ansiedelung der Tiere jedoch durch eine entsprechende Herrichtung des Grundstücks begünstigt worden (zum Beispiel Anbringen von Kunstnestern935, Anlegen eines Teiches936), sodass hieran für die Störer-Eigenschaft angeknüpft werden konnte. (2) „wesentliche Beeinträchtigung“, „Ortsüblichkeit“, „Zumutbarkeit“ Tierbezogene Naturschutzerwägungen ließ ein Gericht in einer ebenfalls aus den 1980er-Jahren stammenden Entscheidung937 in die Auslegung der in § 906 Abs. 1, Abs. 2 BGB enthaltenen Begriffe „wesentliche Beeinträchtigung“, „Ortsüblichkeit“ und „Zumutbarkeit“ einfließen, die über eine Duldungspflicht des Nachbarn im 934 AG Bad Kreuznach, Urt. v. 10. 01. 1985 – 2 C 1085/84, NJW-RR 1986, 98. Auch als Zustandsstörer haftet ein Eigentümer/Besitzer nicht schon allein aufgrund seiner Rechtsstellung, sondern nur, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht. Das setzt voraus, dass er die Beeinträchtigung durch eine eigene Handlung adäquat mitverursacht hat oder trotz Einwirkungsmöglichkeit ihre Beseitigung entgegen einer Handlungspflicht unterlässt. Natureinwirkungen allein begründen keine Zustandshaftung – PalandtHerrler § 1004 BGB Rn. 19 (76. Aufl. 2017). 935 LG Hechingen, Urt. v. 29. 12. 1994 – 3 S 29/94, NJW 1995, 971. 936 BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 928 f.; OLG Naumburg, Urt. v. 17. 09. 2013 – 12 U 143/12, BeckRS 2014, 05581; Scheidler, NuR 2012, 681, 687; Schwippert, EWiR 1993, 775, 776; vgl. Scheidler, MDR 2009, 242, 244, DVBl. 2007, 936, 941; Gerauer, NuR 1991, 478 f. 937 OLG Schleswig, Urt. v. 12. 05. 1986 – 5 U 202/84, NJW-RR 1986, 884.
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Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB entscheiden und damit die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung938 beeinflussen. Die Auslegung dieser Begriffe müsse, wie das Gericht ausführte, „auch bestimmte Entwicklungstendenzen“ berücksichtigen und werde von „gewandelten Wertvorstellungen, so auch von geändertem Naturbewußtsein“ beeinflusst.939 Seien für den Begriff der Ortsüblichkeit in der Vergangenheit womöglich die „zivilisatorischen Elemente“ dominierend gewesen, so hätten sich diesbezügliche Wertvorstellungen nunmehr gewandelt. „Gedanken des Umweltschutzes und das ökologische Bewußtsein“ seien geschärft. „Das Bedürfnis, ein Stück Natur auch in das eigene Grundstück zu holen, seltenen Pflanzen und wildlebenden Tieren hier artgerechten Lebensraum zu schaffen“, sei gewachsen. In concreto verwies das Gericht in dem Fall für die Ortsüblichkeit des Froschlärms auch darauf, dass es in der Nachbarschaft mehrere Teich- und Pflanzanlagen gebe und diese zudem mit den natürlichen Verhältnissen unmittelbar vor den Grenzen des Wohngebiets korrespondierten. Die Zivilisation sei „in die natürlichen Feuchtgebiete und damit in den Lebensraum der Frösche vorgedrungen“. Sei „aber die Nutzung eines Grundstücks in einer Weise ortsüblich, daß sie Fröschen eine natürliche Lebensheimat“ biete, so sei „jede von ihnen ausgehende Geräuschimmission Folge eben dieser Nutzung“ und müsse von betroffenen Grundstücksnachbarn hingenommen werden. Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Ruhebedürfnis der Kläger und dem Interesse des Beklagten „an dem ungestörten Fortbestand des Lebensraumes möglichst vielgestaltiger Tierarten“ fielen „naturschutzrechtliche Aspekte entscheidend ins Gewicht“. Frösche gehörten zu den nach Artenschutzrecht besonders geschützten Tierarten. Ob durch ein Entfernen der Frösche ein konkreter Verstoß gegen Naturschutzrecht vorläge, ließ das Gericht offen und stellte stattdessen darauf ab, der Beklagte betätige „mit der Anlage, Pflege und Weiterentwicklung seines Feuchtbiotops sich in seinem privaten Rahmen im Sinne öffentlicher, im einzelnen gesetzlich näher ausgestalteter Aufgaben des Naturschutzes“. Seine Privatinteressen dienten „damit im weiteren Sinne auch allgemeinen Belangen“. Dies sei „vor dem Hintergrund des allgemein zunehmenden Wertverständnisses naturschutzrechtlicher Belange von besonderem Gewicht“. Demgegenüber müsse das Interesse der Kläger zurücktreten. Damit beschritt das Gericht für (in diesem Fall nicht genuin tier-, sondern) naturschutzrechtliche Erwägungen den für Tierschutz-Gesichtspunkte schon oben in anderen Zusammenhängen hervorgehobenen Weg einer Einbeziehung in die zivilrechtliche Prüfung über unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe im BGB.940 Die Bedeutung von Naturschutz in Gestalt des Schutzes wild lebender Tiere als öffentliches Interesse leitete das Gericht dabei vor allem auch unter Hinweis 938
Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 II Rn. 8 (18. Aufl. 2009); Erman-Ebbing § 1004 BGB Rn. 36, 41 (14. Aufl. 2014); Palandt-Herrler § 1004 BGB Rn. 34, 38 (76. Aufl. 2017). 939 So auch Tausch, NuR 1991, 480. 940 Vgl. auch Vieweg, NJW 1993, 2570.
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auf ein vom Gericht zu erkennen geglaubtes, dahingehend entwickeltes gesellschaftliches Bewusstsein her. Eine solche Bezugnahme auf gesellschaftliche Wertungen mutet zwar zunächst eher befremdlich an, dürfte hier aber durch das Gesetz selbst gestattet sein, wenn dieses auf Begriffe wie die „Ortsüblichkeit“ und „Wesentlichkeit“ der Beeinträchtigung abstellt. Zudem verwies das Gericht auf gesetzliche Wertungen zugunsten des Naturschutzes, die freilich noch näher hätten benannt werden sollen. In concreto mündete diese auf Naturschutz-Aspekte gestützte Argumentation hier darin, dass das Interesse des beeinträchtigten Nachbarn keinen Schutz durch § 1004 BGB erhielt. Auch der BGH bestätigte in einem späteren Urteil, „daß bei Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von Lärm gesetzliche Wertungen“, „das veränderte Umweltbewußtsein und der im Naturschutzgesetz verankerte Artenschutz bei Fröschen nicht unberücksichtigt bleiben“ könnten.941 (3) entgegenstehendes Artenschutzrecht Anders als in dem soeben geschilderten Beispiel von dem Gericht angenommen, konnte man in den Frosch- und Schwalben-Fällen typischerweise aber durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB942 und keine „Ortsüblichkeit“ im Sinne des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB gegeben war943 sowie die Störer-Eigenschaft des Grundstückseigentümers vorlag, sodass die Ausgangssituation für einen Beseitigungsanspruch des Klägers gut erschien.944 Als zentral erwies sich hier jedoch ein anderer Aspekt, der den Anspruch letztlich weitgehend scheitern ließ: Die störenden Tiere standen unter rechtlichem Schutz. Ihre Entfernung oder die Entziehung ihres Lebensraums hätte gegen öffentlich-rechtliche Normen verstoßen.945 Nach heutiger Rechtslage ergibt sich dies wohl aus § 44 Abs. 1 Nr. 1, 3 BNatSchG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 13 Buchst. b) bb) für Schwalben (europäische Vogelart), und Buchst. c) in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 BArtSchV für Frösche (europäische Arten der Lurche)946. Wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten dürfen danach unter anderem nicht gefangen, verletzt oder getötet werden; ihnen darf nicht nachgestellt werden, ihre Entwicklungsformen, ihre Fortpflanzungs- oder Ruhestätten dürfen nicht aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört werden. Der BGH konstatierte somit in Bezug auf das Quaken von Fröschen: „es [gibt] keine erfolgversprechenden Maß941
BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 929; jurisPKBGB-Vieweg/Regenfus § 906 BGB Rn. 62 (7. Aufl. 2014). 942 Vgl. dazu Vieweg, NJW 1993, 2570, 2573. 943 A. A. für den vom BGH entschiedenen Frosch-Fall Tauch, NuR 1991, 480 f. in seiner Urt.-Anm. zur Berufungsinstanz. 944 BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 929 f.; OLG München, Urt. v. 21. 01. 1991 – 17 U 2577/90, NuR 1991, 502 f.; OLG Naumburg, Urt. v. 17. 09. 2013 – 12 U 143/12 – juris; LG Hechingen, Urt. v. 29. 12. 1994 – 3 S 29/94, NJW 1995, 971 f. 945 A. A. LG Lüneburg, Beschl. v. 18. 10. 1985 – 1 T 184/85, NJW-RR 1986, 502; krit. auch Staudinger-Roth § 906 BGB Rn. 155 (Neubearb. 2016). 946 So OLG Naumburg, Urt. v. 17. 09. 2013 – 12 U 143/12 – juris.
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nahmen zur Lärmverhinderung (…), die naturschutzrechtlich nicht verboten wären“.947 (a) Tier-Artenschutzrecht als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums Wie im oben geschilderten Stuten-Fall waren also auch in den Schwalben- und Frosch-Fällen die Zivilgerichte mit der Situation konfrontiert, dass die Voraussetzungen eines privatrechtlichen Anspruchs im Grundsatz, unter ausschließlicher Betrachtung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, vorlagen, sie aber zur Vornahme einer Handlung hätten verurteilen müssen, die gegen tierschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Eine solche Verurteilung kommt, wie schon für den Stuten-Fall gezeigt wurde, nicht in Frage. Auch im Schrifttum und in den Gerichten erkannte man im Hinblick auf die Frosch- und Schwalben-Fälle: Der gestörte Nachbar könne „von dem Störer kein rechtswidriges Verhalten verlangen“948, eine Verurteilung dürfe nicht erfolgen, wenn dem Nachbarn „ein Verhalten abverlangt würde, das gegen zwingende Vorschriften des (…) Naturschutzgesetzes verstößt“949, oder, anders gewendet, der Nachbar könne „nicht zu Maßnahmen gezwungen werden (…), die (…) gesetzlich verboten sind“950. Es gilt also: „Das [naturschutzrechtliche] Verbot wirkt sich auch in den privatrechtlichen Beziehungen der Parteien aus“.951 Als Konsequenz für das Rangverhältnis der betroffenen Interessen folgt hieraus: Der privatrechtlich in § 1004 BGB anerkannte und verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG gestützte Schutz des privaten Interesses an beeinträchtigungsloser Grundstücksbenutzung endet dort, wo dieses nicht im Einklang steht mit Vorschriften, die aus einem öffentlichen Interesse (Artenschutz) heraus oder, wie unter anderem der BGH formuliert, zur Sicherung überragender Gemeinschaftsbelange952 bestimmte Tiere schützen; es hat hinter letzterem zurückzustehen.953 Das Naturschutzrecht wirkt als Inhalts- und Schran947
BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 926. Schmid, WuM 1988, 343; ähnlich AG Bad Kreuznach, Urt. v. 10. 01. 1985 – 2 C 1085/84, NJW-RR 1986, 98; Gerauer, NuR 1991, 478, 479. 949 LG Hanau, Urt. v. 06. 11. 1984 – 2 S 343/84, NJW 1985, 500. 950 BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 926; OLG Naumburg, Urt. v. 17. 09. 2013 – 12 U 143/12 – juris; vgl. Schmid, WuM 1988, 343, 344. 951 LG Hechingen, Urt. v. 29. 12. 1994 – 3 S 29/94, NJW 1995, 971, 972; OLG München, Urt. v. 21. 01. 1991 – 17 U 2577/90, NuR 1991, 502, 503: „Die Artenschutzvorschriften wirken sich auf die Befugnisse des Eigentümers gem. § 903 BGB und die Ansprüche aus den §§ 906, 1004 BGB aus.“ 952 BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 926; OLG Naumburg, Urt. v. 17. 09. 2013 – 12 U 143/12 – juris; Tausch, NuR 1991, 480, 481. 953 Vgl. Grziwotz/Lüke/Saller-Lüke, 3. Teil Rn. 139 (2. Aufl. 2013); Schwippert, EWiR 1993, 775, 776. Krit. Schwabe, JR 1993, 240, 241, der wegen der durch den Froschlärm bedingten Störung des Schlafs als grundrechtlich geschütztes Rechtsgut zentral auch die Gesundheit des Klägers (Art. 2 II GG) tangiert sieht: „[es] sollte eigentlich nicht strittig sein, daß Menschenschutz vor Froschschutz geht und nicht umgekehrt. (…) Daß Naturschutz den vitalen Belangen des Menschen nicht vorgeordnet werden darf, ist eine Selbstverständlichkeit“; sowie 948
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kenbestimmung des Eigentums.954 Rechtstechnisch lässt sich im Rahmen des § 1004 Abs. 1 BGB gut daran anknüpfen, dass die Beeinträchtigung, deren Beseitigung begehrt wird, rechtswidrig sein muss. So heißt es denn in den Urteilen: „Solange (…) die Bekl. keine erfolgversprechenden Maßnahmen zur Lärmverhinderung treffen darf, ist die entsprechende Einwirkung auf das Grundstück des Kl. nicht rechtswidrig. (…) [D]ie naturschutzrechtlichen Bestimmungen [grenzen] den rechtmäßigen vom rechtswidrigen Gebrauch des Grundstücks ab“.955 Aus ihnen ergibt sich eine Duldungspflicht; sie schließen den Abwehranspruch des § 1004 BGB aus.956 Die gleichsam artenschutzrechtliche Sperre für § 1004 BGB geht aber auch nur soweit, wie dieser Artenschutz nach Ausgestaltung des zugrunde liegenden Rechts im Einzelnen reicht.957 In einem Schwalben-Fall beispielsweise zeigte sich dies deutlich daran, dass der zivilrechtliche Abwehranspruch entsprechend naturschutzrechtlicher Bestimmungen begrenzt auf bestimmte Zeiträume zuerkannt wurde.958 Auch ist, wie unter anderem der BGH in dem vor ihn gebrachten FroschFall betonte,959 die im Artenschutzrecht vorgesehene Möglichkeit einer Befreiung oder Ausnahmegenehmigung (hier insbesondere § 45 Abs. 7 Nr. 4 BNatSchG) unmittelbar in die Frage des Bestehens eines zivilrechtlichen Abwehranspruchs einzubeziehen. Komme es zu Lärmimmissionen, die an sich nach dem Maßstab des § 906 BGB abwehrfähig seien, verbiete aber das öffentliche Recht die dafür in Betracht kommenden Abhilfemaßnahmen, so könne dem Störer dann nicht erlaubt sein, sich hinter diesem Verbot zu verschanzen, wenn öffentlich-rechtlich Ausnahmen zugelassen seien, die mit Erfolgsaussicht beantragt werden könnten. Ob deren Voraussetzungen vorlägen, habe das Zivilgericht, gegebenenfalls nach Einholung entsprechender Behördenauskunft, selbstständig als Vorfrage zu prüfen und zu entscheiden. Dem stehe nicht entgegen, dass es insoweit um die Anwendung öffentlich-rechtlicher Normen gehe und die Ausnahmegenehmigung nur von bestimmten Behörden erteilt werden könne. Seien die Voraussetzungen gegeben, Kunz, ZMR 1985, 397, 400: „Beim Zielkonflikt zwischen einer Verhinderung von Belästigungen oder Schädigungen des Menschen durch Lärm und dem Schutz bestimmter Tierarten hat der Schutz menschlicher Gesundheit Vorrang“. 954 OLG München, Urt. v. 21. 01. 1991 – 17 U 2577/90, NuR 1991, 502, 503; Tausch, NuR 1991, 480, 481. 955 BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 927; OLG Naumburg, Urt. v. 17. 09. 2013 – 12 U 143/12 – juris; zust. Vieweg, NJW 1993, 2570, 2576. 956 MüKo-Brückner § 906 BGB Rn. 111 (7. Aufl. 2017); Grziwotz/Lüke/Saller-Lüke, 3. Teil Rn. 139 (2. Aufl. 2013); Götz, MittBayNot-Sonderhefte 2000, 37, 42; vgl. StaudingerGursky § 1004 BGB Rn. 188 (Neubearb. 2012); Gerauer, NuR 1991, 478, 479; Tausch, NuR 1991, 480, 481; OLG München, Urt. v. 21. 01. 1991 – 17 U 2577/90, NuR 1991, 502, 503. 957 Vgl. LG Hechingen, Urt. v. 29. 12. 1994 – 3 S 29/94, NJW 1995, 971, 972; näher Winkler, JA 1993, 283, 284. 958 LG Hechingen, Urt. v. 29. 12. 1994 – 3 S 29/94, NJW 1995, 971, 972: „Der Beseitigungsanspruch ist demnach materiellrechtlich dahin beschränkt, daß eine Entfernung nur in der genannten jahreszeitlichen Periode geschuldet wird“. 959 BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 926 f.
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müsse, da nur Naturschutzbehörden das generelle Verbot über eine Erlaubnis durch Verwaltungsakt aufheben könnten, im Tenor einer eventuellen Verurteilung der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung aufgenommen werden.960 (b) Auch Artenschutzrecht als Vehikel für „Tierwohl“ Zwar kollidierte in den Schwalben- und Frosch-Fällen wie in dem Stuten-Fall ein zivilrechtlicher Anspruch mit im weiteren Sinne tierschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. In den Schwalben- und Frosch-Fällen betraf dies aber, im Unterschied zum Stuten-Fall, öffentlich-rechtliche Normen, die in erster Linie nicht den Schutz des individuellen Einzeltieres zum Gegenstand haben (wie das TierSchG), sondern bestimmte Tiere kollektiv aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer unter Naturschutz stehenden Art schützen. Es erscheint dennoch gerechtfertigt, die Fälle in die Reihe der Beispiele für eine Berücksichtigung des „Tierwohls“ im Zivilrecht aufzunehmen. Zwar dienen Artenschutzvorschriften primär dem Schutz einer Art als solcher zwecks Erhalts der Vielfalt und weisen daher nicht den für das TierSchG typischen Fokus auf das „Wohl“ eines individuellen Tieres auf. Doch auch eine Art lässt sich nur dadurch erhalten, dass, gleichsam als Zwischenziel, die ihr angehörenden Einzeltiere – genauer: deren Integrität und Lebensbedingungen – unter rechtlichen Schutz gestellt werden. Insofern resultieren auch Artenschutzvorschriften in konkretem Schutz von Einzeltieren. Entsprechend gleichen die hier tangierten Vorschriften des BNatSchG denen des TierSchG rechtstechnisch darin, dass sie gewisse Beeinträchtigungen von (Einzel-)Tieren beschreiben, die verboten sind. Auch Artenschutz-Vorschriften sind daher öffentlich-rechtliche Vorgaben, über die das „Tierwohl“ als Gesichtspunkt in die (auch: Zivil-)Rechtsordnung eingeführt wird. bb) Fazit: Konkrete Tier- und Artenschutzvorgaben setzen sich auch im Zivilrecht durch Die Schwalben- und Frosch-Fälle sind, wie schon der oben thematisierte StutenFall, Beispiele dafür, dass Gesichtspunkte des Tierschutzes das Bestehen (Schwalben- und Frosch-Fälle) oder jedenfalls die Durchsetzbarkeit (Stuten-Fall) zivilrechtlicher Ansprüche substantiell beeinflussen können. Öffentliches Recht spielt dabei in die zivilrechtliche Prüfung hinein; tierschützende Vorschriften sperren, soweit sie reichen, einen mit ihnen nicht im Einklang stehenden zivilrechtlichen Anspruch. Soweit dies das Bild eines gleichsam externen Einwirkens öffentlichrechtlicher Vorschriften auf einen ansonsten unversehrten zivilrechtlichen Anspruch impliziert, trifft das freilich nicht, denn die Interaktion mit den außerhalb des BGB liegenden Regelungen und Wertungen tierschützender Art vollzieht sich anhand von 960 BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239), NJW 1993, 925, 926 f.; OLG Naumburg, Urt. v. 17. 09. 2013 – 12 U 143/12 – juris; bestätigt (in einem anders gelagerten Fall) von BGH, Beschl. v. 13. 01. 2005 – V ZR 83/04, NZM 2005, 318. Vgl. Vieweg, NJW 1993, 2570, 2571 f.; Staudinger-Gursky § 1004 BGB Rn. 188 (Neubearb. 2012).
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Tatbestandsmerkmalen oder anderen Scharnieren, die dem BGB selbst immanent sind (Generalklauseln, § 134 BGB, rechtliche Unmöglichkeit, Merkmal „Rechtswidrigkeit“ im Rahmen des § 1004 BGB). Auffallende Gemeinsamkeit dieser Fälle ist: Es ging dabei jeweils nicht um „Tierwohl“-Erwägungen allgemeiner Art, die Gerichte aus eigener Anschauung heraus einfließen ließen (wie etwa in der Hundewelpen-Entscheidung), sondern um ganz konkrete tier(arten)schützende Tatbestände, deren Verletzung unmittelbar durch die Handlung drohte, zu der die Gerichte bei Obsiegen des Klägers hätten verurteilen müssen. Letztlich bildete also vor allem der Umstand, dass ein bestimmter „Tierwohl“-Aspekt konkret rechtlich ausgestaltet war, die Basis dafür, dass dieser mit effektiver Durchsetzungskraft auch im Zivilrecht zu berücksichtigen war. b) Artgerechte Haltung als Abwägungsaspekt bei nachbarrechtlichen Abwehransprüchen Praktisch häufiger als geschützte Wildtiere sind es typische Haustiere (insbesondere Katzen), die durch Geräusche, das Betreten, Überfliegen oder Verdrecken fremder Grundstücke als Stör-Quelle Gegenstand nachbarschaftsrechtlichen Streits werden. Die hierzu ergehenden, im Wesentlichen anhand von §§ 906 f., 1004 BGB zu fällenden Entscheidungen münden zumeist in einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung gegenseitiger aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgender Rücksichtnahmepflichten. Dies öffnet Wertungsspielräume, die auch hier zuweilen auf die schon in anderen Zusammenhängen beobachtete Weise genutzt werden, das „Wohl“ des betreffenden Tieres als einen Gesichtspunkt in die Argumentation einzuflechten – indem nämlich einbezogen wird, welche Anforderungen die artgerechte Haltung der jeweiligen Tiere stellt. Der typische Kontext für diese Überlegung besteht darin, dass in dem Streit der Nachbarn zunächst etwaige Lösungswege zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen ausgelotet werden. Da Stein des Anstoßes eine von einem Tier ausgehende Störung ist, beziehen sich mögliche Kompromisse häufig auf die Modalitäten, unter denen das Tier gehalten wird, denn mit ihnen korrespondiert in der Regel das Maß der auf die Nachbargrundstücke einwirkenden Beeinträchtigungen. Bei Katzen, die mit großem Abstand den häufigsten Gegenstand solcher Fällen bilden, aber auch bei Tauben erweist sich dabei die Frage als zentral, ob das Nachbarschaftsrecht die Haltung dieser Tiere im Freilauf/-flug gestattet. Hier nun bezogen Literatur und die Gerichte auch die Erwägung mit ein, welche Haltungsform sie – in der Regel offenbar gestützt auf eigene Sachkunde – als die der Natur der Tiere961 und ihren natürlichen Bedürfnissen962 entsprechende und artgerechte963 ansahen.
961 LG Oldenburg, Beschl. v. 15. 11. 1985 – 9 T 1009/85, NJW-RR 1986, 883; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. 06. 1979 – 9 U 64/79, OLGZ 1980, 16; OLG Köln, Urt. v. 17. 09. 1982 – 20 U 44/82, NJW 1985, 2338, 2339.
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In der Tat ist es geboten, bei der in solchen nachbarlichen Streitigkeiten erfolgenden Abwägung der beiderseitigen Interessen die Anforderungen an eine artgerechte Haltung der jeweils betreffenden Tiere zu beachten. Anknüpfungspunkt im Tierschutzrecht ist insbesondere § 2 TierSchG, wonach der Halter ein Tier unter anderem seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen pflegen und verhaltensgerecht unterbringen muss. Würde ein Zivilgericht in das Spektrum der in die Abwägung einzubeziehenden Handlungsvarianten der Parteien – genauer: des beklagten tierhaltenden Nachbarn – auch solche aufnehmen, die gar nicht im Einklang mit dem rechtlich vorgeschriebenen Tierschutz umgesetzt werden könnten, ergäbe sich ein ähnlich widersprüchliches und abzulehnendes Resultat wie es im Stuten-Fall oder in den Frosch- und Schwalben-Fällen bevorstand. Anders als in diesen Fällen droht zwar hier nicht so sehr, dass das Gericht zu einem tier- oder artenschutzwidrigen Verhalten verurteilen müsste. Doch würde das Gericht dem beklagten Nachbarn im Rahmen der Würdigung seiner Interessen eine Handlungsoption unterstellen, die ihm (tierschutz-)rechtlich gar nicht möglich ist. Das verfälscht das Abwägungsergebnis, macht es nämlich zu seinen Lasten unausgewogen. Haltungsvarianten können daher nur unter dem Vorbehalt ihrer tierschutzrechtlichen Zulässigkeit vom Zivilgericht einbezogen werden.964 Ließe sich den Interessen des klagenden, gestörten Nachbarn nur durch eine tierschutzwidrige Haltung des betreffenden Tieres angemessen Rechnung tragen, ist die damit korrespondierende, in die Abwägung stattdessen einzustellende Handlungsvariante des Beklagten, die Tierhaltung ganz zu unterlassen.965 Daraus folgt auch hier wieder eine Verschränkung des Zivilrechts mit öffentlich-rechtlichem Tierschutzrecht, indem tierschutzrechtliche Aspekte als Vorfrage die Entscheidung über einen zivilrechtlichen Anspruch beeinflussen.
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OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. 06. 1979 – 9 U 64/79, OLGZ 1980, 16; LG Darmstadt, Urt. v. 17. 03. 1993 – 9 O 597/92, NJW-RR 1994, 147: Die Haltung von Hauskatzen in Form eines freien Auslaufs „entspricht dem Bedürfnis der Tiere nach einer eigenständigen und autonomen Lebensführung, die insbesondere bei Katzen stark ausgeprägt ist. Katzen sind von Natur aus Jagdtiere und von daher darauf angewiesen, ihren Beutetieren nachzustellen.“ 963 LG Bonn, Urt. v. 06. 10. 2009 – 8 S 142/09, NJW-RR 2010, 310; AG Westerstede, Urt. v. 21. 10. 2010 – 22 C 565/10, BeckRS 2011, 25250; LG Lüneburg, Urt. v. 08. 10. 2004 – 4 S 48/04, BeckRS 2012, 11140 u. Urt. v. 27. 01. 2000 – 1 S 198/99, NZM 2001, 397; LG Zwickau, Urt. v. 01. 06. 2001 – 6 S 388/00, WuM 2001, 556; AG Neu-Ulm, Urt. v. 03. 11. 1998 – 2 C 947/98, NJW-RR 1999, 892; vgl. Becker, ZWE 2006, 79; Stollenwerk, DWW 2002, 22 f.; Borrmann/ Greck, ZMR 1993, 51. 964 Vgl. Gaisbauer, NZM 1999, 982, 985. 965 In diese Richtung auch AG Westerstede, Urt. v. 21. 10. 2010 – 22 C 565/10, BeckRS 2011, 25250; AG Neu-Ulm, Urt. v. 03. 11. 1998 – 2 C 947 – 98, NJW-RR 1999, 892; LG Lüneburg, Urt. v. 27. 01. 2000 – 1 S 198/99, NZM 2001, 397; LG Darmstadt, Urt. v. 17. 03. 1993 – 9 O 597/92, NJW-RR 1994, 147; Stollenwerk, DWW 2002, 22, 23.
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5. Mietrecht Auswirkungen von Tierschutz-Gesichtspunkten lassen sich auch im Mietrecht beobachten: Zum einen in der Frage der generellen mietrechtlichen Zulässigkeit einer Tierhaltung, zum anderen mit Blick auf die konkrete Abschaffung eines vom Mieter bereits gehaltenen Tieres. a) Frage der artgerechten Haltung für die Zulässigkeit einer Tierhaltung bedeutungslos? Die Zulässigkeit einer Tierhaltung in der Mietwohnung ist typischerweise Gegenstand des Streits, wenn mietrechtliche Verfahren von Tieren handeln. Denkbar ist, in den Ausgleich der sich dabei gegenüberstehenden Interessen von Vermieter und Mieter966 auch einen Tierschutz-Gesichtspunkt einzubeziehen: Konkret geht es hier um die Frage, ob für die zivilrechtliche Zulässigkeit einer Tierhaltung des Mieters berücksichtigungsfähig ist, inwiefern dieser die entsprechenden Tiere in dem Mietobjekt artgerecht hält/halten wird oder darin überhaupt artgerecht halten kann. Die Frage kann sich in ähnlicher Weise auch zwischen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft stellen. Für das Mietrecht hat der BGH sie in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 verneint und damit in der Diskussion einen gewichtigen Akzent gesetzt, der aber bei näherer Betrachtung nicht vollends überzeugt. aa) Tendenzen in Schrifttum und früherer Rechtsprechung In Literatur967 und früherer Rechtsprechung968 findet der Aspekt, ob die vom Mieter begehrte oder praktizierte Tierhaltung artgerecht ist, mietrechtlich durchaus Beachtung, freilich ohne dass seine rechtliche Einordnung, sein Stellenwert und die dafür ausschlaggebenden Kriterien genauer ausgeführt würden. Beispielsweise heißt es, bei der Frage, ob eine Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Wohnung gehöre, seien „auch übergeordnete öffentliche Belange, wie der Tierschutz, mit
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Siehe nur Apitz, WuM 2013, 127, 129 f. Schmidt-Futterer-Eisenschmid § 535 BGB Rn. 551 f. (12. Aufl. 2015); Wietz, WuM 2014, 518, 523; Boos, LMK 2013, 346874; Pletzer, NZM 2014, 329 Fn. 41 f.; Hannemann/ Wiegner-Horst § 16 Rn. 34, 52, 110 (4. Aufl. 2014); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 133 (1. Aufl. 2002). 968 AG Kerpen, Urt. v. 30. 06. 2009 – 22 C 412/08, BeckRS 2009, 28112; AG Dortmund, Urt. v. 21. 06. 1989 – 119 C 110/89, WuM 1989, 495 f.; AG Sinzig, Urt. v. 14. 11. 1989 – 7 C 334/89, NJW-RR 1990, 652; AG München, Urt. v. 26. 06. 2012 – 411 C 6862/12, BeckRS 2013, 05075; AG Kassel, Urt. v. 17. 10. 1986 – 806 C 4228/86, WuM 1987, 144 f.; AG Bergisch-Gladbach, Urt. v. 13. 02. 1991 – 60 C 506/90, WuM 1991, 341; AG Köln, Urt. v. 13. 01. 1997 – 213 C 369/ 96, NJWE-MietR 1997, 244; AG Köln, Urt. v. 31. 10. 1995 – 212 C 185/95 u. Urt. v. 29. 07. 1996 – 206 C 84/96 – zitiert nach Koch, WuM 1997, 148 – 151. 967
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
zu berücksichtigen“.969 Zivilrechtlich müsse „ein Ergebnis gefunden werden, das den Bedürfnissen der Vertragsparteien, der von der Tierhaltung betroffenen Hausbewohner und den Belangen des Tierschutzes hinreichend Rechnung“ trage.970 Oft lassen sich die zu der Frage getroffenen Aussagen – mehr oder weniger deutlich – dahin verstehen, wenn eine Tierhaltung nicht artgerecht praktiziert werde oder möglich sei, bilde das einen Grund für den Vermieter, diese nicht hinnehmen zu müssen971 und beispielweise eine Erlaubnis zur Tierhaltung widerrufen (oder versagen) zu können972. Als dahinter liegende Erwägung lässt sich auch der Gedanke erkennen, dass eine Tierhaltung, die nicht artgerecht ist, in verstärktem Maß die Gefahr von Schäden für das Eigentum des Vermieters und von Störungen des häuslichen Friedens mit den anderen Mietern (oder anderen Eigentümern im Fall einer Wohnungseigentümergemeinschaft) mit sich bringt.973 Unter diesem Blickwinkel betrachtet hätte der Gesichtspunkt der artgerechten Haltung dann freilich nicht primär als Selbstzweck und im Sinne eines „Tierwohl“-Aspekts Bedeutung, sondern eher mittelbar, gleichsam „über die Bande“ der (unter anderem Vermögens-)Interessen des Vermieters. Auf dieser Linie liegt denn auch die hierzu früher schon zu findende Gegenposition, die es als für das Mietrecht unbeachtlich ansieht, ob die Tierhaltung artgerecht ist: Wie der Mieter das Tier versorge, gehe den Vermieter nichts oder „erst dann etwas an, wenn die Wohnung beschädigt oder der Hausfrieden gestört“ werde. Im Übrigen sei die tierschutzgerechte Haltung der Tiere „nur Sache des Mieters“.974
969 AG Köln, Urt. v. 16. 06. 2010 – 214 C 255/09, BeckRS 2012, 15038; Bub/Bernhard, FDMietR 2007, 246626; ähnlich Bamberger/Roth-Ehlert § 535 BGB Rn. 179a (41. Ed. 2016): „Für die Bewertung sind auch Gesichtspunkte des Tierschutzes mit zu berücksichtigen“. 970 Blank, NZM 1998, 5, 7. 971 Vgl. AG Sinzig, Urt. v. 14. 11. 1989 – 7 C 334/89, NJW-RR 1990, 652; AG Kassel, Urt. v. 17. 10. 1986 – 806 C 4228/86, WuM 1987, 144, 145; Schmidt-Futterer-Eisenschmid § 535 BGB Rn. 564 (12. Aufl. 2015). 972 Bamberger/Roth-Ehlert § 535 BGB Rn. 179d (41. Ed. 2016); Blank, NZM 1998, 5, 9 u. NJW 2007, 729, 731; Davids, SchZtg 2008, 97, 100; Blank/Börstinghaus-Blank § 535 BGB Rn. 580 (4. Aufl. 2014); Steinig, GE 1997, 523, 526 u. ZMR 1991, 285, 287. 973 Vgl. AG Kassel, Urt. v. 17. 10. 1986 – 806 C 4228/86, WuM 1987, 144, 145 (bei nicht tiergemäßen Haltungsbedingungen könnten Verhaltensstörungen nicht ausgeschlossen werden, was den Vermieter angesichts seiner vertraglich gebotenen Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Mietern dazu zwinge, die Abschaffung des Tieres zu verlangen); AG Dortmund, Urt. v. 21. 06. 1989 – 119 C 110/89, WuM 1989, 495 f.; AG Sinzig, Urt. v. 14. 11. 1989 – 7 C 334/89, NJW-RR 1990, 652; AG Bergisch-Gladbach, Urt. v. 13. 02. 1991 – 60 C 506/90, WuM 1991, 341; Wietz, WuM 2014, 518, 523. 974 Schopp, ZMR 1994, 451, 452.
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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bb) BGH: Ob Tierhaltung artgerecht ist, bleibt außer Betracht Während also in früheren Urteilen eine Berücksichtigung des Aspekts der artgerechten Haltung in der Rechtsprechung durchaus anklang, versetzte der BGH975 in einer Entscheidung aus dem Jahre 2013 solchen Überlegungen einen Schlusspunkt. Darin urteilte er, für „die unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 535 BGB allein maßgebliche mietrechtliche Betrachtung der Haltung“ eines Tieres spiele „die Frage dessen artgerechter Haltung keine Rolle“. Die Aussage des BGH ist unzweideutig und verschafft Klarheit für die Rechtspraxis; sie wird aufgegriffen von der Kommentarliteratur976 und die unterinstanzlichen Gerichte folgen ihr977. So heißt es etwa, die „Frage nach einer drohenden Verwahrlosung der Tiere“ sei nicht „im mietvertragsrechtlichen Bereich zu klären“; die dahingehende Verantwortung obliege „anderen Institutionen, wie etwa dem Veterinäramt“.978 Sei die von einem Mieter begehrte Tierhaltung nicht artgerecht, so sei dies zwar möglicherweise tierschutzrechtlich relevant, stelle „jedoch keine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten dar(…)“.979 Die Frage der artgerechten Haltung betreffe lediglich den Tierhalter und habe „keinerlei Auswirkungen auf den Vermieter“.980 cc) Kritische Reaktionen im Schrifttum In einer Reaktion im Schrifttum981 wird dem BGH insofern beigepflichtet, als „das Mietrecht kein Tierschutzrecht ist“. Jedoch sei dies nicht so unproblematisch, wie der BGH es behandele. Dazu wird eine Anleihe aus dem Vollstreckungsrecht genommen: Da der Gesetzgeber in § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO982 ausdrücklich geregelt habe, dass ein Vollstreckungsgericht bei der Entscheidung über die Gewährung von Vollstreckungsschutz auch die Verantwortung des Menschen für das Tier in seine Abwägung einzubeziehen habe (Art. 20a GG), erscheine „es nicht fernliegend, auch bei der Abwägung im Rahmen der Zulässigkeit der Tierhaltung diesen Gedanken zu berücksichtigen“. Nach dem BGH bleibe dem Vermieter nur die Möglichkeit, eine nicht artgerechte Tierhaltung bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. An anderer Stelle wurde die Positionierung des BGH als eine vertane Chance gewertet, dem Tierschutz auch über das Zivilrecht Wirkung zu verleihen und damit dessen Ef975
BGH, Beschl. v. 22. 01. 2013 – VIII ZR 329/11, NZM 2013, 265. Etwa Hannemann/Wiegner-Hannemann § 10 Rn. 253 (4. Aufl. 2014); Blank/Börstinghaus-Blank § 535 BGB Rn. 566 (4. Aufl. 2014). 977 LG Berlin, Urt. v. 02. 07. 2013 – 63 S 493/12, BeckRS 2013, 18609; AG Waiblingen, Urt. v. 14. 06. 2013 – 9 C 327/13, ZMR 2013, 901; AG Bremen, Urt. v. 01. 06. 2017 – 6 C 32/15, BeckRS 2017, 113227, Tz. 18. 978 AG Bremen, Urt. v. 01. 06. 2017 – 6 C 32/15, BeckRS 2017, 113227, Tz. 18. 979 LG Berlin, Urt. v. 02. 07. 2013 – 63 S 493/12, BeckRS 2013, 18609. 980 AG Waiblingen, Urt. v. 14. 06. 2013 – 9 C 327/13, ZMR 2013, 901. 981 Schmid, IMR 2013, 89. 982 Schmid spricht versehentlich von § 765a III 3 ZPO. Zu § 765a I 3 ZPO noch eingehend ab Fn. 1660. 976
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
fektivität zu verbessern: Die Lösung des BGH sei (wenn auch mietrechtlich zutreffend) „aus dem Blickwinkel des Tierschutzes nur schwer verständlich“, denn „als Konsequenz“ könne „dem Tierquäler die Tierhaltung mietrechtlich nicht untersagt werden, solange dessen Verhalten nicht nach außen“ dringe und andere störe.983 dd) Bewertung Um zu beurteilen, ob die Weichenstellung des BGH richtig ist, sollen einmal die konkreten Folgen der beiden möglichen Entscheidungsalternativen (zivilrechtliche Beachtlichkeit oder Unbeachtlichkeit des Kriteriums der artgerechten Haltung) sowie deren rechtlicher Ausgangspunkt in den Blick genommen werden. (1) Lösung des BGH: rechtlich tragbar und praktisch einfacher Einige Erwägungen lassen den Ansatz des BGH, die Frage der artgerechten Haltung aus der Prüfung der mietrechtlichen Zulässigkeit der Tierhaltung herauszuhalten, durchaus nachvollziehbar erscheinen. Hervorzuheben ist dabei zunächst: Die Entscheidungssituation bei der Frage der mietrechtlichen Zulässigkeit einer Tierhaltung ist anders als etwa im Stuten-Fall oder in den Schwalben- und Frosch-Fällen. Denn hier ist es so, dass ein Zivilgericht, selbst wenn es die Vereinbarkeit der betreffenden Tierhaltung mit dem Tierschutzrecht außer Acht lässt und diese trotz Tierschutzverstoßes für zivilrechtlich zulässig erklärt, damit nicht zur Vornahme einer (natur- oder) tierschutzrechtswidrigen Handlung verurteilt, sondern dem Mieter lediglich mietrechtlich die prinzipielle Möglichkeit einer Tierhaltung zuerkennt. Die abstrakte Gefahr, dass der Mieter hiervon gegebenenfalls in einer tierschutzwidrigen Weise Gebrauch macht, besteht freilich stets und ohne, dass das Gericht hierzu spezifisch beitrüge. Spätestens aber in dem Extremfall, dass eine begehrte Tierhaltung schon ex ante unter keinen Umständen in dem betreffenden Mietobjekt im Einklang mit dem TierSchG erfolgen kann, oder wenn der Vermieter gegen eine schon praktizierte, tierschutzwidrige Tierhaltung vorgeht, ist diese Gefahr nicht mehr abstrakt, sondern konkret. In der Praxis wird sich eine evident nicht artgerechte Tierhaltung dabei freilich oft auch in Störungen des Hausfriedens oder in Schäden an der Mietsache niederschlagen,984 sodass man hier darauf verweisen könnte, der Vermieter werde schon allein auf dieser Grundlage – auch ohne Einbeziehung von Tierschutz-Argumenten – gegen die Tierhaltung vorgehen können. Es stellt sich aber die grundsätzliche Frage nach dem funktionalen Zusammenwirken der Rechtsbereiche und Staatsorgane. Festzuhalten ist dafür: Auch bei Außerachtlassung des Gesichtspunkts der artgerechten Haltung im Mietrecht droht der 983
Herrlein, NJW 2013, 2944, 2946. Siehe nur als aktuelles Beispiel (Zeit-Online vom 02. 11. 2020): 17 Huskys und 2 Pinscher in einer verwahrlosten Etagenwohnung. Nachbarn hatten die Behörden alarmiert, weil die Hunde gegen die Fenster sprangen. 984
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Tierschutz gleichwohl nicht leerzulaufen. Vielmehr kann der Staat zweistufig auftreten: Selbst wenn ein Zivilgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die betreffende Tierhaltung mietrechtlich zulässig ist, kann gegen eine nicht artgerechte Haltung, mit der gegen Tierschutzrecht verstoßen wird, immer noch behördlich eingeschritten werden. Die Prüfung der Voraussetzungen eines Verstoßes obliegt dann den nach TierSchG originär zuständigen Stellen. Eine zwingende Notwendigkeit, dass Zivilgerichte auf außerhalb des BGB verortete öffentlich-rechtliche Fragen des Tierschutzrechts eingehen (wie im Stuten-, Schwalben- oder Frosch-Fall), besteht hier also nicht: Denn bei Auslassung dieser Fragen droht weder, dass der Urteilsspruch des Gerichts selbst mit tierschutzrechtlichen Vorgaben in Konflikt gerät, noch, dass das öffentliche Interesse am Schutz des betreffenden Tieres leerläuft. Dieses kann vielmehr isoliert von dem zivilrechtlichen Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter durch die dazu vorgesehenen Instrumente und Akteure des Tierschutzrechts gewahrt werden. Das spricht für den Standpunkt des BGH. Überdies erleichtert die Lösung des BGH die praktische Handhabbarkeit, indem sie zu einer klaren Trennlinie führt: Bei der zivilrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit einer Tierhaltung bleibt danach der Aspekt des „Tierwohls“ – in Gestalt des Kriteriums, ob der Mieter die begehrte Tierhaltung artgerecht betreibt – außer Betracht. Allenfalls mittelbar kann dieser insoweit Bedeutung erlangen, wie die Mängel in der Tierhaltung sich darin niederschlagen, dass Vermieter-Interessen durch Beeinträchtigungen der Substanz der Mietsache oder des häuslichen Friedens berührt werden. (2) Aber: Ob Tierhaltung artgerecht ist, beeinflusst richtigerweise die Schutzwürdigkeit der widerstreitenden privaten Interessen Zwar drohen also keine untragbaren Ergebnisse, wenn die Frage der Tierschutzkonformität einer vom Mieter erstrebten Tierhaltung im Mietrecht außer Acht bleibt. Auch bietet der durch den BGH beschrittene Weg den Vorteil, dass er trennscharf und einfach zu praktizieren scheint. Doch zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass gerade die von der Lösung des BGH implizierte klare Trennung der Rechtsbereiche nicht überzeugen kann. Rechtlich kohärenter und damit insgesamt vorzugswürdig ist vielmehr, dem Vermieter den Einwand, die begehrte oder praktizierte Tierhaltung in der Mietwohnung sei nicht artgerecht, nicht abzuschneiden. Trägt er Entsprechendes vor,985 muss das Zivilgericht richtigerweise die Frage der artgerechten Haltung bei seiner Beurteilung der mietrechtlichen Zulässigkeit der Tierhaltung berücksichtigen. Nach den bisher angestellten, eher praktischen Überlegungen soll dazu einmal der rechtliche Hintergrund der hier diskutierten Frage näher betrachtet werden. 985 Die Darlegungs- und Beweislast für eine vertragswidrige Tierhaltung trägt ja der Vermieter, vgl. Hannemann/Wiegner-Horst § 16 Rn. 6 (4. Aufl. 2014).
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Eher wenig Überzeugungskraft hat dabei der oben aus dem Schrifttum zitierte Ansatz, eine Berücksichtigung des Tierschutz-Aspekts über § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO zu begründen. Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist zwar, die im Jahr 1990 eingefügte Regelung in § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO986 als einen zivil(prozessual-)rechtlichen Auftrag zur Berücksichtigung des Tierschutzes in einer Abwägungsentscheidung zu sehen. Doch lässt sich eine besondere Parallelität der hier in Verbindung gebrachten Konstellationen – einerseits die Entscheidung über die Gewährung von Vollstreckungsschutz für den Gläubiger und andererseits die Entscheidung über die mietrechtliche Zulässigkeit der Tierhaltung – nicht erkennen. Deshalb erscheint der Verweis auf § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO für diese Diskussion als kein allzu schlagkräftiges Argument. In den Mittelpunkt zu rücken ist vielmehr: Rechtlicher Ausgangspunkt für die Entscheidung über die mietrechtliche Zulässigkeit einer Tierhaltung ist die Frage, ob die beabsichtigte Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache im Sinne des § 535 Abs. 1 BGB gehört. Falls es an einer entsprechenden mietvertraglichen Regelung fehlt, ist dies nach dem BGH durch „eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten“ zu ermitteln.987 Übertragen auf die hier diskutierte Frage ergibt sich dabei folgendes Bild: Die Einhaltung eines gewissen Standards bei der Tierhaltung ist eine rechtliche Anforderung an den Mieter. Eine Tierhaltung, die diesem Standard nicht gerecht wird, ist rechtswidrig. Dass der Mieter nun im Rahmen der mietrechtlichen Abwägung ein berechtigtes Interesse an einer Tierhaltung proklamieren können soll, wenn diese gar nicht im Einklang mit gesetzlichen Bestimmungen möglich ist oder praktiziert wird, er also an einer gesetzeswidrigen Tierhaltung ein berechtigtes Interesse im Sinne des Zivilrechts haben soll, leuchtet nicht ein.988 Ebenso wenig überzeugt es, wenn der Vermieter sich in dieser Konstellation zivilrechtlich nicht darauf berufen können soll, dass seine Mietsache – zugespitzt formuliert – für ein gesetzeswidriges Verhalten genutzt wird. Nicht missverstehen sollte man den Vermieter hier gleichsam als einen Treuhänder oder Interessenwalter, der die artgerechte Haltung zum Wohle des Tieres einfordert. Vielmehr nimmt er mit dem Einwand einer nicht artgerechten Haltung ein genuines Eigeninteresse wahr. Denn wenn die Tierhaltung nicht im Einklang mit dem Tierschutzrecht erfolgt, ist auf Seiten des Vermieters dessen berechtigtes Interesse daran berührt, dass in seinem Mietobjekt keine gesetzes- (hier: tierschutzrechts-)widrigen Zustände herrschen. Auch in der Literatur findet sich in Bezug auf Tier- und Artenschutzvorgaben die Auffassung: „Was gesetzlich (…) verboten ist, kann nicht mietvertraglich erlaubt sein, da dem Vermieter nicht zuzumuten ist, gesetzeswidriges Halten von Tieren in
986
Ursprünglich (bis 1998) § 765a I 2 ZPO; eingehend zu der Regelung später ab Fn. 1660. BGH, Urt. v. 14. 11. 2007 – VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218 u. Urt. v. 20. 03. 2013 – VIII ZR 168/12, NJW 2013, 1526, 1527. 988 Ähnlich Boos, LMK 2013, 346874. 987
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seiner Wohnung dulden zu müssen“;989 „ist die Tierhaltung unter arten- oder tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten verboten, ist sie dies auch mietrechtlich“.990 Die Schwelle eines Rechtsverstoßes muss hierfür allerdings überschritten sein, denn es bedarf einer belastbaren Referenz. Eine zwar gesetzeskonforme, aber nicht idealtypische Tierhaltung kann den Vermieter nicht dazu berechtigen, diese zu untersagen. Zweck des Mietrechts ist zwar auch, berechtigte Interessen des Vermieters zu schützen, aber nicht, dessen ideologische Ziele zu verwirklichen. Gleichsam am anderen Ende der Skala ließe sich theoretisch, als abgeschwächte Version der hier vertretenen Ansicht, auch erwägen, ein Berufen des Vermieters auf die Tierschutzwidrigkeit der Tierhaltung im Zivilrecht jedenfalls für Evidenz-Fälle zuzulassen oder gar auf solche zu beschränken. Dies ist jedoch abzulehnen, denn damit gehen notwendigerweise Abgrenzungsprobleme, Graubereiche und Rechtsunsicherheit einher. Praktisch bedeutet freilich eine Lösung, die für die zivilrechtliche Zulässigkeit einer Tierhaltung des Mieters das Kriterium berücksichtigt, ob diese mit Tierschutzanforderungen vereinbar ist, dass Zivilgerichte das im Mietprozess gegebenenfalls prüfen und darüber Beweis erheben müssen. Allerdings ist es, wie die Entscheidung des BGH in dem zu ihm gelangten „Frosch-Fall“ zeigt, weder völlig ungewöhnlich, noch undurchführbar, dass auch einmal eine öffentlich-rechtliche Vorfrage im Zivilprozess zu beantworten ist. Nach dieser Betrachtungsweise können sich also Tierschutzvorgaben konkret auf die zivilrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Tierhaltung auswirken, jedoch nicht als selbstständiger Gesichtspunkt, sondern gleichsam mittelbar, indem sie die Schutzwürdigkeit der sich gegenüberstehenden zivilrechtlichen Interessen beeinflussen. b) Abschaffung eines kranken Tieres Mietrechtliche Berücksichtigung fand das „Tierwohl“ auch in einem vor das AG Bühl991 gebrachten Fall, in dem es um die Entfernung eines vom Mieter gehaltenen – kranken – Tieres ging. Die Parteien stritten konkret um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, die der Vermieter unter anderem darauf stützte, dass der Mieter seinen Hund pflichtwidrig nicht abgeschafft hatte. Das Gericht maß hier im Rahmen seiner Abwägung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB der Tatsache Bedeutung bei, dass das mietrechtlich aus der Wohnung zu entfernende Tier sehr krank war: Vor diesem Hintergrund sei „auch der Tierschutz besonders zu berücksichtigen, da das Abgeben des schwer kranken Hundes für das Tier (…) eine besondere Belastung dargestellt hätte“. Das „Tierwohl“ wurde dabei als allgemeiner Belang, ohne nähere Verortung in einer gesetzlichen Vorschrift und ohne Einholung externer Sachkunde 989 Schmidt-Futterer-Eisenschmid § 535 BGB Rn. 552 (12. Aufl. 2015); ähnlich Boos, LMK 2013, 346874; Bub/Bernhard, FD-MietR 2007, 246626. 990 Baumann/Doukoff-Mersson 15.1.6.2 Anm. Rn. 3 (34. Ed. 2018). 991 AG Bühl, Urt. v. 14. 01. 2011 – 3 C 42/10, BeckRS 2012, 14543.
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hinsichtlich des gesundheitlichen Zustandes des betreffenden (zum Entscheidungszeitpunkt bereits verstorbenen) Tieres in die Abwägung eingestellt. Widersprüchlich verhalten sich die Urteilsgründe dazu, ob der schlechte Zustand des Hundes die mietrechtliche Pflichtwidrigkeit der fortgesetzten Tierhaltung in der Wohnung entfallen ließ. Richtigerweise ist zunächst gedanklich isoliert vom Tierschutzrecht zu betrachten, ob eine Abschaffung des Tieres mietrechtlich geschuldet war. Im zweiten Schritt muss aber, wie der Stuten-Fall992 gezeigt hat, sichergestellt sein, dass ein zivilrechtliches Resultat nicht in direkten Widerspruch zum Tierschutzrecht gerät. Im vom AG Bühl entschiedenen Fall wäre etwa an § 3 S. 1 Nr. 2 TierSchG zu denken gewesen, der die Veräußerung gebrechlicher, kranker oder alter, im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehaltener Tiere beschränkt. Das Zivilgericht sollte nicht zu einem Verhalten verurteilen, das gegen Tierschutzrecht verstößt. Schuldet der Mieter ein solches Verhalten nach rein mietrechtlicher Betrachtung, so ist es wegen rechtlicher Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen und seine Nichtvornahme ist nicht als schuldhafte Pflichtverletzung zu werten, womit im Zweifel auch der zur Kündigung berechtigende Grund entfällt. Dies gilt freilich nur, wenn das nach Mietrecht grundsätzlich geschuldete Verhalten wirklich einen Rechtsverstoß im Sinne des Tierschutzrechts bilden würde. Unterhalb dieser Schwelle ist eine mietrechtliche Rücksichtnahme auf das „Tierwohl“ nur dann denkbar, wenn das Gesetz dafür Raum lässt. In dem hier aufgegriffenen Urteil des AG Bühl stand beispielsweise die Frage in Streit, ob der Vermieter zu einer fristlosen Kündigung berechtigt war. Dazu bedarf es gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB eines wichtigen Grundes. Ein solcher liegt nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Beruft sich der Mieter dabei darauf, er habe das Tier entgegen der grundsätzlichen mietvertraglichen Pflicht aufgrund von dessen schlechtem Gesundheitszustand aus Rücksicht auf das „Tierwohl“ nicht abgeschafft, so liegt darin ein Gesichtspunkt, der innerhalb dieser Abwägung durchaus berücksichtigungsfähig sein sollte. Zwar lässt diese Motivation (jenseits konkret drohender Verstöße gegen das Tierschutzrecht) die Pflichtwidrigkeit des Handelns des Mieters nicht entfallen, jedoch erkennt die Rechtsordnung das „Tierwohl“ als einen schutzwürdigen Belang an, sodass es die in die Abwägung einzustellende Schwere der Pflichtverletzung abmildern kann, wenn diese aus Rücksichtnahme auf das „Tierwohl“ begangen wurde. Am Mietrecht zeigt sich nach alledem: Tierwohl-Erwägungen können die Schutzwürdigkeit zivilrechtlicher Interessen beeinflussen – und zwar in beide Richtungen: Sie können eine Rechtsposition stärken oder schwächen. 992
Siehe dazu vorne bei Fn. 915.
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6. Schadensrecht: Verfügungsfreiheit des Eigentümers über den zur Behandlung erforderlichen Betrag (§ 249 Abs. 1 S. 2 BGB) bei Verletzung eines Tieres Eine allgemeine Frage des Schadensrechts ist, ob ein Geschädigter über den im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vom Schädiger zu zahlenden, zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag frei verfügen oder ihn nur dann ersetzt verlangen kann, wenn er ihn zwingend auch zum Zwecke einer Wiederherstellung einsetzt. Ein Berührungspunkt zu „Tierwohl“-Aspekten ergibt sich, wenn man dies projiziert auf die Schädigung eines Tieres und fragt, ob der Eigentümer hier auf der Basis fiktiver Heilbehandlungskosten abrechnen kann, ohne die Behandlung am Tier vornehmen zu lassen. Der generelle Meinungsstand993 zur Verfügungsfreiheit des Geschädigten über den nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu leistenden Betrag ist in etwa wie folgt: Überwiegend bejaht994 wird eine Dispositionsfreiheit des Geschädigten, soweit es, wie in der Regel bei der Naturalrestitution von Sachen, um Vermögensschäden geht (zum Beispiel Abrechnung fiktiver Reparaturkosten für ein Kraftfahrzeug); im Hinblick auf Nichtvermögensschäden (zum Beispiel Abrechnung fiktiver Arztkosten für nicht durchgeführte Behandlung einer Körperverletzung) wird eine solche Verfügungsfreiheit hingegen unter Hinweis auf die Wertung des § 253 BGB eher abgelehnt.995 Auch in dem speziellen Fall von Heilbehandlungskosten nach Schädigung eines Tieres differenziert, parallel hierzu, eine Ansicht für die Dispositionsfreiheit zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschaden: Sie erkennt die Verfügungsfreiheit nur für Heilkosten bis zur Höhe des Wertes des Tieres an, da insoweit ein Vermögensschaden, darüber hinaus jedoch ein Nichtvermögensschaden gegeben sei.996 993 Zum Meinungsstand m. w. N. siehe MüKo-Oetker § 249 BGB Rn. 376 ff. (7. Aufl. 2016); Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 104 f.; Soergel-Ekkenga/Kuntz § 249 BGB Rn. 68 ff. (13. Aufl. 2014). 994 St. Rspr. des BGH, siehe etwa BGH, Urt. v. 23. 03. 1976 – VI ZR 41/74 (BGHZ 66, 239), NJW 1976, 1396; Urt. v. 25. 10. 1996 – V ZR 158/95, NJW 1997, 520; Urt. v. 29. 04. 2003 – VI ZR 398/02 (BGHZ 155, 1), NJW 2003, 2086. 995 BGH, Urt. v. 14. 01. 1986 – VI ZR 48/85 (BGHZ 97, 14), NJW 1986, 1538, 1539; OLG Hamm, Beschl. v. 11. 09. 2002 – 9 W 7/02, NZV 2003, 192, 194; OLG Köln, Urt. v. 19. 05. 1999 – 5 U 247/98, VersR 2000, 1021 f.; MüKo-Oetker § 249 BGB Rn. 380 (7. Aufl. 2016); Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 104 f.; Soergel-Ekkenga/Kuntz § 249 BGB Rn. 74 (13. Aufl. 2014); Palandt-Grüneberg § 249 BGB Rn. 6 (76. Aufl. 2017); Bamberger/RothFlume § 249 BGB Rn. 177 (41. Ed. 2016); Fuchs/Pauker/Baumgärtner, S. 419 f. (9. Aufl. 2017); Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1039 (15. Aufl. 2017); Larenz, SchuldR AT § 28 I, S. 471 (14. Aufl. 1987); Steffen, NJW 1995, 2057, 2060 f.; Karakatsanes, AcP 189 (1989), 19, 37 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 228 f. (3. Aufl. 2003); Staudinger/EckpfeilerVieweg Rn. 65, 68 J (Neubearb. 2018); Würthwein, Schadensersatz, S. 340 f.; eingehend Schnell, S. 224 ff.; a. A. (fiktive Abrechnungsmöglichkeit für Körperschäden bejahend): Ziegler/Hartwig, VersR 2012, 1364, 1365 ff. 996 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 54, 66 f. (7. Aufl. 2016); Grunsky, FS Jauch, S. 93, 98; Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 105.
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Eine andere Ansicht997 verneint hingegen schlechthin eine Dispositionsfreiheit über den zur Wiederherstellung eines beschädigten Tieres zu leistenden Betrag. Nach beiden Ansichten können also jedenfalls Heilbehandlungskosten, die den Wert des Tieres übersteigen, vom Schädiger nur dann verlangt werden, wenn sie tatsächlich auch für diesen Zweck aufgewendet werden. Bewegt sich der zur Wiederherstellung erforderliche Betrag allerdings in der Größenordnung bis zum Wert des verletzten Tieres ist der Eigentümer nach einer Ansicht in der Verwendung frei, nach anderer Ansicht nicht. Die zentrale Frage ist daher, ob Wiederherstellungskosten bei Verletzung eines Tieres generell, also auch unterhalb und bis zur Höhe des Wertes des Tieres, nur ersatzfähig sein sollten, wenn die Heilbehandlung tatsächlich vorgenommen wird. a) Folgerungen aus § 251 Abs. 2 S. 2 BGB aa) Wortlaut des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als Argument gegen eine Dispositionsfreiheit? Die Frage der Verfügungsfreiheit über den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag ist gesetzlich in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu verorten und betrifft die Naturalrestitution. Für den Fall der Schädigung eines Tieres erlangt in der Argumentation aber auch eine Vorschrift aus dem Kontext der Wert-Kompensation Bedeutung, nämlich § 251 Abs. 2 S. 2 BGB. Nach dieser – an späterer Stelle noch ausführlich thematisierten998 – tierspezifischen Sonderregelung wird die Unverhältnismäßigkeit von Wiederherstellungskosten im Falle der Heilbehandlung eines verletzten Tieres nicht schon dadurch ausgelöst, dass sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen. Der Wortlaut der Norm spricht dabei von „aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen“; im Entwurf999 war zunächst sogar zusätzlich von „aus einer erfolgten“ Heilbehandlung entstandenen Aufwendungen die Rede.1000 Die Formulierung der Norm wollte der Gesetzgeber laut den Materialien als einen Hinweis verstanden wissen, „daß nur die tatsächlich durchgeführten Heilbehandlungskosten erstattungsfähig sind“1001. Grunsky1002 sah diese Wertung in einer frühen Festlegung lediglich beschränkt auf über dem Wert des Tieres liegende Kosten – die er als einen Nichtvermögensschaden einordnet und deren fiktive Abrechnung er daher (wie es der oben genannten herrschenden Linie entspricht) ablehnt. Hielten sich die Heilbehandlungskosten dagegen 997 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 27 (Neubearb. 2005); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 23 (3. Aufl. 2016); Soergel-Ekkenga/Kuntz § 251 BGB Rn. 24 (13. Aufl. 2014); in diese Richtung wohl auch Brüninghaus, S. 94 f. 998 Siehe hinten ab Fn. 1270. 999 BT-Drs. 11/5463, S. 4 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1000 Hervorhebung durch Verf. 1001 BT-Drs. 11/7369, S. 7 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 1002 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 98.
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im Rahmen des Marktwerts des Tieres, könne der Eigentümer diese „nicht anders als etwa bei einem Kraftfahrzeugschaden auf der Basis fiktiver Wiederherstellungskosten abrechnen“. Auch nach der Neufassung des § 251 Abs. 2 BGB stehe es dem Eigentümer „bis zum Wert des Tiers (…) ebenso wie bisher frei, die Heilung zu versuchen oder das Tier seinem Schicksal zu überlassen und statt dessen die Heilungskosten zu kassieren“. Insbesondere die systematische Stellung und der Regelungsgehalt sprechen in der Tat dafür, dass die in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB getroffenen Aussagen von vornherein begrenzt sind auf Heilungskosten, die den Wert des Tieres übersteigen, und die Frage der freien Verfügbarkeit des zur Heilbehandlung eines Tieres erforderlichen Geldbetrags im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Übrigen vollkommen unberührt lassen.1003 Die Materialien zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB könnte man aber so verstehen, dass der Gesetzgeber einer anderen Sichtweise anhing1004 und in Bezug auf Heilungskosten für ein Tier eine Abrechnung fiktiver Wiederherstellungskosten generell ablehnt, wenn er betont, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB stelle mit dem Begriff „Aufwendungen“ klar, dass der Eigentümer (!) „abweichend von seiner Freiheit in der Verwendung des Geldersatzes nach § 249 S. 2 BGB (…) nicht die Bezahlung hoher Heilbehandlungskosten verlangen und die Heilbehandlung unterlassen“, sondern nur solche Kosten ersetzt verlangen könne, „die aus einer tatsächlich durchgeführten Heilbehandlung entstanden sind“.1005 Hätte er mit dieser Aussage nur wertübersteigende Heilbehandlungskosten gemeint, erschiene der Hinweis auf eine Abweichung von der „Freiheit in der Verwendung des Geldersatzes“ merkwürdig, da für diesen Fall nach herrschender Meinung ohnehin keine Dispositionsfreiheit gilt. bb) Keine zivilrechtliche Pflicht zur Behandlung eines kranken Tieres aus § 251 Abs. 2 S. 2 BGB Von der Ersatzfähigkeit fiktiver Kosten zu trennen ist in der Diskussion um die Dispositionsfreiheit des Eigentümers die Frage einer zivilrechtlichen Pflicht zur Behandlung des Tieres. Hier nämlich herrscht Einigkeit in dem Befund, „dass der Tiereigentümer nach BGB nicht verpflichtet ist, das Tier behandeln zu lassen“1006; aus der Neufassung des § 251 Abs. 2 BGB ergebe sich „nicht etwa, daß der Eigentümer gehalten ist, die Heilung des Tieres zu versuchen“1007, § 251 Abs. 2
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Vgl. MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 66 (7. Aufl. 2016). Vgl. MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 66 (7. Aufl. 2016). 1005 BT-Drs. 11/5463, S. 6 f. (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung durch Verf.; der damalige § 249 S. 2 BGB entspricht dem heutigen § 249 II S. 1 BGB. 1006 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 27 (Neubearb. 2005); zust. MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 54 (7. Aufl. 2016); Soergel-Ekkenga/Kuntz § 251 BGB Rn. 22 (13. Aufl. 2014). 1007 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 98. 1004
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S. 2 BGB begründe „keine zivilrechtliche Pflicht des Eigentümers zur Behandlung des Tieres“1008. Dem ist zuzustimmen. Eine solche Handlungspflicht stünde außerhalb der durch das BGB an dieser Stelle zu lösenden privatrechtlichen Abwicklung eines Schadensereignisses und des dabei erforderlichen Ausgleichs privatrechtrechtlicher Interessen. Als eine aus einem öffentlichen Interesse (Tierschutz) heraus auferlegte Pflicht wäre sie ein völliger Fremdkörper. Sie lässt sich aus dem Zivilrecht nicht herleiten. Damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, ob eine Pflicht zur Durchführung der Heilbehandlung womöglich aus öffentlichem Recht folgt.1009 b) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Frage der Dispositionsfreiheit Näher in den Blick genommen werden sollen einmal die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn man die Abrechnung fiktiver Behandlungskosten bis zur Höhe des Wertes zulässt, das heißt in diesem Umfang eine Dispositionsfreiheit des Geschädigten bejaht. Erstattungsfähig im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist allein der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag. Darunter dürften von vornherein nur die Kosten einer veterinärmedizinisch indizierten Heilbehandlung fallen. Eine Abrechnung fiktiver Kosten bedeutete demnach, eine veterinärmedizinisch zur Heilung des Tieres für notwendig befundene Behandlung zu unterlassen. Spätestens hier drängt sich die Frage nach der tierschutzrechtlichen Dimension eines solchen Unterlassens zu sehr auf, um sie zivilrechtlich völlig auszublenden. Denn stünde fest, dass die Abrechnung fiktiver Behandlungskosten stets ein zwingend gegen Tierschutzvorschriften verstoßendes Verhalten des Eigentümers impliziert, läge darin eine Handlungsoption, die, da gesetzeswidrig, nicht gangbar wäre und damit auch in den Augen des Zivilrechts unbeachtlich sein sollte. Die Frage der Ersatzfähigkeit von Kosten einer nur fiktiven Behandlung würde sich dann nicht stellen oder wäre jedenfalls zu verneinen. c) Keine unbedingte öffentlich-rechtliche Pflicht zur Behandlung eines kranken Tieres Schon Anfang der 1990er-Jahre wurde darauf hingewiesen, dass die vor einem rein zivilrechtlichen Hintergrund getätigte Aussage, es stehe dem Eigentümer frei, „das Tier seinem Schicksal zu überlassen“1010, auf dem Boden der Gesamtrechtsordnung zu kurz greift, denn wer sich so verhalte, handele „nicht nur rechtswidrig im Sinne des für jedermann geltenden § 1 Satz 2 TierSchG“, er mache „sich durch seine 1008 1009 1010
Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen-Adolphsen § 16 Rn. 324 (2. Aufl. 2013). Mit diesem Hinweis auch MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 66 (7. Aufl. 2016). Grunsky, FS Jauch, S. 93, 98; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 54 (7. Aufl. 2016).
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Unterlassung auch nach § 17 TierSchG strafbar“1011. Wer ein Tier halte oder betreue, müsse es gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen pflegen; dazu gehörten auch Gesundheitsfürsorge und Heilbehandlung.1012 Die vom Gesetzgeber anerkannte Verpflichtung des Menschen, dem Tier als Mitgeschöpf Schutz und Fürsorge zuteilwerden zu lassen, umfasse Behandlungen, soweit sie tiermedizinisch vertretbar seien und ein verständiger Tierhalter sie durchführen lassen würde. Dem widerspreche es, wenn ein Tierhalter eine indizierte Behandlung ablehne und stattdessen eine Tötung vornehmen lasse.1013 Die Frage, welche Vorgaben sich aus dem TierSchG hinsichtlich des Umgangs mit kranken Tieren ergeben und insbesondere, in welchem Verhältnis dabei die möglichen Handlungsoptionen „tiermedizinische Behandlung“ und „Tötung des Tieres“ stehen, stellte sich öfter schon in verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zur Erstattungspflicht von Kommunen in Bezug auf Tierarztkosten für Fundtiere. In diesem Zusammenhang findet sich die Ansicht, nach dem Pflegegebot des § 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 S. 2 TierSchG sei „die Tötung eines verletzten Tieres nur als ultima ratio zulässig“ und dürfe daher nicht erfolgen, „solange nach tierärztlichem Urteil noch Heilungsaussichten bestehen“. Daraus ergebe sich, dass der wirtschaftliche Wert eines Tieres für die Durchführung einer tierärztlichen Behandlung grundsätzlich keine Rolle spiele.1014 An anderer Stelle1015 heißt es hingegen, eine gesetzliche Pflicht, jede Heilbehandlungsmaßnahme durchzuführen, die Erfolg verspricht, bestehe nicht. Das TierSchG werde beherrscht von der dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechenden Forderung, vermeidbare und das unerlässliche Maß übersteigende Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht zuzufügen. Um dieser Forderung gerecht zu werden, sei gegebenenfalls zwischen der Durchführung einer schwierigen und kostenintensiven Operation und dem schmerzlosen Einschläfern des Tieres zu entscheiden. Nach § 17 Nr. 1 TierSchG sei es verboten, ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund zu töten. Durch die Formulierung „ohne vernünftigen Grund“ werde eine Güter- und Pflichtenabwägung für den Einzelfall eingeführt, in der sich ethische Forderungen einerseits sowie wirtschaftliche und wissenschaftliche Notwendigkeiten andererseits widerspiegelten. Diese Sichtweise wurde in zweiter Instanz1016 bestätigt: Der gesetzliche Tierschutz sei „nicht in der Weise verwirklicht, dass den Tieren jede Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens von Gesetzes wegen zu ersparen und ihr Leben um jeden Preis zu erhalten“ sei. Die Tötung eines Wirbeltieres sei rechtmäßig, wenn entweder einer der allgemeinen Rechtfertigungsgründe vorliege 1011
Lorz, MDR 1990, 1057, 1061 Fn. 30. Lorz, MDR 1990, 1057, 1059; VG Dresden, Urt. v. 28. 04. 2011 – 6 K 1248/09 – juris. 1013 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. 1014 OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338 unter Hinweis auf Hirt/Maisack/Moritz § 2 TierSchG Rn. 27 (3. Aufl. 2016). 1015 VG Dresden, Urt. v. 28. 04. 2011 – 6 K 1248/09 – juris. 1016 OVG Bautzen, Beschl. v. 13. 08. 2012 – 3 A 419/11 – juris. 1012
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oder wenn sich hierfür aus der Gesamtschau der gesellschaftlich anerkannten Normen ein vernünftiger Grund ergebe. Dort, wo der Gesetzgeber nicht selbst die Grenze des Erlaubten gezogen habe, sei eine Güter- und Pflichtenabwägung erforderlich. Auch wirtschaftliche Erwägungen könnten in die Güterabwägung einbezogen werden und den Ausschlag geben. Dem entsprechend fand sich auch im schadensrechtlichen Schrifttum früh die Einschätzung, die Verletzung eines Tieres, die so schwerwiegend sei, dass die Heilungskosten den materiellen Wert des Tieres übersteigen, sei ein vernünftiger Grund im Sinne des § 17 Nr. 1 TierSchG, gleichgültig wer die Kosten letztlich zu tragen habe.1017 In der Tat: Eine Pflicht des Eigentümers, seinem verletzten Tier eine mögliche Heilbehandlung unter allen Umständen angedeihen zu lassen, folgt aus dem TierSchG insgesamt wohl nicht. Unbeanstandet von der Rechtsordnung und speziell dem TierSchG in seiner bisherigen Lesart, das über das Kriterium des „vernünftigen Grundes“ (§ 1 S. 2 TierSchG) entsprechende Wertungsspielräume eröffnet,1018 ist es vielmehr Gang und Gäbe, dass Eigentümer bei ihrer Entscheidung, ob sie ein Tier behandeln lassen, wirtschaftlichen Erwägungen ein gewisses oder auch (bei Nutztierhaltungen) entscheidendes Gewicht beimessen.1019 d) Tötung oder Behandlung des Tieres als einzige tierschutzkonforme Handlungsoptionen, daher keine Erstattungsfähigkeit nur fiktiver Kosten Zwar unterliegt nach dem bisher Gesagten der Eigentümer keiner unbedingten öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Behandlung eines kranken Tieres. Die Aussage, dem Eigentümer stehe es frei, „das Tier seinem Schicksal zu überlassen“1020, trifft gleichwohl nicht. Die Alternative zu einer aus ökonomischen Gründen abgelehnten Heilbehandlung wird nämlich die Tötung des Tieres sein. Dafür spricht etwa die Wertung des § 3 S. 1 Nr. 2 TierSchG, wonach es verboten ist, ein krankes, in Obhut des Menschen gehaltenes Tier, für das ein Weiterleben mit nicht behebbaren Schmerzen oder Leiden verbunden ist, zu einem anderen Zweck als zur unverzüglichen schmerzlosen Tötung zu veräußern oder zu erwerben. Überdies begeht nach § 17 Nr. 2 b) TierSchG eine Straftat, wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Der Tatbestand kann 1017
Schmid, VersR 1979, 402. Vgl. hierzu Steiling, AUR 2015, 7, 8; näher zur Anwendung und Auslegung dieses Kriteriums etwa Binder, NuR 2007, 806 ff.; Hirt/Maisack/Moritz § 1 TierSchG Rn. 30 ff. (3. Aufl. 2016); Lorz/Metzger § 1 TierSchG Rn. 58 ff. (6. Aufl. 2008); Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 22 ff. (211. EL 2016); Kluge-von Loeper § 1 TierSchG Rn. 43 ff. (1. Aufl. 2002); Röckle, S. 111 ff.; eingehend: Maisack, Zum Begriff des vernünftigen Grundes im Tierschutzrecht (Diss., Hamburg 2006). 1019 Auch Lorz, MDR 1990, 1057, 1059 gesteht zu, der Tierarzt werde „bei Nutztieren auch den Nutzungszweck in Betracht ziehen.“ Krit. zu wirtschaftlichen Erwägungen aber Maisack, S. 221 ff. Siehe zur Bedeutung wirtschaftlicher Gesichtspunkte auch das „KükenschredderUrteil“: BVerwG, Urt. v. 13. 06. 2019 – 3 C 28.16/3 C 29.16 – juris. 1020 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 98; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 54 (7. Aufl. 2016). 1018
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auch durch Unterlassen verwirklicht werden; eine dafür erforderliche Garantenstellung kann sich hier zum einen – aufgrund der nach § 2 TierSchG bestehenden Pflichten – für den Tierhalter ergeben,1021 zum anderen – unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz – für den Schädiger.1022 Denn in Fällen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind der pathologische Zustand des Tieres und die damit verbundenen Schmerzen keine naturbedingten Auswirkungen beispielsweise einer Krankheit, sondern durch einen Menschen verursacht. Wenn sich aus dem TierSchG in dieser Konstellation auch kein Zwang des Eigentümers zur Behandlung ableitet, so aber wohl die Pflicht, ausschließlich zu wählen zwischen zwei tierschutzkonformen Handlungsoptionen: Die erste ist die Tötung des Tieres; in diesem Fall kann der Eigentümer vom Schädiger die Kosten der Tötung sowie Wertersatz für das Tier nach § 251 Abs. 1 BGB verlangen.1023 Die zweite ist die Vornahme der Behandlung; deren Kosten sind nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähig, gemäß § 251 Abs. 2 S. 2 BGB auch über den Wert des Tieres hinaus.1024 Ausgenommen sind nur die wohl eher seltenen Fälle, dass auf die „Wiederherstellungshandlung“ unter Aufrechterhaltung des Lebens des Tieres verzichtet werden kann, ohne dass diesem dadurch Schmerzen oder Leiden im Sinne des TierSchG entstehen (zu denken wäre hier zum Beispiel an durch die schädigende Handlung verursachte ästhetische Veränderungen des Tieres). In allen übrigen Konstellationen stünden sich das in § 1 TierSchG festgehaltene öffentliche Interesse, einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund Leiden zuzufügen, und das Interesse des Eigentümers, statt Wiederherstellung in natura einen monetären Ausgleich wählen und die fiktiven Behandlungskosten einstreichen zu können, unmittelbar und in einem Ausschließlichkeitsverhältnis gegenüber. Aus allein diesem Interesse des Eigentümers heraus einen Leidens- oder Schmerzzustand des Tieres aufrechtzuhalten, dürfte allerdings nicht als „vernünftiger Grund“ im Sinne des § 1 S. 2 TierSchG taugen, und daher einen Rechtsverstoß beinhalten.1025 Dafür spricht der in § 7a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG für Tierversuche ausdrücklich normierte
1021 MüKo(StGB)-Pfohl § 17 TierSchG Rn. 98 i. V. m. 62 (3. Aufl. 2017); Greven, S. 37 i. V. m. S. 29; Ennulat/Zoebe § 17 TierSchG Rn. 16; Hirt/Maisack/Moritz § 17 TierSchG Rn. 93 (3. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper § 17 TierSchG Rn. 103 (1. Aufl. 2002). 1022 MüKo(StGB)-Pfohl § 17 TierSchG Rn. 98 i. V. m. 63 (3. Aufl. 2017); Kluge-von Loeper § 17 TierSchG Rn. 102 (1. Aufl. 2002). 1023 Lorz, MDR 1990, 1057, 1059; ähnlich schon (allerdings noch unter Geltung des Tierschutzgesetzes von 1933) Medicus, JuS 1969, 449, 452. 1024 Zur Pflicht eines Tierarztes, ein Tier zu töten, um ihm längere Qualen zu ersparen, wenn weitere Behandlungsmaßnahmen keinen Erfolg mehr versprechen: BGH, Urt. v. 19. 01. 1982 – VI ZR 281/79, NJW 1982, 1327 f. (gestützt auf eine konkludente vertragliche Vereinbarung, eine Standespflicht des Tierarztes und „mindestens ein sittliches Gebot richtig verstandenen Tierschutzes“) und OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 06. 1995 – 14 U 26/94, VersR 1996, 1029 (gestützt auf vertragliche Pflichten, die „einerseits an den wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers zu orientieren“, „andererseits aber auch – im Lichte des heutigen Tierschutzverständnisses – darauf ausgerichtet“ seien, „die Qualen des betreffenden Tieres zu lindern und/oder ihm weitere Qualen zu ersparen.“). 1025 So in diesem Zusammenhang auch Lorz, MDR 1990, 1057, 1061.
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und verallgemeinerungsfähige1026 Rechtsgedanke, dass Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht aus Gründen der Kostenersparnis zugefügt werden dürfen. Als Grundregel kann daher formuliert werden: Bei Verletzung eines Tieres besteht keine Verfügungsfreiheit des Geschädigten über den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB; er kann mithin keine fiktiven Heilbehandlungskosten geltend machen. Äußerungen in den Materialien zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB lassen vermuten, dass ein solches Ergebnis auch den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht.1027 Folgt man dieser Lösung, ist sie ein weiteres Beispiel für das Einwirken von Wertungen des Tierschutzrechts auf das Zivilrecht. In den recht häufigen, aufgrund der dabei tangierten Emotionen konfliktträchtigen Fällen von Liebhaber-Tieren wird freilich der Tierhalter ohnehin typischerweise schon aus seinem eigenen ideellen Interesse am Tier jede erfolgversprechende Heilbehandlung durchführen lassen, sodass dann die praktische Bedeutung der Frage einer Dispositionsfreiheit über den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag eher gering sein dürfte. In diesen Fällen ergäbe sich im faktischen Ergebnis auch keine große Diskrepanz zur herrschenden Meinung, denn gerade hier handelt es sich nicht selten um objektiv eher geringwertige Tiere, sodass die Heilbehandlungskosten schnell einmal die Wertgrenze übersteigen und damit vielfach der Bereich von Nichtvermögensschäden berührt sein wird, für den ja auch die herrschende Meinung eine Ersatzfähigkeit fiktiver Kosten ablehnt. Am sichtbarsten werden die Differenzen zu der aufgezeigten Lösung vor allem, wenn es um objektiv nicht ganz geringwertige Tiere geht, an denen der Eigentümer kein starkes ideelles Interesse hat. 7. Versicherungs- und Verkehrsrecht: Ausweichmanöver im Straßenverkehr zur Rettung von Tieren Die Frage nach einem Einfluss von „Tierwohl“-Erwägungen auf das bürgerliche Recht stellt sich auch in Fällen aus dem Versicherungs- und Verkehrsrecht: Im Fokus stehen dabei Sachverhaltskonstellationen, in denen Fahrzeugführer bei dem Versuch, einem auf die Fahrbahn gelaufenen Tier auszuweichen, einen schadensträchtigen Unfall verursachen. Wirtschaftlich betrachtet war dies zumeist irrational, doch hat der Fahrer damit womöglich dem Tierschutz gedient. Die mit derartigen Fällen befassten Zivilgerichte müssen vor allem eine Antwort darauf geben, wer die Kosten solcher um des Lebens eines Tieres willen verursachter Schäden trägt.
1026
Lorz/Metzger § 1 TierSchG Rn. 77 (6. Aufl. 2008); siehe auch Köpernik, AUR 2014, 290, 292: rein ökonomische Interessen und Motive stellten keinen vernünftigen Grund im Sinne von § 1 S. 2 TierSchG dar. 1027 Siehe dazu bei Fn. 1005.
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a) Kostentragungspflicht der Teilkaskoversicherung bei vermiedenen Wild-Unfällen Prozessual eingekleidet sein kann die Fragestellung insbesondere darin, dass der Versicherungsnehmer einer Teilkaskoversicherung Ersatz von Unfallschäden begehrt, die durch ein Ausweichmanöver (Verreißen des Lenkrads oder heftige Bremsung) zur Vermeidung einer Kollision mit einem Tier entstanden sind. aa) Rechtliche Ausgangslage Ist ein Zusammenstoß des versicherten Pkws mit einem Tier ausgeblieben, greift der von der Teilkaskoversicherung abgedeckte Wildschadenstatbestand nicht ein (siehe A.2.2.1.4 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung).1028 Als Anspruchsgrundlage kommt aber §§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1, 90 VVG (bis 2007: §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 VVG a. F.) in Betracht, wonach der Versicherungsgeber Aufwendungen zur Abwendung oder Schadensminderung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles1029, auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten hat, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte (sogenannte Rettungskosten). Dabei werden Fehlreaktionen und Fehleinschätzungen bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit als unschädlich angesehen und stehen einem Ersatzanspruch nicht entgegen.1030
1028 Vgl. Stiefel/Maier-Stadler AKB 2008 A.2.2 Rn. 169 (18. Aufl. 2010); Mayer, VersR 1989, 1128; Knappmann, VersR 1989, 113; BGH, Urt. v. 18. 12. 1991 – IV ZR 204/90, r + s 1992, 82; OLG Hamm, Urt. v. 09. 01. 1987 – 20 U 263/86, NJW-RR 1987, 985 u. Urt. v. 16. 12. 1992 – 20 U 171/92, r + s 1994, 167; OLG Celle, Urt. v. 23. 01. 1987 – 8 U 87/86, VersR 1988, 1173; OLG Frankfurt, Urt. v. 02. 09. 1992 – 21 U 243/91, NJW-RR 1993, 355; LG Bonn, Urt. v. 26. 02. 1992 – 1 O 393/91265, r + s 1992, 264; LG Aachen, Urt. v. 13. 04. 1989 – 2 O 80/89, r + s 1990, 264; LG Münster, Urt. v. 24. 02. 1988 – 9 S 204/87, r + s 1988, 159; LG Wiesbaden, Urt. v. 04. 11. 1991 – 5 O 87/91, VersR 1992, 998. 1029 Seit 2008 ergibt sich aus § 90 VVG, dass auch Aufwendungen unmittelbar im Vorfeld eines Versicherungsfalls erfasst sind. Zuvor entsprach dies ebenfalls der h. M. (sog. Vorerstreckungstheorie, BGH, Urt. v. 20. 02. 1991 – IV ZR 202/90, NJW 1991, 1609; LG Münster, Urt. v. 24. 02. 1988 – 9 S 204/87, r + s 1988, 159; LG Verden, Urt. v. 06. 02. 1992 – 4 O 316/91, zfs 1992, 234; LG Marburg, Urt. v. 03. 03. 1994 – 1 O 8/94, NJW-RR 1994, 805; OLG Schleswig, Urt. v. 12. 09. 1990 – 9 U 134/88, r + s 1991, 11, 13; LG Köln, Urt. v. 30. 10. 1991 – 24 O 264/91, r + s 1992, 115, 117; OLG Hamm, Urt. v. 16. 12. 1992 – 20 U 171/92, r + s 1994, 167; OLG Nürnberg, Urt. v. 17. 12. 1992 – 8 U 2451/92, NJW-RR 1993, 995 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05. 10. 1993 – 4 U 15/93, r + s 1993, 450; LG Wiesbaden, Urt. v. 04. 11. 1991 – 5 O 87/91, VersR 1992, 998; Knappmann, VersR 1989, 113; Schimikowski, r + s 1991, 145, 149; a. A. Mayer, VersR 1989, 1128, 1130; Hofmann, VersR 1981, 108 f.; OLG Celle, Urt. v. 23. 01. 1987 – 8 U 87/86, VersR 1988, 1173; LG Saarbrücken, Urt. v. 02. 05. 1986 – 10 O 379/85, zfs 1986, 279 f.; AG Stuttgart, Urt. v. 02. 05. 1985 – 15 C 740/85, VersR 1985, 1031). 1030 Knappmann, VersR 1989, 113, 114; OLG Hamm, Urt. v. 16. 12. 1992 – 20 U 171/92, r + s 1994, 167; OLG Nürnberg, Urt. v. 17. 12. 1992 – 8 U 2451/92, NJW-RR 1993, 995 f.; vgl. schon BGH, Urt. v. 21. 03. 1977 – II ZR 30/75, VersR 1977, 709.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
bb) Rechtsprechungspraxis: Meist kein Versicherungsschutz für Schäden durch Fahrmanöver zum Schutz von Tieren Ausweichmanöver sind typischerweise, vor allem bei hohen Geschwindigkeiten, mit erheblichen Gefahren für das versicherte Fahrzeug (und dessen Besatzung) verbunden, da nicht selten ein Abkommen von der Fahrbahn die Folge ist. Eher unkritisch ist dies im Hinblick auf „Rettungskosten“ noch, wenn das Tier, dem ausgewichen wird, in Relation zu dem versicherten Fahrzeug derartige Ausmaße hat, dass ein Zusammenstoß mit erheblichen Schäden am Pkw einhergehen würde,1031 zu deren Vermeidung es daher wirtschaftlich vertretbar ist, die Risiken, die das Ausweichmanöver mit sich bringt, in Kauf zu nehmen (zum Beispiel Reh,1032 Rotwild oder Schwarzwild,1033 Biber,1034 oder wenn es sich bei dem Fahrzeug um ein Motorrad handelt1035). Gerade bei kleineren Tieren wie Kaninchen1036 oder Hasen1037 (und wohl auch Mardern,1038 Füchsen,1039 Dachs1040) wurde dies aber regelmäßig1041 1031
Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 02. 09. 1992 – 21 U 243/91, NJW-RR 1993, 355. OLG Schleswig, Urt. v. 12. 09. 1990 – 9 U 134/88, r + s 1991, 11, 13; LG Münster, Urt. v. 24. 02. 1988 – 9 S 204/87, r + s 1988, 159; OLG Braunschweig, Urt. v. 14. 10. 1993 – 1 U 16/ 93, NJW-RR 1994, 1447; AG Düsseldorf, Urt. v. 16. 08. 2002 – 20 C 1496/02, BeckRS 2002, 15507; OLG Köln, Urt. v. 11. 10. 2005 – 9 U 34/05, NJOZ 2006, 2672; OLG Oldenburg, Urt. v. 22. 09. 2004 – 3 U 80/04, NJOZ 2004, 3741, 3743; OLG Koblenz, Urt. v. 26. 11. 1999 – 10 U 246/99, r + s 2000, 97, 98; Knappmann, VersR 1989, 113, 114; a. A. für ein Reh: LG Wiesbaden, Urt. v. 04. 11. 1991 – 5 O 87/91, VersR 1992, 998. 1033 Schimikowski, r + s 1991, 145, 149; Langheid/Wandt-Staudinger § 90 VVG Rn. 14 (2. Aufl. 2016); Langheid/Rixecker-Langheid § 90 VVG Rn. 11 (5. Aufl. 2016); Feyock/Jacobsen/Lemor-Jacobsen § 12 AKB Rn. 100 (3. Aufl. 2009); LG Koblenz, Urt. v. 24. 11. 2003 – 5 O 448/01 (Kurztext über juris); OLG Saarbrücken, Urt. v. 08. 10. 1997 – 5 U 243/97 – 24, NJWE-VHR 1998, 248, 249. 1034 AG Nördlingen, Urt. v. 30. 11. 2005 – 5 C 29/05, NZV 2006, 427. 1035 OLG Hamm, Urt. v. 03. 05. 2001 – 6 U 209/00, NJW-RR 2001, 1317. 1036 LG Aachen, Urt. v. 13. 04. 1989 – 2 O 80/89, r + s 1990, 264; OLG Köln, Urt. v. 13. 07. 1992 – 5 U 48/92, VersR 1992, 1508; OLG Hamm, Urt. v. 16. 12. 1992 – 20 U 171/92, r + s 1994, 167. 1037 AG Soltau, Urt. v. 10. 01. 1992 – 4 C 883/91, NJW-RR 1992, 1117; LG Bonn, Urt. v. 26. 02. 1992 – 1 O 393/91265, r + s 1992, 264; OLG Hamburg, Urt. v. 15. 07. 1992 – 14 U 66/92, NZV 1993, 155; OLG Frankfurt, Urt. v. 02. 09. 1992 – 21 U 243/91, NJW-RR 1993, 355, 356; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05. 10. 1993 – 4 U 15/93, VersR 1994, 592; LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 06. 1994 – 11 O 316/93, r + s 1995, 7; OLG Schleswig, Urt. v. 31. 05. 1995 – 9 U 129/94, VersR 1996, 843; LG Lübeck, Urt. v. 01. 02. 1996 – 12 O 198/95, r + s 1996, 220; LG Verden, Urt. v. 06. 02. 1992 – 4 O 316/91, zfs 1992, 234; OLG Hamm, Urt. v. 12. 12. 1997 – 20 U 121/97, NZV 1998, 117; LG Frankenthal, Urt. v. 23. 05. 1991 – 8 O 435/91, zfs 1991, 244; BGH, Urt. v. 18. 12. 1996 – IV ZR 321/95, NJW 1997, 1012; Knappmann, VersR 1989, 113, 114; Schulz, VersR 1994, 1275. 1038 OLG Nürnberg, Urt. v. 27. 02. 1997 – 8 U 3572/96, NJWE-VHR 1997, 153; LG Halle, Urt. v. 02. 10. 1996 – 5 O 216/96, r + s 1998, 57 (Motorrad). 1039 Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 31. 10. 2003 – 10 U 1442/02, NJW-RR 2004, 118; OLG Jena, Urt. v. 17. 07. 1996 – 4 U 230/96, r + s 1997, 279; AG Koblenz, Urt. v. 13. 05. 1992 – 41 C 480/ 92, NJW-RR 1993, 164; OLG Karlsruhe, Urt. v. 04. 03. 1999 – 12 U 264/98, r + s 1999, 404; LG 1032
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verneint.1042 Für zur Abwendung oder Minderung des Schadens am versicherten Pkw „geboten“ halten durfte der Versicherungsnehmer deshalb in solchen Fällen die Ausweichlenkbewegung (oder ein heftiges Abbremsen) nach einer überwiegenden Rechtsprechungslinie nicht (ohne sich dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit ausgesetzt zu sehen), sodass die daraus resultierenden Schäden nicht als im Sinne von „Rettungskosten“ ersatzfähig eingestuft wurden. Gemessen am hier ausschlaggebenden Maßstab, ob etwas „zur Vermeidung eines Kfz-Schadens durch Zusammenstoß mit [dem Tier] im Interesse des Versicherers wirtschaftlich sinnvoll ist“1043, war das Umreißen des Steuers (oder die Vollbremsung) bei solchen Kleintieren folglich falsch; vielmehr lag nahe, dass sich in diesem Verhalten eine (über einfache Fahrlässigkeit hinaus gehende) Schreck-Reaktion oder eine Rücksichtnahme auf das Leben des Tieres niederschlug.1044 Beides geht nach der beschriebenen Rechtsprechungspraxis aber gleichsam als Privatangelegenheit auf eigene Kosten des Versicherungsnehmers, nicht auf Kosten der Versicherung. So heißt es in einer älteren Entscheidung des OLG Celle leicht abfällig – unter anderem mit Verweis auf die davon ausgehende Missbrauchsgefahr: Dem Versicherungsnehmer dürfe „durch die Rechtsprechung kein Freibrief gegeben werden, in dem Bewußtsein, gegen Wildschäden so oder so versichert zu sein, bedenkenlos auf Kosten des Versicherers, d. h. der Versichertengemeinschaft, tierfreundlichen Impulsen freien Lauf zu lassen“.1045 Insgesamt kann man also aus dieser Gerichtspraxis folgern: Ein Versicherungsnehmer, der sich nicht dem anderenfalls bestehenden persönlichen Kostenrisiko aussetzen möchte, muss ein auf der Straße vor seinem Kfz auftauchendes Wildtier Marburg, Urt. v. 17. 01. 2006 – 2 O 80/05, r + s 2006, 188, 189; OLG Köln, Urt. v. 16. 06. 1998 – 9 U 204/97, r + s 1998, 365, 367; LG Bonn, Urt. v. 05. 04. 1994 – 13 O 43/94, r + s 1995, 7; OLG Köln, Urt. v. 13. 01. 1998 – 9 U 13/98, r + s 2000, 96, 97; LG Augsburg, Urt. v. 01. 07. 2003 – 4 S 415/03, SP 2003, 322; LG Coburg, Urt. v. 25. 07. 2002 – 21 O 745/01, SP 2003, 177; BGH, Urt. v. 25. 06. 2003 – IV ZR 276/02, NJW 2003, 2903; anders LG Köln, Urt. v. 30. 10. 1991 – 24 O 264/91, r + s 1992, 115, 117; LG Passau, Urt. v. 30. 07. 1996 – 3 S 48/96, NJWEVHR 1997, 154; LG Verden, Urt. v. 19. 12. 1997 – 6 S 208/97, NVersZ 1998, 90; OLG Nürnberg, Urt. v. 29. 07. 1999 – 8 U 1477/99, BeckRS 1999, 14779; BGH, Urt. v. 11. 07. 2007 – XII ZR 197/05, NJW 2007, 2988. 1040 OLG Bremen, Urt. v. 17. 09. 2002 – 3 U 33/02, r + s 2003, 276. 1041 A. A. (keine grobe Fahrlässigkeit) für Hasen OLG Nürnberg, Urt. v. 17. 12. 1992 – 8 U 2451/92, NJW-RR 1993, 995 f.; OLG München, Urt. v. 12. 03. 1993 – 10 U 5568/92, NJW-RR 1994, 222; LG Marburg, Urt. v. 03. 03. 1994 – 1 O 8/94, NJW-RR 1994, 805. 1042 So auch Rüffer/Halbach/Schimikowski-Halbach § 90 VVG Rn. 4 (3. Aufl. 2015); Berz/Burmann-Burmann/Heß 7 C Rn. 87 (36. EL Dez. 2016); Terbille/Höra-Burmann § 10 Rn. 134 (3. Aufl. 2013); Langheid/Wandt-Staudinger § 90 VVG Rn. 14 (2. Aufl. 2016); Langheid/Rixecker-Langheid § 90 VVG Rn. 11 (5. Aufl. 2016); Prölss/Martin-Knappmann AKB 2008 A.2.2.4 Rn. 47 (29. Aufl. 2015). 1043 OLG Schleswig, Urt. v. 31. 05. 1995 – 9 U 129/94, VersR 1996, 843. 1044 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 13. 07. 1992 – 5 U 48/92, VersR 1992, 1508. 1045 OLG Celle, Urt. v. 23. 01. 1987 – 8 U 87/86, VersR 1988, 1173.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
überfahren; außer das Schadensrisiko für das Kfz ist aufgrund der Größe des Tieres im Falle einer Kollision höher einzuschätzen als bei einem Ausweichmanöver. cc) Verhältnis zum Tierschutz Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Gerichte, insbesondere nach Einfügung des § 90a BGB, darauf zu sprechen kamen, ob ihre rigide Handhabung des „Rettungskosten“-Ersatzes in Fällen des Ausweichens vor Tieren mit den Wertungen des TierSchG und des § 90a BGB vereinbar ist sowie ob der Versicherungsnehmer damit gehört wird, es könne ihm nicht zugemutet werden, die Verletzung oder Tötung eines Tieres in Kauf zu nehmen.1046 Eine – allerdings vereinzelte – untergerichtliche Entscheidung1047 befand etwa, eine Betrachtungsweise, die den Versicherungsnehmer dazu „zwingen würde“, das entsprechende Wildtier „zu überfahren, also zu töten“, könne „nicht rechtens sein“. Mit der Wertung des § 90a BGB, wonach Tiere als Mitgeschöpfe ausdrücklich aus dem Sachenbegriff herausgenommen worden seien, und dem in § 1 S. 1 TierSchG normierten Gebot, Tieren nicht ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, sei „eine Aufforderung zum bewußten Töten von Tieren nicht zu vereinbaren, wenn es nicht gänzlich unvermeidbar“ sei. „Das bewußte Töten eines Tieres durch Überfahren, ohne daß dies durch eine Güter- oder Interessenabwägung gerechtfertigt wäre“, könne sogar eine Straftat nach § 17 TierSchG darstellen. Daher handele es sich nicht um eine grob fahrlässige Fehl- und Schreckreaktion, wenn der Versicherungsnehmer auch bei einem kleineren Wildtier auf der Fahrbahn ausweiche. Überwiegend aber sahen die Gerichte im Tierschutzrecht sowie in der Wertung des § 90a BGB keinen Grund, die restriktive Rechtsprechungspraxis zum Versicherungsschutz bei Ausweichmanövern in Frage zu stellen. Abgesehen von der Auffassung, § 90a BGB habe ohnehin keinen wirklichen rechtlichen Inhalt,1048 lassen sich unter den zumeist kurzen, wenig ausgefalteten Argumentationen hierzu im Wesentlichen zwei Begründungslinien unterscheiden. Die eine Argumentationslinie setzt bei der Wertigkeit der betroffenen Rechtsgüter an. Angeführt wird, der Tierschutz verlange dem Kraftfahrer nicht ab, sich durch ein Ausweichen vor dem Tier selbst zu gefährden.1049 Nicht nur der Wert eines Pkws sei ganz unverhältnismäßig höher anzusetzen, auch seien mit einem Unfall häufig weitere Schäden verbunden; so könnten Personen bei dem Versuch, die Verletzung oder Tötung eines Tieres zu vermeiden, ebenfalls mit in Gefahr gebracht werden.1050 1046
Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 06. 1994 – 11 O 316/93, r + s 1995, 7. LG Marburg, Urt. v. 03. 03. 1994 – 1 O 8/94, NJW-RR 1994, 805. 1048 LG Lübeck, Urt. v. 01. 02. 1996 – 12 O 198/95, r + s 1996, 220. 1049 OLG Hamburg, Urt. v. 15. 07. 1992 – 14 U 66/92, NZV 1993, 155. 1050 LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 06. 1994 – 11 O 316/93, r + s 1995, 7; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05. 10. 1993 – 4 U 15/93, r + s 1993, 450, 451. 1047
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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Der andere Ansatz wirft die Rang- und Abwägungsüberlegung erst gar nicht auf und hält sie auch für nicht angebracht, da die Frage der Kostentragung allein versicherungsrechtlich und losgelöst von „Tierwohl“-Aspekten zu beantworten sei: Für die Beurteilung, ob Rettungskosten von der Versicherung zu ersetzen sind, komme es nur auf die beabsichtigte Abwendung einer Gefahr von Fahrzeug und Insassen an, nicht dagegen auf die Rettung des Wildes; eine auf Tierschutz-Gesichtspunkten gegründete Argumentation könne insofern nicht durchgreifen.1051 Soweit sich ein Fahrer veranlasst sehe, wegen seiner Achtung vor dem Mitgeschöpf „Tier“ zu bremsen, stehe ihm dieses Verhalten frei; andererseits führe es aber nicht zu Ersatzansprüchen gegenüber der Versicherung, denn es diene aus der allein ethisch begründeten Haltung des Fahrers heraus weder der Vermeidung eines Wildschadens noch der Rettung anderer versicherter Risiken.1052 Rechtlich gehe es „weder darum, ob andernfalls ein Tier zu Schaden kommen müßte, noch um die Frage, ob die gegebene Reaktion eines Kfz-Führers […], sei es aus Tierliebe oder aus Schreck […]“, an sich durchaus verständlich sei, „sondern allein darum, ob es zur Vermeidung eines Kfz-Schadens durch Zusammenstoß mit einem [Kleintier] im Interesse des Versicherers wirtschaftlich sinnvoll“ sei, „eine solche Schutzmaßnahme zu treffen“.1053 Durch eine Revision erhielt der BGH1054 Mitte der 1990er-Jahre Gelegenheit zu einer höchstrichterlichen Klärung. Er positionierte sich im Sinne des letztgenannten Ansatzes, der die Trennung der Fragenkreise und den rein versicherungstechnischen Fokus betont: Ein Ausweichen vor einem kleineren Wildtier sei nicht deshalb (jetzt: im Sinne des § 83 Abs. 1 S. 1 VVG) geboten, weil es aus Gründen des Tierschutzes richtig sei, das Tier nicht zu überfahren. Wer aus Tierliebe einem Tier ausweiche, verdiene Zustimmung. Damit sei aber noch nicht gesagt, dass er den bei einem Ausweichen verursachten Schaden vom Kfz-Versicherer ersetzt bekomme.1055 Der Versicherer habe für den Schaden einzustehen, der dem Versicherungsnehmer erwachse, um einen anderen, unter Umständen größeren, jedenfalls aber versicherten Schaden zu vermeiden. Mit der Teilkaskoversicherung sei aber nicht das Leben des Tieres, sondern das Fahrzeug versichert.1056
1051 OLG Frankfurt, Urt. v. 02. 09. 1992 – 21 U 243/91, NJW-RR 1993, 355, 356; ähnlich Andelewski, NZV 2001, 61, 64; LG Marburg, Urt. v. 17. 01. 2006 – 2 O 80/05, r + s 2006, 188, 189. 1052 LG Lübeck, Urt. v. 01. 02. 1996 – 12 O 198/95, r + s 1996, 220 f. 1053 OLG Schleswig, Urt. v. 31. 05. 1995 – 9 U 129/94, VersR 1996, 843. 1054 BGH, Urt. v. 18. 12. 1996 – IV ZR 321/95, NJW 1997, 1012. 1055 Ebenso Andelewski, NZV 2001, 61, 65; OLG Karlsruhe, Urt. v. 04. 03. 1999 – 12 U 264/ 98, r + s 1999, 404. 1056 BGH, Urt. v. 18. 12. 1996 – IV ZR 321/95, NJW 1997, 1012, 1013, Hervorhebung durch Verf.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
dd) Bewertung: Tierschutz führt nicht zur Kostentragungspflicht der Versicherung Das seitens des BGH bestätigte Ergebnis verdient Zustimmung. Zwar ist es nach den bisher gesammelten Befunden durchaus möglich, dass sich Wertungen des TierSchG auf die Anwendung und Auslegung zivilrechtlicher Normen auswirken. Konkret wäre bei Wild-Ausweich-Fällen etwa an das in §§ 1 S. 2, 17 Nr. 1 TierSchG enthaltene Gebot zu denken, ein Tier nicht ohne vernünftigen Grund zu töten. Die Verschonung eines Tier-Lebens ist in den Augen der Rechtsordnung, wie auch der BGH hervorhebt, eine durchaus billigenswerte Motivation. Jedoch stellt die Verneinung des „Rettungskosten“-Ersatzes dies nicht in Abrede, sondern trifft darüber gar keine Aussage. Vielmehr geht es hier um die Kostenverteilung entsprechend einer zuvor vertraglich getroffenen Risikozuweisung.1057 Dass ein Wildtier vor einem Kfz auf die Fahrbahn gerät, es hierdurch zu einem Unfall kommt und daraus Schäden an dem betreffenden Fahrzeug entstehen, ist ein allgemeines Risiko, das grundsätzlich der Eigentümer des Fahrzeugs trägt. Wenn nun ein bestimmter Teil dieses Risikos (Schaden durch Kollision mit dem Tier oder Aufwendungen, die zur Vermeidung dieses Schadens geboten sind) auf eine Versicherung verlagert ist (und ein darüber hinausgehender, durch eine Vollkaskoversicherung ebenfalls versicherbarer Teil nicht), ist dies Folge einer privatrechtlichen Vereinbarung. In diese sollte ein Gericht nicht über die Bande des Tierschutzrechts eingreifen.1058 Andererseits spricht das dem TierSchG zu entnehmende öffentliche Interesse am Erhalt des Lebens eines Tieres dafür, eine Tötung zu vermeiden, wenn dies mit zumutbarem Aufwand möglich ist. In diesem Umstand allein mag man noch keinen Grund erkennen, weshalb das Opfer für einen im öffentlichen Interesse verfolgten Tierschutz kostenmäßig der Versicherung und nicht dem Eigentümer abverlangt werden sollte.1059 Nicht zu verleugnen ist aber, dass von der beschriebenen rigiden Versicherungspraxis de facto gewisse verhaltenssteuernde Wirkungen ausgehen könnten, die einen Versicherungsnehmer womöglich zu einem tierschutzfeindlichen Verhalten (Überfahren statt Ausweichen) veranlassen. Insofern könnte man rechtspolitisch erwägen, ob die Kostenlast, die aus einem durch Ausweichmanöver im Straßenverkehr praktizierten Tierschutz erwächst, nicht besser bei der Gemeinschaft der Versicherten angesiedelt ist, also die davon ausgehenden Risiken solidarisiert werden sollten. De lege lata lässt sich ein solches Ergebnis aber kaum erreichen. Denn selbst bei der Grenze zur groben Fahrlässigkeit des Fahrers ist Bezugspunkt ja die Frage, inwiefern er das Fahrmanöver als zur Abwendung von Schäden für das versicherte Gut geboten ansehen durfte. Tierschutz-Erwägungen lassen sich hier in rechtlich stichhaltiger Weise wohl nicht in Stellung bringen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch auch, dass der Verzicht auf ein Ausweichmanöver in aller Regel mit dem TierSchG im Einklang stehen wird: Denn 1057 1058 1059
Vgl. auch Mayer, VersR 1989, 1128. Vgl. Mayer, VersR 1989, 1128. Vgl. dazu Andelewski, NZV 2001, 61, 65; Wälder, r + s 1995, 50.
