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German Pages 225 Year 2000
HAGEN KOBOR
Die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 68
Die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz Die Erbschaftsteuer zwischen Zivilrecht und Ertragsteuerrecht
Von Hagen Kobor
Duncker & Humblot • Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kobor, Hagen: Die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz : die Erbschaftsteuer zwischen Zivilrecht und Ertragsteuerrecht / von Hagen Kobor. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Steuerrecht; Bd. 68) Zugl.: Augsburg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10067-0
Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-10067-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 0
Vorwort Die Arbeit lag im Sommersemester 1999 der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation vor. Sie berücksichtigt die Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich April 1999. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Jakob. Er hat mich während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl in einer unvergleichlich menschlichen und herzlichen Art und Weise auf eine faszinierende Reise durch die Welt des Steuerrechts mitgenommen. Dabei hat er mir ein grundlegendes und facettenreiches Bild des deutschen Steuerrechts vermittelt, wobei die Kenntnisse und Erfahrungen, die ich durch die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit gewinnen durfte, die vorliegende Arbeit maßgeblich beeinflußt und in jeder Hinsicht zum Gelingen beigetragen haben. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Klaus Offerhaus, der sich zur Erstellung des Zweitgutachtens bereit erklärt und sich die Zeit für eine kritische Diskussion genommen hat. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Jens Peter Meincke und Herrn Prof. Dr. Joachim Lang für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe. Es sei auch jenen Personen Dank ausgesprochen, die mich stets in allen Belangen unterstützt haben. Besonders erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang meine Eltern, meine Lebensgefährtin Susanne Fischer, meine Kollegen Frau Dr. Dorothee Hallerbach und Herrn Dr. Oliver Zugmaier, sowie Frau Gerda Hübner-Zwolsky und Frau Beatrix Hofberger. Augsburg, im Januar 2000
Hagen Kobor
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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A. Problemstellung
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B. Untersuchungsgegenstand
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C. Gang der Arbeit
22 1. Kapitel Die Auslegung von Steuergesetzen
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A. Auslegung und Rechtsfortbildung als Instrumente der Rechtsanwendung .. I. Zweck der Auslegung II. Auslegung im Sinne einer Wertungsjurisprudenz III. Ziel der Auslegung 1. Subjektive Auslegungsmethode 2. Objektive Auslegungsmethode 3. Subjektiv-objektive Auslegungsmethode IV. Auslegungskriterien 1. Grammatische Auslegung 2. Systematisch-logische Auslegung 3. Historische Auslegung 4. Teleologische Auslegung V. Schnittstelle zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung 1. Abgrenzung zur Gesetzgebung 2. Rechtsfortbildung als fortgeführte Auslegung 3. Rechtsfortbildungsmethoden a) Echte Gesetzeslücke b) Unechte Gesetzeslücke c) Offene und verdeckte unechte Gesetzeslücke
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B. Auslegung von Steuergesetzen I. Einfluß des Gesetzeszwecks II. Wirtschaftliche Betrachtungsweise 1. Bedeutung a) Wirtschaftliche Betrachtungsweise und Zivilrecht
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8
nsverzeichnis b) Allgemeiner methodologischer Ansatz 2. Wirtschaftliche Betrachtungsweise durch den BFH 3. Verfassungsmäßigkeit 4. Grenzen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise
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2. Kapitel Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes das Verhältnis zum Zivil- und Ertragsteuerrecht A. Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes I. Erbschaftsteuer und Verfassung 1. Verfassungsrechtliche Eigentums- und Erbrechtsgarantie 2. Prinzip des Verwandtenerbrechts 3. Verfassungsrechtlicher Rahmen der Erbschaftsteuer 4. Einheitswertbeschluß des BVerfG a) Leitsatz der Entscheidung b) Verfassungsrechtliche Schranken einer Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung c) Sonderrolle des „Betriebsvermögens" II. Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer III. Grundprinzipien der deutschen Erbschaftsteuer 1. Bereicherungsprinzip 2. Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel
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B. Das Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Zivilrecht unter besonderer Beachtung des Erbrechts I. Schnittstelle von Erbschaftsteuerrecht und Zivilrecht II. Regelungskreis und Ordnungsrahmen des Zivilrechts 1. Grundprinzipien und Ordnungsrahmen des Erbrechts a) Prinzip der Privatautonomie und der Testierfreiheit b) Prinzip der Familienerbfolge c) Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge d) Prinzip der Erbenhaftung 2. Grundprinzipien und Ordnungsrahmen unentgeltlicher Rechtsgeschäfte a) Altruismus als anerkanntes Prinzip der Privatrechtsordnung . . . b) Schenkung als Instrument der vorweggenommenen Erbfolge .. III. Abgrenzung der Regelungskreise des Zivilrechts und des Erbschaftsteuerrechts
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C. Das Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Einkommensteuerrecht I. Abgrenzung nach der Markteinkommenstheorie II. Doppelbelastung eines Erwerbs mit Erbschaft- und Einkommensteuer
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nsverzeichnis 1. Unechte Doppelbelastung 2. Echte Doppelbelastung III. Verhältnis der Erbschaftsteuer zum Ertragsteuerrecht bei der Bewertung von Betriebsvermögen 1. Verlängerte Maßgeblichkeit 2. Ordnungsrahmen der steuerlichen Bewertung D. Zusammenfassung
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3. Kapitel Die strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivil- und Ertragsteuerrecht
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A. Strukturelle Abhängigkeiten innerhalb der Erwerbe von Todes wegen . . . I. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als integrierender Tatbestand 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts 2. Auslegungsrahmen a) Methodologischer Ansatz des BVerfG b) Rechtsprechung des BFH II. Die sonstigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts 2. Auslegungsrahmen a) Methodologischer Ansatz des BVerfG b) Ansicht der Literatur c) Stellungnahme III. Wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der Erwerbe von Todes wegen 1. Rahmenvorgaben des BVerfG 2. Ansicht der Literatur 3. Rechtsprechung des BFH 4. Stellungnahme IV. Zwischenergebnis
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B. Strukturelle Abhängigkeiten innerhalb der Schenkungen unter Lebenden . I. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Grundtatbestand 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts a) Gesetzeshistorie b) Abgrenzung zur Schenkung i.S. des § 516 BGB aa) Objektiver Tatbestand bb) Subjektiver Tatbestand c) Stellungnahme 2. Auslegungsrahmen a) Auslegung des Begriffs „Bereicherung" aa) Bedeutung der Bereicherung in der Gesetzessystematik ..
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82 82 83 83 85 86
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nsverzeichnis bb) Rechtsprechung des BFH b) Stellungnahme II. § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als teilweise integrierender Tatbestand 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts 2. Auslegungsrahmen III. Wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der Schenkungen unter Lebenden 1. Rahmenvorgaben des BVerfG 2. Rechtsprechung des BFH 3. Stellungnahme IV. Zwischenergebnis
C. Strukturelle Abhängigkeiten innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG I. Gesetzeshistorie II. Inhalt der Vorschrift 1. Begünstigte Erwerbe - § 13a Abs. 1 ErbStG 2. Freibetrag - § 13a Abs. 1 ErbStG 3. Bewertungsabschlag - § 13a Abs. 2 ErbStG 4. Weitergabeverpflichtung - § 13a Abs. 3 ErbStG 5. Begünstigtes Vermögen - § 13a Abs. 4 ErbStG a) Betriebsvermögen - § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG b) Anteile an Kapitalgesellschaften - § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG . 6. Nachsteuertatbestände - § 13a Abs. 5 ErbStG III. Maßgeblichkeit des Zivil- oder Ertragsteuerrechts und Auslegungsrahmen 1. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 ErbStG a) Maßgeblichkeit des Zivilrechts b) Auslegungsrahmen 2. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a) Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts aa) Sachliche Qualifikation des Vermögens bb) Nachsteuertatbestände (1) Regelungszweck ertragsteuerlicher Gewinnrealisierungs-und Entstrickungstatbestände (2) Regelungszweck erbschaftsteuerlicher Nachsteuertatbestände (3) Stellungnahme b) Auslegungsrahmen aa) Sachliche Qualifikation des Vermögens bb) Nachsteuertatbestände (1) Auslegungsrahmen nach Jülicher (2) Stellungnahme
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nsverzeichnis IV. Wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der BewertungsVorschrift § 13a ErbStG V. Zwischenergebnis D. Zusammenfassung I. Auslegungsrahmen - Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens 1. Integrierende Tatbestände 2. Zivil- oder ertragsteuerlich vorgeprägte Begriffe II. Wirtschaftliche Betrachtungsweise
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4. Kapitel Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften mittels gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeklausel I. Die einfache Nachfolgeklausel 1. Erb-und gesellschaftsrechtliche Ausgangslage a) Nachfolge einer Erbenmehrheit in den Gesellschaftsanteil aa) Sondererbfolge in den Gesellschaftsanteil bb) Erwerb nach erbrechtlichen Grundsätzen b) Nachlaßzugehörigkeit des Gesellschaftsanteils aa) Auffassung des II. Senats des BGH bb) Auffassung des IV. Senats des BGH cc) Stellungnahme (1) Verdeckte Regelungslücke des Erbrechts (2) Teleologische Reduktion erbrechtlicher Bestimmungen (a) Abspaltungstheorie (b) Einheitstheorie 2. Ertragsteuerliche Beurteilung a) Nachfolge in den Gesellschaftsanteil b) Nachfolge in Sonderbetriebsvermögen 3. Erbschaftsteuerliche Beurteilung a) Steuerpflichtiger Erwerb b) Bewertung des Gesellschaftsanteils c) Nachfolge in Sonderbetriebs vermögen 4. Zwischenergebnis II. Die qualifizierte Nachfolgeklausel 1. Erb-und gesellschaftsrechtliche Ausgangslage a) Nachfolge des qualifizierten Erben in den Gesellschaftsanteil . b) Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Gesellschaftsanteils 2. Ertragsteuerliche Beurteilung
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nsverzeichnis a) Die Erben als Mitunternehmer im Rahmen einer qualifizierten Nachfolgeklausel aa) BFH vom 05.07.1990 (BStBl. II 1990, S. 837) bb) BFH vom 29.10.1991 (BStBl. II 1992, S. 512) cc) BFH vom 10.11.1982 (BStBl. II 1983, S. 329) b) Der qualifizierte Nachfolger c) Die nicht qualifizierten Erben d) Nachfolge in Sonderbetriebs vermögen 3. Erbschaftsteuerliche Beurteilung a) Steuerpflichtiger Erwerb aa) Der qualifizierte Nachfolger bb) Die nicht qualifizierten Erben b) Bewertung des Gesellschaftsanteils c) Nachfolge in Sonderbetriebs vermögen aa) Beurteilung bei Übernahme der ertragsteuerlichen Wertungen des VIII. Senats des BFH bb) Beurteilung bei Übernahme der Wertungen des II. Senats des BFH 4. Zwischenergebnis
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B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH I. Erb- und gesellschaftsrechtliche Ausgangslage II. Ertragsteuerliche Beurteilung III. Erbschaftsteuerliche Beurteilung 1. Steuerpflichtiger Erwerb 2. Bewertung des Gesellschaftsanteils a) Gesetzeshistorie des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG b) Auslegungsbedürftigkeit der Vorschrift c) Rückgriff auf vergleichbare zivilrechtliche Regelungen d) Rückgriff auf vergleichbare ertragsteuerliche Regelungen aa) § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F bb) § 21 UmwStG e) Teleologie und Zweckprogramm der Vorschrift f) Auslegung nach Wortlaut und Gesetzeszweck IV. Zwischenergebnis
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C. Zusammenfassung
173 5. Kapitel
Gesellschaften als erbschaftsteuerliche Erwerber und Steuerschuldner A. Der Steuerschuldner im Erbschaftsteuergesetz I. Steuerschuldner bei Erwerben von Todes wegen
174 175 175
nsverzeichnis II. Steuerschuldner bei Schenkungen unter Lebenden III. Begriff des „Erwerbers" i.S. des § 20 ErbStG 1. Auslegung durch den BFH 2. Auslegung nach dem Auslegungsrahmen für das Erbschaftsteuergesetz a) Maßgeblichkeit des Zivilrechts b) „Erwerber" als originär erbschaftsteuerlicher Begriff aa) Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel bb) Bereicherungsprinzip IV. Zwischenergebnis
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B. Die Kapitalgesellschaft als Erwerber und Steuerschuldner I. Zivilrechtliche Ausgangslage 1. Rechtsfähigkeit und Gesellschaftsvermögen der Kapitalgesellschaften 2. Aktives Erbrecht der Kapitalgesellschaften II. Kapitalgesellschaften als erbschaftsteuerliche Erwerber 1. Rechtsprechung des BFH 2. Stellungnahme a) Erwerb und Bereicherung der Gesellschaft b) Rückgriff auf die Gesellschafter durch wirtschaftliche Betrachtungsweise? III. Zwischenergebnis
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C. Die Personengesellschaft als Erwerber und Steuerschuldner I. Zivilrechtliche Ausgangslage 1. Rechtsfähigkeit und Gesellschaftsvermögen der Gesamthandsgemeinschaften a) Grundzüge der Gesamthandslehre aa) Traditionelle Gesamthandslehre bb) Moderne Gesamthandslehre b) Die einzelnen Gesellschaftsformen nach den Gesamthandslehren aa) GbR bb) OHG und KG 2. Aktives Erbrecht der Personengesellschaften II. Personengesellschaften als erbschaftsteuerliche Erwerber 1. Rechtsprechung des BFH a) BFH vom 07.12.1988 (BStBl. II 1989, S. 237) b) BFH vom 14.09.1994 (BStBl. II 1995, S. 81) 2. Stellungnahme a) Auswirkungen der Gesamthandslehren auf die Auslegung aa) Traditionelle Gesamthandslehre bb) Moderne Gesamthandslehre b) Argumentationsmuster des BFH
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nsverzeichnis c) Gesellschafter als Erwerber durch wirtschaftliche Betrachtungsweise? aa) Wirtschaftliche Betrachtung des Begriffs „Erwerber" bb) Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO cc) Abschließende Würdigung III. Zwischenergebnis D. Zusammenfassung
201 202 202 204 204 205
Schlußbetrachtung
206
A. Die strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivilund Ertragsteuerrecht
206
B. Folgerungen für die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz I. Allgemeiner methodologischer Ansatz II. Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens
207 207 207
C. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Erbschaftsteuergesetz
208
Literaturverzeichnis
209
Sachverzeichnis
221
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AcP a. F. AG AktG Alt. AO Art. BB Bd. BewG BFH BFHE BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHZ BMF BR-Drucks. BStBl. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE CDU CSU DB ders. d.h. dies. DM DStR DStZ EGHGB Einf.
anderer Ansicht Absatz Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Aktiengesellschaft Aktiengesetz Alternative Abgabenordnung Artikel Betriebs-Berater (Z) Band Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesminister der Finanzen Bundesratsdrucksache Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Christlich Demokratische Union Christlich Soziale Union Der Betrieb (Z) derselbe das heißt dieselben Deutsche Mark Deutsches Steuerrecht (Z) Deutsche Steuer-Zeitung (Z) Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuche Einführung
16 Einl ErbStG ErbStR ESt EStG etc. f./ff. F.D.P. FGO Fn. FR FS GbR GewStG GG ggf. gl. A. GmbH GmbHG GmbHR GrEStG GrS HGB h.M. HöfeO HRefG Hrsg. IDW i.S. i.V.m. JbFfSt JuS JZ KG KGaA KÖSDI KStG LG lit. m.w.N. n.F. NJW Nr.
Abkürzungsverzeichnis Einleitung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erbschaftsteuer-Richtlinien Einkommensteuer Einkommensteuergesetz et cetera folgende(r) / fortfolgende Freie Demokratische Partei Finanzgerichtsordnung Fußnote Finanz-Rundschau (Z) Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Z) Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Höfeordnung Handelsrechtsreformgesetz Herausgeber Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland im Sinne in Verbindung mit Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Schulung (Z) Juristenzeitung (Z) Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Steuer-Dialog (Z) Körperschaftsteuergesetz Landgericht littera, Buchstabe mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Z) Nummer
Abkürzungsverzeichnis NWB OHG OLG R RAO RFH RG RGBl. RGZ Rn. RStBl. S. Slg. sog. StÄndG StandOG StAnpG StbJb StuW StVj Tz. u. a. Überbl UmwStG UVR v v. vgl. Vorbem. WiB WM WRV Z z.B. ZEV ZGR ZHR ZIP ZRP z.T.
2 Kobor
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Neue Wirtschaftsbriefe (Z) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Richtlinie Reichsabgabenordnung Reichsfinanzhof Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Reichssteuerblatt Seite Sammlung sogenannte(r) Steueränderungsgesetz Standortsicherungsgesetz Steueranpassungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Steuer und Wirtschaft (Z) Steuerliche Vierteljahresschrift (Z) Textziffer unter anderem Überblick Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Z) vor vom/von vergleiche Vorbemerkung Wirtschaftsrechtliche Beratung (Z) Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (Z) Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Z) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Z) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Z) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Z) Zeitschrift für Rechtspolitik (Z) zum Teil
Einleitung A. Problemstellung Der Erbschaftsteuer beziehungsweise dem Erbschaftsteuergesetz wird seit jeher in der Rechtsprechung1 und Literatur 2 eine starke Anbindung an das Zivilrecht nachgesagt. Diese Anbindung wird plakativ in Formeln wie „die Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivilrecht" oder „die Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz" gefaßt. Ein derartiges Verständnis von der Erbschaftsteuer liegt insbesondere darin begründet, als die steuerpflichtigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen nach §§ 3 ff. ErbStG und der Schenkungen unter Lebenden nach § 7 ErbStG entsprechenden zivilrechtlichen Rechtsinstituten und Tatbeständen der Vermögensnachfolge nachgebildet sind oder hierauf aufbauen. Direkte Verweisungen auf Normen des bürgerlichen Rechts (z.B. § 1922 BGB) und die häufige Verwendung zivilrechtlich vorgeprägter Normbegriffe verstärken den Eindruck einer in der Gesetzessystematik des Erbschaftsteuergesetzes unmittelbar angelegten Rückanknüpfung an Regelungsbereiche des Zivilrechts. Wird das Erbschaftsteuergesetz jedoch auf diese Weise in die Nähe zivilrechtlicher Regelungen gebracht, ist die Auseinandersetzung mit einem der sensibelsten Problemfelder der Steuerrechts Wissenschaft unumgänglich3: dem Verhältnis des Steuerrechts als Teil des öffentlichen Rechts zum bürgerlichen Recht. Eine klare Abgrenzung der beiden Rechtsgebiete voneinander erfordert bereits die regulative Aufgabe, die ihnen als Instrumente der Gesamtrechtsordnung zukommt. Das bürgerliche Recht regelt in einem Verhältnis der Gleichordnung den Interessenausgleich privater Belange. Das öffentliche Recht hingegen erfaßt in einem Über-Unterordnungsverhältnis die Beziehung des Einzelnen zum Staat und seinen Institutionen. Diese unterschiedlichen Zielrichtungen verleihen den einzelnen Gesetzen ein eigenständiges Wesen mit spezifischen gesetzespolitischen Wertungen, die 1
Vgl. u.a. BFH vom 30.06.1960 - H R 254/57 U - BStBl. III 1960, S. 348 (349); vom 15.10.1997 - H R 68/95 - BStBl. II 1997, S. 820 (822). 2 Vgl. Crezelius , Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 36f.; Meincke , ErbStG, Einführung Rn. 7; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 3 Vgl. hierzu Meincke , StuW 1992, S. 188 (189). 2*
20
Einleitung
nicht zuletzt in den Bedeutungsgehalt der jeweiligen Normbegrifflichkeiten Eingang finden. Der These von der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz muß somit in seiner Allgemeinheit bereits in Hinblick auf eine abgestimmte Gesamtrechtsordnung mit Vorsicht begegnet werden. In den Worten von Jakob bewegt sich ein Steuerpflichtiger „in einer durch das Zivilrecht geprägten Lebenswirklichkeit"4. Gleichwohl besteht angesichts der verfassungsrechtlichen Dimension des Verhältnisses des Steuerrechts zum bürgerlichen Recht ein dictum des BVerfG vom 27.12.19915, wonach beide Rechtsgebiete gleichrangig nebeneinander bestehen und ein Primat oder eine Ordnungsfunktion des Zivilrechts für die Gesamtrechtsordnung - und damit auch für das Steuerrecht - nicht anzuerkennen sind. Warum, so fragt man sich angesichts dieses verfassungsrechtlichen Ausspruchs, wird auch heute noch die allgemeine Maßgeblichkeitsthese vertreten? Die Gründe hierfür liegen weniger auf verfassungsrechtlicher als auf einzelgesetzlicher Ebene und begegnen dem Rechtsanwender in der Praxis beinahe bei jeder Norm des Erbschaftsteuergesetzes. Wie bereits eingangs erwähnt, bauen entscheidende Tatbestände des Erbschaftsteuergesetzes auf bürgerlich-rechtlich und damit formal geregelten Tatbeständen, Rechtsinstituten und der Begriffswelt des Zivilrechts auf 6. Vergegenwärtigt sich der Rechtsanwender das gleichrangige Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht, analysiert er aber gleichzeitig die erbschaftsteuerlichen Normen nach ihren Zielrichtungen und der angewendeten Gesetzestechnik, stellt sich ihm unweigerlich folgende Frage: Welche gesetzlichen Wertungen haben in den Prozeß der Suche nach den Bedeutungsgehalten erbschaftsteuerlicher Normbegriffe Eingang zu finden und welche Bedeutung ist dabei der gesetzessystematischen Rückanknüpfung an Bereiche des Zivilrechts beizumessen? Die Tauglichkeit der Maßgeblichkeitsthese als ergebnisorientiertes Kriterium eines Auslegungsprozesses ist somit auch auf einzelgesetzlicher Ebene Bedenken ausgesetzt7. Denn nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz8 - bestätigt durch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.12.19919 - ist ein Normbegriff vorrangig als Begrifflichkeit des Gesetzes auszulegen, mit dem sich ein Rechtsanwender unmittelbar konfrontiert sieht. Bei jedem Gesetz, das Rückanknüpfungen- an andere Rechtsgebiete 4
Siehe Jakob , Einkommensteuer, § 2 Rn. 38. Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). 6 Vgl. Kapp , Schwerpunkte des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, S. 5; Meincke , ErbStG, Einführung Rn. 7; Tipke/Lang , Steuerrecht, § 13 Rn. 106. 7 Vgl. Meincke , ErbStG, Einführung Rn. 7; Tipke/Lang , Steuerrecht, § 13 Rn. 104, 106; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 8 Vgl. hierzu Tipke/Lang , Steuerrecht, § 1 Rn. 19. 9 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 ff. 5
B. Untersuchungsgegenstand
21
oder Einzelgesetze aufweist, ist erst durch eine Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit die anzuwendende Norm Wertungen und Regelungsgehalte einem anderen Rechtsgebiet entnimmt. Für die Auslegung des Erbschaftsteuergesetzes bedeutet dies: Die Maßgeblichkeitsthese macht eine steuerlich motivierte Auslegung unter diesen Vorgaben nicht obsolet, sondern kann allenfalls deren mögliches Ergebnis umschreiben. Mit Einführung des § 13a ErbStG durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 10 hat das Problem der strukturellen Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes von anderen Gesetzen eine weitere Dimension erfahren. Denn in bekannter Weise enthält diese Norm zur erbschaftsteuerlichen Privilegierung unternehmerisch gebundenen Vermögens weitreichende Verweisungen auf Tatbestände des Ertragsteuerrechts (z.B. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und verwendet in großem Umfang zur Umschreibung einzelner Sachverhalte ertragsteuerlich vorgeprägte Begriffe 11. Die hergebrachte These von der Maßgeblichkeit des Zivilrechts muß somit nicht zuletzt durch die angeführte Entscheidung des BVerfG und die Fortentwicklung des allgemeinen methodologischen Ansatzes relativiert werden. Gleichzeitig sind die Auswirkungen der strukturellen Abhängigkeiten vom Ertragsteuerrecht auf den erbschaftsteuerlichen Auslegungsprozeß nahezu ungeklärt 12. Es sind bislang in der Rechtswissenschaft oder Rechtsprechung noch keine allgemeinen Kriterien entwickelt worden, mittels derer der allgemeine methodologische Ansatz in Hinblick auf das Verhältnis des Erbschaftsteuergesetzes zum Zivil- und Ertragsteuerrecht einheitlich für sämtliche Normgruppen ausgefüllt werden kann. Die Ermittlung dieser einheitlichen Kriterien als allgemeiner Auslegungsrahmen ist Ziel der folgenden Untersuchung.
B. Untersuchungsgegenstand Untersuchungsgegenstand der Arbeit ist der Erkenntnisprozeß der Auslegung im Erbschaftsteuergesetz sowie das gesetzessystematische Spannungsverhältnis zwischen dem Erbschaftsteuergesetz und dem Zivil- und Ertragsteuerrecht im Lichte des allgemeinen methodologischen Ansatzes. Es werden die verfassungsrechtlichen Rahmenvorgaben der Erbschaftund Schenkungsteuer, deren Gesetzeszweck beziehungsweise allgemeine 10
BGBl. I 1996, S. 2049. Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 244, 250ff.; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 12 Es wurden lediglich vereinzelt Versuche unternommen, das Problem zu umschreiben und einer - mitunter wenig dogmatischen, so doch praxisorientierten Lösung zuzuführen, vgl. hierzu Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 244, 251; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 11
22
Einleitung
Besteuerungsprinzipien und die Gesetzestechnik einzelner erbschaftsteuerlicher Normen analysiert, um den Umfang der strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivil- und Ertragsteuerrecht herauszuarbeiten. Daneben werden die Auswirkungen der gefundenen strukturellen Abhängigkeiten auf einen steuerlich motivierten Auslegungsprozeß im Einzelfall untersucht. Dies schließt die Frage ein, ob und inwieweit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise als Unterfall der teleologischen Auslegung eines Steuergesetzes im Erbschaftsteuergesetz Anwendung finden kann 13 . Es sollen dabei einheitliche Kriterien herausgearbeitet werden, unter welchen Voraussetzungen eine erbschaftsteuerliche Normbegrifflichkeit als solche des Erbschaftsteuergesetzes auszulegen ist beziehungsweise Wertungen des Zivil- und Ertragsteuerrechts in das Erbschaftsteuergesetz zu integrieren sind. In einer verallgemeinernden Betrachtung wird untersucht, ob diese Kriterien in einer allgemeinverbindlichen Theorie zusammengefaßt werden können, die einen einheitlichen und abstrakten Rahmen für die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz liefert. Als weiterer Aspekt der Untersuchung soll die einschlägige Rechtsprechung des BFH einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Im Vordergrund steht dabei weniger das Ergebnis der stets einzelfallbezogenen Entscheidung des Gerichts, als vielmehr eine rein dogmatisch geführte Auseinandersetzung mit dem in den Entscheidungsgründen offenbar gewordenen Auslegungsprozeß.
C. Gang der Arbeit Bei der Arbeit handelt es sich um eine dogmatische und vor allem methodische Betrachtung des Erbschaftsteuergesetzes, die sich um das Ziel bemüht, dem Rechtsanwender eine über den Einzelfall hinausgehende Richtung zu weisen. Es ist deshalb unabdingbar, die eigene methodische Ausgangsposition zu entwickeln und festzulegen. Insoweit bewegt sich die Untersuchung auf einem wissenschaftlich bereits vorbereiteten Boden, wobei freilich die aufgegriffenen und hier relevanten Grundpositionen mitunter sehr weit voneinander entfernt liegen. Wenn es aber in einem zweiten Schritt darum geht, die herausgefilterten methodischen Grundpositionen auf den Untersuchungsgegenstand des Erbschaftsteuergesetzes zu übertragen und gewissermaßen eine generelle „erb13
Diese Frage ist heftig umstritten und in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht abschließend geklärt, vgl. hierzu BFH vom 30.06.1960 - II 254/57 U BStBl. III 1960, S. 348 (349); vom 22.09.1982 - H R 61/80 - BStBl. II 1983, S. 179f.; vom 10.11.1982 - H R 111/80 - BStBl. II 1983, S. 116 (117f.); vom 15.10.1997 - H R 68/95 - BStBl. II 1997, S. 820 (822); Kapp/Ebeling , ErbStG, § 1 Rn. 5; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56; Troll in: Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6.
C. Gang der Arbeit
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schaftsteuerliche Methodenlehre" zu erarbeiten, so muß dieser Boden weitgehend selbst bestellt werden - soweit erkennbar, fehlt es bisher an einer zeitgemäßen und umfassenden methodischen Betrachtung des Erbschaftsteuergesetzes, die neben seinen zivilrechtlichen Bezügen auch den Bogen zum Ertragsteuerrecht spannt, wie er neuerdings durch die Einführung des § 13a ErbStG virulent geworden ist. In einem dritten Schritt ist es schließlich angezeigt, die gefundenen methodischen Grundsätze gewissermaßen einem „Härtetest" zu unterziehen und sie an Problemstellungen zu erproben, die nicht nur komplex, sondern auch dogmatisch äußerst umstritten sind. Dies alles bringt es mit sich, daß die Untersuchung sehr abstrakt beginnt und erst allmählich zum Konkreten fortschreitet. Es ist auch bewußt weitgehend darauf verzichtet worden, die dogmatischen Passagen mit Beispielen anzureichern. Die Beispiele sollen vielmehr am Ende der Betrachtung stehen, wobei hier Wert darauf gelegt wurde, den gesamten Problemkomplex in seiner tatsächlichen und rechtlichen Seite an den zuvor erarbeiteten Grundsätzen zu messen und zu einem in sich stimmigen und praxisgerechten Ergebnis zu bringen. Mit anderen Worten: Der Weg zur Oase führt durch eine steinige Wüste. Das erste Kapitel stellt die Technik der Auslegung als Erkenntnisprozeß der Rechtsanwendung dar, die auf gesetzlichen Wertungen und der allgemeinen juristischen Methodenlehre basiert. Besondere Beachtung findet dabei die teleologische Auslegung steuerlicher Normen in der besonderen Ausprägung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Im zweiten Kapitel wird das Wesen des Erbschaftsteuergesetzes mit seinen verfassungsrechtlichen Vorgaben und allgemeinen Besteuerungsprinzipien untersucht. Dabei wird auf einzelgesetzlicher Ebene das Erbschaftsteuerrecht zunächst vom Zivil- und Ertragsteuerrecht nach den jeweiligen Regelungskreisen abgegrenzt. Anschließend erfolgt im dritten Kapitel eine Analyse einzelner ausgewählter erbschaftsteuerlicher Tatbestände auf ihre strukturellen, das heißt in der Gesetzessystematik angelegten Abhängigkeiten vom Zivil- und Ertragsteuerrecht und deren Auswirkungen auf den Auslegungsprozeß im Erbschaftsteuergesetz. Es werden nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz aus der Gesetzessystematik Kriterien herausgearbeitet, die Antwort auf die Frage geben können, unter welchen dogmatischen Voraussetzungen eine Tradierung bürgerlich-rechtlicher oder ertragsteuerlicher Wertungen in das Erbschaftsteuergesetz möglich ist. Diese Kriterien werden unter einer hier sogenannten „Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens" zusammengefaßt. Im vierten und fünften Kapitel wird dieser abstrakte Auslegungsrahmen auf die erbschaftsteuerliche Beurteilung praxisrelevanter Sachverhalte über-
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Einleitung
tragen: die Vererbung von Gesellschaftsanteilen und die Frage nach der Person des Erwerbers und damit des Steuerschuldners bei unentgeltlichen Zuwendungen an Gesellschaften. Diese Sachverhalte wurden ausgewählt, weil sie in besonderem Maße die Problematik einer partiellen und strukturellen Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes vom bürgerlichen Recht verdeutlichen. Die zivilrechtliche Erfassung der Sonderrechtsnachfolge in Anteile an Personengesellschaften mittels gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeklauseln und die Frage nach dem Wesen einer Gesamthand und deren Vermögensordnung gehören wohl zu den umstrittensten Feldern der Zivilrechtswissenschaft und sind bis heute nicht abschließend geklärt. Untersucht wird dabei, welche Auswirkungen einer komplexen und vielfältig umstrittenen zivilrechtlichen Rechtslage auf die erbschaftsteuerliche Erfassung entsprechender Sachverhalte zukommt - dies vor allem, wenn man diese Fragestellung vor dem Hintergrund einer partiellen strukturellen Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivilrecht betrachtet. Anhand des oben genannten Sachverhalts der Nachfolge in Gesellschaftsanteile als ertragbringende Wirtschaftseinheiten läßt sich nicht nur die Problematik der zivilrechtlichen Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts verdeutlichen, sondern zugleich dessen Abhängigkeit von ertragsteuerlichen Rechtsinstituten und Wertungen. Mit dem dabei maßgeblich betroffenen § 13a ErbStG erfolgt zudem eine dogmatische Auseinandersetzung mit einer relativ jungen Gesetzesmaterie.
1. Kapitel
Die Auslegung von Steuergesetzen »Juristisches Denken muß sich am Maßstab der Rechtsnormen orientieren. Es geht darum, Schritt für Schritt den Zugang zum Sinn gesetzlicher Vorschriften freizulegen. Insofern ist juristisches Denken der Sache nach methodisches Denken. Dem steht nicht entgegen, daß immer auch die »schöpferische Phantasie4 des Interpreten gefordert ist." Mit diesen Worten umschreibt Woerner 14 den Kernpunkt der Problematik, mit der sich der Rechtsanwender bei der wertenden Auseinandersetzung mit Rechtsbegrifflichkeiten konfrontiert sieht. Die Wertung, die der Rechtsanwender als „Interpret" bei der Konkretisierung der Gesetzesbegriffe im Rahmen seines Erkenntnisvorgangs vornimmt, darf sich zum einen nicht willkürlich in einem rechtsfreien Raum vollziehen. Sie muß vielmehr nach objektiv nachvollziehbaren Erkenntnisprozessen verlaufen, die ihre Stütze in den Wertungen der gesamten Rechtsordnung finden. Andererseits darf sich der Rechtsanwender in seiner „schöpferischen Phase" mangels eigener Gesetzgebungskompetenz nicht zu einem „Quasi-Gesetzgeber" aufschwingen. Verläßt er den Bereich der reinen Rechtskonkretisierung, ist gleichzeitig der kognitive Vorgang der Auslegung beendet und der Rechtsanwender wird nunmehr rechtsfortbildend tätig 15 . Damit ergibt sich gewissermaßen von selbst die Notwendigkeit einer juristischen Methodenlehre, die - wenn auch ohne gesetzesgleichen Rang - versucht, die Belange der Rechtssicherheit und Gleichmäßigkeit in jedem Einzelfall der Rechtsfindung sicherzustellen16. Es ist im wesentlichen das Verdienst von Larenz , eine solche „Methodenlehre der Rechtswissenschaft" entwickelt zu haben. Beisse hat diese Gedanken aufgegriffen und in die Materie des Steuerrechts übertragen. Gerade das Steuerrecht bereitet dem Anwender erhebliche Schwierigkeiten, weil es über Jahre hinweg durch anhaltende und mitunter tiefgreifende Gesetzesänderungen an Konservativität und begrifflicher wie dogmatischer Verläßlichkeit eingebüßt hat. Als ursprünglich transparentes Instrument der Beschaffung öffentlicher Finanzmittel wurde es zunehmend durch Lenkungszwecken dienende Sozialzweck- und Subventionszwecknormen unterminiert. Andererseits ist das Steuerrecht als originäres Eingriffsrecht in besonderem Maße auf eindeutig formulierte Eingriffstatbestände angewie14
Siehe Woerner , FR 1992, S. 226. Vgl. hierzu Tipke , StuW 1981, S. 189. 16 Vgl. Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 630, 635 f. 15
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1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen
sen, um dem strengen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung zu entsprechen17.
A. Auslegung und Rechtsfortbildung als Instrumente der Rechtsanwendung I. Zweck der Auslegung Rechtsanwendung ist die Anwendung einer abstrakten Rechtsnorm auf einen konkreten Lebenssachverhalt. Sie erfordert ein Vorgehen in vier Schritten: die Ermittlung des Lebenssachverhalts, die Ermittlung des in Betracht zu ziehenden Rechtssatzes, die Subsumtion des Sachverhalts unter die Rechtsnorm und die Feststellung der sich ergebenden Rechtsfolge. Da jeder Rechtssatz nur eine begriffliche und abstrakte Umschreibung eines Sachverhalts enthält, erfordert die Subsumtion eine Auslegung der maßgeblichen Tatbestandsmerkmale. Denn bis auf Zahlenbegriffe können jedem einzelnen Wort je nach Zusammenhang unterschiedliche Bedeutungsgehalte beigemessen werden, die im Rahmen eines Erkenntnisvorgangs erschlossen werden müssen. Die Auslegung ist somit nach Larenz „ein vermittelndes Tun, durch das sich der Auslegende den Sinn eines Textes, der ihm problematisch geworden ist, zum Verständnis bringt" 18 oder nach Ruppe „der Versuch des bewußten (reflektierten) Verstehens einer sprachlichen Äuße-
II. Auslegung im Sinne einer Wertungsjurisprudenz Die juristische Methodenlehre als Instrument der Rechtsanwendung war - zumindest als ein abgeschlossenes System - noch nie ausdrücklich im Gesetz verankert. Sie wurde aus dem Gesetz abgeleitet und war in ihrer geschichtlichen Entwicklung unterschiedlichen Strömungen unterworfen 20. 17
Vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, AO/FGO, Anhang zu § 4 AO Tz. l.b). Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 195. 19 Vgl. Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 635. 20 Die Begriffsjurisprudenz des 19. Jahrhunderts versuchte unter fundamentaler Zugrundelegung des Gesetzeswortlauts, sich den Sinn und die Bedeutung einzelner Begriffe zu erschließen. Die Vertreter dieser methodologischen Strömung deduzierten ihre Erkenntnisse allein aus der formalen Begrifflichkeit und der systematischen Gesamtbegrifflichkeit der Rechtsordnung. Der Gesetzeszweck und die systematische Stellung eines Begriffs innerhalb eines als logisches Ganzes aufgefaßten Rechtsordnung blieben als Erkenntnisquellen bewußt ungenutzt, vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1237. Unter Abkehr vom Primat der formalen Begrifflichkeit der Begriffsjurisprudenz stellte die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte In18
A. Auslegung und Rechtsfortbildung in der Rechtsanwendung
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Mit der Begründung der modernen Wertungsjurisprudenz durch Larenz wird den einzelnen Gesetzen ein eigenständiger Zweck (telos) zuerkannt, der über den allgemeinen rechtspolitisch notwendigerweise zu regelnden Interessengegensatz hinausgeht. Dieser Gesetzeszweck dient nicht nur dem Ausgleich einzelner Interessen, sondern nimmt unterschiedlichste Wertungen der gesamten Rechtsordnung in sich auf, um so eine umfassende und gerechte Konfliktlösung im Einzelfall zu ermöglichen. Die Frage nach dem Gesetzeszweck dient nicht nur der Aufdeckung von Wertungswidersprüchen und unsachgemäßen Ergebnissen auf der Rechtsfolgenseite. Sie zwingt den Rechtsanwender schon bei der Suche nach dem Bedeutungsgehalt einer Begrifflichkeit, das geistige Auge zwischen Tatbestand und möglicher beziehungsweise sachgerechter Rechtsfolge pendeln zu lassen, um eine sachwidrige Lösung nicht im Wege einer Billigkeitslösung korrigieren zu müssen. Vielmehr stellt sich mit einem Blick auf die intendierte Rechtsfolge schon auf der Ebene der Subsumtion die Frage nach einer zweckgerichteten und an sachgerechten Ergebnissen orientierten Suche nach dem Sinn und dem Bedeutungsgehalt einzelner Begrifflichkeiten.
III. Ziel der Auslegung Faßt man mit Tipke 21 nach der modernen Wertungsjurisprudenz Gesetze als Zweckschöpfungen und Gesetzesworte als Mittel zum Zweck auf, muß dem Gesetz beziehungsweise den einzelnen Rechtsbegriffen vom Rechtsanwender ein Sinn beigemessen werden, mit dem der jeweilige Gesetzeszweck auch erreicht werden kann. Tipke differenziert daher ausgehend von dieser Mittel-Zweck-Relation zwischen dem Zweck eines Gesetzes und dem Sinn, der einem Wort beziehungsweise Tatbestandsmerkmal zu dieser Zweckerreichung inneliegt. Dies verleitet ihn zu der Annahme, im Rahmen des Erkenntnisprozesses der Auslegung eines Tatbestandsmerkmals sei ein Schluß vom Zweck eines Gesetzes auf den Sinngehalt des Gesetzes vorzunehmen, andererseits verbiete sich aber ein Schluß vom Sinngehalt einer Norm auf den Gesetzeszweck. Denn der Zweck bestimme den Sinngehalt, ein Rückgriff auf diesen Sinn zur Ermittlung des Zwecks sei nicht möglich, da ein zur Ermittlung eines wertbestimmenden Merkmals (Zweck) das hierteressenjurisprudenz die entscheidende Frage nach dem Zweck (innerhalb) der Gesamtrechtsordnung auf. Das geschriebene Recht wurde nicht mehr als Selbstzweck aufgefaßt, sondern als Instrument zur Regelung und zum Ausgleich gesellschaftlicher Interessen. Die Vertreter der lnteressenjurisprudenz berücksichtigten diese Interessen zwar nicht als unmittelbar einzelgesetzlich geregelte Materie beziehungsweise Zweck einzelner Gesetze. Sie fassen diese doch zumindest als fundamentales Rechtfertigungsmoment jeder Rechtsordnung und damit wertungsbeeinflussendes und teleologisches Element innerhalb der Suche nach dem Bedeutungsgehalt einer gesetzlichen Begrifflichkeit auf. 21 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1239.
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1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen
von in Abhängigkeit stehende Merkmal (Mittel) nicht herangezogen werden könne - mit anderen Worten: der Zweck „heiligt" zwar die Mittel, er kann aber nicht seinerseits aus diesen Mitteln abgeleitet werden. Aus diesem Grund ist die wohl herrschende Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur zu indifferent, die den Sinn eines Gesetzes mit dessen Zweck überwiegend gleichsetzt22. Wenn das allgemein anerkannte Ziel der Auslegung23 die Ermittlung des Bedeutungsgehalts eines Gesetzestextes in Abhängigkeit vom Gesetzeszweck ist, so stellt sich die Frage, unter welcher Prämisse dieser wertungsbestimmende Gesetzeszweck ermittelt werden muß. 1. Subjektive Auslegungsmethode Nach der subjektiven Auslegungsmethode ist der Sinngehalt eines Normbegriffs oder Gesetzestextes zu ermitteln, den der historische Gesetzgeber in seiner (subjektiven) Vorstellung einem Rechtssatz geben wollte. In einer retrospektiven Analyse sämtlicher Erkenntnisquellen muß insbesondere das Gesetzgebungsverfahren nachvollzogen und der maßgebliche Wille des Legislativorgans ermittelt werden 24. Dies gilt sowohl für den Gesetzeszweck, als auch für den hiervon in Abhängigkeit stehenden Bedeutungsgehalt der jeweiligen Gesetzesbegriffe.
2. Objektive Auslegungsmethode Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur folgt der objektiven Auslegungsmethode. Sie stellt gegenwartsbezogen von einem objektiven Empfängerhorizont auf den Bedeutungsgehalt ab, der von einem typischen Betrachter unter gegebenen Umständen und zum Zeitpunkt der Rechtsanwendung einer Norm beigemessen wird 25 . Das BVerfG führt in seiner Entscheidung vom 21.05.1952 aus 26 : 22 Vgl. BVerfG vom 24.06.1986 - 2 BvF 1/83, 5/83, 6/83, 1/84, 1/85, 2/85 BVerfGE 72, S. 330 (397); vom 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 - BVerfGE 74, S. 51 (57); BFH vom 27.07.1967 - IV 300/64 - BStBl. III 1967, S. 690 (696); vom 06.12.1979 - IV R 18/79 - BStBl. II 1980, S. 237 (238); vom 25.06.1984 - GrS 4/ 82 - BStBl. II 1984, S. 751 (760ff.); vom 10.06.1988 - H R 248/83 - BStBl. II 1988, S. 814 (816); vom 02.03.1989 - IV R 128/86 - BStBl. II 1989, S. 543 (544); vom 08.10.1991 - V R 89/86 - BStBl. II 1992, S. 108 (110); vom 06.05.1993 - V R 45/88 - BStBl. II 1993, S. 564 (565); vom 16.03.1994 - I R 140/93 - BStBl. II 1994, S. 508 (509); vom 13.10.1994 - VII R 37/94 - BStBl. II 1995, S. 10 (13); Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 76. 23 Vgl. hierzu auch Säcker in: Münchner Kommentar, BGB, Band 1, Einleitung Rn. 105 ff. 24 Vgl. hierzu Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 7.a); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 301 ff.; Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 82.
A. Auslegung und Rechtsfortbildung in der Rechtsanwendung
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„... Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können. .. Diese verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist mittlerweile gefestigt 27 und vom BFH übernommen worden 28. Die aufgestellten Auslegungsgrundsätze können aber nicht als rein objektive Methode aufgefaßt werden, da sie den Einfluß des historischen Willens des Gesetzgebers auf eine gegenwärtige Auslegung nicht vollständig negieren und ihm zumindest eine gewisse Kontroll- oder Rahmenfunktion zugestehen. 3. Subjektiv-objektive Auslegungsmethode Die genannte höchstrichterliche Rechtsprechung enthält zumindest Grundzüge einer vermittelnden subjektiv-objektiven Auslegungsmethode. Eine derartige Auslegung orientiert sich zwar ebenfalls an einem gegenwartsbezogenen, normativen Gesetzeszweck. Sie zieht aber bei Mehrdeutigkeiten den empirischen Willen des historischen Gesetzgebers als weiteres Auslegungskriterium heran 29. Diese Auslegungsmethode ist vorzuziehen, da sie sich um die Ausschöpfung möglichst aller Erkenntnisquellen bemüht. Das Forschen nach dem ursprünglichen Willen des historischen Gesetzgebers erkennt dessen Stellung als einziges Legislativorgan an und eröffnet die Möglichkeit, den subjektiven Vorstellungen als mittelbar in das Gesetz inkorporierten Gesetzgeberwillen Geltung zu verschaffen. 25 Vgl. hierzu BVerfG vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, 11/60 - BVerfGE 11, S. 126 (130); Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 7.b); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 301 ff.; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 635; Säcker in: Münchner Kommentar, BGB, Band 1, Einleitung Rn. 65; Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 82. 26 Siehe BVerfG vom 21.05.1952 - 2 BvH 2/52 - BVerfGE 1, S. 299 (312). 27 Vgl. BVerfG vom 19.12.1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, S. 261 (268); vom 05.07.1972 - 2 BvL 6/66, 28/69, 3/70, 11/70, 12/70 - BVerfGE 33, S. 265 (294); vom 27.03.1979 - 2 BvR 1011/78 - BVerfGE 51, S. 77 (89ff.). 28 Vgl. hierzu insbesondere BFH vom 10.02.1953 - I 113/52 - BStBl. III 1953, S. 102 (104); vom 31.07.1970 - III R 25/70 - BStBl. II 1971, S. 46; vom 14.05.1974 - VIII R 95/72 - BStBl. II 1974, S. 572 (576); vom 07.05.1987 - IV R 150/84 - BStBl. II 1987, S. 670 (671). 29 Gl. A. Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 635; wohl auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 304.
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1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen
IV. Auslegungskriterien Zurückgehend auf die maßgeblich von Larenz entwickelte moderne Methodenlehre werden zur Bestimmung des Bedeutungsgehalts eines Begriffs beziehungsweise Rechtssatzes vier Auslegungskriterien herangezogen 30 , die nach der herrschenden Meinung nebeneinander in wechselseitiger Ergänzung stehen31. Die Kriterien finden ihre Verankerung in den Wertungen der gesamten Rechtsordnung. Werden sie lege artis angewendet, sind sie die Eckpunkte des objektiv nachprüfbaren Erkenntnisprozesses einer Auslegung. 1. Grammatische Auslegung Ausgangspunkt einer jeden Auslegung ist die grammatische Auslegung. Unter Zugrundelegung des jeweiligen Wortlauts wird der mögliche Bedeutungsgehalt einer Norm anhand einer textlichen oder sprachlichen Auseinandersetzung gesucht, der einem Begriff nach den Regeln der Grammatik, des normalen Sprachgebrauchs oder nach der Rechtssprache als Kunstsprache zukommt 32 . Das Feld möglicher Bedeutungsgehalte eines Begriffs nach seinem Wortlaut steckt aber auch die Grenze einer weiteren Auslegung nach anderen Kriterien ab 3 3 . Da der Sinngehalt eines einzelnen Worts sich erst vollständig aus dem Kontext ergibt, in den das einzelne Wort gestellt ist, die Bedeutung dieses Kontextes sich aber erst über die Bedeutung der einzelnen Begrifflichkeiten erschließt, bedarf es eines hermeneutischen Zirkelschlusses, um sich in einem wechselseitigen Erkenntnisprozeß von dem Schluß auf den einen Bedeutungsgehalt den hiervon in Abhängigkeit stehenden weiteren Bedeutungsgehalt zu erschließen34. Das „geistige Auge" des Auslegenden wandert somit zwischen dem möglichen Sinngehalt des einzelnen Begriffs und dem Sinngehalt des Gesamtkontextes hin und her und erschließt sich so sukzessive die jeweils in Abhängigkeit voneinander stehenden Bedeutungen. Läßt sich nach dieser Auslegungsmethode ein eindeutiger Bedeutungsinhalt ermitteln, kann eine vom klaren Wortlaut abweichende Auslegung nur 30
Vgl. BVerfG vom 09.05.1978 - 2 BvR 952/75 - BVerfGE 48, S. 246 (256); BGH vom 30.06.1966 - KZR 5/65 - BGHZ 46, S. 74 (76). 31 Vgl. BVerfG vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, 11/60 - BVerfGE 11, S. 126 (130); Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 7.e). 32 Vgl. Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 7; Spanner in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band I, 7. Auflage, Stand: Mai 1981, § 4 AO Rn. 155; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 637; Säcker in: Münchner Kommentar, BGB, Band 1, Einleitung Rn. 119ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1245; Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 89. 33 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 307. 34 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 197 f.; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 637.
A. Auslegung und Rechtsfortbildung in der Rechtsanwendung
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dann vorgenommen werden, wenn feststellbar ist, daß der Bedeutungsgehalt nach der sprachlich eindeutigen Fassung einer Norm über das hinausgeht oder hinter dem zurückbleibt, was mit dem Gesetz verfolgt werden soll 35 . Jenseits dieser Grenze ist der Gesetzestext einer Auslegung nicht mehr zugänglich. Der weitere Bedeutungsgehalt kann nur noch nach den Regeln der Rechtsfortbildung mit den Instrumenten der teleologischen Reduktion beziehungsweise der Lückenfüllung erschlossen werden 36. 2. Systematisch-logische Auslegung Mit der systematisch-logischen Auslegung wird der Sinn eines Normbegriffs aus dem System oder dem Kontext ermittelt, in dem ein Rechtssatz zur Rechtsordnung oder einem einzelnen Gesetz steht37. Ausgehend von der Annahme, daß die Rechtsordnung ein sinnvoll aufgebautes Gesamtgefüge ohne innere oder äußere Widersprüche ist 38 , ergänzt die systematische Auslegung die grammatische Auslegung, da sie nach der Bedeutung eines Begriffs innerhalb des abgestimmten Gesamtkontextes fragt 39 . Um entweder den Sinn aus dem gesetzlichen Zusammenhang zu ermitteln oder Versehen des Gesetzgebers bei der Standortzuweisung eines Rechtssatzes aufzudecken, muß der Gesamtkontext, in dem der maßgebliche Rechtssatz steht, zuerst auf seine logische und stringente Struktur hin untersucht werden. Widersprüche oder mehrdeutige Bedeutungsgehalte werden im Rahmen der systematisch-logischen Auslegung durch drei Kollisionsregeln gelöst: Die rangniedere Norm wird durch die ranghöhere Rechtsquelle beeinflußt; eine speziellere Rechtsnorm hat Vorrang vor der allgemeineren Rechtsnorm; die historisch jüngere Norm steht bei gleicher Regelungsmaterie über der historisch älteren Norm. „redaktionelle"
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Vgl. BFH vom 12.12.1957 - IV 10/57 U - BStBl. III 1958, S. 154 (156). Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 307ff.; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, Band 1, EStG/KStG, Einf. ESt Rn. 637. 37 Vgl. Spanner in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band I, 7. Auflage, Stand: Mai 1981, § 4 AO Rn. 169; Larenz , Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 310; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 638; Säcker in: Münchner Kommentar, BGB, Band 1, Einleitung Rn. 125; Tipke , Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1253; Tipke/Kruse , AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 93. 38 Vgl. BFH vom 19.04.1962 - III 163/59 U - BStBl. III 1962, S. 270 (271); vom 17.05.1979 - V R 112/74 - BStBl. II 1979, S. 657 (659); vom 06.12.1979 - V R 87/72 - BStBl. II 1980, S. 279 (283); vom 07.05.1987 - IV R 150/84 - BStBl. II 1987, S. 670 (672); vom 25.11.1987 - I R 126/85 - BStBl. II 1988, S. 220 (222); vom 21.06.1989 - X R 14/88 - BStBl. II 1989, S. 881 (884ff.); vom 19.05.1993 - H R 23/92 - BStBl. II 1993, S. 628 (629f.). 39 Vgl. BFH vom 21.07.1961 - III 325/59 S - BStBl. III 1961, S. 446 (447). 36
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1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen 3. Historische Auslegung
Mit der historischen Auslegung wird der Sinngehalt eines Rechtssatzes anhand seiner Entstehungsgeschichte bestimmt, der vom Gesetzgeber beabsichtigt war 40 . Als geeignete Erkenntnisquellen dienen neben den Gesetzesmaterialien die Auseinandersetzung mit den Umständen und dem Zeitpunkt der Gesetzesinitiative sowie der Entwicklungsgeschichte der Vorschrift 41. Die Auslegung nach historischen Kriterien ist von der subjektiven (historischen) Auslegungsmethode zu unterscheiden. Letztere stellt als Ziel des gesamten Auslegungsvorgangs lediglich auf den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers bei der Frage nach dem Gesetzeszweck ab 42 . 4. Teleologische Auslegung Die teleologische Auslegung ist eine Auslegung nach dem Zweck und dem erkennbaren Grundgedanken einer Regelung43. Wie bereits ausgeführt, unterscheidet die herrschende Meinung in der Praxis nicht oder jedenfalls nicht klar zwischen dem Zweck eines Gesetzes beziehungsweise einer Rechtsnorm und der Bedeutung einzelner darin enthaltener Begriffe. Streng methodisch geurteilt, muß sich eine teleologische Auslegung immer in einem zweistufigen Prozeß vollziehen, wobei der Zweck eines Gesetzes den Ausgangspunkt und der entsprechende Sinn eines Begriffs das Ziel bilden müssen44. Als logische Vorstufe ist der Gesetzeszweck als bestimmendes Wertungskriterium zu ermitteln. Mit Hilfe der systematisch-logischen und der historischen Auslegung 40
Vgl. RG vom 18.04.1912 - IV 429/11 - RGZ 79, S. 246 (249); Säcker in: Münchner Kommentar, BGB, Band 1, Einleitung Rn. 123. 41 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1254. 42 Vgl. hierzu 1. Kapitel, A.III. 1. 43 Vgl. BVerfG vom 15.03.1989 - 1 BvR 1428/88 - BVerfGE 80, S. 48 (53); BFH vom 12.12.1973 - VI R 153/72 - BStBl. II 1974, S. 215 (216); vom 28.01.1981 - H R 146/75 - BStBl. II 1981, S. 484 (485 f.); vom 11.03.1981 - H R 78/79 - BStBl. II 1981, S. 486 (487); vom 18.11.1980 - VIII R 194/78 - BStBl. II 1981, S. 510 (512); vom 12.05.1982 - H R 14/81 - BStBl. II 1982, S. 628 (629); vom 07.12.1982 - VIII R 166/80 - BStBl. II 1983, S. 660 (662); vom 12.07.1983 VIII R 202/80 - BStBl. II 1983, S. 716 (717); vom 07.05.1987 - IV R 150/84 BStBl. II 1987, S. 670 (672); vom 11.09.1987 - VI R 189/84 - BStBl. II 1988, S. 12 (14); vom 14.05.1991 - VIII R 31/88 - BStBl. II 1992, S. 167 (172); vom 31.10.1991 - X R 9/91 - BStBl. II 1992, S. 241 (243); vom 25.01.1995 - X R 191/93 - BStBl. II 1995, S. 586 (588); Spanner in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band I, 7. Auflage, Stand: Mai 1981, § 4 AO Rn. 163; Säcker in: Münchner Kommentar, BGB, Band 1, Einleitung Rn. 128 f.; Tipke/Kruse, AO/ FGO, Band I, § 4 AO Rn. 94. 44 Vgl. Lorenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 313 ff.; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 639; Tipke/Kruse, AO/ FGO, Band I, § 4 AO Rn. 94a.
A. Auslegung und Rechtsfortbildung in der Rechtsanwendung
33
wird der Gesetzeszweck aus dem gesamten Rechtssystem und anhand seiner Entstehungsgeschichte hergeleitet (1. Stufe) 45. Erst anschließend kann die Bedeutung eines Begriffs im Lichte dieses Gesetzeszwecks und unter Begrenzung des möglichen Bedeutungsfelds unter Einschluß der grammatischen Auslegung ermittelt werden (2. Stufe).
V. Schnittstelle zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung Die Auslegung dient dem Rechtsanwender zur Konkretisierung eines Gesetzestextes; der existente Gesetzestext aus einzelnen Wörtern und Begrifflichkeiten ist das Objekt des Erkenntnisvorgangs. Die Grenze der Auslegung kann demnach nur dort liegen, wo ein vorhandener Gesetzestext nicht nur ausgelegt werden muß, sondern die geordnete Rechtsanwendung einen schöpferischen Akt erfordert, der das vorhandene Gesetz ergänzt oder ein neues schafft. 1. Abgrenzung zur Gesetzgebung Im Bereich des Steuerrechts liegt nach Art. 105 GG beispielsweise die Gesetzgebungskompetenz ausschließlich bei den Gesetzgebungsorganen des Bundes und der Länder. Die Gerichte sind nach Art. 97 Abs. 1, Art. 92 GG dem Gesetz unterworfen und zusammen mit den Verwaltungsbehörden bei der Rechtsanwendung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden 46 . Zwischen der reinen Gesetzesanwendung durch Auslegung und der Schaffung verbindlicher Rechtsnormen, wie sie dem Rechtsanwender mangels eigener Gesetzgebungskompetenz verwehrt ist, liegt die „Grauzone" der Rechtsfortbildung als Institut jenseits der Normkonkretisierung aber noch außerhalb der Gesetzgebung. Entscheidend für eine am Gewaltenteilungsprinzip orientierte Rechtsanwendung ist demnach die Frage, ob und wann sich eine Rechtsfortbildung noch im Bereich der kompetenzrechtlich abgesicherten Rechtsanwendung befindet oder die Grenze zur Rechtsschöpfung überschritten ist. Sicher kann diese Frage nicht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen. Als gesichert kann jedenfalls gelten, daß es schon nach dem Gerichtsverfassungsgesetz zu den Aufgaben der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung gehört, über den individuellen Rechtsschutz hinaus „zur Fortbildung des Rechts" beizutragen (z.B. § 11 Abs. 4 FGO). Dazu zählt sicherlich auch die Schließung gesetzlicher Unschärfen und Lücken: „Der Richter muß nachholen, was der Gesetzgeber versäumt hat." 47
45 46 47
3 Kobor
Vgl. BFH vom 28.11.1977 - GrS 4/77 - BStBl. II 1978, S. 229 (231). Vgl. hierzu Tipke, StuW 1981, S. 189. Siehe Kruse, DStZ 1975, S. 373 (377).
34
1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen 2. Rechtsfortbildung als fortgeführte Auslegung
Obwohl dem Gesetzeszweck das entscheidende Moment bei der Suche nach dem Bedeutungsgehalt eines Rechtssatzes zukommt, ist der Auslegung als Instrument der Rechtsanwendung durch die Reichweite des Gesetzeswortlauts eine äußere Grenze gesetzt. Denn nach der herrschenden Meinung verbietet sich jenseits des nach der grammatischen Auslegungsmethode ermittelten möglichen Bedeutungsgehalts eine weitere Auslegung zur Erfassung einer vom Gesetzeszweck gedeckten Bedeutung48. Inmitten stehen Fallgestaltungen, in denen Sachverhalte angesichts eines eindeutigen Wortlauts nicht unter eine Norm subsumiert werden können, eine Regelungsbedürftigkeit aber zumindest nicht ausgeschlossen ist. Es stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber in diesen Fällen bewußt von einer Reglementierung abgesehen oder die Regelungsbedürftigkeit - sozusagen in „beredtem Schweigen" - übersehen hat. Bei einer Divergenz zwischen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck kann eine Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsvorschrift nur noch über das Instrument der (richterlichen) Rechtsfortbildung erfolgen 49. Das BVerfG führt hierzu in seiner Entscheidung vom 14.02.1973 aus 50 : „... Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. Der Richter muß sich dabei von Willkür freihalten; seine Entscheidung muß auf rationaler Argumentation beruhen. Es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den »fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft 4 [...]. [...] Fraglich können nur die Grenzen sein, die einer solchen schöpferischen Rechtsfindung mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung gezogen werden müssen. Sie lassen sich nicht in einer 48 Vgl. BVerfG vom 23.10.1985 - 1 BvR 1053/82 - BVerfGE 71, S. 108 (115); vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 - BVerfGE 87, S. 209 (224); BFH vom 28.11.1967 - II 110/62 - BStBl. II 1968, S. 216 (217); vom 20.03.1980 - V R 131/74 - BStBl. II 1980, S. 287 (289); vom 13.06.1991 - V R 12/86 - BStBl. II 1991, S. 815 (816); Spanner in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band I, 7. Auflage, Stand: Mai 1981, § 4 AO Rn. 203; Lorenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 310; Säcker in: Münchner Kommentar, BGB, Band 1, Einleitung Rn. 134; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1271; Tipke/Kruse, AO/ FGO, Band I, § 4 AO Rn. 111. 49 Vgl. BFH vom 08.11.1972 - VI R 8/71 - BStBl. II 1973, S. 142 (143); Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 133. 50 Siehe BVerfG vom 14.02.1973 - 1 BvR 112/65 - BVerfGE 34, S. 269 (287f.).
A. Auslegung und Rechtsfortbildung in der Rechtsanwendung
35
Formel erfassen, die für alle Rechtsgebiete und für alle von ihnen geschaffenen oder beherrschten Rechtsverhältnisse gleichermaßen gälte. ..." Auch diese Art von Rechtsfortbildung dient letztlich nur dazu, das vorhandene Gesetzesmaterial gedanklich weiterzuführen, an die zuvor vorgenommene Auslegung anzuknüpfen und diese lediglich auf einer anderen Stufe desselben Erkenntnisvorgangs fortzuführen 51.
3. Rechtsfortbildungsmethoden Wenn die Auslegung eines Begriffs angesichts des eindeutigen Wortlauts scheitert, der maßgebliche Sachverhalt aber regelungsbedürftig erscheint, liegt gesetzestechnisch eine Regelungslücke vor 52 . Die moderne Methodenlehre unterscheidet zwischen der echten und der unechten Gesetzeslücke.
a) Echte Gesetzeslücke Die echte Gesetzeslücke erschließt sich, wenn eine gesetzliche Regelung ohne eine ergänzende Erweiterung des Rechtssatzes logisch unanwendbar ist. Mit anderen Worten: Die Regelungsmaterie ist unvollständig und bedarf einer sinnvollen Ergänzung 53. Diese Ergänzung erfolgt im Wege eines Analogieschlusses. Es wird die eindeutig bestimmbare Regelung und Wertung des geregelten Sachverhalts auf den nicht geregelten Sachverhalt übertragen, soweit es der Gleichheitssatz zuläßt 54 .
b) Unechte Gesetzeslücke Ein Gesetz weist eine unechte Gesetzeslücke auf, wenn nach dem Gesetzeszweck die angeordnete Rechtsfolge auch auf einen nicht geregelten Sachverhalt erstreckt werden muß 55 . Der Unterschied zur echten Gesetzeslücke besteht darin, daß ein Gesetz mit einer unechten Gesetzeslücke dennoch aus sich heraus ein logisches System darstellt, wohingegen ein Gesetz mit einer echten Gesetzeslücke einen logisch-systematischen Bruch enthält, den es zu schließen gilt. Die unechte Gesetzeslücke erschließt sich mit den 51
Vgl. Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 661. 52 Vgl. Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 8. 53 Vgl. LarenZy Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 356. 54 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 184ff.; Ruppe in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 661. 55 Vgl. Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 661. 3*
36
1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen
üblichen Auslegungsmethoden. Mittels der teleologischen Auslegung wird zunächst der Gesetzeszweck bestimmt, mit der grammatischen Auslegung anschließend das Feld der möglichen Bedeutungsgehalte der verwendeten Begriffe festgelegt und somit eine Regelungslücke hinsichtlich des Gesetzeszwecks herausgearbeitet.
c) Offene
und verdeckte
unechte Gesetzeslücke
Von einer offenen unechten Regelungslücke spricht man, wenn angesichts eines eindeutigen Gesetzeszwecks das Gesetz eine Regelung eines bestimmten Sachverhalts enthalten müßte. Geschlossen wird diese Gesetzeslücke vorzugsweise durch die Instrumente des Analogieschlusses als teleologische Extension56, also die Übertragung der Rechtsfolge des geregelten Falls auf den nicht geregelten Fall. Diese Übertragung steht jedoch unter der Voraussetzung der analogiefähigen Ähnlichkeit. Eine verdeckte unechte Gesetzeslücke liegt vor, wenn der Wortlaut eines Gesetzes zwar einen bestimmten Sachverhalt erfaßt, nach dem Gesetzeszweck die angeordnete Rechtsfolge aber nicht zum Zuge kommen darf, weil die Besonderheiten dieses Sachverhalts bei Erlaß des Gesetzes nicht bedacht worden waren 57 . Die Schließung einer verdeckten unechten Gesetzeslücke wird über eine teleologische Reduktion der vom Wortlaut erfaßten und damit normativ geregelten Materie erreicht 58. Der Bedeutungsgehalt nach dem Wortlaut wird somit auf ein Maß zurückgeführt, das dem Gesetzeszweck entspricht, womit im Ergebnis bestimmte Fallgruppen oder Sachverhalte aus dem Regelungsbereich einer Norm herausgenommen werden 59.
B. Auslegung von Steuergesetzen Die allgemeinen Auslegungsgrundsätze gelten auch innerhalb des Steuerrechts als Teil der Gesamtrechtsordnung. Es sind jedoch einige Eigenheiten dieses Rechtsgebiets zu beachten, die Auswirkungen auf die Art und Weise des Erkenntnisprozesses innerhalb einer Auslegung steuerlicher Rechtsbegriffe haben. 56
Vgl. BFH vom 08.03.1968 - VI R 328/66 - BStBl. II 1968, S. 459 (460); vom 21.10.1971 - V R 73/71 - BStBl. II 1972, S. 24. 57 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 375. 58 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 185 f. 59 Vgl. BFH vom 04.02.1971 - V R 86/70 - BStBl. II 1971, S. 430 (432); vom 21.02.1980 - V R 146/73 - BStBl. II 1980, S. 283 (285); vom 09.08.1989 - H R 116/86 - BStBl. II 1989, S. 870 (873 f.); vom 28.03.1995 - IX R 41/93 - BStBl. II 1995, S. 704; Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 133.
. Auslegung von Steuergesetzen
I. Einfluß des Gesetzeszwecks Nach Becker, dem Begründer der Reichsabgabenordnung, hatten Steuergesetze vordringlich den Zweck der hoheitlichen Geldbeschaffung. Wenn bei dieser zweckentsprechenden Besteuerung notwendige Belange der Wirtschaft beachtet werden mußten, war nach dem Verständnis Beckers lediglich der Weg zu gewissen Billigkeitserwägungen eröffnet 60. Das moderne System der Zweckbestimmung im Steuerrecht ist aber wesentlich vielschichtiger. Angesetzt wird beim Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 AO, insbesondere dessen zweiten Halbsatz: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein." Diese Differenzierung nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Unterscheidung von reinen Fiskalzwecknormen (steueranspruchsbegriindende Normen 61 ) und den Sozialzwecknormen in Form der Lenkungsnormen62. Nach 60
Vgl. hierzu Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 639 m.w.N. 61 Vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 95. Fiskalzwecknormen dienen in erster Linie dazu, den Finanzbedarf des öffentlichen Gemeinwesens zu dekken (Primärzweck), vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 20. Daneben soll aber auch die Finanzierungslast sachgerecht auf alle Bürger leistungsgerecht verteilt werden (Sekundärzweck), vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 95; kritisch Weber-Grellet, StuW 1993, S. 97 (103). Diese Klassifizierung wird zwar mit dem Argument kritisiert, der bloße Fiskalzweck einer Norm sei kein Gesetzeszweck im Sinne der Methodenlehre, sondern lediglich ein gesetzgeberisches Motiv, vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 AO Rn. 95a m.w.N. Die Unterscheidung zwischen Motiv und Zweck ist indessen wenig hilfreich. Sinnvoller ist es, den Fiskalzweck als solchen anzuerkennen, die Tauglichkeit des Fiskalzwecks als Primärzweck und damit als teleologisches Auslegungskriterium aber im Einzelfall zu überprüfen und mit dem Zweckprogramm einer Einzelvorschrift abzugleichen, vgl. auch Birk, StuW 1990, S. 300 (304ff.); Kruse, StuW 1980, S. 226 (230ff.). 62 Sozialzwecknormen, die von § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO als Lenkungsnormen gedeckt sind, können in zweierlei Weise ausgestaltet sein: als belastende Sozialzwecknormen oder Subventionszwecknormen. Die implizierte Wirkungsweise beeinflußt diese Unterscheidung, da die belastende Wirkung einer Steuer beziehungsweise Abgabe eingesetzt wird, um eine bestimmte, vom Gesetzgeber intendierte Gestaltungswirkung zu erzielen. Diese äußert sich darin, daß der Steuerpflichtige sein wirtschaftliches oder sonstiges Verhalten möglichst in der intendierten Weise verändert, um der finanziell belastenden Wirkung der Abgabe zu entgehen, vgl. Birk, Steuerrecht I, § 2 Rn. 14f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 21. Mit entgegengesetzter Wirkungsweise, aber identischer Intension, wirkt eine Subventionszwecknorm. Über die entlastende Wirkung einer Steuerverschonung wird der Steuerpflichtige zu einem vom Lenkungszweck intendierten wirtschaftlichen oder sonsti-
38
1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen
dem aktuellen Verständnis einer zweckgerichteten Besteuerung wird für die Auslegung von Steuergesetzen weniger ein Nebeneinander der einzelnen Auslegungsmethoden in gegenseitiger Ergänzung angenommen, als vielmehr der „Primat der teleologischen Auslegungsmethode" vertreten 63. Dies gewährleistet, die nicht nur fiskalischen Zwecken dienenden Steuernormen in jedem Einzelfall sachgerecht auszulegen.