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soweit ein Ausweichen, wie meistens, mit Gefahren für die körperliche Integrität oder gar das Leben der Pkw-Insassen verbunden ist, und/oder einen hohen wirtschaftlichen Schaden auslösen würde, ist das TierSchG mit seinem Kriterium des „vernünftigen Grundes“ hinreichend offen, um diese Gesichtspunkte in Rechnung zu stellen, sodass unter solchen Umständen eine „Rettung“ des Tieres tierschutzrechtlich nicht geboten sein wird. Die über den Begriff des „vernünftigen Grundes“ im Einzelnen zu treffende Feinabstufung ist freilich für sich genommen ein raumfüllendes Thema1060 und kann für die Zwecke dieser Arbeit nicht erschöpfend ausgelotet werden. Im Ergebnis läuft sie auf die Festlegung einer Rangfolge der beteiligten Interessen und Rechtsgüter hinaus, die möglichst die Wertentscheidungen des Gesetzgebers, so wie sie in der Rechtsordnung ihren Niederschlag gefunden haben, widerspiegeln sollte. Soweit eine konkrete Gefahr für die Gesundheit oder gar das Leben eines Menschen einer konkreten Gefahr für die Gesundheit oder das Leben eines Tieres gegenüber steht, ist der rechtliche Vorrang menschlicher Interessen vor dem „Tierwohl“, der sich wohl schon aus der anthropozentrischen Ausrichtung des GG1061 ergibt, geradezu evident.1062 Schwieriger wird es, wenn als Rechtsgut das Eigentum an einer Sache oder allgemein „nur“ wirtschaftliche Interessen eines Menschen betroffen sind. Doch zumindest wenn diese von einigem Gewicht sind, dürfte es auch hier eine Tendenz geben, sie dem „Tierwohl“ überzuordnen. Sofern das Tier, mit dessen Leben oder Unbeschadetheit abgewogen wird, nicht, wie typischerweise in Wildunfall-Konstellationen, herrenlos ist, kommt zu dem „Tierwohl“-Aspekt noch das Eigentümer-Interesse an dem Tier hinzu. Was diesen Konflikt betrifft, so hält das BGB jedoch in Gestalt der §§ 228, 904 BGB (wenn auch wertungsoffene) Anhaltspunkte für die Lösung bereit (Kriterium der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, gegebenenfalls Schadensersatzansprüche). b) Sorgfaltswidrigkeit eines Fahrmanövers zur Rettung eines Tieres Deutlicher und konkreter als in der soeben behandelten Fallgestaltung positionieren müssen sich Zivilrechtsanwender zum Rangverhältnis zwischen dem im öffentlichen Interesse geschützten „Tierwohl“ und konkurrierenden menschlichen Interessen, wenn sich das Risiko, das mit einem Fahrmanöver zur Rettung eines Tieres verbunden ist, nicht bloß in einem eigenen Schaden des Fahrers, sondern in der
1060 Siehe nur Maisack, Zum Begriff des vernünftigen Grundes im Tierschutzrecht (Diss., Hamburg 2006). 1061 Vgl. dazu Maunz/Dürig-Scholz Art. 20a GG Rn. 40 (79. EL 2016); BK-Kloepfer Art. 20a GG Rn. 70, 100 (180. EL 2016); Glock, S. 39. 1062 Andelewski, NZV 2001, 61, 62. Vgl. auch (aus verfassungsrechtlicher Sicht) Jarass/ Pieroth-Jarass Art. 20a GG Rn. 25 (14. Aufl. 2016): „Der Schutz von Menschen hat Vorrang vor Tierschutz“; Rn. 17: „Eine Gleichstellung von Mensch und Tier verletzt die Würde des Menschen in Art. 1 Abs. 1“.
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Verletzung fremder Rechtsgüter niedergeschlagen hat und es um die Prüfung des Verschuldens im Rahmen deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche geht.1063 aa) Abwägungsentscheidungen zwischen Personenschäden, Sachschäden, Schäden am Tier Ein Beispiel für eine anlässlich der Fahrlässigkeitsprüfung notwendig werdende Rangabstufung bietet ein vor das KG Berlin1064 gebrachter Fall. Darin stritt der Eigentümer eines Pkws mit einer Person, die diesen gefahren hatte, um den Ersatz eines Unfallschadens. Der Fahrer behauptete, er sei mit dem Wagen auf gerader Strecke von der Straße abgekommen, da er einem Tier habe ausweichen müssen. Das KG betonte, wer aus Tierliebe einem auf der Fahrbahn befindlichen Tier ausweiche, verdiene grundsätzlich Zustimmung. Damit sei aber noch nicht gesagt, wer für den bei einem Ausweichen entstehenden Schaden einzutreten habe. Es stelle sich die Frage, ob ein Kraftfahrer pflichtwidrig handele, wenn er in der Hoffnung, dem auf der Fahrbahn befindlichen Tier noch rechtzeitig auszuweichen, andere, möglicherweise höherrangige Rechtsgüter, wie beispielsweise Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, gefährde oder beschädige. Da unter den im konkreten Fall gegebenen Umständen, insbesondere angesichts der Geschwindigkeit des Fahrzeugs, auf der Hand gelegen habe, dass ein Brems- oder Ausweichmanöver zu einer erheblichen Gefährdung nicht nur für Sachwerte (das Fahrzeug), sondern auch für Leben und Gesundheit der Fahrzeuginsassen habe führen müssen, bescheinigte das Gericht dem Fahrer hier fahrlässiges Verhalten.1065 Es sei „unverhältnismäßig, um einem Tier auszuweichen, einen Sachschaden von über 20.000 DM zu verursachen und die Verletzung oder sogar Tötung mehrerer Menschen in Kauf zu nehmen“. „Bei allem Verständnis für die Belange des Tierschutzes“ dürfe „nicht übersehen werden, dass nach der eindeutigen Wertung des Gesetzgebers Leben und Gesundheit von Menschen gegenüber dem Leben eines Tieres Vorrang“ genössen. Aufgetreten sind überdies vielfach Situationen, in denen Autofahrer einen Auffahrunfall dadurch auslösten, dass sie wegen eines über die Fahrbahn laufenden Tieres ruckartig anhielten. Für die Frage der Sorgfaltswidrigkeit dieses Bremsmanövers lässt sich § 4 Abs. 1 S. 2 StVO heranziehen, wonach ein vorausfahrendes Fahrzeug „nicht ohne zwingenden Grund“ stark bremsen darf. Nach gängiger Formulierung setzt ein solcher „zwingender Grund“ voraus, dass das Bremsen zum Schutz von Rechtsgütern und Interessen erfolgt, die dem Schutzobjekt der Vorschrift 1063 Zwar greift bei durch ein Kraftfahrzeug verursachten Sach- und Personenschäden in aller Regel eine verschuldensunabhängige Haftung (§ 7 I StVG). Doch auf die Frage des Verschuldens kann es gleichwohl ankommen, etwa für die Haftung des Fahrers (§ 18 I 2 StVG) oder für die Haftungsquotelung bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge (§ 17 I, II StVG). 1064 KG Berlin, Urt. v. 24. 01. 2002 – 12 U 3217/00, NZV 2003, 91. 1065 Ähnlich OLG Hamm, Urt. v. 23. 03. 1998 – 6 U 191/97, r + s 1999, 20: Ausweichmanöver zugunsten eines auf die Straße geratenen Kleintieres fahrlässig i. S. d. § 823 I BGB.
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(Sachen und Personen) mindestens gleichwertig sind.1066 Im Kern läuft dies also – wie auch das im TierSchG enthaltene Kriterium des „vernünftiges Grundes“ – auf eine Güterabwägung hinaus, die je nach Sichtweise des Rechtsanwenders etwas variierende Ergebnisse hervorbringen kann. Große Einigkeit besteht insoweit, als die Rettung eines Tier-Lebens dann kein „zwingender Grund“ ist, wenn durch das abrupte Abbremsen die konkrete Gefahr der Tötung oder Verletzung von Menschen ausgelöst wird.1067 Bunter wird das Meinungsspektrum indes bei der Frage, ob das Bremsen zur Rettung eines Tieres gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO verstößt, wenn dadurch Sachwerte verletzt werden. Als wohl äußerste Positionen findet sich hier sowohl die Auffassung, das Bremsen auf Kosten von Sachwerten zugunsten des Lebens jedenfalls von Wirbeltieren sei generell gerechtfertigt,1068 als auch der Ansatz, selbst kleine Sachwerte genössen Vorrang vor dem Leben eines Tieres.1069 Eine vermittelnde Ansicht nimmt letzteres jedenfalls für hohe Sachwerte1070 an. Insgesamt neigt die hierzu auffindbare, zumeist ältere Rechtsprechung1071 dazu, aufgrund einer tendenziell wirtschaftlich ausgerichteten Abwägung zumindest das 1066
OLG Frankfurt, Urt. v. 01. 02. 1984 – 1 Ws (B) 163/83, VerkMitt 1984, Nr. 41, S. 37; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13. 07. 1987 – 1 U 288/86, NJW-RR 1988, 28; OLG München, Urt. v. 11. 05. 1973 – 10 U 3024/72, BeckRS 2009, 18965; LG Aachen, Urt. v. 01. 06. 1984 – 3 S 76/84, BeckRS 2008, 14325; OLG Saarbrücken, Urt. v. 07. 01. 2003 – 3 U 26/02, BeckRS 2003, 30300273. 1067 Zum Beispiel Kluge-von Loeper Einf. Rn. 157 (1. Aufl. 2002); exotisch daher das obiter dictum des AG München, Urt. v. 08. 03. 1984 – 24 C 3200/83, VerkMitt 1985, Nr. 101, S. 88, es sei sogar zu überlegen, „ob nicht das Leben eines Igels wertvoller als das Leben eines Menschen ist“ – m. krit. Anm. Booß, VerkMitt 1985, 88. 1068 Andelewski, NZV 2001, 61, 62; in diese Richtung auch Kluge-von Loeper Einf. Rn. 157 (1. Aufl. 2002); AG München, Urt. v. 08. 03. 1984 – 24 C 3200/83, VerkMitt 1985, 88: Das Leben eines Tieres sei schützenswerter als eventuelle Blechschäden. 1069 Nach dem OLG Hamm, Urt. v. 03. 12. 1964 – 2 Ss 1358/64, VRS 28, 383 ist die Unversehrtheit des Eisengitters einer Brücke (Schaden: 68,78 DM) gegenüber dem Leben einer Katze oder eines kleinen Hundes höherwertig. 1070 OLG Stuttgart, Urt. v. 08. 07. 1986 – 12 U 38/86, NJW-RR 1986, 1286 (Rettung auf Kosten hoher Sachwerte nicht gerechtfertigt); ähnlich OLG Köln, Urt. v. 07. 07. 1993 – 11 U 63/ 93, VersR 1993, 1168; OLG Frankfurt, Urt. v. 01. 02. 1984 – 1 Ws (B) 163/83, VerkMitt 1984, Nr. 41, S. 37 f. (Rettung auf Kosten geringer Sachwerte gerechtfertigt). 1071 OLG Stuttgart, Urt. v. 08. 07. 1986 – 12 U 38/86, NJW-RR 1986, 1286 (Katze); OLG Karlsruhe, Urt. v. 13. 07. 1987 – 1 U 288/86, NJW-RR 1988, 28 (Wildente); OLG Saarbrücken, Urt. v. 08. 07. 1988 – 3 U 188/86, DAR 1988, 382 (Wildente) mit zust. Anm. Berr; OLG Köln, Urt. v. 07. 07. 1993 – 11 U 63/93, VersR 1993, 1168 (Taube); LG Zweibrücken, Urt. v. 30. 10. 1989 – 1 O 323/89, BeckRS 2008, 15578 (Taube); AG Solingen, Urt. v. 17. 07. 2003 – 10 C 49/ 03 – juris (Taube); OLG München, Urt. v. 11. 05. 1973 – 10 U 3024/72, BeckRS 2009, 18965 (Igel); LG Aachen, Urt. v. 01. 06. 1984 – 3 S 76/84, BeckRS 2008, 14325 (Kaninchen); AG Bad Liebenwerda, Urt. v. 06. 12. 1996 – 12 C 458/96, BeckRS 1996, 31158166 (Fuchs); OLG Saarbrücken, Urt. v. 07. 01. 2003 – 3 U 26/02, BeckRS 2003, 30300273 (Eichhörnchen); für eine Katze tendenziell verneinend auch LG Augsburg, Urt. v. 29. 07. 1983 – 4 S 299/83, BeckRS 2008, 14378; LG Koblenz, Urt. v. 24. 01. 2001 – 12 S 130/00, BeckRS 2001, 31155786, das jedoch wegen der reflexartigen Reaktion einen „zwingenden Grund“ bejaht; ähnlich AG
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Auftreten eines Kleintieres1072 auf der Straße nicht als „zwingenden Grund“ anzusehen.1073 So heißt es etwa in einer durch das LG Aachen1074 gefällten Entscheidung, bei der vorzunehmenden Güterabwägung sei ein Kraftfahrzeug gegenüber einem Kleintier als das höherwertige Rechtsgut anzusehen. Ein Kraftfahrer dürfe auf ein kleines Tier, das auf der Fahrbahn für ihn und sein Fahrzeug keine Gefahr bilde, nur Rücksicht nehmen, wenn ihm das ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit möglich sei. Das AG Schorndorf1075 urteilte in einem Fall, in dem es um eine starke Bremsung zugunsten einer Katze ging, bei einem Kleintier wie einer gewöhnlichen Hauskatze sei es dem Fahrer „jedenfalls zumutbar, diese gegebenenfalls zu überfahren, weil mit gewichtigen Schäden an seinem Fahrzeug […] nicht zu rechnen“ sei. Die mögliche Gefährdung des Lebens der Katze sei „in diesem Fall geringer zu bewerten als der entsprechende Sachschaden“. Auch § 90a BGB rechtfertige insoweit keine andere Beurteilung.1076 Hingewiesen wurde auch darauf, das Risiko von Personen- und/oder Sachschäden sei bei Inkaufnahme eines Auffahrunfalls nicht sicher absehbar,1077 sodass „der Schutz der Verkehrssicherheit und dabei insbesondere der menschlichen Unversehrtheit“ gegenüber der Rettung eines Tieres doch wohl stärker wiege.1078
Nürnberg, Urt. v. 23. 09. 2005 – 13 C 4238/05, NZV 2006, 86, das die mit einem auftauchenden Tier einhergehende Irritierung in Rechnung stellt. Auf die Umstände des Einzelfall abstellend, in concreto für einen Dackel aber bejahend KG Berlin, Urt. v. 29. 05. 2000 – 12 U 9571/98, BeckRS 2008, 14298; AG Ulm, Urt. v. 23. 02. 1988 – 6 C 2450/87 – 03, VersR 1988, 726. LG Hildesheim, Urt. v. 22. 03. 1984 – 1 S 163/83, BeckRS 2010, 16950: Bremsen wegen einer über die Straße laufenden Katze möglicherweise kein zwingender, jedoch ein erheblicher Grund; siehe auch AG München, Urt. v. 25. 02. 2014 – 331 C 16026/13, NJW-RR 2014, 992 (Haftungsanteil von 25 % bei einem Abbremsen zugunsten eines Eichhörnchens). A. A. (zwingender Grund bei einem Kleintier bejaht): OLG Frankfurt, Urt. v. 01. 02. 1984 – 1 Ws (B) 163/83, VerkMitt 1984, Nr. 41, S. 37, 38; AG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 24. 11. 1989 – 3 C 367/89, VersR 1991, 1153 (jeweils bei einer Katze); AG München, Urt. v. 08. 03. 1984 – 24 C 3200/83, VerkMitt 1985, Nr. 101, S. 88 (bei einem Igel). 1072 Anders wegen der mit einem Zusammenstoß verbundenen Gefahren für den Vorausfahrenden bei größeren Tieren: LG Landau, Urt. v. 30. 06. 1988 – 2 O 59/88, NZV 1989, 76 (Jagdhund); LG Köln, Urt. v. 12. 02. 1986 – 19 S 248/85, NJW-RR 1986, 1152 f. (Pudel); AG Ratingen, Urt. v. 26. 08. 1997 – 10 C 866/97, NJWE-VHR 1998, 110 (Spitz); OLG Saarbrücken, Urt. v. 09. 10. 1970 – 3 U 137/69, VerkMitt 1971, 84: keine Sorgfaltswidrigkeit bei starkem Bremsen vor einem Schäferhund. 1073 Ebenso aus dem Schrifttum Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Burmann § 4 StVO Rn. 17 (24. Aufl. 2016). 1074 LG Aachen, Urt. v. 01. 06. 1984 – 3 S 76/84, BeckRS 2008, 14325. 1075 AG Schorndorf, Urt. v. 10. 11. 1992 – 2 C 811/92, NJW-RR 1993, 356. 1076 Zust. Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016). 1077 Booß, VerkMitt 1984, 38; Janiszewski, NStZ 1984, 403, 405 f. 1078 Janiszewski, NStZ 1984, 403, 406.
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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bb) Einbindung von Tierschutzerwägungen in die Abwägung Freilich könnte überlegt werden, ob nicht Wertungen des Tierschutzrechts in die unter dem Begriff des „zwingenden Grundes“ anzustellende Güterabwägung einfließen.1079 Frühe, allerdings eher vage und daher angreifbare Ansätze in diese Richtung zeigen sich Mitte der 1980er-Jahre. So verweist etwa das OLG Frankfurt1080 darauf, „die Grundeinstellung des Menschen zum Tier“ habe sich mit der Zeit „im Sinne einer Mitverantwortung für dieses Lebewesen zum sog. ethischen Tierschutz fortentwickelt“.1081 Dieser Schutz habe auch gesetzlichen Niederschlag gefunden. Er gehe „mithin auch im rechtlichen Bereich weiter als der Schutz lebloser Dinge“. In einer wenig überzeugenden Weise differenziert es dann, dem Schutz des Lebens eines „dem Menschen seit geschichtlicher Zeit verbundenen Haustieres wie Katze oder Hund“ komme „aus ethischen Gründen ein besonderes Gewicht“ zu. Die Rettung des Lebens eines Tieres könne daher ein starkes Abbremsen als „zwingender Grund“ rechtfertigen, wenn dadurch nur ein unerheblicher Sachschaden und keine Gefahr für Menschen drohe.1082 Aus dem Schrifttum gab es teils explizite Ablehnung einer Berücksichtigung von Tierschutz-Gesichtspunkten: § 4 Abs. 1 S. 2 StVO diene nicht dem Tierschutz, sondern der Verkehrssicherheit; im Rahmen einer Güterabwägung könne daher allenfalls der materielle Wert des Tieres, nicht aber der seines Lebens bewertet werden.1083 Später wurde aber – ebenfalls unter Hinweis auf einen mittlerweile in der Gesellschaft geschehenen Anschauungswandel sowie auf die in dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertungen – auch vertreten, es sei von dem Grundsatz auszugehen, dass das Leben und die Gesundheit eines Tieres bei der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung im Verhältnis zu einem lediglich drohenden Sachschaden schutzwürdiger sind und folglich ein starkes Bremsen des Vorausfahrenden zum Schutz von auf die Fahrbahn geratenen Tieren nicht pflichtwidrig ist, wenn hierdurch nur Sachschäden drohen.1084 Vor dem Hintergrund des „sich wandelnden Verhältnisses zum Tier“ regt Grüneberg an, es sei bei einem Auffahrunfall infolge des Bremens zugunsten eines Tieres regelmäßig die Alleinhaftung des Auffahrenden anzunehmen.1085 1079
Vgl. Andelewski, NZV 2001, 61. OLG Frankfurt, Urt. v. 01. 02. 1984 – 1 Ws (B) 163/83, VerkMitt 1984, 37, 38, mit abl. Anm. Booß. 1081 Ähnlich AG München, Urt. v. 08. 03. 1984 – 24 C 3200/83, VerkMitt 1985, Nr. 101, S. 88: Ältere Urteile seien „nicht mehr zeitgemäß“ und die darin zu findenden Argumentationen seien „im Sinne der inzwischen eingetretenen ökologischen Sensibilisierung nicht mehr haltbar“. Das Leben eines Tieres, „namentlich eines ökologisch so wertvollen Tieres wie des Igels“, sei „schützenswerter als evtl. Blechschäden“. Krit. Booß, VerkMitt 1985, S. 88. 1082 Noch weitergehend das obiter dictum des AG München, siehe Fn. 1067. 1083 Booß, VerkMitt 1984, 38; zust. Janiszewski, NStZ 1984, 403, 405 f. 1084 Andelewski, NZV 2001, 61, 62. 1085 Grüneberg, Haftungsquoten, Rn. 127 (15. Aufl. 2017). 1080
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
cc) Bewertung und Tendenzaussagen: Jedenfalls gegen kleine Sachwerte setzt sich „Tierwohl“ durch Die Frage der Sorgfaltswidrigkeit eines Fahrmanövers zur Rettung eines die Fahrbahn kreuzenden Tieres bleibt zwar in gewissem Umfang einzelfallabhängig. Bei zusammenfassender wertender Betrachtung lassen sich aber einige Tendenzaussagen treffen: Drohen durch ein bestimmtes Fahrverhalten zur Rettung eines auf der Fahrbahn befindlichen Tieres Personenschäden – was je nach Geschwindigkeit häufig nicht auszuschließen sein wird (etwa Schleudertrauma infolge eines Aufpralls) – bildet dieses Verhalten einen Sorgfaltspflichtverstoß – bei einem starken Abbremsen etwa in Form einer Verletzung des in § 4 Abs. 1 S. 2 StVO enthaltenen Gebotes. Soweit es um die Abwägung mit Sachwerten geht, greift eine Sichtweise, die eine Lösung über die ausschließliche Bewertung materieller Interessen sucht, in Fällen des Bremsens zugunsten von Tieren zu kurz. Dies beginnt schon damit, dass die hier häufig betroffenen Wild-Tiere einer Marktwertbestimmung nicht zugänglich sind; mit ihrer Tötung geht vielmehr unter Umständen ein schwer greifbarer ökologischer Schaden1086 einher. Vor allem aber hat die Rechtsordnung den Schutz des Lebens von Tieren nach den eindeutigen Wertungen des TierSchG aus ethischen Gründen als Eigenwert anerkannt, was auch aus Art. 20a GG ersichtlich und in § 90a BGB angedeutet ist. Dem muss bei einer Güterabwägung Rechnung getragen werden. Ob vor diesem Hintergrund bereits das Risiko marginaler Sachschäden das Bremsen zugunsten eines Tieres schon als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lässt, ist daher zweifelhaft. Bei drohenden immensen Sachschäden (zum Beispiel Totalschaden eines Autos) dürfte das Pendel dagegen eher zulasten des Tier-Lebens ausschlagen. Nach ergiebigen Bewertungshilfen für die genaue Abstufung sucht man in der Rechtsordnung vergeblich.1087 Zu bedenken ist aber stets, dass die Entscheidung eines Fahrzeugführers, wie er mit dem plötzlichen Erscheinen eines Tieres auf der Fahrbahn umgeht und ob beispielsweise ein Abbremsen sorgfaltswidrig wäre oder nicht, in Sekundenbruchteilen erfolgt. Zwar kann von ihm dabei erwartet werden, dass er versucht, Rechtsgüter wie das Leben und die körperliche Integrität von Menschen und auch fremdes Eigentum (insbesondere nachfolgender Verkehrsteilnehmer) zu schützen; jedoch ist der Schutz des Lebens eines Tieres in den Augen der Rechtsordnung ebenfalls nicht gänzlich unbeachtlich und kann sich wohl jedenfalls gegen kleinere Sachwerte durchsetzen.
1086
Vgl. MüKo-Oetker § 249 BGB Rn. 26 (7. Aufl. 2016). Allenfalls hinsichtlich einer unterschiedlichen Schutzwürdigkeit verschiedener TierKlassen lassen sich Anhaltspunkte finden, vgl. Andelewski, NZV 2001, 61, 63. 1087
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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III. Ansätze zur Aktivierung des Zivilrechts als Instrument des Tierschutzes 1. Grundsatz: Zivilrecht ist kein Tierschutz-Instrument Die bisher behandelten Beispiele etwa aus dem Kauf-, Miet-, Nachbarschafts-, Schadens- oder Versicherungs- und Verkehrsrecht haben zwar gezeigt, dass Wertungen des TierSchG und damit Gesichtspunkte des „Tierwohls“ vielseitig punktuell bei der Anwendung des Zivilrechts Bedeutung erlangen können. Dies jedoch nur, wo sich – eingebettet in eine zivilrechtliche Fragestellung – gleichsam zufällig ein Berührungspunkt zu einem Tierschutz-Aspekt ergab. Nicht aber ist das Zivilrecht selbst Vehikel, um den Tierschutz als (alleinigen) Selbstzweck umzusetzen; auch aus § 90a BGB „folgt (…) kein unmittelbarer Schutz“1088. Dies ist jedenfalls als Grundsatz richtig, wie sich anhand von zwei Fall-Konstellationen aus der Rechtsprechung exemplifizieren lässt. a) Drohende tierschutzwidrige Behandlung eines Tieres durch den Vindikationsgläubiger steht Herausgabeanspruch nicht entgegen Zu beobachten ist der Ansatz, das Zivilrecht zur Durchsetzung des Tierschutzrechts zu instrumentalisieren, etwa in einem vor das OLG Koblenz1089 gebrachten Sachverhalt, der eine Nähe zu dem an früherer Stelle thematisierten „Stuten-Fall“1090 aufweist. Auch hier ging es nämlich um einen Anspruch auf Herausgabe von Tieren (mehrere Hunde). Dabei stellte sich die Frage, ob der Schuldner des Herausgabeanspruchs mit dem Einwand gehört wird, dem Tier drohe im Falle der Herausgabe eine tierschutzwidrige Behandlung durch den Vindikationsgläubiger. aa) Stimmen in Literatur und Rechtsprechung In Rechtsprechung und Schrifttum ist das Thema bisher kaum erörtert. Von Loeper meint, die Herausgabe eines Tieres könne bei zu erwartenden grob tierwidrigen Verhaltensweisen verweigert werden; dazu sei ein „zivilrechtlich-tierschutzrechtliches Zurückbehaltungsrecht“ anzuerkennen, denn mit „dem Maßstab des effektiven, vorbeugenden Tierschutzes (…) wäre es (…) unvereinbar, das Tier (…) akuter Gefährdung zu überlassen“.1091 Baldus spricht sich dafür aus, die Frage der tierschutzkonformen Behandlung eines Tieres behördlichen Stellen zu überlassen und aus der zivilrechtlichen Prüfung des Vindikationsanspruchs herauszu1088
Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016). OLG Koblenz, Urt. v. 18. 06. 1997 – 7 U 1211/96 – juris. 1090 Siehe vorne ab Fn. 915. 1091 Kluge-von Loeper Einf. Rn. 136 (1. Aufl. 2002) – dabei hat er die Konstellation vor Augen, dass das Tier zuvor im Wege der Nothilfe/des Notstandes (Tierquälerei) von dem Eigentümer entfernt wurde. 1089
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halten: Die Lösung liege „grundsätzlich nicht im privatrechtlichen Verhältnis,“ denn die Tierschutznormen zielten „nicht auf eine Art Nothilferecht zugunsten des Tieres, das § 985 ausschlösse (oder § 986 begründete)“. Der Anspruchsgegner müsse „vielmehr die zuständige Behörde einschalten“1092. Dass der aus dem Eigentum fließende Herausgabeanspruch dem Grunde nach von der Frage etwaiger drohender Verstöße gegen das TierSchG freizuhalten und abstrakt zu betrachten ist, betonte auch die Entscheidung des OLG Koblenz1093 : Der Einwand, der Vindikationsgläubiger habe die Tiere unzureichend versorgt und gepflegt und es bestehe die Gefahr, dass er bei einer Rückgabe der Tiere gegen die Bestimmungen des TierSchG verstoße, sei „nicht erheblich“; denn selbst wenn Anlass zu der Befürchtung bestehe, führe das nicht zu einem Recht zum Besitz seitens des Schuldners. Vielmehr sei es „alleinige Aufgabe der zuständigen Verwaltungsbehörde, im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des (…) TierSchG notwendigen Maßnahmen zu treffen“. Pointiert wurde dieses Zusammentreffen und der scheinbare Widerstreit von bürgerlich- und öffentlich-rechtlichem Handlungsbefehl im konkreten Fall noch dadurch, dass zur Zeit des Herausgabeverlangens behördlicherseits ein vorläufiges Tierhaltungsverbot gegen den Eigentümer verhängt worden war. Auch diese Tatsache stufte das Gericht als unbeachtlich ein, da das Tierhaltungsverbot den aus dem Eigentum folgenden Herausgabeanspruch als solchen nicht abschneide. bb) Gesichtspunkte zur Herleitung des Ergebnisses (1) Kein überzeugender rechtlicher Anknüpfungspunkt für eine Herausgabeverweigerung im Rahmen des Vindikationsanspruchs Mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung und unter Kohärenzgesichtspunkten mutet es zunächst etwas befremdlich an, wenn ein Zivilgericht zur Herausgabe eines Tieres an eine Person verhilft, deren Besitz des Tieres die Rechtsordnung an anderer Stelle gerade missbilligt. Der Konflikt erklärt sich daraus, dass die sich hier berührenden Rechtsgebiete im Ausgangspunkt funktional verschieden sind und isoliert voneinander wirken. Gleichwohl sind gewisse Verschränkungen (etwa durch §§ 134 – 136 BGB) im BGB angelegt. Auch hinsichtlich des Eigentums, zentraler Stützpfeiler des hier betroffenen Vindikationsanspruchs, hebt das BGB immerhin in § 903 S. 2 BGB ausdrücklich hervor, dass die Ausübung der daraus fließenden Befugnisse unter dem Vorbehalt tierschützender Vorschriften steht. Doch weder beeinträchtigt die Tatsache, dass jemand sein Tier in einer dem TierSchG widersprechenden Weise behandelt, dessen Eigentümerstellung noch führt sie dazu, dass nunmehr ein nach Zivilrecht unberechtigter Besitzer ein Besitzrecht hätte. Den Vindikationsanspruch auf der Basis dieses Umstandes als unbegründet anzusehen, ist daher kaum herleitbar. Vielmehr gibt es bei der Subsumtion und 1092 1093
MüKo-Baldus Vor §§ 985 BGB Rn. 87 (7. Aufl. 2017). OLG Koblenz, Urt. v. 18. 06. 1997 – 7 U 1211/96 – juris.
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Anwendung des § 985 BGB keinerlei überzeugenden rechtlichen Anknüpfungspunkt, an dem der Aspekt des Tierschutzes angebracht werden könnte. Anders als in an früherer Stelle behandelten Beispielen (etwa aus dem Kauf-, Nachbar- oder Mietrecht) enthält die entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift hier keine auf eine Abwägung gerichtete Generalklausel mit möglichen Einbruchstellen für Wertungen des TierSchG. Solche Wertungen bei der Entscheidung über den Vindikationsanspruch gleichwohl zu berücksichtigen, ist daher in rechtlich stichhaltiger Weise schwer zu begründen. Am ehesten kommt wohl in Betracht, an der Durchsetzbarkeit des Anspruchs anzusetzen. Denkbar wäre eine Einrede nach der Vorschrift § 242 BGB, mit der sich die benötigte Öffnung für sonstige Wertungen der Rechtsordnung zwar herbeiführen lässt,1094 bei deren Handhabung aber aus eben diesem Grund auch Vorsicht und Zurückhaltung geboten ist, um nicht Gefahr zu laufen, das Zivilrecht durch eine allzu starke Überlagerung mit unscharfen externen Wertungsgesichtspunkten zu verwischen und aufzuweichen. Gerade im Fall eines Tierhaltungsverbots besteht eine gewisse Nähe zu Konstellationen, in denen im Rahmen des § 242 BGB die Geltendmachung des sogenannten dolo-agit-Einwands1095 anerkannt ist. Zentraler Unterschied ist jedoch, dass der Eigentümer zwar – wie im beispielhaften Fall des OLG Koblenz – womöglich infolge eines Tierhaltungsverbots nach Erfüllung des Vindikationsanspruchs zu sofortiger Wieder-Herausgabe der Tiere verpflichtet sein mag – aber nicht an den Vindikationsschuldner. Mit einer Einrede unter Berufung auf Tierschutz-Gesichtspunkte würde letzterer kein eigenes Recht geltend machen. Zwar können öffentliche Interessen, zu denen man den durch das TierSchG und insbesondere die Staatszielbestimmung in Art. 20a GG anerkannten Tierschutz zählen darf, über § 242 BGB durchaus Berücksichtigung finden.1096 Jedoch hätte es bei näherem Hinsehen rechtspolitisch fragwürdige Konsequenzen, wenn man über diesen Weg Tierschutzaspekte in den Vindikationsanspruch einbezöge: Zum einen birgt dies die Gefahr, konturenlose Graubereiche zu eröffnen. So stellt sich etwa die Frage, ob schon marginale Verstöße gegen das TierSchG für einen derartigen Einwand gegen den Vindikationsanspruch reichen sollen oder eine gewisse Schwere überschritten sein muss. Hinzu kommt zum anderen das Prognose-Element: Soll bereits ein begründeter Verdacht, dass dem herauszugebenden Tier eine tierschutzwidrige Behandlung droht, genügen, um dies als zivilrechtlich beachtlichen Einwand gegen den Vindikationsanspruch gelten zu lassen, oder muss die konkrete Gefahr von Verstößen belegt sein? Wenn bei Anerkennung einer auf TierschutzGesichtspunkten basierenden Einrede nach § 242 BGB gleichsam jeder selbst ernannte Tierschützer einem Eigentümer sein Tier entziehen und die auf § 985 BGB gestützte Herausgabe unter Hinweis auf drohende Verstöße gegen das TierSchG 1094
Vgl. MüKo-Schubert § 242 BGB Rn. 2 (7. Aufl. 2016). Näher zu diesem Einwand (stellvertretend) zum Beispiel MüKo-Schubert § 242 BGB Rn. 440 ff. (7. Aufl. 2016). 1096 MüKo-Schubert § 242 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2016). 1095
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
verweigern könnte, wäre dies wohl nicht nur rechtspolitisch verfehlt, sondern läge auch quer zu der im TierSchG vorgesehenen regulären Zuständigkeitsverteilung1097. Für das auch in der oben genannten Entscheidung des OLG Koblenz zum Ausdruck kommende Verständnis einer klaren funktionalen Trennung zwischen bürgerlichem und öffentlichem Recht sprechen hier somit nicht zuletzt Gründe der Klarheit und Praktikabilität. (2) Funktionale Trennung und zweistufiges staatliches Handeln vorzugswürdig Die hier zusammentreffenden Rechtsgebiete dienen unterschiedlichen Zwecken (Zuordnung von privaten Rechtsgütern einerseits; Verfolgung des Tierschutzes als ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel andererseits). Daraus folgt zugleich eine gewisse Notwendigkeit, diese Zwecke ins Verhältnis zueinander zu setzen. In der hier thematisierten Fall-Gestaltung einer Vindikation könnte man das favorisierte gleichsam unverbundene Nebeneinander von BGB und TierSchG auf die Frage pointieren, was schwerer wiegt – einem unrechtmäßigen Besitzer das Tier zu belassen oder das Tier an einen Eigentümer mit Tierhaltungsverbot herausgeben zu lassen. Auf den ersten Blick konfligiert hier ein bürgerlich-rechtlich geschütztes privates Interesse (Anspruch des Eigentümers auf Besitz) mit einem öffentlichen Interesse (Tierschutz). Man könnte argumentieren, das Gericht als staatliche und mithin an die Verfassung gebundene Stelle wirke an der Herbeiführung eines Zustands mit, welcher der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG zuwider läuft, wenn es dem Vindikationsanspruch des Eigentümers zur Durchsetzung verhilft. Im umgekehrten Fall aber gilt: Enthält das Gericht durch sein Urteil dem Vindikationsgläubiger den Besitz an seinem Tier vor, ist dadurch ebenfalls ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut tangiert, nämlich dessen Eigentum (Art. 14 GG). Der Konflikt besteht jedoch nur vordergründig und lüftet sich bei zweischrittiger und getrennter Betrachtung der beiden Regelungsregime. Wird ein durchsetzbarer Herausgabeanspruch des Eigentümers trotz grundsätzlichem Vorliegen aller Voraussetzungen des § 985 BGB verneint, steht dieses Resultat mit der regulär durch das Zivilrecht vorgesehenen Güterzuordnung nicht im Einklang. Ob dadurch ein mit dem TierSchG konformer Zustand hergestellt wird, ist aber ebenfalls noch nicht gesagt. Erkennt man dagegen einen durchsetzbaren Herausgabeanspruch zu, lässt sich ein Ergebnis erreichen, das mit dem BGB ebenso vereinbar ist wie mit dem TierSchG: Auf diese Weise wird nämlich zunächst die nach bürgerlichem Recht vorgesehene Ordnung umgesetzt (Besitz fällt dem Eigentümer zu). Noch gleichsam im selben Augenblick können aber die nach TierSchG zuständigen Stellen all diejenigen nach ihrer Sachkunde geeigneten Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um tierschutzgerechte Verhältnisse herbeizuführen. Der Unterschied zu dem oben1098 behandelten Herausgabeanspruch im „StutenFall“ besteht darin, dass dort die zur Erfüllung des eingeklagten Herausgabean1097 1098
Vgl. §§ 15, 16a TierSchG. Siehe ab Fn. 915.
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spruchs erforderliche Handlung selbst mit Tierschutzvorschriften in Konflikt geraten wäre. Hätte das Zivilgericht dabei auf sofortige Herausgabe erkannt, so hätte es mithin zu einer Handlung verurteilt, deren Vornahme zwingend mit einem Verstoß gegen tierschutzrechtliche Vorgaben einhergegangen wäre. Im Gegensatz dazu war die Gefahr eines womöglich entstehenden tierschutzwidrigen Zustandes im hier thematisierten Vindikationsfall eine zunächst nur hypothetische und zudem gleichsam zufällige, allenfalls indirekt durch ein stattgebendes Urteil ausgelöste Folge, denn Verstöße des Eigentümers eines Tieres gegen das TierSchG wären ebenso denkbar gewesen, wenn gar keine zwischenzeitliche Vindikationslage entstanden wäre. Das Argument, die Erfüllungs-, das heißt die Herausgabehandlung selbst verstoße gegen Tierschutzrecht und sei daher aus Rechtsgründen unmöglich gemäß § 275 Abs. 1 BGB, greift somit hier nicht durch. Einen auf die Verschränkung von Zivilrecht und Tierschutzrecht angelegten und damit zur deutschen Lösung gegensätzlichen Weg scheint eine kürzlich ins portugiesische Zivilgesetzbuch eingefügte Vorschrift in Bezug auf Herausgabeansprüche bei Fundtieren einzuschlagen: Der mit Wirkung zum 1. Mai 20171099 in Kraft getretene Art. 1323 Abs. 7 Codigo Civil sieht vor, dass ein Finder ein von ihm gefundenes Tier zurückbehalten kann, wenn die begründete Befürchtung besteht, dass das Tier bei seinem berechtigten Besitzer Opfer von Misshandlung ist.1100 b) Kein Schmerzensgeld für „Ängste und Leiden“ von Tieren; TierSchG kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB Einen deutlich absurderen Versuch, Rechtsbehelfe des Zivilrechts für die Zwecke des Tierschutzes umzufunktionieren, dokumentiert ein vor das AG Wiesbaden gebrachter Fall1101. Darin forderte der Widerkläger von der Betreiberin eines Hundesalons, der er vorwarf, bei der Pflege seiner Hunde gegen das TierSchG verstoßen zu haben, die Zahlung eines Betrags „für die entstandenen Ängste und Leiden der Hunde“, und damit, wie das Gericht feststellte, der Sache nach ein Schmerzensgeld. Zu Recht entgegnete darauf das Gericht, Personen könnten zwar nach § 253 Abs. 2 BGB Schmerzensgeld fordern. „Ein Schmerzensgeld für Leiden von Tieren“ sei „im deutschen Zivilrecht jedoch nicht vorgesehen und wesensfremd“. Zwar habe das BGB in § 90a BGB anerkannt, dass Tiere als Lebewesen keine Sachen und durch besondere Gesetze geschützt seien. Das bedeute aber nicht, dass Tiere damit dem Menschen gleich gestellt wären. Vielmehr seien auf Tiere grundsätzlich die für Sachen geltenden Vorschriften anzuwenden, § 90 a S. 3 BGB. In Folge dieses Urteils 1099 Art. 2 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017 – 03 – 03. 1100 „O achador de animal pode retê-lo em caso de fundado receio de que o animal achado seja vítima de maus-tratos por parte do seu proprietário.“ 1101 AG Wiesbaden, Urt. v. 18. 08. 2011 – 93 C 2691/11, NJW-RR 2012, 227; Hervorhebungen in den folgenden Zitaten durch Verf.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
hat der Satz Eingang in die Kommentarliteratur gefunden: „Tiere sind zwar Lebewesen, haben aber keinen (…) eigenen Schmerzensgeldanspruch“.1102 Zutreffend stellte das AG Wiesbaden in diesem Zusammenhang zudem klar, dass § 823 Abs. 2 BGB keinen zivilrechtlichen Anknüpfungspunkt bietet, Tierschutz in Stellung zu bringen: Der Tier-Eigentümer könne die Verletzung von Tierschutzvorschriften an seinem Tier nicht mit einem auf § 823 Abs. 2 BGB gestützten Anspruch geltend machen, denn das TierSchG sei kein Schutzgesetz in diesem Sinne. Es bezwecke „nicht den Schutz des Eigentums des Tierhalters in seinem Interesse, sondern die Unversehrtheit der Tiere im Interesse der Tiere selbst“1103. 2. Recht der GoA: Aufwendungsersatzansprüche für Tierschützer? Dass primäres und unmittelbares rechtliches Mittel zum Schutz von Tieren öffentlich-rechtliche Vorschriften und Durchsetzungsmechanismen sind, durch das Zivilrecht hingegen Tierschutz nur sekundär und mittelbar berücksichtigt wird, ist als Grundsatz nach den bis hierher herausgearbeiteten Ergebnissen eine Beschreibung der gegenwärtigen deutschen Rechtslage und -praxis – und auch wertungsrichtig und sachgerecht. Im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) und vor allem in § 679 BGB ist allerdings in gewisser Weise der Einsatz des Zivilrechts für im öffentlichen Interesse stehende Zwecke allgemein angelegt. Hier gibt es Ansätze, über das Instrument der GoA das Zivilrecht ausnahmsweise für die gleichsam aktive Förderung des Tierschutzes fruchtbar zu machen. Anschauungsmaterial dafür bieten zum einen „Tierfund-Fälle“, die in jüngerer Vergangenheit vermehrt zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden sind, zum anderen ein Vorschlag aus dem Schrifttum, wonach die Einhaltung des Tierschutzrechts verstärkt im Wege der GoA durchzusetzen sein soll. Die beiden Beispiele haben gemeinsam, dass Mechanismen der GoA letztlich genutzt werden, um tierschützende Maßnahmen von Privatpersonen zu unterstützen. a) „Tierfund-Fälle“ Vor Gericht gebrachte „Tierfund-Fälle“ zeichnen sich zumeist durch etwa folgende Sachverhaltskonstellation aus: Eine Privatperson findet ein verwahrlostes oder verletztes Tier, lässt dieses tierärztlich versorgen und verlangt für die angefallenen Kosten im Anschluss von der Gemeinde, auf deren Gebiet das Tier gefunden wurde, Aufwendungsersatz im Rahmen öffentlich-rechtlicher GoA gemäß §§ 683 S. 1, 670 BGB. Die Fälle kreisen damit vor allem um die Frage, auf wessen Kosten der Schutz eines aufgegriffenen Tieres erfolgt. 1102
Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Jahnke § 249 BGB Rn. 292a (24. Aufl. 2016). Zustimmung zum Ergebnis des AG Wiesbaden auch von Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016). 1103 AG Wiesbaden, Urt. v. 18. 08. 2011 – 93 C 2691/11, NJW-RR 2012, 227.
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aa) „Tierwohl“-Überlegungen bei der Bestimmung der „Fremdheit“ des Geschäfts Elementar für einen Anspruch desjenigen, der ein Tier gefunden und es versorgen lassen hat, ist nach den Regeln der GoA zunächst, dass es sich hierbei um ein für den Finder fremdes Geschäft handelte. In diesem Zusammenhang lassen sich an mehreren Ansatzpunkten Einflüsse von Tierschutz-Gesichtspunkten beobachten. (1) Ausgangspunkt: Versorgung eines Tieres als Geschäft des Eigentümers Besteht an einem aufgefundenen Tier Eigentum (ist es also nicht herrenlos), so wird dessen Verwahrung und Versorgung regelmäßig ein Geschäft sein, das objektiv in den Rechts- und Interessenkreis des Eigentümers fällt. Dies lässt sich mit § 2 Nr. 1 TierSchG begründen: Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss es danach seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren und pflegen, wozu grundsätzlich auch Gesundheitsfürsorge und Heilbehandlung gehören.1104 Ist das Tier dem Eigentümer entlaufen oder sonst abhanden gekommen und damit „verloren“ im Sinne von § 965 BGB, sind dabei die besonderen Vorschriften über Fundsachen (§§ 965 ff. BGB) gemäß § 90a S. 3 BGB entsprechend anwendbar. Wegen Aufwendungen, die der Finder zum Zwecke der Verwahrung oder Erhaltung des Tieres tätigte, und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte, hat der Finder dann einen in § 970 BGB spezialgesetzlich geregelten Ersatzanspruch.1105 Ersatzpflichtig ist dafür der Eigentümer oder der sonst „Empfangsberechtigte“ im Sinne von § 970 BGB1106 ; die Fundbehörde gehört nicht dazu.1107 (2) Subsidiär: Versorgung aufgrund von Tierschutz-Erwägungen als Geschäft der Fundbehörde? Meldet sich der Eigentümer nicht und lässt sich auch sonst nicht ermitteln, läuft ein Aufwendungsersatzanspruch des Finders gemäß § 970 BGB ins Leere und es wird versucht, die Fundbehörde1108 als Anspruchsgegner zu gewinnen. Hier gibt es 1104
VG Dresden, Urt. v. 28. 04. 2011 – 6 K 1248/09 – juris, Tz. 16. Ob die §§ 965 ff. BGB gegenüber den Vorschriften der GoA als lex specialis anzusehen oder letztere zusätzlich anwendbar sind (in diesem Sinne Bamberger/Roth-Kindl § 965 BGB Rn. 2 [41. Ed. 2016]), wird uneinheitlich beantwortet, siehe Staudinger-Gursky/Wiegand Vorbemerk. zu §§ 965 – 984 BGB Rn. 3 (Neubearb. 2017) m. w. N. 1106 Vgl. hierzu näher MüKo-Oechsler § 965 BGB Rn. 14 (7. Aufl. 2017). 1107 OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; VG Gießen, Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367 u. Urt. v. 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01, NVwZ-RR 2002, 95, 96; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 77 ff.; VG Regensburg, Urteile v. 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231, BeckRS 2014, 55823/RO 4 K 13.1851, BeckRS 2015, 42611; Bamberger/Roth-Kindl § 970 BGB Rn. 1 (41. Ed. 2016); BeckOGKSchermaier § 970 BGB Rn. 8 (01. 01. 2017). 1108 Fundbehörde ist in der Regel die Gemeindeverwaltung, MüKo-Oechsler § 965 BGB Rn. 16 (7. Aufl. 2017). Diese bedient sich bei Tieren dann häufig Tierschutzvereinen und Tierheimen als Verwaltungshelfer, vgl. AG Bremen, Urt. v. 24. 10. 2013 – 5 C 93/13, NJW 2014, 1105
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Tendenzen, mit Tierschutz-Erwägungen zu begründen, dass die Versorgung eines aufgegriffenen Tieres ein Geschäft der Fundbehörde sei. Um diese Überlegungen einzuordnen und zu erklären, ist es erforderlich, jeweils einen Blick auf den rechtlichen Hintergrund und Zusammenhang zu werfen: (a) Auslegung von § 967 BGB (Ablieferung eines Fundtieres) Der Weg zu einem möglichen Anspruch gegen die Fundbehörde führt über eine öffentlich-rechtliche GoA. Entsprechend §§ 683 S. 1, 670 BGB kann gegen einen Träger öffentlicher Verwaltung ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gegeben sein, wenn eine Privatperson eine Maßnahme trifft, die zu den Aufgaben einer Behörde dieses Verwaltungsträgers gehört.1109 Aufmerksamkeit richtet sich daher auf die Frage, ob die Verwahrung und Versorgung von Fundtieren objektiv in den Rechtsund Interessenkreis, das heißt in den Aufgabenbereich der Fundbehörde fällt. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt hierfür sind wiederum die zivilrechtlichen Vorschriften über den Fund. §§ 965 Abs. 2, 967 BGB sehen dabei vor, dass der Finder den Fund unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen hat und berechtigt ist, die Sache an diese abzuliefern. Bisher uneinheitlich gesehen wurde, ob daraus gefolgert werden kann, dass die Verwahrung und Versorgung von Fundtieren von vornherein ein Geschäft der Fundbehörde ist. (aa) Argumente und Meinungsspektrum Gegen eine generelle Einordnung als Geschäft der Fundbehörde spricht, dass nach § 966 Abs. 1 BGB der Finder zunächst zur Verwahrung der Fundsache verpflichtet ist,1110 wozu auch die Pflicht zur Erhaltung der Fundsache, bei Tieren also die Pflicht zur Fütterung und erforderlichenfalls tierärztlichen Versorgung gehören soll,1111 1120 f.; OVG Greifswald, Urt. v. 30. 01. 2013 – 3 L 93/09 – juris, Tz. 78; Bamberger/RothKindl § 970 BGB Rn. 1 (41. Ed. 2016). 1109 BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922; OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 339; OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; VG Ansbach, Urt. v. 26. 09. 2011 – AN 10 K 11.00205 – juris; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 22; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VGH München, Urteile v. 27. 11. 2015 – 5 BV 15.1409, BeckRS 2016, 41760, Tz. 23/5 BV 15.1284 – juris, Tz. 24/5 BV 14.2048 – juris, Tz. 17/5 BV 14.1737 – juris, Tz. 27/5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, Tz. 17; VG Regensburg, Urteile v. 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1851, BeckRS 2015, 42611/ RO 4 K 13.1851, BeckRS 2015, 42611; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391. 1110 Als „Ausgleich für die Bemühungen des Finders und Anreiz, die mit dem Fund entstehenden Pflichten zu erfüllen“ (Bamberger/Roth-Kindl § 965 BGB Rn. 1 [41. Ed. 2016]) besteht immerhin die Möglichkeit des Finders, nach §§ 973, 974 BGB Eigentum an der Fundsache zu erwerben, und der in § 971 BGB vorgesehene Anspruch auf Finderlohn. Außerdem hat er nach § 970 BGB Anspruch gegen den Eigentümer (oder sonst Empfangsberechtigten) auf Ersatz seiner Aufwendungen. 1111 MüKo-Oechsler § 966 BGB Rn. 2 (7. Aufl. 2017); VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 33; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 40; VG
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sodass dies folglich (zumindest auch) sein eigenes Geschäft ist.1112 § 967 BGB bietet zwar dem Finder die Möglichkeit, sich von der Verwahrungspflicht zu befreien;1113 dies setzt allerdings die Ablieferung der Fundsache an die Behörde voraus. Sobald ein Fundtier im Sinne der §§ 965 ff. BGB bei der Fundbehörde gemäß § 967 BGB abgeliefert wurde, ist die Rechtslage klar. Die Verwahrung und Versorgung des Tieres ist dann ein Geschäft der Fundbehörde. Unklarheit und Streit bestand dagegen hinsichtlich der Konstellation, dass Aufwendungen in einer Zeitspanne entstehen, in der eine Ablieferung im Sinne des § 967 BGB noch nicht erfolgt ist. Ein Teil der Rechtsprechung1114 nahm dabei den Standpunkt ein, solange ein Tier nicht im Sinne des § 967 BGB abgeliefert sei, handele es sich bei dessen Versorgung um ein Geschäft allein des Finders (und des Tier-Eigentümers), nicht aber der Fundbehörde. Auch das TierSchG, § 90a BGB oder die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG zwängen nicht zu einem anderen Verständnis der angewendeten Normen des Fundrechts.1115 Offen gelassen wurde dabei aber bisher zum Teil, ob „eine andere Beurteilung im Falle eines verletzten und akut behandlungsbedürftigen Tieres angezeigt wäre“.1116 Als unter Tierschutz-Aspekten problematisch erweist sich diese Sichtweise, nach der die Versorgung aufgefundener Tiere vor einer Ablieferung im Sinne des § 967 BGB kein Geschäft der Behörde sein kann, tatsächlich besonders dann, wenn eine Ablieferung bei der Behörde aufgrund einer akuten Verletzungssituation des Tieres oder Unerreichbarkeit der Behörde scheitert: Gerichte, die bis zu einer Ablieferung von einem Eigengeschäft des Finders ausgingen, griffen in diesen Fällen auf sehr umständliche und künstliche Konstruktionen zurück, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das der Verantwortung des Staates für den Tierschutz (siehe Art. 20a GG) gerecht wird: So sah man es etwa für das Entstehen einer behördlichen Verwahrungspflicht „unter der notwendigen Beachtung des verfassungsrechtlich München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VGH München, Urteile v. 27. 11. 2015 – 5 BV 15.1409, BeckRS 2016, 41760, Tz. 28/5 BV 15.1284 – juris, Tz. 29/5 BV 14.2048 – juris, Tz. 22/5 BV 14.1737 – juris, Tz. 32/5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, 1607, Tz. 25; VG Regensburg, Urteile v. 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231, BeckRS 2014, 55823/RO 4 K 13.1851, BeckRS 2015, 42611; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391. 1112 VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 33. 1113 OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 340. 1114 VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 33 ff.; OVG Koblenz, Urt. v. 13. 01. 1988 – 11 A 175/87, BeckRS 2016, 45449; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/ 14 – juris, Tz. 45 ff.; VGH München, Urteile v. 27. 11. 2015 – 5 BV 15.1409, BeckRS 2016, 41760, Tz. 34/5 BV 15.1284 – juris, Tz. 35/5 BV 14.2048 – juris, Tz. 28/5 BV 14.1737 – juris, Tz. 31 ff.; VG Regensburg, Urteile v. 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231, BeckRS 2014, 55823/RO 4 K 13.1851, BeckRS 2015, 42611. 1115 VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 35; VGH München, Urteile v. 27. 11. 2015 – 5 BV 15.1409, BeckRS 2016, 41760, Tz. 35 ff./5 BV 15.1284 – juris, Tz. 36 ff./5 BV 14.2048 – juris, Tz. 29 ff./5 BV 14.1737 – juris, Tz. 40 ff. 1116 VGH München, Urteile v. 27. 11. 2015 – 5 BV 15.1409, BeckRS 2016, 41760, Tz. 39/5 BV 15.1284 – juris, Tz. 40/5 BV 14.2048 – juris, Tz. 33/5 BV 14.1737 – juris, Tz. 44.
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verankerten Tierschutzgebotes“ dann doch als genügend an, „wenn das Tier einer fachkundigen Stelle (Tierheim u. dergl.) überantwortet“ und nicht bei der Fundbehörde abgeliefert wurde, denn „dem Ziel einer möglichst raschen artgerechten Versorgung des Fundtiers würde der Umweg über die Fundbehörden (…) zuwiderlaufen und damit dem Tierschutzgebot widersprechen“.1117 An anderer Stelle konstruierte man die Ablieferung über ein angebliches Besitzkonstitut: Sei die Ablieferung des Tieres in natura unzumutbar, weil niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen dürfe und sich der Finder, der die Betreuung des Tieres faktisch übernommen habe, nicht dem Risiko strafbaren oder ordnungswidrigen Verhaltens auszusetzen brauche, bestehe „auf Seiten der Fundbehörden für solche Fundtiere ein entsprechender Kontrahierungszwang, der einen unmittelbaren Abschlusszwang nach sich“ ziehe. Habe die Fundbehörde der tierärztlichen (Not-)Versorgung nicht widersprochen, komme mit diesem beredten Schweigen das Besitzkonstitut zu Stande.1118 Diesen Umwegen entging ein anderer Teil der Rechtsprechung, in dem er aus § 967 BGB herleitete, die Versorgung aufgefundener Tiere sei generell ein Geschäft der Fundbehörden.1119 Ein Argument dafür ist etwa, dass diese bei Ablieferung nach § 967 BGB verpflichtet sind, die Fundsache entgegen zu nehmen.1120 (bb) BVerwG: Ohne Ablieferung kein Aufwendungsersatz, außer: Notfall Nachdem „Tierfund“-Fälle vermehrt die Verwaltungsgerichte befasst und aufgrund divergierender obergerichtlicher Entscheidungen in mehreren Verfahren die 1117
VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957. 1118 VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, 1607, Tz. 26. 1119 VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris, Tz. 19, 22; OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 339; OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; VG Gießen, Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326; dieser Meinung ist – im Schrifttum – auch MüKo-Oetker § 967 BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017). 1120 Im Hinblick auf die den Finder nach § 966 I BGB treffende Pflicht zur Verwahrung der Fundsache ist zu bedenken, dass die bloß gleichzeitige Wahrnehmung eigener Interessen der Annahme einer GoA nicht entgegensteht (OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; vgl. VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, 1607, Tz. 27; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326; BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922). Vielmehr ließe sich dann von einem auch-fremden Geschäft ausgehen (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris, Tz. 24 [behandelnder Tierarzt war in dieser Funktion auch aufgrund standesrechtlicher Vorgaben zur Behandlung des verletzten Tieres verpflichtet]; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957 [der das Tierheim unterhaltende Tierschutzverein verfolgte den Schutz von Haustieren auch als Vereinszweck]). Bei diesem wird der Fremdgeschäftsführungswille ebenso wie beim objektiv fremden Geschäft von der Rechtsprechung vermutet (vgl. BGH, Urt. v. 02. 11. 2006 – III ZR 274/05, NJW 2007, 63, 64; Urt. v. 21. 10. 2003 – X ZR 66/01, NJW-RR 2004, 81, 82; Urt. v. 23. 09. 1999 – III ZR 322/98, NJW 2000, 72 f.).
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Revision zugelassen worden war, hatte das BVerwG1121 kürzlich die Möglichkeit zur höchstrichterlichen Klärung. Es wählte dabei den sich schon aus dem bisherigen Meinungsspektrum abzeichnenden Weg eines gedanklichen Zwei-Schritts: Danach ist die Versorgung eines Fundtieres grundsätzlich erst nach erfolgter Ablieferung ein Geschäft der Behörde. Etwas anderes gilt aber aus Tierschutzgründen dann, wenn die sofortige Ablieferung aufgrund einer Krankheit oder Verletzung des Tieres nicht möglich ist. In diesem Fall genügt die unverzügliche Unterrichtung der Fundbehörde. Auch kann sich die Fundbehörde ihrer Verwahrungspflicht nicht dadurch entziehen, dass sie die Entgegennahme des Tieres verweigert. Zur Begründung der Ausnahme von dem Erfordernis der Ablieferung in tierschutzrechtlichen „Notfällen“ verweist das BVerwG auf Art. 20a GG. Mit der Aufnahme als Staatsziel in das Grundgesetz habe der Tierschutz Verfassungsrang, womit die Bedeutung des Tierschutzes im Gefüge des Verfassungsrechts gestärkt worden sei. Aufgabe der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung sei es, dem Staatsziel nach Maßgabe von Gesetz und Recht Rechnung zu tragen. Das gelte insbesondere für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, bei Ermessensentscheidungen und anderen Abwägungsvorgängen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung verbiete allerdings eine Rechtsfortbildung, mit der die Gerichte ihre eigenen materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen würden. Sie dürften sich dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung nicht entziehen, müssten die mit ihr verbundene Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers auf der Grundlage der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung im Wandel der Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Mangels spezieller Regelungen finde das Fundrecht auf Tiere entsprechende Anwendung (§ 90a BGB). Gegenüber der unmittelbaren Anwendung bringe das zum Ausdruck, dass der Unterschied zwischen Tieren als Mitgeschöpfen und leblosen Sachen bei der Gesetzesauslegung und -anwendung im Rahmen der herkömmlichen Methodik zu berücksichtigen sei. Mit der Ansichnahme treffe den Finder eine Verwahrungspflicht, zu der auch eine den tierschutzrechtlichen Vorgaben entsprechende Unterbringung und Versorgung gehöre. Er sei verpflichtet, das Tier zu betreuen, und es nach dessen Bedürfnissen angemessen zu pflegen. Handele es sich um ein krankes oder verletztes Tier, so könne die notwendige Pflege und gegebenenfalls tierärztliche Behandlung seiner Ablieferung im Sinne der Übergabe an die Fundbehörde entgegenstehen. In einer solchen Notsituation entspreche es Sinn und Zweck des Rechts auf Ablieferung, auf die unmittelbare Übergabe an die Fundbehörde zu verzichten; insoweit müsse ausreichen, die Fundbehörde über den Fund und die Hinderungsgründe für die Ablieferung unverzüglich zu unterrichten und sie dadurch in die Lage zu versetzen, über die weitere Verwahrung des Tieres zu entscheiden. Abgesehen von dieser aus Gründen des Tierschutzes gebotenen Besonderheit sei eine einschränkende Auslegung der Anforderungen der Ablieferung hingegen nicht gerechtfertigt. Der mit der Ablie1121
BVerwG, Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 7/16 – juris.
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ferung an die Fundbehörde verbundene Umweg sei, jenseits tierschutzrechtlicher Hinderungsgründe, hinzunehmen. Er finde seine Rechtfertigung in der im Fundrecht angelegten klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten von Finder und Fundbehörde und der Organisationshoheit der Fundbehörde, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. In dem zu entscheidenden Fall sah das BVerwG keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ablieferung der Tiere wegen ihres Zustands nicht tierschutzgerecht oder gar unmöglich gewesen wäre. Deren Verwahrung wertete es daher nicht als Vornahme einer Aufgabe und eines Geschäfts der Behörde. (cc) Bewertung: Entscheidung des BVerwG verdient im Ergebnis Zustimmung Das BVerwG wählt – dem Auftrag in § 90a S. 3 BGB entsprechend – den Ausgangspunkt für die rechtliche Behandlung von Fund-Tieren zutreffend bei den gesetzlichen Regeln über die Behandlung von Fund-Sachen. Dort sieht der Gesetzgeber in §§ 966 Abs. 1, 967 BGB eindeutig ein zweistufiges Konzept vor: Eine Verwahrungspflicht trifft zunächst den Finder. Erst durch eine Ablieferung an die Behörde kann er sich dieser entledigen. Der vom BVerwG aufgestellte Grundsatz, dass in Tierfund-Fällen ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die Behörde ohne eine Ablieferung nicht in Betracht kommt, ist daher zunächst Ausdruck von – kaum je zu kritisierendem – Respekt gegenüber dem gesetzgeberischen Willen. Es ist wohl eine – sich nicht nur im Fundrecht stellende – Frage des Rollenverständnisses, ob es der Rechtsprechung obliegen kann, Konzepte des Gesetzgebers bei der Anwendung auf Tiere unter Hinweis auf die in § 90a S. 3 BGB angeordnete nur entsprechende Geltung vollends abzuschaffen. Möchte man dies nicht, ist die vom BVerwG eingenommene Ausgangsposition folgerichtig. Sie ist sicher auch getragen von dem zutreffenden Gedanken, dass die Fundbehörde nicht gleichsam beliebig für Vorgänge nachträglich zur Kasse gebeten werden soll, über die sie selbst nicht die Regie führt. Solches könnte Fehlanreize und Missbrauchsgefahren begründen. Über die in § 681 S. 1 BGB vorgesehene Nebenpflicht des Geschäftsführers, die Geschäftsführung dem Geschäftsherrn, sobald es tunlich ist, anzuzeigen und dessen Entschließung abzuwarten, sind die Interessen der Behörde nicht gleich wirksam geschützt. Bei einem Verstoß könnte die Behörde den § 681 S. 1 BGB allenfalls über einen schwer zu beziffernden Schadensersatzanspruch in Stellung bringen. Die vom BVerwG dann im Hinblick auf die Ablieferung vorgesehene Ausnahme des tierschutzrechtlichen „Notfalls“ ist nicht frei von Angriffspunkten: So wird sich in praxi nicht immer leicht feststellen lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Notfall gegeben ist (Abgrenzungsschwierigkeiten und Streitpotential). Auch lässt das BVerwG nicht klar erkennen, ob es hier rechtstechnisch die Ablieferung unter Berücksichtigung von Art. 20a GG als entbehrlich ansieht oder ob „Ablieferung“ in diesem Fall ausnahmsweise weiter auszulegen ist. Gleichwohl sind die vom BVerwG erwähnten Ausnahmen von dem Erfordernis der Ablieferung für einen Aufwendungsersatzanspruch notwendig. Dafür spricht
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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folgende Überlegung: Nach der gesetzlichen Konzeption (§ 970 BGB) sollen die Kosten der Versorgung eines Fundtieres nur vorübergehend den Finder, letztlich aber den Eigentümer treffen. Auch im Hinblick auf das damit einhergehende Risiko, dass sich dieser Anspruch nicht realisieren lässt, gewährt das Gesetz durch § 967 BGB dem Finder die Möglichkeit, sich von der Verwahrungspflicht und den damit korrespondierenden Aufwendungen für die Erhaltung der Fundsache durch Ablieferung an die Behörde zu befreien. Kann der Finder diese Möglichkeit aber nicht wahrnehmen, weil die Behörde nicht erreichbar oder weil unverzügliches Handeln geboten ist, sollte dies nicht zugunsten der Behörde und zu seinen Lasten gehen.1122 Anderenfalls würde ein Verhaltensanreiz geschaffen, der nicht nur zum Tierschutz, sondern auch zu Zwecken des Fundrechts konträr ist. Denn sowohl um dem Verlierer das Vermögen zu erhalten und das verlorene Objekt wieder in das Wirtschaftsleben einzugliedern,1123 als auch zur Förderung des in Art. 20a GG als Staatszielbestimmung verankerten Tierschutzes sollte das Recht in „Tierfund-Fällen“ eher Anreiz zum Tätigwerden, nicht zum Untätigbleiben geben. (b) „Fundtier“-Eigenschaft im Zweifel zu bejahen? Auf § 967 BGB kann als Argumentationsbaustein zur Herleitung eines BehördenGeschäfts indes nicht zurückgegriffen werden, wenn es sich bei dem betreffenden Tier schon um gar kein „Fundtier“ im Sinne der § 965 ff. BGB handelt.1124 Die §§ 965 ff. BGB finden nur Anwendung auf eine „verlorene“ Sache, das heißt die besitzlos, aber nicht herrenlos ist.1125 Tiere, an denen nie Eigentum bestanden hat, wie wilde Tiere im Sinne des § 960 Abs. 1 S. 1 BGB, oder auch Tiere, an denen das Eigentum wirksam im Wege der Dereliktion (§ 959 BGB) aufgegeben wurde,1126 1122
So aber VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 71 ff. Vgl. dazu Bamberger/Roth-Kindl § 965 BGB Rn. 1 (41. Ed. 2016). 1124 Dann allerdings ggf. Zuständigkeit der Tierschutzbehörde, nicht der Fundbehörde, vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 21. 09. 2016 – 3 A 549/15 – juris. 1125 Hk-Schulte-Nölke § 965 BGB Rn. 1 (9. Aufl. 2017); VG Gießen, Urt. v. 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01, NVwZ-RR 2002, 95, 96; Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367; Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 20; VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris, Tz. 19; OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; Urt. v. 30. 01. 2013 – 3 L 93/ 09 – juris; OVG Bautzen, Urt. v. 21. 09. 2016 – 3 A 549/15 – juris, Tz. 312; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 32; VG Regensburg, Urteile v. 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231, BeckRS 2014, 55823/RO 4 K 13.1851, BeckRS 2015, 42611; VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, Tz. 21; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326; Stollenwerk, KommJur 2010, 49. 1126 Eine Eigentumsaufgabe an Tieren im Sinne des § 959 BGB ist allerdings dann gem. § 134 BGB unwirksam, wenn es sich dabei – wie im Regelfall – um ein Aussetzen der Tiere im Sinne von § 3 S. 1 Nr. 3, 4 TierSchG handelt, Hk-Schulte-Nölke § 959 BGB Rn. 1 (9. Aufl. 2017); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 116 (3. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 138 (1. Aufl. 2002) (gemeint ist dort wohl § 134 statt § 104 BGB); VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 20; OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/ 06, BeckRS 2011, 51885 u. Urt. v. 30. 01. 2013 – 3 L 93/09 – juris, Tz. 74; OVG Bautzen, Urt. v. 21. 09. 2016 – 3 A 549/15 – juris; offen gelassen in OVG Münster, Beschl. v. 01. 08. 2016 – 5 B 1123
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
unterfallen daher §§ 965 ff. BGB nicht. Die Beweislast dafür, dass es sich um ein verlorenes und kein herrenloses Tier handelt, trifft dabei nach allgemeinen Grundsätzen den Finder, wenn er sich zu seinen Gunsten auf die Vorschriften der §§ 965 ff. BGB beruft.1127 Allerdings gibt es in Schrifttum und Rechtsprechung an dieser Stelle Ansätze, die Regeln der (öffentlich-rechtlichen) GoA in „Tierfund-Fällen“ im Lichte von Art. 20a GG auszulegen. Art. 20a GG beinhalte „eine Wertung von Verfassungsrang, die dort verletzt“ sei, „wo eine Norm den Tierschutz im Einzelfall offensichtlich grundlegend“ missachte; dies lege den Schluss nahe, dass „auch eine tatbestandlich unbestimmte Norm bei ihrer Anwendung auf den konkreten Fall nicht so ausgelegt werden“ dürfe, „dass die Anliegen des Tierschutzes dabei offensichtlich und grundlegend missachtet werden“.1128 Das Schutzgebot des Art. 20a GG sei Auslegungs- und Abwägungshilfe für die vollziehende Gewalt bei der Ausfüllung von Ermessensvorschriften und müsse bei der erforderlichen Konkretisierung der Vorgaben des Gesetzgebers etwa durch Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe und Auslegung von Gesetzesbestimmungen verfolgt werden.1129 Als Konsequenz wird aus Art. 20a GG oder generell „aus Gründen des Tierschutzes“1130 hergeleitet, entgegen der grundsätzlichen Beweislastverteilung solle im Zweifel davon ausgegangen werden, dass es sich um ein verloren gegangenes (und kein herrenloses) Tier im Sinne 1265/15, NJW 2016, 3673, 3674; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, 1607, Tz. 22; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326; BVerwG, Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16 – juris, Tz. 13 ff. 1127 Gegen die Herrenlosigkeit sprechen etwa ein gepflegter Zustand, ein zahmes Wesen und Zuordnungsmerkmale wie eine Tätowierung, siehe VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris, Tz. 20; OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 339; VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 23; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 37; Stollenwerk, KommJur 2010, 49, 50. Für die FundtierEigenschaft soll auch sprechen, wenn das Tier sich in einer hilflosen Lage befindet und aus eigener Kraft trotz Wollens nicht mehr zum Eigentümer oder Besitzer zurückkehren kann, siehe OVG Münster, Beschl. v. 01. 08. 2016 – 5 B 1265/15, NJW 2016, 3673, 3674; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 37; VG Gießen, Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367; OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391. Beispiele für die Verneinung der Fundtier-Eigenschaft: VG Gießen, Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367 u. Urt. v. 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01, NVwZ-RR 2002, 95. 1128 Oechsler, JuS 2016, 215, 216 f. 1129 VG Gießen, Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391. 1130 So OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; VG Ansbach, Urt. v. 26. 09. 2011 – AN 10 K 11.00205 – juris, Tz. 29; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391; in eine ähnliche Richtung auch OVG Münster, Beschl. v. 01. 08. 2016 – 5 B 1265/15, NJW 2016, 3673, 3674; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 37; VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606 f., Tz. 22: Dereliktion dürfe nur angenommen werden, wenn sie offensichtlich sei.
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des § 965 BGB handele und damit § 967 BGB anwendbar sei.1131 Diese Auslegung trage „der im Lichte des Art. 20a GG zu betrachtenden Aufgabe der Rechtsordnung Rechnung, dass der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere zu gewährleisten“ sei. Denn somit sei die Fundbehörde zunächst zuständig und die so geschaffene Rechtsklarheit trage „nicht unwesentlich zur Verminderung tierischen Leidens und zur Förderung des Staatsziels Tierschutz bei“.1132 Diese Zweifelsregelung wurde bereits von einem Teil der Rechtsprechung1133 und offenbar auch in der Behördenpraxis1134 angewendet und ist jüngst höchstrichterlich1135 bestätigt worden. Sie ist jedenfalls bei typischen Haustieren und damit nicht-wilden Tieren im Sinne des § 960 Abs. 1 BGB folgerichtig, sobald von einer einmal bestandenen menschlichen Obhut auszugehen ist. Denn solche Tiere lassen sich in Deutschland regelmäßig ab ihrer Geburt (§ 953 BGB) rechtlich einem Eigentümer zuordnen; und einer späteren Eigentumsaufgabe steht § 134 BGB in Verbindung mit § 3 S. 1 Nr. 3, 4 TierSchG entgegen.1136 Auf dieses Argument stellt auch das BVerwG ab: Insbesondere die – regelmäßig anzunehmende – Nichtigkeit einer Dereliktion führe in aller Regel dazu, dass die Anwendbarkeit des Fundrechts ohne weiteres zu bejahen sei. Auch wenn das Fundrecht primär auf den Schutz des Interesses des Eigentümers und nicht des Tieres angelegt sei, entfalte es praktisch tierschützende Wirkung.1137 (3) Tierleiden als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Die Zuordnung der Versorgung – insbesondere kranker oder verwahrloster – gefundener Tiere als behördliche Aufgabe kann sich auch aus einer gefahrenabwehrrechtlichen Zuständigkeit ergeben. Damit ist nicht der gefahrenabwehrrechtliche Charakter des Fundrechts1138 gemeint, sondern das TierSchG: Bei einem ent1131
Oechsler, JuS 2016, 215, 217; MüKo-Oetker § 967 BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017); VG Gießen, Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326. 1132 VG Gießen, Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391. 1133 VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 20; Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391; das OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885 und VG Ansbach, Urt. v. 26. 09. 2011 – AN 10 K 11.00205 – juris stützen dies auf die Grundsätze des Polizei- und Ordnungsrechts zur Anscheinsgefahr. Bei der allgemeinen Beweislastregel belassen will es dagegen AG Schönau, Urt. v. 11. 04. 2000 – C 71/99 – juris; a. A. wohl auch VG Gießen, Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367. 1134 Stollenwerk, KommJur 2010, 49, 50. 1135 BVerwG, Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16 – juris, Tz. 16. 1136 Siehe vorne Fn. 1126. 1137 BVerwG, Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16 – juris, Tz. 16. Ergänzend argumentiert das BVerwG mit dem Zweck des Fundrechts, einen dauerhaften Verlust von Sachen zum Schutz des Eigentümers zu verhindern. 1138 Vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885: „das öffentlich-rechtliche Fundrecht als Spezialmaterie des allgemeinen Ordnungsrechts“; BVerwG,
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gegen § 3 S. 1 Nr. 3 TierSchG ausgesetzten Tier ist beispielsweise ein Verstoß gegen das TierSchG gegeben und es obliegt gemäß § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG der zuständigen Tierschutzbehörde, die zur Beseitigung des Verstoßes notwendigen Anordnungen zu treffen und gegebenenfalls das Tier im Wege des Sofortvollzugs in Obhut zu nehmen.1139 Handelt es sich offensichtlich um ein herrenloses und damit kein Fund-Tier, kommt die Herleitung eines Behörden-Geschäfts ohnehin allein unter dem Gesichtspunkt des Gefahrenabwehr-Charakters der Tier-Versorgung in Frage.1140 Dieser ergibt sich nicht nur zum Beispiel mit Blick auf Hygiene und eine Vermeidung der Verbreitung von Krankheiten und Tierseuchen, sondern auch aus „Tierwohl“-Erwägungen: So urteilte etwa das VG Gießen, „das Dahinsiechen einer unter erheblichen Schmerzen leidenden unheilbar kranken Katze“ stelle „einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung (…) dar“. Es sei „mit den hiesigen herrschenden ethischen Wertvorstellungen, die für ein gedeihliches Zusammenleben als unabdingbar angesehen werden, nicht vereinbar, ein solches Tier unversorgt in seinem qualvollen Zustand weiter leiden zu lassen“.1141 Anknüpfungspunkte für eine Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne erkennt Thüsing1142 insbesondere, wenn die Leidenssituation eines Tieres nicht durch die Natur, sondern vom Menschen pflichtwidrig herbeigeführt wurde (beispielsweise durch Aussetzen oder Anfahren des Tieres). Im Untätigbleiben könne hier zum einen ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu sehen sein. Zum anderen könne dies dem Handlungsgebot des § 1 TierSchG widersprechen und damit einen Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit bilden. Die Handlungspflicht treffe dann zwar grundsätzlich diejenige Person, der die Leidenssituation des Tieres zuzurechnen sei. Der Staat habe aber durch geeignete Zwangsmittel – insbesondere Ersatzvornahme – die Erfüllung dieser Handlungspflichten durchzusetzen; ob sich letztlich ein Pflichtiger finde, und die Kosten beigetrieben werden könnten, sei eine nachrangige und von der Frage des Bestehens einer Ordnungspflicht zu unterscheidende Problematik. Jedoch gelte das Verhältnismäßigkeitsprinzip, aus dem folgen könne, dass die Ordnungsbehörde im Regelfall nicht zur Veranlassung einer aufwendigen Heilbehandlung des Tieres verpflichtet sei, sondern nur zum schmerzlosen Töten. Andere1143 stehen der Annahme einer Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne durch herumstreunende, verletzte Tiere restriktiver gegenüber. Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16 – juris, Tz. 20: „die Aufgaben der Fundbehörden [sind] hoheitlicher Natur (…) und waren ursprünglich den Polizeibehörden zugewiesen“. 1139 Siehe BVerwG, Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16 – juris, Tz. 24. 1140 Siehe auch Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 118 (3. Aufl. 2016). 1141 VG Gießen, Urt. v. 30. 05. 1994 – 7 E 358/92, NVwZ-RR 1995, 144. 1142 Thüsing, NVwZ 1997, 563 f. 1143 OVG Münster, Beschl. v. 06. 03. 1996 – 13 A 638/95, NVwZ-RR 1996, 653; ebenfalls krit. Stollenwerk, KommJur 2010, 49, 51; vgl. auch VG Koblenz, Urt. v. 06. 02. 2013 – 2 K 907/ 12.KO – juris.
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bb) Einfluss des Tierschutzes auf die Frage, ob GoA „berechtigt“ Auch in der Frage, ob es sich bei vorgenommenen Versorgungsmaßnahmen zugunsten eines Fundtieres um eine berechtige GoA handelt, macht sich ein Einfluss von Tierschutz-Aspekten bemerkbar: (1) § 681 BGB: Vorrangige Entschließung der Behörde Sieht man die Versorgung eines aufgegriffenen Tieres als ein Geschäft der zuständigen Fund- oder Gefahrenabwehrbehörde an, trifft den Finder gemäß § 681 S. 1 BGB grundsätzlich die Pflicht, den Fund der Behörde anzuzeigen1144 und deren Entschließung abzuwarten. Der Vorschrift kommt hier besonders vor dem Hintergrund Bedeutung zu, dass der Behörde regelmäßig verschiedene Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Fundtieren zur Verfügung stehen und dieser Spielraum der Behörde – wie generell bei der Übernahme behördlicher Aufgaben durch Private im Wege öffentlich-rechtlicher GoA – gewahrt bleiben muss. Eine Ausnahme von der Pflicht, die Entschließung des Geschäftsherrn abzuwarten, lässt § 681 S. 1 BGB allerdings zu, solange die Anzeige untunlich und mit dem Aufschub des Geschäfts Gefahr verbunden ist. Hiervon kann unter Tierschutz-Gesichtspunkten auszugehen sein, wenn das Tier zu einem Zeitpunkt aufgefunden wird, in dem die zuständige Behörde nicht erreichbar ist,1145 oder wenn es sich um eine Notbehandlung handelt.1146 (2) §§ 683 S. 1, 679 BGB: Interesse und Wille der Behörde Um eine berechtigte GoA anzunehmen, muss die Versorgung des Tieres dem Willen und Interesse des Geschäftsherrn – hier: der zuständigen Behörde – entsprechen. Bei Pflegemaßnahmen, die nach § 2 TierSchG geboten sind, dürfte dies schon allein deshalb der Fall sein, weil es im objektiven Interesse der Behörde liegt, sich rechtskonform zu verhalten. Zur gebotenen Pflege können zwar auch Grundmaßnahmen wie Entwurmung und Immunisierung zählen, jedoch ist bei diesen mit 1144 Im Falle von Fundtieren ergibt sich die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige zudem aus § 965 II BGB. 1145 Zum Teil wurde auch vertreten, bei Unerreichbarkeit der zuständigen (Fund- oder Ordnungs-)Behörde könne man sich an die Polizei wenden, VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 44; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris, Tz. 57. 1146 Vgl. VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391; BeckOGK-Schermaier § 970 BGB Rn. 9, 9.1 (01. 01. 2017); MüKo-Oetker § 967 BGB Rn. 6 (7. Aufl. 2017). Auf die Frage, ob es sich um ein Geschäft der Fundbehörde handelt, hat dies aber keinen Einfluss. Nicht nachvollziehbar daher VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957. Ebenso wenig sollte dies dazu führen, dass der Begriff der „Ablieferung“ i. S. d. § 967 BGB überdehnt wird – so aber VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326: „Da es sich bei den Fundsachen um Tiere handelt, die eine besondere Verwahrung benötigen, d. h. die artgerecht untergebracht und ernährt werden müssen, und im vorliegenden Fall beide Tiere noch ärztlicher Betreuung bedurften, ist der Ablieferungspflicht mit der Anzeige Genüge getan.“ (Hervorhebung durch Verf.).