IL Wirtschaftliche Betrachtungsweise Wenn Steuergesetze vordringlich nach ihrem (Fiskal-)Zweck auszulegen sind, so ist es damit steuerrechtlich gleichzeitig zulässig, den jeweils wirtschaftlich erstrebten Erfolg an die Stelle der äußeren (Rechts-)Form eines für besteuerungswürdig erachteten Sachverhalts zu stellen64. Denn mit den Worten von Jakob bewegt sich ein Steuerpflichtiger „in einer durch das Zivilrecht geprägten Lebenswirklichkeit", hingegen wird ein steuerlich relevanter Sachverhalt durch einen Steuertatbestand erfaßt, der in der Regel „ein besteuerungswürdiges Leistungsfähigkeitspotential vertypen will" 6 5 . 1. Bedeutung Die steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise ist im Steuerrecht nach dem Wegfall des § 4 Reichsabgabenordnung (RAO) 6 6 beziehungsweise des § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) 67 nicht mehr ausdrücklich gesetzlich kodifiziert 68. Sie stellt nach der inzwischen gen Verhalten angehalten. Zusätzlich erfordern Sozialzwecknormen - zwar nicht unmittelbar im Rahmen einer Gesetzeszweckbestimmung oder einer teleologischen Auslegung - eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit dem intendierten Lenkungszweck, vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1261. 63 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1240f.; ders. in: FS für v. Wallis, S. 133 (134), Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 51. 64 Vgl. Koch/Scholtz, AO, § 4 Rn. 15. 65 Siehe Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 38. 66 § 4 RAO 1919 lautete: „Bei der Auslegung der Steuergesetze sind ihr Zweck, ihre wirtschaftliche Bedeutung und die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen". 67 § 1 Abs. 2 StAnpG lautete bis zu seiner Aufhebung mit der Einführung der AO 1977: „Bei der Auslegung der Steuergesetze sind ihr Zweck, ihre wirtschaftliche Bedeutung und die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für die Beurteilung von Tatbeständen". 68 Vgl. hierzu BFH vom 19.07.1983 - VIII R 161/82 - BStBl. II 1984, S. 26; vom 31.07.1984 - IX R 3/79 - BStBl. II 1985, S. 33 (35 f.); vom 12.07.1991 - III R 90/89 - BStBl. II 1992, S. 15; Beisse, StuW 1981, S. 1; Döllerer, JbFfSt 1979/ 1980, S. 195 (201); Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 6; Groh, StuW 1989, S. 227 (229); Söffing, StVj 1992, S. 51 (53).
. Auslegung von Steuergesetzen wohl herrschenden Meinung einen Unterfall der teleologischen Auslegung dar 69 und gilt überall dort, wo ein Steuergesetz nicht auf die formalrechtliche „Einkleidung" eines Sachverhaltes abstellt, sondern auf den intendierten wirtschaftlichen Erfolg 70 .
a) Wirtschaftliche
Betrachtungsweise
und Zivilrecht
Eine eigenständige wirtschaftliche Betrachtungsweise kommt insbesondere dort zum Tragen, wo Steuerrechtsnormen zur Umschreibung eines zu erfassenden wirtschaftlichen Sachverhalts an formale Begriffe und Rechtsinstitute des Zivilrechts anknüpfen 71. Diese wiederum sind oder waren ihrerseits häufig jahrzehntelang Gegenstand zivilgerichtlicher oder zivilrechtswissenschaftlicher Auseinandersetzung und sind mit einem entsprechenden Sinn- oder Bedeutungsgehalt ausgestattet72. Dies bedeutet jedoch keineswegs ein steuerrechtliches Präjudiz. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung erfordert es jedenfalls nicht, den identischen Begriffen aus unterschiedlichen Gesetzen mit divergierendem Gesetzeszweck zwingend auch einen identischen Bedeutungsgehalt beizumessen73. Denn der Bedeutungsgehalt eines Rechtssatzes beziehungsweise verwendeten Begriffs bestimmt sich in jedem Einzelfall wesentlich nach dem jeweiligen Regelungszweck74. Zu Recht wurde damit die früher von der Rechtsprechung vertretene These von der „Ordnungsstruktur des Zivilrechts" oder dem „Primat des bürgerlichen Rechts vor dem Steuerrecht" aufgegeben 75. Denn mit § 4 RAO beziehungsweise § 1 StAnpG sollte nach Becker das Steuerrecht gerade vom Zivilrecht abgekoppelt und ihm die Möglichkeit zu einer eigenständigen Begriffsentwicklung gegeben werden 76. Das moderne Steuerrecht als relativ junge Rechtsmaterie war ursprüng69
Vgl. Beisse, BB 1980, S. 637 (643); ders. y StuW 1981, S. 1 (3); ders., StuW 1984, S. 1 (12); Döllerer, JbFfSt 1979/1980, S. 195 (201); Moxter, StuW 1989, S. 232; Tipke/Lang, Steuerrecht, §5 Rn. 65; Woerner, StbJb 1984/1985, S. 177 (195 f.). 70 Vgl. Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 6, 7.e). 71 Vgl. hierzu Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 6; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 65. 72 Vgl. Spanner in: Hübschmann/Hepp/Spitäler, AO/FGO, Band I, 7. Auflage, Stand: Mai 1981, § 4 AO Rn. 188ff.; Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 4 Rn. 107. 73 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213 f.); BFH vom 17.11.1970 - II 160/64 - BStBl. II 1971, S. 224 (226); vom 02.03.1994 - H R 59/92 - BStBl. II 1994, S. 366 (368); vom 01.12.1994 - V R 116/92 BStBl. II 1995, S. 220 (221). 74 Vgl. Spanner in: Hübschmann/Hepp/Spitäler, AO/FGO, Band I, 7. Auflage, Stand: Mai 1981, § 4 AO Rn. 190; Weber-Grellet, StuW 1993, S. 195 (202ff.). 75 So noch BVerfG vom 24.01.1962 - 1 BvR 845/58 - BVerfGE 13, S. 331 (340); BFH vom 12.07.1967 - I 204/64 - BStBl. III 1967, S. 781 (782).
40
1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen
lieh auf die Übernahme zivilrechtlich vorgeprägter Begriffe angewiesen, da sich noch keine eigenständige „Steuerbegrifflichkeit" herausgebildet hatte. Somit war es trotz Verwendung zivilrechtlicher Begriffe möglich, diesen unabhängig von ihrer formalen Bedeutung über die wirtschaftliche Betrachtungsweise in einem steuerlichen Zusammenhang einen eigenen Bedeutungsgehalt beizumessen und so eine Flexibilität und Eigenständigkeit gegenüber dem Zivilrecht zu bewirken 77. b) Allgemeiner methodologischer Ansatz Das Streben nach einer eigenständigen, steuerlichen Begriffswelt bedeutet jedoch nicht, das Steuerrecht als eine gegenüber dem Zivilrecht speziellere Rechtsmaterie anzuerkennen. Ausgangspunkt einer Auslegung ist auch nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise - der konkrete Lebenssachverhalt in seiner zivilrechtlichen Gestaltung, die in eine bürgerlichrechtlich geprägte Begriffswelt eingekleidet ist. Verwendet ein Steuergesetz zur Umschreibung eines Sachverhalts Begriffe des Zivilrechts, so stellt sich zwangsläufig die Frage, ob diesen Begrifflichkeiten im steuerlichen Zusammenhang ihr formaler bürgerlich-rechtlicher Bedeutungsgehalt oder eine hiervon losgelöste Bedeutung nach dem Zweck des Steuergesetzes beizumessen ist. Gibt das Steuergesetz zu erkennen, daß es einen solchen Begriff nicht formal verstanden wissen will, so liefert der Zweck dieses Steuergesetzes zugleich die methodische Handhabe, den Umfang und die Reichweite der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die dann zur Anwendung kommt, zu bestimmen. Hierbei gibt sich zugleich der allgemeine methodologische Ansatz zu erkennen, wonach neben den Wertungen und der Gesetzessystematik vor allem nach dem Zweck einer anzuwendenden (Steuer-)Norm bestimmt werden muß, in welchem Umfang die Norm Regelungsgehalte eines anderen Rechtsgebiets (Zivilrecht) übernimmt oder gerade ausblendet 78 . Im 3. Kapitel werden insbesondere aus der Gesetzessystematik des Erbschaftsteuergesetzes sowie einzelnen Normen und allgemeinen erbschaftsteuerlichen Besteuerungsprinzipien einheitliche und abstrakte Kriterien herausgearbeitet, unter denen ein Rückgriff auf zivilrechtliche (oder ertragsteuerliche) Wertungen bei der Auslegung seiner maßgeblichen Begriffe möglich ist. Es wird zu zeigen sein, daß Voraussetzung hierfür ein gesetzliches Regelungsdefizit des Erbschaftsteuergesetzes ist. Dieses kann einmal in einem tatbestandlichen Regelungsdefizit begründet sein, das 76 Vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, AO/FGO, Anhang zu § 4 AO Tz. 2.a); Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 650. 77 Vgl. Woerner, FR 1992, S. 226 (227). 78 Dieser allgemeine methodologische Ansatz gilt nicht nur im Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht, sondern findet innerhalb der gesamten Rechtsordnung Anwendung, vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 19.
. Auslegung von Steuergesetzen über eine Verweisung in ein anderes Rechtsgebiet (Zivilrecht, Ertragsteuerrecht) geschlossen wird 79 . Hierdurch werden unmittelbar die Wertungen und Bedeutungsgehalte des fremden Rechtsgebiets in das Erbschaftsteuergesetz integriert (hier sogenannte integrierende Tatbestände). Das Erbschaftsteuergesetz enthält aber auch ein Regelungsdefizit dergestalt, daß zur Erfassung bestimmter geregelter Sachverhalte kein in sich abgeschlossenes Geflecht aus rein erbschaftsteuerlichen Normen (Ordnungsrahmen) zur Verfügung steht, aus dem sich eigenständige, erbschaftsteuerliche Wertungsmomente ableiten ließen und mittels dessen zivil- oder ertragsteuerlich vorgeprägten Begrifflichkeiten ein eigener, erbschaftsteuerlicher Bedeutungsgehalt beigemessen werden könnte. Aus diesen dogmatischen Ansatzpunkten wird im 3. Kapitel eine „Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens" entwickelt. Diese Theorie dient der Ausfüllung des allgemeinen methodologischen Ansatzes und stellt einheitliche Kriterien auf, unter welchen Voraussetzungen Begriffe des Erbschaftsteuergesetzes, die einem fremden Rechtsgebiet entlehnt sind, als rein erbschaftsteuerliche Normbegriffe oder als Begrifflichkeiten des entlehnten Gesetzes auszulegen sind. 2. Wirtschaftliche Betrachtungsweise durch den BFH Der BFH zieht die wirtschaftliche Betrachtungsweise ebenfalls heran, um vorgeprägten Begriffen des bürgerlichen Rechts einen eigenständigen steuerspezifischen Bedeutungsgehalt beizumessen und dabei den wirtschaftlichen Gehalt eines steuererheblichen Sachverhalts unabhängig von seiner formalrechtlichen Einkleidung zu erfassen 80. Daneben rechtfertigt er mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zugleich Auslegungen gegen den Wortlaut eines Gesetzes und zieht sie als Wertungskriterium im Rahmen der teleologischen Auslegung heran 81. Hatten der RFH und der BFH bis etwa Mitte der fünfziger Jahre 82 anfänglich noch im Sinne einer Interessenjurisprudenz entschieden und sich unter den Prämissen des § 4 RAO 1919 beziehungsweise § 1 StAnpG einer forschen wirtschaftliche Betrachtungsweise zugewendet, so schwang das methodologische Pendel des BFH anschließend in Richtung Gesetzespositivismus zurück. Mit dem Argument der Einheit der Rechtsordnung83 und dem Primat der Ordnungsstruktur des Zivilrechts folgte eine Ära der stren79 So enthält der steuerpflichtige Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG beispielsweise eine ausdrückliche Verweisung auf § 1922 BGB. 80 Vgl. BFH vom 22.07.1953 - V 153/52 U - BStBl. III 1953, S. 275 (276); vom 09.12.1954 - IV 46/54 U - BStBl. III 1955, S. 55; vom 10.07.1958 - V z 202/56 U - BStBl. III 1958, S. 397f.; vom 13.12.1960 U - I 171/60 - BStBl. III 1961, S. 127. 81 Vgl. BFH vom 13.03.1952 - IV 39/51 U - BStBl. III 1952, S. 120 (121); vom 01.03.1955 - I 140/52 U - BStBl. III 1955, S. 144 (148); vom 06.11.1963 - II 254/59 U - BStBl. II 1964, S. 14 (15 f.). 82 Vgl. Beisse, StuW 1981, S. 1 (4). 83 Vgl. BFH vom 12.07.1967 - I 204/64 - BFHE 90, S. 122 (124f.).
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1. Kap.: Die Auslegung von Steuergesetzen
gen Anlehnung des Steuerrechts an das formale Zivilrecht, womit die wirtschaftliche Betrachtungsweise zwangsläufig in den Hintergrund gedrängt wurde. Erst seit etwa Mitte der sechziger Jahre wird dem Steuerrecht vom BFH erneut eine autonome Stellung zugestanden, was ihm über das Institut der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch die Entwicklung einer eigenen steuerrechtlichen Begriffswelt möglich machte. Diese Entwicklung in der Rechtsprechung des BFH geht allerdings Hand in Hand mit der Entwicklung, Beurteilung und Anwendung der juristischen Methodenlehre durch die gesamte Judikative. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Instrument der Auslegung und somit als Teil der Rechtsanwendung war nicht nur Strömungen innerhalb des sich fortentwickelnden Steuerrechts unterworfen, sondern wurde auch wesentlich von der Einstellung zur allgemeinen Methodenlehre beeinflußt 84.
3. Verfassungsmäßigkeit Die Verfassungsmäßigkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht wurde vom BVerfG in mehreren Entscheidungen bestätigt85. Das Gericht anerkennt den Grundsatz, daß die wirtschaftliche Betrachtungsweise überall dort zur Anwendung kommt, wo ein Steuergesetz zwar einen bestimmten rechtlichen Sachverhalt nennt, die Besteuerung aber nicht an die spezielle rechtstechnische Einkleidung des Sachverhalts anknüpft. Ansatzpunkt ist weniger das Rechtsinstitut als vielmehr die rechtlichen Wirkungen und wirtschaftlichen Ergebnisse, die von ihm herbeigeführt werden 86. Waren die anfänglichen Entscheidungen des BVerfG durch eine gesetzespositivistische Betrachtung und damit vorrangige Bewertung des Wortlauts noch von einer gewissen Skepsis gegenüber der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gekennzeichnet87, wurde mit der Entscheidung vom 84
Vgl. Beisse, StuW 1981, S. lff. Vgl. BVerfG vom 30.10.1961 - 1 BvR 833/59 - BVerfGE 13, 181 (193); vom 24.01.1962 - 1 BvR 232/60 - BVerfGE 13, S. 318 (328 f.); vom 20.03.1963 1 BvL 20/61 - BVerfGE 15, S. 328 (333); vom 11.05.1965 - 2 BvR 259/63 BVerfGE 19, S. 38 (48); vom 11.07.1967 - 1 BvR 495/63, 325/66 - BVerfGE 22, S. 156 (161); vom 02.10.1968 - 1 BvF 3/65 - BVerfGE 24, S. 174 (180f.); vom 14.01.1969 - 1 BvR 136/62 - BVerfGE 25, S. 28 (35 f.); vom 15.07.1969 - BvR 457/66 - BVerfGE 26, S. 327 (335 f.); vom 16.12.1970 - 1 BvR 210/68 - BVerfGE 30, S. 59 (63 f.). 86 Vgl. BVerfG vom 24.01.1962 - 1 BvR 232/60 - BVerfGE 13, S. 318 (328 f.); Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 6. 87 Vgl. BVerfG vom 24.01.1962 - 1 BvR 232/60 - BVerfGE 13, S. 318 (328 ff.); vom 24.01.1962 -1 BvR 845/58 - BVerfGE 13, S. 331 (340); vom 11.11.1964 - 1 BvR 488/62, 1 BvR 562/63, 1 BvR 216/64 - BVerfGE 18, S. 224 (227 ff.); vom 11.07.1967 - 1 BvR 495/63, 325/66 - BVerfGE 22, S. 156 (160f.); vom 02.10.1968 - 1 BvF 3/65 - BVerfGE 24, S. 174 (175). 85
. Auslegung von Steuergesetzen 15.07.1969 88 deren Handhabung durch den BFH für verfassungsgemäß erklärt: „... Der Gesetzgeber ist wegen der Eigenart des in erster Linie fiskalischen Zwecken dienenden Steuerrechts nicht gehalten, bei der Bestimmung des Steuergegenstandes - hier des gewerblichen Gewinns als Ergebnis des Betriebsvermögensvergleichs - durchgängig an die vorgegebene zivilrechtliche Ordnung anzuknüpfen [...]. [...] Ist die Abweichung der einkommensteuerlichen Behandlung einer Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter vom bürgerlichen Recht schon ohne Verfassungsverstoß in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck gekommen, so ist es auch grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar, wenn die Rechtsprechung in Weiterentwicklung der bereits im Gesetz angelegten Eigenständigkeit der steuerlichen Gewinnermittlung bei der Auslegung ihrerseits auch vom Handelsrecht abweicht. [...] Auf jeden Fall stellt es keine mit der Verfassung unvereinbare, willkürliche Begründung eines neuen Steuertatbestandes dar, wenn die Rechtsprechung in der Anwendung der im Steuerrecht zulässigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (BVerfGE 13, 318 [328f.]; 18, 224 [233f.]; 25, 28 [35]) und in Anknüpfung an das Gesamtsystem des Einkommensteuerrechts das Betriebsergebnis nicht der offenen Handelsgesellschaft als Unternehmer, sondern unmittelbar dem einzelnen Gesellschafter zurechnet und ihn damit einem Steuerpflichtigen gleichstellt, der seinen Gewerbebetrieb in der Form eines Alleinunternehmers führt. [...] Gegen die Rechtsprechung des BFH bestehen auch keine rechtsstaatlichen Bedenken. Die Aufstellung allgemeiner Rechtsgrundsätze liegt in der Natur der Tätigkeit der höheren Gerichte (BVerfGE 18, 234 [237f.]; 25, 28 [40]). ..." 4. Grenzen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise Wenn die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Instrument der Auslegung zur steuerlichen Erfassung eines wirtschaftlichen Erfolgs unabhängig von der (zivil-)rechtlichen Ausgestaltung des Sachverhalts dient 89 , so ist sie zwingend dort ausgeschlossen, wo die Besteuerung gerade an einen einzelnen Verkehrsakt anknüpft 90. Dies gilt vor allem für die Verkehrsteuern, bei denen der formale Verkehrsakt das steuerauslösende Moment ist 91 , und die von ihm herbeigeführten Ergebnisse steuerlich keine unmittelbare Rolle spielen. 88 Siehe BVerfG vom 15.07.1969 - 1 BvR 457/66 - BVerfGE 26, S. 327 (334 ff.). 89 Die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise darf nicht dazu führen, eindeutig formulierte Steuertatbestände zu erweitern beziehungsweise neue zu schaffen oder lediglich ein wirtschaftlich sinnvolleres Ergebnis herbeizuführen, vgl. BVerfG vom 24.01.1962 - 1 BvR 232/60 - BStBl. I 1961, S. 506 (507ff.); BFH vom 05.12.1962 - I 106/60 U - BStBl. III 1962, S. 52 (53); vom 05.06.1964 - IV 213/60 S - BStBl. III 1965, S. 49 (50). 90 Vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, AO/FGO, Anhang zu § 4 AO Tz. 2.a). 91 Vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, AO/FGO, Anhang zu § 4 AO Tz. 2.a), 2.b)dd).
2. Kapitel
Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes das Verhältnis zum Zivil- und Ertragsteuerrecht Nach Ansicht des BVerfG in der Entscheidung vom 27.12.1991 sind das Steuerrecht und das Zivilrecht grundsätzlich gleichrangige Rechtsgebiete, womit es weder einen Vorrang des Zivilrechts noch eine Ordnungsfunktion des Zivilrechts für das Steuerrecht geben kann 92 . Aber auch auf öffentlichrechtlicher Ebene schließen sich das Ertrag- beziehungsweise Einkommensteuerrecht und das Erbschaftsteuergesetz nicht gegenseitig aus. Die beiden Steuerarten stehen sich vielmehr gleichberechtigt gegenüber93. Die Schwierigkeiten einer einheitlichen Auslegung erbschaftsteuerlicher Normen und ihrer Begrifflichkeiten ergeben sich aus einer verweisungsbedingten Anbindung des Erbschaftsteuergesetzes an das Zivilrecht und der häufigen Verwendung zivil- und ertragsteuerlich vorgeprägter Normbegriffe, was zu strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes von diesen Rechtsgebieten führt 94 . Um einen einheitlichen, abstrakten und aus der Gesetzessystematik abgeleiteten erbschaftsteuerlichen Auslegungsrahmen festlegen zu können, müssen zunächst die Regelungskreise95 dieser Gesetze ermittelt und voneinander abgegrenzt werden. Ausgehend von seinem verfassungsrechtlichen Rahmen werden zunächst die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes beleuchtet und seine wesentlichen Grundprinzipien dargestellt. Anschließend wird der Ordnungsrahmen 96 des Zivilrechts für die todesbedingte Vermögensnachfolge und die unentgeltlichen Erwerbe unter Lebenden ermittelt und das Erbschaftsteuergesetz vom Ertragsteuerrecht abge92
Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213); Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56. 93 Vgl. BFH vom 22.12.1977 - H R 58/67 - BStBl. II 1977, S. 420 (422); vom 25.11.1986 - H R 190/81 - BStBl. II 1987, S. 175 (177); vom 07.12.1990 - X R 72/89 - BStBl. II 1991, S. 350 (351 ff.). 94 Ähnlich CrezeliuSy Steuerrecht II, § 19 Rn. 10. Vgl. zu den strukturellen Abhängigkeiten 3. Kapitel, A., B. 95 Unter einem Regelungskreis sind die Sachverhalte oder Sachverhaltsgruppen zu verstehen, die einer Normierung im Hinblick auf den jeweiligen Gesetzeszweck unterliegen. 96 Der Begriff des Ordnungsrahmens umschreibt im folgenden ein in sich abgeschlossenes Normengeflecht eines Gesetzes, mit dem die Normierung der regelungsbedürftigen Sachverhalte (Ordnungsrahmen) umfassend gewährleistet ist.
A. Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes
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grenzt. Ziel der Untersuchung ist, die Rechtsgebiete nach ihren Kernbereichen voneinander abzugrenzen, um im anschließenden Kapitel strukturelle und wertungsbeeinflussende Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivil- und Ertragsteuerrecht ermitteln zu können.
A. Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes Die Struktur des Erbschaftsteuergesetzes spiegelt sich vor allem in einzelnen zentralen Normen des Gesetzes beziehungsweise dem Gesamtbild seiner Regelungen wider. Entscheidenden Einfluß auf das System der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung haben aber auch verfassungsrechtliche Rahmenvorgaben und die hieraus zu ziehenden Wertungen. In gleicher Weise sind auch die verfassungsrechtlich abgesicherten und einzelgesetzlich im zivilen Erbrecht ausgestalteten Mechanismen einer todesbedingten oder lebzeitigen Vermögensnachfolge zu beachten.
I. Erbschaftsteuer und Verfassung 1. Verfassungsrechtliche Eigentums- und Erbrechtsgarantie Die grundrechtlich abgesicherte Garantie von Eigentum und Erbrecht ist wesentlicher Grundpfeiler einer auf Privatautonomie und Privateigentum basierenden Vermögens- und Gesellschaftsordnung 97. Die Garantie des Eigentums umfaßt nicht nur die Anerkennung einer rechtlich geschützten Eigentümerposition, vielmehr auch deren Ausfluß in Form der umfassenden Nutzung des Eigentums. Diese Nutzung konkretisiert sich in der Verfügungsbefugnis eines Eigentümers, das heißt dem ungehinderten Recht zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Veräußerung, und gestattet somit jegliche Form der Rechtsnachfolge in vermögensrechtliche Positionen zu Lebzeiten eines Eigentümers 98. Dieser Grundsatz gilt aber ebenso für eine Rechtsnachfolge von Todes wegen. Unter der verfassungsrechtlichen Garantie des Privaterbfolgerechts ist es dem Staat verwehrt, aufgrund eines eigenen und originären Erbrechts an vererbtem Vermögen unmittelbar zu partizipieren 99. Enthielt Art. 154 Weimarer Reichsverfassung (WRV) noch eine ausdrückliche Regelung über 97
Vgl. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Band II, Art. 14 Rn. 288. Vgl. BVerfG vom 08.07.1976 - 1 BvL 19/75, 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, S. 263 (294); vom 01.03.1979 - 1 BvR 532/77, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/ 78 - BVerfGE 50, S. 290 (339); vom 12.06.1979 - 1 BvL 19/76 - BVerfGE 52, S. 1 (30f.); Jarras in: Jarras/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 13. 99 Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 19, 24; Crezelius, Steuerrecht II, § 19 Rn. 1; Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, Einleitung Rn. 17a. 98
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
einen „Anteil des Staates am Erbgut", so ist nach heutiger Rechtslage die staatliche Teilhabe an einem Nachlaß lediglich auf drei Arten möglich: - Der Staat wird aufgrund einer testamentarischen Verfügung von Todes wegen zum Erben beziehungsweise Bedachten eingesetzt. - Der Staat erbt nach § 1936 BGB als gesetzlicher „Noterbe" 100 , wenn kein anderer gesetzlicher oder testamentarischer Erbe vorhanden ist. - Der Staat kann letztlich - jedoch lediglich finanziell und ohne eigenes Erbrecht über eine Erbschaftsteuer an einem Erbgang beteiligt sein 101 . Der Gewährleistungsrahmen der Erbrechtsgarantie umfaßt ein Individualgrundrecht der am Erbgang beteiligten Personen. Der Schutzbereich erschöpft sich einerseits im subjektiven Recht des Erblassers auf die Testierfreiheit 102, mithin der Freiheit, Vermögensgegenstände im Wege der gesetzlichen oder testamentarischen Erbfolge an jede beliebige Person vererben zu können. Andererseits gewährt es dem jeweils bedachten Personenkreis die korrespondierende Rechtsnachfolge 103 und das Recht, mit den übertragenen Gegenständen zukünftig als Eigentümer zu verfahren 104. Die Erbrechtsgarantie begründet zugleich ein eigenes Rechtsinstitut105; nach der herrschenden Meinung ist dieses aber ohne eigene Regelungswirkung und gewährleistet als objektive Wertentscheidung der Verfassung das subjektive Abwehrrecht des Bürgers gegen staatliche Eingriffe in sein Erbrecht 106 . In diese verfassungsrechtlichen Grundstrukturen der Eigentums- und Erbrechtsgarantie muß sich die Erbschafts- beziehungsweise Schenkungsbesteuerung einfügen. 100 Ygi Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 22. 101 Es soll an dieser Stelle nicht auf die Frage nach der grundsätzlichen Rechtfertigung der Erhebung einer Erbschaftsteuer eingegangen werden. Aber auch eine diesbezügliche Auseinandersetzung kann nicht losgelöst von der mit Verfassungsrang geschützten Erbrechtsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geführt werden, vgl. hierzu Fischer, StuW 1978, S. 345ff.; Schneider, StuW 1979, S. 38ff. 102 Vgl. BVerfG vom 03.11.1981 - 1 BvL 11/77, 85/78, 1 BvR 47/81 - BVerfGE 58, S. 377 (398); vom 16.10.1984 - 1 BvR 513/78 - BVerfGE 67, S. 329 (341); vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671 (673); Jarras in: Jarras/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 68; Schiemann, ZEV 1995, S. 197 (199). 103 Vgl. BVerfG vom 14.12.1994 - 1 BvR 720/90 - BVerfGE 91, S. 346 (356f.); Jarras in: Jarras/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 67. 104 Vgl. BVerfG vom 14.12.1994 - 1 BvR 720/90 - BVerfGE 91, S. 346 (360). 105 Vgl. BVerfG vom 01.12.1965 - 1 BvR 412/65, 524/65 - BVerfGE 19, S. 202 (206); vom 08.12.1976 - 1 BvR 810/70, 57/73, 147/76 - BVerfGE 44, S. 1 (17); vom 16.10.1984 - 1 BvR 513/78 - BVerfGE 67, S. 329 (340). 106 Vgl. hierzu Brox t Erbrecht, Rn. 24; Edenhofer in: Palandt, BGB, Einl v § 1922 Rn. 4; Jarras in: Jarras/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 67; Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, Einleitung Rn. 16f.; Papier in: Maunz/Dürig, GG, Band II, Art. 14 Rn. 292.
A. Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes
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Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die Belastung erbrechtlicher Vorgänge mit einer hoheitlichen Abgabe einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG darstellt, darf das Maß der Erbschaftsbesteuerung die Testierfreiheit des Erblassers und das Erbrecht des Bedachten nicht aushöhlen und faktisch inhaltlich entleeren. Es muß trotz einer Erbschaftsbesteuerung dem Rechtsnachfolger das erworbene Vermögen in einer Größenordnung erhalten bleiben, die „im Verhältnis zu dem ursprünglichen Wert des Vermögens noch angemessen ist und der die Eigentumsnutzung durch Vererbung vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Eigentümers nicht als ökonomisch sinnlos erscheinen läßt" 107 . Nur eine verhältnismäßige Belastung des Erwerbs im Rahmen eines Erbfalls ermöglicht es dem Fiskus, mit einer Erbschaftsteuer fiskalisch und wirtschaftlich an einem Nachlaß teilzuhaben, ohne das garantierte Erbrecht in seinen Grundfesten anzutasten108.
2. Prinzip des Verwandtenerbrechts Die Testierfreiheit ist über Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert und kann auch vertraglich nach § 2302 BGB nicht ausgeschlossen werden 109 . Sie ist aber nicht grenzenlos geschützt, sondern steht in Konflikt mit dem Prinzip der Verwandtenerbfolge („Weitergabe von Gut nach Blut" 1 1 0 ) - ein Prinzip, das seinerseits bei einer auf den engeren Kreis der Familie beschränkten Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG unterliegt und nach der herrschenden Meinung Teil der institutionellen Erbrechtsgarantie ist 1 1 1 . Innerhalb der Verfassung ist der Konflikt zwischen Testierfreiheit und Verwandtenerbrecht nicht gelöst; ein Ausgleich dieser Interessen erfolgt vielmehr einfachgesetzlich im Erbrecht. Nach der gesetzlichen Erbfolge mit ihrem Prinzip der unbeschränkten Verwandtenerbfolge nach §§ 1924 ff. BGB wird bei einer fehlenden testamentarischen Verfügung des Erblassers der engere Kreis der Familie Erbe kraft gesetzlicher Anordnung. Es besteht jedoch die Möglichkeit, durch eine beliebige gewillkürte Erbeinsetzung mittels einer Verfügung von Todes wegen auch Personen außerhalb des Kreises der engsten Familie zu bedenken oder durch negative Testierung diese zu enterben. Das einfachgesetzliche Pflichtteilsrecht nach §§ 2303 ff. 107
Siehe Papier in: Maunz/Dürig, GG, Band II, Art. 14 Rn. 297. Vgl. Megow/MicheU ErbStG, Einleitung S. 31; Kapp/Ebeling, ErbStG, Einl. Rn. 3; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 2; Petzoldt, ErbStG, II. A. Einführung Rn. 1. 109 Ausnahmen hiervon bestehen lediglich in der Bindung, die ein Erblasser durch den Abschluß eines Erbvertrags nach § 2274 i.V.m. § 2289 Abs. 1 Satz 1 BGB oder die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments unter Ehegatten nach § 2265 BGB herbeiführt. 110 Siehe Daragan, DStR 1999, S. 393. 1,1 Vgl. Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, Einleitung Rn. 18; Papier in: Maunz/Dürig, GG, Band II, Art. 14 Rn. 295; zum Meinungsstand Edenhof er in: Palandt, BGB, Einl v § 1922 Rn. 4. 108
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
BGB garantiert in diesem Fall eine Mindestbeteiligung der innerhalb des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG stehenden Familienangehörigen am Nachlaß112. 3. Verfassungsrechtlicher Rahmen der Erbschaftsteuer Auch wenn Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG eine Erbschaftsteuer grundsätzlich anerkennen, indem sie die Gesetzgebungshoheit dem Bund und das Steueraufkommen den Ländern zuweisen, ist damit noch nichts über die inhaltliche Ausgestaltung einer Erbschaftsteuer und deren verfassungsrechtliche Schranken ausgesagt113. Diese werden im wesentlichen nach Art. 14 GG über den institutionellen Schutz von Eigentum und Erbrecht gezogen. Zwar schützt Art. 14 GG - wenn man die Norm überhaupt auf die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten anwenden w i l l 1 1 4 - nicht vor einem steuerlichen Zugriff. Mit diesem wird das Eigentum in seinem Gebrauch vielmehr in elementarer Weise in die „Sozialpflichtigkeit" verwiesen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG). Aber Art. 14 GG schützt vor einem übermäßigen Steuerzugriff 115, wenn die auferlegte Geldleistungspflicht nicht lediglich der „Teilhabe des Staates" dient, sondern die Schwelle vom Partizipatorischen zum Konfiskatorischen überschritten wird 1 1 6 . Basierend auf diesem Grundsatz hat das BVerfG in den sogenannten Einheitswertbeschlüssen zur Vermögen- und Erbschaftsteuer vom 22.06.1995117 versucht, die Grenze zur Konfiskation über den Halbteilungsgrundsatz zwischen Staat und Bürger verfassungsrechtlich zu begründen. Inhaltlich wurde für die Erbschaftsteuer das Postulat aufgestellt, die Ausgestaltung und Bemessung dieser Steuer müsse den grundlegenden Gehalt der Eigentums- und Erbrechtsgarantie wahren und dürfe den 1,2
Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, Überbl v § 2303 Rn. 1; Pieroth, NJW 1993, S. 173 (176 ff.) m.w.N. 113 Vgl. Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 5. 114 Tendenziell ablehnend die frühere Rechtsprechung des BVerfG. Anders aber die neuere Rechtsprechung des II. Senats, wie sie im „Halbteilungsgrundsatz" ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91 BStBl. II 1995, S. 655 (zur Vermögensteuer); vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 BStBl. II 1995, S. 671 (zur Erbschaftsteuer). 115 Vgl. BVerfG vom 24.07.1962 - 2 BvL 15/61, 16/61 - BVerfGE 14, S. 221 (241); vom 03.07.1985 - 1 BvL 55/81 - BVerfGE 70, S. 219 (230); vom 08.05.1987 - 2 BvR 909/82, 934/82, 935/82, 936/82, 938/82, 941/82, 942/82, 947/82, 64/83, 142/84 - BVerfGE 75, S. 108 (154). 1,6 Vgl. hierzu grundlegend Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 88 Rn. 172; Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, Einleitung Rn. 17b; Leisner in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 150 Rn. 26. 117 Vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91 - BStBl. II 1995, S. 655 (zur Vermögensteuer); vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671 (zur Erbschaftsteuer).
A. Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes
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Sinn und die Funktion des Eigentums- und Erbrechts als Rechtsinstitut und Individualgrundrecht nicht aushöhlen118. 4. Einheitswertbeschluß des BVerfG Das BVerfG hat mit zwei Entscheidungen vom 22.06.1996 119 zur Verfassungswidrigkeit der einheitswertabhängigen Besteuerung im Rahmen der Vermögen- und Erbschaftsteuer Stellung genommen und im Ergebnis die bis dato geltende Bewertung des Grundbesitzes nach den damals geltenden Einheitswerten als mit der Verfassung unvereinbar erklärt. Die beiden Entscheidungen erhalten ihren Stellenwert im Rahmen der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung mit dem deutschen Steuerrecht angesichts der langen Kritik 1 2 0 am Bewertungssystem nach Einheitswerten nicht so sehr wegen dieses dictums allein. Den weitaus größeren Einfluß auf die Steuerrechtsordnung erlangten die Entscheidungen durch die teilweise weit über die eigentlich zu entscheidenden Streitfragen hinausgehenden allgemeinen Ausführungen des Gerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, die der Gesetzgeber als Maßstab künftiger Besteuerung aufzufassen und umzusetzen hatte. a) Leitsatz der Entscheidung In dem zur Erbschaftsteuer ergangenen Beschluß121 hat das BVerfG seine Wertungen, die zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung von Grundvermögen im Rahmen der Vermögensteuer geführt haben, auf das geltende Erbschaftsteuergesetz übertragen. Unter gleicher Begründung gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, daß § 12 Abs. 1 und 2 ErbStG in Verbindung mit dem ersten und zweiten Teil des Bewertungsgesetzes insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, als die geringere Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach den auf den 01.01.1964 festgestellten Einheitswerten gegenüber der Bewertung sonstigen Vermögens nach Gegenwartswerten einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt. Das BVerfG hatte das geltende Erbschaftsteuergesetz jedoch nicht außer Kraft gesetzt, sondern lediglich teilweise mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt 118
Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, Einl. Rn. 3. Vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91 - BStBl. II 1995, S. 655ff.; vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671 ff. 120 Vgl. zur Kritik insbesondere Dickertmann/Pfeiffer, StuW 1987, S. 259ff.; Halaczinsky, BB 1994, S. 270 (273f.); Jakob, BMF-Schriftenreihe, Heft 48, S. 3ff.; Kirchhof DStR 1984, S. 575 (578); Kruse, BB 1989, S. 1349 (1351); Meyer, DStZ 1979, S. 195; Mohr, BB 1986, S. 2380 (2383); Pelka, StuW 1975, S. 206ff.; Rid, DStR 1994, S. 1 ff.; Sangmeister, DStZ 1991, S. 581 ff.; Strunk, StuW 1980, S. 51 (52ff.); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 847ff., 875 ff. 121 Vgl. BVerfG vom 22.06.1996 - BvR 552/91 - BStBl. II 1996, S. 671. 119
4 Kobor
2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
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und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.12.1996 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Bis zum 31.12.1995 erklärte es das geltende Recht uneingeschränkt für anwendbar, für die Zeit ab dem 01.01.1996 sollte die Erbschaftsteuer nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 AO vorläufig festgesetzt werden. Eine endgültige Veranlagung der erbschaft- und schenkungsteuerpflichtigen Vorgänge des Jahres 1996 war erst nach Verabschiedung des reformierten Erbschaftsteuergesetzes vorzunehmen122.
b) Verfassungsrechtliche Schranken einer Erbschaftsund Schenkungsbesteuerung Das BVerfG ging in dem Einheitswertbeschluß zur Erbschaftsteuer noch einen Schritt weiter und urteilte zugleich über das Maß, mit dem der Fiskus auf vererbtes beziehungsweise im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragenes Vermögen steuerlichen Zugriff nehmen kann 1 2 3 . Das Gericht legte der Beurteilung des damals geltenden Erbschaftsteuergesetzes seine bisherige Rechtsprechung zugrunde, wonach unter der verfassungsrechtlichen Garantie des Erbrechts (Testierfreiheit und Prinzip des Verwandtenerbrechts) nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG der Spielraum für den steuerlichen Zugriff auf den Erwerb von Todes wegen seine Grenze dort findet, wo die Steuerpflicht den Erwerber übermäßig belastet und die ihm zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt 124. 122
Vgl. hierzu Weinmann, Das neue Erbschaftsteuerrecht 1997, S. 1. Kritik zog die Entscheidung des BVerfG insoweit auf sich, als sie in den Entscheidungsgründen weit über die zur verfassungsrechtlichen Beurteilung anliegenden Fragen hinausging, vgl. hierzu Felix, ZEV 1996, S. 410f. m.w.N. Umstritten war insbesondere die BindungsWirkung, die der Entscheidung für den Gesetzgeber bei Erlaß eines geänderten Gesetzes zukam. Zum Teil wurde in der „überschießenden" Aussage des Gerichts ein orbiter dictum gesehen, das in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Gesetzgeber in seinem eigenen Gestaltungsspielraum bei legislativem Handeln einschränkt, vgl. u.a. Bull, NJW 1996, S. 281 (282). Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß sowohl dem Tenor als auch allen sonstigen tragenden Entscheidungsgründen, die als Elemente richterlicher Rechtsfindung in einem denknotwendigen Zusammenhang mit dem Tenor stehen, Bindungswirkung zukommt, vgl. BVerfG vom 23.10.1951 - 2 BvG 1/51 - BVerfGE 1, S. 14 (37); vom 21.01.1966 - 1 BvR 140/62 - BVerfGE 19, S. 377 (392); vom 19.07.1966 - 2 BvF 1/65 - BVerfGE 20, S. 56 (87); vom 10.06.1975 - 2 BvR 1018/74 - BVerfGE 40, S. 88 (93); vom 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82, 1468/82, 1623/82 - BVerfGE 77, S. 84 (104); Flick/Schauhoff, ZRP 1996, S. 101 (103); Mayer, DB 1995, S. 1831 (1833). Das Gericht gibt somit selbst die Antwort auf die Reichweite der Bindungswirkung des Einheitswertbeschlusses zur Erbschaftsteuer: Lediglich der Tenor und dessen maßgebliche Entscheidungsgründe erlangen Bindungswirkung, die darüber hinaus gemachten Äußerungen zu einzelnen Regularien eines reformierten Erbschaftsteuergesetzes entfalten durch die Offenbarung bestimmter Rechtsauffassungen des BVerfG nur eine faktische Bindungswirkung für den Gesetzgeber. 123
A. Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes
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Neben das verfassungsrechtlich garantierte Erbrecht nach Art. 14 GG tritt der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Der erbschaftsteuerliche Zugriff auf die nächsten Familienangehörigen ist nach Ansicht des BVerfG auf ein Maß zu beschränken, wonach dem Steuerpflichtigen der überwiegende Teil des erworbenen Nachlasses verbleibt. Die Übertragung von kleinerem Vermögen muß gänzlich steuerfrei möglich sein. Diese Grundsätze sollen auch auf Schenkungen unter Lebenden im Falle einer vorweggenommenen Erbfolge Anwendung finden.
c) Sonderrolle
des „Betriebsvermögens "
Schon lange vor den überschießenden Ausführungen des BVerfG in dem Beschluß zur Erbschaftsteuer wurde die Erbschaftsbesteuerung von Betriebsvermögen im weitesten Sinne kritisiert und in Frage gestellt. Neben der Forderung nach einer Bewertung des Betriebsvermögens nach Ertragsund nicht nach Substanzwerten wurde insbesondere auf die verminderte Leistungsfähigkeit eines Erwerbers unternehmerisch gebundenen Vermögens hingewiesen125. Für den Bereich dieser Vermögensgegenstände stellte das BVerfG entscheidend auf dessen Sozialpflichtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung ab 1 2 6 : „... Zudem hat der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast zu berücksichtigen, daß die Existenz von bestimmten Betrieben - namentlich von mittelständischen Unternehmen - durch zusätzliche finanzielle Belastungen, wie sie durch die Erbschaftsteuer auftreten, gefährdet werden kann. Derartige Betriebe, die durch ihre Widmung für einen konkreten Zweck verselbständigt und als wirtschaftlich zusammengehörige Funktionseinheit organisiert sind, sind in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet: Sie unterliegen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen insbesondere durch Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern, das Betriebsverfassungsrecht, das Wirtschaftsverwaltungsrecht und durch die langfristigen Investitionen einer gesteigerten rechtlichen Bindung. Sie hat zur Folge, daß die durch die Erbschaftsteuer erfaßte finanzielle Leistungsfähigkeit des Erben nicht seinem durch den Erbfall erworbenen Vermögenszuwachs voll entspricht. Die Verfügbarkeit über den Betrieb und einzelne dem Betrieb zugehörige Wirtschaftsgüter ist beschränkter als bei betrieblich ungebundenem Vermögen. [...] Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordert, diese verminderte Leistungsfähigkeit bei den Erben zu berücksichtigen, die einen solchen Betrieb weiterführen, also den Betrieb weder veräußern noch aufgeben, ihn vielmehr in seiner Sozialgebundenheit aufrechterhalten, ohne daß Vermögen und Ertragskraft des Betriebes durch den Erbfall vermehrt würden. Die Erbschaftsteuerlast muß hier so bemessen werden, daß die Fortführung des Betriebes nicht gefährdet wird. Diese Verpflichtung, eine verminderte finanzielle Leistungsfähig124
Vgl. BVerfG vom 08.03.1983 - 2 BvL 27/81 - BVerfGE 63, S. 312 (327); vom 22.06.1996 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1996, S. 671 (673). 125 Vgl. hierzu insbesondere Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band. II, S. 764 ff. 126 Siehe BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671 (674). 4*
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
keit erbschaftsteuerlich zu berücksichtigen, ist unabhängig von der verwandtschaftlichen Nähe zwischen Erblasser und Erbe. .. Diese Forderung nach einer weitgehenden erbschaftsteuerlichen Privilegierung für Betriebsvermögen wurden vom BVerfG erhoben, obwohl das Standortsicherungsgesetz 1992 schon weitreichende Begünstigungen für Betriebsvermögen eingeführt hat: die Übernahme der in der Regel geringeren, die stillen Reserven ausblendenden Steuerbilanzwerte (Buchwerte) für die Zwecke der Erbschaftsteuer, den Betriebsvermögensfreibetrag nach § 13 Abs. 2a ErbStG und die erweiterte Stundungsmöglichkeit nach § 28 ErbStG. Entsprechend den Vorgaben des Gerichts modifizierte der Gesetzgeber das Erbschaftsteuergesetz und führte mit dem Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996127 weitreichende Neuregelungen ein. So wurden durch §§ 13a, 19a ErbStG n.F. die Begünstigungen für den Erwerb von Betriebsvermögen wesentlich erweitert, die übrigen persönlichen Freibeträge erhöht, die Steuersätze und Steuerklassen reformiert und der Steuersatz auf maximal 50% begrenzt 128.
II. Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer Eine Erbschaftsteuer kann als Nachlaßsteuer oder als Erbanfallsteuer erhoben werden. Um ein Unterlaufen der Erbschaftsteuer durch unentgeltliche Verfügungen des Erblassers zu Lebzeiten zu verhindern, tritt jedoch in beiden Fällen neben die Erbschaftsteuer weitgehend gleichlaufend eine Schenkungsteuer129. Eine Nachlaßsteuer erfaßt zum letztmöglichen Zeitpunkt entsprechend der Höhe des Werts des gesamten Nachlasses die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erblassers 130. Die Nachlaßsteuer ist damit eine echte Vermögensteuer, die den Nachlaß als Steuerobjekt unabhängig von der Person des Erwerbers besteuert. Dagegen erfaßt die Erbanfallsteuer die tatsächliche Bereicherung, die jedem einzelnen Erwerber als außerordentlicher Vemögenszuwachs mit dem Erbfall zufließt 131 und orientiert sich somit an der gesteigerten Leistungsfähigkeit des jeweiligen Erwerbers. Dieser Person kommt innerhalb der Erbanfallsteuer durch die Anknüpfung an 127
BGBl. I 1996, S. 2049. Vgl. Kronthaler, Jahressteuergesetz 1997, S. 13; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Einführung S. 21. Vgl. hierzu auch 3. Kapitel, C.I., II. 129 Vgl. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 27; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 15. 130 Vgl. Crezelius, Steuerrecht II, § 19 Rn. 2; Kapp/Ebeling, ErbStG, Einl. Rn. 4; Megow/Michel, ErbStG, Einleitung S. 32f.; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 2. 131 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, Einl. Rn. 4; Megow/Michel, ErbStG, Einleitung S. 32; Petzoldu ErbStG, ILA. Einführung Rn. 5; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 15; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 103; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Einführung S. 1. 128
A. Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes
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subjektive Merkmale eine größere Rolle zu als bei der Nachlaßsteuer, welche allein auf die Art und Höhe des übertragenen Vermögens abstellt. Wenn auch die Erhebung einer Erbschaftsteuer im Ergebnis eine mittelbare Beteiligung des Staats an einem Nachlaß darstellt, so ist die Erbschaftsteuer aus verfassungsrechtlichen wie steuerpolitischen Gründen nach ihrer Erhebungsform auf eine Erbanfallsteuer festgelegt. Eine Nachlaßsteuer zur letztmaligen Erfassung der Leistungsfähigkeit setzt sich zwangsläufig in Konflikt mit einer Einkommen- und Vermögensteuer, die durch den Anknüpfungspunkt an laufende Einkünfte und bestehendes Vermögen die Leistungsfähigkeit des Erblassers bereits (nahezu lückenlos) erfassen. Der Nachlaßsteuer könnte somit allenfalls eine Nachholfunktion zur Erfassung lebzeitig unterbliebener Einkommensbesteuerung zukommen, was als Rechtfertigungsgrund jedoch allein nicht ausreichen dürfte 132 . Es rechtfertigt sich daher die Existenz und die Erhebung einer Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer unter dem Gesichtspunkt der gesteigerten Leistungsfähigkeit des unentgeltlichen Erwerbers aufgrund einer Erbschaft oder Schenkung133. Daß das übergegangene Vermögen des Erblassers zu dessen Lebzeiten schon nach seiner Leistungsfähigkeit mit Einkommensteuer belastet war, steht der Erbschaftsbesteuerung beim Erwerber nicht entgegen134. Zwar knüpft auch die Erbanfallsteuer an die gesteigerte Leistungsfähigkeit an, sie bezieht diese jedoch ausdrücklich auf die gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Person des Erwerbers. Diese Anknüpfung durch eine differenzierte Besteuerung nach persönlichen Merkmalen steht auch in Einklang mit dem tragenden Grundsatz des Verwandtenerbrechts 135. Im deutschen Erbschaftsteuergesetz ist das System der reinen Erbanfallsteuer aber nicht konsequent durchgehalten. Nach Ansicht von Moench enthalten einzelne Normen zumindest Elemente einer Nachlaßsteuer136. So gewährt zum Beispiel 132 Vgl. Megow/Michel, ErbStG, Einleitung S. 32 f. Bei der Beratung des Jahressteuergesetzes 1997 zur Neugestaltung des Erbschaftsteuergesetzes ist der Gesetzgeber auch auf die Möglichkeit der Umgestaltung der deutschen Erbschaftsteuer in eine Nachlaßsteuer eingegangen, hat diesen Gedanken allerdings verworfen, vgl. BT-Drucks. 13/4839, S. 62. 133 Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 3; Schneider, StuW 1979, S. 38 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 746. Kritisch zu würdigen ist das weitere Rechtfertigungsargument der Umverteilungsfunktion der Erbschaftsteuer. Es handelt sich hierbei jedoch um einen fiskalpolitischen Zweck, der von der Rechtfertigung der Erbschaftsteuer als solcher getrennt werden muß, gl.A. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 748. 134 Vgl. Fischer, StuW 1978, S. 345 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 747. 135 Vgl. BVerfG vom 22.06.1996 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1996, S. 671 (673). 136 Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 2; ähnlich Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 14.
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§ 13a ErbStG unabhängig von der Person des jeweiligen Erwerbers steuerliche Vergünstigungen in Form eines Freibetrags und eines Bewertungsabschlags von der Bemessungsgrundlage für den Teil eines Nachlasses, der aus „Betriebsvermögen" besteht. Das charakteristische Merkmal einer Nachlaßsteuer in Form der Besteuerung des gesamten Nachlasses allein nach der Leistungsfähigkeit des Erblassers wird allerdings durch § 13a ErbStG nicht begründet.
III. Grundprinzipien der deutschen Erbschaftsteuer Wie bei jedem Gesetz lassen sich auch aus den gesamten Normen des Erbschaftsteuergesetzes einzelne (überwiegend ungeschriebene) Grundprinzipien ableiten, an denen sich die Besteuerung unentgeltlicher Vermögenszuwendungen ausrichtet. Im wesentlichen sind dies das Bereicherungsprinzip und das Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel. 1. Bereicherungsprinzip Mit einer Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer wird die vom Erwerber erlangte Bereicherung als Besteuerungsobjekt erfaßt und als unentgeltlicher Zuwachs an Leistungsfähigkeit belastet137 (Bereicherungsprinzip 138). Der Bereicherung des Erwerbers kommt somit eine Doppelrolle zu, die sich auch in dem Regelungsgefüge des geltenden Erbschaftsteuergesetzes systemkonform niederschlägt 139. Im Rahmen der steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen nach §§ 3 ff. ErbStG 140 beziehungsweise der steuerpflichtigen Schenkungen unter Lebenden nach § 7 ErbStG ist die Bereicherung des Erwerbers ein steuerbegründendes Tatbestandsmerkmal 141. Als Besteuerungsobjekt bestimmt und umreißt § 10 Abs. 1 Satz 1 137
Vgl. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 27; Leisner in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 150 Rn. 25 ff.; Kapp/Ebeling, ErbStG, Einl. Rn. 4, 11; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 88 Rn. 170f.; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 2f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 102. 138 Vgl. BFH vom 25.02.1981 - H R 114/78 - BStBl. II 1981, S. 411 (412); vom 22.09.1982 - H R 61/80 - BStBl. II 1983, S. 179 (180); vom 09.08.1983 VIII R 35/80 - BStBl. II 1984, S. 27 (28). 139 Vgl. Crezelius, Steuerrecht II, § 19 Rn. 4. 140 Für den Bereich der Erwerbe von Todes wegen hat der Gesetzgeber auf die ausdrückliche Normierung dieses Tatbestandsmerkmals verzichtet. Aus der Eigenart der zugrundeliegenden Erwerbsvorgänge läßt sich aber indirekt auf das Tatbestandsmerkmal der Bereicherung schließen, da die normierten Sachverhalte typischerweise mit einer solchen verbunden sind, vgl. Crezelius, Die Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 27 f.; Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 3 Rn. 1. 141 Vgl. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 27 f.
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ErbStG die Bereicherung des Erwerbers und führt sie anschließend einer Wertermittlung nach §§ 12ff. ErbStG zu. 2. Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel Wenn die Bereicherung des Erwerbers ein zentraler Begriff des Erbschaftsteuergesetzes innerhalb einer Erbanfallsteuer ist, so enthält sich das Gesetz allerdings einer ausdrücklichen Regelung der entscheidenden bereicherungsauslösenden Momente. Die Bereicherung einer Person kann unterschiedliche Ursachen haben und auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen. In Betracht zu ziehen sind einerseits reine Wertsteigerungen von Vermögensgegenständen, die sich bereits im Vermögen einer Person befinden, und andererseits der Zugang von aktiven Vermögenspositionen sowie das Ausscheiden von passiven Vermögenspositionen aus einem Vermögensbestand durch einen formalen Rechtsträgerwechsel. Die notwendigen Elemente einer letztlich steuerlich zu erfassenden Bereicherung lassen sich allerdings aus den einzelnen Tatbeständen und der gesetzlichen Gesamtregelung des Erbschaftsteuergesetzes herleiten. Schon der Wortlaut der Begriffe „Erwerber" beziehungsweise „Erwerb" läßt auf eine zwingend erforderliche substanzielle Vermögensbewegung zwischen zwei Personen und deren Vermögenssphäre schließen142. Denn die Erhöhung des Vermögensbestands durch den Zufluß von Vermögensgegenständen führt zu einem Vermögenszuwachs, der sich in einer letztlich der Besteuerung unterliegenden Bereicherung niederschlägt 143. Der Zu- und Abfluß von Vermögenspositionen wird technisch durch einen wirksamen Wechsel in der personellen Rechtszuständigkeit erfaßt. Die jeweilige Bereicherung spiegelt sich in dem bewegten Zuwendungsgegenstand wider, wenn dieser als solcher übertragen werden kann 1 4 4 . Mit dem Erfordernis einer Vermögensbewegung und einem konkreten Zuwendungsgegenstand lassen sich Fälle aus dem Bereich der steuerpflichtigen Vorgänge ausscheiden, die zwar zu einer Bereicherung einer Person beitragen, aber nicht unmittelbar auf einer substanziellen Vermögensbewegung in die Vermögenssphäre des Bereicherten basieren 145 - etwa unentgeltliche Zuwendungen an eine Kapitalgesellschaft, die zu einer Wertsteigerung der Anteile der Gesellschafter führen und daher eine lediglich mittelbare Bereicherung dieser Gesellschafter bewirken. Allgemein gesagt sind 142 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82); Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 182 m.w.N. 143 Vgl. Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 3 Rn. 1 f.; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 57; ders., BB 1998, S. 510 (510, 512ff.). 144 Vgl. Gebel, BB 1998, S. 510 (513); Klein-Blenkers, ZEV 1994, S. 347 f. 145 Vgl. Gebel, BB 1998, S. 510 (512ff.); Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 104.
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dies Fallgestaltungen, in denen Vermögensdispositionen anderer lediglich als beitretenden Reflex eine Werterhöhung von Vermögensgegenständen in der Vermögenssphäre eines Dritten zur Folge haben, wobei dieser Weiterhöhung aber keine - weder willensgetragene noch unbedachte - Vermögensbewegung in die Sphäre des Dritten durch einen vollzogenen Rechtsträgerwechsel zugrundeliegt 146. Einem erbschaft- oder schenkungsteuerpflichtigen Tatbestand muß somit in jedem Fall ein Sachverhalt zugundeliegen, der als notwendiges Element die Bewegung eines Vermögensgegenstands in die Vermögenssphäre des bereicherten Erwerbers enthält. Dies ist letztlich die notwendige Folge der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer, die nicht nur auf das Vermögen als solches abstellt, sondern mit der Erfassung der gesteigerten Leistungsfähigkeit des Erwerbers die logische Brücke zwischen der Person des Erblassers/Schenkers und der Person des Erwerbers herstellt. Jeder steuerpflichtige Erwerb muß sich somit auf der Tatbestandsebene in das Hintergrundraster der Frage einfügen: Wer wendet welchen Gegenstand wem auf welche Art und Weise zu 147 ? Führt eine Vermögensbewegung, die auf jede dieser Einzelfragen eine Antwort geben kann, zu einer Bereicherung des Erwerbers, kann diese für Zwecke der Erbschaftsteuer bewertet und der Besteuerung zugeführt werden.
B. Das Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Zivilrecht unter besonderer Beachtung des Erbrechts Wenn die Schnittstelle zwischen Zivil- und Steuerrecht eines der umstrittensten Problemfelder der Steuerrechtswissenschaft ist, so steht die Erbschaftsteuer inmitten dieser Auseinandersetzung. Denn es besteht ein grundlegender Konsens in der Rechtsprechung und der einschlägigen Literatur, wonach die Erbschaftsteuer zumindest bürgerlich-rechtlich „geprägt" ist („Maßgeblichkeit des Zivilrechts") 148 , wenn auch im einzelnen die dogmatische Herleitung und die Reichweite des Grundsatzes der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz wenig geklärt ist 1 4 9 .
146
Vgl. BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, 160 (161); vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454 (455 f.); vom 19.06.1996 - H R 83/92 - BStBl. II 1996, S. 616 (618); Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 57. 147 So auch sinngemäß Meincke, ErbStG, § 7 Rn. 14f.; Viskorf, DStR 1998, S. 150 (152). 148 Vgl. BFH vom 26.11.1986 - I I R 190/81 - BStBl. II 1987, S. 175 (176); Kapp, Schwerpunkte des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, S. 5; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 1 Rn. 5; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55. 149 Vgl. hierzu Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 36 f.
. Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum
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I. Schnittstelle zwischen Erbschaftsteuerrecht und Zivilrecht Anknüpfungspunkte mit dem Zivilrecht existieren in weiten Bereichen der steuerlichen Erfassung der Erwerbe von Todes wegen nach §§ 3 ff. ErbStG, denn die zivilrechtlich in §§ 1922 ff. BGB umfassend geregelten Erwerbsvorgänge sind die maßgeblichen steuerlichen Anknüpfungspunkte 150 . Differenzierter stellt sich hingegen schon augenscheinlich das Verhältnis des Zivilrechts zur Schenkungsteuer dar. Durch die Verwendung von Begrifflichkeiten innerhalb der schenkungsteuerlichen Tatbestände, denen kein deckungsgleicher Terminus im Zivilrecht gegenübersteht (z.B. freigebige Zuwendung unter Lebenden) 151 , ist zumindest die Reichweite der zivilrechtlichen Prägung des Schenkungsteuerrechts eingeschränkt 152, wenn nicht sogar ausgeschlossen153. Noch weniger geklärt sind die Einflüsse des Zivilrechts auf die sonstigen Normgruppen des Erbschaftsteuergesetzes (z.B. auf die Bewertungsvorschriften). Entscheidende Bedeutung kommt der Festlegung der Reichweite einer Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz unter folgendem Gesichtspunkt zu: Kann im Einzelfall und bei der konkreten Rechtsanwendung einer erbschaftsteuerlichen Norm eine grundsätzliche Maßgeblichkeit des Zivilrechts nach der Gesetzessystematik und der jeweiligen Gesetzesteleologie festgestellt werden, ist eine steuerlich geprägte wirtschaftliche Betrachtungsweise als Instrument der teleologischen Gesetzesauslegung nicht möglich. Denn die Maßgeblichkeit des Zivilrechts impliziert gleichzeitig eine formaljuristische Betrachtungsweise im Erbschaftsteuergesetz 154, die einen Sachverhalt nach seiner privatautonomen Rechtsgestaltung erfaßt und nicht an den von den Parteien intendierten wirtschaftlichen Erfolg anknüpft. Nur in den Bereichen, in denen die Reichweite der zivilrechtlichen Anbindung im Einzelfall endet, kann der steuerlich zu beurteilende Sachverhalt unabhängig von seiner formalen Rechtsform nach seinem wirtschaftlichen Gehalt erfaßt werden. 150 § 3 ErbStG verweist beispielsweise bei der abschließenden Aufzählung der steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen zum Teil direkt auf entsprechende Normen des Erbrechts und deren geregelte Rechtsinstitute. 151 So entspricht beispielsweise der schenkungsteuerliche Zentralbegriff der „freigebigen Zuwendungen unter Lebenden" nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht dem Begriff der „Schenkung" im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB, vgl. hierzu 3. Kapitel, B.LI. 152 Vgl. Schulz, Schenkungsteuer, Erbschaftsteuer, S. 35; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 106; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 153 Für diese These steht der schenkungsteuerliche Begriff der „freigebigen Zuwendung unter Lebenden" nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dieser Begriff ist schon augenscheinlich nach dem Wortlaut nicht mit dem Begriff der Schenkung i.S. des §516 Abs. 1 BGB identisch. Strukturelle Abhängigkeiten vom Zivilrecht sind somit auf den ersten Blick nicht ersichtlich. 154 Vgl. Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Zweites Buch, Rn. 5.
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
Grundlegende Voraussetzung für eine Auslegung erbschaftsteuerlicher Normbegriffe im Lichte des Zivilrechts ist - in Übereinstimmung mit der Ansicht des BVerfG und dem allgemeinen methodologischen Ansatz -, daß das Erbschaftsteuergesetz entscheidend aus seiner Systematik heraus zu erkennen gibt, daß es gerade die zivilrechtlichen Wertungen in seinen steuerlichen Regelungskreis integriert und einem zivilrechtlichen Rechtsbegriff keinen originär erbschaftsteuerlichen Bedeutungsgehalt beimißt 155 . Um die These der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz verifizieren zu können, muß zunächst der betreffende Regelungskreis des Zivilrechts mit seinen tragenden Grundprinzipien von dem Regelungskreis des Erbschaftsteuergesetzes abgegrenzt werden. Erst im Anschluß kann der Frage nachgegangen werden, unter welchen Voraussetzungen und in welche Richtung die strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes von bürgerlich-rechtlichen Regelungskreisen eine Auslegung erbschaftsteuerlicher Normen beeinflußt 156.
II. Regelungskreis und Ordnungsrahmen des Zivilrechts Sachverhalte eines unentgeltlichen Erwerbs von Vermögen unterliegen notwendigerweise einer zivilrechtlichen Normierung, denn es gilt in dieser Hinsicht, die persönlichen und sachlichen Beziehungen der betroffenen Privatpersonen auf der Grundlage der Gleichordnung und Selbstbestimmung rechtlich zu regeln (= Regelungskreis). Geht Vermögen/Eigentum von einer Person auf eine andere über, erfaßt das bürgerliche Recht diesen Lebenssachverhalt nach dem allgemeinen Abstraktionsprinzip 157 unter folgenden Blickwinkeln 158 : - Welches Rechtsverhältnis besteht zwischen den Beteiligten, das auf eine dingliche Neuzuordnung vermögensrechtlicher Positionen gerichtet ist? - Nach welchem Rechtsinstitut beziehungsweise in welcher formalen Rechtsform vollzieht sich der dingliche Wechsel in der Rechtsträgerschaft? Beispiel: A wendet seiner Ehegattin B ohne Gegenleistung einen ihm gehörenden Gegenstand zu. In zivilrechtlicher Sicht wird dieser Sachverhalt wie folgt geregelt: Eine unentgeltliche Zuwendung von Vermögen ohne Gegenleistung erfolgt in der Rechtsform der Schenkung nach § 516 Abs. 1 BGB (Kausalgeschäft, Schuldrecht). Dogmatisch vollzieht sich diese Vermögensnachfolge durch einen Rechtsträgerwech155
Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.II.l.b). 156 Vgl. hierzu 3. Kapitel. 157 Vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, Einl v § 854 Rn. 16; Quack in: Münchner Kommentar, BGB, Band 6, Einleitung Rn. 34 ff. 158 Ähnlich CrezeliuSy Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 30.
. Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum
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sei hinsichtlich der Eigentümerposition durch dingliche Einigung und Besitzverschaffung nach § 929 Abs. 1 BGB (dingliches Geschäft, Sachenrecht). Das zwischen der Person des Schenkers und des Beschenkten bestehende Ehegattenverhältnis bestimmt sich nach §§ 1353 ff. BGB in Verbindung mit dem Ehegesetz (Familienrecht). Das Nebeneinander der zwei Rechtsverhältnisse in Form des Schenkungsvertrags und des Eheverhältnisses wird über das unter richterlicher Rechtsfortbildung geschaffene Institut der „ehebedingten Zuwendungen" aufgegriffen und gelöst. Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, welches komplexe Regelungsstatut in zivilrechtlicher Hinsicht erforderlich und betroffen ist, um den Regelungskreis der (unentgeltlichen) Übertragung von Vermögen zu regeln. Die abschließende Normierung dieser Sachverhalte durch ein in sich abgeschlossenes Normengeflecht stellt gleichzeitig den Ordnungsrahmen zur Verfügung, aus dem sich die entscheidenden Normzwecke, formalen Grundprinzipien und gesetzlichen Wertungen einer unentgeltlichen Vermögensnachfolge auf der Basis der bürgerlich-rechtlichen Gleichordnung ableiten lassen 159 . 1. Grundprinzipien und Ordnungsrahmen des Erbrechts Der Tod eines Menschen beendet seine Rechtsträgereigenschaft und erfordert damit unter anderem eine Neuregelung seiner Vermögensverhältnisse. Das Erbrecht übernimmt diese Aufgabe und normiert - in Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Privaterbrechts - die privatrechtliche Nachfolge in die Rechte und Pflichten des Verstorbenen (Ordnungsfunktion des Erbrechts) 160. Es gehorcht dabei bestimmten, meist in der Verfassung verankerten Regelungs- und Wertungsprinzipien.
a) Prinzip der Privatautonomie
und der Testierfreiheit
Wie das übrige Privatrecht ist auch das Erbrecht vom Grundsatz der Privatautonomie bestimmt. Demnach kann der einzelne seine privaten Lebensverhältnisse und Angelegenheiten im Rahmen der von der Rechtsordnung gezogenen Grenzen frei nach seiner Willensentscheidung gestalten. Die aus der Privatautonomie abgeleitete, verfassungsrechtlich garantierte Testierfreiheit verleiht dem Erblasser damit das Recht, das Schicksal seines Vermögens über seinen Tod hinaus autonom zu regeln und frei zu bestimmen, auf welche Person im Erbfall sein Vermögen übergehen soll (Erbeinsetzung, 159
Ähnlich Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 1, 4. Vgl. BVerfG vom 14.12.1994 - 1 BvR 720/90 - NJW 1995, S. 2977ff.; BGH vom 10.02.1977 - II ZR 120/75 - BGHZ 68, S. 225 (227ff.); Edenhofer in: Palandt, BGB, Einl v § 1922 Rn. 1. 160
2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
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Vermächtnisanordnung) beziehungsweise ausdrücklich nicht übergehen soll (Enterbung) 161. Der Vollzug einer Rechtsnachfolge von Todes wegen ist aber nicht allein vom Willen des Erblassers abhängig, denn nicht nur der Erblasser unterliegt der Privatautonomie. Sie gilt vielmehr auch für den jeweiligen Bedachten, da sich dieser ohne seinen Willen keinen Vermögenserwerb aufzwingen lassen muß. Konsequenterweise besteht aufgrund privatautonomer Entscheidung die Möglichkeit zur Ausschlagung nach §§ 1942 ff., 2180 BGB 1 6 2 . b) Prinzip der Familienerbfolge Subsidiär 163 zum Grundsatz der Testierfreiheit gilt das Prinzip der Familienerbfolge nach §§ 1924ff. BGB. Macht der Erblasser von der Möglichkeit einer testamentarischen Verfügung von Todes wegen keinen oder nur einen eingeschränkten Gebrauch, geht nach der gesetzlichen Erbfolge unter der Notwendigkeit der Neuordnung dessen Vermögensverhältnisse das Vermögen auf die nächsten Angehörigen über 164 . Voraussetzung ist dabei lediglich, daß ein rechtlich anerkanntes Verwandtschafts Verhältnis besteht 165 . c) Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge Nach der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes mit seinem Tod auf den oder die Erben über, soweit es grundsätzlich vererblich ist 1 6 6 . Dieser Erwerb vollzieht sich kraft Gesetzes, womit willensgetragene Erwerbsakte nicht erforderlich sind 167 . 161
Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 20; Edenhofer in: Palandt, BGB, Einl v § 1922 Rn. 1; IDW y Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 39; Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, Einleitung Rn. 7, 12; Otte in: Staudinger, BGB, Einl zu §§ 1922 ff Rn. 51 ff. 162 Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 20; Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 18 ff. 163 Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 21; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 52; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, S. 8. 164 Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 21; Edenhofer in: Palandt, BGB, Einl v § 1922 Rn. 3; Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 27; Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, Einleitung Rn. 10; Otte in: Staudinger, BGB, Einl zu §§ 1922 ff Rn. 48ff. 165 Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, § 1924 Rn. 2. 166 Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 22; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 39; Marotzke in: Staudinger, BGB, § 1922 Rn. 44ff. 167 Ist jemand anderweitig bedacht (z.B. durch ein Vermächtnis nach §§ 2147ff. BGB), steht ihm lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Erben beziehungsweise die Erbengemeinschaft auf Übertragung des Vermächtnisgegenstands zu, da ein dinglich wirkendes Vermächtnis (Vindikationslegat) im Bürgerlichen Gesetz-
. Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum
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Es bestehen jedoch gesetzliche oder in richterlicher Rechtsfortbildung geschaffene Ausnahmen vom Grundsatz der Universalsukzession. Nach der sogenannten Sondererbfolge vollzieht sich insbesondere die todesbedingte Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften, wenn es gilt, gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelungen mit einer gesetzlichen oder testamentarischen Erbenstellung abzustimmen (qualifizierte Nachfolgeklausel 168)169. d) Prinzip der Erbenhaftung Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge führt zu einem Übergang des Vermögens des Erblassers in Form sämtlicher aktiver und passiver Vermögenswerte (Rechte und Pflichten) auf einen Erben. In dessen Person vereinigen sich zwei Vermögensmassen (Vermögen des Erben und Vermögen des Erblassers) 170. Mit dem Übergang der Schulden des Erblassers haftet der Erbe nach dem Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung für Nachlaßverbindlichkeiten nach § 1967 BGB mit seinem eigenen Vermögen und dem geerbten Nachlaßvermögen, womit den Gläubigern des Erblassers auch nach dessen Tod keine Haftungsmasse entzogen wird. Diese grundsätzliche Haftung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen nach §§ 1975 ff. BGB auf den Nachlaß beschränkbar 171.
2. Grundprinzipien und Ordnungsrahmen unentgeltlicher Rechtsgeschäfte a) Altruismus als anerkanntes Prinzip der Privatrechtsordnung „Die Schenkung ist eine Äußerung des Altruismus - Opfer ohne Entgelt - im Gegensatz zu egoistischen Handlungen"172. Wenn die Privatautonomie dem Willen des einzelnen bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse einen möglichst weiten Spielraum einräumt, müssen notwendigerweise auch altruistische Motive jeden Individuums bei seinem Auftreten im Rechtsverkehr Rechnung getragen und einer privatrechtlichen Regelung unterworfen werden. Der Altruismus einer Vertragspartei spiegelt sich dogmatisch darin wider, daß dem Eingehen einer Leistungspflicht keine synallagmatisch ver-
buch nicht vorgesehen ist, vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, Einf v § 2147 Rn. 2; Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 15. 168 Vgl. zur qualifizierten Nachfolgeklausel 4. Kapitel, A.II. 169 Vgl. Ebenroth, Erbrecht, Rn. 42, 866ff.; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, S. 32; Marotzke in: Staudinger, BGB, § 1922 Rn. 62. 170 Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 23. 171 Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB Einf v § 1967 Rn. 4; Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 35. 172 Siehe Reuss in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§ 516 Rn. 1.
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
knüpfte Gegenleistung gegenübersteht („do ut des"). Geregelt ist dieses Prinzip innerhalb des Zivilrechts durch die Normierung unentgeltlicher Rechtsgeschäfte und Verträge, wie die Schenkung nach § 516 BGB oder die Leihe nach § 598 B G B 1 7 3 .
b) Schenkung als Instrument der vorweggenommenen Erbfolge Nach § 516 Abs. 1 BGB ist die Schenkung ein einseitig verpflichtender Schuldvertrag, der auf eine unentgeltliche Zuwendung gerichtet ist, die mit dem Vollzug des dinglichen Verfügungsgeschäftes eine auf Dauer angelegte Übertragung von Vermögen/Eigentum ohne Gegenleistung zur Folge hat 1 7 4 . Gedeckt sind derartige unentgeltliche Verfügungen unter Lebenden in verfassungsrechtlicher Hinsicht von der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG. Überträgt ein zukünftiger Erblasser sein Vermögen oder zumindest wesentliche Teile hiervon auf den oder die zukünftigen (präsumtiven) Erben im Hinblick auf deren zukünftiges Erbrecht, so spricht man zivilrechtlich von einer „vorweggenommenen Erbfolge" 175 als Unterfall der Schenkung. In die Nähe der Erwerbe von Todes wegen bringt die vorweggenommene Erbfolge als Unterfall der Schenkung nicht nur der wirtschaftlich vergleichbare Erfolg eines unentgeltlichen, ohne Gegenleistung erfolgenden Erwerbs fremden Vermögens. Auch das Wissen um das eigene Ableben kann ein verbindendes Element beider Rechtsinstitute darstellen 176, wenngleich die vorweggenommene Erbfolge nicht dem Erbrecht unterliegt 177 . Wenn man mit Knobbe-Keuk xl % davon ausgeht, daß es einen Altruismus reiner Form nicht gibt, sondern altruistisches Handeln immer auch von berechnenden Motiven bestimmt ist, erfolgen in der Realität Schenkungen zwischen Eltern und ihren Abkömmlingen geplant und berechnend: Der Schenker gibt einen Vermögensgegenstand weg, weil ihn der Beschenkte als Erbe ohnehin (später) bekommt. Als lebzeitige Vermögensübertragung im Hinblick auf das eigene Ableben führt eine solche Schenkung so zu einer Vorwegnahme der Erbfolge 179.
173
Vgl. Heinrichs in: Palandt, BGB, Einf v § 305 Rn. 8. Vgl. Brox, Besonderes Schuldrecht, § 8 Rn. 137ff.; ders., Erbrecht, Rn. 711 ff.; Medicus, Schuldrecht II, § 86 Rn. 171. 175 Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, Einf v 1922 Rn. 7; Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 736 ff. 176 Vgl. Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 739. 177 Vgl. BGH vom 30.01.1991 - IV ZR 299/89 - BGHZ 113, S. 310 (313). 178 Vgl. Knobbe-Keuk in: FS für Flume, Band II, S. 149 ff. 179 Vgl. zu den Auswirkungen dieses Ansatzes innerhalb der erbschaftsteuerlichen Auslegung des Begriffs der vorweggenommenen Erbfolge 3. Kapitel, C.III. 1. 174
C. Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Einkommensteuerrecht
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III. Abgrenzung der Regelungskreise des Zivilrechts und des Erbschaftsteuerrechts Zivilrecht und Erbschaftsteuerrecht knüpfen beide an den gleichen Lebenssachverhalt der unentgeltlichen Vermögensübertragung an, enthalten also einen gleichen Regelungskreis. Die zivilrechtliche Normierung, die diesen Regelungskreis aufgreift und einen eigenständigen Ordnungsrahmen schafft, besteht zum einen darin, die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten auf der Basis eines Gleichordnungsverhältnisses zu regeln, und zum anderen und vor allem, die dingliche Neuzuordnung der übertragenen Vermögenspositionen sicherzustellen 180. Auch das Erbschaftsteuerrecht wendet sich diesen Lebenssachverhalten zu, um daran aber nur in einem Über-Unterordnungsverhältnis die Rechtsfolge der Besteuerung zu knüpfen. Wenn daher ein Lebenssachverhalt der unentgeltlichen Vermögenszuwendung auf der Ebene der Gleichordnung in einen bürgerlich-rechtlichen Regelungskreis fällt, gleichzeitig aber auch auf der Ebene der Über-Unterordnung vom Regelungskreis der Erbschaftsteuer erfaßt wird, so folgt aus der jeweils unterschiedlichen Zielrichtung von Zivil- und Erbschaftsteuerrecht, daß diese Rechtsgebiete grundsätzlich gleichrangig nebeneinander bestehen181. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Gesetzeszwecke der Rechtsgebiete kann sich eine wertungsbeeinflussende Maßgeblichkeit des Zivilrechts auf einzelgesetzlicher Ebene danach nur aus strukturellen, daß heißt aus tatbestandlichen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes ergeben, die durch Verweisungen etc. in der Gesetzessystematik begründet sind 182 und damit einen Rückgriff auf den zivilrechtlichen Ordnungsrahmen enthalten. Eine Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivilrecht gewissermaßen „aus der Natur der Sache" gibt es hingegen nicht.
C. Das Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Einkommensteuerrecht Die Einkommensteuer wie auch die Erbschaftsteuer sind direkte Personalsteuern, die an die Person des Steuerpflichtigen und dessen persönliche Verhältnisse anknüpfen, wobei sie dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfassen 183. Versteht man einen unentgeltlichen Vermögenserwerb als Ein180 Vgl. hierzu auch Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 36. 181 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213); Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56; a.A. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 36f. 182 Vgl. hierzu 3. Kapitel.
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
kommen im weiteren Sinne 184 , so erfordert das existentielle Nebeneinander beider Steuerarten auf der Ebene des öffentlich-rechtlichen Über-Unterordnungsverhältnisses eine Abgrenzung nach dem Regelungskreis, also den Sachverhalten, die der Besteuerung unterliegen. Dies um so mehr, als nach Ansicht des B F H 1 8 5 die Einkommensteuer und die Erbschaftsteuer sich gegenseitig nicht ausschließen: „... Die Erbschaftsteuer und die Einkommensteuer können wegen ihrer unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände grundsätzlich kumulativ nebeneinander erhoben werden [...]. Dieser Grundsatz wird durch § 12 Nr. 3 EStG bestätigt, wonach Steuern vom Einkommen und sonstige Personalsteuern, soweit nichts anderes bestimmt ist, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen; eine sonstige Personensteuer im Sinne dieser Vorschrift ist auch die Erbschaftsteuer [...]. . . . " 1 8 6 Diese Ansicht des BFH ist in der Literatur aber nicht unumstritten 187. Vereinzelt wird auch die These vertreten, die Erbschaftsteuer sei eine besondere Form der Einkommensteuer und in diese auch problemlos zu integrieren. Dieser Standpunkt rechtfertigt sich jedoch nur, wenn man auch den Erwerb durch Erbanfall als „Einkommen" i.S. des Einkommensteuergesetzes ansieht 188 .
I. Abgrenzung nach der Markteinkommenstheorie Nach § 2 Abs. 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer abschließend aufgezählte Einkunftsarten. Auf der Grundlage einer Analyse der einzelnen Einkunftsarten wird nach dem heutigen Verständnis das steuerbare Einkommen im Sinne der Markteinkommenstheorie interpretiert 189. Im wesentlichen versteht man unter dem Begriff des Markteinkommens das realisierte, 183
Vgl. Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 2; Tipke/Lang,
Steuerrecht, § 8
Rn. 21. 184
So auch Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 2; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 3, 37. 185 Vgl. BFH vom 22.12.1976 - H R 58/67 - BStBl. II 1977, S. 420 (422); vom 26.11.1986 - H R 190/81 - BStBl. II 1987, S. 175 (177); vom 07.12.1990 - X R 72/89 - BStBl. II 1991, S. 350 (351 ff.). 186 Siehe BFH vom 07.12.1990 - X R 72/89 - BStBl. II 1991, S. 350 (353). 187 Vgl. Wendt in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 13, § 35 EStG Rn. 7 m.w.N. 188 Vgl. Felix, ZEV 1996, S. 410 (416); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 745 ff.; Meincke in: FS für Tipke, S. 391 ff. 189 Vgl. BFH vom 25.06.1984 - GrS 4/82 - BStBl. II 1984, S. 751 (766); Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 5; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 30, 33; Wittmann, StuW 1993, S. 35 (37 ff.). Vgl. hierzu auch Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen"?, S. 48 ff.; Zugmaier, Einkünftequalifikation im Einkommensteuerrecht, S. 37 ff.
C. Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Einkommensteuerrecht65 durch Auftreten am Markt und damit durch Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erzielte und bestätigte Einkommen. Wesentlich weiter gefaßt ist der Begriff des Einkommens im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie. Nach ihr wird unter anderem auf die Determinante des erwirtschafteten Einkommens verzichtet und auch Wertschöpfungen in der Privatsphäre unter den Begriff des Einkommens subsumiert 190. Definiert man somit das steuerbare Einkommen im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie als Einkommen im weiteren Sinne, stellen auch unentgeltliche Vermögenszuwächse aufgrund von Schenkungen und Erwerben von Todes wegen steuerbares Einkommen dar 191 . Das vom B F H 1 9 2 angenommene Nebeneinander von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer bezieht somit seine Richtigkeit aus der Tatsache, daß ein Vermögenserwerb aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen oder einer Schenkung unter keine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG subsumiert werden kann 1 9 3 und damit neben der Einkommensteuer ein eigener Regelungsbereich verbleibt. Denn im Lichte der Markteinkommenstheorie basieren Vermögenszuwächse aufgrund von Erbschaften oder Schenkungen nicht auf einer wirtschaftlichen Teilnahme am Markt, sondern erfolgen in Form eines „passiven Erwerbs" 194 . Steuerlicher Anknüpfungspunkt der Erbschaftsteuer ist somit auch nicht die Erzielung von Einkommen, sondern letztlich die Besteuerung eines Vermögenstransfers (Mittelzuwachs) beziehungsweise dessen Folge in Form einer Bereicherung als Ausdruck einer gesteigerten Leistungsfähigkeit 195.
II. Doppelbelastung eines Erwerbs mit Erbschaft- und Einkommensteuer Der unentgeltliche Vermögensanfall infolge einer Erbschaft oder sonstigen unentgeltlichen Zuwendungen (Schenkung) ist nicht einkommensteuerbar. Beide Steuerarten bestehen vielmehr nebeneinander 196, da sie mit der 190
Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 32; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 12. 191 Vgl. Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 2; Moench in: Moench, ErbStG, Einf. Rn. 3, 37; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 1, Einf. ESt Rn. 411; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 32. 192 Vgl. BFH vom 22.12.1976 - H R 58/67 - BStBl. II 1977, S. 420 (422); vom 26.11.1986 - H R 190/81 - BStBl. II 1987, S. 175 (177); vom 07.12.1990 - X R 72/89 - BStBl. II 1991, S. 350 (353). 193 Vgl. Crezelius, BB 1980, S. 1481 (1483). 194 Vgl. Jakob, Einkommensteuer, § 1 Rn. 5. 195 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 104. 196 Vgl. BFH vom 22.12.1976 - H R 58/67 - BStBl. II 1977, S. 420 (422); vom 26.11.1986 - H R 190/81- BStBl. II 1987, S. 175 (177); vom 07.12.1990 - X R 72/89 - BStBl. II 1991, S. 350 (353); Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 37; Stuhrmann in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Band 3, § 35 EStG Rn. 1. 5 Kobor
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
einkommensteuerlichen Erfassung des laufenden Einkommens (als Markteinkommen) einerseits und der erbschaftsteuerlichen Erfassung der gesteigerten Leistungsfähigkeit aufgrund einer Bereicherung aus einem unentgeltlichen Vermögensanfall andererseits zwei unterschiedliche steuerliche Anknüpfungspunkte besitzen 197 . Dies äußert sich letztlich darin, daß im Regelfall unterschiedliche Personen von der jeweiligen Steuer belastet sind: Den Erblasser trifft die Einkommensteuer, den Erben die Erbschaftsteuer 198 in Form der Erbanfallsteuer 199. Es sind aber auch Fallkonstellationen denkbar, die sowohl eine einkommensteuerliche, als auch eine erbschaftsteuerliche Belastung des Erwerbs nach sich ziehen können, wobei man zwischen unechten und echten Doppelbelastungen unterscheiden kann 2 0 0 .
1. Unechte Doppelbelastung Der Vermögenserwerb im Fall einer unechten Doppelbelastung führt zwar dem Grunde nach zu einer Belastung des Erwerbers mit beiden Steuern; es kommt jedoch nicht zu einer tatsächlichen „Doppelbesteuerung", da steuerlich jeweils unterschiedliche Teile des übertragenen Vermögens erfaßt werden (z.B. der Kapital- und der Zinsanteil bei einer vererbten Leibrente) 201 . Beispiel 202 : A erwirbt von Todes wegen eine Leibrente. Es kommt zu keiner echten Doppelbesteuerung des Erwerbs, da erbschaftsteuerlich nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 14 BewG der Kapitalanteil der zugewendeten Rente, einkommensteuerlich nach § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a) EStG der Ertragsanteil (Zins) erfaßt wird.
2. Echte Doppelbelastung Zu einer echten Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommt es in den Fällen der latenten Belastung übertragener Vermögensgegenstände mit Einkommensteuer des Erblassers, wenn sich der Einkommensteuertatbestand zum Zeitpunkt der Übertragung noch nicht (vollständig) realisiert hat 2 0 3 . Im Bereich vererbten Betriebsvermögens ist dies beispielsweise der Fall, wenn der Tod des Unternehmers die Aufdeckung
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Vgl. hierzu Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen"?, S. 45 ff. 198 Vgl. Stuhrmann in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Band 3, § 35 EStG Rn. 1. 199 Vgl. hierzu 1. Kapitel, A.II. 200 Vgl. Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 23. 201 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, Einl. Rn. 15. 202 Beispiel nach Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 23. 203 Vgl. Fumi in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, Band V, § 35 Rn. 1.
C. Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Einkommensteuerrecht
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der stillen Reserven des Betriebsvermögens zur Folge hat 2 0 4 , etwa beim Tod eines Freiberuflers, dessen Erben die Berufsqualifikation nicht erfüllen, so daß es zu einer Betriebsaufgabe kommt. Die Erbschaftsteuer bemißt sich in den Fällen der echten Doppelbelastung auf einer Bemessungsgrundlage, die auch die noch zu entrichtende Einkommensteuer des Erblassers umfaßt 205 . Die gesetzessystematische Ursache hat die Doppelbelastung in dem Stichtagsprinzip des § 11 ErbStG, welches die Berücksichtigung der noch latenten Einkommensteuerbelastung bei der Erbschaftbesteuerung verbietet 206 . Diese gesetzliche Wirkungsweise impliziert aber gleichzeitig einen Verstoß gegen das Bereicherungs- und Leistungsfähigkeitsprinzip 207. Da weder ein Abzug der Einkommensteuerschuld des Erblassers bei der Erbschaftsteuerfestsetzung noch ein Abzug der Erbschaftsteuer im Rahmen der Veranlagung des Erblassers zur Einkommensteuer vorgenommen werden kann, wurde bis zum 31.12.1998 der Konflikt zwischen der Einkommen- und Erbschaftsteuer im Fall der echten Doppelbelastung über § 35 EStG mit einer eigene Norm des Einkommensteuergesetzes gelöst. Nach der Regelung wurde im Ergebnis bei der Veranlagung des Erwerbers mit Erbschaftsteuer belasteten Vermögens zur Einkommensteuer diese anteilig im Verhältnis zur entrichteten Erbschaftsteuer auf die betreffenden Vermögenswerte gekürzt 208. Nach Art. 1 Nr. 40 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002209 vom 24.03.1999 wurde der bisherige § 35 EStG mit Wirkung vom 01.01.1999 ersatzlos gestrichen und ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsund Bereicherungsprinzip bewußt in Kauf genommen210.
204 Vgl. Crezelius, BB 1979, S. 1342; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 38. 205 Kirchhof bezeichnet diese Fälle der echten Doppelbelastung als „Steuer von der Steuer", siehe Kirchhof DStR 1979, S. 275 (276). 206 vgl F u m i i n : Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, Band V, § 35 Rn. 1; Kapp/Ebeling y ErbStG, Einl. Rn. 15; Knobbe-Keuk, Unternehmens- und Bilanzsteuerrecht, § 27 I.2.a) Fn. 14 m.w.N. 207
Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, Einl. Rn. 17. Vgl. Geck, ZEV 1996, S. 376f.; Maßbaum, BB 1992, S. 606 (611); Stuhrmann in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Band 3, § 35 EStG Rn. 1. 209 BGBl. I 1999, S. 402. 210 Begründung des Gesetzgebers: „Die Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer (§ 35 EStG) wird aufgegeben. Zwar milderte die Vorschrift eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechende Doppelbelastung von Einkünften mit Einkommen- und Erbschaftsteuer. Eine Aufhebung wird jedoch aus Vereinfachungsgründen für vertretbar gehalten", siehe BT-Drucks. 14/23 S. 183. 208
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2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
III. Verhältnis der Erbschaftsteuer zum Ertragsteuerrecht bei der Bewertung von Betriebsvermögen Um einen Erwerb von Todes wegen oder aufgrund einer freigebigen Zuwendung unter Lebenden einer Besteuerung zuführen zu können, wird nach den Bewertungsvorschriften der §§ 12 ff. ErbStG die Bemessungsgrundlage der Steuer in einer in Geldeinheiten ausgedrückten Größe ermittelt 2 1 1 . Diese Bewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG grundsätzlich nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes ( § § 1 bis 16 BewG), soweit sich nicht aus § 12 Abs. 2 bis Abs. 6 ErbStG ein anderes ergibt. Es überrascht angesichts der zivilrechtlichen „Prägung" der Erbschaftsteuer, daß sich der Gesetzgeber in der Regelung des § 12 Abs. 1 ErbStG bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht für einen Ansatz der Verkehrswerte nach der Wertermittlung des bürgerlichen Rechts entschieden hat 212 , sondern die besonderen Bewertungsvorschriften des Steuerrechts insoweit auch auf die Erbschaftsteuer anwendet. 1. Verlängerte Maßgeblichkeit Bis zur Novellierung wesentlicher Teile des Bewertungsrechts durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) vom 25.02.1992 213 wurde auch Betriebsvermögen für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung mit den Einheitswerten angesetzt. § 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG n.F. verweist zwar für die erbschaftsteuerliche Bewertung von Betriebsvermögen weiterhin auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (§§ 95 bis 99, 103, 104, 109 Abs. 1 und Abs. 2, § 137 BewG), hinter dieser unscheinbaren Verweisungskette verbirgt sich allerdings über die Neufassung der Bewertungsvorschriften eine fundamental geänderte erbschaftsteuerliche Bewertung von Betriebsvermögen 214 die auch sogenannte „verlängerte Maßgeblichkeit" 215 . Dieses Schlagwort bedeutet nichts anderes als die Übernahme ertragsteuerlicher Wertansätze für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, die aufgrund eines steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen oder einer Schenkung unter Lebenden erworben werden. Die „verlängerte Maßgeblichkeit" bezieht sich begrifflich auf die Handelsbilanz, die mit ihren Wertansätzen 211
Vgl. Meincke, ErbStG, § 12 Rn. 1. Vgl. Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 300. 213 BGBl. I 1992, S. 297. 2,4 Vgl. hierzu unter anderem Herzig, DB 1992, S. 1053; Hübner, DStR 1995, S. 1 ff.; Meincke, ErbStG, § 12 Rn. 131; Moench in: Moench, ErbStG, § 12 Teil 3 Rn. 6ff.; Rödder, DStR 1992, S. 965 (969). 215 Vgl. Dautzenberg/Heyeres, DB 1993, S. 1729; Gebel, DStR 1996, S. 1385; Rödder, DB 1993, S. 2137 (2138); Wewers, DB 1992, S. 1795 (1796). 2,2
C. Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Einkommensteuerrecht
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wiederum Einfluß auf die Steuerbilanz hat 2 1 6 . Die Abkehr von den Einheitsweiten und die Übernahme der Wertansätze aus der Steuerbilanz führte insoweit zu einer fundamentalen Änderung der erbschaftsteuerlichen Bewertung, als nunmehr die betrieblich gelegten stillen Reserven der einzelnen Wirtschaftsgüter nicht mehr in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer einfließen 217 . Die Übernahme der ertragsteuerlichen Wertansätze ist dabei zweigliedrig 218. Sie bezieht sich zum einen auf den Umfang des Betriebsvermögens (Bestandsidentität 219 ), zum anderen auf die einzelnen Wertansätze der Höhe nach (Bewertungsidentität220). 2. Ordnungsrahmen der steuerlichen Bewertung Die Übernahme der Steuerbilanzansätze dem Grunde und der Höhe nach führen nicht nur zu dem intendierten - wenn auch rechtspolitisch sehr umstrittenen - Effekt der Ausblendung der betrieblich gelegten stillen Reserven aus der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage für Betriebsvermögen und damit im Ergebnis zu einer weitreichenden Privilegierung dieser Vermögensart 221. Die Grundsätze der „verlängerten Maßgeblichkeit" offenbaren andererseits ein Regelungsdefizit des Erbschaftsteuergesetzes, da es eigenständig weder regelt, was es unter Betriebsvermögen i.S. des § 12 Abs. 5 ErbStG versteht, noch mit welchen Werten die einzelnen Wirtschaftsgüter in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage einfließen 222 . Das Erbschaftsteuergesetz besitzt somit keinen in sich abgeschlossenen Ordnungsrahmen für die steuerliche Bewertung einer bestimmten Vermögensart. Es liegt daher nahe, wegen der strukturellen Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes von einer „Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts" zu sprechen 223, da die erforderlichen tatbestandlichen Regelungen über eine 216 217
Vgl. Gebel DStR 1996, S. 1385. Vgl. zur erbschaftsteuerlichen Sonderrolle des Betriebsvermögens 2. Kapitel,
A.4.c). 218
S. 343.
Vgl. Gebel DStR 1996, S. 1385; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer,
219 Vgl. Christoffel, GmbHR 1997, S. 517 (519); Kapp/Ebeling, ErbStG, § 12 Rn. 312; Moench in: Moench, ErbStG, § 12 Teil 3 Rn. 7. 220 Vgl. Christoffel GmbHR 1997, S. 517 (523); Moench in: Moench, ErbStG, § 12 Teil 3 Rn. 39. 221 Teile der Literatur sehen hierin eine Überprivilegierung einer bestimmten Vermögensart, die mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG schwer zu vereinbaren sei, vgl. Moench in: Moench, ErbStG, § 12 Teil 3 Rn. 1. 222 Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, § 12 Teil 3 Rn. 1, 6f.; Meincke, ErbStG, § 12 Rn. 132. 223 Ob ein derartiger Grundsatz tatsächlich besteht, wird im 3. Kapitel, C.III, untersucht.
70
2. Kap.: Erbschaftsteuergesetz - Zivil- und Ertragsteuerrecht
Verweisung des Erbschaftsteuerrechts auf das Bewertungsrecht und hierin weiter auf das Ertragsteuerrecht letztlich diesem Rechtsgebiet entnommen werden.
D. Zusammenfassung Die Wesensstruktur des Erbschaftsteuergesetzes wird hauptsächlich von den verfassungsrechtlichen Rahmenvorgaben für einen generellen fiskalischen Zugriff auf privates Vermögen einerseits und der verfassungsrechtlich abgesicherten Privaterbfolge andererseits beeinflußt. Auf einfachgesetzlicher Ebene stehen sich die Regelungskreise des Erbschaftsteuerrechts und des Zivilrechts gleichberechtigt gegenüber. Das Zivilrecht regelt in einem bürgerlich-rechtlichen Gleichordnungsverhältnis die unentgeltliche lebzeitige oder todesbedingte Vermögensnachfolge (Neuzuordnung der Vermögenspositionen). Das Erbschaftsteuergesetz knüpft an denselben Lebenssachverhalt in einem öffentlich-rechtlichen Über-Unterordnungsverhältnis die Rechtsfolge der Besteuerung: Erfaßt wird die eingetretene Bereicherung als Ausdruck der gesteigerten Leistungsfähigkeit des Vermögenserwerbers. Auf der steuerlichen Ebene gilt es, die Erbschaftsteuer von der Einkommensteuer systematisch abzugrenzen. Beide Steuerarten schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern stehen innerhalb der Steuerrechtsordnung auf gleicher Stufe, wenngleich auch innerhalb einzelner Regelungskreise eine einseitige strukturelle Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes besteht (Stichwort: „Maßgeblichkeit der Steuerbilanz").
3. Kapitel
Die strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivil- und Ertragsteuerrecht Im Anschluß an die Analyse des Verhältnisses des Erbschaftsteuerrechts zum Zivil- und Einkommensteuerrecht nach den jeweiligen Regelungskreisen sollen im folgenden Kapitel die Wechselwirkungen zwischen diesen Gesetzen untersucht werden. Die Rechtsgebiete sollen dabei nicht mehr nebeneinander betrachtet, sondern das Erbschaftsteuerrecht in den Mittelpunkt gestellt und anhand seiner Systematik (Gesetzestechnik) und Teleologie abstrakt geklärt werden, wo und wie es sich vom Zivil- und Ertragsteuerrecht abgrenzt beziehungsweise durch strukturelle Abhängigkeiten Regelungen und Wertungen des Zivilrechts und des Ertragsteuerrechts in das Erbschaftsteuergesetz Eingang finden 224 . Auch wenn die einzelnen steuerbegründenden Tatbestände der §§ 3 ff. ErbStG weitgehend an zivilrechtlich geregelte Vorgänge anknüpfen 225 oder direkt auf Normen des Zivilrechts verweisen und über § 13a ErbStG in erheblichem Umfang ertragsteuerliche Begriffe in das Erbschaftsteuergesetz Eingang gefunden haben , so bedeutet dies nicht, daß diesbezügliche Begrifflichkeiten generell keiner Auslegung zugänglich wären. Die entscheidende Frage ist vielmehr, in welchem Lichte sich der Erkenntnisvorgang der Ermittlung des Bedeutungsgehalts vollziehen muß. Denn die Auslegung eines Begriffs oder Rechtssatzes ist neben der Analyse des Wortlauts entscheidend von zwei weiteren Prämissen abhängig. Unter teleologischen Gesichtspunkten wird sie vom jeweiligen Gesetzeszweck und unter systematischen Gründen vom Gesamtkontext und Standpunkt des auslegungsbedürftigen Begriffs innerhalb eines Gesetzes und der Gesamtrechtsordnung beeinflußt 227. Geklärt werden muß somit die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der Auslegung der zivil- oder ertragsteuerlich vorgeprägten Begriffe innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes auf den Bedeutungsgehalt 224
Die Beantwortung dieser Frage ist dabei nicht rein wissenschaftlich motiviert, sondern ist notwendige Vorarbeit, um dem Rechtsanwender bei der Auslegung eines erbschaftsteuerlichen Tatbestands einen Auslegungsrahmen an die Hand zu geben, der auf der Dogmatik des Erbschaftsteuergesetzes aufbaut. 225 Vgl. Kapp , Schwerpunkte des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, S. 5; Meincke , ErbStG, Einführung Rn. 7; Tipke/Lang , Steuerrecht, § 13 Rn. 106. 226 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 250ff.; ders. y DStR 1997, S. 1949 (1950 f.); Schulz , Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 227 Vgl. hierzu 1. Kapitel, A.IV.2., 3.
7 2 3 .
Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
abgestellt werden kann, der ihnen nach dem entlehnten Rechtsgebiet beizumessen ist, oder ob sie durch ihre Verwendung als Tatbestandsmerkmale einer erbschaftsteuerlichen Norm im Lichte und nach den Wertungen dieses Steuergesetzes auszulegen sind (allgemeiner methodologischer Ansatz). Daran schließt sich die in der Literatur noch ungeklärte Frage an, ob und inwieweit eine steuerlich motivierte teleologische Auslegung unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes generell möglich ist 2 2 8 . Die folgende Untersuchung orientiert sich an der Einteilung der erbschaftsteuerlichen Normen in steuerbegründende Tatbestände und Bewertungsvorschriften, wobei für letztere die Sondervorschrift des § 13a ErbStG in den Vordergrund gestellt wird. Diese Normgruppen werden anhand einzelner ausgewählter Tatbestände daraufhin untersucht, ob sie nach der Systematik des Erbschaftsteuergesetzes einen originär erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmen besitzen, oder ob zivil- oder ertragsteuerliche Regelungskreise innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes betroffen sind (Stichwort: „Maßgeblichkeit des Zivilrechts beziehungsweise des Ertragsteuerrechts"). Die Analyse setzt sich insbesondere mit der angewendeten Gesetzestechnik, dem Wortlaut der Bestimmungen, der Systematik und dem Zweck der jeweiligen Norm auseinander. Ziel der Bearbeitung ist, anhand dieser Kriterien einen abstrakten Auslegungsrahmen für das Erbschaftsteuergesetz zur Ausfüllung des allgemeinen methodologischen Ansatzes zu ermitteln. Es werden in Abhängigkeit von der Einteilung in einzelne Normgruppen Kriterien für eine einheitliche Auslegung herausgearbeitet und Voraussetzungen für eine Inkorporierung zivil- und ertragsteuerlicher Wertungen in das Erbschaftsteuergesetz aufgestellt. Nicht zuletzt ist diese Erarbeitung die notwendige Vorstufe zu der sich anschließenden Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes möglich ist.
A. Strukturelle Abhängigkeiten innerhalb der Erwerbe von Todes wegen Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 ErbStG sind „Erwerbe von Todes wegen" erbschaftsteuerpflichtige Vorgänge. Dieser Begriff geht zurück auf § 1369 BGB a.F., der einen Erwerb von Todes wegen in zivilrechtlicher Hinsicht als einen „Erwerb durch Erbfolge, durch Vermächtnis oder als Pflichtteil" definierte. Der Normbegriff ist somit zwar kein originär erbschaftsteuerrechtlicher, mit der Änderung 229 des § 1369 BGB a.F. und der Streichung des gleichlautenden Begriffs aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch wurden hinsichtlich seiner Verwendung im Erbschaftsteuergesetz die zivilrechtlichen Wurzeln allerdings gekappt 230 . 228
Vgl. Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6; Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 15. 229 Die Änderung erfolgte durch Gesetz vom 18.06.1957, BGBl. I 1957, S. 609.
A. Innerhalb der Erwerbe von Todes wegen
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Als nunmehr rein erbschaftsteuerrechtliche Begrifflichkeit wird der „Erwerb von Todes wegen" in § 3 ErbStG nicht ausdrücklich definiert, jedoch durch eine abschließende Aufzählung einzelner Tatbestände umrissen und inhaltlich ausgefüllt 231. Nach dem Regelungskreis und dem Zweckprogramm des § 3 ErbStG sollen bestimmte Vorgänge einer substanziellen Vermögensbewegung erfaßt werden, die durch den Tod eines Vermögensinhabers ausgelöst werden 232 . Ausgehend von dem Rechtsgrund, der einer solchen Vermögensbewegung zugrundeliegt, unterscheidet § 3 ErbStG zwischen den reinen Erwerbstatbeständen, die auf einem gesetzlichen Erwerbsgrund beruhen 233, den Zuwendungstatbeständen, die auf letztwilligen Verfügungen oder Zuwendungen des Erblassers basieren 234, und den Ergänzungs- und Ersatztatbeständen235. In dieser Unterscheidung der erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen nach dem zivilrechtlichen Rechtsgrund ist bereits insoweit die Frage nach dem Verhältnis des Erbschaftsteuerrechts zum Zivilrecht (Erbrecht) angelegt, als sich hieraus im Laufe der Zeit der sogenannte „Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts" für das Erbschaftsteuerrecht herausgebildet hat 2 3 6 , der im folgenden verifiziert werden soll. Je nach Reichweite dieses Grundsatzes wird die im Einzelfall vorzunehmende Auslegung einzelner Normbegriffe innerhalb des § 3 ErbStG von bürgerlich-rechtlichen Wertungen und Bedeutungsgehalten beeinflußt 237 . Ausgehend von der Gesetzessystematik des § 3 ErbStG werden folgende zwei Tatbestandsgruppen auf ihre strukturellen Abhängigkeiten von zivilrechtlichen Regelungen und die hieraus zu ziehenden Folgerungen für einen abstrakten Auslegungsrahmen untersucht: 230
Vgl. Meincke, ErbStG, § 3 Rn. 1. Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 1, 4; Meincke, ErbStG, §3 Rn. 1; Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 3 Rn. 1; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 2. 232 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 3, 316; Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 3 Rn. 2. 233 Als gesetzliche Erwerbsgründe kommen die Vermögensnachfolge aufgrund einer gesetzlichen Erbfolge, eines Pflichtteilsanspruchs oder eines Erbersatzanspruchs in Betracht. 234 Rechtsgründe für letztwillige Zuwendungen sind die testamentarische Erbeinsetzung und die Vermächtnisanordnung. 235 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 2. 236 Ygi insbesondere Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 30, 34ff.; Gebel, BB 1999, S. 135. 237 Zutreffend auch das Zitat von Schulz zur Bedeutung des Zivilrechts innerhalb von § 3 ErbStG: „Gesetzestext und gewünschtes sinnvolles Ergebnis sind häufig nach den herkömmlichen Regeln der juristischen Gesetzesinterpretation nicht in Einklang zu bringen; die Folge ist eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit", siehe Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 116. 231
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
- § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als sogenannter integrierender Tatbestand, der auf einzelne Rechtsinstitute des Zivilrechts unmittelbar verweist, und - die sonstigen Tatbestände, erläutert anhand von § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG.
I. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als integrierender Tatbestand Der Erwerbstatbestand § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG knüpft die Rechtsfolge der Besteuerung an Sachverhalte und Erwerbsvorgänge, die innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes keine eigene tatbestandliche Normierung erfahren haben 238 . Die Regelung geschieht über eine der Rechtsgrundverweisung ähnliche Verweisung auf Tatbestände beziehungsweise Rechtsinstitute des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Erbrecht), um die Steuerpflicht des Erwerbs an den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsgrund zu knüpfen 239 . Zu den steuerpflichtigen Erwerben von Todes wegen werden im einzelnen „der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), auf Grund Erbersatzanspruchs (§§ 1934a ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs)" erklärt. 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts Auch wenn sich das (Erbschaft-)Steuerrecht und das Zivilrecht grundsätzlich als zwei gleichrangige Rechtsordnungen gegenüberstehen und eine generelle Ordnungsfunktion des Zivilrechts nicht anzuerkennen ist 2 4 0 , trifft die These vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz 241 auf die steuerbegründenden Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als integrierende Tatbestände schon allein aus einem gesetzessystematischen Grund z u 2 4 2 . Es wird die Rechtsfolge der Besteuerung jeweils an den Vorgang eines Vermögensanfalls geknüpft, dessen tatbestandliche Voraussetzungen das Erbschaftsteu238 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 1 Rn. 6, § 3 Vorbemerkung; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 239 So auch Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 180; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7. 240 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). 241 Vgl. BFH vom 26.11.1986 - H R 190/81 - BStBl. II 1987, S. 175 (176); Gebel, BB 1999, S. 135. 242 Vgl. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 36; ders., BB 1979, S. 1342 (1344); Kapp, BB 1975, S. 933; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55; Petzoldt, ErbStG, H.A. Einführung Rn. 6; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 35; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 106 ff.
A. Innerhalb der Erwerbe von Todes wegen
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ergesetz nicht durch einen in sich abgeschlossenen Normenkomplex (Ordnungsrahmen) eigenständig und abschließend regelt. Der Ordnungsrahmen, also die Frage, wie und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen sich ein jeweiliger Vermögenserwerb vollzieht, muß nach dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung mangels eigener erbschaftsteuerlicher Normierung einem anderen Gesetz (hier dem Erbrecht) entnommen werden 243 - an dieser Stelle einen anderen methodischen Ansatzpunkt zu wählen, müßte daher schon auf große verfassungsrechtliche Bedenken stoßen. Diese Entnahme geschieht innerhalb des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als integrierender Tatbestand über eine direkte Verweisung auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Aufgrund des erbschaftsteuerlichen Regelungsdefizits stehen sich das Erbschaftsteuergesetz und das Zivilrecht (Erbrecht) nicht mehr als gleichrangige Rechtsordnungen gegenüber, sondern es wird aus Sicht des Erbschaftsteuergesetzes eine strukturelle Abhängigkeit von einzelnen Segmenten des zivilrechtlichen Ordnungsrahmens der todesbedingten Vermögensnachfolge begründet. Nach dem Erbrecht beurteilt sich somit nicht nur die zivilrechtliche Frage, in welchem Ordnungsrahmen und nach welchen Rechtsinstituten sich eine dingliche Neuzuordnung der vermögensrechtlichen Rechtspositionen eines Erblassers in einem bürgerlich-rechtlichen Gleichordnungsverhältnis vollzieht. Es beantwortet sich auch die Frage, unter welchen formalen Voraussetzungen ein erbschaftsteuerpflichtiger Sachverhalt vorliegt. Die Bezugnahme auf den erbrechtlichen Ordnungsrahmen im Wege der unmodifizierten Verweisung auf die jeweiligen erbrechtlichen Regelungen und Rechtsinstitute durch das Erbschaftsteuergesetz ersetzt dessen eigenes tatbestandliches Regelungsdefizit. Aus Sicht des Erbschaftsteuerrechts wird eigenständig lediglich in einem öffentlich-rechtlichen Über-Unterordnungsverhältnis die zusätzliche Rechtsfolge der Besteuerung an den jeweiligen zivilrechtlich erfaßten Vermögenserwerb geknüpft 244. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Zuordnung eines Vermögensanfalls zu einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgeführten Erwerbe von Todes wegen kann sich somit allein nach der formalen bürgerlichrechtlichen (erbrechtlichen) Betrachtungsweise ergeben 245 . Aufgrund der Normstruktur der integrierenden Tatbestände werden nicht nur Begriffe dem Zivilrecht entlehnt, um einen steuerpflichtigen Tatbestand zu umschreiben, vielmehr werden ganze zivilrechtliche Rechtsinstitute (z.B. 243
Vgl. Crezelius y Unternehmenserbrecht, Rn. 180; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 106. 244 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 11. 245 Vgl. BFH vom 30.06.1960 - II 254/57 U - BStBl. III 1960, S. 348 (349); vom 15.06.1966 - II 32/63 - BStBl. III 1966, S. 507 (508); vom 10.11.1982 - H R 111/80 - BStBl. II 1983, S. 116 (117f.); vom 26.11.1986 - H R 190/81 - BStBl. II 1987, S. 175 (176); Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 180; Jülicher, DStR 1997, S. 1949 (1950); Kapp, BB 1971, S. 57 (58); ders. y BB 1975, S. 933; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Petzoldt, ErbStG, H.A. Einführung Rn 6.
7 6 3 .
Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
des Erwerbs durch Erbanfall nach § 1922 BGB) durch Verweisung zu erbschaftsteuerlichen Tatbeständen erhoben. 2. Auslegungsrahmen Die innerhalb des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geltende Maßgeblichkeit des Zivilrechts durch die integrierende und tatbestandsersetzende Übernahme erbrechtlich geregelter Rechtsinstitute im Wege der direkten Verweisung führt gleichzeitig zu einer Inkorporierung ihrer formalen Wertungen in das Erbschaftsteuergesetz 246. Dies hat insoweit auch innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes eine deckungsgleiche Auslegung unklarer Normbegriffe zur Folge 2 4 7 , wobei dieser abstrakte Auslegungsrahmen den Vorgaben des BVerfG und der vom BFH in Einzelfällen vorgenommenen Auslegung innerhalb des allgemeinen methodologischen Ansatzes entspricht.
a) Methodologischer Ansatz des BVerfG Der oben skizzierte Auslegungsrahmen fügt sich infolge der Normstruktur des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch in die Rechtsprechung des BVerfG aus der maßgeblichen Entscheidung vom 27.12.1991 248 zur Auslegung steuerlicher Rechtsbegriffe ein. Das Gericht hat sich zwar ausdrücklich gegen eine Vermutung gestellt, wonach bei einer steuerlichen Reglementierung dem Zivilrecht entlehnte Begrifflichkeiten vorrangig im Lichte des Zivilrechts als sedes materiae und somit nach ihrem bürgerlich-rechtlichen und formalen Bedeutungsgehalt auszulegen sind. Der integrierende Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit seiner Tradierung zivilrechtlicher Tatbestände bildet aber die geradezu klassische Ausnahme, die das BVerfG aufgestellt hat 2 4 9 : „... Knüpft eine steuerliche Norm an eine zivilrechtliche Gestaltung an, so ist die Auslegung der steuerrechtlichen Bestimmung weder zwingend an dem Vertragstyp auszurichten, der der von den Parteien gewählten Bezeichnung entspricht, noch wird sie notwendigerweise von der zivilrechtlichen Qualifikation des Rechtsgeschäfts beeinflußt. Auch gilt keine Vermutung, das dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmal einer Steuerrechtsnorm sei im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren [...]. Ein Vorgang oder eine Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Würdigung der von den Parteien gewählten Sachverhaltsge246
Vgl. Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 7.f). Vgl. Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 180; ders., Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 36; Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 16. 248 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212. 249 Siehe BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). 247
A. Innerhalb der Erwerbe von Todes wegen
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staltung für die Auslegung der betreffenden steuerrechtlichen Vorschrift besteht schon deshalb nicht, weil Zivilrecht und Steuerrecht nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete sind, die denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilen [...]. Das Steuerrecht prägt - wie jedes andere Rechtsgebiet - seine eigenen Tatbestände. Auch wenn ein Steuergesetz Begriffe enthält, die einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Steuerrecht insoweit den Wertungen des jeweiligen Rechtsgebiets, z.B. des Zivilrechts, des Gewerberechts oder des Sozialrechts folgt oder mit Hilfe der entlehnten Begriffe eigenständige steuerrechtliche Tatbestände bildet. Verwendet eine steuerrechtliche Vorschrift eine im Zivilrecht geläufige Terminologie, so kann es den darin ausgedrückten Tatbestand aufnehmen, wie z.B. die Ehe, einen bestimmten ehelichen Güterstand (§§ 4 und 5 ErbStG) oder das Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG); es kann aber ebenso eine im Zivilrecht entwickelte Begrifflichkeit zur Bezeichnung eines eigenständigen steuerrechtlichen Tatbestandes verwenden, wie z.B. die Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder den Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). ..." Damit bestätigt das BVerfG auch für das Steuerrecht den allgemeinen methodologischen Ansatz, wonach nach dem Zweck und den Wertungen der anzuwendenden Norm zu bestimmen ist, wieviel die anzuwendende Norm von dem Regelungsinhalt des anderen Rechtsgebiets übernommen hat 2 5 0 . Mit einer - in den Worten des BVerfG - „Aufnahme" eines zivilrechtlichen Tatbestands in einen steuerlichen Tatbestand durch eine direkte Verweisung (hier Integration genannt) zeigt der Gesetzgeber, daß er innerhalb des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht nur mangels spezieller (erbschaft-) steuerlich vorgeprägter Begrifflichkeiten zur Umschreibung steuerlicher Tatbestände einen bloßen Rückgriff auf zivilrechtlich vorgeprägte Begriffe des Erbrechts nehmen will. Er integriert durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vielmehr ganze Rechtsinstitute eines anderen Rechtsgebiets mit dessen Wertungen und Bedeutungen in ein Steuergesetz 251, weil dies zum Ausgleich eines partiellen tatbestandlichen Regelungsdefizits des Erbschaftsteuergesetzes erforderlich ist. b) Rechtsprechung des BFH Der BFH lehnt sich ebenfalls nicht nur an den zivilrechtlichen Bedeutungsgehalt einzelner Begriffe im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als integrierenden Tatbestand an. Der zuständige II. Senat läßt zivilrechtliche Wertungen in eine steuerlich motivierte Auslegung dieser Begrifflichkeiten über die Auslegungskriterien des Wortlauts, des Gesetzeszwecks und der 250
Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 19. Vgl. mit Bezügen zum Erbschaftsteuergesetz Pahlke in: Christoffel/Geckle/ Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 16; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56. 251
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
Gesetzessystematik einfließen. Der BFH nimmt keine eigene erbschaftsteuerliche Auslegung vor, sondern überträgt insbesondere aus systematischen Gründen die zivilrechtlichen Bedeutungsgehalte der Begriffe innerhalb des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unbesehen in den erbschaftsteuerlichen Regelungsbereich 252 . Er hält sich somit strikt an den methodologischen Ansatz des BVerfG.
II. Die sonstigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen § 3 ErbStG enthält daneben Tatbestände, die zwar auf zivilrechtlich geregelten Tatbeständen oder Rechtsinstituten basieren, in denen das Erbschaftsteuergesetz aber keine ausdrückliche Verweisung auf Normen des Zivilrechts enthält, sondern lediglich dem Zivilrecht einzelne Normbegriffe entlehnt 253 . Ergab sich die uneingeschränkte Maßgeblichkeit des Zivilrechts innerhalb des integrierenden Tatbestands § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG allein schon über die direkte Verweisung auf das Erbrecht aus einem systematischen Grund, muß die Bedeutung des Zivilrechts innerhalb der sonstigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen noch nach einem weiteren Kriterium bestimmt werden. In der oben genannten Entscheidung des BVerfG 254 wurde bereits deutlich, daß eine derartige Bestimmung sich nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz nur unter einem ergänzenden teleologischen Gesichtspunkt ergeben kann.
1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts Im Gegensatz zu dem integrierenden Tatbestand § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geht es bei den sonstigen Tatbeständen um zusätzliche Sachverhalte einer todesbedingten Vermögensnachfolge, die mit Normbegriffen umschrieben werden, die überwiegend dem Zivilrecht entnommen sind und den erbrechtlichen Ordnungsrahmen einer todesbedingten Vermögensnachfolge betreffen. Diese Gesetzestechnik verdeutlicht der Tatbestand § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG. Hiernach gilt als steuerpflichtig vom Erblasser zugewendet, was jemand unter anderem in Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten „Auflage" erwirbt. Es wird nicht ausdrücklich auf das erbrechtliche Institut der Auflage i.S. des § 1940 BGB verwiesen. Das Erbschaftsteuergesetz ist aber systematisch gezwungen, einen eigenen Erwerbstatbestand zu formulieren, da die Auflage nach § 1940 BGB im Gegensatz 252
Vgl. BFH vom 15.10.1997 - H R 68/95 - BStBl. II 1997, S. 820 (822). So bestimmt beispielsweise § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage den Erwerb vom Erben zu einem Erwerb unmittelbar vom Erblasser und § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine zivilrechtlich geregelte Schenkung unter Lebenden zu einem Erwerb von Todes wegen, vgl. hierzu Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55. 254 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 79/90 - BStBl. II 1992, S. 212. 253
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zu einem Vermächtnis keine testamentarische Zuwendung enthält, sondern lediglich die Auferlegung einer bestimmten Verpflichtung, der kein unmittelbar Bedachter gegenübersteht . Jeglicher Erwerb verbunden mit einem Substanzübergang, der in Zusammenhang mit einer angeordneten Auflage des Erblassers steht, muß damit erbschaftsteuerlich eigens als solcher normiert und erfaßt werden 256. Die Maßgeblichkeit des Zivilrechts erstreckt sich somit - im Gegensatz zu dem integrierenden Tatbestand § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG - bei den sonstigen Erwerben von Todes wegen nicht auf die Inkorporierung ganzer Tatbestände des Zivilrechts, sondern auf die Übernahme einzelner Begriffe aus dem zivilrechtlichen Ordnungsrahmen der todesbedingten Vermögensnachfolge in das Erbschaftsteuergesetz. 2. Auslegungsrahmen Grundlegend klärungsbedürftig ist somit innerhalb dieser sonstigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen, wie sich die Verwendung zivilrechtlich vorgeprägter Normbegriffe insbesondere auf das systematische Auslegungskriterium auswirkt, wonach die Bedeutung eines Begriffs beziehungsweise Rechtssatzes von seiner Stellung innerhalb eines Gesetzes oder der Gesamtrechtsordnung abhängt 257 . a) Methodologischer Ansatz des BVerfG Das BVerfG sieht die Auslegung dem Zivilrecht entlehnter Begrifflichkeiten unter steuerlichen Gesichtspunkten als Regel an und nimmt nur ausnahmsweise Rückgriff auf den zivilrechtlichen Bedeutungsgehalt258: „... Auch gilt keine Vermutung, das dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmal einer Steuerrechtsnorm sei im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren [...]. Auch wenn ein Steuergesetz Begriffe enthält, die einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Steuerrecht insoweit den Wertungen des jeweiligen Rechtsgebiets, z.B. des Zivilrechts, des Gewerberechts oder des Sozialrechts folgt oder mit Hilfe der entlehnten Begriffe eigenständige steuerrechtliche Tatbestände bildet. Verwendet eine steuerliche Vorschrift eine im Zivilrecht geläufige Terminologie, so kann es den darin ausgedrückten Tatbestand aufnehmen [...]; es kann aber ebenso eine im Zivilrecht entwickelte Begrifflichkeit zur Bezeichnung eines steuerlichen Tatbestandes verwenden .. 255
Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, § 1940 Rn. 1; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 150. 256 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 324; Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 7.f). 257 Vgl. hierzu 1. Kapitel, A.IV.2. 258 Siehe BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213).
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Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
Lediglich dort, wo das Erbschaftsteuergesetz eindeutig aus sich heraus zu erkennen gibt, daß es einzelne Begriffe im Sinne ihres zivilrechtlichen Bedeutungsgehalts verstanden wissen will, hat nach der Lesart des BVerfG die steuerrechtliche Auslegung nach bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Entscheidend für den Auslegungsrahmen innerhalb der sonstigen Erwerbe von Todes wegen ist unter diesem Blickwinkel somit, ob das Erbschaftsteuergesetz innerhalb dieser Tatbestände gerade auf den zivilrechtlichen Bedeutungsgehalt der jeweiligen Begriffe abstellt (Maßgeblichkeit des Zivilrechts) oder ihnen einen eigenen erbschaftsteuerlichen Sinngehalt beimessen will.
b) Ansicht der Literatur In der erbschaftsteuerlichen Literatur wird überwiegend (noch) der allgemeine Grundsatz vertreten, wonach Begrifflichkeiten, die aus einem anderen Rechtsgebiet als dem Steuerrecht entlehnt sind, so auszulegen sind, wie sie innerhalb des regelnden Gesetzes als sedes materiae ausgelegt werden 259 . Mit einem Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung wird aber zumindest nicht ausgeschlossen, daß einzelne Begriffe des Zivilrechts aus einem steuerlichen Zusammenhang heraus interpretiert werden können oder müssen260. Dagegen steht allerdings die Ansicht des BVerfG, wonach das Zivilrecht und das Steuerrecht grundsätzlich gleichrangige Rechtsgebiete sind und ein Primat oder eine Ordnungsfunktion des Zivilrechts nicht anzuerkennen ist 2 6 1 . Die überwiegende Ansicht in der Literatur 262 geht also auch insoweit von einer strikten Maßgeblichkeit des Zivilrechts aus: Aus pragmatischen Erwägungen und wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sollen die zivilrechtlichen Begriffe der sonstigen Tatbestände des § 3 ErbStG nach ihrem bürgerlich-rechtlichen Bedeutungsgehalt ausgelegt werden 263 . 259
Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55; Troll in: Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 260 Vgl. BFH vom 08.12.1993 - H R 61/89 - BFH/NV 1994, S. 373 (374ff.); Kapp/Ebeling, ErbStG, § 1 Rn. 5 f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 69. 261 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). 262 Vgl. Meincke, StuW 1992, S. 186 (188 ff.); ders. y ErbStG, Einführung Rn. 7; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55 f.; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 3 Vorbemerkung; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 35; Schulze zur Wiesche, Lehrbuch der Erbschaftsteuer, S. 24; kritisch hierzu lediglich Pahlke in: Christoffel/ Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 16. 263 Dem ist zuzustimmen, als zum Beispiel dem Begriff des „Vermächtnisses" innerhalb des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG im Ergebnis zweifellos derselbe Bedeutungsgehalt beizumessen ist wie dem Begriff des Vermächtnisses im Rahmen der §§ 2147 ff. BGB. Insoweit ist eine rein formale Betrachtungsweise angezeigt.
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Die Auffassung der Literatur setzt sich aber mit dieser Begründung in Gegensatz zu dem vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.12.1991 6 4 vorgegebenen steuerlichen Auslegungsrahmen, wonach steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale auch dann grundsätzlich als Begriffe des jeweiligen Steuergesetzes auszulegen sind, wenn sie einem anderen Rechtsgebiet entlehnt sind. c) Stellungnahme In der Lesart des BVerfG gilt für die Auslegung unklarer Rechtsbegriffe innerhalb der sonstigen Tatbestände des § 3 ErbStG, daß die ebenfalls im Zivilrecht verwendeten und vorgeprägten Begriffe im Lichte des Erbschaftsteuergesetzes ausgelegt und interpretiert werden müssen 265 , außer das Erbschaftsteuergesetz gäbe ein anderes ausdrücklich zu erkennen. Das Erbschaftsteuergesetz besitzt zur Reglementierung der Steuerpflicht der Erwerbe von Todes wegen aber keinen eigenen Ordnungsrahmen aus einem in sich abgeschlossenen Normengeflecht, mit dem diese Normengruppe tatbestandlich umfassend normiert wird. Innerhalb der integrierenden Tatbestände enthält es vielmehr einen vollständigen Rückgriff auf einzelne Rechtsinstitute des erbrechtlichen Ordnungsrahmens 266, innerhalb der sonstigen Tatbestände einzelne Begriffe dieses Ordnungsrahmens zur Umschreibung eigener erbschaftsteuerpflichtiger Tatbestände eines Vermögenserwerbs. Das Zivilrecht und das Erbschaftsteuerrecht stehen sich jedoch auch hier wie bei dem integrierenden Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG grundsätzlich nicht als zwei selbständige Rechtsgebiete gegenüber 267. Aus dem Verzicht auf einen eigenen in sich abgeschlossenen erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmen zur tatbestandlichen Erfassung todesbedingter Vermögensübergänge folgt vielmehr eine strukturelle Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivilrecht. Denn wertungsbeeinflussende Momente einer in sich geschlossenen gesetzlichen Regelung lassen sich wegen des partiellen Regelungsdefizits aus dem Erbschaftsteuergesetz nicht ableiten, sondern müssen dem erbrechtlichen Regelungsstatut entnommen werden. Die dem Zivilrecht entlehnten Begriffe müssen somit auch insoweit als zivilrechtliche Begriffe ausgelegt werden 268 . Als Beispiel dient wiederum § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG. Wertungsbeeinflussende Umstände, mit denen die inhaltliche Bedeutung des Begriffs der Auflage im Sinne 264
Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56. 266 Vgl. zu diesem erbrechtlichen Ordnungsrahmen 2. Kapitel, B.II.l. 267 Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56. 268 So wohl im Ergebnis auch Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 11; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 18, § 5 Rn. 69. 265
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
dieser Norm ausgefüllt werden könnten, stellt das Erbschaftsteuergesetz nicht zur Verfügung. Nur aus dem bürgerlich-rechtlichen Regelungskreis der todesbedingten Vermögensnachfolge lassen sich die sinnbildenden Momente gewinnen, die den Begriff der Auflage inhaltlich ausfüllen. Daher ist der Begriff der Auflage i.S. des § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG gleichbedeutend mit dem formalen Begriff der Auflage i.S. des § 1940 BGB.
III. Wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der Erwerbe von Todes wegen Wenn sowohl innerhalb der integrierenden Tatbestände als auch innerhalb der sonstigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG eine Auslegung zivilrechtlicher Begriffe unter bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen ist, so stellt sich dennoch die Frage, ob und in welchem Umfang innerhalb dieser steuerpflichtigen Tatbestände Raum für eine Auslegung unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist 2 6 9 . Die steuerrechtlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise als teleologische Auslegung eines Steuergesetzes ist nichts anderes als die steuerliche Erfassung eines Sachverhalts unabhängig von der bürgerlich-rechtlichen Rechtsform und lediglich nach dem (intendierten) wirtschaftlichen Erfolg 270 . Sie ist überall dort möglich, wo ein Steuergesetz nicht an formale Rechtsformen anknüpft, sondern einen wirtschaftlichen Vorgang oder Sachverhalt erfassen will 2 7 1 . 1. Rahmenvorgaben des BVerfG Zum wirtschaftlichen Gehalt von Sachverhalten, die auch erbschaftsteuerlich erfaßt werden können, hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 15.05.1984 272 Stellung genommen: „... Steuergesetze, die die Steuerpflicht an bestimmte wirtschaftliche Lebenssachverhalte knüpfen, müssen der Vielfalt wirtschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung tragen können (vgl. BVerfGE 13, 153 [164]). So werden Erbschaftund Schenkungsteuer von dem Vermögen erhoben, das bei dem Tod einer natürlichen Person oder bei einer Schenkung auf Dritte übergeht. [...] Der Gesetzgeber, der den wirtschaftlichen Vorgang des Substanzübergangs besteuern will, kann aber grundsätzlich nicht daran gehindert sein, dieses Anliegen durchzusetzen und entsprechende Regelungen zu treffen, soweit sie mit der Verfassung vereinbar sind. ..." 269
Vgl. hierzu Kapp/Ebeling, ErbStG, § 1 Rn. 5 f.; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 270 Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.II. 271 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 65. 272 Siehe BVerfG vom 15.05.1984 - 1 BvR 464/81 u.a. - BStBl. II 1984, S. 608 (612 f.).
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Aus diesen Ausführungen geht allerdings nicht eindeutig hervor, ob das BVerfG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise als Methode der teleologischen Auslegung innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes für zulässig erachtet oder nur entsprechende Rahmenvorgaben für den Gesetzgeber aufgestellt hat. 2. Ansicht der Literatur In der Literatur wird die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise innerhalb der Erwerbe von Todes wegen überwiegend abgelehnt 273 . Zur Begründung wird der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts und die Unanwendbarkeit des § 39 AO innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes angeführt. Eine weitergehende Begründung für diese Ansicht erfolgt nicht. Lediglich Moench äußert sich auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 27.12.1991 274 vorsichtig dahingehend, daß ein genereller Ausschluß einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und des wirtschaftlichen Eigentums innerhalb der Erwerbe von Todes wegen nicht zwingend sei 2 7 5 . 3. Rechtsprechung des BFH Nach den Entscheidungen der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der Erwerbe von Todes wegen grundsätzlich ausgeschlossen. Ausgehend von der Rechtsprechung des RFH führt der BFH in der Entscheidung vom 30.06.i960 2 7 6 aus: „... Es ist aber auch erbschaftsteuerlich unrichtig, die wirtschaftliche Betrachtungsweise anwenden zu wollen. Das Erbschaftsteuerrecht ist auf dem Erbrecht des BGB aufgebaut (vgl. die Urteile des Reichsfinanzhofs I e A 73/31 vom 17. Februar 1931, RStBl. 1931 S. 241 und III e A 51/34 vom 2. Mai 1935, RStBl. 1935 S. 905), infolgedessen kann sich eine Erbschaftsteuer nur aufgrund rechtlicher Beurteilung ergeben; es gibt keine Erbschaft im wirtschaftlichen Sinn. .. Klarstellend sind auch die Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 22.09.1982 277 , auch wenn sie nicht eindeutig zwischen der wirtschaftlichen 273
Vgl. Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 35; Pahlke in: Christoffel/ Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 15; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Schulze zur Wiesche, Lehrbuch der Erbschaftsteuer, S. 24; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 3 Vorbemerkung; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 106 (Fn. 18). 274 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213 f.). Nach der Entscheidung ist Begriffen des Steuerrechts, auch wenn sie dem Zivilrecht entlehnt sind, grundsätzlich ein eigenständiger steuerrechtlicher Bedeutungsgehalt beizumessen. 275 Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56 f. 276 Siehe BFH vom 30.06.1960 - II 254/57 U - BStBl. III 1960, S. 348 (349). 277 Siehe BFH vom 22.09.1982 - H R 61/80 - BStBl. II 1983, S. 179f.; vgl. auch BFH vom 10.11.1982 - H R 111/80 - BStBl. II 1983, S. 116 (117f.). 6*
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Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
Betrachtungsweise als Unterfall der teleologischen Auslegung und der wirtschaftlichen Zurechnung nach § 39 AO unterscheiden: „... § 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes und - jetzt - § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung sind Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und daher naturgemäß auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalls anwendbar. [...] Dies gilt auch für die Erbschaftsteuer. [...] Die Steuerarten, für welche nach Ansicht der Klägerin der Begriff des wirtschaftlichen Eigentums einheitlich auszulegen ist, sind nur diejenigen, welche wirtschaftlichen Gesichtspunkten folgen. Das sind zwar die Einkommensteuer und die Vermögenssteuer, nicht aber die Verkehrsteuern. ..." Hiervon geht wohl - zumindest im Ergebnis - auch der BFH in seiner Entscheidung vom 15.10.1997 aus. Das Gericht urteilte zu Grundstückskaufverträgen, die im Erbfall noch nicht vollständig erfüllt sind 278 : „... Das bürgerlich-rechtlich geprägte Erbschaftsteuerrecht (vgl. BFH v. 26.11.1986, II R 190/81, BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175) läßt es nicht zu, das Grundstück den Käufern als wirtschaftliches Eigentum zuzurechnen [...]. Wie der Senat mit Urteil vom 10.11.1982, II R 111/80 (BFHE 137, 79, BStBl II 1983, 116) entschieden hat, kann bei Besteuerung des Erwerbs durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 dieser Erbanfall i.S. des § 1922 BGB nicht um solche Gegenstände bereinigt werden, die wirtschaftliches Eigentum eines anderen sind (vgl. auch BFH vom 22.9.1982, II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179). Durch die Verweisung auf § 1922 BGB in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 enthält das ErbStG eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Zivilrecht, die insoweit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschließt. Das Erfordernis, den Wert des Vermögensanfalls zu ermitteln, ist durchaus mit der Aufgabe vereinbar, nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen, was zum Nachlaß gehört. ..." Wenn der BFH feststellt, es gäbe „keine Erbschaft im wirtschaftlichen Sinn", so ist dem zumindest hinsichtlich der Tatbestände unbesehen zuzustimmen, die an die Vermögensnachfolge aufgrund einer gesetzlichen oder gewillkürten Erbfolge anknüpfen, wie zum Beispiel des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 279 . In diesen Tatbeständen wird durch die unmodifizierte Übernahme der zivilrechtlichen Rechtsform des Erwerbs allein und entscheidend auf die Rechtsform des Erwerbs und nicht auf den wirtschaftlichen Gehalt einer entsprechenden Zuwendung abgestellt280.
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Siehe BFH vom 15.10.1997 - H R 68/95 - BStBl. II 1997, S. 820 (822). Gl. A. Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 280 Gl.A. die Literatur, vgl. insbesondere Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 180; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 1 Rn. 5 ff., § 3 Vorbemerkung; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 55f.; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 279
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4. Stellungnahme Wenn das BVerfG davon spricht, daß das Erbschaftsteuergesetz „den wirtschaftlichen Vorgang des Substanzübergangs besteuern will", so stellt sich damit zwangsläufig die Frage, ob sich hierauf eine steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise als Auslegungskriterium stützen läßt. Diese kann aber nicht ohne eine teleologische Argumentation beantwortet werden. Die steuerpflichtigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen setzen sämtlich einen Vermögenserwerb in Form eines Substanzübergangs anläßlich des Todes eines Menschen voraus 281. Unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten erfordert ein Todesfall eine Neuordnung der Vermögensverhältnisse des Verstorbenen und eine dauerhafte dingliche Neuzuordnung der Vermögenspositionen des Erblassers an den oder die jeweiligen Erwerber 282 (erbrechtlicher Ordnungsrahmen). Das Erbschaftsteuergesetz erfaßt nach seinem Gesetzeszweck und Zweckprogramm mit § 3 ErbStG die hieraus folgende gesteigerte Leistungsfähigkeit des Erwerbers aufgrund einer unentgeltlichen Bereicherung. Zwar haben diese Erwerbsvorgänge wegen der Vermögensmehrung des Erwerbers einen wirtschaftlichen Gehalt im weitesten Sinne, wovon wohl auch das BVerfG ausgeht. Sie haben aber keinen wirtschaftlichen Gehalt im engeren Sinne, der die Anwendbarkeit einer wirtschaftlichen Betrachtung rechtfertigt 283. Eine Neuzuordnung der Vermögens Verhältnisse infolge des Ablebens eines Menschen ist nicht Ausdruck eines wirtschaftlichen - das heißt auf einen aktiven Erwerb gerichteten - Willens der beteiligten Personen, sondern vielmehr Ausdruck der von der Rechtsordnung zwingend vorgegebenen und formal geregelten Neuordnung der Vermögensverhältnisse des Erblassers. Mangels eines eigenen erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmens zur umfassenden Normierung der Rahmenbedingungen einer todesbedingten Vermögensnachfolge wird dieser vielmehr durch einen Rückgriff auf den erbrechtlichen Ordnungsrahmen ersetzt. Innerhalb dieses Ordnungsrahmens besteht allerdings eine Bindung des jeweiligen Vermögenserwerbs an einzelne formale Rechtsinstitute einer dinglichen Neuzuordnung (z.B. Vonselbsterwerb nach § 1922 BGB) beziehungsweise den hierzu erforderlichen kausalen Rechtsgründen. Wenn dieser Rückgriff im Ergebnis zu einer Auslegung der betreffenden Normbegriffe innerhalb des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als zivilrechtliche Begriffe mit ihren formalen Bedeutungsgehalten führt, ist damit gleichzeitig - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung 281 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 3, 316; Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 3 Rn. 2. 282 Vgl. hierzu 2. Kapitel, B.II.l. 283 Vgl. Vogt, BB 1982, S. 816 (818).
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
des BFH und der Meinung in der Literatur - eine steuerlich motivierte, wirtschaftliche Betrachtungsweise ausgeschlossen284.
IV. Zwischenergebnis Das Erbschaftsteuergesetz offenbart innerhalb der steuerpflichtigen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen nach § 3 ErbStG ein Regelungsdefizit, da es keinen eigenen Ordnungsrahmen - also ein in sich abgeschlossenes Normengeflecht - zur tatbestandlichen Erfassung todesbedingter Vermögenserwerbe besitzt. Es wird auf einzelne zivilrechtliche (erbrechtliche) Rechtsinstitute zurückgegriffen und innerhalb des integrierenden Tatbestands § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die steuerbegründenden Merkmale über eine ausdrückliche Verweisung dem Zivilrecht entnommen oder innerhalb der sonstigen Tatbestände einzelne Tatbestände unter Verwendung erbrechtlicher Begrifflichkeiten umschrieben. Dieser Rückgriff auf das bürgerlichrechtliche Erbrecht begründet insoweit aus systematischen Gründen eine strukturelle Abhängigkeit vom Zivilrecht und verifiziert die These von der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz. Diese Maßgeblichkeit führt im Rahmen einer Auslegung zur Übernahme der formalen Bedeutungsgehalte der zivilrechtlichen Begriffe, die ihnen nach dem bürgerlichen Recht zukommen (formale Betrachtungsweise), da sich wertungsbeeinflussende Momente aus der vorhandenen erbrechtlichen Gesetzesmaterie nicht ziehen lassen. Es ist in Übereinstimmung mit dem BVerfG keine eigenständige Auslegung im Lichte des Erbschaftsteuergesetzes durchzuführen, was auch keinen Raum für eine steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise läßt.
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Vgl. Tipke/Lang y Steuerrecht, § 5 Rn. 68. Dieser Beurteilung steht auch die Entscheidung des BVerfG vom 27.12.1991 nicht entgegen, vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212. In dieser, zu Fragen des GrEStG ergangenen Entscheidung, verneint das Gericht grundsätzlich eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Steuerrecht und wendet sich gegen eine Vermutung, wonach die aus dem Zivilrecht entlehnten Begriffe im Rahmen des jeweiligen Steuergesetzes in Übereinstimmung und entsprechend des zivilrechtlichen Verständnisses auszulegen sind, kritisch hierzu insbesondere Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, Einführung Rn. 16; Meincke, StuW 1992, S. 186 (188ff.); Moench in: Moench, ErbStG, Einf. Rn. 57. Den Ausführungen ist aber nicht zu entnehmen, daß sie auch für den Fall Gültigkeit beanspruchen, in dem - wie im Rahmen der Erwerbe von Todes wegen - ein Steuergesetz nicht nur in einem steuerlichen Zusammenhang Begriffe des Zivilrechts verwendet, sondern ausdrücklich auf diese verweist und mangels eines eigenen steuerrechtlichen Ordnungsrahmens systematisch gezwungen ist, neben den Begrifflichkeiten beziehungsweise den Tatbeständen die gesamten formalen Wertungen und Teleologien zu übernehmen.
B. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden
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B. Strukturelle Abhängigkeiten innerhalb der Schenkungen unter Lebenden Die Schenkungen unter Lebenden i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 ErbStG sind die zweite Gruppe der steuerpflichtigen Erwerbe. Sie sind systematisch von den Erwerben von Todes wegen nach §§ 3 ff. ErbStG abzugrenzen, da nach § 1 Abs. 2 ErbStG die steuerlichen Folgen einer Schenkung denen der Erwerbe von Todes wegen zwar weitgehend gleichgestellt sind, jedoch keine vollständige Deckungsgleichheit besteht285. In Abgrenzung zu §§ 3 ff. ErbStG 286 können unter den Begriff der Schenkungen unter Lebenden nur solche Zuwendungen subsumiert werden, bei denen der Vermögenszuwachs beim Bedachten bereits noch zu Lebzeiten des Zuwenders eintritt. Systematisch erfaßt § 7 ErbStG unter dem Oberbegriff der „Schenkung unter Lebenden" als Grundtatbestand nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die „freigebige Zuwendung unter Lebenden". Der Begriff der Schenkung unter Lebenden - und damit gleichgesetzt der der freigebigen Zuwendung - ist dabei nicht mit dem zivilrechtlichen Begriff der Schenkung i.S. des § 516 BGB identisch287. Er umfaßt vielmehr diese Begrifflichkeit und geht über sie hinaus 288 . Daneben enthält § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 10 ErbStG Ersatzoder Ergänzungstatbestände, die Unterfälle der freigebigen Zuwendung normieren. Die Ersatz- und Ergänzungstatbestände lassen sich unterteilen in die sonstigen Zuwendungen im Zusammenhang mit einer Schenkung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 ErbStG, die Zuwendungen im Rahmen einer vorweg285 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 1 Rn. 60ff.; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 9. 286 Die Erwerbe von Todes wegen erfassen Vermögensübertragungen, die zum einen mit dem Tod des Erblassers durch Universalsukzession oder Einzelrechtsnachfolge kraft Gesetzes infolge eines gesetzlichen Erbrechts oder einer Verfügung von Todes wegen eintreten. Daneben gelten kraft gesetzlicher Anordnung auch solche lebzeitigen unentgeltlichen Zuwendungen als Erwerbe von Todes wegen, bei denen die Vermögensbewegung unabhängig des kausalen Rechtsgeschäfts erst mit dem Tod des Zuwenders ausgelöst wird, vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 1. Dies gilt zum Beispiel für die Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG und den überlebensbedingten Erwerb aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter. 287 § 7 Abs. 3 und Abs. 4 ErbStG enthält demgegenüber keine steuerbegründenden Tatbestände, sondern hat erläuternden und klarstellenden Charakter hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale einer freigebigen Zuwendung, vgl. Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 226, 229; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 4. 288 Vgl. BFH vom 02.10.1957 - II 127/57 U - BStBl. III 1957, S. 449 (450); Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. 3; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 2f.; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 2; Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/ Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 1; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 121.