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
einem kurzen Aufschub keine Gefahr verbunden, sodass ein voreiliges Tätigwerden hier die Pflicht des § 681 S. 1 BGB verletzt. Jenseits der Fälle einer Gefahr im Verzug lehnen Schrifttum1147 und die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung1148 deshalb auch einen Aufwendungsersatzanspruch des Finders oder des für ihn tätig gewordenen Tierarztes oder Tierheims gegen die Fundbehörde ab, wenn das Fundtier nicht bei ihr abgeliefert worden war (oder gar der Fund nicht einmal angezeigt wurde). Hat die Behörde allerdings Aufwendungen erspart, kommt ein Wertersatzanspruch nach §§ 684 S. 1, 818 Abs. 2 BGB1149 oder ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch1150 in Frage. Jedenfalls bei einer nach Tierschutzrecht gebotenen (Not-)Versorgung wird es sich indes um eine berechtigte Geschäftsführung handeln. Ein etwaiger anders lautender tatsächlicher Wille der Behörde kann dann gemäß § 679 BGB unbeachtlich sein.1151 Danach kommt ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Zur Begründung eines öffentlichen Interesses an der Geschäftsführung wurde in „Tierfund-Fällen“ auch mit der in Art. 20a GG zum Ausdruck kommenden Wertigkeit des Tierschutzes argumentiert.1152 Freilich darf durch § 679 BGB ein der Behörde zustehendes Ermessen nicht unterwandert werden.1153 1147
MüKo-Oetker § 967 BGB Rn. 6 (7. Aufl. 2017). VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris; VG Aachen, Urt. v. 23. 01. 2017 – 4 K 864/14 – juris; VGH München, Urteile v. 27. 11. 2015 – 5 BV 15.1409, BeckRS 2016, 41760/5 BV 14.2048 – juris/5 BV 15.1284 – juris/5 BV 14.1737 – juris; VG Regensburg, Urteile v. 05. 08. 2014 – RO 4 K 13.1231, BeckRS 2014, 55823/RO 4 K 13.1851, BeckRS 2015, 42611; VG Gießen, Urt. v. 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01, NVwZ-RR 2002, 95 ff.; Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367 – in den beiden letztgenannten Fällen wurde aber auch schon die Fundtier-Eigenschaft verneint. 1149 MüKo-Oetker § 967 BGB Rn. 6 (7. Aufl. 2017). 1150 BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922, 924. 1151 VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris, Tz. 27 ff.; VG Gießen, Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; OVG Greifswald, Urt. v. 12. 01. 2011 – 3 L 272/06, BeckRS 2011, 51885; VG Ansbach, Urt. v. 26. 09. 2011 – AN 10 K 11.00205 – juris; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, 1607, Tz. 29; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391; MüKoOetker § 967 BGB Rn. 6 (7. Aufl. 2017). 1152 VG Gießen, Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742. 1153 Speziell für Tierfund-Fälle: OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 340; VG Gießen, Urt. v. 05. 09. 2001 – 10 E 2160/01, NVwZ-RR 2002, 95, 97; Urt. v. 02. 03. 2016 – 4 K 84/15.G, I, BeckRS 2016, 43367; Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/ 11.GI, BeckRS 2012, 49742; VG München, Urteile v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5098, BeckRS 2015, 47956/M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326. Allgemein: BGH, Urt. v. 02. 04. 1998 – III ZR 251/96, VIZ 1998, 401, 403; Urt. v. 15. 12. 1977 – III ZR 159/75, NJW 1978, 1258, 1259; BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922, 923. 1148
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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Insofern ist durch eine (schon jetzt gängige) restriktive Auslegung von § 679 BGB die Wahrung des behördlichen Ermessens sicherzustellen. Die Behörde bleibt auf diese Weise auch im Wesentlichen Herrin der Kosten. Das den Finder treffende gewisse Prognoserisiko hinsichtlich des Willens der Behörde und hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 679 BGB vermindert den Anreiz für Missbräuche und eine Verursachung unangemessen hoher Kosten zulasten öffentlicher Kassen. Eine Grenze bilden aber konkrete Gebote des Tierschutzrechts. Diese kann die Behörde nicht mit einem entgegenstehenden Willen überlagern: Eine Aushöhlung des behördlichen Spielraums droht nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung dann nicht, wenn sich das Ermessen auf null reduziert,1154 nämlich auf eine tierschutzrechtlich gebotene Behandlungspflicht verdichtet hat,1155 oder wenn die Behörde trotz Zuständigkeit ein Tätigwerden generell ablehnt.1156 Soweit hier Behörden geltend machen, sie hätten sich aus Kostengründen für die Einschläferung statt der Behandlung des gefundenen Tieres entschieden, wird dem in Rechtsprechung1157 und Schrifttum1158 entgegengehalten, dies sei mit der Wertung der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG nicht vereinbar. Aus Art. 20a GG folge, dass sich die Gemeinde bei ihrer Willensbildung nach § 683 S. 1 BGB „nicht ausschließlich an einer Kosten-Nutzen-Analyse orientieren“ dürfe. Der Wille der Gemeinde, am Wohl des Tieres nicht weiter interessiert zu sein, oder der Wunsch, das Tier aus Gründen der Kostenersparnis töten zu lassen, sei daher „unter dem Einfluss des Art. 20a GG (…) wegen eines entgegenstehenden öffentlichen Interesses nach § 679 als unbeachtlich“ anzusehen.1159 Anderenorts verweist man in etwas zweifelhafter Radikalität auf das Pflegegebot des § 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 S. 2 TierSchG, wonach die Tötung eines verletzten Tieres nur als ultima ratio zulässig sei und daher nicht erfolgen dürfe, solange nach tierärztlichem Urteil noch Heilungsaussichten bestünden, und woraus sich ergebe,1160 dass der wirtschaftliche Wert eines Tieres für die Durchführung einer tierärztlichen Behandlung grundsätzlich keine Rolle spiele.1161 1154
BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 12 (01. 11. 2016); Staudinger-Bergmann § 679 BGB Rn. 19 (Neubearb. 2015). 1155 So angenommen im Fall des OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 341; VG Saarlouis, Urt. v. 24. 04. 2013 – 5 K 593/12, BeckRS 2013, 52391. 1156 VG Gießen, Urt. v. 27. 02. 2012 – 4 K 2064/11.GI, BeckRS 2012, 49742; VG München, Urt. v. 16. 04. 2015 – M 10 K 14.5633, BeckRS 2015, 47957; VG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2013 – 4 K 29/13, BeckRS 2016, 40326; BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922, 923. 1157 VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris, Tz. 29. 1158 Oechsler, JuS 2016, 215, 217; MüKo-Oetker § 967 BGB Rn. 6 (7. Aufl. 2017). 1159 Oechsler, JuS 2016, 215, 217. 1160 VGH München, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 BV 14.1846, NJW 2016, 1606, 1607, Tz. 29; OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 341; a. A. VG Dresden, Urt. v. 28. 04. 2011 – 6 K 1248/09 – juris, Tz. 21: „eine gesetzliche Pflicht dahingehend, jede Heilbehandlungsmaßnahme durchzuführen, die Erfolg verspricht, besteht nicht“. 1161 OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338, 341.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Richtigerweise gilt für Behörden hier der allgemeine Maßstab des TierSchG, aus dem keine unbedingte Pflicht zur Behandlung folgt und das durch das Kriterium des „vernünftigen Grundes“ (§ 1 S. 2 TierSchG) nach gängiger Lesart auch wirtschaftliche Erwägungen zulässt.1162 Verfehlt sein dürfte – soweit es um den Willen und das Interesse der Behörde geht – hinsichtlich der Höhe der Behandlungskosten mit § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zu argumentieren1163. Danach sind die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen. Diese in ihrem speziellen schadensrechtlichen Kontext zu sehende Sonderregelung bezweckt, wie an späterer Stelle noch näher auszuführen ist,1164 den Schutz besonderer ideeller Interessen am Tier. Unabhängig von der in den Fund-Fällen höchst ungewissen Frage, ob der konkrete Eigentümer des Fundtieres ein starkes Affektionsinteresse an ihm hat, ist jedenfalls aufseiten der Behörde und damit des Geschäftsherrn ein solches gerade nicht gegeben. cc) Perspektive Gerichte, die sich gegen eine auf Tierschutz-Gesichtspunkte gestützte besondere fundrechtliche Behandlung von Tieren ausgesprochen haben, argumentierten teils auch damit, der in Art. 20a GG enthaltene Schutzauftrag richte sich primär an den Gesetzgeber. Von der Möglichkeit, spezielle Vorschriften für den Fund von Tieren zu erlassen, habe dieser jedoch nicht Gebrauch gemacht.1165 In der Tat schufen andere Rechtsordnungen im Zuge von Novellierungsgesetzen über die zivilrechtliche Behandlung von Tieren in jüngerer Vergangenheit unter anderem Sonderregelungen für den Fund von Tieren.1166 Insofern erschiene es nicht abwegig, dass kurz- bis mittelfristig auch der deutsche Gesetzgeber auf diesem Sektor aktiv wird. Ob er solches für erforderlich hält, hängt sicher auch davon ab, wie er die jüngeren Positionierungen der Rechtsprechung1167 rechtspolitisch bewertet. Im Jahr 2011 gab es bereits einen konkreten Anlauf, spezielle gesetzliche Regelungen „für die Betreuung und Unterbringung von verlorenen oder entlaufenen sowie 1162 1163
341. 1164
Siehe hierzu schon vorne ab Fn. 1015. Wie hier in OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338,
Zur ratio legis von § 251 II 2 BGB ausführlich ab Fn. 1270. VG Gießen, Urt. v. 16. 02. 2017 – 4 K 3594/16.GI – juris, Tz. 35; VGH München, Urteile v. 27. 11. 2015 – 5 BV 15.1409, BeckRS 2016, 41760, Tz. 38/5 BV 15.1284 – juris, Tz. 39/5 BV 14.2048 – juris, Tz. 32/5 BV 14.1737 – juris, Tz. 43. 1166 Etwa in Art. 720a, Art. 722 Abs. 1bis und 1ter sowie Art. 728 Abs. 1bis des schweizerischen ZGB, eingefügt mit Wirkung zum 1. April 2003 durch Ziff. I des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463, 464, oder Art. 1323 des portugiesischen Código Civil, eingefügt mit Wirkung zum 1. Mai 2017 durch Art. 2 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017 – 03 – 03. 1167 Etwa BVerwG, Urteile v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16/3 C 7/16 – juris. 1165
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ausgesetzten, zurückgelassenen oder anderweitig herrenlosen Tieren“ zu initiieren.1168 Dieser blieb aber erfolglos. b) Einschreiten Privater gegen tierschutzwidrige Zustände im Wege der GoA aa) Inhalt des Vorschlags von Cirsovius Als Lösungsansatz, um dem Vollzugsdefizit bei der behördlichen Durchsetzung des Tierschutzes abzuhelfen, hat Cirsovius1169 vorgeschlagen, Tierschützer könnten im Wege der GoA beispielsweise „Nutztiere aus offensichtlich quälerischen Intensivhaltungssystemen schonend entfernen“, sie anderweitig verhaltensgerecht unterbringen und nach §§ 683, 670 BGB vom Tierhalter Aufwendungsersatz für die „entstandenen Transport-, Futter-, Unterbringungs- und Tierarztkosten“, sowie für etwaige aufgetretene Schäden und gegebenenfalls eine Vergütung für ihre Tätigkeit verlangen.1170 Ein entgegenstehender Wille des Tierhalters sei dabei unter bestimmten Umständen nach § 679 BGB unbeachtlich. Cirsovius argumentiert hier mit der „erhebliche[n] Aufwertung“, die der Tierschutz durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Gesetz erfahren habe, und mit der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG.1171 Jedenfalls bei der Beseitigung von Handlungen und Unterlassungen, die den strafbewehrten Bereich der Tierquälerei tangierten (§ 17 TierSchG), sei ein genügendes öffentliches Interesse im Sinne von § 679 BGB zu bejahen. Doch selbst unterhalb dieser Schwelle greife § 679 BGB (analog), wenn die Tierhaltung „der heute herrschenden Rechts- und Sozialmoral in Einklang mit Art. 20a GG“ widerspreche. Zwar sei die Verfolgung von Rechtsverstößen grundsätzlich nicht Aufgabe Privater, sondern Angelegenheit der Behörden. Sei jedoch, wie bei gravierenden Verstößen gegen das TierSchG häufig der Fall, das behördliche Ermessen auf null reduziert, und im Hinblick auf § 17 TierSchG in Verbindung mit Art. 20a GG ein unverzügliches Handeln erforderlich, und schritten die Behörden infolge „chronischer Überforderung“ trotz dessen nicht gegen den Tierhalter ein, liege die Aktivität Privater im öffentlichen Interesse und verbleibe „fast immer als einzig praktikable Alternative“. Wegen § 681 S. 1 BGB1172 soll aber Voraussetzung sein, dass der Tierhalter als Geschäftsherr vorher in Kenntnis gesetzt wird und trotz Aufforderung die Missstände in seinem Betrieb nicht abstellt.1173 1168 BR-Drs. 408/11 (Entschließung des Bundesrates zur Unterbringung von aufgefundenen Tieren). 1169 Cirsovius, AuR 2005, 152 ff. 1170 Cirsovius, AuR 2005, 152, 154. 1171 Cirsovius, AuR 2005, 152, 153 f. 1172 Nebenpflicht des Geschäftsführers, die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, dem Geschäftsherrn anzuzeigen und, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, dessen Entschließung abzuwarten. 1173 Cirsovius, AuR 2005, 152, 154.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
bb) Bewertung (1) Geschäftsführung für den Tierhalter Die Entfernung von Tieren aus tierschutzwidrigen Zuständen und deren anderweitige Unterbringung wäre für einen als Geschäftsführer auftretenden Tierschützer ein objektiv fremdes Geschäft: Den Tierhalter trifft nach § 2 TierSchG die Pflicht, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen, sowie seine Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung nicht so einzuschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Die Erfüllung dieser Pflicht gehört damit objektiv in den Rechtskreis des Tierhalters. Dass ein Dritter im Wege der GoA zur Beseitigung tierschutzwidriger Zustände einschreitet, wird allerdings dem Willen des Tierhalters in aller Regel widersprechen. Cirsovius verweist in diesem Zusammenhang auf die Unbeachtlichkeit des Willens des Geschäftsherrn gemäß § 679 BGB. Läge durch Anwendung von § 679 BGB eine berechtigte GoA vor, hätte dies nicht nur den von Cirsovius angesprochenen Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers nach § 683 S. 1, 670 BGB, beispielsweise für Unterbringungs- und Transportkosten, zur Folge. Auch könnte die berechtigte GoA dem Geschäftsführer womöglich als Rechtfertigungsgrund im Hinblick auf die mit der „Tierbefreiung“ einhergehenden Eigentumsverletzungen (§ 823 Abs. 1 BGB) dienen1174 und ihm ein Recht zum Besitz an den Tieren im Sinne des § 986 S. 1 BGB1175 verleihen. Zur Durchsetzung des Tierschutzes könnte sich ein Dritter also im Wege der GoA gleichsam zur Privatpolizei aufschwingen. Gegenüber diesem Ansatz ist Zurückhaltung geboten.1176 Dabei ist zunächst zu differenzieren: Für den Fall, dass ein Verstoß gegen Tierschutzvorschriften objektiv gar nicht gegeben ist, der Geschäftsführer dies also nur irrig annimmt, scheidet § 679 BGB schon deshalb aus.1177 Der Tierschützer handelt dann als unberechtigter 1174 Nach h. L. bildet die berechtigte GoA einen Rechtfertigungsgrund im Deliktsrecht, vgl. Hk-Staudinger § 823 BGB Rn. 77 (9. Aufl. 2017); Bamberger/Roth-Gehrlein § 677 BGB Rn. 20 (41. Ed. 2016); jurisPK-Lange § 677 BGB Rn. 45 (7. Aufl. 2014); Soergel-Beuthien Vor §§ 677 ff. BGB Rn. 11 (13. Aufl. 2012); Palandt-Sprau Einf. V. 677 BGB Rn. 5, 11 (76. Aufl. 2017); MüKo-Schäfer § 677 BGB Rn. 90 (7. Aufl. 2017); abweichend noch MüKo-Seiler Vorbemerk. zu §§ 677 ff. BGB Rn. 17 in der Vorauflage; abweichend auch Staudinger-Bergmann Vorbemerk. zu §§ 677 ff. BGB Rn. 99 (Neubearb. 2015). 1175 Vgl. BeckOGK-Spohnheimer § 986 BGB Rn. 46 (01. 11. 2016); Jauernig-Berger Vorbemerk. zu §§ 987 – 993 BGB Rn. 15 (16. Aufl. 2015); Hk-Schulze Vorbemerk. zu §§ 677 – 687 BGB Rn. 13 (9. Aufl. 2017); Bamberger/Roth-Fritzsche § 986 BGB Rn. 10 (41. Ed. 2016); Palandt-Sprau Einf. V. § 677 BGB Rn. 12 (76. Aufl. 2017). 1176 Skeptisch auch BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 22 (01. 11. 2016), allerdings mit fragwürdiger Begründung (Zirkelschluss). 1177 Denn § 679 BGB greift nicht, wenn der Geschäftsführer irrtümlich dessen Voraussetzungen für gegeben hält, so schon RG, Urt. v. 13. 11. 1935 – V 99/35, RGZ 149, 205, 207; Soergel-Beuthien § 679 BGB Rn. 4 (13. Aufl. 2012); BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 15 (01. 11. 2016); Bamberger/Roth-Gehrlein § 679 BGB Rn. 2 (41. Ed. 2016).
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Geschäftsführer und unterliegt der umfassenden Haftung für durch ihn verursachte Schäden. Doch selbst im Falle eines tatsächlichen Verstoßes gegen das TierSchG berechtigt § 679 BGB nicht zum Eingreifen. Nach § 679 Alt. 1 BGB ist ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Einigkeit besteht dabei insoweit, als das allgemeine öffentliche Interesse an der Beachtung der Rechtsordnung hierfür nicht ausreicht.1178 Vielmehr ist ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Erfüllung gerade dieser Pflicht erforderlich,1179 etwa indem durch die Nichtbeachtung konkrete Nachteile für das Gemeinwohl drohen, beispielsweise weil hochrangige Individualoder Allgemeingüter konkret gefährdet sind und Abhilfe auf andere Weise nicht möglich oder nicht zu erwarten ist.1180 In diesem Zusammenhang lässt sich mit Cirsovius bei eklatanten Verstößen gegen das TierSchG, die die Schwelle der Strafbarkeit überschreiten (etwa nach § 17 Nr. 2 TierSchG), zwar das Gewicht, das die einfachgesetzliche Rechtsordnung und gar die Verfassung (Art. 20a GG) dem Tierschutz beimessen, als Argument für ein solches gesteigertes öffentliches Interesse an der Pflichterfüllung anführen. Gegen die Bejahung eines öffentlichen Interesses spricht aber, dass dadurch in diesen Fällen die gesetzlich vorgesehene Kompetenzverteilung und das Gewaltmonopol des Staates unterlaufen würden. Wenn es – wie hier – um Rechtsdurchsetzung mittels Eingriffs in absolute Rechte von Bürgern geht, ist der Kern des staatlichen Gewaltmonopols betroffen. Insofern unterscheidet sich die Entfernung von Tieren aus tierschutzwidrigen Zuständen deutlich von Beispielen1181, in denen die Anwendung von § 679 BGB sonst bejaht wurde. Hinzu kommt, dass der Bürger, der auf einen solchen Verstoß aufmerksam wird, durchaus Handlungsmöglichkeiten hat, die im Einklang mit dieser Kompetenzordnung stehen, etwa indem er eine Straftat nach § 17 TierSchG anzeigt1182 (§ 158 Abs. 1 S. 1 StPO). Eine substantiierte Anzeige wird in der Regel zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer Straftat schaffen; in diesem Fall zwingt das Legalitätsprinzip (§§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 S. 1 StPO) Polizei und Staatsanwaltschaft zur Verfolgung der Hinweise. Auch wenn Cirsovius insoweit auf ein Vollzugsdefizit infolge einer Überlastung des Staates verweist, und darauf, dass die Pflicht des Tierhalters bei Ausbleiben einer unverzüglichen Reaktion der Behörden – wie von § 679 BGB vorausgesetzt – „nicht rechtzeitig erfüllt werden würde“, vermag dies nichts daran zu ändern, dass die 1178 Siehe etwa Jauernig-Mansel § 679 BGB Rn. 2 (16. Aufl. 2015): allgemeines Rechtstreueinteresse reiche nicht; MüKo-Seiler § 679 BGB Rn. 5 (in der Voraufl. = 6. Aufl. 2012). 1179 Jauernig-Mansel § 679 BGB Rn. 2 (16. Aufl. 2015); Bamberger/Roth-Gehrlein § 679 BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016); BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 14 (01. 11. 2016); Staudinger-Bergmann § 679 BGB Rn. 21 (Neubearb. 2015). 1180 BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 14 (01. 11. 2016). 1181 Überblick über Kasuistik bei Bamberger/Roth-Gehrlein § 679 BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016); MüKo-Schäfer § 679 BGB Rn. 10 (7. Aufl. 2017). 1182 Siehe dazu Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 86 (3. Aufl. 2016).
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Überwachung der Einhaltung und die Durchsetzung des Tierschutzrechts nach der gesetzlichen Konzeption den zuständigen Behörden zugewiesen ist.1183 Nur diese sind auch mit den nötigen Ermittlungs- und Eingriffskompetenzen ausgestattet; beispielsweise durch § 16 Abs. 2, Abs. 3 TierSchG, der Behörden Befugnisse verleiht, um ihre Aufsicht unter anderem über die von Cirsovius angesprochenen Nutztierhaltungen auszuüben. Auf diese Weise sind den Behörden (eher als Privaten) die Möglichkeiten gegeben, sich ein Bild von der tatsächlichen Sachlage zu verschaffen. Auch sind die Durchsetzung etwaiger behördlicher Anordnungen und die diesbezügliche Kostentragung abschließend durch das Verwaltungsvollstreckungsrecht geregelt, was bei Annahme einer GoA nach §§ 683 S. 2, 679 BGB ebenfalls überlagert würde.1184 (2) Geschäftsführung für die Tierschutzbehörde Knüpft man nicht an der Einhaltung tierschutzrechtlicher Pflichten, sondern der Durchsetzung des Tierschutzrechts an, lässt sich die Befreiung von Tieren aus tierschutzrechtswidrigen Haltungsbedingungen durch Private auch als eine öffentlich-rechtliche GoA für die zuständige Behörde deuten. In diesem Fall ist aber die Tierschutzbehörde der Geschäftsherr und somit nach § 681 S. 1 BGB deren Entschließung abzuwarten. Zur Wahrung der gesetzlichen Kompetenzordnung sollte die von § 681 S. 1 BGB vorgesehene Ausnahme, dass mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, hier – trotz des rechtlichen Gewichtes des Tierschutzes – äußerst restriktiv angewendet werden. Lehnt die Behörde ein Einschreiten ab, käme wiederum eine Unbeachtlichkeit dieses Willens nach § 679 BGB in Betracht. Jedoch steht der Behörde, abgesehen von einem etwaigen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob die Tatbestandsmerkmale der Rechtsnorm des TierSchG erfüllt sind, ein Ermessen darüber zu, ob und auf welche Weise sie einschreitet, um die Einhaltung des TierSchG sicherzustellen: Nach § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG trifft die Behörde „die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen“. Dieses behördliche Ermessen würde unterwandert, wenn ein privater Dritter im Wege der GoA finanziell verbindlich (§ 670 BGB) seine Entscheidung an die Stelle der Behördenentscheidung setzen könnte. Aufgrund dieses Gesichtspunkts lassen auch Rechtsprechung1185 und Schrifttum1186 die Anwendung von § 679 BGB 1183
Siehe § 15 I 1 TierSchG in Verbindung mit dem jeweiligen Landesrecht. Vgl. zu parallelen Überlegungen im Hinblick auf Notwehr- und Notstandsrechte zugunsten des Tierschutzes im Strafrecht: Greven, S. 184 ff. (keine Selbstjustiz). 1184 Vgl. BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 11 (01. 11. 2016). 1185 BGH, Urt. v. 02. 04. 1998 – III ZR 251/96, VIZ 1998, 401, 403; Urt. v. 15. 12. 1977 – III ZR 159/75, NJW 1978, 1258, 1259; BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922. 1186 BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 12, 14 (01. 11. 2016); Bamberger/Roth-Gehrlein § 679 BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016); Staudinger-Bergmann § 679 BGB Rn. 19 (Neubearb. 2015); MüKo-Seiler § 679 BGB Rn. 5 (in der Voraufl. = 6. Aufl. 2012).
§ 5 Das „Tierwohl“ als zivilrechtlicher Gesichtspunkt
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nur unter engen Voraussetzungen zu, wenn der eigentlich zuständigen Behörde, an deren Stelle der Geschäftsführer tätig wird, ein Ermessen zusteht. Diesen restriktiven Kurs bestätigt auch eine jüngere Entscheidung des BVerwG1187: Das Gericht weist darin auf die grundsätzliche Kritik an der GoA im öffentlichen Recht hin, nämlich dass sie die gesetzliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung in Frage stelle. Das sei besonders dort bedeutsam, wo es um Maßnahmen der Eingriffsverwaltung gehe, so auch bei Maßnahmen der Tierschutzbehörden. Mit der Anerkennung der GoA gehe die Gefahr einher, dass der Instanzen- und Rechtsweg unterlaufen werde und im Wege der Selbsthilfe Aufgaben wahrgenommen würden, auf deren Erfüllung kein Anspruch bestehe. Vor diesem Hintergrund bedürfe die Anerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs besonderer Rechtfertigung. Im Falle zwingend hoheitlich wahrzunehmender Aufgaben genüge nicht schon, dass die Aufgabenwahrnehmung im wirklichen oder mutmaßlichen Willen der zuständigen Behörde erfolge, vielmehr müsse für die Aufgabenwahrnehmung durch den Dritten ein besonderes öffentliches Interesse gegeben sein (§ 679 BGB). Für ein solches öffentliches Interesse reiche es nicht aus, dass die Wahrnehmung der Aufgabe abstrakt-generell im öffentlichen Interesse liege. Erforderlich sei ein öffentliches Interesse daran, dass gerade in der gegebenen konkreten Situation die Aufgabe von einem Dritten wahrgenommen werde. Dies bedürfe einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich sei die gesetzliche Aufgabenzuweisung zu beachten und auf die Möglichkeit zu verweisen, den Aufgabenträger im Beschwerde- oder Rechtsweg zur Aufgabenerfüllung anzuhalten. Ebenso gehe es grundsätzlich nicht an, den Aufgabenträger dort, wo die Aufgabenwahrnehmung in seinem Ermessen stehe, im Hinblick auf das „ob“ und „wie“ einer Maßnahme vor vollendete Tatsachen zu stellen und mit Kosten zu belasten. Ausnahmen werden erwogen, sobald sich das Ermessen auf null reduziert,1188 wie es etwa Cirsovius im Falle einer Straftat nach § 17 TierSchG als gegeben ansieht. Doch selbst wenn sich das behördliche Ermessen auf eine Pflicht zum Eingreifen verdichtet hat (Entschließungsermessen), räumt das Gesetz der Behörde immer noch ein Ermessen darüber ein, wie eingeschritten werden soll.1189 Dieses Auswahlermessen würde der Behörde durch das Tätigwerden einer Privatperson im Wege einer GoA entgegen der gesetzlichen Konzeption entzogen. Verweigert freilich die zuständige Behörde ein Handeln trotz objektiver Pflicht zum Einschreiten (infolge einer Ermessensreduzierung auf null), so ließe sich argumentieren, dass sie hierdurch gleichsam auf die Ausübung ihres (Auswahl-)Ermessens verzichtet und es keinen Grund gibt, § 679 BGB unter Verweis auf die gesetzlich vorgesehene Kompetenz1187
BVerwG, Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16 – juris, Tz. 26 f. BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 12 (01. 11. 2016); Staudinger-Bergmann § 679 BGB Rn. 19 (Neubearb. 2015). 1189 A. A. wohl BeckOGK-Thole § 679 BGB Rn. 12 (01. 11. 2016): Wenn das Entschließungsermessen auf null reduziert sei, schade „es nicht, wenn im Rahmen der Ausführung die als Geschäftsherr verpflichtete Behörde ihr Ausführungsermessen anders ausgeübt hätte; dies wäre allenfalls für die Haftung wegen Durchführungsverschuldens relevant.“ 1188
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
ordnung abzulehnen.1190 Korrespondiert überdies – wie in den hier betroffenen Fällen – mit dem (altruistischen) Interesse des Bürgers am Einschreiten der Behörde kein Leistungsanspruch des Bürgers (er macht kein eigenes Recht geltend – § 42 Abs. 2 VwGO; einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gibt es nicht), hat dieser auch keine Möglichkeit, förmlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, um die zuständige Behörde zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben anzuhalten; eine Unterwanderung vorgesehener Instanzenwege droht damit nicht.1191 In einer solchen Konstellation ist die Alternative zum Einschreiten des Geschäftsführers nicht, dass die Behörde handelt, sondern dass nichts geschieht. Dies liegt bei einer Ermessensreduzierung auf null nicht im öffentlichen Interesse, sodass Raum für die Anwendung des § 679 BGB bleibt. Dementsprechend verweist auch das BVerwG in der oben genannten Entscheidung darauf, im Ausnahmefall könne sich aus der sachlichen und zeitlichen Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter sowie dem Verhalten des Aufgabenträgers eine (Not-)Lage ergeben, die eine Maßnahme als unaufschiebbar erscheinen lasse und es rechtfertige, einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen.1192 Auch der BGH hat eine berechtigte GoA nach §§ 683 S. 2, 679 BGB für möglich gehalten, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalls nur eine bestimmte Behördenentscheidung in Betracht kam, das öffentliche Interesse die unverzügliche Vornahme der Maßnahme forderte und die zuständige Behörde ein Tätigwerden dennoch ablehnte.1193 In diesem engen Rahmen erscheint es vorstellbar, die Regeln der GoA ausnahmsweise für die Umsetzung des Tierschutzes zu instrumentalisieren. Jedoch handelt es sich hierbei um kein Spezifikum des Tierschutzes. Vielmehr ist die Möglichkeit zum Einsatz des Zivilrechts für im öffentlichen Interesse liegende Zwecke dem Recht der GoA (insbesondere durch § 679 BGB) in gewisser Weise immanent und der Tierschutz nur ein möglicher der darüber einführbaren öffentlichen Belange. Generell sollte diese Option nicht überbewertet werden. Zu große Erwartungen schürt daher, wer in der Anwendung der Regeln über die GoA zur Sicherstellung des Tierschutzes einen „praktikable[n] Weg zur Entlastung der Exekutive“1194 erblickt.
1190 1191 1192 1193 1194
BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922, 923. BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1988 – 4 C 5/86, NJW 1989, 922, 923 f. BVerwG, Urt. v. 26. 04. 2018 – 3 C 24/16 – juris, Tz. 27. BGH, Urt. v. 15. 12. 1977 – III ZR 159/75, NJW 1978, 1258, 1259. Cirsovius, AuR 2005, 152.
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“ Der Untersuchungsansatz dieser Arbeit, nämlich auf Basis einer breiten Rechtsprechungs- und Literaturauswertung die bei der Anwendung des Zivilrechts auf Tiere geltenden Besonderheiten zu erfassen und typisierend zu beschreiben, hat zwei markante Faktoren offengelegt, mit denen sich – so die Hypothese – ein großer Teil1195 der Eigenheiten in der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren erklären lässt. Zum einen ist dies der potentielle Einfluss von Gesichtspunkten des Tierschutzes, zum anderen die Rücksichtnahme auf immaterielle Interessen an Tieren. Die bisherigen zwei Kapitel des Hauptteils widmeten sich Beispielen für mögliche Auswirkungen von jeweils im Wesentlichen einem der Faktoren. Das dritte Kapitel nunmehr beleuchtet Beispiele des Zivil- und Zivilprozessrechts, in denen Argumentationsmuster zwischen beiden Aspekten changieren, das heißt eine bestimmte – partiell sogar gesetzlich angeordnete – besondere Behandlung von Tieren teils auf eine Berücksichtigung des „Tierwohls“, teils auf eine Berücksichtigung des Affektionsinteresses an einem Tier oder gar kumulativ auf beides zurückgeführt wird.
I. Schadensrecht: Verhältnismäßigkeit von Heilbehandlungskosten bei Verletzung eines Tieres Ein besonders signifikantes Beispiel für einen Zweiklang aus „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“ in den Argumentationsmustern ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Heilbehandlungskosten bei der Verletzung eines Tieres. Ihr wurde besondere Aufmerksamkeit zuteil, indem der Gesetzgeber sie im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht im Jahr 1990 zum Gegenstand einer eigenen Regelung machte, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB. Danach sind die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen. Der Gesetzgeber manifestierte damit einen Unterschied zu der Rechtslage bei Beschädigungen einer Sache, der sich schon vorher in Rechtsprechung und Schrifttum angedeutet hatte. Für die Zwecke dieser Arbeit steht dabei die Frage im Mittelpunkt, welche Gesichtspunkte bereits vor und dann auch nach Einfügung dieser Sondervorschrift den Ausschlag für eine bestimmte Handhabung der Ersatzfähigkeit hoher, durch verletzte Tiere verursachter Heilbehandlungskosten gaben, und welche ratio legis der Regelung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zugrunde liegt.
1195 Auszunehmen ist sicherlich der deliktsrechtliche Spezialbereich der Haftung für durch Tiere verursachte Schäden mit den ihm eigenen Zwecken und daraus folgenden Regeln.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
1. Sedes materiae: Die Verhältnismäßigkeitsgrenze in § 251 Abs. 2 BGB und ihre Schwierigkeiten bei wertlosen Gegenständen Wird ein Tier verletzt, sind für die konkrete Ausgestaltung des Schadensersatzanspruchs (in der Regel: des Eigentümers gegen den Schädiger) ebenso wie bei Beschädigungen einer Sache die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB maßgeblich. Die danach vorrangig geschuldete, das Integritätsinteresse des Geschädigten schützende Naturalrestitution besteht hier vor allem in der Heilbehandlung des Tieres, das heißt zumeist in der Übernahme der dazu erforderlichen Kosten (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB). Theoretisch kommt – wie bei vertretbaren Sachen – auch die Beschaffung eines gleichwertigen „Ersatztieres“ als Form der Naturalrestitution in Frage; dies aber wohl hauptsächlich nur bei zu wirtschaftlichen Zwecken gehaltenen Nutztieren.1196 Die Grenze des Anspruchs auf Naturalrestitution zieht das Gesetz zum Schutz des Schuldners dort, wo die Wiederherstellung „nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist“, § 251 Abs. 2 S. 1 BGB.1197 Welche Kriterien für die Bestimmung dieser Verhältnismäßigkeitsschranke herangezogen werden dürfen, ist im Einzelnen etwas streitig (zum Beispiel wirtschaftliche Verhältnisse der Parteien; Grad des Verschuldens)1198. Wichtiger Anhaltspunkt ist aber jedenfalls der Wert des beschädigten Objekts.1199 Orientierungswirkung1200 geht dabei von einer in Bezug auf Kraftfahrzeuge entwickelten Rechtsprechungslinie1201 aus, wonach die Wiederherstellungskosten den Wert des beschädigten Objekts um 30 Prozent überschreiten können, ohne als unverhältnismäßig zu gelten, um damit auf das an der vertrauten Sache bestehende Integritätsinteresse des Geschädigten Rücksicht zu nehmen.1202 Jedoch erweist sich, wie Medicus schon Ende der 1960er-Jahre aufzeigte, eine vom materiellen Wert der Sache ausgehende Bestimmung der Verhältnismäßigkeit dann als problematisch, wenn Gegenstand der Beschädigung ein Objekt ist, das nahezu keinen objektiven Wert hat und/oder das der Eigentümer individuell-sub-
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Siehe vorne bei Fn. 643. Ausgeschlossen ist der Anspruch auf Naturalrestitution gem. § 251 I BGB zudem, wenn diese nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist. 1198 BGH, Urt. v. 03. 12. 1974 – VI ZR 1/74 (BGHZ 63, 295), NJW 1975, 640, 642; ErmanEbert § 251 BGB Rn. 23 (14. Aufl. 2014); zur Berücksichtigung des Verschuldens: Hk-Schulze § 251 BGB Rn. 4 (9. Aufl. 2017); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 38 (7. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 11 (Voraufl., 39. Ed. 2011); jurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 57 (7. Aufl. 2014). 1199 So auch BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1200 Siehe etwa aus der Kommentarliteratur jurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 55 (7. Aufl. 2014). 1201 BGH, Urt. v. 05. 03. 1985 – VI ZR 204/83, NJW 1985, 2469 f.; Urt. v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90 (BGHZ 115, 364), NJW 1992, 302, 304; Urt. v. 08. 12. 1998 – VI ZR 66/98, NJW 1999, 500 f.; Urt. v. 15. 02. 2005 – VI ZR 70/04 (BGHZ 162, 161), NJW 2005, 1108, 1109. 1202 Der Sache nach lässt sich dies als rechtliche Berücksichtigung eines Affektionsinteresses werten, siehe dazu näher vorne bei Fn. 589. 1197
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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jektiv sehr wertschätzt.1203 Angesichts der mangelnden Möglichkeit eines Wertevergleichs wird auch heute noch erwogen, § 251 Abs. 2 BGB bei objektiv wertlosen Objekten mit nur immateriellem Wert für nicht anwendbar zu halten.1204 Das führt jedoch insofern nicht weiter, als es auch bei Objekten, die materiell wertlos sind, aber subjektiv als wertvoll empfunden werden, nichtsdestotrotz eine Zumutbarkeitsgrenze für den Wiederherstellungsaufwand des Schädigers geben muss.1205 Diese soll dann mithilfe von § 242 BGB ermittelt werden.1206 Exemplifiziert wurde das Phänomen schon bei Medicus nicht zuletzt an Tieren und daher die Frage aufgeworfen, „ob man im Schadensrecht Tiere wirklich anderen Sachen gleichsetzen“1207 könne; „wegen der Eigenart eines lebenden Wesens“ könnten sich hier Unterschiede zu Sachen ergeben.1208 2. Tendenzen zu einer besonderen Behandlung von Tieren vor Einfügung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB Bereits Ende der 1970er-Jahre wurde prognostiziert, „die Frage, ob Heilbehandlungskosten für das Tier vom Schädiger auch dann zu ersetzen sind, wenn sie den Zeit- oder Wiederbeschaffungswert nicht unerheblich übersteigen“, werde „mit der zunehmenden Haltung von Luxustieren immer mehr an Bedeutung gewinnen“.1209 Die Überlegung, dass für die Verhältnismäßigkeit von Heilbehandlungskosten bei einem verletzten Tier andere Grundsätze angebracht sein könnten als bei Reparaturkosten einer beschädigten Sache, kam dabei in der Gerichtspraxis schon deutlich vor Einfügung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB auf. In den Gesetzesberatungen wurde sogar die – auch im Schrifttum zu findende1210 – Position vertreten, „die 1203
Reiff, NZV 1996, 425, 429 f.; Oetker, NJW 1985, 345 ff.; Medicus, JuS 1969, 449, 452; Berg, JuS 1978, 672, 674. 1204 Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 25 (14. Aufl. 2014): § 251 II 1 BGB passe hier nicht; jurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 55/58 (7. Aufl. 2014): Ein Wertvergleich sei nur möglich, wenn das betroffene Gut einen Vermögenswert habe; im immateriellen Bereich sei § 251 II 1 BGB „nicht anwendbar“; str., vgl. MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 48 (7. Aufl. 2016). 1205 Medicus, JuS 1969, 449, 453; ähnlich Pütz, ZRP 1989, 171, 174; Brüninghaus, S. 69; Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 102. 1206 jurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 58 (7. Aufl. 2014); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 48 (7. Aufl. 2016). 1207 Medicus, JuS 1969, 449, 452. 1208 So Deutsch, JuS 1987, 673, 680. 1209 Schmid, VersR 1979, 402. 1210 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 97/98: „überflüssig“/„keinerlei (…) gesetzgeberischer Handlungsbedarf“; ähnlich Pütz, ZRP 1989, 171, 174; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 53 (7. Aufl. 2016): „streng genommen überflüssig“ (er sieht aber in § 251 II 2 BGB immerhin eine „begrüßenswerte Klarstellung“, „da die Rspr. der Instanzgerichte nicht stets einheitlich“ gewesen sei); a. A. Mühe, NJW 1990, 2238, 2239, der in § 251 II 2 BGB die Aufhebung einer bisher bestehenden Grenze im Schadensersatzrecht sieht und (so nicht zutreffend) meint, der Ersatzpflichtige habe zuvor Schadensersatz nur bis zur Höhe des Marktwertes des Tieres zu leisten gehabt; Kosten für eine – tatsächlich durchgeführte – Heilbehandlung, die den Wert des
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Aufnahme der Vorschrift erübrige sich, da diese Frage von der Rechtsprechung inzwischen praktisch gelöst sei“1211. Dem hielten die Regierungsfraktionen aber entgegen, die hierzu ergangene Rechtsprechung sei uneinheitlich und somit eine gesetzgeberische Entscheidung erforderlich.1212 a) Unterschiedliche Ansätze in der Handhabung der Verhältnismäßigkeitsgrenze In der Tat gab es vor Einführung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB unterschiedliche Ansätze, die Verhältnismäßigkeit von wertübersteigenden Heilbehandlungskosten bei einem verletzten Tier zu beurteilen. Eine Reihe von Gerichten, unter den veröffentlichten Entscheidungen wohl der überwiegende Teil,1213 ließ sich durch das Fehlen einer gesetzlichen Sonderregelung für Tiere nicht davon abhalten, die für Sachen entwickelte 130-Prozent-Grenze jedenfalls auf Heilbehandlungskosten bei der Verletzung eines aus Liebhaberei gehaltenen Tieres nicht anzuwenden.1214 Dabei spielte auch der oben erwähnte Gedanke eine Rolle, dass eine am materiellen Wert orientierte Verhältnismäßigkeitsprüfung bei objektiv wertlosen Sachen – oder hier: Tieren – fehlzuschlagen scheint, weil dann selbst ein minimaler Wiederherstellungsaufwand schon unverhältnismäßig und der Geschädigte faktisch schutzlos gestellt wäre.1215 Zum Teil unter Hinweis darauf, § 251 Abs. 2 BGB sei Ausfluss des Gedankens von Treu und Glauben, zog man in Bezug auf Heilbehandlungskosten für Tieres erheblich überstiegen, seien nicht ersatzfähig gewesen. Auch Steffen, RdL 1990, 255 sieht durch § 251 II 2 BGB eine Rechtsänderung eingetreten. 1211 BT-Drs. 11/7369, S. 7 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 1212 BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung); BT-Drs. 11/7369, S. 7 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 1213 Angemessenheit bejaht: LG München, Urt. v. 21. 06. 1978 – 34 S 19183/77, NJW 1978, 1862: Heilkosten von 1.077,70 DM für einen Hund mit einem Wiederbeschaffungswert von 350 DM; LG München I, Urt. v. 03. 08. 1988 – 14 S 7755/88, NZV 1989, 238: Heilkosten von 915,42 DM für einen 10 Jahre alten Hund; AG Hersbruck, Urt. v. 14. 03. 1990 – 3 C 1720/89, zfs 1990, 265: Heilkosten von 985 DM für einen 5 Jahre alten Mischlingshund; LG Koblenz, Urt. v. 14. 01. 1988 – 3 S 219/87, zfs 1988, 104: Heilkosten in Höhe von mehr als dem Doppelten des Wiederbeschaffungswerts eines Hundes; LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243: 1.858,05 DM für einen acht Jahre alten Hund (Wiederbeschaffungskosten: 600 DM); AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316: Heilkosten von 523,26 DM für eine 17 Jahre alte Katze; AG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 07. 03. 1986 – 3 C 534/85, VersR 1987, 1202: Begrenzung auf Heilkosten von 1.500 DM für einen vier Jahre alten Schäferhund; LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244: Begrenzung der Heilkosten auf 1.017 DM für einen neun Jahre alten Langhaardackel (Marktwert: 100 DM); LG Karlsruhe, Urt. v. 20. 02. 1986 – 5 S 422/85, NJW-RR 1986, 542: Heilkosten von 1.573,20 DM für eine Katze; AG Aschaffenburg, Urt. v. 11. 03. 1981 – C 730/80, zfs 1981, 138: Begrenzung auf Heilkosten in Höhe des doppelten Wertes eines Hundes. 1214 Zu dem Ergebnis kommt auch BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1215 Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Medicus, JuS 1969, 449, 452; Berg, JuS 1978, 672, 674; Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 102; Benicke, JA 1994, 1004, 1006; AG Hersbruck, Urt. v. 14. 03. 1990 – 3 C 1720/89, zfs 1990, 265; krit. Schmid, VersR 1979, 402, 404.
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Tiere daher zur Abwägung vielfach allgemein § 242 BGB heran.1216 Abstrakte Prozentsätze wurden dabei abgelehnt, vielmehr sollte eine Einzelfall-Abwägung entscheiden.1217 Andererseits fanden sich in Rechtsprechung1218 und Literatur1219 mitunter Stimmen, die auch bei Heilbehandlungskosten für ein verletztes Tier die Marke von 130 Prozent des Wiederbeschaffungswerts als Verhältnismäßigkeitsgrenze zugrunde legten, darüber hinausgehende Aufwendungen als unverhältnismäßig ansahen und eine besondere Behandlung im Vergleich zu Sachschäden ablehnten. Insgesamt kam in Rechtsprechung und auch der Literatur1220 gleichwohl mehrheitlich ein gewisses Unbehagen gegenüber einer solchen unmodifizierten Anwendung der Verhältnismäßigkeitsprüfung jedenfalls auf Haustiere zum Ausdruck sowie die Tendenz zu einer nicht maßgeblich von deren Wert abhängigen oder jedenfalls einer – gemessen an diesem – hohen Verhältnismäßigkeitsschwelle. Das LG Lüneburg1221 etwa betonte, aus der rechtlichen Einordnung eines Tieres als Sache, die in erster Linie für die Zuordnung von Rechtsgütern gedacht sei, könne „nicht der Schluß gezogen werden, daß lebende Tiere auch im übrigen als Sache im Rechtssinne anzusehen“ seien.1222 „An der Tatsache, daß das Tier ein lebendes Wesen ist“, komme „auch das Schadensersatzrecht nicht vorbei“.1223 Gerade dieser Umstand, so hieß es im Schrifttum, rechtfertige es, Tiere im Vergleich zu anderen Sachen rechtlich gegebenenfalls anders zu behandeln; es stehe „nirgendwo geschrieben, daß sämtliche Sachen schadensrechtlich gleich behandelt werden“ müssten. Aus dem jeweils betroffenen Normgefüge könnten sich vielmehr „zwingende Gesichtspunkte
1216
Keller, VersR 1977, 145; Medicus, JuS 1969, 449, 453; Pütz, ZRP 1989, 171, 174; AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316; AG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 07. 03. 1986 – 3 C 534/85, VersR 1987, 1202; LG Karlsruhe, Urt. v. 20. 02. 1986 – 5 S 422/ 85, NJW-RR 1986, 542; LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244; LG München, Urt. v. 21. 06. 1978 – 34 S 19183/77, NJW 1978, 1862; LG Koblenz, Urt. v. 14. 01. 1988 – 3 S 219/87, zfs 1988, 104; i. E. auch Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Schneider, JurBüro 1977, 914; Brüninghaus, S. 70. 1217 AG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 07. 03. 1986 – 3 C 534/85, VersR 1987, 1202; LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244; LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 01. 1987 – 22 S 505/86, zfs 1987, 139; Pütz, ZRP 1989, 171, 174. 1218 AG Augsburg, Urt. v. 19. 11. 1975 – 2 C 1476/75, VersR 1976, 648 – krit. hierzu Schneider, JurBüro 1977, 914; AG Hamburg, Urt. v. 21. 01. 1988 – 20b C 446/87, VersR 1988, 700; LG Essen, Urt. v. 16. 03. 1981 – 10 S 58/84, zfs 1986, 201; LG Wuppertal, Urt. v. 10. 05. 1979 – 9 S 347/78, NJW 1979, 2213. 1219 Schmid, VersR 1979, 402 ff. 1220 Brüninghaus, S. 66 ff.; Keller, VersR 1977, 145; Medicus, JuS 1969, 449, 453; Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Berg, JuS 1978, 672, 674; Pütz, ZRP 1989, 171, 172 ff.; Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 102 f. 1221 LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243. 1222 In diese Richtung auch Schneider, JurBüro 1977, 914. 1223 Zust. Pütz, ZRP 1989, 171, 173.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
ergeben, zwischen einzelnen Sachgattungen zu differenzieren“.1224 Verschiedene Gerichte trafen die Aussage, die Heilung eines verletzten Tieres könne nicht der Reparatur einer Sache1225 oder, anders gewendet, die Verletzung eines Lebewesens könne nicht mit einem Schaden an einer leblosen Sache, zum Beispiel an einem Nutzobjekt Auto, gleichgesetzt werden.1226 b) Lokalisierung der Beweggründe für eine besondere Behandlung von Tieren Es stellt sich die Frage, worauf dieser Impetus zu der schon vor Einführung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB bestehenden Tendenz einer besonderen Handhabung der Verhältnismäßigkeitsgrenze für Wiederherstellungskosten bei Tieren beruhte. aa) „Tierwohl“ Einerseits kommen „Tierwohl“-Gesichtspunkte in Betracht. Folge einer strikten Orientierung an dem gegebenenfalls geringen objektiven Wert des Tieres könnte nämlich sein, dass Heilungskosten angesichts der dann schnell erreichten Verhältnismäßigkeitsschranke nur in geringem Umfang vom Schädiger zu tragen wären. Ist der Tierhalter nicht imstande oder bereit, den darüber hinausgehenden Teil der Kosten selbst zu tragen, hieße dies, dass ein Tier mit einem geringen materiellen Wert regelmäßig aus Kostengründen nicht behandelt und gegebenenfalls getötet würde,1227 was aus dem Blickwinkel des ethisch begründeten Tierschutzes als ein nicht erstrebenswertes Ergebnis angesehen werden könnte. Dementsprechend hieß es etwa in einem Urteil des LG München Ende der 1980er-Jahre, die Konsequenz einer am objektiven Wert orientierten Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass Heilbehandlungskosten nur in Bezug auf teure Tiere verlangt werden könnten, wertlose Tiere dagegen getötet würden, stehe „nicht im Einklang (…) mit der moderneren Auffassung von der besonderen Schutzwürdigkeit der lebenden Natur, was u. a. im TierSchG seine Ausprägung gefunden“ habe.1228 Auch im Schrifttum wurde hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsgrenze unter Hinweis auf die Einheit der Rechtsordnung dazu aufgerufen, „die besondere Bedeutung des Tieres u. a. gem. dem Tierschutzgesetz zu beachten“. Dieses beschreibe das Tier nicht nur als eine Sache materiellen Wertes, sondern begründe eine besondere Beziehung und Verantwortung des Menschen allgemein und nicht nur des jeweiligen Eigentümers zu bzw. für diese Kreatur. Dadurch werde das Tier „in den Rang eines gegenüber toten Sachen höherwertigen 1224
Pütz, ZRP 1989, 171, 173. LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243; LG Koblenz, Urt. v. 14. 01. 1988 – 3 S 219/87. 1226 LG München, Urt. v. 21. 06. 1978 – 34 S 19183/77, NJW 1978, 1862. 1227 Keller, VersR 1977, 145; vgl. AG Hersbruck, Urt. v. 14. 03. 1990 – 3 C 1720/89, zfs 1990, 265. 1228 LG München I, Urt. v. 03. 08. 1988 – 14 S 7755/88, NZV 1989, 238. 1225
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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Rechtsgutes erhoben“. Aus dieser Rechtslage lasse sich ableiten, „daß der materielle Wert des Tieres nicht zu seinen wesentlichen Merkmalen“ zähle.1229 bb) Affektionsinteresse Mehr deutet in der einstigen Begründungsrhetorik jedoch darauf hin, dass eine Rücksichtnahme auf die Beziehung des Menschen zum Tier Beweggrund für die Tendenz zu einer besonderen schadensrechtlichen Behandlung von Tier-Fällen war. Treffend erscheint insofern die in einer späteren Nachlese im Schrifttum formulierte Analyse, „das besondere emotionale Verhältnis (…), das Mensch und Tier“ verbinde, sei es gewesen, das schon vor dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht einer Begrenzung der Wiederherstellungskosten auf 130 Prozent des Wertes entgegengestanden und die Rechtsprechung veranlasst habe, „die Grenzen erkennbar anders zu ziehen als bei ,leblosen Sachen‘“.1230 Bereits Ende der 1970er-Jahre hatte das LG München1231 etwa geäußert, die 130 Prozent-Richtschnur sei sicherlich auf leblose Sachen anwendbar, aber „ebenso gewiß dann nicht, wenn (…) ein Affektionsinteresse (…) im Zusammenhang eines Lebendigen (Menschen) mit einem lebenden Wesen (hier: Hund)“ bestehe. Das Gericht versuchte damals, die Berücksichtigungsfähigkeit des Affektionsinteresses im subjektbezogenen Schadensbegriff zu verorten.1232 Dieser könne „nicht unabhängig gesehen werden von den empfindungsmäßigen Momenten, die auf ein lebendiges Wesen (…) bezogen“ seien. Den Geschädigten auf den Ersatz des Wertes des Tieres zu verweisen, „würde gerade zu einer Vernachlässigung aller persönlichen Empfindungsmomente im Sinne eines Affektionsinteresses hinauslaufen“, das aber „mit einzubeziehen“ sei. „Unter besonderer Berücksichtigung (…) des Empfindungswertes, den ein lebendes Wesen für einen Lebendigen“ darstelle, läge daher auch ein Wiederherstellungsaufwand in Höhe des dreifachen Wertes des Hundes noch im Rahmen des wirtschaftlich Vernünftigen. Unter Verweis auf solche vorherigen Gerichtsentscheidungen schlussfolgerte das AG Waldshut-Tiengen1233 Mitte der 1980er-Jahre, dass „im Fall der Verletzung eines Hundes bei der Schadensermittlung der rein wirtschaftliche und materielle Wert des Hundes (…) in den Hintergrund“ trete und sich der Gedanke durchzusetzen beginne, „daß ein Hund als lebender Begleiter und Freund eines Menschen einer leblosen Sache, die stets nach ihrem gemeinen Wert zu erfassen“ sei, „und bei der der reine Liebhaberwert außer Betracht zu bleiben“ habe, „nicht gleichgesetzt werden“ könne.
1229 1230 1231 1232 1233
Pütz, ZRP 1989, 171, 174. Bocianiak, VersR 2011, 981. LG München, Urt. v. 21. 06. 1978 – 34 S 19183/77, NJW 1978, 1862. Krit. dazu Schmid, VersR 1979, 402, 403. AG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 07. 03. 1986 – 3 C 534/85, VersR 1987, 1202.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Das AG Schöneberg1234 formulierte im Jahr 1987, die Zumutbarkeitsgrenze für die Begleichung der Herstellungskosten durch den Schädiger liege „umso höher, je mehr die von der Rechtsordnung und der allgemeinen Auffassung der Rechtsgemeinschaft anerkannten, mit der Beschädigung einer Sache verbundenen sog. Affektionsinteressen eine Herstellung“ erforderten.1235 Dieses Interesse spiegele „sich darin wider, daß es bei Haustieren, die schon seit längerer Zeit bei einem Menschen“ seien, „zu Formen der Gewöhnung, Vertrautheit, ja sogar der persönlichen Beziehung“ komme. Der Aspekt des Affektionsinteresses wurde in dieser Entscheidung aber in unklarer Weise mit dem Tierschutz vermischt, denn weiter heißt es: „Entsprechend dieser besonderen Sachqualität, die sich nicht ohne weiteres mit dem wirtschaftlichen Verkehrs- oder Wiederbeschaffungswert ausdrücken“ lasse, werde „das besondere Schutzbedürfnis für (Wirbel-) Tiere als lebendige Wesen im TierSchG herausgestellt“. „Der hiernach anerkannte Erhaltungswert“ werde „verstärkt, wenn man den besonderen Empfindungswert, der sich aus der Beziehung des Menschen zu einem lebendigen, seit Jahren vertrauten Wesen“ ergebe, berücksichtige. Auch im Schrifttum war eine Tendenz zugunsten einer Einbeziehung des Affektionsinteresses des Tierhalters bei Bemessung der Verhältnismäßigkeitsgrenze erkennbar.1236 Im Falle der Verletzung von Tieren tauche „die Besonderheit auf, daß zwischen Mensch und Tier eine persönliche Bindung bestehen“ könne, die als immaterieller Wert bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sei. Es überwiege „für einige Eigentümer der ideelle Wert“; deren subjektive Wertvorstellungen deckten sich folglich nicht mit dem objektiven Werturteil. Daher sei zweifelhaft, ob die für den Schadensersatz bei der Beschädigung lebloser Gegenstände entwickelte Rechtsprechung hier anwendbar sei.1237 Selbst Stimmen, die im Ergebnis für eine schadensrechtliche Gleichbehandlung von Tieren mit Sachen bei der Bemessung der Verhältnismäßigkeitsgrenze votierten, ließen häufig im gleichen Atemzug Zweifel anklingen, ob nicht doch das Affektionsinteresse des Eigentümers an dem Tier Anlass für eine spezielle Handhabung von Tier-Fällen gebe: Eine nur am objektiven Wert orientierte Verhältnismäßigkeitsprüfung könne „in Einzelfällen zu scheinbar unbilligen Ergebnissen führen (…), insbesondere den persönlichen und gefühlsmäßigen Bindungen zwischen Hund und Hundehalter nicht immer gerecht werden“1238 und „der besonderen Beziehungen, die 1234
AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316. Das LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 01. 1987 – 22 S 505/86, zfs 1987, 139 hielt ebenfalls explizit fest, bei der Abwägung im Rahmen des § 251 II BGB könne auch das Affektionsinteresse des Geschädigten berücksichtigt werden, „also sein subjektives Wertgefühl für das Tier“; ähnlich AG Aschaffenburg, Urt. v. 11. 03. 1981 – C 730/80, zfs 1981, 138. 1236 Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Medicus, JuS 1969, 449, 452 f.; Berg, JuS 1978, 672, 674; Keller, VersR 1977, 145: es komme auf „das spezielle Interesse des Geschädigten an der Wiederherstellung“ an. 1237 Brüninghaus, S. 67. 1238 LG Wuppertal, Urt. v. 10. 05. 1979 – 9 S 347/78, NJW 1979, 2213. 1235
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zwischen Mensch und Haustier bestehen“ könnten, „keine Rechnung tragen“1239. Die in der Außerachtlassung des Affektionsinteresses zum Ausdruck kommende „mehr wirtschaftlich ausgerichtete Sichtweise des Gesetzgebers“ könne womöglich „heutigen Anschauungen (…) nicht mehr vollen Umfangs entsprechen“.1240 Unter dem Gesichtspunkt, dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung „am Maßstab von Treu und Glauben auch die allgemeinen Lebensgewohnheiten und Anschauungen“ berücksichtigungsfähig seien, könne Beachtung finden, dass „weite Kreise der Bevölkerung (…) zwischen Tieren und leblosen Sachen“ differenzierten. „Individuellen, manchmal schon persönlichen Beziehungen zwischen Mensch und Tier“ würde zuweilen eine Bedeutung beigemessen, „hinter der der Sachwert völlig“ zurücktrete, so daß eine Verweisung auf den Wiederbeschaffungswert als unzulänglich und unzumutbar angesehen“ werde. Zahlreiche Tierhalter würden „auch ohne Vorhandensein eines Ersatzpflichtigen für die Heilung ihres Tieres Kosten“ aufwenden, „die in keinem Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert“ stünden.1241 Bei Gericht wertete man denn auch die Tatsache, dass Eigentümer die kostspielige Behandlung des verletzten Tieres initiiert hatten, ohne zu wissen, ob und in welchem Umfang sie die Kosten ersetzt erhalten, als Indiz eines „sehr hoch anzusetzen[den]“ Liebhaberinteresses1242, eines „sehr hoch zu veranschlagen[den]“ besonderen Interesses1243 an dem Tier oder einer „starke[n] und gefühlsmäßige[n] Bindung“ sowie als Zeichen dafür, „daß die Erhaltung des subjektiv-individuellen Wertgefühls (…) im Vordergrund“ gestanden habe.1244 Dem trug man bei der Bemessung der Verhältnismäßigkeitsgrenze Rechnung. Es sei „mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar, einen Geschädigten, der ein berechtigtes und anerkennungswertes Interesse an seinem Tier“ habe, „darauf zu verweisen, daß er allenfalls nur den Wiederbeschaffungswert dieser ,Sache‘ ersetzt verlangen könne“.1245 Bei einer Abwägung, die die Interessen beider Beteiligten einbeziehe, könne man, so eine frühere Urteilsanmerkung1246, „schwerlich von demjenigen, der über Jahre ein Tier großgezogen und an sich gewöhnt“ habe, „verlangen, er möge es töten lassen und sich ein neues Tier kaufen, damit der Schädiger nicht zuviel zu zahlen habe“. Weitere Abwägungskriterien1247 zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrenze in der Zeit vor 1990 waren neben dem Wert des Tieres und dem am Tier
1239 1240 1241 1242 1243 1244 1245 1246 1247
LG Essen, Urt. v. 16. 03. 1981 – 10 S 58/84, zfs 1986, 201. AG Hamburg, Urt. v. 21. 01. 1988 – 20b C 446/87, VersR 1988, 700. Schmid, VersR 1979, 402, 404. LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244. LG Karlsruhe, Urt. v. 20. 02. 1986 – 5 S 422/85, NJW-RR 1986, 542, 543 f. LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 01. 1987 – 22 S 505/86, zfs 1987, 139. LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244. Schneider, JurBüro 1977, 914. Siehe auch Pütz, ZRP 1989, 171, 174; Brüninghaus, S. 69.
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bestehenden Affektionsinteresse: das Alter und die Lebenserwartung des Tieres,1248 der Grad des Verschuldens des Schädigers,1249 die Frage, ob der Schädiger versichert ist, und die Vermögensverhältnisse der Beteiligten.1250 Zudem wurde der Art und Zweckbestimmung des Tieres wichtige Bedeutung zugeschrieben.1251 Dass sich die Diskussion um einen Sonderweg für die Verhältnismäßigkeit von Heilbehandlungskosten dabei stark auf zu Freizeit-Zwecken gehaltene Tiere fokussierte, wurde zu Recht ebenfalls als Indiz dafür gewertet, dass eine Rücksichtnahme auf Affektionsinteressen, nicht (primär) auf „Tierwohl“-Gesichtspunkte den Hintergrund bildete: Wenn der Besonderheit des Tieres als lebendem Wesen Rechnung getragen werde, dann, so Brüninghaus, „nicht um des Tieres willen (…), sondern weil der Eigentümer zu seinem Tier eine enge persönliche Beziehung aufgebaut“ habe. Es gehe also „allein um die menschlichen Interessen“. Dabei werde an Nutztieren „von Juristen eine persönliche Beziehung zwischen Mensch und Tier von vornherein geleugnet oder doch außer acht gelassen“, sodass (unter dem Aspekt des Tierschutzes) eine „Zweiklassengesellschaft“ unter den Tieren entstehe – die „Luxustiere“ hätten eine Chance auf Heilbehandlung, während Nutztiere getötet würden, wenn sie billiger durch ein anderes Tier ersetzt werden könnten.1252 cc) Einwände gegen eine Berücksichtigung des Affektionsinteresses sowie Entgegnungen hierauf Soll im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 251 Abs. 2 BGB das Affektionsinteresse an einem Tier den Kosten einer Heilbehandlung gegenüber gestellt, es mit ihnen gleichsam abgewogen werden, erfordert dies eine Gewichtung oder gar Bezifferung des Affektionsinteresses.1253 Das freilich klingt nach einer Kommerzialisierung immaterieller Interessen und einem möglichen Widerspruch zu § 253 BGB.1254 Damit angesprochen ist bereits ein wesentlicher Kern der Einwände, die vor Einfügung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB gegen eine besondere schadens1248 LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244; LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243. 1249 LG Traunstein, Urt. v. 10. 08. 1983 – 5 S 1658/83, NJW 1984, 1244. 1250 LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243, 1244. 1251 AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316: maßgeblich sei, welche Art von Tier, welche Zweckbestimmung vorliege, wie groß der Grad der Gewöhnung und Vertrautheit sei; LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243: es komme auf die Zweckbestimmung an – eine Kuh, deren Zweck in ihrem wirtschaftlichen Nutzen und ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit liegt, wird hier einem Kanarienvogel bzw. einem Hund gegenüber gestellt. Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 102: „Allerdings kann man nicht alle Tiere mit einem einheitlichen Maßstab messen. Bei Hunden und Katzen ist man sicher eher geneigt, wirtschaftliche Maßstäbe über Bord zu werfen als bei Aquariumsfischen oder gar bei Tieren, die ohnehin geschlachtet werden sollten.“ 1252 Brüninghaus, S. 71. 1253 Vgl. Reiff, NZV 1996, 425, 429; Pütz, ZRP 1989, 171, 173. 1254 Medicus, JuS 1969, 449, 453.
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rechtliche Behandlung von Tieren angeführt wurden: die in § 253 BGB zum Ausdruck gebrachte restriktive Wertung des Schadensrechts gegenüber der Ersatzfähigkeit immaterieller Interessen.1255 An einer Abweichung von der bei (sonstigen) Sachen üblichen Handhabung der Verhältnismäßigkeitsgrenze sahen sich dementsprechend einige bereits dadurch gehindert, dass eine solche Weichenstellung dem Gesetzgeber vorbehalten sei.1256 Die einer Berücksichtigung des Affektionsinteresses von Tier-Eigentümern zugewandten Stimmen hoben hingegen in dem Zusammenhang hervor, die Aussage des § 253 BGB gelte direkt nur für die Kompensation nach § 251 BGB, nicht also für die Naturalrestitution,1257 zu der die hier betroffenen Heilbehandlungsmaßnahmen für Tiere zählten. Als Argument gegen eine Berücksichtigung des Affektionsinteresses an einem verletzten Tier wurde zudem vorgebracht, ein Affektionsinteresse könne ebenso an getöteten Tieren bestehen und sei in diesem Fall ja auch nicht restitutionsfähig.1258 Befürworter betonten demgegenüber den rechtlichen Unterschied der beiden Szenarien:1259 Während bei der Verletzung des Tieres die von § 249 BGB vorgesehene Naturalrestitution das geschützte Integritätsinteresse (und das davon reflexartig mit tangierte Affektionsinteresse) wiederherstellen könne, sei dieses bei der Tötung des Tieres ohnehin unwiederbringlich zerstört. Letzterenfalls sei Wertersatz im Sinne von § 251 BGB geschuldet und nur wenn bei dessen Bemessung ein Affektionsinteresse Berücksichtigung fände, drohe (anders als bei der Heilbehandlung) tatsächlich ein Widerspruch zu § 253 Abs. 1 BGB. Auch Beweis- und Abgrenzungsschwierigkeiten1260 wurden gegen eine Beachtlichkeit des Affektionsinteresses des geschädigten Tier-Eigentümers ins Feld geführt. Dass bei einer Einbeziehung immaterieller Interessen in die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 251 Abs. 2 BGB inkommensurable Größen miteinander abgewogen werden müssten, sah jedoch Grunsky1261 etwa als kein unüberwindbares 1255 Schmid, VersR 1979, 402: § 253 BGB sei zu entnehmen, „daß nach der gesetzlichen Wertung der Ersatz materieller Schäden im Vordergrund“ stehe; auch Pütz, ZRP 1989, 171, 173 zieht in Betracht, dass die Wertung des § 253 BGB in § 251 II BGB hineinwirkt. 1256 LG Essen, Urt. v. 16. 03. 1981 – 10 S 58/84, zfs 1986, 201; AG Hamburg, Urt. v. 21. 01. 1988 – 20b C 446/87, VersR 1988, 700; ähnlich LG Wuppertal, Urt. v. 10. 05. 1979 – 9 S 347/78, NJW 1979, 2213; Schmid, VersR 1979, 402, 404. 1257 Oetker, NJW 1985, 345, 347 f.; Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Medicus, JuS 1969, 449, 452; Berg, JuS 1978, 672, 673; Pütz, ZRP 1989, 171, 173; LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 01. 1987 – 22 S 505/86, zfs 1987, 139; AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316; LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 01. 1987 – 22 S 505/86, zfs 1987, 139. 1258 LG Essen, Urt. v. 16. 03. 1981 – 10 S 58/84, zfs 1986, 201 f.; LG Wuppertal, Urt. v. 10. 05. 1979 – 9 S 347/78, NJW 1979, 2213 f.; krit. ggü. diesem Einwand AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316. 1259 AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316; LG München, Urt. v. 21. 06. 1978 – 34 S 19183/77, NJW 1978, 1862; Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Theissen, JA 2009, 366, 371; Pütz, ZRP 1989, 171, 174; Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 103. 1260 Schmid, VersR 1979, 402, 405. 1261 Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101, 103.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Hindernis an: Immerhin müsse Ähnliches auch bei der Bestimmung von Schmerzensgeld durchgeführt werden und die als Alternative drohende vollständige Versagung eines Anspruchs sei immer noch unbefriedigender. Bemessungsschwierigkeiten seien kein Grund, einen Anspruch gänzlich zu verneinen. Schließlich verwies man als Einwand gegen eine besondere schadensrechtliche Behandlung von Tieren noch darauf, Affektionsinteressen könnten ebenso gut auch an (anderen) Sachen bestehen.1262 Tatsächlich lag der Grund für die schon vor Einfügung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB vorzufindende besondere Behandlung von Tieren aber ja wohl gerade darin, dass man mehrheitlich von einem gewissen generalisierbaren qualitativen Unterschied zwischen der Beziehung eines Menschen einerseits zu einer Sache, andererseits zu einem Tier ausging. So betonten Rechtsprechungs- und Literaturstimmen verschiedentlich: Anders als bei einem leblosen Gegenstand stehe – insbesondere bei aus Liebhaberei gehaltenen Tieren – das vornehmlich auf dem Gefühls- oder Liebhaberwert basierende Integritätsinteresse am Tier1263, ein Affektionsinteresse „von nicht unerheblicher individueller und sozialer Bedeutung“1264 und „die persönliche Beziehung von Mensch und Tier“1265 eindeutig im Vordergrund. „Bei den lebenden Wesen“ sei dies, wie das LG Lüneburg1266 erklärte, „nicht nur für den jeweiligen Eigentümer“ so, sondern das persönliche Verhältnis stehe „auch für einen mit den Beziehungen zwischen Mensch und Tier vertrauten Dritten“ im Vordergrund. Dieses persönliche Verhältnis zwischen Mensch und Tier sei eine objektive Tatsache und lasse sich verallgemeinern und objektivieren;1267 übertriebene Bindungen hingegen blieben außer Betracht. Zeichen eines solchen objektivierenden Ansatzes fanden sich Ende der 1980er-Jahre auch im Schrifttum: Gehe es um ein Tier, „zu dem sein Eigentümer auch bei objektivierter Betrachtung eine besondere Beziehung geknüpft“ habe, erscheine es aus der Sicht eines vernünftigen Dritten durchaus vertretbar, wenn die Heilbehandlungskosten höher seien als der Wert des Tieres, während im Hinblick auf Tiere, bei denen es am Affektionsinteresse fehle, kein objektives Interesse erkennbar sei, höhere Heilbehandlungskosten als den Wiederbeschaffungswert aufzuwenden.1268
1262 LG Essen, Urt. v. 16. 03. 1981 – 10 S 58/84, zfs 1986, 201 f.; AG Hamburg, Urt. v. 21. 01. 1988 – 20b C 446/87, VersR 1988, 700; Schmid, VersR 1979, 402, 405. 1263 Berg, Jus 1978, 672, 673. 1264 AG Schöneberg, Urt. v. 30. 06. 1987 – 12 C 243/87, NJW-RR 1987, 1316. 1265 LG Koblenz, Urt. v. 14. 01. 1988 – 3 S 219/87, zfs 1988, 104, 105; ähnlich LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1244. 1266 LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243 f. 1267 So auch Deutsch, JuS 1987, 673, 680. 1268 Pütz, ZRP 1989, 171, 173; Hervorhebungen jeweils durch Verf.
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3. § 251 Abs. 2 S. 2 BGB: Wirkungen und ratio legis Es entsprach nach dem bisher Gesagten schon vor Einfügung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB mehrheitlicher, wenn auch nicht unumstrittener Auffassung, dass Heilbehandlungskosten für ein verletztes Tier dessen Wert – auch um mehr als 30 Prozent – übersteigen konnten, ohne als unverhältnismäßig und damit nicht ersatzfähig angesehen zu werden.1269 Diese Ansicht hat sich der Gesetzgeber durch die im Jahr 1990 eingeführte Regelung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zu eigen1270 und damit zur Grundlage der hiernach ergangenen Rechtsprechung gemacht. § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ist eine der wenigen tierspezifischen Vorschriften des BGB aus der – relativ – jüngeren Vergangenheit und kann womöglich über ihren konkreten Regelungsgehalt hinaus auch generellen Aufschluss über die eine besondere zivilrechtliche Behandlung von Tieren bestimmenden Wertungen und Denkmuster geben. Es ist daher für die Zwecke dieser Arbeit von Interesse, auf welcher Erwägung sie beruht, das heißt welchem Ziel sie dient, und welche Folgen sie hatte. a) Äußerungen zur ratio legis in den Gesetzgebungsmaterialien Befragt man die Gesetzgebungsmaterialien zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB darauf hin, welchem Grundgedanken die Regelung dient, so überwiegt darin die Bezugnahme auf den Tierschutz. Beispielsweise heißt es dort, „einem Tier, das im Einzelfall auch einmal keinen materiellen Wert haben“ könne, solle „durch die Rechtsordnung die erforderliche Heilbehandlung nicht deshalb verwehrt werden, weil die Behandlungskosten auf den Wert begrenzt“ würden, „der dem Wert des Tieres im Geschäftsverkehr“ entspreche, „und der Eigentümer des Tieres nicht über die für die Heilbehandlung erforderlichen Geldmittel“ verfüge.1271 Auch wird die Begrenzung des Wiederherstellungsaufwands auf den Wert des Tieres als Beispiel dafür angegeben, dass die (frühere) formale Einordnung des Tieres unter den Sachbegriff „bei konsequenter Rechtsanwendung insbesondere im Zusammenhang mit den schadensrechtlichen Bestimmungen des BGB (…) zu Ergebnissen führen“ könne, „die nicht mit der Verpflichtung des Menschen in Einklang“ stünden, „dem Tier als Mitgeschöpf Schutz und Fürsorge zuteilwerden zu lassen“.1272 Die Klarstellung im Schadensrecht (§ 251 Abs. 2 S. 2 BGB) führe „zu unmittelbaren Verbesserungen der
1269 Siehe nur Pütz, ZRP 1989, 171, 174; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 53 (7. Aufl. 2016); Grunsky, FS Jauch, S. 93, 96. 1270 So die Gesetzgebungsmaterialien selbst: Die in der Rechtswissenschaft vertretene Auffassung werde auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung); vgl. auch Greger, NZV 1991, 17, 18: Rechtsprechung ist übernommen worden; Lorz, MDR 1990, 1057, 1059: Bestätigung der herrschenden Meinung; Grunsky, FS Jauch, S. 93, 97: „Festschreibung des aktuellen Meinungsstands“; Brüninghaus, S. 94: Die Gesetzesänderung folge der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung. 1271 BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1272 BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung).
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Rechtsstellung des Tieres“1273. Die Erläuterungen zum Gesamtzweck des Gesetzes, durch das § 251 Abs. 2 S. 2 BGB eingefügt wurde, deuten ebenfalls in diese Richtung, wenn es heißt, „der zentrale Grundgedanke eines ethisch fundierten Tierschutzes, daß der Mensch für das Tier als einem Mitgeschöpf und schmerzempfindenden Wesen Verantwortung“ trage, solle „auch im bürgerlichen Recht deutlicher hervorgehoben und in konkrete Verbesserungen der Rechtsstellung des Tieres umgesetzt werden“.1274 Andererseits wird in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als ein zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrenze geeignetes Kriterium das „individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier“ genannt.1275 Dies spricht dafür, dass mit § 251 Abs. 2 S. 2 BGB jedenfalls auch dem an Tieren bestehenden Affektionsinteresse Rechnung getragen werden sollte. b) Deutungen der ratio legis in Rechtsprechung und Schrifttum Welches der hinter der Sonderregelung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB liegende Grund ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum uneinheitlich beantwortet. Gemessen daran, wie uneins die Aussagen hierzu sind, ist es geradezu überraschend, wie wenig sie aufeinander Bezug nehmen oder begründet werden. Sie lassen sich gedanklich in verschiedene Lager ordnen, die paradigmatisch sind für den Dualismus, der – so die Hypothese dieser Arbeit – die Argumentationsmuster bei vielen zivilrechtlichen Fragen mit Tier-Bezug dominiert: nämlich den Dualismus von Erwägungen des Tierschutzes (aa)) und solchen, die das Affektionsinteresse am Tier (bb)) betreffen, wobei auch eine Kombination beider Aspekte denkbar ist (cc)). aa) Tierschutz Auf der einen Seite wird die Entstehung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB damit erklärt, man habe die vorher denkbare Begrenzung der Ersatzfähigkeit von Heilbehandlungskosten auf den Wert des Tieres insbesondere bei materiell wertlosen Tieren „nicht zuletzt auf Grund der herausgehobenen Anerkennung des Tierschutzes durch die Rechtsordnung (Art. 20a GG, § 1 TierSchG) – als unbillig angesehen“.1276 § 251 Abs. 2 S. 2 BGB wird als Zeichen des „auch im Schadensersatzrecht anerkannten Tierschutzes“1277, als eine „tierschutzorientierte Schadensersatzregelung“1278 oder
1273
BT-Drs. 11/7369, S. 5 f. (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). BT-Drs. 11/7369, S. 1 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses); ähnlich BT-Drs. 11/5463, S. 1 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1275 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1276 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 52 (7. Aufl. 2016), Hervorhebung durch Verf. 1277 OLG Celle, Urt. v. 25. 05. 1994 – 20 U 2/94, BeckRS 2014, 12385. 1278 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. 1274
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als Zeichen der „besondere[n] Berücksichtigung der tierischen Belange“1279 gewertet und als Beispiel für ein „das Leben und Wohlbefinden von Tieren“ schützendes besonderes Gesetz (im Sinne von § 90a S. 2 BGB) genannt1280. Auch der BGH sieht in seiner bisher einzigen wesentlichen Entscheidung zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB darin eine „angesichts der herausgehobenen Anerkennung des Tierschutzes durch die Rechtsordnung (Art. 20 a GG, § 1 TierSchG)“ getroffene und „von der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen“ ausgehende Regelung.1281 In ähnlicher Weise hatte das LG Oldenburg1282 (als Vorinstanz) geäußert, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB sei in das Gesetz aufgenommen worden, „um der besonderen Wertigkeit von Tieren (…) gerecht zu werden“. An anderer Stelle wird § 251 Abs. 2 S. 2 BGB demgegenüber explizit nicht zu den tierschützenden Vorschriften im Sinne des § 90a S. 2 BGB gezählt und stattdessen – was insoweit aber eine vereinzelte Sichtweise ist – als eine „primär wirtschaftliche Interessen des Tierhalters“ schützende Vorschrift charakterisiert.1283 bb) Affektionsinteresse Durchaus verbreitet ist andererseits die Ansicht, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB beruhe auf einer stärkeren Berücksichtigung von (in dem Tier verkörperten) ideellen Werten:1284 Durch § 251 Abs. 2 S. 2 BGB erfahre das Affektionsinteresse des Geschädigten „von Gesetzes wegen Berücksichtigung“.1285 Mit § 251 Abs. 2 S. 2 BGB habe der Gesetzgeber „dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Menschen ein Haustier mehr am Herzen“ liege „als eine Sache“1286, und „zum Ausdruck gebracht, dem Affektionsinteresse des Halters an der Wiederherstellung seines Tieres im Rahmen des § 251 Abs. 2 BGB Rechnung tragen zu wollen“. Die Regelung sei „Ausdruck des gewandelten Verständnisses der Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt und zu seinen Mitgeschöpfen“1287 und ziehe „die Konsequenz aus einer veränderten gesellschaftlichen Wertung“.1288 Sie modifiziere den Maßstab der Verhältnismäßigkeit bei der Verletzung von Tieren, „um das Affektionsinteresse des 1279
Gruber, S. 23. Hannemann/Wiegner-Horst § 16 Rn. 2 (4. Aufl. 2014); Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 3 (14. Aufl. 2014); auch Palandt-Ellenberger § 90a BGB Rn. 1 (76. Aufl. 2017) und NKRing § 90a BGB Rn. 5 (3. Aufl. 2016) nennen § 251 II 2 BGB als Beispiel einer Tierschutzvorschrift i. S. d. § 90a S. 2 BGB. 1281 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590. 1282 LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819. 1283 Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016). 1284 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 57, 59 (7. Aufl. 2016); ähnlich AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris; ähnlich LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris; Lorz, MDR 1990, 1057, 1060; Nelkel, S. 138. 1285 Brüninghaus, S. 94; ähnlich Wacke, FS Behrends, S. 555, 564 Fn. 34. 1286 Lehmann, VersR 2011, 1413. 1287 LG Bielefeld, Urt. v. 15. 05. 1997 – 22 S 13/97, NJW 1997, 3320, 3321. 1288 Jauernig-Teichmann § 251 BGB Rn. 10 (16. Aufl. 2016). 1280
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Geschädigten zu berücksichtigen“1289. § 251 Abs. 2 S. 2 BGB erweitere „wegen der bei der Verletzung eines Tieres betroffenen ideellen Werte“ den Rahmen, innerhalb dessen die Behandlungskosten zu ersetzen seien.1290 Tiere könnten „nicht uneingeschränkt wie Sachen behandelt werden“, „deren Wert ausschließlich materieller Art“ sei.1291 Auch solche Aufwendungen, die den Wert des Tieres erheblich überstiegen, seien „im Hinblick auf das durch die gesetzliche Wertung anerkannte Affektionsinteresse“ zu ersetzen.1292 Es finden sich auch Bezugnahmen auf den (angeblichen) Gesamtzweck des die Vorschrift einführenden Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht. Ein „wesentliches Ziel“ habe darin bestanden, „dem Affektionsinteresse des Eigentümers stärker als zuvor Rechnung zu tragen“.1293 Seit diesem Gesetz stehe eine Beziehung zwischen einem Menschen und einem Haustier im Sinne einer festen Mensch-Tier-Bindung „unter dem besonderen Schutz der Rechtsordnung“.1294 Deutlich Farbe zu bekennen ist hinsichtlich der ratio legis des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB spätestens dann, wenn der Vorschlag einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs auf Haustiere im Raum steht. Dies kann erwägen, wer § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als Ausfluss einer stärkeren Berücksichtigung des Affektionsinteresses des Eigentümers, und diesen Gesichtspunkt – jedenfalls bei generalisierender Betrachtung – nur bei aus Liebhaberei gehaltenen Tieren für gegeben ansieht;1295 nicht aber, wer glaubt, Tierschutz-Gedanken seien ausschlaggebend für § 251 Abs. 2 S. 2 BGB,1296 denn dann ist nicht zu begründen, weshalb diese nur beschränkt auf Haustiere Gültigkeit beanspruchen sollten.
1289
Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 13 (Voraufl., 39. Ed. 2011). MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 61 (7. Aufl. 2016); ähnlich LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609. 1291 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 57 (7. Aufl. 2016); AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris. 1292 OLG Brandenburg, Urt. v. 25. 05. 2010 – 2 U 3/09 – juris (allerdings für den Spezialfall einer Rückkauf-Konstellation). 1293 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2016). 1294 AG Aachen, Urt. v. 13. 03. 1992 – 81 C 459/91, NJW-RR 1992, 906, 907; krit. Schaal, S. 37. 1295 So wohl MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2016). 1296 So Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 30 (Neubearb. 2005); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 22 (3. Aufl. 2016); Soergel-Ekkenga/Kuntz § 251 BGB Rn. 23 (13. Aufl. 2014); auch Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 7 (76. Aufl. 2017) zählt Nutztiere explizit zum Anwendungsbereich; gegen eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Haustiere im engeren Sinne auch Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2067. 1290
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cc) Affektionsinteresse und „Tierwohl“ kumulativ Teils werden der Schutz von „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“ offen beide nebeneinander als dem § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zugrunde liegende Gesichtspunkte angeführt: Die Sonderregel sei geschaffen worden „aus Gründen des Tierschutzes und um einer besonderen Verbundenheit mit dem Tier, einem Affektionsinteresse des Tiereigentümers, Rechnung tragen zu können“.1297 Sie diene „sowohl der Berücksichtigung immaterieller Interessen des Tierhalters als auch dem gem. Art. 20a GG gebotenen Tierschutz“. Mit der Regelung werde „der besonderen Qualität der Beziehung zwischen Mensch und Haustier Rechnung getragen und das Affektionsinteresse des Tierhalters an seinem Tier geschützt“; außerdem handele „es sich um eine Konsequenz der Anerkennung des grundsätzlichen Unterschieds zwischen Tieren und Sachen“.1298 Dabei kommt es auch vor, dass in konfuser und schon fast widersprüchlich anmutender Weise zeitgleich einfach beide Aspekte wahlweise in Bezug genommen werden, ohne sich zu ihrem Verhältnis zu äußern. So heißt es beinah im selben Atemzug einerseits, im Falle des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB halte das Gesetz dem Geschädigten „eine emotionale Bindung an sein Tier (…) zu Gute“ und andererseits, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB diene „der Wahrung des Tierschutzes bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Schadensermittlung“1299. Oder es wird einerseits mit dem in Fällen des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB „im Vordergrund stehenden immateriellen Interesse(…)“ argumentiert,1300 andererseits betont, Ziel der Vorschrift sei „vor allem der Tierschutz“. Da aber Tiere selbst keine zivilrechtlichen Ansprüche erheben könnten, sei „der Schutz des Integritätsinteresses eines Tieres nur über das Interesse seines Eigentümers zu erfassen“;1301 und dann: das Tierschutzinteresse habe „bei der Vorschrift Pate gestanden“.1302 c) Folgerungen aus der konkreten Handhabung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB Um weitere Schlussfolgerungen über das von Rechtsanwendern zugrunde gelegte Verständnis von Sinn und Zweck des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und über die Wirkungen der Vorschrift zu gewinnen, soll ein Blick auf die Details der konkreten Handhabung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB in Rechtsprechung und Schrifttum geworfen werden. Die zu Gericht gekommenen und veröffentlichten Fälle handeln – was für sich genommen schon einen Aussagegehalt hat – ganz überwiegend von einer sehr kleinen
1297 1298 1299 1300 1301 1302
NK-Magnus § 251 BGB Rn. 21 (3. Aufl. 2016), Hervorhebung durch Verf. Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 26 (14. Aufl. 2014), Hervorhebungen durch Verf. Theissen, JA 2009, 366, 371. Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 28 (Neubearb. 2005). Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 27 (Neubearb. 2005). Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 29 (Neubearb. 2005).
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Anzahl an – zu Freizeitzwecken gehaltenen – Tierarten, nämlich von Hunden, Katzen1303 und Pferden. aa) Höhe und Wirkung der Verhältnismäßigkeitsgrenze Untersucht man die seit dem Inkrafttreten von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB veröffentlichte Rechtsprechung auf die Höhe der noch als verhältnismäßig angesehenen Heilbehandlungskosten, so zeigt sich, dass die Gerichte seither insgesamt großzügiger bei der Bemessung der ersatzfähigen Aufwendungen zur „Wiederherstellung“ eines verletzten Tieres1304 geworden zu sein scheinen1305 – wenn auch die zwischenzeitlich vollzogene Währungsumstellung und der allgemeine Anstieg des Preisniveaus in gewisser Weise dazu beigetragen haben mögen. Einigkeit herrscht gleichwohl darin, dass es bei der Verletzung von Tieren – anders als im Fall der Heilbehandlung eines verletzten Menschen, wo eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für grundsätzlich unanwendbar gehalten wird1306 – jeweils eine Obergrenze für die noch ersatzfähigen Heilbehandlungskosten gibt.1307 Dies war auch vom Gesetzgeber 1303
So auch Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 26 (14. Aufl. 2014). Volle Erstattungsfähigkeit der Heilbehandlungskosten und damit Verhältnismäßigkeit bejaht: LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609: Heilbehandlungskosten von 5.697 DM bei einem für eine Schutzgebühr von 100 DM erworbenen Hund; AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629: Betrag von 4.607,06 DM an Tierarztkosten für einen verkehrswertlosen Mischlingshund; AG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17: Arzt- und Fahrtkosten von ca. 4.000 DM bei Verletzungen eines reinrassigen kleinen Hundes mit einem Anschaffungspreis von 850 DM; LG Essen, Urt. v. 04. 11. 2003 – 13 S 84/03, NJW 2004, 527: Tierarztkosten in Höhe von 1.132,69 EUR für einen Mischlingsrüden zu 200 EUR; LG Oldenburg, Urt. v. 26. 08. 2004 – 9 S 255/04, BeckRS 2009, 04446: 1.009,37 EUR für einen Rassehund (Deutscher Teckel); LG Konstanz, Urt. v. 23. 02. 2010 – 3 O 96/09 – juris: Heilbehandlungskosten in Höhe von 18.435,30 SFR (entsprach z. Zt. des Urteils 12.590,22 EUR) für einen Hund, in den ein Ausbildungsaufwand im Wert von 6.000 – 8.000 EUR investiert worden war; LG Hannover, Urt. v. 09. 01. 2012 – 19 O 87/10, BeckRS 2012, 21041: wegen Prognoserisiko des Schädigers Heilbehandlungskosten in Höhe von rund 5.500 EUR für einen Kater noch ersatzfähig; LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris: Kosten für (unsichere) Heilbehandlungsmethode von 8.858,05 EUR für ein Pferd; AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/ 13 – juris: Behandlungskosten in Höhe von 2.200 EUR für einen 35 cm großen TerrierMischling, der im Tierheim für 175 EUR erworben wurde; LG München I, Urt. v. 26. 01. 2021 – 20 O 5615/18 – juris: ca. 20.000 EUR für die Behandlung eines an der Vorderpfote angefahrenen ca. 4 Monate alten Welpen (Rhodesian Ridgeback). 1305 Bocianiak, VersR 2011, 981, 983 meint, die Obergrenze werde so weit gezogen, „dass sich eine streitige Auseinandersetzung nur ausnahmsweise und bei Vorliegen eines besonders krassen Missverhältnisses zwischen dem Wert des Tieres und den angefallenen Heilbehandlungskosten lohnen dürfte“. 1306 Jauernig-Teichmann § 251 BGB Rn. 8 (16. Aufl. 2015); Hk-Schulze § 251 BGB Rn. 4 (9. Aufl. 2017); Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 25 (14. Aufl. 2014); Grunsky, Karlsruher Forum 1983, S. 101. 1307 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590; LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; 1304
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so beabsichtigt.1308 In einigen Fällen wurde eine Grenze von den Gerichten bereits konkret eingezogen.1309 Bei einem solchen Überschreiten der Zumutbarkeitsschranke fiel der Geschädigte allerdings nicht – wie § 251 Abs. 2 S. 1 BGB nahe legen könnte – auf bloßen Wertersatz zurück, sondern ihm wurden vielmehr die Heilbehandlungskosten bis zur Verhältnismäßigkeitsgrenze zugesprochen. Diese Spruchpraxis findet eine Stütze in den Gesetzgebungsmaterialien, wenn es dort heißt, es werde eine Regelung vorgeschlagen, „die den vollen Ersatz der Heilbehandlungskosten vorsieht, soweit sich die entstehenden Kosten im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeit halten“.1310 Inzwischen ist die Lesart höchstrichterlich bestätigt worden. In einem Fall, der dem BGH1311 im Jahr 2015 die Gelegenheit für seine erste Entscheidung zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB gab, stritten die Parteien um die Ersatzfähigkeit von Heilbehandlungskosten in Höhe von 4.177,59 Euro. Sie waren infolge einer Beißerei zweier Hunde entstanden, bei der ein Wolfshund einen Jack-Russel-Mischling schwer verletzte („Wolfshund-Fall“). Unter anderem mit der oben zitierten Formulierung des Gesetzgebers begründete der BGH in dieser Entscheidung eine Abweichung vom sonst geltenden Grundsatz, dass ein Geschädigter auf bloßen Wertersatz verwiesen ist, wenn die Wiederherstellungskosten die Verhältnismäßigkeitsschranke übersteigen. Bei der Verletzung von Tieren, so der BGH, widerspräche solches der Zielsetzung des Gesetzgebers, der nach der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht eine Begrenzung der tatsächlich angefallenen Heilbehandlungskosten auf den Wert des Tieres ablehne. Infolge der LG Bielefeld, Urt. v. 15. 05. 1997 – 22 S 13/97, NJW 1997, 3320; AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris; LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris; AG IdarOberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629 (unter Hinweis auf die Intention des Gesetzgebers); Jauernig-Teichmann § 251 BGB Rn. 10 (16. Aufl. 2015); MüKoOetker § 251 BGB Rn. 58 (7. Aufl. 2016); Lehmann, VersR 2011, 1413; ähnlich Steffen, RdL 1990, 255. 1308 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung); BT-Drs. 11/7369, S. 7 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 1309 LG Bielefeld, Urt. v. 15. 05. 1997 – 22 S 13/97, NJW 1997, 3320: Begrenzung der verhältnismäßigen Kosten auf 3.000 DM für Katzen ohne materiellen Marktwert; LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris: Begrenzung der verhältnismäßigen Kosten bei einem reinrassigen, aber 10 Jahre alten Schäferhund (kein materieller Marktwert nach Altersabschreibung; Aufwand für Wiederbeschaffung 500 – 1.000 EUR) auf 2.000 EUR; OLG München, Urt. v. 11. 04. 2011 – 21 U 5534/10, VersR 2011, 1412: für einen Hund mit einem Marktwert von 700 EUR Begrenzung der verhältnismäßigen Kosten auf das Sechsfache des Wertes, 4.200 EUR; OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391: Heilbehandlungskosten von über 5.000 EUR unverhältnismäßig bei einem 6-jährigen Mischlingshund, dessen Wert das Ausgangsgericht auf 200 EUR geschätzt hatte; LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819 mit Billigung von BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589: Begrenzung der verhältnismäßigen Kosten auf 3.000 EUR für Jack-Russel-Mischlingshund im Wert von max. 200 EUR. 1310 BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung durch Verf. 1311 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1591.
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Ausnahmeregelung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB könne der Geschädigte die Heilbehandlungskosten für ein Tier bis zu dem noch als verhältnismäßig erachteten Umfang ersetzt verlangen.1312 Zur Ermittlung der konkreten Verhältnismäßigkeitsgrenze soll, wie es auch die Gesetzgebungsmaterialien vorsehen,1313 auf die „Besonderheiten des einzelnen Falls“1314, eine wertende „Gesamtbetrachtung aller Umstände des konkreten Einzelfalls“1315 abzustellen sein. Als „unstatthaft“ wird es angesehen, „die Obergrenze (…) pauschal an ein Vielfaches des Anschaffungspreises des Tieres zu knüpfen.1316 Ob die für eine Heilbehandlung aufgewendeten Kosten unverhältnismäßig und deswegen nicht zu erstatten seien, könne auch nicht für alle Tiere oder jeweils eine Tierart gleich beantwortet werden.1317 Bedeutung erlangen kann überdies gerade in Bezug auf Tiere1318, dass – wie allgemein bei einem Schadensersatz für Wiederherstellung – den Schädiger das Prognoserisiko trifft; dies wirkt sich etwa bei sich unerwartet schrittweise summierenden Behandlungskosten aus.1319 Den Aspekt würdigte auch der BGH in dem vor ihn gekommenen Wolfshund-Fall. Darin heißt es, bei der Verletzung von Tieren werde sich in zahlreichen Fällen das den Schädiger treffende Prognoserisiko verwirklichen, denn Heilbehandlungen seien hinsichtlich Dauer, Umfang und damit auch Kosten oft unübersehbar und deshalb mit Reparaturen nicht vergleichbar, insbesondere wenn Verletzungen ein unverzügliches ärztliches Handeln forderten.1320 Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört: Wertübersteigende Heilbe-
1312
BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1591. BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1314 AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris; ähnlich LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609; LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris; ähnlich Greger, NZV 1990, 17, 18; Lorz, MDR 1990, 1057, 1060; Lehmann, VersR 2011, 1413. 1315 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590. 1316 LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609; Burmann/ Jahnke, DAR 2015, 313; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Jahnke § 249 BGB Rn. 288a (24. Aufl. 2016); Geigel-Knerr Kap. 3 Rn. 53 (27. Aufl. 2015); ähnlich MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 62 (7. Aufl. 2016). 1317 LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris. 1318 Nach dem LG Bielefeld, Urt. v. 15. 05. 1997 – 22 S 13/97, NJW 1997, 3320 ist „zu berücksichtigen, daß (…) bei Lebewesen nie hinreichend sicher festzustellen ist, wie hoch die Behandlungskosten letztlich sein werden, da der Heilerfolg von nicht einzuschätzenden Faktoren abhängt“. § 251 II BGB müsse insoweit im Lichte des § 90a BGB gewürdigt werden. 1319 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; LG Hannover, Urt. v. 09. 01. 2012 – 19 O 87/10, BeckRS 2012, 21041; siehe auch Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 12 (Voraufl., 39. Ed. 2011). 1320 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1591. 1313
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handlungskosten sollen auch dann ersatzfähig sein, wenn der Heilungsversuch scheitert und das Tier stirbt.1321 bb) Maßgebliche Kriterien Welche Gesichtspunkte für die Bemessung der Verhältnismäßigkeitsgrenze ausschlaggebend sind, lässt sich der gesetzlichen Regelung für Tiere nicht direkt entnehmen.1322 In Rechtsprechung und Literatur hat sich aber, wenn auch mit einigen Divergenzen, ein Tableau bestimmter Kriterien herauskristallisiert, die wiederholt für maßgeblich erachtet wurden. Dazu gehören allen voran das Alter1323 (und die damit einhergehende noch zu erwartende Lebensdauer) und der (vorherige) (Gesundheits-)Zustand des Tieres1324, aber auch der Erfolg1325/die Erfolgsaussichten der Behandlung1326 oder die „Vertretbarkeit der Heilbehandlungskosten aus tiermedi1321 AG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17; Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen-Adolphsen § 16 Rn. 324 (2. Aufl. 2013); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 23 (3. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Flume § 251 BGB Rn. 26 (41. Ed. 2016). 1322 AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 61 (7. Aufl. 2016). 1323 LG Oldenburg, Urt. v. 26. 08. 2004 – 9 S 255/04, BeckRS 2009, 04446; OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609; AG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJWRR 2001, 17; LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris; Hk-Schulze § 251 BGB Rn. 5 (9. Aufl. 2017); Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 26 (14. Aufl. 2014); Burmann/Jahnke, DAR 2015, 313; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Jahnke § 249 BGB Rn. 288a (24. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011); Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 7 (76. Aufl. 2017); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 22 (3. Aufl. 2016); Geigel-Knerr Kap. 3 Rn. 53 (27. Aufl. 2015); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 63 (7. Aufl. 2016); Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 29 (Neubearb. 2005); Kärger, DAR 2001, 527, 528; Lehmann, VersR 2011, 1413; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 97 (3. Aufl. 2016). 1324 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; LG BadenBaden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609; AG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17; LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris; Hk-Schulze § 251 BGB Rn. 5 (9. Aufl. 2017); Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 26 (14. Aufl. 2014); Burmann/Jahnke, DAR 2015, 313; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Jahnke § 249 BGB Rn. 288a (24. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 22 (3. Aufl. 2016); Geigel-Knerr Kap. 3 Rn. 53 (27. Aufl. 2015); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 63 (7. Aufl. 2016); Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 29 (Neubearb. 2005); Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 7 (76. Aufl. 2017); Kärger, DAR 2001, 527, 528; Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 97 (3. Aufl. 2016). 1325 LG Oldenburg, Urt. v. 26. 08. 2004 – 9 S 255/04, BeckRS 2009, 04446. 1326 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris; LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Jahnke § 249 BGB Rn. 288a (24. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011); Hirt/ Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 97 (3. Aufl. 2016); näher MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 59 f. (7. Aufl. 2016); a. A. Soergel-Ekkenga/Kuntz § 251 BGB Rn. 22 (13. Aufl. 2014): „Auf Erfolgsaussichten der Heilbehandlung kommt es grundsätzlich nicht an“.
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zinischer Sicht“1327, die Eigenschaften1328 des Tieres oder der in das Tier investierte Ausbildungsaufwand1329. Weitere mögliche, aber eher nicht angewendete Kriterien bei der Abwägung im Sinne des § 251 Abs. 2 BGB wären die Vermögensverhältnisse der Beteiligten, die Frage, ob der Schädiger haftpflichtversichert ist, und das Maß des Verschuldens,1330 wobei letzteres, ebenso wie die Vertretbarkeit der Kosten aus tiermedizinischer Sicht, zu den in den Gesetzgebungsmaterialien vorgeschlagenen Kriterien gehört,1331 die in der Rechtsprechung teils als solche explizit in Bezug genommen und angewendet wurden,1332 ohne aber als abschließend zu gelten.1333 Neben diesem Katalog an Aspekten, die eher die Wirtschaftlichkeit der Tier-Heilbehandlung betreffen, werden – mit Tendenzen zur Objektivierung – auch das Affektionsinteresse am Tier (1)) und – jedoch nur gelegentlich – Tierschutz-Gesichtspunkte (2)) in der konkreten Handhabung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als maßgeblich erachtet. Darauf soll für die Zwecke dieser Arbeit ein genauerer Blick geworfen werden, ebenso wie auf die Frage, welches Gewicht nunmehr noch dem materiellen Wert des Tieres zukommt (3)). (1) Immaterielles Interesse des Tierhalters (a) Das Affektionsinteresse am Tier in der Abwägungsentscheidung Das bestehende immaterielle Interesse am Tier ist ein bei der Anwendung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB durchaus häufig herangezogenes Kriterium,1334 dem man teils „entscheidende Bedeutung“, und gar noch mehr Bedeutung als dem Wert des Tieres1335 beimaß. In diesem Sinne wurde abgestellt auf: die „individuelle Beziehung“ des Halters zu dem Tier,1336 die „gefühlsmäßige“1337 oder „emotionale“1338, 1327
Burmann/Jahnke, DAR 2015, 313. LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris. 1329 LG Konstanz, Urt. v. 23. 02. 2010 – 3 O 96/09 – juris; Lehmann, VersR 2011, 1413. 1330 Vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; MüKoOetker § 251 BGB Rn. 65 (7. Aufl. 2016); noch vor Einführung des § 251 II 2 BGB: LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243, 1244. 1331 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1332 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590; LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris. 1333 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590. 1334 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590. 1335 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391. 1336 LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819. 1337 Burmann/Jahnke, DAR 2015, 313; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Jahnke § 249 BGB Rn. 288a (24. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 97 (3. Aufl. 2016). 1338 Hk-Schulze § 251 BGB Rn. 5 (9. Aufl. 2017); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 22 (3. Aufl. 2016). 1328
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„menschliche“1339 Bindung an das Tier, auf deren Maß oder Intensität,1340 das „schutzwürdige“1341, „für den Tierfreund (…) nachvollziehbare(…)“1342, „vom Gesetzgeber geschützte“1343, durch die gesetzliche Wertung anerkannte,1344 im Einzelfall „extrem hohe“1345 Affektionsinteresse1346. Es sei „der besonderen Qualität der Beziehung zwischen Mensch (Familie) und Haustier Rechnung zu tragen“.1347 Einbezogen in die Verhältnismäßigkeitsprüfung wurde die zwischen Mensch und Tier aufgrund von in der Vergangenheit für das Tier entfalteter „besondere[r] Fürsorge“ entstandene „besonders enge gemütshafte Bindung“1348. Maßgebend sei die möglicherweise sehr enge Bindung zwischen Mensch und Tier, weil etwa ein Hund „ein wichtiger Bezugspunkt und der eigentliche Gefährte des Menschen“ sei und „seine Existenz für den Halter von therapeutischem Wert ist oder gar Kindersatz“. Hierbei spiele auch eine Rolle, wie lange das Tier bereits in der Familie lebe;1349 auch wenn etwa ein junger Hund objektiv wertvoller sei als ein alter, sei ein neu erworbenes Tier dem Halter noch nicht so an das Herz gewachsen wie ein älterer Weggenosse und insoweit noch leichter zu ersetzen.1350 Wegen der besonderen Stellung des Tieres gemäß § 90a BGB reiche bei einem „Familientier“ sogar „bereits das Affektionsinteresse in der Person eines Familienmitgliedes aus“.1351 Als Zeichen für eine „emotionale Beziehung“ wurde es, wie schon vor Einfügung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, gewertet, wenn der Tierhalter „hohe Behandlungskosten nicht gescheut“ hatte, obwohl offen war, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ihm diese Kosten überhaupt ersetzt werden.1352 Aus der „verstärkte[n] Berücksichtigung des ideellen Wertes eines verletzten Tieres im Rahmen der zu ersetzenden Heilungskosten“ folgerte man auch, „dass es bei der Ersatzfähigkeit von aufgewandten Heilungskosten weniger als bei sonstigen Wiederherstellungskosten auf die Erfolgsaussichten der Behandlung ankommen“ könne, sodass selbst dann ein Ersatz in Frage komme, 1339
Kärger, DAR 2001, 527, 528. AG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17; Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 7 (76. Aufl. 2017); ähnlich Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 26 (14. Aufl. 2014); Geigel-Knerr Kap. 3 Rn. 53 (27. Aufl. 2015). 1341 LG Konstanz, Urt. v. 23. 02. 2010 – 3 O 96/09 – juris. 1342 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629. 1343 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629. 1344 OLG Brandenburg, Urt. v. 25. 05. 2010 – 2 U 3/09 – juris (allerdings für den Spezialfall einer Rückkauf-Konstellation). 1345 OLG München, Urt. v. 11. 04. 2011 – 21 U 5534/10, VersR 2011, 1412. 1346 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 28 (Neubearb. 2005); Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen-Adolphsen § 16 Rn. 324 (2. Aufl. 2013); AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris. 1347 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391. 1348 LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609. 1349 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391. 1350 Lehmann, VersR 2011, 1413. 1351 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629. 1352 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391. 1340
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wenn der Erfolg von vorneherein unsicher gewesen und auch nicht eingetreten sei.1353 Die gleiche Schlussfolgerung wurde an anderer Stelle übrigens aus dem „Tierschutzinteresse“ hergeleitet, das bei § 251 Abs. 2 S. 2 BGB „Pate gestanden“ habe.1354 Auch der BGH maß in dem Wolfshund-Urteil dem Affektionsinteresse des Tierhalters Bedeutung bei, verschachtelte diesen Aspekt aber in seiner Formulierung zugleich auf wundersame Weise mit einem Tierschutz-Klang: Unter der Voraussetzung, dass eine Heilbehandlung tatsächlich durchgeführt worden sei, verlange § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, so der BGH, dass dem Interesse des Schädigers, nicht mit den Behandlungskosten belastet zu werden, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur der Wert des Tieres gegenübergestellt werde, sondern auch das aus der Verantwortung für das Tier folgende immaterielle Interesse an der Wiederherstellung seiner Gesundheit und seiner körperlichen Integrität.1355 Es gibt – in der Minderheit – zwar auch Gegenstimmen, die das Kriterium des (konkreten) Ausmaßes des Affektionsinteresses des Tierhalters als „unerheblich“ ansehen wollen.1356 Praktisch tauche die Frage der Unverhältnismäßigkeit ohnehin immer nur auf, wenn das Affektionsinteresse des Eigentümers erheblich ausgeprägt sei und er deswegen für die Heilbehandlung Mittel in einem solchen Umfang aufzuwenden bereit sei, dass überhaupt erst die Frage nach der Unverhältnismäßigkeit aufgeworfen werde. Zudem sei das Affektionsinteresse des Eigentümers nicht objektivierbar und damit kein geeigneter Maßstab zur Bemessung eines Schadensersatzes.1357 Im Ergebnis berücksichtigen aber selbst diese Stimmen das Affektionsinteresse meist dann doch.1358 (b) Unterschiedlich starkes Affektionsinteresse je nach Tier-Kategorie? Wie den oben zitierten Formulierungen zu entnehmen ist, wurde jeweils auf das in concreto an dem Tier bestehende Affektionsinteresse abgestellt. Dies lässt sich auch mit den Gesetzgebungsmaterialien stützen, in denen als ein maßgebliches Kriterium 1353
LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 59 (7. Aufl. 2016). 1354 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 25 (Neubearb. 2005). 1355 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590, Hervorhebung durch Verf. 1356 LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 64 (7. Aufl. 2016); ähnlich Greger, NZV 1991, 17, 18, der wohl gegen die Ersatzfähigkeit solcher Heilbehandlungskosten ist, die „nur durch ein reines Affektionsinteresse – welches nach wie vor nicht ersatzfähig ist – gerechtfertigt“ sein würden. 1357 LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris. 1358 LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris stellt dann im Rahmen der Wertbestimmung des Tieres das Affektionsinteresse des Eigentümers doch in gewisser Weise in Rechnung; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 64 (7. Aufl. 2016) hält Heilbehandlungskosten „bei Tieren, die zu einer besonders engen gefühlsmäßigen Bindung an ihren Eigentümer in der Lage sind (zB Pferde, Hunde, Katzen)“ für „weitergehend zu ersetzen als bei Tieren, die zu einer derartigen Bindung nicht (oder nur in eingeschränktem Maße) fähig sind“.
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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„das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier“ genannt wird.1359 Wiederholt findet sich in Rechtsprechung und Literatur dabei die generalisierende Aussage, dass die Intensität der gefühlsmäßigen Bindungen bei Haustieren, etwa bei einem Pferd oder Hund, ungleich stärker sein könne „als bei einem reinen Nutztier“.1360 Wenn es sich um ein Tier handele, zu dem eine innere Bindung des Eigentümers bestehe, wie es etwa bei einem Reitpferd, einem Hund oder einer Katze der Fall sein könne, werde der Ersatz der vollen Heilbehandlungskosten regelmäßig als verhältnismäßig anzusehen sein.1361 An einem Haustier werde „in der Regel eher das persönliche Interesse des Halters hängen, sodass die Verhältnismäßigkeitsgrenze großzügiger angesetzt werden“ müsse. Gerade Hunde oder Katzen würden „von den Haltern oft als vollwertiges Familienmitglied angesehen“. Anders werde die Frage der Verhältnismäßigkeit bei solchen Tieren zu beurteilen sein, die vom Eigentümer ohne innere Bindung als reine Nutztiere gehalten würden, insbesondere bei jenen, die ohnehin nur zum Zwecke der Schlachtung aufgezogen würden.1362 Bei einem Nutztier sei dessen Bedeutung für den Halter mit einer Sache vergleichbarer, was hier regelmäßig nur geringere Schadensersatzansprüche rechtfertigen könne.1363 Als Anknüpfungspunkt für eine solche Unterscheidung und „Indikator typischerweise engerer oder nicht so enger gefühlsmäßiger Bindung“1364 kommt einerseits die Tierart, andererseits die Funktion und Zweckbestimmung des Tieres (Haltung als Nutztier oder Liebhabertier) in Frage; entsprechend werden „Tierart“1365 und „Funktion/Zweck“1366 oft auch als selbstständige Gesichtspunkte in der
1359
BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung durch Verf. 1360 AG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17; Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011); Palandt-Grüneberg § 251 BGB Rn. 7 (76. Aufl. 2017); ähnlich Hk-Schulze § 251 BGB Rn. 5 (9. Aufl. 2017); Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 28/30 (Neubearb. 2005); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 22 (3. Aufl. 2016). 1361 Steffen, RdL 1990, 255. 1362 Steffen, RdL 1990, 255. 1363 Lehmann, VersR 2011, 1413. 1364 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 29 (Neubearb. 2005). 1365 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; LG BadenBaden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609; Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 29 (Neubearb. 2005); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 63 (7. Aufl. 2016), der allerdings nicht von der Bindung des Menschen zu dem Tier her formuliert, sondern umgekehrt, wenn er darauf abstellt, dass bestimmte Tiere „zu einer besonders engen gefühlsmäßigen Bindung an ihren Eigentümer in der Lage sind (z. B. Pferde, Hunde, Katzen)“, andere Tiere (z. B. weiße Mäuse, Ratten, Bienen oder Goldfische) hingegen zu einer derartigen Bindung nicht (oder nur in eingeschränktem Maße) fähig seien. Nicht gemeint sein dürfte damit, dass er gleichsam als „Tierwohl“-Gesichtspunkt auf die (wie zu messende?) Bindung des Tieres an den Menschen abstellen möchte. Mit einer „Bindungsfähigkeit“ des Tieres mag aber die Neigung des Menschen seinerseits zur Bindung an das Tier korrespondieren.
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Liste der für die Bemessung der Verhältnismäßigkeitsgrenze ausschlaggebenden Abwägungskriterien genannt. Eine im Jahr 2011 in einem Aufsatz präsentierte Rechtsprechungsanalyse gelangte zu dem Ergebnis, bei „Affektionstieren“ wie Hund oder Hauskatze erfordere die „besondere emotionale Bindung zwischen Tier und Mensch eine andere Betrachtungsweise (…) als bei ,leblosen Sachen‘“, was dazu führe, dass die Obergrenze für die Erstattung der Heilbehandlungskosten weit gezogen werde, während bei reinen Nutztieren wie Milchkühen oder Mastschweinen nur die Behandlungskosten zu ersetzen seien, „die dem wirtschaftlichen Wert des Tieres entsprechen“.1367 (c) Herausfordernde Beweiserhebung Folge einer Anerkennung des Affektionsinteresses als Abwägungsfaktor bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist, dass es auch zum Beweisthema werden kann. Leicht kurioses Anschauungsmaterial dafür bietet die Berufungsentscheidung des LG Oldenburg1368 im Wolfshund-Fall. Sie sticht durch die Methode und die Tiefe hervor, mit der man dort der Frage nach der Intensität des Affektionsinteresses nachging und sie verdeutlicht, welches Gewicht dem Aspekt des immateriellen Interesses im Rahmen des § 251 Abs. 2 BGB beigemessen werden kann. Das Gericht beschreibt, es sei „im Auftrag des Gesetzgebers bemüht gewesen, die individuelle Beziehung des Klägers zu seinem Hund zu ergründen“. Dabei führen die Entscheidungsgründe auch die Schwierigkeiten vor Augen, den Grad des Affektionsinteresses als ein subjektives Kriterium in tatsächlicher Hinsicht zu ermitteln und geben damit womöglich einen Vorgeschmack auf künftige Beweiserhebungen in vergleichbaren Fällen. Im zu entscheidenden Fall bezog das Gericht unter anderem seine Beobachtung (Augenschein) mit ein, dass „der Kläger und sein Hund die durchaus langwierige mündliche Verhandlung in trauter Eintracht miteinander verbracht“ hätten, der Hund gehorsam war und sich offenbar beim Kläger wohl fühlte. Indes: Es falle auf, dass auf vorgelegten Bildern der Hund auf den meisten Fotos allein, also ohne den Kläger zu sehen sei und keine Bilder vorgelegt wurden, „die intimere Momente mit dem Hund festhalten“. Auch seien „besondere Episoden oder Aufgaben oder gemeinsame Hobbies mit dem Hund“ nicht geschildert worden und dass der Hund „regelmäßig im Schlafzimmer des Ehepaars“ schlafe, hebe ihn nicht „aus der Schar normaler Familienhunde heraus“. Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass es sich um nicht mehr, „aber auch nicht weniger als um einen durchschnittlichen Familienhund“ handele, der „eher ein wenig loser mit der Familie verbunden“ sei „als wirkliche ,Schoßhunde‘“. Für die Verhältnismäßigkeit der Heilaufwendungen ergebe sich daraus, dass die Grenze nicht mehr als sonst anzu1366
LG Oldenburg, Urt. v. 26. 08. 2004 – 9 S 255/04, BeckRS 2009, 04446; LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris; Jauernig-Teichmann § 251 BGB Rn. 10 (16. Aufl. 2015); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 22 (3. Aufl. 2016); Lehmann, VersR 2011, 1413. 1367 Bocianiak, VersR 2011, 981, 982 f. 1368 LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819.
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heben sei. Der anschließend mit dem Fall befasste BGH1369 fand daran nichts auszusetzen. Das LG habe sich „nicht unter Verkennung der Mitgeschöpflichkeit der Tiere von rein wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen“ und den „von ihm als gering eingeschätzten Wert des Tieres gerade wegen seiner Geringfügigkeit nicht als sachgerechten Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der Verhältnismäßigkeitsgrenze angesehen, sondern maßgeblich auf das immaterielle Interesse an der Durchführung der Heilbehandlung abgestellt“. Bei der Gewichtung dieses Interesses habe es rechtsfehlerfrei unter anderem die individuelle Beziehung des Klägers zu seinem Hund berücksichtigt. (d) Ansätze zur Objektivierung: „Verständiger-Tierhalter-Test“ und Maßstab der Haltungskosten Als einen Ansatz, um das Eigentümer-Interesse an der Erhaltung eines Tieres zu objektivieren, lässt sich der Vorschlag werten, in Anlehnung an die im österreichischen Recht in diesem Zusammenhang anzutreffende Formulierung1370 darauf abzustellen, „was der Eigentümer im Sinne eines verständigen Tierhalters in der konkreten Lage ohne die Fremdschädigung für sein Tier aufgewendet hätte“.1371 § 251 Abs. 2 S. 2 BGB solle nämlich „nicht zum Mittel werden, Abneigung gegenüber dem Schädiger mit Zuneigung für das eigene Tier zu bemänteln“.1372 Auf den Maßstab eines verständigen Tierhalters verweist auch der Gesetzgeber in den Materialien zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB.1373 Die Berufungsinstanz im Wolfshund-Fall, das LG Oldenburg, erklärte sogar, auf die Frage, was ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte, komme es „entscheidend“ an.1374 Auf der Suche nach einem methodischen Anhaltspunkt zur Ausfüllung und praktischen Beantwortung dieser Frage kam das LG Oldenburg dabei auf die bis dahin nicht vorzufindende Idee, zu eruieren, in welcher Höhe der betreffende Tierhalter jährlich 1369
BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590. In § 1332a ABGB heißt es: „Wird ein Tier verletzt, so gebühren die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.“ Siehe dazu noch hinten ab Fn. 1433. 1371 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629; LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris (jeweils unter Hinweis auf die Intention des Gesetzgebers); OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; jurisPKRüßmann § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2014); Wertenbruch, NJW 2012, 2065; aufgegriffen auch von Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 28 (Neubearb. 2005); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 64 (7. Aufl. 2016): Dieser Maßstab liefere auch für das deutsche Recht eine praktikable und mit den Wertungen des Schadensrechts harmonisierende Konkretisierungshilfe; krit. LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris: Der Begriff des „verständigen Tierhalters“ werfe „dieselben Auslegungsprobleme auf, wie der Begriff der Verhältnismäßigkeit“; ein Abstellen darauf führe „nicht weiter“. 1372 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 28 (Neubearb. 2005). 1373 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1374 LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819. 1370
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freiwillig Unterhaltungskosten für sein Tier aufwandte (zum Beispiel für Tierarzt, Hundesteuer, Versicherung, Futter). Denn „das einzige objektive Kriterium“ ergebe sich letztlich „aus den Unkosten (…), die der Eigentümer unabhängig von dem Schadensfall für das Tier aufzuwenden bereit“ sei. Es führte aus: „Angewendet auf die Verletzung des Hundes durch einen Unfall lässt sich daraus die Regel gewinnen, dass ein verständiger Besitzer eines (!) durchschnittlich begabten und sympathischen Hundes das dreifache der Jahresbelastung noch aufwenden wird, um den Hund behandeln zu lassen. Mehr jedoch ist als verständige wirtschaftliche Betrachtung nicht mehr begründbar.“1375 Dies ist erkennbar der Versuch, einen objektivierenden Maßstab zu finden. In seiner Revisionsentscheidung billigte der BGH1376 das Vorgehen des LG Oldenburg. Er befand, die Haltungskosten stünden zwar in keinem direkten Bezug zu der Frage, ob die Anforderungen für die Heilbehandlung des Tieres angemessen gewesen seien, und die damit gezogene Verhältnismäßigkeitsgrenze könne auch „nicht schematisch auf andere Fälle übertragen werden“, jedoch handele es sich auch „nicht um ein sachfremdes Kriterium“. Der Gesetzgeber habe die Frage, was ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte, zur weitestgehenden Ermöglichung eines sachgerechten Interessenausgleichs bewusst nicht zum allein bestimmenden Kriterium erhoben, dies aber dadurch nicht als einen Gesichtspunkt unter mehreren im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls ausgeschieden.1377 Der BGH verortete die in der Berufungsinstanz herangezogenen jährlich bereitwillig aufgewendeten Unterhaltungskosten für das Tier auch nicht an dem Schlagwort „verständiger-Tierhalter“, sondern sah darin einen Hinweisgeber für die Intensität des Affektionsinteresses: Dadurch, dass der Halter die nicht nur geringfügigen „Unterhaltungskosten“ freiwillig aufbringe, zeige er, was ihm die Haltung des Tieres mindestens wert sei. Die Kosten der Tierhaltung als Anhalt für die Gewichtung des Interesses an der Wiederherstellung der Tiergesundheit zu sehen, halte sich in den Grenzen des dem Gericht eingeräumten Ermessens. Praktisch bedeutet die Bezugnahme auf einen „verständigen“ Tierhalter die Einbeziehung gewisser gesellschaftlicher Wertungen. Auch generell wurde § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und damit die Grenze desjenigen, was verhältnismäßig ist, als einem „Wandel gesellschaftlicher Auffassung“ unterliegend angesehen,1378 sodass „bei der Entscheidung Rücksicht zu nehmen“ sei „auf die derzeit bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse“. Die „Zahl derjenigen, die (…) einen Betrag in einer Größenordnung von ca. 5.000 DM für Heilbehandlungskosten eines (…) [Hundes] ausgeben würden“, sei „nicht mehr lediglich als eine unbedeutende gesellschaftliche 1375 1376 1377
Verf.
Einfügung „(!)“ durch Verf. BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590. BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590, Hervorhebung durch
1378 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris.
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Minderheit anzusehen“. Es sei „ein starker Wandel hinsichtlich Hunden und Katzen von einem bloßen Funktionstier (…) hin zum Affektionstier festzustellen, welcher auch die Bereitschaft zur Ausgabe größerer Beträge für tierärztliche Behandlungskosten mit sich gebracht“ habe.1379 Bestehe aber bei weiten Teilen der Gesellschaft die Bereitschaft, einen hohen Betrag an Heilbehandlungskosten aufzubringen, so müsse dem auch Rechnung getragen werden bei der Bestimmung dessen, was als noch verhältnismäßig anzusehen sei.1380 Aus dem allgemeinen Standard des vernünftigen Eigentümers in der Lage des Geschädigten werde sich bei reinen Nutztieren in der Regel eine engere Grenze des Ersatzes ergeben als bei stärker „affektionsbesetzten“ Tieren.1381 (2) Tierschutz Auch Gesichtspunkte des Tierschutzes, die den Tierhalter treffende Verantwortung1382 oder der im TierSchG niedergelegte Gedanke des Schutzes der lebenden Natur1383 werden als zu berücksichtigende Faktoren bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit genannt; dies jedoch eher vereinzelt. Teils argumentiert man hier mit der Verfassung und verweist auf eine „Berücksichtigung des Staatsziels Tierschutz gemäß Art. 20a GG“1384. Seit „der Aufnahme des Tierschutzes in den Katalog der Staatsziele (Art. 20a GG)“ im Jahr 2002 sei an „die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit der Heilbehandlungskosten ein noch strengerer Maßstab anzulegen“.1385 Die Abwägung der Angemessenheit von Heilbehandlungskosten sei „durch die Drittwirkung des Grundgesetzes beeinflusst“: Der vom Gesetzgeber in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke, dass die Angemessenheit einer Tierbehandlung nicht durch den wirtschaftlichen Wert des Tieres begrenzt sei, werde „durch das Verfassungsprinzip des Art. 20a GG noch gestärkt“ und binde die Gerichte bei der Anwendung des Schadensersatzrechts.1386 „Auch wenn diese Staatszielbestimmung keine unmittelbare Drittwirkung entfalten“ könne, enthalte sie „eine verfassungsrechtliche Wertung, die über privatrechtliche Generalklauseln bei der Auslegung zumindest mittelbar Wirkung zu entfalten“ vermöge.1387
1379
AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629. AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris. 1381 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 30 (Neubearb. 2005). 1382 Lehmann, VersR 2011, 1413. 1383 AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris. 1384 LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris. 1385 Erman-Ebert § 251 BGB Rn. 26 (14. Aufl. 2014). 1386 LG Essen, Urt. v. 04. 11. 2003 – 13 S 84/03, NJW 2004, 527. 1387 Bocianiak, VersR 2011, 981. 1380
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(3) Bedeutung des materiellen Wertes des Tieres Fast schon in den Hintergrund tritt angesichts aller bisher aufgezählten Kriterien, dass die einzige ganz konkret im Aussagegehalt des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB angelegte Änderung vor allem darin bestand, die Maßgeblichkeit des materiellen Wertes des Tieres im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung zu schmälern. Möchte man die Wirkung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB beurteilen, stellt sich daher insbesondere auch die Frage, welche Bedeutung dieser Faktor nunmehr noch für die Verhältnismäßigkeitsprüfung hat. Einigkeit herrscht insoweit, als „die Angemessenheit einer Tierbehandlung nicht durch den wirtschaftlichen Wert des Tiers begrenzt wird“1388 ; auch nicht durch 130 Prozent dessen.1389 Heilbehandlungskosten können, so Schrifttum und Rechtsprechung einschließlich des BGH, vor allem bei Tieren mit geringem materiellen Wert auch dann noch verhältnismäßig sein, wenn sie ein Vielfaches des Wertes des verletzten Tieres betragen.1390 Dabei soll aber mit steigendem Wert des Tieres ein geringeres Vielfaches anzusetzen sein.1391 Untersucht man die von den Gerichten konkret zuerkannten oder verwehrten Beträge, so drängt sich insgesamt tatsächlich der Eindruck auf, dass das Verhältnis der Heilbehandlungskosten zum Wert des Tieres nicht der zentrale Gesichtspunkt ist. Vielmehr scheint es bei Hunden und Katzen eine gewisse etwa im unteren vierstelligen Bereich liegende absolute Grenze zu geben, bis zu der die Ersatzfähigkeit in der Regel bejaht, bei deren Überschreiten hingegen von Unverhältnismäßigkeit ausgegangen wird.1392 Die allgemeinen Aussagen zur Bedeutsamkeit des materiellen Wertes des Tieres im Rahmen von § 251 Abs. 2 BGB variieren. Zum Teil misst man ihm „erhebliche Bedeutung“1393 bei. „Als vergleichsweise objektives Kriterium“1394 wurde der Wert von Gerichten schon als „Ausgangspunkt“ der Verhältnismäßigkeitsprüfung be1388 LG Essen, Urt. v. 04. 11. 2003 – 13 S 84/03, NJW 2004, 527; LG Oldenburg, Urt. v. 26. 08. 2004 – 9 S 255/04, BeckRS 2009, 04446; Brüninghaus, S. 95; OLG Brandenburg, Urt. v. 25. 05. 2010 – 2 U 3/09 – juris (allerdings für den Spezialfall einer Rückkauf-Konstellation). 1389 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 61 (7. Aufl. 2016); Bamberger/Roth-Schubert § 251 BGB Rn. 20 (Voraufl., 39. Ed. 2011); NK-Magnus § 251 BGB Rn. 21 (3. Aufl. 2016); Soergel-Ekkenga/Kuntz § 251 BGB Rn. 22 (13. Aufl. 2014); Terbille/Clausen/SchroederPrintzen-Adolphsen § 16 Rn. 324 (2. Aufl. 2013); Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 5 (14. Aufl. 2014); LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819. 1390 BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590; LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris; OLG München, Urt. v. 11. 04. 2011 – 21 U 5534/10, VersR 2011, 1412; Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen-Adolphsen § 16 Rn. 324 (2. Aufl. 2013); Lorz, MDR 1990, 1057, 1059 f.; Bocianiak, VersR 2011, 981, 982. jurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2014) spricht vom Übersteigen des Wertes des Tieres „um ein Mehrfaches“. 1391 OLG München, Urt. v. 11. 04. 2011 – 21 U 5534/10, VersR 2011, 1412; MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 62 (7. Aufl. 2016). 1392 Siehe dazu vorne Fn. 1304, 1309. 1393 OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391. 1394 LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris.
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zeichnet;1395 dies lege „auch die Formulierung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB nahe“.1396 Andere nennen den Wert jedenfalls als ein berücksichtigungsfähiges, wenn auch nicht allein Ausschlag gebendes1397 Kriterium.1398 Demgegenüber meinen manche, der Wert des Tieres sei nur „in erheblich eingeschränktem Maße“1399 von Bedeutung; Wert und Alter kämen „lediglich eine untergeordnete Rolle“ zu.1400 Mit der Neuregelung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB sei „ein rein wirtschaftliches Kriterium für die Abgrenzung des ersatzfähigen vom nicht ersatzfähigen Schadensersatz beseitigt“ worden.1401 Diese Schlussfolgerungen stützen sich auch auf die Gesetzgebungsmaterialien, in denen es heißt, die vorgeschlagene Neuregelung verbiete „eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise“.1402 Noch weitergehend findet sich die Aussage, auf den Wert des Tiers komme es nicht an und eine Begrenzung der Höhe nach „durch wirtschaftliche Erwägungen“ verbiete sich bei Tieren, im Gegensatz zu Reparaturkosten für Kraftfahrzeuge;1403 § 251 Abs. 2 S. 2 BGB könne entnommen werden, „dass Wirtschaftlichkeitserwägungen keine Rolle zu spielen“ hätten, „wenn Tiere betroffen“ seien.1404 Es wird gar formuliert, der Verkehrswert scheide „als Kriterium für die Festlegung einer Obergrenze des zu ersetzenden Schadens“1405 und als maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Verhältnismäßigkeit jedenfalls beim überwiegenden Anteil der Haustiere generell aus1406. Denn bei materiell geringwertigen Tieren wären ansonsten bereits leichtere Behandlungen nicht mehr ersatzfähig. Daher könnten die so gelagerten Fälle mit einer Wertgrenze nicht gelöst werden. Für etwaige größere Vielfache des Wertes fehle „jede rational begründbare Abgrenzung“.1407 Das Kriterium des
1395 OLG München, Urt. v. 11. 04. 2011 – 21 U 5534/10, VersR 2011, 1412; LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris; ähnlich Burmann/Jahnke, DAR 2015, 313. 1396 LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris. 1397 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 28 (Neubearb. 2005). 1398 jurisPK-Rüßmann § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2014); Lehmann, VersR 2011, 1413; NK-Magnus § 251 BGB Rn. 22 (3. Aufl. 2016). 1399 LG Baden-Baden, Urt. v. 20. 11. 1998 – 1 S 54/98, NJW-RR 1999, 609; ähnlich MüKoOetker § 251 BGB Rn. 62 (7. Aufl. 2016); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 97 (3. Aufl. 2016). 1400 AG München, Urt. v. 06. 12. 2013 – 344 C 1200/13 – juris. 1401 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris. 1402 BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung); in Bezug genommen von BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1590. 1403 LG Essen, Urt. v. 04. 11. 2003 – 13 S 84/03, NJW 2004, 527. 1404 AG Stadthagen, Urt. v. 27. 10. 2004 – 41 C 381/04 – juris, Jagdrechtliche Entscheidungen XV Nr. 56. 1405 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris. 1406 LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819. 1407 LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Verkehrswertes sei „vom Gesetzgeber bewußt beseitigt“ worden.1408 In der Tat heißt es in den Gesetzgebungsmaterialien überraschend einschränkungslos, „daß es für die Verhältnismäßigkeit der Aufwendungen für die Heilbehandlung nicht auf den Sachwert des Tieres ankommen soll“1409. Auch die im Jahr 2011 veröffentlichte Rechtsprechungsanalyse Bocianiaks resümiert, der wirtschaftliche Wert eines Tieres spiele „bei der Beurteilung der Frage, ob die Heilbehandlungskosten unverhältnismäßig sind oder nicht, grundsätzlich keine Rolle“.1410 In einer Entscheidung des LG Traunstein wurde die Wertbestimmung dazu benutzt, das Affektionsinteresse am Tier sowie Tierschutz-Gesichtspunkte auf diesem Wege in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen: Die marktüblichen Altersabschläge ließ das Gericht darin mit der Begründung außer Betracht, dass sonst „sämtliche Heilbehandlungskosten bei einem älteren Tier, das also bereits vollständig ,abgeschrieben‘„ sei, unverhältnismäßig wären und damit „keinerlei Heilbehandlung durchzuführen wäre“.1411 Dies sei nicht im Sinne des Staatsziels Tierschutz, dessen Realisierung durch verfassungskonforme Auslegung der Gesetze bei Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen zu erfolgen habe. Auch entspreche eine „Abschreibung“ nach Lebensjahren „nicht der Realität bei einem überwiegend aus Affektionsinteresse gehaltenen Tier“. Ein derartiges Tier werde „für den Halter im Alter nicht weniger wertvoll“.1412 4. Fazit und Bewertung a) Nebeneinander von „Affektionsinteresse am Tier“ und „Tierwohl“ in den Begründungsmustern Eine besondere – nämlich großzügigere und vom materiellen Wert des Tieres etwas entkoppelte – zivilrechtliche Handhabung der Wiederherstellungskosten bei der Verletzung von Tieren wurde schon vor Einführung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB diskutiert. Die dabei angeführten Argumente deuten darauf hin, dass die hierzu seinerzeit veranlassenden Beweggründe zum einen mit einer Rücksichtnahme auf das an Tieren bestehende Affektionsinteresse, zum anderen mit einer Rücksichtnahme auf Tierschutz-Gesichtspunkte in Zusammenhang standen. Das Pendeln der Begründungsmuster zwischen „Affektionsinteresse am Tier“ und „Tierwohl“ ist auch nach Einführung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB sowohl in den Aussagen zur ratio legis des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, als auch bei dessen praktischer Anwendung, das heißt im Rahmen der Abwägung zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsschranke wieder zu beobachten. Das konkrete Affektionsinteresse an dem betreffenden Tier 1408 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris. 1409 BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1410 Bocianiak, VersR 2011, 981, 982. 1411 In diese Richtung auch Lehmann, VersR 2011, 1413. 1412 LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris.
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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wird dabei überwiegend als ein zu berücksichtigender und vergleichsweise gewichtiger Abwägungsfaktor bei der Ermittlung der Verhältnismäßigkeitsgrenze eingesetzt, während Bezugnahmen auf Tierschutz-Gesichtspunkte nur gelegentlich und dann etwas zusammenhangslos auftauchen. In der Tendenz fällt hier der stärkere Ausschlag also insgesamt zwar doch erkennbar in Richtung „Affektionsinteresse“ aus. Eine klare Linie dazu, wie sich dieser Gesichtspunkt zu dem Tierschutz-Aspekt verhält, fehlt jedoch nicht nur in Rechtsprechung und Literatur, sondern auch in den Gesetzgebungsmaterialien. Charakteristisch dafür sind Formulierungen wie die einer „verstärkenden“ Wirkung des Verfassungsprinzips oder der Wertentscheidung in Art. 20a GG.1413 b) § 251 Abs. 2 S. 2 BGB wirkt zugunsten beider Aspekte Um zu verstehen, weshalb es möglich ist, dass die beiden beschriebenen Aspekte parallel nebeneinander als das hinter § 251 Abs. 2 S. 2 BGB liegende Motiv angesehen werden, ohne dass eine Deutungsweise die andere entkräften oder sich offen in Opposition zu ihr stellen würde, erscheint es hilfreich, sich die Wirkung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB vor Augen zu halten. Im Kern führt die Regelung dazu, dass die Obergrenze der noch verhältnismäßigen und damit erstattungsfähigen Heilbehandlungskosten bei der Verletzung eines Tieres von dessen objektivem Wert gelöst und heraufgesetzt wird. Ohne § 251 Abs. 2 S. 2 BGB (oder in der Zeit vor dessen Einführung: ohne eine besondere Rechtsprechung für Tiere) wäre die Zumutbarkeitsschwelle der Naturalrestitution früher erreicht – mit der Konsequenz, dass der Geschädigte bei strikter Anwendung des § 251 BGB auf Ersatz des objektiven Wertes des Tieres verwiesen wäre. Damit sänke die Wahrscheinlichkeit, dass die Heilbehandlung durchgeführt wird, und spiegelbildlich stiege die Wahrscheinlichkeit, dass das Tier – als einzige Alternative1414 – getötet wird. Denn eine im Verhältnis zum Wert aufwendige Behandlung würde dann allenfalls noch vorgenommen, wenn der Tier-Eigentümer einen eigenen starken Antrieb zur Erhaltung des Tieres (zum Beispiel infolge eines besonderen emotionalen Interesses am Tier) sowie die finanziellen Möglichkeiten hierzu hätte. Damit gleicht dies freilich der Situation, die bestünde, wenn die Verletzung des Tieres nicht durch eine den Schadensersatzanspruch auslösende Handlung eines Dritten, sondern versehentlich durch den Eigentümer selbst oder durch Naturkräfte geschehen wäre. Auch hier läge es in der Hand des Tier-Eigentümers, ob er gegebenenfalls extrem hohe Behandlungskosten aufgrund seiner Bindung zum Tier aufwendet oder nicht. Der tatsächliche Schutz des betroffenen Tieres geht in dieser Konstellation letztlich so weit, wie die aus dem Affektionsinteresse folgende Zahlungsbereitschaft des Eigentümers reicht, denn eine Pflicht zur Behandlung wird sich 1413 Vgl. Bocianiak, VersR 2011, 981, 982 f.; LG Essen, Urt. v. 04. 11. 2003 – 13 S 84/03, NJW 2004, 527, 528. 1414 Siehe dazu vorne ab Fn. 1020.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
im Falle überdimensional hoher Behandlungskosten aus dem Tierschutzrecht regelmäßig nicht ergeben.1415 Der Tier-Eigentümer muss hier durch seine Bereitschaft, die Kosten aufzuwenden oder nicht, selbst bemessen, wie intensiv sein Affektionsinteresse ist. Ähnlich ist dies zwar zumeist auch in Fällen der Drittschädigung, da auch hier in der Regel die Kosten vom Tier-Eigentümer in Ungewissheit der später zu beantwortenden Regressfrage verauslagt werden. Jedoch dürfte bei Beteiligung eines Drittschädigers insgesamt die Neigung zur Beauftragung der – gegebenenfalls kostspieligen – Heilbehandlung vor allem nach Einführung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB größer sein, denn die wirtschaftliche Last trägt durch § 251 Abs. 2 S. 2 BGB eher der Schädiger, ohne § 251 Abs. 2 S. 2 BGB trüge sie eher der TierEigentümer. Eine höhere Verhältnismäßigkeitsgrenze ermöglicht es dem Tier-Eigentümer, in weiterem Umfang und in größerer Unabhängigkeit von seiner eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit Behandlungen an einem verletzten Tier durchführen zu lassen und wirkt auf diese Weise – durch Erhaltung des Tieres – zum einen schützend für das an diesem bestehende Affektionsinteresse. Wird eine aufwendige Heilbehandlung mit höherer Wahrscheinlichkeit durchgeführt, nützt dies aber zum anderen auch dem „Tierwohl“: Denn man wird sagen können, dass aus Tierschutz-Perspektive selbst dann, wenn eine Tötung noch keinen Verstoß gegen das Tierschutzrecht bilden würde, in aller Regel eine Behandlung und Erhaltung des Tieres die einer Tötung vorzuziehende Handlungsalternative sein wird (vergleiche nur § 1 S. 1 TierSchG). Indem § 251 Abs. 2 S. 2 BGB den wirtschaftlichen Aufwand der Heilbehandlung eines verletzten Tieres weitergehend dem Schädiger auflädt, steigt also die Wahrscheinlichkeit, dass eine Behandlung stattfindet und damit ein Ergebnis eintritt, durch das einerseits das Leben des Tieres, andererseits aber auch das Affektionsinteresse des Tierhalters gewahrt wird.1416 c) Schutz des Affektionsinteresses als Hauptzweck, Tierschutz als erwünschte Begleiterscheinung Sofern im Falle der Verletzung eines Tieres dessen (wenn auch kostspielige) Behandlung das rechtspolitische Ziel ist, wird dieses nach dem bisher Gesagten durch eine hohe (Un-)Verhältnismäßigkeitsgrenze gefördert – und zwar auf Kosten des Schädigers. Die Frage nach der ratio legis des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ist daher letztlich, aus welchem Grund es das Gesetz rechtfertigt, dem Schädiger diese – unter rein materiellen Gesichtspunkten gesehen – unwirtschaftlichen Kosten aufzuerlegen. Anknüpfend an die den Schadensersatzanspruch auslösende Handlung wird der Schädiger hier entweder eingespannt, um ein im öffentlichen Interesse verfolgtes, tierschutzrechtlich zwar nicht gebotenes, aber gewünschtes Ergebnis herbeizuführen 1415
Siehe hierzu vorne bei Fn. 1017. Auch Lorz/Metzger Einf. Rn. 107 (6. Aufl. 2008) merken zu § 251 II 2 BGB an: „Hier laufen das Interesse des Tiers an der Erhaltung seines Lebens und das Interesse des Halters am Tier, mit dem er gefühlsmäßig verbunden ist (Affektionsinteresse), parallel.“ 1416
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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oder ihm wird das Risiko zugewiesen, dass der Eigentümer des verletzten Tieres ein hohes Affektionsinteresse an dem Tier hat. Freilich ist das Affektionsinteresse des Tierhalters unmittelbar an das Leben des Tieres geknüpft; gerade weil der Schutz des einen so untrennbar Hand in Hand mit dem Schutz des anderen einhergeht, erscheint eine eindeutige Analyse, welchem der beiden Gesichtspunkte die Regelung wohl dienen soll, ja so schwierig. Ausgangspunkt der gegenüber Sachen abweichenden rechtlichen Behandlung von Tieren ist insoweit stets deren Lebendigkeit. Daraus kann einerseits – ethisch motiviert – eine Schutzwürdigkeit von Tieren hergeleitet werden; mit der Folge, dass auch das Zivilrecht im Rahmen der sich dort bietenden Möglichkeiten zum Ort der Umsetzung dieses Schutzgedankens wird. Daraus mag sich aber andererseits auch eine Sonderbeziehung von Menschen zu Tieren ergeben, die als generalisierbar und wegen der Intensität der betroffenen ideellen Interessen als solche für schutzwürdig erachtet wird. Zieht man die Gesetzgebungsmaterialien zu Rate, lassen sich Anhaltspunkte für beide Aspekte finden, wobei aber der Tierschutzgedanke doch deutlich stärker hervorgehoben wird. Die Wertungen des TierSchG nahm der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht, in dessen Kontext auch § 251 Abs. 2 S. 2 BGB gehört, explizit in Bezug. Andererseits hatte sich nach den bisherigen Befunden trotz der gegenüber immateriellen Interessen durch § 253 Abs. 1 BGB restriktiv gestellten gesetzlichen Weichen schon Jahre vor Einführung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB in Rechtsprechung und Schrifttum eine Tendenz dafür entwickelt, die Bindung eines Tierhalters zu seinem Tier als schutz- und berücksichtigungswürdig anzusehen, sodass man § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ebenso gut als gesetzgeberische Reaktion hierauf werten könnte. Insgesamt spricht mehr dafür, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als eine primär dem Schutz des Affektionsinteresses von Tier-Eigentümern dienende Vorschrift einzuordnen, die eine tierschützende Wirkung nur als untergeordnete, wenn auch erwünschte Begleiterscheinung hat. So lässt schon die immense Fokussierung, geradezu Verengung der Diskussion und aller praktischen Fälle auf Tiere, die aus Liebhaberei gehalten werden, erkennen, dass der Schutz immaterieller Interessen im Vordergrund steht. Läge der Schwerpunkt tatsächlich auf einem ethisch begründeten Tierschutz, so wäre nicht einzusehen, warum nicht auch bei Tieren, an denen kein emotionales Interesse besteht, wertübersteigende Heilungskosten ersatzfähig sein sollten.1417 Solches ist aber wohl weder von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB bezweckt, noch wäre es gegenüber dem Schädiger gerechtfertigt: Werden Tiere nicht aus Liebhaberei, sondern zu wirtschaftlichen Zwecken gehalten, hat der Eigentümer selbst sie ökonomischen Gesichtspunkten unterworfen. Dann aber ist es nicht nachvollziehbar, warum nicht auch 1417 Anders wohl Gruber, S. 133 ff., der den moralischen Status von Tieren in Abhängigkeit davon abstufen möchte, inwieweit eine Nähebeziehung des Menschen zu den Tieren besteht. Krit. zur Ungleichbehandlung von Tieren je nach Haltungszweck aus ethischer Sicht: Stucki, S. 150 f., 162 f.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
in der schadensrechtlichen Betrachtung eine am Wert orientierte Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuwenden sein sollte. Zudem gilt: Wenn es dem Eigentümer bei drastischen Verletzungen eines Tieres, die nur unter einem hohen Aufwand wieder zu heilen wären, tierschutzrechtlich in aller Regel möglich ist, das Tier töten zu lassen,1418 verliert dies auch in dem Fall, dass ein Dritter für die Schädigung verantwortlich ist, nicht seine Gültigkeit; zwingend geboten, die Behandlung durchzuführen, ist es rein aus Tierschutz-Gesichtspunkten deshalb auch hier nicht. 5. Übertragbarkeit der Wertung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB über das Schadensrecht hinaus? Eng verknüpft mit der ratio legis des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ist die Frage, ob sich der Aussagegehalt der Vorschrift auf Konstellationen außerhalb des Schadensrechts übertragen lässt. a) Kaufrecht: Kostenrahmen der Nachbesserung (§ 439 Abs. 4 BGB, § 275 Abs. 2 BGB) Ein erstes Beispiel hierfür bildet der aus dem Schrifttum stammende Vorschlag, die Wertung der Schadensersatzregelung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB auf den Kostenrahmen der Nachbesserung zu übertragen. Zu denken ist dabei an Fälle, in denen ein verkauftes Tier bei Gefahrübergang eine Erkrankung – und damit einen Mangel (jedenfalls § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) – aufweist, deren Beseitigung durch eine entsprechende medizinische Behandlung zwar möglich ist, aber Kosten verursacht, die im Verhältnis zum Wert des Tieres sehr hoch ausfallen. aa) Vorschlag aus dem Schrifttum: Übertragung des Rechtsgedankens von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB Wertenbruch1419 und Müller1420 haben angeregt, in diesem Zusammenhang den Rechtsgedanken des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB heranzuziehen und ihn bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „unverhältnismäßige Kosten“ im Sinne des § 439 Abs. 4 BGB1421 und „grobes Missverhältnis“ im Sinne des § 275 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Dadurch sollen die Kosten der Nachbesserung beim Kauf eines Tieres nicht schon dann unverhältnismäßig sein, wenn sie den materiellen Wert des Tieres wesentlich übersteigen. Falls die Unverhältnismäßigkeitsgrenze dann doch einmal erreicht ist, soll der Käufer das Leistungsverweigerungsrecht des Verkäufers überdies durch eine Beteiligung an den Kosten der Nachbesserung abwenden dürfen. 1418 1419 1420 1421
Siehe hierzu bei Fn. 1017. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. Müller, FS Westermann, S. 517, 522. Hinweis: Bis zum 31. 12. 2017 war dies § 439 III BGB.
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Aufgrund welcher Wertung eine solche Auslegung angezeigt sein soll, wird allerdings uneinheitlich beantwortet; die Begründungsmuster schwanken auch hier wieder zwischen „Tierschutz“ und „Affektionsinteresse am Tier“. bb) Grund: Tierschutz oder Schutz des Affektionsinteresses am Tier? Einerseits1422 soll sich das entsprechende Verständnis der Verhältnismäßigkeitsschranken in § 439 Abs. 4 BGB und § 275 Abs. 2 BGB aus dem Tierschutz, nämlich einer Auslegung der Tatbestandsmerkmale „im Lichte des § 90a BGB und des Art. 20a GG“ ergeben. Nach Art. 20a GG sei die Wertentscheidung zugunsten des Tierschutzes bei der Auslegung der privatrechtlichen Normen zu berücksichtigen. Auch bei § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, dessen Rechtsgedanke zu übertragen sei, handele es sich um eine tierschutzorientierte Vorschrift. Für diesen Schutz des Tieres könne es nicht darauf ankommen, ob der Verkäufer die Tierarztkosten als Nachbesserung oder als Schadensersatz schulde. Zudem realisiere sich wegen der Schutz- und Fürsorgepflicht eines Tierhalters, sein krankes Tier behandeln zu lassen, in einer den Mangel bildenden Erkrankung ein originäres Tierhalterrisiko, das ohne Verkauf des Tieres ebenfalls den Verkäufer getroffen hätte und angesichts der Mangelhaftigkeit nicht auf den Käufer übergegangen sei. Andererseits1423 wird die an § 251 Abs. 2 S. 2 BGB orientierte Auslegung der Verhältnismäßigkeitsgrenze sowie die Möglichkeit einer teilweisen Kostentragung des Verkäufers im Falle der Unverhältnismäßigkeit damit begründet, an der Heilung eines verletzten oder kranken Tieres bestehe ein „anerkennenswertes immaterielles Interesse“. Anders als beim Kauf von unbelebten Gegenständen, bei denen sich die Frage der Angemessenheit von Nachbesserungsaufwendungen allein nach wirtschaftlichen Kriterien entscheide, seien daher (neben den auch im Rahmen des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB angewendeten Kriterien wie Alter, Gesundheitszustand und Heilungschancen) die gefühlsmäßigen Bindungen des Käufers an das Tier zu berücksichtigen. Bei einem Haustier seien diese typischerweise wesentlich stärker als bei einem reinen Nutztier. cc) Bewertung Für die Frage, ob im Rahmen von § 439 Abs. 4 BGB und § 275 Abs. 2 BGB der Schutz des Affektionsinteresses an einem Tier und/oder Tierschutz-Aspekte einbezogen werden können, und ob es dazu einer Heranziehung der Wertung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB bedarf, muss ein näherer Blick darauf geworfen werden, wie es sich konkret auswirkt, die kaufrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrenze (gegebenenfalls in Anlehnung an § 251 Abs. 2 S. 2 BGB) zu erhöhen. Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: 1422 1423
Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. Müller, FS Westermann, S. 517, 522.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
(1) Konstellation 1: Nachlieferung möglich In der ersten Konstellation geht es um Fälle, in denen als Nacherfüllung nicht nur Nachbesserung, sondern auch Nachlieferung in Betracht kommt und im Rahmen des § 439 Abs. 4 BGB die Frage der relativen Unverhältnismäßigkeit betroffen ist. Zum Schutze eines Affektionsinteresses am Tier besteht hier in aller Regel keine Notwendigkeit, auf Wertungen des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zu rekurrieren: Wollte der Verkäufer die Nachbesserung in dieser Gestaltung wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern, wäre nach § 439 Abs. 4 S. 2 BGB für die Abwägung insbesondere auch zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung – also die Nachlieferung – ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, ein durch die bloße Nachlieferung (statt Nachbesserung = Heilbehandlung des Tieres) beeinträchtigtes immaterielles Interesse des Käufers am Tier rechtlich in Stellung zu bringen, ohne dass es dafür einer Heranziehung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB bedürfte. Ein stark ausgeprägtes immaterielles Interesse des Käufers am Tier wird in dieser Konstellation aber oftmals erst gar nicht gegeben sein: Allein der Umstand, dass nach der zugrunde liegenden Parteivorstellung eine Nachlieferung möglich erscheint – etwa weil das Tier nicht weiter individualisiert ist –, deutet schon sehr darauf hin, dass ein Affektionsinteresse an dem Tier kaum bestehen wird.1424 Zudem geht es im Rahmen der kaufrechtlichen Nacherfüllung um die Beseitigung von bei Gefahrübergang (= Übergabe, § 446 S. 1 BGB) vorliegenden Mängeln. Das betreffende Tier ist daher womöglich noch nicht allzu lang in der Obhut des Käufers, was darauf schließen lässt, dass dessen Bindung zu dem Tier typischerweise noch nicht sehr intensiv, sondern allenfalls im Entstehen begriffen ist. Unter dem Blickwinkel des „Tierwohls“ hingegen würde sich eine höhere Verhältnismäßigkeitsgrenze in dieser Konstellation zwar positiv auswirken, doch kann dies als solches, wie gleich noch näher auszuführen sein wird, nicht die Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 439 Abs. 4 BGB oder § 275 Abs. 2 BGB beeinflussen. Eine Erhöhung der Verhältnismäßigkeitsgrenze und damit eine Ausweitung der Nachbesserungsvariante führt – insofern günstig für das „Tierwohl“ – dazu, dass die entsprechende Heilbehandlung mit größerer Wahrscheinlichkeit durchgeführt wird, denn im – alternativen – Falle der Nachlieferung wird das mangelhafte Tier an den Verkäufer zurückgegeben (§§ 439 Abs. 5, 346 Abs. 1 BGB) und diesem steht es dann frei, es selbst behandeln- oder aber in den Grenzen des Tierschutzrechts töten zu lassen. Gerade wenn eine (relative) Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung (in Form der Heilbehandlung) in Rede steht, lässt dies erahnen, dass die den Mangel bildende Erkrankung auch ein „vernünftiger Grund“ zur Tötung im Sinne des § 1 S. 2 TierSchG sein kann. Diese Handlungsoption hat indes ein jeder Tiereigentümer. Die rechtlichen Anforderungen an den Umgang mit Tieren und die Frage, inwiefern hier wirtschaftliche Überlegungen Einfluss nehmen dürfen, regelt das genuine Tierschutzrecht. Das Zivilrecht sollte nicht dazu zweckentfremdet 1424
Siehe dazu vorne bei Fn. 701.
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werden, eine nach Tierschutzrecht nicht gebotene Heilbehandlung zu erzwingen. Das „Tierwohl“ kann daher nicht als eigenständiger Gesichtspunkt in die Abwägung nach § 439 Abs. 4 BGB oder § 275 Abs. 2 BGB eingestellt werden. Denn warum das Zivilrecht dadurch, dass das Tier gleichsam zufällig Gegenstand einer Zwei-Personen-Beziehung (hier: Gegenstand eines Kaufvertrags) wird, als Selbstzweck und aus sich heraus ein über das TierSchG hinaus für das „Tierwohl“ günstigeres Ergebnis herbeiführen sollte, leuchtet nicht ein. Mit einer Übertragung des Rechtsgedankens von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ließe sich dabei eine solche Einführung von „Tierwohl“-Aspekten in die kaufrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin nur begründen, wenn man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – den Zweck der Regelung vor allem in dem Schutz des betreffenden Tieres und nicht in dem Schutz des Affektionsinteresses am Tier sieht. (2) Konstellation 2: Nachlieferung unmöglich Die zweite, innerhalb der veröffentlichten Rechtsprechung häufigere Sachverhaltsgestaltung ist dagegen der Kauf eines individualisierten Luxus-Tieres, bei dem eine Nachlieferung als Form der Nacherfüllung ausscheidet1425 und allein die Nachbesserung in Betracht kommt. Handelte dabei der Käufer als Verbraucher (§ 13 BGB) und der Verkäufer als Unternehmer (§ 14 BGB), so ist es letzterem nach der zur Verbrauchsgüterkauf-RL ergangenen EuGH-Rechtsprechung1426 – seit 1. Januar 2018 umgesetzt in § 475 Abs. 4 BGB – ohnehin verwehrt, sich auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand (in Gestalt absoluter Unverhältnismäßigkeit) zu berufen. Es geht bei der Bemessung der Verhältnismäßigkeitsgrenze dann allein um die Entscheidung zwischen voller oder teilweiser Kostentragungspflicht des Verkäufers hinsichtlich des Nachbesserungs- (also Behandlungs-)Aufwands und damit um die reine Verteilung der auf dem Mangel beruhenden wirtschaftlichen Last. Um aber einen Gleichklang mit den Fällen herzustellen, in denen dem Verkäufer das Leistungsverweigerungsrecht nach § 439 Abs. 4 BGB theoretisch offen steht, muss auch hier der Käufer ein immaterielles Interesse am Tier als ein die Verhältnismäßigkeitsgrenze („angemessener Betrag“ im Sinne des § 475 Abs. 4 S. 2 BGB) erhöhender Umstand geltend machen können. Kontrahieren beim Kauf eines individualisierten Tieres hingegen zwei Verbraucher oder zwei Unternehmer, ist der die EuGH-Rechtsprechung zur Verbrauchsgüterkauf-RL umsetzende § 475 Abs. 4 BGB nicht anwendbar und eine Verweigerung der Nachbesserung als einzig möglicher Nacherfüllungsvariante wegen (absoluter) Unverhältnismäßigkeit prinzipiell denkbar. Im Rahmen des § 439 Abs. 4 BGB ist dann abzuwägen zwischen den Nacherfüllungskosten und dem Interesse des Käufers an der Nacherfüllung.1427 Zu diesem „Interesse des Käufers an der Nacherfüllung“ 1425
Siehe vorne bei Fn. 637 ff. und Fn. 696 ff. EuGH, Urt. v. 16. 06. 2011 – C-65/09, C-87/09, NJW 2011, 2269; siehe auch BGH, Urt. v. 21. 12. 2011 – VIII ZR 70/08, NJW 2012, 1073. 1427 MüKo-Westermann § 439 BGB Rn. 23 (7. Aufl. 2016). 1426
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kann auch ein etwaiges Affektionsinteresse des Käufers an dem Tier zählen. Die Wertung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB könnte dabei vor allem insofern fruchtbar gemacht werden, als sie die rechtliche Schutzwürdigkeit des Affektionsinteresses eines Menschen an einem Tier anerkennt. Das gleiche gilt, wenn gar § 275 Abs. 2 BGB in Frage kommt:1428 Denn Bezugspunkt der Abwägung ist dann auf Gläubiger-Seite wieder dessen Leistungsinteresse, das auch durch ein immaterielles Interesse geprägt sein kann.1429 Nicht berufen kann sich der Käufer aus den schon oben genannten Gründen indes darauf, es entspreche dem „Tierwohl“, eine Nachbesserung trotz hoher Kosten vorzunehmen. Als Kontrollüberlegung hilft es, sich die Alternativen vor Augen zu halten, die dem Käufer zur Verfügung stehen, wenn der Unverhältnismäßigkeitseinwand Erfolg hat: Der Käufer ist dann auf die Inanspruchnahme der sekundären Rechtsbehelfe (Minderung, Rücktritt, Schadensersatz) verwiesen. Dies hat für ihn mehrere Nachteile. Einen Rücktritt wird er nur wählen, wenn ein Affektionsinteresse an dem Tier nicht besteht, denn in dem Fall gelangt das Tier an den Verkäufer zurück und dieser kann wie jeder Eigentümer im Rahmen des Tierschutzrechts damit verfahren (wie im oben beschriebenen Fall der Nachlieferung). Will der Käufer bei einer Leistungsverweigerung des Verkäufers nach § 439 Abs. 4 (oder § 275 Abs. 2 BGB) die Behandlung des Tieres selbst vornehmen lassen, kann er versuchen, die daraus erwachsenen Kosten gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB (oder §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB) vom Verkäufer ersetzt zu verlangen. Dabei trüge er jedoch das Insolvenzrisiko des Verkäufers und ein Erstattungsanspruch stünde ihm überdies auch nur dann zu, wenn der Verkäufer die mangelhafte Leistung zu vertreten hätte. Möchte der Käufer das Tier indes aufgrund seines immateriellen Interesses an ihm behalten, trifft den Verkäufer aber kein Vertretenmüssen und ist die Unverhältnismäßigkeitsgrenze des § 439 Abs. 4 BGB (oder des § 275 Abs. 2 BGB) erreicht, ähnelt die Situation derjenigen des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB. Der Käufer kann dann zwar den Kaufpreis allenfalls noch auf null mindern, die vollen Heilbehandlungskosten jedoch nicht ersetzt verlangen. Es steht ihm lediglich frei, auf eigene Rechnung die Behandlung durchführen zu lassen. Eine – an § 251 Abs. 2 S. 2 BGB orientierte – höhere Verhältnismäßigkeitsgrenze ermöglicht es hingegen dem Käufer, dass er in einem weiteren Umfang auf Nachbesserung (Behandlung) bestehen und das Tier behandeln lassen kann und damit sein – nach den Wertungen des Kaufrechts berechtigtes – Käufer-Interesse am Erhalt genau dieses Tieres (ohne Mängel) durchsetzt. Eine durch das Affektionsinteresse des Käufers erhöhte Verhältnismäßigkeitsgrenze erzeugt damit zugleich ein für das „Tierwohl“ günstiges Ergebnis, doch ist dies lediglich eine Begleitwirkung.
1428 Zum Verhältnis zwischen § 439 III BGB und § 275 II BGB siehe etwa MüKo-Westermann § 439 BGB Rn. 28 (7. Aufl. 2016). 1429 MüKo-Ernst § 275 BGB Rn. 81 (7. Aufl. 2016).
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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(3) Fazit Für den Kostenrahmen der Nacherfüllung kommt § 251 Abs. 2 S. 2 BGB vor allem insofern Orientierungswirkung zu, als er – nach hier vertretener Lesart – eine gesetzliche Anerkennung der Schutzwürdigkeit und Berücksichtigungsfähigkeit des an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses manifestiert. Bei der Abwägung im Rahmen von § 439 Abs. 4 BGB und § 275 Abs. 2 BGB kann ein solches Affektionsinteresse als ein das Leistungsinteresse des Käufers prägender Gesichtspunkt einbezogen werden und so die Verhältnismäßigkeitsgrenze erhöhen. Im Einzelnen gilt: Ist die Nachlieferung als Form der Nacherfüllung möglich, besteht in aller Regel kein starkes Affektionsinteresse des Tier-Käufers. Falls doch, dann kann der Käufer dem Unverhältnismäßigkeitseinwand des Verkäufers entgegenhalten, dass im Sinne des § 439 Abs. 4 S. 2 BGB auf die andere Art der Nacherfüllung nicht „ohne erhebliche Nachteile“ zurückgegriffen werden kann. Auch das „Tierwohl“ profitiert davon gleichsam als Begleiterscheinung, vermag aber nicht als eigenständiger Gesichtspunkt die Höhe der Verhältnismäßigkeitsgrenze zu beeinflussen. Ist die Nachlieferung unmöglich, entscheidet die Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrenze in C2C- oder B2B-Konstellationen darüber, ob der Käufer auf Nacherfüllung beharren darf oder auf die demgegenüber mit einigen Nachteilen verbundenen Sekundärrechtsbehelfe verwiesen ist. Ein immaterielles Interesse am Tier kann der Käufer dabei in die Abwägung nach § 439 Abs. 4 BGB einbringen. Um keinen Widerspruch auszulösen, muss gleiches gelten, wenn – wie es in B2CKonstellationen der Fall ist – nach § 475 Abs. 4 BGB dem Verkäufer kein Leistungsverweigerungsrecht wegen Unverhältnismäßigkeit zusteht und es lediglich um die Verteilung der Kostenlast geht. Sowohl § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als auch § 439 Abs. 4 BGB und § 275 Abs. 2 BGB ermöglichen es somit, dass zum Schutze des Affektionsinteresses an einem Tier einem Dritten Kosten auferlegt werden, die – gemessen am objektiven Wert des Tieres – unwirtschaftlich sind. Anknüpfungspunkt und Rechtfertigung dafür ist bei § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, dass der Dritte eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat, und bei § 439 Abs. 4 BGB sowie § 275 Abs. 2 BGB, dass der Dritte seine Leistungspflicht verletzt hat. b) Fundtiere: Verhältnismäßigkeit von Aufwendungen für Tier-Behandlung und Möglichkeit der Versteigerung bei unverhältnismäßigen Kosten Ein weiteres Beispiel für die Überlegung, die Wertung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB über das Schadensrecht hinaus zur Beantwortung von Rechtsfragen mit Tier-Bezug heranzuziehen, bietet ein Urteil des OVG Lüneburg1430. In dem verwaltungsge1430 OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 04. 2012 – 11 LB 267/11, KommJur 2012, 338; vgl. auch die Vorinstanz: VG Göttingen, Urt. v. 19. 05. 2010 – 1 A 288/08 – juris.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
richtlichen Fall stritt ein Tierarzt mit einer Kommune über einen Aufwendungsersatzanspruch wegen der Behandlung eines zu ihm gebrachten Fundtieres. Die Anspruchsgrundlage bestand in §§ 677, 683, 679, 670 BGB analog in Verbindung mit § 967 BGB. Die Kommune machte geltend, die Behandlungskosten (insgesamt 677,25 Euro) seien unverhältnismäßig hoch gewesen und ihrem Willen hätte daher die Tötung des Tieres entsprochen, für die lediglich Kosten in Höhe von 50 Euro angefallen wären. Das Gericht indes verneinte eine Unverhältnismäßigkeit. Neben dem Argument, das TierSchG hätte einer aus tiermedizinischer Sicht nicht erforderlichen, rein aus wirtschaftlichen Gründen erfolgenden Tötung entgegengestanden, verwies das Gericht dabei hinsichtlich der eingewendeten Unverhältnismäßigkeit auf die Aussage des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, dass im Schadensrecht die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen, sowie auf die dazu in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien und Obergrenzen. Ähnliche Überlegungen finden sich bei von Loeper1431 für die in § 966 Abs. 2 S. 1 BGB angelegte Möglichkeit, ein Fundtier öffentlich versteigern zu lassen, wenn dessen Unterbringung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Aus § 251 Abs. 2 S. 2 BGB folgert er dabei, dass hier die Unterbringungskosten den Eigenwert des Tieres zumindest erheblich übersteigen dürften; insgesamt lehnt er aber eine Versteigerung aus wirtschaftlichen Gründen generell als „tierschutzrechtlich ungeeignete(…) Verwertungsmethode“ und wegen der entgegenstehenden „emotionale[n] Beziehung des Menschen zum Tier, die mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht geschützt werden sollte“, ab. Ob ein Rückgriff auf § 251 Abs. 2 S. 2 BGB in diesen Fällen angebracht ist, hängt nicht zuletzt von der Einordnung seines Schutzzwecks ab. Sieht man in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB primär den auf das Schadensrecht zugeschnittenen Ausgleich zwischen dem Interesse des Schädigers, wirtschaftlich nicht unzumutbar belastet zu werden und dem – insbesondere auch durch ein Affektionsinteresse gekennzeichneten – Interesse des Tier-Eigentümers an der Aufrechterhaltung der Integrität seines Tieres, erscheint die Heranziehung der Vorschrift samt zu ihr ergangener Rechtsprechung in den beiden oben genannten Fallkonstellation eher zweifelhaft. Immerhin würde die Übertragung des Rechtsgedankens von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB – entsprechend einer Analogie – voraussetzen, dass sich die jeweiligen Interessenlagen ähneln. Dagegen spricht hier, dass für ein konkretes, schutzwürdiges Affektionsinteresse gerade im Falle eines Fundtieres zunächst grundsätzlich keine Anhaltspunkte vorliegen. Ein nur möglicherweise stark ausgeprägtes Affektionsinteresse des Halters, dem das Tier abhanden gekommen ist, oder die in anderen Fällen von Gerichten zuweilen zugrunde gelegte Annahme, dass eine lebenserhaltende Behandlung von Haustieren in der Regel dem mutmaßlichen Willen des Halters entspricht,1432 können darüber nicht 1431 1432
Kluge-von Loeper Einf. Rn. 143 (1. Aufl. 2002). Siehe vorne bei Fn. 679.
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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hinweghelfen. Auch stellt sich die Frage, ob die Zumutbarkeitsschwelle einerseits für einen Schädiger, der ein Tier in einer zum Schadensersatz verpflichtenden Weise verletzt hat, und andererseits für eine Kommune, zu deren allgemeinen öffentlichen Aufgaben die Versorgung von Fundtieren gehört, wirklich gleich zu bemessen ist. Gerade die Vermischung der Argumentation des OVG Lüneburg mit einer Behandlungspflicht der Kommune kraft TierSchG deutet darauf hin, dass im Kern doch vielleicht eher die – dann aber originär im Kontext des TierSchG zu lösende – Frage gemeint war, inwieweit der rechtliche Tierschutz für Wirtschaftlichkeitserwägungen offen ist. Allerdings ist zu bedenken, dass der vom OVG Lüneburg zu entscheidende Fall vor dem Hintergrund eines Aufwendungsersatzanspruchs aus GoA spielte. Die Aussage des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als Argument dafür anzuführen, dass ein Geschäftsführer im Rahmen einer GoA Aufwendungen für die Heilbehandlung von Tieren auch dann noch im Sinne des § 670 BGB „den Umständen nach für erforderlich halten darf“, wenn sie den materiellen Wert des Tieres bereits übersteigen, liegt dabei in der Tat nicht allzu fern. Immerhin soll § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ausweislich der Gesetzesmaterialien ein Ausfluss der zivilrechtlichen Berücksichtigung des Tierschutzes sein, sodass man der Sonderregelung auch eine allgemeine gesetzliche Wertung entnehmen könnte, wonach aufgrund von Tierschutz-Gesichtspunkten eine zivilrechtliche Unverhältnismäßigkeit von Aufwendungen nicht schon aus dem Übersteigen des materiellen Wertes des Tieres folgt. Wenig überzeugend ist dagegen die pauschale Beurteilung von Loepers, eine Versteigerung von Fundtieren sei tierschutzrechtlich abzulehnen: Warum letztere für ein Tier belastender sein soll als eine sonstige rechtsgeschäftliche Veräußerung, ist nicht erkennbar; folgerichtig müsste nach dieser Sichtweise jedwede Transaktion von Tieren aus Tierschutzgründen ausscheiden. Jedenfalls aber verdeutlichen diese Beispiele einer Heranziehung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB für Fundtier-Fälle: Da explizite Regelungen des Gesetzgebers über Tiere im Zivilrecht nur dünn gesät sind, wird diesen besondere Aufmerksamkeit zuteil und sie regen zu Versuchen an, aus ihnen Wertungen auch für die Beantwortung sonstiger Zivilrechtsfragen mit Tier-Bezug zu gewinnen. 6. Blick in andere Rechtsordnungen Die Frage der Verhältnismäßigkeit hoher Heilbehandlungskosten bei der Verletzung von Tieren ist nicht nur im deutschen Recht paradigmatisch für eine zivilrechtliche Sonderstellung von Tieren. Das zeigt ein kurzer grenzüberschreitender Seitenblick. Gemeinsame rechtliche Ausgangslage ist dabei in den herangezogenen Rechtsordnungen (wie auch in Deutschland): Wird ein Eigentumsobjekt durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung beschädigt, so schuldet der Schädiger grundsätzlich die Kosten der Wiederherstellung; dies aber – anders etwa als bei der Verletzung von Menschen – vorbehaltlich einer am Marktwert des betreffenden
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
Objekts orientierten Verhältnismäßigkeitsgrenze. Für den Spezialfall der Verletzung eines Tieres wurde diese Zumutbarkeitsgrenze, wie aus der nachfolgenden Synopse ersichtlich, seit Ende der 1980er-Jahre in verschiedenen europäischen Zivilrechtskodifikationen zwar nicht abgeschafft, doch wurde ihre Verknüpfung mit dem objektiven Wert des Tieres gelockert. Österreich Norm
Inhalt
Schweiz
DCFR
Portugal
§ 251 Abs. 2 § 1332a ABGB S. 2 BGB
Art. 42 Abs. 3 OR
VI. – 6:101 Abs. 3
Art. 493-A CC
Wird ein Tier verletzt, so gebühren die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.
Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögensoder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.
Where a tangible object is damaged, compensation equal to its depreciation of value is to be awarded instead of the cost of its repair if the cost of repair unreasonably exceeds the depreciation of value. This rule applies to animals only if appropriate, having regard to the purpose for which the animal was kept.
(1) Im Falle der Verletzung eines Tieres ist der Verantwortliche zum Ersatz der aus der Heilbehandlung entstandenen Ausgaben verpflichtet (…) (2) Die Entschädigung nach dem vorherigen Absatz ist auch dann zu zahlen, wenn die Ausgaben mehr betragen als der Geldwert, der dem Tier zugeschrieben werden kann.
1. 9. 1990
1. 4. 2003
Inkraft1. 7. 1988 treten
Deutschland
vorgelegt 2009
1. 5. 2017
a) Österreich: § 1332a ABGB Eine Sondervorschrift für die Grenze zwischen Wiederherstellung und bloßer Wertkompensation bei der Verletzung von Tieren wurde zuerst in Österreich geschaffen: in Gestalt des zum 1. Juli 1988 in Kraft getretenen § 1332a ABGB.1433 1433 179. Bundesgesetz vom 10. März 1988 über die Rechtsstellung von Tieren, BGBl. vom 31. März 1988 (Nr. 179), S. 1832, Art. 1 Nr. 2.
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
283
aa) Hintergrund Ein Anspruch auf Naturalrestitution steht in Österreich gemäß § 1323 S. 1 ABGB unter dem Vorbehalt der „Tunlichkeit“, einer Zumutbarkeits- und Verhältnismäßigkeitsgrenze, die anhand einer Abwägung zwischen dem Integritätsinteresse des Geschädigten und dem Interesse des Geschädigten, bloßen Wertersatz zu leisten, zu ermitteln ist.1434 Fälle, in denen Gerichte diese Schwelle nach alter Rechtslage im Hinblick auf Heilbehandlungskosten für verletzte Tiere bestimmen mussten, sind wohl nicht veröffentlicht. Jedoch findet sich im Schrifttum die Auffassung, dass auf dem Boden der herrschenden Rechtsprechung und Lehre jedenfalls im Einzelfall ein gesellschaftlich anerkanntes Affektionsinteresse – wie es etwa in Bezug auf Haustiere anzutreffen sei – als ein das Integritätsinteresse des Geschädigten maßgeblich prägender Belang auch schon ohne die neue Spezialvorschrift in diese Abwägung hätte eingestellt werden und so die „Tunlichkeitsgrenze“ hätte anheben können,1435 dass sich also die erweiterte Ersatzfähigkeit von Heilungskosten bereits zuvor aus dem Wiederherstellungsprinzip ergeben hätte1436 und die Einfügung des § 1332a ABGB mithin entbehrlich gewesen wäre1437. Dafür spricht, dass die Rechtsprechung sich bei der Bemessung der Verhältnismäßigkeitsgrenze, insbesondere bei Objekten ohne nennenswerten Marktwert und bei nicht vertretbaren Sachen, wegen des Vorrangs der Naturalrestitution in der Tat großzügig zeigt und auf den Maßstab eines „verständigen Eigentümers in der Lage des Geschädigten“, auf einen „wirtschaftlich vernünftig handelnde[n] Mensch[en], der den Schaden selbst zu tragen hätte“, abstellt. Da ein Schädiger grundsätzlich das gesamte subjektiv zu berechnende Interesse zu ersetzen habe, dürften der Tunlichkeit der Wiederherstellung „keine engen Grenzen gezogen werden“.1438 Der Gesetzgeber1439 hingegen ging davon aus, bei der Verletzung eines Tieres sei die Wiederherstellung nach alter Rechtslage bereits untunlich gewesen, wenn deren Kosten den Wert des Tieres überstiegen hätten, sodass der Schädiger dann nur den Verkehrswert habe ersetzen müssen.1440 Das aber sei „oft unbillig, besonders bei solchen Tieren, zu denen der Eigentümer üblicherweise in eine engere emotionelle Bindung“ trete, „die also für ihn unvertretbar“ seien, „wie etwa ein Hund“. Hier sollte 1434
Vgl. Bydlinski, RdW 1988, 157, 158; Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 67. Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 67 f.; ähnlich Koziol/Bydlinski/BollenbergerDanzl § 1332a ABGB Rn. 1 (4. Aufl. 2014); anders Bydlinski, RdW 1988, 157, 158: „nicht ersatzfähiges ideelles Interesse“ (jedoch zweifelnd). 1436 Schwimann/Kodek-Harrer § 1332a ABGB Rn. 2 f. (3. Aufl. 2006), der zudem an die Überlegung anknüpft, dass es bei vielen Tieren keinen Marktwert gebe. 1437 Schwimann/Kodek-Harrer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2006): „keine neue rechtlich relevante Aussage“. 1438 OGH v. 11. 06. 1996 – 7Ob2062/96b – RIS; OGH v. 29. 05. 1995 – 1Ob620/94 – RIS. 1439 Bericht des Justizausschusses, 497 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. Gesetzgebungsperiode. 1440 Siehe auch Stenographisches Protokoll über die 53. Sitzung des Nationalrates vom 10. 03. 1988, XVII. Gesetzgebungsperiode, S. 6100 ff. 1435
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
der Heilungsaufwand nach Meinung des Gesetzgebers auch dann zu ersetzen sein, wenn er den Verkehrswert des Tieres überschreitet. Um gleichwohl den Ersatzanspruch in „vernünftigen Grenzen“ zu halten, wurde die Bezugnahme auf das Verhalten eines „verständigen Tierhalters“ eingefügt. Ein solcher werde „auch einem Haustier nur eine übliche tierärztliche Behandlung angedeihen lassen, nicht aber etwa außergewöhnliche und sehr kostenintensive chirurgische Eingriffe“; und bei einem Nutztier, zu dem ja üblicherweise keine gefühlsmäßige Beziehung bestehe, werde er für die Heilung erst gar keinen Betrag aufwenden, der den Wert des Tieres übersteige, sodass es in diesem Fall regelmäßig beim Ersatz des Verkehrswertes verbleibe. Jedoch sei die Abwägung des vernünftigen Tierhalters nach den jeweiligen besonderen Umständen vorzunehmen, sodass im Einzelfall von einer gefühlsmäßigen Beziehung des Geschädigten auch zu einem solchen Tier auszugehen sein könne, das üblicherweise nur als Nutztier gehalten werde.1441 Insgesamt versteht das Schrifttum dies als einen Auftrag zu einer zwar objektivierten, jedoch an der individuellen gefühlsmäßigen Bindung zum verletzten Tier orientierten Beurteilung.1442 bb) Konkrete Handhabung Für die konkrete Handhabung des § 1332a ABGB kursiert in der Literatur zum Beispiel der Vorschlag, die ersatzfähigen Heilbehandlungskosten auf das Zwei- bis Dreifache oder – bei objektiv geringwertigen Tieren – auf das Vier- bis Fünffache des Marktwerts zu begrenzen.1443 Anders als bei der Verletzung von Menschen sei ein Bezug zwischen den Heilungskosten und dem materiellen Wert des Tieres herzustellen. Der Wert bilde zwar „kraft Gesetzesanordnung keine Obergrenze“, dürfe jedoch bei der Schadensbemessung nicht außer Acht gelassen werden. § 1332a ABGB wolle „der gefühlsmäßigen Beziehung zum Tier gerecht werden“, berücksichtige also ideellen Schaden. Mit dem Verweis auf einen „verständigen Tierhalter“ sei dabei ein objektiver Maßstab eingeführt worden und über die Bezugnahme auf die „Lage des Geschädigten“ könne „eine von der Rechtsordnung gebilligte Beziehung zum Tier“ in Rechnung gestellt werden, „die über die Interessen am Wert des Tieres (erheblich) hinaus“ gehe und „insofern eine gefühlsmäßige“ sei; abzugrenzen aber 1441 Bericht des Justizausschusses, 497 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. Gesetzgebungsperiode. Vgl. dazu OGH v. 10. 05. 2001 – 8Ob93/01 m – RIS. 1442 Vgl. Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Danzl § 1332a ABGB Rn. 3 (4. Aufl. 2014): „nach einem objektiven Maßstab, allerdings unter Berücksichtigung der subjektiven gefühlsmäßigen Bindung des Halters zum verletzten Tier“. Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 69: zu berücksichtigen sei „das Affektionsinteresse am Tier in einem objektiven Ausmaß“; Schwimann TK-Wittwer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2015): es sei eine „,objektivierte‘ Gefühlsbeziehung entscheidend“; trotz des objektiven Maßstabs spielten „auch subjektive Voraussetzungen (Nahe- und Gefühlsbeziehung des Tierhalters zu seinem Tier) eine Rolle“. A. A. Bydlinski, RdW 1988, 157, 159: „(objektiver) Durchschnittsmaßstab“, keine Berücksichtigung der individuellen Gefühlsbeziehung zum Tier. 1443 Schwimann TK-Wittwer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2015).
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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von der rein auf der psychischen Konstellation des Geschädigten beruhenden besonderen Vorliebe.1444 Ersatzberechtigter sei der Eigentümer des Tieres; der Ausdruck „Tierhalter“ in § 1332a ABGB diene „nur der Umschreibung der für das Ausmaß des Kostenersatzes maßgebenden wertverbundenen Person“.1445 Als besondere Lage des Geschädigten könne es auch zu berücksichtigen sein, wenn dieser das betreffende Tier für nahe Angehörige, insbesondere Kinder halte, die an dem Tier hängen.1446 In dem Fall, dass überhöhte Kosten aufgewendet wurden, soll der Betrag bis zu der Grenze, die sich nach dem „verständigen Tierhalter“ ergibt, zu erstatten sein.1447 Nicht ersetzt werden fiktive Behandlungskosten.1448 Veröffentlichte Urteile zu § 1332a ABGB sind eher rar. In einer landgerichtlichen Entscheidung1449, die in weiten Teilen die soeben genannten Ausführungen der Kommentarliteratur aufgreift, wurden auf Grundlage des Maßstabs eines „verständigen Tierhalters“ in Anbetracht von Alter (2,5 Jahre) und Zweck des Tieres (Familienhund) beispielsweise Kosten in Höhe des fünffachen Wertes des verletzten Hundes für noch ersatzfähig gehalten. In einer zu § 1332a ABGB ergangenen Entscheidung des OGH1450 stellte dieser zum Anwendungsbereich und Regelungsgehalt klar, jene Spezialnorm, „die die schadensersatzrechtliche Sonderstellung der Tiere hervorheben sollte“, gelte lediglich für die zur Heilung des verletzten Tieres aufgewendeten Kosten. Ansonsten bestimmten sich Grund und Höhe eines Schadensersatzanspruchs bei der Verletzung eines Tieres „weiterhin nach den Regelungen des ABGB über die Sachbeschädigung“. Konkret ging es in dem zu beurteilenden Fall um einen Anspruch auf Ersatz der Unterhaltskosten für ein Tier, das infolge einer (unheilbaren) Verletzung „unbrauchbar“ geworden war. Der OGH erklärte, nichts hindere den Tierhalter daran, „das invalide Tier angesichts seiner (…) emotionalen Bindung am Leben zu lassen“; ein Anspruch gegen den Schädiger wegen der dafür anfallenden (Unterhaltungs-)Kosten bestehe indes nicht – auch nicht gestützt auf § 1332a ABGB.1451 1444 Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2007) mit weiteren Ausführungen zur erstattungsfähigen Kostenhöhe. 1445 Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 4 (3. Aufl. 2007). 1446 Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2007); Bydlinski, RdW 1988, 157, 159; Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 69. 1447 Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 69 f.; Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2007). 1448 Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 69 f.; Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2007); siehe auch den Wortlaut der Norm, der von „tatsächlich aufgewendeten Kosten“ spricht. 1449 LG Krems v. 08. 11. 2012 – 1R127/12z – RIS; krit. Schwimann TK-Wittwer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2015). 1450 OGH v. 29. 09. 1998 – 1 Ob 160/98 f, ÖNZ 1999, 403 f., Hervorhebung durch Verf. 1451 Krit. hierzu Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2007), der i. E. der Entscheidung zwar zustimmt, diese aber anders begründen will: § 1332a ABGB trage der gefühlsmäßigen Beziehung des Geschädigten Rechnung – wer ein Tier trotz unheilbarer Krankheit wegen seiner gefühlsmäßigen Beziehung behalte und pflege, sei nicht weniger
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cc) Ratio legis Was die ratio legis von § 1332a ABGB anbelangt, so verdeutlicht die der Neuregelung zugrunde liegende – mit geradezu pathetischen Anklängen geführte – Parlamentsdebatte, dass man bei der Änderung wohl nicht so sehr an die betreffenden Tiere selbst, sondern mehr an deren Halter dachte. So hieß es in den Redebeiträgen etwa: Das Gesetz bringe „eine positive Entwicklung“ für die Menschen, „die Haustiere halten und die zu diesen Tieren eine engere emotionale Bindung aufgebaut haben“; die vorherige Begrenzung der Heilbehandlungskosten auf den Verkehrswert des Tieres hätte zu „unerträgliche[n] Situationen für Tierhalter“ geführt. Die Änderung sei „im Sinne einer humanen und humanistischen Gesellschaftsordnung richtig und wichtig“.1452 Es gebe viele Menschen, die zu Tieren „eine sehr innige, ja sogar eine emotionale Bindung“ hätten;1453 als Beispiel angeführt wurden vor allem „alte(…) Menschen im städtischen Bereich, für die oft ein Hund oder eine Katze der einzige Bezugspunkt für emotionale Beziehungen“ sei.1454 Wichtig an der Gesetzesänderung sei die Bedeutung der „emotionalen Beziehung des Menschen zum Tier“; hierauf komme es an, „nicht auf den reinen Sachwert“.1455 Auch das österreichische Schrifttum sieht offenbar den Zweck des § 1332a ABGB vornehmlich in dem Schutz des Affektionsinteresses an Tieren. So wird die Regelung als gesetzliche Anordnung gewertet, „der gefühlsmäßigen Beziehung zum Tier gerecht zu werden“, also den ideellen Schaden1456 oder „das Affektionsinteresse am Tier in einem objektiven Ausmaß“ für die Bemessung des Heilungskostenersatzes zu berücksichtigen1457. § 1332a ABGB schütze den Eigentümer. Allenfalls indirekt möge „sich daraus insofern vielleicht Tierschutz ergeben, als u. U. nun Eigentümer Heilungskosten einsetzen, die sie früher nicht aufgewendet hätten“.1458 Teils wird § 1332a ABGB als „Ausdruck der ,Tierschutz-Wortkosmetik‘“1459 bezeichnet, teils misst man ihm, stärker als dem im gleichen Zuge eingeführten § 285a schutzwürdig als derjenige, der Heilungskosten aufwende. Der Ersatz erheblicher Dauerkosten scheitere jedoch an dem Maßstab des „verständigen Tierhalters“. 1452 Abg. Dr. Fuhrmann, Stenographisches Protokoll über die 53. Sitzung des Nationalrates vom 10. 03. 1988, XVII. Gesetzgebungsperiode, S. 6100 f. 1453 Abg. Vonwald, Stenographisches Protokoll über die 53. Sitzung des Nationalrates vom 10. 03. 1988, XVII. Gesetzgebungsperiode, S. 6108. 1454 Abg. Dr. Hubinek, Stenographisches Protokoll über die 53. Sitzung des Nationalrates vom 10. 03. 1988, XVII. Gesetzgebungsperiode, S. 6102; ähnlich Abg. Horvath, S. 6107; Abg. Vonwald, S. 6108; Abg. Dr. Fuhrmann, S. 6101. 1455 Abg. Horvath, Stenographisches Protokoll über die 53. Sitzung des Nationalrates vom 10. 03. 1988, XVII. Gesetzgebungsperiode, S. 6107. 1456 Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2007). 1457 Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 69; ähnlich Lippold, ÖJZ 1989, 335 Fn. 1: „Versuch, bei Tierschäden hinsichtlich der Heilungskosten das Affektionsinteresse des Tierhalters zu berücksichtigen“. 1458 Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2007). 1459 Schwimann TK-Wittwer § 1332a ABGB Rn. 1 (3. Aufl. 2015).
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ABGB, „[d]urchaus sachlichen Gehalt“ bei.1460 „Geschütztes Objekt“ seien aber „die Präferenzen des Tierhalters“, für den § 1332a ABGB „eine nicht unbeträchtliche Verbesserung der Situation“ bewirkt habe. „[N]icht der Schutz des Tieres“ könne „als das motivierende Element der Norm angesehen werden“. Dies zeige sich schon daran, dass § 1332a ABGB „bloß Haus-, nicht aber Nutztieren zugute“ komme. „Die zivilistische Behandlung des Tieres im Schadensersatzrecht“ hänge mithin davon ab, „ob das Tier das Glück“ habe, „Gegenstand der Präferenzen eines Menschen zu sein“, oder als Produktionsmittel diene.1461 Graf konstatiert in diesem Zusammenhang für das österreichische Zivilrecht überhaupt, dass dieses ausschließlich den Interessen von Menschen diene und einen eigenständigen Schutz des Tieres nicht kenne;1462 es gebe keine zivilrechtlichen Regelungen, die eine besondere Behandlung der Tiere gerade um deren Wohlergehens willen vorsähen.1463 dd) Vergleich zum deutschen § 251 Abs. 2 S. 2 BGB Die gut zwei Jahre später in Kraft getretene deutsche schadensrechtliche Sonderregel für Heilbehandlungskosten bei Tieren in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB weist Ähnlichkeiten zum österreichischen Pendant in § 1332a ABGB auf. Beide Vorschriften beziehen sich schon ihrem Wortlaut nach nur auf Kosten einer tatsächlich durchgeführten Heilbehandlung („entstandenen Aufwendungen“; „tatsächlich aufgewendeten Kosten“). Dass auch Ausgaben für eine nur versuchte (erfolgversprechende, aber gescheiterte) Heilbehandlung ersatzfähig sind, ergibt sich in Österreich explizit aus dem Gesetzeswortlaut, in Deutschland folgt das gleiche Ergebnis im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der Schädiger das Prognoserisiko trägt.1464 Im Falle unverhältnismäßig hoher Heilbehandlungskosten geht man in beiden Rechtsordnungen nicht von einem „alles-oder-nichts“-Prinzip, sondern von einer teilweisen, nämlich auf den noch verhältnismäßigen Teil beschränkten Erstattungsfähigkeit der Kosten aus.1465 Kerngehalt sowohl von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als auch von § 1332a ABGB ist die Lockerung des Zusammenhangs zwischen objektivem Wert des Tieres und der Verhältnismäßigkeits-/Tunlichkeitsgrenze für die Wiederherstellungskosten, auch wenn die Regelungen sich sprachlich durch die einmal positiv („gebühren (…) auch dann, wenn“), einmal negativ gewendete Formulierung („nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn“) unterscheiden.
1460
Bydlinski, RdW 1988, 157, 158. Graf, in: Harrer/Graf, S. 77, 78 f. 1462 Graf, in: Harrer/Graf, S. 77 ff. 1463 Graf, in: Harrer/Graf, S. 77, 80. 1464 Für Deutschland: Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen-Adolphsen § 16 Rn. 324 (2. Aufl. 2013); AG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 06. 2000 – 29 C 2234/99 – 69, NJW-RR 2001, 17 (siehe auch vorne bei Fn. 1321). 1465 Für Deutschland: BGH, Urt. v. 27. 10. 2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589, 1591 (siehe vorne bei Fn. 1312); für Österreich: siehe vorne bei Fn. 1447. 1461
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Jedoch ist die deutsche Regelung in ihrer Stoßrichtung noch weitgehender, da sie explizit normiert, dass sogar auch ein erhebliches Übersteigen des objektiven Wertes für sich genommen kein valides Hindernis für die (volle) Ersatzfähigkeit der Heilbehandlungskosten ist. Einen Unterschied bildet auf den ersten Blick überdies der nur in § 1332a ABGB ausdrücklich auftauchende Maßstab des verständigen Tierhalters. Er wurde in die deutsche Regelung bewusst nicht explizit aufgenommen, da man davon ausging, ein sachgerechter Interessenausgleich sei durch das Abstellen auf die Verhältnismäßigkeit, die ohnehin den Umfang des zu ersetzenden Schadens beschränke, am besten erreichbar.1466 In die Verhältnismäßigkeitsprüfung wiederum las der Gesetzgeber allerdings den Maßstab des verständigen Tierhalters in gewisser Weise hinein,1467 und auch in Schrifttum und Rechtsprechung wird zur konkreten Handhabung der Verhältnismäßigkeitsprüfung oftmals dieser Maßstab einbezogen.1468 Allein aufgrund der inhaltlichen Gemeinsamkeiten von § 1332a ABGB und § 251 Abs. 2 S. 2 BGB sowie der zeitlichen Nähe ihres Erlasses ist hier sicher von einer Beeinflussung zwischen den Rechtsordnungen auszugehen. Unzutreffend wäre aber wohl, diesen Einfluss nur eingleisig im Sinne einer Vorbildfunktion Österreichs zu sehen. Jenseits der Frage, ob – nach österreichischem Muster – auf einen verständigen Tierhalter abzustellen sei, nimmt die Gesetzesbegründung zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB auf § 1332a ABGB keinen Bezug. Auch war das Problem der Ersatzfähigkeit von Heilbehandlungskosten bei Tieren – anders als in Österreich1469 – in der deutschen Rechtsprechung bereits kontrovers entschieden worden, was in den Materialien zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB als wesentliche Begründung des Regelungsbedarfs angeführt wurde.1470 Auf eben diese deutschen Entscheidungen und auf deutsche Literaturstimmen rekurrierte durchaus auch das österreichische Schrifttum
1466
BT-Drs. 11/7369, S. 7 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung): „Vielmehr kommt es darauf an, was ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte, denn der Umfang des zu ersetzenden Schadens wird durch den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 242 BGB) beschränkt.“ 1468 AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618/98, NJW-RR 1999, 1629; LG Oldenburg, Urt. v. 10. 12. 2014 – 5 S 394/14, BeckRS 2015, 19819; AG Delmenhorst, Urt. v. 03. 07. 2014 – 41 C 1446/13 (IV) – juris (jeweils unter Hinweis auf die Intention des Gesetzgebers); OLG Schleswig, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 4 W 19/14, MDR 2014, 1391; jurisPKRüßmann § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2014); Wertenbruch, NJW 2012, 2065; aufgegriffen auch von Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 28 (Neubearb. 2005); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 64 (7. Aufl. 2016): Dieser Maßstab liefere auch für das deutsche Recht eine praktikable und mit den Wertungen des Schadensrechts harmonisierende Konkretisierungshilfe; krit. LG Traunstein, Urt. v. 22. 03. 2007 – 2 O 719/05 – juris: Der Begriff des „verständigen Tierhalters“ werfe „dieselben Auslegungsprobleme auf, wie der Begriff der Verhältnismäßigkeit“; ein Abstellen darauf führe „nicht weiter“. Siehe bereits vorne bei Fn. 1370 ff. 1469 Vgl. Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 66. 1470 BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1467
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in seiner Auseinandersetzung mit § 1332a ABGB.1471 Insofern dürfte es bei den Gesetzgebungsaktivitäten eine gewisse wechselseitige Inspiration gegeben haben. b) Schweiz: Art. 42 Abs. 3 OR und Art. 43 Abs. 1bis OR aa) Inhalt und ratio legis In der Schweiz gibt es seit dem 1. April 2003 in Gestalt von Art. 42 Abs. 3 OR und Art. 43 Abs. 1bis OR zwei Vorschriften, die im Schadensersatzrecht Spezialregeln für den Fall der Verletzung eines Tieres vorsehen;1472 genauer gesagt: für die Verletzung eines im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltenen Tieres1473 – für sonstige Tiere bleibt es bei den allgemeinen Regeln. Diese in beiden Normen geltende Beschränkung des Anwendungsbereichs lässt bereits erahnen, dass Motiv der neuen Sondervorschriften wohl kaum die allgemeine Verbesserung des Tierschutzes war, sondern dass vielmehr eine Rücksichtnahme auf an Tieren bestehende Affektionsinteressen bezweckt wurde. Auch in der Kommentarliteratur etwa zu Art. 42 Abs. 3 OR heißt es, in erster Linie erfolge die Regelung im Interesse des Menschen. Sie entspreche zwar dem gesetzlich in Art. 641a ZGB verankerten Grundsatz, dass Tiere keine Sachen sind. Dieser allgemeine Grundsatz täusche aber insofern, als er auf den ersten Blick den Eindruck erwecke, der Gesetzgeber wolle nun generell die Tiere besser schützen; tatsächlich würden indes weniger die Tiere als vielmehr die Gefühle von deren Besitzern anvisiert.1474 bb) Art. 42 Abs. 3 OR: Hintergrund Auch im schweizerischen Schadensersatzrecht gilt, dass ein Geschädigter lediglich Anspruch auf Ersatz der Wiederbeschaffungskosten hat, wenn bei der Beschädigung einer Sache die Reparaturkosten den Verkehrswert der Sache überschreiten.1475 Eine Ausnahme dazu findet sich nunmehr in Art. 42 Abs. 3 OR1476, der zu § 1332a ABGB und § 251 Abs. 2 S. 2 BGB passenden Parallelvorschrift. Dieser besagt, dass bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden können, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen. Kerngehalt ist also auch hier wieder, die Ersatzfähigkeit von Heilbehandlungskos1471 Gimpel-Hinteregger, ÖJZ 1989, 65, 68; Bydlinski, RdW 1988, 157, 158; vgl. auch Rummel-Reischauer § 1332a ABGB Rn. 3 (3. Aufl. 2007). 1472 Ziff. II des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463. 1473 Zur Auslegung dieser Formulierung näher Schneider Kayasseh, S. 56 ff.; Berner Kommentar-Brehm Art. 42 OR Rn. 69 ff. (4. Aufl. 2013). 1474 Berner Kommentar-Brehm Art. 42 OR Rn. 68 (4. Aufl. 2013). 1475 Honsell-Schönenberger Art. 42 OR Rn. 17 (1. Aufl. 2014); vgl. Schneider Kayasseh, S. 87. 1476 Hierzu ausführlich Schneider Kayasseh, S. 87 ff.