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Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
genommenen Erbfolgeregelung nach § 7 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 7 ErbStG und die Erwerbe im Zusammenhang mit einer Stiftung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 ErbStG 289. Die Steuertatbestände § 7 Abs. 5 bis Abs. 7 ErbStG regeln spezielle Fälle der Nachfolge in Gesellschaftsanteile für Zwecke der Schenkungsteuer290. Bereits die Einführung des Begriffs der „freigebigen Zuwendung unter Lebenden" als Grundtatbestand der steuerpflichtigen Schenkungen zeigt im Vergleich zu den erbschaftsteuerlich relevanten Erwerben von Todes wegen, daß dem Zivilrecht innerhalb der Tatbestände der Schenkungen unter Lebenden eine geringere Rolle zukommen muß. Bilden für die Erwerbe von Todes wegen die erbrechtlichen Regelungen der §§ 1922 ff. BGB und des darin enthaltenen Ordnungsrahmens größtenteils die tatbestandliche Grundlage, so wird auf diese - zum Teil in direkter Verweisung vorgenommene - Verknüpfung zum bürgerlichen Recht bei den Schenkungen unter Lebenden verzichtet 291 . Die steuerbegründenden Tatbestandsmerkmale und damit der dazugehörige Ordnungsrahmen werden eigenständig im Erbschaftsteuergesetz geregelt. Ausgehend von der Gesetzessystematik des § 7 ErbStG werden folgende Tatbestände beispielhaft auf strukturelle Abhängigkeiten vom Zivilrecht und die Folgerungen für einen abstrakten Auslegungsrahmen untersucht: - § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Grundtatbestand und - § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Beispiel für einen teilweise integrierenden Tatbestand, der in begrenztem Umfang auf ein Rechtsinstitut des Zivilrechts verweist (Vereinbarung einer Gütergemeinschaft nach § 1415 BGB). 289 Die Tatbestände § 7 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 ErbStG bleiben wegen der erbschaftsteuerrechtlichen Sonderrolle der Stiftung außer Betracht. 290 Gegenstand einer Schenkung nach § 516 Abs. 1 BGB kann auch die Mitgliedschaft in einer Personen- oder Kapitalgesellschaft sein. Der zivilrechtlich geregelte Vorgang einer schenkweisen Zuwendung einer bestehenden Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft (derivativer Erwerb) oder die schenkweise Einräumung einer neu entstehenden Mitgliedschaft (originärer Erwerb) wird schenkungsteuerlich durch den Grundtatbestand als steuerpflichtige freigebige Zuwendung unter Lebenden i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfaßt, vgl. BFH vom 01.07.1992 - H R 108/88 BStBl. II 1992, S. 923 (924f.); Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 64. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden im Bereich der Personengesellschaften sind jedoch Zuwendungsvorgänge denkbar, die nicht unter eine freigebige Zuwendung subsumiert werden können, die der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich für besteuerungswürdig erachtet hat. So enthalten die Schenkungen unter Lebenden Sonderregelungen zur Gesellschafternachfolge: § 7 Abs. 5 ErbStG regelt die nur bedingte Beteiligung eines Gesellschafters an den offenen und stillen Reserven, § 7 Abs. 6 ErbStG die Einräumung einer überhöhten Gewinnbeteiligung und § 7 Abs. 7 ErbStG das Ausscheiden aus einer Gesellschaft zu Buchwerten. Vgl. zu Fragen der Vererbung von Gesellschaftsanteilen die Ausführungen im 4. Kapitel. 291 Vgl. Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 15; Schulze zur Wiesche, Lehrbuch der Erbschaftsteuer, S. 62; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6.
B. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden
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I. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Grundtatbestand Durch den Grundtatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wird neben dem Begriff der Schenkung unter Lebenden gleichbedeutend der Begriff der „freigebigen Zuwendung unter Lebenden" eingeführt. Diese Begrifflichkeit ähnelt zwar dem zivilrechtlichen Begriff der Schenkung i.S. des § 516 Abs. 1 BGB, gesetzestechnisch wird aber nicht direkt auf Normen oder Rechtsinstitute des Zivilrechts verwiesen. 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts Schon allein die Analyse der Gesetzeshistorie des schenkungsteuerlichen Grundtatbestands zeigt, daß es sich bei einer freigebigen Zuwendung unter Lebenden um einen eigenständigen, originär steuerrechtlichen und vom zivilrechtlichen Begriff der Schenkung losgelösten Tatbestand handelt 292 . Dies hat konsequenterweise auch wesentlichen Einfluß auf die Reichweite des Grundsatzes der Maßgeblichkeit des Zivilrechts. a) Gesetzeshistorie Bereits in § 40 ErbStG 19 1 9 2 9 3 war die Unterscheidung zwischen dem Begriff der „Schenkung", der sich an den zivilrechtlichen Schenkungsbegriff anlehnte, und dem Begriff der „freigebigen Zuwendungen" angelegt. § 1 Nr. 2 ErbStG 1922 - eingeführt mit Gesetz vom 07.08.1922 294 - differenzierte anschließend unter dem Oberbegriff der „Schenkungen unter Lebenden" zwischen der „Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes" einerseits und der ,,andere[n] freigebige[n] Schenkung unter Lebenden" andererseits. Nach dieser Formulierung war gesetzessystematisch eindeutig, daß beide Begriffe nicht identisch waren, vielmehr die zivilrechtliche Schenkung nach §516 BGB einen Unterfall der freigebigen Zuwendung darstellte, was auch vom BFH in seiner Entscheidung vom 02.10.1957 295 bestätigt wurde: „... Die Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist ein Unterfall der freigebigen Zuwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Es braucht deshalb nur untersucht zu werden, ob eine freigebige Zuwendung im 292
H.M., vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. lff.; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. lff.; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 1; Schulze zur Wiesche, Lehrbuch der Erbschaftsteuer, S. 62; Tipke/Lang> Steuerrecht, § 13 Rn. 121. 293 Gesetz vom 10.09.1919, RGBl. 1919, S. 1543. 294 RGBl. 1922, S. 695. 295 Siehe BFH vom 02.10.1957 - II 127/57 U - BStBl. III 1957, S. 449 (450).
9 0 3 .
Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
Sinne des ErbStG vorliegt. Wird diese verneint, so ist auch eine Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht gegeben. ..." In der Folgezeit verzichtete die Reform des Erbschaftsteuergesetzes vom 17.04.1974 296 angesichts der als geklärt geltenden Abgrenzungsfrage auf eine weitergehende Unterscheidung und übernahm mit dem Begriff der freigebigen Zuwendung einen einheitlichen und weitgefaßten Steuertatbestand. Dieser stellt nach heutigem Verständnis eine originär steuerliche Begrifflichkeit dar, in dem der zivilrechtliche Begriff der Schenkung aufgeht 297 .
b) Abgrenzung zur Schenkung i. S. des § 516 BGB Eine Schenkung im zivilrechtlichen Sinn setzt in objektiver Hinsicht eine Zuwendung voraus, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, und in subjektiver Hinsicht, daß sich beide Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind 298 . Eine freigebige Zuwendung unter Lebenden als weitergehender steuerrechtlicher Begriff knüpft zwar an diesen objektiven Tatbestand an, unterscheidet sich aber wesentlich von der zivilrechtlichen Schenkung auf objektiver wie subjektiver Ebene 299 . aa) Objektiver Tatbestand Bereits nach dem Wortlaut divergieren beide Tatbestände, wenn § 516 Abs. 1 BGB eine Bereicherung des Bedachten „aus dem Vermögen" des Zuwendenden, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG eine Bereicherung „auf Kosten" des Zuwendenden erfordert. Der Tatbestand der zivilrechtlichen Schenkung ist somit enger, denn er setzt eine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen dem Schenker und dem Beschenkten voraus. Die Vermögensmehrung (unentgeltliche Bereicherung) auf Seiten des Beschenkten hat eine unmittelbare Vermögensminderung auf Seiten des Schenkers zur Folge 3 0 0 . Demgegenüber verzichtet die freigebige Zuwendung auf dieses Junktim der unmittelbaren Vermögensminderung und erfaßt auch mittelbare Vermögens296
BGBl. I 1974, S. 933. Vgl. hierzu Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 1, 3, 14; Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 3; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. 1 ff.; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 1. 298 Vgl. Kollhosser in: Münchner Kommentar, BGB, Band 3, § 516 Rn. 2ff., 9ff.; Putzo in: Palandt, BGB, § 516 Rn. 1. 299 Vgl. Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 3f.; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 177 f. 300 Vgl. Meincke, ErbStG, § 7 Rn. 10; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 12ff.; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 178. 297
B. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden
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Verschiebungen durch das Institut der sogenannten mittelbaren Schenkung 3 0 1 . Diese mittelbaren Zuwendungen kennzeichnet, daß der Zuwendende dem Erwerber zwar unter Einsatz eigener Mittel einen Gegenstand beschafft, dieser Zuwendungsgegenstand als Objekt der Bereicherung aber unmittelbar aus der Vermögenssphäre eines Dritten stammt und ohne Umweg über die Vermögenssphäre des Zuwendenden direkt an den Beschenkten gelangt302. bb) Subjektiver Tatbestand Auf der Ebene des subjektiven Tatbestands erweist sich die freigebige Zuwendung gegenüber der Schenkung i.S. des § 516 Abs. 1 BGB als der ebenfalls weiter gefaßte Tatbestand. Während bei letzterer der übereinstimmende Wille der am Schenkungsvertrag beteiligten Personen über die Unentgeltlichkeit der Bereicherung erforderlich ist, verzichtet der Tatbestand der freigebigen Zuwendung auf das Element dieser Kongruenz und setzt lediglich voraus, daß die Bereicherung mit dem einseitigen Willen des Zuwendenden eintritt 303 . Mit Schulz 304 läßt sich somit das Verhältnis der Schenkung im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB zur Schenkung unter Lebenden im Sinne des § 7 ErbStG vereinfacht ausdrücken: „Jede Schenkung im Sinne des BGB ist eine Schenkung unter Lebenden im Sinne des ErbStG - nicht jede Schenkung unter Lebenden im Sinne des ErbStG ist eine Schenkung im Sinne des BGB." c) Stellungnahme Festzuhalten bleibt, daß es einen Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts im Bereich des Tatbestands der freigebigen Zuwendung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus historischen und gesetzessystematischen Gründen nicht geben kann 3 0 5 . Denn das Erbschaftsteuergesetz schafft 301
Trotz dieses dogmatischen Unterschieds werden nach einigen Stimmen in der Literatur der objektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und der des § 516 Abs. 1 BGB als deckungsgleich angesehen, vgl. insbesondere Meincke, ErbStG, § 7 Rn. 10; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. 2. 302 Vgl. zur mittelbaren Schenkung insbesondere Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. 10; Schulze zur Wiesche, Lehrbuch der Erbschaftsteuer, S. 67 (zur mittelbaren Grundstücksschenkung); Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 82ff. 303 Vgl. BFH vom 19.08.1959 - II 259/57 S - BStBl. III 1959, S. 417; vom 14.07.1982 - H R 125/79 - BStBl. II 1982, S. 714 (715); vom 27.04.1988 - H R 53/82 - BFH/NV 1989, S. 168f.; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. 2; Meincke, ErbStG, § 7 Rn. 11; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 109ff.; Schulze zur Wiesche, Lehrbuch der Erbschaftsteuer, S. 62; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 121. 304 Siehe Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 178. 305 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 106, 121.
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
sich mit diesem Grundtatbestand für die nicht todesbedingte Vermögensnachfolge einen eigenen Ordnungsrahmen, der aus einem in sich abgeschlossenen Normengeflecht den tatbestandlichen Rahmen für den besteuerungswürdigen Sachverhalt einer lebzeitigen Vermögensnachfolge vorgibt. Das Gesetz ist systematisch somit nicht gezwungen, auf den zivilrechtlichen Ordnungsrahmen der unentgeltlichen Vermögenszuwendungen unter Lebenden 306 Rückgriff zu nehmen. 2. Auslegungsrahmen Ausgangspunkt für die Ermittlung eines einheitlichen Auslegungsrahmens für § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist die Feststellung, daß es sich bei dem Begriff der „freigebigen Zuwendungen unter Lebenden" im Vergleich zur „Schenkung" nach § 516 Abs. 1 BGB um einen originär steuerrechtlichen Begriff mit eigenen Tatbestandsvoraussetzungen ohne strukturelle Abhängigkeiten vom Zivilrecht handelt. Die Auslegung hat somit zwangsläufig in einem anderen Rahmen als bei den Erwerben von Todes wegen nach §§ 3 ff. ErbStG zu geschehen, bei welchem mit der integrierenden Übernahme bürgerlich-rechtlicher Rechtsinstitute beziehungsweise der Verwendung zivilrechtlicher Begrifflichkeiten eine Auslegung unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. In konsequenter Fortführung der obigen Ausführungen muß sich der Rahmen der Auslegung innerhalb des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG somit zwangsläufig unter steuerrechtlichen - das heißt erbschaftsteuerlichen - Gesichtspunkten vollziehen307. Im folgenden wird anhand des Tatbestandsmerkmals der „Bereicherung" dieser abstrakte erbschaftsteuerrechtliche Auslegungsrahmen angelegt und von einer Auslegung unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten abgegrenzt. a) Auslegung des Begriffs
„Bereicherung"
Nach dem allgemeinen Bereicherungsprinzip 308 des Erbschaftsteuergesetzes erfordert das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung eine objektive Bereicherung des Empfängers aufgrund einer substanziellen Vermögensmehrung, die sich in der Erhöhung des Vermögensbestands des Bedachten niederschlägt 309.
306
Vgl. hierzu 2. Kapitel, B.II.2. Vgl. Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 308 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.III. 1. 309 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 43. 307
B. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden
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aa) Bedeutung der Bereicherung in der Gesetzessystematik Was unter einer Bereicherung des Erwerbers zu verstehen ist und wie sie im einzelnen festgestellt wird, darüber enthält § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG keine Regelung 310 . Systematisch unerläßlich ist jedoch die Differenzierung, daß die Bereicherung des Erwerbers schenkungsteuerrechtlich innerhalb von zwei Fragenkreisen eine Rolle spielt, die grundsätzlich getrennt voneinander beurteilt werden müssen311. Im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen beantwortet das Vorliegen einer tatsächlichen Bereicherung des Erwerbers die Frage nach dem Vorliegen einer freigebigen Zuwendung unter Lebenden im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Ist eine derartige Bereicherung und damit das Vorliegen eines steuerpflichtigen Vermögenserwerbs zu bejahen, so befassen sich die §§ 10ff. ErbStG mit der Frage, wie die Bereicherung zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage festgestellt wird. Im vorliegenden Fall geht es indessen ausschließlich darum, nach welchen Kriterien die Bereicherung als Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu erfassen und inhaltlich auszufüllen ist. bb) Rechtsprechung des BFH Die Rechtsprechung ermittelt die auf der Tatbestandsebene erforderliche Bereicherung eines Erwerbers nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen anhand der jeweiligen Verkehrswerte. Der BFH führt in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25.09.1953 312 aus: „... Wie der Reichsfinanzhof [...] dargelegt hat, bringt es der rechtsgeschäftliche Charakter einer freigebigen Zuwendung mit sich, daß die Frage der Bereicherung und des Bereicherungswillens nicht, wie es seitens der Vorinstanz geschehen ist, nach dem Verhältnis der Steuerwerte der gegenseitig übertragenen Gegenstände geprüft wird; vielmehr kommen die Steuerwerte erst für die Berechnung der Höhe der Steuer nach §§ 21 ff. ErbStG zum Zuge. Die grundsätzliche Vorfrage der Voraussetzungen der Steuerpflicht, d.h. des Vorliegens der Bereicherung und 3,0 Lediglich in § 7 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 ErbStG sind Sonderregelungen enthalten, die sich mit Teilaspekten der Feststellung der Bereicherung als Tatbestandsvoraussetzung einer steuerpflichtigen Schenkung unter Lebenden befassen. So werden nach § 7 Abs. 3 ErbStG Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 ErbStG werden im Rahmen der schenkweisen Zuwendung von Anteilen an Personengesellschaften vereinbarte Buchwertklauseln (Ausscheiden aus einer Gesellschaft zum Buchwert und nicht zum Verkehrswert der Beteiligung) bei der Feststellung der Bereicherung nicht berücksichtigt. 311 Vgl. hierzu auch Meincke, ErbStG, § 7 Rn. 5; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 44; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 13. 3,2 Siehe BFH vom 25.09.1953 - III 229/52 U - BStBl. III 1953, S. 308 (309).
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Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
des Bereicherungswillens, richtet sich nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen, weil es sich bei freigebigen Zuwendungen um privat-rechtliche Verfügungen handelt und deren Auslegung nach anderen als bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu einer Verschiebung der Grenzlinien zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften und damit zu unrichtigen Ergebnissen führen kann. .. Der BFH legt den Begriff der Bereicherung somit ausdrücklich im Lichte des Zivilrechts aus und kommt zu einem Ansatz der Verkehrswerte bei der Bemessung der eingetretenen Bereicherung. Diese Auffassung ist ständige Rechtsprechung313 und die Literatur ist ihr im Ergebnis überwiegend gefolgt 314 b) Stellungnahme Wenn es zumindest im Ergebnis zutreffend ist, die Bereicherung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anhand des jeweiligen Verkehrswerts des Zuwendungsobjekts festzustellen, so findet die Begründung über eine zwingende Auslegung im Lichte des bürgerlichen Rechts keine dogmatische Stütze. Sie widerspricht vielmehr den methodischen Vorgaben des BVerfG, wonach Begriffe des Zivilrechts in einem steuerlichen Zusammenhang grundsätzlich nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinn auszulegen sind, sondern vielmehr im Lichte des jeweiligen Steuergesetzes315. Zudem mißachtet sie den Umstand, daß innerhalb des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG eine grundsätzliche Maßgeblichkeit des Zivilrechts nicht festgestellt werden kann. Bei dem Begriff der freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handelt es sich um einen originär steuerrechtlichen Begriff, zu dem das Tatbestandsmerkmal der „Bereicherung" ohne erkennbare Bezugnahme auf einen gleichlautenden Begriff innerhalb des bürgerlichen Rechts hinzugefügt wird. Es besteht somit kein Anhaltspunkt für die Annahme, dieses Tatbestandsmerkmal sei in einem zivilrechtlichen Kontext auszulegen. Vielmehr muß insbesondere mit Troll 316 davon ausgegangen werden, daß sich die Frage der Bereicherung allein nach erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten beantwortet. Es kommt entgegen der oben zitierten Auffassung des B F H 3 1 7 im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gerade nicht auf das einer 313 Vgl. insbesondere BFH vom 26.09.1990 - H R 50/88 - BStBl. II 1991, S. 32 (33) m.w.N. 314 Vgl. Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 24; Kapp/ Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. 6; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 14; Schulz., Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 181; a.A. Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 315 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). 316 Vgl. Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 317 Vgl. BFH vom 25.09.1953 - III 229/52 U - BStBl. II 1953, S. 308 (309).
B. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden
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Zuwendung zugrundeliegende zivilrechtliche Rechtsgeschäft an. Vielmehr werden losgelöst hiervon alle unentgeltlichen Zuwendungsvorgänge erfaßt, bei denen der Zuwender subjektiv von einer Unentgeltlichkeit ausgeht und die zu einer objektiven Bereicherung des Erwerber führen. Es kann auf zivilrechtliche Grundsätze somit unmittelbar kein Rückgriff genommen werden 318 . Es existieren innerhalb des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG keine strukturellen Abhängigkeiten vom Zivilrecht, womit vom Rechtsanwender unklare Normbegriffe allein im Lichte des Erbschaftsteuergesetzes ohne Rückgriff auf zivilrechtliche Wertungsmomente auszulegen sind. Eine Auslegung des Begriffs „Bereicherung" läßt sich auch losgelöst vom Zivilrecht nach schenkungsteuerlichen Grundsätzen aus dem eigenen schenkungsteuerlichen Ordnungsrahmen vornehmen. Das Erbschaftsteuergesetz knüpft entsprechend dem Bereicherungsprinzip an Akte des Vermögenserwerbs, die zu einer objektiven Bereicherung des Erwerbers führen. Diese objektive Bereicherung kann aber nach den Verkehrs werten - sprich den gemeinen Werten (§ 9 BewG) - bestimmt werden, da nur mit ihnen ein realer Vermögenszuwachs ermittelt werden kann, der in einem eventuellen Ansatz der Steuerwerte nicht zum Ausdruck kommt. Einer Begründung dieses Auslegungsergebnisses über den Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts bedarf es - entgegen der Auffassung des BFH daher nicht.
II. § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als teilweise integrierender Tatbestand Im Hinblick auf die Normstruktur und die darin zum Ausdruck kommende Gesetzestechnik enthält § 7 ErbStG - ebenso wie § 3 ErbStG - in § 7 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6 ErbStG steuerbegründende Tatbestände, die ausdrücklich auf zivilrechtlich geregelte Rechtsinstitute verweisen 319 . So werden zu Schenkungen unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG „die Bereicherung, die ein Ehegatte bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft (§ 1415 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfährt", nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG, „was als Abfindung für einen Erbverzicht (§§ 2346 und 2352 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) gewährt wird" und nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG, „was durch vorzeitigen Erbausgleich (§ 1934d des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erworben wird", erklärt. 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bedient sich im einzelnen folgender Regelungstechnik: Mit der ausdrücklichen Verweisung auf den zivilrechtlich normierten Vorgang der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft aus dem Bereich des Familienrechts (§ 1415 BGB) erhebt er einen zivilrechtlich normierten 318
Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 121. Vgl. Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 15; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 319
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Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
Sachverhalt zu einem dem Grunde nach steuerpflichtigen Vorgang, ohne sämtliche tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig schenkungsteuerlich zu regeln 320 . Dies hat ein partielles erbschaftsteuerliches Regelungsdefizit zur Folge. Da die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft nach § 1415 BGB in zivilrechtlicher Hinsicht keinen Erwerbstatbestand normiert, besteht die erbschaftsteuerliche Notwendigkeit, durch ein originär steuerrechtliches Tatbestandsmerkmal das Element eines Substanzübergangs in Ergänzung zu dem zivilrechtlichen Rechtsinstitut zu erfassen und in den schenkungsteuerlichen Ordnungsrahmen einzupassen321. Diese Normierung erfolgt abweichend vom Zivilrecht, denn danach unterliegt die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft dem Regelungsstatut der ehebedingten oder unbenannten Zuwendung 322 , die grundsätzlich keine Schenkungen i.S. des § 516 BGB darstellen 323. Für die Maßgeblichkeit des Zivilrechts bedeutet dies, daß sie sich im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG wegen der Integration der zivilrechtlichen Norm des § 1415 BGB lediglich auf die tatbestandliche Frage erstreckt, ob überhaupt eine Gütergemeinschaft formal wirksam zwischen den Ehegatten vereinbart wurde. Die weitere Beurteilung der schenkungsteuerlichen Tatbestandsvoraussetzungen, also die Frage, ob hierdurch ein Vermögenserwerb aufgrund eines Substanzübergangs ausgelöst wird, erfolgt innerhalb des schenkungsteuerlichen Ordnungsrahmens nach rein steuerlichen Gesichtspunkten324. 320
Vgl. Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7. Vgl. Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 231; Moench in: Moench, ErbStG, § 7 Rn. 205, 207. 322 Die schenkungsteuerliche Behandlung sogenannter ehebedingter Zuwendungen innerhalb des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durch den BFH war in der Vergangenheit nicht einheitlich. In der Entscheidung vom 11.06.1980 vertrat der BFH die Auffassung, bei Zuwendungen unter Ehegatten bestehe eine widerlegbare Vermutung für eine steuerpflichtige freigebige Zuwendung, vgl. BFH vom 11.06.1980 - H R 13/78 - BStBl. II 1980, S. 607 (608). In Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtsprechung des BGH zu ehebedingten Zuwendungen verneinte der BFH in der Entscheidung vom 28.1.1984 eine steuerpflichtige freigebige Zuwendung, wenn sie als Ausgleich für geleistete Mehrarbeit oder als angemessene Beteiligung an den Früchten des ehebedingten Zusammenwirkens erfolgt, vgl. BFH vom 28.11.184 - II R 133/83 - BStBl. II 1985, S. 159f. Seit der Entscheidung vom 02.03.1994 wird wieder von einer eigenständigen Beurteilung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausgegangen. Auch ehebedingte Zuwendungen werden grundsätzlich der Schenkungsteuerpflicht unterworfen, vgl. BFH vom 02.03.1994 - H R 59/92 - BStBl. II 1994, S. 366ff. 323 Vgl. BGH vom 24.03.1983 - IX ZR 62/82 - BGHZ 87, S. 145 (146); vom 27.11.1991 - I V ZR 164/90-BGHZ 116, S. 167 (169). 324 Vgl. Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 15; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 70; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 321
B. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden
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2. Auslegungsrahmen Die Normstruktur des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gibt mit seiner Verweisungstechnik ebenfalls den Rahmen für eine erforderlichenfalls vorzunehmende Auslegung vor. Soweit in dem Tatbestand die Auslegung zivilrechtlicher Begrifflichkeiten innerhalb des tradierten Rechtsinstituts der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft nach § 1415 BGB ansteht, so hat diese im Lichte des Zivilrechts zu erfolgen 325 . Dies wiederum ist Ausfluß dessen, daß sich das Erbschaftsteuergesetz einer eigenständigen Regelung von Tatbestandsmerkmalen des für besteuerungswürdig erachteten Sachverhalts enthält und diese dem Zivilrecht (Familienrecht) entlehnt. Dies hat insoweit eine Übernahme der gesamten formalen bürgerlich-rechtlichen Wertungen und Teleologien in das Erbschaftsteuerrecht zur Folge und gibt aus der strukturellen Abhängigkeit den Rahmen einer Auslegung des betreffenden Begriffs in zivilrechtlicher Hinsicht vor 3 2 6 Die sonstigen Tatbestandsmerkmale, die dem erbrechtlichen Ordnungsrahmen der Vermögensnachfolge unter Lebenden zuzuordnen sind und die Frage des Substanzübergangs als dem Grunde nach steuerpflichtigen Erwerb betreffen, sind originär erbschaftsteuerliche Begriffe und als solche unter steuerlichen Gesichtspunkten auszulegen.
III. Wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der Schenkungen unter Lebenden Bei Beantwortung der Frage, ob und inwieweit innerhalb der Tatbestände der Schenkungen unter Lebenden nach § 7 ErbStG eine steuerrechtlich motivierte wirtschaftliche Betrachtung angezeigt ist, ergeben sich entscheidende Unterschiede im Vergleich zu den Steuertatbeständen der Erwerbe von Todes wegen nach §§ 3 ff. ErbStG. Der Begriff der freigebigen Zuwendung stellt einen originär schenkungsteuerlichen Begriff dar und dient - in den Worten des BVerfG - ebenfalls der steuerlichen Erfassung des „wirtschaftlichen Vorgangs des Substanzübergangs"327. Er ist bei der Ermittlung seines Bedeutungsgehalts nach rein steuerlichen Gesichtspunkten auszulegen, da eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts nicht festgestellt werden kann. Hiermit stellt sich die Frage, ob im Rahmen einer teleologischen Auslegung eine steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich ist 3 2 8 . Dies setzt jedoch 325
Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 70. Gl. A. Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Pahlke in Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 15; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 35. 327 Vgl. BVerfG vom 15.05.1984 - 1 BvR 464/81 u.a. - BStBl. II 1984, S. 608 (612 f.). 328 Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56f.; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung 326
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
zwingend voraus, daß insbesondere der Grundtatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nach seinem Regelungszweck und dem hiervon in Abhängigkeit stehenden Ordnungsrahmen gerade nicht an die jeweilige Rechtsform anknüpft, in die der Sachverhalt - hier die maßgebliche Zuwendung - gekleidet ist (keine tatbestandliche Maßgeblichkeit des Zivilrechts). 1. Rahmenvorgaben des BVerfG Nach den Rahmenvorgaben des BVerfG zur teleologischen Auslegung steuerlicher Begriffe unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist eine solche grundsätzlich möglich, wenn ein Steuergesetz einen wirtschaftlichen Erfolg erfassen will und nicht an die privatautonome formale Sachverhaltsgestaltung anknüpft 329 : „... Die privatautonome Gestaltung des Sachverhalts durch die Parteien ist zunächst am Maßstab des jeweiligen, die Gestaltung regelnden Rechts, z.B. des Vertragsrechts, des Familienrechts, des Gewerberechts oder des Rentenrechts, zu qualifizieren und sodann dem Ergebnis der Auslegung der steuerlichen Norm zuzuordnen. Der Steuertatbestand ist erfüllt, wenn die Sachverhaltsgestaltung zu einem Erfolg führt, der nach der steuerlichen Vorschrift eine Belastung rechtfertigt. Die sog. »wirtschaftliche Betrachtungsweise', durch die dieser Zusammenhang häufig beschrieben worden ist, enthält nichts anderes als eine mißverständliche Umschreibung der steuerrechtlichen Beurteilung eines autonom gestalteten Sachverhalts. Sie rechtfertigt nicht eine außerrechtliche wirtschaftliche Beurteilung rechtlicher Sachverhaltsgestaltungen im Steuerrecht [...], sondern fordert die an den spezifischen Regelungszielen einer steuerrechtlichen Regelung und deren eigengesetzlicher Terminologie auszurichtende steuerliche Beurteilung, ob der bewirkte wirtschaftliche Erfolg einen Steuertatbestand erfüllt [...]. ..." 2. Rechtsprechung des BFH Der BFH wendet sich nicht nur innerhalb der Erwerbe von Todes wegen nach § 3 ErbStG, sondern auch innerhalb der freigebigen Zuwendungen unter Lebenden nach § 7 ErbStG gegen die Möglichkeit einer Auslegung schenkungsteuerlicher Begriffe unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Er differenziert dabei aber nicht exakt zwischen einer teleologischen Auslegung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und einer wirtschaftlichen Zurechnung von Eigentum nach § 39 AO: „... Die Klägerin meint, die Schenkung sei deshalb nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 ausgeführt worden, weil ihr Vater nach der bürgerlich-rechtlichen Übertragung des Grundstücks auf sie (die Rn. 15 f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, §5 Rn. 70; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 329 Siehe BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (214).
B. Innerhalb der Schenkungen unter Lebenden
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Klägerin) einkommensteuerrechtlich weiterhin wirtschaftlicher Eigentümer des Grundbesitzes geblieben sei. [...]. § 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes und - jetzt - § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung sind Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und daher naturgemäß auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalls anwendbar [...]. Die Steuerarten, für welche nach Ansicht der Klägerin der Begriff des wirtschaftlichen Eigentums einheitlich auszulegen ist, sind nur diejenigen, welche wirtschaftlichen Gesichtspunkten folgen. Das sind zwar die Einkommensteuer und die Vermögensteuer, nicht aber die Verkehrsteuern [...]. ..." 3 3 ° Die Entscheidung wurde in der Literatur als zu restriktiv kritisiert. Diese spricht sich vorsichtig - wenn auch ohne eigene Begründung - für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb des § 7 ErbStG in Einzelfällen
3. Stellungnahme Die Analyse des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hat insbesondere nach seiner Historie und seiner systematischen Struktur innerhalb der Regelungsmechanismen der steuerbegründenden Tatbestandsmerkmale des Erbschaftsteuergesetzes gezeigt, daß die freigebige Zuwendung gerade nicht an das entsprechende zivilrechtliche Regelungsinstitut der Schenkung nach § 516 BGB als reguläres und formales „Rechtskleid" einer unentgeltlichen Zuwendung anknüpft und damit keine Maßgeblichkeit des Zivilrechts besteht332. Erfaßt werden zwar auch Schenkungen im formalen, zivilrechtlichen Sinn. Ist eine Subsumtion des Sachverhaltes unter dieses zivilrechtliche Institut nicht möglich, wird der Sachverhalt der unentgeltlichen Zuwendung dennoch steuerlich erfaßt, wenn er unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und der jeweiligen Ergänzungstatbestände wirtschaftlich zu einer unentgeltlichen Bereicherung des Bedachten führt 333 . Daneben ist erforderlich, daß insbesondere das allgemeine Besteuerungsprinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel beachtet wird 3 3 4 . Der steuerrechtliche Begriff der freigebigen Zuwendung ist weiter gefaßt als die formale bürgerlich-rechtliche Schenkung i.S. des § 516 Abs. 1 BGB. Er bringt damit schon per se zusammen mit den Ersatz- und Ergän330
Siehe BFH vom 22.09.1982 - H R 61/80 - BStBl. II 1983, S. 179f. Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, Einführung Rn. 56f.; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7; Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, Einführung Rn. 15f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, §5 Rn. 70; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 332 Vgl. Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 7. 333 Vgl. Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 1 Rn. 6. 334 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.III.2. 331
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
Zungstatbeständen, soweit nicht ausdrücklich im Einzelfall auf das Zivilrecht verwiesen wird, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zum Ausdruck, die eine dementsprechende teleologische Auslegung einschließt335.
IV. Zwischenergebnis Mit der Normierung der freigebigen Zuwendungen unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und der weiteren Ersatz- und Ergänzungstatbestände schafft das Erbschaftsteuergesetz einen eigenen Ordnungsrahmen für die Besteuerung der unentgeltlichen und lebzeitigen Vermögensnachfolge. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale werden entweder mit originär schenkungsteuerlichen Begriffen oder dem Zivilrecht entlehnten Begriffen umschrieben. Dies schließt aber angesichts des eigenen schenkungsteuerlichen Ordnungsrahmens strukturelle Abhängigkeiten und eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts aus. Lediglich dort, wo ausdrücklich auf zivilrechtliche Rechtsinstitute verwiesen wird, werden die formalen bürgerlich-rechtlichen Wertungen in die Tatbestände des § 7 ErbStG integriert. Hieraus folgt für eine Auslegung unklarer Begriffe, daß sie - bis auf die ausdrücklich in eine Verweisung auf das Zivilrecht aufgenommenen Begrifflichkeiten - als erbschaftsteuerliche Begriffe auszulegen sind. Da schenkungsteuerlich der wirtschaftliche Sachverhalt des Substanzübergangs besteuert wird, ist insoweit auch eine steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich, sofern sie sich innerhalb der allgemeinen Besteuerungsprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes bewegt. Sie findet ihren Ausdruck bereits im Begriff der freigebigen Zuwendung, der losgelöst von den zivilrechtlichen Formen einer Vermögensübertragung auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Vermögenserwerbs und einer entsprechenden Bereicherung abstellt.
C. Strukturelle Abhängigkeiten innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG Für die Frage der Auslegung erbschaftsteuerlicher Normbegriffe und der Anwendungsmöglichkeit beziehungsweise Reichweite einer steuerlich motivierten, wirtschaftlichen Betrachtungsweise innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes ist § 13a ErbStG 336 eine zentrale Norm. Dies folgt aus dem Umstand, daß die Regelung sich in großem Umfang - und für die Systematik des geltenden Erbschaftsteuergesetzes in atypischer Weise - an ertragsteuerlichen Tatbeständen der §§ 14, 15, 16, 17 und 18 EStG und damit an 335 336
Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 70, § 13 Rn. 121, 127. Dies gilt ebenso für die korrespondierende Norm § 19a ErbStG.
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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ertragsteuerlichen Wertungen und vorgeprägten Begriffen orientiert 337 . Daneben enthält die Vorschrift aber auch Begrifflichkeiten, die in bekannter Weise dem Zivilrecht entlehnt sind. Hinsichtlich letzterer kann an die Ergebnisse der systematischen Untersuchung der steuerpflichtigen Tatbestände nach §§ 3, 7 ErbStG angeknüpft werden. Vergegenwärtigt man sich, daß das Ertragsteuerrecht systematisch die steuerliche Erfassung laufender Einkünfte beziehungsweise mit den entsprechenden Gewinnrealisierungs- und Entstrickunestatbeständen die Schlußbesteuerung betrieblich gelegter stiller Reserven bezweckt , das Erbschaftsteuergesetz hingegen die Bereicherung aufgrund einer unentgeltlichen Zuwendung erfaßt, ist ein Kernproblem der folgenden Untersuchung umrissen: Die Auslegung ertragsteuerlich vorgeprägter Begrifflichkeiten und damit auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise als Unterfall der teleologischen Auslegung im Gegensatz zu einer formalen Betrachtungsweise ist wesentlich beeinflußt vom jeweiligen Gesetzeszweck. Dieser Grundsatz gilt sowohl für das Gesamtkonzept eines Einzelgesetzes wie auch für eine einzelne Norm und beansprucht auch im Erbschaftsteuergesetz seine Gültigkeit.
I. Gesetzeshistorie § 13a ErbStG enthält ein umfassendes Regelungswerk zur erbschaftsteuerlichen Erfassung und Begünstigung von unentgeltlich erworbenem Betriebsvermögen im weiteren Sinn. Bis zum 31.12.1993 wurde den vereinzelten Forderungen 339 nach einer privilegierten Besteuerung von unternehmerischem Vermögen aus Gründen einer verminderten Leistungsfähigkeit des unentgeltlichen Erwerbers im Vergleich zu reinem Privatvermögen nur vereinzelt Rechnung getragen 340. Bis zum 31.12.1992 wurde das Betriebsvermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 12 Abs. 5 ErbStG in Verbindung mit den Vorschriften des Bewertungsgesetzes mit einem Einheitswert angesetzt, der einen reinen Substanz- und keinen 337
Vgl. hierzu Crezelius, DB 1997, S. 1584 (1589); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 250ff.; ders., ZEV 1996, S. 97 (noch zu § 13 Abs. 2a ErbStG a.F.); Nonhoff in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaftund Ertragsteuerrecht, Rn. 566; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 338 Vgl. hierzu Jakob, Einkommensteuer, § 4 Rn. 179, 181; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 7 IV.; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 438 ff. 339 Vgl. hierzu insbesondere Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 764 ff. 340 So wurde im Jahre 1994 mit § 28 ErbStG eine Stundung der Erbschaftsteuer bei unentgeltlichen Erwerben von Betriebsvermögen und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen eingeführt. Die Gewährung einer Stundung auf Antrag stand und steht auch heute noch - unter der strengen Voraussetzung der Notwendigkeit für die Erhaltung des Betriebs. Daß § 28 ErbStG im Ergebnis nur unzureichend der verminderten Leistungsfähigkeit eines Erwerbers unternehmerisch gebundenen Vermögens Rechnung trägt, zeigt sich insbesondere an der fehlenden Einbeziehung von Anteilen an Kapitalgesellschaften.
1 0 2 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes Ertrags wert verkörperte 341. Mit den Änderungen durch das Steueränderungsgesetz 1992 (StÄndG) vom 25.02.1992342 wurde die Übernahme der Steuerbilanzwerte des Betriebsvermögens auch für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung ab dem 01.01.1993 eingeführt. Hiermit wurde eine steuerliche Entlastung von Betriebsvermögen innerhalb ertragsunabhängiger Steuern insoweit angestrebt343, als durch die Übernahme der Steuerbilanzwerte die betrieblich gelegten stillen Reserven nicht mehr in der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage enthalten sind (Grundsatz der Maßgeblichkeit der Steuerbilanz, Bestands- und Bewertungsidentität)344. Durch das Standortsicherungsgesetz (StandOG) vom 13.09.1993 345 wurde mit § 13 Abs. 2a ErbStG für bestimmte steuerpflichtige Erwerbe 346 nach dem 31.12.1993 erstmals ein Freibetrag für Betriebsvermögen 347 innerhalb eines Zehnjahreszeitraums in Höhe von D M 500.000 eingeführt. Schon nach der damaligen Gesetzesbegründung sollte mit diesem Freibetrag der gesteigerten Sozialpflichtigkeit des Betriebsvermögens gegenüber sonstigem (Privat-)Vermögen Rechnung getragen werden 348 . Als „Mißbrauchsverhinderungsklausel" 349 enthielt § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG eine sogenannte Behaltens- oder Nachsteuerregelung. Die Gewährung des Freibetrags wurde an die Bedingung geknüpft, daß der Erwerber begünstigten Betriebsvermögens dieses mindestens fünf Jahre lang als unternehmerisch gebundenes Vermögen fortführt 350 . Die Verwirklichung eines dieser Nachsteuertatbe341
Vgl. zur Kritik Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 764. Vgl. hierzu auch 2. Kapitel, C.III. 342 BGBl. I 1992, S. 297. 343 Vgl. BT-Drucks. 12/1108, S. 72. 344 Vgl. Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 12 Rn. 648ff.; Meincke, ErbStG, § 12 Rn. 131 ff. 345 BGBl. I 1993, S. 1569. 346 Als begünstigte Erwerbsart kam neben einem Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nach § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 ErbStG insbesondere nach §13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb aufgrund eines Erbanfalls i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Es fiel aber hierunter ausdrücklich nur der Erwerb durch Erbanfall und nicht jeglicher Erwerb von Todes wegen nach § 3 ErbStG. 347 Der Freibetrag konnte nach § 13 Abs. 2a Satz 1 ErbStG nur bei einem Erwerb von Betriebsvermögen i.S. des § 12 Abs. 5 ErbStG in Anspruch genommen werden. Als Betriebsvermögen in diesem Sinne wurde lediglich das Betriebsvermögen eines Einzeluntemehmens oder einer Gemeinschaft angesehen, an der der Zuwender als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG beteiligt war, vgl. Meincke, ErbStG, 10. Auflage, § 13 Rn. 61. Anteile an Kapitalgesellschaften waren selbst dann nicht als Betriebsvermögen i.S. des § 13 Abs. 2a ErbStG erfaßt, wenn es sich um eine wesentliche Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. oder um einbringungsgeborene Anteile nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG handelte. 348 Vgl. BR-Drucks. 1/93, S. 49. 349 Vgl. Weinmann, DStR 1993, S. 1237 (1242). 350 Der Freibetrag entfiel rückwirkend, wenn der erworbene Gewerbebetrieb, Teilbetrieb, Anteil an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, der
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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stände durch den Steuerpflichtigen innerhalb dieser Frist hatte einen Wegfall des ursprünglich gewährten Freibetrags zur Folge 351 . Mit dem Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995352 wurde ein zusätzlicher Bewertungsabschlag in Höhe von 25% mit Wirkung zum 01.01.1996 eingeführt. Daneben wurden die Begünstigungen des § 13 Abs. 2a ErbStG auf Anteile an Kapitalgesellschaften ausgeweitet, sofern sie eine Beteiligung von mindestens 25% am Nennbetrag der Gesellschaft vermittelten. Es bestand aber kein Gleichklang zwischen § 13 Abs. 2a ErbStG und § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F., der für eine steuerverstrickte wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft eine Beteiligung von mehr als 25% am Nennkapital erforderte 353. Der Gesetzgeber reagierte auf die Forderungen des BVerfG aus den Einheitswertbeschlüssen354 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer mit dem Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 355 und führte neben einer Novellierung des Bewertungsrechts für Grundvermögen umfangreiche Neuregelungen in das bis dato geltende Erbschaftsteuergesetz ein 3 5 6 . Mit dem neu in das Gesetz aufgenommenen § 13a ErbStG wurden gegenüber der Vorläufernorm § 13 Abs. 2a ErbStG bestehende Vergünstigungen für unentgeltlich übertragenes Betriebsvermögen ausgeweitet beziehungsweise neu eingefügt 3 5 7 . Als flankierende Entlastung folgte mit der Einführung des § 19a ErbStG eine tarifliche Begünstigung, wonach unabhängig von der verwandtschaftlichen Nähe des betreffenden Erwerbers im Ergebnis hinsichtlich des erworbenen Betriebsvermögens stets eine Besteuerung nach der günstigsten Steuerklasse I erfolgt.
Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA oder eines Anteils hieran veräußert wurde, wobei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs dessen Aufgabe gleichgestellt war. Daneben durften die wesentlichen Betriebsgrundlagen weder veräußert, noch ins Privatvermögen übernommen werden. 351 Vgl. Meincke, ErbStG, 10. Auflage, § 13 Rn. 69. 352 BGBl. I 1995, S. 1250. 353 Vgl. Hübner, NWB Fach 10, S. 701 (705); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 233; ders. t ZEV 1996, S. 97 (101); Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 34 f. 354 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.I.4.c). 355 BGBl. I 1996, S. 2049. 356 Nach einer zeitweiligen Diskussion über die Einführung einer Nachlaßsteuer in der damaligen Koalition (CDU/CSU und F.D.P.) blieb es bei der grundsätzlichen Ausgestaltung der deutschen Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer mit einer ergänzenden Schenkungsteuer, vgl. Crezelius, DB 1997, S. 1584. 357 Es ist allerdings zu bezweifeln, ob die sehr weitreichende steuerliche Privilegierung einer einzelnen Vermögensart in Einklang mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 GG steht, vgl. Crezelius, DB 1997, S. 1584; Moench, DStR 1996, S. 725ff.; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 371.
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
II. Inhalt der Vorschrift 1. Begünstigte Erwerbe - § 13a Abs. 1 ErbStG Nach § 13a Abs. 1 ErbStG ist der Anwendungsbereich der Norm für sämtliche nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen und Erwerbe im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge eröffnet 358 . Als Erwerbe von Todes wegen kommen insbesondere im Hinblick auf die Vererbung von Gesellschaftsanteilen in Betracht 359: der Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Wege des Vonselbsterwerbs nach § 1922 BGB, der Erwerb durch ein Vermächtnis 360 nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und der Erwerb durch einen auf dem Gesellschaftsvertrag beruhenden Übergang des Anteils an einer Personengesellschaft auf die verbleibenden Altgesellschafter nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG (Anwachsungserwerb).
2. Freibetrag - § 13a Abs. 1 ErbStG Für einen begünstigten Erwerb innerhalb eines Zehnjahreszeitraums gewährt § 13a Abs. 1 ErbStG einen Freibetrag in Höhe von D M 500.000 für privilegiertes Betriebsvermögen. Der Freibetrag wird auf das gesamte begünstigte Vermögen nur einmal unabhängig von der Anzahl der Erwerber gewährt, wobei bei einem Erwerb von Todes wegen nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei einer Erbenmehrheit die Zuteilung des Freibetrags von der Zuweisung ganz oder in Teilen an die einzelnen Erben durch den Erblasser abhängt 361 . 358
Vgl. Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 5 ff.; GebeU Betriebsvermögen und Unternehmernachfolge, Rn. 137, 464f.; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 6ff., 19ff.; Meincke, ErbStG, § 13a Rn. 6, 10; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 41 ff.; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 19 ff. 359 Daneben zählt auch der Erwerb innerhalb einer Vor- und Nacherbschaft nach § 6 ErbStG, durch eine vom Erblasser angeordnete Stiftung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG und der Erwerb im Rahmen der Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage oder Bedingung nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG zu den begünstigten Erwerben. 360 Die Vorgängerregelung § 13 Abs. 2a ErbStG nahm noch den Erwerb im Wege eines Vermächtnisses nach § 2147 BGB (und damit auch das Vorausvermächtnis) von den begünstigten Erwerben aus. Dies stieß im Schrifttum insoweit auf Kritik, als der mit einem Vermächtnis belastete Erbe als unmittelbarer Erwerber des Betriebsvermögens den Freibetrag in Anspruch nehmen konnte, der Vermächtnisnehmer, der letztlich das Betriebsvermögen fortführte, hingegen leer ausging, vgl. Felix, BB 1994, S. 477 (478); Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 42. 361 Hat der Erblasser keine derartige Zuteilung verfügt, richtet sich der Freibetrag entsprechend der gesetzlichen Regelung nach der testamentarischen oder gesetzli-
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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Der Freibetrag nimmt damit eine „Zwitterstellung" zwischen einem sachlichen und einem persönlichen Freibetrag ein. Da § 13a Abs. 1 ErbStG zum Teil auf den Kreis der Begünstigten in Abhängigkeit von dem jeweiligen Erwerbsvorgang abstellt, enthält er Elemente eines persönlichen Freibetrags. Der Freibetrag kommt andererseits nur auf das nach § 13a Abs. 4 ErbStG begünstigte Vermögen zur Anwendung, wodurch das Element eines sachlichen Freibetrags unterstrichen wird 3 6 2 und Bezüge zu einer Nachlaßsteuer hergestellt werden. 3. Bewertungsabschlag - § 13a Abs. 2 ErbStG § 13a ErbStG sieht für begünstigte Erwerbe einen Bewertungsabschlag in Höhe von 40% vor. Rechnerisch wird der Bewertungsabschlag nach dem Abzug des Freibetrags gemäß § 13a Abs. 1 ErbStG vom steuerlichen Wert des übergegangenen Betriebsvermögens und vor den nach § 10 Abs. 3 bis Abs. 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlaß Verbindlichkeiten und dem persönlichen Freibetrag abgezogen. Der Bewertungsabschlag muß nicht auf die einzelnen Erwerber verteilt werden, da er vom Wert des übertragenen Vermögens insgesamt abgesetzt wird 3 6 3 . 4. Weitergabeverpflichtung - § 13a Abs. 3 ErbStG Ist der ursprüngliche Erwerber begünstigten Vermögens gezwungen, dieses ganz oder zum Teil aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten zu übertragen 364, so kann er die erbschaftsteuerlichen Privilegierungen im Ergebnis nicht in Anspruch nehmen. Die Begünstigungen gehen vielmehr auf den Dritten nach § 13a Abs. 3 ErbStG über. Dies ist insoweit konsequent, als nach den Vorgaben des BVerfG die privilegierte unentgeltliche Übertragung sozialgebundenen Betriebsvermögens mit dessen unternehmerischer Fortführung verbunden sein soll 3 6 5 , was nur vom jeweiligen Letzterwerber verwirklicht werden kann 3 6 6 . chen Erbquote der einzelnen Erben oder wird ansonsten den Erben zu gleichen Teilen zugewiesen, vgl. hierzu Meincke, ErbStG, § 13a Rn. 5, 8ff.; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 53, 56; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 69 ff. 362 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 31; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 14; Weinmann, DStR 1993, S. 1237 (1239). 363 Vgl. Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 44; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 71 f.; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 106. 364 Als rechtsgeschäftliche Weitergabeverpflichtungen i.S. des § 13a Abs. 3 ErbStG gelten die Verpflichtung aufgrund eines Vermächtnisses und eines Schenkungsversprechens auf den Todesfall. 365 Vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671 (674).
1 0 6 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes 5. Begünstigtes Vermögen - § 13a Abs. 4 ErbStG Durch § 13a Abs. 4 ErbStG wird das begünstigte Vermögen festgelegt. Erfaßt werden drei Gruppen von Betriebsvermögen: inländisches Betriebsvermögen, Anteile an einer Kapitalgesellschaft, sofern der Erblasser zu mehr als 25% am Nennkapital beteiligt war, und inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen 367 .
a) Betriebsvermögen
- § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG
Nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG unterliegt nur inländisches368 Betriebsvermögen den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen. Über die Verweisung in § 12 Abs. 5 ErbStG auf §§ 95ff. BewG zählt zum Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG das einem Gewerbebetrieb dienende Vermögen 3 6 9 nach § 95 BewG und Betriebsvermögen 370 in der Form von Beteiligungen an Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG. Einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens können allein nicht begünstigt übertragen werden 371, auch wenn sie beim Erwerber weiter in einer betrieblichen Sphäre verbleiben. Sie sind für sich genommen in der Lesart des BVerfG 372 aus dem maßgeblichen Einheitswertbeschluß keine organisatorische Einheit unternehmerisch gebundenen Betriebsvermögens, sondern lediglich ein unselbständiger Teil hiervon. Entscheidend ist, daß die Einzelwirtschaftsgüter nur insgesamt oder zumindest anteilig im Rahmen eines Erwerbs eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbe366 Daneben wird durch einen Übergang der Begünstigungen ein sogenannter „Kaskadeneffekt" vermieden, der bei einem begünstigten Erwerber und einem ebenso begünstigten Zweiterwerber aufgrund einer Weitergabeanordnung des Zuwenders (z.B. Vermächtnis) eintreten würde, vgl. Jülicher, DStR 1995, S. 1903 (1905); Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 43; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 111. 367 Das land- und forstwirtschaftliche Vermögen bleibt wegen seiner erbschaftsteuerlichen Sonderrolle außer Betracht. 368 Ygi z u europarechtlichen Aspekten dieser Beschränkung Dautzenberg/Brüggemann, BB 1997, S. 123 (130). 369
Dem Gewerbebetrieb steht das Vermögen gleich, das nach § 96 BewG der Ausübung eines freien Berufs dient. 370 Vgl. Gebel, Betriebsvermögen und Untemehmemachfolge, Rn. 61; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 141. Über den Grundsatz der Bestandsidentität nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BewG muß das Vermögen ebenfalls nach der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung als Betriebsvermögen anzusehen sein. 371 Vgl. Gebel, Betriebsvermögen und Untemehmemachfolge, Rn. 141; ders., BB 1995, S. 2611 (2614); Hübner, DStR 1995, S. 197 (198); Jülicher in: Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 132. 372 Vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671 (674).
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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triebs oder eines Anteils an einer Mitunternehmerschaft übertragen werden können. Das Erfordernis des Übergangs eines Gesellschaftsanteils in der Qualifikation eines Anteils an einer ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaft oder zumindest eines Anteils daran hat aber andererseits zur Folge, daß Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters ebenfalls zu dem begünstigten Vermögen zählen, sofern sie zusammen mit dem Gesellschaftsanteil übertragen werden 373. b) Anteile an Kapitalgesellschaften
- § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG
Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind nach § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG begünstigt, wenn es sich bei der Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat 3 7 4 . Weiter ist für eine Privilegierung des Anteils erforderlich, daß der Zuwender zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zu mehr als 25% am Nennkapital der Gesellschaft unmittelbar beteiligt war 3 7 5 . 6. Nachsteuertatbestände - § 13a Abs. 5 ErbStG Die Nachsteuerregelung gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG unterstreicht in ihrer Eigenart den Gesetzeszweck des § 13a ErbStG. Die Begünstigungen in Form des Freibetrags und des Bewertungsabschlags für unternehmerisch und damit sozial gebundenes Vermögen wurden eingeführt, um die Belastung mit Erbschaftsteuer in der sich natürlicherweise ereignenden Generationenfolge im Gegensatz zu Privatvermögen auf ein Maß zu reduzieren, das eine ungehinderte Fortführung des Betriebsvermögens in einem unternehmerischen Verbund gewährleistet 376. Die Belastung mit Erbschaftsteuer im Fall der vorweggenommenen Erbfolge beziehungsweise im Erbfall darf nicht zu einer Zerschlagung der unternehmerischen Einheit führen, um mit 373 Vgl. BFH vom 19.03.1991 - VIII R 76/87 - BStBl. II 1991, S. 635 (636); vom 31.08.1995 - VIII B 21/93 - BStBl. II 1995, S. 890 (892f.); Crezelius, DB 1997, S. 1584 (1585); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 135. Vgl. zur Frage der erbschaftsteuerlichen Behandlung der Nachfolge in Sonderbetriebsvermögen bei der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften 4. Kapitel, A.I.2.b), II.2.d). 374 Als Gesellschaftsformen kommen die GmbH, die AG und die KGaA in Betracht, vgl. Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 36. 375 Nach der Vorläufernorm § 13 Abs. 2a ErbStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 war lediglich eine Beteiligung von mindestens 25% am Nennkapital der Gesellschaft erforderlich. Dies hatte bis 1996 zur Folge, daß Anteile an einer Kapitalgesellschaft bei einer Beteiligung von genau 25 % erbschaftsteuerlich privilegiert übertragen werden konnten, obwohl die Anteile entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a. F. nicht als wesentliche Beteiligungen ertragsteuerverstrickt waren, vgl. Hübner, NWB Fach 10, S. 701 (705); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 233. 376 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 243.
1 0 8 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes dem Veräußerungserlös die Steuerschuld tilgen zu können. Dagegen dürfen die Begünstigungen Erwerbern von Betriebsvermögen im Ergebnis nicht zugute kommen, die trotz Inanspruchnahme der Privilegierungen die erworbene unternehmerische Einheit nicht als solche in einem Sozialpflichtigen Rahmen fortführen 377, das heißt den sachlichen oder persönlichen Betriebszusammenhang lösen 378 . Die Behaltens- oder Nachsteuerregelungen nach § 13a Abs. 5 ErbStG verfolgen diesen Gesetzeszweck konsequent. Im Ergebnis versagen sie Erwerbern begünstigten Vermögens die Vergünstigungen 379, wenn von diesen nach dem Erwerb innerhalb von fünf Jahren Tatbestände verwirklicht werden, die einer vom Gesetz intendierten Fortführung des Betriebsvermögens entgegenstehen380. § 13a Abs. 5 ErbStG unterscheidet dabei zwischen Behaltensregelungen für Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3 ErbStG und für Anteile an Kapitalgesellschaften nach § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG. Nicht alle denkbaren Verfügungen eines Erwerbers begünstigten Betriebsvermögens innerhalb der Behaltensfrist lösen einen Wegfall der beim Erwerb gewährten Begünstigungen aus 381 . Erforderlich ist die Verwirklichung eines der in § 13a Abs. 5 ErbStG abschlie377
Vgl. hierzu Bareis/Elser, DStR 1997, S. 557 (560ff.); Christoffel, DStR 1997, S. 265 (269); Hübner, NWB Fach 10, S. 787. 378 Vgl. Gebel, BB 1997, S. 811 (812 ff.). 379 Technisch werden den Erwerbern die Steuerbegünstigungen materiell vorläufig gewährt. Die Rechtsfolgen der Verwirklichung eines der Nachsteuertatbestände ergeben sich aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, vgl. Christoffel in: Christoffel/ Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 83; Gebel, UVR 1994, S. 172 (179); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 248; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 48.1. 380 V g l weinmann, DStR 1993, S. 1237 (1242); Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 83; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 243. 381 Seit dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990 wird die Erbauseinandersetzung nach der Aufgabe der Einheitstheorie als ein gegenüber dem Erbanfall selbständig an den ertragsteuerlichen Tatbeständen zu messender Vorgang angesehen, vgl. BFH vom 05.07.1990 - GrS 2/89 - BStBl. II 1990, S. 837 (841). Nach einer Kemaussage der Entscheidung ist die Realteilung eines Nachlasses bestehend aus Betriebsvermögen ertragsteuerneutral möglich, solange unter den Erben keine Leistungen erbracht werden, die einen über der Erbquote des einzelnen Miterben liegenden Mehrerwerb ausgleichen. Derartige Zahlungen führen hinsichtlich des Mehrerwerbs zu einer Gewinnrealisierung, das heißt zu einem Anschaffungsvorgang beim Erwerber und einem steuerpflichtigen Veräußerungserlös bei den übrigen Miterben. Übernimmt man diese ertragsteuerliche Wertung wegen der Anlehnung der Nachsteuertatbestände an das Ertragsteuerrecht in § 13a Abs. 5 ErbStG, wäre eine Nachversteuerung bei Übertragungen von Betriebsvermögen unter den Miterben innerhalb einer Erbauseinandersetzung bei einer überquotalen Zuweisung gegen Ausgleichszahlungen unvermeidlich, vgl. Gebel, BB 1995, S. 2611 (2613 ff.); ders. y Betriebsvermögen und Untemehmemachfolge, Rn. 298; vgl. aber R 62 Abs. 2 Nr. 2 ErbStR.
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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ßend 382 aufgezählten Tatbestände, die weitgehend den ungeschriebenen ertragsteuerlichen Entstrickungstatbeständen nachgebildet sind 383 .
III. Maßgeblichkeit des Zivil- oder Ertragsteuerrechts und Auslegungsrahmen § 13a ErbStG enthält eine komplexe Regelung zur erbschaftsteuerlichen Begünstigung einer bestimmten Vermögensart („Betriebsvermögen") und ist mit diesem - aus der Verfassung abgeleiteten384 - Gesetzeszweck tief in das erbschaftsteuerliche Regelungswerk eingebettet. Bereits bei der Darstellung der Regelungen der Norm wurde allerdings die partielle strukturelle Anlehnung an zivilrechtliche beziehungsweise ertragsteuerliche Regelungen deutlich. Betroffen ist aus zivilrechtlicher Sicht insbesondere der Ordnungsrahmen, in dem sich die dingliche Neuzuordnung von Vermögenspositionen bei einer todesbedingten Vermögensnachfolge vollzieht. Aus ertragsteuerlicher Sicht sind die Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbestände zur Durchführung einer Schlußbesteuerung bei der Aufgabe eines unternehmerischen Engagements in den Blick zu nehmen 385 , da insbesondere die Nachsteuertatbestände des § 13a Abs. 5 ErbStG diesen Tatbeständen nachgebildet sind 386 . Dies wiederum führt in der Praxis zu großen Auslegungsschwierigkeiten 387, wobei angesichts der noch jungen Rechtsmaterie auf höchstrichterliche Rechtsprechung nicht zurückgegriffen werden kann. Die Bestimmung eines abstrakten Auslegungsrahmens für § 13a ErbStG muß ebenfalls - wie bei den steuerpflichtigen Erwerben nach §§ 3 ff., 7 ErbStG - von einer Analyse der einzelnen Tatbestände auf eine strukturelle Berührung mit dem Zivil- oder Ertragsteuerrecht ausgehen, um aus systematischen oder teleologischen Kriterien eine mögliche Maßgeblichkeit des Zivil- oder Ertragsteuerrechts für einzelne Tatbestände dieser Bewertungsvorschrift herauszuarbeiten. Nach der Gesetzessystematik des § 13a ErbStG werden folgende zwei Tatbestandsgruppen beispielhaft 382
Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 48.1. Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 81 ff.; Jülicher in: Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 244; Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 93 ff. 384 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.I.4.c). 385 Vgl. BFH vom 29.10.1981 - IV R 138/78 - BStBl. II 1982, S. 381 (383); vom 13.12.1983 - VIII R 90/81 - BStBl. II 1984, S. 474 (478 ff.); Reiß in: Kirchhof/Söhn, EStG, Band 10, § 16 Rn. F 66ff.; Schmidt in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 175. 386 Vgl. Gebel, Betriebsvermögen und Unternehmernachfolge, Rn. 149; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 244, 250ff. 387 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 244, 254; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 82; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 383
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3. Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes
auf ihre strukturellen Abhängigkeiten von zivil- oder ertragsteuerrechtlichen Regelungen und die Folgerungen für den abstrakten Auslegungsrahmen untersucht: - § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 ErbStG als Tatbestand mit dem Zivilrecht entlehnten Begriffen und - § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als teilweise integrierender Tatbestand mit daneben dem Ertragsteuerrecht entlehnten Begriffen. 1. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 ErbStG Als eine begünstigte Erwerbsart bestimmt § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 ErbStG den Erwerb von Betriebsvermögen im Wege einer „vorweggenommenen Erbfolge" 388 . Die inhaltliche Ausfüllung dieses typologischen Begriffs war längere Zeit umstritten 389. Der Begriff der vorweggenommenen Erbfolge ist zwar dem Zivilrecht entlehnt (§ 593a BGB, § 17 HöfeO), das Erbschaftsteuergesetz verweist aber nicht ausdrücklich auf das entsprechende bürgerlich-rechtliche Rechtsinstitut. Die Begrifflichkeit wird aber allerdings auch nicht eigenständig erbschaftsteuerlich definiert 390 , sondern stellt vielmehr einen Unterfall der freigebigen Zuwendung unter Lebenden i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. a) Maßgeblichkeit des Zivilrechts Eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts innerhalb des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 ErbStG besteht nicht. Die Norm gewährt die Begünstigungen für Betriebsvermögen lediglich unter der Voraussetzung eines dem Grunde nach steuerpflichtigen Erwerbs unter Lebenden, was insoweit eine tatbestandliche Anknüpfung an § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG enthält 391 . Innerhalb dieses Tatbestands kann aber ebenfalls keine Maßgeblichkeit des Zivilrechts festgestellt werden, da er sich zur Umschreibung seiner tatbestandlichen Voraussetzungen originär steuerrechtlicher Begrifflichkeiten bedient 392 . Die Erwerbe durch freigebige Zuwendungen unter Lebenden sind durch ihren Grundtatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und die Ergän388 Unproblematisch ist der Erwerbstatbestand § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG, der auf die Erwerbe von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG verweist. Für die Maßgeblichkeit des Zivilrechts und den hiervon in Abhängigkeit stehenden Auslegungsrahmen gelten insoweit die Ausführungen im 3. Kapitel, A.I.I., 2. 389 Vgl. Felix, BB 1994, S. 477 (479). 390 Vgl. hierzu Gebel, UVR 1994, S. 172 (173); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 81; Korn, KÖSDI 1993, S. 9542 (9559); Schauhoff, ZEV 1994, S. 154 (155); Weinmann, DStR 1993, S. 1237 (1240 f.). 391 Vgl. Meincke, ErbStG, § 13a Rn. 10; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 375. 392 Vgl. hierzu 3. Kapitel, B.I.l.
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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zungstatbestände in einen originär erbschaftsteuerrechtlichen Ordnungsrahmen eingefügt, womit sich keine systematische Notwendigkeit für einen Rückgriff auf den entsprechenden zivilrechtlichen Ordnungsrahmen stellt. b) Auslegungsrahmen Da es sich bei dem Begriff der vorweggenommenen Erbfolge systematisch um einen erbschaftsteuerlichen Begriff handelt, muß dieser konsequenterweise nach der hier vertreten Auffassung in Anlehnung an den methodologischen Ansatz des BVerfG allein unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden 393 . Unter den Begriff der „vorweggenommenen Erbfolge" fallen nach bürgerlich-rechtlichem Verständnis diejenigen Erwerbe unter Lebenden, bei denen ein Vermögensinhaber sein gesamtes Vermögen oder wesentliche Teile hiervon im Hinblick auf ein zukünftiges gesetzliches oder testamentarisches Erbrecht des Erwerbers überträgt 394. Dieser Ausgangspunkt entspricht zwar grundsätzlich auch dem erbschaftsteuerlichen Verständnis; es genügt jedoch in steuerlicher Hinsicht, wenn der Zuwender auch nur einzelne Vermögensgegenstände überträgt 395. Wegen der dem Grunde nach unbeschränkbaren Testierfreiheit eines zukünftigen Erblassers 396 kann aber grundsätzlich jede lebzeitige Zuwendung von Vermögen als Zuwendung im Hinblick auf ein zukünftiges Erbrecht des Erwerbers angesehen werden, und zwar gerade unabhängig von der konkreten verwandtschaftlichen Beziehung zum Schenker 397. 393
Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 48; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 375; a.A. wohl Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 19, die auch insoweit auf eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuergesetz abstellen. 394 Vgl. BGH vom 30.01.19991 - IV ZR 299/89 - NJW 1991, S. 1345; vom 01.02.1995 - IV ZR 36/94 - NJW 1995, S. 1349 (1350). 395 Vgl. BFH vom 05.07.1990 - GrS 4/89-6/89 - BStBl. II 1990, S. 847 (851); vom 08.12.1993 - H R 61/89 - BFH/NV 1994, S. 373 (375); Meincke, ErbStG, § 7 Rn. 3; Ehlig, DStR 1996, S. 1629f.; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 231; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 81. 396 Das bestimmende Motiv des Schenkers, eine Zuwendung im Hinblick auf ein zukünftiges Erbrecht auszuführen, bewirkt in erbschaftsteuerlicher Hinsicht, daß nicht zu einer vorweggenommenen Erbfolge gehört, was bei der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erworben wird und was bei Auflösung einer Stiftung oder bei der Auflösung eines Vereins nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zuwächst, vgl. Meincke, ErbStG, § 13a Rn. 10. Die Eigenart dieser steuerpflichtigen Erwerbe schließt es aus, daß der Zuwender sie im Hinblick auf ein zukünftiges Erbrecht des Empfängers tätigt. 397 Vgl. Korn, KÖSDI 1993, S. 9542 (9559); Schauhoff, ZEV 1994, S. 154 (155 f.).
1 1 2 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes Es ist somit in der Praxis davon auszugehen, daß grundsätzlich jede lebzeitige Zuwendung an Erwerber der Steuerklasse I wegen des nahen Angehörigenverhältnisses im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge erfolgt 398 . In allen übrigen Fällen muß aufgrund von äußeren Umständen (z.B. konkrete Vereinbarung zwischen den Parteien oder tatsächliche Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 ErbStG) auf ein entsprechendes inneres Motiv des Zuwenders geschlossen werden. Daß im Bereich der Vorwegübertragung von Betriebsvermögen innerhalb des § 13a ErbStG an das Moment des Verwandtschaftsverhältnisses nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden können, zeigt die Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG. Danach wird bei einem entsprechenden Erwerb stets und unabhängig von der verwandtschaftlichen Nähe zum Zuwender eine Besteuerung nach der (günstigsten) Steuerklasse I vorgenommen399. Im praktischen Ergebnis heißt dies, daß jede Zuwendung (von Betriebsvermögen) an wen auch immer ein Zuwendung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge i.S. des § 13a Abs. 1 ErbStG darstellt. 2. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG Die Behaltens- oder Nachsteuerregelung des § 13a Abs. 5 ErbStG ordnet unter bestimmten Voraussetzungen den nachträglichen Wegfall der gewährten Vergünstigungen an, sofern der Erwerber typisierte Tatbestände verwirklicht, die auf eine Aufgabe seines unternehmerischen Engagements und somit auf eine Beendigung der Sozialgebundenheit des erworbenen Betriebsvermögens schließen lassen 400 . Die einzelnen Tatbestände verweisen dabei zum Teil direkt auf Tatbestände des Einkommensteuergesetzes (§§ 15, 18 EStG) und des Umwandlungssteuergesetzes (§§ 3 bis 16, 20 Abs. 1, § 24 Abs. 1 UmwStG), enthalten ertragsteuerlich vorgeprägte Begriffe (z.B. „wesentliche Betriebsgrundlage", „Privatvermögen") und lehnen sich augenfällig an Gewinnrealisierungs- (§§ 14, 16, 17 EStG) und entsprechende ungeschriebene Entstrickungstatbestände401 des Einkommensteuerrechts an, ohne jedoch ausdrücklich auf erstere zu verweisen 402 . Die Behaltensregel § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG regelt die Nachsteuertatbestände, denen ein Erwerber begünstigten Betriebsvermögens i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG unterliegt. Dieser Erwerber verliert rückwirkend die nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG gewährten Begünstigungen (Freibetrag, Bewertungsabschlag), wenn er den erworbenen Betrieb, Teilbetrieb oder Anteil an einer Mitunternehmerschaft 398
Vgl. insbesondere Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rn. 22; Moench, ZEV 1995, S. 50 (53 f.); a. A. Weinmann, DStR 1993, S. 1237 (1241). 399 Vgl. hierzu Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 23; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 48. 400 Vgl. hierzu BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671 (674); Meincke, ErbStG, § 13a Rn. 21. 401 Vgl. Schmidt in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 175. 402 Vgl. Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 183; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 250; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388.