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ten – unter Beibehaltung einer Zumutbarkeitsgrenze („angemessen“) – vom objektiven Wert des Tieres etwas zu entkoppeln. Im Schrifttum wird vorgeschlagen, diesen Gedanken analog anzuwenden bei der Wiederherstellung von Sachen, wenn sie objektiv oder subjektiv einen besonderen Wert haben (Bäume oder Gebäude unter Denkmalschutz, Familienandenken, selbst bewohntes Haus).1477 cc) Parallelen zur deutschen und österreichischen Regelung In den Gesetzesmaterialien zu Art. 42 Abs. 3 OR wird ausdrücklich auf die Rechtslage in Deutschland und Österreich Bezug genommen, wonach die Schadensersatzpflicht bei der Heilbehandlung eines verletzten Tieres dessen Wert übersteigen könne.1478 Schon dies spricht dafür, dass Art. 42 Abs. 3 OR in gewisser Weise von dem österreichischen und deutschen Pendant inspiriert ist.1479 Zudem ähneln sich die Gesetzesformulierungen. Daneben bestehen weitere Parallelen. Beispielsweise wollte auch der schweizerische Gesetzgeber die Sonderregel nicht als Freibrief für uferlose Schadensersatzbeträge verstanden wissen. Das ergebe sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Zur Konkretisierung findet sich in den Materialien hier ebenfalls wieder der Hinweis auf den Maßstab eines verständigen Eigentümers und Tierhalters in der konkreten Situation.1480 In den unterschiedlichen Entwurfsphasen der Vorschrift diskutierte man auch Fassungen, die das Wort „angemessen“ (als Bezugnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) nicht enthielten,1481 oder aber zusätzlich noch auf Treu und Glauben verwiesen. Letzteres erachtete man im Ergebnis für überflüssig.1482 In Anlehnung an das deutsche und österreichische Recht wird auch für das schweizerische Recht eine Auslegung im Sinne eines gleichsam verobjektivierten Affektionsinteresses vorgeschlagen: Bei einer nicht zu wirtschaftlichen Zwecken erfolgenden Tierhaltung stehe „nicht nur für den jeweiligen Eigentümer, sondern auch für einen Dritten, der mit der Beziehung zwischen Mensch und Tier vertraut“ sei, „das immaterielle Interesse am Tier im Vordergrund“. „Dieses persönliche Verhältnis“ sei „eine objektive Tatsache“ und lasse „sich verallgemeinern“. Maßgeblich sei nicht „die Stärke des Affektionsinteresses des konkreten Tiereigentümers“, sondern das über das bloße Interesse am materiellen Wert des Tieres hinausgehende „gesellschaftlich anerkannte(…) Gefühlsinteresse(…)“ „als eine vom Gesetz anerkannte objektive Tatsache“.1483 1477
Honsell-Schönenberger Art. 42 OR Rn. 17 (1. Aufl. 2014). BBl. 2002, 4164, 4168 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 1479 Einen Einfluss des österreichischen und deutschen Rechts auf den schweizerischen Gesetzgeber bejaht auch Schneider Kayasseh, S. 90. 1480 BBl. 2002, 4164, 4172 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 1481 BBl. 2002, 4175 (Entwurf). 1482 BBl. 2002, 5806, 5808 (Stellungnahme des Bundesrats); vgl. Schneider Kayasseh, S. 89 f. 1483 Schneider Kayasseh, S. 91. 1478
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Zur näheren Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrenze werden wie in Deutschland neben dem wirtschaftlichen Wert des Tieres, der „nicht gänzlich unbeachtet bleiben“1484 dürfe, Kriterien wie Alter und Gesundheitszustand des Tieres, die Vertretbarkeit und Erfolgsaussichten der Behandlung oder die Tierart diskutiert.1485 Kosten einer Heilbehandlung sollen hier ebenfalls nur ersetzt verlangt werden können, wenn diese tatsächlich vorgenommen wurde;1486 dann aber auch in dem Fall, dass das Tier letztlich doch noch stirbt.1487 Sind die Kosten unverhältnismäßig hoch, soll der Geschädigte auch in der Schweiz nicht auf bloßen Wertersatz zurückfallen, sondern Ersatz bis zur Verhältnismäßigkeitsgrenze verlangen können.1488 Als weitere Parallele kommt hinzu: Ebenso wie es in Deutschland und Österreich Stimmen gab, die vertraten, dass sich das durch § 251 Abs. 2 S. 2 BGB oder § 1332a ABGB bewirkte Ergebnis schon nach vorheriger Rechtslage hätte finden lassen können, wurde auch in der Schweiz die explizite Sonderregelung vornehmlich zur Schaffung von Rechtssicherheit – nicht so sehr zwecks substantieller Rechtsänderung – eingeführt. Der Gesetzgeber1489 selbst ging hier davon aus, dass sich eine den Wert des Tieres übersteigende Schadensersatzpflicht bereits auf Basis des geltenden Rechts hätte begründen lassen: Praxis und Lehre schlössen nicht aus, dass im Falle von Sachbeschädigungen die geschuldeten Reparaturkosten den Wert der beschädigten Sache übersteigen könnten.1490 Nunmehr solle aber direkt aus dem Gesetz ersehen werden können, wie der Ersatz der Heilungskosten zu bemessen sei. dd) Art. 43 Abs. 1bis OR: Verhältnis zu Art. 42 Abs. 3 OR, Gesetzesbegründung und Wirkung „[Z]usätzlich neben“ Art. 42 Abs. 3 OR anwendbar sein soll der zeitgleich eingeführte Art. 43 Abs. 1bis OR.1491 Nach dieser Norm kann der Richter im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, bei der Bestimmung von Art und Größe des Ersatzes für den eingetretenen Schaden dem Affektionswert, den das Tier für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen. Das Verhältnis der beiden Regelungen zueinander wird offenbar so verstanden, dass es bei Art. 42 Abs. 3 OR um den Ersatz von Heilungskosten und damit einen materi1484
S. 91. 1485
Berner Kommentar-Brehm Art. 42 OR Rn. 73 (4. Aufl. 2013); Schneider Kayasseh,
Schneider Kayasseh, S. 92 f. Schneider Kayasseh, S. 103 f. 1487 Schneider Kayasseh, S. 94, 111. 1488 Schneider Kayasseh, S. 97. 1489 BBl. 2002, 4164, 4171 f. (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 1490 Vgl. dazu Schneider Kayasseh, S. 87. 1491 Kostkiewicz/Nobel/Schwander/Wolf-Fischer Art. 43 OR Rn. 17 (2. Aufl. 2009); Berner Kommentar-Brehm Art. 43 OR Rn. 88d (4. Aufl. 2013). 1486
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ellen Schaden geht, während Art. 43 Abs. 1bis OR (zusätzlich) einen Ausgleich des Affektionsinteresses und damit eines immateriellen Schadens ermöglicht.1492 Andererseits soll Art. 43 Abs. 1bis OR aber wohl nicht als eigene Anspruchsgrundlage fungieren1493– in diese Richtung lässt sich jedenfalls eine Äußerung in den Materialien verstehen. Denn darin heißt es, der Affektionswert für Tiere solle – in Abgrenzung zu dem bei Persönlichkeitsverletzungen oder der Verletzung oder Tötung eines Menschen geschuldeten, als „Genugtuung“ (Art. 47, 49 OR) bezeichneten Schmerzensgeld – in die Bemessung des Schadensersatzes einbezogen werden.1494 Für die Variante der Tötung eines Tieres ließe sich dies dahingehend verstehen, dass das Affektionsinteresse als ein den Umfang des Wertersatzes erhöhender Umstand berücksichtigt werden soll. Welche eigenständige Bedeutung die Vorschrift dann aber für die ebenfalls von Art. 43 Abs. 1bis OR in Bezug genommene Variante der Verletzung eines Tieres neben Art. 42 Abs. 3 OR haben soll, ist unklar.1495 Insgesamt erscheint Art. 43 Abs. 1bis OR in seiner dogmatischen Einordnung und Wirkungsweise noch etwas unausgereift.1496 Als Gesetzesbegründung1497 zu Art. 43 Abs. 1bis OR wird darauf verwiesen, der Beziehung zu Tieren komme in der Gesellschaft eine immer größere Bedeutung zu. Durch die ausdrückliche Nennung des Affektionswertes, den ein Tier für seinen Halter oder dessen Angehörige haben könne, solle klargestellt werden, dass das emotionale Verhältnis zwischen Tier und Mensch ein schützenswertes Rechtsgut sei, das der Richter in seine Güterabwägung einzubeziehen habe. Bei der Bemessung des Schadensersatzes sei bisher dem Ersatz des Affektionswerts, den jemand einer Sache infolge einer ganz persönlichen, außerhalb wirtschaftlicher Überlegungen stehenden Hochschätzung beimesse, nicht Rechnung getragen worden. Dies werde dem Verhältnis zu Tieren nicht gerecht. Wenn ein Tier von einem Schädiger schwer verletzt oder getötet würde, solle der Täter verpflichtet werden können, dem Tierhalter auch den Affektionswert zu ersetzen. Der in Art. 43 Abs. 1bis OR liegenden Anerkennung der Mensch-Tier-Beziehung als schützenswertes Rechtsgut werden auch Implikationen für sonstige Rechtsfragen entnommen. So soll etwa bei der Güterabwägung zur Feststellung der Verhältnismäßigkeit einer Notstandshandlung ebenfalls die immaterielle Wertigkeit eines 1492 Kostkiewicz/Nobel/Schwander/Wolf-Fischer Art. 43 OR Rn. 16 (2. Aufl. 2009); ähnlich Berner Kommentar-Brehm Art. 43 OR Rn. 88d (4. Aufl. 2013). 1493 A. A. wohl Schneider Kayasseh, S. 146 f.; Krepper, AJP 2008, 704, 706/713: Der Affektionswertersatzanspruch bedürfe keiner Anknüpfung an einen (zusätzlich bestehenden) materiellen Schaden. 1494 BBl. 2002, 4164, 4172 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats), Hervorhebung durch Verf. 1495 Vgl. auch Schneider Kayasseh, S. 148 m. w. N. zur diesbezüglichen Kritik (Fn. 825); Berner Kommentar-Brehm Art. 43 OR Rn. 89b (4. Aufl. 2013). 1496 Vgl. nur Schneider Kayasseh, S. 136 ff. (Wer zum Beispiel ist Anspruchsinhaber und welche Rolle spielt die Eigentumsverletzung?). 1497 BBl. 2002, 4164, 4172 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats).
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Tieres zu berücksichtigen sein.1498 Für Heilungskosten in Bezug auf Tiere, die zu wirtschaftlichen Zwecken gehalten werden, ist Art. 43 Abs. 1bis OR dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Vorgeschlagen wird aber, auch in diesem Fall die Wertung des Gesetzgebers, wonach Tiere keine Sachen mehr seien, in Rechnung zu stellen. Daher könne hier ebenso der Wiederbeschaffungswert nicht grundsätzlich als Obergrenze ersatzfähiger Heilungskosten angesehen werden; maßgeblich sei, welches Interesse der Geschädigte an der Wiederherstellung habe (Integritätsinteresse) – einschließlich eines mitwirkenden Affektionsinteresses.1499 c) Portugal Portugal hat mit Wirkung zum 1. Mai 20171500 drei neue Regelungen in das Zivilgesetzbuch eingeführt, die die Verletzung von Tieren betreffen. Dabei handelt es sich zum einen um eine dem deutschen § 251 Abs. 2 S. 2 BGB entsprechende Sondervorschrift, nach der bei der Verletzung eines Tieres auch wertübersteigende Heilbehandlungskosten ersatzfähig sind (Art. 493-A Abs. 2 Código Civil)1501. Das ist eine Abweichung von dem sonst auch im portugiesischen Recht geltenden Grundsatz, dass Wiederherstellung in natura nicht verlangt werden kann, wenn dies für den Schädiger eine übermäßige Belastung bedeuten würde (Art. 566 Abs. 1 Código Civil1502). Allerdings gab es offenbar schon vor der neuen Regelung Ansätze, den Schädiger bei Verletzungen von Tieren auch für Tierarztkosten haften zu lassen, die den Wert des Tieres erheblich überstiegen.1503 Im Zuge der Gesetzesänderung wurde in Portugal für den Fall der Verletzung eines Tieres außerdem – und dies ist eine Besonderheit – eine eigene neue Anspruchsgrundlage geschaffen, die zusätzlich zu den nach allgemeinem Schadensersatzrecht bestehenden Ansprüchen gilt. Sie gewährt dem Eigentümer oder den Personen oder Einrichtungen, die einem verletzten Tier zur Hilfe gekommen sind, einen Anspruch auf Schadensersatz für die durch die Behandlung entstandenen
1498 Schneider Kayasseh, S. 82; ähnlich zum Retentionsrecht: S. 84; mit der gesetzlich geschützten Mensch-Tier-Beziehung in anderen Zusammenhängen argumentierend auch S. 109, 114. 1499 Schneider Kayasseh, S. 98 f. 1500 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017 – 03 – 03. 1501 „A indemnização prevista no número anterior é devida mesmo que as despesas se computem numa quantia superior ao valor monetário que possa ser atribuído ao animal.“ 1502 „A indemnização é fixada em dinheiro, sempre que a reconstituição natural não seja possível, não repare integralmente os danos ou seja excessivamente onerosa para o devedor.“ (Hervorhebung durch Verf.). 1503 von Bar, Non-Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another (2009), 919: „This can also connote that, in the event that a pet is injured, the injuring party must pay the veterinary costs of treating the animal, even if those costs considerably exceed the value of the animal“ unter Verweis auf Pessoa Jorge, Ensaio sobre os pressupostos da responsabilidade civil, 422.
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Ausgaben gegen den für die Verletzung Verantwortlichen (Art. 493-A Abs. 1 Código Civil)1504. Während die beiden erstgenannten Vorschriften für alle Tiere greifen und vom Ansatz her jedenfalls auch dem „Tierwohl“ dienen könnten, ist die dritte Neuregelung im portugiesischen Deliktsrecht klar auf das am Tier bestehende ideelle Interesse zugeschnitten: Art. 493-A Abs. 3 Código Civil1505. Führt die Verletzung eines Tieres zu dessen Tod, dem Verlust eines wichtigen Organs oder Körperteils oder zu einer ernsthaften und dauerhaften Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des Tieres, kann der Eigentümer nach dieser Vorschrift von dem Schädiger ein durch das Gericht nach Billigkeit festzusetzendes Schmerzensgeld verlangen, wenn es sich bei dem Tier um ein Haustier („animal de companhia“) handelt. d) DCFR; weitere europäische Rechtsordnungen Der DCFR sieht in Art. VI. – 6:101 Abs. 3 S. 1 als Grundregel vor, dass bei der Beschädigung eines körperlichen Gegenstandes statt der Wiederherstellung nur Ausgleich des erlittenen Wertverlusts verlangt werden kann, wenn die Kosten der Wiederherstellung die Höhe des Wertverlusts unangemessen übersteigen. Für Tiere gilt dies jedoch nach S. 2 nur dann, wenn es unter Berücksichtigung des Zweckes, zu dem das Tier gehalten wurde, sachgerecht ist. In den comments wird hierzu näher ausgeführt: Gehe es um normale zu Nutzzwecken gehaltene Tiere – wie etwa die Kühe eines Landwirts – bleibe die geschuldete Entschädigung auf den Marktwert (oder einen je nach Einzelfall womöglich geringfügig höheren Betrag für die tiermedizinische Behandlung) beschränkt. Bei von Familien gehaltenen Haustieren hingegen passe solch eine Beschränkung nicht zu dem rechtlich geschützten Interesse des Eigentümers.1506 In den rechtsvergleichenden notes1507 des DCFR finden sich Hinweise zu weiteren europäischen Rechtsordnungen. Ihnen zufolge sind nach schwedischem und däni1504
„No caso de lesão de animal, é o responsável obrigado a indemnizar o seu proprietário ou os indivíduos ou entidades que tenham procedido ao seu socorro pelas despesas em que tenham incorrido para o seu tratamento, sem prejuízo de indemnização devida nos termos gerais.“ 1505 „No caso de lesão de animal de companhia de que tenha provindo a morte, a privação de importante órgão ou membro ou a afetação grave e permanente da sua capacidade de locomoção, o seu proprietário tem direito, nos termos do n.8 1 do artigo 496.8, a indemnização adequada pelo desgosto ou sofrimento moral em que tenha incorrido, em montante a ser fixado equitativamente pelo tribunal.“ 1506 von Bar, Non-Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another (2009), 910: „Where normal production animals are at issue (e. g. a farmer’s cows) the reparation falling due remains limited to their market value (plus a marginal amount in excess of that for veterinary treatment, as the case may be); in the case of domestic animals kept by families, such a limit does not correspond to the legally protected interest of the owner.“ 1507 von Bar, Non-Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another (2009), 919.
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schem Fallrecht bei der Verletzung eines Haustieres auch wertübersteigende Heilbehandlungskosten ersatzfähig. In den Niederlanden existiere keine Sonderregel für Tiere. e) USA In den USA ist im Falle der Beschädigung einer Sache primär die eingetretene Wertminderung auszugleichen; der Ersatz von Wiederherstellungskosten unterliegt auch dort einem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, bei dem man sich an der Höhe des Marktwertes der beschädigten Sache orientiert.1508 Im Hinblick auf Sachen, die (nur) für den Eigentümer einen besonderen Wert haben (wie zum Beispiel ein objektiv wertloses Familien-Portrait), ist jedoch etwa in den vom American Law Institute herausgegebenen Restatements of the Law zu lesen, es könne hier unter Umständen auch noch angemessen sein, für die Wiederherstellung Kosten aufzuwenden, die den Wiederbeschaffungswert der Sache übersteigen.1509 Speziell bei der Verletzung von Tieren ist es zwar offenbar durchaus üblich, dass als Schadensposten auch ein Ersatz von Heilungskosten zugesprochen wird,1510 doch richtet sich der Umfang der ersatzfähigen Wiederherstellungskosten dabei ebenfalls grundsätzlich am Marktwert des Tieres aus.1511 Indes: Insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei Haustieren – zumal wenn sie schon älter sind – kaum ein objektiv bestimmbarer Wert feststellbar ist, sie aber für ihre Eigentümer einen immensen immateriellen Wert verkörpern, gibt es in Schrifttum und Rechtsprechung eine Tendenz, die Kosten einer notwendigen und angemessenen Heilbehandlung über den objektiven Wert des Tieres hinaus für ersatzfähig zu halten,1512 auch wenn eine solche 1508 Siehe etwa Restatement (Second) of Torts, § 928 comment a („Ordinarily, when the cost of repairs would be materially greater than the exchange value of the chattel before the harm, it would not be prudent to make the repairs“); Schneider Kayasseh, S. 185. 1509 Restatement (Second) of Torts, § 928 comment a: „If, however, the chattel has peculiar value to the owner, as when a family portrait having substantially no exchange value has been harmed or when there would be serious delay or inconvenience in obtaining another chattel, it may be reasonable to make repairs at an expense greater than the cost of another chattel.“ 1510 Schneider Kayasseh, S. 275. 1511 Schneider Kayasseh, S. 185; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 326 f.; Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 193 f.; Miller, 61 A.L.R.5th 635, § 11 b) m. w. N.; Altieri v. Nanavati, Connecticut Superior Court, December 11th, 1989, 41 Conn.Supp. 317, 320; Nichols v. Sukaro Kennels, Iowa Court of Appeals, November 20, 1996, 555 N.W.2d 689, 692; Stettner v. Graubard, Town Court of Harrison, Westchester County, April 4, 1975, 82 Misc.2d 132 f.; Naples v. Miller, Superior Court of Delaware, New Castle County, October 6, 2009, C.A. No. 08C-01 – 093 PLA. 1512 Miller, 61 A.L.R.5th 635, § 11 a); Schneider Kayasseh, S. 186; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 328; Chapman, 38 Cap. U. L. Rev. 187 (2009), 194; Cupp, University of Cincinnati Law Review, Forthcoming, Pepperdine University Legal Studies Research Paper No. 2016/19, S. 34; Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 91 – jeweils m. w. N.; Martinez v. Robledo, Court of Appeal, Second District, Division 2, California, October 23, 2012, 147 Cal. Rptr.3d 921 ff.; Kimes v. Grosser, Court of Appeal, First District, Division 1, California,
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Praxis wohl „nicht Standard“ ist1513 und sich nur auf Haustiere beschränkt, die insofern von Nutztieren differenziert betrachtet werden.1514 Sogar zarte gesetzgeberische Bewegungen in diese Richtung sind zu beobachten.1515 Ebenso wie in Deutschland, Österreich und der Schweiz kann ein Ersatz von Heilungskosten in den USA auch dann gewährt werden, wenn das Tier doch noch stirbt.1516 f) Zusammenfassender Vergleich und Tendenzaussagen Insgesamt lässt sich als gemeinsame Linie im Prinzip für alle angesprochenen Rechtsordnungen formulieren, dass bei der Verletzung eines Tieres durch einen Schädiger Heilbehandlungskosten jedenfalls unter bestimmten Umständen über den Marktwert des Tieres hinaus (wenn auch unter einem gleichwohl bestehenden Angemessenheitsvorbehalt) ersatzfähig sind. Und dies, obwohl überall im Grundsatz gilt, dass bei Eigentumsverletzungen Wiederherstellungskosten nur bis zur Grenze des objektiven Wertes geschuldet sind und der Geschädigte bei darüber hinausgehenden Kosten auf bloße Kompensation des erlittenen Wertverlustes verwiesen ist. Als leitende Überlegung für eine besondere Behandlung speziell von Haustieren schwingt dabei zum einen mit, dass für das konkrete Tier in diesen Fällen häufig ein nur sehr geringer oder gar kein Preis auf dem Markt erzielt werden könnte, sodass das Kriterium des Marktwertes als Bezugspunkt zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrenze als kaum geeignet empfunden wird. Hinzu kommt zum anderen, dass dieser geringe Marktwert oft auch noch diametral mit dem auf dem Tier ruhenden immateriellen Interesse auseinanderfällt, das nämlich besonders stark ausgeprägt ist. In allen betrachteten Rechtsordnungen ist die Annahme zu spüren, dass Menschen, die ein Tier vorwiegend für seine gleichsam soziale Funktion (als „Gefährte“ und Beschäftigungsobjekt) halten, und eng mit diesem zusammen leben, typischerweise ein emotionales Verhältnis zu dem Tier entwickeln. Gerade die Tatsache, dass dieses emotionale Verhältnis ein Massenphänomen und für den betroffenen Menschen subjektiv von hoher Bedeutung ist, führt dazu, dass ein solches Affektionsinteresse am Tier als nachvollziehbar und tendenziell auch als rechtlich schützenswert und nicht bloß als ein individuellen Befindlichkeiten geschuldetes privates, rechtlich unbeachtliches Luxusproblem eingeordnet wird. May 31, 2011, 126 Cal.Rptr.3d 581 ff.; Zager v. Dimilia, Village Court of Pleasantville, January 4, 1988, 524 N.Y.S.2d 968 ff.; Burgess v. Shampooch Pet Industries, Inc., Court of Appeals of Kansas, April 7, 2006, 131 P.3d 1248, 1251 ff.; Hyland v. Borras, October 29, 1998, Superior Court of New Jersey, Appellate Division, 719 A.2d 662, 663 f.; Leith v. Frost, Appellate Court of Illinois, Fourth District, December 31, 2008, 899 N.E.2d 635, 641. 1513 So Schneider Kayasseh, S. 275. 1514 Vgl. Huss, 86 Marq. L. Rev. 47 (2002), 91; Schneider Kayasseh, S. 186. 1515 Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 328 f. 1516 Kaiser v. U.S., United States District Court, District of Columbia, March 27, 1991, 761 F. Supp. 150, 154, 156; Reppy Jr., 1 J. Animal L. & Ethics 19 (2006), 25; Schneider Kayasseh, S. 186. Siehe auch Restatement (Second) of Torts, § 928 comment a und Restatement (Second) of Torts, § 919 comment c.
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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In Portugal und in den drei herangezogenen deutschsprachigen Rechtsordnungen ist vor diesem Hintergrund innerhalb der letzten 30 Jahre eine Sonderregel für die Frage der Erstattungsfähigkeit wertübersteigender Heilbehandlungskosten bei Tieren eingeführt worden. Auf alle diese Länder scheint allerdings zuzutreffen, dass das gewünschte Ergebnis dort bei entsprechender Auslegung auch ohne Gesetzesänderung hätte erzielt werden können. Die drei betreffenden Vorschriften der deutschsprachigen Rechtsordnungen sind ähnlich formuliert und voneinander beeinflusst. Der österreichische § 1332a ABGB hebt sich zwar insofern ab, als er explizit auf den Maßstab eines „verständigen Tierhalters“ abstellt. Implizit spielt dieser Maßstab jedoch auch im Rahmen der schweizerischen und deutschen Parallelregelung in die Verhältnismäßigkeitsprüfung mit hinein. Der schweizerische Art. 42 Abs. 3 OR sticht dadurch heraus, dass sein Anwendungsbereich auf „im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltene Tiere“ beschränkt ist. Diese explizite Begrenzung findet sich in Österreich und Deutschland nicht, doch auch hier werden § 1332a ABGB und § 251 Abs. 2 S. 2 BGB so ausgelegt, dass die Ersatzfähigkeit von marktwertübersteigenden Heilungskosten in aller Regel vor allem in eben dieser Konstellation der Tierhaltung bejaht wird.1517 In ähnlicher Weise zieht auch der DCFR, der ebenfalls eine besondere schadensrechtliche Behandlung von verletzten Tieren ermöglicht, den Zweck heran, zu dem das jeweilige Tier gehalten wird. In den USA schließlich wird ein weitergehender Ersatz von Heilungskosten ebenso nur im Kontext von Haustieren („pets“/„companion animals“) diskutiert. Keine ernsthaften Zweifel dürften daher in allen betrachteten Rechtsordnungen darüber bestehen, dass diese besonderen Möglichkeiten eines Geschädigten im Falle der Verletzung eines (insbesondere: Haus-)Tieres vor allem dem Schutz von dessen ideellen Interessen dienen, nicht (primär) dem Schutz des betroffenen Tieres. In diesen Sonderregeln äußert sich damit ein rechtlicher (common law) oder speziell gesetzgeberischer (civil law) Schutz des Affektionsinteresses an einem Tier. Als gemeinsames Gedankengut lässt sich in verschiedenen Rechtsordnungen erkennen, dass das jeweilige Affektionsinteresse dabei zwar anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln sein soll, man jedoch nach einer gewissen Verobjektivierung strebt. Beispielsweise sollen zur Konkretisierung des abzuwägenden, am Erhalt des Tieres bestehenden Interesses objektive Kriterien (wie etwa die Haltungsdauer) herangezogen werden und das Affektionsinteresse soll auch nur in einem gleichsam für die gegebenen Umstände typischen Umfang zu berücksichtigen sein. Außerdem wird das Affektionsinteresse häufig nur gleichsam inzident, nämlich im Rahmen eines Anspruchs auf Ersatz eines materiellen Schadens (Aufwand zur Wiederherstellung der Integrität des Tieres) geschützt. Eine selbstständige Anspruchsgrundlage für den Ausgleich eines beeinträchtigten Affektionsinteresses an einem Tier soll dagegen – nach einer Lesart – die schwei1517 Noch stärker ebnet sich der scheinbare Unterschied dadurch ein, dass auch in der Schweiz vertreten wird, selbst dann, wenn es sich um kein im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltenes Tier handele, müsse der Marktwert des Tieres nicht immer die absolute Obergrenze bilden, siehe dazu bei Fn. 1499.
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zerische Regelung in Art. 43 Abs. 1 bis OR enthalten, die aber in ihrer Bedeutung für die Haftung bei der Verletzung eines Tieres noch sehr unklar ist. Ein eindeutiges Beispiel hierfür ist demgegenüber der portugiesische Art. 493-A Abs. 3 Código Civil, der unter qualifizierten Umständen im Falle der Verletzung eines Tieres dem Tier-Eigentümer Schadensersatz für Nichtvermögensschäden gewährt. Allerdings muss es sich dafür um ein Haustier handeln. Als eine weitere portugiesische Besonderheit wurde dort für den Ersatz des materiellen Schadens bei der Verletzung eines Tieres ebenfalls eine neue eigene Anspruchsgrundlage und damit hinsichtlich der Haftung für Tier-Heilungskosten nicht nur der Höhe nach, sondern auch dem Grunde nach eine Sonderregelung geschaffen.
II. Mietrecht: Abschaffung eines seit längerer Zeit gehaltenen Tieres nicht erzwingbar? Streiten Vermieter und Mieter um die Abschaffung eines vom Mieter bereits längere Zeit gehaltenen Tieres, so kann dabei, wie einzelne Urteile zeigen, die Bindung zwischen Mensch und Tier als Argumentationsbaustein von Bedeutung sein. Die Beziehung „Mensch-Tier“ lässt sich jedoch theoretisch reziprok verstehen. Eine Berücksichtigung der Mensch-Tier-Bindung wird daher einerseits mit dem „Tierwohl“, andererseits mit dem Affektionsinteresse des Menschen an einem Tier in Zusammenhang gebracht. Ein Beispiel bietet eine Entscheidung des AG Aachen1518. Das Gericht hielt dem Anspruch des Vermieters auf Abschaffung von zwei seit fünf Jahren mietvertragswidrig gehaltenen Katzen eine „nach aller Erfahrung mittlerweile [entwickelte] feste Mensch-Tier-Bindung“ entgegen. Die stehe „seit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht (…) unter dem besonderen Schutz der Rechtsordnung, wie es vor allem in § 90a BGB (…) und § 811c ZPO (…) zum Ausdruck gebracht“ werde. Das Gericht ging hier also gleichsam von einem Erfahrungssatz1519 aus, wonach sich zwischen einem Menschen und einem Tier, das dieser über längere Zeit in seinem Haus hält, eine (wohl wechselseitig zu verstehende) „feste (…) Bindung“ entwickelt. In der Kommentarliteratur wurde die Entscheidung als Beispiel dafür angeführt, dass im Mietrecht „in Ausnahmefällen (…) bei der Abwägung der widerstreitenden Belange (…) auch die Auswirkungen auf das Leben und das Wohlbefinden eines Tieres zu berücksichtigen sein“ können.1520 Womöglich sah das AG Aachen in der 1518
S. 37 f.
AG Aachen, Urt. v. 13. 03. 1992 – 81 C 459/91, NJW-RR 1992, 906; krit. hierzu Schaal,
1519 AG Aachen, Urt. v. 13. 03. 1992 – 81 C 459/91, NJW-RR 1992, 906: „nach aller Erfahrung“; ähnlich schon LG Essen, Urt. v. 30. 01. 1985 – 1 S 589/84, WuM 1986, 117: „es ist allgemein bekannt“; siehe auch Kluge-von Loeper Einf. Rn. 133 (1. Aufl. 2002): eine „soziale Bindung des Tieres zu seinem Tierhalter“ entspreche „dem Regelfall“. 1520 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 8 (7. Aufl. 2015).
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Beeinträchtigung der Mensch-Tier-Bindung hier einen „Tierwohl“-Gesichtspunkt in dem Sinne, dass es dem Tier besser bekommt, nicht von seiner ihm vertrauten Bezugsperson und der ihm gewohnten Umgebung getrennt zu werden. Ein konkreter Verstoß gegen das TierSchG hätte allein dadurch bei einer Entfernung des Tieres aus der Wohnung aber nicht gedroht, auch wenn § 1 S. 1 TierSchG allgemein das „Wohlbefinden“ eines Tieres als Schutzgut benennt. Denn sonst wäre ein jeglicher Besitzer- und/oder Ortswechsel eines Tieres und damit eine jegliche Veräußerung tierschutzwidrig. Eine zivilrechtliche Rücksichtnahme auf das „Tierwohl“ kommt angesichts seiner von der Rechtsordnung – einfach- und verfassungsrechtlich – anerkannten Schutzwürdigkeit zwar auch unterhalb dieser Schwelle in Betracht. Jedoch muss sich dafür jeweils ein rechtlicher Anknüpfungspunkt bieten, der im hier entschiedenen Falle eines Anspruchs auf Entfernung der Katzen aus der Mietwohnung nicht ersichtlich ist. Von Loeper1521 hingegen meint, die Zerstörung der regelmäßig vorhandenen sozialen Bindung des Tieres zu seinem Tierhalter stehe im Widerspruch zu § 1 S. 2 TierSchG und füge dem Tier erhebliche Leiden zu (sodass auch § 17 Nr. 2 b) TierSchG erfüllt sein könne); solches könne sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB sein. Die Argumentation des AG Aachen als Beispiel für eine Rücksichtnahme auf das „Tierwohl“ zu sehen, ist freilich nicht zwingend; in Anbetracht der Reziprozität der Beziehung „Mensch-Tier“1522 sind seine Aussagen ambivalent. Ob das Gericht daher tatsächlich ein „Tierwohl“-Argument oder vielmehr den Schutz der Bindung des Menschen zu dem Tier, also das Affektionsinteresse meinte, lässt sich nicht eindeutig beantworten. In jedem Falle maß das Gericht diesem Aspekt genug Gewicht bei, um den Anspruch des Vermieters auf Entfernung der mietvertragswidrig gehaltenen Katzen daran scheitern zu lassen. Interessant ist hierbei die gesetzliche Anknüpfung der Argumentation an das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht. Klarheit über die von diesem ausgehenden gleichsam rechtlichen Fernwirkungen herrscht bis heute, und erst Recht Anfang der 1990er-Jahre, als die Entscheidung erging,1523 nicht. Speziell für das Mietrecht wurde, auch unter Hinweis auf das Urteil des AG Aachen, im Schrifttum Mitte der 1990er-Jahre angeregt, aus den durch jenes Gesetz gebrachten Neuerungen, insbesondere der Einführung des § 90a BGB, bestimmte Konsequenzen zu ziehen (zum Beispiel generelle Zugehörigkeit der Tierhaltung zum vertragsgemäßen Mietgebrauch) und dieses „stärker bei der Auslegung rechtlicher Probleme“ zu beachten.1524 Eine nachvoll1521
Kluge-von Loeper Einf. Rn. 133 (1. Aufl. 2002) – Argumentation allerdings bezogen auf ein Tierhaltungsverbot. 1522 Vgl. etwa Dietz, DGVZ 2003, 81, 82, der die Bindung des Tieres an den Menschen als „Tierwohl“-Aspekt behandelt. 1523 Vgl. etwa Vahle, VR 1991, 290: „Ob und in welchem Ausmaße die Statusverbesserung der Tiere zivilrechtliche Konsequenzen in anderen Bereichen auslösen wird, lässt sich schwer abschätzen“; Schopp, ZMR 1994, 451, 452: „Ob und welche Konsequenzen das hat, kann man noch nicht absehen“. 1524 Dillenburger/Pauly, ZMR 1994, 249, 251; ZMR 1995, 193 f.
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ziehbare Herleitung oder eingehende Begründung hierfür fehlte freilich. Daher stieß diese allzu pauschale Forderung auch zu Recht auf Ablehnung.1525 Ging es in der vom AG Aachen angeführten Argumentation, was nach der Formulierung des Gerichts ebenso in Frage kommt, um das Affektionsinteresse des Mieters an seinem Tier, läge darin ein Zumutbarkeitsgesichtspunkt, der sich hier rechtstechnisch im Rahmen des unter dem Aspekt der Verwirkung1526 zu erwägenden § 242 BGB hätte anbringen lassen können. So geschehen auch in anderen, ähnlich gelagerten Fällen, in denen ein „etwaiger Anspruch auf Beseitigung des Tieres als verwirkt angesehen“ wurde, „denn mit jedem weiteren Tag“ werde „die Bindung an das Tier enger und für den Mieter die Trennung schwerer“.1527 Der Umstand, „dass der Mieter das Tier inzwischen lieb gewonnen haben kann“1528, er an seinem Hund, wie „für die meisten Hundehalter typisch“, hängt, es ihm „schwerfällt, das Tier wegzugeben“1529 und dieses „mit einer erheblichen seelischen Belastung verbunden wäre“1530, wird auch generell als ein im Rahmen des Anspruchs auf Entfernung eines Tieres oder Unterlassung der Tierhaltung berücksichtigungsfähiger Belang erwähnt. Hier ist es eindeutig das Affektionsinteresse des Menschen am Tier, das rechtserheblich in Rechnung gestellt wird.
III. Familienrecht: Zuweisung eines Haustieres bei Trennung Die in Tier-Fällen immer wieder zur Sprache kommende besondere gefühlsmäßige Bindung zum Tier muss nicht zwingend nur seitens einer einzigen Person bestehen. Ist das Tier in einem Mehrpersonenhaushalt angesiedelt, ist es keinesfalls ungewöhnlich, dass es Gegenstand des Affektionsinteresses mehrerer Menschen wird, etwa beider Teile eines Paares, die gegebenenfalls auch Miteigentümer des Haustieres sind. Dies ist solange unproblematisch, wie die Lebens- und Wohnungsgemeinschaft fortbesteht. Spaltet sie sich hingegen auf, will im Zweifel jede Seite auf das ihr lieb gewonnene Tier zugreifen. Damit angesprochen sind die schon 1525
Schopp, ZMR 1994, 451 f.; Dallemand/Balsam, WuM 1997, 23, 25 Fn. 21. Die Katzen waren immerhin schon seit fünf Jahren mietvertragswidrig gehalten worden. Zur Verwirkung des mietrechtlichen Unterlassungsanspruchs bei Tierhaltung vgl. Hülsmann, NZM 2004, 841, 843; Schmidt-Futterer-Blank § 541 BGB Rn. 12 (12. Aufl. 2015); Stolting/Zoebe, S. 112 f.; LG Düsseldorf, Urt. v. 29. 06. 1993 – 24 S 90/93, WuM 1993, 604; LG Berlin, Urt. v. 01. 09. 1982 – 61 S 112/82, WuM 1984, 130; AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 25. 11. 1982 – 613 C 452/82 – juris. 1527 LG Düsseldorf, Urt. v. 29. 06. 1993 – 24 S 90/93, WuM 1993, 604; ähnlich LG Essen, Urt. v. 30. 01. 1985 – 1 S 589/84, WuM 1986, 117. Siehe auch Stolting/Zoebe, S. 112: „Duldet der Vermieter (…), daß der Mieter (…) längere Zeit einen Hund in der Mietwohnung hält, so fördert er hierdurch die Bindung zwischen dem Mieter und seinem Hund“. 1528 Hannemann/Wiegner-Horst § 16 Rn. 120 (4. Aufl. 2014). 1529 LG Mannheim, Urt. v. 16. 09. 1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545, 546. 1530 LG Mannheim, Urt. v. 16. 09. 1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545, 546; ähnlich Hannemann/Wiegner-Horst § 16 Rn. 101 (4. Aufl. 2014). 1526
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mehrfach vor Gericht gekommenen und auch vom Schrifttum beachteten Fälle, in denen Ehepartner anlässlich ihrer Trennung oder Scheidung um die Zuweisung des zuvor gemeinsam gehaltenen Haustiers streiten. Dass Tiere Rechtsobjekte – und hier: Zuteilungsobjekte – besonderer Art sind, zeigt sich auch in diesem Kontext wieder vor allem anhand der bekannten zwei Aspekte: Zum einen ist ein solcher Zuweisungsstreit um ein Tier oft maßgeblich von den an dem Tier bestehenden beiderseitigen immateriellen Interessen motiviert und geprägt. Zum anderen ist – anders als bei Sachen – im Falle von Tieren das Zuweisungsobjekt selbst nach rechtlichen Wertungen gegebenenfalls schutzwürdig und somit kann plötzlich die Überlegung Bedeutung erlangen, dass eine bestimmte Zuweisungsentscheidung Auswirkungen auf das „Wohl“ des Zuweisungsobjekts hat, es kann also danach gefragt werden, welche Zuteilungsentscheidung gleichsam „besser“ für das „Tierwohl“ wäre. 1. Rechtlicher Ausgangspunkt: Regeln über die Verteilung von Haushaltsgegenständen Sondervorschriften über die Verteilung eines gemeinsam gehaltenen Haustieres zwischen zwei sich trennenden Ehegatten gibt es nicht. Der rechtliche Ausgangspunkt wird daher nach einhelliger Meinung in den Vorschriften über die Hausratsverteilung gesucht, indem man diese, zum Teil unter Hinweis auf § 90a S. 3 BGB, als auf (Haus-)Tiere, die aus Liebhaberei gehalten werden, jedenfalls entsprechend oder sinngemäß anwendbar ansieht, (Haus-)Tiere also dem Begriff der Haushaltsgegenstände zurechnet.1531 Unter Haushaltsgegenständen versteht man alle Gegenstände, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Ehegatten für die Wohn- und 1531 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05. 02. 1998 – 2 UF 230/97, NJWE-FER 1998, 145; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11. 04. 2014 – 18 UF 62/14, NJW-RR 2014, 1101; OLG Schleswig, Beschl. v. 21. 04. 1998 – 12 WF 46/98, NJW 1998, 3127; Beschl. v. 20. 02. 2013 – 15 UF 143/12, BeckRS 2013, 22502; OLG Naumburg, Beschl. v. 29. 10. 1999 – 3 UF 95/99, BeckRS 1999, 14750; OLG Hamm, Beschl. v. 19. 11. 2010 – 10 WF 240/10, NJW-RR 2011, 583; OLG Bamberg, Beschl. v. 10. 06. 2003 – 7 UF 103/03, MDR 2004, 37; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, 15655; AG Bad Mergentheim, Beschl. v. 19. 12. 1996 – 1 F 143/95, NJW 1997, 3033; Tomfort, FamFR 2011, 208; Hoppenz, FamFR 2011, 20; Bamberger/Roth-Neumann § 1568b BGB Rn. 7 (41. Ed. 2016); Erbarth, FPR 2010, 548; Erman-Kroll-Ludwigs § 1361a BGB Rn. 3 (14. Aufl. 2014); Finger, FamFR 2010, 169, 171; Götsche, jurisPR-FamR 13/2014 Anm. 4; Holzwarth, FPR 2010, 559, 560; Johannsen/ Henrich-Götz § 1361a BGB Rn. 20 (6. Aufl. 2015); jurisPK-Breidenstein § 1568b BGB Rn. 31 (7. Aufl. 2014); jurisPK-Seier § 1361a BGB Rn. 43 f. (7. Aufl. 2014); MüKo-Weber-Monecke § 1361a BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017); MüKo-Wellenhofer § 1568b BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017); Neumann, NZFam 2014, 481, 483; Niepmann, MDR 1999, 653, 658; Schneider, MDR 1999, 193; Schnitzler-Müller § 17 Rn. 15 (4. Aufl. 2014); Schulz/Hauß Kap. 5 Rn. 1253/1258 (6. Aufl. 2015); Staudinger-Rauscher § 1684 BGB Rn. 56 (Neubearb. 2014); StaudingerVoppel § 1361a BGB Rn. 14 (Neubearb. 2012); Staudinger-Weinreich § 1568b BGB Rn. 13 (Neubearb. 2010); Weinreich, NZFam 2014, 486, 488; Wönne, FPR 2009, 293, 294; ErmanSchmidt § 90a BGB Rn. 4 (14. Aufl. 2014); Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 7 (41. Ed. 2016); Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 99 (3. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 145 (1. Aufl. 2002).
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Hauswirtschaft oder sonst für ihr Zusammenleben bestimmt sind.1532 Tiere können dem insoweit unterfallen, als sie entweder gleichsam als lebender Vorrat für den Familienkonsum oder aber ganz überwiegend aus Liebhaberei zur Freizeitgestaltung und zur privaten Haushalts- und Lebensführung gehalten werden; nicht jedoch, wenn sie der Erzielung von Einkünften dienen.1533 Entscheidend sein soll „die Widmung“, die den Haustieren zukommt: Tiere, die wegen ihres ideellen Nutzens oder zum Vergnügen vom Menschen gezüchtet werden, sollen „Haushalts,gegenstände‘ darstellen, weil sie ihrer Widmung gemäß für das familiäre Zusammenleben bestimmt“ sind.1534 In der Zeit des Getrenntlebens von Ehepartnern sieht § 1361a Abs. 2, Abs. 3 BGB für die in Miteigentum stehenden Gegenstände im Streitfall eine Verteilung durch das zuständige Gericht „nach den Grundsätzen der Billigkeit“ vor. Im Falle der Scheidung bestimmt § 1568b Abs. 1 BGB, dass jeder Ehegatte die Überlassung und Übereignung von in gemeinsamem Eigentum stehenden Haushaltsgegenständen verlangen kann, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte oder dies aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Für ältere Entscheidungen war sedes materiae noch die HausratsVO, die in § 8 eine ähnliche Regelung enthielt. Mit einem am 1. September 2009 in Kraft getretenen Änderungsgesetz1535 hob man die HausratsVO auf und einige ihrer Regelungen wurden, zum Teil in modifizierter Form, in das BGB implementiert. 2. Eher „Tierwohl“, weniger „Affektionsinteresse“ in der Zuweisungsentscheidung Die jeweiligen Bezugnahmen auf Billigkeitserwägungen in den genannten anwendbaren Vorschriften lassen Raum für Wertungsaspekte. Eher wenig Platz als Gesichtspunkt für Zuweisungsentscheidungen nehmen dabei in Rechtsprechung und Schrifttum die an dem Tier bestehenden immateriellen Interessen der streitenden Parteien ein. Für eine Berücksichtigung des „Tierwohls“ findet sich hingegen eine Reihe von Beispielen. 1532 OLG Stuttgart, Beschl. v. 11. 04. 2014 – 18 UF 62/14, NJW-RR 2014, 1101; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05. 02. 1998 – 2 UF 230/97, NJWE-FER 1998, 145; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, 15655; Wönne, FPR 2009, 293, 294. 1533 OLG Naumburg, Beschl. v. 29. 10. 1999 – 3 UF 95/99, BeckRS 1999, 14750; Neumann, NZFam 2014, 481, 483; Schnitzler-Müller § 17 Rn. 15 (4. Aufl. 2014); vgl. Erbarth, FPR 2010, 548; Erman-Kroll-Ludwigs § 1361a BGB Rn. 3 (14. Aufl. 2014); Johannsen/Henrich-Götz § 1361a BGB Rn. 20 (6. Aufl. 2015); jurisPK-Breidenstein § 1568b BGB Rn. 30 f. (7. Aufl. 2014); jurisPK-Seier § 1361a BGB Rn. 46 (7. Aufl. 2014). 1534 Schneider, NJW-Spezial 2011, 316. 1535 Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6. Juli 2009, BGBl. I 2009, S. 1696.
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a) Rechtsprechung Gerichte bezogen in die Zuweisungsentscheidung beispielsweise ein: ob die Aufteilung dreier Hunde eine „für die Hunde verkraftbare Auflösung der Einheit“ bedeute,1536 bei welcher Partei das Tier „in der vertrauten und geeigneten“1537 und gewohnten1538 Umgebung verbleiben könne, Platz1539 oder mehr Freiraum habe1540 und artgerecht gehalten werden könne1541, sowie welche Partei mehr Zeit für das Tier und wer die finanziellen Mittel habe, einen Hund zu versorgen.1542 Abgestellt wurde auch auf die (mangelnde) Eignung einer Partei als Tierhalter, ablesbar etwa daran, dass die betreffende Person bereits durch nachlässiges Verhalten in der Vergangenheit gezeigt habe, nicht in der Lage zu sein, den Hund hinreichend zu beaufsichtigen, oder daran, dass sie den Kontakt zu einer erkennbar für den Hund wichtigen Bezugsperson unterband.1543 Anderenorts wurde die Erwägung herangezogen, dass die Parteien auf Grund ihrer „bereits frühkindlichen Sozialisation mit Hunden“ oder „auf Grund entsprechender Literaturrecherche und Weiterbildung“ zur Übernahme der Betreuung eines Hundes geeignet seien.1544 An gleicher Stelle heißt es jedoch, bei den Billigkeitserwägungen im Sinne des § 1361a Abs. 2 BGB handele es sich „weniger um solche (…), die das Wohl des Hundes betreffen, als vielmehr um solche, die eine sinnvolle Teilhabe der getrennt lebenden Eheleute an den zur Disposition stehenden ,Haushaltsgegenständen‘ und damit auch Tieren ermöglichen“.1545 In diesem Zusammenhang stellte das Gericht zulasten einer Partei als „nicht billigenswertes Verhalten“ in Rechnung, dass diese den Hund der anderen Partei bewusst vorenthalten und sie auch über wesentliche, den Hund betreffende Dinge nicht informiert hatte, was zeige, dass „sie an einer ausgewogenen Teilhabe an
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OLG Schleswig, Beschl. v. 20. 02. 2013 – 15 UF 143/12, BeckRS 2013, 22502. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05. 02. 1998 – 2 UF 230/97, NJWE-FER 1998, 145. 1538 Staudinger-Weinreich § 1568b BGB Rn. 13 (Neubearb. 2010); Weinreich, NZFam 2014, 486, 489. 1539 AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, 15655. 1540 OLG Schleswig, Beschl. v. 20. 02. 2013 – 15 UF 143/12, BeckRS 2013, 22502. 1541 OLG Celle, Beschl. v. 09. 03. 2009 – 15 WF 44/09, NJW-RR 2009, 1306. 1542 AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, 15655. 1543 AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, 15655: im konkreten Fall stellte das Gericht darauf ab, dass die Hündin in der Obhut des Antragsgegners ungewollt trächtig geworden war. 1544 OLG Stuttgart, Beschl. v. 11. 04. 2014 – 18 UF 62/14, NJW-RR 2014, 1101; ähnlich die Vorinstanz AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, 15655. 1545 OLG Stuttgart, Beschl. v. 11. 04. 2014 – 18 UF 62/14, NJW-RR 2014, 1101; zust. jurisPK-Seier § 1361a BGB Rn. 45 (7. Aufl. 2014). 1537
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dem im Miteigentum stehenden Hund unter Berücksichtigung der Bedürfnisse sowohl des Hundes als auch beider Eheleute nicht interessiert“ sei.1546 b) Literatur Aus der Literatur heißt es teils explizit, bei der Entscheidung über die Verteilung gemeinsamer Haustiere sei das „Tierwohl“ „besonders zu berücksichtigen“.1547 § 90a BGB könne „bei der Zuweisung Abweichung von den üblichen Kriterien des § 1361a verlangen“, etwa „indem die gewohnte Umgebung des Tieres ausschlaggebende Bedeutung“ erhalte, wodurch allerdings „die Stoßrichtung des § 1361a, der sonst die Belange der Eheleute und der Kinder zum Maßstab einer Zuweisungsentscheidung“ mache, „geändert und der Schutz des Zuweisungs,objekts‘ in den Vordergrund gestellt“ werde.1548 Gemäß § 90a BGB sei „als ermessensleitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen, welcher der Ehegatten am ehesten bereit und imstande ist, das Wohlbefinden des Tieres zu fördern und die Halterpflichten (…) zu erfüllen“1549. Bei Haustieren seien, so die Kommentare, „die Auswirkungen der Regelung auf das Tier“1550, „die Bindung des Tieres zu dem jeweiligen Ehegatten“1551 zu beachten; für die Zuweisungsentscheidung könnten tierpsychologische Gesichtspunkte ausschlaggebend sein.1552 Es komme „auf die Eignung des künftigen Tierhalters als Bezugsperson des Tieres nach menschlichen und tierschutzrechtlichen Anforderungen“ an.1553 Als Billigkeitsaspekte für die Zuweisungsentscheidung sollen Kriterien herangezogen werden können, „die denjenigen der Zuweisung der elterlichen Sorge entsprechen (Kontinuität = Versorgung des Hundes in der Vergangenheit; Erziehungsgeeignetheit und Bindungstoleranz = Umgang mit dem Tier und auch Umgangsgewährung; Bindungen an den jeweiligen Ehegatten)“.1554 Von Loeper formuliert in diesem Zusammenhang gar: „Der herkömmliche Eigentumsbegriff ist somit durch eine neue tierschutzrechtliche Sorgerechtskomponente geprägt und umgestaltet“.1555 „Eine ,Geschwisterbindung‘ – sofern mehrere Hunde vorhanden sind“ – soll dagegen regelmäßig unbeachtlich sein, ebenso wie ein ,Wille‘ 1546 Auf diesen Gesichtspunkt stellte auch die Vorinstanz ab, AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, 15655. 1547 Holzwarth, FPR 2010, 559, 560; ähnlich MüKo-Weber-Monecke § 1361a BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017): „auch Aspekte des Tierwohls zu berücksichtigen“. 1548 Staudinger-Voppel § 1361a BGB Rn. 14 (Neubearb. 2012). 1549 Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 99 (3. Aufl. 2016); ähnlich Kluge-von Loeper Einf. Rn. 146 (1. Aufl. 2002): Das Gericht müsse prüfen, „welcher Ehegatte am besten die geeignete Fürsorge und das Wohl des Tieres gewährleisten“ könne. 1550 MüKo-Wellenhofer § 1568b BGB Rn. 15 (7. Aufl. 2017). 1551 Staudinger-Weinreich § 1568b BGB Rn. 41 (Neubearb. 2010). 1552 MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 8 (7. Aufl. 2015). 1553 Kluge-von Loeper Einf. Rn. 146 (1. Aufl. 2002). 1554 Götsche, jurisPR-FamR 13/2014 Anm. 4. 1555 Kluge-von Loeper Einf. Rn. 146 (1. Aufl. 2002).
§ 6 Argumentationsmuster zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
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des Tieres.1556 Jedenfalls auch nach einer Berücksichtigung der betroffenen Affektionsinteressen klingt es, wenn als eines der entscheidenden Kriterien genannt wird, „wer die intensivste Beziehung zu dem Tier hat“.1557 c) Beweiserhebung über die Tier-Mensch-Beziehung Soll es auf eine das „Tierwohl“ schonende Lösung ankommen, stellt sich die Frage nach der dafür vom Gericht heranzuziehenden Beurteilungsgrundlage. Einer veröffentlichten Entscheidung lässt sich beispielsweise entnehmen, dass das Gericht1558 einen Veterinär als tiermedizinischen Sachverständigen anhörte – über die Beziehung des betreffenden Hundes zu den streitenden Parteien und zu der Frage, „welche tierpsychologischen Auswirkungen“ eine Regelung über den zwischen beiden Ehegatten wechselnden Umgang auf das Tier hätte. Der Tierarzt führte aus: Wichtig für das Wohlbefinden des Hundes seien die Bezugspersonen und sein Heim. Bedenklich sei insofern ein dauernder Ortswechsel und eine Trennung von den ihm gewohnten anderen beiden Hunden. Nach Angaben des Sachverständigen mochte der Hund beide Parteien und erkannte sie als Bezugspersonen an. Hiervon überzeugte sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung durch Inaugenscheinnahme auch selbst: Der Hund habe sich, nachdem er von der Leine genommen war, „sofort zielstrebig“ zum Antragsteller begeben, „sich von diesem bereitwillig auf den Schoß nehmen“ lassen und „dort deutliche Zeichen des Wohlgefallens“ von sich gegeben, etwa indem er dessen Gesicht mehrfach ableckte. Auch in einem Verfahren vor dem AG Stuttgart-Bad Cannstatt erhob das Familiengericht in der mündlichen Verhandlung Augenscheinsbeweis über die Beziehung des streitgegenständlichen Tieres zu den beiden Prozessparteien. Dabei stellte es fest, dass der betreffende Hund die Antragstellerin „auch nach einem Jahr der Trennung (…) unverzüglich wiedererkannt und sich von ihr vertrauensvoll streicheln und auf den Schoß nehmen lassen“ habe.1559 Dass der Hund diese „sofort wieder als bekanntes ,Frauchen‘ identifizierte“, wertete die Anschlussinstanz als Zeichen dafür, dass sie an der Betreuung und Fürsorge für den Hund in der Zeit des Zusammenlebens beteiligt gewesen war.1560 3. Gerichtliche Umgangsregelung für Tiere? In den Rechtsfolgen sind die Vorschriften über die Hausratsteilung unflexibel, nämlich ausschließlich auf die alleinige Zuweisung zu einem der Ehepartner ge1556 1557 1558 1559
15655. 1560
Götsche, jurisPR-FamR 13/2014 Anm. 4. Weinreich, NZFam 2014, 486, 489. AG Bad Mergentheim, Beschl. v. 19. 12. 1996 – 1 F 143/95, NJW 1997, 3033. AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 24. 01. 2014 – 2 F 1188/13, BeckRS 2014, OLG Stuttgart, Beschl. v. 11. 04. 2014 – 18 UF 62/14, NJW-RR 2014, 1101.
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richtet. Aus den in einem Zuweisungsstreit um ein Tier häufig auf beiden Seiten stark ausgeprägten emotional-ideellen Interessen erklärt es sich, dass die Parteien hier versuchen, das entscheidende Gericht zu einer flexibleren Lösung zu bewegen – etwa in Gestalt eines Umgangsrechts für Tiere, entsprechend der für Kinder geltenden Vorschriften.1561 a) Ablehnung in Schrifttum und Rechtsprechung Das Schrifttum1562 steht diesem Gedanken unter Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage ablehnend gegenüber. Gleiches gilt für die Rechtsprechung: So sah schon das mit der Frage noch auf Grundlage der bis 2009 geltenden HausratsVO befasste OLG Schleswig1563 etwa für die seitens einer Partei „begehrte Umgangsregelung bezüglich eines Hundes keinerlei rechtliche Grundlage“. Zwar sei „es grundsätzlich nicht zu beanstanden, die Grundsätze des § 90a BGB, daß mit Tieren als von der Rechtsordnung anerkannten Mitgeschöpfen nicht willkürlich verfahren werden“ dürfe, „im Rahmen der Zuweisung eines Tieres zu Alleineigentum zu berücksichtigen“. Es übersteige „jedoch die Grenzen zulässiger Auslegung, das Wohlbefinden eines Hundes zum Anlaß zu nehmen, ein gesetzlich nicht vorgesehenes ,Umgangsrecht‘ für Tiere zu schaffen“. Das Gericht argumentierte hier vornehmlich mit dem Zweck des HausratsVO, die streitigen Eigentumsverhältnisse am Hausrat endgültig zu klären.1564 Ein gegen den Gesetzeswortlaut entwickeltes Umgangsrecht für Tiere widerspreche dem eindeutigen Gesetzeszweck, da es geeignet sei, weitere Streitigkeiten um die Ausgestaltung und Einhaltung des Umgangsrechtes hervorzurufen. Im Rahmen des Hausratsverfahrens bestehe „aufgrund der ausgeführten Gründe für das FamG kein Anlaß zu prüfen – womöglich noch unter Einholung eines kostenintensiven tierpsychologischen Gutachtens –, ob ein Umgangsrecht dem Wohl eines Hundes“ eher diene oder schade.
1561 Karikierend Büttner, FamRZ 1999, 761; Basedow/Spellenberg, ZEuP 1998, 411 f.; Gerhardt, ZRP 2005, 144. 1562 Bamberger/Roth-Neumann § 1568b BGB Rn. 7 (41 Ed. 2016); Erman-Blank § 1568b BGB Rn. 4 (14. Aufl. 2014); Erman-Döll § 1684 BGB Rn. 6d (14. Aufl. 2014); Finger, FamFR 2010, 169, 171; wohl auch Götsche, jurisPR-FamR 13/2014 Anm. 4; Johannsen/ Henrich-Götz § 1361a BGB Rn. 20 (6. Aufl. 2015); jurisPK-Breidenstein § 1568b BGB Rn. 32 (7. Aufl. 2014); jurisPK-Seier § 1361a BGB Rn. 45 (7. Aufl. 2014); MüKo-Wellenhofer § 1568b BGB Rn. 15 (7. Aufl. 2017); Neumann, NZFam 2014, 481, 483; Staudinger-Rauscher § 1684 BGB Rn. 56 (Neubearb. 2014); MüKo-Hennemann § 1684 BGB Rn. 9 (7. Aufl. 2017); Staudinger-Voppel § 1361a BGB Rn. 14 (Neubearb. 2012); Staudinger-Weinreich § 1568b BGB Rn. 13 (Neubearb. 2010); MüKo-Stresemann § 90a BGB Rn. 8 (7. Aufl. 2015); Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 10 (Neubearb. 2012); Erman-Schmidt § 90a BGB Rn. 4 (14. Aufl. 2014); Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 7 (41. Ed. 2016). 1563 OLG Schleswig, Beschl. v. 21. 04. 1998 – 12 WF 46/98, NJW 1998, 3127. 1564 So auch für § 1568b BGB jurisPK-Breidenstein § 1568b BGB Rn. 30 f. (7. Aufl. 2014).
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Auch das OLG Bamberg,1565 das über ein begehrtes „Recht zum persönlichen Umgang“ mit dem Hund zweier getrennt lebender Eheleute zu entscheiden hatte, bestätigte die vorangegangene erste Instanz darin, dass „es für die beantragte Umgangsregelung an einer Rechtsgrundlage“ fehle. Eine gesetzliche Grundlage für die Regelung des Umgangs mit Haustieren könne „auch nicht durch Richterrecht geschaffen werden“, weil dies „die Grenzen der zulässigen Auslegung überschreiten würde“.1566 Die HausratsVO sehe ein Umgangsrecht nicht vor, auch nicht in erweiternder Auslegung. Die Zuweisung von Hausrat sei darin „nicht als vorübergehende Nutzung im gegenseitigen Wechsel der Eheleute geregelt, sondern als endgültige“, und §§ 1684, 1685 BGB beträfen (nur) das Umgangsrecht mit Kindern. Ebenfalls auf den Gesetzeszweck abstellend verneinte später das OLG Hamm1567 in einer zu § 1361a BGB (Verteilung der Haushaltsgegenstände bei Getrenntleben) ergangenen Entscheidung das von einem Ehegatten begehrte Recht zur Nutzung des Hundes für wöchentlich einige Stunden: Eine zeitlich begrenzte Nutzungsregelung widerspräche dem Zweck des Hausratsteilungsverfahrens,1568 einem Ehegatten die eigene Nutzung des Hausrats für seine Lebensbedürfnisse zu ermöglichen und eine Neuanschaffung von Hausratsgegenständen zu vermeiden.1569 Auch bestehe kein Anspruch auf Umgang mit einem Hund, der beim früheren Partner verblieben sei. Ein solcher folge nicht aus § 1361a BGB und eine Analogie zu anderen gesetzlichen Umgangsregelungen verbiete sich. Insbesondere § 1684 Abs. 1 BGB sei „zugeschnitten auf ein am Wohl eines Kindes orientiertes Umgangsrecht“ und diene „nicht in erster Linie der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse des umgangsberechtigten Elternteils, um die es im Verhältnis von zwei sich trennenden Partnern zu einem gemeinsam gehaltenen Hund“ gehe;1570 vielmehr würden hier die Bestimmungen der Hausratsteilung gelten, die nur eine Zuweisung, aber keine Umgangsregelung vorsähen. „Im Interesse des Tieres“ eine andere Vereinbarung zu treffen, bleibe den Beteiligten unbenommen. b) Gegenstimmen Das aus der strikten Gesetzesanwendung resultierende „alles-oder-nichts-Prinzip“ ist, jedenfalls für die Zeit des Getrenntlebens, als nicht befriedigend und nicht 1565
OLG Bamberg, Beschl. v. 10. 06. 2003 – 7 UF 103/03, MDR 2004, 37. Zust. Erman-Döll § 1684 BGB Rn. 6d (14. Aufl. 2014). 1567 OLG Hamm, Beschl. v. 19. 11. 2010 – 10 WF 240/10, NJW-RR 2011, 583. 1568 Ebenso jurisPK-Breidenstein § 1568b BGB Rn. 30 f. (7. Aufl. 2014); StaudingerVoppel § 1361a BGB Rn. 14 (Neubearb. 2012); Staudinger-Jickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 10 (Neubearb. 2012). 1569 Wer mit der Zuweisung der Tiere gar nicht die Herausgabe an sich selbst begehrt, sondern allein den anderen Ehegatten von der Nutzung ausschließen will, hat daher wegen dieses Zwecks des Hausratsteilungsverfahrens keinen Erfolg, OLG Celle, Beschl. v. 09. 03. 2009 – 15 WF 44/09, NJW-RR 2009, 1306. 1570 So auch Staudinger-Rauscher § 1684 BGB Rn. 56 (Neubearb. 2014). 1566
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zwingend kritisiert worden.1571 Denn damit bleibe „ein achtenswertes emotionales Bedürfnis unberücksichtigt“.1572 „Gerade in der meist seelisch belastenden Trennungsphase“ bestehe „ein besonderes Bedürfnis nach Zuwendung, und sei es auch nur eines Tieres“. Statt einer Zuweisung der alleinigen Benutzung unter Ausschluss des anderen Ehegatten komme auch die Anordnung der Mitnutzung als besondere Form der Verteilung nach § 1361a Abs. 2 BGB, das heißt eine Zuweisung unter gleichzeitiger Anordnung eines beschränkten Nutzungsrechts in Betracht. Tiere seien eben keine Sachen. Die nur entsprechende Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften könne eine Modifizierung des Regelungsbereichs erlauben.1573 Zu den vom Richter heranzuziehenden Billigkeitserwägungen gehörten auch „intensive Sozialkontakte zwischen Mensch und Tier“. Erscheine die Gewährung eines Umgangsrechts für das Wohlergehen von Mensch und Tier dienlich, dann sei eine solche Regelung „geboten und begründet“. Dafür spreche auch die „mitgeschöpfliche(…) Sozialpflichtigkeit des Eigentums am Tier“.1574 Abgesehen von diesen Stimmen wird sonst die Möglichkeit einer zeitweisen Nutzung nur im Wege einer freiwilligen Übereinkunft gesehen1575 – jedenfalls, wenn die Scheidung bereits stattgefunden hat,1576 da für die endgültige Auseinandersetzung der Haushaltsgegenstände nach Scheidung der Ehe (§ 1568b BGB) ein (Mit-) Nutzungsrecht wohl fehl am Platz sei.1577 Auf der sicheren Seite (hinsichtlich des Zugriffs auf das Tier) sei ein Ehegatte daher nur, wenn er, gegebenenfalls entgegen der Vermutung des § 1568b Abs. 2 BGB, sein Alleineigentum an dem Tier beweisen könne. Das Umgangsrecht nach §§ 1684, 1685 BGB erscheine zwar auf solche Konstellationen zugeschnitten, aber Hunde ließen „sich nun einmal nicht unter den Begriff des Kindes subsumieren“.1578 Eine Einzelstellung in der Rechtsprechung nimmt vor dem Hintergrund der insgesamt doch recht einhelligen Ablehnung eines „Umgangsrechts“ bei Tieren eine schon Mitte der 1990er-Jahre ergangene Entscheidung des AG Bad Mergentheim1579 ein, die ein solches unter Heranziehung von § 90a BGB in der Tat bejahte. Die „für den Hund“ zutreffende Lösung könne „nicht ohne Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 90a BGB gefunden werden, wonach Tiere von der Rechtsordnung als Mitgeschöpfe anerkannt worden“ seien. Das bedeute, „daß über sie, anders als es 1571
Hoppenz, FamFR 2011, 20; zust. Schulz/Hauß Kap. 5 Rn. 1256 (6. Aufl. 2015). Hoppenz, FamFR 2011, 20. 1573 Hoppenz, FamFR 2011, 20; zust. Schulz/Hauß Kap. 5 Rn. 1256 (6. Aufl. 2015). 1574 Kluge-von Loeper Einf. Rn. 148 (1. Aufl. 2002) – allerdings noch im Kontext der bis 2009 geltenden HausratsVO. 1575 Insofern regt MüKo-Wellenhofer § 1568b BGB Rn. 15 (7. Aufl. 2017) an, das Gericht solle versuchen, eine gütliche Einigung der Ehegatten herbeizuführen (vgl. § 36 I S. 2 FamFG). 1576 Hoppenz, FamFR 2011, 20; Schulz/Hauß Kap. 5 Rn. 1258 (6. Aufl. 2015). 1577 Hoppenz, FamFR 2011, 20. 1578 Hoppenz, FamFR 2011, 20. 1579 AG Bad Mergentheim, Beschl. v. 19. 12. 1996 – 1 F 143/95, NJW 1997, 3033; zust. Kluge-von Loeper Einf. Rn. 148 (1. Aufl. 2002). 1572
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bei leb- und gefühllosen Gegenständen möglich wäre, nicht ohne Rücksicht auf ihr Wesen und ihre Gefühle verfügt werden“ könne.1580 Deshalb habe das Gericht „die tierpsychologischen Ausführungen des Sachverständigen (…) zu beachten, wonach dem an seine jetzige örtliche und ,familiäre‘ Umgebung gewöhnten Hund ein ständiger Ortswechsel nicht zuzumuten“, „aber ein stundenweises Zusammensein dieses Hundes mit dem Ast. bedenkenfrei möglich“ sei, weil er auch diesen als Bezugsperson anerkenne. „Unter Respektierung des in § 90a BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens der Anerkennung des Hundes als eines Mitgeschöpfes und der daraus sich ergebenden zwingenden Folge eines Verbots, mit diesem Mitgeschöpf völlig willkürlich umzugehen“, könne darum der Antrag, einem der Beteiligten den Hund für dauernd zuzuweisen, keinen Erfolg haben. Im Ergebnis bekräftigte das Gericht eine von den Parteien schon vormals im Wege des Vergleichs erwogene Regelung, wonach der Beteiligte, bei dem das Tier nicht dauerhaft untergebracht war, zwei Mal monatlich für einige Stunden mit dem Hund zusammen sein durfte. Eine solche Regelung, die hier einer Umgangsregelung nachgebildet sei, „wie sie sonst bei Kindern angewendet“ werde, erscheine „billig und angemessen“; sie schade nach den Ausführungen des Sachverständigen dem Hund und seinem Wohlbefinden nicht, sie sei vielmehr sogar nach den Beobachtungen in der mündlichen Verhandlung, dass der Hund freudig auf den Antragsteller zuging, durchaus geeignet, das weitere Wohlbefinden des Hundes zu fördern. Der Wortlaut der HausratsVO, der von einer „Verteilung“ des Hausrats spreche, schließe die getroffene Lösung nicht aus, weil „bei Haustieren diese Bestimmung auch unter dem Rechtsgedanken des § 90a BGB interpretiert werden“ müsse, „also unter Respektierung des Haustieres als eines lebenden Wesens“. 4. Sonderfall: Bruchteilsgemeinschaft Sind – wie in den bisher thematisierten Sachverhaltskonstellationen ebenfalls vorausgesetzt – die Streitenden beide Miteigentümer des Tieres, so kommen als rechtlicher Anknüpfungspunkt grundsätzlich auch die Regeln über die Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 ff. BGB) in Frage. Die §§ 749 ff. BGB halten nämlich ebenso Regeln für die Aufhebung einer Gemeinschaft bereit. Für den Fall, dass zwischen den Parteien eine Ehe besteht, können sie sich jedoch nicht auf etwaige Teilhabeansprüche aus dem Miteigentum (§§ 743 Abs. 2, 744 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB) berufen, denn gegenüber den Regelungen der Bruchteilsgemeinschaft sind die Vorschriften 1580
Reinecke, FPR 2000, 96, 99 bezeichnet die „Ausführungen zu § 90a BGB und der Notwendigkeit, auf Gefühle und das Wohlbefinden der Mitgeschöpfe Rücksicht zu nehmen“, als „sehr sympathisch(…)“. Schneider, MDR 1999, 193, 194: „Eine Partei völlig von dem Kontakt zu dem Hund auszuschließen, wäre jedenfalls nicht gerecht gewesen.“ Es habe sich um einen ersichtlich „sehr tierliebende[n] Richter“ gehandelt; Niepmann, MDR 1999, 653, 658: „hunde- und hundehalterfreundliche Entscheidung“. Nach Hoppenz, FamFR 2011, 20 könnte „die vielgescholtene Entscheidung (…) jedenfalls im Ergebnis zutreffend“ sein. Karikierend Büttner, FamRZ 1999, 761.
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2. Teil: Tiere im Zivilrecht zwischen „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“
über die Hausratsverteilung lex specialis.1581 Im Unterschied zu ersteren zeichnen sich die familienrechtlichen Verteilungsvorschriften durch Bezugnahmen auf Billigkeitserwägungen aus, was Ausprägung einer zwischen (früheren) Ehegatten geschuldeten – im Vergleich zu bloßen Miteigentümern gesteigerten – gegenseitigen Solidarität sein dürfte. Dies spricht dafür, hier von einem Spezialitätsverhältnis und einer Sperrwirkung für die Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft auszugehen. Anders freilich liegen die Dinge, wenn die streitenden Miteigentümer, wie in einem vom AG Walsrode1582 entschiedenen Fall, vor ihrer Trennung nur in nichtehelicher Partnerschaft zusammen lebten. Hier waren die Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft anwendbar. Die Aufhebung der Gemeinschaft vollzieht sich danach durch Teilung in Natur oder durch Verkauf (§§ 752, 753 BGB). Weil aber ein Tier betroffen war, sah sich das AG Walsrode zu einer Abweichung veranlasst, die sich einmal mehr einerseits aus „Tierwohl“-Gesichtspunkten, andererseits aus den berührten Affektionsinteressen erklären lässt, wie die Urteilsgründe zeigen. Das Gericht führte aus: Da es sich um ein Tier handele und gemäß § 90a BGB die Vorschriften über Sachen nur entsprechend anzuwenden seien, komme eine tatsächliche Teilung des Tieres „bereits aus tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht“. Eine Teilung durch Verkauf wiederum sei „den Parteien nicht zumutbar, weil das immaterielle Interesse durch den Teilungsverkauf nicht berücksichtigt werden könnte“.1583 Der Kaufpreis stehe „in keinem realistischen Verhältnis zu dem Wert, welches das Tier für die Parteien“ habe. Es gebe „ein Interesse daran, den Besitz wenigstens einer der Parteien zu erhalten“. Den Ausweg suchte das Gericht in einer „Billigkeitslösung unter Beachtung von § 242 BGB“, die darin bestand, das Tier (ähnlich der in § 1568b Abs. 1, Abs. 3 BGB für die Scheidung vorgesehenen Verfahrensweise) einem der Beteiligten gegen Zahlung einer Geldentschädigung zuzuweisen. Für die Entscheidung, wem das Tier zuzuweisen war, stellte das Gericht vor allem darauf ab, wer sich in der Vergangenheit finanziell und tatsächlich vorwiegend um den Hund gekümmert hatte, bezog aber auch den Umstand mit ein, dass sich dessen Anwesenheit laut Bescheinigung der behandelnden Ergotherapeutin „positiv auf die emotionale Verfassung des Vaters der Klägerin“ auswirke.1584
1581
Siehe OLG Hamm, Beschl. v. 19. 11. 2010 – 10 WF 240/10, NJW-RR 2011, 583. AG Walsrode, Urt. v. 23. 12. 2003 – 7 C 1028/03, NJW-RR 2004, 365. 1583 So auch Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 99 (3. Aufl. 2016). 1584 Nach Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 99 (3. Aufl. 2016) soll hier für die Zuweisungsentscheidung ausschlaggebend sein, „wer die engere Beziehung zu dem Tier hat und wer am ehesten die Gewähr für die Erfüllung der Halterpflichten (…) bietet“. 1582
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5. Fazit und Bewertung: „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ bei der Zuweisungsentscheidung berücksichtigungsfähig, Umgangsrechte gibt es (noch) nicht Sedes materiae im Streit zweier sich trennender Ehegatten um den Verbleib eines Haustieres sind nach einhelliger und zutreffender Ansicht die Vorschriften über die Hausratsverteilung bei Trennung (§ 1361a BGB) und bei Scheidung (§ 1568b BGB). Sie können gemäß § 90a S. 3 BGB auf Tiere entsprechend angewendet werden. Die darin enthaltenen Bezugnahmen auf Billigkeitskriterien eröffnen Wertungsspielräume. Als ein Billigkeitsgesichtspunkt kann dabei die Intensität der Bindung der Beteiligten an das Tier berücksichtigt werden: In aller Regel sind es gerade die emotional-ideellen Interessen der Parteien, die einen Zuweisungsstreit um ein Tier maßgeblich prägen und gar verursachen. Wenn es aber im Kern vor allem um den Widerstreit von sich gegenüberstehenden immateriellen Interessen geht, so muss sich dies auch in der nach Billigkeit zu treffenden Zuweisungsentscheidung widerspiegeln. Für eine Berücksichtigungsfähigkeit spricht auch, dass der Gesetzgeber nach der Wertung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB die Schutzwürdigkeit des Affektionsinteresses an einem Tier anerkennt. Zulässig ist aber ebenso, dass die in §§ 1361a Abs. 2, 1568b Abs. 1 BGB angelegte Öffnung für Wertungsgesichtspunkte im Falle von Tieren – anders als bei der Verteilung von Sachen – unter anderem dafür ausgeschöpft wird, gleichsam das „Wohl“ des zuzuweisenden Objekts in die Entscheidung einzubeziehen. Denn die Lebendigkeit von Tieren und die daraus folgende Schutzwürdigkeit des Zuweisungsobjekts selbst ist eine – rechtlich (etwa durch das TierSchG und Art. 20a GG) manifestierte – Besonderheit, die im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften Modifikationen rechtfertigen kann. Als Rechtsfolge sehen die Vorschriften über die Hausratsteilung, wie dem eindeutigen Wortlaut zu entnehmen ist (§ 1568b Abs. 1 BGB: Überlassung und Übereignung an einen Ehegatten; § 1361a Abs. 2 BGB: „verteilt“), ausschließlich die alleinige Zuweisung an einen der Ehepartner vor. Dies korrespondiert mit der wohl zugrunde liegenden ratio legis, dass im Falle der Trennung oder gar Scheidung eine endgültige Verteilung, die eine fortdauernde Auseinandersetzung der Eheleute miteinander vermeidet, am ökonomischsten ist und am ehesten der Interessenlage der Parteien entspricht. Eine flexiblere Lösung, in Gestalt eines Umgangsrechts für Tiere (etwa in Anlehnung an die für Kinder geltenden Vorschriften), lässt sich de lege lata nicht herleiten. Beim Blick in die gesetzlichen Vorschriften zum Umgang mit Kindern fällt sofort auf, dass hier gesellschafts- und sozialpolitische Wertungen Niederschlag gefunden haben, die für Tiere vollkommen unpassend sind (siehe etwa § 1685 Abs. 1 BGB), und dass vor allem die Förderung des Kindeswohl als dominantes Ziel im Vordergrund steht. Eine Übertragung der Regelungen auf Tiere scheidet daher aus. Vielmehr bedürfte es dazu einer gesetzlichen Sonderregel. Entschlösse sich der Gesetzgeber dazu, in Bezug auf Zuweisungsstreitigkeiten um Tiere beispielsweise die Möglichkeit von zeitweiligen Nutzungsrechten gesetzlich
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vorzusehen, ginge es dabei vor allem um ein Zugeständnis an die typischerweise beiderseitig bestehenden Affektionsinteressen. Denn ob eine einseitige Zuweisung zu nur einem der Partner dem „Tierwohl“ derart schadet, dass dies (wie es etwa das AG Bad Mergentheim annahm1585) als rechtlich beachtenswerter Gesichtspunkt ins Gewicht fallen und gar eine solche Sonderregelung rechtfertigen könnte, ist zweifelhaft. 6. Blick in andere Rechtsordnungen Die Frage, nach welchen Kriterien sich die Zuweisungsentscheidung richtet, wenn ein Tier im Eigentum von mehr als einer Person steht und die Eigentumsgemeinschaft aufgelöst werden soll, stellt sich – insbesondere für den wichtigen Anwendungsfall von Miteigentum zwei sich trennender Eheleute – auch in anderen Rechtsordnungen. a) Österreich: Bindung zum Tier und „Tierwohl“ berücksichtigungsfähig In Österreich regeln für den Fall der Ehescheidung die §§ 81 ff. des Ehegesetzes (EheG) die Aufteilung unter anderem des „ehelichen Gebrauchsvermögens“ nach dem Grundsatz der Billigkeit (§ 83 Abs. 1 EheG). Zum Gebrauchsvermögen können auch Tiere gezählt werden.1586 Im Schrifttum heißt es, die Zuweisung von Tieren spiele in der Praxis oft eine große (emotionale) Rolle.1587 Welche rechtlichen Gesichtspunkte für deren Zuweisung indes leitend sind, lässt sich dem Gesetz nicht explizit entnehmen. Eine Orientierungswirkung, die sich in der Kommentarliteratur1588 niederschlägt, entfaltete hier eine Anfang der 2000er-Jahre ergangene Entscheidung des Landgerichts für Zivilsachen Wien1589, die – gestützt auf den Rechtsgedanken des seit 1988 in Österreich geltenden § 285a ABGB (Tier sind keine Sachen) – für die Zuweisung eines Haustiers den Aspekt des Affektionsinteresses der sich trennenden Ehegatten an dem Tier und auch das „Tierwohl“ für berücksichtigungsfähig erklärte. Der dem § 285a ABGB zugrunde liegende Schutzgedanke ziele, so das Gericht, auf die Wahrung des Lebens und der Gesundheit von Tieren sowie den Schutz der emotionalen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Daraus leitete es ab, dass bei der Zuweisung eines Haustiers nicht nur dessen Vermögenswert zu berücksichtigen sei, sondern ebenso die gefühlsmäßige Bindung sowohl der Ehegatten zum Tier als auch die des Tieres zu ihnen, selbst wenn das Wohl des Tieres nicht in 1585
Siehe vorne bei Fn. 1579. Gitschthaler/Höllwerth-Deixler-Hübner § 81 EheG Rn. 16 (2011); Schwimann/KodekGitschthaler § 81 EheG Rn. 14 (4. Aufl. 2012); Hopf/Kathrein § 81 EheG Rn. 3 (3. Aufl. 2014); OGH, Urt. v. 14. 10. 1982 – 7 Ob 700/82, ÖJZ 1983, 159 f. (Nr. 40). 1587 Schwimann/Kodek-Gitschthaler § 81 EheG Rn. 14 (4. Aufl. 2012). 1588 Gitschthaler/Höllwerth-Deixler-Hübner § 81 EheG Rn. 16 (2011); Hopf/Kathrein § 81 EheG Rn. 3 (3. Aufl. 2014). 1589 LGZ Wien, Urt. v. 04. 02. 2003 – 44 R 645/02 g, EFSlg. 104.963. 1586
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der Weise den Ausschlag geben werde wie das Wohl eines Kindes bei der Entscheidung über dessen Obsorge. b) Schweiz: Neue Sonderregel in Art. 651a ZGB stellt auf das „Tierwohl“ ab In der Schweiz wurde im Zuge des schon mehrfach erwähnten, am 1. April 2003 in Kraft getretenen Änderungsgesetzes1590 der Art. 651a ZGB neu in das Kapitel über Miteigentum eingefügt. Dieser legt nunmehr in Absatz 1 ein Kriterium dafür fest, wem im Streitfall das Alleineigentum an einem Tier zuzusprechen ist: Ausschlaggebend sein soll danach, welche Partei „in tierschützerischer Hinsicht dem Tier die bessere Unterbringung gewährleistet“.1591 Nach den Materialien1592 umfasst diese Formulierung „die Unterbringung und Fütterung, aber auch die Beziehung des Tieres zum Menschen“.1593 Jedoch solle diese Beziehung im Rahmen von Art. 651a Abs. 1 ZGB „ausschließlich im Interesse des Tieres geprüft werden“.1594 Hier erhob man also das „Tierwohl“ zum entscheidenden Kriterium,1595 und damit einen Aspekt, der – wie oben beschrieben – auch aus Zuweisungsentscheidungen deutscher Gerichte bekannt ist. In der Kommentarliteratur heißt es, die Bestimmung verwirkliche „ein Anliegen des Tierschutzes“1596 oder sei „Ausdruck des gesetzgeberischen Bemühens um eine Verbesserung der Rechtsstellung von Tieren“1597. Sinn und Zweck der Norm bestehe in erster Linie darin, als neues Zuteilungskriterium die Gewähr für die in tierschützerischer Hinsicht bessere Unterbringung des Tieres einzuführen. Art. 651a ZGB schaffe die Grundlage, bei Uneinigkeit der Gemeinschafter über das Schicksal eines im Mit- oder Gesamteigentum stehenden Tieres im Aufhebungsfall das Wohl des Tieres in den Vordergrund zu stellen.1598 „Die Interessen des Tieres (…) und nicht die emotionalen Bedürfnisse der Miteigentümer“ gäben den Ausschlag.1599 Schneider Kayasseh1600 sieht in Art. 651a Abs. 1 ZGB eine 1590
Ziff. I des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463. 1591 Näher hierzu Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 279 ff. 1592 BBl. 2002, 4164, 4171 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 1593 Zu den maßgeblichen Kriterien auch Hk Schweizer Privatrecht-Graham-Siegenthaler Art. 651a ZGB Rn. 3 (2. Aufl. 2012); eingehend Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 279 ff. 1594 Vgl. hierzu auch Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 279, 281 f.; Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 5 (5. Aufl. 2015). 1595 Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 284 nennt das Tierwohl gar „oberste Maxime“. 1596 Hk Schweizer Privatrecht-Graham-Siegenthaler Art. 651a ZGB Rn. 1 (2. Aufl. 2012). 1597 Büchler/Jakob-Domej Art. 651a ZGB Rn. 1 (2012). 1598 Hk Schweizer Privatrecht-Graham-Siegenthaler Art. 651a ZGB Rn. 2 (2. Aufl. 2012); Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 2 (5. Aufl. 2015). 1599 Büchler/Jakob-Domej Art. 651a ZGB Rn. 3 (2012). 1600 Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 274, 279, 300.
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Manifestation und Konkretisierung der das gesamte Rechtsgefüge durchwirkenden, in der schweizerischen Bundesverfassung verankerten tierlichen Würde. Der Anwendungsbereich auch dieser1601 schweizerischen Sondervorschrift ist beschränkt auf im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltene Tiere1602. Kaum beabsichtigt sein dürfte damit wohl eine Wertung, wonach nur das Wohl von zu Freizeitzwecken gehaltenen Haustieren rechtlich schutzwürdig ist. Der Grund für die Beschränkung wird eher darin liegen, dass es in aller Regel überhaupt nur in diesen Konstellationen zum Streit über die Eigentumsauseinandersetzung am Tier kommt, weil nämlich jede der beteiligten Parteien aus ideellen Interessen das Tier in natura für sich beansprucht, während bei Wirtschaftstieren die im Gesetz bereits angebotenen Wege – etwa Verkauf und Erlösaufteilung – häufig durchaus eine angemessene und allen Interessen gerecht werdende Lösung versprechen. Anwendungsfälle von Art. 651a ZGB sehen die Materialien1603 in der güterrechtlichen Auseinandersetzung von Eheleuten, in der Erbteilung und bei der Liquidation einer einfachen Gesellschaft.1604 Als besonders praxisrelevanter Anwendungsfall wurde die Auflösung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften eingestuft. Die Partei, der das Tier nicht zugesprochen wird, hat gemäß Art. 651a Abs. 2 ZGB Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Diese ist nach den Gesetzesmaterialien „unter Berücksichtigung des objektiven Wertes des Tieres festzulegen“.1605 Dementsprechend heißt es auch in der Kommentarliteratur, die Entschädigung diene in erster Linie dem Ausgleich der mit dem Verlust des Miteigentumsanteils verbundenen Vermögensnachteile und sei deshalb grundsätzlich nach objektiven Kriterien festzusetzen.1606 Zum Teil wird aber auch eine – jedenfalls maßvolle – Berücksichtigung des Affektionswerts für zulässig gehalten.1607 Überdies soll das Gericht der bei der Zuweisung des Tieres nicht durchgedrungenen Partei „angesichts 1601 Siehe schon vorne bei Fn. 826 und Fn. 1473 (identische Beschränkung des Anwendungsbereichs auch bei Art. 43 Abs. 1bis OR und Art. 42 Abs. 3 OR). 1602 Näher hierzu Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 275 ff.; siehe auch Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 3 (5. Aufl. 2015). 1603 BBl. 2002, 4164, 4171 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 1604 Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 4 (5. Aufl. 2015) konstatiert: „Art. 651a ist auf ,familiäre‘ Verhältnisse zugeschnitten“, ebenso Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 275. Zu den Anwendungsfällen siehe auch Büchler/JakobDomej Art. 651a ZGB Rn. 1 (2012); Hk Schweizer Privatrecht-Graham-Siegenthaler Art. 651a ZGB Rn. 6 (2. Aufl. 2012). 1605 BBl. 2002, 4164, 4171 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 1606 Büchler/Jakob-Domej Art. 651a ZGB Rn. 4 (2012); Basler Kommentar-Brunner/ Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 7 (5. Aufl. 2015); ähnlich Hk Schweizer Privatrecht-GrahamSiegenthaler Art. 651a ZGB Rn. 4 (2. Aufl. 2012); Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/ Hänni, S. 271, 294. 1607 Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 3 (5. Aufl. 2015); vgl. auch Hk Schweizer Privatrecht-Graham-Siegenthaler Art. 651a ZGB Rn. 4 (2. Aufl. 2012); Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 295 f. m. w. N.
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der regelmässig bestehenden emotionalen Bindungen zum Tier“1608 ein „Besuchsrecht“1609, und während der Trennungsphase derjenigen Partei, die bei der vorläufigen Zuweisung unterlegen ist, ein Umgangsrecht1610 einräumen können. In Absatz 3 enthält Art. 651a ZGB noch einen Verweis auf die Befugnis des Gerichts, die nötigen vorsorglichen Maßnahmen, namentlich in Bezug auf die vorläufige Unterbringung des Tieres, zu treffen. Eine darüber hinausgehende Frage ist, ob Kosten der Tierhaltung einen etwaigen Unterhaltsanspruch desjenigen Teils, der das Tier erhält, erhöhen können.1611 c) Weitere europäische Rechtsordnungen (Portugal, Belgien) Den besonderen Status, der Haustieren innerhalb des gemeinsamen Vermögens von Ehegatten zukommt, dokumentieren auch einige Sonderregelungen, die mit Wirkung zum 1. Mai 2017 in das portugiesische Eherecht eingeführt wurden.1612 Art. 1775 Abs. 1 des portugiesischen Código Civil etwa behandelt die bei einem Scheidungsantrag einzureichenden Unterlagen. Er wurde um den Zusatz ergänzt, dass die Ehegatten Vereinbarungen über das Schicksal etwaiger Haustiere einreichen sollen.1613 Ein neuer Art. 1733 Abs. 1 h)1614 Código Civil bestimmt, dass Heimtiere, die ein Ehegatte bereits zum Zeitpunkt der Heirat hatte, nicht Gemeinschaftseigentum der Eheleute werden. Der Zuweisung von Haustieren im Fall der Trennung widmet sich ein neu geschaffener Art. 1793-A Código Civil. Dessen Wortlaut lässt die Berücksichtigung eines etwaigen Affektionsinteresses an dem betreffenden Tier zu, erhebt explizit aber auch das Wohl des Tieres zu einem der entscheidenden Faktoren: Danach werden Haustiere unter Berücksichtigung insbesondere der Interessen beider Ehegatten und der Kinder des Paares sowie des Wohlbefindens des Tieres einem oder beiden Ehegatten anvertraut.1615
1608
Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 6 (5. Aufl. 2015). Büchler/Jakob-Domej Art. 651a ZGB Rn. 3 (2012); Hk Schweizer Privatrecht-Graham-Siegenthaler Art. 651a ZGB Rn. 3 (2. Aufl. 2012); Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 6 (5. Aufl. 2015). Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 296 hält die richterliche Anordnung eines Besuchsrechts nach Zuteilung des Alleineigentums hingegen de lege lata für nicht möglich. 1610 Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 290. 1611 Dafür: Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 291 f., 297. Siehe hierzu auch Basler Kommentar-Brunner/Wichtermann Art. 651a ZGB Rn. 6 (5. Aufl. 2015). 1612 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017 – 03 – 03. 1613 „Acordo sobre o destino dos animais de companhia, caso existam.“ 1614 „Os animais de companhia que cada um dos cônjuges tiver ao tempo da celebração do casamento.“ 1615 „Os animais de companhia são confiados a um ou a ambos os cônjuges, considerando, nomeadamente, os interesses de cada um dos cônjuges e dos filhos do casal e também o bemestar do animal.“ 1609
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Eine schon aus dem Jahr 1982 stammende belgische Entscheidung1616 stellte in einem solchen Zuweisungskonflikt auf das „Interesse“1617 des streitbefangenen Hundes ab: Für das Tier sei es am besten, in seiner gewohnten Umgebung zu bleiben. Das Gericht sprach dabei die Obhut für den Hund – gleichsam das Sorgerecht („la garde“) – einem der Ehepartner zu und räumte dem anderen ein Besuchsrecht („droit de visite“) ein. In Deutschland1618 wurde dies belächelt.1619 d) USA: Progressive Ansätze (visitation rights, best-interest-Test) vorhanden, aber umstritten In den USA wird bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zweier sich trennender Partner um ein gemeinsam gehaltenes Tier – in der Terminologie leicht uneinheitlich – über den Besitz (possession) an einem-, das Sorgerecht (custody) für ein Tier oder um Umgangsrechte (visitation rights) gestritten, zuweilen gar mit Bezug auch zu der Frage gleichsam eines Unterhaltsanspruchs1620 (für das Tier). Manche Gerichte stellten dabei den besonderen emotionalen Wert des Tieres in Rechnung,1621 etwa indem sie bloßen Ausgleich in Geld oder die Teilung durch Verkauf als unangemessen ansahen.1622 Stattdessen wurde zum Beispiel ein gemeinsames Besitzoder Sorgerecht vor Gericht vereinbart oder angeordnet, oder der Besitz/das Sorgerecht wurde der einen Partei zugewiesen, während die andere Partei Besuchs- oder Umgangsrechte erhielt.1623 Die spätere praktische Umsetzung solcher Vereinba1616
Journal des Tribunaux 1983, 448. Im Originalwortlaut der Entscheidung: „Le juge tient (…) compte entre autres de l’intérêt de l’animal“. 1618 Zum damaligen Stand der Rechtsprechung in Belgien und Frankreich siehe Traest, ZEuP 1999, 391 ff. 1619 Basedow/Spellenberg, ZEuP 1998, 411 f. 1620 Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 223; McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), unter III B 3; beide verweisen auf das Beispiel von Dickson v. Dickson, Arkansas Garland County Court, October 14, 1994, No. 94 – 1072. 1621 Vgl. dazu Wagman/Waisman/Frasch, S. 583. 1622 Siehe Houseman v. Dare, Superior Court of New Jersey, Appellate Division, March 10, 2009, 966 A.2d 24, 27 ff. 1623 Siehe etwa In re Marriage of Tevis-Bleich, Court of Appeals of Kansas, May 23, 1997, 939 P.2d 966, 967 f.; Arrington v. Arrington, Court of Civil Appeals of Texas, Fort Worth, March 19, 1981, 613 S.W.2d 565, 569; Juelfs v. Gough, Supreme Court of Alaska, February 15, 2002, 41 P.3d 593, 594 f. Weitere Beispiele nach Wagman/Waisman/Frasch, S. 585: Brooks Brann v. Patti Dalby, Superior Court of California (County of Orange), 2001, Civil No. 99HL04290; nach Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 223 f.: Dickson v. Dickson, Arkansas Garland County Court, October 14, 1994, No. 94 – 1072; Assal v. Barwick, Circuit Court of Maryland (Montgomery County), December 3, 1999, No. 164421; In re Marriage of Fore, District Court of Minnesota, November 9, 2000, No. DW 243974; und nach McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), unter III B 2: Fitch v. Eiseman, Supreme Court of Alaska, April 19, 2000, No. S-9322, 2000 WL 34545801 (unpublished opinion), abrufbar unter https://www.ani mallaw.info/case/fitch-v-eiseman. 1617
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rungen scheint aber erhebliches neues Streitpotential zu bergen.1624 Auch liegt diesem Vorgehen offenbar weder Gesetzesrecht zugrunde, noch ist es eine gefestigte und bindende Rechtsprechungspraxis.1625 Andere Gerichte standen diesem Ansatz denn auch ablehnend gegenüber – vor allem mit Verweis auf den Status von Tieren als Eigentumsobjekte (property) und wegen einer befürchteten Ausuferung, wenn Gerichte nun neben Sorge- und Besuchsrechten zum Schutz von Kindern dies auch noch für Tiere auselaborieren müssten.1626 Einzelne Gerichte1627 (die Minderheit)1628 hoben für die Zuweisungsentscheidung nicht auf die Eigentumsposition, sondern – wie es dem Vorgehen bei Sorgerechtsstreitigkeiten um Kinder entspricht – in Gestalt des best-interest-Tests auf das Wohl des betreffenden Tieres ab1629 (Gesichtspunkt beispielsweise: Verbleib in der gewohnten Umgebung1630) oder sie werteten – unterhalb dieser Schwelle – das Wohlergehen des Tieres, im Sinne eines Mindestschutzes vor Misshandlung, jedenfalls als einen zu berücksichtigenden Faktor.1631 Im Schrifttum finden sich 1624 Siehe Bennet v. Bennet, District Court of Appeal of Florida, First District, January 19, 1995, 655 So.2d 109, 110; Juelfs v. Gough, Supreme Court of Alaska, February 15, 2002, 41 P.3d 593, 594 f.; In re Marriage of Tevis-Bleich, Court of Appeals of Kansas, May 23, 1997, 939 P.2d 966, 968. 1625 Vgl. Bennet v. Bennet, District Court of Appeal of Florida, First District, January 19, 1995, 655 So.2d 109, 110: „There is no authority which provides for a trial court to grant custody or visitation pertaining to personal property“; vgl. auch McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), unter III B 1. 1626 Bennet v. Bennet, District Court of Appeal of Florida, First District, January 19, 1995, 655 So.2d 109, 110 f.; Desanctis v. Pritchard, Superior Court of Pennsylvania, July 5, 2002, 803 A.2d 230, 232; Nuzzaci v. Nuzzaci, Family Court of Delaware, April 19, 1995, No. CN94 – 10771, 1995 WL 783006 (unpublished opinion), abrufbar unter https://www.animallaw.info/ case/nuzzaci-v-nuzzaci. Eine Vorstellung von einer womöglich ausufernden Beweiserhebung vermitteln Wagman/Waisman/Frasch, S. 584 anhand des Falls von Perkins v. Perkins, Superior Court of California (County of San Diego), 1998 – 2000, Case Nos. D442128, D442154. 1627 Nachweise bei Wagman/Waisman/Frasch, S. 583. 1628 So Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 351; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 483; McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), unter III B 1; McLain, 6 J. Animal L. 151 (2010), 157 f.; Simmons, 1 Tex. A&M L. Rev. 253 (2013), 271. 1629 Newell, 6 Animal L. 179 (2000), 180; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 351 f.; Simmons, 1 Tex. A&M L. Rev. 253 (2013), 273 f.; Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 225 ff. Ablehnend gegenüber dem „best interest“-approach etwa In re Marriage of Stewart, Court of Appeals of Iowa, September 6, 1984, 356 N.W.2d 611, 613; skeptisch auch Houseman v. Dare, Superior Court of New Jersey, Appellate Division, March 10, 2009, 966 A.2d 24, 28. Vgl. auch Morgan v. Kroupa, Supreme Court of Vermont, September 5, 1997, 702 A.2d 630, 633 (in einem Fundtier-Fall): „family law provides an imperfect analogue. However strong the emotional attachments between pets and humans, courts simply cannot evaluate the ,best interests‘ of an animal“. 1630 Raymond v. Lachmann, Supreme Court, Appellate Division, First Department, New York, August 19, 1999, 264 A.D.2d 340, 341. 1631 In re Marriage of Stewart, Court of Appeals of Iowa, September 6, 1984, 356 N.W.2d 611, 613; weiteres Beispiel nach Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 226: Pratt v. Pratt, Court
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ebenfalls Stimmen, die dies befürworten;1632 auch mit dem Argument, Haustiere seien für viele Paare fast funktionsäquivalent zu Kindern. e) Zusammenfassender Vergleich und Bewertung Die dargestellten Beobachtungen sind Einzelfunde und daher nicht repräsentativ. Doch sind sie womöglich jedenfalls in Teilen exemplarisch für Tendenzen, die sich auch in anderen, hier nicht herangezogenen Rechtsordnungen finden lassen würden. Zu diesen Beobachtungen gehört: Es kommt zu Friktionen, wenn die Regimes, die typischerweise für die Auflösung von Miteigentum vorgesehen sind (zum Beispiel Verkauf/Teilung in Natur), auf den Fall des Miteigentums an Haustieren angewendet werden sollen. aa) Besonderheit 1: Affektionsinteresse der Parteien, vor allem bei Haustieren Anders als bei Wirtschaftsvieh, für dessen Aufteilung die auf Sachen zugeschnittenen Regelungen interessengerechte Ergebnisse hervorbringen, besteht bei Haustieren oft ein beiderseitiges (immaterielles) Interesse daran, das Tier in natura für sich zu beanspruchen. Dieses bei Haustieren gesteigerte Affektionsinteresse ist gegenüber Sachen, aber auch gegenüber zu wirtschaftlichen Zwecken gehaltenen Tieren eine Besonderheit. Daraus erklärt sich, dass dort, wo Sonderregeln für die Zuteilung von Tieren diskutiert werden oder sogar schon erlassen wurden (Schweiz, Portugal), sich diese beschränken sollen beispielsweise auf „companion animals“, „animais de companhia“ oder „im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere“. Allerdings ist die Frage, welcher der Miteigentümer ein stärkeres Affektionsinteresse an dem Tier hat, in keiner der hier betrachteten Rechtsordnungen zu dem entscheidenden Kriterium erhoben worden. Bedeutung erlangte die – reziprok auffassbare1633 – Bindung zwischen Mensch und Tier ebenso wie in Deutschland eher noch im Gewand eines „Tierwohl“-Gesichtspunkts. bb) Besonderheit 2: Rücksichtnahme auf das „Tierwohl“, mit Folgen für die Beweiserhebung Zu dem typischerweise beiderseitigen immateriellen Interesse kommt nämlich als weitere Besonderheit hinzu, dass bei Tieren die Überlegung angestellt werden kann, of Appeals of Minnesota, November 15, 1988, No. C4 – 88 – 1248, 1988 WL 120251 (unpublished opinion), abrufbar unter https://www.animallaw.info/case/pratt-v-pratt. 1632 Newell, 6 Animal L. 179 (2000), 179 f.; Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 483; Hankin, 4 Rutgers J. L. & Pub. Pol’y 314 (2007), 352; Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 227 ff.; mit konkretem Gesetzesvorschlag und Kriterien zur Bestimmung des Tierwohls: McLain, 6 J. Animal L. 151 (2010). 1633 Zur Bindung des Tieres an den Menschen als „Tierwohl“-Aspekt etwa Dietz, DGVZ 2003, 81, 82.