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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veräußert, den Betrieb aufgibt, wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert oder das erworbene Betriebsvermögen nach Umwandlungsgrundsätzen in eine Kapitalgesellschaft einbringt und die dabei entstehenden einbringungsgeborenen Anteile innerhalb von fünf Jahren nach dem ursprünglichen Erwerb veräußert 403. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG bedient sich im einzelnen folgender Regelungstechnik: Zum einen wird zur sachlichen Qualifikation des erworbenen Vermögens als begünstigtes Betriebsvermögen unmittelbar auf Normen des Ertragsteuerrechts verwiesen (z.B. § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG). Zum anderen werden zur Umschreibung begünstigungsschädlicher Verfügungen ertragsteuerlich vorgeprägte Begrifflichkeiten verwendet (z.B. „wesentliche Betriebsgrundlage") beziehungsweise wird direkt auf ertragsteuerliche Normen verwiesen (z.B. §§ 20, 24 UmwStG). Auch hier stellt sich die Frage, wie diese Gesetzestechnik systematisch einzuordnen ist, und welche Schlüsse hieraus für einen gegebenenfalls existierenden Grundsatz der „Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts" zu ziehen sind. a) Maßgeblichkeit
des Ertragsteuerrechts
Zieht man die Grundsätze, die eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts innerhalb der steuerpflichtigen Erwerbe nach §§ 3, 7 ErbStG begründet haben, analog auf die Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG und übertragen auf das Ertragsteuerrecht heran, so kann sich eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts nur unter folgenden Prämissen ergeben 404: - Das Erbschaftsteuergesetz (hier die Bewertungsvorschrift § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) steckt für seinen Regelungskreis keinen eigenen Ordnungsrahmen als komplexes und in sich abgeschlossenes Normengefüge ab, sondern tradiert diesen beziehungsweise einzelne Segmente aus einem anderen Rechtsgebiet (hier dem Ertragsteuerrecht) mit einem deckungsgleichen oder vergleichbaren Ordnungsrahmen (direkte Verweisung, integrierender Tatbestand). - Das Erbschaftsteuerrecht verwendet zur Umschreibung einzelner Tatbestandsmerkmale Begrifflichkeiten des Ertragsteuerrechts und gibt aus seiner Systematik heraus zu erkennen, daß es die entlehnten Normbegriffe nicht im Sinne des Erbschaftsteuerrechts, sondern im Sinne des entlehnten Rechtsgebiets verstanden wissen will 4 0 5 . § 13a ErbStG ist nach seinem Standpunkt innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes eine Bewertungsvorschrift zur Ermittlung des (steuerlichen) Werts des Erwerbs 406 . Bereits die vorherige Auseinandersetzung mit § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 ErbStG hat verdeutlicht, daß § 13a ErbStG eben403
Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 257 ff. Vgl. hierzu 3. Kapitel, A.I.I., II. 1., B.I.l. 405 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213 f.). 404
8 Kobor
1 1 4 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes falls Elemente eines verhaltensbezogenen Tatbestands enthält. Es wird nicht nur eine sachliche Qualifikation bestimmter Vermögensgegenstände als unternehmerisch gebundenes Vermögen und damit als Betriebsvermögen i.S. dieser Vorschrift vorgenommen. Die Gewährung der jeweiligen Begünstigungen wird darüber hinaus von bestimmten Verhaltensweisen des Zuwenders oder des Erwerbers abhängig gemacht (begünstigte Erwerbe, Nachsteuertatbestände)407. aa) Sachliche Qualifikation des Vermögens Das Erbschaftsteuergesetz normiert nicht lückenlos, was es unter einem unternehmerisch gebundenen Vermögen versteht, das sozialpflichtig und damit unter dem Gesichtspunkt einer verminderten Leistungsfähigkeit des Erwerbers privilegierungswürdig ist 4 0 8 . Wegen dieses Regelungsdefizits besitzt es insoweit keinen eigenen, in sich abgeschlossenen Ordnungsrahmen. Innerhalb der allgemeinen Bewertungsvorschrift § 12 Abs. 5 ErbStG werden über eine Verweisung auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (§§ 95 ff. BewG) durch den Grundsatz der Bestands- und Bewertungsidentität Rechtsinstitute des Ertragsteuerrechts und die dahinter stehenden Wertungen in das Erbschaftsteuergesetz transferiert 409. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG verweist zur sachlichen Qualifikation des begünstigten Betriebsvermögens ebenfalls unmittelbar auf Vorschriften des Ertragsteuerrechts. Es sind dies § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, § 18 Abs. 4 EStG, die der Erfassung der Einkünfte aus ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaften dienen 410 . Durch diese direkte Verweisung setzt § 13a ErbStG die zur Erzielung von einkommensteuerpflichtigen Einkünften dienenden Anteile an einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) per se unternehmerisch gebundenem und damit erbschaftsteuerlich zu begünstigendem Betriebsvermögen gleich. Der Ordnungsrahmen des Ertragsteuerrechts wird über die direkte Verweisung zusammen mit dem dazugehörigen Normgefüge in das Erbschaftsteuergesetz integriert und hat dort tatbestandsersetzende Wirkung. Dies begründet insoweit allein schon aus systematischen Gründen eine 406 A.A. wohl Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 15, der von einer Steuerbefreiungsnorm ausgeht. 407 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 248; wohl auch Kapp/Ebeling y ErbStG, § 13a Rn. 48 f.; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 81. 408 Lediglich § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG nimmt eine eigenständige und vom Ertragsteuerrecht unabhängige Abgrenzung bestimmter Anteile an einer Kapitalgesellschaft als begünstigtes Betriebsvermögen gegenüber einer reinen Kapitalanlage vor, vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 221 ff. 409 Vgl. Meincke, ErbStG, § 12 Rn. 132, 138; hierzu auch 2. Kapitel, C.III. 4,0 Vgl. Nonhoff in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 550, 566.
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
115
strukturelle Abhängigkeit und eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts für die Frage der sachlichen Qualifikation bestimmter Vermögensgegenstände 411 . bb) Nachsteuertatbestände Innerhalb der Nachsteuertatbestände werden bestimmte, begünstigungsschädliche Verhaltensweisen normiert, wobei § 13a Abs. 5 ErbStG überwiegend Rückgriff auf ertragsteuerlich vorgeprägte Begrifflichkeiten der Gewinnrealisierungs- und ungeschriebenen Entstrickungstatbestände nimmt (z.B. „Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen") 412. Für die Frage, ob auch für die Nachsteuertatbestände eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts besteht, ist letztlich entscheidend, ob das Erbschaftsteuergesetz insoweit systematisch einen eigenen, originär erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmen begründet, oder mittels dem Ertragsteuerrecht entlehnter Begrifflichkeiten das Wertungsmuster der betreffenden Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbestände in § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG integriert.
(1) Regelungszweck ertragsteuerlicher Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbestände Nach den ertragsteuerlichen Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbeständen wird die Besteuerung betrieblich gebildeter stiller Reserven spätestens dann erfaßt, wenn durch eine Handlung des Steuerpflichtigen ihre steuerliche Erfassung zukünftig nicht mehr gesichert ist 4 1 3 . Entscheidend ist, daß der Steuerpflichtige sein bisheriges unternehmerisches Engagement nicht mehr - auch nicht in anderer Rechtsform - fortsetzt, so daß eine ertragsteuerliche Erfassung der stillen Reserven für die Zukunft noch aufgeschoben werden könnte 414 . § 13a ErbStG verweist bei der Umschreibung des begünstigten Betriebsvermögens ohne eigenen Ordnungsrahmen nicht nur auf Vorschriften des Ertragsteuerrechts und integriert die darin geregelten Rechtsinstitute in das Erbschaftsteuerge411
So zumindest im Ergebnis auch Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 131; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 11 ff.; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 372; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 151. Vgl. hierzu auch 4. Kapitel, A.I.3.b), II.3.b). 412 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 250f. 413 Vgl. BFH vom 29.10.1981 - IV R 138/78 - BStBl. II 1982, S. 381 (384); vom 13.12.1983 - VIII R 90/81 - BStBl. II 1984, S. 474 (478); Jakob, Einkommensteuer, § 4 Rn. 181; Reiß in: Kirchhof/Söhn, EStG, Band 10, § 16 Rn. F 66ff.; Schmidt in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 175; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 438. 414 Vgl. BFH vom 16.12.1992 - X R 52/90 - BStBl. II 1994, S. 838 (839f.); Jakob, Einkommensteuer, § 4 Rn. 192 f. 8*
1 1 6 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes setz. Es werden überdies zur Umschreibung einzelner Nachsteuertatbestände ertragsteuerliche Begriffe verwendet, die unter einer ertragsteuerlichen Wertung die letztmals mögliche Erfassung der im Betriebsvermögen gelegten stillen Reserven bei dem Steuerpflichtigen sicherstellen. Wenn sich aber die Frage nach der sachlichen Qualifikation des erbschaftsteuerlich begünstigten Betriebsvermögens innerhalb des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nach ertragsteuerlichen Vorschriften beurteilt, so erscheint es zumindest nicht unlogisch, auch innerhalb der verhaltensabhängigen Nachsteuertatbestände des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die Bedeutungsgehalte der ertragsteuerlichen Entstrickungstatbestände für das nach ertragsteuerlichen Wertungen sachlich qualifizierte Betriebsvermögen ebenfalls in das Erbschaftsteuergesetz zu übernehmen. (2) Regelungszweck erbschaftsteuerlicher
Nachsteuertatbestände
Der unterschiedliche Regelungszweck von ertragsteuerlichen Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbeständen gegenüber den erbschaftsteuerlichen Nachsteuertatbeständen nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG steht einer Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts jedoch entgegen. Die ertragsteuerlichen Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbestände bezwecken als ultima ratio eine letztmalig mögliche Versteuerung betrieblich gelegter stiller Reserven, wenn Wirtschaftsgüter aus der betrieblichen Sphäre des Steuerpflichtigen ausscheiden415. Demgegenüber spielt der Umstand der Aufdeckung stiller Reserven innerhalb des § 13a ErbStG keinerlei Rolle. Dies gilt für das gesamte Erbschaftsteuergesetz, da die stillen Reserven über die bewertungsrechtliche Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte (Bestands- und Bewertungsidentität) vollständig ausgeblendet werden 416 .
(3) Stellungnahme Die einzelnen Nachsteuertatbestände - und damit auch diejenigen, die sich ertragsteuerlicher Begriffe bedienen - umschreiben vielmehr für jede einzelne Art des Betriebsvermögens in § 13a Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 4 ErbStG abschließend aufgezählte Sachverhalte, die ein Ausscheiden des Betriebsvermögens aus der Kategorie des sozialgebundenen unternehmerischen Vermögens bewirken. Damit schafft sich das Erbschaftsteuergesetz einen eigenen Ordnungsrahmen zur Regelung der steuerlichen Folgen, wenn ein Erwerber nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG begünstigtes Betriebsvermögen aus dem unternehmerischen Verbund löst. Dieser Ordnungsrahmen stellt die 4,5
Vgl. BFH vom 13.12.1983 - VIII R 90/81 - BStBl. II 1984, S. 474 (478); Jakob, Einkommensteuer, § 4 Rn. 179; Tipke/Lang y Steuerrecht, § 9 Rn. 438; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 416 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 251; Gebel, BB 1995, S. 2611 (2612); Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388.
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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wertenden Momente zur Verfügung, mittels derer ertragsteuerlich vorgeprägten Begrifflichkeiten ein eigener erbschaftsteuerlicher Bedeutungsgehalt innerhalb der Nachsteuertatbestände beigemessen werden kann 4 1 7 . Ein Rückgriff auf den ertragsteuerlichen Ordnungsrahmen mit seinen wertungsbeeinflussenden Momenten ist angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Zielrichtung aus teleologischen Gründen nicht möglich. Innerhalb des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG besteht damit für den Fall dem Ertragsteuerrecht entlehnter Begriffe keine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts 418. b) Auslegungsrahmen Die jeweilige Reichweite der Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts innerhalb des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG hinsichtlich der sachlichen Qualifikation des Vermögens und der hierauf bezogenen Nachsteuertatbestände hat unterschiedliche Auswirkungen auf den allgemeinen Auslegungsrahmen dieser Norm. aa) Sachliche Qualifikation des Vermögens Wenn hinsichtlich der Tatbestände beziehungsweise Rechtsinstitute eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts für die sachliche Qualifikation bestimmter Vermögensgegenstände besteht, die durch direkte Verweisung auf das Ertragsteuerrecht in das Erbschaftsteuergesetz integriert werden, sind die Auswirkungen auf den abstrakten Auslegungsrahmen eindeutig. Die Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts innerhalb des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG beseitigt ein erbschaftsteuerliches Regelungsdefizit und füllt einen fehlenden Ordnungsrahmen aus. Die sachliche Qualifikation bestimmter Vermögensgegenstände wird insoweit dem Ertragsteuerrecht entnommen 4 1 9 . Dieser Rückgriff auf den ertragsteuerlichen Ordnungsrahmen führt notwendigerweise zu einer Auslegung der in das Erbschaftsteuergesetz an dieser Stelle integrierten Tatbestandsmerkmale als Begrifflichkeiten des Ertragsteuerrechts. In entsprechender Anwendung des Auslegungsrahmens, der für die steuerpflichtigen Erwerbe nach § 3 ErbStG abgeleitet wurde 420 , 417
Dies gilt aber nicht für Begriffe, die innerhalb des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG dem Umwandlungssteuerrecht entnommen werden. Die direkte Verweisung hat tatbestandsersetzende Wirkung und begründet insoweit eine unmittelbare Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts. 418 Gl. A. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 244. 419 So zumindest im Ergebnis auch die Literatur, vgl. insbesondere Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 257; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 86. 420 Vgl. hierzu 3. Kapitel, A.I.2., H.2., B.I.2.
1 1 8 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes gibt § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nach den Rahmenvorgaben des BVerfG 4 2 1 zu erkennen, daß es die jeweiligen Begriffe nicht als erbschaftsteuerliche, sondern als ertragsteuerliche Begriffe verstanden wissen will. Mit anderen Worten: Wie schon bei dem Mechanismus der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen muß entsprechend auch innerhalb des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG bei der Frage der sachlichen Qualifikation des Vermögens eine Auslegung unklarer Normbegriffe unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten erfolgen 422 . bb) Nachsteuertatbestände Völlig ungeklärt in Rechtsprechung und Literatur ist hingegen die Frage, nach welchem Auslegungsrahmen die ertragsteuerlichen Begriffe auszulegen sind, mit welchen § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die verhaltensbedingten Nachsteuertatbestände umschreibt. (1) Auslegungsrahmen nach Jülicher Nach Ansicht von Jülicher, der sich als bislang einziger Vertreter der Literatur der Frage eines abstrakten Auslegungsrahmens für § 13a Abs. 5 ErbStG gewidmet hat, rechtfertigt die Anlehnung an das Ertragsteuerrecht hinsichtlich der Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbestände, bei einer Auslegung der jeweiligen ertragsteuerlich vorgeprägten Begriffe innerhalb des § 13a Abs. 5 ErbStG die korrespondierende Auslegung aus dem Ertragsteuerrecht heranzuziehen oder unmittelbar zu übernehmen 423. Es soll seiner Ansicht nach in einem ersten Schritt der Bedeutungsgehalt der jeweiligen Begriffe entsprechend ihrem ertragsteuerlichen Verständnis ermittelt werden. Anschließend müsse im Einzelfall eine teleologische Reduktion nach dem Gesetzeszweck des § 13a ErbStG durchgeführt werden. Dieser letzte Schritt sei erforderlich, um dem unterschiedlichen Zweck der maßgeblichen ertragsteuerlichen Tatbestände Rechnung tragen zu können 424 . Denn das Einkommensteuergesetz beabsichtige die Erfassung 421
Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213 f.). 422 Vgl. hierzu Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 250ff.; Nonhoff in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 566; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 423 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 251; ders., ZEV 1996, S. 97 (101) (noch zu § 13 Abs. 2a ErbStG a.F.). 424 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 251 f. Im Ergebnis folgt die Literatur überwiegend - wenn auch nicht ausdrücklich - der Auslegungsmethode nach Jülicher, da die Wertungen aus dem Ertragsteuerrecht zur Ausfüllung des Bedeutungsgehalts der entsprechenden Begriffe des § 13a Abs. 5 ErbStG heran-
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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der stillen Reserven im Sinne einer Schlußbesteuerung, demgegenüber verhinderten die erbschaftsteuerlichen Nachsteuertatbestände eine mißbräuchliche Inanspruchnahme von erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen bei einem aufgegebenem unternehmerischen Engagement425. (2) Stellungnahme Eine einheitliche Auslegung ist im vorliegenden Zusammenhang nur dann gewährleistet, wenn sich die Bestimmung des Auslegungsrahmens an dem gesetzessystematischen Aufbau der einzelnen Nachsteuertatbestände des § 13a Abs. 5 ErbStG orientiert und eine Stütze im Gesetz findet. § 13a ErbStG ist eine relativ junge Vorschrift, womit der Prozeß der Auslegung der einzelnen Normbegriffe noch in den Anfängen steckt. Es mag verlokkend erscheinen, den langen Erkenntnisprozeß um die Auslegung einer sehr komplexen Regelung durch einen Rückgriff auf bereits gefestigte Bedeutungsgehalte annähernd vergleichbarer Regelungen anderer Steuergesetze abzukürzen. Dem Rechtsanwender ist in der Praxis aber mit einer Auslegung unklarer Normbegriffe nicht gedient, die sich nicht an der Systematik des Gesetzes und den methodologischen Vorgaben orientiert. Entsprechend und in konsequenter Fortführung des bisher aus der Systematik des Erbschaftsteuergesetzes abgeleiteten Auslegungsrahmens trifft die Auffassung von Jülicher lediglich hinsichtlich der Begriffe der Nachsteuertatbestände zu, die in erbschaftsteuerliche Tatbestände integriert werden. Denn diese Tradierung in das Erbschaftsteuergesetz ist zur Ausfüllung eines Regelungsdefizits bei der sachlichen Qualifikation des Vermögens über eine unmittelbare Verweisung auf das Ertragsteuerrecht (z.B. § 3 UmwStG) erforderlich. Demgegenüber kommt bei Begrifflichkeiten innerhalb der Nachsteuertatbestände des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, die sowohl im Erbschaftsteuergegezogen werden, vgl. insbesondere Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 100; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 86; Nonhoff in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 566. Lediglich Schulz spricht sich unter Hinweis auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung für eine bloße Vermutung aus, wonach die ertragsteuerlichen Bedeutungsgehalte heranzuziehen sind. Er mißt aber dem Umstand, daß das Erbschaftsteuerrecht sich grundsätzlich am Zivilrecht orientiert und die maßgeblichen „Entstrikkungstatbestände" der §§ 16, 17 EStG eine Erfassung von Veräußerungsgewinnen (stiller Reserven) sicherstellen sollen, einen wesentlichen Einfluß bei der Auslegung bei. Er schlägt vor, daß - wohl am Gesetzeszweck des Erbschaftsteuergesetzes orientiert - „in jedem Einzelfall geprüft werden muß, ob die ertragsteuerliche Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale für die §§ 13a, 19a ErbStG übernommen werden kann oder nicht", siehe Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 388. 425 Vgl. hierzu 3. Kapitel, C.III.2.a)bb)(l), (2).
1 2 0 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes setz als auch im Ertragsteuergesetz Verwendung finden, der vom BVerfG aufgestellte Auslegungsgrundsatz zur Anwendung, wonach diese Begriffe primär im Lichte desjenigen Gesetzes ausgelegt werden müssen, mit dem sich der Rechtsanwender unmittelbar konfrontiert sieht 426 . Eine wertungsbeeinflussende Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts für die Nachsteuertatbestände besteht angesichts der unterschiedlichen Gesetzeszwecke von Einkommen- und Erbschaftsteuergesetz nicht. Dies bedeutet entgegen der Ansicht von Jülicher, daß die einzelnen ertragsteuerlich vorgeprägten Begriffe unmittelbar als Begriffe des Erbschaftsteuergesetzes ausgelegt werden müssen, da der eigene Ordnungsrahmen des Erbschaftsteuerrechts und der Gesetzeszweck des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts verhindert. Eine Reduktion der nach Jülicher primär unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten und Wertungen ausgelegen Begriffe im Einzelfall auf den Bedeutungsgehalt, der sich im Lichte und nach dem Zweck des Erbschaftsteuergesetzes ergibt, ist nicht nur überflüssig, sondern dogmatisch unzutreffend. Denn die teleologische Reduktion als Instrument der Auslegung dient der Schließung einer verdeckten Regelungslücke 427 und kann lediglich dann Platz greifen, wenn der Wortlaut eines Gesetzes zwar einen bestimmten Sachverhalt erfaßt, nach dem Gesetzeszweck die angeordnete Rechtsfolge aber nicht eintreten darf, weil die Besonderheiten des Sachverhalts bei dem Erlaß des Gesetzes nicht bedacht worden sind 428 .
IV. Wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG Innerhalb der steuerpflichtigen Erwerbe nach §§ 3 ff., 7 ErbStG stand die Frage einer Auslegung nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Zusammenhang mit Begriffen, die ihren Ursprung im Zivilrecht haben 429 . Es mußte untersucht werden, ob das Erbschaftsteuergesetz einerseits einen wirtschaftlichen Vorgang oder Zustand steuerlich erfassen will, und ob andererseits die damit in Zusammenhang stehenden formalen Begriffe des Zivilrechts einer originär steuerlichen und damit teleologisch gefaßten wirtschaftlichen Auslegung zugänglich sind 430 . Mit einer derartigen, am Gesetzeszweck des Steuerrechts orientierten Auslegung soll der wirtschaftliche Bedeutungsgehalt eines Begriffs ermittelt werden, der in Ermangelung einer speziellen steuerlichen Terminologie oder eines eigenen Ordnungsrahmens 426 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213 f.); Weber-Gr eilet y StuW 1993, S. 195 (202f.). 427 Vgl. auch die Ausführungen im 1. Kapitel, A.VI.3.c). 428 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 375. 429 Vgl. hierzu 3. Kapitel, A.III., B.III. 430 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 65.
C. Innerhalb der Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG
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einer anderen Rechtsordnung - vor allem dem Zivilrecht - entnommen werden muß 4 3 1 . Zivilrechtliche Begriffe innerhalb der Erwerbe von Todes wegen können nicht wirtschaftlich ausgelegt werden. Denn erbschaftsteuerlich soll mit einem todesbedingten Erwerb kein wirtschaftlicher Sachverhalt erfaßt werden, womit zivilrechtlichen Begriffen aus dem erbrechtlichen Ordnungsrahmen auch innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes ihr formaler Bedeutungsgehalt beizumessen ist 4 3 2 . Anders hingegen verhält es sich bei den zivilrechtlich vorgeprägten Normbegriffen der freigebigen Zuwendungen unter Lebenden. Diese erfassen innerhalb eines originär erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmens den wirtschaftlichen Vorgang einer lebzeitigen Vermögensnachfolge und eröffnen damit grundsätzlich eine teleologische Auslegung im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise433. Innerhalb des § 13a ErbStG geht es weniger um eine teleologische Auslegung zivilrechtlicher Begriffe, als vielmehr um die Frage einer Auslegung von Begriffen, die in zwei unterschiedlichen Steuergesetzen (Erbschaftsteuer und Einkommensteuer) Verwendung finden. Um insofern die Anwendungsmöglichkeit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bestimmen zu können, muß lediglich geklärt werden, ob § 13a ErbStG einen wirtschaftlichen oder streng formalen Vorgang oder Zustand erfassen w i l l 4 3 4 . Diese Frage wurde aber schon indirekt durch die Feststellung beantwortet, daß sowohl hinsichtlich der sachlichen Qualifikation des begünstigten Vermögens, als auch hinsichtlich der Nachsteuertatbestände keine Maßgeblichkeit des Zivilrechts besteht 435 . Eine derartige Maßgeblichkeit wurde verneint, da die betreffenden Tatbestände sich entweder ertragsteuerlicher oder originär erbschaftsteuerlicher Normbegriffe bedienen, um den Sachverhalt des Erwerbs und anschließenden Umgangs mit unternehmerisch und 431 Vgl. BVerfG vom 30.10.1961 - 1 BvR 833/59 - BVerfGE 13, 181 (193); vom 24.01.1962 - 1 BvR 232/60 - BVerfGE 13, S. 318 (328 f.); vom 20.03.1963 1 BvL 20/61 - BVerfGE 15, S. 328 (333); vom 11.05.1965 - 2 BvR 259/63 BVerfGE 19, S. 38 (48); vom 11.07.1967 - 1 BvR 495/63, 325/66 - BVerfGE 22, S. 156 (161); vom 02.10.1968 - 1 BvF 3/65 - BVerfGE 24, S. 174 (180f.); vom 14.01.1969 - 1 BvR 136/62 - BVerfGE 25, S. 28 (35 f.); vom 15.07.1969 - BvR 457/66 - BVerfGE 26, S. 327 (335 f.); vom 16.12.1970 - 1 BvR 210/68 - BVerfGE 30, S. 59 (63 f.), Beisse, BB 1980, S. 637 (643); ders., StuW 1981, S. 1 (3); ders., StuW 1984, S. 1 (12); Döllerer, JbFfSt 1979/1980, S. 195 (201); Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 6; Moxter, StuW 1989, S. 232; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 65; Woerner, StbJb 1984/1985, S. 177 (195 f.); vgl. hierzu auch 1. Kapitel, B.II. 432 Vgl. hierzu 3. Kapitel, A.III. 433 Vgl. hierzu 3. Kapitel, B.III. 434 Vgl. zu dieser entscheidenden Frage Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 65. 435 Eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts besteht für § 13a ErbStG lediglich in Einzelfällen, so zum Beispiel innerhalb § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG mit der indirekten Verweisung auf die steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG. Innerhalb dieser Tatbestände existiert eine strenge Anlehnung an das Zivilrecht und eine damit zusammenhängende formale Betrachtungsweise.
1 2 2 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes damit sozialgebundenem Vermögen zu regeln. Diese Vorgänge sind aber wirtschaftlicher Art und einer rein formalen Betrachtung nicht zugänglich. Somit ist auch innerhalb des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG eine steuerlich motivierte teleologische Auslegung nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise grundsätzlich möglich.
V. Zwischenergebnis Hinsichtlich der begünstigten Erwerbe im Sinne des § 13a ErbStG wird auf die steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen nach § 3 ErbStG verwiesen. Hiermit wird die dortige Maßgeblichkeit des Zivilrechts und die entsprechende formale Auslegung der betreffenden Begrifflichkeiten in § 13a ErbStG übernommen. Die daneben ebenfalls begünstigten Erwerbe im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge stellen einen Unterfall der freigebigen Zuwendungen unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar: Als originär erbschaftsteuerlicher Begriff ist er als solcher rein im Lichte des Erbschaftsteuergesetzes auszulegen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Vermögen als privilegierungswürdiges Betriebsvermögen anzusehen ist, regelt § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht eigenständig. Die Norm weist insoweit ein tatbestandliches Regelungsdefizit auf und besitzt keinen eigenen Ordnungsrahmen. Diese Lücke wird über eine unmittelbare Verweisung auf entsprechende ertragsteuerliche Tatbestände geschlossen, die in das Erbschaftsteuergesetz integriert werden. Aus dieser Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts folgt für die Auslegung, daß die maßgeblichen Begriffe in Ermangelung eines eigenen, erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmens als ertragsteuerliche Begriffe auszulegen sind. Im Gegensatz hierzu sind die ertragsteuerlich vorgeprägten Begriffe der Nachsteuertatbestände des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als eigenständige erbschaftsteuerliche Begriffe auszulegen. Sie sind zwar den ertragsteuerlichen Gewinnrealisierungs- und Entstrickungstatbeständen entlehnt, das Erbschaftsteuergesetz besitzt zur Regelung der begünstigungsschädlichen Verfügungen aber einen eigenen, abgeschlossenen Ordnungsrahmen. In diesen können die maßgeblichen Begriffe mit ihrem ertragsteuerlichen Bedeutungsgehalt angesichts der unterschiedlichen Gesetzeszwecke des Einkommensteuergesetzes und des Erbschaftsteuergesetzes nicht eingefügt werden. Die Frage nach der sachlichen Qualifikation des begünstigten Betriebsvermögens und dessen zeitweilige Fortführung als unternehmerische Einheit betrifft keinen formalen, sondern einen wirtschaftlichen Sachverhalt oder Zustand, womit insoweit eine steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich ist.
D. Zusammenfassung
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D. Zusammenfassung Als Ergebnis der beispielhaften Untersuchung der strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivil- und Ertragsteuerrecht kann für die Festlegung eines dogmatisch hergeleiteten Auslegungsrahmens für das Erbschaftsteuergesetz folgendes festgehalten werden:
I. Auslegungsrahmen - Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens Die Untersuchung hat ihren Ausgangspunkt in dem methodologischen Ansatz nach den Vorgaben des BVerfG genommen, wonach Normbegriffe eines Steuergesetzes grundsätzlich als solche des Steuergesetzes auszulegen sind, mit dem sich der Rechtsanwender unmittelbar konfrontiert sieht, auch wenn diese einem anderen Gesetz oder Rechtsgebiet entnommen sind. Nur in Einzelfällen kann den Begrifflichkeiten der Bedeutungsgehalt beigemessen werden, der ihnen nach dem entlehnten Rechtsgebiet zukommt. Dies ist dann der Fall, wenn das Steuergesetz die Notwendigkeit eines entsprechenden Rückgriffs auf diese Wertungen aus sich heraus zu erkennen gibt. Einzelne der zentralen Normen des Erbschaftsteuergesetzes (steuerpflichtige Erwerbe nach §§ 3 ff., 7 ErbStG, Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG) wurden daraufhin untersucht, inwieweit aus der Gesetzessystematik unter Berücksichtigung der Regelungskreise und des Normaufbaus beziehungsweise des Gesetzeszwecks strukturelle Abhängigkeiten vom Zivil- und Ertragsteuerrecht bestehen. Können derartige Abhängigkeiten nicht ausgemacht werden, ist - in der Lesart des BVerfG - von vornherein eine Auslegung des jeweiligen Begriffs vor dem Hintergrund des Erbschaftsteuergesetzes angezeigt. 1. Integrierende Tatbestände Wertungsbeeinflussende Maßgeblichkeiten des Zivil- und Ertragsteuerrechts können begründet werden, wenn das Erbschaftsteuergesetz ein tatbestandliches Regelungsdefizit aufweist. Ein solches liegt vor, wenn für einen bestimmten Kreis normierungsbedürftiger Sachverhalte keine eigene gesetzliche Regelung aus einem in sich abgeschlossenen Normgeflecht als zweckbestimmter Ordnungsrahmen besteht. Um dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung Genüge zu leisten, wird dieses Defizit über einen Rückgriff auf Regelungen und Rechtsinstitute eines anderen Rechtsgebiets beziehungsweise Gesetzes geschlossen. Im Grunde genommen handelt es sich um eine tatbestandsersetzende, einer Rechtsgrundverweisung ähnliche Konstellation, mit der sich das Erbschaftsteuergesetz vollumfänglich in fremde Hände begeben hat. Einen solchen Rückgriff auf Rechtssätze fremder Rechtsgebiete enthält beispielsweise der integrierende Tatbestand § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG über eine direkte Verweisung auf einzelne
1 2 4 3 . Kap.: Strukturelle Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes Normen des bürgerlich-rechtlichen Erbrechts. Innerhalb dieser Verweisung übernehmen die zivilrechtlichen Tatbestände die Funktion erbschaftsteuerbegründender Tatbestände. Für die Auslegung einzelner Begrifflichkeiten der aus dem Zivil- und Ertragsteuerrecht tradierten Tatbestände folgt aus dem erbschaftsteuerlichen Regelungsdefizit und dem damit fehlenden Ordnungsrahmen, daß diese auch innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes als Begriffe des entlehnten Rechtsgebiets ausgelegt werden müssen. Denn in Ermangelung eines eigenen, erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmens können in den Erkenntnisprozeß der Auslegung einfließende, wertungsbeeinflussende Momente lediglich aus dem vollständig entlehnten Ordnungsrahmen geschöpft werden.
2. Zivil- oder ertragsteuerlich vorgeprägte Begriffe Weniger eindeutig läßt sich der Auslegungsrahmen für Normen des Erbschaftsteuergesetzes festlegen, die nicht durch eine unmittelbare Verweisung auf andere Rechtsgebiete in das Erbschaftsteuergesetz tradiert werden. Es sind dies die Begriffe, die neben dem Erbschaftsteuergesetz in anderen Gesetzen Verwendung finden und dementsprechend inhaltlich vorgeprägt sind. Wenn bei diesen Begriffen eine Maßgeblichkeit des Zivil- oder Ertragsteuerrechts nicht allein aus einem systematischen Grund abgeleitet werden kann, so doch über die Anwendung der hier sogenannten Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens. Wenn Begrifflichkeiten anderen Rechtsgebieten entlehnt werden, um einzelne erbschaftsteuerliche Tatbestände zu umschreiben, ohne daß ein eigener Ordnungsrahmen aus einem in sich abgeschlossenen Normengeflecht geschaffen wird, muß zur Bereitstellung wertausfüllender Momente ein Rückgriff auf das fremde Rechtsgebiet beziehungsweise dessen Ordnungsrahmen erfolgen. Mit anderen Worten: Auch diese Begriffe sind als Begriffe des entlehnten Rechtsgebiets auszulegen und nicht als originär erbschaftsteuerliche Begrifflichkeiten. Verwendet demgegenüber das Erbschaftsteuergesetz bei der Umschreibung von Tatbeständen innerhalb eines eigenen Ordnungsrahmens Begrifflichkeiten anderer Gesetze, sind sie als erbschaftsteuerliche Normbegriffe auszulegen.
II. Wirtschaftliche Betrachtungsweise Eine steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes ist bei allen Tatbeständen möglich, die nicht auf die formale, zivilrechtliche Rechtsform abstellen, in die ein Sachverhalt der unentgeltlichen Vermögensnachfolge gekleidet ist, sondern dessen wirt-
D. Zusammenfassung
125
schaftlichen Gehalt erfassen wollen. Dies trifft nicht auf diejenigen Tatbestände zu, innerhalb derer eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts besteht und die damit gleichzeitig die formalisierende Betrachtungsweise des Zivilrechts in das Erbschaftsteuergesetz integrieren. Ansonsten erfaßt das Erbschaftsteuergesetz - in den Worten des BVerfG - „den wirtschaftlichen Vorgang des Substanzübergangs", was gleichzeitig eine teleologische Auslegung der jeweiligen erbschaftsteuerlichen Normbegriffe unter einer steuerlich motivierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise ermöglicht.
4. Kapitel
Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile Die Wechselwirkungen zwischen dem Erbschaftsteuerrecht, dem Zivilrecht und dem Ertragsteuerrecht verdeutlichen sich besonders im Rahmen der Vererbung von Gesellschaftsanteilen. Innerhalb des bürgerlich-rechtlichen Regelungskreises müssen bei der Erfassung eines derartigen Vorgangs das Erbrecht und das Gesellschaftsrecht aufeinander abgestimmt werden, um eine dingliche Neuzuordnung der Gesellschaftsrechte zwischen den Vermögensnachfolgern (Erben), den Altgesellschaftern und sonstigen Dritten zu regeln. Diese dingliche Neuzuordnung einer Gesellschaftsbeteiligung ist aus steuerlicher Sicht zum einen Anknüpfungspunkt der Erbschaftsteuer. Zum anderen erfordert die Nachfolge in eine ertragbringende Wirtschaftseinheit eine ertragsteuerliche Regelung, die den Übergang einer „Einkunftsquelle" von einem Steuerpflichtigen auf einen anderen normiert. Im Mittelpunkt der folgenden erbschaftsteuerlichen Betrachtung steht die Frage nach der Reichweite der zivilrechtlichen Erfassung der Vererbung von Gesellschaftsanteilen für das Erbschaftsteuergesetz (Stichwort: „Maßgeblichkeit des Zivilrechts"). Daneben wird - an gebotener Stelle - eine Auslegung erbschaftsteuerlicher Normbegriffe vorgenommen und der Frage nachgegangen, inwieweit ertragsteuerliche Wertungen in diesen Auslegungsprozeß Eingang finden können (Stichwort: „Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts" - „wirtschaftliche Betrachtungsweise")436. Die Beantwortung dieser Fragen erfolgt anhand der rechtlichen Analyse und Verortung der sehr praxisrelevanten Fallgestaltungen der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften mittels einfacher und qualifizierter Nachfolgeklausel und der Vererbung von Geschäftsanteilen an einer GmbH nach der gesetzlichen Regelung.
436 Im folgenden wird das Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Erbrecht mit den Vereinbarkeiten und Systembrüchen innerhalb dieser Rechtsbereiche untersucht, die sich aus dem Zusammenspiel von gesellschaftsvertraglicher Regelung und erbrechtlichen Bestimmungen ergeben. Den gefundenen Ergebnissen wird anschließend die steuerliche Beurteilung der Gesellschafternachfolge für Zwecke der Einkommensteuer und der Erbschaftsteuer gegenübergestellt. Es soll somit aufbauend auf dem 3. Kapitel der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die zivilrechtliche Dogmatik der Nachfolge in Gesellschaftsanteile in das System der Einkommen- und Erbschaftsteuer einzupassen ist, um Systembrüche und Wertungswidersprüche innerhalb dieser Steuerarten zu vermeiden.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
127
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften mittels gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeklausel Der Tod eines Gesellschafters einer Personengesellschaft erfordert unter anderem eine dingliche Neuzuordnung seiner über die Beteiligung vermittelten Rechtspositionen. Das Prinzip des Vonselbsterwerbs (Universalsukzession) durch die gesetzlichen oder testamentarischen Erben erstreckt sich auch auf Gesellschaftsanteile. In zivilrechtlicher Hinsicht löst der Tod eines Gesellschafters weniger erbrechtliche als vielmehr gesellschaftsrechtliche Probleme aus. Entsprechend der bis zum 30.06.1998 geltenden gesetzlichen Regelung nach § 727 Abs. 1 BGB und § 131 Nr. 4 HGB a.F., § 161 Abs. 2 HGB wurde mit dem Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft in der Rechtsform einer GbR, einer OHG beziehungsweise K G 4 3 7 die Gesellschaft aufgelöst. Sie trat unter Wahrung ihrer bisherigen Identität in das Abwicklungsstadium ein, an dessen Ende in der Regel die Vollbeendigung durch Liquidation stand 438 . Ein Alleinerbe beziehungsweise eine Erbenmehrheit als Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit 439 rückten in die Gesellschafterstellung des Erblassers und somit in die Liquidationsgesellschaft ein 4 4 0 . Diese gesetzliche Regelung war jedoch abdingbar. Zum einen konnten die Gesellschafter schon im Gesellschaftsvertrag eine anderweitige Anordnung für den Todesfall eines Gesellschafters treffen und durch Fortsetzungs- oder Nachfolgeklauseln eine automatische Auflösung der Gesellschaft abwenden. Zum anderen hatten die Gesellschafter einer Abwicklungsgesellschaft jederzeit die Möglichkeit, die Fortsetzung mit oder ohne die Erben zu beschließen441.
437 Es durfte sich bei dem verstorbenen Gesellschafter der KG nicht um einen in seiner Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB beschränkten Gesellschafter (Kommanditist) handeln. Nach § 177 HGB wird die Gesellschaft bei dem Tod eines Kommanditisten mit den Erben fortgesetzt, vgl. IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 360; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, § 139 Rn. 1; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1096. 438 vgl j p w Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 358; Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 71 Rn. 1, 4f. 439 Eine Erbengemeinschaft als solche kann in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit nicht Gesellschafterin einer werbenden Personengesellschaft sein, da sie grundsätzlich auf Liquidation angelegt ist. Nur für den Sonderfall der Liquidationsgesellschaft ist sie Mitglied einer Personengesellschaft, da beide Gesamthandsgemeinschaften auf Abwicklung ausgerichtet sind und damit einen parallel verlaufenden Zweck verfolgen, der Interessengegensätze ausschließt. 440 Vgl. Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 71 Rn. 10. Dies gilt nicht nur für die Vermögens-, sondern auch für die sonstigen Gesellschafterrechte (Verwaltungsrechte).
128
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
Die starre Rechtsfolge der Auflösung der Gesellschaft hat sich in der Vergangenheit als wenig praktikabel erwiesen. Sie entsprach zwar dem Grundgedanken einer personalistischen Verbundenheit der Gesellschafter einer Personengesellschaft 442, führte aber in der Regel zur Zerschlagung florierender Wirtschaftsunternehmen. Hiermit war eine Ad-hoc-Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven verbunden, wenn die Abwicklung nicht durch einstimmiges Handeln der Beteiligten abgewendet werden konnte (Fortsetzungsbeschluß)443 . Nach den Änderungen aufgrund des Handelsrechtsreformgesetzes (HRefG) vom 22.06.1998 444 wurde der gesetzliche Grundsatz der Auflösung einer Personengesellschaft beim Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters aufgegeben. Die Gesellschaft wird nur noch aufgelöst, soweit der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Regelung enthält. Ist die Auflösung der Gesellschaft nicht ausdrücklich bestimmt, führen nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 n.F., § 161 Abs. 2 HGB die verbleibenden Altgesellschafter eine OHG oder KG ohne die Erben beziehungsweise die Erbengemeinschaft fort. Ebenso wie die früher gesetzlich bestimmte Auflösung der Gesellschaft beim Tod eines der Gesellschafter ist der nunmehr angeordnete Fortbestand unter den verbleibenden Gesellschaftern einer OHG oder KG vertraglich abdingbar. Als privatautonome gesellschaftsvertragliche Regelungen kommen insbesondere die einfache und die qualifizierte Nachfolgeklausel in Betracht. Derartige Vertragsklauseln enthalten nach alter wie neuer Rechtslage keine Verfügungen von Todes wegen. Sie legen lediglich die Art und den Umfang der grundsätzlich vererblich gestellten Beteiligung des Erblassers bei den nachfolgeberechtigten Erben fest. Eine gesetzliche oder testamentarische Erbenstellung ist aber unabdingbare Voraussetzung für eine entsprechende Anteilsnachfolge.
441
Vgl. insbesondere BGH vom 01.06.1987 - II ZR 259/86 - WM 1987, S. 1161 ff.; Baumbach/Hopt y HGB, § 131 Rn. 21; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, § 139 Rn. 1. 442 Vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 119; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1097. 443 Vgl. Gebet, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 375; IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 359; Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 71 Rn. 1, 7. 444 BGBl. I 1998, S. 1474. Vgl. hierzu auch Lamprecht, ZIP 1997, S. 919ff.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
129
I. Die einfache Nachfolgeklausel 1. Erb- und gesellschaftsrechtliche Ausgangslage Haben die Gesellschafter eine vertragliche Regelung für den Tod eines der Gesellschafter dahingehend getroffen, daß der Gesellschaftsanteil des jeweiligen Erblassers lediglich vererblich gestellt wird, beseitigt diese Klausel die ansonsten eingreifende gesetzliche Rechtsfolge der Auflösung einer GbR beziehungsweise der Fortsetzung einer OHG oder KG unter den verbleibenden Altgesellschaftern (einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel) 445. Nach den erbrechtlichen Bestimmungen folgt ein Alleinerbe entsprechend den Grundsätzen der Universalsukzession gemäß § 1922 BGB unmittelbar in den Gesellschaftsanteil nach 446 . Dies gilt - zumindest im Ergebnis auch für sämtliche testamentarisch oder gesetzlich berufenen Miterben 447 . a) Nachfolge einer Erbenmehrheit
in den Gesellschaftsanteil
Die dogmatische Einordnung dieses Vorgangs war lange Zeit umstritten. Unter den Miterben besteht innerhalb der Erbengemeinschaft nach §§ 2032 ff. BGB eine gesamthänderische Verbundenheit. Diese Gesamthandsgemeinschaft kann aber nicht als Einheit im Rechtsverkehr auftreten 4 4 8 , eine gesellschaftsrechtliche Haftung ist nicht vorgesehen 449 und die 445 Vgl. BGH vom 10.02.1977 - H R 120/75 - BGHZ 68, S. 225, (229); Gebel y Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 380; Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 24; IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 440, 442; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, § 139 Rn. 16. Neben der erbrechtlichen Nachfolgeklausel steht die gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklausel. Nach dieser vollzieht sich die Nachfolge in den Anteil des Erblassers außerhalb des Erbrechts allein aufgrund der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags. Es ist nicht erforderlich, daß der rechtsgeschäftlich Eintrittsberechtigte auch eine Erbenstellung besitzt. 446 Vgl. Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band m/1. Hälbband, § 139 Rn. 17; a. A. BGH vom 22.11.1956 - II ZR 222/55 - BGHZ 22, S. 186 (193). Der II. Senat des BGH geht von einer Sonderrechtsnachfolge auch bei einem Alleinerben aus. 447 H.M., vgl. BGH vom 22.11.1956 - II ZR 222/55 - BGHZ 22, S. 186 (191); vom 10.02.1977 - II ZR 120/75 - BGHZ 68, S. 225 (229); IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 443; Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 43; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1103 f.; a.A. Brox, Erbrecht, Rn. 754. 448 Nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt die Willensbildung grundsätzlich eine Einstimmigkeit unter den Mitgliedern der Erbengemeinschaft voraus. 449 Nach § 2058 BGB haften die Miterben gesamtschuldnerisch lediglich für Nachlaßverbindlichkeiten und nicht persönlich, unmittelbar und unbeschränkt, wie es das Leitbild der Personengesellschaft vorsieht, vgl. Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 38 Rn. 517. 9 Kobor
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4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
Erbengemeinschaft ist nach dem Leitbild des Gesetzes auf Abwicklung und Auseinandersetzung angelegt. Eine Erbengemeinschaft kann daher nicht Gesellschafterin einer werbenden Personengesellschaft sein, die eine persönliche, unbeschränkte Haftung der Gesellschafter erfordert und deren Gesellschaftszweck in aller Regel auf eine unbestimmte zeitliche Fortsetzung angelegt ist 4 5 0 . Ist eine Erbenmehrheit zur Nachfolge in einen Anteil an einer Personengesellschaft berufen, so führt dies zwangsläufig zu einer Kollision tragender erb- und gesellschaftsrechtlicher Grundsätze. aa) Sondererbfolge in den Gesellschaftsanteil Nach Art. 2 Abs. 1 EGHGB gilt kraft Gesetzes der Vorrang des Handelsrechts vor dem sonstigen Zivilrecht. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Vorrang auch hinsichtlich erbrechtlicher Vorschriften gilt. Jedenfalls wurde in höchstrichterlicher Rechtsfortbildung der Gegensatz zwischen dem Gesellschaftsrecht und dem Erbrecht bei einer einfachen Nachfolgeklausel dahingehend gelöst, daß die Miterben entsprechend ihrer jeweiligen Erbquote unmittelbar im Wege einer sogenannten Sondererbfolge (Singularsukzession) in die Beteiligung des Erblassers nachfolgen 451: Ohne daß der Anteil zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erblassers unmittelbar im Wege der Universalsukzession auf die Erbengemeinschaft übergeht, wird der vererbte Gesellschaftsanteil mit dem Erwerb durch die Erben gesplittet 4 5 2 . Jeder Miterbe erhält einen Anteil entsprechend seiner Erbquote . Wer letztendlich zu welchem Teil in den Anteil des Erblassers nachfolgt, bestimmt sich bei der einfachen erbrechtlichen Nachfolgeklausel ausschließlich nach der gesetzlichen oder testamentarischen Erbfolge. Der Gesellschaftsvertrag regelt lediglich den Umfang, in dem die Beteiligung vererblich gestellt wird 4 5 4 . Die Aufteilung der vererbten Beteiligung in Einzelanteile entsprechend den Erbquoten der einzelnen Miterben ist erforderlich, 450 H.M., vgl. BGH vom 22.11.1956 - II ZR 222/55 - BGHZ 22, S. 186 (192); vom 04.05.1983 - IVa ZR 229/81 - BB 1983, S. 2138f.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1101 f.; Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 38 Rn. 515. 451 H.M., vgl. BGH vom 22.11.1956 - II ZR 222/55 - BGHZ 22, S. 186 (191 ff.); vom 04.05.1983 - IVa ZR 229/81 - BB 1983, S. 2138 f.; Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 350; Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 43; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1 - Halbband, § 139 Rn. 17; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1101 f. 452 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1102. 453 Abzugrenzen hiervon ist die qualifizierte Nachfolgeklausel, nach der - basierend auf einer sich nach den erbrechtlichen Bestimmungen vollziehenden Nachfolge in den Gesellschaftsanteil - dieser nicht für alle, sondern nur für einen oder einige der Miterben vererblich gestellt wird, vgl. Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 1.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
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um diesen persönlich den vererbten Anteil zuweisen zu können. Hiermit wird die Stellung der Erbengemeinschaft als Gesellschafterin einer werbenden Personengesellschaft vermieden. bb) Erwerb nach erbrechtlichen Grundsätzen In dogmatischer Hinsicht war lange Zeit umstritten, ob die Nachfolge der Miterben in den Gesellschaftsanteil des Erblassers auf gesellschaftsrechtlichen oder erbrechtlichen Grundsätzen beruht. Nach der sogenannten gesellschaftsrechtlichen Lösung vollzieht sich der Erwerb außerhalb erbrechtlicher Bestimmungen durch eine Verfügung unter Lebenden. Bereits mit Abschluß des Gesellschaftsvertrags wird den zukünftig nachfolgeberechtigten Erben der Gesellschaftsanteil aufschiebend bedingt mit dem Tod des jeweiligen Altgesellschafters zugewendet. Die Beteiligung des Erblassers wird bei Bedingungseintritt in Einzelanteile entsprechend der Anzahl und Erbquoten der Miterben gesplittet455. Eine Abhängigkeit der sich kraft Gesellschaftsrechts und allgemeinen Zivilrechts vollziehenden Nachfolge von erbrechtlichen Grundsätzen wird nur insoweit angenommen, als zum Erwerb aufgrund der Nachfolgeklausel eine gesetzliche oder testamentarische Erbenstellung erforderlich ist 4 5 6 . Das Erbrecht hat somit nur die Aufgabe, generell den Kreis der Nachfolgeberechtigten festzulegen 457, nimmt aber nicht die dingliche Neuzuordnung der einzelnen Rechtspositionen vor. Diese gesellschaftsrechtliche Lösung übersieht, daß sich der automatische Erwerb (ohne dazwischentretenden Rechtsakt) des gesplitteten Anteils nur unter den Gesellschaftern als Lebende innerhalb einer dinglichen Verfügung zugunsten Dritter dogmatisch begründen läßt. Eine derartige Verfügung zugunsten Dritter ist aber mit dem tragenden Grundsatz des Zivilrechts in Form der garantierten Privatautonomie unvereinbar 458 . Nach der herrschenden Meinung vollzieht sich der Erwerb der Miterben allein nach erbrechtlichen Grundsätzen (erbrechtliche Lösung) 459 . Es wird zwischen dem Rechtsakt des Erwerbs der Beteiligung einerseits und dem aus gesellschaftsrechtlicher Sicht erforderlichen Splitting des Gesellschaftsanteils bei den Miterben andererseits unterschieden. Auch wenn beide Vor454
Vgl. Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 381. 455 Vgl. Flume in: FS für Schilling, S. 23 (30ff.); Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 123. 456 Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 754. 457 Anders hingegen bei der rechtsgeschäftlichen qualifizierten Nachfolgeklausel, bei der ausdrücklich Dritte - ungeachtet einer möglichen Erbenstellung - aufgrund eines Eintrittsrechts zu Nachfolgern des verstorbenen Gesellschafters berufen sind. 458 Vgl. BGH vom 10.02.1977 - II ZR 120/75 - BGHZ 68, 225 (231). 459 Vgl. BGH vom 22.11.1956 - II ZR 222/55 - BGHZ 22, S. 186 (191); vom 10.02.1977 - II ZR 120/75 - BGHZ 68, S. 225 (229); vom 14.05.1986 - IVa ZR 155/84 - BGHZ 98, S. 48 (50); Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 382f.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1103 f. *
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4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
gänge mit dem Tod des Erblassers zusammenfallen, so vollzieht sich die grundsätzliche Nachfolge der Miterben allein nach dem vom Erbrecht angeordneten Prinzip der todesbedingten Vermögensnachfolge kraft Erbrechts (Totalnachfolge). Das Zerfallen des Anteils in mehrere Einzelanteile entsprechend der Erbquote der Miterben 460 ist ein Zugeständnis des Erbrechts an das Gesellschaftsrecht. Im Gegensatz zur gesellschaftsrechtlichen Lösung wird dem Erbrecht damit der weitergehende Vorrang eingeräumt. Erbrechtlich läßt sich die Anteilsteilung dogmatisch als eine mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes eintretende, partielle und sachliche Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verstehen. b) Nachlaßzugehörigkeit
des Gesellschaftsanteils
Trotz der erbrechtlichen Lösung ist noch nicht die seit langem umstrittene Frage abschließend geklärt, ob der Gesellschaftsanteil des Erblassers auch zum Nachlaß gehört und dort bei einer Mehrheit von Erben zum gesamthänderisch gebundenen Vermögen der Erbengemeinschaft i.S. des § 2032 Abs. 1 BGB zählt 461 . Hierzu trägt vor allem die in weiten Teilen unterschiedliche Rechtsprechung des BGH bei. Im Kern umstritten ist, ob sich die Grundsätze der Sondernachfolge auf den gesamten Gesellschaftsanteil (Mitgliedschafts- und Vermögensrechte) beziehen, oder die nach § 717 Satz 2 BGB selbständig übertragbaren Vermögensrechte gesondert den allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen (Universalsukzession nach § 1922 BGB mit einer gesamthänderischen Bindung im Nachlaß gemäß § 2032 Abs. 1 BGB) unterworfen werden. aa) Auffassung des II. Senats des BGH Nach Auffassung des II. Senats des BGH (Gesellschaftsrecht) ist hinsichtlich des Gesellschaftsanteils als Teil des vererbten Vermögens zwischen den reinen Mitgliedschaftsrechten und den abspaltbaren Vermögensrechten i.S. des §717 Satz 2 BGB zu differenzieren (Abspaltungstheorie)462. Die Nachfolge vollzieht sich hinsichtlich der Mitgliedschaftsrechte rein nach den Grundsätzen der Sonderrechtsnachfolge und damit am 460
Vgl. Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 38 Rn. 521 f. Jedem Einzelanteil stehen notwendigerweise auch die gesetzlich oder vertraglich bestimmten Verwaltungsrechte zu, nicht jedoch die persönlichen Sonderrechte des Erblassers. 461 Vgl. zum Meinungsstand GrashoffDie Nachfolge von Miterben in den Anteil an einer Personengesellschaft, S. 15 ff.; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/ 1. Halbband, § 139 Rn. 17. 462 Vgl. Schlicht, NJW 1954, S. 984 (985 f.); Ulmer in: FS für Schilling, S. 79 (89ff.); dersNJW 1984, S. 1496ff.; ders., JuS 1986, S. 856ff.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
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gesamthänderisch gebundenen Nachlaß vorbei. Die jeweils gesplitteten Mitgliedschaftsrechte zählen nicht zum gesamthänderisch gebundenen Nachlaß i.S. des § 2032 Abs. 1 BGB, sondern werden den einzelnen Miterben unmittelbar zugeordnet 463. Die Vermögensrechte in Form der selbständig übertragbaren Ansprüche auf den Gewinn und das Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben fallen hingegen in den Nachlaß und werden von allen Miterben gesamthänderisch nach § 2032 Abs. 1 BGB erworben 464 . Im Vordergrund stehen dabei insbesondere die Interessen der Nachlaßgläubiger, die eine dingliche Zuordnung zumindest der Vermögensrechte zu dem gesamthänderisch gebundenen Nachlaß erfordern 465. bb) Auffassung des IV. Senats des BGH Weitergehend ist hingegen die Auffassung des IV. Senats (Erbrecht), der trotz der Sonderrechtsnachfolge von einer vollumfänglichen Nachlaßzugehörigkeit des Gesellschaftsanteils ausgeht. Der Anteil, bestehend aus den reinen Mitgliedschaftsrechten und den Vermögensrechten, wird wegen der Einheitlichkeit eines Gesellschaftsanteils nicht zum gesamthänderisch gebundenen Vermögen der Erbengemeinschaft i.S. der §§ 2032ff. BGB gerechnet, sondern einem „Nachlaß im weiteren Sinne" zugeordnet (Einheitstheorie) 466. Dieser Nachlaß im weiteren Sinne umfaßt den Gesellschaftsanteil, der nicht der Erbengemeinschaft, sondern anteilig den einzelnen Miterben unmittelbar zugeordnet wird (keine gesamthänderische Bindung). cc) Stellungnahme Beide Senate des BGH gehen zutreffend von einer generellen Vererblichstellung des Gesellschaftsanteils durch eine einfache Nachfolgeklausel und einem Erwerb des Anteils kraft Erbrechts durch die Erben aus (erbrechtli463 Der II. Senat spricht von einer Ausgliederung der Beteiligung „aus der Nachlaßmasse" und der persönlichen Zuordnung an die Gesellschaftererben, ohne jedoch neben einem allgemeinen Hinweis auf die Sonderrechtsnachfolge den dogmatischen Hintergrund einer derartigen Ausgliederung und persönlichen Zuordnung zu erläutern, vgl. BGH vom 24.11.1980 - II ZR 194/79 - NJW 1981, S. 749f. 464 Vgl. BGH vom 22.11.1956 - II ZR 222/55 - BGHZ 22, S. 186 (193); vom 30.04.1984 - II ZR 293/83 - BGHZ 91, S. 132 (135 f.). 465 Der Beschluß des II. Senats des BGH vom 03.07.1989 enthält keine ausdrückliche Abkehr von der bislang vertretenen Abspaltungstheorie, da immer noch eine Nachlaßzugehörigkeit der Mitgliedschaftsrechte verneint wird, vgl. BGH vom 03.07.1989 - II ZB 1/98 - BGHZ 108, S. 187 (189ff.); Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, § 1922 Rn. 38a. 466 Vgl. BGH vom 14.05.1986 - IVa ZR 155/84 - BGHZ 98, S. 48 (50f.).
134
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
che Lösung). Daneben ist unstreitig, daß die persönlichen Mitgliedschaftsrechte keiner Fremdbestimmung unterliegen sollen. Diese werden daher den einzelnen Erben persönlich und ohne gesamthänderische Bindung über die Erbengemeinschaft zugeordnet. Andererseits müssen die Vermögensrechte nach dem erbrechtlichen Haftungsgefüge den Nachlaßgläubigern zur Verfügung stehen 467 . Ausgangspunkt einer dogmatischen und methodischen Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Sonderrechtsnachfolge ist die Vererbbarkeit eines Gesellschaftsanteils kraft Gesetzes und die nicht mit dem haftungsrechtlichen Regelungsstatut des Gesellschaftsrechts in Einklang zu bringende Gesellschafterstellung einer Erbengemeinschaft (als Gesamthandsgemeinschaft) innerhalb einer werbenden Personengesellschaft. Das Institut der Einzelrechtsnachfolge in richterlicher Rechtsfortbildung ist notwendig, um die gesellschaftsrechtlich motivierte haftungsrechtliche Kollision zwischen Erbrecht und Gesellschaftsrecht zu lösen 468 . Wenn der Materie des Gesellschaftsrechts nach Art. 2 Abs. 1 EGHGB der Vorrang vor den Normen des allgemeinen Zivilrechts zukommt, dürfen insbesondere der in § 139 HGB aufgestellte Grundsatz der Vererbbarkeit eines Gesellschaftsanteils und die zwingenden haftungsrechtlichen Vorschriften nicht von einzelnen erbrechtlichen Bestimmungen unterlaufen werden 469.
(1) Verdeckte
Regelungslücke des Erbrechts
Die mangelnde Abstimmung des Erbrechts auf die gesellschaftsrechtlichen Eigenarten eines Gesellschaftsanteils als auf mehrere Personen vererbbarem Gegenstand führt zu einer verdeckten gesetzlichen Regelungslücke des Erbrechts 470. Von einer verdeckten Regelungslücke spricht man, wenn eine Norm zwar eine Regelung für bestimmte Fälle enthält, diese Regelung aber nach ihrem Sinn und Zweck auf eine bestimmte Gruppe dieser Fälle nicht anwendbar ist, weil die dieser Gruppe immanenten Wertungen und relevanten Besonderheiten nicht berücksichtigt wurden 471 . Da eine verdeckte Regelungslücke in der fehlenden Einschränkung einer oder mehrerer Normen für einen bestimmten Fall besteht, ist die Gesetzeslücke durch eine teleologische Reduktion der Rechtsnormen zu schließen, die einzelnen Wertungen des gesetzlichen Gesamtgefüges entgegenstehen472. 467
Vgl. Stodolkowitz in: FS für Kellermann, S. 439 (443). Vgl. Edenhof er in: Palandt, BGB, § 1922 Rn. 18. 469 Vgl. Esch, NJW 1984, S. 339 (342); Raddatz, Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, S. 45; Ulmer, NJW 1984, S. 1496 (1501); Schmitz, ZGR 1988, S. 140 (150). 470 Vgl. Raddatz, Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, S. 18. Vgl. zu den dogmatischen Einzelheiten einer verdeckten Regelungslücke 468
1. Kapitel, A.V.3.C). 471
Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 375; Siegmann, NJW 1995, S. 481 (483).
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften (2) Teleologische Reduktion erbrechtlicher
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Bestimmungen
Das Institut der Sonderrechtsnachfolge als dem Erbrecht grundsätzlich fremdes Rechtsinstitut muß mit den einzelnen erbrechtlichen Bestimmungen in Einklang gebracht werden. Das unter den Zwängen des Gesellschaftsrechts und in richterlicher Rechtsfortbildung geschaffene Rechtsinstitut kann dabei nur zur Füllung der existierenden verdeckten Regelungslücke herangezogen werden, wenn es als teleologische Reduktion zwingend auf diejenigen Rechtsnormen des Erbrechts beschränkt wird, die dem Prinzip der Vererbung eines Gesellschaftsanteils an eine Erbenmehrheit entgegenstehen 473 . Diese teleologische Reduktion ist insbesondere durch die Norm des § 139 HGB geboten. Dessen Regelungsmaterie und gesetzesimmanentes Prinzip der Vererbbarkeit eines Gesellschaftsanteils könnte auch im Fall einer Erbenmehrheit nicht erreicht werden, wenn der Grundsatz der Universalsukzession nach § 1922 BGB mit der Folge der gesamthänderischen Gebundenheit des vererbten Anteils im Vermögen der Erbengemeinschaft nach § 2032 BGB nicht einschränkend im Sinne des Instituts der Sonderrechtsnachfolge ausgelegt wird. (a) Abspaltungstheorie Die Abspaltungstheorie geht letztlich von einer Identität der Begriffe „Nachlaß" und „gemeinschaftliches (d.h. gesamthänderisch gebundenes) Vermögen der Erbengemeinschaft" aus. Der Gesellschaftsanteil wird durch die Sonderrechtsnachfolge im Lichte dieser Theorie dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft i.S. des § 2032 BGB hinsichtlich der reinen Mitgliedschaftsrechte entzogen, um dem zwingenden Haftungsstatut des Gesellschaftsrechts gerecht zu werden 474 . Die vom II. Senat vertretene Abspaltungstheorie, die damit auch eine Nachlaßzugehörigkeit (in einer gesamthänderischen Bindung) der reinen Mitgliedschaftsrechte verneint, enthält letztlich zur Angleichung der übrigen Normen des Erbrechts an das Institut der Sondernachfolge eine teleologische Reduktion sämtlicher erbrechtlicher Vorschriften über den Nachlaß als solchen, indem sie ein „Sondervermögen" der Erben schafft, dem sie 472
Vgl. LarenZy Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 375. Zweifelnd insoweit Siegmann, der die Sondemachfolge als gesetzesübergreifende Rechtsfortbildung versteht, die sich an den Interessen der Gesellschafter am Fortbestand der Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters und an der Auswahl eines geeigneten Nachfolgers orientiert, vgl. Siegmann, Personengesellschaftsanteil und Erbrecht, S. 105 f.; ders., NJW 1995, S. 481 (484). 474 Von dieser Prämisse geht sowohl die Einheits- wie auch die Abspaltungstheorie aus, vgl. Koch, BB 1987, S. 2106 (2109). 473
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4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
die reinen Mitgliedschaftsrechte zuordnet 475 . Es wird von der Abspaltungstheorie eine Identität der Begriffe „Nachlaß" und „gemeinschaftliches Vermögen der Erbengemeinschaft" unterstellt 476, die das Gesetz an keiner Stelle, insbesondere nicht in §§ 2032 ff. BGB, vorsieht 477 . Dies zeigt der Fall der Vermögensnachfolge durch einen Alleinerben, bei dem von einer zwingend gesamthänderischen Bindung des ihm zugefallenen Nachlasses nicht gesprochen werden kann 4 7 8 . Der Abspaltungstheorie ist zwar zuzugeben, daß sie lediglich eine Reduktion der erbrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte vornimmt, um die abspaltbaren Vermögensrechte entsprechend dem uneingeschränkt geltenden § 2032 BGB zu unterwerfen und damit dem gesamthänderisch gebundenen Nachlaß zuzuordnen. Die Annahme eines automatischen Auseinanderfallens von Mitgliedschaftsrechten und Vermögensrechten im Erbfall findet aber weder im Gesellschaftsrecht, noch im Erbrecht eine hinreichende gesetzliche Stütze479. Denn die in § 717 Satz 2 BGB geregelte Abspaltbarkeit der Vermögensrechte durch eine selbständige Übertragung ohne die Mitgliedschaftsrechte begründet für sich selbst noch keine tatsächliche Abspaltung und Zuordnung zum gesamthänderisch gebundenen Nachlaß nach § 2032 BGB, die durch das Institut der Sonderrechtsnachfolge eintritt. Hierfür wäre die Erweiterung des Instituts der Sondererbfolge um eine weitere Facette in Form einer unmittelbar erfolgenden Abspaltung ohne rechtsgeschäftliche Übertragung erforderlich 480. (b) Einheitstheorie Demgegenüber greift die Auffassung des IV. Senats (Einheitstheorie) „schonender" in die erbrechtlichen Vorschriften ein. Die reinen Mitgliedschaftsrechte werden trotz anteiliger Nachfolge der Miterben zum Nachlaß als solchem gezählt, der aber hinsichtlich dieser Rechte aus der Beteiligung 475
Vgl. Ulmer, NJW 1984, S. 1496 (1499). Vgl. RaddatZy Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, S. 443. 477 Aus dem Wortlaut des § 2032 Abs. 1 BGB („wird der Nachlaß gemeinschaftliches Vermögen der Erben") folgt eindeutig, daß die Begriffe des „Nachlasses" und des „gemeinschaftlichen (gesamthänderisch gebundenen) Vermögens der Erbengemeinschaft" nicht identisch sind, vgl. Raddatz, Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, S. 41. 478 Vgl. Dütz in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, vor § 2032 Rn. 1; Flume in: FS für Müller-Freienfels, S. 113 (120). 479 Vgl. Bommert, BB 1984, S. 178 (180); Esch, NJW 1984, S. 339 (341); Flume, NJW 1988, S. 161 (163 f.); Koch, BB 1987, S. 2106 (2111); a.A. Siegmann, NJW 1995, S. 481 (484f.). 480 Vgl. Esch, NJW 1984, S. 339 (342); Flume, NJW 1988, S. 161 (163 f.); Marotzke in: Staudinger, BGB, § 1922 Rn. 187; Raddatz, Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, S. 45 f.; Ulmer, NJW 1984, S. 1496 (1501); Schmitz, ZGR 1988, S. 140 (150). 476
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
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keine gesamthänderische Bindung aufweist (Nachlaß im weiteren Sinne). Dies ist lediglich eine teleologische Reduktion derjenigen erbrechtlichen Normen, die bei einer Mehrheit von Erben die gesamthänderische Gebundenheit des Nachlasses anordnen 481 und im Fall eines vererbten Gesellschaftsanteils dem Haftungsstatut des Gesellschaftsrechts entgegenstehen482. Dagegen reduziert die Abspaltungstheorie hinsichtlich der Mitgliedschaftsrechte nicht nur die erbrechtlichen Vorschriften, die eine gesamthänderische Bindung des Nachlasses normieren, sondern reduziert sämtliche Nachlaßvorschriften bis zur Unanwendbarkeit, indem sie ein „Sondervermögen" der Erben kreiert 483 . Werden durch die Einheitstheorie nur einzelne Normen teleologisch reduziert, wird dem Erbrecht nach der Auffassung des IV. Senats der weitergehende Geltungsspielraum eingeräumt. Die Einheitstheorie führt damit zu einer gesetzeskonformen Einfügung des Instituts der Sonderrechtsnachfolge in das Regelungsstatut des Erbrechts 484. Ohne den Konflikt zwischen der Abspaltungs- und der Einheitstheorie abschließend an dieser Stelle zu entscheiden, läßt sich im Ergebnis folgendes festhalten: Allein aus dogmatischer Sicht ist der Einheitstheorie der Vorzug zu geben, da sie über eine zulässige teleologische Reduktion nur einzelner erbrechtlicher Vorschriften das Institut der Sonderrechtsnachfolge systemkonform in das Erbrecht einpaßt. Demgegenüber setzt sich die Abspaltungstheorie der Kritik aus, mit der qua Todesfall eintretenden Abspaltung der Mitgliedschaftsrechte von den Vermögensrechten der Beteiligung einen weiteren Eingriff in gesetzliche Vorschriften (Gesellschaftsrecht) zu benötigen. Eine teleologische Reduktion ist jedoch nur dann angezeigt, wenn sie die Zurückführung der Regelungen einzelner Normen auf ein Minimum beschränkt.
481 Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - DB 1992, S. 968f. m.w.N.; Hörger in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 827; IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 455; Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 74 Rn. 6; Koch, BB 1987, S. 2106 (2109, 2111). 482 Die Ansicht der Einheitstheorie ist daher lediglich dahingehend zu interpretieren, daß unter „Nachlaß" nicht der gesamthänderisch gebundene Nachlaß - gehalten von der Erbengemeinschaft nach § 2032 BGB - zu verstehen ist, sondern im Sinne eines „weiten Nachlaßbegriffs". Dieser umfaßt den gesamten Erwerb von Todes wegen und entzieht nur einzelne Nachlaßgegenstände (Mitgliedschaftsrechte) in dem zwingend erforderlichen Umfang der gesamthänderischen Gebundenheit durch die Erbengemeinschaft. 483 Dieser weitergehende Schritt der Abspaltungstheorie ist konsequent, da sie von einer Identität der Begriffe „Nachlaß" und „gemeinschaftliches (d.h. gesamthänderisch gebundenes) Vermögen der Erbengemeinschaft" ausgeht, vgl. Raddatz, Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, S. 443. 484 Vgl. Stodolkowitz in: FS für Kellermann, S. 439 (442).