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welche Zuteilungsentscheidung für das betreffende Streitobjekt selbst gleichsam „am besten“ ist. Bei der Aufteilung von Sachen ist diese Erwägung bedeutungslos, weshalb es hier allein auf die Interessen der beteiligten Parteien (und gegebenenfalls ihrer Kinder) ankommt. In Bezug auf Tiere wurde sie hingegen von Gerichten, nicht nur in Deutschland, durchaus einbezogen. In Portugal bestimmte der Gesetzgeber selbst durch eine entsprechende Regelung das „Tierwohl“ zu einem maßgeblichen Kriterium, in der Schweiz gar zu dem maßgeblichen Kriterium. An solch eine gesetzgeberische Weichenstellung schließt sich freilich unmittelbar die Frage an, auf welche Weise das „Wohl“ des Tieres denn praktisch zu eruieren ist. Einerseits müsste dies so belastbar erfolgen, dass eine gerichtliche Entscheidung darauf seriös gestützt werden kann. Andererseits muss aber der dadurch ausgelöste Aufwand unter dem Gesichtspunkt der effizienten Verwendung gerichtlicher Ressourcen noch vertretbar sein. Praktikabel mag dies sein, soweit sich Aspekte des „Tierwohls“ auf einer Evidenzbasis anhand objektiver Kriterien ermitteln lassen – zumal wenn es Sache der Parteien ist, die dafür jeweils maßgeblichen Tatsachen darzulegen und zu beweisen.1634 Beispiele für solche objektiven Kriterien könnten etwa sein: Der Verbleib in gewohnter Umgebung, bei der gewohnten Bezugsperson und unter etwaigen gewohnten Artgenossen, die jeweils zur Verfügung stehenden Haltungsbedingungen und die persönliche Eignung zur Tierhaltung (Erfahrung, Zeit und Geld). Stellt man sich jedoch eine umfangreiche Beweiserhebung zum physischen und gar psychischen Wohl des Tieres vor (etwa durch Einholung tierpsychologischer Gutachten), so drohen womöglich skurrile Szenarien.1635 Letztlich bleibt es eine rechtspolitische Frage, ob es Aufgabe der Gerichte sein soll, sich hiermit zu befassen.1636 cc) Parallelen zu Sorgerechtsstreitigkeiten um Kinder? Als sedes materiae für die Zuweisung eines (Haus-)Tieres werden in den hier aufgegriffenen Rechtsordnungen zwar grundsätzlich die Regeln angesehen, die für die Auflösung von Miteigentum an einer Sache Anwendung finden. Teils wird in der Diskussion aber, ebenso wie in Deutschland, eine Anlehnung an die Regeln über die Verteilung des Sorgerechts für Kinder ins Spiel gebracht. Schon allein weil dies nach einer wertungsmäßigen Gleichsetzung von Kindern und Haustieren klingt, stößt der Ansatz zumeist auf Zurückhaltung bis Empörung. Richtig ist: Die rechtliche Stellung eines Kindes im Sorgerechtsstreit wird wertungsmäßig immer eine andere bleiben als 1634
Dazu noch näher ab Fn. 1912, 1913. Vgl. nur die Vorschläge von McLain, 6 J. Animal L. 151 (2010), 161 ff. (bspw. Probezeit von jeweils einem Monat bei jedem der Ehegatten, Messung des Hormonspiegels des Tieres etc.). 1636 McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), zitiert unter III B einen Richter (Cook County Circuit Court Judge Charles E. Porcellino) mit den Worten: „[T]hat is just not a justiciable issue in my opinion. Go out and buy another dog. Someone should compromise. But to take up a judge’s time when there are children to be cared for and support to be enforced, don’t ever bring a stupid issue like that before me.“ 1635
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die „rechtliche Stellung“ eines Tieres in einem Zuteilungsstreit; und die Bindung der Eltern zum Kind wird immer von einem anderen rechtlichen Stellenwert sein als die Bindung zweier Miteigentümer zum gemeinsam gehaltenen Tier. Doch auch wenn man nicht so weit gehen möchte, Haustiere – nicht zuletzt in kinderlosen Haushalten – als eine Art funktionales Kind-Substitut zu beschreiben, lässt sich doch schwer abstreiten, dass Haustieren aus Sicht vieler Menschen eine nicht zu unterschätzende soziale Bedeutung beigemessen wird. Jedenfalls im Ansatz gibt es daher doch Parallelen zwischen einem Sorgerechtsstreit um ein Kind und einem Zuteilungsstreit um ein von beiden Parteien gemeinsam gehaltenes Haustier. In beiden Fällen besteht – wenn auch in unterschiedlicher Qualität – ein starkes emotionales Interesse an dem Obsiegen und in beiden Fällen kann – wenn auch in unterschiedlichem Maße – das „Wohl“ des Lebewesens (Kind/Haustier), um das gestritten wird, eine Rolle spielen.
IV. Zwangsvollstreckungsrecht: Tierpfändung und andere ein Tier betreffende Vollstreckungsmaßnahmen Tiere können auf verschiedene Weise in Vollstreckungsmaßnahmen verwickelt sein:1637 Zum Beispiel kann ein Gläubiger wegen einer Geldforderung in Tiere vollstrecken und durch deren Verwertung Befriedigung suchen. Dazu werden sie nach § 808 ZPO gepfändet oder – in der Konstellation des § 865 ZPO (Tiere, die zum Haftungsverband einer Hypothek gehören) – nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen beschlagnahmt. Auch kann es vorkommen, dass Tiere Gegenstand der Herausgabevollstreckung nach § 883 ZPO werden, wenn nämlich ein Gläubiger seinen Anspruch auf Herausgabe eines bestimmten Tieres durchsetzt. Eine wohl in der Praxis nicht unwichtige Sachverhaltsvariante ist schließlich noch die Räumungsvollstreckung bezüglich eines Grundstücks, auf dem sich Tiere befinden (§ 885 ZPO).1638 Ist, wie in allen diesen Fall-Gestaltungen, nicht (nur) eine Sache, sondern ein Tier von Vollstreckungsmaßnahmen betroffen, führt das zu Besonderheiten, die sich auch hier wieder einerseits auf das an Tieren bestehende Affektionsinteresse und andererseits auf „Tierwohl“-Aspekte zurückführen lassen. Darstellerisch soll unterschieden werden zwischen Vollstreckungsmaßnahmen im Allgemeinen und dem auf ein Tier bezogenen Pfändungsschutz im Besonderen. 1637
Eingehend dazu Schaal, Tiere in der Zwangsvollstreckung. Siehe nur LG Oldenburg, Beschl. v. 27. 10. 1994 – 6 T 656/94, DGVZ 1995, 44; AG Göttingen, Beschl. v. 16. 11. 1995 – 72a M 1095/95, DGVZ 1996, 14; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04. 12. 1996 – 14 W 64/96, NJW 1997, 1789; LG Ingolstadt, Beschl. v. 22. 01. 1997 – 1 T 428/97, DGVZ 1997, 167 f.; Beschl. v. 21. 05. 1997 – 1 T 428/97, NZM 1998, 883; BGH, Beschl. v. 04. 04. 2012 – I ZB 19/11, NJW 2012, 2889; Beschl. v. 08. 11. 2013 – V ZR 185/13, BeckRS 2013, 19777; Bruns, NJW 2012, 2890 f.; Braun, JZ 1997, 574 ff.; MüKo(ZPO)-Gruber § 885 ZPO Rn. 59 ff. (5. Aufl. 2016); Musielak/Voit-Lackmann § 885 ZPO Rn. 14 (13. Aufl. 2016); Rigol, MDR 1999, 1363; Schneider, MDR 1998, 1133, 1135 f. 1638
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1. Vollstreckungsmaßnahmen im Allgemeinen a) Tierschutz beeinflusst die Zwangsvollstreckung Schon unmittelbar aus dem Tier- und Artenschutzrecht können konkrete Auswirkungen auf die Zulässigkeit einzelner Vollstreckungsmaßnahmen erwachsen. Aus Artenschutzverordnungen und dem BNatSchG folgt etwa ein absolutes Pfändungs- und Verwertungsverbot für unter Schutz stehende Tierarten.1639 Die Vorschriften des TierSchG und der dazu erlassenen Verordnungen, zum Beispiel über die Haltung, den Transport von und den Handel mit Tieren, sind ebenfalls bei der Pfändung und Verwertung von Tieren (oder auch bei der Herausgabevollstreckung1640) durch den Vollstreckungsbeamten zu beachten.1641 So hat der Gerichtsvollzieher bei einer Tier-Pfändung beispielsweise entsprechend der Vorgaben des TierSchG für einen artgerechten Transport und die pflegliche Unterbringung des Tieres zu sorgen.1642 Auch soll die Wegschaffung von überlebenswichtigem Zubehör1643 sowie von einigen Futtervorräten1644 im Rahmen einer Pfändung durch den Gerichtsvollzieher unzulässig sein, da dieser dadurch gegen das TierSchG verstieße. Zu Recht heißt es aus dem Schrifttum: Da das TierSchG weder Gerichtsvollzieher noch Rechtspfleger noch Anstalten, welche die gepfändeten Tiere beherbergen, von seinen Geboten und Verboten ausnehme, bilde der gesetzliche Tierschutz die Grenze für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.1645 Stehe die Erfüllung einer ausgeurteilten Verpflichtung nicht mit dem TierSchG im Einklang, so sei ein solches Urteil wegen des im Zwangsvollstreckungsverfahren beachtlichen Einwands der Unmöglichkeit nicht zu vollstrecken.1646 Herfs1647 prüft, ob sich aus den materiell-rechtlichen Anforderungen an einen Tierhalter Folgen für das Verwertungsverfahren ergeben (zum Beispiel: Pflicht des Gerichtsvollziehers zur Einholung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung hinsichtlich des Erwerbers?), die gewährleisten, dass die versteigerten Tiere „nur geeigneten und zuverlässigen Bietern mit den erforderlichen besonderen fachlichen Ausbildungen bzw. den örtlichen und räumlichen Möglichkeiten zur artgerechten Haltung zugeschlagen werden“. Er kommt aber zu dem Ergebnis, dass es hierfür keinerlei rechtliche Grundlage gebe und somit „jedem partei- und prozessfähigen Bieter (…) ein Tier (…) zugeschlagen werden“ könne.1648 1639
Heuser, ZKF 2013, 49, 51; Herfs, S. 86 ff. Schaal, S. 102. 1641 Heuser, ZKF 2013, 49, 51. 1642 Schaal, S. 49 f., 157, 160. 1643 Herfs, S. 145 f.; Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 7 (22. Aufl. 2002). 1644 Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 7 (22. Aufl. 2002). 1645 Münzberg, ZRP 1990, 215. 1646 Schmid, JR 2013, 245, 247. 1647 Herfs, S. 171 ff. 1648 A. A. (freilich ohne nähere rechtliche Begründung) offenbar Kluge-von Loeper Einf. Rn. 143 (1. Aufl. 2002): Zuschlag an einen berüchtigten, vorbestraften Tierhändler „unvertretbar“. 1640
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Gleich mehrere tierschutzbedingte Besonderheiten diskutiert man für die Vollstreckung der Räumung eines Grundstücks, auf dem sich Tiere des Schuldners befinden.1649 Zum Beispiel wurde hier, auch unter Verweis auf die durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht eingeführten Vorschriften, in Rechtsprechung1650 und Schrifttum1651 vertreten, die Versorgung und Unterbringung der dortigen Tiere sei eine Angelegenheit der Ordnungsbehörden und nicht – wie es § 885 Abs. 2 – Abs. 4 ZPO für Sachen vorsehen – eine Angelegenheit des Gerichtsvollziehers. Durchgesetzt hat sich indes die – mittlerweile ebenfalls durch den BGH1652 eingenommene – Ansicht,1653 dass auch bei Tieren jedenfalls grundsätzlich gemäß § 885 Abs. 2 – Abs. 4 ZPO zu verfahren ist. Jedoch scheide bei der Vollstreckung der Räumung eines Grundstücks, auf dem sich Tiere befinden, ein bloßes Zurücklassen der Tiere – etwa im Sinne einer Räumung nach dem sogenannten Berliner Modell1654 – auf Grund der Obhutspflicht nach § 1 S. 2, § 2 Nr. 3 TierSchG aus.1655 Es sei sicherzustellen, dass gepfändete Tiere, die nicht im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners verbleiben, ihren Bedürfnissen entsprechend untergebracht und transportiert werden.1656 Würden die Tiere mit Zustimmung des Gläubigers auf dem zu räumenden Grundstück belassen, müsse der Gerichtsvollzieher eine Versorgung der Tiere gewährleisten.1657 Eine weitere Besonderheit: Sachen, die von einem zu räumenden Grundstück durch den Gerichtsvollzieher in Verwahrung genommen werden, aber nicht verwertet werden können, sollen nach § 885 Abs. 4 S. 2 ZPO vernichtet werden; bei Tieren hingegen soll diese Möglichkeit wegen einer sonst drohenden Verletzung von §§ 1, 2 TierSchG nicht1658 oder nur als ultima ratio1659 bestehen. 1649
Ausführlich hierzu Schaal, S. 111 ff. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04. 12. 1996 – 14 W 64/96, JZ 1997, 573 f.; LG Oldenburg, Beschl. v. 27. 10. 1994 – 6 T 656/94, BeckRS 2012, 17143; in diese Richtung auch LG Ingolstadt, Beschl. v. 21. 05. 1997 – 1 T 428/97, NZM 1998, 883 f.; VG Freiburg, Beschl. v. 13. 12. 1996 – 10 K 2740/96, NJW 1997, 1796. 1651 Geißler, DGVZ 1995, 145 ff.; in diese Richtung auch Schneider, MDR 1998, 1133, 1135 f. 1652 BGH, Beschl. v. 04. 04. 2012 – I ZB 19/11, NJW 2012, 2889, 2890. 1653 VGH Mannheim, Beschl. v. 20. 03. 1997 – 10 S 3382/96, NJW 1997, 1798; Schaal, S. 127; MüKo(ZPO)-Gruber § 885 ZPO Rn. 49 ff. (5. Aufl. 2016); Musielak/Voit-Lackmann § 885 ZPO Rn. 14 (13. Aufl. 2016); Zöller-Seibel § 885 ZPO Rn. 20 (32. Aufl. 2018); Stein/ Jonas-Bartels § 885 ZPO Rn. 33 (23. Aufl. 2017); Stollenwerk, JurBüro 1997, 620 f.; Loritz, DGVZ 1997, 150, 151 f.; besonders nachdrücklich Braun, JZ 1997, 574 ff.; differenzierend nach der Höhe der entstehenden Kosten Ferst, DGVZ 1997, 177 ff.; Rigol, MDR 1999, 1363 ff.; a. A. Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 100 (3. Aufl. 2016). 1654 Vgl. dazu Kinne, GE 2012, 1133. 1655 Schmid, JR 2013, 245, 246 f.; Rigol, MDR 1999, 1363, 1365; Kinne, GE 2012, 1133; BGH, Beschl. v. 04. 04. 2012 – I ZB 19/11, NJW 2012, 2889, 2890. 1656 Heuser, ZKF 2013, 49, 51 f.; ähnlich Schaal, S. 133, 161; Bruns, NJW 2012, 2891. 1657 Schmid, JR 2013, 245, 247. 1658 Schmid, JR 2013, 245, 246; MüKo(ZPO)-Gruber § 885 ZPO Rn. 51 (5. Aufl. 2016); Musielak/Voit-Lackmann § 885 ZPO Rn. 14 (13. Aufl. 2016); Kluge-von Loeper Einf. Rn. 152 1650
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b) § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO: „Verantwortung des Menschen für das Tier“ Die soeben dargestellten Beispiele von Auswirkungen des Tierschutzes gelten bereits, ohne dass dazu der Tierschutz als zu berücksichtigender Belang im Zwangsvollstreckungsrecht selbst explizit erwähnt werden müsste. Im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht1660 ist, jedenfalls von den Regierungsfraktionen, aber darüber hinaus ein Bedarf gesehen worden, „den Tierschutzgedanken im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts allgemein zum Ausdruck zu bringen“.1661 Hierzu wurde § 765a ZPO, der den allgemeinen Vollstreckungsschutz des Schuldners regelt, um den Satz ergänzt: „Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen“ (heute: § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO)1662. aa) Anwendungsbereich und Wirkungsweise des § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO nach dem Schrifttum Angesichts der Stellung des § 765a ZPO in den allgemeinen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung kommt eine Anwendung der Norm grundsätzlich für verschiedenste Vollstreckungsmaßnahmen in Betracht. Was die Pfändung von Tieren zur Vollstreckung einer Geldforderung betrifft (§ 808 ZPO), greifen jedoch vorher häufig schon Pfändungsschutzvorschriften (§ 811 Abs. 1 Nr. 3, 4, 5; § 811c ZPO)1663, sodass der Hauptanwendungsbereich des § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO eher bei der Vollstreckung von Herausgabeansprüchen sowie von Handlungen und Unterlassungen gesehen wird.1664 Die fragliche Vollstreckungsmaßnahme soll sich dabei nicht unmittelbar gegen das Tier richten müssen, damit § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO anwendbar ist;1665 es genüge, wenn das Tier irgendwie betroffen sei.1666 Im Rahmen der Abwägung müsse hier das Gericht zu erkennen geben, dass es die rechtliche Sonderstellung des Tieres als lebendes Geschöpf mit einer anderen als einer bloßen (1. Aufl. 2002); BGH, Beschl. v. 04. 04. 2012 – I ZB 19/11, NJW 2012, 2889, 2890; Beschl. v. 08. 11. 2013 – V ZR 185/13, BeckRS 2013, 19777. 1659 Schaal, S. 141, 161. 1660 BGBl. I 1990, S. 1762. 1661 BT-Drs. 11/5463, S. 6 f. (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1662 Bis 1998 handelte es sich dabei um § 765a I 2 ZPO. 1663 Siehe dazu sogleich bei Fn. 1710 ff. 1664 Saenger-Kindl § 765a ZPO Rn. 7 (6. Aufl. 2015); Kindl/Meller-Hannich/WolfBendtsen § 765a ZPO Rn. 37 (3. Aufl. 2015); Thomas/Putzo-Seiler § 765a ZPO Rn. 12 (38. Aufl. 2017); Zöller-Seibel § 765a ZPO Rn. 10 (32. Aufl. 2018); Stein/Jonas-Münzberg § 765a ZPO Rn. 10 (22. Aufl. 2002). 1665 Schmid, JR 2013, 245, 248; Musielak/Voit-Lackmann § 765a ZPO Rn. 12 (13. Aufl. 2016). 1666 Schmid, JR 2013, 245, 248.
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Sachqualität gesehen und einbezogen habe.1667 Wenn das Gericht seine Entscheidung mit „Tierwohl“-Aspekten begründe und den Tierschutz als eigenständigen Gesichtspunkt hervorhebe, trage es damit auch Art. 20a GG hinreichend Rechnung.1668 Der Verweis in § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO auf die Verantwortung des Menschen für das Tier kann sich dabei nach verbreiteter Meinung auch zulasten des Schuldners auswirken (Beispiel: nicht artgerechte Haltung des Tieres durch den Schuldner)1669 und sowohl Gläubiger- als auch Schuldnerbelange aufwiegen.1670 Vereinzelt lässt sich beobachten, dass § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO über seinen Kontext im Zwangsvollstreckungsrecht hinaus als Argument für die Berücksichtigung von Tierschutz-Gesichtspunkten in zivilrechtlichen Abwägungsentscheidungen herangezogen wird.1671 bb) Gesetzesbegründung und Kritik im Gesetzgebungsverfahren Begründet1672 wurde die Ergänzung des § 765a Abs. 1 ZPO seinerzeit damit, auf der Grundlage des geltenden Rechts bestehe neben der Abwägung der widerstreitenden Interessen des Schuldners und des Gläubigers nicht die Möglichkeit, andere Interessen zu berücksichtigen, sodass für die Beachtung allgemeiner Tierschutzaspekte im Rahmen des § 765a ZPO bisher kein Raum sei.1673 Ergebe sich die Verantwortung des Gläubigers oder eines Erwerbers des gepfändeten Tieres auch unmittelbar aus § 1 S. 1 TierSchG, so wirke sich dies gleichwohl nicht auf die Rechtmäßigkeit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus. Die vorgeschlagene Regelung solle in dieser Hinsicht Abhilfe schaffen, indem sie verlange, dass eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme allgemein mit dem in § 1 S. 1 TierSchG bestimmten Grundsatz in Einklang stehen müsse. Dagegen hielt die Stellungnahme des Bundesrates1674 die neue Vorschrift für entbehrlich.1675 Der Tierschutz sei im Rahmen des TierSchG zu gewährleisten, nicht durch vollstreckungsrechtliche Entscheidungen.1676 Auch hinterfragte diese, ob es 1667
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 765a ZPO Rn. 24 (76. Aufl. 2018). Dietz, DGVZ 2003, 81, 82. 1669 Schmid, JR 2013, 245, 248; Saenger-Kindl § 765a ZPO Rn. 7 (6. Aufl. 2015); Dietz, DGVZ 2003, 81, 82; Thomas/Putzo-Seiler § 765a ZPO Rn. 12 (38. Aufl. 2017); Zöller-Seibel § 765a ZPO Rn. 10 (32. Aufl. 2018); Gaul/Schilken/Becker-Eberhard-Gaul § 43 Rn. 37 – S. 872 (12. Aufl. 2010). Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Bendtsen § 765a ZPO Rn. 38 (3. Aufl. 2015): Auswirkungen der Berücksichtigung des Tierschutzes zugunsten des Schuldners oder zugunsten des Gläubigers denkbar. 1670 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82; Zöller-Seibel § 765a ZPO Rn. 10 (32. Aufl. 2018); Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard-Gaul § 43 Rn. 37 – S. 872 (12. Aufl. 2010). 1671 Vgl. Schmid, IMR 2013, 89; siehe vorne bei Fn. 982. 1672 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1673 Zust. Brüninghaus, S. 96. 1674 BT-Drs. 11/5463, S. 8 f. (Gesetzesbegründung der Bundesregierung, Anlage 2). 1675 Ähnlich Münzberg, ZRP 1990, 215, 216; Grunsky, FS Jauch, S. 93, 99. 1676 Ähnlich Schaal, S. 152: „das Zwangsvollstreckungsrecht [ist] nicht der geeignete Ort (…), den tierschutzrechtlichen Standard weiterzuentwickeln“. 1668
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zweckmäßig sei, ein einzelnes Abwägungskriterium speziell hervorzuheben; andere, nicht minder wichtige Gesichtspunkte dagegen nicht. Bedenken richteten sich zudem auf die Frage, welche systematischen Folgerungen sich daraus ergäben, wenn nunmehr über § 765a ZPO, der bisher lediglich den Schutz des Schuldners bezwecke, auch andere (Allgemein-)Interessen eingeführt würden. Überdies genüge die vorgesehene Regelung nicht dem Bestimmtheitsgebot,1677 denn wenn – abweichend von der sonstigen Diktion der ZPO (Schuldner, Gläubiger, Parteien) – von der „Verantwortung des Menschen“ die Rede sei, erscheine sowohl unklar, wessen Verantwortung für das Tier gemeint sei, wie auch, welchen Inhalt diese Verantwortung habe: § 1 S. 1 TierSchG enthalte lediglich die allgemeine Umschreibung des Gesetzeszweckes und die zu dessen Konkretisierung dienenden, in §§ 2 ff. TierSchG normierten Handlungs- und Unterlassungspflichten hätten ohnehin unmittelbare Geltung für den Gläubiger oder einen Erwerber des gepfändeten Tieres; ihre Erfüllung werde bereits durch die Straf- und Bußgeldvorschriften gesichert. Soweit das Vollstreckungsgericht nach der Gesetzesbegründung „allgemeine Tierschutzaspekte“ beachten solle, bleibe deren Inhalt ungeklärt, sodass die vom Vollstreckungsgericht auf der Grundlage der vorgesehenen Regelung zu treffende Entscheidung für den Gläubiger schlechthin unberechenbar sei. Dieser Kritik folgte die Bundesregierung nicht.1678 cc) Reaktionen im Schrifttum Auch im Schrifttum ist die Ergänzung des § 765a ZPO auf Kritik gestoßen. Sei mit der Bezugnahme auf „die Verantwortung des Menschen für das Tier“ lediglich ein Verweis auf den (gesetzlich ausgestalteten) Tierschutz gemeint, so erscheine der neue Satz überflüssig, weil der Tierschutz bei Vollstreckungsmaßnahmen auch schon nach vorher geltendem Recht zu beachten gewesen sei.1679 § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO sei daher „rein deklaratorischer Natur“ und bewirke „entgegen der Auffassung des Gesetzgebers keine Verbesserung des tierschutzrechtlichen Standards im Vollstreckungsverfahren“.1680 Die Überprüfung, ob eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme mit den Vorgaben des Tierschutzrechts im Einklang stehe, sei zudem in § 765a ZPO systemwidrig verortet. Verstöße von Vollstreckungsorganen gegen Bestimmungen des Tierschutzrechts beträfen allein die Art und Weise der Zwangsvollstreckung und könnten „nur im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO und keinesfalls mit Hilfe der Generalklausel des § 765a ZPO gerügt werden“.1681 Das eigentliche Problem sei die – auch nach Ergänzung des § 765a ZPO – offene Frage, welche konkreten Folgen sich aus der Berücksichtigung der „Verantwortung des Menschen für das Tier“ im 1677
A. A. Lorz, MDR 1990, 1057, 1060. BT-Drs. 11/5463, S. 11 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1679 Münzberg, ZRP 1990, 215, 216 f.; Grunsky, FS Jauch, S. 93, 99; Herfs, S. 26 f.; Stein/ Jonas-Münzberg § 765a ZPO Rn. 10 (22. Aufl. 2002). 1680 Schaal, S. 162, S. 150, 152. 1681 Schaal, S. 162, S. 151, 153. 1678
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Rahmen des § 765a ZPO ergäben.1682 Die Verantwortung des Menschen für das Tier sei außerdem jeweils die gleiche, ob das Tier nun freiwillig oder im Wege der Zwangsvollstreckung verkauft werde. Wenn das Recht aus der Verantwortung für das Tier heraus bestimmte Versteigerungen verhindern wolle, müsse es auch freiwillige Verkäufe innerhalb der gleichen Grenzen einschränken, sonst erscheine es scheinheilig und widersprüchlich. Ferner sei der Tierschutz von Amts wegen zu berücksichtigen: Unterstelle man diesen Belang jetzt § 765a ZPO, der einen Antrag des Schuldners voraussetze, erwecke dies den falschen Eindruck, der Tierschutz würde erst durch Anträge verbindlich.1683 Es sei zu befürchten, dass „die Praxis (durchaus folgerichtig!) den eigentlichen Aussagegehalt der Vorschrift in einer Aufforderung zur Berücksichtigung der Gefühle des Schuldners in Bezug auf das Tier“ sehe.1684 Zu Recht hat Herfs1685 demgegenüber herausgearbeitet, dass zwischen der Einhaltung zwingender Vorschriften des TierSchG einerseits und der Wahl der tierschonendsten unter mehreren, mit dem (insofern engeren) TierSchG konformen Handlungsoptionen andererseits („allgemeine Tierschutzaspekte“) unterschieden werden kann. Während erstere unabhängig von § 765a S. 3 ZPO „seit jeher“ auch für die Vollstreckungsorgane verbindlich gewesen seien, sei die Berücksichtigung solcher allgemeinen Tierschutzaspekte erst durch § 765a ZPO ermöglicht worden, sodass der Ergänzung insofern ein eigener Regelungsgehalt zukomme. Positiv äußerte sich kurz nach dem Inkrafttreten der Neuregelung auch Brüninghaus. Sie lobte die Änderung als „Weiterentwicklung der rechtlichen Berücksichtigung auch tierischer ,Interessen‘“ und bewusstseinsschärfende Ausdehnung des Tierschutzes in der ZPO.1686 dd) Ratio legis: Tierschutz oder Schutz des Schuldners? Überwiegend wird § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO als eine auf den Tierschutz ausgerichtete Vorschrift eingeordnet. Sie sei Zeichen der „besondere[n] Berücksichtigung der tierischen Belange“1687. Bei § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO komme es nicht auf eine Härte für den Schuldner oder die Interessen des Gläubigers an, sondern nur auf das Wohl des Tieres1688 – gerade deshalb wird die Verortung des neu eingefügten Satzes in § 765a ZPO (und damit einer Schuldnerschutzvorschrift) auch als unsystematisch 1682
Grunsky, FS Jauch, S. 93, 99, Hervorhebung durch Verf. Münzberg, ZRP 1990, 215, 216 f. 1684 Stein/Jonas-Münzberg § 765a ZPO Rn. 10 (22. Aufl. 2002); ähnlich Münzberg, ZRP 1990, 215, 216: Es sei zu erwarten, dass die Rechtsprechung unter dem durch § 765a ZPO in Bezug genommenen Tierschutz „wiederum das Mitgefühl der Menschen gegenüber dem Tier versteht, wenn auch an dieser Stelle nicht nur das Gefühl des Schuldners und seiner Familie, sondern wohl auch der Allgemeinheit.“ 1685 Herfs, S. 26 ff. 1686 Brüninghaus, S. 96. 1687 Gruber, S. 23. 1688 Schmid, JR 2013, 245, 248; Thomas/Putzo-Seiler § 765a ZPO Rn. 12 (38. Aufl. 2017). 1683
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kritisiert.1689 Die besondere Stellung des Tieres, nicht das Wohl des Tierbesitzers sei zu beachten.1690 Entscheidend sei die Perspektive des Tierschutzes, nicht des Halterschutzes.1691 Bei § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO handele es sich um eine einfachgesetzliche Ausformung des nun in Art. 20a GG als Staatszielbestimmung verankerten Tierschutzes.1692 Auch wird § 765a Abs. 1 S. 3 BGB als ein Beispiel der besonderen Gesetze zum Schutz von Tieren im Sinne des § 90a S. 2 BGB genannt.1693 Durch den Zusatz in § 765a Abs. 1 S. 3 BGB müssten nunmehr im Hinblick auf das Tier „Leben, Unversehrtheit, Wohlbefinden, verhaltensgerechte Unterbringung etc. als eigenständige Rechtsgüter in die Abwägung mit den Gläubigerinteressen einfließen“.1694 Vor dem Hintergrund der oben geschilderten Kritikpunkte (Verortung in einer Schuldnerschutzvorschrift, Abhängigkeit von einer Antragstellung des Schuldners, kaum erkennbarer Regelungsgehalt neben dem ohnehin geltenden Tierschutzrecht) folgern andere indes, in Wahrheit schütze die Einfügung in § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO nicht das Tier, sondern Gefühle des Schuldners.1695 Oder es wird jedenfalls gewarnt, bei auf dem Tierschutz beruhenden Vollstreckungserschwerungen müssten sich Gerichte immer des Umstands bewusst sein, dass der Tierschutz dem Schutz des Tieres und nicht dem Schutz des Schuldners diene; Belange der Schuldner seien nur dort zu berücksichtigen, wo Vorschriften in ihrem Interesse bestünden. Missbräuchen werde allerdings schwer zu begegnen sein.1696 Lorz1697 gibt allgemein zu bedenken: „Tierschutz und Tierliebe sind untrennbar verbunden. Das Mitgefühl mit dem Tier ist Ausgangspunkt des Tierschutzes und noch heute seine stärkste Triebfeder“. Wie fließend die Grenze und daher schwierig die Unterscheidung ist, zeigt sich etwa, wenn als ein Aspekt des in § 765a ZPO gemeinten Tierschutzes die Verbundenheit des Tieres zum Halter genannt wird,1698 die als Belang des Tieres „von etwaigen emotionalen Bindungen des Schuldners zu unterscheiden(…)“ sein soll.1699 1689
Schmid, JR 2013, 245, 248. Dietz, DGVZ 2003, 81, 82; ähnlich Prütting/Gehrlein-Scheuch § 765a ZPO Rn. 20 (10. Aufl. 2018): Diese Vorschrift betreffe nur die Interessen des Tieres; das Interesse des Schuldners daran, dass das Tier von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht berührt werde, sei lediglich bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Zwangsvollstreckung aus besonderen Umständen eine sittenwidrige Härte darstelle. 1691 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard-Gaul § 43 Rn. 37 – S. 872 (12. Aufl. 2010). 1692 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82. 1693 Palandt-Ellenberger § 90a BGB Rn. 1 (76. Aufl. 2017) nennt § 765a I 2 ZPO (gemeint ist der jetzige § 765a I 3 ZPO); ebenso NK-Ring § 90a BGB Rn. 5 (3. Aufl. 2016); Bamberger/ Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016). 1694 Hirt/Maisack/Moritz Einf. TierSchG Rn. 100 (3. Aufl. 2016). 1695 Münzberg, ZRP 1990, 215, 216 f. 1696 Schmid, JR 2013, 245, 248. 1697 Lorz, MDR 1990, 1057, 1060 Fn. 35. 1698 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82, Hervorhebung durch Verf. Die Frage, wie stark das Tier die Trennung vom Schuldner empfindet, soll sich dann zum Beispiel je nach Art und Dauer der Haltung sowie in Abhängigkeit davon beurteilen lassen, wie hoch die Tierart entwickelt ist. 1690
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c) Das Affektionsinteresse am Tier als Schuldner-Belang im Rahmen des § 765a Abs. 1 ZPO § 765a ZPO ist im Grundsatz als eine Schuldnerschutzvorschrift gefasst.1700 Daraus erklärt es sich auch, dass § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO (heutige Fassung) für unsystematisch befunden wird,1701 wenn er, wie es die Gesetzesmaterialien1702 sagen, doch als allgemeiner Ausdruck des Tierschutzgedankens im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts beabsichtigt ist. Nach § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Vollstreckungsgericht eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme auf Antrag des Schuldners ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Sofern ein Tier von der Zwangsvollstreckungsmaßnahme tangiert ist, soll diese generalklauselartige Formulierung auch Raum dafür lassen, auf das Affektionsinteresse des Schuldners an dem Tier Rücksicht zu nehmen. Darauf wurde in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO en passant hingewiesen: Auf der Grundlage des geltenden Rechts bestehe die Möglichkeit, „im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen des Schuldners und des Gläubigers emotionale Beziehungen zwischen dem Haustier und dem Schuldner zu berücksichtigen“.1703 Münzberg1704 hält solches lediglich in „höchst seltenen Ausnahmefällen“ für möglich – Fällen, in denen eine Vollstreckungsmaßnahme schon aufgrund anderer Umstände unmittelbar an die Grenze der Sittenwidrigkeit heranreiche. Für sich allein könne die emotionale Beziehung zwischen Schuldner und Tier nie ausreichen, um eine Pfändungsmaßnahme zu versagen. Es sei nicht einzusehen, „daß die durch eine Pfändung verletzten Gefühle des Schuldners ein stärkeres Gewicht haben sollen, wenn sie sich auf ein Tier beziehen, als wenn sie sich auf eine tote Sache beziehen“. Die Tränen, die ein Schuldner um die Pfändung seines geliebten Tieres vergieße, würden nicht schwerer wiegen „als jene des Gläubigers, der dem Geld nachweint, das sein Schuldner nicht bezahlt“. Diese pointierte Position stößt freilich bei anderen auf Unverständnis. Lorz1705 etwa wertet sie als eine bloß „äußerliche Betrachtungsweise“; dem Schuldner werde bei der Zwangsvollstreckung immerhin das ihm
1699
Vorwerk/Wolf-Ulrici § 765a ZPO Rn. 15 (23. Ed. 2016). Vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drs. 11/5463, S. 8 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung, Anlage 2). 1701 Schmid, JR 2013, 245, 248; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard-Gaul § 43 Rn. 37 – S. 872 (12. Aufl. 2010). 1702 BT-Drs. 11/5463, S. 6 f. (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1703 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung); in ähnlicher Wortwahl auch Zöller-Seibel § 765a ZPO Rn. 10 (32. Aufl. 2018); Stollenwerk, JurBüro 1997, 620, 621. 1704 Münzberg, ZRP 1990, 215, 217; zust. Schaal, S. 152. 1705 Lorz, MDR 1990, 1057, 1060 Fn. 35. 1700
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liebgewordene Tier gegen seinen Willen weggenommen und es gehe einem für ihn ungewissen Schicksal entgegen. Auch sonst finden sich Hinweise darauf, dass die subjektive Bindung des Schuldners zum Tier im Rahmen von § 765a Abs. 1 ZPO als ein nicht nur berücksichtigungsfähiger, sondern durchaus gewichtiger Belang angesehen wird. So heißt es, eine besondere Härte für den Schuldner im Sinne des § 765a Abs. 1 ZPO könne sich daraus ergeben, dass er von seinem Tier getrennt werde.1706 Dies könne etwa der Fall sein, „wenn älteren und alleinstehenden Schuldnern durch die Vollstreckung ein Tier genommen werden soll, zu dem sie eine besondere emotionale Bindung haben“1707. Ein – innerhalb der veröffentlichten Entscheidungen allerdings seltenes – praktisches Beispiel hierfür liefert ein vor das LG Heilbronn1708 gekommener Fall. Darin beurteilte das Gericht – unter anderem gestützt auf ein amtstierärztliches Zeugnis – die Pfändung eines Hundes in Anbetracht der zu dem Tier bestehenden „enge[n] persönliche[n] Beziehung“ der (schon betagten) Schuldnerin, welche „eine Zerstörung dieser zu dem Hund gewonnenen Beziehung nur schwer verkraften würde“, als eine mit den guten Sitten nicht vereinbare Härte. Der bei Wegnahme des Tieres „eintretende immaterielle Schaden“ stehe in keinem Verhältnis zu dem Erlös, den die Gläubigerin aus einer Verwertung des Hundes erzielen könne. Die „sich naturgemäß entwickelnden besonderen gefühlsmäßigen Beziehungen eines Hundehalters zu seinem Tier“ müssten im Rahmen des § 765a ZPO mitberücksichtigt werden.1709 2. Pfändung von Tieren Während § 765a ZPO als allgemeine Vorschrift bei allen Arten der Zwangsvollstreckung anwendbar ist, können sich speziell bei der Pfändung von Tieren (im Rahmen der Vollstreckung wegen einer Geldforderung, § 808 ZPO) Vollstreckungshindernisse vor allem aus Pfändungsschutzvorschriften ergeben. a) Unpfändbarkeitstatbestände in § 811 ZPO § 811c ZPO enthält gleichsam zwei Arten von Unpfändbarkeitstatbeständen, die sich auf die Zulässigkeit der Pfändung von Tieren auswirken können. Bei ihnen zeigt sich allerdings, dass sie weder mit dem Affektionsinteresse des Schuldners an dem „Pfändungstier“, noch mit dem „Tierwohl“ in direktem Zusammenhang stehen. Zum einen sind dies allgemeine Pfändungsschutzvorschriften, die zwar Tiere weder explizit nennen noch in ihrem Schutzzweck besonders auf diese ausgerichtet sind, aber eben auch Tiere betreffen können. So sind beispielsweise nach § 811 Abs. 1 1706 1707 1708 1709
Schmid, JR 2013, 245, 248. Prütting/Gehrlein-Scheuch § 765a ZPO Rn. 20 (10. Aufl. 2018). LG Heilbronn, Beschl. v. 29. 01. 1980 – 1 T 270/79 II, DGVZ 1980, 111. LG Heilbronn, Beschl. v. 29. 01. 1980 – 1 T 270/79 II, DGVZ 1980, 111.
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Nr. 12 ZPO die wegen körperlicher Gebrechen notwendigen Hilfsmittel zum Gebrauch des Schuldners und seiner Familie der Pfändung nicht unterworfen. Diesem Tatbestand unterfallen die zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung dienenden Tiere wie Blindenhunde.1710 Auch können Tiere als zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit des Schuldners erforderliche Gegenstände nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO Pfändungsschutz genießen, zum Beispiel bei Tierhandlungen, Wachhunden, Zirkustieren, Imkereien, bestimmten Tierzuchten oder Tierhaltungsformen.1711 Zum anderen gibt es in § 811 ZPO Pfändungsschutzvorschriften, die Tiere direkt in Bezug nehmen, in ihrer Zielsetzung aber gleichwohl ebenfalls nicht dazu dienen, den Eigenheiten von Tieren Rechnung zu tragen. Dazu gehört etwa § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Danach ist der für die Erhaltung und Fortführung eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderliche Viehbestand der Pfändung nicht unterworfen. Diese Vorschrift bezweckt, die Wirtschaftlichkeit und Funktionsfähigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben zu erhalten.1712 Dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung seines Anspruchs habe der Gesetzgeber bei § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (und auch bei § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) das Interesse des Schuldners entgegengestellt, dessen Betrieb funktionsfähig zu halten, heißt es aus dem Schrifttum. Tiere würden hier schlicht als Betriebsmittel gesehen, deren Wegnahme deshalb für unzulässig erklärt werde, weil sie zum Zusammenbruch des Betriebs und damit zu einem größeren Schaden beim Schuldner führen würde; die Belange des Tierschutzes berücksichtige dies nicht.1713 Daneben gibt es mit § 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO noch eine tierbezogene, aber für die heutigen Lebensumstände praktisch bedeutungslose1714 Pfändungsschutzvorschrift, deren Zielrichtung der Schutz der Ernährung des Schuldners ist.1715 Danach ist dem Schuldner eine bestimmte Menge von Nutztieren zu belassen. Aspekte des Tierschutzes werden in den Pfändungsverboten des § 811 Abs. 1 ZPO nicht ausdrücklich genannt. Im Schrifttum wurde in diesem Zusammenhang konstatiert, die Vorschriften des § 811 Abs. 1 ZPO schützten bestimmte Tierhaltungen zugunsten des Schuldners, nicht zugunsten der Tiere. Auch nach Einfügung der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG blieben für § 811 Nr. 1, 3, 4 und 5 ZPO wirtschaftliche Belange weiter ausschlaggebend und der Belang des Tierschutzes nachrangig.1716 1710 Heuser, ZKF 2013, 49, 50; Zöller-Herget § 811 ZPO Rn. 36 (32. Aufl. 2018); Prütting/ Gehrlein-Flury § 811 ZPO Rn. 48 (10. Aufl. 2018). 1711 Siehe dazu Heuser, ZKF 2013, 49, 50; Dietz, DGVZ 2001, 81, 82 f. 1712 Heuser, ZKF 2013, 49, 50; Dietz, DGVZ 2003, 81, 83 u. DGVZ 2001, 81, 82. 1713 Dietz, DGVZ 2003, 81, 83. 1714 Heuser, ZKF 2013, 49; Dietz, DGVZ 2001, 81, 82; Schmid, JR 2013, 245, 246; Thomas/ Putzo-Seiler § 811 ZPO Rn. 11 (38. Aufl. 2017). 1715 Dietz, DGVZ 2001, 81, 82; Herfs, S. 16. 1716 Dietz, DGVZ 2003, 81, 83.
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b) § 811c ZPO Aussagekräftig für die besondere Stellung von Tieren im Vollstreckungsrecht ist hingegen eine Vorschrift im Regelungskomplex der Pfändungsverbote, die – wie die Ergänzung in § 765a ZPO – im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht im Jahr 1990 eingeführt wurde: Der neu gefasste § 811c ZPO. § 811c Abs. 1 ZPO lautet seither: „Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind der Pfändung nicht unterworfen.“ aa) Pfändungsschutz für bestimmte Haustiere vor 1990 Zur Einordnung der Gesetzesänderung und zum Verständnis des Gesetzeszwecks ist ein Blick auf die zuvor geltende Rechtslage hilfreich. Als Vorgänger-Regelung des heutigen § 811c ZPO ist § 811 Nr. 14 ZPO anzusehen. Die Grundfassung des § 811 Nr. 14 ZPO stammte aus dem Jahr 1953.1717 Sie statuierte ein Pfändungsverbot für „nicht zur Veräußerung bestimmte und im häuslichen Bereich gehaltene Hunde“, wenn ihr Wert 200 Deutsche Mark nicht überstieg. Die Regelung war einst, wie es in der Gesetzesbegründung hieß,1718 als Reaktion auf zahlreiche „Anregungen von Tierschutzorganisationen und Einzelpersonen“ eingeführt worden. Diese hatten die Unpfändbarkeit von Hunden eingefordert, da „im Kriege und in der Nachkriegszeit (…) die Liebe des Menschen zum Tier besonders stark hervorgetreten“ sei. Die Pfändung und Versteigerung von Hunden sei, so die Gesetzesmaterialien, nicht mehr mit den ethischen Anschauungen vereinbar; gerade „dem sozial schlechtergestellten Menschen würde durch die Wegnahme eines Hundes oft die letzte Freude genommen; das Schicksal des versteigerten Hundes sei immer ungewiß und meist lange Zeit eine seelische Belastung für den ehemaligen Eigentümer“. „Einem geläuterten Rechtsempfinden“ entspreche es nicht, dass wegen einer privatrechtlichen Geldforderung Hunde der Zwangsvollstreckung unterworfen seien. Die schon damals vorhandene Wertgrenze (200 DM) sowie die Ausnahme für zur Veräußerung bestimmte Hunde rechtfertigte man dadurch, dass „hier die ethischen Gründe“ stark zurückträten „und einem Mißbrauch des Pfändungsprivilegs vorgebeugt werden“ müsse.1719 Während der Pfändungsschutz in der Ursprungsfassung des § 811 Nr. 14 ZPO noch auf Hunde beschränkt war und man „eine Ausdehnung des Schutzes auf andere Tiere, zu denen ein ähnlich nahes Verhältnis des Eigentümers denkbar ist“, aus praktischen Gründen für entbehrlich hielt, da ihr verhältnismäßig geringerer
1717
S. 952. 1718 1719
Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung, BGBl. I 1953, BT-Drs. 01/3284, S. 19 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). BT-Drs. 01/3284, S. 19 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung).
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Marktwert sie ohnehin zur Pfändung ungeeignet mache,1720 wurde im Jahr 19841721 der Pfändungsschutz unter Hinweis auf veränderte Haltergewohnheiten1722 auch auf andere nicht zur Veräußerung bestimmte, im häuslichen Bereich gehaltene Tiere ausgeweitet. Zudem erhöhte man die Wertgrenze „im Hinblick auf die inzwischen gestiegenen Kaufpreise der Tiere“1723 auf 500 DM. Der Pfändungsschutz in § 811 Nr. 14 ZPO wurde als gesetzgeberische grundsätzliche Anerkennung der „zunehmende[n] Eingliederung von Tieren – insbesondere des Hundes als des treuesten Gefährten des Menschen aus dem Tierreich – in die menschliche Gesellschaft“ gewertet1724 und vom Gesetzgeber selbst als Zeichen dafür benannt, dass er auch im bürgerlichen Recht „die Eigenschaft der Tiere als Lebewesen, die der Obhut des Menschen anvertraut sind,“ anerkenne.1725 bb) Neufassung des § 811c ZPO im Jahr 1990 Im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht nutzte man die Gelegenheit, den Pfändungsschutz für Haustiere neu zu fassen und ihm eine eigene Vorschrift zu widmen. Der Kreis der bisher der Zwangsvollstreckung nicht unterliegenden Haustiere sollte dabei insofern erweitert werden, als „es für die Unpfändbarkeit von Haustieren nicht mehr auf ihren Sachwert“ ankommen sollte.1726 Zur Begründung1727 hieß es, es erscheine „grundsätzlich nicht gerechtfertigt, in die Beziehungen zwischen dem Schuldner und seinem Tier deshalb einzugreifen, weil der Wert des Tieres einen bestimmten Betrag“ übersteige. Bei der Voraussetzung, dass das Tier im häuslichen Bereich, also in räumlicher Nähe zum Schuldner gehalten werde, sollte es aber verbleiben, weil in einem solchen Fall regelmäßig davon auszugehen sei, dass enge Beziehungen zwischen Schuldner und Tier bestünden. Nicht anwendbar sein sollte das Pfändungsverbot auf Tiere, die zu Erwerbszwecken gehalten werden, da dem Gesetzgeber für solche Tiere der Pfändungsschutz des § 811 Nr. 5 ZPO ausreichend erschien. Missbrauchsgefahren befürchtete der Gesetzgeber bei einem „derart weitgehende[n] Pfändungsverbot“ in der Hinsicht, dass ein Schuldner sich, um Vermögenswerte dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, wertvolle Haustiere anschaffen könnte, „zu denen er keine engen emotionalen Beziehungen hat“.1728 In diesen Fällen bestehe kein schutzwürdiges Interesse des Schuldners. Daher schuf 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728
BT-Drs. 01/3284, S. 19 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). Fünftes Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, BGBl. I 1984, S. 364. BT-Drs. 10/718, S. 14 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). BT-Drs. 10/718, S. 14 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). Lorz, MDR 1990, 1057, 1060. BT-Drs. 11/5463, S. 5 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). Die Plausibilität dieser Annahme bezweifelt Herfs, S. 34 f.
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man eine Option des Vollstreckungsgerichts, die Pfändbarkeit eines nach § 811c Abs. 1 ZPO grundsätzlich unpfändbaren Haustieres wegen dessen hohen Wertes anzuordnen. Rechtstechnisch umgesetzt wurden die Neuerungen durch Streichung des ehemaligen § 811 Nr. 14 ZPO unter gleichzeitiger Einfügung eines neu gefassten § 811c ZPO.1729 § 811c Abs. 1 ZPO enthält das Pfändungsverbot für Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden; § 811c Abs. 2 ZPO sieht für das Vollstreckungsgericht die Möglichkeit vor, auf Antrag des Gläubigers eine Pfändung wegen des hohen Wertes des Tieres gleichwohl zuzulassen, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist. cc) Anwendung und Auslegung von § 811c ZPO Die Kommentarliteratur bietet einige Anhaltspunkte zur Auslegung des § 811c Abs. 1 ZPO. Um ein nicht zu Erwerbszwecken gehaltenes Tier soll es sich dann handeln, wenn die wirtschaftliche Nutzung des Tieres nicht im Vordergrund steht.1730 Von einem „hohen Wert“ im Sinne des § 811c Abs. 2 ZPO wird in Anlehnung an die in der Gesetzesbegründung1731 in Bezug genommene Wertgrenze des § 811 Abs. 1 Nr. 14 ZPO a. F. ausgegangen, wenn der (materielle) Wert des Tieres einen Betrag von 250 Euro (zum Teil gefordert: deutlich) übersteigt.1732 Die in § 811c Abs. 1 ZPO verwendete Formulierung von im häuslichen Bereich gehaltenen Tieren versteht man in der Kommentarliteratur so, dass eine räumliche Nähe zum Schuldner, das heißt zu dessen Wohnung erforderlich ist, aber auch genügt;1733 um ein „Haustier“ im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs1734 müsse es sich nicht handeln.1735 1729 Siehe dazu die Monografie von Herfs, Im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere in der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in körperliche Sachen. 1730 Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 4 (22. Aufl. 2002); Kindl/Meller-Hannich/ Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 3 (3. Aufl. 2015). 1731 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung). 1732 Saenger-Kemper § 811c ZPO Rn. 5 (6. Aufl. 2015); Heuser, ZKF 2013, 49, 51; Schmid, JR 2013, 245; MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 6 (5. Aufl. 2016); Kindl/Meller-Hannich/ Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 5 (3. Aufl. 2015); Vorwerk/Wolf-Forbriger § 811c ZPO Rn. 4 (23. Ed. 2016); Thomas/Putzo-Seiler § 811c ZPO Rn. 2a (38. Aufl. 2017); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 811c ZPO Rn. 4 (76. Aufl. 2018); Herfs, S. 106 ff.; Stein/JonasMünzberg § 811c ZPO Rn. 5 (22. Aufl. 2002). 1733 Schmid, JR 2013, 245; Dietz, DGVZ 2001, 81, 83; Heuser, ZKF 2013, 49, 50; ZöllerHerget § 811c ZPO Rn. 2 (32. Aufl. 2018); Saenger-Kemper § 811c ZPO Rn. 2 (6. Aufl. 2015); MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 3 (5. Aufl. 2016); Musielak/Voit-Becker § 811c ZPO Rn. 2 (13. Aufl. 2016); Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 2 (3. Aufl. 2015); Vorwerk/Wolf-Forbriger § 811c ZPO Rn. 2 (23. Ed. 2016); Thomas/Putzo-Seiler § 811c ZPO Rn. 1 (38. Aufl. 2017); Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 2 (10. Aufl. 2018); Baum-
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Gemessen an den veröffentlichten Entscheidungen sind bisher kaum Streitfälle um § 811c ZPO vor die Gerichte gelangt. Zu nennen ist im Wesentlichen nur eine Entscheidung des AG Paderborn1736, das einen Antrag des Gläubigers nach § 811c Abs. 2 ZPO auf Pfändung eines 20-jährigen Pferdes, das bei dem Schuldner sein „Gnadenbrot“ erhielt, „unter Berücksichtigung des Tierschutzes“ abwies. Das Gericht sah bei der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme „die Schutz- und Fürsorgepflicht des Menschen gegenüber dem Tier (…) nicht hinreichend gewahrt“. Der entscheidende Richter bezeichnete sich dabei – wohl um auf seine diesbezügliche Sachkunde hinzuweisen – selbst als einen „interessierte[n] Beobachter des landläufigen Pferdesports und Pferdehandels“. Ein Beispiel für einen positiv beschiedenen Antrag des Gläubigers nach § 811c Abs. 2 ZPO bietet dagegen ein erstinstanzlich vor das AG Neukölln gekommener Fall, in dem es um die Pfändung von Koi-Karpfen und zwei Papageien wegen einer aus einem Wohnraummietverhältnis resultierenden Forderung ging.1737 Als Abwägungsgesichtspunkte wertete das Gericht hier den „vergleichsweise hohe[n] Wert“ der Tiere, die hartnäckige Zahlungsverweigerung des Mieters sowie die Tatsache, dass es sich bei den Tieren um das einzige pfändbare Vermögen des Schuldners handelte. Die Unzulässigkeit der Pfändung bedeute daher für den Gläubiger eine nicht zu rechtfertigende Härte. Die dargelegte emotionale Bindung an die Fische und die beiden Vögel habe dahinter zurückzustehen. dd) Ratio legis § 811c ZPO ist ein weiteres Beispiel einer tierspezifischen Sonderregelung, als deren zentrales Motiv einerseits der Tierschutz, andererseits der Schutz des Affektionsinteresses an Tieren erscheint und die zwischen beiden Aspekten hin- und hergerissen ist. Dies zeigt eine Auswertung von Äußerungen der Gesetzesmaterialien sowie des Schrifttums zum Schutzzweck des § 811c ZPO.
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 811c ZPO Rn. 3 (76. Aufl. 2018); Lorz, MDR 1990, 1057, 1060; näher Herfs, S. 46 ff.; Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 2 (22. Aufl. 2002); Schaal, S. 76 ff. 1734 Dazu ausführlich Herfs, S. 37 ff. 1735 Schmid, JR 2013, 245; Heuser, ZKF 2013, 49, 50; Saenger-Kemper § 811c ZPO Rn. 2 (6. Aufl. 2015); MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 4 (5. Aufl. 2016); Musielak/Voit-Becker § 811c ZPO Rn. 2 (13. Aufl. 2016); Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 1 (3. Aufl. 2015); Vorwerk/Wolf-Forbriger § 811c ZPO Rn. 3 (23. Ed. 2016); Prütting/GehrleinFlury § 811c ZPO Rn. 2 (10. Aufl. 2018); Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 1 (5. Aufl. 2011); Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 2 (22. Aufl. 2002). 1736 AG Paderborn, Beschl. v. 08. 12. 1995 – 12 M 2848/95, DGVZ 1996, 44. 1737 AG Neukölln, Beschl. v. 02. 08. 2006 – 33 M 8027/06 – juris; bestätigt von LG Berlin, Beschl. v. 16. 03. 2007 – 81 T 859/06 – juris.
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(1) Gesetzesbegründung Befragt man die Gesetzesmaterialien von § 811c ZPO zur ratio legis der Neuregelung, ergibt sich ein heterogenes Bild. Einerseits heißt es darin, „um die Eigenständigkeit des Tierschutzgedankens herauszustellen“, solle „die Regelung über die Unpfändbarkeit von Tieren in einer besonderen Vorschrift getroffen“ werden.1738 Auch hinsichtlich der Ausnahme für wertvolle Tiere (§ 811c Abs. 2 ZPO) wird darauf verwiesen, diese diene dazu, „die wechselseitigen Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits sowie die Belange des Tierschutzes in einen angemessenen Ausgleich zu bringen“. In der dabei zugrunde liegenden Konstellation stünden einer Pfändung regelmäßig Belange des Tierschutzes nicht entgegen.1739 Andererseits stützen die Materialien § 811c ZPO auf die Erwägung, es sei nicht gerechtfertigt, in die Beziehungen zwischen dem Schuldner und seinem Tier deshalb einzugreifen, weil der Wert des Tieres einen bestimmten Betrag übersteige.1740 Auch die Voraussetzung, dass es sich um ein im häuslichen Bereich gehaltenes Tier handeln muss, wurde damit begründet, in einem solchen Fall sei regelmäßig davon auszugehen, dass enge Beziehungen zwischen Schuldner und Tier bestünden.1741 Und bei der Schaffung der Ausnahmemöglichkeit in § 811c Abs. 2 ZPO dachte der Gesetzgeber ausweislich der Materialien an solche Konstellationen, in denen der Schuldner keine engen emotionalen Beziehungen zu den Tieren hat.1742 Dies alles klingt somit wiederum danach, dass mit der Sonderregelung dem Affektionsinteresse des Schuldners an den zu pfändenden Tieren Rechnung getragen werden sollte. (2) Schrifttum Wie die Gesetzesbegründung verortet auch das Schrifttum die ratio legis des Pfändungsschutzes für „im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere“ unterschiedlich. Dies galt bereits für die in ihrem Inhalt ähnliche Vorgängerregelung des § 811c ZPO: (a) Ratio legis der Vorgängerregelung (§ 811 Nr. 14 ZPO) Die ursprünglich in § 811 Nr. 14 ZPO enthaltene, im Jahr 1953 eingeführte Regelung über die Unpfändbarkeit von Hunden wurde einerseits gewertet als „eine vom 1738
BT-Drs. 11/5463, S. 6 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung durch Verf. 1739 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung jeweils durch Verf. 1740 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung durch Verf. 1741 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung durch Verf. 1742 BT-Drs. 11/5463, S. 7 (Gesetzesbegründung der Bundesregierung), Hervorhebung durch Verf.
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tierschützerischen Standpunkt äußerst bedeutsame Erweiterung“ des Katalogs der Pfändungsverbote in § 811 ZPO.1743 Herfs1744 führt aus, es könne nicht ernstlich bestritten werden, dass sich durch diese Pfändungsschutzvorschrift die Rechtsstellung des Hundes verbessert habe, indem nämlich die dem Tatbestand unterfallenden Hunde seither dem Risiko einer Pfändung samt darauf folgender Verwertung durch Versteigerung – als „artfremder und wenig schonender Eingriff“ – sowie dem Risiko eines danach ungewissen Schicksals nicht mehr ausgesetzt gewesen seien. Es sei bemerkenswert, dass auch „das ungewisse Schicksal des versteigerten Hundes“ bei den Erwägungen des Gesetzgebers „zumindest eine mitveranlassende Rolle gespielt“ habe. Diese „im Zuge der Bewußtseinsbildung durch das neue Tierschutzgesetz heute stärker im Blickpunkt stehende Überlegung“ habe also „schon in den Anfängen der Bundesrepublik einen gewissen Stellenwert gehabt“. Primär aber habe der damalige § 811 Nr. 14 ZPO dem Schuldner gedient und seine Schutzwirkung „der Beziehung des Menschen zu seinem Tier“ gegolten.1745 In ähnlicher Weise heißt es an anderer Stelle: Mit § 811 Nr. 14 ZPO sei „erstmals der inneren Verbundenheit von Mensch und Hund“1746, „den menschlichen Gefühlen des Schuldners und dem Schutz des Hundes als treuem Gefährten des Menschen“ Rechnung getragen worden.1747 Dementsprechend rechtfertige sich die Ausnahme für „zur Veräußerung bestimmte“ Hunde auch daraus, dass in solchem Fall eine „enge Verbundenheit zwischen Mensch und Hund“, die § 811 Nr. 14 ZPO „achten und schützen“ wolle, regelmäßig nicht in schutzwürdigem Maße vorliegen werde.1748 Schaal sieht in dem seinerzeitigen erstmaligen Pfändungsverbot für eine bestimmte Tiergattung einen Pfändungsschutz „aus rein ideellen Motiven“ und einen gesetzgeberischen Akt, durch den die „Dimension des Schutzes ideeller Interessen des Schuldners eine neue Qualität“ erhalten habe.1749 (b) § 811c ZPO: Schutz der Beziehung des Schuldners zu seinem Tier Auch für den heute geltenden § 811c ZPO wird einerseits proklamiert, die Vorschrift schütze vor Eingriffen in die enge Beziehung des Schuldners zu seinem Tier.1750 § 811c ZPO sei „kein Instrument des Tierschutzes“, vielmehr gehe es um die „rein ideellen Interessen des Schuldners“.1751 Die Regelung trage der Tatsache Rechnung, dass bei einer Hobby-Tierhaltung naturgemäß „die Beziehung des 1743 1744 1745 1746 1747
S. 122. 1748
S. 121. 1749 1750 1751
Ennulat/Zoebe, S. 150, Hervorhebung durch Verf. Herfs, S. 18, Hervorhebung durch Verf. Herfs, S. 18, Hervorhebung durch Verf. Ennulat/Zoebe, S. 150; so auch schon Stolting/Zoebe, S. 120. Ennulat/Zoebe, S. 152, Hervorhebung durch Verf.; so auch schon Stolting/Zoebe, Ennulat/Zoebe, S. 150, Hervorhebung durch Verf.; so auch schon Stolting/Zoebe, Schaal, S. 69, Hervorhebung durch Verf. Dietz, DGVZ 2001, 81, Hervorhebung durch Verf. Schaal, S. 79.
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Menschen zum Tier – und wohl auch umgekehrt – am intensivsten“ sei, „sodass bei drohender Pfändung dieser Tiere für den Schuldner nicht mehr die finanziellen, sondern die emotionalen Aspekte im Vordergrund“ stünden.1752 Die Vorschrift zeige, „dass der Gesetzgeber die zunehmende Eingliederung mancher Tiere in die menschliche Gemeinschaft“ anerkenne.1753 Der Gesetzgeber habe Haustiere, wie zum Beispiel Hunde und Katzen, aus der Pfändbarkeit herausgenommen, da diese „in der heutigen Zeit (…) in der Regel ,Familienmitglieder‘ ohne einen besonderen Zweck, aber mit hohem ideellen Wert“ seien.1754 An Haustieren bestehe typischerweise ein hohes Affektionsinteresse des Schuldners, während der aus ihrer Verwertung zu erzielende Erlös regelmäßig nur relativ gering sei, was den Gesetzgeber dazu bewogen hätte, Haustiere für grundsätzlich unpfändbar zu erklären.1755 Aus der so verstandenen ratio legis werden auch Schlussfolgerungen für die Auslegung des § 811c ZPO gezogen: „Halter“ im Sinne des § 811c ZPO könne nur derjenige sein, der das Tier für eine gewisse Dauer (nicht nur vorübergehend) in seinen Bereich aufgenommen habe;1756 eine räumliche Nähe des Tieres bloß zu einem Zweitwohnsitz oder Wochenendhaus genüge nicht.1757 Denn ansonsten könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine (schützenswerte) enge Bindung zu dem Tier bestehe. Eine eher exotische Beschreibung des Regelungszwecks1758 lautet, § 811c ZPO nehme Rücksicht auf Artikel 1, 2, 20a GG „mit ihren Auswirkungen auf die Schutzwürdigkeit der Tierliebe sowie Rücksicht auf die nach § 90a BGB eigenständige Rechtsstellung des Tieres“. Bei einer Tierpfändung habe der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz „oft eine enorme emotionale Bedeutung“. Der Staat könne „nicht daran interessiert sein, daß ein Bürger wegen der Zwangsentwendung des geliebten Haustieres so durcheinander“ gerate, „daß alle möglichen aufwendigen Sozialleistungen erforderlich“ würden, „nur damit ein einzelner Gläubiger besser zu seinem Geld kommen“ könne.
1752
Dietz, DGVZ 2001, 81, 83. Lorz/Metzger Einf. Rn. 108 (6. Aufl. 2008). 1754 Nelkel, S. 136 f. 1755 Saenger-Kemper § 811c ZPO Rn. 3 (6. Aufl. 2015). 1756 Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 2 (3. Aufl. 2015); Musielak/VoitBecker § 811c ZPO Rn. 2 (13. Aufl. 2016); Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 2 (10. Aufl. 2018); Herfs, S. 59, vgl. auch S. 52; Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 2 (22. Aufl. 2002); Schaal, S. 81; Zöller-Herget § 811c ZPO Rn. 2 (32. Aufl. 2018); a. A. noch der Vor-Bearbeiter Stöber, der auch die vorübergehende Haltung des Tieres genügen lassen wollte. 1757 MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 3 (5. Aufl. 2016); Herfs, S. 55 f. 1758 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 811c ZPO Rn. 2 (76. Aufl. 2018). 1753
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(c) § 811c ZPO: Schutz des Tieres Andererseits wird § 811c ZPO dem Tierschutz zugeordnet1759 ; immerhin erwähne § 811c Abs. 2 ZPO dies ausdrücklich als Belang.1760 Es gehe bei § 811c ZPO um „etwas im bisherigen Zivilrecht Neues: die Aufwertung des in Gemeinschaft mit dem Menschen lebenden Tieres von der reinen Sache zu einem Gegenstand, der eigenständige Rücksicht“ verdiene.1761 In diesem Zusammenhang findet sich auch der schon bei § 765a ZPO auftauchende, schwer vom Affektionsinteresse des Halters zu trennende Gedanke, dass die mit der Pfändung einhergehende Störung der Bindung des Tieres zum Halter (und gegebenenfalls dessen Familie) in der Dimension eines „Tierwohl“-Aspekts Bedeutung haben kann:1762 In diesem Sinne heißt es etwa, der Tierschutzgedanke schließe den pfändungsbedingten Eingriff in die engen Beziehungen zwischen Schuldner und seinem Tier aus,1763 oder: die Sonderregelung des § 811c ZPO trage dem Tierschutzgedanken Rechnung, indem sie Eingriffe in die besondere Beziehung zwischen Heimtier und Halter vermeiden wolle. Sie vermute diese besondere Verbundenheit und wolle das Tier und den Schuldner als Halter vor den Folgen einer Trennung bewahren.1764 Daraus, dass § 811c ZPO auch dem Tierschutz und damit einem „öffentliche[n], der Allgemeinheit zugute kommende[n] Schutzzweck“ diene, welcher „der Disposition des einzelnen Schuldners entzogen sein“ müsse, wird auch gefolgert, dass der Schuldner nicht wirksam auf den von § 811 Abs. 1 ZPO gewährten Pfändungsschutz verzichten kann.1765 (d) § 811c ZPO: Schutz des Tieres und Schutz der Beziehung des Schuldners zu seinem Tier Verbreitet ist, § 811c ZPO als eine Vorschrift einzustufen, die sowohl dem Tierschutz, als auch dem Schutz der schuldnerischen Bindung an das Tier dient,1766 wenn auch zum Teil begleitet von der Einschätzung, dass zwar ersteres von der Gesetzesbegründung mitangeführt wurde, im Kern aber vor allem letzteres zu1759 Zöller-Herget § 811c ZPO Rn. 1 (32. Aufl. 2018); Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011); Palandt-Ellenberger § 90a BGB Rn. 1 (76. Aufl. 2017), NKRing § 90a BGB Rn. 5 (3. Aufl. 2016) und Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016) nennen § 811c I ZPO als Beispiel einer tierschützenden Vorschrift i. S. d. § 90a S. 2 BGB. 1760 Schmid, JR 2013, 245. 1761 Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1762 Vgl. Thomas/Putzo-Seiler § 811c ZPO Rn. 2a (38. Aufl. 2017); Schuschke/WalkerWalker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1763 Zöller-Herget § 811c ZPO Rn. 2 (32. Aufl. 2018), Hervorhebung durch Verf. 1764 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82, Hervorhebung durch Verf. 1765 Herfs, S. 79 ff.; unberührt bleibe aber die Berücksichtigung der Verzichtserklärung i.R.d. § 811c II ZPO. 1766 Schmid, JR 2013, 245; MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 1 (5. Aufl. 2016); Musielak/Voit-Becker § 811c ZPO Rn. 1 (13. Aufl. 2016); Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 1 (3. Aufl. 2015); Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 1 (10. Aufl. 2018); Herfs, S. 30 ff.
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trifft.1767 Nach Herfs,1768 der sich vertiefter mit der Frage nach dem Schutzzweck des § 811c ZPO auseinandergesetzt hat, besteht dessen Zweck in einem Nebeneinander aus dem Schutz des schuldnerischen Affektionsinteresses und der Verbesserung des Tierschutzes. Dafür führt er an, dass beide Aspekte im Tatbestand insbesondere des § 811c Abs. 2 ZPO sowie in der Gesetzesbegründung anklingen. Als genetisches Argument verweist er auf die Anknüpfung des § 811c ZPO an den früheren § 811 Nr. 14 ZPO, der ebenfalls bereits dem Affektionsinteresse des Schuldners gedient habe1769. Mit der Änderung im Jahre 1990 sei dann – parallel zur Änderung des § 765a ZPO – der Tierschutz als weiterer Abwägungsgesichtspunkt hinzugekommen. Der Rücksichtnahme auf die gefühlsmäßigen Bindungen des Schuldners sei allerdings, so konstatiert Herfs1770 im Ergebnis, ein höherer Stellenwert beigemessen worden als dem Tierschutz. (e) Abwägungsfaktoren bei der Prüfung einer unbilligen Härte nach § 811c Abs. 2 ZPO Rückschlüsse auf das zugrunde liegende Verständnis der ratio legis von § 811c ZPO lässt auch die Liste derjenigen Aspekte zu, die für die Entscheidung über einen Antrag des Gläubigers nach § 811c Abs. 2 ZPO auf Zulassung der Pfändung wegen unbilliger Härte diskutiert werden. Als in die Abwägung nach § 811c Abs. 2 ZPO auf Schuldner-Seite einzustellende Erwägungen werden genannt: der emotionale Wert des Tieres für den Schuldner,1771 dessen gefühlsmäßige Bindung1772 an das Tier sowie deren „Dauer und Intensität“1773, die im Vordergrund stehenden1774 oder jedenfalls wichtigen ideellen Interessen1775 und „das konkrete Affektionsinteresse am ,Behalten‘ des Tieres“1776, das sich „aus einer besonderen, gewachsenen Zuneigung zu dem Tier“ ergeben könne oder aus der Funktion als „Ansprechpartner“1777. Dabei wird öfter auf Kinder, alte,
1767 Vgl. MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 1 (5. Aufl. 2016); ebenfalls distanziert Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 1 (3. Aufl. 2015). 1768 Herfs, S. 30 ff. 1769 Siehe dazu vorne bei Fn. 1745. 1770 Herfs, S. 34. 1771 Saenger-Kemper § 811c ZPO Rn. 5 (6. Aufl. 2015). 1772 Heuser, ZKF 2013, 49, 51; Musielak/Voit-Becker § 811c ZPO Rn. 3 (13. Aufl. 2016); Vorwerk/Wolf-Forbriger § 811c ZPO Rn. 6 (23. Ed. 2016); Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 4 (10. Aufl. 2018). 1773 Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 6 (3. Aufl. 2015). 1774 So MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 7 (5. Aufl. 2016). 1775 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 811c ZPO Rn. 4 (76. Aufl. 2018); MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 7 (5. Aufl. 2016). 1776 MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 7 (5. Aufl. 2016); ebenso Vorwerk/Wolf-Forbriger § 811c ZPO Rn. 3 (23. Ed. 2016). 1777 MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 7 (5. Aufl. 2016).
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kranke oder einsame Menschen als Personengruppe verwiesen,1778 bei der die gefühlsmäßige Bindung typischerweise anzutreffen oder besonders stark ausgeprägt sein könne und die aufgrund ihrer Lage besonders schutzwürdig sei. Nach Herfs1779 ist die enge Beziehung des Schuldners zu seinem Tier das einzige abwägungsrelevante Schuldner-Interesse. Er führt einige Kriterien an, die auf deren Intensität schließen lassen und so helfen sollen, das Merkmal der „engen Beziehung“, das sich als eine letztlich „subjektive Komponente (…) einer hundertprozentigen Nachprüfbarkeit naturgemäß“ entziehe, zu objektivieren, um Missbräuchen vorzubeugen.1780 Zu den Kriterien gehören für ihn die Lebenssituation des Schuldners (Alter, soziale Kontakte, Gesundheit) und die Auswirkungen einer Pfändung auf diese; ebenso der Zweck, die Dauer und Intensität der Tierhaltung sowie die Tierart.1781 Anders als bei „kommunikationslosen Tiere[n]“ sei die Beziehung des Menschen zu seinem Tier umso enger, „je mehr auch das Tier auf die Zuwendung und Betreuung seines Halters“ reagiere „und seinerseits im Rahmen seiner Möglichkeiten in der Lage“ sei, „,Zuneigung‘ zu zeigen“.1782 Als im Rahmen des § 811c Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähige „Tierwohl“Faktoren werden angeführt: die Bindung des Tieres an den Schuldner (und dessen Familie),1783 das Alter und der Gesundheitszustand des Tieres,1784 die (bisherigen) Annehmlichkeiten,1785 Dauer und Modalitäten der Haltung beim Schuldner sowie etwaige besondere Anforderungen daran,1786 die derzeitige und die zukünftige Situation des Tieres im Falle der Verwertung1787 und die Frage, welche Folgen die Herausnahme des Tieres aus seiner gewohnten Umgebung für dieses nach sich ziehe1788 sowie ob das Tier durch die Trennung vom Schuldner Schaden oder Qual 1778 MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 7 (5. Aufl. 2016); Kindl/Meller-Hannich/WolfKindl § 811c ZPO Rn. 6 (3. Aufl. 2015); Vorwerk/Wolf-Forbriger § 811c ZPO Rn. 6 (23. Ed. 2016); Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 4 (10. Aufl. 2018); Musielak/VoitBecker § 811c ZPO Rn. 3 (13. Aufl. 2016). 1779 Herfs, S. 112. 1780 Herfs, S. 115. 1781 Für diese drei Kriterien auch Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 5 (22. Aufl. 2002). 1782 Herfs, S. 113 f. 1783 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82; Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 4 (10. Aufl. 2018); Herfs, S. 109; Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011), Hervorhebung durch Verf. 1784 Heuser, ZKF 2013, 49, 51; Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 4 (10. Aufl. 2018); Herfs, S. 109 f.; Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1785 Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1786 Herfs, S. 109 f. 1787 Musielak/Voit-Becker § 811c ZPO Rn. 3 (13. Aufl. 2016); Heuser, ZKF 2013, 49, 51; Prütting/Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 4 (10. Aufl. 2018); ähnlich Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1788 Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kindl § 811c ZPO Rn. 6 (3. Aufl. 2015); ähnlich Prütting/ Gehrlein-Flury § 811c ZPO Rn. 4 (10. Aufl. 2018); ähnlich Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 6 (22. Aufl. 2002).
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erlitte.1789 Belange des Tierschutzes seien berührt, wenn das Tier (und gegebenenfalls auch andere, mit ihm zusammen im häuslichen Bereich gehaltene Tiere1790) bei der zwangsweisen Herausnahme aus der bisherigen Lebenssphäre voraussichtlich Schaden nähme – wie es etwa bei der Pfändung eines Jungtieres, das noch auf seine Mutter angewiesen sei, oder bei einer emotionalen Bindung des Tieres zum Schuldner der Fall sein könne.1791 Das Tier sei im Rahmen der Abwägung „als Lebewesen ernst zu nehmen und nicht nur als wertvolle Sache zu betrachten“.1792 Abwägungsfähig sind dabei freilich nur „Tierwohl“-Aspekte, die die Schwelle eines Verstoßes gegen das TierSchG noch nicht überschreiten.1793 Dietz meint, die Einführung der Tierschutz-Staatszielbestimmung in Art. 20a GG verstärke im Rahmen von § 811c ZPO den Belang des Tierschutzes im Pfändungsrecht; das Wohl des Tieres gewinne eine größere Bedeutung als zuvor und rücke in den Vordergrund.1794 ee) Bewertung des § 811c ZPO im Schrifttum Der Pfändungsschutz für im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere ist unter mehreren Gesichtspunkten Gegenstand von Kritik im Schrifttum geworden. Neben der Frage der Reichweite und Erforderlichkeit des § 811c ZPO bezieht sie sich vor allem auf die mangelnde rechtliche Handhabbarkeit. Außerdem wird der Schutzzweck der Norm als verfehlt, inkonsequent oder jedenfalls undurchsichtig bemängelt. (1) Nicht weitreichend genug aus Tierschutz-Perspektive oder mangels praktischer Bedeutung gar überflüssig? Unterschiedlich fällt bereits das Urteil darüber aus, inwieweit der Pfändungsschutz für Tiere durch § 811c ZPO unzureichend oder aber gar übermäßig ausgestaltet ist. Brüninghaus1795 geht der Pfändungsschutz für Tiere schon per se nicht weit genug. Sie beklagt, eine Ortsveränderung und eine Trennung von vertrauten anderen Tieren und Menschen seien für Tiere von einschneidender Bedeutung, wirkten sich negativ auf die Psyche und das Wohlbefinden des Tieres aus und könnten Leid hervorrufen. Der Zweckbestimmung eines Pfandrechts nach führe es zu einer Verwertung durch Verkauf des Pfandgegenstandes und zu einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Erlös. Dadurch wechsele das Tier endgültig seine Lebenssphäre. 1789
Saenger-Kemper § 811c ZPO Rn. 5 (6. Aufl. 2015). Herfs, S. 110; Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1791 MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 7 (5. Aufl. 2016); Vorwerk/Wolf-Forbriger § 811c ZPO Rn. 7 (23. Ed. 2016); Herfs, S. 110. 1792 Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1793 Herfs, S. 110 f.; Münzberg, ZRP 1990, 215 f.; Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 6 (22. Aufl. 2002). 1794 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82 f. 1795 Brüninghaus, S. 88 f.; krit. hierzu Schaal, S. 43 ff. 1790
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Die Zerstörung von emotionalen Bindungen und die Gewöhnung an die neue Umgebung würden das Tier zumindest verwirren und einen Prozess der Neuorientierung in Gang setzen. Bei ganz jungen, alten, anhänglichen, besonders sensiblen und unflexiblen Tieren sei es nicht ausgeschlossen, dass sie hierdurch litten.1796 Grundlegende tierische Belange würden hier den menschlichen wirtschaftlichen Interessen geopfert; die Pfändungsverbote der ZPO dienten ausschließlich menschlichen Interessen. Eine zielgerichtete Berücksichtigung tierischer Bedürfnisse, etwa durch eine generelle Unpfändbarkeit von Tieren, erfolge in der ZPO ebenso wenig wie im BGB, kritisiert sie. Andere Stimmen lassen demgegenüber mit Blick auf die mangelnde praktische Bedeutung der vollstreckungsbedingten Verwertung von Freizeit-Haustieren Zweifel daran anklingen, ob die Einfügung des § 811c ZPO im Jahr 1990 überhaupt erforderlich war.1797 Grunsky1798 findet, das generelle Pfändungsverbot (der von § 811c ZPO erfassten Tiere) schieße „weit über das Ziel hinaus“. (2) Kritik an der Ausgestaltung des § 811c ZPO: mangelnde Justiziabilität und verschleierter Schutzzweck Harsche Kritik1799 kam seinerzeit schon im Entwurfsstadium auf: Die Regelung wurde als eine Fehlleistung mit misslungener Begründung bezeichnet. Soweit die Pfändbarkeit – wie die Gesetzesbegründung es nahe lege – nicht etwa vom objektiven Nutzen des Tieres für den Schuldner, sondern „von der Qualität und Quantität der Gefühle des Schuldners für das Tier“ abhänge, sei dies ein für das Gericht kaum justiziables und zu Missbräuchen1800 einladendes Kriterium und dem Gläubiger werde die Beweislast für Umstände aufgebürdet, in die er keinen Einblick habe.1801 Kritisch wird überdies angemerkt: Im Rahmen der durch § 811c Abs. 2 ZPO vorgesehenen Abwägung passten die wirtschaftlichen Gläubigerinteressen nicht zu den eher emotionalen anderen Belangen (des Schuldners) und wirkten in diesem Zusammenhang fremd.1802 Indem die Regelung „eine Abwägung von inkompatiblen Größen (Geld gegen Gefühle)“ gebiete, ohne dafür Maßstäbe anzugeben, bringe sie
1796
Folgerichtig müssten nach dieser Argumentation dann aber auch Verkäufe außerhalb der Zwangsvollstreckung erheblich eingeschränkt werden. 1797 Münzberg, ZRP 1990, 215; ironisch Schmidt, JZ 1989, 790, 791; ambivalent Grunsky, FS Jauch, S. 93, 99 f.; positiver Herfs, S. 29; zur praktischen Relevanz vgl. Herfs, S. 190 ff. 1798 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 101 f. 1799 Siehe Münzberg, ZRP 1990, 215. 1800 Münzberg, ZRP 1990, 215: „Wohl dem Schuldner, der sich einen Anwalt leisten kann; dieser wird ihm im Laufe der Zeit vorformulierte Tiergefühle liefern können, die sich als gerichtsfest erwiesen haben. Ob der Schuldner sie wirklich hat, spielt natürlich keine Rolle (…)“. 1801 Zust. Schaal, S. 90. 1802 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82.
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„ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich“.1803 Noch drastischer1804 heißt es gar, § 811c ZPO mute eine „Abwägung“ zu, die ohne krasse Willkür nicht vollziehbar sei. Das Gemenge von Tierschutz, Gefühlen des Schuldners und Bedürfnissen des Gläubigers lasse sich nicht rational bewältigen: Zum einen sei, soweit der gesetzliche Schutz des Tieres in Frage stehe, für eine „Abwägung“ gar kein Raum – entweder eine Maßnahme sei mit dem TierSchG vereinbar oder nicht. Letzterenfalls sei die Maßnahme wegen gesetzlicher Verbote rechtswidrig und damit unzulässig. Wer meine, dass eine den heutigen Anschauungen gerecht werdende Auslegung des TierSchG nicht ausreiche, um das Leiden von Tieren durch Zwangsvollstreckung zu vermeiden oder zu lindern, müsse eben das TierSchG ändern – durch die bestimmte Regelung typischer Verhaltensweisen, die erfahrungsgemäß bisher zu Missständen geführt hätten. Zum anderen gehe es in Wahrheit nicht um Gefühle oder Bedürfnisse des Tieres (über den bisherigen Tierschutz hinaus), sondern um Gefühle des Schuldners – zumal man Tiergefühle im Einzelfall nicht überzeugend darstellen, geschweige denn beweisen könne. Entgegen den Beteuerungen der Gesetzesbegründung solle hier der Schuldner – nicht das Tier – mehr als bisher geschützt werden.1805 Im Mittelpunkt stünden ausschließlich die gefühlsmäßigen Interessen des Schuldners. Deren Abwägung mit den reinen Verwertungs-, also Vermögensinteressen des Gläubigers sei unmöglich und es sei inkonsequent, warum in Bezug auf wertvolle Tiere im Sinne des § 811c Abs. 2 ZPO eine Bindung des Schuldners nicht bestehen oder schutzwürdig sein solle. Münzberg1806 spricht sich daher dafür aus, der Gesetzgeber solle, statt „die Verantwortung auf die Rechtspflege ab[zuschieben]“, das Gesetzesziel lieber auf abstrakte Art anhand von objektiven Kriterien verwirklichen, etwa durch die Festlegung einer festen Wertgrenze oder indem er die Pfändung von Haustieren generell verbiete, wenn er meine, dass im Allgemeinen das Gefühl des Schuldners hierdurch zu sehr verletzt werde. Zur Vermeidung von Missbräuchen bezüglich erst kürzlich angeschaffter, wertvoller Tiere könne er dann einen den Regeln des AnfechtG nachempfundenen Mechanismus einführen. Desgleichen befürwortet Schaal1807 eine starre Wertgrenze als „objektives und zugleich praktikables Entscheidungskriterium“. Der Gesetzgeber müsse durch ob1803
Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 1 (22. Aufl. 2002); ähnlich Schaal, S. 159: „Die Vorschrift mutet dem Vollstreckungsgericht (…) eine Abwägung zu, die, auf Grund der fehlenden inhaltlichen Vergleichbarkeit der genannten Kriterien, unmöglich ist“, vgl. auch Schaal, S. 90. 1804 Münzberg, ZRP 1990, 215. 1805 So auch Grunsky, FS Jauch, S. 93, 100; in die Richtung ebenfalls Stein/Jonas-Münzberg § 811c ZPO Rn. 1 (22. Aufl. 2002); Schmidt, JZ 1989, 790, 791; Schaal, S. 84 f.; a. A. Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1806 Münzberg, ZRP 1990, 215, 216. 1807 Schaal, S. 159.
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jektiv feststellbare Kriterien die Grenze ziehen, „bis zu der die vermutete Beziehung des Schuldners zu seinem Tier gegenüber dem Zugriffsinteresse des Gläubigers als höherwertig anzusehen“ sei.1808 In der jetzigen Fassung handele es sich bei § 811c ZPO um einen „Fremdkörper im System des Pfändungsschutzes“ mit verfehlter Wirkung, der die Gefahr berge, „einer willkürlichen Entscheidung des Gerichts Tür und Tor“ zu öffnen.1809 Deshalb plädiert er dafür, schon de lege lata allein auf den Wert abzustellen und „die inhaltsleeren Kriterien der ,Belange des Tierschutzes‘ und der ,berechtigten Interessen des Schuldners‘ unbeachtet zu lassen“.1810 Schaal bezeichnet es als „schlichte Augenwischerei“, durch eine inhaltsleere Abwägung zu verschleiern, dass letztlich doch der Wert des Tieres der entscheidende Faktor sei, oder dies „gar als tierschutzrechtlichen Fortschritt auszugeben“.1811 Insgesamt sei mit der Vorschrift „im Zuge einer politisch motivierten Gefühlsduselei die Grenze vom Schuldnerschutz zum Luxusschutz überschritten“ worden.1812 Für Grunsky besteht ebenfalls kein ernsthafter Zweifel daran, dass es bei § 811c ZPO nicht um den Schutz des Tieres, sondern den Schutz des Eigentümers geht.1813 Dann aber erscheine unklar, warum nicht auch andere Gegenstände, bei denen ein besonders enges Affektionsinteresse des Schuldners auf dem Spiel stehe, unpfändbar seien.1814 Außerdem schlägt er vor, statt eines generellen Pfändungsverbots müsse vielmehr maßgeblich sein, wie sich der Schuldner zu der Pfändung stelle – man dürfe nicht als selbstverständlich davon ausgehen, dass in jedem Fall der Eigentümer „mit Klauen und Zähnen an seinem Tier“ hänge. Konsequenter sei daher, dem Schuldner lediglich ein Widerspruchsrecht gegen die Pfändung zuzubilligen.1815 (3) Kritik an der Pfändbarkeit wertvoller Tiere Auch die in § 811c Abs. 2 ZPO ermöglichte Pfändbarkeit wertvoller Tiere ist Kritik ausgesetzt – sowohl unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes als auch unter dem Aspekt des Schuldner-Schutzes. Einerseits1816 bemängelte man, der Erwerb wertvoller Tiere bilde „keine Vermutungsgrundlage für die Annahme“, dass „keine enge Beziehung des Eigentümers zu seinem Tier“ bestehe. Andererseits1817 wurde kritisiert, wenn der Tierschutzgedanke ernst genommen würde, dürfe die emotionale Beziehung des Tieres zum Halter nicht vom wirtschaftlichen Wert des Tieres, sondern müsse von seiner Fähigkeit zur Bindung an den Menschen abhängen. Könne das 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814 1815 1816 1817
Schaal, S. 93, 159. Schaal, S. 90 f., 159. Schaal, S. 91, 159; vgl. auch S. 84 f. Schaal, S. 89. Schaal, S. 90. Grunsky, FS Jauch, S. 93, 101. Grunsky, FS Jauch, S. 93, 100 f. Grunsky, FS Jauch, S. 93, 101 f., Hervorhebung durch Verf. Herfs, S. 34, Hervorhebung durch Verf. Dietz, DGVZ 2003, 81, 82, Hervorhebung durch Verf.
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finanziell wertvollere Tier ungeachtet seiner emotionalen Bindung eher gepfändet werden, liege darin ein Wertungswiderspruch zwischen den durchzusetzenden finanziellen Belangen einerseits und der von § 811c ZPO geschützten Tier-MenschBeziehung andererseits. Dieser könne unter Geltung des Art. 20a GG nur so aufgelöst werden, „dass das Wohl des Tieres in den Vordergrund“ rücke: Je stärker die emotionale Beziehung des Tieres zu seinem Halter, desto weniger sei eine Ausnahme nach § 811 Abs. 2 ZPO möglich. Zudem gelte: Je empfindungsfähiger das Tier, desto eher werde seine Beziehung zum Halter geschützt. Eine etwaige aus dem Pfändungsverbot folgende Härte für den Gläubiger sei mit den Folgen der Vollstreckung für das Tier abzuwägen, wobei das Gericht „den tendenziellen Vorrang des Tierschutzgedankens zu berücksichtigen“ habe. Durch die Staatszielbestimmung in Art. 20a GG seien die Anforderungen an eine Härte auf Seiten des Gläubigers gestiegen, denn diese betone den Tierschutzgedanken zusätzlich.1818 Auch sonst findet sich der Hinweis, § 811c ZPO sei im Lichte der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG auszulegen.1819 Eine etwas andere Konnotation trägt der wohl ebenfalls als Äußerung zur Rangfolge der auszugleichenden Belange gemeinte Vorschlag, Abwägungsmaßstab sei unter anderem das Interesse „eines nicht übertriebenen, aber doch ernstgenommenen ,Tierschutzes‘“.1820 (4) Bewertung des unterschiedlichen Schutzniveaus für Wirtschafts- und Liebhaber-Tiere Zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere sind vom Pfändungsverbot in § 811c Abs. 1 ZPO ausgenommen. Daraus folgt: Tiere, die wirtschaftlichen Zwecken dienen, genießen geringeren Pfändungsschutz als zu Freizeitzwecken gehaltene (Haus-) Tiere.1821 Diese Wertung deutet das Schrifttum als Zeichen dafür, dass nicht der Tierschutz, sondern menschliche (ideelle) Interessen im Fokus der Vorschrift liegen. Dabei stößt die Differenzierung einerseits auf Verständnis: Bei Nutztieren stünden „eben wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund“.1822 Noch deutlicher wird Dietz:1823 Bei einer Verhinderung der Verwertung landwirtschaftlicher oder gewerblich gehaltener Tiere durch den Tierschutz würde dieser „ohne Not überhöht“. Die Interessen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs an der Verkehrsfähigkeit von Tieren hätten für den Gesetzgeber hier einen höheren Stellenwert. Der Belang des Tierschutzes bleibe auch nach Änderung des Art. 20a GG nachrangig; ausschlaggebend seien weiterhin wirtschaftliche Belange.
1818 1819 1820 1821 1822 1823
Dietz, DGVZ 2003, 81, 82. MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 1 (5. Aufl. 2016). Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 811c ZPO Rn. 4 (76. Aufl. 2018). Dietz, DGVZ 2003, 81, 83. Lorz, MDR 1990, 1057, 1061; ähnlich Schaal, S. 79. Dietz, DGVZ 2003, 81, 83.
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Dies kritisiert Brüninghaus.1824 Sie sieht in dem unterschiedlichen Pfändungsschutzniveau eine nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen Nutz- und Luxustieren, da „erwerbsmäßig gehaltene Tiere ebenfalls Emotionen“ hätten „und unter einer Veränderung ihrer Lebensumstände leiden“ könnten. Es scheine so, als käme es dem Gesetzgeber weniger auf Tierschutz, als vielmehr auf „Tierhalter- oder -hüterschutz“ an. Auch die in § 811c Abs. 2 ZPO vorgesehene Pfändungsmöglichkeit bei hohem Wert des Tieres zeige, dass nach wie vor menschliche, wirtschaftliche Interessen den tierischen Bedürfnissen nach einer gewissen Beständigkeit im Leben vorgezogen werden dürften. Die Herausnahme der zu Erwerbszwecken gehaltenen Tiere aus dem Pfändungsschutz in § 811c Abs. 1 ZPO lässt auch Karsten Schmidt1825 zu der Frage verleiten, „ob hier die Warmherzigkeit des Gesetzgebers wirklich dem Tier oder gar doch nur dem Schuldner“ gelte. Die gleiche Schlussfolgerung daraus zieht neben Schaal1826 auch Grunsky1827: Hier werde „endgültig offenkundig“, dass es ausschließlich um das Affektionsinteresse gehe.1828 Sobald ein zu Erwerbszwecken gehaltenes Tier betroffen sei, spiele, abgesehen von den ohnehin zu beachtenden tierschutzrechtlichen Bestimmungen, das Schicksal des Tieres keine Rolle mehr und die „hehren Worte vom Tier als Mitgeschöpf“ hätten offenbar keine Geltung mehr. Ob ein Tier schutzwürdiges Mitgeschöpf oder reiner Wirtschaftsgegenstand und damit ein „Mitgeschöpf minderer Kategorie“ sei, hänge nach der Konzeption des Gesetzes davon ab, ob es als Haustier gehalten werde. Dies sei „offenkundig inkonsequent“. Dass nur der Schuldnerschutz bezweckt sei, zeige sich überdies daran, dass die Regelung und deren Begründung nicht auf das (individuelle) Schicksal des Tieres abstellten, das heißt auf die Frage, ob seine Situation bei einer Pfändung und anschließenden Zwangsversteigerung sich verschlechtere, quasi unverändert bleibe oder sich gar verbessere.1829 Wenn es aber nicht um den Schutz des Tieres, sondern allein um das Affektionsinteresse des Schuldners gehe, solle man doch „die Karten offen auf den Tisch legen und sich nicht heuchlerisch hinter dem Tier als Mitgeschöpf verstecken“. Schaal1830 konstatiert, das vom Gesetzgeber ausgegebene Ziel, das Postulat des § 1 TierSchG in der Zwangsvollstreckung umzusetzen, könne mithilfe von § 811c ZPO nicht erreicht werden. Abgesehen davon, dass nicht das Zwangsvollstreckungsrecht, sondern das TierSchG der richtige Ort sei, wenn der Schutz für Tiere verbessert werden solle, entpuppe sich die angebliche Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres „letztlich als eine Verbesserung der Rechtsstellung des 1824
Brüninghaus, S. 96 f. Schmidt, JZ 1989, 790, 791. 1826 Schaal, S. 85. 1827 Grunsky, FS Jauch, S. 93, 100. 1828 A. A. Schuschke/Walker-Walker § 811c ZPO Rn. 2 (5. Aufl. 2011). 1829 Ähnlich auch Herfs, S. 34: Nicht immer sei der Verbleib des Tieres beim Schuldner auch für das Tier die beste Lösung. 1830 Schaal, S. 94. 1825
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Schuldners“. Es bestehe die Gefahr, dass der Tierschutzgedanke zugunsten des Schuldners instrumentalisiert werde. Herfs1831 hält dem entgegen, diese Einwände trügen die Schlussfolgerung, „daß es dem Gesetzgeber unter dem Deckmantel des Tierschutzes nur darum gegangen“ sei, „die enge Beziehung des Schuldners zu seinem Tier zu schützen“, nicht, sondern belegten nur, „daß dem Gesetzgeber die Umsetzung seines Ziels nicht zufriedenstellend gelungen“ sei. Die Kritik sei insofern berechtigt, als der Gesetzgeber „den Tierschutz nicht kompromißlos zu verbessern versucht“ habe.1832 § 811c ZPO sei halbherzig ausgestaltet.1833 Im Interesse seiner Effektivität müsse sich der Tierschutz „gleichermaßen auf alle Tiere erstrecken“ und dürfe „je nach Wert oder Nutzungszweck des Tieres keine Abstufungen in der Schutzintensität vorsehen“.1834 Dass das Gesetz eben solche Abstufungen durch die in § 811c ZPO vorhandenen Ausnahmen (zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere und wertvolle Tiere) jedoch beinhaltet, kann sich dann aber auch Herfs im Ergebnis nur damit erklären, dass der Gesetzgeber „neben dem Tierschutz zuallererst und hauptsächlich den Schutz des Tiereigentümers und der engen Beziehung zu seinem Tier im Auge“ gehabt habe.1835 3. Fazit und Bewertung a) „Tierwohl“ im Vollstreckungsrecht: berücksichtigungsfähiger Belang, aber Fremdkörper Im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht hat der Gedanke des Tierschutzes an zwei Stellen ausdrücklich Eingang in das deutsche Vollstreckungsrecht gefunden (§ 765a Abs. 1 S. 3 ZPO: Berücksichtigung der „Verantwortung des Menschen für das Tier“ bei einem Antrag des Schuldners auf Vollstreckungsschutz; § 811c Abs. 2 ZPO: Würdigung der „Belange des Tierschutzes“ bei einem Antrag des Gläubigers auf Pfändung eines Haustiers entgegen dem Grundsatz in § 811c Abs. 1 ZPO). Zwingende gesetzliche Vorgaben des Tierschutzrechts sind bei Vollstreckungsmaßnahmen freilich ohnehin und auch ohne eine explizite Erwähnung von jedem handelnden Akteur, etwa Schuldnern, Gläubigern oder Vollstreckungsorganen, einzuhalten. Gemeint sein dürfte in § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO und § 811c Abs. 2 ZPO aber auch eher eine andere, unterhalb von Verstößen gegen das Tierschutzrecht liegende Ebene der Beachtung von „Tierwohl“-Gesichtspunkten1836, die darin besteht, unter mehreren tierschutzrechtskonformen Optionen die das „Tierwohl“ weniger belastende Option zu wäh1831 1832 1833 1834 1835 1836
Herfs, S. 32 f. Herfs, S. 33. Herfs, S. 35. Herfs, S. 33. Herfs, S. 34. Siehe hierzu Herfs, S. 26 ff.
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len. Die Verweise auf die „Belange des Tierschutzes“ in Abs. 2 der Pfändungsschutzvorschrift § 811c ZPO sowie auf die „Verantwortung des Menschen für das Tier“ in dem für alle Vollstreckungsmaßnahmen geltenden § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO dokumentieren, auch über ihren Anwendungsbereich hinaus, die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit solcher „Tierwohl“-Gesichtspunkte im Zwangsvollstreckungsrecht. Häufig sieht dieses allerdings explizit eine Abwägung (nur) zwischen den Belangen von Schuldner und Gläubiger vor. An diesen Stellen dürfte – ohne eine entsprechend offene Formulierung des Gesetzeswortlauts – die zusätzliche Einbeziehung von Wertungen des „Tierwohls“ ausscheiden. Hier zeigt sich: Als ein im öffentlichen Interesse verfolgter Belang fügt sich der Tierschutz nicht bruchlos in die vor allem auf das bipolare Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bezogene Logik des Vollstreckungsrechts ein. Symptomatisch dafür ist zum Beispiel die Verortung des Tierschutz-Gedankens in der Schuldnerschutzvorschrift § 765a ZPO. b) § 811c ZPO schützt Affektionsinteresse des Schuldners am Tier, aber nicht grenzenlos In Pfändungsschutzvorschriften der ZPO werden Tiere an mehreren Stellen explizit erwähnt. Die Unpfändbarkeitstatbestände in § 811 ZPO dienen dabei allerdings – auch soweit sie sich auf Tiere auswirken – Zwecken, die nicht speziell auf Tiere bezogen sind, etwa dem Schutz wirtschaftlicher Einheiten, dem Schutz der Lebensgrundlage des Schuldners oder der Rücksichtnahme auf körperliche Beeinträchtigungen des Schuldners. Der im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht neu gefasste § 811c ZPO, der bereits einen Vorläufer in § 811 Nr. 14 ZPO hatte, ist dahingegen geradezu paradigmatisch für eine tierspezifische Vorschrift. Wieder changieren hier nämlich die Meinungen über den Schutzzweck der Norm zwischen Tierschutz und dem Schutz des Affektionsinteresses am Tier; und auch die Gesetzesmaterialien sind in dieser Hinsicht ambivalent: Die Neufassung von § 811c ZPO im Jahr 1990 erfolgte nicht nur im Rahmen eines Gesetzes, das schon seinem Titel nach der Verbesserung der Rechtsstellung von Tieren dienen sollte, sondern wurde auch in der näheren Einzelbegründung als ein den Tierschutz bezweckender Akt dargestellt, wenngleich bereits in den Materialien anklingt, dass bei der Neuregelung auch an die Bindung des Schuldners zu dem Tier gedacht wurde. Da der Schutzzweck insofern vielfach als verschleiert empfunden wird, forderte dies Kritik heraus. Gerade der Umstand, dass § 811c ZPO den Pfändungsschutz auf im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere beschränkt, zeigt deutlich: Es geht um den Schutz des Affektionsinteresses. Wäre die Förderung eines ethischen, also um des Tieres selbst willen erfolgenden Tierschutzes Hauptmotiv der Regelung, würde die Differenzierung nach dem Zweck der Tierhaltung nicht einleuchten. Das schließt nicht aus, dass die mit dem rechtlichen Schutz des schuldnerischen Affektionsinteresses einhergehenden positiven Folgen für das Tier nicht eine durchaus erwünschte Nebenfrucht sind. Denn wie im Schadensrecht bei § 251 Abs. 2
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S. 2 BGB dürfte auch hier gelten, dass gleichsam zufällig das dem Affektionsinteresse Rechnung tragende Ergebnis – im Schadensrecht: die Durchführung der kostspieligen Heilbehandlung; im Zwangsvollstreckungsrecht: der Verbleib des Tieres in seiner gewohnten Umgebung – häufig auch das für das „Tierwohl“ günstigere Ergebnis ist. In der Hauptsache schützt § 811c ZPO aber das immaterielle Interesse des Schuldners, sein Haustier behalten zu dürfen. § 811c ZPO lässt sich daher als gesetzgeberische Anerkennung der Schutzwürdigkeit des Affektionsinteresses an einem Tier im Vollstreckungsrecht werten. Den Schutz dieses Interesses stuft der Gesetzgeber in § 811c Abs. 1 ZPO als in gewissem Umfang vorrangig gegenüber dem konkurrierenden (materiellen) Zugriffsinteresse des Gläubigers ein. Gedacht wurde hier wohl vor allem an die leicht vorstellbaren Konstellationen, in denen der zu erwartende (eher geringe) Verwertungserlös aus der Tier-Pfändung in einem Missverhältnis zu der emotionalen Härte steht, die eine Wegnahme des Haustieres für den Schuldner bedeutet. Dies zeigt § 811 Abs. 2 ZPO. Die darin vorgesehene Möglichkeit des Gläubigers, wegen des hohen Wertes des Tieres entgegen § 811c Abs. 1 ZPO die Zulassung der Pfändung zu beantragen, dokumentiert zugleich: Der Schutz des ideellen Interesses des Schuldners am Tier ist nicht grenzenlos. Exemplarisch für das Konglomerat aus Tierschutz und dem Schutz des Affektionsinteresses am Tier ist in diesem Zusammenhang auch, dass § 811c Abs. 2 ZPO unter den für die Entscheidung über einen Antrag des Gläubigers maßgeblichen Faktoren neben den Interessen von Gläubiger und Schuldner zudem die „Belange des Tierschutzes“ nennt. Eine Berücksichtigung des schuldnerischen Affektionsinteresses am Tier im Vollstreckungsrecht ist im Übrigen auch allgemein möglich über den Vollstreckungsschutz nach § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO. Denn die Bindung des Schuldners an ein von einer Vollstreckungsmaßnahme betroffenes Tier kann je nach Einzelfall einer der Umstände sein, die zu einer mit den guten Sitten nicht zu vereinbarenden Härte führen. c) Parallelen zwischen § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und § 811c ZPO Die tierbezogenen neuen Regelungen im Zwangsvollstreckungsrecht aus dem Jahr 1990 (das heißt insbesondere § 811c ZPO und § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO) sind neben der schadensrechtlichen Vorschrift in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB besonders deutliche Beispiele für bestimmte Beobachtungen, die sich überall dort, wo Tiere zivilrechtlich speziell behandelt werden, gehäuft antreffen lassen: Sie sind paradigmatisch für das gleichsam als Motivbündel verpackte Gemenge von Tierschutz und dem Schutz des Affektionsinteresses am Tier, für die teils kaum trennbare inhaltliche Vermischung beider Aspekte, für Bezugnahmen des Gesetzgebers auf den Tierschutz, wo aber bei eingehender Betrachtung in Wahrheit primär der Schutz der auf dem Tier ruhenden immateriellen Interessen gemeint sein muss, und für die dadurch ausgelöste Kritik gegenüber der rechtlichen Rücksichtnahme auf das Affektionsinteresse an Tieren überhaupt.
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Speziell zwischen der durch § 811c ZPO neu gestalteten Situation im Zwangsvollstreckungsrecht und der zeitgleich im Schadensrecht getroffenen Neuregelung in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB gibt es Parallelen. Wie bei dem Problem der Ersatzfähigkeit hoher Heilbehandlungskosten stehen sich auch bei der Frage, ob ein Gläubiger zur Befriedigung seines Anspruchs auf ein Tier des Schuldners zugreifen kann, Vermögensinteressen (des Schädigers beziehungsweise des Gläubigers) auf der einen, immaterielle Interessen (des Tier-Eigentümers beziehungsweise Schuldners) auf der anderen Seite gegenüber. In beiden Fällen ermöglicht das Gesetz zwar auch die Berücksichtigung der (wirtschaftlichen) Belange des Schädigers beziehungsweise Gläubigers: Im Schadensrecht dadurch, dass § 251 Abs. 2 S. 2 BGB den Verhältnismäßigkeitsvorbehalt des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB nicht außer Kraft setzt, sondern nur modifiziert; bei der Tierpfändung durch die Möglichkeit von Rückausnahmen auf Antrag des Gläubigers nach § 811c Abs. 2 ZPO. Hier kommt dann jeweils dem objektiven Wert des Tieres und damit dem an ihm bestehenden materiellen Interesse Bedeutung zu. Den immateriellen Interessen des Tierhalters (oder wie es nach der Diktion des Gesetzgebers scheint: dem Tierschutz) räumt das Gesetz aber zunächst einmal einen gewissen Vorrang ein. Anders als § 811c ZPO differenziert § 251 Abs. 2 S. 2 BGB freilich nicht nach dem Zweck der Tierhaltung, sodass dort nicht schon dies als Beleg dafür herangezogen werden kann, dass der Schutz des Affektionsinteresses im Vordergrund steht. Jedoch gibt es dafür auch hier Anzeichen. Schon die in diesem Zusammenhang veröffentlichten Entscheidungen zeigen etwa, dass der Regelungsgehalt des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB praktisch nur für aus Liebhaberei gehaltene Tiere relevant wird. Entsprechend sieht ein Teil des Schrifttums zu Recht1837 den Hauptzweck auch dieser Vorschrift im Schutz der Bindung des Eigentümers an das Tier und erwägt teils sogar, sie im Wege der teleologischen Reduktion nur auf Haustiere anzuwenden.1838 4. Blick in andere Rechtsordnungen Der Schutz der emotionalen Bindung des Schuldners an sein Haustier und der Gedanke des Tierschutzes haben sich auch im Vollstreckungsrecht anderer Rechtsordnungen in Form von Sonderregeln für Tiere niedergeschlagen. a) Österreich: § 250 Abs. 1 Ziff. 4 Exekutionsordnung Das österreichische Vollstreckungsrecht sah im Hinblick auf Tiere ursprünglich nur einen – heute aus der Zeit gefallenen – Pfändungsschutz für eine kleine Zahl von landwirtschaftlichen Nutztieren zur Ernährung des Schuldners und seiner Familienmitglieder vor (ähnlich dem deutschen § 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Im Zuge der 1837 1838
Siehe dazu vorne bei Fn. 1417 und später bei Fn. 1882. Siehe dazu bereits vorne bei Fn. 1295.
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sogenannten Exekutionsordnungs-Novelle 19951839 wurde dieses Pfändungsverbot mit Wirkung zum 1. Juli 1996 um Haustiere ergänzt. Seither sind gemäß § 250 Abs. 1 Ziff. 4 Exekutionsordnung (EO) „nicht zur Veräußerung bestimmte Haustiere, zu denen eine gefühlsmäßige Bindung besteht, bis zum Wert von 750 Euro“ unpfändbar. Zu dem Schritt entschied man sich ausweislich der Materialien1840, weil man die bis dahin bestehende Pfändbarkeit von Haustieren als „nicht gerechtfertigt“ empfand. Diese Bewertung wurde auf drei Begründungssäulen gestützt. Die erste Säule ist eine Art Missbrauchsargument. Es betrifft die bei der Pfändung von Haustieren zumeist nur geringe wirtschaftliche Erlöserwartung des Gläubigers in Relation zu einem stark ausgeprägten ideellen Interesse des Schuldners am Tier: Zu Haustieren bestehe in der Regel eine gefühlsmäßige Bindung, sodass die Pfändung dieser Tiere von dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger oft nur dazu benutzt werde, um den Verpflichteten unter Druck zu setzen, heißt es in den Materialien. Die zweite Erwägung klingt nach einem Tierschutz-Argument: In den meisten Fällen habe auch das Haustier eine Bindung zu den im Haushalt lebenden Personen, sodass eine Wegnahme des Tiers auch unter diesem Gesichtspunkt problematisch erscheine.1841 Drittens wird auf die seit 1988 in Österreich geltende Grundsatznorm für Tiere verwiesen: Die besondere Stellung von Tieren ergebe sich auch aus § 285a ABGB (Tiere sind keine Sachen). Nicht zur Veräußerung bestimmte Haustiere, zu denen eine gefühlsmäßige Bindung bestehe, sollten daher grundsätzlich unpfändbar sein; der Zweck des Exekutionsverfahrens erfordere jedoch, eine Wertgrenze festzulegen. In der Literatur wird § 250 Abs. 1 Ziff. 4 EO erwartungsgemäß als eine vor allem unter der Zielsetzung des Schuldnerschutzes, nicht des Tierschutzes stehende Vorschrift eingeordnet.1842 Kritik1843 richtet sich dabei gegen die Unschärfe der Regelung – nicht nur bezüglich des Begriffs „Haustier“, sondern vor allem hinsichtlich des Kriteriums einer gefühlsmäßigen Bindung: Wie dies in dem auf faktische, rasche Rechtsverwirklichung ausgerichteten Vollstreckungsverfahren (womöglich vom Gerichtsvollzieher) geprüft werden solle (genügt bloße Behauptung oder bedarf es gar aufwendiger psychologischer Erhebungen?), sei unklar, sodass die Bestimmung wohl in praxi nur darauf hinaus laufen könne, bei Haustieren bis zu einem Wert von 750 Euro prima facie von einer gefühlsmäßigen Bindung auszugehen, den Gegenbeweis aber zuzulassen.
1839
BGBl. Nr. 519/1995. 195 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XIX. Gesetzgebungsperiode – Regierungsvorlage, S. 41. 1841 Hervorhebung durch Verf. 1842 Schneider Kayasseh, S. 18; Schwimann/Kodek-Hofmann § 285a ABGB Rn. 3 (4. Aufl. 2012); Rummel/Lukas-Holzner § 285a ABGB Rn. 2 (4. Aufl. 2016). 1843 Schwimann/Kodek-Hofmann § 285a ABGB Rn. 3 (4. Aufl. 2012). 1840
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b) Schweiz: Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs Im Zuge des zum 1. April 2003 in Kraft getretenen, in dieser Arbeit schon mehrfach aufgegriffenen schweizerischen Gesetzes1844, das an verschiedenen Stellen der Rechtsordnung Sonderregeln für Tiere einführte, nahm man auch im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) eine Änderung vor. Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG erklärt seither „Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden“, für unpfändbar. Aus den Gesetzesmaterialien wird ersichtlich, dass man – unter Berücksichtigung der ohnehin eher kleinen praktischen Relevanz von Haustier-Pfändungen und des zumeist nur geringen Umfangs der dabei tangierten wirtschaftlichen Interessen1845 – durch das ausdrückliche Pfändungsverbot die Bindung des Schuldners an sein Haustier schützen und in dieser Frage Klarheit herstellen wollte. In der Gesetzesbegründung1846 heißt es, die Bedeutung, die ein Tier für von Vereinsamung bedrohte Menschen haben könne, werde „zunehmend erkannt, beispielsweise in Altersheimen oder bei kranken Menschen“. Ein explizites Pfändungsverbot für Tiere solle „für die Rechtsanwender eine klare Situation schaffen“. Aus „menschlichen Gründen“, und „weil die Verwertung von Tieren schwierig“ sei, erfolge die Pfändung von Haustieren zwar selten. Künftig könne sich aber infolge „der unsicheren Wirtschaftslage“ die Zahl der (Zwangsvollstreckungs-)Betreibungen erhöhen und somit die Frage nach der Pfändbarkeit von Tieren öfter stellen und auch in der Öffentlichkeit vermehrt diskutiert werden. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs (auf im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltene Tiere) dient nach den Gesetzesmaterialien dazu, Missbräuchen vorzubeugen.1847 Aufgegriffen wurde die neue Vorschrift bereits in einem Urteil des schweizerischen Bundesgerichts1848, das bei der Gelegenheit auch seine Anschauungen über den Schutzzweck von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG erkennen ließ. Es ging in dem Verfahren um die Wirksamkeit einer Bestimmung in einem kantonalen Hundegesetz 1844 Bundesgesetz vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS (Amtliche Sammlung des Bundesrechts) 2003, 463. 1845 Siehe nur die Stellungnahme des Bundesrates hierzu (BBl. 2002, 5806, 5808): „Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, bieten kaum Aussicht auf einen Verwertungserlös und werden deshalb kaum je gepfändet. Es ist daher davon auszugehen, dass die vorgeschlagene Bestimmung (Art. 92 Ziff. 1a [neu] SchKG), wonach solche Tiere unpfändbar sind, keine praktischen Auswirkungen zeitigen wird.“ 1846 BBl. 2002, 4164, 4173 (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats). 1847 Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang noch darauf, dass die Kosten für den Unterhalt und die medizinische Betreuung des Tieres vollstreckungsrechtlich weiterhin aus dem für den Schuldner verbleibenden Pauschalbetrag bestritten werden müssten (so schon Urt. d. Bundesgerichtes v. 25. 06. 2002 – 7B.68/2002, BGE 128 III 337, 338), da dies der Praxis des Betreibungsrechts entspreche, wonach finanzielle Belastungen für ein Hobby nicht in die Berechnung des Existenzminimums einbezogen werden (krit. hierzu Schneider Kayasseh, in: Michel/Kühne/Hänni, S. 271, 292 m. w. N.). 1848 Bundesgericht, Urt. v. 26. 09. 2008 – 2 C_73/2008, BGE 134 I 293 ff.
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über die Durchsetzung der (öffentlich-rechtlichen) finanziellen Verpflichtungen von Hundehaltern. Als mögliches Mittel war darin unter anderem die Einziehung des Hundes vorgesehen. Der Kläger rügte, diese Regelung verstoße gegen das bundesrechtliche Pfändungsverbot von Heimtieren. In der Entscheidung führte das Bundesgericht aus, die affektive Beziehung zu Heimtieren gelte „nach heutiger Anschauung als schützenswertes Rechtsgut, was unter anderem im vom Bundesgesetzgeber beschlossenen Pfändungs- und Retentionsverbot1849 für solche Tiere zum Ausdruck“ komme. Die neue Regelung in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG nehme Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, im Hinblick auf die oftmals starken emotionalen Bindungen zwischen Mensch und Tier und den meist geringen, zum affektiven Wert in keinem Verhältnis stehenden Verwertungserlös von der Möglichkeit der Pfändung und Verwertung aus. Das Pfändungsverbot besage aber lediglich, dass Heimtiere nicht zur Befriedigung von Geldforderungen (beliebigen Ursprungs) der Zwangsverwertung zugeführt werden dürften; es garantiere weder ein absolutes Recht auf Haltung von Heimtieren noch befreie es von der Erfüllung der mit der Tierhaltung verbundenen finanziellen (und sonstigen) Verpflichtungen gegenüber dem Staat und Dritten und es schließe anderweitige rechtliche Schranken, welche der Tierhaltung entgegenstehen könnten, ebenso wenig aus wie die Möglichkeit des Gesetzgebers, die Nichterfüllung der mit der Tierhaltung verbundenen finanziellen (und sonstigen) Pflichten durch administrative Rechtsnachteile und Verwaltungsstrafen zu sanktionieren. Ein Verstoß der kantonalen Regelung gegen den Vorrang des Bundesrechts wurde damit verneint. c) Weitere europäische Rechtsordnungen (Portugal, Frankreich) In das portugiesische Zivilprozessrecht wurde mit Wirkung zum 1. Mai 20171850 ein Pfändungsverbot für Haustiere („Os animais de companhia“) neu eingefügt (Art. 736 Nr. g) Código de Processo Civil). Auch in Frankreich sind Haustiere („les animaux d’appartement“) regelmäßig von der Pfändung ausgenommen.1851 1849
En passant wird hier vorausgesetzt, dass nicht nur die Pfändung, sondern auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an Tieren nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG gesetzlich ausgeschlossen ist, obwohl die Frage, ob aus der Unpfändbarkeit eines Gegenstandes zugleich folgt, dass an diesem kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann, im schweizerischen Recht streitig ist und bisher vom Bundesgericht offen gelassen worden war, siehe Hk Schweizer Privatrecht-Koller Art. 895 – 898 ZGB Rn. 33 (2. Aufl. 2012); Büchler/ Jakob-Schmid-Tschirren Art. 896 ZGB Rn. 8 (2012). Art. 896 ZGB sagt: An Sachen, deren Natur eine Verwertung nicht zulässt, kann das Retentionsrecht nicht ausgeübt werden. Ebenso ist die Retention ausgeschlossen, wenn ihr eine vom Gläubiger übernommene Verpflichtung, oder eine vom Schuldner vor oder bei der Übergabe der Sache erteilte Vorschrift oder die öffentliche Ordnung entgegensteht. 1850 Lei n.8 8/2017 de 3 de março, Diário da República n.8 45/2017, Série I de 2017 – 03 – 03. 1851 Dies folgt aus Art. R112 – 2 Nr. 14 i. V. m. Art. L112 – 2 Nr. 5 des Code des procédures civiles d’exécution. Art. L112 – 2 Nr. 5 sagt im Grundsatz: „Ne peuvent être saisis: (…) Les biens mobiliers nécessaires à la vie et au travail du saisi et de sa famille (…)“. Art. R112 – 2
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d) USA Der Ansatz, Haustiere zum Schutz des schuldnerischen Affektionsinteresses dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen, findet sich wohl auch in den USA. Wie Peak1852 berichtet, nimmt dort das (dezentral geregelte) Insolvenzrecht in den meisten Staaten „household pets“ explizit von der Liquidierung aus, obwohl Insolvenzverwalter im Grundsatz offensiv Vermögensgegenstände zur Befriedigung der Gläubiger-Ansprüche zusammentragen müssen. Dabei kann der Begriff der „household pets“ weit verstanden werden. Das zeigt eine hierzu ergangene Entscheidung eines Insolvenzgerichts, das über eine gleichsam am Schutzzweck orientierte Auslegung auch ein draußen gehaltenes Pferd noch als „household pet“ ansah; es stellte dazu vornehmlich auf den Aspekt der Bindung des Menschen zu dem Tier sowie den Zweck der Tierhaltung ab – ein „household pet“ werde zum Vergnügen gehalten und um Gesellschaft zu leisten.1853 Peak1854 wertet dies als Indiz für einen Trend, Tiere rechtlich nicht mehr als bloßes Eigentumsobjekt, sondern – je nach Funktion – in ihrer Dimension als „Familienmitglied“ wahrzunehmen. e) Zusammenfassender Vergleich und Tendenzaussagen Die hier nur stichprobenartig gewonnenen Einzelfunde in Österreich, der Schweiz, Portugal, Frankreich und den USA deuten darauf hin, dass es auch außerhalb Deutschlands eine Neigung gibt, bestimmte Tiere dem Zugriff von Gläubigern – und insbesondere der Pfändung – nicht zu unterwerfen. Definiert wird diese Gruppe der unpfändbaren Tiere dabei typischerweise durch eine Anknüpfung zum einen an den Zweck der Tierhaltung (Haltung zu Freizeitzwecken; als Gegensatz einer Haltung zu wirtschaftlichen Zwecken) und zum anderen an die räumliche Nähe zwischen Tier und Mensch. Als dahinter liegende Überlegung entpuppt sich, dass bei klassischen Haustieren, die zu Freizeitzwecken und in räumlicher Nähe zum Menschen gehalten werden, der in dem Tier verkörperte materielle Wert und das damit einhergehende Erlösinteresse des Gläubigers oftmals nicht allzu groß ist und in einem Missverhältnis zu der den Schuldner bei einer Verwertung des Tieres treffenden immateriellen Einbuße steht – was daher auch ein gewisses Missbrauchspotential (auf Gläubiger-Seite) birgt. Das Zugriffsinteresse des Gläubigers wird deshalb als weniger schutzwürdig eingestuft als das ideelle Interesse des Schuldners, Nr. 14 sagt: „Pour l’application du 58 de l’article L. 112 – 2, sont insaisissables comme étant nécessaires à la vie et au travail du débiteur saisi et de sa famille: (…) Les animaux d’appartement ou de garde“. 1852 Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 512. 1853 In re Gallegos, United States Bankruptcy Court, D. Idaho, October 16, 1998, 226 B.R. 111, 112: „It is more the fact that an animal is held primarily for the enjoyment and companionship of its owners, and not for some other reason, that makes the pet a member of a debtor’s household. There is no dispute that a special bond exists between Debtors’ family members and (…) [the horse]“. 1854 Paek, 25 U. Hawai’i L. Rev. 481 (2003), 513.
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sein Haustier zu behalten. Dass diese Art der Interessenabwägung zugrunde liegt, zeigen auch die teilweise vorzufindenden Ausnahmen für Haustiere mit hohem (materiellen) Wert (zum Beispiel Grenze von 750 Euro in Österreich; § 811c Abs. 2 ZPO in Deutschland). Als Motiv solcher Regelungen, die Haustiere von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verschonen, taucht zwar auch – allein schon wegen der Reziprozität der Mensch-Tier-Beziehung – der Tierschutz auf, doch tritt dieser Aspekt hier recht deutlich hinter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes zurück. Denn gerade die funktionale Begrenzung der Vollstreckungsverbote auf bestimmte Tier-Gruppen, bei denen typischerweise in besonderem Maße immaterielle Interessen im Raum stehen, legt offen, dass eine Rücksichtnahme auf das Affektionsinteresse des Schuldners handlungsleitend war.
V. Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten an Tieren? Eine gewisse Nähe zum Vollstreckungsrecht weisen – in ihrer Wirkung als Druckmittel zur Durchsetzung eines Anspruchs1855 – Zurückbehaltungsrechte auf. Potentieller Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts können gemäß § 90a S. 3 BGB auch Tiere sein. Praktisch relevant geworden und zu Gerichten gekommen ist zum Beispiel die Fallkonstellation, dass ein Veterinär oder eine Tierklinik ein Tier wegen des Zahlungsanspruchs auf Kosten der Behandlung (und gegebenenfalls Fütterung) desselben zurückbehielt.1856 Äußerungen in der Literatur und der Rechtsprechung implizieren dabei: Aus dem Umstand, dass es sich bei dem zurückbehaltenen Objekt um ein Tier handelt, können Besonderheiten folgen. Ein näherer Blick auf die Frage, anhand welcher Gesichtspunkte derartige Besonderheiten begründet werden, lässt wieder vor allem zwei Anknüpfungspunkte ins Auge fallen: Zum einen das immaterielle Interesse (hier: des Herausgabegläubigers) an dem Tier, zum anderen der Schutz des Tieres (hier also des „Zurückbehaltungsobjekts“ selbst). 1. Äußerungen im Schrifttum: Bindung an das Tier oder Tierschutz hindern Zurückbehaltungsrecht im Einzelfall In der Literatur wird ein Zurückbehaltungsrecht an Tieren zwar für grundsätzlich möglich gehalten,1857 doch soll es im Einzelfall bei Tieren nicht selten wegen der besonderen Eigenarten des Gegenstandes, an dem es besteht, ausgeschlossen sein.1858 1855
Vgl. MüKo-Krüger § 273 BGB Rn. 3 (7. Aufl. 2016). AG Bad Homburg, Urt. v. 11. 04. 2002 – 2 C 1180/01 (10), NJW-RR 2002, 894; LG Köln, Urt. v. 05. 01. 2011 – 9 S 75/10 – juris; LG Mainz, Urt. v. 30. 04. 2002 – 6 S 4/02, NJW-RR 2002, 1181 f. 1857 Stellvertretend Staudinger-Bittner § 273 BGB Rn. 66 (Neubearb. 2014). 1858 Etwa Hk-Schulze § 273 BGB Rn. 12 (9. Aufl. 2017); ähnlich MüKo-Krüger § 273 BGB Rn. 47 (7. Aufl. 2016); ähnliche Überlegungen finden sich für das schweizerische 1856
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Einige Äußerungen in der Kommentarliteratur lassen sich dabei so verstehen, dass die (ideelle) Bedeutung des betreffenden Tieres für den Herausgabegläubiger einem Zurückbehaltungsrecht entgegenstehen kann. So werden Haustiere der Fallgruppe zugeordnet, dass ein „Gegenstand besondere Bedeutung für die Lebensführung des Gläubigers hat oder ihm sein Entzug auf Dauer aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann“. An Haustieren könne ein Zurückbehaltungsrecht „gemäß § 90a BGB (…) ausgeschlossen sein“.1859 Ein „Tier, zu dem der Gläubiger eine besondere persönliche Beziehung hat“, sei ein Beispiel für den Fall, dass „die besondere Zweckbestimmung des Gegenstandes, seine Bedeutung für die Lebensführung des anderen Teils (…) zur Folge“ habe, dass der Gegenstand der Partei „zur Sicherung der Gegenforderung nicht vorenthalten werden“ könne.1860 Andererseits werden Einschränkungen beim Zurückbehaltungsrecht expressis verbis auf Tierschutz-Gesichtspunkte gestützt. So heißt es etwa, in Bezug auf Tiere könne ein Zurückbehaltungsrecht im Einzelfall ausgeschlossen sein, „wenn unter Zugrundelegung der Wertung des § 1 TierSchG eine möglicherweise irreparable Einwirkung auf das Tier“ erfolge, „etwa weil es bei besonderer Anhänglichkeit an den Herausgabeberechtigten durch die Trennung psychischen Schaden nehmen könnte“.1861 An anderer Stelle wird formuliert, an Tieren bestehe kein Zurückbehaltungsrecht, soweit sie auf bestimmte Personen fixiert seien. Ausscheiden könne eine solche persönliche Nähe zum Tier aber insbesondere dann, wenn das Tier aus Erwerbszwecken gehalten werde.1862 2. Rechtsprechungspanorama: Tierschutz und Parallelen zum Vollstreckungsrecht prägen Argumentation Auch die Rechtsprechung sieht Anlass zu einer besonderen Behandlung von Zurückbehaltungsrechten an Tieren, stützt sich dabei aber tendenziell mehr auf Tierschutz-Gesichtspunkte als auf die Bindung des Herausgabegläubigers zum Tier. In einem vom LG Köln1863 stammenden Urteil, in dem es um ein Zurückbehaltungsrecht an einem Hund ging, heißt es beispielsweise, maßgeblich für die Beurteilung des Zurückbehaltungsrechts an einem Tier seien „die Aspekte des Tierschutzes, vgl. v. a. § 1 TierSchG“. Im zu entscheidenden Fall verneinte das Gericht Recht bei Schneider Kayasseh, S. 83 in Bezug auf das sog. Retentionsrecht (Art. 57 Abs. 1 OR: Zurückbehaltungsrecht an einem Tier wegen eines noch offenen Anspruchs auf Ersatz eines durch das Tier verursachten Schadens): Die Retention sei unzulässig, wenn das Tier lediglich für den Tiereigentümer einen Wert habe (Affektionswert). Zur Sicherung der Forderung sei das Tier dann untaugliches Objekt. 1859 jurisPK-Kerwer § 273 BGB Rn. 18 (7. Aufl. 2014). 1860 MüKo-Krüger § 273 BGB Rn. 47 (7. Aufl. 2016). 1861 Staudinger-Bittner § 273 BGB Rn. 66 (Neubearb. 2014). 1862 Bamberger/Roth-Lorenz § 273 BGB Rn. 30 (41. Ed. 2015). 1863 LG Köln, Urt. v. 05. 01. 2011 – 9 S 75/10 – juris.
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die Rechtmäßigkeit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, „weil dem kranken und einzuschläfernden Hund (…) durch den weiteren Zeitverlust unnötiges Leiden zugefügt worden wäre“. „Tierwohl“-Erwägungen machte auch das OLG München1864 in einem Streit um ein Zurückbehaltungsrecht an Pferden. Dabei wertete das Gericht es als einen für das Zurückbehaltungsrecht sprechenden Umstand, dass die hiervon betroffenen Pferde in gewohnter Umgebung und zu zweit zurückbehalten wurden, sodass „keine Vereinsamungsgefühle, seelischer Schmerz oder gar organische Krankheiten“ entstehen könnten. „Um dies zu beurteilen“, so bemerkte das OLG, müsse „sich der Senat nicht der Hilfe eines Sachverständigen bedienen“. Das Gericht betonte in seiner Entscheidung, aus dem TierSchG lasse sich nichts zu einem generellen Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten an Tieren herleiten. Auch seien nach § 90a BGB die für Sachen geltenden Vorschriften grundsätzlich auf Tiere anwendbar und die Zurückbehaltung nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Eine Mischung aus Tierschutz-Gesichtspunkten und Erwägungen zum Schutz des Herausgabegläubigers findet sich in einer frühen, noch kurz vor Einfügung des § 90a BGB ergangenen, später vom AG Bad Homburg1865 und AG Duisburg1866 aufgegriffenen Entscheidung des LG Stuttgart1867. Zunächst heißt es darin: Zwar seien Tiere bewegliche Sachen im Sinne des BGB. Der Sachbegriff sei aber im Lichte des TierSchG zu interpretieren. Aus dem von § 1 TierSchG abgeleiteten Grundsatz, dass der Mensch aus Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen habe, ergebe sich, dass „eine rein sachenrechtliche Betrachtungsweise der Betrachtung des Tieres als Mitgeschöpf nicht mehr gerecht“ werde. Es sei anerkannt, dass Hunde auf die Person des Halters fixiert seien. Die sprichwörtliche Anhänglichkeit und Treue von Hunden finde darin ihren Ausdruck.1868 Sodann wird diese eher Tierschutz-basierte Argumentation vermengt mit einer Erwägung, die gleichsam nach einem Schutz des Herausgabegläubigers vor ungewollter negativer Einflussnahme auf den Tier-Charakter klingt: Wenn ein Hund nicht bei seinem eigentlichen Halter sei, könne es zur Beeinflussung des Verhaltens kommen.1869 Das LG Stuttgart spricht hier davon, dass das Tier „durch grobe und rohe Behandlung (…) ohne daß dies körperlich sichtbar“ werde, „in seinem Verhalten unberechenbar und gefährlich“ werden könne.1870 Gerade weil das Ergebnis derartiger Beeinflussung nicht von vornherein erkennbar, ein durch entsprechende Charakterveränderung entstehender Schaden bei einem Tier aber kaum reparabel sei, 1864
OLG München, Urt. v. 18. 02. 1999 – 24 U 567/98 – juris. AG Bad Homburg, Urt. v. 11. 04. 2002 – 2 C 1180/01 (10), NJW-RR 2002, 894. 1866 AG Duisburg, Urt. v. 28. 07. 2008 – 77 C 1709/08 – juris. 1867 LG Stuttgart, Beschl. v. 22. 05. 1990 – 21 O 161/90, NJW-RR 1991, 446. 1868 LG Stuttgart, Beschl. v. 22. 05. 1990 – 21 O 161/90, NJW-RR 1991, 446; ebenso später AG Bad Homburg, Urt. v. 11. 04. 2002 – 2 C 1180/01 (10), NJW-RR 2002, 894; AG Duisburg, Urt. v. 28. 07. 2008 – 77 C 1709/08 – juris. 1869 AG Bad Homburg, Urt. v. 11. 04. 2002 – 2 C 1180/01 (10), NJW-RR 2002, 894; AG Duisburg, Urt. v. 28. 07. 2008 – 77 C 1709/08 – juris. 1870 LG Stuttgart, Beschl. v. 22. 05. 1990 – 21 O 161/90, NJW-RR 1991, 446. 1865
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verbiete es sich, ein Zurückbehaltungsrecht an einem Hund anzunehmen.1871 Nur dem Halter stehe „das Recht zu, den Hund zu erziehen und zu halten“.1872 Dagegen befand das LG Mainz,1873 ein Hund könne durchaus tauglicher Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts sein. Die Zurückbehaltung eines Tieres stehe weder generell in Widerspruch zu § 1 TierSchG noch zu § 90a BGB. Zwar könne aus der im Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht getroffenen gesetzgeberischen Wertung, dass Tiere rechtlich von Sachen abzugrenzen seien, und aus § 1 TierSchG gefolgert werden, dass „eine rein sachenrechtliche Betrachtungsweise der Betrachtung des Tieres als Mitgeschöpf nicht mehr gerecht“ werde. Andererseits ordne § 90a S. 3 BGB jedoch die entsprechende Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften an. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass Tiere trotz ihrer rechtlichen Aufwertung zum Mitgeschöpf weiterhin als Gegenstand verpflichtender Geschäfte und sachenrechtlicher Vorgänge dem Rechtsverkehr zugänglich blieben. Dies lasse den Schluss zu, dass Tiere nach wie vor Wert-„Sachen“ seien und im Regelfall auch entsprechend behandelt werden müssten. Die für Sachen geltenden Vorschriften sollten nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann nicht anwendbar sein, wenn dies dem Tierschutz widerspreche. § 90a BGB und dem TierSchG könne somit kein genereller Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts entnommen werden, sondern ein Ausschluss könne sich nur für den jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben und der Eigenart des Schuldverhältnisses ergeben. Bei der Beurteilung des Einzelfalls seien dann maßgeblich die Aspekte des Tierschutzes zu bedenken. So müsse ein Zurückbehaltungsrecht etwa verneint werden, wenn bei dem Tier durch den Verbleib beim Gläubiger (des zu sichernden Anspruchs) Vereinsamungsgefühle, seelischer Schmerz oder gar organische Krankheiten entstünden. Gleiches gelte für den Fall, dass das Tier von einer Person getrennt werde, auf die es besonders fixiert sei. Im zu entscheidenden Fall sprach aus Sicht des Gerichts für ein Zurückbehaltungsrecht, dass Tier und Halter wohl nicht „eine besondere, über das übliche Maß hinausgehende Zuneigung“ verband und dass das Tier in der Obhut des Herausgabeschuldners eine sachgerechte und sogar fachmännische Versorgung erfahren hätte. Überdies zog das LG Mainz eine Parallele zur Pfändungsschutzvorschrift des § 811c ZPO. Der Grund für diese Regelung liege darin, „dass aus Gründen des Tierschutzes nicht in die enge Beziehung zwischen Schuldner und Tier eingegriffen werden“ solle. Der Gedanke könne auf das Zurückbehaltungsrecht übertragen werden. Auch durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts werde die emotionale Bindung zwischen Tier und Halter materialisiert und der Rechtsstreit auf dem Rücken des Tieres ausgetragen. Da im zu entscheidenden Fall der Gläubiger des 1871 LG Stuttgart, Beschl. v. 22. 05. 1990 – 21 O 161/90, NJW-RR 1991, 446; AG Bad Homburg, Urt. v. 11. 04. 2002 – 2 C 1180/01 (10), NJW-RR 2002, 894; AG Duisburg, Urt. v. 28. 07. 2008 – 77 C 1709/08 – juris. 1872 AG Bad Homburg, Urt. v. 11. 04. 2002 – 2 C 1180/01 (10), NJW-RR 2002, 894; AG Duisburg, Urt. v. 28. 07. 2008 – 77 C 1709/08 – juris. 1873 LG Mainz, Urt. v. 30. 04. 2002 – 6 S 4/02, NJW-RR 2002, 1181 f.
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Herausgabeanspruchs aber eine Hobbyhundezucht betrieb, bezweifelte das Gericht schon aus diesem Grund die Übertragbarkeit des ja nur für nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tiere geltenden § 811c ZPO. Auch erscheine „eine Gleichbehandlung von Pfand- und Zurückbehaltungsrecht nicht in jedem Fall gerechtfertigt“. Gegen eine Gleichstellung der beiden Rechtsinstitute spreche nämlich, dass ein Vollstreckungsschuldner in der Regel nicht imstande sei, die Vollstreckung durch Leistung abzuwenden und sein Tier vor einer Pfändung zu bewahren. Der Tierhalter, dem ein Zurückbehaltungsrecht entgegengesetzt werde, sei dagegen – wie auch im zu entscheidenden Fall – regelmäßig wirtschaftlich dazu in der Lage, zu leisten und so die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts abzuwenden. Unter anderem auf Parallelen zu den Wertungen des Vollstreckungsrechts setzte auch das OLG Braunschweig1874 in seiner Entscheidung über ein Zurückbehaltungsrecht an zwei Katzen. Darin heißt es zunächst, ein Zurückbehaltungsrecht an Tieren könne „aus dem Gesichtspunkt von § 1 Tierschutzgesetz ausgeschlossen sein, wenn zwischen dem Halter und dem Tier, an dem ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht“ werde, „besondere persönliche Beziehungen“ bestünden „und das Tier bei Trennung von seinem Halter Schaden“ nehme. Wenn dagegen „im konkreten Einzelfall eine Beeinträchtigung des Tieres nicht ersichtlich“ sei, spielten „die Gesichtspunkte des Tierschutzes, nach denen das Tier als Mitgeschöpf keiner rein sachenrechtlichen Betrachtungsweise unterzogen werden“ dürfe, „keine entscheidende Rolle“. Eine persönliche Nähe zum Tier könne insbesondere dann ausscheiden, wenn das Tier aus Erwerbszwecken gehalten werde. Diese Differenzierung ergebe sich auch aus der Wertung des Gesetzgebers, da Erwerbszwecken dienende Tiere nach § 811c ZPO ebenso der Pfändung unterlägen. Im konkreten Fall kam das OLG Braunschweig zu dem Ergebnis, dass das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht bestand. Dies begründete es vor allem damit, dass eine Beeinträchtigung des „Tierwohls“ durch Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht drohe: Es sei davon auszugehen, dass die Tiere bei dem Herausgabeschuldner artgerecht gehalten würden und von daher keine Schäden für die Tiere zu erwarten seien. Auch sah das Gericht keine Anhaltspunkte für „eine persönliche Beziehung (…) zu einzelnen oder sämtlichen Katzen“; es bestehe zwischen Halter und Katzen nicht „ein derartiges Näheverhältnis“, „dass die Trennung (…) bei den Tieren zu Schäden führen könnte“. Bei der Haltung der herausverlangten Katzen stünden wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund. Das OLG München1875 stellte ebenfalls einen Bezug zum Zwangsvollstreckungsrecht her, indem es seine Entscheidung für ein Zurückbehaltungsrecht an einigen Pferden unter anderem damit begründete, dass diese im konkreten Fall auch pfändbar gewesen wären. Da sie Erwerbszwecken dienten, schied ein Pfändungsschutz nach § 811c ZPO aus und § 811 Nr. 5 ZPO war ebenso nicht erfüllt, was das Gericht als Zeichen dafür wertete, dass damit selbst „bei einer Zwangsvollstreckung 1874 1875
OLG Braunschweig, Beschl. v. 26. 01. 2005 – 2 W 219/04 – juris. OLG München, Urt. v. 18. 02. 1999 – 24 U 567/98 – juris.
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die vom Gesetzgeber nach der Gesetzesänderung und Einfügung des § 90a BGB bereits berücksichtigten Belange des Tierschutzes gewahrt geblieben“ wären. Auch § 765a ZPO prüfte das Gericht. Als ein Gesichtspunkt des Schuldner-Interesses erwähnte es dabei, „für gefühlsmäßige Beziehungen des Beklagten zu den zurückbehaltenen Pferden“ sei „nichts dargetan oder sonst ersichtlich“. Als TierschutzErwägung zog es im Kontext des § 765a ZPO in die Überlegungen ein, dass während der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts „Leben und Wohlbefinden der Tiere ausreichend gewährleistet“ gewesen wären; zudem sei „nichts dafür ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Pferde alt, krank, behindert oder aus anderen Gründen besonders fürsorgebedürftig“ gewesen seien. 3. Fazit und Bewertung: Zurückbehaltungsrecht an Tieren möglich, aber im Einzelfall durch Tierschutz-Gesichtspunkte und wegen der Bedeutung des Tieres für den Schuldner einschränkbar Als gemeinsame Hauptlinie von Rechtsprechung und Literatur lässt sich erkennen: Ein Zurückbehaltungsrecht an Tieren ist zwar grundsätzlich möglich, doch können „Tierwohl“-Erwägungen und das besondere Interesse des Herausgabegläubigers an dem Tier durchaus dazu führen, dass ein Zurückbehaltungsrecht – vor allem bei Haustieren – im Einzelfall ausgeschlossen ist. Jedenfalls für § 273 BGB gilt dabei: Da die Vorschrift die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts ausdrücklich unter den Vorbehalt stellt, dass sich nicht aus dem Schuldverhältnis „ein anderes“ ergibt, und damit Raum lässt für die Berücksichtigung der Besonderheiten des Schuldverhältnisses1876 – einschließlich der Eigenart des Gegenstandes, an dem das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird1877 – ist die gesetzliche Grundlage hinreichend offen, um prinzipiell sowohl den Schutz des zurückbehaltenen Tieres als auch das immaterielle Interesse des Herausgabegläubigers an diesem einbeziehen zu können. Denn beide Faktoren sind von der Zivilrechtsordnung als grundsätzlich schutzwürdig anerkannt. Das Argument einer bestehenden „Mensch-Tier-Bindung“ ist dabei wegen der Reziprozität wieder ambivalent, indem es einerseits als Aspekt des menschlichen Interesses, andererseits in Gestalt eines „Tierwohl“-Gesichtspunkts gedeutet werden kann. Auffällig ist, dass auch im Kontext von Zurückbehaltungsrechten wieder eine Differenzierung nach dem Zweck der Tierhaltung vorgeschlagen wird; hier allerdings untermauert mit der in § 811c ZPO angelegten Trennung zwischen zu Erwerbszwecken und nicht zu Erwerbszwecken gehaltenen Tieren – eine Unterscheidung, die ja vielfach als Zeichen dafür gesehen wird, dass den Gesetzgeber bei der besonderen Behandlung von Tieren vorwiegend der Schutz des Halters mit 1876 1877
Vgl. MüKo-Krüger § 273 BGB Rn. 42 (7. Aufl. 2016). MüKo-Krüger § 273 BGB Rn. 47 (7. Aufl. 2016).
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seinem immateriellen Interesse am Tier bewegt, und nicht primär der Tierschutz.1878 Die Heranziehung der Wertungen des Zwangsvollstreckungsrechts zur Beantwortung der Frage, ob die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an einem Tier möglich sein soll, scheint dabei wegen der gewissen funktionalen Verwandtschaft (Sicherung der Durchsetzung eines Anspruchs) nachvollziehbar. Leitender Gedanke dürfte sein, dass erst recht ein Zurückbehaltungsrecht zulässig sein muss, wenn sogar eine Pfändung des entsprechenden Objekts möglich wäre. Gleichzeitig zeigt die auf § 811c ZPO gestützte Argumentation, wie diese Vorschrift – auch über den speziellen Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts, dem sie angehört, hinaus – eine Ausstrahlungswirkung entfalten kann. Die Idee einer je nach Zweck der Tierhaltung unterschiedlichen Behandlung von Tieren hat darin eine gewisse gesetzgeberische Anerkennung erfahren. Dadurch wird diese nun auch in anderen Zusammenhängen in Stellung gebracht.
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Siehe vorne bei Fn. 1825 ff.
Dritter Teil
Ergebnisse und Perspektiven § 7 Befunde der Rechtsanalyse: Zusammenfassung und Bewertung I. Rückblick auf den Ausgangspunkt der Arbeit 1. Praxisrelevanz und Forschungsbedarf zur zivilrechtlichen Behandlung von Tieren Tiere treten in der Rechtspraxis deutscher Gerichte vornehmlich entweder – in verwaltungsgerichtlichen Verfahren – in der Rolle als Schutzobjekt des Staates in Erscheinung (TierSchG) oder – in zivilrechtlichen Streitigkeiten – in ihrer rechtlichen Dimension als Eigentumsobjekt, als Quelle von Beeinträchtigungen oder Schädigungen Dritter und als Gegenstand des Rechtsverkehrs. Dabei spielen in dem veröffentlichten Fallrecht deutscher Zivilgerichte vor allem Tiere eine Rolle, die aus Liebhaberei gehalten werden (Hund, Pferd, Katze). Wie sich anhand von – teils kurios anmutenden – Praxisbeispielen illustrieren lässt, sehen sich Rechtsanwender in „Tier-Fällen“ mehr oder weniger pointiert mit der – letztlich in § 90a S. 3 BGB angelegten – Aufgabe konfrontiert, Tiere rechtlich zu verorten in einem Spektrum nahe an, aber doch abgesondert von Sachen, gleichzeitig – als entgegengesetzte Außenplanke – in deutlicher Distanz zum Rechtssubjekt Mensch, wobei allerdings dies als Vergleichsmaßstab längst an Absurdität verloren hat. Die Frage, ob tierspezifische Besonderheiten rechtlich berücksichtigt werden können, dürfte sich seit der Einführung von § 90a BGB wegen der dort angeordneten, nur „entsprechenden“ Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften bejahen lassen. Die Frage hingegen, wie, an welchen Stellen und warum dies geschieht, war bislang kaum eruiert. Liegt der gedankliche Ausgangspunkt darin, dass Tiere zivilrechtlich eine grundsätzlich an Sachen angelehnte Behandlung erfahren, dann fällt ein besonderes Gewicht auf die Überlegung, was diese beiden seit 1990 im BGB nebeneinander vorgesehenen Kategorien von Rechtsobjekten („Sache“ und „Tier“) voneinander trennt. Hier fehlte es nicht nur an einer breit angelegten Darstellung und Analyse der bestehenden zivilrechtlichen Behandlung von Tieren durch Rechtsprechung und Schrifttum, sondern auch an übergreifenden Erklärungsansätzen. Vorhandene rechtswissenschaftliche Untersuchungen auf diesem Gebiet waren durch ihre Zuschnitte typischerweise entweder punktuell, wenig tiefgehend oder
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ausdrücklich verwoben in ethische, religions- oder kultur-historische Gesichtspunkte und dabei oft vom Ergebnis her ausgerichtet auf eine Stärkung der (zivil-)rechtlichen Position von Tieren, teils de lege ferenda mündend in eine Rechtssubjektivität. 2. Neuer Ansatz mit Fokus auf zwei Aspekte: Affektionsinteresse an Tieren und „Tierwohl“ Der den Tieren eigentümliche Unterschied, die differentia specifica innerhalb der Rechtsobjekte, ist ihre Lebendigkeit. Alle Besonderheiten, die sich bei der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren gegenüber Sachen ergeben, folgen aus eben diesem Unterscheidungsmerkmal. Dass sie durch ihre Lebendigkeit beispielsweise fähig sind, sich autonom zu bewegen und sich unberechenbar zu verhalten und zu ihrer Erhaltung ernährt werden müssen, hat schon der historische BGB-Gesetzgeber bedacht, wie einzelne (jedenfalls in ihrer Ausgangsfassung) bereits aus der Ursprungszeit stammende tierspezifische Vorschriften im BGB zeigen (§§ 601 Abs. 1, 830, 960 – 964 BGB). Zentral ist – übergreifend betrachtet – aber, dass die Lebendigkeit von Tieren es (in Abhängigkeit von der Entwicklungsstufe, also vor allem bei manchen [Wirbel-]Tierarten wie Säugetieren und Vögeln) ermöglicht, Parallelen zum Menschen zu ziehen. Das betrifft insbesondere die Leidensfähigkeit und die Fähigkeit zur selbstständigen (nicht programmierten) Interaktion. Legt man die zivilrechtlichen Fallgestaltungen nebeneinander, für die eine spezielle Behandlung von Tieren gegenüber Sachen besonders intensiv erwogen wird, kristallisieren sich zumeist als Auslöser der Diskussion zwei Faktoren heraus, die eng mit diesen beiden Fähigkeiten verknüpft sind: Entweder sind es Erwägungen des „Tierwohls“ oder es ist die Berücksichtigung der Beziehung des Menschen zum Tier, auf die Besonderheiten in der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren häufig zurückzuführen sind. Der Ansatz der Arbeit ist, das Feld der bürgerlich-rechtlichen Rechtsfragen um Tiere von diesem Blickwinkel her einer neuen Betrachtung zu unterziehen. Dazu wurde der Einfluss der genannten zwei Faktoren in den Mittelpunkt von Darstellung und Analyse gerückt: einerseits das ideelle, auf einer emotionalen Bindung beruhende Interesse (= Affektionsinteresse) des Menschen an einem Tier, andererseits das Wohl des Tieres. Zum einen – grundlegend – galt es dabei, zunächst überhaupt die Kernhypothese, wonach diese beiden Aspekte für die zivilrechtliche Behandlung von Tieren zentral sind, zu belegen und anhand verschiedener Beispielsbereiche zu exemplifizieren. Zum anderen aber war darüber hinausgehend auch im Einzelnen zu untersuchen und zu bewerten, mit welcher Begründung ihnen von Gerichten und Schrifttum welches Gewicht als rechtlicher Gesichtspunkt beigemessen wird und auf Basis der geltenden Rechtslage beigemessen werden sollte. Übergreifendes Ziel war damit nicht weniger als mit den gewonnenen Erkenntnissen eine Orientierungsgrundlage, gleichsam ein Grundwerk zur zivilrechtlichen Behandlung von Tieren zu schaffen und zu einer gewissen Konsolidierung auf diesem Felde beizutragen.
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II. Zum Aspekt des Affektionsinteresses an Tieren 1. Affektionsinteresse ist immateriell und daher der Restriktion des § 253 BGB unterworfen, aber als Teil des Integritätsinteresses geschützt Der nicht im Gesetz verwendete, aber in der (vornehmlich schadensersatzrechtlichen) Dogmatik gängige Begriff des „Affektionsinteresses“ meint die aus einer emotionalen Beziehung zu einem Objekt heraus gesteigerte subjektive Wertschätzung eines konkreten Objekts durch einen Menschen. Charakteristisch ist: Diese spezifische Wertschätzung besteht (typischerweise) nur in den Augen einer Person (regelmäßig, aber nicht notwendigerweise ist dies der Eigentümer). Es gibt also keinen Markt, auf dem andere Teilnehmer diese Wertschätzung teilen, sodass sich das emotional begründete, subjektive Wertempfinden in dem Marktwert des Objekts nicht widerspiegelt. Die Beeinträchtigung eines Affektionsinteresses ist damit ein Nichtvermögensschaden. Der Möglichkeit, für solche immateriellen Schäden einen in Geld aufgewogenen Ausgleich zu verlangen, setzt § 253 Abs. 1 BGB Grenzen. Auf dieser Grundlage entspricht es allgemeiner Auffassung, dass sich die in den Fällen des § 251 Abs. 1 BGB (zum Beispiel Zerstörung eines Objekts) zu leistende Geldkompensation ausschließlich an dem objektiven Wert des Objekts bemisst, also ein etwaiges Affektionsinteresse außer Betracht bleibt. Für den zum Schutz des Integritätsinteresses des Verletzten durch § 249 Abs. 1 BGB gewährten Anspruch auf Wiederherstellung in natura gilt indes: Soweit die Zivilrechtsordnung das Integritätsinteresse schützt, schützt sie gleichzeitig das Affektionsinteresse, denn das Affektionsinteresse ist untrennbar mit der Integrität des entsprechenden Objekts verknüpft. Wird das konkrete Objekt nach einer Beschädigung wiederhergestellt und erhalten, befriedigt dies auch ein etwaiges an dem Objekt bestehendes Affektionsinteresse. Der Umfang des Schutzes des Integritätsinteresses bestimmt also mit über den Schutz des Affektionsinteresses. Gleichzeitig prägt das Ausmaß des Affektionsinteresses das Integritätsinteresse. So lässt sich der aus der Rechtsprechung zu Kfz-Reparaturen bekannte „Integritätszuschlag“ bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Aufwendungen zur Naturalrestitution auch als eine Rücksichtnahme auf das Affektionsinteresse des Geschädigten werten – nämlich auf ein vom objektiven Markt abgekoppeltes individuell-subjektiv höheres Interesse am „Behalten“ eines vertrauten Objekts. 2. Affektionsinteresse an Tieren ist qualitativ anders als an Sachen Wenn Tiere, und zwar vor allem die praxisrelevanten Freizeit-Tiere, Gegenstand des Zivilrechts werden, gibt es im Vergleich zu Sachen einen typisierbaren Unterschied im Hinblick auf die menschlichen Interessen, die an dem betreffenden Rechtsobjekt bestehen. Ohne unqualifiziert in eine fachfremde Materie abschweifen zu wollen, drängt sich doch auch dem psychologisch-soziologischen Laien der Eindruck auf: Menschen haben bei generalisierender Betrachtung eine stärkere
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Affinität, an Tieren ein Affektionsinteresse auszubilden als an Sachen, das heißt sie neigen dazu, eine rein subjektive, vom objektiven Wert abgekoppelte Wertschätzung häufiger und stärker Tieren entgegenzubringen als Sachen. Daraus ergibt sich ein qualitativer Unterschied zwischen der Beziehung eines Menschen einerseits zu einer Sache, andererseits zu einem Tier: Das an dem Tier bestehende Interesse ist häufiger als bei Sachen durch eine emotionale, immaterielle, nicht vom objektiven Wert abhängige Bindung geprägt. Der Grund dafür wurzelt in demjenigen fundamentalen Unterschied zu Sachen, der Ausgangspunkt einer jeglichen besonderen rechtlichen Behandlung von Tieren ist: ihrer Lebendigkeit. Tiere sind durch ihre Lebendigkeit zur eigendynamischen Interaktion mit Menschen in der Lage. Daraus folgt, dass sie – anders als beispielsweise Maschinen – mit Menschen in nicht gänzlich berechenbarer und steuerbarer Weise interagieren, wodurch Menschen in Tieren einen Charakter sehen, ihnen ihr Verhalten gleichsam danken oder übel nehmen, sich mit Tieren identifizieren, Mitleid haben, sie als Kommunikationspartner behandeln.1879 Tiere kommen also als Projektionsfläche von Empathie, Kommunikation und Selbstidentifikation in Betracht. Daher reagieren Menschen anders auf Tiere als auf Sachen.1880 Bei Liebhabertieren (das heißt solchen, die zu Freizeitzwecken gehalten werden) gilt dies naturgemäß umso mehr, da sie geradewegs genau in dieser Funktion und wegen dieser Eigenheiten überhaupt gehalten werden. Auch Äußerungen in Schrifttum und Rechtsprechung lassen erkennen, dass die Mensch-Tier-Beziehung qualitativ anders – und schutzwürdiger – bewertet wird als die Beziehung von Menschen zu Sachen. Dies zeigt sich insbesondere – in der Frage der Ersetzbarkeit von Tieren (im Rahmen einer Naturalrestitution oder bei der kaufrechtlichen Nacherfüllung) – bei der Wertbestimmung von Tieren und – im Kontext von miet- oder nachbarschaftsrechtlich gelagerten Fällen, in denen die exponierte Bedeutung der Haltung von Freizeit-Tieren als Teil der menschlichen Lebensgestaltung herausgestellt wird. Die besondere Einstufung der Mensch-Tier-Beziehung gilt allerdings nicht pauschal. Ein deutlicher Befund ist vielmehr die häufig anzutreffende Differenzierung zwischen einerseits den zu wirtschaftlichen Zwecken genutzten Tieren und andererseits den Tieren, die zur Freizeitgestaltung gehalten werden, also zwecks Vergnügen und um dem Menschen Gesellschaft zu leisten. Nur letztere werden als typische Bezugsobjekte eines Affektionsinteresses angesehen. Die Haltung von Tieren aus Liebhaberei, insbesondere im Haus oder dessen Umfeld, wird unter1879 Siehe zu diesem anthropomorphen Denken (aus psychologischer Sicht) Vernooij, in: Otterstedt/Rosenberger, S. 158, 168. 1880 Für eine genaue soziologische, ethologische und psychologische Analyse der MenschTier-Beziehung siehe aber die jeweiligen Fachdisziplinen, zum Beispiel die Beiträge, in: Otterstedt/Rosenberger, insbesondere Olbrich, S. 111 ff.; Beetz, S. 133 ff. und Vernooij, S. 158 ff.
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schwellig als eine besonders verbreitete und nachvollziehbare Art anerkannt, seine Handlungsfreiheit auszuüben. In diesem Zusammenhang schimmert zuweilen auch die Annahme durch, dass es in Bezug auf solche Tiere ein typisierbares menschliches Affektionsinteresse gibt, also dass es sich bei der besonderen subjektiven Wertschätzung einzelner, als „Gefährten“ gehaltener Tiere – im Unterschied zur besonderen subjektiven Wertschätzung von Sachen – weniger um ein der individuellen Gefühlskonstitution geschuldetes und der rechtlich unbeachtlichen persönlichen Risikosphäre zuzuordnendes Einzelphänomen handelt, sondern um ein geradezu regelmäßig vorkommendes, von jedermann nachvollziehbares Breitenphänomen, dem auch das Recht Rechnung tragen darf. 3. Auch Affektionsinteresse an einem Tier ist nicht liquidierbar Trotz einer im Vergleich zu Sachen qualitativ anderen Bewertung des an Tieren bestehenden Affektionsinteresses scheidet eine (schadensrechtliche) Liquidierung desselben de lege lata aus. Wo das Affektionsinteresse ohnehin unwiederbringbar verloren geht, weil das Tier tot ist, wird die damit einhergehende immaterielle Einbuße – wie sonst auch – nicht in Geld aufgewogen und finanziell entschädigt. Geldzahlungsansprüche, die nicht auf die Integritätswiederherstellung und somit die Aufrechterhaltung des Affektionsinteresses gerichtet sind, sondern dessen endgültig eingetretenen Verlust in Geld ausgleichen sollen, wären bei Tieren in Anbetracht der Gesamtheit der deutschen Zivilrechtsordnung wertungswidrig. Selbst wenn man das jetzt im Jahr 2017 eingeführte „Hinterbliebenengeld“ (§ 844 Abs. 3 BGB) als Anerkennung eines monetären Entschädigungsanspruchs für den reinen Verlust emotionaler Bindung ansieht, ist dieses doch eng beschränkt auf den Tod nahestehender Menschen und weit entfernt von einem „Trauer-Geld“ bei Verlust eines Eigentumsobjekts. Letzteres wäre angesichts der klaren Aussage des § 253 Abs. 1 BGB de lege lata auch nicht begründbar: Die subjektive, nur in den Augen der betreffenden Person empfundene Wertschätzung eines Tieres bleibt ein immaterielles Interesse und seine Verletzung damit ein Nichtvermögensschaden, dessen Liquidierung der restriktiven Weiche in § 253 Abs. 1 BGB unterfällt, wonach solches nur in den enumerativ gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich ist. Der mit der Verletzung des Eigentums an einem Tier einhergehende immaterielle Schaden gehört nicht dazu. Soweit es um die Liquidierung eines an Tieren bestehenden Affektionsinteresses geht, eint daher auch Schrifttum und Rechtsprechung eine ablehnende Haltung. Dies zeigt sich insbesondere im Falle der Tötung eines Tieres bei – der Bemessung der Höhe des Wertersatzes nach § 251 BGB, – der Frage nach einem Anspruch auf „Schockschadenersatz“ oder Schmerzensgeld. Diese Tendenz ist, vom Ergebnis her gesehen, eher einheitlich und vor dem Hintergrund der Wertung des § 253 BGB zu erwarten. Sie bewegt sich auf der auch für Sachen geltenden Linie, dass ein – wenn auch stark ausgeprägtes – Affekti-
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onsinteresse für die Schadenskompensation grundsätzlich unbeachtlich ist. Im Detail betrachtet, fällt das Bild jedoch ambivalenter aus: Der Weg hin zu der Feststellung, dass die individuell-subjektive Wertschätzung eines Tieres de lege lata nicht berücksichtigt werden kann, ist nicht selten gesäumt von gleichsam Verständnisbekundungen für das vom Tierbesitzer geltend gemachte immaterielle Interesse, die teils anmuten, als werde dessen Schutzwürdigkeit (im Sinne eines rechtspolitischen Desiderats) zugestanden. Wie die – gar bis zum BGH gelangte – Frage nach einem „Schockschadenersatz“ bei der Tötung eines Tieres beispielhaft zeigt, geht es in den betreffenden Fällen nicht selten um Anstöße zu einer Übertragung der für Menschen entwickelten Rechtsgedanken auf Tiere und somit darum, die wertungsmäßige Verortung von Tieren im Spektrum zwischen „Mensch“ und „Sache“ auf die Probe zu stellen. Dass die rechtliche Position von Tieren de lege lata dabei eine deutlich größere Nähe zu Sachen aufweist als zu Menschen, ist schon aufgrund von § 90a S. 3 BGB evident. Rechtsvergleichend betrachtet hängt die Frage, ob ein Schädiger bei der Tötung eines Tieres monetären Ausgleich für das dadurch verletzte Affektionsinteresse an dem Tier schuldet, stark von der grundsätzlichen Haltung einer Rechtsordnung gegenüber Schmerzensgeldern für immaterielle Schäden ab (liberaler beispielsweise Frankreich, Österreich, eher restriktiv Deutschland, der DCFR und im Grundsatz auch die USA). Eine Sonderstellung nimmt hier die Schweiz ein, die in Art. 43 Abs. 1bis OR seit 2003 explizit vorsieht, dass der Richter bei der Bestimmung von Art und Größe des Ersatzes für den eingetretenen Schaden „im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird (…), dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen“ kann. 4. Schutzwürdigkeit des Affektionsinteresses an Tieren ist gesetzlich anerkannt Geschützt wird das Affektionsinteresse an einem Tier in Deutschland zwar nicht in der Form, dass der Eigentümer dessen Verlust im Falle der Beeinträchtigung liquidieren kann. Der beschriebene qualitative Unterschied zwischen der Beziehung eines Menschen einerseits zu einer Sache, andererseits zu einem Tier schlägt sich aber dennoch im Recht nieder. Tatsächlich wird dem immateriellen Interesse des Menschen am Tier im Zivilrecht seitens des Gesetzgebers und auch durch Rechtsprechung und Schrifttum in einem Umfang Rechnung getragen, wie er so wohl in der Rechtswissenschaft bisher kaum bewusst wahrgenommen ist. Es gibt Anhaltspunkte, mit denen sich begründen lässt, dass der Gesetzgeber die emotionale Bindung des Menschen an ein Tier grundsätzlich als rechtlich schutzwürdigen Belang anerkannt hat. Die Regelungen, auf die sich dies in besonderer Weise stützen lässt, wurden im Jahr 1990 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht eingeführt. Dazu gehören vor allem
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– § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen und – § 811c ZPO, der die Unpfändbarkeit von im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehaltenen Tieren regelt. Der Zweck dieser Regelungen besteht vornehmlich im Schutz der Bindung des Halters1881 an sein Tier. Dafür, dass primärer Zweck des § 811c ZPO der Schutz des Affektionsinteresses an Tieren (und nicht etwa des „Tierwohls“) ist, spricht schon die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Tiere, die besonders häufig Gegenstand einer menschlichen Bindung sind, nämlich solche, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden. Auch im Hinblick auf § 251 Abs. 2 S. 2 BGB wird erwogen, den Anwendungsbereich in dieser Weise teleologisch zu reduzieren.1882 Dem ist zuzustimmen. Denn bei wertender Betrachtung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, auch unter Einbeziehung der Gesetzesbegründung und der Auslegung, die er durch Schrifttum und Rechtsprechung erfährt, wird deutlich: Dass wertübersteigende Heilungskosten auch bei Tieren ersatzfähig sein sollen, an denen kein emotionales Interesse besteht, zum Beispiel weil sie aus wirtschaftlichen Gründen gehalten werden, ist von vornherein nicht gewollt. Solches wäre auch eine ungerechtfertigte Einschränkung des schädigerseitigen Interesses, nicht mit unverhältnismäßigen Wiederherstellungskosten überzogen zu werden. Wesentlicher Gesichtspunkt, aus dem § 251 Abs. 2 S. 2 BGB die Ersatzfähigkeit wertübersteigender Heilungskosten zulässt, ist nämlich das ideelle Interesse des Geschädigten an dem Tier. Entfällt dieser Gesichtspunkt, gibt es keinen Grund mehr, die durch § 251 Abs. 2 S. 1 BGB gezogene Zumutbarkeitsgrenze auszudehnen. Parallelregelungen zu § 811c ZPO und § 251 Abs. 2 S. 2 BGB gibt es auch in anderen Rechtsordnungen, in denen zum Teil noch deutlicher hervortritt, dass es sich hierbei um einen Ausdruck des Schutzes der Bindung eines Menschen an ein Tier handelt. So werden in verschiedenen Ländern Haustiere ebenfalls von der Pfändung ausgenommen (Österreich, Schweiz, Frankreich, USA) und die Frage der Ersatzfähigkeit von wertübersteigenden Kosten der Naturalrestitution erfährt in Bezug auf Tiere (zum Teil in Abhängigkeit von ihrem Nutzungszweck) auch anderenorts eine dem § 251 Abs. 2 S. 2 BGB vergleichbare Sonderregelung (§ 1332a ABGB in Österreich, Art. 42 Abs. 3 OR in der Schweiz, VI. – 6:101 Abs. 3 DCFR) oder besondere Behandlung (entsprechende Ansätze in den USA).
1881 Genauer: des Schadensersatzberechtigten (§ 251 II 2 BGB) bzw. des Vollstreckungsschuldners (§ 811c ZPO). 1882 In diese Richtung MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2016); a. A. Bamberger/ Roth-Flume § 251 BGB Rn. 28 (41. Ed. 2016) – einer teleologischen Reduktion bedürfe es nicht.
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5. Affektionsinteresse an Tieren ist ein berücksichtigungsfähiger Belang Es stellt sich die Frage, ob das Affektionsinteresse an einem Tier auch generell, jenseits der genannten Regelungen, die unmittelbar dessen Schutz dienen, bei der Anwendung und Auslegung des Zivilrechts berücksichtigt werden kann, sofern die maßgeblichen Zivilrechtsvorschriften (zum Beispiel im Rahmen von gesetzlich vorgesehener Abwägung, bei der Auslegung von Generalklauseln) Raum dafür lassen. Diese Frage ist von der Liquidierung eines an Tieren bestehenden Affektionsinteresses zu trennen und § 253 Abs. 1 BGB ist hier nicht präjudiziell. Zwar bleibt das auf ein Tier bezogene Affektionsinteresse immaterieller Natur und somit ist bei seiner Gewichtung die insgesamt restriktive Grundhaltung der deutschen Rechtsordnung gegenüber der Berücksichtigung ideeller Interessen in Rechnung zu stellen und wirkt mäßigend (selbst wenn man – wie hier vertreten – den seitens des BGH entwickelten 30 %-Integritätszuschlag, den die Kosten der Reparatur eines vertrauten Pkws den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigen dürfen, bereits in gewisser Weise als höchstrichterliche Anerkennung der Schutzwürdigkeit einer rein subjektiven Wertschätzung eines Gegenstandes und damit – der Sache nach – eines Affektionsinteresses deutet). Doch lässt sich § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und § 811c ZPO eine gesetzgeberische Wertung entnehmen, wonach das auf ein Tier bezogene Affektionsinteresse zivilrechtlich geschützt ist. Vor allem diese Anerkennung der emotionalen Bindung des Menschen an ein Tier durch den Gesetzgeber als schützenswerter und zivilrechtlich beachtenswerter Belang spricht dafür, dass dieser Aspekt bei der Zivilrechtsanwendung im Rahmen von gesetzlich vorgesehenen Abwägungen oder bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe berücksichtigt werden darf. Dies ist auch wertungsrichtig, da es sich bei dem Affektionsinteresse an Tieren um ein substantielles Interesse der betroffenen Partei handelt. Wie beschrieben hat die Vorstellung, dass ein auf ein Tier bezogenes Affektionsinteresse bei generalisierender Betrachtung qualitativ anders ist als ein Affektionsinteresse an Sachen, seinen Niederschlag in Rechtsprechung und juristischem Schrifttum gefunden, was letztlich eine geänderte gesellschaftliche Wahrnehmung abbildet. Die besondere Verletzlichkeit, die daraus resultiert, dass ein Mensch an einem Tier hängt, wird nicht als das Luxusproblem von sentimentalen Sonderlingen, sondern als etwas Nachvollziehbares, Typisierbares angesehen. Insofern trifft es nicht, in der Berücksichtigung des Affektionsinteresses an Tieren eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber etwaigen an Sachen ausgeprägten Affektionsinteressen1883 zu erblicken. Es lassen sich Beispiele in Schrifttum und Rechtsprechung nachweisen, in denen das an Tieren bestehende Affektionsinteresse auch bereits als berücksichtigungsfähiger berechtigter Belang geführt wird, etwa bei der Frage – des Schuldnerschutzes im Rahmen einer Zwangsvollstreckung, 1883 In diese Richtung etwa Schmid, VersR 1979, 402, 405; Grunsky, FS Jauch, S. 93, 100 f. (im Kontext des § 811c ZPO).
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– des Bestehens eines Zurückbehaltungsrechts an einem Tier, – der Verhältnismäßigkeit der Kosten einer „Nachbesserung“ an einem Tier.
6. Betroffenes Spannungsfeld: Konflikt von ideellen und materiellen Privatinteressen Dem privaten Interesse einer Seite an der Berücksichtigung ihrer emotionalen Bindung zu einem Tier steht in aller Regel ein dazu entgegengesetztes privates Interesse der anderen Seite gegenüber. Wird auf ein affektives Interesse an einem Tier Rücksicht genommen – wie nach dem soeben Gesagten in bestimmten zivilrechtlichen Fragestellungen bereits geschehen – muss daher das konkurrierende private Interesse der anderen Seite dafür in diesem Umfang zurückgestellt werden. Dabei wird es sich häufig um ein wirtschaftliches Interesse des anderen handeln; denkbar ist aber auch ein Konflikt von zwei Parteien mit konkurrierendem emotionalen Interesse an einem Tier (zum Beispiel Zuweisungsstreit bei Getrenntleben). Auch in einer solchen Konstellation könnte das (jeweilige) auf das Tier bezogene Affektionsinteresse nach dem bisher Gesagten als berücksichtigungsfähiger Faktor eine Rolle spielen, sofern die anzuwendende Rechtsgrundlage (beispielsweise durch eine gesetzlich vorgesehene Abwägung, die Bezugnahme auf Billigkeit) Raum dafür lässt und die Parteien dies geltend machen. Dass die Mensch-Tier-Beziehung einer Person gegen die Mensch-Tier-Beziehung einer anderen Person abgewogen wird, ist jedoch in den untersuchten Feldern kaum zu beobachten. Bei den in dieser Arbeit dargestellten Beispielen, in denen es zu einer Berücksichtigung der Mensch-Tier-Beziehung kam, setzte sich der Schutz des Affektionsinteresses – in gewissem Umfang – vielmehr gegen wirtschaftliche Interessen Dritter durch, beispielsweise gegen das Zugriffsinteresse des Zurückbehaltungs- oder Vollstreckungsgläubigers oder das Interesse eines Schädigers, nicht mit hohen Heilungskosten überzogen zu werden. Generelle Aussagen darüber, wie die Abwägungsentscheidung zwischen einem auf ein Tier bezogenen Affektionsinteresse und einem konkurrierenden wirtschaftlichen Interesse ausfällt, lassen sich dabei freilich losgelöst von den Umständen des Einzelfalls kaum treffen. In den angesprochenen Beispielen etwa ist die Schutzwürdigkeit des tangierten wirtschaftlichen Interesses der Gegenseite in der Regel begrenzt, weil – im Fall der Heilbehandlungskosten – sie selbst eine Ursache für den nun zur Aufrechterhaltung des ideellen Interesses erforderlichen Aufwand gesetzt hat oder – im Falle des Pfändungsverbotes – die dem Gläubiger vorenthaltenen wirtschaftlichen Vorteile (Verwertung nach Zugriff auf das Tier) wegen des oft niedrigen Wertes des Tieres meist (nicht zwingend) gering sind. Was das auf ein Tier bezogene Affektionsinteresse betrifft, muss dieses nach hier vertretener Ansicht ohnehin von vornherein substantiiert und von einigem Gewicht sein, um überhaupt wirtschaftliche Interessen der anderen Partei zurückdrängen zu können. Überdies sollte ein Affektionsinteresse nur einbezogen
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werden, wenn es am Maßstab objektiver Kriterien – etwa anhand des Nutzungszwecks und einer räumlichen Nähe zwischen Mensch und Tier – typisierbar ist.1884 Die Tatsache, dass aus Rücksichtnahme auf ideelle Interessen an einem Tier wirtschaftliche Interessen anderer in gewissem Umfang eingeschränkt werden und damit die Bindung eines Menschen zu einem Tier zulasten Dritter geschützt wird, dokumentiert deutlich, dass ein an einem Tier bestehendes Affektionsinteresse nicht – wie andere ideelle Interessen an Rechtsobjekten – rechtlich unbeachtlich ist und allein in den privaten Risikobereich desjenigen fällt, der das ideelle Interesse hegt.
III. Zum Aspekt des „Tierwohls“ 1. Bestehen eines rechtlichen Schutzregimes unterscheidet Tiere von Sachen Betrachtet man die Faktoren, die eine unterschiedliche zivilrechtliche Behandlung von Tieren und Sachen prägen, so kommt zu den bei Tieren insgesamt häufiger tangierten und stärker ausgeprägten immateriellen Interessen als weitere Besonderheit hinzu, dass in Bezug auf Tiere eine Erwägung angestellt werden kann, die bei der rechtlichen Behandlung von Sachen bedeutungslos ist. Gemeint ist die Erwägung, dass eine bestimmte zivilrechtliche Entscheidung für das betreffende Rechtsobjekt selbst gleichsam eher gut oder schlecht sein kann. Während der rechtliche Schutz des an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses (als die andere maßgebliche, bereits aufgezeigte Besonderheit) nur in Ansätzen erkennbar ist, ist der Schutz des „Tierwohls“ klar rechtlich manifestiert: Die Rechtsordnung gestaltet und verfolgt den Schutz von Tieren als eigenen öffentlichen Zweck. Rechtsquelle ist hier vor allem das TierSchG. Der wegen seiner Weite bewusst gewählte Begriff des „Tierwohls“ wird in dieser Arbeit als Bezugnahme auf jedwede genuin auf den Schutz des Tieres gerichtete Erwägung benutzt. Er ist im TierSchG angelegt (siehe § 1 S. 1 TierSchG, wonach es Zweck des Gesetzes ist, „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen“). Der Normenkatalog des öffentlich-rechtlichen TierSchG und auch die dazu erlassenen Verordnungen enthalten in dem Sinne konkrete Ausgestaltungen dessen, was der Gesetzgeber als einzuhaltenden Mindeststandard für die Wahrung des „Wohlbefindens“ eines Tieres fordert. Bei näherem Hinsehen lässt sich auch für das Zivilrecht in Rechtsprechung und Literatur in durchaus beachtenswertem Umfang der Ansatz nachweisen, „Tierwohl“Erwägungen auf bestimmte Weise in die zivilrechtliche Lösung einer Rechtsfrage mit einzubeziehen. Die dazu untersuchten Beispiele können in verschiedene Ebenen eingeteilt werden: 1884
Dazu noch näher ab Fn. 1922 ff.
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2. Zwingendes Tierschutzrecht begrenzt das Zivilrecht Zivilrecht – als eine der Regelung von Privatinteressen dienende Materie – und der Tierschutz – als eine besondere öffentliche Aufgabe, die eigens dafür vorgesehenen Behörden zugewiesen ist – sind zwar funktional verschieden und nach der rechtlichen Konzeption zunächst einmal deutlich getrennt. Doch kann ein Ergebnis, das sich aus der isolierten Anwendung des Zivilrechts ergibt, in unmittelbaren Konflikt zum Tierschutz- oder Artenschutzrecht geraten. In diesem Fall müssen unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung die durch das Tierschutzrecht gezogenen Schranken auch auf das Zivilrecht wirken. Die Zivilrechtsordnung darf sich zwar gleichsam „eigenen“ Erwägungen des „Tierwohls“ enthalten, sich jedoch nicht in offenen Widerspruch zu den verbindlichen Bestimmungen des Tierschutzrechts setzen. Rechtstechnisch bietet das Zivilrecht Möglichkeiten dazu, dies zu gewährleisten (zum Beispiel „rechtliche Unmöglichkeit“ oder § 134 BGB). Dass öffentlich-rechtliche Vorgaben durch eine zivilrechtliche Rechtsposition nicht überlagert oder verdrängt werden können, sondern sie vielmehr begrenzen, ist für sich genommen allerdings keine Besonderheiten des Tierschutzrechts und dazu bedurfte es auch des in § 90a S. 2 BGB eingefügten Verweises nicht.1885 Konkret bedeutet dies für die Anwendung des Zivilrechts: Steht ein klageweise begehrtes Verhalten im Widerspruch zu zwingenden Vorschriften des Tierschutzrechts, darf ein Zivilgericht – auch wenn sich bei isolierter Betrachtung des Zivilrechts ein Anspruch auf dieses Verhalten ergäbe – dazu gleichwohl nicht verurteilen. Beispiele dafür sind: – Die Verurteilung zur Erfüllung eines dem Grunde nach gegebenen Herausgabeanspruchs scheidet wegen rechtlicher Unmöglichkeit aus, wenn dies den Transport des Tieres voraussetzt und ein solcher Transport wegen Transportunfähigkeit des Tieres gegen das TierSchG verstößt. („Stuten-Fall“) – Die nachbarrechtlich grundsätzlich gemäß § 1004 BGB gebotene Entfernung eines Froschteiches oder Schwalbennestes scheidet aus, wenn dadurch der Lebensraum von Tieren zerstört wird, die unter Artenschutz stehen. („Schwalbenund Frosch-Fälle“) Dabei hat sich gezeigt, dass (ein vom menschlichen Affektionsinteresse unabhängiger) Tierschutz sich dort am nachdrücklichsten im Zivilrecht auswirkt, wo ganz konkrete Rechtsvorgaben im Tierschutzrecht bestehen, mit denen eine privatrechtliche Fallgestaltung zusammentrifft. Der durch sie gewährte Schutz von Tieren setzt sich dann im Zivilrecht fort. Insofern würde eine noch weitere Konkretisierung und tatbestandsförmige Ausgestaltung des Tierschutzrechts womöglich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ethischer Tierschutz privatrechtliche Ergebnisse beeinflusst. Bisher sind zivilrechtliche Fälle, in denen (offensichtlich) ein konkreter 1885 So auch Bamberger/Roth-Fritzsche § 90a BGB Rn. 4 (41. Ed. 2016); StaudingerJickeli/Stieper § 90a BGB Rn. 8 (Neubearb. 2012); NK-Ring § 90a BGB Rn. 5 (3. Aufl. 2016); Schaal, S. 34 f.; Küper, JZ 1993, 435, 440.
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Verstoß gegen Tier- oder Artenschutzrecht in Rede steht, zwar vorhanden, aber in der Zahl überschaubar, denn so umfassend sind Normbestand und die geregelten Einzeltatbestände im TierSchG nicht und die Generalklausel in § 1 S. 2 TierSchG, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf, ist zu unbestimmt, als dass hieraus ganz konkrete Schranken für das Zivilrecht abgeleitet worden wären. 3. „Tierwohl“ im weiteren Sinne als Gesichtspunkt bei der Zivilrechtsanwendung zu berücksichtigen Auch unterhalb der Schwelle von Verstößen gegen konkrete Tatbestände des Tierschutzrechts lassen sich – bei Abwägungsentscheidungen – unter mehreren Optionen solche finden, die das betroffene Tier eher schonen und solche, die das Tier eher belasten. Herfs1886 unterscheidet in seiner rechtswissenschaftlichen Dissertation über § 811c ZPO zu Recht zwischen einerseits den verbindlichen Anforderungen, die das Tierschutzrecht mit seinen konkreten Tatbeständen an den Umgang mit Tieren stellt, und andererseits der Wahl der tierschonendsten unter mehreren, mit dem (insofern engeren) TierSchG konformen Handlungsoptionen („allgemeine Tierschutzaspekte“). Es gibt Beispiele, in denen Gerichte Auswirkungen solcher allgemeinen Tierschutzaspekte bereits angenommen oder jedenfalls in Erwägung gezogen haben, sowie dahingehende Vorschläge aus dem Schrifttum; und zwar in Bezug auf: – die Entbehrlichkeit der kaufrechtlichen Nacherfüllungsfrist im Falle der Notfallbehandlung eines Tieres („Hundewelpen-Fall“), – die Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung, – die Beurteilung der Zulässigkeit einer Tierhaltung in einer Mietwohnung und bei nachbarrechtlichen Abwehransprüchen (Frage der artgerechten Haltung), – die Frage der Verfügungsfreiheit des Eigentümers über Heilungskosten bei der Verletzung eines Tieres, – die Frage der deliktsrechtlichen Sorgfaltswidrigkeit bei Ausweichmanövern im Straßenverkehr zur Vermeidung von Wild-Unfällen sowie die Kostentragungspflicht der Teilkaskoversicherung in diesen Fällen. Ein rechtsvergleichendes Beispiel für die zivilrechtliche Berücksichtigung des „Tierwohls“ ist das in einigen Rechtsordnungen erwogene (Österreich, Belgien, USA) oder gar Gesetz gewordene (Schweiz) Abstellen auf das Wohl des betreffenden Tieres bei der Entscheidung darüber, wem dieses im Falle der Auflösung einer Eigentümergemeinschaft zugewiesen wird. Um das „Wohl“ eines streitbefangenen Tieres bei einer zivilrechtlichen Entscheidung berücksichtigen zu können, ist aber jeweils Voraussetzung, dass die an1886
Herfs, S. 26 ff.
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
wendbare Rechtsgrundlage Raum dafür gibt, indem sie sich für Wertungsgesichtspunkte öffnet, etwa durch unbestimmte Rechtsbegriffe oder durch eine gesetzlich vorgesehene Abwägung (Beispiel: „zwingender Grund“ zum Bremsen im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 StVO, „besondere Umstände“ für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung im Rahmen des § 281 Abs. 2 BGB). Bietet sich durch entsprechende Öffnungen in den maßgeblichen Zivilrechtsvorschriften die Gelegenheit, „Tierwohl“-Erwägungen als rechtlich beachtlichen Belang in die Überlegungen einzustellen, liegt darin aber ein Aspekt, der – auch als Ausdruck der in § 90a S. 3 BGB angeordnete nur „entsprechende Anwendung“ der für Sachen geltenden Vorschriften – jedenfalls gedanklich nicht nur einbezogen werden kann, sondern auch sollte. Zum einen gibt es Konstellationen, in denen die Beantwortung einer bestimmten zivilrechtlichen Frage unter Außerachtlassung von Tierschutz-Gesichtspunkten schon gar nicht um den Preis einer gewissen Unvollständigkeit denkbar wäre (Beispiel: Erfordernis der artgerechten Haltung als Abwägungsaspekt bei nachbarrechtlichen Abwehransprüchen). Zum anderen spricht aber auch generell für eine Berücksichtigung, dass es sich bei dem „Wohl“ eines Tieres um einen – wie das TierSchG zeigt – gesetzlich als schützenswert anerkannten Belang handelt, der durch die Ergänzung in Art. 20a GG im Jahre 2002 sogar mit Verfassungsrang ausgestattet wurde. Überdies lässt sich aus einer Gesamtschau der tierspezifischen Regelungen im materiellen und prozessualen Zivilrecht (insbesondere § 90a BGB, § 765a ZPO) herleiten, dass auch das bürgerliche Recht selbst das „Wohl“ von Tieren als schutzwürdig in Rechnung stellt. Durch die in § 90a S. 3 BGB angeordnete lediglich „entsprechende“ Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften bietet das BGB einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt, den man als Öffnung (unter anderem) für die Berücksichtigung des „Tierwohls“ bei der Zivilrechtsanwendung deuten kann. Eine (nur) „entsprechende“ Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften heißt, dass das Zivilrecht im Einzelfall auf Besonderheiten Rücksicht nehmen darf, die sich aus der Lebendigkeit von Tieren – und damit auch: ihrer daraus folgenden Leidensfähigkeit und der aus dieser wiederum abgeleiteten Schutzwürdigkeit – ergeben. Bildlich kann man zusammenfassend also von konzentrischen Kreisen sprechen. Den äußeren Kreis bilden konkrete Vorgaben des Tierschutzrechts. Sie begrenzen das Zivilrecht; es darf nicht zu Ergebnissen führen, die mit jenen Vorgaben in direktem Widerspruch stehen. Innerhalb dieses Rahmens ist allein das Zivilrecht maßgeblich. Nur soweit die im konkreten Fall maßgeblichen Vorschriften des Zivilrechts Raum dafür lassen (innerer Kreis), beispielsweise durch eine gesetzlich angeordnete Abwägung oder bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, können zusätzlich auch unterhalb der Schwelle eines Verstoßes gegen das Tierschutzrecht liegende „Tierwohl“-Aspekte in die Entscheidung einfließen.
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4. Grenzen: Zivilrecht ist nicht originäres Vehikel zur Verwirklichung von Tierschutz Außengrenze der Berücksichtigungsfähigkeit von „Tierwohl“-Erwägungen im Zivilrecht ist jedoch als Grundsatz, dass das Zivilrecht seinem Wesen nach nicht das zur Umsetzung und Durchsetzung von Tierschutz originär bestimmte Vehikel ist. Entsprechend haben auch Gerichte geurteilt, die mit einschlägigen Fragen befasst waren: – So ist eine drohende tierschutzwidrige Behandlung durch den Vindikationsgläubiger kein zivilrechtlich beachtlicher Einwand, der dem Anspruch auf Herausgabe entgegengehalten werden kann. – Das Zivilrecht gewährt keinen Schmerzensgeldanspruch für „Ängste und Leiden“ von Tieren. Das Tierschutzrecht sieht gerade Mittel und Akteure vor, den im öffentlichen Interesse liegenden, gesetzlich ausgestalteten Tierschutz zu verwirklichen. Die Rolle des schon im Ausgangspunkt einem anderen Regelungsziel dienenden Zivilrechts (Regelung und Ausgleich privater Rechtspositionen) ist hier nur eine mittelbare. Sie beschränkt sich darauf, tierschutzgesetzliche Wertungen dort zu achten, wo sich – eingekleidet in eine zivilrechtliche Frage – eine gleichsam zufällige Berührung zum Tierschutz ergibt. Eine gewisse Sonderstellung nehmen allerdings die Regeln der GoA ein. Es gibt Ansätze, diese unmittelbar als Mechanismus zur Umsetzung von Tierschutz (beispielsweise zur Rettung von Fundtieren oder von Tieren aus tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen) einzusetzen – die auch durchaus nicht jeder Grundlage entbehren. Dies erklärt sich insbesondere aus der in § 679 BGB angelegten Öffnung für Belange des Allgemeininteresses. Jedoch ist hier Zurückhaltung geboten, um die gesetzlich vorgesehene Funktions- und Kompetenzverteilung nicht zu unterlaufen. 5. Betroffenes Spannungsfeld: Konflikt von öffentlichem Interesse und Privatinteressen Wirken sich „Tierwohl“-Gesichtspunkte im Zivilrecht aus, konkurrieren private Interessen nicht – wie bei dem Aspekt des an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses – untereinander, sondern mit einem öffentlichen Interesse. Es stellt sich die Frage, welches Rangverhältnis dabei gilt. Aussagekräftig hierfür sind etwa die zivilrechtlichen Entscheidungen im Kontext von Ausweich- und Bremsmanövern im Straßenverkehr zur Rettung eines Tieres. Als – wenig überraschende – Außengrenze kann als gesichert gelten, dass dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit von Menschen absoluter Vorrang vor dem „Tierwohl“ zukommt. Weit komplexer ist dagegen das Rangverhältnis von wirtschaftlichen Interessen und dem „Tierwohl“. Damit angesprochen ist letztlich
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ein Balanceakt, der als zentrale Frage das ganze Tierschutzrecht beherrscht: Auf nichts anderes als eben eine solche Abstufungsentscheidung läuft nämlich auch die Generalklausel in § 1 S. 2 TierSchG hinaus, wenn sie das Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden bei einem Tier unter den Vorbehalt eines „vernünftigen Grundes“ stellt. Dies zeigt ein Beispiel aus aktueller verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung1887, in dem das Gericht zu der aus wirtschaftlichen Gründen in der Legehennenzucht regelmäßig erfolgenden Tötung von frisch geschlüpften männlichen Küken angerufen wurde und dabei zwischen ethischen Gesichtspunkten des Tierschutzes und ökonomischen Nutzungsinteressen abzuwägen hatte. Das Verhältnis von „Tierwohl“ und wirtschaftlichen Interessen ist auch im bürgerlichen Recht einzelfallabhängig und graduell. Dem Tierschutz als zu berücksichtigendem Belang im Zivilrecht aufgrund der Wertung des Art. 20a GG prinzipiell Vorrang vor anderen rechtlich schutzwürdigen Interessen einzuräumen,1888 ist nicht geboten. Zwar ist der Schutz der Tiere verfassungsrechtlich verankert, hier aber lediglich allgemein als Staatszielbestimmung festgehalten und auch nicht vorbehaltlos gewährleistet. Zudem werden die privaten Interessen, die im Einzelfall mit dem „Tierwohl“ konfligieren, mittelbar oder unmittelbar ebenfalls Gegenstand verfassungsrechtlichen Schutzes sein (und sei es Art. 2 Abs. 1 GG). Zutreffend ist aber, dass zivilrechtlich geschützte Rechtspositionen – wie schon § 903 S. 2 BGB deklaratorisch aufgreift – zum einen von vornherein begrenzt sind durch gewisse von jedermann einzuhaltende öffentlich-rechtliche Tierschutz-Vorgaben. Zum anderen können sich letztere im Zivilrecht auch auf die Frage der Schutzwürdigkeit privatrechtlicher Interessen auswirken (Beispiel: Beurteilung der mietrechtlichen Zulässigkeit einer nicht artgerechten Tierhaltung). Beeinflussen „Tierwohl“-Gesichtspunkte eine zivilrechtliche Entscheidung, so geht damit auch die Frage einher, wer gleichsam die Kosten und das Risiko dafür trägt, wenn es um des Tierschutzes willen zu Vermögenseinbußen kommt (zum Beispiel Kosten einer Notfallbehandlung bei mangelndem Vertretenmüssen des Verkäufers, Kostentragungspflicht der Teilkaskoversicherung bei vermiedenen Wild-Unfällen). Es bleibt hier letztlich eine anhand der Umstände des Einzelfalls unter Zurechnungsgesichtspunkten und unter Abgrenzung von Risikosphären zu beantwortende Wertungsfrage, zu wessen Lasten das „Tierwohl“ als ein im öffentlichen Interesse liegender Belang gefördert werden soll.1889 1887
BVerwG, Urt. v. 13. 06. 2019 – 3 C 28.16/3 C 29.16 – juris; anders noch die Vorinstanz: OVG Münster, Urt. v. 20. 05. 2016 – 20 A 488/15, BeckRS 2016, 46153. Zur Tötung von Eintagsküken aus tierschutzrechtlicher Sicht siehe auch Köpernik, AUR 2014, 290 ff. und Steiling, AUR 2015, 7 ff. 1888 Dietz, DGVZ 2003, 81, 82 etwa spricht im Kontext des § 811c II ZPO u. a. unter Hinweis auf Art. 20a GG von einem „tendenziellen Vorrang des Tierschutzgedankens“. 1889 Für den Bereich des Artenschutzes vgl. etwa Heidenreich/Tausch, NuR 1992, 210 ff., die zu dem Ergebnis kommen, dass Eigentümer wegen Schäden, die von wildlebenden Tieren besonders geschützter Arten angerichtet werden, grundsätzlich keine Ersatzansprüche gegen den Staat haben.
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Dass einmal das „Tierwohl“ und das Affektionsinteresse eines Menschen an einem Tier miteinander konfligieren, ist ebenfalls theoretisch denkbar, dürfte aber eher selten vorkommen, da oft ein dem immateriellen Interesse des Tierhalters Rechnung tragendes Ergebnis auch ein dem „Wohl“ des betreffenden Tieres dienendes Ergebnis sein wird (etwa der Verbleib eines Tieres beim Schuldner und damit in gewohnter Umgebung). Stellen könnte sich der Konflikt aber zum Beispiel im Streit zweier sich trennender Ehegatten um die Zuweisung eines Tieres. Aus dem derzeitigen Stand von veröffentlichter Rechtsprechung und dem Schrifttum zur Zuweisungsentscheidung bei Tieren zeichnet sich dabei ab, dass „Tierwohl“-Erwägungen eine gewisse Rolle spielen können, der Grad des jeweiligen Affektionsinteresses am Tier jedoch eher nicht maßgeblich ist. Anders als das auf ein Tier bezogene Affektionsinteresse, dessen Schutz bisher nur in Ansätzen gesetzlich angelegt oder von Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt ist, ist das „Tierwohl“ einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich explizit als rechtlich geschützter Belang identifiziert. Dies ist ein Argument dafür, dass sich bei einem Widerstreit von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ ersteres durchsetzt. Sprechen hingegen sowohl „Tierwohl“-Erwägungen als auch die Rücksichtnahme auf das Affektionsinteresse am Tier für ein bestimmtes Ergebnis, verstärken sich beide Faktoren gegenseitig und werden sogar – dazu sogleich – in der Argumentation nicht selten munter miteinander vermengt.