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4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile 2. Ertragsteuerliche Beurteilung
Mit dem Tod des Erblassers erlischt dessen persönliche Einkommensteuerpflicht 485 . Zwar unterliegt die Vererbung einer ertragbringenden Wirtschaftseinheit (hier: Mitunternehmeranteil i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) als unentgeltlicher Vorgang originär nicht der Einkommensteuer, als vielmehr der Erbschaftsteuer. Jedoch löst der Tod eines Mitunternehmers auch einkommensteuerliche Folgen aus, da zum einen eine steuerrechtliche Zurechnung des Mitunternehmeranteils als „Einkunftsquelle" 486 inklusive möglichen Sonderbetriebsvermögens erfolgen muß 4 8 7 . Zum anderen ist nach den persönlichen Merkmalen eines jeden Gesellschafternachfolgers zu klären, ob auch die jeweiligen Erben, gemessen an § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, eine Mitunternehmerstellung in ihrer Person (weiter) aufrechterhalten. a) Nachfolge in den Gesellschaftsanteil Vor dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990 488 ging die Rechtsprechung entgegen der zivilrechtlichen Beurteilung von der ertragsteuerlichen Einheit eines Erbfalls nach § 1922 Abs. 1 BGB und der anschließenden Erbauseinandersetzung nach § 2042 Abs. 1 BGB aus (Einheitstheorie) 489. Für den Fall der Nachfolge aufgrund einer einfachen Nachfolgeklausel hatte dies konsequenterweise zur Folge, daß nur der Erbe unter Buchwertfortführung in die Beteiligung des Erblassers unentgeltlich einrückte, der anläßlich einer Erbauseinandersetzung den gesamten Gesellschaftsanteil letztendlich übernahm 490. Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäfte unter den Miterben waren nach damaligem Verständnis ausgeschlossen491. Der Beschluß des Großen Senats des BFH begründete die Trennungstheorie, nach der auch ertragsteuerlich Erbfall und Erbauseinandersetzung getrennt beurteilt werden müssen. Die alte Betrachtungsweise ist somit nicht mehr möglich, auch wenn sich der Beschluß des Großen Senats aufgrund des Vorlagebeschlusses des VIII. Senats nicht mit einem vererbten 485
Vgl. hierzu Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 41. Der Begriff der „Einkunftsquelle" ist untechnisch zu verstehen, da der BFH in der Diktion der sogenannten „Mai-Urteile" aus dem Jahr 1980 das Denken in der Kategorie einzelner „Einkunftsquellen" aufgegeben hat, vgl. BFH vom 13.05.1980 VIII R 63/79 - BStBl. II 1981, S. 295; vom 13.05.1980 - VIII R 75/79 - BStBl. II 1981, S. 297; vom 13.05.1980 - VIII 128/78 - BStBl. II 1981, S. 299. 487 Vgl. hierzu Jakob, Einkommensteuer, § 2 Rn. 41. 488 Vgl. BFH vom 05.07.1990 - GrS 2/89 - BStBl. II 1990, S. 837. 489 BFH vom 26.07.1963 - VI 334/61 U - BStBl. III 1963, S. 480; vom 19.05.1983 - IV R 138/79 - BStBl. II 1983, S. 380 (381). 490 Vgl. Märkte, DStR 1993, S. 1616 (1617). 491 Vgl. Dötsch in: FS für L. Schmidt, S. 867 (872ff.). 486
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
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Gesellschaftsanteil, sondern einem zum Nachlaß zählenden Einzelunternehmen auseinanderzusetzen hatte. „... Der Große Senat pflichtet der Auffassung des vorlegenden Senates bei, daß Erbfall und Erbauseinandersetzung für die Einkommensbesteuerung keine rechtliche Einheit bilden; hierauf beruht die neuere Rechtsprechung des I., des II. und des IX. Senates im Bereich des Privatvermögens. Die gegenteilige Ansicht kann auch für den Bereich des Betriebsvermögens nicht aufrechterhalten werden. . . . " 4 9 2 Nach der Trennungstheorie geht mit dem Erbfall der Mitunternehmeranteil des Erblassers nunmehr entsprechend der zivilrechtlichen Regelung unmittelbar im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf den oder die Erben über. Sowohl der nachfolgende Alleinerbe, wie auch die Miterben, die jeweils den gesplitteten Anteil erhalten, werden bis zu einer möglichen Erbauseinandersetzung ertragsteuerlich Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 4 9 3 . Der VIII. Senat des BFH führt hierzu - auch unter Darstellung des zivilrechtlich ausgetragenen Konfliktes zwischen der Abspaltungs- und der Einheitstheorie - in seiner Entscheidung vom 29.10.1991 494 aus: „... War im Gesellschaftsvertrag bestimmt, daß die Gesellschaft beim Erbfall mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt werden sollte (sog. einfache Nachfolgeklausel), so ging mit dem Erbfall der Gesellschaftsanteil an der gewerblich tätigen OHG im Wege der Sondererbfolge unmittelbar und unentgeltlich und nach der Erbquote geteilt auf W. und V. als Erben über. Eine Erbengemeinschaft kann nicht Mitglied einer werbenden Personengesellschaft sein [...]. In der Rechtsprechung des BGH ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, welche Folgen aus der auf gesellschaftsrechtlichen Überlegungen beruhenden dinglichen Ausgliederung der Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft aus dem gesamthänderisch gebundenen Nachlaß der Erbengemeinschaft zu ziehen sind [...]. Der Gesellschaftsrechtssenat des BGH geht davon aus, daß die aus den (geteilten) Beteiligungen abzuleitenden übertragbaren Vermögensrechte Gesamthandsvermögen der Miterben bilden [...]. Der Erbrechtssenat des BGH vertritt dagegen die Ansicht, ein vererbter Personengesellschaftsanteil gehöre trotz der 492
Siehe BFH vom 05.07.1990 - GrS 2/89 - BStBl. II 1990, S. 837 (841). Vgl. BFH vom 13.02.1997 - IV R 15/96 - BStBl. II 1997, S. 535 ff. m.w.N. Ein Mituntemehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entfaltet zusammen mit anderen Personen aufgrund eines Gesellschaftsverhältnisses oder eines wirtschaftlich vergleichbaren Verhältnisses eine Mitunternehmerinitiative und trägt ein entsprechendes Mitunternehmerrisiko, vgl. BFH vom 25.06.1984 - GrS 4/82 - BStBl. II 1984, S. 751 (769); vom 22.01.1985 - VIII R 303/81 - BStBl. II 1985, S. 363 (364); vom 10.02.1987 - VIII R 297/81 - BFH/NV 1987, S. 637 (638f.); vom 18.10.1988 - VIII R 172/85 - BFH/NV 1989, S. 487 (491); vom 06.12.1988 VIII 362/83 - BStBl. II 1989, S. 705 (706); vom 21.11.1989 - VIII R 96/85 BFH/NV 1990, S. 427 f.; vom 05.07.1990 - GrS 2/89 - BStBl. II 1990, S. 837 (842). 494 Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (513f.). 493
140
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
Rechtszuständigkeit der Nachfolgererben im ganzen zum Nachlaß [...]. Für den Streitfall bedeutet das, daß der Gesellschaftsanteil sich nach den Erbquoten aufgespalten hat und somit W. zu V4 und V. zu 3 U Nachfolgergesellschafter geworden sind. Steuerrechtlich sind demzufolge W. und V. zu entsprechenden Anteilen Mitunternehmer der OHG geworden. ..." Der Alleinerbe oder die Miterben erwerben den Mitunternehmeranteil somit nach § 6 Abs. 3 EStG n. F. unentgeltlich. In der Person des Erblassers entsteht kein Veräußerungs- oder Entnahmegewinn495. Der oder die nachfolgenden Erben führen entsprechend ihrer Erbquote das Kapitalkonto des Erblassers zu Buchwerten fort 4 9 6 .
b) Nachfolge in Sonderbetriebsvermögen Die Erben treten grundsätzlich auch (anteilig) die Nachfolge in das Sonderbetriebsvermögen des Erblassers an 4 9 7 . Dieses fällt erbrechtlich als Privatvermögen in den Nachlaß, da das Zivilrecht ein Sonderbetriebsvermögen nicht kennt. Wird der Erblasser von einer Erbengemeinschaft beerbt, werden die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens durch die Gesamtrechtsnachfolge zum gesamthänderisch gebundenen Vermögen der Erbengemeinschaft. Es erfolgt kein Splitting des Eigentums in Bruchteilseigentum - vergleichbar dem Splitting des Gesellschaftsanteils bei einer Nachfolge durch mehrere Erben 498 . Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO wird das jeweilige Sonderbetriebsvermögen zusammen mit dem anteiligen Gesellschaftsanteil in Höhe der Erbquote den jeweiligen Erben ertragsteuerlich zugerechnet, womit auch insoweit ungeachtet der gesamthänderischen Verbundenheit der Miterben die Buchwerte anteilig fortgeführt werden 499 .
495
Vgl. BFH vom 26.03.1981 - IV R 130/77 - BStBl. II 1981, S. 614 (616f.); vom 16.05.1995 - VIII R 18/93 - BStBl. II 1995, S. 714 (715ff.); Dötsch in: FS für L. Schmidt, S. 867 (871); Kapp/Ebeling y Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 351. 496 Vgl. BFH vom 13.02.1997 - IV R 15/96 - BStBl. II 1997, S. 535 (537); Felix, KÖSDI 1997, S. 11064 (11072); Groh, BB 1990, S. 2135 (2140); Gänger in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Band IV, EStG, § 16 Rn. 290; Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, Band 3, EStG, § 16 Rn. 1041; Märkle, DStR 1993, S. 1616 (1617). 497 Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (513ff.); Felix, KÖSDI 1997, S. 11064 (11066f.); Gebel, BB 1995, S. 2611 (2616f.). 498 Vgl. Dötsch in: FS für L. Schmidt, S. 867 (872); Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 350, 355; Ludwig, Die Erbengemeinschaft, S. 190. 499 Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (514); Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, Band 3, EStG, § 16 Rn. 1045; Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 355.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
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Der zivilrechtliche Streit im Sinne der Einheits- oder Abspaltungstheorie um die Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Gesellschaftsanteils spielt für die ertragsteuerliche Beurteilung des Erbanfalls von Sonderbetriebsvermögen keine Rolle. Für die ertragsteuerliche Beurteilung ist nicht relevant, ob und in welchem Umfang der gesamte Gesellschaftsanteil oder die Mitgliedschaftsrechte beziehungsweise Vermögensrechte in den gesamthänderisch gebundenen Nachlaß der Erbengemeinschaft oder in ein hiervon getrenntes Sondervermögen des einzelnen Erben fallen, da in jedem Fall ein unentgeltlicher Erwerb vorliegt. 3. Erbschaftsteuerliche Beurteilung Die dingliche Neuzuordnung des Gesellschaftsanteils hat auf Seiten der Erben einen unentgeltlichen Erwerb und damit eine Bereicherung zur Folge, die zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit führt. Da als Substanz in Form der Gesellschaftsbeteiligung unternehmerisch gebundenes Vermögen im weitesten Sinne übergeht, ist die Leistungsfähigkeit der Erwerber im Lichte der Ausführungen des BVerfG aus dem Einheitswertbeschluß zur Erbschaftsteuer 500 durch die Sozialgebundenheit des Erwerbsgegenstands eingeschränkt. Die folgende Auseinandersetzung mit dem Erwerb eines Gesellschaftsanteils von Todes wegen hat sich somit mit mehreren Fragekomplexen zu befassen. Zum einen muß geklärt werden, ob im Hinblick auf eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts das zivilrechtliche Rechtsinstitut der Sonderrechtsnachfolge nach der Abspaltungs- oder Einheitstheorie Auswirkungen auf den steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hat (Maßgeblichkeit des Zivilrechts innerhalb des integrierenden Tatbestands). Auch muß der Frage nachgegangen werden, wie der verminderten Leistungsfähigkeit der Erwerber aufgrund eines Erwerbs von Betriebsvermögen steuerlich Rechnung getragen werden kann. Letztlich ist im Lichte des Ertragsteuerrechts das erbschaftsteuerliche Schicksal des Sonderbetriebsvermögens zu analysieren, das mit dem Mitunternehmeranteil verbunden ist. a) Steuerpflichtiger
Erwerb
Folgt ein Alleinerbe im Rahmen einer einfachen Nachfolgeklausel in den Gesellschaftsanteil des Erblassers nach, so vollzieht sich der Substanzübergang und somit der Erwerb im Rahmen der Universalsukzession nach § 1922 BGB. Dieser Erwerb ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG über die direkte Verweisung auf § 1922 BGB steuerpflichtig 501. Dieses korrespondiert mit der Feststellung, wonach im Rahmen der Erwerbe von Todes wegen kein eigener erbschaftsteuerlicher Ordnungsrahmen zur Verfügung steht, und eine grundsätzliche Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die erbschaftsteu500 Vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671. Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.I.4.C). 501 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 142; Jülicher in: Troll/ Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 39; Meincke, ErbStG, § 3 Rn. 19.
142
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
erliche Erfassung eines todesbedingten Substanzübergangs (dingliche Zuordnung) besteht502. Das tatbestandliche Regelungsdefizit des Erbschaftsteuergesetzes wird gesetzessystematisch über die direkte Verweisung auf § 1922 BGB ausgeglichen. Der Anteilserwerb durch eine Erbenmehrheit im Wege der Sonderrechtsnachfolge über die anteilige Nachfolge entsprechend der jeweiligen Erbquote stellt ebenfalls einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar 5 0 3 . Dies folgt aus der zivilrechtlichen Beurteilung, wonach die einfache Nachfolgeklausel lediglich den Gesellschaftsanteil vererblich stellt, der Erwerb als Erwerb von Todes wegen aber letztendlich auf der gesetzlichen Erbenstellung oder der testamentarischen Erbeinsetzung beruht (erbrechtliche Lösung). Die dingliche Neuzuordnung wird auch bei der Nachfolge einer Erbenmehrheit innerhalb einer einfachen Nachfolgeklausel über das Prinzip der Totalnachfolge gemäß § 1922 BGB vollzogen 504 , womit der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts auch bei der Nachfolge einer Erbenmehrheit zum Tragen kommt. Das Institut der Sonderrechtsnachfolge mit seinen Ausgestaltungen durch die Einheitsbeziehungsweise die Abspaltungstheorie spielt im Rahmen der einfachen Nachfolgeklausel für die Erbschaftsteuer keine weitere Rolle. Denn nach dem Prinzip der Erbanfallsteuer wird der jeweilige Erwerb der Erben erfaßt und nicht der Nachlaß als solcher besteuert 505. Es kann demnach erbschaftsteuerlich nicht relevant sein, zu welcher Art von Nachlaß nach der Einheitsoder Abspaltungstheorie die vererbte Beteiligung zivilrechtlich zu zählen ist.
b) Bewertung des Gesellschaftsanteils In zivilrechtlicher Hinsicht bewirkt das Institut der Sonderrechtsnachfolge einen anteiligen Erwerb (entsprechend der jeweiligen Erbquote) der Beteiligung durch die Miterben, womit diesen auch grundsätzlich 506 anteilig die Vergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG zugute kommen 507 . Dies ist auch mit dem Gesetzeszweck des § 13a ErbStG vereinbar, da sämtliche Miterben unternehmerisches, sozialgebundenes und 502
Vgl. hierzu 3. Kapitel, A.I.l. 503 Ygi JQ^ Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 364; Meincke, ErbStG, § 13a Rn. 6; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 45; Schulze zur Wiesche, BB 1997, S. 2621 (2624); Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 142; Söffing/Völkers/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 181 f. 504 Vgl. Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 380f.; ders. in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 93. 505 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.II. 506 Eine Ausnahme besteht, wenn der Erblasser den Freibetrag anderweitig nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ErbStG zugewiesen hat. 507 Vgl. Hörger in: Hörger/Stephan, Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 830.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
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damit begünstigungswürdiges Vermögen in Form des Gesellschaftsanteils erwerben. Handelt es sich bei dem vererbten Gesellschaftsanteil um einen Anteil an einer Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, so unterliegt dieser nach seiner sachlichen Qualifikation den Vergünstigungen für Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG, da direkt auf eine Norm des Einkommensteuergesetzes verwiesen wird (Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts) 508. Denn das Ertragsteuerrecht spielt im Rahmen der Bewertungsvorschrift des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG insoweit die entscheidende Rolle, als über die direkte Verweisung auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der erworbene Vermögensgegenstand als Mitunternehmeranteil und damit als unternehmerisch gebundenes und begünstigungswürdiges Vermögen qualifiziert wird 5 0 9 .
c) Nachfolge in Sonderbetriebsvermögen Das Zivilrecht kennt kein Sonderbetriebsvermögen. Zivilrechtlich werden diese Wirtschaftsgüter nach erbrechtlichen Regeln als Privatvermögen vererbt und fallen - sowohl bei einem Alleinerben als auch bei einer Erbenmehrheit - in den (gesamthänderisch gebundenen) Nachlaß. Mit dem Erbanfall verwirklichen die Erben hinsichtlich dieser Vermögensgegenstände einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Lediglich die sachliche Qualifizierung einzelner Vermögensgegenstände als Sonderbetriebsvermögen wird ausschließlich durch das Ertragsteuerrecht vorgenommen. Da aber im Rahmen einer einfachen Nachfolgeklausel der Anteilserwerb des einzelnen Erben seiner Erbquote entspricht und diese wiederum die anteilige und dekkungsgleiche Nachfolge in das Sonderbetriebsvermögen bestimmt, stellt sich die Frage, ob auf diese Vermögensgegenstände die bewertungsrechtliche Begünstigungsvorschrift des § 13a ErbStG Anwendung findet, das heißt, ob sie ebenfalls zu dem begünstigungsfähigen unternehmerischen Vermögen rechnen. Da die Erben auch unmittelbar in das Sonderbetriebsvermögen des Erblassers nachfolgen, werden diese Wirtschaftsgüter den Miterben nach 508
Vgl. Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 10; Felix, KÖSDI 1997, S. 11064 (11072); Gebel, Betriebsvermögen und Unternehmernachfolge, Rn. 511; ders., Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 443; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 39; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 18. Vgl. hierzu 3. Kapitel, C.III.2.a). 509 Vgl. Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 372f. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG besitzt insoweit innerhalb des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG tatbestandsersetzenden Charakter. Er schließt ein erbschaftsteuerliches Regelungsdefizit des Erbschaftsteuergesetzes bei der Frage nach der sachlichen Qualifikation von Betriebsvermögen.
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4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zugerechnet und zusammen mit dem anteiligen Mitunternehmeranteil als ertragsteuerliches Betriebsvermögen erworben 5 1 0 . Diese sachliche Qualifikation bemißt sich nach einer ertragsteuerlichen Beurteilung, wonach auch das Sonderbetriebsvermögen zum jeweiligen Mitunternehmeranteil und damit zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögen zählt 5 1 1 . An diese Wertung knüpft § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG an, wonach auch das Sonderbetriebsvermögen des Erblassers als begünstigtes Vermögen erworben wird (sachliche Qualifikation), soweit gleichzeitig die (anteilige) Nachfolge in die dazugehörige Mitunternehmerstellung angetreten wird 5 1 2 ; Das Erbschaftsteuergesetz besitzt für diese Qualifikation insoweit keinen eigenen Ordnungsrahmen sondern nimmt vielmehr Rückgriff auf entsprechende Regelungen des Einkommensteuerrechts 513 . 4. Zwischenergebnis Im Rahmen einer einfachen erbrechtlichen Nachfolgeklausel orientiert sich das Erbschaftsteuerrecht bei der Frage des steuerpflichtigen Erwerbs über die direkte Verweisung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf das Erbrecht (§ 1922 BGB) an der zivilrechtlich geregelten dinglichen Neuzuordnung des vererbten Gesellschaftsanteils („Maßgeblichkeit des Zivilrechts"). Das zivilrechtliche Rechtsinstitut der Sonderrechtsnachfolge in seinen Ausgestaltungen nach der Einheits- und der Abspaltungstheorie spielt bei der Frage der näheren Qualifizierung des steuerpflichtigen Erwerbs keine Rolle, da die Theorien lediglich innerhalb des Zivilrechts systematische Brüche zwischen dem Erbrecht und dem Gesellschaftsrecht schließen, aber den Grundsatz des Erwerbs von Todes wegen unangetastet lassen (erbrechtliche Lösung). Die Frage aber, ob der erworbene Vermögensgegenstand überhaupt im Sinne des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG als unternehmerisches Vermögen begünstigungsfähig ist, beurteilt sich sowohl hinsichtlich der persönlichen Merkmale des Erben (Mitunternehmer) als auch hinsichtlich der sachlichen Merkmale des Zuwendungsgegenstands (Mitunternehmeranteil, Sonderbetriebsvermögen) nach ertragsteuerlichen Grundsätzen.
5.0 Vgl. Felix, KÖSDI 1997, S. 11064 (11067); Gebel, BB 1995, S. 2611 (2615); Schulze zur Wiesche, BB 1997, S. 2621 (2624). 5.1 Vgl. BFH vom 19.03.1991 - VIII R 76/87 - BStBl. II 1991, S. 635 (636); vom 31.08.1995 - VIII B 21/93 - BStBl. II 1995, S. 890 (892f.). 5.2 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 135; Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 61; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 16. 513 Vgl. hierzu 3. Kapitel, C.III.2.a).
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
145
II. Die qualifizierte Nachfolgeklausel 1. Erb- und gesellschaftsrechtliche Ausgangslage Eine erbrechtliche Nachfolgeklausel kann dahingehend modifiziert werden, daß der Gesellschaftsanteil zwar grundsätzlich vererblich gestellt wird (die Regelung entspricht der einfachen Nachfolgeklausel), beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft aber nicht mit allen gesetzlichen oder testamentarischen Erben fortgesetzt wird, sondern nur mit einem oder einzelnen der Miterben (qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel) 514. Die qualifizierte Nachfolgeklausel beschränkt demnach die grundsätzliche Vererblichstellung des Gesellschaftsanteils auf einen konkret bestimmten Kreis der Erben 515 . Die Bindung dieser Klausel an das Erbrecht zeigt sich daran, daß sie leerläuft, sollte der qualifiziert Nachfolgeberechtigte nicht zugleich Erbe des verstorbenen Gesellschafters werden 516 . Die qualifizierte Nachfolgeklausel erfaßt den gesamten Gesellschaftsanteil des Erblassers. Es erfolgt keine Nachfolge lediglich entsprechend der Erbquote des jeweils qualifizierten Erben und einem weiteren Anwachsungserwerb der Altgesellschafter nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB 5 1 7 .
a) Nachfolge des qualifizierten
Erben in den Gesellschaftsanteil
In dogmatischer Hinsicht ist die Frage, wie sich der Erwerb des Gesellschaftsanteils durch den qualifiziert nachfolgeberechtigten Erben im einzelnen vollzieht, ebenso umstritten wie bei der einfachen Nachfolgeklausel. Die zur einfachen Nachfolgeklausel entwickelte gesellschaftsrechtliche Lösung 518 begründet den Erwerb durch den jeweils Nachfolgeberechtigten über eine Verfügung 514
Vgl. BGH vom 10.02.1977 - II ZR 120/75 - BGHZ 68, S. 225 (229ff.); Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 366; Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 24, 32; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band HI/1. Halbband, § 139 Rn. 20; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1106. Der Erblasser kann einem bestimmten Erben den Gesellschaftsanteil auch im Wege eines Vermächtnisses zuwenden. Der Unterschied zur qualifizierten Nachfolgeklausel besteht darin, daß dem Vermächtnis keinerlei dingliche Wirkung zukommt. Es begründet lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen die Erben auf Übertragung des Gesellschaftsanteils durch Abtretung, vgl. hierzu IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 473 f. 5,5 Vgl. BGH vom 04.05.1983 - IVa ZR 229/81 - NJW 1983, S. 2376 (2377); vom 14.05.1986 - IV a ZR 155/84 - BGHZ 98, S. 48 (50); ähnlich GebeU BB 1995, S. 173 ff. 516 Vgl. Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 33; IDW y Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 463. 517 Vgl. noch zu dieser alten Auffassung BGH vom 22.11.1956 - II ZR 222/55 BGHZ 22, S. 186 (192). 10 Kobor
146
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
zugunsten Dritter durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden. Diese Lösung kann zwar ohne logische Brüche den Erwerb des gesamten Gesellschaftsanteils durch einen einzelnen Miterben begründen; denn auch insoweit kann man von einer vor dem Todesfall vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Verfügung über den gesamten Anteil ausgehen519. Sie scheitert jedoch daran, daß zivilrechtlich eine dingliche Verfügung zugunsten Dritter nicht möglich ist. Nach der erbrechtlichen Lösung vollzieht sich die Nachfolge in die Beteiligung im Rahmen einer qualifizierten Nachfolgeklausel auch bei nur einem oder einzelnen Nachfolgeberechtigten im Wege der erbrechtlichen Nachfolge, jedoch durch Singularsukzession (Einzelrechtsnachfolge): Der Gesellschaftsanteil fällt dem qualifiziert Nachfolgeberechtigten unter Ausschluß der weichenden Miterben automatisch in unmittelbarer Rechtsnachfolge an 5 2 0 . Dies ist erbrechtlich unproblematisch, soweit nur ein Alleinerbe vorhanden ist. Dogmatische Probleme entstehen, soweit mehrere Miterben berufen sind, von denen nur ein Teil nachfolgeberechtigt ist. In diesem Fall geht - zumindest im Ergebnis - die Beteiligung unmittelbar und in vollem Umfang auf den oder die Berechtigten über. Die tatsächliche Erbquote spielt dabei keine Rolle 5 2 1 . Eine dogmatische, im Erbrecht gesetzlich verankerte Begründung gibt es für diese Einzelnachfolge eines einzelnen Miterben nicht 522 . Diese Rechtsfolge ist aber seit dem Grundsatzurteil 523 des für Gesellschaftsrecht zuständigen II. Senats des BGH weitgehend geklärt, der über den Ansatz einer Einzelnachfolge außerhalb des Nachlasses die qualifizierte Nachfolgeklausel einer unmittelbar dinglich wirkenden Teilungsanordnung des Erblassers gleichsetzt524. Die Frage, wie sich dieser Erwerb vollzieht, fokussiert sich in der Frage, ob und in welchem Umfang der vererbte Gesellschaftsanteil trotz Singularsukzession dem gesamthänderisch gebundenen Nachlaß zugerechnet werden kann.
518
Vgl. Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, § 1922 Rn. 39. Gl. A. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1106. 520 Vgl. BGH vom 10.02.1977 - II ZR 120/75 - BGHZ 68, S. 225 (231 ff.); Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 33, 45; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band I I I / l . Halbband, § 139 Rn. 21; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, Rn. 565; Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 38 Rn. 530. 521 Vgl. Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I §38 Rn. 532 ff. 522 Vgl. IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 462. 523 Vgl. BGH vom 10.02.1977 - II ZR 120/75 - BGHZ 68, S. 225, (229, 236 ff.). 524 Dem hat sich die Literatur weitgehend angeschlossen, vgl. Gebel, BB 1995, S. 173 (174). 519
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften b) Nachlaßzugehörigkeit
des vererbten
147
Gesellschaftsanteils
Wie bei der einfachen Nachfolgeklausel setzt sich auch bei der qualifizierten Nachfolgeklausel der zivilrechtliche Streit um die Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Gesellschaftsanteils fort. Der IV. Senat des BGH (Erbrecht) ordnet den Gesellschaftsanteil, der im Wege der Sonderrechtsnachfolge durch eine einfache Nachfolgeklausel übergeht, einem „weiten" Nachlaß zu. Dieser Nachlaß wird nicht von der Erbengemeinschaft beziehungsweise den Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit gehalten (Einheitstheorie) 525. Der II. Senat des BGH (Gesellschaftsrecht) vertritt vielmehr die Abspaltungstheorie. Danach fallen die selbständig abtretbaren Vermögensrechte aus der Beteiligung (Anspruch auf Gewinn und Auseinandersetzungsguthaben) in den gesamthänderisch gebundenen Nachlaß. Die sonstigen Mitgliedschaftsrechte werden den einzelnen Miterben jedoch persönlich und gesplittet nach der jeweiligen Erbquote zugerechnet526. Die Einheitstheorie wie auch die Abspaltungstheorie können zur Beurteilung der Nachlaßzugehörigkeit eines mittels qualifizierter Nachfolgeklausel vererbten Gesellschaftsanteils nur bedingt herangezogen werden. Das Institut der Singularsukzession des qualifizierten Miterben bewirkt lediglich dessen unmittelbare Nachfolge in die Gesellschafterstellung und damit die Beteiligung des Erblassers unter Ausschluß der übrigen Erben und somit „an der Erbengemeinschaft vorbei" 527 . Gleichwohl wird die Beteiligung zum Nachlaß gerechnet, indem der qualifizierten Nachfolgeklausel die Wirkung einer sofort mit dem Erbfall vollzogenen Teilungsanordnung des Erblassers beigemessen wird 5 2 8 . Mit anderen Worten: Im Lichte der Einheitstheorie fällt der Gesellschaftsanteil mit dem Tod des Gesellschafters anfänglich in vollem Umfang in einen der gesamthänderischen Bindung über die Erbengemeinschaft entzogenen Nachlaß im weiteren Sinne. Im Lichte der Abspaltungstheorie werden die Mitgliedschaftsrechte dem qualifizierten Erben unmittelbar zugerechnet, die abspaltbaren Vermögensrechte fallen anfänglich in den gesamthänderisch gebundenen Nachlaß. Nach der logischen Sekunde des Durchgangserwerbs bei der Erbengemeinschaft 529 erfolgt die vollstän525
Vgl. BGH vom 14.05.1986 - IVa ZR 155/84 - DB 1986, S. 1515 (1516f.); Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band I I I / l . Halbband, § 139 Rn. 21. 526 Vgl. BGH vom 24.11.1980 - II ZR 194/79 - NJW 1981, S. 749f. Vgl. hierzu auch 4. Kapitel, A.I.l.b). 527 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1106 f. 528 Vgl. Dütz in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, § 2032 Rn. 54; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1107; ders. in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, § 193 Rn. 21. 529 Vgl. Hörger in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 832; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, Rn. 565. Dies führt in der Konsequenz dazu, daß auf den Gesellschaftsanteil des Erblassers die Vorschriften über den Nachlaßkonkurs, die Nachlaßverwaltung und die Testamentsvollstreckung auch im Fall der qualifizierten Nachfolgeklausel trotz Sondererbfolge des 10*
148
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
dige dingliche Zuordnung aller Beteiligungsrechte an den zur Gesellschafternachfolge berufenen Erben , was der qualifizierten Nachfolgeklausel die dingliche Wirkung einer Teilungsanordnung der Erblassers beimißt. 2. Ertragsteuerliche Beurteilung Die ertragsteuerliche Beurteilung des Übergangs der Beteiligung des Erblassers auf den oder die qualifizierten Nachfolger ist entscheidend von der Frage abhängig, welcher der Miterben als ertragsteuerlicher Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen werden kann.
a) Die Erben als Mitunternehmer im Rahmen einer qualifizierten Nachfolgeklausel Unproblematisch aus ertragsteuerlicher Sicht stellt sich der Fall eines qualifizierten Nachfolgers dar, der gleichzeitig zum gesetzlichen oder testamentarischen Alleinerben berufen ist. Er erlangt im Wege des Erbanfalls durch die unmittelbare Nachfolge in den Gesellschaftsanteil die Stellung eines Mitunternehmers nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 5 3 1 . Problematisch ist hingegen die Beurteilung der Mitunternehmereigenschaft sämtlicher Miterben, wenn nur einer oder einige der Miterben zu qualifizierten Nachfolgern berufen sind 532 . Die Rechtsprechung des BFH zu qualifizierten Miterben Anwendung finden, vgl. BGH vom 03.07.1989 - II ZB 1/89 - BGHZ 108, S. 187 (195ff.). 530 Da der nachfolgeberechtigte Miterbe in vollem Umfang den ursprünglichen Gesellschaftsanteil des Erblassers übernimmt, erlangen die übrigen Miterben auch keinen gesellschaftsrechtlich motivierten Abfindungsanspruch gegen den Nachfolgererben, vgl. BGH vom 11.07.1968 - II ZR 179/66 - BGHZ 50, S. 316 (318); Klein in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 72 Rn. 45; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, § 139 Rn. 22; Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 38 Rn. 536. Wenn der qualifizierte Erbe mit der vollständigen Nachfolge in den Gesellschaftsanteil aufgrund der Einzelrechtsnachfolge unter Umständen einen über seiner Erbquote liegenden Erwerb verwirklicht, besteht für die nicht nachfolgeberechtigten Miterben ein erbrechtlicher Wertausgleichsanspruch gegenüber dem qualifiziert Nachfolgeberechtigten im Innenverhältnis der Erbengemeinschaft, vgl. IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 466; Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I Rn. 539 ff. Zur Begründung dieses Anspruchs werden §§ 242, 1978 oder §§ 2050ff. BGB analog herangezogen, vgl. hierzu Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band I I I / l . Halbband, § 139 Rn. 23 m.w.N. 531 Vgl. Schmidt in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 672. 532 Vgl. Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 369. Auch steuerrechtlich wird die Sonderrechtsnachfolge aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel überwiegend als eine mit dem Erbfall unmittelbar dinglich vollzogene Teilungsanordnung des Erblassers angesehen.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
149
dieser Frage ist nicht einheitlich. Dies liegt insbesondere daran, daß die abweichenden Meinungen einen unterschiedlichen Ausgangspunkt in der ebenfalls uneinheitlichen Rechtsprechung des BGH nehmen 533 . aa) BFH vom 05.07.1990 (BStBl. I I 1990, S. 837) Lediglich in einem obiter dictum hat sich der Große Senat des B F H 5 3 4 in seiner Entscheidung vom 05.07.1990 dahingehend geäußert, daß im Innenverhältnis der Erbengemeinschaft geschuldete Ausgleichszahlungen an einzelne Miterben als Ausgleich für einen Mehrempfang zu Anschaffungskosten beziehungsweise zu einem Veräußerungserlös führen: „... Erlangt ein Miterbe in der Auseinandersetzung mehr an Vermögen, als ihm nach seinem Erbanteil zusteht, muß er eine Ausgleichsleistung für den Mehrempfang erbringen, die der benachteiligte Miterbe als Abfindung für den Vermögensverzicht erhält. Hierzu bedarf es einer gesonderten Vereinbarung zwischen den Beteiligten, da sich eine derartige Abwicklung nicht aus dem erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch ergibt. Für den übernehmenden Miterben stellen die Leistungen Anschaffungskosten für den Mehrempfang, für den weichenden Erben ein einem Veräußerungserlös gleichkommendes Entgelt für aufgegebenes Vermögen dar. Die Vereinbarung ist bei Berechnung des Anteils der Miterben am Aufgabegewinn zu berücksichtigen [...]. ..." Diese Auffassung deutet damit implizit auf eine Mitunternehmerstellung auch nicht qualifiziert nachfolgeberechtigter Erben hin, wenn auch nicht ausdrücklich zu deren Eigenschaft als Mitunternehmer Stellung genommen wird. Die Literatur sah in diesem obiter dictum überwiegend die Vorbereitung einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch zur ertragsteuerlichen Beurteilung der Nachfolge aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel 535. Dies wird durch das Faktum untermauert, daß die maßgebliche Entscheidung auch die grundlegende Trennung von Erbanfall und anschließender Erbauseinandersetzung konstatierte (Trennungstheorie), die qualifizierte Nachfolgeklausel entsprechend der zivilrechtlichen Betrachtung mit der Wirkung einer Teilauseinandersetzung jedoch naturgemäß beide Phasen der Nachfolge in sich vereinigt. bb) BFH vom 29.10.1991 (BStBl. I I 1992, S. 512) In seiner Entscheidung vom 29.10.1991 hat sich der VIII. Senat des B F H 5 3 6 nicht zu der Frage geäußert, welcher der von den Senaten des BGH 533 534 535 536
Vgl. hierzu 4. Kapitel, A.I.l.b), B.II.l.b). Siehe BFH vom 05.07.1990 - GrS 2/89 - BStBl. II 1990, S. 837 (844). Vgl. insbesondere Hörger, DStR 1993, S. 37 (46). Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512.
150
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
entwickelten Theorien (Abspaltungs- oder Einheitstheorie) zur Nachfolge aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel letztendlich im Rahmen der Ertragsteuer zu folgen ist. Beide Theorien führen nach seiner Auffassung jedoch dazu, daß die nicht zur Gesellschafternachfolge berufenen Erben nicht Gesellschafter der Personengesellschaft werden: „... War im Gesellschaftsvertrag geregelt, daß die OHG beim Tode des Erblassers nur mit W. fortgesetzt werden sollte (sog. qualifizierte Nachfolgeklausel), so ist der Gesellschaftsanteil ebenfalls nicht in den gesamthänderischen Nachlaß der Erbengemeinschaft gefallen, sondern im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar und in vollem Umfang auf W. übergegangen (vgl. BGH-Urteil vom 10. Februar 1977 II ZR 120/75, BGHZ 68, 225, 238). Die Sonderrechtsnachfolge aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel kann als eine mit dem Erbfall vollzogene Teilungsanordnung mit unmittelbarer dinglicher Wirkung angesehen werden [...]. Dies hat steuerrechtlich zur Folge, daß die nicht begünstigte V. nicht Mitunternehmerin der OHG geworden ist [...]. [...] Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht möglich, wenn man mit dem Gesellschaftsrechtssenat des BGH davon ausgeht, daß die aus dem Gesellschaftsanteil nach § 717 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) übertragbaren Vermögensrechte in das Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gefallen sind (vgl. aber Groh, DB 1991, 724, 726, und Reiß in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. B 122). Die Einbeziehung der aus dem Gesellschaftsanteil abgeleiteten Rechte in der Erbauseinandersetzung führt nicht dazu, daß die Erbengemeinschaft Gesellschafterin der Personengesellschaft wird (Söffing, DB 1991, 828, 838; vgl. auch Anmerkung L. Schmidt in DStR 1991, 456). Ebensowenig werden die von der Nachfolge in den Gesellschaftsanteil ausgeschlossenen Miterben dadurch Gesellschafter und Mitunternehmer der Personengesellschaft. Die Vermögensrechte aus § 717 BGB begründen kein Recht dieser Miterben, die dem Gesellschaftsanteil unlösbaren Verwaltungs- und Kontrollrechte gegen die Gesellschaft geltend zu machen. Als Gläubiger der Vermögensrechte haben sie nur Auskunftsrechte gegen den Gesellschafter-Erben persönlich [...]. Eine Mitunternehmerinitiative im Unternehmen der OHG steht ihnen somit nicht zu. Die völlig fehlende Mitunternehmerinitiative kann nicht durch ein etwa bestehendes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden (BFHE 141, 405, 440, BStBl. II 1984, 751, 769). . . . " 5 3 7 In der Konsequenz und unter Zustimmung weiter Teile der Literatur werden demnach nur die jeweils qualifizierten Erben als ertragsteuerliche Mitunternehmer angesehen538, da den nicht nachfolgeberechtigten Miterben 537
Siehe BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (514f.). Vgl. BFH vom 26.11.1992 - X R 187/87 - BStBl. II 1993, S. 298; vom 27.07.1993 - VIII R 72/90 - BStBl. II 1994, S. 625 (626 f.); Hörger in: Littmann/ Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 16 Rn. 1062; Söffing, DB 1991, S. 773 (775); ders., DStR 1991, S. 798 (803); ders., StbJb 1992/1993, S. 151 (168); Spie gelberger, DStR 1992, S. 618 (619); Wacker/Franz, BB 1993, Beilage 5, S. 24; Märkle, DStR 1993, S. 1616 (1617ff.); ders., StbJb 1993/1994, S. 207 (225f.); Hübner, DStR 1995, S. 197 (199 f.); Dötsch in: FS für L. Schmidt, S. 867 (879); Felix, KÖSDI 1991, S. 8355 (8357); Reischl, ZEV 1996, S. 50; Schmidt in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 672; Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 369. 538
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
151
nach dieser Ansicht die für eine Mitunternehmerstellung erforderliche Mitunternehmerinitiative fehlt 539 .
cc) BFH vom 10.11.1982 (BStBl. I I 1983, S. 329) Zu einem anderen Ergebnis gelangt der II. Senat des B F H 5 4 0 (Erbschaftsteuer). Er lehnt sich streng an die zivilrechtliche Beurteilung der qualifizierten Nachfolge durch Sondererbfolge als vorweggenommene Teilungsanordnung an und geht von einer zumindest vorübergehenden ertragsteuerlichen Mitunternehmerstellung auch der nicht qualifizierten Erben aus 541 : „... Die Sondemachfolge in einen Gesellschaftsanteil im Sinne der hier vorliegenden sog. qualifizierten Nachfolge ist als eine mit dem Erbfall wirksam gewordene, gegenständlich begrenzte Erbauseinandersetzung anzusehen. Zwar kommt ihr aus Gründen des Gesellschaftsrechts unmittelbare dingliche Wirkung zu, so daß der Gesellschaftsanteil nicht zum gesamthänderisch gebundenen Vermögen der Erbengemeinschaft gehört, doch tritt diese Folge nicht nur bei qualifizierter, sondern auch bei einfacher Nachfolge ein. Auch wenn sämtliche Miterben in die vererblich gestellte Gesellschafterstellung des Erblassers eintreten (einfache Nachfolge), geht diese auf die Nachfolgeerben unmittelbar über und fällt nicht in das Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft [...]. Hinsichtlich jedes Miterben kommt es somit zur Sondemachfolge in den seiner Erbquote entsprechenden Teil der vererbten Gesellschafterbeteiligung. Damit erweist sich der hier vorliegende Fall der qualifizierten Nachfolge in einen Gesellschaftsanteil als ein gesellschaftsrechtlich besonders ausgestalteter Unterfall einer bloßen Teilungsanordnung, die für die Erbschaftsbesteuerung ohne Bedeutung ist. .. . " 5 4 2 Die nicht qualifizierten Erben verlieren nach dieser erbschaftsteuerlichen Betrachtung mit der Einräumung der Beteiligung an die qualifizierten Erben alsbald ihre Mitunternehmerstellung (Durchgangserwerb) 543. 539 Gl. A. GroK DB 1990, S. 2135 (2140); ders., DB 1991, S. 724 (726); ders. y DB 1992, S. 1312 (1315ff.); Ruban, DStR 1991, S. 65 (70); ähnlich Bohlmann, BB 1994, S. 189 (190); Reiß in: Kirchhof/Söhn, EStG, Band 10, § 16 Rn. B 122; Paus, DStZ 1993, S. 183 (184); GebeU BB 1995, S. 173 (178); Siegmann, NJW 1995, S. 481 (485 f.). 540 Vgl. BFH vom 10.11.1982 - H R 85/78, 86/78 - BStBl. II 1983, S. 329 (330 f.). 541 Vgl. Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 369 ff. 542 Siehe BFH vom 10.11.1982 - H R 85/78, 86/78 - BStBl. II 1983, S. 329 (331). 543 Die erbschaftsteuerliche Behandlung des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen basierend auf einer qualifizierten Nachfolgeklausel ist seit dem Grundsatzurteil des II. Senats des BFH vom 10.11.1982 geklärt. In Übereinstimmung mit der zivilrechtlichen Regelung wird vom Erbschaftsteuersenat des BFH die Nachfolge der qualifizierten Erben aufgrund der qualifizierten Nachfolgeklausel der erbschaftsteuerlich unbeachtlichen Erbauseinandersetzung zugeordnet. Grund hierfür ist das strenge Stichtagsprinzip nach § 11 ErbStG, vgl. Gebel y BB 1995, S. 173 (177). Sowohl eine
152
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
Setzt man sich mit den Argumenten des II. Senates des BFH auseinander, so ist die Auffassung des VIII. Senats nicht zwingend544. Der VIII. Senat orientiert sich bei seiner rein ertragsteuerrechtlich zu treffenden Entscheidung über die Mitunternehmerstellung eher an der Frage der tatsächlichen Entfaltung und Wahrnehmung der Mitverwaltungsrechte als an der reinen Möglichkeit der nicht nachfolgeberechtigten Erben, diese geltend zu machen.
b) Der qualifizierte
Nachfolger
Nach der ertragsteuerlichen Auffassung des VIII. Senats des BFH erwirbt ein qualifizierter Nachfolger als Alleinerbe den gesamten Gesellschaftsanteil des Erblassers von diesem unentgeltlich, wobei er die Buchwerte fortführt 545 . Hat der Nachfolger an die übrigen, nicht nachfolgeberechtigten Erben zum Ausgleich eines über seiner Erbquote liegenden Mehrempfangs eine Ausgleichszahlung zu leisten, stellt diese Forderung nach der herrschenden Meinung eine Erbfallschuld dar. Die Erfüllung dieser erbrechtlich begründeten Wertausgleichsschuld vollzieht sich in der privaten Vermögenssphäre, stellt keine betriebliche Schuld dar und führt nicht zu Anschaffungskosten des nachfolgeberechtigten Erben 546 . Gesteht man den nicht qualifizierten Erben hingegen nach dem II. Senat des BFH eine Mitunternehmerstellung zu, liegt in der Zuweisung der Beteiligung an den qualifizierten Erben gegen Wertausgleichszahlung eine Anteilsveräußerung der nicht nachfolgeberechtigten Erben. Diese betriebliche Schuld wäre als negatives Sonderbetriebsvermögen der nachfolgeberechtigten Gesellschaftererben erfolgsneutral einzubuchen547. Teilungsanordnung des Erblassers, als auch eine dem Erbanfall nachfolgende Erbauseinandersetzung sind aber erbschaftsteuerlich unbeachtlich, vgl. Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 430. In der Konsequenz dieser Rechtsprechung wird der Gesellschaftsanteil bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs der Miterben mit dem Steuerwert der Beteiligung dem Nachlaß zugerechnet und eine - zumindest vorübergehende - Mitunternehmerstellung sämtlicher Miterben angenommen. 544 Gl.A. Groh, DB 1990, S. 2135 (2140); ders., DB 1991, S. 724 (726); ders., DB 1992, S. 1312 (1315ff.); Ruban, DStR 1991, S. 65 (70); ähnlich Bohlmann, BB 1994, S. 189 (190); Reiß in: Kirchhof/Söhn, EStG, Band 10, § 16 Rn. B 122; Paus, DStZ 1993, S. 183 (184); Gebel, BB 1995, S. 173 (178); Siegmann, NJW 1995, S. 481 (485 f.). 545 Vgl. Gänger in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, Band IV, § 16 Rn. 295; Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 16 Rn. 1063. 546 Vgl. Felix, KÖSDI 1996, S. 10576 (10579); Gänger in: Hartmann/Böttcher/ Nissen/Bordewin, EStG, Band IV, § 16 Rn. 295; Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 16 Rn. 1063. 547 Diese Folge ist aber angesichts der Wirkung entsprechend einer Teilungsanordnung nicht zwingend, vgl. Söffing, DStR 1991, S. 798 (803); Spie gelberger, Vermögensnachfolge, Rn. 576.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften c) Die nicht qualifizierten
153
Erben
Die nicht qualifiziert nachfolgeberechtigten Erben erhalten eine Ausgleichszahlung vom nachfolgeberechtigten Miterben, wenn ein Mehrempfang über seiner Erbquote auszugleichen ist. Diese Abfindungszahlung erfolgt aber wegen der Sonderrechtsnachfolge des qualifizierten Miterben in den Gesellschaftsanteil entsprechend der Auffassung des VIII. Senats des BFH nicht im Rahmen einer Anteilsveräußerung nach § 16 EStG, da eine Mitunternehmerstellung der nicht nachfolgeberechtigten Erben verneint wird. Gesteht man den Miterben hingegen in Anlehnung an die zivilrechtlich orientierte Betrachtungsweise des II. Senats des BFH eine ertragsteuerliche Mitunternehmerstellung aufgrund eines Durchgangserwerbs zu, so realisieren diese mit der automatischen Zuweisung des Anteils an den nachfolgeberechtigten Erben (qualifizierte Nachfolgeklausel = Teilungsanordnung) einen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG in Höhe der Differenz zwischen dem anteiligen Buchwert und der jeweiligen Ausgleichszahlung548. d) Nachfolge in Sonderbetriebsvermögen Höchst problematisch und in der Literatur lebhaft diskutiert ist die (ertrag-)steuerliche Behandlung von Sonderbetriebsvermögen des Erblassers bei einer Anteilsvererbung aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel. Da das Sonderbetriebsvermögen des Erblassers ertragsteuerlich zu dessen Mitunternehmeranteil gehört, zivilrechtlich jedoch von allen Miterben anteilig erworben wird, hat entsprechend der Auffassung des VIII. Senats des BFH der Übergang des Anteils des Erblassers auf einen der Miterben ertragsteuerlich eine anteilige Zwangsentnahme der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zur Folge, soweit sie nicht auf den qualifizierten Nachfolger übergehen. Denn nur dieser wird mit dem Erbfall automatisch Mitunternehmer und kann anteilig die Buchwerte des Sonderbetriebsvermögens fortführen 549. Entsprechend der Regelung zur einfachen Nachfolgeklausel geht das Sonderbetriebsvermögen nicht wie der Gesellschaftsanteil des Erblassers im Wege einer Sonderrechtsnachfolge auf die Erben über, sondern wird wie die übrigen Nachlaßgegenstände nach § 1922, § 2032 BGB als Privatvermögen gesamthänderisch gebundenes Vermögen der Erbengemeinschaft 550. Die Wirtschaftsgüter werden allen Miterben nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig entsprechend den Erbquoten zugerechnet. 548
Vgl. Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 371. Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (515); Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 16 Rn. 1066; Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 373; Ludwig, Die Erbengemeinschaft, S. 194. 549
154
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
Da die nicht nachfolgeberechtigten Erben mangels (anteiliger) Nachfolge in den Gesellschaftsanteil des Erblassers nach Auffassung des VIII. Senats des BFH keine Mitunternehmerstellung erlangen 551 , hat der Tod des Erblassers insoweit eine anteilige Entnahme der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zur Folge. Es entsteht noch in der Person des Erblassers ein Entnahmegewinn552. In der Literatur werden daher einige Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert, um die anteilige Zwangsentnahme von Sonderbetriebsvermögen im Rahmen einer qualifizierten Nachfolgeklausel zu vermeiden 553 . 550 Vgl. Gebel, BB 1995, S. 173 (178); Börger, DStR 1993, S. 37 (46); Kapp/ Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 373. 551 Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (514ff.); vom 27.07.1993 - VIII R 72/90 - BStBl. II 1994, S. 625 (626); Märkte, DStR 1993, S. 1616 (1618); ders., StbJb 1993/1994, S. 207 (226); Hörger in: Littmann/ Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 16 Rn. 1066; a.A. Groh, DB 1990, S. 2135 (2140); Gebel, BB 1995, S. 173 (175); Dötsch in: FS für L. Schmidt, S. 867 (880f.). 552 Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (515); Gebel, BB 1995, S. 173 (178); Gänger in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, Band IV, § 16 Rn. 296; Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 373. Diese Auffassung steht jedoch in Widerspruch zur Behandlung der qualifizierten Nachfolgeklausel durch den II. Senat des BFH, der in Anlehnung an die rein zivilrechtliche Betrachtung von einer Nachlaßzugehörigkeit des gesamten Gesellschaftsanteils (Mitgliedschafts- und Vermögensrechte) ausgeht und den Erwerb des Anteils durch den qualifizierten Erben erst der Phase der Erbauseinandersetzung zuweist. Konsequenterweise müßte dann über die mit dem Erbfall zunächst eintretende Mitunternehmerstellung aller Miterben bei diesen ein ertragsteuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehen, vgl. auch Gebel, BB 1995, S. 173 (178). 553 Vgl. hierzu ausführlich Hörger in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 834 ff. Diskutiert wird beispielsweise die Begründung wirtschaftlichen Eigentums des qualifizierten Nachfolgers am Sonderbetriebsvermögen nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO durch die nicht nachfolgeberechtigten Erben. Dies kann aber eine Entnahme nicht verhindern, da die nicht nachfolgeberechtigten Erben nur dann über die jeweiligen Wirtschaftsgüter verfügen können, wenn sie zuvor entnommen wurden, vgl. auch BFH vom 05.07.1990 - GrS 2/89 BStBl. II 1990, S. 837, (845); Wacker/Franz, BB 1993, Beilage 5, S. 25; Bohlmann, BB 1994, S. 189 (192); Hörger, DStR 1993, S. 37 (46f.); IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 506. Daneben wird die Begründung wirtschaftlichen Eigentums durch Zuweisung des Sonderbetriebsvermögens durch ein entsprechendes Vorausvermächtnis zugunsten des qualifizierten Nachfolgers vorgeschlagen. Dies kann jedoch insoweit nicht den Durchgangserwerb der nicht nachfolgeberechtigten Erben beseitigen, als das Vorausvermächtnis lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung der jeweiligen Vermächtnisgegenstände begründet, die aber grundsätzlich in den Nachlaß fallen, vgl. BFH vom 24.09.1991 - VIII R 349/83 - BStBl. II 1992, S. 330 (332); Wacker/Franz, BB 1993, Beilage 5, S. 25; Hörger, DStR 1993, S. 37 (47); Groh, DB 1992, S. 1312 (1316); ders., DStR 1994, S. 413 (414f.); Menges/Stähle, BB 1994, S. 2122 (2123); IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 506; Schmidt in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 675; Märkle, FR 1997, S. 135 (138); a.A. Fichtelmann, GmbHR
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
155
Zu einem anderen Ergebnis gelangt man bei Zugrundelegung der Auffassung des II. Senats des BFH (Erbschaftsteuer) 554. Da nach dieser Auffassung zumindest die Vermögensrechte des verstorbenen Gesellschafters der Erbengemeinschaft und somit auch den nicht qualifizierten Erben zufallen, wird eine Mitunternehmerstellung sämtlicher Miterben im Wege eines Durchgangserwerbs begründet. Diese Mitunternehmerstellung verhindert damit eine Gewinnrealisierung hinsichtlich des anteilig von den nicht qualifizierten Erben erworbenen Sonderbetriebsvermögens infolge einer unterbliebenen Entnahme in der Person des Erblassers. Zwar verlieren die nicht qualifizierten Erben mit der Übertragung der Beteiligung auf den qualifizierten Erben alsbald ihre Mitunternehmerstellung, womit im Ergebnis auch eine Entnahme der Wirtschaftsgüter unvermeidlich ist. In Abweichung zur Auffassung des VIII. Senats des BFH entsteht ein Entnahmegewinn aber nicht mehr beim Erblasser, sondern erst in der jeweiligen Person der nicht qualifizierten Miterben 555 . 3. Erbschaftsteuerliche Beurteilung Die erbschaftsteuerliche Erfassung der Nachfolge in einen Anteil an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel ist das Paradebeispiel für die strukturelle Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes von der zivilrechtlichen Regelung der dinglichen Neuzuordnung des Gesellschaftsanteils einerseits und der ertragsteuerlichen Beurteilung der Neuzurechnung als ertragbringende Wirtschaftseinheit andererseits. Die Frage des erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs eines jeden Miterben auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. §§ 1922ff. BGB beantwortet sich nach dem insoweit geltenden Grundsatz der „Maßgeblichkeit des Zivilrechts" allein anhand des erb- und gesellschaftsrechtlichen Regelungsstatuts und dessen formaler Betrachtungsweise556. Andererseits hängt die Frage, welche Art von Vermögen die einzelnen Miterben erwerben und wie dieses Vermögen zu bewerten ist, über § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG von dem insoweit geltenden Grundsatz der „Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts" ab 557 . Im Zusammenhang mit der letzten Frage ist bereits bei der ertragsteuerlichen Erörterung der qualifizierten Nachfolgeklausel deutlich geworden, daß der VIII. Senat und der II. Senat des BFH hierbei unterschiedliche Schlüsse ziehen. 1994, S. 583 (587). Letztendlich besteht wohl lediglich im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge die Möglichkeit, den Gesellschaftsanteil zusammen mit den Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens vorab auf den zum qualifizierten Nachfolger erkorenen präsumtiven Erben zu übertragen, vgl. Wacker/Franz, BB 1993, Beilage 5, S. 25; Märkle, FR 1997, S. 135 (142ff.). 554 Vgl. BFH vom 10.11.1982 - H R 85/78, 86/78 - BStBl. II 1983, S. 329 (330f.); Groh, DB 1990, S. 2135 (2140); ders., DB 1991, S. 724 (726); ders., DB 1992, S. 1312 (1314 ff.); Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III Rn. 374. 555 Vgl. Gebel, BB 1995, S. 2611 (2617). 556 Vgl. hierzu 3. Kapitel, A.I.l. 557 Vgl. hierzu ebenfalls 3. Kapitel, C.III.2.a)aa).
156
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile a) Steuerpflichtiger
Erwerb
aa) Der qualifizierte Nachfolger Ist der qualifizierte Nachfolger testamentarischer oder gesetzlicher Alleinerbe, so verwirklicht er in vollem Umfang mit der Nachfolge in den Gesellschaftsanteil einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 558 . Der Erwerb aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel im Rahmen der Sondererbfolge vollzieht sich nach erbrechtlichen Grundsätzen (erbrechtliche Lösung) und stellt lediglich einen besonders ausgestalteten Unterfall einer Teilungsanordnung dar. Ist der qualifizierte Nachfolger einer von mehreren Miterben, durchbricht die Sondererbfolge nicht die Abhängigkeit der erbschaftsteuerrechtlichen Beurteilung innerhalb des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von dem bürgerlichrechtlichen Erbrecht (Maßgeblichkeit des Zivilrechts) 559 . Die erbschaftsteuerliche Behandlung des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen mittels einer qualifizierten Nachfolgeklausel ist seit dem Grundsatzurteil des II. Senats des BFH vom 10.11.1982 geklärt 560 . Wie bei der einfachen erbrechtlichen Nachfolge wird allen Miterben der steuerliche Gesamtwert des Nachlasses nach ihren Erbquoten zugerechnet. Der vererbte Gesellschaftsanteil fällt auch bei einer qualifizierten Nachfolgeklausel in den Nachlaß und wird erst im Rahmen der erbschaftsteuerlich unbeachtlichen Erbauseinandersetzung dem qualifizierten Nachfolger zugewiesen561. Nach der Maßgeblichkeit des Zivilrechts und dem strengen Stichtagsprinzip verwirklicht der nachfolgeberechtigte Erbe hinsichtlich des Gesellschaftsanteils lediglich entsprechend seiner Erbquote einen steuerpflichtigen Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, obwohl er letztlich - aber eben erst nach dem Durchgangserwerb bei sämtlichen Miterben - nach der sofort vollzogenen Teilungsanordnung (qualifizierte Nachfolgeklausel) den gesamten Gesellschaftsanteil erhält 562 .
558
Vgl. Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 429, 444. 559 Der Erwerb aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel im Rahmen der Sondererbfolge vollzieht sich nach erbrechtlichen Grundsätzen (erbrechtliche Lösung) und stellt lediglich einen besonders ausgestalteten Unterfall einer Teilungsanordnung dar, vgl. BFH vom 10.11.1982 - H R 85/78, 86/78 - BStBl. II 1983, S. 329 (330f.); vom 01.04.1992 - H R 21/89 - BStBl. II 1992, S. 669 (671); Gebe/, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 385 f.; ders., Betriebsvermögen und Untemehmemachfolge, Rn. 516; ders., BB 1995, S. 173 (177); ders., BB 1995, S. 2611 (2615). 560 Vgl. BFH vom 10.11.1982 - H R 85/78, 86/78 - BStBl. II 1983, S. 329. 561 Zustimmend Gebel, BB 1995, S. 173 (177). 562 Vgl. Söffing/Völkers/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 181 f.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
157
bb) Die nicht qualifizierten Erben In konsequenter Fortführung der Auffassung des II. Senates des BFH fällt der gesamte Gesellschaftsanteil des Erblassers in den gesamten Nachlaß und wird somit trotz der Sondererbfolge des qualifizierten Erben bei der Ermittlung des Werts des gesamten Nachlasses erfaßt. Auch die nicht zu Gesellschafternachfolgern berufenen Miterben verwirklichen somit anteilig entsprechend ihrer Erbquote hinsichtlich der Beteiligung einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 563 , da die Zuweisung des Gesellschaftsanteils an den qualifizierten Erben erst im Stadium der Erbauseinandersetzung erfolgt. Diese ist, auch wenn sie sich unmittelbar an den Erbfall anschließt, erbschaftsteuerlich unbeachtlich. Hiermit wird die Wirkungsweise einer qualifizierten Nachfolgeklausel deutlich: Sie vereinigt die Phase des Erbfalls und die Phase der anschließenden Erbauseinandersetzung (Teilungsanordnung) gleichsam nach Ablauf einer „logischen Sekunde" 564 .
b) Bewertung des Gesellschaftsanteils Der Erwerb des Gesellschaftsanteils ist entsprechend den Grundsätzen zur einfachen Nachfolgeklausel in vollem Umfang bei sämtlichen Miterben nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG begünstigt565. Eine Teilungsanordnung des Erblassers und eine dem Erbanfall nachfolgende Erbauseinandersetzung sind entsprechend dem strengen Stichtagsprinzip nach § 11 ErbStG erbschaftsteuerlich unbeachtlich . In der Konsequenz wird der Gesellschaftsanteil bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs der Miterben mit dem Steuerwert der Beteiligung dem Nachlaß zugerechnet. Damit verwirklichen nach Auffassung des II. Senats des BFH alle Erben (auch die nicht nachfolgeberechtigten Miterben) einen begünstigten Erwerb von Todes wegen i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG 567 , da sie als ertragsteuerliche Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unternehmerisch gebundenes und damit anteilig privile563 Vgl. Gebet in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 145; Meincke, ErbStG, § 3 Rn. 19; Moench in: Moench, ErbStG, § 3 Rn. 57; Söffmg/Völkers/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 181 f. 564 Vgl. Gebel, BB 1995, S. 173; ders. in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 145. 565 Vgl. Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 10; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 40; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rn. 18; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 45. 566 Ygi Gebe^ Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 430.
158
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
gierungswürdiges Betriebsvermögen erwerben 568 . Dies entspricht der Behandlung der qualifizierten Nachfolgeklausel durch den BGH. Die vom IV. und II. Senat des BGH (Erbrecht) vertretene Ansicht, wonach der auch im Wege der Singularsukzession erworbene Gesellschaftsanteil grundsätzlich dem Wert nach in den Nachlaß fällt 5 6 9 , untermauert das Ergebnis des II. Senats des BFH. Denn die Erben können sich - wenn auch erbschaftsteuerlich unbeachtlich - nur über einen in den Nachlaß fallen Anteil auseinandersetzen570.
c) Nachfolge in Sonderbetriebsvermögen Das Sonderbetriebsvermögen des Erblassers befindet sich nicht im Gesamthandsvermögen der Gesellschaft, sondern im (Allein-)Eigentum des Erblassers und ist als solches ertragsteuerlich mit der Beteiligung des Erblassers direkt verbunden. Es fällt nach erbrechtlichen Grundsätzen als Privatvermögen in den Nachlaß und wird Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft. Geht Sonderbetriebsvermögen auf nicht nachfolgeberechtigte Miterben über, so wird dieses ertragsteuerlich vom Erblasser mit dessen Tod entnommen 571 . In Höhe des Anteils des Erben, der als qualifizierter Nachfolger in die Gesellschafterstellung des Erblassers und damit unmittelbar in eine ertragsteuerliche Mitunternehmerstellung einrückt, erfolgt hinge567
Vgl. Christoffel in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 13a Rn. 10; Gebel, BB 1995, S. 173 (177); ders., BB 1995, S. 2611 (2613); Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 45. 568 Daß auch die nicht zur Nachfolge in den Anteil berufenen Erben als Mitunternehmer bei einer sachlichen Qualifikation des vererbten Vermögens i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG begünstigtes Vermögen erwerben, hat seine Ursache in der direkten Verweisung auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dessen Tatbestandsmerkmalen kommt innerhalb des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG mangels eigenen Ordnungsrahmens insoweit tatbestands- und wertungsersetzende Wirkung zu. 569 Gl.A. IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 480; Felix, KÖSDI 1997, S. 11064 (11073); ders., BB 1994, S. 477 (478); Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 18; Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 431; ders., Betriebsvermögen und Untemehmemachfolge, Rn. 520ff.; z.T. a. A. Piltz, ZEV 1997, S. 61 (65). 570 Vgl. Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 445. In der Konsequenz dieser Auffassung verlieren die nicht nachfolgeberechtigten Erben rückwirkend die ihnen ursprünglich gewährten Begünstigungen nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG durch die Verwirklichung eines Nachsteuertatbestands. Die Finanzverwaltung behilft sich in diesem Fall mit einer Billigkeitsregelung. Nach R 55 Abs. 2 Satz 2 ErbStR wird die qualifizierte Nachfolgeklausel für erbschaftsteuerlich unbeachtlich erklärt, vgl. auch BMF vom 17.06.1997, BStBl. I 1997, S. 673, Tz. 7.2 (Rn. 49). 571 Vgl. Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 432.
A. Nachfolge in Anteile an Personengesellschaften
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gen keine Entnahme, da insoweit der betriebliche Zusammenhang zwischen dem Sonderbetriebsvermögen und dem Anteil an einer Mitunternehmerschaft weiterhin gewahrt bleibt 572 . Innerhalb des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG beantworten sich die Frage nach der sachlichen Qualifikation des Sonderbetriebsvermögens als begünstigtes Vermögen und die damit verbundene Frage nach der persönlichen Qualifikation des Erwerbers als Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unter Beachtung der insoweit geltenden Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts 573.
aa) Beurteilung bei Übernahme der ertragsteuerlichen Wertungen des Vin. Senats des BFH Nach der ertragsteuerlichen Beurteilung des VIII. Senats des BFH rücken die nicht nachfolgeberechtigten Erben nicht in die Gesellschafterstellung des Erblassers ein; wegen fehlender Mitunternehmerinitiative besitzen sie keine ertragsteuerliche Mitunternehmerstellung 574. Dies hat neben der Konsequenz einer anteiligen Aufdeckung der im Sonderbetriebsvermögen gelegten stillen Reserven und eines entsprechenden Aufgabegewinns in der Person des Erblassers zur Folge, daß das zu Privatvermögen gewordene ehemalige Sonderbetriebsvermögen des Erblassers nicht mehr von den nicht nachfolgeberechtigten Erben als begünstigtes Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erworben werden kann.
bb) Beurteilung bei Übernahme der Wertungen des II. Senats des BFH Anders hingegen die Auffassung des II. Senats des B F H 5 7 5 . Dieser Senat geht in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH davon aus, daß der Gesellschaftsanteil des Erblassers in den Nachlaß fällt und der unmittelbare Erwerb des Gesellschaftsanteils durch den qualifizierten Erben sich erst innerhalb der Erbauseinandersetzung vollzieht. Es müssen alle Miterben konsequenterweise zumindest für eine logische Sekunde (Durchgangserwerb) nach dem Erbfall als Mitunternehmer angesehen werden 576 . Die weitere Folge dieser Betrachtungsweise ist, daß eine anteilige Entnahme der Wirt572
Vgl. hierzu 4. Kapitel, A.II.2.d). Vgl. hierzu 3. Kapitel, C.III.2.a)aa). 574 Vgl. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 - BStBl. II 1992, S. 512 (514f.); vom 27.07.1993 - VIII R 72/90 - BStBl. II 1994, S. 625 (626). 575 Vgl. BFH vom 10.11.1982 - H R 85/78, 86/78 - BStBl. II 1983, S. 329 (330 f.). 576 Gl. A. Gebel y BB 1995, S. 173 (178); wohl auch Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 38. 573
160
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
schaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens nicht schon durch den Erblasser, sondern erst durch die nicht qualifizierten Erben realisiert wird, mithin bei diesen eine steuerpflichtige Entnahme vorliegt, wenn dem qualifizierten Erben im Rahmen der Teilungsanordnung des Erblassers (qualifizierte Nachfolgeklausel) der Gesellschaftsanteil vollständig zugewiesen wird. Die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sind daher in vollem Umfang noch im Zeitpunkt des Erbfalls als nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG privilegiertes Betriebsvermögen anzusehen und zu bewerten 577 . Die unmittelbar dem Erbfall nachfolgende Auseinandersetzung aufgrund der qualifizierten Nachfolgeklausel dahingehend, daß der qualifizierte Erbe den Gesellschaftsanteil des Erblassers erwirbt, hat allerdings eine sofortige anteilige Entnahme des Sonderbetriebsvermögens durch die nicht nachfolgeberechtigten Miterben zur Folge 578 . Der Entnahmetatbestand wird demnach erst realisiert, wenn dem qualifizierten Miterben im Anschluß an den Erbfall aufgrund der qualifizierten Nachfolgeklausel die Beteiligung zugewiesen wird und die übrigen Miterben hierdurch in ihrer Person den betrieblichen Zusammenhang zwischen dem ihnen anteilig zugeordneten Gesellschaftsanteil (Mitunternehmeranteil) und dem Sonderbetriebsvermögen lösen 579 . 4. Zwischenergebnis Wie schon bei der einfachen erbrechtlichen Nachfolgeklausel hängt die erbschaftsteuerliche Beurteilung der Nachfolge in einen Gesellschaftsanteil bei einer qualifizierten Nachfolgeklausel hinsichtlich des steuerpflichtigen Erwerbs eines jeden Miterben von der zivilrechtlichen Regelung der dinglichen Neuzuordnung des Gesellschaftsanteils ab (Maßgeblichkeit des Zivilrechts). Da sich erb- und gesellschaftsrechtlich die Nachfolge des qualifizierten Erben aber erst in der Phase der Erbauseinandersetzung realisiert, ist dieser Akt der Einzelrechtsnachfolge bei einer 'konsequenten Übernahme der zivilrechtlichen Wertungen in das Erbschaftsteuergesetz für die Frage des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unbeachtlich (strenges Stichtagsprinzip). Sämtliche Miterben verwirklichen entsprechend ihrer Erbquote hinsichtlich des Gesellschaftsanteils einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Im Rahmen der Bewertung des vererbten Gesellschaftsanteils als begünstigtes Betriebsvermögen existiert hinsichtlich § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG 577
Vgl. BFH vom 10.11.1982 - H R 85/78, 86/78 - BStBl. II 1983, S. 329 (330); GebeU BB 1995, S. 173 (178); a.A. BFH vom 29.10.1991 - VIII R 51/84 BStBl. II 1992, S. 513 f. 578 Vgl. hierzu 3. Kapitel, C.II.6. 579 A.A. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 42.
B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH
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keine Maßgeblichkeit des Zivilrechts, sondern vielmehr eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts. Diese folgt aus einem erbschaftsteuerlichen Regelungsdefizit (fehlender Ordnungsrahmen) und der tatbestandsersetzenden Verweisung auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Ausgehend von einer unterschiedlichen Interpretation der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung gelangen der VIII. Senat (Ertragsteuer) und der II. Senat (Erbschaftsteuer) des BFH zu einer unterschiedlichen Beantwortung der Frage, welche der Miterben mit dem Erbfall ertragsteuerliche Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG werden (sachliche Qualifikation). Bei dieser Wertung hängt der VIII. Senat des BFH eher einer wirtschaftlichen Betrachtung an, der II. Senat orientiert sich an den zivilrechtlichen Vorgaben und gewährt somit sämtlichen Erben (auch den nicht nachfolgeberechtigten) die Begünstigungen nach § 13a ErbStG.
B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH Kapitalgesellschaften in Form der GmbH und der AG sind eigene juristische Personen und damit aufgrund ihrer vereinsmäßigen Grundstruktur vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängig. Vor diesem Hintergrund sind sie - im Gegensatz zu den Personengesellschaften - nicht auf eine gegenseitige Arbeits- und Haftungsgemeinschaft, sondern auf eine rein kapitalmäßige Beteiligung der einzelnen Gesellschafter angelegt. Der Unterschied spiegelt sich letztlich auch in der gesetzlichen Regelung der Nachfolge von Todes wegen in Anteile an einer Kapitalgesellschaft wider. Geschäftsanteile an einer GmbH sind nach § 15 Abs. 1 GmbHG im Gegensatz zu Beteiligungen an Personengesellschaften stets frei vererblich 5 8 0 , da es sich um rein vermögensrechtliche Rechtspositionen handelt 5 8 1 . Es bedarf keiner ausdrücklichen Vererblichstellung der Beteiligung in dem zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrag, da der Anteil wegen der gewährleisteten Vererblichkeit nicht subjektlos werden kann 5 8 2 . Nach § 15 Abs. 5 GmbHG besteht allerdings die Möglichkeit, im Wege der Vinkulierung die Übertragung der Geschäftsanteile von der Zustimmung der Gesell580
Vgl. Brox, Erbrecht, Rn. 762; Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 320; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 900; Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 1272; IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 554; Jasper in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 25 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 113 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 2f.; Rowedder in: Rowedder, GmbHG, § 15 Rn. 62; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, Rn. 586; Winter in: Scholz, GmbHG, Band I, § 15 Rn. 18. 581 Vgl. Söffing/Völkers/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 59. 582 Vgl. Priester, GmbHR 1981, S. 206 (208). Es ist ebenfalls kein dingliches Verfügungsgeschäft in Form der Abtretung des Geschäftsanteils an die Erbengemeinschaft erforderlich, vgl. Rowedder in: Rowedder, GmbHG, § 15 Rn. 62. 11 Kobor
162
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
schaft oder der übrigen Gesellschafter abhängig zu machen. Dies gilt jedoch nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für rechtsgeschäftliche Übertragungen unter Lebenden und kann die grundsätzlich freie Vererblichkeit nicht einschränken 583. Aufgrund von Nachfolgeklauseln im weiteren Sinne kann die Satzung jedoch Regelungen dahingehend treffen, ob die nachgefolgten Erben endgültig ihre Gesellschafterstellung behalten 584 . Mit einer Einziehungsklausel 5 8 5 kann den Erben die Gesellschafterstellung nach dem Tod des Erblassers entzogen und mit einer Abtretungsklausel 586 der Geschäftsanteil Dritten zugewiesen werden. Mit einer Vinkulierungsklausel 587, welche die 583
Vgl. GmbHG, § ger y DStR 584 Vgl.
(620). 585
Hueck in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 15 Rn. 12; Lutte r/Hommelhoff, 15 Rn. 1; Rowedder in: Rowedder, GmbHG, § 15 Rn. 62; Spiegelber1992, S. 618 (620); Winter in: Scholz, GmbHG, Band I, § 15 Rn. 20. Lessmann, GmbHR 1986, S. 409f.; Spie gelberger, DStR 1992, S. 618
Mit einer Einziehungsklausel wird für den Todesfall eines der Gesellschafter das Recht der verbleibenden Gesellschafter bestimmt, den Geschäftsanteil des Erblassers - unter bestimmten Voraussetzungen - einzuziehen, vgl. Ebenroth, Erbrecht, Rn. 906; Jasper in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 25 Rn. 33; Winter, Die Vererbung von GmbH-Anteilen im Zivil- und Steuerrecht, S. 125. Da nach der Schutzvorschrift § 34 GmbHG nur aufgrund einer Zulassung in der Satzung und nur bei einer voll geleisteten Einlage eine Einziehung erfolgen kann, ist eine automatische Einziehung mit dem Tod eines der Gesellschafter nicht zulässig, vgl. OLG Düsseldorf vom 28.12.1989 - 6 U 119/89 - GmbHR 1990, S. 504 (507); Hueck in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 34 Rn. 13; Gebel, DStR 1993, S. 282 (285); Jasper in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 25 Rn. 4; Winter in: Scholz, GmbHG, Band I, § 15 Rn. 24. Mit einer wirksamen Einziehung geht der Anteil unter und die Mitgliedschaftsrechte erlöschen, wobei sich die Beteiligungen der verbleibenden Gesellschafter an dem von der Einziehung unangetasteten Stammkapital anteilig erhöhen, vgl. Ebenroth, Erbrecht, Rn. 906; Gebel, DStR 1993, S. 282 (285). Im Ergebnis wird mit der Einziehung des vererbten Anteils die Gesellschaft entsprechend einer personengesellschaftsrechtlichen Fortsetzungsklausel oder der Regelung des § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB n.F. lediglich unter den Altgesellschaftern fortgesetzt, vgl. Winter in: Scholz, GmbHG, Band I, § 15 Rn. 24. 586 Mit einer gesellschaftsvertraglichen Abtretungsklausel werden die Erben schuldrechtlich verpflichtet, den Anteil beim Tod des Erblassers an eine bestimmte Person abzutreten, vgl. Ebenroth, Erbrecht, Rn. 907; IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 625 ff.; Jasper in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 25 Rn. 22; Spie gelber ger, Vermögensnachfolge, Rn. 587. Eine derartige Klausel verhindert aber nicht den primären Erwerb der Beteiligung durch die Erben im Wege einer Universalsukzession nach § 1922 BGB, vgl. IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 629. Der erworbene Geschäftsanteil ist aber mit einer schuldrechtlichen Weitergabeverpflichtung belastet, die gleichzeitig dem Dritten ein Eintrittsrecht gewährt, sofern er nicht bereits eine Gesellschafterstellung besitzt, vgl. Ebenroth, Erbrecht, Rn. 907; Winter, Die Vererbung von GmbH-Anteilen im Zivil- und Steuerrecht, S. 208. Der Gesellschaftsvertrag wirkt in diesem Fall wie ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todes-
B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH
163
rechtsgeschäftliche Übertragung der Beteiligung beschränkt, kann von der Gesellschaft beziehungsweise den verbleibenden Gesellschaftern Einfluß auf die Erfüllung von Vermächtnissen hinsichtlich der Beteiligung genommen werden. Werden in der Satzung Regelungen für den Tod eines Gesellschafters aufgenommen, so können diese somit die Nachfolge in gewissem Umfang steuern, aber nicht ausschließen588. I. Erb- und gesellschaftsrechtliche Ausgangslage Mit dem Tod eines Gesellschafters geht der Geschäftsanteil des Erblassers auf die testamentarischen oder gesetzlichen Erben über. Der Geschäftsanteil fällt in den gesamthänderisch gebundenen Nachlaß. Die Erbengemeinschaft als solche wird Gesellschafter der GmbH 5 8 9 . Die Erben erwerben den Geschäftsanteil des Erblassers in dem Umfang und mit dem Inhalt, wie er in der Person des Erblassers bestand. Dies gilt fall nach § 328 BGB, vgl. IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 627; Felix, KÖSDI 1997, S. 11064, 11076. 587 Ein Geschäftsanteil an einer GmbH kann Gegenstand eines Vermächtnisses sein, da der Grundsatz der freien Vererblichkeit auch im Rahmen der §§ 2147 ff. BGB gilt, vgl. Hueck, DB 1956, S. 735; Priester, GmbHR 1981, S. 206 (207). Statuarische Vinkulierungsklauseln können jedoch zu Kollisionen zwischen einem Vermächtnis und einer gesellschaftsvertraglich festgelegten Nachfolgeregelung führen, vgl. hierzu Ebenroth, Erbrecht, Rn. 902; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 212. Die Erfüllung eines Vermächtnisses hinsichtlich eines GmbH-Anteils erfolgt durch förmliche Abtretung der Beteiligung nach § 15 Abs. 3 GmbHG i.V.m. §413 BGB an den Vermächtnisnehmer. Ohne entgegenstehende Anhaltspunkte in einer Vinkulierungsklausel umfaßt ein Abtretungsverbot auch die Abtretung zur Erfüllung eines Vermächtnisses, vgl. LG Düsseldorf vom 21.05.1985 - 36 O 138/ 84 - ZIP 1985, S. 1269 (1271); Hueck in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 15 Rn. 14; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 902; Gebel, Untemehmemachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 494; Jasper in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 25 Rn. 54; Winter in: Scholz, GmbHG, Band I, § 15 Rn. 30. Eine dennoch vorgenommene Abtretung an den Vermächtnisnehmer entfaltet gegenüber der Gesellschaft keine Wirkung. Wird von der Gesellschaft oder den übrigen Gesellschaftern die Genehmigung der Abtretung zur Erfüllung des Vermächtnisses verweigert, werden die Erben von ihrer Vermächtnisverpflichtung wegen nachträglicher Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB befreit, vgl. Lessmann, GmbHR 1985, S. 179 (187); Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 214. Der Vermächtnisnehmer trägt somit das Erfüllungsrisiko. Es kommt jedoch unter Umständen eine Umdeutung des Vermächtnisses in einen Anspruch auf Abtretung zumindest der abspaltbaren Vermögensrechte in Form des Gewinnanspruchs in Betracht, vgl. Gebel, Untemehmemachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 495; Winter in: Scholz, GmbHG, Band I, § 15 Rn. 31. 588
Im Gegensatz hierzu erweitem die Nachfolgeklauseln einer Personengesellschaft die Vererbbarkeit eines Geschäftsanteils, vgl. hierzu 4. Kapitel, A.I.I., II. 1. 589 Vgl. Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 320; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 3; Rowedder in: Rowedder, GmbHG, § 15 Rn. 62. Ii*
164
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
nicht nur für die reinen Mitgliedschaftsrechte in Form der Vermögens- und Verwaltungsrechte, sondern auch für daneben bestehende Sonderrechte 590. Die Nachfolge in die Beteiligung vollzieht sich aufgrund eines Erwerbs kraft Erbrechts und nach dem Prinzip der Universalsukzession gemäß § 1922 BGB. Da auch bei einer Erbenmehrheit die Beteiligung über die Erbengemeinschaft in den gesamthänderisch gebundenen Nachlaß nach § 2032 BGB fällt 5 9 1 , ist ein Institut der Sonderrechtsnachfolge wie bei einer Personengesellschaft mit einer (einfachen oder qualifizierten) Nachfolgeklausel nicht erforderlich 592. Es erfolgt demnach kein automatisches Splitting des Geschäftsanteils entsprechend der jeweiligen Erbquoten der Miterben. Nach § 18 Abs. 1 GmbHG können die Rechte aus dem übertragenen Geschäftsanteil von den Erben nur gemeinschaftlich ausgeübt werden 593 . Voraussetzung für die Nachfolge in den Geschäftsanteil ist lediglich, daß der Erblasser über seine Beteiligung nicht anderweitig zu Lebzeiten verfügt hat. Dieser fällt insbesondere dann nicht in den Nachlaß, wenn im Rahmen einer Schenkung auf den Todesfall nach § 2301 BGB und einer überlebensbedingten Abtretung der Anteil mit dem Eintritt der Bedingung (Tod des Gesellschafters) bereits dinglich einem Dritten zugeordnet wurde 594 .
I I . Ertragsteuerliche Beurteilung Der unentgeltliche und unmittelbare Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH aufgrund einer Universalsukzession nach § 1922 BGB hat weder bei der Gesellschaft, noch bei den Altgesellschaftern oder den Erben 590 Vgl. Hueck in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 15 Rn. 10; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 2. Höchstpersönliche Rechte, wie z.B. die Geschäftsführung, sind hiervon ausgeschlossen und erlöschen mit dem Todesfall, vgl. BGH vom 06.11.1958 - II ZR 146/ 57 - NJW 1959, S. 192; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 900. 591 Vgl. BGH vom 05.11.1984 - II ZR 147/83 - BGHZ 92, S. 386 (393 ff.); Brox, Erbrecht, Rn. 762; Esch, Handbuch der Vermögensnachfolge, Erstes Buch, Rn. 1276f.; Edenhofer in: Palandt, BGB, § 1922 Rn. 24; Rowedder in: Rowedder, GmbHG, § 15 Rn. 62; Winter, Die Vererbung von GmbH-Anteilen im Zivil- und Steuerrecht, S. 11. 592 Vgl. Ebenroth, Erbrecht, Rn. 900; Priester, GmbHR 1981, S. 206 (207); Winter in: Scholz, GmbHG, Band I, § 15 Rn. 21. Eine Nachfolgeregelung, die der Sondererbfolge bei der qualifizierten Nachfolgeklausel im Rahmen der Nachfolge in Anteile an einer Personengesellschaft entspricht, läßt sich durch eine Mitwirkung des präsumtiven Erben (Dritten) beim Abschluß des Gesellschaftsvertrags erreichen. Diesem Dritten wird der Geschäftsanteil des zukünftigen Erblassers bei Vertragsschluß aufschiebend bedingt mit dem Todesfall abgetreten, vgl. hierzu Jasper in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 25 Rn. 2 f. 593 Vgl. Crezelius y Unternehmenserbrecht, Rn. 322; IDW, Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 557f.; Winter, Die Vererbung von GmbHAnteilen im Zivil- und Steuerrecht, S. 12 ff. 594 Vgl. GebeU DStR 1993, S. 282 (285, Fn. 26).
B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH
165
ertragsteuerliche Auswirkungen 595. Es spielt keine Rolle, ob es sich bei dem vererbten Geschäftsanteil um eine wesentliche Beteiligung i.S. des § 17 EStG oder um einbringungsgeborene Anteile nach § 21 UmwStG handelt. Der Geschäftsanteil wird jedem einzelnen Miterben entsprechend seiner Erbquote nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zugerechnet 596.
I I I . Erbschaftsteuerliche Beurteilung Die erbschaftsteuerlichen Probleme bei der Nachfolge in Anteile an einer GmbH (Kapitalgesellschaft) liegen weniger im Bereich der Steuerpflichtigkeit des Erwerbs der Erben als vielmehr in der Bewertung des Geschäftsanteils für die Zwecke der Erbschaftsteuer. Hierbei gilt es, im Lichte des § 13a ErbStG eine zutreffende Abgrenzung zwischen einem Geschäftsanteil als Kapitalanlage und einem solchen als privilegierungswürdigem Betriebsvermögen vorzunehmen, die den Vorgaben des BVerfG aus dem Einheitswertbeschluß zur Erbschaftsteuer 597 entspricht.
1. Steuerpflichtiger Erwerb Der Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH im Wege der Universalsukzession ist ein nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen 598 , wobei die direkte Verweisung auf § 1922 BGB eine strikte Maßgeblichkeit der erbrechtlichen Regelung der Nachfolge in den Geschäftsanteil des Erblassers für die erbschaftsteuerliche Bewertung begründet 599. Die Beteiligung fällt in den Nachlaß und wird jedem einzelnen Miterben entsprechend seiner Erbquote zugerechnet 600.
595
Dies gilt nur für den bloßen Erwerb der Beteiligung. Vgl. zur Frage der Behandlung der Einkünfte aus der Beteiligung Winter, Die Vererbung von GmbH-Anteilen im Zivil- und Steuerrecht, S. 23 ff. 596 Vgl. Hörger in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 875. 597 Vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671; vgl. auch 2. Kapitel, A.I.4.c). 598 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 149 ff. 599 Vgl. insoweit zur Maßgeblichkeit des Zivilrechts und zum fehlenden erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmen 3. Kapitel, A.I.l. 600 Vgl. Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 342; Hörger in: Hörger/Stephan, Die Vermögensnachfolge im Erbschaft- und Ertragsteuerrecht, Rn. 876; IDW y Erbfolge und Erbauseinandersetzung bei Unternehmen, Rn. 560; Söffing/Völkers/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 65.
166
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile 2. Bewertung des Gesellschaftsanteils
Die erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen werden nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG für den Erwerb gewährt, wenn der Geschäftsanteil des Erblassers von diesem im Privatvermögen gehalten wurde und der Erblasser zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zu mehr als 25% am Nennkapital der Kapitalgesellschaft beteiligt war, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat 6 0 1 . Diese Regelung geht zurück auf die Vorgaben und Forderungen des BVerfG aus dem Einheitswertbeschluß vom 22.06.1995602, nach dem auch die bloße Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ab einer bestimmten Beteiligungshöhe als Einheit unternehmerisch gebundenen Vermögens angesehen werden kann. Da es sich bei einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft aber nicht um klassisches ertragsteuerliches Betriebsvermögen handelt, sondern grundsätzlich um eine Kapitalanlage, muß notwendigerweise eine Abgrenzung eines Anteils an einer GmbH als begünstigtes Betriebsvermögen gegenüber einer reinen Kapitalanlage vorgenommen werden 3 . Als Abgrenzungskriterium wird nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG eine bestimmte Beteiligungshöhe herangezogen. Anhand der Wechselwirkungen zwischen dem Ertragsteuerrecht und dem Erbschaftsteuerrecht soll im folgenden die Bedeutung des Merkmals „unmittelbare Beteiligung zu mehr als einem Viertel am Nennkapital der Gesellschaft" i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG bestimmt werden. Es muß insbesondere geklärt werden, ob und inwieweit eine Rückgriff auf ertragsteuerliche Wertungen zu Auslegungszwecken vorgenommen werden kann, was sich angesichts der Ähnlichkeit des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG in der Terminologie zur wesentlichen Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a . F . 6 0 4 aufdrängt. Die vorgenommene Auslegung basiert auf dem im 3. Kapitel herausgearbeiteten, abstrakten Auslegungsrahmen für § 13a ErbStG. Danach sind Begriffe des Erbschaftsteuergesetzes grundsätzlich als originär steuerrechtliche Begrifflichkeiten auszulegen, sofern nicht aus systematischen oder teleologischen Gründen eine Maßgeblichkeit des Zivil- oder Ertragsteuerrechts besteht (Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens) 605.
601
Vgl. hierzu 3. Kapitel, C.II.5.b). Vgl. BVerfG vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91 - BStBl. II 1995, S. 671. 603 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 43. 604 § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. lautete bis zu seiner Änderung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999: „Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war". 605 Vgl. hierzu 3. Kapitel. 602
B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH
167
a) Gesetzeshistorie des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG § 13 Abs. 2a ErbStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995606 als Vorgängerregelung des § 13a ErbStG gewährte für den Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft bei einer Beteiligungsquote von mindestens 25 % einen Bewertungsabschlag von 25 % auf den steuerlichen Wert der Beteiligung. Es bestand kein Gleichlauf im Wortlaut zwischen der ertragsteuerlichen wesentlichen Beteiligung von mehr als 25% nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. und der erbschaftsteuerlichen Begünstigung nach § 13 Abs. 2a ErbStG a.F. Dies hatte zur Folge, daß - entgegen dem stets ertragsteuerverstrickten Betriebsvermögen einer Personengesellschaft - Anteile an einer Kapitalgesellschaft bei einer Beteiligungsquote von genau 25% erbschaftsteuerlich privilegiert übertragen werden konnten, ohne daß die gelegten stillen Reserven im Rahmen des § 17 EStG steuerverstrickt waren 607 . Seit dem Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 608 unterliegt auch der Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Erwerb unternehmerisch gebundenen Betriebsvermögens den Begünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (hier: Erbfall) zu mehr als 25 % am Nennkapital der Gesellschaft unmittelbar beteiligt war 6 0 9 . Es kommt dabei nicht darauf an, daß der einzelne Erbe auch tatsächlich eine Beteiligung in dieser Höhe erhält 610 .
b) Auslegungsbedürftigkeit
der Vorschrift
Steuerliche Vorschriften sind nach den Vorgaben des BVerfG vorrangig als solche des Steuerrechts und damit im Lichte des Steuerrechts auszulegen 6 1 1 . Allein der Wortlaut des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG ist jedoch insoweit auslegungsbedürftig, als sich dem Rechtsanwender der Bedeutungsgehalt der Normbegriffe „unmittelbare Beteiligung zu mehr als einem Viertel am Nennkapital" nicht vollständig erschließt. Klärungsbedürftig ist vor allem, was unter einer „unmittelbaren Beteiligung" zu verstehen ist. 606
BGBl. I 1995, S. 1250. Vgl. Hübner, NWB Fach 10, S. 701 (705); Jülicher, ZEV 1996, S. 97 (101); Klein-Blenkers, WiB 1997, S. 680 (681); Krüger/Siegemund/Köhler, DStR 1997, S. 637 (638); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 233; Winter, Die Vererbung von GmbH-Anteilen im Zivil- und Steuerrecht, S. 93. 608 BGBl. I 1996, S. 2049. 609 Vgl. BMF vom 17.06.1997, BStBl. I 1997, S. 673, Tz. 1.3 (Rn. 16); Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rn. 544; Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 34, 35; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 221 ff. 610 Vgl. Moench in: Moench, ErbStG, § 13 Rn. 38. 611 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991- 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213). Vgl. zu Einzelheiten 1. Kapitel, B.II.l. 607
168
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
Fraglich ist dabei, welche Arten der Beteiligung an einer GmbH (z.B. Genußscheine etc.) in die Berechnung der Beteiligungshöhe einzubeziehen sind. Weiter stellt sich die Frage, ob - in Anlehnung an das Ertragsteuerrecht - auch die einbringungsgeborenen Anteile nach § 21 UmwStG unabhängig von der Beteiligungshöhe unter § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG subsumiert werden können, da diese in jedem Fall steuerverstrickt sind.
c) Rückgriff
auf vergleichbare
zivilrechtliche
Regelungen
Nach § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG besteht eine gesetzlich normierte Sperrminorität für Minderheitsgesellschafter in Höhe von 25% am Grundkapital der Gesellschaft. Ob und inwieweit aus dieser gesellschaftsrechtlichen Vorschrift für eine Auslegung des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG wertende Momente entnommen werden können, kann dahinstehen. Denn im Bereich der Bewertungsvorschrift § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG kommt der Grundsatz der „Maßgeblichkeit des Zivilrechts" bei der sachlichen Qualifikation des Betriebsvermögens nicht zum Tragen, da sich ein anderes mangels einer direkten Verweisung auf die zivilrechtlichen Vorschriften nicht ergibt 612 . d) Rückgriff
auf vergleichbare
ertragsteuerliche
Regelungen
aa) § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. Nach einem Grundprinzip des Einkommensteuerrechts werden Vermögensmehrungen und Wertsteigerungen, die sich im Bereich des Betriebsvermögens realisieren, steuerlich erfaßt. Vermögensmehrungen innerhalb des Privatvermögens sind nach dem Grundsatz des „Dualismus der Einkünfteermittlung" ertragsteuerlich irrelevant 613 . Eine entscheidende Ausnahme hiervon bestimmt - abgesehen von den Spekulationsgewinnen nach § 22 Nr. 2, § 23 EStG - § 17 EStG. Diese Norm unterwirft die Gewinne aufgrund von Vermögensmehrungen bestimmter Anteile an Kapitalgesellschaften, die im Privatvermögen gehalten werden, bei einer Veräußerung als fiktive Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG der Einkommensbesteuerung614. Diese gesetzliche Fiktion verdeutlicht zum einen den Zweck der Vorschrift, zum anderen deren Wirkungsweise. Über § 15 i.V.m. § 16 EStG werden nicht nur die laufenden Einkünfte, sondern auch die Gewinne aus der Veräußerung von Gewerbebetrieben und Anteilen an Mit612
Vgl. hierzu 3. Kapitel, C.III.2.a)aa). Vgl. Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 2. 614 Vgl. BFH vom 06.02.1970 - VI R 186/67 - BStBl. II 1970, S. 400f.; vom 21.12.1993 - VIII R 69/88 - BStBl. II 1994, S. 648 (649f.). 613
B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH
169
Unternehmerschaften bei einer Aufdeckung der gelegten stillen Reserven der Besteuerung unterworfen. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist die Stellung eines Beteiligten an einer Kapitalgesellschaft ab einer bestimmten Beteiligungshöhe der Stellung eines Mitunternehmers mit entsprechendem Mitunternehmerrisiko und entsprechender Mitunternehmerinitiative i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wirtschaftlich vergleichbar. Dies rechtfertigt es, die innerhalb der privaten Vermögenssphäre gelegten stillen Reserven eines Anteils an einer GmbH einkommensteuerlich zu erfassen . Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. war die vergleichbare Lage nach einer - verfassungsrechtlich unbedenklichen616 - typisierenden Betrachtungsweise erreicht, wenn der Steuerpflichtige zu mehr als 25% an der Kapitalgesellschaft beteiligt war 617 . Umstritten war innerhalb des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F., ob Genußscheine, Bezugsrechte und Anwartschaften bei der Ermittlung der Beteiligung am Kapital der Gesellschaft hinzuzurechnen waren. Zwar wurde einhellig unter dem Kapital der Gesellschaft das Grund- oder Stammkapital nach § 5 GmbHG, § 6 f. AktG verstanden, nach Ansicht von Hörger 518 rechtfertigte sich jedoch eine Einbeziehung derartiger mittelbarer Beteiligungen, da im Rahmen des § 17 EStG a.F. entscheidend auf die wirtschaftliche Beteiligung und den Zuwachs an der Substanz der Gesellschaft abzustellen war 619 . Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. aufgrund der Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 mit Wirkung zum 01.01.1999 wurde die wesentliche Beteiligung auf eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von mindestens 10% heruntergefahren 620. Wenn § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG ausdrücklich auf eine „unmittelbare Beteiligung", § 17 EStG hingegen auf eine „mittelbare oder unmittelbare Beteiligung" abstellt, so verbindet dies mit § 13a ErbStG zumindest das gesetzliche Indiz einer bestimmten Beteiligungshöhe für die Annahme eines maßgeblichen Einflusses auf die jeweilige Gesellschaft. Das entscheidende Hindernis für die Übernahme der Wertung und immanenten Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. in das Erbschaftsteuerrecht im Rahmen des § 13a ErbStG ergibt sich insoweit, als innerhalb des Ertragsteuerrechts unter Einbeziehung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Heranziehung bestimmter Veräußerungserlöse in die steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vordringlich der Abschöpfung erzielter Wertsteigerungen innerhalb der Sphäre des Privatvermögens dient. Dieser Gesetzeszweck ist dem Erbschaftsteuergesetz - insbesondere auch 615 Vgl. Morsbach in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, Band IV, § 17 Rn. 5; Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 17 Rn. 2; WeberGrellet in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 3. 616 Vgl. BVerfG vom 07.10.1969 - 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64 - BStBl. II 1970, S. 160 (164 ff). 617 Vgl. BFH vom 21.12.1993 - VIII R 69/88 - BStBl. II 1994, S. 648 (649); kritisch hierzu Crezelius, DB 1997, S. 1584 (1588). 618 Vgl. Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 17 Rn. 16. 619 A.A. Heuer in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Band 10, § 17 EStG Rn. 131; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 44 ff. 620 BGBl. 1999 I, S. 402.
170
4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile
§ 13a ErbStG - jedoch gänzlich fremd. Eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts könnte lediglich bei einer direkten Verweisung auf Normen des Steuerrechts angenommen werden, wie dies zum Beispiel innerhalb des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erfolgt ist 6 2 1 . Da § 13a ErbStG eine derartige Verweisung nicht enthält und der Wortlaut der Vorschrift vom Wörtlaut des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. abweicht („unmittelbar beteiligt" beziehungsweise „unmittelbare oder mittelbare Beteiligung"), kann somit kein Rückgriff auf die ertragsteuerlichen Wertungen des § 17 EStG a.F. genommen werden. bb) § 21 UmwStG Erreicht die übertragene Beteiligung des Erblassers nicht die geforderte Beteiligungshöhe von mehr als 25% am Nennkapital der Gesellschaft, so ist der Geschäftsanteil nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG selbst dann nicht privilegiert, wenn es sich unterhalb dieser Beteiligungshöhe um einbringungsgeborene Anteile handelt 622 . Zwar wurde eben bei der Diskussion des § 17 EStG eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts im Rahmen des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG aus systematischen und teleologischen Gründen verneint. Möglicherweise rechtfertigt sich jedoch ein Rückgriff auf § 21 UmwStG allein mit einem anders gelagerten teleologischen Argument. Einbringungsgeborene Anteile an Kapitalgesellschaften entstehen durch die Umwandlung eines Einzelunternehmens oder einer Mitunternehmerschaft in eine Kapitalgesellschaft oder die Sachgründung unter Einbringung derartigen Betriebsvermögens gegen Gewährung von Anteilen 623 . Entscheidend ist dabei, daß die Buchwerte auch nach der Umwandlung fortgeführt werden können, womit die erworbenen Anteile an der Kapitalgesellschaft unabhängig von der Beteiligungshöhe steuerverstrickt sind und die stillen Reserven weiter in einem Betriebsvermögen erfaßt bleiben. Wenn die einbringungsgeborenen Anteile somit gleichsam aus eigentlich nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG begünstigungsfähigem Betriebsvermögen entstehen (z.B. einem eingebrachten Mitunternehmeranteil) und damit im Hinblick auf den Gesetzeszweck in den Anwendungsbereich des § 13a ErbStG einbezogen werden könnten, stellen die so entstandenen Anteile an einer Kapitalgesellschaft - ungeachtet der Buchwertfortführung und steuer621
Vgl. hierzu 4. Kapitel, A.I.3.b), II 3.b). Vgl. BMF vom 17.06.1997, BStBl. I 1997, S. 673, Tz. 1.3 (Rn. 16); Moench in: Moench, ErbStG, § 13a Rn. 37; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 234. 623 Vgl. Morsbach in: Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, Band IV, § 17 Rn. 21; Hörger in: Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, Band 3, § 17 Rn. 7; WeberGrellet in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 13. 622
B. Nachfolge in Anteile an einer GmbH
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liehen Verstrickung - für sich genommen kein Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG dar 6 2 4 . Eine Privilegierung der einbringungsgeborenen Anteile als Anteile an einer Kapitalgesellschaft unterhalb der geforderten wesentlichen Beteiligung des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG lediglich als „Surrogat" für ansonsten erbschaftsteuerlich begünstigtes Betriebsvermögen scheitert aber ebenfalls am eindeutigen Wortlaut der Norm 6 2 5 . Mangels einer Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts innerhalb des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG muß daher zwingend eine eigene, auf den besonderen Gesetzeszweck abgestimmte Auslegung im Lichte des Erbschaftsteuergesetzes vorgenommen werden 626. e) Teleologie und Zweckprogramm
der Vorschrift
Setzt man die Forderungen des BVerfG aus dem Einheitswertbeschluß nach einer erbschaftsteuerlichen Entlastung unternehmerischen Vermögens wegen dessen Sozialgebundenheit mit dem Gesetzeszweck des § 13a ErbStG weitgehend gleich, so ergibt sich folgendes: In Abgrenzung zu einer reinen Kapitalanlage ist die Beteiligungshöhe im Rahmen des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG das bestimmende Merkmal, über das vertypisiert der Gesellschafter wegen eines bestimmten lenkenden Einflusses und unternehmerischen Risikos nicht mehr als privater Kapitalanleger, sondern als „Unternehmer" angesehen wird. Abgestellt wird somit nicht mehr auf den Gesellschaftsanteil als solchen und das sich hinter ihm verbergende Betriebsvermögen der Gesellschaft, sondern auf den durch die Beteiligungsquote vermittelten wesentlichen Einfluß auf die Gesellschaft. An diesem Gesetzeszweck und Zweckprogramm hat sich eine weitere Auslegung unter rein erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten zu orientieren.
624
Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 137. Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 234; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 43.1. De lege ferenda plädiert Crezelius für eine Einbeziehung auch der einbringungsgeborenen Anteile unabhängig von der Beteiligungshöhe in den Regelungskreis des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG, um insoweit einen Gleichlauf zwischen dem Ertragsteuerrecht und dem Erbschaftsteuerrecht herzustellen, vgl. Crezelius, Untemehmenserbrecht, Rn. 204. Dies wäre vielleicht wünschenswert und praktikabel, ein zwingender dogmatischer Grund besteht hierfür jedoch nicht. 626 Gl. A. zu § 13 Abs. 2a ErbStG a.F. Jülicher, ZEV 1996, S. 97 (104); ders. in: Troll / Gebel / Jülicher, § 13a Rn. 235, Meincke, ErbStG, § 13a Rn. 20; ähnlich Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 44; a.A. Crezelius, DB 1997, S. 1584 (1587). Zu sachlichen Qualifikation bestimmter Anteile an einer Kapitalgesellschaft als begünstigtes Vermögen enthält § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG einen eigenen Ordnungsrahmen aus einer in sich abgeschlossenen Norm. 625
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4. Kap.: Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile f) Auslegung nach Wortlaut
und Gesetzeszweck
Ausgehend vom reinen Wortlaut des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG richtet sich die Beteiligungsquote des Erblassers nach dem Verhältnis seiner Beteiligung zum gesamten Nennkapital der GmbH. Dabei ist die rechnerisch ermittelte Quote maßgebend, nicht aber der wirtschaftliche oder tatsächliche gesellschaftsrechtliche Einfluß 627 . Der Begriff des Nennkapitals ist daneben eng auszulegen, um dem Zweck des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG Rechnung zu tragen: Privilegierung von Anteilen an einer Gesellschaft, die ab einer bestimmten Beteiligungsquote den Zugang zu einer mitunternehmerähnlichen Stellung über einen unmittelbar lenkenden Einfluß auf das Unternehmen vermittelt 628 . Das Nennkapital entspricht somit lediglich dem Nennwert aller Geschäftsanteile. Auf diese Weise ist Genußscheinkapital aber weder in die Ermittlung der Beteiligungshöhe des Erblassers, noch in das Nennkapital der Gesellschaft einzurechnen 629. Im Gegensatz zu § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG stellt § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG bei der Ermittlung der Beteiligungshöhe des Erblassers auf dessen unmittelbare Beteiligung an der GmbH ab, womit nach dem Wortlaut sämtliche, nur mittelbar gehaltenen Anteile keine Berücksichtigung finden können. I V . Zwischenergebnis Bei der erbschaftsteuerlichen Erfassung der Vererbung von Geschäftsanteilen an einer GmbH im Rahmen der Steuerpflichtigkeit eines Erwerbsvorgangs kommt der Grundsatz der „Maßgeblichkeit des Zivilrechts" uneingeschränkt zur Anwendung. Bei der Bewertung des Geschäftsanteils muß ausgehend von der Normstruktur des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG eine derartige Maßgeblichkeit des Zivilrechts verneint werden. Zur Abgrenzung eines Anteils an einer GmbH als reine Kapitalanlage von einem privilegierungswürdigen Betriebsvermögen als unternehmerisch gebundenes Vermögen verweist § 13a ErbStG nicht auf vergleichbare Regelungen des Ertragsteuerrechts (§ 17 EStG, § 21 UmwStG). Daneben sind die jeweiligen Wortlaute der Normen beziehungsweise Gesetzeszwecke für eine deckungsgleiche Auslegung zu unterschiedlich, womit auch unter diesem Blickwinkel keine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts besteht. § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG ist daher nach dem 627
Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 235. Vgl. BR-Drucks. 171/95, S. 158 (zu § 13 Abs. 2a ErbStG); Hübner, NWB Fach 10, S. 701 (705); Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 235. 629 Vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 235. 628
. Zusammenfassung
173
hier vertretenen Auslegungsrahmen als erbschaftsteuerliche Vorschrift allein aus sich heraus und dem vorgegebenen Ordnungsrahmen auszulegen.
C. Zusammenfassung Die Nachfolge in Gesellschaftsanteile von Todes wegen verdeutlicht in besonderem Maße die partielle strukturelle Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivil- und Ertragsteuerrecht. Der erb- und gesellschaftsrechtliche Ordnungsrahmen der dinglichen Neuzuordnung der vererbten Anteile bestimmt maßgeblich die erbschaftsteuerliche Beurteilung der Steuerpflichtigkeit der Erwerbsvorgänge sowohl hinsichtlich der Anteile an Personengesellschaften wie auch von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Auf der Ebene der Bewertung der Anteile an einer ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaft begründet die Verweisung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eine Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts bei der sachlichen Qualifikation als erbschaftsteuerlich begünstigtes Betriebsvermögen (integrierender Tatbestand). Anders hingegen bei einem vererbten Geschäftsanteil an einer GmbH. Die Abgrenzung des Anteils als begünstigtes, unternehmerisch gebundenes Vermögen von einer reinen Kapitalanlage wird mit § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG durch einen originär erbschaftsteuerlichen Tatbestand vorgenommen. Im Rahmen einer Auslegung dieser Norm verbietet sich ein Rückgriff auf ertragsteuerliche Tatbestände.
5. Kapitel
Gesellschaften als erbschaftsteuerliche Erwerber und Steuerschuldner An der Schnittstelle zwischen materiellem Steuerrecht und Verfahrensrecht steht die Frage nach dem Steuerschuldner als derjenigen Person, die verpflichtet ist, eine Steuer auf eigene Rechnung zu entrichten 630. Wenn das Erbschaftsteuergesetz bisher auf seiner tatbestandlichen Ebene weitreichende strukturelle Abhängigkeiten von bürgerlich-rechtlichen Regelungen offenbart hat, so möchte man meinen, daß sich zumindest innerhalb des öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnisses - und damit innerhalb originären Eingriffsrechts - das Erbschaftsteuerrecht einer wie auch immer gearteten Rückanknüpfung an das Zivilrecht enthält. Dieser Gedanke muß jedoch schon insofern relativiert werden, als in der Regel derjenige Steuerschuldner ist, der einen steuerbaren Tatbestand in seiner Person verwirklicht 6 3 1 . Dieser Mechanismus findet sich mit § 20 Abs. 1 ErbStG zwar auch im Erbschaftsteuergesetz wieder. Da aber - wie gezeigt - das Zivilrecht in großem Umfang auf die Tatbestandsverwirklichung ausstrahlt, stellt sich auf der Ebene der Steuerschuldnerschaft somit erneut die Frage nach den Auswirkungen des partiellen erbschaftsteuerlichen Regelungsdefizits und der hieraus abgeleiteten Maßgeblichkeit des Zivilrechts für einzelne erbschaftsteuerliche Tatbestände632. Die Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Regelungen der Steuerschuldnerschaft hat durch mehrere aktuelle Entscheidungen des BFH besondere Brisanz erlangt 633 . Das Gericht hat zur Frage Stellung genommen, ob und inwieweit Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften als Beteiligte an einem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang „Erwerber" und damit Schuld630
Vgl. Sikor ski /Wüstenhöfer, Abgabenordnung, Rn. 285; Tipke/Kruse, AO/ FGO, Band I, § 43 AO Rn. 1. 631 Vgl. Jakob , Abgabenordnung, § 2 Rn. 2. 632 Vgl. hierzu im Zusammenhang mit der Steuerschuldnerschaft von Gesellschaften Gebel, BB 1993, S. 706ff.; ders ., BB 1998, S. 510ff.; Daragan ( Wohlschlegel ), ZEV 1998, S. 367 ff.; Ebeling , BB 1989, S. 1865 ff. 633 Vgl. BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, S. 160; vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454; vom 19.06.1996 - H R 83/92 BStBl. II 1996, S. 616 (jeweils zur Kapitalgesellschaft); vom 14.09.1994 - H R 95/ 92 - BStBl. II 1995, S. 81 (zur Personengesellschaft).
A. Der Steuerschuldner im Erbschaftsteuergesetz
175
ner der Erbschaftsteuer i.S. des § 20 Abs. 1 ErbStG sein können oder ob ein Durchgriff auf die einzelnen Gesellschafter vorgenommen werden muß. Letztere Überlegung rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß auf der Erwerberseite zwei erbschaftsteuerlich relevante Vermögenssphären vorhanden sind und eine unentgeltliche Zuwendung in das Vermögen einer Gesellschaft zumindest wirtschaftlich auch eine Werterhöhung der Beteiligungen der einzelnen Gesellschafter und damit eine entsprechende Bereicherung zur Folge hat. Im folgenden wird untersucht, wie ein Erwerbsvorgang erbschaftsteuerlich zu behandeln ist, an dem eine Kapital- beziehungsweise Personengesellschaft unmittelbar beteiligt ist. Nach einer Darstellung der zivilrechtlichen Regelung für den jeweiligen Gesellschaftstyp wird innerhalb einer Auslegung des § 20 Abs. 1 ErbStG nach dem allgemeinen Auslegungsrahmen die Reichweite der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Frage nach dem Steuerschuldner geklärt. Dabei wird die Rechtsprechung des BFH einer kritischen Würdigung unterzogen, wonach bei Kapitalgesellschaften stets die Gesellschaft als solche „Erwerber" und damit Steuerschuldner ist, bei Personengesellschaften hingegen ein Durchgriff auf die einzelnen Gesellschafter erfolgt.
A. Der Steuerschuldner im Erbschaftsteuergesetz Grundsätzlich ist derjenige Steuerschuldner, der den Steuertatbestand verwirklicht, an den das Gesetz eine Leistungspflicht knüpft 634 . Es besteht allerdings kein Automatismus, daß das Steuersubjekt (Steuerpflichtiger) stets auch der Steuerschuldner sein muß. Gemäß § 43 Satz 1 AO bestimmen die jeweiligen Einzelsteuergesetze, wer als Steuerschuldner verpflichtet ist, die Steuer auf eigenen Rechnung selbst zu entrichten 635. Bei der Normierung der Steuerschuldnerschaft im Erbschaftsteuergesetz unterscheidet § 20 Abs. 1 ErbStG erneut zwischen den Erwerben von Todes wegen und den Schenkungen als freigebige Zuwendungen unter Lebenden. I. Steuerschuldner bei Erwerben von Todes wegen Für Erwerbe von Todes wegen ist nach § 20 Abs. 1 Alt. 1 ErbStG der „Erwerber" Schuldner der Erbschaftsteuer. Als Erwerber im Sinne dieser Vorschrift gilt derjenige, dem ein Erwerb von Todes wegen oder eine Schenkung auf den Todesfall nach § 3 ErbStG anfällt 636 . 634
Vgl. Boeker in: Hübschmann/Hepp/Spitäler, AO/FGO, Band II, § 43 AO Rn. 4; Jakob, Abgabenordnung, § 2 Rn. 2. 635 Vgl. Sikorski/Wüstenhöfer, Abgabenordnung, Rn. 288; Tipke/Kruse, AO/ FGO, Band I, § 43 AO Rn. 1. 636 Vgl. Kien-Hümbert in: Moench, ErbStG, § 20 Rn. 5; Pahlke in: Christoffel/ Geckle/Pahlke, ErbStG, § 20 Rn. 2; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 20 Rn. 2.
176
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
Die Erbengemeinschaft als solche kann aber nicht Schuldner der Erbschaftsteuer sein, wenn eine Erbenmehrheit einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen verwirklicht. Dies folgt aus dem Prinzip der Erbschaftsteuer als Bereicherungssteuer beziehungsweise Erbanfallsteuer 637. Die Erbengemeinschaft entsteht erst mit einem Erwerb von Todes wegen durch mehrere Erben. Es können nur die einzelnen Erben bedacht werden, nicht jedoch die Erbengemeinschaft als solche638.
II. Steuerschuldner bei Schenkungen unter Lebenden Bei steuerpflichtigen Schenkungen ist nach § 20 Abs. 1 Alt. 2 ErbStG neben dem Erwerber auch der Schenker Steuerschuldner. Beide Personen haften als Gesamtschuldner nach § 44 A O 6 3 9 . Welchen der beiden Gesamtschuldner das Finanzamt in Anspruch nimmt, steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Die Erbschaftsteuer ist allerdings als Erbanfallsteuer beziehungsweise als Bereicherungssteuer ausgestaltet, die die gesteigerte Leistungsfähigkeit des unentgeltlichen Erwerbers steuerlich erfaßt. Es widerspricht somit dem System des geltenden Erbschaftsteuergesetzes, wenn auch der Schenker zum Steuerschuldner erklärt wird 6 4 0 , der Vermögen gerade nicht erwirbt, sondern abgibt. Dies gebietet es, vorrangig den Beschenkten aus dem Steuerschuldverhältnis heranzuziehen, da er über den Zufluß von Vermögen eher zur Tilgung der Steuerschuld in der Lage sein wird als der Zuwendende. Das Finanzamt handelt demnach ermessensfehlerhaft, wenn es sich nicht zuerst an den Beschenkten hält 641 . Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen sich der Schenker privatrechtlich gegenüber dem Beschenkten verpflichtet hat, nach § 10 Abs. 2 ErbStG die anfallende Schenkungsteuer zu übernehmen642.
637
Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 20 Rn. 1.2; Pahlke in: Christoffel/Geckle/ Pahlke, ErbStG, § 20 Rn. 3; Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 448. 638 Vgl. Ebeling, BB 1989, S. 1865 (1866). 639 Vgl. Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 449. 640 Vgl. Meincke, ErbStG, § 20 Rn. 6; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 746. 641 H.M., vgl. BFH vom 29.11.1961 - II 282/58 U - BStBl. III 1962, S. 323 (324); Kapp/Ebeling, ErbStG, § 20 Rn. 4; Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 20 Rn. 4; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 20 Rn. 2. 642 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 20 Rn. 6; Kien-Hümbert in: Moench, ErbStG, § 20 Rn. 9; Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 20 Rn. 4. Die Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker gilt als zusätzlicher steuerpflichtiger Erwerb, der eine zusätzliche Schenkungsteuer auslöst. Die Übernahme der Steuer wirkt aber nach § 10 Abs. 2 ErbStG nur einmal bereicherungserhöhend; die auf die bereicherungserhöhende Steuer entfallende zusätzliche Schenkungsteuer löst keine weitere Steuer aus, vgl. Meincke, ErbStG, § 10 Rn. 24; Moench in: Moench, ErbStG, § 10 Rn. 33. Die tatsächliche Steuer berechnet sich nach der Formel: Steuer = Steuersatz x (Erwerb + ursprüngliche Steuer auf den Erwerb).
A. Der Steuerschuldner im Erbschaftsteuergesetz
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H I . Begriff des „Erwerbers" i.S. des § 20 ErbStG Das Erbschaftsteuergesetz verwendet an mehreren Stellen und in unterschiedlichen Zusammenhängen den Begriff des „Erwerbers" beziehungsweise des „Erwerbs" 643 , ohne ihn jedoch eigenständig zu definieren. - Die steuerpflichtigen Erwerbe nach §§ 3 ff., § 7 ErbStG setzen notwendigerweise - wenn auch nicht ausdrücklich genannt - eine Person voraus, der einzelne Vermögenspositionen durch einen Erwerbsvorgang neu zugeordnet werden 644. - Mit § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG wird die Bereicherung des Erwerbers 645 aufgrund eines steuerpflichtigen Vermögenstransfers festgestellt und anschließend einer Bewertung zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage zugeführt. - § 20 Abs. 1 ErbStG knüpft die Steuerschuldnerschaft an die Eigenschaft als Erwerber innerhalb eines erbschaftsteuerpflichtigen Tatbestands. Nach der herrschenden Meinung ist der Begriff „Erwerber" im Erbschaftsteuergesetz durchgehend gleichbedeutend646. Die Bedeutung der Begrifflichkeit - insbesondere als Tatbestandsmerkmal des § 20 ErbStG erschließt sich ohne ausdrückliche Definition allerdings erst über eine entsprechende Auslegung. Besteht keine Maßgeblichkeit des Zivilrechts, so ist der Begriff nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz 647 aus sich heraus und anhand der Gesamtregelungen und den Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes auszulegen. 1. Auslegung durch den BFH Der BFH hat in der Entscheidung vom 14.09.1994 zur Person des Erwerbers im Erbschaftsteuerrecht Stellung genommen. Das Gericht verneint eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts und nimmt eine Auslegung des entsprechenden Begriffs allein unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten vor: „... Nach § 1 Abs. 1 ErbStG 1974 unterliegen u.a. der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) der Erwerb von Todes wegen (Nr. 1) und die Schenkungen unter Lebenden (Nr. 2). Unter ,Erwerb von Todes wegen1 bzw. »Schenkung* ist - wie sich aus § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 und § 7 Abs. 1 ErbStG 1974 ergibt - nicht der (zivilrechtliche) Rechtsvorgang als solcher gemeint, sondern der Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung bewirkte Übergang von Vermögen auf den Bedachten. [...] Daß der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) in diesem Sinne nicht 643
Jeder Erwerbsvorgang kann sich logischerweise nur zwischen einer Person als „Entäußerndem" und einer weiteren Person als „Erwerbendem" vollziehen. 644 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 11. 645 Vgl. Meincke, ErbStG, § 10 Rn. 7; Pahlke in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 10 Rn. 2. 646 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82); Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 11. 647 Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.II.l.b). 12 Kobor
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5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
der Erbanfall bzw. die Schenkung als solche, sondern der durch diese Rechtsvorgänge bewirkte Übergang von Vermögen unterliegt, ergibt sich schließlich auch aus § 10 Abs. 1 ErbStG 1974, wonach die Bereicherung des Erwerbers als steuerpflichtiger Erwerb gilt [...]. Soweit das Ergebnis des Erwerbs, d.h. die Bereicherung des Bedachten, der Steuer unterliegt, folgt daraus, daß sich die Frage, wer schenkungsteuerrechtlich als Erwerber durch den Vermögensübergang bereichert ist, nicht (allein) danach richten kann, wer als Beschenkter am zivilrechtlichen Schenkungsvorgang beteiligt ist. Vielmehr bedarf es einer eigenständigen schenkungsteuerrechtlichen Prüfung, wer als Bedachter (Erwerber) durch die freigebige Zuwendung auf Kosten des Zuwendenden bereichert wurde. .. Z' 6 4 8 An dieser Entscheidung sind zwei Kernaussagen des Gerichts auffällig. Zum einen wird der Grundsatz des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel als erbschaftsteuerliches Grundprinzip anerkannt („Vermögensübergang") 649. Zum anderen wird die Frage nach einer steuerlich motivierten Auslegung des Begriffs „Erwerber" aufgeworfen, ohne daß ausgeführt wird, nach welchen erbschaftsteuerlichen Kriterien die Person des Erwerbers letztendlich festgestellt werden kann.
2. Auslegung nach dem Auslegungsrahmen für das Erbschaftsteuergesetz Der Begriff des Erwerbers ist nach den Vorgaben des BVerfG 6 5 0 wegen seiner Verwendung innerhalb eines Steuergesetzes vorrangig als steuerlicher Begriff auszulegen. Eine wertungsbeeinflussende Maßgeblichkeit des Zivilrechts für diesen Normbegriff kann sich nach dem hier vertretenen Auslegungsrahmen zur Auslegung erbschaftsteuerlicher Begriffe nur unter zwei Voraussetzungen ergeben: - Das Erbschaftsteuergesetz verweist unmittelbar auf eine Vorschrift des bürgerlichen Rechts und füllt durch die Verweisung eine erbschaftsteuerliche Regelungslücke, indem ein zivilrechtlicher Tatbestand beziehungsweise zivilrechtlicher Normbegriff einen fehlenden erbschaftsteuerlichen Tatbestand ersetzt (integrierender Tatbestand). - Das Erbschaftsteuergesetz besitzt für einen bestimmten Regelungskreis keinen eigenen Ordnungsrahmen als in sich abgeschlossenes Normengeflecht, aus dem sich wertungsbeeinflussende Momente für eine Auslegung entnehmen lassen. Das Erbschaftsteuergesetz verwendet einen zivilrechtlich vorgeprägten Begriff, dessen bürgerlich-rechtlicher Bedeutungsgehalt in das Erbschaftsteuergesetz inkorporiert werden muß (Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens). 648
Siehe BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82). Vgl. zu diesem Grundprinzip 2. Kapitel, A.III.2. 650 Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213 f.); ähnlich in diesem Zusammenhang Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367 (369). 649
A. Der Steuerschuldner im Erbschaftsteuergesetz
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a) Maßgeblichkeit des Zivilrechts § 20 Abs. 1 ErbStG enthält weder hinsichtlich der Erwerbe von Todes wegen, noch hinsichtlich der Schenkungen unter Lebenden eine ausdrückliche Verweisung auf Normen des Zivilrechts, um den Begriff des Erwerbers inhaltlich auszufüllen. Eine strikte Maßgeblichkeit des Zivilrechts durch eine verweisungsbedingte Tradierung bürgerlich-rechtlicher Rechtsinstitute oder Regelungen zur Qualifizierung der Person des erbschaftsteuerlichen Erwerbers existiert innerhalb des § 20 Abs. 1 ErbStG nicht 651 . Die Begrifflichkeit des Erwerbers findet neben dem Erbschaftsteuerrecht auch innerhalb des zivilrechtlichen Ordnungsrahmens des (unentgeltlichen) dinglichen Erwerbs von Eigentum unter Lebenden als Normbegriff Verwendung. Beispielhaft ist § 929 Satz 1 BGB, der den „Erwerber" als Vertragspartei eines dinglichen Verfügungsgeschäfts zur Herbeiführung eines Wechsels in der Eigentümerposition bezeichnet . Erwerber im zivilrechtlichen Sinn ist demnach derjenige, der aufgrund eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden die Eigentümerposition des Veräußerers erlangt 653 . Im Gegensatz hierzu werden Personen, die eine Nachfolge von Todes wegen antreten, innerhalb des Erbrechts nicht als „Erwerber" bezeichnet, sondern vielmehr nach ihren persönlichen Eigenschaften und Rechtsstellungen beispielsweise als „Erben" oder „Vermächtnisnehmer" qualifiziert. Der Begriff des Erwerbers im Rahmen eines steuerpflichtigen Erwerbs weist damit keine strukturellen Abhängigkeiten von bürgerlich-rechtlichen Regelungskreisen auf, die auf die Systematik einzelner erbschaftsteuerlicher Tatbestände zurückgeführt werden könnten. Der Begriff des „Erwerbers" findet somit sowohl innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes als auch im bürgerlich-rechtlichen Ordnungsrahmen des Erwerbs von Eigentum unter Lebenden Verwendung. Aus dieser parallelen Begriffsverwendung kann aber nicht ohne weiteres eine Maßgeblichkeit des bürgerlich-rechtlichen Bedeutungsgehalts für die Auslegung des gleichlautenden Begriffs innerhalb des § 20 ErbStG abgeleitet werden. Dies ist nach dem hier vertretenen Auslegungsrahmen nur dann möglich, wenn kein erbschaftsteuerlicher Ordnungsrahmen für den betroffenen Regelungskreis zur Verfügung steht, aus dem sich wertungsbeeinflussende Momente für eine steuerlich motivierte Auslegung des Erwerberbegriffs ziehen lassen. Der zivilrechtlich vorgeprägte Begriff des „Erwerbers" aus dem Regelungskreis des Eigentumserwerbs durch Rechtsgeschäft unter Lebenden nach §§ 929 ff. BGB kann allenfalls innerhalb der steuerpflichtigen Zuwendungen 651
Vgl. Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367 (369); Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 8. 652 Vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 4. 653 Vgl. Quack in: Münchner Kommentar, BGB, Band 6, § 929 Rn. 88; Schwab/ Prutting, Sachenrecht, § 32 Rn. 372. 12*
180
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
unter Lebenden nach § 7 ErbStG eine Rolle spielen. Voraussetzung für eine wertungsbeeinflussende Maßgeblichkeit des Zivilrechts ist allerdings, daß das Erbschaftsteuergesetz insoweit keinen eigenen Ordnungsrahmen für die dingliche Neuzuordnung von Vermögen unter Lebenden enthält. Im 3. Kapitel wurde eine Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die freigebigen Zuwendungen unter Lebenden bereits untersucht 654. Es wurde festgestellt, daß insbesondere wegen des abgeschlossenen Grundtatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ein eigener Ordnungsrahmen des Erbschaftsteuergesetzes vorhanden ist, innerhalb dessen eine freigebige Zuwendung - und damit die Person des „Erwerbenden" - erbschaftsteuerlich beurteilt werden kann. Es handelt sich bei dem Erwerberbegriff somit um eine originär erbschaftsteuerliche Begrifflichkeit, die aus sich heraus und aus der erbschaftsteuerlichen Gesamtregelung zu interpretieren ist 6 5 5 . Ein Rückgriff auf das Zivilrecht ist somit weder erforderlich noch systematisch möglich 656 . b) „Erwerber"
als originär erbschaftsteuerlicher
Begriff
Aus der erbschaftsteuerlichen Gesamtregelung lassen sich zwei Grundprinzipien ableiten, nach denen sich die Besteuerung unentgeltlicher Vermögenstransfers ausrichtet und die in eine teleologische Auslegung des Erwerberbegriffs Eingang finden: Der Grundsatz des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel und das Bereicherungsprinzip 657.
aa) Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel Nach dem erbschaftsteuerlichen Grundprinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel kann Erwerber im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes nur derjenige sein, der in seiner Person aufgrund eines nach §§ 3 ff., 7 ErbStG steuerpflichtigen Erwerbsvorgangs einen substanziellen Vermögenszuwachs erzielt 658 . Dieser Vermögenszuwachs muß von Dauer sein, das 654
Vgl. hierzu 3. Kapitel, B.I.l. Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82); Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367 (369); GebeU BB 1993, S. 706 (707); Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 8; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 20 Rn. 1.1. 656 Vgl. BFH vom 07.12.1988 - H R 150/85 - BStBl. II 1989, S. 237 (238); Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367 (369); Harnischfeger in: Christoffel/ Geckle/Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 8; Hollatz, DStR 1995, S. 589 (591); a.A. wohl Hartmann, DB 1996, S. 2250 (2255); unklar Gebel, BB 1993, S. 706 (707). 657 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.III. 1., 2. 658 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82); GebeU BB 1998, S. 510 (512); Crezelius, BB 1978, S. 621 (624); Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/Pahlke, ErbStG, § 7 Rn. 8. 655
A. Der Steuerschuldner im Erbschaftsteuergesetz
181
heißt auf einen formal wirksamen Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des übertragenen Vermögensgegenstands zurückgehen 659. So wie das Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel den Begriff des Erwerbers inhaltlich ausfüllt, so beschränkt es ihn gleichzeitig: Ein wirksamer Rechtsträgerwechsel erfordert in zivilrechtlicher Hinsicht die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten und damit Träger eigenen Vermögens sein zu können 660 . Demnach kommen als Erwerber im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes nur solche Personen und Personenvereinigungen in Betracht, die eine formale (Teil-)Rechtsfähigkeit besitzen. Für die persönliche Qualifikation als Erwerber innerhalb eines steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen, der auf einer Vermögensnachfolge nach erbrechtlichen Grundsätzen beruht (z.B. § 3 Abs. 1 ErbStG), ist zusätzliche Voraussetzung die formale Rechtsstellung als Erbe, Vermächtnisnehmer etc. 6 6 1 . Der Begriff des Erwerbers erfährt somit über das Erfordernis der (Teil-)Rechtsfähigkeit eine inhaltliche Beschränkung, die sich nach dem Zivilrecht richtet und als Wertung allgemeiner Besteuerungsprinzipien die Auslegung erbschaftsteuerlicher Normbegriffe beeinflußt. Dies bedeutet aber nicht, den Begriff insgesamt als zivilrechtlichen Begriff auszulegen, da - wie vorstehend gezeigt - nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz und der Analyse der einfachgesetzlichen Regelungstechnik einzelner Tatbestände hinsichtlich des Erwerberbegriffs keine tatbestandliche Maßgeblichkeit des Zivilrechts besteht.
bb) Bereicherungsprinzip Nach dem Bereicherungsprinzip soll erbschaftsteuerlich die gesteigerte Leistungsfähigkeit erfaßt werden, die auf einen unentgeltlichen Vermögenszufluß beim Erwerber zurückzuführen ist 6 6 2 . Die Bereicherung des Erwerbers spiegelt sich in einem entsprechenden Vermögenszuwachs wider. Die Person des Erwerbers und die Person des Bereicherten müssen demnach identisch sein 663 . Um die Bereicherung einer Besteuerung zuführen zu können, sind nach den Vorgaben des Gesetzes zwei Schritte erforderlich: Nach § 10 ErbStG wird zuerst die 659
Vgl. Gebel, BB 1998, S. 510 (512). Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 11; ders., BB 1993, S. 706 (707); ders., DStR 1996, S. 685 (686); Harnischfeger in: Christoffel/Geckle/ Pahlke, ErbStG, § 3 Rn. 4; Hollatz,, DStR 1995, S. 589 (590f.); gl.A. wohl auch BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (83). 661 Auch diese persönliche Eigenschaft bemißt sich nach formalen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen, vgl. hierzu Meincke, ErbStG, § 3 Rn. 4, 11, § 20 Rn. 3; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 11. 662 Vgl. Viskorf, DStR 1998, S. 150 (152) m.w.N. 663 Nicht eindeutig wohl BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82 f.). 660
182
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
steuerpflichtige Erhöhung des Vermögensbestands ermittelt, die ein Übergang von Vermögen auf den Erwerber zur Folge hat. In diese Bestandsermittlung können logischerweise reine Werterhöhungen bereits vorhandenen Vermögens einer Person keinen Eingang finden, da Voraussetzung für die Steuerpflichtigkeit ein Substanzübergang durch Rechtsträgerwechsel (Vermögenstransfer) ist 6 6 4 . Die positive Veränderung eines Vermögensbestands durch den Zufluß von Vermögensgegenständen wird anschließend zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage einer Wertermittlung nach §§ 12f. ErbStG zugeführt 665. Durch die Identität von Erwerber und Bereichertem 666 kann im Lichte des Bereicherungsprinzips nur derjenige Erwerber nach § 20 Abs. 1 ErbStG Steuerschuldner sein, dessen Bereicherung unmittelbar auf einen Vermögenszuwachs zurückzuführen ist, der einerseits durch einen formalen Rechtsträgerwechsel in seiner Person eingetreten ist und sich andererseits unmittelbar in einer Vermögenssphäre niederschlägt, die formal dem Erwerber zuzurechnen ist. Nicht ausreichend für die Verwirklichung eines steuerpflichtigen Erwerbs und damit eine Steuerschuldnerschaft nach § 20 Abs. 1 ErbStG ist eine Bereicherung, die nicht auf eine substanzielle Vermögensbewegung in das Vermögen des Bereicherten zurückzuführen ist 6 6 7 . Dies sind Fälle, in denen Vermögensdispositionen innerhalb der Vermögenssphäre Dritter eine Werterhöhung von Vermögensgegenständen bewirken, die sich bereits im Vermögen des Bereicherten befinden, ohne daß dieser einen rechtswirksamen Hinzuerwerb verwirklicht 668 . I V . Zwischenergebnis Bei dem Begriff des Erwerbers i.S. des § 20 ErbStG handelt es sich um einen originär erbschaftsteuerlichen Begriff, für den keine strikte Maßgeblichkeit des Zivilrechts besteht. Es wird zur persönlichen Qualifikation dieser Person weder unmittelbar auf das Zivilrecht verwiesen, noch fehlt dem Erbschaftsteuergesetz ein Ordnungsrahmen, aus dem heraus der Begriff nicht erbschaftsteuerlich ausgelegt werden könnte (Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens). Nach der Interpretation des Begriffs aus der Gesamtregelung des Erbschaftsteuergesetzes, den einzelnen steuerpflichtigen Erwerbstatbeständen und den allgemeinen Besteuerungsprinzipien in Form des Prinzips des Sub664
Ähnlich Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rn. 2 f. Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rn. 2 f. 666 Vgl. Meincke, JZ 1995, S. 1075. 667 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.III.2. 668 Vgl. BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, S. 160 (161); vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454 (455); vom 19.06.1996 - H R 83/92 - BStBl. II 1996, S. 616 (618); Gebel, BB 1998, S. 510 (512ff.); ders. in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 57; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 102. 665
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stanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel und des Bereicherungsprinzips muß ein Erwerber und damit Steuerschuldner folgende Voraussetzungen erfüllen: - Er muß die Fähigkeit besitzen, Träger von Rechten und Pflichten und damit Träger eigenen Vermögens zu sein, und - er muß einen steuerpflichtigen Erwerb nach §§ 3 ff., § 7 ErbStG in eigener Person aufgrund eines Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel bei entsprechender Bereicherung durch den Zufluß von Vermögensgegenständen verwirklichen. Nicht ausreichend sind Bereicherungen, die eine Person durch Wertsteigerungen erfährt, ohne daß ein Zufluß von Vermögensgegenständen durch eine formale, zivilrechtlich wirksame Neuzuordnung von Eigentümerpositionen vorliegt (keine mittelbare Bereicherung).
B. Die Kapitalgesellschaft als Erwerber und Steuerschuldner Es handelt sich bei dem Begriff des Erwerbers um einen erbschaftsteuerlichen Begriff, der durch bestimmte Anforderungen inhaltlich eingegrenzt ist, die aus den allgemeinen Besteuerungsprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes abgeleitet werden und sich nach formalen zivilrechtlichen Regelungen beantworten 669. Es ist dies das Kriterium der (Teil-)Rechtsfähigkeit und damit die Fähigkeit, als Träger eigener Rechte und Pflichten an einem Substanzübergang durch Rechtsträgerwechsel beteiligt zu sein und eine Bereicherung in eigenem Vermögen herbeiführen zu können. Wie wichtig die Auslegung des Erwerberbegriffs unter Einschluß dieser Kriterien im Einzelfall ist, zeigt sich an Erwerbsvorgängen, an denen nicht nur natürliche Personen mitwirken, sondern daneben eine Personen- oder Kapitalgesellschaft unmittelbar beteiligt ist. Diese Beteiligung einer Gesellschaft macht es notwendig, sowohl zivil- als auch erbschaftsteuerlich zu klären, welches Rechtssubjekt den steuerpflichtigen Tatbestand verwirklicht beziehungsweise in wessen Vermögenssphäre sich eine entsprechende Bereicherung niederschlägt. Mit anderen Worten: Es ist damit für jeden Gesellschaftstyp zu klären, ob die jeweilige Gesellschaft oder die hinter ihr stehenden Gesellschafter unter den Begriff des „Erwerbers" zu subsumieren sind und damit als Schuldner der Steuer nach § 20 Abs. 1 ErbStG gelten 670 669
Vgl. hierzu 5. Kapitel, A.III.2.b). Praktische Auswirkung hat dies für die Frage der Steuerklasse, nach der die Besteuerung im Einzelfall erfolgt. Die Steuerklasse hängt nach § 15 ErbStG vom Verwandtschaftsverhältnis des Erwerbers zum Erblasser beziehungsweise Schenker ab. Ist die Gesellschaft als solche Erwerber und damit Steuerschuldner, unterliegt 670
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5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
Die gesamte Rechtsordnung unterscheidet zwischen Kapital- und Personengesellschaften als mögliche Rechtsformen eines Zusammenschlusses mehrerer Rechtssubjekte. Jede Gesellschaftsform besitzt ein unterschiedliches Wesen, das nicht nur auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander Einfluß hat, sondern auch das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern maßgeblich beeinflußt 671.
I. Zivilrechtliche Ausgangslage 1. Rechtsfähigkeit und Gesellschaftsvermögen der Kapitalgesellschaften Die Kapitalgesellschaften in Form der GmbH und AG sind als Körperschaften nach § 13 Abs. 1 GmbHG, § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG juristische Personen 672 . Sie sind selbständige Träger von Rechten und Pflichten und können insbesondere Eigentum erwerben. In ihrer Rechtsfähigkeit 673 stehen sie den natürlichen Personen gleich. Eine Kapitalgesellschaft besitzt nicht nur ein festes Grund- oder Stammkapital, sondern ist auch Träger eigenen Gesellschaftsvermögens, das von der Vermögenssphäre der jeweiligen Gesellschafter abgeschirmt ist. Es umfaßt je nach Bestand alle Sachen, Rechte und sonstigen Vermögensgegenstände, die sich in ihrem Eigentum befinden 674 . Wegen der eigenen Rechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ist für Vermögensübertragungen zwischen dem Gesellschaftsvermögen und dem (Privat-)Vermögen der einzelnen Gesellschafter zivilrechtlich ein formaler Übertragungsakt (dingliches Verfügungsgeschäft) erforderlich. 2. Aktives Erbrecht der Kapitalgesellschaften Der Status als juristische Person verleiht den Kapitalgesellschaften die gleiche Rechtsfähigkeit wie natürlichen Personen. Dies hat zur Konsequenz, sie der ungünstigen Steuerklasse III, vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 15 Rn. 56; Moench in: Moench, ErbStG, § 15 Rn. 38; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 15 Rn. 25 f. Stellt man hingegen auf die Gesellschafter ab, so fällt die Entscheidung zwischen den Steuerklassen I bis III nach den persönlichen Verwandtschaftsverhältnissen der einzelnen Gesellschafter zum Zuwenden 671 Vgl. zum Wesen der Personen- und Kapitalgesellschaften allgemein auch 4. Kapitel, A., B. 672 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 615, 818. 673 Die Begriffe der juristischen Person und der rechtsfähigen Gesellschaft sind nicht deckungsgleich. Die Frage nach der Rechtsfähigkeit bestimmt sich allein danach, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können, vgl. Hopt/Hehl, Gesellschaftsrecht, Rn. 6. 674 Vgl. Hopt/Hehl, Gesellschaftsrecht, Rn. 66; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 5. 217; Wiesner in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 11 Rn. 4.
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daß diese Gesellschaften auch eine Nachfolge von Todes wegen antreten können, das heißt testamentarischer Erbe und Vermächtnisnehmer sein können 675 . Die Gesellschaft wird dabei Alleinerbe oder Mitglied einer Erbengemeinschaft.
I I . Kapitalgesellschaften als erbschaftsteuerliche Erwerber Eine Kapitalgesellschaft kann nur dann als Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG in Betracht kommen, wenn sie als solche an einem Vorgang der unentgeltlichen Vermögensnachfolge beteiligt ist. Möglich ist dies in Fällen, in denen die Gesellschaft als Rechtssubjekt an einem steuerpflichtigen Vorgang i.S. der §§ 3 ff., 7 ErbStG beteiligt ist und zwar - als Erwerber im Rahmen eines Erwerbs von Todes wegen nach § 3 ErbStG (§ 20 Abs. 1 Alt. 1 ErbStG) oder - als Schenker 676 beziehungsweise Erwerber in den Fällen einer steuerpflichtigen lebzeitigen Zuwendung nach § 7 ErbStG (§ 20 Abs. 1 Alt. 2 ErbStG). Nach der zivilrechtlichen Rechtslage ist eine Kapitalgesellschaft als eigene juristische Person rechtsfähig und tritt als solche im Rechtsverkehr auf. Daneben ist sie alleiniger Träger des Gesellschaftsvermögens 677. Andererseits stehen hinter der Gesellschaft die Gesellschafter, die vermögensrechtlich über die Beteiligung unmittelbar an der Gesellschaft und deren Vermögen beteiligt sind. Über diese vermögensmäßige Beteiligung als Kapitalanlage spiegelt sich letztlich die Vermögenssituation der Gesellschafter in der Vermögenssituation der Gesellschaft wider. Denn Zu- und Abgänge von Gesellschaftsvermögen bestimmen letztlich die Werthaltigkeit der Gesellschaftsanteile. Es stellt sich die Frage, ob in den Fällen, in denen eine Kapitalgesellschaft an einem steuerpflichtigen Vorgang einer unentgeltlichen Vermögensverschiebung beteiligt ist, diese Kapitalgesellschaft Erwerber beziehungsweise Schenker i.S. des § 20 ErbStG ist, oder ob vielmehr ein Rückgriff auf die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter vorzunehmen ist 6 7 8 . 675
Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, § 1923 Rn. 7; Hopt/HehU Gesellschaftsrecht, Rn. 4; Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, § 1923 Rn. 25 ff.; Lutter/Hommelhoffy GmbHG, § 13 Rn. 2; Moench in: Moench, ErbStG, § 3 Rn. 9. 676 Es wird im folgenden nicht auf die Fallgestaltung eingegangen, in der eine Kapitalgesellschaft als Zuwender innerhalb einer Schenkung unter Lebenden nach § 7 ErbStG auftritt. 677 Vgl. hierzu auch 5. Kapitel, B.LI. 678 Dies ist nur dann möglich, wenn von der formalen zivilrechtlichen Beurteilung einer Zuwendung in das Gesellschaftsvermögen abgewichen werden kann, und eine mittelbare Bereicherung der einzelnen Gesellschafter über eine wirtschaftliche Betrachtungsweise erbschaftsteuerlich faßbar ist.