IV. Zum Verhältnis von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ in der Begründungsrhetorik – kritische Würdigung 1. Häufig unsaubere Vermengung von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse am Tier“ Die Schutzgüter „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse am Tier“ identifiziert diese Arbeit als zwei Kern-Gesichtspunkte bei der besonderen zivilrechtlichen Behandlung von Tieren. In Gesetzgebungsmaterialien, Schrifttum und Rechtsprechung werden sie auffallend oft nicht sauber und konsistent getrennt, teils sogar widersprüchlich zugeordnet. Schon aus der Zeit vor dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht finden sich Beispiele zivilrechtlicher Konstellationen, in denen Tierschutz-Aspekte und das besondere immaterielle Interesse des Tierhalters kumulativ oder alternativ eine Rolle spielten (etwa bei der schadensrechtlichen Frage, ob Heilbehandlungskosten über den Wert eines Tieres hinaus ersatzfähig sind). Mit der Einfügung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und § 811c ZPO sind im Jahr 1990 dann Vorschriften geschaffen worden, an denen sich der Dualismus von „Affektionsinteresse am Tier“ und „Tierschutz“ als Bausteine juristischer Argumentation in besonderer Deutlichkeit zeigt. Wer Materialien und Schrifttum auf die ratio legis von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und § 811c ZPO hin befragt, dem strömen beide
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Aspekte zugleich entgegen, entweder vermengt oder jedenfalls, ohne dass einheitlich beantwortet würde, auf welchen der zwei Faktoren die in diesen Vorschriften angeordnete besondere Behandlung von Tieren nun letztlich primär zurückzuführen ist. Auch jenseits der beiden genannten markanten Regelungen aus dem Schadensund Zwangsvollstreckungsrecht treten die Gesichtspunkte „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse am Tier“ nebeneinander auf und die anzutreffenden Argumentationsmuster changieren zwischen ihnen – das heißt eine Rücksichtnahme auf Besonderheiten, die sich bei Tieren im Vergleich zu Sachen ergeben, wird von unterschiedlichen Seiten entweder mit dem einen oder dem anderen der zwei Elemente oder gar kumulativ mit beiden begründet, zum Teil auf seltsame Weise ineinander verwoben. Beispiele dafür finden sich – bei der Frage nach einem Zurückbehaltungsrecht an Tieren, – bei der Zuweisung von Haustieren geschiedener oder getrennt lebender Ehegatten oder – im Rahmen des allgemeinen Vollstreckungsschutzes nach § 765a ZPO. Für eine nachvollziehbare Rechtsanwendung, die ja durchaus auch einmal eine am Schutzzweck orientierte Auslegung beinhalten kann, ist dieser Zustand unbefriedigend. Deshalb sollte jedenfalls zwischen Hauptzweck und etwaigen womöglich zusätzlich verfolgten Nebenzwecken unterschieden werden können. Als Orientierungslinie ist dabei klar zu benennen: Die Begrenzung des Anwendungsbereichs einer Norm auf im häuslichen Bereich und zu Freizeitzwecken gehaltene Tiere (oder eine vergleichbare Beschränkung) ist stets ein deutliches Zeichen dafür, dass nicht der Tierschutz, sondern der Schutz des Affektionsinteresses am Tier Hauptzweck der Vorschrift ist. 2. Wertschätzung von Tieren durch den Menschen ist eigentliche Triebfeder Gerade ein näherer Blick auf § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und § 811c ZPO, als Beispiele eines Motivbündels aus „Tierwohl“-Erwägungen und einer Rücksichtnahme auf das Affektionsinteresse an Tieren, fördert einen Befund zu Tage, der sich zugespitzt so formulieren lässt: Der Gesetzgeber behandelt Tiere anders als Sachen – nicht in erster Linie, weil er sie schützen will, sondern weil er Verständnis dafür hat, dass ein Mensch an seinem Liebhaber-Tier besonders hängt. Bei § 811c ZPO spricht schon die explizite Begrenzung des Anwendungsbereichs dafür, dass der Zweck der Regelung vornehmlich darin besteht, die Bindung des Schuldners an sein Tier zu schützen. Der Geltungsbereich ist nämlich erkennbar auf solche Tiere zugeschnitten, die besonders häufig Gegenstand eines Affektionsinteresses sind: Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden. § 251 Abs. 2 S. 2 BGB enthält eine solche Einschränkung zwar nicht explizit, wird aber in praxi auch nur auf eben solche „Affektionstiere“ angewendet. Vor allem diese unterschiedliche Behandlung von einerseits zu wirtschaftlichen
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Zwecken, andererseits aus Liebhaberei gehaltenen Tieren, die sich in den untersuchten Bereichen des materiellen Zivilrechts und Zwangsvollstreckungsrechts nachweisen lässt, zeigt, dass es hier im Kern nicht um Tierschutz geht, jedenfalls nicht im Sinne eines einheitlichen Schutzes von Tieren. Wenn der gesetzliche Tierschutz, wie allerorts nachzulesen ist, ein ethisch, „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als schmerzempfindliches Lebewesen und Mitgeschöpf“ heraus begründeter ist, rechtfertigt sich die Differenzierung danach, zu welchem Zweck ein Mensch das Tier hält, nicht. Zwar gilt, dass ein dem Affektionsinteresse des Tierhalters Rechnung tragendes Ergebnis sich häufig auch zum Vorteil des Tieres auswirkt – etwa indem das Tier mangels Pfändung in seiner gewohnten Umgebung verbleibt oder ihm auf Kosten des Schädigers eine kostspielige Heilbehandlung zuteilwird. Dies mag zu der engen Verflechtung von „Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“ in den Begründungsmustern beitragen. Dass Impetus für die besondere Behandlung von Tieren jedenfalls auch Tierschutz-Aspekte sind, kann überdies nicht ernsthaft bestritten werden. Zweifelhaft ist aber, ob darin der ausschlaggebende Hauptgesichtspunkt liegt. Dieser Befund überrascht, wenn man ihn mit der Rhetorik der zugehörigen Gesetzgebungsmaterialien vergleicht. Denn darin ist – obschon dort die Rücksichtnahme auf immaterielle Interessen der Tierhalter in Ansätzen ebenfalls anklingt – der Schutz des Tieres in den Vordergrund gerückt. Die Untersuchungen führen vor Augen, dass diese Rhetorik des Zivilgesetzgebers, die vornehmlich den Tierschutzgedanken betont, einer Konsistenz-Prüfung nicht uneingeschränkt standhält. Die beherrschende Rolle, die der Tierschutz vor allem nach dem Begründungsmantra des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht spielen soll, kommt ihm in Wahrheit nicht zu – vielmehr eine Nebenrolle als erwünschte Begleitwirkung. Der rechtliche Schutz „von Tieren“ und die Frage, wie stark sie zivilrechtlich anders behandelt werden als Sachen, hängt stattdessen nicht selten davon ab, in welcher Beziehung die betreffenden Tiere zum Menschen stehen, das heißt ob sie Gegenstand eines besonderen immateriellen Interesses sind. Es wird also zuweilen von einem ethischen – um des Tieres selbst willen gewährten – Tierschutz gesprochen, wo tatsächlich aber der Schutz des Affektionsinteresses an Tieren, ein Schutz des Tieres um des Menschen willen gemeint ist. Diese Beobachtungen legen den anthropozentrischen Ansatz (zivil-)rechtlichen Tierschutzes offen. Was sich also als eine zivilrechtliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte linear in Richtung auf mehr Tierschutz darstellt, ist damit eher oder zumindest auch eine (zum Teil verschleierte) Entwicklung hin zu einer – mitunter sogar gesetzgewordenen – gesteigerten Rücksichtnahme auf die immaterielle Bedeutung von Tieren für Menschen. Weniger „disponibel“ im Sinne einer Abhängigkeit von der „Tierliebe“ der Menschen erscheint der gesetzlich konkret festgeschriebene Tierschutz, wie er sich zum Beispiel aus den Einzelnormen des TierSchG ergibt. Tatsächlich schlägt ein von Affektionsinteressen unabhängiger Tierschutz (wie schon oben beschrieben) auf das
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Zivilrecht besonders dort effektiv durch, wo es ganz konkrete rechtlich ausgeformte Tatbestände gibt, bei deren Erfüllung ein tierschutz- und damit gesetzeswidriger Zustand festgestellt werden kann. Das heutige deutsche TierSchG konstituiert nach der Konzeption des Gesetzgebers einen ethisch begründeten, das heißt um des Tieres selbst willen erfolgenden Tierschutz. Doch über den Umfang dieses Schutzes entscheidet bei näherem Hinsehen auch hier – jedenfalls in gewissem Maße – letztlich das gesellschaftliche Empfinden gegenüber den betreffenden Tieren. Fragt man etwa nach der Auslegung des in § 1 S. 2 TierSchG enthaltenen Erfordernisses eines „vernünftigen Grundes“ (um Tieren beispielsweise Leiden zuzufügen), so heißt es dazu in der Kommentarliteratur, ein solcher könne sich „aus der gesellschaftlichen Anerkennung ergeben“. Welche menschlichen Interessen in der Abwägung mit dem Wohl des Tieres schutzwürdig seien, wäre „zunächst eine Sache der sozialen Akzeptanz“; hinzukommen müsse, „dass das Interesse den Vorstellungen der billig und gerecht Denkenden entspricht“.1890 Dass gleichsam das Ansehen bestimmter Tiere in den Augen der Menschen über den Umfang des ihnen gewährten Schutzes bestimmt, zeigt sich schon früh. Wie Filip-Fröschl1891 rechtsgeschichtlich darlegt, existierte der Schutz von Tieren lange Zeit ohnehin nur als Reflex und Ausfluss des Eigentumsrechts an ihnen und fiel dabei je in Abhängigkeit von der Wertschätzung der Tiere unterschiedlich aus. Diese Wertschätzung konnte sich, so Filip-Fröschl für das Römische Recht, neben der Nützlichkeit1892 des Tieres auch aus einer besonderen „Zuneigung für ein bestimmtes Tier“1893 ergeben; außerdem berichtet er von einem (schon damaligen) Trend, aus Freude an der Tierhaltung, zum Teil gar aus einer schon übersteigerten Tierliebhaberei bestimmte Luxustiere (wie Pfauen) zur Erbauung zu halten.1894 In der Zeit des Nationalsozialismus erwog Elster1895 eine mögliche Rechtspersönlichkeit von Tieren unter Hinweis auf treue Arbeitstiere, die zum „Werkgenossen des Menschen“ geworden seien, und mit dem Argument, wenn die Menschheit „die Gemeinschaft des Tieres“ gern entgegennähme, müsse sie solche Leistung doch „mit Mitteln des Rechts lohnen“. Gleichzeitig betonte er, nicht gemeint seien hier natürlich die „lästigen Unholde aus der zoologisch so weit gefaßten Tierwelt“, wie Fliegen oder Schlangen; „nur den höheren Tieren und zumal denen, die dem Menschen seelisch und im Erdendienst nahestehen“, sollten diese Gedanken gelten.1896 Entscheidend für den Impetus, Tieren rechtlichen Schutz zu gewähren, ist heute nicht zuletzt, inwieweit sich Menschen mit den betreffenden Tieren identifizieren können und infolge dessen gleichsam „Mitleid“ empfinden. So konstatiert etwa 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896
Erbs/Kohlhaas-Metzger § 1 TierSchG Rn. 27 (211. EL 2016). Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 31 ff. Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 32 f. Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 33. Filip-Fröschl, in: Harrer/Graf, S. 21, 31, 34. Elster, DJ 1936, 230. Elster, DJ 1936, 230, 231.
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Schulze-Fielitz1897 im Hinblick auf die Staatszielbestimmung in Art. 20a GG, Tierschutz könne „anthropozentrisch nur durch den Menschen in seinem Interesse interpretiert werden“. Daher gründe „der Tierschutz in Ähnlichkeiten mit den Menschen“ und aktiviere „deren Mitgefühl für vergleichbare Lebensinteressen der Tiere daran, nicht Schmerzen, Leiden, Ängste oder Schäden ausgesetzt zu werden“. Dass letztlich die menschliche Zuneigung Tieren gegenüber der ausschlaggebende Motor von Tierschutz ist, wird nur selten explizit ausgesprochen oder in den Fokus gestellt, aber zuweilen durchaus gesehen. Eher beiläufig lässt etwa Lorz1898 in einer Fußnote eines Aufsatzes über das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht die Bemerkung fallen: „Tierschutz und Tierliebe sind untrennbar verbunden. Das Mitgefühl mit dem Tier ist Ausgangspunkt des Tierschutzes und noch heute seine stärkste Triebfeder.“ Schneider Kayasseh1899 behauptet in ihrer rechtsvergleichenden Monografie: „Die gesellschaftlich anerkannte Mensch-Tier-Beziehung beeinflusst wesentlich alle Rechtssätze, die sich mit Tieren befassen“. Die These trifft zu. Im Lichte der Befunde dieser Arbeit lässt sich nun auch sagen, woran sich dies zeigt.
V. Die Bedeutung von speziellen Tier-Regelungen im Zivilrecht 1. § 90a BGB und vergleichbare Klauseln in anderen Rechtsordnungen: wirkungsschwach, aber nicht wirkungslos Durch § 90a S. 1 BGB hat der Gesetzgeber im Jahr 1990 Tiere aus dem Begriff der Sachen formal herausgelöst. Mangels Alternativen finden jedoch auf Tiere die für Sachen geltenden Bestimmungen weiterhin Anwendung (§ 90a S. 3 BGB): Das BGB kennt de lege lata nur Rechtssubjekte und Rechtsobjekte, es hält keine „light-Version“ der Sachvorschriften bereit, keinen Parallel-Regelungskanon für eine Kategorie der „Tiere“. Vor diesem Hintergrund urteilten die meisten Reaktionen des Schrifttums, § 90a BGB werde keine praktischen Auswirkungen haben und sei gesetzgewordene Symbolpolitik. Allerdings ist durchaus zu beobachten, dass seit Einführung der Vorschrift in verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen jedenfalls der Versuch unternommen wird, aus § 90a BGB eine Argumentationslinie zu entwickeln mit dem credo: Was für die rechtliche Behandlung von Tieren vor der Einführung von § 90a BGB galt, kann nicht unverändert weitergelten. Nicht übersehen werden darf dabei freilich: Schon für die Zeit zuvor lassen sich Belege finden, dass Rechtsanwender Tiere als Rechtsobjekte besonderer Art ansahen und dies in ihre rechtliche Würdigung einfließen ließen. In jedem Falle aber ist durch die in § 90a S. 3 BGB angeordnete nur „entsprechende“ Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften ein gesetzliches Türchen geöffnet worden, mit dem sich die grund1897 1898 1899
Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a GG Rn. 56 (3. Aufl. 2015). Lorz, MDR 1990, 1057, 1060 Fn. 35. Schneider Kayasseh, S. 3.
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sätzliche Zulässigkeit einer besonderen rechtlichen Behandlung von Tier-Fällen anhand eines normativen Anknüpfungspunktes rechtfertigen lässt. Das in Deutschland durch § 90a BGB manifestierte Bestreben, Tiere rechtstechnisch nicht länger dem Begriff der Sachen zuzuschlagen, findet in anderen Ländern Parallelen (Art. 641a ZGB in der Schweiz, Art. 515 – 14. CC in Frankreich, Vorschläge solcher Art auch in den USA; in Österreich bestand in Gestalt von § 285a ABGB schon vor Einführung des § 90a BGB eine entsprechende Vorschrift). Ebenso wie § 90a BGB in den nun 30 Jahren seiner Geltung zwar Beachtung gefunden, insgesamt aber doch verhältnismäßig wenig Bedeutung erlangt hat, dominiert auch in den herangezogenen Vergleichsländern nach wie vor die Nähe der zivilrechtlichen Behandlung von Tieren zur Behandlung von Sachen. Mit dem Umstand, dass man Tiere neuerdings terminologisch von Sachen trennte, waren auch dort, ähnlich wie in Deutschland, tiefgreifende Änderungen der zivilrechtlichen Stellung von Tieren nicht verbunden. Vielmehr scheint man mit den „Tier-Klauseln“ vor allem einer veränderten gesellschaftlichen Wahrnehmung von Tieren nachgekommen zu sein, die an einer (wenn auch nur aus rechtspraktischen Gründen erfolgenden) Etikettierung von Tieren als Sachen Anstoß nahm. Jedoch wird zuweilen von Befürwortern einer tierfreundlicheren Rechtspolitik der Gedanke angeführt, dass eine solche gleichsam Umetikettierung als ein erster (mehr symbolischer) Schritt zu einem langsam voranschreitenden generellen Umdenken aufgefasst werden könne, an dessen Ende womöglich doch eine weitergehende Reform des zivilrechtlichen Status von Tieren steht. 2. Tierspezifische Vorschriften wirken über ihren Anwendungsbereich hinaus Erwähnenswert ist als Befund, dass die wenigen, vor allem durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht eingeführten expliziten gesetzlichen Sonderregeln für Tiere dazu genutzt werden, aus ihnen Rückschlüsse auch für Fallgestaltungen zu gewinnen, auf die sie nicht unmittelbar Anwendung finden. So wurde etwa der Rechtsgedanke des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB herangezogen für die Frage der Verhältnismäßigkeit von Nachbesserungskosten im Kaufrecht oder für die Beurteilung, ob ein Geschäftsführer im Rahmen einer GoA Aufwendungen für die Behandlung eines Fundtieres noch als erforderlich ansehen darf, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen. Dass im Schrifttum unter Hinweis auf § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO vorgeschlagen wird, Tierschutz-Gesichtspunkte in die Frage der mietrechtlichen Zulässigkeit der Tierhaltung einzubeziehen, gehört ebenfalls in die Reihe der Beispiele. Eine gewisse Ausstrahlungswirkung dürfte auch von der in § 811c ZPO enthaltenen Differenzierung zwischen „Erwerbs-“ und Freizeit-Tieren ausgehen: Die Vorschrift unterscheidet für den Pfändungsschutz danach, zu welchem Nutzungszweck das Tier gehalten wird.
§ 8 Herausforderungen und mögliche Folgerungen
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§ 8 Herausforderungen und mögliche Folgerungen I. Schwierigkeiten in der konkreten Umsetzung der Berücksichtigung von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ Nach dem bisher Gesagten können in zivilrechtlichen Fragestellungen, in denen es um Tiere geht, grundsätzlich das Affektionsinteresse eines Menschen an einem Tier, aber auch „Tierwohl“-Gesichtspunkte als Belang Berücksichtigung finden, wenn die Umstände des Einzelfalls dazu Anlass geben und die jeweils maßgeblichen Vorschriften Raum dafür lassen, beispielsweise indem sie auf eine Interessenabwägung verweisen oder indem sie durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe der Auslegung bedürfen. Als abstrakter Grundsatz formuliert darf diese These nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre konkrete Umsetzung bei der Anwendung des Zivilrechts mit Herausforderungen behaftet ist. Schwierigkeiten drohen hier nicht zuletzt im Hinblick auf die dann erforderlich werdende Ermittlung und Würdigung der dazu entscheidungserheblichen Tatsachen und sind von solchem Gewicht, dass sie schon für sich genommen Bedenken wecken könnten, der oben aufgestellten These zu folgen – wenn ihnen nicht Lösungen entgegengesetzt werden. Dieser rechtspraktischen Perspektive soll deshalb einige Aufmerksamkeit gewidmet werden. 1. Beurteilungsgegenstand schwer zugänglich Lässt man die Berücksichtigung von „Tierwohl“-Gesichtspunkten sowie des Affektionsinteresses an einem Tier zu, folgt daraus, dass die Feststellung der dafür maßgeblichen Tatsachengrundlage zum Inhalt des jeweiligen Gerichtsverfahrens und damit potentiell einer Beweiserhebung werden kann. Hier lauern Hindernisse. Sie resultieren zunächst daraus, dass es sich sowohl bei dem an einem Tier bestehenden Affektionsinteresse, als auch bei „Tierwohl“-Aspekten um einen nicht unmittelbar zugänglichen Beurteilungsgegenstand handelt. Im Hinblick auf das Affektionsinteresse an Tieren liegt dies daran, dass es ein subjektiver Umstand, eine innere Tatsache ist. Dementsprechend verweisen Appelle gegen die Berücksichtigung eines Affektionsinteresses häufig auf dessen mangelnde Objektivierbarkeit1900 und auf Probleme, die aus der Subjektivität immaterieller Interessen folgen, wie Beweis-,1901 Bemessungs-1902 und Abwägungsschwierigkeiten1903. Im Hinblick auf „Tierwohl“-Aspekte stellt sich das Problem der Feststellbarkeit und Messbarkeit wegen der Begrenztheit der menschlichen Wahrnehmungs- und 1900 Vgl. Oetker, NJW 1985, 345, 346; OLG Koblenz, Urt. v. 10. 05. 1999 – 12 U 323/98, r + s 2000, 456, 457. 1901 Schmid, VersR 1979, 402, 405. 1902 Fikentscher/Heinemann, S. 333 f. Rn. 678 (10. Aufl. 2011). 1903 Etwa Münzberg, ZRP 1990, 215, 216.
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
Erkenntnismöglichkeiten gleichsam in verschärfter Form. Die Beurteilung, was dem Wohl eines Tieres entspricht oder wie sich das Wohl des Tieres auf die eine oder andere Behandlung hin verändert, ist dem (menschlichen) Rechtsanwender nur beschränkt und allenfalls mittelbar möglich – und die Entscheidungsbasis damit zwingend ein Stück weit defizitär. Freilich gibt es gewisse gesicherte (wenngleich nur als Momentaufnahme eines notwendigerweise vorläufigen Wissensstandes unserer Zeit zu betrachtende) wissenschaftlich gewonnene Kenntnisse etwa über die Schmerzempfindlichkeit von Tieren und schon allein aus verhaltensbiologischen Studien oder aus der Beobachtung von Tieren in freier Wildbahn lassen sich jedenfalls einige Aussagen darüber treffen, was dem Wohlbefinden von Tieren wohl eher förderlich und was eher abträglich sein wird. Nicht zuletzt bieten die auf dieser Grundlage stehenden Vorgaben des Tierschutzrechts, auch jenseits von Verstößen gegen konkrete Tatbestände, gesetzliche Anhaltspunkte und Maßstäbe für das Wohl des streitbefangenen Tieres. Jedoch können tatrichterliche Beweiserhebungen zum „Tierwohl“ im Zivilverfahren, wie plastische Fälle aus der Rechtsprechung zeigen, ziemlich kurios anmutende Blüten treiben,1904 die Zweifel erwecken, ob es wirklich Aufgabe der Zivilgerichte sein sollte, sich hiermit zu beschäftigen, und die schon für sich genommen als Argument gegen die Berücksichtigung des „Tierwohls“ im Zivilrecht angeführt werden könnten.1905 Die Einbeziehung von „Tierwohl“-Aspekten, ebenso wie auch die eines etwaigen an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses, muss daher in einer Weise möglich sein, die das Zivilverfahren gemessen an seinem Zweck und prozessökonomischen Gesichtspunkten nicht ad absurdum führt.
2. Gefahr subjektiv gefärbter Entscheidungen Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen es der Sache nach um eine Rücksichtnahme auf das Affektionsinteresse an einem Tier oder um die Berücksichtigung von „Tierwohl“-Aspekten ging, bieten Anschauungsmaterial für die Frage, auf welcher Grundlage bisher Einschätzungen in Bezug auf das Wohlbefinden von Tieren und die menschliche Bindung zu Tieren getroffen wurden. Als Gemeinsamkeit ist hier zu beobachten, dass oft auf einer Art Evidenz-Basis gearbeitet wird und Gerichte nicht nur die Nachvollziehbarkeit eines vorgetragenen Affektionsinteresses des Halters, sondern auch die Frage, was dem Wohl des Tieres am besten entspricht, aus eigener Sachkunde heraus beurteilen. Generell scheinen sich Rechtsanwender für die Feststellung, was das „Wohl“ eines Tieres erfordert, eigene Bewertungskompetenz zuzutrauen.1906 Dass dies ein gewisses Einfallstor für den Einfluss der jeweils subjektiven Erfahrungen, Einstellungen und des persönlichen 1904 Vgl. AG Bad Mergentheim, Beschl. v. 19. 12. 1996 – 1 F 143/95, NJW 1997, 3033: Tierpsychologische Begutachtung, Inaugenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung: Der Hund begab sich zielstrebig zum Ast., ließ sich von diesem bereitwillig auf den Schoß nehmen und gab dort deutliche Zeichen des Wohlgefallens von sich, zum Beispiel leckte er das Gesicht. 1905 Satirisch etwa Gerhardt, ZRP 2005, 144; Büttner, FamRZ 1999, 761. 1906 Kriterien für das Wohlbefinden eines Tieres stellt etwa Brüninghaus, S. 78 f. auf.
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Verhältnisses der entscheidenden Personen zu Tieren ist, drängt sich bei der Lektüre vieler tierbezogener Urteile auf. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist das nicht wünschenswert. Im Kontext von Gerichtsentscheidungen über die mietrechtliche Zulässigkeit von Tierhaltung wurde einmal die Wahrnehmung geäußert, oft seien Emotionen den Begründungen anzumerken1907 und die jeweiligen Auffassungen gründeten häufig „nicht auf rechtlichen Kriterien, sondern auf einem außerrechtlichen Vorverständnis über das Zusammenleben von Mensch und Tier“;1908 darüber lasse sich „kaum streiten“, da „Erfahrungen und Erkenntnisse über das Zusammenleben von Mensch und Tier (…) oft widersprüchlich und zugleich jeweils richtig“ seien.1909 Diese Beobachtung ist nicht mietspezifisch, sondern symptomatisch auch für andere tierbezogene Zivilrechtsfragen.
II. Lösungsansätze 1. Beibringungsgrundsatz und Beweislastverteilung Die Feststellung der für ein Affektionsinteresse an einem Tier oder das „Tierwohl“ maßgeblichen Tatsachengrundlage ist zwar aus den oben genannten Gründen mit Herausforderungen behaftet. Der im Zivilprozess geltende Beibringungsgrundsatz sowie die Beweislastverteilung helfen aber, diese Schwierigkeiten sachgerecht zu allozieren und das Problem zu entschärfen. Dies gilt zunächst für das Affektionsinteresse als eine innere und deshalb schwer zu beurteilende Tatsache. Dank des Beibringungsgrundsatzes1910 wird das Gericht (unter den oben beschriebenen Voraussetzungen) ein schutzwürdiges Affektionsinteresse eines Streitbeteiligten an einem Tier nur berücksichtigen, wenn sich die betreffende Partei auf ein solches Affektionsinteresse auch beruft, es hinreichend darlegt und – als einen für sie günstigen Umstand – nötigenfalls zur Überzeugung des Gerichts beweist. Gelingt letzteres nicht, geht dies nach der allgemeinen Beweislastregel1911 zu ihren Lasten und das Affektionsinteresse bleibt außer Betracht. Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der Beweis- und Darlegungslast1912 im Hinblick auf „Tierwohl“-Aspekte. Dies resultiert daraus, dass das „Tierwohl“ als 1907
Schmid, WuM 1988, 343, 345, Hervorhebung durch Verf. Blank, NZM 1998, 5, 7; ähnlich Davids, SchZtg 2008, 97; Schach, GE 1992, 1291. 1909 Blank, NZM 1998, 5, 7. 1910 Siehe hierzu zum Beispiel Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 66 (3. Aufl. 2014); Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 208 (13. Aufl. 2016); Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 14 (10. Aufl. 2011). 1911 Siehe Musielak/Voit-Foerste § 286 ZPO Rn. 32 f., 35 (13. Aufl. 2016); vgl. Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 352 (3. Aufl. 2014). 1912 Zu den Begriffen siehe Musielak/Voit-Foerste § 286 ZPO Rn. 32 f. (13. Aufl. 2016). 1908
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ein im öffentlichen Interesse verfolgter Belang im Zivilprozess in gewissem Maße als Fremdkörper daherkommt. Ein Musterbeispiel hierfür bietet § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts. Diese Vorschrift integriert TierschutzAspekte in den Kontext einer Schuldnerschutzvorschrift. Nach § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO kann der Schuldner bei dem Vollstreckungsgericht beantragen, eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufzuheben, zu untersagen oder einstweilen einzustellen, wenn sie unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Im Rahmen der Abwägung bleiben Belange Dritter oder der Allgemeinheit grundsätzlich außer Betracht.1913 Betrifft die Maßnahme jedoch ein Tier, so hält § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO das Vollstreckungsgericht dazu an, bei seiner Entscheidung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Beweis- und Darlegungslast gilt für § 765a ZPO zunächst, dass das Gericht entsprechend der allgemeinen zivilprozessualen Regeln in die Abwägung nur solche Interessen einbeziehen darf, die von den Parteien vorgetragen und gegebenenfalls bewiesen wurden und dass keine Pflicht zur Amtsermittlung besteht.1914 Ob dies auch für die Berücksichtigung der „Verantwortung des Menschen für das Tier“ im Sinne des § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO Gültigkeit hat, ist offen. Der Beibringungsgrundsatz und die Beweislastverteilung erklären sich im Zivilprozess nicht zuletzt aus dessen Ausrichtung darauf, Konflikte konkurrierender privater Interessen auszutragen. Ist nun mit dem Aspekt des „Tierwohls“ ein im öffentlichen Interesse liegender Gesichtspunkt betroffen, könnten daraus Abweichungen folgen. Denn jedenfalls im originären Tierschutzrecht gilt, dass die Behörde die das Tier betreffenden Umstände umfassend von Amts wegen ermitteln muss.1915 Zudem findet teils auch im Zivilprozess – in Bereichen, in denen es ebenfalls um ein öffentliches Interesse geht1916 – der Untersuchungsgrundsatz Anwendung.1917 Das könnte dafür sprechen, dass genauso im Hinblick auf „Tierwohl“-Aspekte die maßgeblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln sind. Sachgerechter und der Prozessökonomie besser entsprechend ist aber, es auch für „Tierwohl“-Gesichtspunkte bei dem allgemeinen im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz und der allgemeinen Beweislastregel zu belassen. Dies ist praktikabel, denn in den betreffenden Abwägungs- oder Auslegungsentscheidungen, bei denen das „Tierwohl“ als ein Belang eingestellt werden kann, wirkt sich die Berücksichtigung des „Tierwohls“ im Ergebnis für eine der Parteien positiv, für die andere Partei negativ aus. Der durch den „Tierwohl“-Aspekt begünstigten Partei 1913
MüKo(ZPO)-Heßler § 765a ZPO Rn. 40 (5. Aufl. 2016). Schmidt-Futterer-Lehmann-Richter § 765a ZPO Rn. 13 (12. Aufl. 2015). 1915 Lorz/Metzger § 1 TierSchG Rn. 76 (6. Aufl. 2008). 1916 Die Beispiele sind eher spärlich gesät und entstammen bezeichnenderweise vornehmlich dem Bereich des Familienrechts (siehe §§ 26, 127 Abs. 1 FamFG). 1917 Vgl. Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 82 (3. Aufl. 2014); Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 208 (13. Aufl. 2016); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Rn. 41 f. (17. Aufl. 2010). 1914
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daher entsprechend der allgemeinen Regel im Zivilprozess die Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen, ist somit möglich und – da die jeweilige Partei einen Anreiz hat, die maßgeblichen Gesichtspunkte zu ihren Gunsten vorzubringen – effizient. Etwas anderes ist auch nicht deshalb geboten, weil der Schutz des „Tierwohls“ im öffentlichen Interesse liegt. Vielmehr kommt bei den hier in Rede stehenden privatrechtlichen Streit-Konstellationen das Wohl des Tieres funktional als ein zivilrechtlicher Entscheidungsaspekt daher, nämlich in der Weise, dass es die Schutzwürdigkeit der Interessen einer Partei und damit ihre zivilrechtliche Position schwächen oder untermauern kann. Daher gilt: Soweit ein „Tierwohl“-Aspekt vorgetragen wird (und die maßgeblichen Normen des Zivilrechts Raum für dessen Berücksichtigung lassen), kann und sollte ein Zivilgericht diesen zwar in seine Entscheidung einbeziehen; wird er nicht vorgetragen, muss es indes nicht von Amts wegen Sachverhaltsermittlungen in diese Richtung anstrengen, zumal wenn es, wie bei der Berücksichtigung allgemeiner „Tierwohl“-Aspekte, nur um Nuancen im Rahmen einer insgesamt aber doch im Einklang mit zwingendem Tierschutzrecht stehenden zivilrechtlichen Entscheidung geht. Relativierend ist außerdem zu bedenken, dass für das Beweisverfahren selbst der Beibringungsgrundsatz dann ja ohnehin nur sehr eingeschränkt (vornehmlich für die Zeugenvernehmung, § 373 ZPO) gilt und das Gericht daher von Amts wegen beispielsweise die Einnahme von Augenschein, die Vorlage von Gutachten, die Hinzuziehung von Sachverständigen oder die Parteivernehmung anordnen kann.1918 Überdies kann das Zivilgericht im Rahmen der materiellen Prozessleitung in gewissem Maße Einfluss nehmen, indem es durch Fragen und Hinweise gemäß § 139 Abs. 1 ZPO darauf hinwirkt, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Insgesamt dürften dem Gericht dadurch auch Mittel zur Verfügung stehen, eine etwaige Beweiserhebung in einen sachgerechten und prozessökonomischen Rahmen zu lenken und allzu skurrile bis komödiantische Szenen von TierAuftritten vor Gericht zu vermeiden.1919 Die Anwendung des Beibringungsgrundsatzes und der allgemeinen zivilprozessualen Beweislastregel auch auf „Tierwohl“-Gesichtspunkte wird zudem der im Recht angelegten funktionalen Trennung und Aufgabenverteilung am besten gerecht. Denn wie schon an früherer Stelle betont, ist die Durchsetzung des Tierschutzrechts Aufgabe der dafür vorgesehenen Behörden, das Zivilverfahren dagegen nicht der originäre Ort hierfür. Dies gilt selbst dann, wenn nicht bloß allgemeine „Tierwohl“-Aspekte in Rede stehen, sondern es um einen konkreten Verstoß gegen Tierschutzrecht geht. Sollte ein solcher wirklich einmal im Rahmen des Zivilverfahrens infolge des Beibringungsgrundsatzes und der Beweislastverteilung unbe1918
Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 83 (3. Aufl. 2014). LG Heilbronn, Beschl. v. 29. 01. 1980 – 1 T 270/79 II, DGVZ 1980, 111 stützte sein Urteil etwa auf ein amtstierärztliches Zeugnis. 1919
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rücksichtigt bleiben, führt das ja nicht dazu, dass Tierschutzbehörden ihm nicht dennoch nachgehen könnten. Für diese greift dann der Untersuchungsgrundsatz. Bei konkreten tierschutzrechtlichen Fragestellungen gilt im Übrigen: Das angerufene Zivilgericht ist nicht daran gehindert, seine Entscheidung auch unter dem Blickwinkel öffentlich-rechtlicher Vorfragen des Tierschutzrechts zu treffen. Ein Beispiel hierfür bietet der Frosch-Fall des BGH.1920 Um die gesetzlich vorgesehene Aufgabenverteilung zu wahren und doppelte Beweisaufnahmen sowie sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, kann aber auch § 148 ZPO zur Anwendung kommen, sofern dadurch nicht allzu große Verzögerungen drohen. Unter anderem für den Fall, dass die Entscheidung des Rechtsstreits zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, erlaubt diese Vorschrift es, die (zivilgerichtliche) Verhandlung bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen.
2. „Tierwohl“-Gesichtspunkte: Koppelung an gesetzliche Vorgaben Die bei Tier-Fällen drohende Gefahr eines Einflusses subjektiver Erfahrungen und Einstellungen des Entscheiders gegenüber Tieren lässt sich in Bezug auf die Beurteilung des „Tierwohls“ abmildern, indem möglichst eine Rückkoppelung an Vorgaben und Wertungen des gesetzlich manifestierten Tierschutzrechts (einschließlich seiner Konkretisierungen in Verordnungen und Schrifttum) zu fordern ist. Das gilt selbst für gleichsam Allgemeinposten und Erfahrungssätze1921, die sich in zivilgerichtlichen, auf eigene richterliche Sachkunde gestützten Aussagen zu „Tierwohl“-Aspekten in der Vergangenheit öfter beobachten ließen. Obschon deren Richtigkeit evident sein mag und sie deshalb kaum geeignet sind, den Verdacht einer subjektiven Einfärbung der Entscheidung aufkommen zu lassen, gebietet es eine lege artis durchgeführte Urteilsfindung und -begründung doch, konkrete normative Anknüpfungspunkte, wo immer dies möglich ist, auch ausdrücklich in Bezug zu nehmen. Soweit die gesetzliche Ausgestaltung des Tierschutzrechts noch lückenhaft sein sollte, lässt sich Objektivität und Vorhersehbarkeit bei der Berücksichtigung von „Tierwohl“-Aspekten nur erhöhen, wenn der Gesetzgeber seine Vorstellungen davon, was dem „Tierwohl“ entspricht, noch weiter rechtsförmig präzisiert und damit valide Referenzen schafft. 1920
Siehe BGH, Urt. v. 20. 11. 1992 – V ZR 82/91, NJW 1993, 925, 926: „Das BerGer. durfte sich der Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen nicht entziehen, sondern hatte selbständig zu entscheiden, ob sie gegeben sind. Dem steht nicht entgegen, daß es insoweit um die Anwendung öffentlichrechtlicher Normen geht und die Ausnahmegenehmigung nur von bestimmten Behörden erteilt werden kann. Ein von Verwaltungsgerichten bestätigter ablehnender Bescheid liegt nicht vor. Dann aber können und müssen die Zivilgerichte selbständig die entsprechende Vorfrage prüfen.“ 1921 Zum Beispiel, dass ausreichende Bewegungsfreiheit für eine artgerechte Haltung erforderlich ist – § 2 Nr. 1, 2 TierSchG.
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Mittelfristig ist auch noch ein weitergehender Schritt denkbar, nämlich dass der Gesetzgeber zivilrechtliche Konfliktkonstellationen, in denen dem „Tierwohl“ (je nach den Umständen) Bedeutung zukommen soll, selbst identifiziert und im Gesetz kenntlich macht. § 765a Abs. 1 S. 3 ZPO bietet ein Beispiel, bei dem solches (im Bereich des Vollstreckungsrechts) bereits geschehen ist. Im Interesse der Rechtssicherheit ist dies wünschenswert. Dass es dem Gesetzgeber gelingt, alle privatrechtlichen Fragestellungen zu erfassen, in denen das Wohl des betroffenen Tieres in der Entscheidung eine Rolle spielen könnte und sollte, ist angesichts der Tatsache, dass Tiere im Prinzip Gegenstand aller möglichen Materien des bürgerlichen Rechts werden können, allerdings unwahrscheinlich. Als Einbuße an Flexibilität und damit Einzelfallgerechtigkeit misslich wäre es hier freilich, wenn durch eine punktuelle gesetzliche Erwähnung der Berücksichtigung des „Tierwohls“ dann – im Wege einer womöglich naheliegenden Schlussfolgerung e contrario – in allen übrigen Fällen ein genereller Rückgriff auf „Tierwohl“-Gesichtspunkte beispielsweise in Abwägungsentscheidungen gesperrt wäre. Wollte der Gesetzgeber dies vermeiden, sollte deshalb im Falle einzelner ausdrücklicher Verankerungen des „Tierwohls“ im Zivilrecht der nicht abschließende Charakter (in den Materialien) klargestellt werden. 3. Affektionsinteresse am Tier: Koppelung an objektive Kriterien Bei der Berücksichtigung des Affektionsinteresses an einem Tier steht der unterschwellige Verdacht einer je nach Tierliebe des Gerichts variierenden Entscheidung besonders schnell im Raum. Dem sollte entgegengewirkt werden mit einem Rahmen aus Typisierung und Objektivierung, indem von einem schutzwürdigen Affektionsinteresse von vornherein nur unter bestimmten, objektiven Voraussetzungen auszugehen ist. Dies würde die Rechtssicherheit und die Vorhersehbarkeit diesbezüglicher zivilgerichtlicher Entscheidungen erhöhen und zu einer größeren Transparenz in der Handhabung des Affektionsinteresses an Tieren beitragen sowie die tatsächlichen Feststellungen erleichtern. Die zugrunde liegende Arbeitsprämisse, dass das emotionale Verhältnis des Menschen zum Tier einer objektivierten Betrachtung zugänglich und verallgemeinerbar ist, findet sich jedenfalls als Gedankengut angedeutet schon früh auch anderenorts.1922 a) Kategorisierung von Tieren Zum Zwecke einer Objektivierung empfiehlt es sich, eine deutliche Kategorisierung von Tieren vorzunehmen und ein rechtlich beachtliches Affektionsinteresse überhaupt nur für einen begrenzten, nach objektiven Kriterien bestimmbaren Kreis an Tieren anzuerkennen.
1922 Vgl. etwa LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243 f.; Deutsch, JuS 1987, 673, 680; Pütz, ZRP 1989, 171, 173; Schneider Kayasseh, S. 91.
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aa) Kategorisierung von Tieren ist im Recht angelegt Kategorisierungen von Tieren lassen sich im Korpus der geltenden Gesetze auf verschiedenen Ebenen finden und sind somit bereits im Recht angelegt. So gibt es etwa im Tierschutzrecht Differenzierungen, die innerhalb des Tierreichs zu einem unterschiedlich hohen Schutzniveau führen. Dies kann sich – wie im Artenschutzrecht – zum einen daraus erklären, dass bestimmte Tierarten aufgrund ihrer Seltenheit besonders geschützt werden sollen. Zum anderen knüpfen Abstufungen im Schutzniveau an dem anatomisch bedingt verschieden ausgeprägten Schmerzempfindungsvermögen von Tieren1923 an.1924 Beispielsweise enthält das TierSchG neben allgemeinen Vorschriften, die für alle Tiere gelten (etwa §§ 2, 3 TierSchG), auch eine Reihe von Schutzregeln, die nur zugunsten von Wirbeltieren (§§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1 S. 1 TierSchG) oder gar nur warmblütigen Wirbeltieren (§ 4a Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 2 TierSchG) greifen. Die Unterscheidung wurde in den Materialien damit begründet, dass die im zoologischen Sinne höher organisierten Wirbeltiere infolge ihrer differenzierten Innervierung im Hinblick auf Schmerzerregung, Schmerzleitung und Schmerzempfindung im Vergleich zu anderen Tieren wesentlich stärker reagierten.1925 Eine weitere im geltenden Recht anzutreffende Kategorisierung von Tieren ist die Einteilung danach, ob es sich um wilde oder domestizierte Tiere handelt.1926 Überdies finden sich Unterscheidungen nach dem Zweck, zu dem das Tier gehalten wird. So formuliert etwa § 11 TierSchG Erlaubnisvorbehalte in Abhängigkeit davon, zu welchen Zwecken die betreffenden Tiere eingesetzt werden sollen. Ein zivilrechtliches Beispiel für eine Abstufung nach dem Zweck der Tierhaltung ist § 833 BGB. Die Norm sieht hinsichtlich der Haftung für durch ein Tier verursachte Schäden in Satz 2 eine Exkulpationsmöglichkeit vor. Dafür muss der Schaden zum einen durch ein Haustier verursacht sein. Es handelt sich hier um eine Subkategorisierung innerhalb der Gruppe der domestizierten, also zahmen Tiere (teilweise synonym verwendet mit Haustier1927). Haustiere1928 sind nach einer Formulierung des RG1929 1923 Dazu etwa Schwaighofer, in: Harrer/Graf, S. 147, 149: Das „Empfindungsvermögen [nimmt] mit dem Organisationsgrad der Tiere ab und geht allmählich ganz verloren. Nach dem Erkenntnisstand der Veterinärmedizin trifft das im wesentlichen auf die wirbellosen Tiere zu: Sie haben kein Zentralnervensystem, daher keine Schmerzleitungsbahnen und sind der Gefühlsempfindung nicht zugänglich“. 1924 Vgl. dazu Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Krings Art. 20a GG Rn. 31 (14. Aufl. 2018); Kloepfer/Rossi, JZ 1998, 369, 370; Lübbe, NuR 1994, 469, 471; Sachs-Murswiek Art. 20a GG Rn. 51a (8. Aufl. 2018); Höffe in Lexikon der Ethik, S. 22 (7. Aufl. 2008). 1925 BT-Drs. VI/2559, S. 10. Vgl. auch § 7 I 2 Nr. 1 c) TierSchG; darin wird für Versuchstiere abgestellt auf „die artspezifische Fähigkeit der verwendeten Tiere, unter den Versuchseinwirkungen zu leiden“. Siehe auch Greven, S. 27 f. 1926 So zielt das BNatSchG (nur) auf den Schutz wild lebender Tiere, vgl. § 1 II Nr. 1 BNatSchG; § 960 BGB regelt das Eigentum an wilden Tieren, während für zahme Tiere § 959 BGB gilt, vgl. Hk-Schulte-Nölke § 960 BGB Rn. 5 (9. Aufl. 2017); Jauernig-Berger § 960 BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015). 1927 Vgl. Jauernig-Berger § 960 BGB Rn. 1 (16. Aufl. 2015).
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„diejenigen Gattungen von zahmen Tieren, die in der Hauswirtschaft zu dauernder Nutzung oder Dienstleistung gezüchtet und gehalten zu werden pflegen und dabei auf Grund von Erziehung und Gewöhnung der Beaufsichtigung und dem beherrschenden Einfluß des Halters unterstehen“. Zum anderen muss das Tier für eine Exkulpation dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt sein.1930 Die Gefährdungshaftung des § 833 S. 1 BGB gilt im Umkehrschluss bei zu privaten Zwecken1931, das heißt zur Unterhaltung, zu Sportzwecken, aus Vergnügen,1932 aus Liebhaberei oder zu sonstigen ideellen Zwecken1933 gehaltenen Tieren. Schrifttum und Rechtsprechung kennzeichnen diese Unterscheidung mit dem Begriffspaar „Nutztier“ und „Luxustier“.1934 bb) Kategorisierungstendenzen auch im Hinblick auf das Affektionsinteresse an Tieren Auch speziell im Hinblick auf das Affektionsinteresse an Tieren ist eine Kategorisierung in Ansätzen schon jetzt anzutreffen. Wichtige gesetzliche Referenzpunkte für eine mögliche diesbezügliche Kategorisierung sind § 811c ZPO und § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, bei denen es sich nach hier vertretener Ansicht um Beispiele einer gesetzgeberischen Anerkennung der Schutzwürdigkeit des an Tieren bestehenden besonderen ideellen Interesses handelt. Das oben im Kontext des § 833 S. 2 BGB angesprochene Kriterium des Zwecks der Tierhaltung spielt dabei eine wichtige Rolle. Schon Ende der 1970er-Jahre findet sich der Gedanke, das besondere emotionale Verhältnis von Menschen zu bestimmten Tieren anhand des Zweckes, für den die Tiere gehalten werden, zu typisieren und Tiere dieser Einteilung entsprechend unterschiedlich zu behandeln. Differenzierend zwischen Nutztieren und „aus ethischen Gründen“ gehaltenen Tieren (gemeint sind zu Freizeitzwecken gehaltene Tiere) schlug hier Gunst1935 vor, „wenigstens den aus ethischen Gründen gehaltenen Haustieren einen besonderen Status als Tier zu geben“. Ein gesetzgewordenes Beispiel für die Typisierung eines schutzwürdigen Affektionsinteresses anhand des Tierhaltungszwecks ist § 811c ZPO. Dieser macht die (Un-)Pfändbarkeit von Tieren (unter anderem) davon abhängig, ob sie zu Erwerbs1928
Zu diesem Begriff näher Herfs, S. 37 ff.; Lorz, NuR 1989, 337 ff. RG, Urt. v. 19. 11. 1938 – VI 127/38, RGZ 158, 388, 391. 1930 Siehe dazu Rottler, S. 31. 1931 Vgl. Jauernig-Teichmann § 833 BGB Rn. 7 (16. Aufl. 2015). 1932 Staudinger-Eberl-Borges § 833 BGB Rn. 123 (Neubearb. 2012, Stand: 12. 11. 2014); Herfs, S. 65. 1933 MüKo-Wagner § 833 BGB Rn. 47 (7. Aufl. 2017). 1934 Vgl. etwa Jauernig-Teichmann § 833 BGB Rn. 7 (16. Aufl. 2015); MüKo-Wagner § 833 BGB Rn. 47 (7. Aufl. 2017); Lorz, NuR 1989, 337, 340; BGH, Urt. v. 16. 03. 1982 – VI ZR 209/80, NJW 1982, 1589. 1935 Gunst, S. 124. 1929
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zwecken gehalten werden. Letzteres soll zu bejahen sein, wenn es sich um Nutztiere handelt, die vornehmlich als Einnahmequelle dienen.1936 Dabei wird im Schrifttum auf die zu § 833 S. 2 BGB entwickelten Kriterien verwiesen.1937 § 811c ZPO enthält aber noch ein weiteres Kriterium: Die dieser Norm unterfallenden Tiere müssen „im häuslichen Bereich“ gehalten werden. Das Prinzip, für die Typisierung eines schutzwürdigen Affektionsinteresses neben dem Zweck der Tierhaltung auf die räumliche Nähe des Menschen zu dem Tier abzustellen, ist, wie an früheren Stellen dieser Arbeit deutlich wurde, auch besonders in schweizerischen Vorschriften (Art. 43 Abs. 1bis und Art. 42 Abs. 3 OR sowie Art. 651a Abs. 1 ZGB) verbreitet. § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, der die Ersatzfähigkeit wertübersteigender Heilbehandlungskosten bei Tieren zulässt, enthält keine Beschränkungen des Anwendungsbereichs. Jedoch haben Schrifttum und Rechtsprechung in der Vergangenheit bestimmte für dessen Anwendung maßgebliche Kriterien entwickelt. Diese lassen sich angesichts des Schutzzwecks der Vorschrift ebenfalls als Bemühen um eine Objektivierung und Typisierung des an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses verstehen. Da das im Einzelfall vorliegende ideelle Interesse als solches eine subjektive Tatsache und damit ein schwer valide mess- und beweisbares Kriterium ist, werden Indikatoren herangezogen, die im Wege einer typisierenden Betrachtung Rückschlüsse auf ein Affektionsinteresse zulassen. Dazu gehört vor allem auch der Zweck der Tierhaltung. Zu berücksichtigen sei, welche Funktion das Tier habe.1938 Nur wenn es sich um ein Haustier handele, sei der Wert des Tieres nicht als Obergrenze für die Ersatzfähigkeit der Heilungskosten anzusehen, nicht aber soweit ein Tier aus rein wirtschaftlichen Gründen gehalten werde. Maßgebend müsse die konkrete Nutzungsart durch den Geschädigten sein, wobei sich Anhaltspunkte für die Abgrenzung aus Rechtsprechung und Literatur zu § 833 S. 2 BGB gewinnen ließen.1939 Ansätze zur Kategorisierung anhand des Haltungszwecks reichen sogar so weit, den Anwendungsbereich entsprechend teleologisch zu reduzieren1940. Terminologisch schlägt sich die Differenzierung anhand des Zwecks zum Teil darin nieder, dass von einem „Affektionstier“ im Gegensatz zum Funktions- oder Nutztier die Rede ist.1941 Dass es hier nicht um einen Bezug zum Tierschutz geht, sondern um die Typisierung des Affektionsinteresses, dürfte auf der Hand liegen. Die Erkenntnis klingt auch im Schrifttum an, wenn sich Schneider Kayasseh die Unterscheidung damit erklärt, es liege wohl die Annahme zugrunde, dass die – von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB geschützte – emotionale Beziehung zum Tier bei der Haltung zu Erwerbszwecken in den Hintergrund rücke oder nicht vorhanden sei.1942 Überdies soll 1936
MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 5 (5. Aufl. 2016). MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 5 (5. Aufl. 2016); Herfs, S. 64 f. 1938 Jauernig-Teichmann § 251 BGB Rn. 10 (16. Aufl. 2015), Hervorhebung durch Verf. 1939 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2016), Hervorhebung durch Verf. 1940 In diese Richtung MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 56 (7. Aufl. 2016). 1941 Siehe Bocianiak, VersR 2011, 981, 982 f.; AG Idar-Oberstein, Urt. v. 20. 04. 1999 – 3 C 618 – 98, NJW-RR 1999, 1629, 1630. 1942 Vgl. Schneider Kayasseh, S. 58. 1937
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im Rahmen von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB der Tierart Indikator-Funktion für die Intensität der gefühlsmäßigen Bindung zukommen.1943 Aus der Rechtsprechung heißt es, die Frage, ob Heilungskosten über den Wert des Tieres hinaus ersatzfähig seien, könne nicht für alle Tiere oder jeweils eine Tierart gleich beantwortet werden; es komme vielmehr auf den Einzelfall und die Zweckbestimmung des Tieres an.1944 Ein kategorisierender Ausdruck, der im amerikanischen Schrifttum häufig fällt, wenn eine letztlich dem Affektionsinteresse geschuldete besondere rechtliche Behandlung bestimmter Tiere gefordert wird, ist companion animal. Diese Formulierung wird teils synonym mit dem Begriff pets verwendet,1945 hebt aber stärker den Haltungszweck dieses Kreises von Tieren hervor, nämlich companionship – das Tier soll dem Menschen als ein Gefährte Gesellschaft leisten. Damit gemeint sind vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, Hunde und Katzen.1946 Bei companion animals handele es sich um eine Unterkategorie der Haustiere, bei der es auf die Beziehung zwischen einem Tier und seinem Eigentümer ankomme, heißt es im Schrifttum.1947 Zur Beschreibung der Charakteristika von companion animals wird etwa darauf abgestellt, dass sie in das tägliche Leben ihres Halters eingebunden sind,1948 für ihn empfänglich sind und mit ihm interagieren,1949 sowie dass der Zweck ihrer Haltung und ihr wesentlicher Wert nicht wirtschaftlicher Art ist, sondern in der emotionalen Beziehung zwischen Mensch und Tier liegt,1950 in der Behaglichkeit und dem Wohlbefinden, das 1943 Staudinger-Schiemann § 251 BGB Rn. 29 (Neubearb. 2005); MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 63 (7. Aufl. 2016). 1944 LG Lüneburg, Urt. v. 09. 02. 1984 – 1 S 384/83, NJW 1984, 1243; LG Dortmund, Urt. v. 05. 03. 2012 – 5 O 324/11 – juris. 1945 Vgl. McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), Fn. 1: „this term is often replaced by the courts with the word ,pet‘.“ 1946 Schneider Kayasseh, S. 29; McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009): „Although the majority of case law is limited to dogs and sometimes cats (…). (…) but certainly companion animals are not limited to only cats and dogs.“, Fn. 1: „while companion animals may include a wide variety of species, the majority of case law relating to and impacting the issue concerns dogs and sometimes cats“; McLain, 6 J. Animal L. 151 (2010), 166: „A ,companion animal‘ (…) shall be defined as any domesticated canine, feline, or avine.“ 1947 Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 195: „Companion animals, or pets, comprise a subcategory of domestic animals. Whether an animal falls within this subcategory depends on the relationship between an animal and its owner.“ 1948 McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), Fn. 1: „an animal which is associated with a human guardian or caretaker (sometimes referred to as owner) in that human’s day-to-day life“. 1949 Paek, 25 U. Haw. L. Rev. 481 (2003), 482: „Companion animals are defined as ,those animals who live and share their lives with human beings, who are responsive to and interact emotionally with their guardians, and who are valued as ends in themselves.‘“ 1950 Wise, 4 Animal L. 33 (1998), 72: „The entire value of companion animals, by definition, by common custom and knowledge, and by legal history resides not in their economic value, but in the mutual love, companionship, and sentiment that exists between human companion and companion animal. This is not present in any other species of property. After all, what purpose is there to having a companion animal if not for love, companionship, and sentiment?“ und 34, Fn. 2: „The overwhelming, and usually exclusive, value of ,companion animals‘ to their owners
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
sie ihrem Halter spenden.1951 Ein in seiner Bedeutung ähnlich besetzter Begriff im deutschsprachigen Raum ist Heimtier. Nach dem Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren1952 etwa bezeichnet dieser „ein Tier, das der Mensch insbesondere in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und als Gefährten hält oder das für diesen Zweck bestimmt ist“. Bis 1998 kam der Begriff auch im TierSchG vor (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a)) und wurde in diesem Kontext als Sammelbezeichnung für alle jene Tierarten verstanden, „die dem Tierliebhaber in seinem Heim Gesellschaft leisten“1953. Die Kategorisierung von Tieren ist damit ein wesentliches Element von bisher zu beobachtenden Objektivierungstendenzen. Ein auf den ersten Blick zu solchen Überlegungen etwas quer liegender Ansatz zur Objektivierung des Affektionsinteresses an einem Tier – auf den auch in Deutschland gern Bezug genommen wird – ist der im österreichischen Schadensrecht eingeführte Maßstab eines „verständigen Tierhalters“. Durch diese Referenzfigur wird – im Kontext wertübersteigender Heilungskosten für ein Tier – der Kern der Frage normativ auf eine etwas andere Ebene verlagert: Es ist dann wertungsmäßig zu entscheiden, inwieweit ein „verständiger“ Tierhalter bei der Beurteilung, welchen (finanziellen) Aufwand er für sein Tier einzugehen bereit ist, auch sein immaterielles Interesse einbeziehen wird. Dies lässt Raum für die Berücksichtigung gesellschaftlicher Anschauungen. Bei näherem Hinsehen dürfte es sich hier jedoch nur um eine gleichsam zusammenfassende Hülle handeln, hinter der in der praktischen Konkretisierung letztlich doch wieder die gleichen Überlegungen maßgeblich sind, wie sie auch der Kategorisierung von Tieren zugrunde liegen (dazu noch sogleich). Das Spektrum der verschiedenen bereits im Recht anzutreffenden Kategorisierungen von Tieren kann damit als Inspirationsquelle für eine stärkere Typisierung und Objektivierung des an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses herangezogen werden. Schematisch lassen diese sich wie folgt darstellen: Unterscheidungskriterium Domestizierung Haltungszweck
zahm (Haustier) ideell (Luxustier)
wild
wirtschaftlich (Nutztier)
is noneconomic. If their economic value is anything other than incidental, they cannot be defined as companion animals.“ 1951 Duckler, 8 Animal L. 199 (2002), 221: „Their value stems, in primary part, from the comfort and well-being we derive from their presence in our homes and communities. (…) The family pet, for its part, has been primarily intertwined with our insatiable need for social companions of all stamps. Companion animals, to the extent that they have a social ,purpose‘ created by humans, are most emphatically non-commercial objects valued entirely for the comfort and well-being they impart to their owners as a benefit of ownership.“ 1952 BGBl. II 1991, S. 402. 1953 Lorz § 11 TierSchG Rn. 14 (4. Aufl. 1992).
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cc) Abgestuftes System maßgeblicher Kriterien Im Sinne der Rechtssicherheit und zum Schutz derjenigen Partei, zu deren Lasten das Affektionsinteresse abgewogen wird, ist einerseits eine möglichst klare Orientierung an objektiv ermittelbaren Kriterien anzustreben. Es lässt sich andererseits in Anbetracht der Vielseitigkeit der zugrunde liegenden Fall-Konstellationen aber nicht vermeiden, dass pauschale Aussagen nur in begrenztem Umfang möglich sind. Auch die Auflistung eines Kataloges aller denkbaren Aspekte, die für die Feststellung eines schutzwürdigen Affektionsinteresses potentiell bedeutsam sein könnten, hat vor diesem Hintergrund nur wenig Nutzen. Denn im Hinblick auf Einzelfallgerechtigkeit und das Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör wird man ohnedies kaum umhin kommen, je die Umstände des konkreten Falls einzubeziehen. Das Gewicht soll hier daher vielmehr darauf gelegt werden, wenige, aber besonders wichtige Faktoren zu benennen und sie in ein abgestuftes System einzuordnen. Den in § 811c ZPO gesetzlich angelegten Typisierungskriterien kommt dabei eine gewisse Vorbild-Wirkung zu: Sie könnten sich für eine generelle Typisierung eines schutzwürdigen Affektionsinteresses an Tieren verallgemeinern lassen. Abstand genommen wird jedoch davon, die maßgeblichen Kriterien an Begriffe wie „Haustier“, „Nutztier“, „Heimtier“ oder „Affektionstier“ zu knüpfen. Denn bei allem Reiz, den eine solche terminologische Komprimierung und Verschlankung hat, lässt dies hier keinen Mehrwert erwarten. Die Begriffe sind nämlich ambivalent, da – je nach Kontext – mit unterschiedlichen Bedeutungen besetzt (auch durch Gesetze1954); sie werden also uneinheitlich verwendet, teils überlappen sie sich.1955 Es kommt daher am Ende ohnehin wieder auf die Frage an, welche Kriterien es sind, die mit diesen Begriffen in Verbindung gebracht werden sollen, und somit droht eine Verkürzung auf Einzelbegriffe eher in die Irre zu führen, als dass sie zu nutzen verspricht. Die für ein typisierbares Affektionsinteresse zentralen Faktoren (dazu sogleich im Einzelnen) sind am ehesten in einem Teil der schon oben erwähnten Definition von „Heimtier“ enthalten, wie sie im Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren (Art. 1 Abs. 1, 1. Alt.) verwendet wird („Tier, das der Mensch insbesondere in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und als Gefährten hält“). (1) Ideeller Zweck der Tierhaltung als notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung Für eine Berücksichtigung des Affektionsinteresses an einem Tier sollte notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung sein, dass das betreffende Tier in concreto nicht zu wirtschaftlichen Zwecken gehalten wird. Schutzwürdige Interessen an der rechtlichen Rücksichtnahme auf die emotionale Bindung eines Menschen zum Tier bestehen bei typisierender Betrachtung nur dann, wenn gerade die 1954
So etwa der Begriff „Nutztier“ in § 2 Nr. 1 TierSchNutztV, § 3 Nr. 21 LFGB und § 11 I 1 Nr. 5, § 16 I 1 Nr. 1 TierSchG; der Begriff „Haustier“ in § 2 Nr. 3 TierGesG und § 28 I 1 StVO; der Begriff „Heimtier“ in § 1 Nr. 2 Futtermittelverordnung und § 60 AMG. 1955 Vgl. etwa Lorz, NuR 1989, 337 ff.; Herfs, S. 37 ff.
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
soziale Funktion des Tieres als Gefährte und Projektionsfläche von Zuneigung im Vordergrund steht und das Tier eben dieses Zweckes wegen gehalten wird. Bilden jedoch wirtschaftliche Interessen die Basis der Nutzung eines Tieres, ist es angemessen, das in dieser Funktion gehaltene Tier grundsätzlich als potentiellen Gegenstand eines geschützten Affektionsinteresses auszuscheiden. Erstens ist eine mit Liebhaber-Tieren vergleichbar enge emotionale Bindung in diesen Fällen bei generalisierender Betrachtung atypisch. Zweitens ist hier eine Einschränkung der Interessen anderer Parteien (beispielsweise des deliktischen Schädigers oder des Gläubigers bei einem Zurückbehaltungsrecht) unter Berufung auf ein Affektionsinteresse am Tier nicht gerechtfertigt. Ließe man solches zu, läge nicht nur nahe, dass die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Affektionsinteresses am Tier missbräuchlich in Anspruch genommen würde. Vor allem hat ein Eigentümer, der sein Tier als Mittel für eine wirtschaftliche Betätigung einsetzt, dieses selbst ökonomischen Erwägungen unterstellt und damit der Logik, die auch für andere Wirtschaftsgüter, nämlich Sachen Anwendung findet. Im Falle einer Tierhaltung hauptsächlich zwecks Erzielung von Einnahmen ist es daher interessengerecht, es bei der für Sachen geltenden Grundregel zu belassen, dass das Affektionsinteresse unbeachtlich ist. In Grenzfällen sollte dies dann gelten, sobald wertungsmäßig der wirtschaftliche Zweck der Tierhaltung überwiegt (Schwerpunktbetrachtung). Als besonders praktikabel könnte eine Trennung zwischen einerseits zu wirtschaftlichen, andererseits zu ideellen Zwecken gehaltenen Tieren auch deshalb erscheinen, weil dank § 833 BGB, in dem diese Unterscheidung schon vorkommt, reichhaltige Kasuistik und Literatur zu möglichen Definitionsfragen bereits vorhanden ist. Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Zwar können die zu § 833 BGB entwickelten Abgrenzungen als Hilfestellung herangezogen werden, jedoch ist zu bedenken, dass diese sich vor dem ihm eigenen Hintergrund des § 833 BGB und damit aus einer gänzlich anderen Ausgangssituation heraus verstehen: Während (historischer) Zweck der Unterscheidung in § 833 BGB eine Haftungsmilderung für Nutztier-Halter war, die mit den Tieren ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten,1956 dient die Differenzierung hier dazu, ein rechtlich beachtliches Affektionsinteresse an Tieren typisierend zu erfassen. Soweit sich also bestimmte Auslegungslinien zu § 833 S. 2 BGB aus dem speziellen Zweck der Vorschrift heraus erklären, können sie nicht ungeprüft auf die im Kontext des Affektionsinteresses erforderliche Abgrenzung zwischen Nutz- und Luxustieren übertragen werden. (2) Räumliche Nähe zum Tier: Indiz-Wirkung Nimmt man § 811c ZPO zum Vorbild, so ist das zweite darin vorgesehene Typisierungskriterium die Begrenzung auf im häuslichen Bereich gehaltene Tiere. Neben dem Zweck der Tierhaltung kann dies durchaus eigenständige Bedeutung 1956 Vgl. Staudinger-Eberl-Borges § 833 BGB Rn. 7 (Neubearb. 2012, Stand: 12. 11. 2014); Oexmann, Die zivilrechtliche Haftung des Pferdehalters, S. 3/Rn. 7 und S. 14 f./Rn. 29; eingehend Schmalhorst, S. 141 ff.
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erlangen, denn zwar werden viele der besonders häufigen Freizeittiere (wie Hund und Katze) ohnehin im häuslichen Bereich des Menschen gehalten; zwingend ist das jedoch nicht. Der Umstand, dass ein Mensch ein Tier in seinen häuslichen Nahbereich hineinlässt und in seinem Wohnumfeld duldet, ist in der Tat als Ausdruck einer eher engen Beziehung zu dem Tier zu werten. Einher geht damit nämlich im Zweifel auch, dass das Tier dicht in das Alltagsleben involviert ist und den Eigentümer in einem nicht geringen Teil seiner Freizeit begleitet. Das spricht dafür, diesen Faktor jedenfalls als starken Indikator einer typisierbar intensiven und damit rechtlich berücksichtigungsfähigen Mensch-Tier-Bindung einzustufen. In jeder Hinsicht zuverlässig ist dieses Kriterium jedoch nicht: So wären Aquariumsfische, die nicht gerade als prädestiniertester Gegenstand eines menschlichen Affektionsinteresses erscheinen, stets erfasst; Pferde hingegen, die sehr verbreitet aus ideellen Zwecken gehalten werden und zu denen auch häufig eine starke emotionale Bindung besteht, wären oftmals ausgeschlossen. Im Kontext des § 811c ZPO hat die Formulierung des „häuslichen Bereichs“ eine Auslegung erfahren, die beispielsweise die außerhalb des Hauses in einem Stall auf dem Wohngrundstück stehenden Pferde als noch umfasst ansah, nicht aber jene, die auf dem Grundstück eines Dritten gehalten werden.1957 Dass die Schutzwürdigkeit eines Affektionsinteresses davon abhängen soll, ob der Eigentümer eines Pferdes sich einen privaten Stall leisten kann oder das Tier in einem nahegelegenen Pensionsstall unterbringt, ist freilich fragwürdig. Die räumliche Nähe zum Tier eignet sich als Indiz für ein typisierbares Affektionsinteresse vor allem deshalb, weil anhand dieses objektiven Kriteriums darauf geschlossen werden kann, dass der Mensch viel Zeit mit dem Tier verbringt. Die zeitliche Intensität ist sogar im Prinzip zentraler als die örtliche Nähe1958 – und sie kann im Einzelfall auch ohne direkte Ein- oder Anbindung an das Wohnhaus gegeben sein. Insgesamt sollte die räumliche Nähe daher auf eine IndizFunktion beschränkt und kein notwendiges (und schon gar nicht hinreichendes) Kriterium sein. (3) Tierart: Querschnittskriterium mit Indiz-Wirkung Die Tierart ist ein Querschnittskriterium, das in wechselseitiger Beeinflussung eng mit den anderen bisher genannten Kriterien verknüpft ist. Dies gilt schon für den Zweck der Tierhaltung, denn bestimmungsgemäß werden beispielsweise Schweine eher selten zu ideellen, Katzen indessen selten zu wirtschaftlichen Zwecken gehalten. Die Begrenzung auf im häuslichen Bereich gehaltene Tiere läuft dagegen der Sache nach vor allem darauf hinaus, bestimmte Tierarten auszuscheiden, deren Haltung von Natur aus nicht im Haus und auch nicht so leicht im häuslichen Bereich möglich ist, wie etwa Großvieh oder Geflügel. Typisierend betrachtet dürfte es sich bei diesen draußen zu haltenden und auf eine wirtschaftliche Nutzung ausgelegten Tierarten tatsächlich um solche handeln, die eher selten Gegenstand einer so emo1957 1958
MüKo(ZPO)-Gruber § 811c ZPO Rn. 3 (5. Aufl. 2016). So zu Recht Krepper, AJP 2008, 704, 710.
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
tionalen Bindung werden wie es bei klassischen Haus-Tierarten der Fall ist. Doch ist dies nicht zwingend, wie das Beispiel von Pferden zeigt. Geht es um ideelle Interessen an Tieren, kreist die Diskussion insgesamt doch häufig um immer die gleichen, wenigen Tierarten, sodass man sogar die Hypothese wagen könnte, die Tierart sei das zentrale und entscheidende Kriterium, aus dem sich alle anderen ergeben. Eine Erklärung mag darin liegen, dass bestimmte Tierarten sich in besonderer Weise eignen, Gegenstand einer intensiven Beschäftigung des Menschen, einer Interaktion und gleichsam Kommunikation mit ihm zu sein.1959 Betrachtet man, welche Tierarten am häufigsten zum Streitobjekt zivilgerichtlicher Auseinandersetzungen werden, sind dies vor allem Hunde, Katzen und Pferde. Freilich besitzt diese Häufung nur begrenzte Aussagekraft, da sie das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler verschiedener Faktoren sein wird, von denen nur einer der bei den genannten Tierarten typischerweise gegebene besondere ideelle Wert ist. Dennoch lässt sich auf dieser Grundlage sagen, dass die Tierart eine Indiz-Wirkung entfaltet. (4) Vorbehalt: verständige Würdigung des Falles Den Weg bereitet für eine rechtliche Berücksichtigung des Affektionsinteresses an einem Tier hat nicht zuletzt, dass die Bindung eines Menschen an ein Tier als nachvollziehbares Breitenphänomen wahrgenommen wird. Wenn aber die Beziehung eines Menschen zu einem Tier ein atypisches Ausmaß erreicht, ist diese gedankliche Grundlage verlassen und daher auch einer zivilrechtlichen Rücksichtnahme hierauf der Boden entzogen. Der rechtliche Schutz eines an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses ist damit in gewisser Weise gekoppelt an dessen gesellschaftliche Akzeptanz. Die bisher aufgezeigten Ansätze zur Objektivierung und Typisierung dienen bereits dazu, dieses gesellschaftlich – und als Reaktion der Rechtsordnung darauf – nun auch rechtlich anerkannte Affektionsinteresse näher zu charakterisieren. Doch auch wo die begrenzende Wirkung dieser Kriterien endet, gilt: Ein auf ein Tier bezogenes Affektionsinteresse darf eine Partei zwar in jeder Ausprägung geltend machen; zivilrechtlich auswirken kann es sich jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass es sich dabei nicht nur um ein subjektiv empfundenes, sondern auch bei verständiger Würdigung des Falles anzuerkennendes Affektionsinteresse handelt. Den gleichen Mechanismus, nämlich zwar Rücksicht auf einen subjektiven Umstand zu nehmen, diese Rücksichtnahme aber durch einen objektiven Maßstab zu begrenzen, sieht das bürgerliche Recht in einem anderen Zusammenhang bereits vor. Die Rede ist von § 119 Abs. 1, 2. Hs. BGB. 1959 MüKo-Oetker § 251 BGB Rn. 63 (7. Aufl. 2016) meint etwa, bestimmte Tierarten seien „zu einer besonders engen gefühlsmäßigen Bindung an ihren Eigentümer in der Lage“ (zum Beispiel Pferde, Hunde, Katzen), während andere „zu einer derartigen Bindung nicht (oder nur in eingeschränktem Maße) fähig“ seien (zum Beispiel weiße Mäuse, Ratten, Bienen oder Goldfische). Behandlungskosten seien bei ersteren daher weitergehend zu ersetzen als bei letzteren. Die je nach Tierart unterschiedliche Fähigkeit zur Bindung an den Menschen behandelt auch Dietz, DGVZ 2003, 81, 82.
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Die Koppelung der rechtlichen Schutzwürdigkeit eines an einem Tier bestehenden Affektionsinteresses an dessen gesellschaftliche Akzeptanz zeigt sich im österreichischen (Schadens-)Recht durch den Ansatz, gleichsam das Ausmaß des typischen und damit geschützten Affektionsinteresses von vornherein vom Maßstab eines „verständigen Tierhalters“ her zu bestimmen. Der hier vorgeschlagene Vorbehalt einer verständigen Würdigung unterscheidet sich allerdings von der österreichischen Herangehensweise. Der „verständiger-Tierhalter“-Test suggeriert nämlich geradezu, die Typisierung des an Tieren bestehenden Affektionsinteresses von dem Geflecht verschiedener Einzelkriterien zu entzerren und auf eine einzige entscheidende Leitfrage zu reduzieren. Dies klingt verlockend. Bei genauerer Betrachtung ist damit aber nichts gewonnen: Auch die Frage, welch ein Affektionsinteresse ein verständiger Tierhalter an seinem Tier hat, ist ausfüllungsbedürftig. Leicht auszurechnen ist, dass dies in seiner praktischen Konkretisierung ebenfalls auf die Maßgeblichkeit von Kriterien wie Zweck der Tierhaltung, Tierart und räumliche Nähe hinausläuft. Die Entwicklung dieser Kriterien ist nichts anderes als die Typisierung der Sichtweise eines verständigen Tierhalters. Insofern ist der Maßstab eines verständigen Tierhalters für sich genommen nicht sehr aussagekräftig und vermittelt lediglich den Schein einer Vereinfachung von Komplexität. Die Benennung objektiver Kriterien, aus denen auf das Bestehen eines schutzwürdigen Affektionsinteresses geschlossen werden kann, erfordert im Vergleich dazu deutlich konkretere Aussagen und ist daher nicht nur weitergehend, sondern auch transparenter und deshalb vorzuziehen. b) Geltendmachung nur im Rahmen einer jeweils erforderlichen Rechtsposition Ein Affektionsinteresse an einem Tier ist nur dort berücksichtigungsfähig, wo der gegebene rechtliche Rahmen gerade der Person, die sich auf ein immaterielles Interesse an dem Tier beruft, auch Raum dafür lässt, das heißt ihr eine entsprechende Rechtsposition gewährt. Zwar ist rein tatsächlich das Bestehen eines Affektionsinteresses unabhängig von einer damit korrespondierenden formalen Rechtsstellung im Hinblick auf das Tier. Hierfür wird vielmehr regelmäßig ausschlaggebend sein, wer das Tier „nutzt“, also viel Zeit mit ihm verbringt und räumlich eng mit ihm zusammenlebt. Rechtlich geschützt ist das Affektionsinteresse jedoch nur in Kombination mit einer jeweiligen Rechtsposition (woraus, wenn nicht aus einer gesetzlichen Anknüpfung, sollte sich ein irgendwie gearteter Schutz auch sonst herleiten lassen?). Abgesehen von Aspekten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist hier zu bedenken, dass die Rücksichtnahme auf ein Affektionsinteresse an einem Tier, wie schon an früherer Stelle aufgezeigt, nicht losgelöst von Interessen Dritter erfolgt, sondern auf Kosten einer anderen Partei. Das spricht dafür, dass es zum Schutz derjenigen, zu deren Lasten das an einem Tier bestehende Affektionsinteresse berücksichtigt wird, einer gewissen Begrenzung und Vorhersehbarkeit bedarf. Ein nicht mehr überschaubarer und ausufernder Schutz des Affektionsinteresses an einem Tier stünde auch mit der restlichen deutschen Rechtsordnung nicht mehr im
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
Wertungseinklang. Die erforderliche Rechtsposition wird in aller Regel, aber nicht immer zwingend das Eigentum an dem Tier sein. Diese abstrakte Aussage kann nur in Abhängigkeit von der jeweiligen sedes materiae konkretisiert werden. aa) Eigentum Es gibt Konstellationen, in denen allein das Eigentum am Tier zulässige Grundlage für die Geltendmachung eines am Tier bestehenden Affektionsinteresses sein kann, zum Beispiel im Zusammenhang mit einem deliktischen Schadensersatz (§ 251 Abs. 2 S. 2 BGB) oder beim Streit um die Zuweisung eines Haustieres zwischen Ehegatten. Hier wird nach der gesetzlichen Konzeption das Affektionsinteresse als Facette des Eigentums geschützt. Ein Berufen auf das Affektionsinteresse an einem Tier gegen den Eigentümer des Tieres muss in diesen Gestaltungen denklogisch ausscheiden, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Ein Ehegatte etwa kann im Streit um die Zuweisung eines Haustieres dieses kaum unter Verweis auf die bei ihm stärker ausgeprägte Bindung an das Tier für sich beanspruchen, wenn es im (Allein-)Eigentum des anderen Ehegatten steht.1960 Andere denkbare Anknüpfungspunkte – wie etwa der Besitz oder die Eigenschaft als Halter des Tieres – sind hier abzulehnen. Ein Gegenbeispiel bietet der schweizerische Art. 43 Abs. 1bis OR, der im Fall von Tier-Verletzungen/-Tötungen bei der Bestimmung von Art und Größe des Schadensersatzes die Berücksichtigung des Affektionswerts zulässt, den das Tier für seinen Halter hatte. Den Begriff des Halters kennt auch das deutsche Zivilrecht. Im Kontext der Tierhalterhaftung versteht es darunter die Person, der – ohne Rücksicht auf das Eigentum – auf längere Zeit die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht, die aus eigenem Interesse für dessen Kosten aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt.1961 Die Definition lässt bereits erahnen, dass sie sich aus ihrem spezifischen Kontext im Deliktsrecht heraus erklärt. Die Halter-Eigenschaft dient hier als Anknüpfungspunkt der Haftung für durch ein Tier verursachte Schäden; damit geht es um die sachgerechte Allokation von Risiken. Tragender Gesichtspunkt ist erkennbar, dass derjenige, der die Kontrolle über das Tier als Gefahrenquelle hat, und dem das Tier wirtschaftlich zuzuordnen ist, auch die von ihm ausgehenden Haftungsrisiken tragen soll. Der Begriff des Tierhalters versteht sich daher vor dem Hintergrund seines Zweckes zur Herleitung von (Sorgfalts-)Pflichten, nicht von Rechten. Als Anknüpfungspunkt eines rechtlich geschützten Affektionsinteresses qualifiziert ihn dies nicht und mit seiner eher faktischen Betrachtung ist er gegenüber dem Eigentum wohl zudem minder belastbar. 1960
So auch in einem aktuellen Beispiel das LG Koblenz, Beschl. v. 23. 10. 2020 – 13 S 41/ 20 – juris. 1961 BGH, Urt. v. 19. 01. 1988 – VI ZR 188/87, NJW-RR 1988, 655, 656; Jauernig-Teichmann § 833 BGB Rn. 3 (16. Aufl. 2015).
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bb) Sonstige Rechtsstellungen Auch andere in dieser Arbeit aufgezeigte Beispiele, in denen das Affektionsinteresse rechtlich Berücksichtigung finden kann, knüpfen stets an eine bestimmte Rechtsstellung desjenigen an, zu dessen Gunsten das Affektionsinteresse in Rechnung gestellt werden soll: als Käufer etwa bei den Fragen, ob eine Nachlieferung möglich und ob eine Nachbesserung dem Verkäufer zumutbar ist, als Mieter bei der Frage, ob der Vermieter die Abschaffung eines schon lange Zeit gehaltenen Tieres verlangen kann, als Geschäftsherr bei der Frage, welche Aufwendungen für erforderlich gehalten werden durften, oder als Schuldner bei der Frage, ob eine Zwangsvollstreckung in ein Tier oder die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an einem Tier zumutbar ist. Bei näherem Hinsehen wird diese Rechtsposition in den überwiegenden Fällen mit dem Eigentum am Tier zusammenfallen. Formal verlangt die jeweilige sedes materiae das aber nicht. cc) Individuelle Umstände und Affektionsinteressen Dritter Bei der Beurteilung, ob ein zivilrechtlich berücksichtigungsfähiges Affektionsinteresse besteht, sollte die individuelle Konstitution des Inhabers der Rechtsposition gewürdigt werden dürfen. Einige in der Person liegende Faktoren wie Alter, Gesundheitszustand und Lebensumstände beeinflussen nämlich auch bei objektiver Betrachtung die Affinität zur Ausbildung einer starken Bindung des Menschen zu einem Tier.1962 Zu fragen ist darüber hinaus, ob der Inhaber in gewissem Umfang auch die emotionale Beziehung bestimmter anderer Personen zu dem betreffenden Tier als Facette seiner Rechtsposition geltend machen kann. Einerseits darf dies nicht den Zweck der Anknüpfung an eine Rechtsposition konterkarieren, Affektionsinteressen an Tieren nur in überschaubarem Rahmen als rechtlich berücksichtigungsfähigen Gesichtspunkt zuzulassen, sodass hier enge Grenzen zu setzen sind. Andererseits zeichnen sich typische Konstellationen, in denen ein starkes emotionales Verhältnis des Menschen zum Tier in Rede steht, oftmals durch eine enge räumliche Nähe zwischen Mensch und Tier aus. In diesem Fall besteht die gefühlsmäßige Beziehung zum Tier häufig auch seitens der anderen Personen, die es intensiv nutzen oder in demselben häuslichen Bereich leben. Welche der Personen formaler Inhaber der Rechtsposition ist, kann zufällig sein. Zudem hat in diesen Sachverhaltsgestaltungen der Inhaber der Rechtsposition das Tier oft nicht nur zur eigenen Erbauung, sondern auch oder gar ausschließlich für Mitbewohner (zum Beispiel seine Kinder) angeschafft, sodass gerade darin sein Nutzungsinteresse liegt. Soweit deren Bindung zum Tier betroffen ist, berührt dies daher auch sein originäres eigenes Nutzungsinteresse. Unter diesen Voraussetzungen sollte der Inhaber der Rechtsposition daher ausnahmsweise berechtigt sein, auch die Bindung der das Tier intensiv nutzenden oder 1962
Vgl. hierzu auch Schneider Kayasseh, S. 133.
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
im häuslichen Bereich lebenden anderen Personen im Rahmen seiner Rechtsposition geltend zu machen. Ein Beispiel für einen weiter gefassten Radius von Inhabern eines potentiell geschützten Affektionsinteresses an einem Tier bietet der bereits oben erwähnte schweizerische Art. 43 Abs. 1bis OR. Er erlaubt es, bei der Bemessung von Art und Größe des Schadensersatzes auch dem Affektionswert, den das Tier für die Angehörigen des Halters hatte, angemessen Rechnung zu tragen. Ein solches Modell überzeugt jedoch nicht. Die Angehörigen-Eigenschaft ist als Anknüpfungspunkt einerseits zu eng, andererseits zu weit, denn für das Affektionsinteresse weiterer Personen an dem Tier lässt sich nichts aus einer verwandtschaftlichen Beziehung dieser Personen zum Eigentümer/Halter schließen. Vielmehr kommt es, wie oben beschrieben, auf den aus einer häuslichen Nähe folgenden engen Kontakt zum Tier an. Der schweizerische Art. 43 Abs. 1bis OR wird dabei in der Weise verstanden, dass den Angehörigen selbst das Recht zusteht, sich auf das Affektionsinteresse am Tier zu berufen.1963 Die Geltendmachung eines Affektionsinteresses ohne Anknüpfung an eine eigene Rechtsposition ist aber aus den schon oben dargestellten Gründen abzulehnen.
III. Ausblick und zusammenfassende Forderungen Die Dimension von Tieren als Freizeitbegleiter und Gefährten, ihre gleichsam soziale Funktion und damit ihr ideeller Wert für Menschen hat im Laufe des 20. Jahrhunderts an Bedeutung gewonnen. Berührungspunkte des Menschen zu Tieren sind durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft heute nicht mehr hauptsächlich von deren Rolle als „Nutztier“ geprägt, sondern von ihrer Rolle als „Luxustier“, das zu Freizeitzwecken gehalten wird. Diese Veränderungen haben die gesellschaftliche Wahrnehmung von Tieren beeinflusst. Das Bedürfnis nach einer von bloßen (leblosen) Sachen abweichenden, besonderen rechtlichen Behandlung von Tieren ist, vor allem seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, gewachsen. Damit korrespondierend zeigt sich im Zivilrecht eine nicht sehr dynamische, aber doch erkennbare Entwicklung hin zu einer stärkeren Berücksichtigung von Besonderheiten, die sich aus der Lebendigkeit von Tieren ergeben und ihnen eine Sonderstellung zukommen lassen. Für ein Fortschreiten der Entwicklung spricht, dass zu beobachtende Tendenzen in anderen Ländern ebenfalls in diese Richtung weisen.1964 Zudem ist davon aus1963
Schneider Kayasseh, S. 153. Für die USA sagen einige Autoren eine weiter steigende Bedeutung von Zivilrechtsfällen um Tiere voraus, vgl. Huss, 74 U. Colo. L. Rev. 181 (2003), 187: „There is no indication that the trend towards greater integration of these animals into families is going to end anytime soon“; Simmons, 1 Tex. A&M L. Rev. 253 (2013), 253: „Today, more households have a dog or cat than children“; McLain, The Animal Legal and Historical Center (2009), unter I: „the issue 1964
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zugehen, dass die gestiegene Bedeutung von Haustieren1965 und damit die ideelle Funktion von Tieren auch in Zukunft anhalten oder sich sogar noch vergrößern wird,1966 sodass zivilrechtliche Fragestellungen um Tiere die Gerichte und die Rechtswissenschaft künftig intensiver beschäftigen könnten. Umso stärker erscheint deshalb das rechtswissenschaftliche Desiderat, die für die zivilrechtliche Behandlung von Tieren ausschlaggebenden rechtlichen Gesichtspunkte aufzuarbeiten, offenzulegen und die dabei – gleichsam von oben aus „größerer Flughöhe“ – erkennbaren Muster aufzuspüren. Dazu soll diese Arbeit mit ihrer – in Tiefe und Forschungsansatz neuartigen – Untersuchung einen Grundstein legen. Sie stößt damit in eine Lücke des bisherigen Forschungsstandes. Eine breit angelegte Darstellung und Auswertung von Rechtsprechung und Schrifttum zu Tier-Rechtsfällen und -fragen, zumal mit der Analyse, durch welche übergreifenden Besonderheiten sich (auch international) eine Anwendung des Zivilrechts auf Tiere auszeichnet, und auf welchen Wertungen diese beruhen, ließ jener bislang vermissen. Sichtbar wird nun: Ausgehend von der in § 90a S. 3 BGB angeordneten entsprechenden Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften tragen Rechtsprechung und Schrifttum der Lebendigkeit von Tieren in verschiedenen Bereichen des Zivil- und Zivilprozessrechts durch konkrete tierspezifische Besonderheiten Rechnung. Als übergreifender Erklärungsansatz lassen sich diese Besonderheiten vielfach auf zwei Schutzgüter zurückführen: der Schutz des (privaten) immateriellen Interesses an einem Tier (Affektionsinteresse) und der (im öffentlichen Interesse verfolgte) Schutz des Tieres („Tierwohl“). Im Einzelnen wird dabei herausgearbeitet: Die Schutzwürdigkeit des Affektionsinteresses an einem Tier hat der Gesetzgeber durch die im Jahr 1990 eingeführten Regelungen in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB und § 811c Abs. 1 ZPO anerkannt. Das Affektionsinteresse am Tier ist nicht liquidierbar, aber in Auslegungs- und Abwägungsfragen berücksichtigungsfähig. Auch das „Tierwohl“ wirkt – als mit Verfassungsrang ausgestattetes Schutzgut (Art. 20a GG) – in das Zivilrecht hinein, wo dieses sich für Wertungsgesichtspunkte öffnet. Konkrete Tatbestände des Tierschutzrechts begrenzen privatrechtliche Rechtspositionen. Das Zivilrecht ist aber kein originäres Instrument zur Durchsetzung von Tierschutzrecht. Zudem bleibt es – verfahrensrechtlich – bei dem allgemeinen Beibringungsgrundsatz und der allgemeinen Beweislastverteilung. Das zu Tage geförderte neue Bild mit seinen zwei markanten Orientierungspunkten („Affektionsinteresse“ und „Tierwohl“) versteht sich auch als Nährboden [pet custody] is increasingly becoming a source of frequent disagreement between divorcing couples“. 1965 Siehe dazu vorne bei Fn. 43. 1966 Bis zum Jahr 2025 wird eine noch (leicht) steigende Zahl an Hunden und Katzen prognostiziert (Statista-Dossier zum Heimtiermarkt Deutschland 2017, S. 17, 19 unter Berufung auf Angaben des Zentralverbands zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e. V. sowie des Internationalen Hundeverbandes).
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3. Teil: Ergebnisse und Perspektiven
und Diskussionsgrundlage für gesetzgeberisches Handeln und als Appell für eine transparentere, kohärentere Rechtsanwendung: So sollten der Gesetzgeber und ebenso Rechtsanwender viel konsistenter als bisher zwischen „Tierschutz“ und „Schutz von Tierliebe“ unterscheiden. Ein Befund dieser Arbeit ist: In den Begründungsmustern von Schrifttum und Rechtsprechung werden die genannten Schutzgüter allzu oft unscharf und teils widersprüchlich miteinander vermengt. Gleiches gilt für die Rhetorik des Gesetzgebers. Rechtliche Tierschutzerwägungen – im Allgemeinen und auch speziell im Zivilrecht – sind in Deutschland nach verbreiteter Darstellung (nicht zuletzt durch den Gesetzgeber selbst) ethisch motiviert, das heißt werden um des Tieres willen angestellt. Eine entscheidende Rolle für die Intensität des Schutzes, der einem Tier rechtlich zugebilligt wird, spielt aber bei genauerem Hinsehen vielmehr dessen Wertschätzung durch den Menschen. Häufig wird auf den Tierschutz rekurriert, wo in Wahrheit der Schutz von ideellen menschlichen Interessen am Tier die eigentliche Triebfeder ist. Die konkrete Anwendung der Schutzgüter in der Rechtspraxis zeigt außerdem in teils geradezu erschreckender Deutlichkeit, wie groß hier die Gefahr ist, dass der subjektiv-persönliche Zugang des Rechtsanwenders zu Tieren das Ergebnis beeinflussen kann. Dem sollte entgegengewirkt werden, um transparentere und objektivere Entscheidungen zu gewährleisten. So sind „Tierwohl“-Überlegungen stets normativ anzuknüpfen an konkrete rechtliche Vorgaben. Für die Berücksichtigung des Affektionsinteresses schlägt diese Arbeit eine Objektivierung durch Heranziehung von bestimmten Kriterien vor. Diese sind insbesondere der Zweck der Tierhaltung, die räumliche Nähe zum Tier und die Tierart. Um die Rechtssicherheit zu erhöhen und die Konsolidierung und Fortentwicklung des Rechts auf diesem Gebiet voranzutreiben, sollte zudem der Gesetzgeber im BGB stärker selbst zum Ausdruck bringen, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit er private ideelle Interessen an Tieren und das im öffentlichen Interesse verfolgte „Tierwohl“ im Zivilrecht berücksichtigt wissen möchte. In Ansätzen hat er dies in Gestalt der durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht geschaffenen Neuregelungen beispielsweise in § 251 Abs. 2 S. 2 BGB oder §§ 811c, 765a ZPO partiell bereits getan. Freilich können Tiere Gegenstand aller möglichen privatrechtlichen Fragestellungen werden, die der Gesetzgeber nicht sinnvoll umfassend vorauseilend einer besonderen Regelung unterziehen kann und sollte. Jedoch hat diese Arbeit einige Bereiche des Zivilrechts als im Hinblick auf eine spezielle Behandlung von Tieren besonders auffällig identifiziert. Beispielhaft genannt sei nur der Einfluss von „Tierwohl“ und „Affektionsinteresse“ bei der Zuweisungsentscheidung unter Miteigentümern, die Frage eines Zurückbehaltungsrechts an Tieren oder der Kostenrahmen der Nachbesserung im Kaufrecht. Hier ließe sich die Rechtslage durch ein niedrigschwelliges, nämlich nur punktuelles Eingreifen in das Gesetz klären. Insgesamt enttarnt diese Arbeit damit auch eine gewisse emotionale Beliebigkeit, die bisher über dem für Tiere geltenden Zivilrecht und seiner praktischen Anwen-
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dung liegt. Der Befund, dass sich gesellschaftliche Anschauungen auf Rechtssetzung und -auslegung auswirken, ist sicher nicht auf die zivilrechtliche Behandlung von Tieren beschränkt und für sich genommen auch kein Kritikpunkt. Doch lässt der Gesetzgeber ein übergeordnetes Konzept vermissen. Transparenz und ein klares Bewusstsein darüber, mit welchen Schutzgütern man operiert, sowie Anstrengungen um eine stärkere Objektivierung, Normativierung und damit letztlich Rechtssicherheit wären ein Anfang – und sind ein Postulat, für dessen Umsetzung die Analyse und die Vorschläge dieser Arbeit eine Basis bilden sollen.
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Sachwortregister Affektionsinteresse – Begriff und dogmatische Einbettung 104 ff. – Berücksichtigung bei der Kompensation, § 251 BGB 135 ff. – Berücksichtigung beim Streit-/Beschwerdewert 131 ff. – Berücksichtigung in anderen Rechtsordnungen 144 ff. – Objektivierung 265 ff., 389 f. Animal Law 35 f. Artenschutzrecht 71, 163, 178 ff., 321, 372, 390 Artgerechte Haltung als Gesichtspunkt – bei Herausgabeansprüchen 213 ff. – mietrechtlich 185 ff. – nachbarrechtlich 183 f. Beweiserhebung zur Mensch-Tier-Beziehung 264, 305, 383 f. Bremsen für Tiere – Kostentragungspflicht (Teilkasko) 201 ff. – Sorgfaltswidrigkeit 207 ff. Bruchteilsgemeinschaft 309 f. Forschungsstand zur Behandlung von Tieren im Recht 19 ff., 362 f. Frosch-Fälle 176 ff. Fundtiere 217 ff., 279 ff. Geschäftsführung ohne Auftrag 218 ff. Gesellschaftliche Wahrnehmung von Tieren 29 ff. Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht 62 ff., 251, 324, 332 Heilungskosten bei Tieren (Ersatzfähigkeit/Verhältnismäßigkeit) – Höhe 256 ff.
– Kriterien 259 ff. – ratio legis von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB 251 ff. Herausgabe von Tieren 171 ff., 213 ff. Hundewelpen-Fall 163 ff. Kaufrecht
163 ff., 274 ff.
Mensch-Tier-Beziehung 29 ff., 121 ff. Mietrecht 185 ff., 298 ff. Nachbarrecht
176 ff.
Pfändung von Tieren 329 ff. Pferde-Tausch-Fall 165 ff. Rechtsfähigkeit von Tieren 67 f., 77 f. Rechtsgeschichte 60 f. Rechtsvergleichung 87 ff., 144 ff., 281 ff., 312 ff., 350 ff. Schadensrecht 193 ff., 239 ff. Scheidung: Zuweisung des gemeinsamen Tieres 300 ff. Schmerzensgeld 217 f. Schockschadenersatz 137 ff. Schuldnerschutzvorschrift § 765a ZPO 324 ff. Schwalben-Fälle 176 ff. Stuten-Fall 171 Tierart – Häufigkeit in der Rechtsprechung 73 – Indiz-Wirkung für Affektionsinteresse 397 f. Tierarzt – Aufklärungspflichten 83 – Beweislastumkehr 84 f. – Sorgfaltsanforderungen 82 Tiere als Sachen/als Rechtsobjekte besonderer Art 61 f., 67 f., 363, 37
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Sachwortregister
Tierkrankenversicherung 80 f. Tierschutz – anthropozentrisch 39 f. – einfachgesetzlich 46 ff. – ethisch 37 ff. – europäisch 56 ff. – Objektivierung 388 f. – verfassungsrechtlich 48 ff. – zivilrechtlich 213 ff. Tierspezifische Vorschriften 74 f., 381 f. Tierwohl (Begriff) 160 Trennung: Zuweisung des gemeinsamen Tieres 300 ff. Umgangsrechte für Tiere
305 ff.
Verhältnismäßigkeit von Heilbehandlungskosten siehe Heilungskosten Verkehrsrecht siehe Bremsen für Tiere Versicherungsrecht siehe Bremsen für Tiere Verständiger Tierhalter 265 f., 394, 398 f. Wertbestimmung bei Tieren 127 ff. Wolfshund-Fall 257 f., 265 Zurückbehaltungsrecht an Tieren 355 ff. Zwangsvollstreckungsrecht 320 ff. Zweck eines Tieres 119 ff., 129, 240, 290, 318, 345 f., 354, 365, 378 f., 395 f.