186
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner 1. Rechtsprechung des BFH
Der BFH hat sich in letzter Zeit in drei Entscheidungen679 mit der Frage befaßt, wer bei einer unentgeltlichen Zuwendung an eine GmbH eine Bereicherung durch die Vermehrung seines Vermögens erfährt und damit als Erwerber i. S. des § 20 Abs. 1 ErbStG Schuldner der Erbschaftsteuer ist. Der BFH lehnt sich bei dieser Frage streng an die zivilrechtliche Rechtslage an. Unter Hinweis auf die eigene Vermögenszuständigkeit einer Kapitalgesellschaft als juristische Person wird nach Ansicht des Gerichts stets das Vermögen der Gesellschaft erhöht, die damit unmittelbar bereichert ist. Daß die Erhöhung des Vermögensbestands der Gesellschaft gleichzeitig als Reflex eine Werterhöhung der Anteile der Gesellschafter bewirkt, habe seinen Rechtsgrund lediglich in den entsprechenden Mitgliedschaftsrechten. Die reine Werterhöhung eines bereits besessenen Gegenstands erfülle aber keinen erbschaftsteuerpflichtigen Tatbestand und rechtfertige es nicht, die Gesellschafter als Erwerber i.S. des § 20 Abs. 1 ErbStG und damit als Steuerschuldner anzusehen680. Der BFH führt in seiner Entscheidung vom 25.10.1995 aus 681 : „... Es trifft zwar zu, daß der Wert der Geschäftsanteile wesentlich durch den Bestand des Gesellschaftsvermögens bestimmt wird, so daß eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens regelmäßig den Wert der Geschäftsanteile erhöht. Hieraus darf jedoch entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung [...] nicht gefordert werden, daß die unentgeltliche Zuwendung an eine GmbH insoweit bei den Gesellschaftern zu erfassen sei, als sie sich in der Erhöhung des Wertes ihrer Geschäftsanteile auswirke. Empfänger der einer GmbH gemachten Zuwendung ist, anders als bei der Gesamthandsgemeinschaft [...], die GmbH selbst, denn das Gesellschaftsvermögen ist Vermögen der GmbH. Sie ist Bedachte der Zuwendung 679
Vgl. BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, S. 160; vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454; vom 19.06.1996 - II 83/92 BStBl. II 1996, S. 616. Diese Entscheidungen des BFH befassen sich noch mit einem weiteren Aspekt von Zuwendungen in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft. Es sind dies Fallgestaltungen, in denen nicht seitens Dritter eine unentgeltliche Zuwendung an die Gesellschaft erfolgt, sondern einzelne Gesellschafter Zuwendungen tätigen, ohne hierzu unmittelbar (gesellschafts-)vertraglich verpflichtet zu sein (disquotale Gesellschafterleistungen). Bei derartigen Zuwendungstatbeständen stellt sich das bekannte Problem, ob die Gesellschaft als solche oder die jeweiligen Mitgesellschafter als bereichert im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes anzusehen sind. Daneben stellt sich die Frage, ob diese Zuwendungen per se entgeltlich erfolgen, das heißt, ob sie „donandi causa" oder „societatis causa" erfolgen, vgl. hierzu BMF vom 15.03.1997, BStBl. I 1997, S. 350; Bödecker, GmbHR 1997, S. 240; Gebel, DStR 1996, S. 685; ders., BB 1998, S. 510; ders. in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 182ff.; Hartmann, DB 1996, S. 2250; Hübner, DStR 1997, S. 897; KleinBlenkers, ZEV 1994, S. 347; Viskorf, DStR 1998, S. 150. 680 Vgl. Gebel, BB 1998, S. 510; Hübner, DStR 1997, S. 897 (898); Viskorf, DStR 1998, S. 150 (151 f.). 681 Siehe BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, S. 160 (161).
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und wird durch die Zuwendung als Inhaberin des Gesellschaftsvermögens (§ 13 Abs. 1, 2. Halbsatz, Abs. 2 GmbH-Gesetz) auf Kosten des Zuwendenden bereichert (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). ..." Diese Auffassung hat der BFH in der Anschlußentscheidung vom 17.04.1996 nochmals bestätigt. Der BFH führt aus 682 : „... Empfänger der einer GmbH gemachten Zuwendung ist die GmbH selbst, denn das Gesellschaftsvermögen ist Vermögen der GmbH. Sie wird durch die Zuwendung bereichert [...]. Unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden oder Erwerbe von Todes wegen, bei denen eine GmbH oder eine andere juristische Person Empfänger ist, sind daher erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich bei dieser und nicht etwa bei den Gesellschaftern zu erfassen. ..." 2. Stellungnahme Der Rechtsprechung des BFH zur erbschaftsteuerlichen Behandlung unentgeltlicher Leistungen in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft beziehungsweise Erwerbe von Todes wegen ist zuzustimmen683. Das Gericht nimmt nicht nur eine systematisch korrekte Auslegung des Erwerberbegriffs als originär steuerrechtliche Begrifflichkeit vor, es grenzt ihn zudem zutreffend nach zivilrechtlichen Vorgaben ein und berücksichtigt so die tragenden allgemeinen Besteuerungsgrundsätze des Erbschaftsteuergesetzes 684.
a) Erwerb und Bereicherung der Gesellschaft Die Kapitalgesellschaft ist aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit Trägerin von eigenen Rechten und Pflichten. Aufgrund dieser Rechtsfähigkeit bestehen für die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einem unentgeltlichen Erwerb von Vermögen durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden aus zivilrechtlicher Sicht keine Hindernisse. Aber auch ein Erwerb von Todes wegen ist möglich, da die Gesellschaft ein aktives Erbrecht besitzt und Mitglied an einer Erbengemeinschaft sein kann 6 8 5 . Die Gesellschaft ist Träger eigenen Vermögens, das von der Vermögenssphäre der Gesellschafter abgegrenzt ist 6 8 6 und dessen Bestandserhöhung zu einer unmittelbaren Bereicherung der Gesellschaft führt. 682
Siehe BFH vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454 (455 f.). So auch einheitlich die Literatur, vgl. insbesondere Hartmann, DB 1996, S. 2250 (2256); Gebel, BB 1998, S. 510ff.; Hübner, DStR 1997, S. 897 (898); Viskorf,; DStR 1998, S. 150 (153). 684 Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.III. 685 Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, § 1923 Rn. 7; Hopt/HehU Gesellschaftsrecht, Rn. 4; Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, § 1923 Rn. 25 ff.; Lutter/Hommelhojf, GmbHG, § 13 Rn. 2; Moench in: Moench, ErbStG, § 3 Rn. 9. 683
188
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
Aus erbschaftsteuerlicher Sicht führen unentgeltliche Zuflüsse in das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft zu einem steuerpflichtigen Erwerb der Gesellschaft nach §§ 3, 7 ErbStG, wenn sie auf einen Substanzübergang durch Rechtsträgerwechsel zurückzuführen sind und eine entsprechende Bereicherung der Gesellschaft eintritt. Dies qualifiziert die Gesellschaft als „Erwerber" und gleichzeitig als Steuerschuldner i.S. des § 20 Abs. 1 ErbStG, da auch die inhaltliche Eingrenzung des Begriffs des Erwerbers auf die Gesellschaft zutrifft 687 . Sie ist rechtsfähig, womit sie in ihrer Person formal wirksam einen Rechtsträgerwechsel vollziehen kann. Als Träger eigenen Vermögens fallen die hinzuerworbenen Vermögensgegenstände bereicherungserhöhend in ihr eigenes Gesellschaftsvermögen 688.
b) Rückgriff auf die Gesellschafter durch wirtschaftliche Betrachtungsweise? Die Erhöhung des Bestands des Gesellschaftsvermögens führt zu einer Wertsteigerung der Beteiligungen der jeweiligen Gesellschafter und damit indirekt zu einer Bereicherung. Diese mittelbare Bereicherung der Gesellschafter ist Ausgangspunkt der - namentlich von der Festlegung der Steuerklasse inspirierten - Überlegung, wonach bei Zuflüssen in das Gesellschaftsvermögen nicht die Kapitalgesellschaft als solche, sondern ihre Gesellschafter als Erwerber und gleichzeitig als Bereicherte angesehen werden könnten. Da sich der steuerpflichtige Vorgang i.S. der §§ 3, 7 ErbStG formal unmittelbar zwischen der Gesellschaft und dem Dritten (Zuwender) vollzieht, kann sich eine derartige Annahme nur nach einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Unterfall der teleologischen Auslegung rechtfertigen 689. Es ist jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des B F H 6 9 0 dogmatisch nicht möglich, im Einzelfall den Begriff des Erwerbers wirtschaftlich so auszulegen, daß auf das Erfordernis eines Substanzübergangs kraft Rechtsträgerwechsel verzichtet werden kann. Nur unter einem Verzicht auf dieses Kriterium ist es möglich, einen Durchgriff auf die nicht unmittelbar und formal am Erwerbsvorgang beteiligten Gesellschafter vor686
Vgl. Hopt/HehU Gesellschaftsrecht, Rn. 66; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 217; Wiesner in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 11 Rn. 4. 687 Vgl. Bödecker, GmbHR 1997, S. 240; Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 12, § 7 Rn. 186; Hartmann, DB 1996, S. 2250 (2252 f.). 688 Vgl. Gebel, BB 1998, S. 510. 689 Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.I., II. 690 Vgl. BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, S. 160; vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454.
C. Die Personengesellschaft
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zunehmen. Eine derartige teleologische Auslegung ist jedoch innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes nicht möglich, da sie sich in Widerspruch zu den tragenden Grundprinzipien der Erbschaftsbesteuerung setzt 691 . Denn das Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel und das Bereicherungsprinzip dienen gerade dazu, nur mittelbare Wertsteigerungen in der Vermögenssphäre Dritter (hier der Gesellschafter) von der Besteuerung auszunehmen 692 . I I I . Zwischenergebnis Unentgeltliche Zuwendungen an eine Kapitalgesellschaft führen zu steuerpflichtigen Erwerben von Todes wegen oder Schenkungen unter Lebenden. Da die Gesellschaft als solche eine formale Rechtsfähigkeit besitzt, ist sie nicht nur zivilrechtlich als Trägerin eigenen Vermögens als unmittelbarer Erwerber zu qualifizieren. Sie führt in ihrer Person einen Substanzübergang durch Rechtsträgerwechsel herbei, womit sich die Bereicherung in ihrer Vermögenssphäre niederschlägt. Die Kapitalgesellschaft ist somit auch erbschaftsteuerlich als Erwerber und damit als Steuerschuldner i.S. des § 20 Abs. 1 ErbStG anzusehen. Ein Durchgriff auf die einzelnen Gesellschafter verbietet sich, da diese lediglich als Reflex der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens eine Wertsteigerung ihrer Beteiligungen realisieren. Diese wirtschaftliche Bereicherung ist aber nicht auf einen Substanzübergang durch Rechtsträgerwechsel in ihrer Person zurückzuführen und damit erbschaftsteuerlich nicht zu erfassen.
C. Die Personengesellschaft als Erwerber und Steuerschuldner Eine differenziertere erbschaftsteuerliche Betrachtung ist bei Erwerbsvorgängen angezeigt, an denen nicht Kapital-, sondern Personengesellschaften als Gesamthandsgemeinschaften in der Rechtsform der GbR, der OHG beziehungsweise der KG unmittelbar beteiligt sind. Denn es wurde bereits mehrfach verdeutlicht, daß der Begriff des erbschaftsteuerlichen Erwerbers zwar eine steuerliche Begrifflichkeit darstellt, diese jedoch inhaltlich auf das Kriterium der formalen Rechtsfähigkeit festgelegt ist 6 9 3 . Aber gerade 691
B.II.4. 692
Vgl. zu den Grenzen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise 1. Kapitel,
Vgl. hierzu 2. Kapitel, A.III. 1., 2. Das Erfordernis der formalen (Teil-)Rechtsfähigkeit des Erwerbers hat seine Ursache vor allem in dem allgemeinen erbschaftsteuerlichen Besteuerungsprinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel, welchen ein Erwerber i.S. des 693
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5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
die zivilrechtliche Frage nach der Rechtsfähigkeit einer Personengesellschaft und die Frage nach dem Wesen einer Gesamthandsgemeinschaft im Hinblick auf die Vermögenszuordnung zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft gehören zu den umstrittensten Feldern der Zivilrechtswissenschaft 694. Wenn auch für den erbschaftsteuerlichen Begriff des Erwerbers keine unmittelbare Maßgeblichkeit des Zivilrechts infolge einer strukturellen Abhängigkeit besteht, so betreffen die formalen Kriterien der Rechtsfähigkeit und die Trägerschaft eigenen Vermögens ebenfalls Kembereiche der Erbschaftsbesteuerung. Wenn diese Qualifikationsmerkmale aber bereits zivilrechtlich ungeklärt und umstritten sind, zwingt die Auseinandersetzung mit der erbschaftsteuerlichen Erwerbereigenschaft von Personengesellschaften um so mehr eine dogmatische Argumentation um die exakte Reichweite der Abhängigkeit des Erbschaftsteuergesetzes von zivilrechtlichen Regelungskreisen auf.
I. Zivilrechtliche Ausgangslage 1. Rechtsfähigkeit und Gesellschaftsvermögen der Gesamthandsgemeinschaften „Ist die Gesamthand ein Sondervermögen der Gesamthänder, oder ist sie selbst Rechtsträger?" 695 Mit dieser Frage bringt Schmidt die lange umstrittene und noch immer nicht abgeschlossene Diskussion innerhalb der Gesamthandslehre auf den Punkt. Eine Auseinandersetzung mit der Dogmatik und dem Wesen der Gesamthand muß sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen 696: - Tritt bei einem Handeln einer Gesellschaft im Außenverhältnis die Gesamthand als solche, oder treten die Gesamthänder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit auf? - Ist es aufgrund einer Handlungsfähigkeit der Gesamthand im Außenverhältnis möglich, der Gesamthand ein Gesellschaftsvermögen zuzuordnen, oder gehört es den Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit? Je nach Antwort auf die erste Frage entscheidet sich die Frage nach einem eigenen Vermögen der Gesellschaft: Wenn eine Gesellschaft als solche im Rechtsverkehr nach außen auftreten kann, ist sie ein Rechtssubjekt, dem als Träger von eigenen Rechten und Pflichten das Gesamthandsvermögen zuzuordnen ist 6 9 7 . § 20 ErbStG innerhalb eines steuerpflichtigen Erwerbs in eigener Person verwirklicht haben muß. Vgl. hierzu auch 2. Kapitel, A.III.2. 694 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 168 ff. 695 Siehe Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 168. 696 Vgl. auch Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 25 Rn. 561.
C. Die Personengesellschaft
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a) Grundzüge der Gesamthandslehre aa) Traditionelle Gesamthandslehre Nach der traditionellen Gesamthandslehre sind die Gesamthänder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Rechtsträger des Vermögens, das dem Gesellschaftszweck gewidmet ist 6 9 8 . Dogmatischer Ansatzpunkt dieser Lehre sind nicht die Vermögensbestandteile als solche, sondern die einzelnen Mitglieder in ihrem personalistischen Verbund. Der Zusammenschluß mehrerer Personen zu einer Gesamthand führt weder zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft, noch zu einer Verselbständigung des Vermögens, das die Mitglieder der Gesamthand und damit einem bestimmten gemeinsamen Zweck gewidmet haben. Das Gesamthandsvermögen bildet demnach lediglich ein Sondervermögen der Gesellschafter, das nach § 719 Abs. 1 BGB der Verfügung der einzelnen Gesamthänder entzogen ist. Die Gesamthand besitzt somit keine Rechtssubjekteigenschaft, da Träger sämtlicher Rechte und Pflichten - auch der vermögensrechtlichen - die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit sind . Dieser Grundsatz gilt für die GbR. Eine Ausnahme besteht für die OHG beziehungsweise KG, deren (Teil-) Rechtsfähigkeit in § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB ausdrücklich normiert ist.
bb) Moderne Gesamthandslehre Die moderne Gesamthandslehre nimmt hingegen eine Rechtssubjektivität der Gesamthand an und ordnet der Gesellschaft demnach ein eigenes Gesellschaftsvermögen z u 7 0 0 . Der Zusammenschluß mehrerer Personen führt zu einem Personenverbund, der geschlossen und einheitlich, wenn auch gesamthänderisch gebunden, nach außen hin auftreten kann. Dieses gesamthänderische Auftreten im Außenverhältnis hat zur Folge, daß die Gesamthand als solche berechtigt und verpflichtet werden kann. Wenn sie damit eine Rechtsträgereigenschaft besitzt, ist die Gesamthand auch Träger eigenen Gesellschaftsvermögens, ohne gleichzeitig eine juristische Person sein zu müssen. 697 Vgl. Gummen in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 9 Rn. 19; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 169. 698 Vgl. Buchner, AcP 169, S. 483ff.; Hopt/Hehl, Gesellschaftsrecht, Rn. 6, 65; wohl auch v. Falkenhausen in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 18 Rn. 2. 699 Vgl. v. Falkenhausen in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 18 Rn. 2 f. 700 V g l F i u m e ? Z H R 1 3 6 > s 177 ff #; Gummen in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 9 Rn. 8; Habersack, JuS 1990, S. 179 (180ff.); Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 170.
192
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner b) Die einzelnen Gesellschaftsformen
nach den Gesamthandslehren
aa) GbR § 718 BGB regelt die sachenrechtliche Figur des „Gesamthandsvermögens". Es werden die Gegenstände, die der Förderung des Gesellschaftszwecks dienen, dinglich einem Sondervermögen (Gesellschaftsvermögen) zugeordnet 701. Nach der traditionellen Gesamthandslehre ist Inhaber des Gesamthandsvermögens jedoch nicht die GbR als Gesellschaft, sondern es sind dies die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Die zusammengeschlossenen Gesellschafter sind eine von den jeweiligen Gesellschaftern als Individuen zu trennende Personengruppe. Dieser Personenverbund kann aber nicht als eigenes Rechtssubjekt nach außen hin auftreten, womit auch im Innenverhältnis das „Gesellschaftsvermögen" allen Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zugeordnet werden muß 7 0 2 . Nach der modernen Gesamthandslehre kann auch die GbR Träger von Rechten und Pflichten und damit des Gesellschaftsvermögens sein (Teilrechtsfähigkeit) 703. Die Zusammenfassung des Gesellschafts Vermögens zu einem Sondervermögen dient dem Ziel, den sachenrechtlichen Bestand des Vermögens, das dem Gesellschaftszweck gewidmet ist, vom personellen Bestand der Gesellschafter zu lösen 704 . Wie § 719 Abs. 1 BGB klarstellt, bewirkt die Rechtszuständigkeit der Gesellschaft für das Gesellschaftsvermögen, daß den einzelnen Gesellschaftern weder ein Anteil an einzelnen Bestandteilen, noch am gesamten Gesellschaftsvermögen zusteht. Die Mitglieder der Gesamthand sind letztlich über ihre Mitgliedschaftsrechte am Gesellschafts vermögen beteiligt 705 . Zwar ist der reine Gesetzes Wortlaut nicht eindeutig, die Anhänger der modernen Gesamthandslehre können sich aber auf die Rechtsauffassung des B G H 7 0 6 stützen, der in seiner Entscheidung vom 04.11.1991 707 ausgeführt hat: 701
Vgl. Sprau in: Palandt, BGB, § 718 Rn. 1; Ulmer in: Münchner Kommentar, BGB, Band 5, § 718 Rn. 2. 702 Vgl. zum Meinungsstand insbesondere Kraft /Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 84 f. 703 Vgl. Gummert in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 9 Rn. 19; Ulmer in: Münchner Kommentar, BGB, Band 5, § 705 Rn. 130ff.; Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 25 Rn. 562. 704 Vgl. Gummert in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 9 Rn. 23; Ulmer in: Münchner Kommentar, BGB, Band 5, § 718 Rn. 4. 705 Vgl. Gummert in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 9 Rn. 19; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 85 f. 706 Vgl. BGH vom 03.11.1980 - II ZB 1/79 - BGHZ 78, S. 311 (313 ff.); vom 13.04.1992 - II ZR 277/90 - BGHZ 118, S. 83 (99).
C. Die Personengesellschaft
193
„... Als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter kann die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach heutiger Auffassung als Teilnehmer am Rechtsverkehr grundsätzlich, d.h. soweit nicht spezielle rechtliche Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen. [...] Auch ihre grundsätzliche Fähigkeit, Gesellschafter einer juristischen Person zu sein, steht heute nicht mehr in Frage. ..." bb) OHG und KG Nach § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer OHG beziehungsweise KG Träger von Rechten und Pflichten. Sie ist damit nach der herrschenden Meinung kraft Gesetzes Rechtsträgerin, ohne gleichzeitig eine juristische Person sein zu müssen 708 . Die Gesamthand ist vielmehr ein eigenes Rechtssubjekt709. Angesichts der modernen Gesamthandslehre, die eine Gesamthandsgemeinschaft per se für rechtsfähig hält, ist die gesetzliche Anerkennung einer Rechtsträgereigenschaft der OHG und KG durch § 124 Abs. 1 HGB lediglich deklaratorisch und daher überflüssig 710. Aufgrund ihrer Rechtsträgereigenschaft kann die OHG beziehungsweise KG nach § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB eigenes Eigentum erwerben, womit die Gesellschaft auch im Innenverhältnis gegenüber den Gesellschaftern Träger des Gesellschafts Vermögens ist 7 1 1 . Einzelne Gegenstände des gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögens sind der Verfügung durch die Gesellschafter entzogen. Vermögensgegenstände, die sich im Eigentum der Gesellschaft befinden, können nur durch ein eigenständiges Verfügungsgeschäft in das Vermögen eines Gesellschafters und vice versa überführt werden 712 . Neben dem Vermögen der Gesellschaft bestehen die Anteile der Gesellschafter an der Gesamthand. Diese befinden sich im Vermögen des jeweiligen Gesellschafters 707
Siehe BGH vom 04.11.1991 - II ZB 10/91 - BGHZ 116, S. 86 (88). Vgl. BGH vom 02.07.1973 - II ZR 94/71 - JZ 1975, S. 178 (179); Baumbach/Hopu HGB, § 124 Rn. 2; Hüffen AcP 184, S. 584 (589); Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, §124 Rn. 1; ders. y Gesellschaftsrecht, S. 1123; Ulmer in: Großkommentar zum HGB, § 105 Rn. 41; Neubauer in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 61 Rn. 6f.; Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 25 Rn. 561. 709 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1123. 710 Vgl. Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band I I I / l . Halbband, § 124 Rn. 1 m.w.N. 7,1 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1124; Ulmer in: Großkommentar zum HGB, § 105 Rn. 293. 712 Vgl. Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band I I I / l . Halbband, § 124 Rn. 11; v. Falkenhausen in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 18 Rn. 16 f. 708
13 Kobor
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5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
und sind nicht gesamthänderisch gebunden713. Die Anteile können demnach rechtsgeschäftlich auf Dritte übertragen werden und sind grundsätzlich vererbbar 714. 2. Aktives Erbrecht der Personengesellschaften Da die OHG und KG Träger von Rechten und Pflichten sind und im Rechtsverkehr als Einheit auftreten, können sie nicht nur rechtsgeschäftlich Eigentum oder Vermögen erwerben. Diese Gesellschaften sind zudem aktiv erbfähig, womit sie als testamentarische Erben eingesetzt werden können 715 . Geht aufgrund einer Verfügung von Todes wegen nach §§ 1922 ff. BGB Vermögen auf die jeweilige Gesellschaft über, erwerben die Nachlaßgegenstände nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern die Gesellschaft als Rechts- und Vermögensträger 716. Nach einer im Vordringen befindlichen Meinung in Anlehnung an die moderne Gesamthandslehre wird auch ein aktives Erbrecht einer GbR als Ausfluß deren Teilrechtsfähigkeit bejaht 717 . Konsequenterweise erlangt in diesem Fall die GbR entweder die Stellung als Alleinerbin oder wird Mitglied einer Erbengemeinschaft. Dies hat zur Folge, daß die vererbten oder auseinandergesetzen Nachlaßgegenstände ebenfalls nicht in das Vermögen der einzelnen Gesellschafter der GbR, sondern in das Gesellschaftsvermögen fallen 718 .
II. Personengesellschaften als erbschaftsteuerliche Erwerber Ob bei einer Zuwendung an eine Personengesellschaft die Gesellschaft als solche oder die einzelnen Gesellschafter erwerben, bereichert sind und 713
Vgl. Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, § 124 Rn. 11. Vgl. hierzu 4. Kapitel, A.I., II. 7,5 Vgl. Edenhofer in: Palandt, BGB, § 1923 Rn. 7; Hopt/HehU Gesellschaftsrecht, Rn. 85; Schmidt in: Schlegelberger, HGB, Band III/1. Halbband, §124 Rn. 14; Westermann in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I § 25 Rn. 573. 716 Vgl. Leipold in: Münchner Kommentar, BGB, Band 9, § 1923 Rn. 29. 717 Vgl. BFH vom 07.12.1988 - H R 150/85 - BStBl. II 1989, S. 237f.; Gummen in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 9 Rn. 33, 58; Moench in: Moench, ErbStG, § 3 Rn. 9. Nach der anderen Ansicht - geprägt von der traditionellen Gesamthandslehre - wird die Erbfähigkeit der GbR mit dem Argument verneint, daß die erbrechtlichen Regelungen zwar auf einzelne natürliche wie juristische Personen anwendbar seien, nicht jedoch auf Personengruppen, vgl. hierzu Gummen in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 9 Rn. 33; Hopt/Hehl, Gesellschaftsrecht, Rn. 85; Keßler in: Staudinger, BGB, § 718 Rn. 6. 718 Vgl. hierzu Habersack, JuS 1990, S. 179 (184); Ulmer in: Münchner Kommentar, BGB, Band 5, § 718 Rn. 18. 714
C. Die Personengesellschaft
195
damit als Erwerber i.S. des § 20 Abs. 1 ErbStG gelten, ist wiederum eine Frage der Auslegung des Erwerberbegriffs. Die Auslegung dieser erbschaftsteuerlichen Begrifflichkeit 719 ist inhaltlich auf das Erfordernis der formalen (Teil-)Rechtsfähigkeit beschränkt. Diese Begriffsbeschränkung richtet sich nach dem Gesellschaftsrecht und ist erforderlich, um den allgemeinen Besteuerungsprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes Rechnung zu tragen. Aber gerade die Frage, welche Typen von Personengesellschaften eine (Teil-)Rechtsfähigkeit besitzen und welchen Gesellschaften eigenes „Gesellschaftsvermögen" zuzurechnen ist, ist zivilrechtlich umstritten und wird nur von der modernen Gesamthandslehre durchweg positiv beantwortet 720. Die entsprechenden Ausführungen haben sich hier bewußt einer abschließenden Entscheidung für oder gegen eine der vertretenen Gesamthandslehren enthalten und sich im wesentlichen auf die Darstellung des Inhalts und der Auswirkungen der einzelnen Lehren beschränkt. Daher soll im folgenden die Rechtsprechung des BFH zur erbschaftsteuerlichen Erwerbereigenschaft von Personengesellschaften nur insofern auf ihre dogmatisch korrekte Herleitung untersucht werden, als das Gericht in seiner jüngsten Entscheidung721 wohl der modernen Gesamthandslehre anhängt, aber dennoch einen Durchgriff auf die einzelnen Gesamthänder (Gesellschafter) vornimmt und diese als Erwerber, gleichzeitig Bereicherte und damit als Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG ansieht. 1. Rechtsprechung des BFH Das Problem, daß der Begriff des Erwerbers einerseits eine originär erbschaftsteuerliche Begrifflichkeit ist, die andererseits aber durch formal zu bewertende, zivilrechtliche Kriterien eingeschränkt ist, spiegelt sich auch in der einschlägigen Rechtsprechung des BFH wider 722 . Denn hinsichtlich der erbschaftsteuerlichen Erwerbereigenschaft einer Personengesellschaft kann nicht von einer fortentwickelten und mittlerweile gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gesprochen werden, wobei naturgemäß die noch nicht abgeschlossene zivilrechtliche Diskussion um die traditionelle oder die moderne Gesamthandslehre ihren Beitrag leistet 723 . 719 Gl. A. Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367 (369). Vgl. hierzu auch 5. Kapitel, A.III.2.b). 720 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1124; Ulmer in: Großkommentar zum HGB, § 105 Rn. 293. 721 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82f.). 722 Vgl. BFH vom 22.06.1960 - II 256/57 U - BStBl. III 1960, S. 358; vom 07.12.1988 - H R 150/85 - BStBl. II 1989, S. 237; vom 14.09.1994 - H R 95/92 BStBl. II 1995, S. 81. 723 In der Literatur wird daher auch der pragmatische Versuch unternommen, sich über dogmatische Vorgaben hinwegzusetzen und den erbschaftsteuerlichen Erwerberbegriff angesichts des Stands der zivilrechtlichen Gesamthandsdiskussion rein 13*
196
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
In seinen drei maßgeblichen Entscheidungen hat der BFH daher auch zwei vollständige Kehrtwendungen unternommen, wobei die Analyse der jeweiligen Entscheidungsgründe allerdings zeigt, daß der BFH noch keine einheitliche Linie gefunden hat, nach welcher er den Einfluß des Zivilrechts auf das Erbschaftsteuerrecht bemißt 724 . Anders läßt es sich nicht deuten, wenn die erbschaftsteuerliche Erwerbereigenschaft einer Personengesellschaft unter Zugrundelegung zivilrechtlicher Argumente und Wertungsmuster zunächst abgelehnt, dann bejaht und anschließend innerhalb einer steuerlich geführten Scheinargumentation erneut abgelehnt wird. a) BFH vom 07.12.1988 (BStBl. II 1989, S. 237) Der BFH vertrat ursprünglich in der Entscheidung vom 22.06.i960 7 2 5 noch in Anlehnung an die Rechtsprechung des R F H 7 2 6 die Auffassung, „daß bei Schenkungen im Namen der OHG nicht die Gesellschaft als Schenkerin anzusehen ist, sondern daß die Gesellschafter als Schenker gelten". Mit der Entscheidung vom 07.12.1988 727 gab er diese Ansicht jedoch auf. Er rückte verstärkt die Personengesellschaft als zivilrechtlich verselbständigte Gesamthandsgemeinschaft in den Mittelpunkt und qualifizierte die Gesellschaft als solche als „Erwerber" i.S. des Erbschaftsteuergesetzes: „... Zivil- und handelsrechtlich kann die Gesamthandsgemeinschaft von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden »erwerben4. Dies ergibt sich für die OHG und KG aus den §§ 124, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB), für die GbR aus § 719 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Die Gesamthandsgemeinschaft kann danach in eigener Rechtszuständigkeit Rechte erwerben und übertragen [...]. Das Vermögen der Gesamthand ist im Verhältnis zu den Gesamthändern wie gegenüber Dritten verselbständigt. [...] Zivil- und handelsrechtliche Grundsätze müssen hier insbesondere deswegen zur Auslegung herangezogen werden, weil die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer grundsätzlich an die bürgerlich-rechtliche Gestaltungsform anknüpft. [...] Daß mittelbar wirtschaftlich die Gesamthänder hinsichtlich des Gesamthandsvermögens bereichert sind, spielt insoweit keine Rolle. .. . " 7 2 8 Der BFH hat in dieser Entscheidung darauf abgestellt, daß zumindest die OHG und die KG zivil- und handelsrechtlich aufgrund der Teilrechtsfähigkeit nach § 124 Abs. 1 HGB Träger von Rechten und Pflichten sein könnnach steuerlichen Gesichtspunkten auszulegen, vgl. Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367 ( 369 f.) 724 Es bleibt abzuwarten, ob der BFH die nunmehr vertretene Auffassung bestätigt, fortentwickelt oder erneut aufgibt, vgl. hierzu Meincke, JZ 1995, S. 1075 (1076); Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 449. 725 Vgl. BFH vom 22.06.1960 - II 256/57 U - BStBl. III 1960, S. 358 f. 726 Vgl. RFH vom 12.06.1928 - Ve A 242/28 - Slg. Bd. 23, S. 282. 727 Vgl. BFH vom 07.12.1988 - H R 150/85 - BStBl. II 1989, S. 237. 728 Siehe BFH vom 07.12.1988 - H R 150/85 - BStBl. II 1989, S. 237 (238f.).
C. Die Personengesellschaft
197
ten. Für eine GbR folge dies aus § 719 B G B 7 2 9 . Auch sie sei damit in der Lage, als Gesamthand im Außenverhältnis Vermögen im Wege eines Erwerbs von Todes wegen oder durch eine Schenkung unter Lebenden zu erwerben. Ein Durchgriff durch die Gesellschaft auf die einzelnen Gesellschafter wird vom BFH abgelehnt730, denn das Vermögen der Gesellschaft sei im Verhältnis zu den Gesamthändern rechtlich verselbständigt 731. b) BFH vom 14.09.1994 (BStBl. II 1995, S. 81) Der BFH hat mit der Entscheidung vom 14.09.1994 732 erneut eine Wende seiner Rechtsprechung eingeleitet und bei freigebigen Zuwendungen an eine Personengesellschaft nicht die Gesamthandsgemeinschaft als solche als bereichert angesehen, sondern die jeweiligen Gesellschafter: „... Soweit das Ergebnis des Erwerbs, d.h. die Bereicherung des Bedachten, der Steuer unterliegt, folgt daraus, daß sich die Frage, wer schenkungsteuerrechtlich als Erwerber durch den Vermögensübergang bereichert ist, nicht (allein) danach richten kann, wer als Beschenkter am zivilrechtlichen Schenkungsvorgang beteiligt ist. Vielmehr bedarf es einer eigenständigen schenkungsteuerrechtlichen Prüfung, wer als Bedachter (Erwerber) durch die freigebige Zuwendung auf Kosten des Zuwendenden bereichert wurde. Ist die Gesamthandsgemeinschaft (OHG, KG oder GbR) zivilrechtlich als Beschenkte am Schenkungsvorgang beteiligt, ergibt diese eigenständige Prüfung, daß nicht die Gesamthand, sondern die Gesamthänder durch die freigebige Zuwendung schenkungsteuerrechtlich als bereichert anzusehen sind. Dies folgt aus der Regelung des § 718 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wonach das Gesellschaftsvermögen gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter, und nicht etwa Vermögen der Gesellschaft ist. [...] Fällt deshalb einer Gesamthandsgemeinschaft durch Erbanfall oder Schenkung Vermögen zu, sind unabhängig von der Frage, ob zivilrechtlich ggf. die Gesamthand Erbin oder Beschenkte ist, für die Erbschaft- und Schenkungsteuer die Gesamthänder als vermögensmäßig bereichert anzusehen. Erwerber und damit Steuerschuldner i.S. von § 20 ErbStG 1974 sind in einem solchen Fall nicht die Gesamthand, sondern die Gesamthänder. .. " 7 3 3 Ohne es ausdrücklich auszusprechen, beurteilt der BFH die Frage nach dem schenkungsteuerlichen Erwerber bei der Beteiligung einer Gesamthand nicht mehr daran, wer im Außenverhältnis nach zivilrechtlichen Grundsätzen Beteiligter an dem Rechtsgeschäft ist, welches einen Rechtsträgerwechsel zur Folge hat. Es wird der Versuch unternommen, losgelöst von der Gesamthandsdiskussion eine rein steuerlich geführte Argumentation 729 Vgl. zur Kritik hinsichtlich der zivilrechtlichen Qualifikation einer GbR Pietsch, UVR 1990, S. 146 (148). 730 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 20 Rn. 1.1. 731 Vgl. Hollatz, DStR 1995, S. 589 (590). 732 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81. 733 Siehe BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82f.).
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5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
aufzuziehen, die allerdings mit einem Rückgriff auf § 718 BGB darauf abstellt, wem nach zivilrechtlichen Grundsätzen die Vermögensmehrung im Innenverhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter tatsächlich zuzurechnen ist 7 3 4 . 2. Stellungnahme In der Literatur wird die jüngste Entscheidung des BFH beispielsweise von Gebel 135 dahingehend interpretiert, das Gericht habe einen Schwenk zurück zur traditionellen Gesamthandslehre vollzogen, wonach Träger des Gesellschaftsvermögens in jedem Fall die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit sind. Diese Kritik ist jedoch nicht berechtigt, da sich der BFH einer abschließenden Entscheidung zwischen den beiden Gesamthandslehren ausdrücklich enthält. Zu kritisieren ist vielmehr, daß der BFH in seiner letzten Entscheidung vom 14.09.1994 736 mit dem Durchgriff auf die einzelnen Gesellschafter keine dogmatisch korrekte, am methodologischen Ansatz, den Vorgaben des BVerfG und dem allgemeinen Auslegungsrahmen für das Erbschaftsteuergesetz orientierte Auslegung des Erwerberbegriffs vornimmt 737 . Es ist zu vermuten, daß sich das Gericht bei seiner Entscheidung maßgeblich von der Frage nach der Steuerklasse leiten ließ, sofern eine Personengesellschaft an einem Erwerbsvorgang beteiligt ist 7 3 8 . Wenn die Gesellschaft (Gesamthand) als Erwerber angesehen wird, erfolgt gemäß § 15 ErbStG eine Besteuerung nach der (ungünstigsten) Steuerklasse III 3 9 , außer die Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG kommt bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen zum Zuge. Werden aber die einzelnen Gesamthänder als Erwerber qualifiziert, so entscheidet sich die Frage zwischen den Steuerklassen I bis III nach dem persönlichen Verwandtschaftsverhältnis des einzelnen Gesellschafters zur Person des Zuwenders. Die Einzelfallentscheidung des BFH mag ihre Rechtfertigung aus einem billigen Ergebnis für die Parteien im Einzelfall erhalten. An dieser Stelle soll allerdings das Augenmerk allein auf die dogmatisch konsequente Herleitung des Tenors der Entscheidung über die angeführten Entscheidungsgründe gerichtet werden. 734 Vgl. Hollatz, DStR 1995, S. 589 (590). Wenn der BFH entscheidend auf §718 BGB abstellt, der das Verhältnis der Gesellschafter einer Personengesellschaft zum „Gesellschaftsvermögen" im Innenverhältnis regelt, kann somit keine Rede mehr davon sein, daß das Gericht - in seinen Worten - „eine eigenständige schenkungsteuerliche Beurteilung" vornimmt, vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 BStBl. II 1995, S. 81 (82); kritisch auch Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367; Hartmann, DB 1996, S. 2250 (2254). 735 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 12, 265, § 7 Rn. 185. 736 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82). 737 Vgl. hierzu auch 1. Kapitel, B.II.l. 738 Vgl. Meincke, JZ 1995, S. 1075 (1076). 739 Vgl. Kapp/Ebeling, ErbStG, § 15 Rn. 56; Moench in: Moench, ErbStG, § 15 Rn. 38; Troll in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 15 Rn. 25 f.
C. Die Personengesellschaft
199
a) Auswirkungen der Gesamthandslehren auf die Auslegung Wenn der erbschaftsteuerliche Begriff des Erwerbers inhaltlich und gemessen an den allgemeinen Besteuerungsprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes auf das Erfordernis der formalen Teilrechtsfähigkeit beschränkt ist, so ist innerhalb der Auslegung des Erwerberbegriffs eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Gesamthandslehren unumgänglich. Denn die Frage, ob eine Personengesellschaft in eigener Person innerhalb eines steuerpflichtigen Erwerbs einen wirksamen Rechtsträgerwechsel herbeiführen kann, ist eine Ausgangsüberlegung, die sich allein nach einer bürgerlich-rechtlichen Betrachtungsweise ergeben kann 7 4 0 . Daß von dem Rechtsanwender der jeweiligen erbschaftsteuerlichen Norm in dieser Frage angesichts des Stands der zivilrechtlichen Gesamthandsdiskussion nicht auf eine gefestigte oder „ganz herrschende Meinung" zurückgegriffen werden kann, verdeutlicht erneut die Schwierigkeiten bei der Auslegung erbschaftsteuerlicher Normbegriffe. Das Erbschaftsteuergesetz besitzt seinem Wesen nach partielle Abhängigkeiten vom Zivilrecht, womit eine unklare bürgerlich-rechtliche Gesetzeslage konsequenterweise auch die erbschaftsteuerliche Rechts- und Wertungslage beeinflußt 741. Die Frage Für und Wider eine der Gesamthandslehren kann aus einem erbschaftsteuerlichen Blickwinkel nicht entschieden werden. Das Ergebnis einer Subsumtion der Personengesellschaft unter den erbschaftsteuerlichen Erwerberbegriff hängt somit von dem zivilrechtlichen Vorverständnis ab, mit dem der Rechtsanwender an die Auslegung des erbschaftsteuerlichen Erwerberbegriffs herangeht. Mit anderen Worten: Je nach Entscheidung für oder gegen eine der Gesamthandslehren beantwortet sich die Frage nach der erbschaftsteuerlichen Erwerbereigenschaft von Personengesellschaf-
740
Bei der Qualifikation einer Kapitalgesellschaft als erbschaftsteuerlicher Erwerber nimmt der BFH demgegenüber konsequent diese Überlegung zum Ausgangspunkt. Er argumentiert bei der Auslegung des Begriffs letztlich mit formalen bürgerlich-rechtlichen Wertungen, die einerseits auf die Rechtsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft abstellen, andererseits die Vermögenszuordnung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter regeln, vgl. BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, S. 160 (161); vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454 (455 f.). Vgl. hierzu auch 5. Kapitel, B.II.l. 741 Vgl. Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367 (369 f). 742 Vgl. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 12, 265, § 7 Rn. 185; Hollatz, DStR 1995, S. 589 (591); unklar Meincke, JZ 1995, S. 1075.
200
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner aa) Traditionelle Gesamthandslehre
Beurteilt man innerhalb einer erbschaftsteuerlichen Auslegung des Erwerberbegriffs für den Fall einer Personengesellschaft die inhaltliche Begrenzung der Begrifflichkeit auf das Erfordernis der Rechtsfähigkeit unter Heranziehung der traditionellen Gesamthandslehre743, gilt für die einzelnen Gesamthandsgemeinschaften folgendes: Die GbR als eigene Gesellschaft und damit als eigenständiges Rechtsgebilde ist zivilrechtlich nicht existent. In Erscheinung treten vielmehr die Gesamthänder als Personenverbund in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit 744 . Nur sie verwirklichen einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen oder eine Schenkung unter Lebenden nach §§ 3, 7 ErbStG. Die entsprechende Bereicherung schlägt sich durch den Zufluß von Vermögenssubstanz in ihrem gesamthänderischen Sondervermögen nieder 745 , womit die einzelnen Gesellschafter quotal als Erwerber und damit als Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG anzusehen sind. Eine OHG beziehungsweise KG ist kraft Gesetzes nach § 124 Abs. 1, §161 Abs. 2 HGB rechtsfähig und ist im Außenverhältnis Träger des Gesellschaftsvermögens 746. Im Rahmen einer unentgeltlichen Zuwendung in das Gesellschaftsvermögen verwirklicht damit die Gesellschaft einen entsprechenden erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb, denn die Bereicherung schlägt sich in ihrer Vermögenssphäre nieder, was sie als Erwerber und Steuerschuldner i. S. des § 20 Abs. 1 ErbStG qualifiziert. bb) Moderne Gesamthandslehre Folgt man hingegen der modernen Gesamthandslehre747, so sind bei steuerpflichtigen Erwerben, die von einer Personengesellschaft verwirklicht werden, in jedem Fall die jeweiligen Gesellschaften als Erwerber anzusehen 7 4 8 . Die Gesellschaft (GbR, OHG und KG) führt als solche aufgrund ihrer (Teil-)Rechtsfähigkeit nicht nur den erforderlichen, formalen Rechtsträgerwechsel anläßlich des Substanzübergangs herbei. Sie ist auch Träger des Gesellschaftsvermögens, womit sich eine Bereicherung in ihrer Vermögenssphäre niederschlägt, die von dem Vermögen der Gesellschafter abge743
Vgl. hierzu 5. Kapitel, C.I.l.a)aa). Vgl. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 84f. 745 Vgl. Sprau in: Palandt, BGB, § 718 Rn. 1; Ulmer in: Münchner Kommentar, BGB, Band 5, § 718 Rn. 2. 746 Vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1124; Ulmer in: Großkommentar zum HGB, § 105 Rn. 293. 747 Vgl. 5. Kapitel, C.I.l.a)bb). 748 Vgl. Hollatz, DStR 1995, S. 589 (591); Kapp/Ebeling, ErbStG, § 20 Rn. 1.1. 744
C. Die Personengesellschaft
201
schirmt ist 7 4 9 . Erwerber innerhalb eines steuerpflichtigen Tatbestands nach §§ 3, 7 ErbStG, gleichzeitig bereichert und damit Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG ist somit die Gesellschaft als solche. b) Argumentationsmuster
des BFH
Ausgangspunkt der Argumentation des BFH in seiner letzten Entscheidung 7 5 0 ist zutreffend die Feststellung, wonach es sich bei dem Begriff des Erwerbers um einen erbschaftsteuerlichen Begriff handelt 751 . Das Gericht verneint einen Einfluß des Zivilrechts und damit die inhaltliche Beschränkung des Begriffs „Erwerber" durch die Besteuerungsprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes, um im folgenden innerhalb der - wie das Gericht es nennt - steuerlichen Auslegung des Begriffs über die zivilrechtlichen Normen §§ 718 f. BGB zu begründen, warum letztlich unabhängig von der jeweiligen Gesamthandslehre die Gesellschafter als Erwerber und damit Bereicherte anzusehen sind. Es ist aber unschlüssig, eine rein steuerliche Auslegung anzukünden, um im folgenden wesentlich mit einer formalen bürgerlich-rechtlichen Zurechnungsnorm zu argumentieren 752. Die Argumentation des BFH ist damit nichts anderes als der Versuch, den Begriff des erbschaftsteuerlichen Erwerbers teleologisch nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Auffällig ist aber, daß das Gericht gerade keine rein steuerlich motivierte Ermittlung des Bedeutungsgehalts unabhängig von formalen zivilrechtlich Wertungen vornimmt, sondern diese gerade zu steuerlichen Argumentationszwecken heranzieht, um sich über das allgemeine Besteuerungsprinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel in der Person des Erwerbers hinwegzusetzen. c) Gesellschafter
als Erwerber
durch wirtschaftliche
Betrachtungsweise?
Wie bereits mehrfach dargestellt, greift die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Unterfall einer teleologischen Auslegung eines Steuergesetzes überall dort, wo unter Beachtung des Zwecks eines Steuergesetzes ein Abweichen von formalen zivilrechtlich vorgeprägten Bedeutungsgehalten einer steuerlichen Norm beziehungsweise Begrifflichkeit angezeigt ist 7 5 3 . Es muß nach dem Gesetzeszweck möglich sein, den wirtschaftlichen Erfolg 749
Ähnlich Sprau in: Palandt, BGB, § 718 Rn. 1; Ulmer in: Münchner Kommentar, BGB, Band 5, § 718 Rn. 2. 750 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82). 751 Vgl. hierzu 5. Kapitel, A.III.2.b). 752 Kritisch auch Daragan (Wohlschlegel), ZEV 1998, S. 367; Hartmann, DStR 1996, S. 2250 (2254). 753 Vgl. Gersch in: Klein, AO, § 4 Tz. 6, 7.e); Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 65.
202
5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner
eines Handelns steuerlich zu erfassen, unabhängig von der zivilrechtlichen Gestaltung, in die die Steuersubjekte den Sachverhalt gefaßt haben 754 .
aa) Wirtschaftliche Betrachtung des Begriffs „Erwerber" Wie bereits bei der Diskussion um die Erwerbereigenschaft von Kapitalgesellschaften festgestellt wurde, ist es unter dogmatischen Gesichtspunkten nicht möglich, den Erwerberbegriff so auszulegen, daß für die Person des Erwerbers und damit gleichzeitig Bereicherten auf die inhaltlichen Determinante des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel in der Person des Erwerbers verzichtet werden kann 7 5 5 . Eben dieses formale Argumentationsmuster wendet der BFH bei seiner Beurteilung der Erwerbereigenschaft von Kapitalgesellschaften an, wenn er die Steuerpflicht der einzelnen Gesellschafter mit dem Argument ablehnt, deren nur reflexive Bereicherung durch eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens sei erbschaftsteuerlich nach allgemeinen Besteuerungsprinzipien nicht zu erfassen 756. Ein dogmatischer Grund, der ein Abweichen von dieser Beurteilung für Kapitalgesellschaften und die Verletzung eines allgemeinen Besteuerungsprinzips der Erbschaftsteuer für den Fall von Personengesellschaften rechtfertigt, ist nicht ersichtlich 7 5 7 . bb) Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO In der Literatur wird der Versuch unternommen, den erbschaftsteuerlichen Durchgriff auf die Gesellschafter einer Personengesellschaft über einen Rückgriff auf die steuerliche Zurechnungsnorm § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zu rechtfertigen 758. Diese Argumentation ist jedoch nicht stichhaltig. Der BFH ist in seiner maßgeblichen Entscheidung vom 14.09.1994 759 auf diese Zurechnungsnorm nicht eingegangen, da sie innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes keine beziehungsweise nur eine eingeschränkte Anwendung finden kann 7 6 0 . 754
Vgl. hierzu auch 1. Kapitel, B.II. Vgl. hierzu 5. Kapitel, B.II.2.b). 756 Vgl. BFH vom 25.10.1995 - H R 67/93 - BStBl. II 1996, S. 160 (161); vom 17.04.1996 - H R 16/93 - BStBl. II 1996, S. 454 (455 f.). 757 Vgl. zu den Grenzen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise 1. Kapitel, B.II.4. 758 Vgl. hierzu Wohlschlegel, ZEV 1995, S. 94 (98). 759 Vgl. BFH vom 14.09.1994 - I I R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81. 760 Vgl. BVerfG vom 15.05.1984 - 1 BvR 464/81 - BStBl. II 1984, S. 608 (612f.); vom 22.09.1982 - II R 61/80 - BStBl. II 1983, S. 179f.; Gebel in: Troll/ Gebel/Jülicher, ErbStG, Anhang AO Rn. 11; a.A. Schulz, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, S. 38. 755
C. Die Personengesellschaft
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Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit diese getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Die Gesamthandsgemeinschaft wird gedanklich entgegen der zivilrechtlichen Betrachtungsweise aufgelöst und eine Bruchteilsgemeinschaft fingiert 761 . Mit anderen Worten: Im Vordergrund stehen nicht die Anteile an der Gesamthandsgemeinschaft, sondern die einzelnen Wirtschaftsgüter des Sondervermögens, welche den Gesamthändern quotal zugerechnet werden. Die Anwendbarkeit des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steht aber ausdrücklich unter der Voraussetzung, daß die getrennte Zurechnung der einzelnen Wirtschaftsgüter an die Gesamthänder für eine Besteuerung entsprechend dem jeweiligen Einzelsteuergesetz erforderlich ist. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als daß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO leerläuft, wenn eine Gesamthandsgemeinschaft als solche nach dem jeweiligen Steuergesetz steuerpflichtig ist 7 6 2 . Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob § 39 AO als Ausdruck einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise763 im Rahmen des Erbschaftsteuergesetzes generell Anwendung findet, kann § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO schon nach seinen gesetzlichen Voraussetzungen und seinem Regelungszweck nicht zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob eine Personengesellschaft oder die hinter ihr stehenden Gesamthänder als erbschaftsteuerliche Erwerber und damit als Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG gelten. Denn über die Identität der Person des Erwerbers mit der Person, die einen steuerpflichtigen Erwerb nach §§ 3, 7 ErbStG verwirklicht 764 , ist die Frage der Erwerbereigenschaft eine Frage der Tatbestandsverwirklichung. Erst wenn nach den Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes festgestellt werden kann, daß eine Personengesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft nicht als taugliches Steuersubjekt und tauglicher Steuerschuldner in Frage kommt, kann eine Zurechnung der Wirtschaftsgüter über § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO an die Gesellschafter erfolgen. Es ist aber nicht möglich, über eine verselbständigte Vermögenszurechnung an die Gesellschafter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO die Steuerpflichtigkeit einer Personengesellschaft im Erbschaftsteuergesetz zu verneinen und damit einen Durchgriff auf die einzelnen Gesellschafter zu erreichen 765.
761
Vgl. Fischer in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band II, § 39 AO Rn. 196; Halaczinsky in: Koch, AO, § 39 Rn. 13; Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 39 AO Rn. 36. 762 Vgl. Fischer in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band II, § 39 AO Rn. 198. 763 Vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Band I, § 39 AO Rn. 36. 764 Vgl. Meincke, JZ 1995, S. 1075. 765 Der BFH hat ist seiner Entscheidung vom 14.09.1994 konsequenterweise auf die Anwendung der Zurechnungsnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO verzichtet und sich vielmehr mit der zivilrechtlichen Zurechnungsnorm § 718 BGB beholfen, vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81 (82).
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5. Kap.: Gesellschaften als Erwerber und Steuerschuldner cc) Abschließende Würdigung
Es bleibt abzuwarten, ob der BFH angesichts der beiden unterschiedlichen Auslegungsmaßstäbe hinsichtlich der Eigenschaft von Kapital- und Personengesellschaften als erbschaftsteuerliche Erwerber und damit Steuerschuldner an seiner Auffassung festhält, die Gesamthänder seien ungeachtet der aktuellen Gesamthandsdiskussion als Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG anzusehen. Ob die Entscheidung vom 14.09.1994 766 einen neuen Weg zur Erfassung des Verhältnisses vom Erbschaftsteuergesetz zum Zivilrecht enthält, muß bezweifelt werden. Denn wie partiell und strukturell abhängig das Erbschaftsteuergesetz - trotz weitreichender Eigenständigkeit nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz 767 - vom Zivilrecht und dessen formalen Wertungen ist, zeigt die Argumentation des BFH in der oben genannten Entscheidung. Unter Mißachtung des allgemeinen Besteuerungsprinzips des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel wird zwar vordergründig die Notwendigkeit umgangen, das zivilrechtliche Problem der Vermögenszuordnung zwischen Gesamthandsgemeinschaft und Gesellschafter zu lösen. Daß in erbschaftsteuerlicher Hinsicht diese Diskussion nicht ohne Beachtung formaler Kriterien geführt werden kann, verdeutlicht ein weiteres Mal die vom BFH dennoch geführte Argumentation mit der zivilrechtlichen Zurechnungsnorm des § 718 BGB, wenngleich diese auch als rein steuerliche Auslegung bezeichnet werden mag.
I I I . Zwischenergebnis Ob bei einer unentgeltlichen Zuwendung an eine Gesamthand die Gesellschaft Erwerber und damit Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG ist, hängt im Lichte der allgemeinen erbschaftsteuerlichen Besteuerungsprinzipien des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel und des Bereicherungsprinzips davon ab, welcher Gesamthandslehre der Rechtsanwender bei der erbschaftsteuerlich notwendigen Beurteilung der Vermögenszurechnung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft folgt. Nimmt man die traditionelle Gesamthandslehre zum Ausgangspunkt, führen unentgeltliche Zuwendungen an eine GbR mangels einer Rechtsfähigkeit der Gesellschaft zu Erwerben durch die einzelnen Gesellschafter. Da die OHG und die KG auch nach der traditionellen Gesamthandslehre nach § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB eine Rechtsfähigkeit besitzen, ist die jeweilige Gesellschaft als Träger eigenen Vermögens erbschaftsteuerlicher 766
Vgl. BFH vom 14.09.1994 - H R 95/92 - BStBl. II 1995, S. 81. Vgl. BVerfG vom 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 - BStBl. II 1992, S. 212 (213f.); Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 19. Vgl. hierzu auch 1. Kapitel, B.II.l.b). 767
D. Zusammenfassung
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Erwerber und damit zugleich Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG. Nach der modernen Gesamthandslehre sind sämtliche Personengesellschaften zumindest teilrechtsfähig, können im Rahmen eines steuerpflichtigen Erwerbs in eigener Person einen Substanzübergang durch Rechtsträgerwechsel herbeiführen und sind somit allesamt Schuldner der Erbschaftsteuer. Es hat sich gezeigt, daß der erbschaftsteuerliche Erwerberbegriff auf eine formale Rechtsfähigkeit beschränkt ist. Es ist daher dogmatisch nicht möglich, über eine steuerlich motivierte wirtschaftliche Betrachtungsweise auf diese inhaltliche Festlegung des Erwerberbegriffs zu verzichten und hierdurch einen Durchgriff auf die einzelnen Gesellschafter zu begründen. Denn dies würde bedeuten, sich über allgemeine Besteuerungsprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes hinwegzusetzen und einen Kernbereich der wesensbedingten Abhängigkeit des Erbschaftsteuerrechts vom Zivilrecht zu verletzen.
D. Zusammenfassung Der Begriff des Erwerbers ist ein originär erbschaftsteuerlicher Begriff, der zwar keine unmittelbare strukturelle Abhängigkeit vom Zivilrecht aufweist, der allerdings inhaltlich nach dem allgemeinen Besteuerungsprinzipien des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel und des Bereicherungsprinzips formal beschränkt ist. Bei unentgeltlichen Zuwendungen an eine Kapitalgesellschaft ist die Gesellschaft als rechtsfähiger Träger eigenen Vermögens als Erwerber und damit als Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG zu qualifizieren. Ein Durchgriff auf die einzelnen Gesellschafter ist nicht möglich, da diese lediglich eine Wertsteigerung ihrer Beteiligungen realisieren, aber keinen Rechtsträgerwechsel in eigener Person hinsichtlich des Zuwendungsgegenstands verwirklichen. Die Frage, ob eine Gesamthandsgemeinschaft oder die einzelnen Gesellschafter innerhalb einer unentgeltlichen Zuwendung an eine Personengesellschaft einen Rechtsträgerwechsel herbeiführen und entsprechend bereichert sind, beurteilt sich nach der zivilrechtlichen Diskussion um die Rechtsfähigkeit und die Vermögenszuordnung einer Gesamthand. Je nach Anwendung der traditionellen oder der modernen Gesamthandsgemeinschaft fällt die Antwort unterschiedlich aus. Es ist aber in keinem Fall allein unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein Rückgriff auf die einzelnen Gesellschafter möglich.
Schlußbetrachtung A. Die strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes vom Zivil- und Ertragsteuerrecht Die Untersuchung der strukturellen, in der Gesetzessystematik angelegten Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes von einzelnen Regelungskreisen des bürgerlichen Rechts hat den hergebrachten Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts nur teilweise bestätigt. Es wurde aber gleichzeitig deutlich, daß das Erbschaftsteuergesetz nicht nur einzelne tatbestandliche Rückanknüpfungen an das Zivilrecht enthält, sondern in gleicher Weise wenn auch in geringerem Umfang - mit direkten Verweisungen auf Normen des Ertragsteuerrechts und dem Rückgriff auf die ertragsteuerliche Begriffswelt eine ebenfalls systematisch begründete Abhängigkeit von Regelungskreisen des Ertragsteuerrechts besteht. Insofern kann von einem Grundsatz der partiellen Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts gesprochen werden. Diese Abhängigkeit von anderen Rechtsgebieten ist in einem erbschaftsteuerlichen Regelungsdefizit begründet. Das Gesetz enthält Tatbestände, die keine vollständige und eigenständige erbschaftsteuerliche Normierung bestimmter Sachverhalte und Tatbestände aufweisen. Um dem Grundsatz der Gesetz- und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung dennoch gerecht zu werden, werden die fehlenden erbschaftsteuerlichen Tatbestände und Normbegriffe durch einen Rückgriff auf andere Gesetze ersetzt. Das Erbschaftsteuergesetz ist mithin ein „Torso" und aus Gründen der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gezwungen, über den Mechanismus einer „Rechtsgrundverweisung" seine diesbezüglichen Defizite auszugleichen. Zumindest ist diese Einschätzung an das Ende einer rechtsdogmatischen Sicht dieses Gesetzes zu stellen. Daneben werden zur Umschreibung einzelner Tatbestände Begrifflichkeiten verwendet, die aus dem Zivil- und Ertragsteuerrecht entlehnt sind. Auch dies ist Ausdruck eines Regelungsdefizits, da das Erbschaftsteuergesetz insoweit keine eigene umfassende Begriffswelt besitzt, mittels derer sämtliche Regelungskreise abschließend erfaßt werden können.
B. Folgerungen für die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz
207
B. Folgerungen für die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz Die strukturellen Abhängigkeiten des Erbschaftsteuergesetzes haben durch ihre tatbestandliche Rückanknüpfung an andere Gesetze insbesondere aus systematischen Gründen Auswirkungen auf die Auslegung unklarer erbschaftsteuerlicher Begrifflichkeiten. Die partielle Maßgeblichkeit des Zivilund Ertragsteuerrechts muß dabei mit dem allgemeinen methodologischen Ansatz in Einklang gebracht werden. Dies ist erforderlich, um nach einheitlichen Kriterien den Umfang zu klären, in dem mit der tatbestandlichen Rückanknüpfung an andere Rechtsgebiete deren immanente Wertungen und Begriffsbedeutungen auf den Erkenntnisprozeß der Auslegung des Erbschaftsteuergesetzes Einfluß nehmen.
I. Allgemeiner methodologischer Ansatz Nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz in seiner Ausformulierung durch das BVerfG sind Begrifflichkeiten vorrangig als solche des Gesetzes auszulegen, mit dem sich der Rechtsanwender unmittelbar konfrontiert sieht. Denn jedes Gesetz verfolgt innerhalb der Gesamtrechtsordnung als logisch aufgebautes Ganzes einen eigenen Zweck, der aus teleologischen Gesichtspunkten den verwendeten Normbegriffen eine bestimmte zielorientierte Wertung und entsprechende Bedeutungsgehalte verleiht.
II. Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens Bestehen zwischen einzelnen Gesetzen in der Gesetzessystematik angelegte Abhängigkeiten durch einen „Verschnitt" von Tatbeständen und einzelgesetzlich spezifisch vorgeprägten Begrifflichkeiten, ist nach dem allgemeinen methodologischen Ansatz folgende Vorgehensweise geboten: Aus dem unmittelbar anzuwendenden Gesetz (Erbschaftsteuergesetz) heraus ist zu klären, ob mit der Anknüpfung an andere Gesetze der entsprechende Begriff lediglich als reines Mittel zur grammatischen Umschreibung eines Sachverhalts übernommen wird, oder ob und in welchem Umfang die in den entlehnten Begriffen enthaltenen und vorgeprägten Bedeutungsgehalte in das (Erbschaftsteuer-)Gesetz übernommen werden müssen. Ausgehend von der Erkenntnis, daß das Erbschaftsteuergesetz mit einer fehlenden abschließenden Normierung bestimmter Sachverhalte und Tatbestände ein partielles Regelungsdefizit aufweist, wurde für das Erbschaftsteuergesetz eine „Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens" zur systematischen Ausformulierung des allgemeinen methodologischen Ansatzes entwickelt. Mit der tatbestandlichen verweisungsbedingten Anknüpfung an andere
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Schlußbetrachtung
Gesetze offenbart das Erbschaftsteuergesetz, daß es keinen originär erbschaftsteuerlichen Ordnungsrahmen enthält, aus dem heraus die besteuerungswürdigen Sachverhalte mit einem in sich abgeschlossenen Normengeflecht oder wenigstens in sich abgeschlossenen Wertemuster erfaßt werden können. Da aber nur aus einem abgeschlossenen eigenen Ordnungsrahmen wertungsbeeinflussende Momente für die Auslegung eines Gesetzes entnommen werden können, führt die verweisungsbedingte Integration fremder Tatbestände gleichzeitig zu einer Übernahme der dahinterstehenden Bedeutungsgehalte und Weitungen in das Erbschaftsteuergesetz (sogenannte integrierende Tatbestände). Besteht die Abhängigkeit von anderen Gesetzen nicht in der strukturellen Rückanknüpfung an einzelne Tatbestände, sondern in der Entlehnung einzelner Begrifflichkeiten anderer Gesetze, so werden ebenfalls die damit verbundenen Wertungen der fremden Begriffswelt in das Erbschaftsteuergesetz integriert. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß in diesem Zusammenhang kein erbschaftsteuerlicher Ordnungsrahmen zur tatbestandlichen Erfassung des Sachverhalts vorhanden ist, aus dem sich wertungsbeeinflussende Momente für eine originär erbschaftsteuerliche Auslegung der anderweitig vorgeprägten Begriffe entnehmen lassen.
C. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Erbschaftsteuergesetz Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Unterfall der teleologischen Auslegung von Steuergesetzen ist überall dort möglich, wo eine steuerliche Vorschrift nicht an die Rechtsform eines Sachverhalts anknüpft und damit die Betrachtungsweise formal prägt, sondern einen wirtschaftlichen Erfolg erfassen will. Auf tatbestandlicher Ebene ist diese Betrachtungsweise somit ausgeschlossen, wenn strukturelle Abhängigkeiten vom Zivilrecht bestehen und eine integrierende Übernahme bürgerlich-rechtlicher Tatbestände oder Begrifflichkeiten eine entsprechende formale Betrachtungsweise in das Erbschaftsteuergesetz hineinträgt. Besteht keine derartige strukturelle Abhängigkeit, so kann das allgemeine erbschaftsteuerliche Besteuerungsprinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel eine wirtschaftliche Betrachtungsweise in Einzelfällen ausschließen.
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averzeichnis Abstraktionsprinzip 58 Altruismus 61 Ansatz, methodologischer 58, 76f., 79f., 111, 177, 198, 204, 207 Auslegung 25ff., 166ff., 172, 177ff. - Auslegungskriterien 30 ff., 38 - Auslegungsrahmen 44, 76, 79, 88, 92 ff., 97, 109, 111, 117 ff., 166, 173, 198 - formale Betrachtungsweise 39, 57, 75, 86, 155 - grammatische 30f., 33f., 36 - systematisch-logische 31 - teleologische 32, 36, 38 f., 41, 57, 82, 97 f., 100, 121, 180, 188, 201, 208 - und Rechtsfortbildung 34 ff. - von Steuergesetzen 25 ff., 36ff. - wirtschaftliche Betrachtungsweise 38ff., 57, 82ff., 86, 97ff., 120ff., 124, 188 f., 201 f., 205, 208 - Ziel 27 ff. Bereicherungsprinzip 54, 67, 92, 181 f., 189, 204 Bestands- und Bewertungsidentität 69, 102, 114, 116 Betrachtungsweise, wirtschaftliche 38ff., 57, 82ff., 86, 97ff., 120ff., 124, 188 f., 201 f., 205, 208 - Grenzen 43 - und Verkehrsteuern 43 - und Zivilrecht 39 - Verfassungsmäßigkeit 42 Betriebsvermögen 51 f., 69, 101, 106f., 114, 117f., 143 f., 158, 165 ff. - Bewertung 68 ff. - einbringungsgeborene Anteile 170 f.
-
erbschaftsteuerliche Privilegierung 51 f., 101 ff. Freibetrag 52, 102, 104 Sozialpflichtigkeit 51
Bewertungsvorschrift § 13a ErbStG 100ff., 142 ff., 157 ff., 166 ff. - Auslegungsrahmen 109 ff., 111, 117 ff. - begünstigte Erwerbe 104 - Betriebsvermögen 101, 106 f., 114, 117 f., 143 f., 157 f., 166 ff. - Bewertungsabschlag 103, 105 - einbringungsgeborene Anteile 170 f. - Freibetrag 102, 104 - Gesetzeshistorie 101 ff. - integrierender Tatbestand 110,113 - Kapitalanlage 166 ff. - Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts 109ff., 113, 115, 117, 122, 143, 155, 159, 161, 170 - Maßgeblichkeit des Zivilrechts 109 ff., 122 - Nachsteuerregelung 102, 107, 112 ff., 118 f. - Ordnungsrahmen 109, 111, 113 ff., 122 - strukturelle Abhängigkeiten 109 ff., 115, 123 - unmittelbare Beteiligung 166 ff. - vorweggenommene Erbfolge 110 f., 122 - Weitergabeverpflichtung 105 - wirtschaftliche Betrachtungsweise 100, 120 ff., 124 Doppelbelastung 65 f. Eigentumsgarantie 45, 48, 62 Einheitswertbeschluß 48 ff., 103, 106, 141, 165 f., 171
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averzeichnis
Einheitswerte 49, 68
-
Einkommen 63 Entstrickungstatbestand 109, 115, 118 Erbengemeinschaft 129f., 149, 164 - gesamthänderische Verbundenheit 129 f., 135 ff. - Haftung 129, 134, 137 - Nachlaß 135 ff., 141 - Sondervermögen 135, 137, 141 Erbenhaftung 61 Erbfolge - gesetzliche 46, 60 - testamentarische 46 - vorweggenommene 50 f., 62, 87, 104, 110f., 122 Erbrecht 57 ff. - Erbenhaftung 61 - Familienerbfolge 60 - Grundprinzipien 59 ff. - Ordnungsrahmen 59 - Privatautonomie 59 - Regelungskreis 58 - Testierfreiheit 59 Erbrechtsgarantie 45 Erbschaftsteuergesetz 46, 48 ff., 63, 71 ff. - Auslegung 71 ff. - Auslegungsrahmen 44, 76, 79, 109, 111, 117 ff. - Bemessungsgrundlage 68, 93, 182 - Besteuerungsprinzipien 54 ff. - Erbanfallsteuer 52, 54, 56, 66, 142, 176 - Erwerb von Todes wegen 54, 57, 65, 72ff., 104, 121, 141 f., 156f., 165, 175 - Erwerber 177ff., 183ff., 189ff., 194 ff. - integrierender Tatbestand 74 f., 77, 86, 88, 95, 110, 113, 123, 178, 208 - Maßgeblichkeit des Ertragsteuerrechts 69, 109 f., 113 ff., 117, 122, 143, 155, 159, 161, 170, 206
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Maßgeblichkeit des Zivilrechts 56, 63, 73 ff., 80, 83, 86, 88 ff., 94ff., 99, 109 ff., 113, 122, 142, 144, 155 f., 160, 172, 174, 177, 179, 206 Nachlaßsteuer 52 Ordnungsrahmen 75, 81, 85 f., 88, 92, 96 f., 109, 111, 113 f., 122, 142, 178 f., 182 Regelungsdefizit 75, 206 Schranken 50 ff. Steuerschuldner 175 ff. strukturelle Abhängigkeiten 44, 58, 63, 69, 71 ff., 81, 86 ff., 92, 95, 97, 109ff., 115, 123, 155, 174, 206 und Einkommensteuer 53, 63 ff. und Verfassung 45 ff. und Zivilrecht 56 ff. Wesensstruktur 44 ff. wirtschaftliche Betrachtungsweise 82ff., 86, 97ff., 100, 120ff., 124,
188, 202, 208
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Zuwendung unter Lebenden 54, 87 ff., 121
Erwerb von Todes wegen 54, 57, 65, 72 ff., 104, 121, 141 f., 155 ff., 165, 175 - Auslegungsrahmen 76, 79 - einfache Nachfolgeklausel 141 - Erwerber 175 - Geschäftsanteil 165 - integrierender Tatbestand 74 f., 81, 86 - Maßgeblichkeit des Zivilrechts 73 ff., 78, 80, 83, 86, 142, 144, 155 f., 160 - Ordnungsrahmen 75, 81, 85 f., 88, 142 - qualifizierte Nachfolgeklausel 156 - Steuerschuldner 175 ff. - strukturelle Abhängigkeiten 72 ff.,
81, 86
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wirtschaftliche Betrachtungsweise 82 ff., 86
Familienerbfolge 60 Fiskalzwecknorm 37
Sachverzeichnis Gesamtrechtsnachfolge 47, 60, 127, 129, 135, 140 ff., 164 Geschäftsanteil, Vererbung 161 ff. - Abtretungsklausel 162 - einbringungsgeborene Anteile 170 f. - Einziehungsklausel 162 - Erbengemeinschaft 164 - erbschaftsteuerliche Beurteilung 165 ff. - ertragsteuerliche Beurteilung 164 - Gesamtrechtsnachfolge 164 - Nachlaßzugehörigkeit 163 f. - Sondererbfolge 164 - unmittelbare Beteiligung 166 ff. - Vinkulierungsklausel 162 - wesentliche Beteiligung 165, 168 f. Gesellschaftsanteile 126 ff., 161 ff. Gesetzeslücke 35 f. Gesetzespositivismus 41 f. Gesetzgebungskompetenz 33 Gewinnrealisierungstatbestand 109, 115, 118 Gütergemeinschaft 95 ff. Halbteilungsgrundsatz 48 lnteressenjurisprudenz 41 Kapitalgesellschaften 161 ff., 183 ff. - aktives Erbrecht 184 - Erwerber 183 ff. - Gesellschaftsvermögen 184 - juristische Person 161,184 - Nachfolge 161 ff. - Rechtsfähigkeit 184 Leistungsfähigkeit, wirtschaftliche 63 Lenkungsnorm 37 Markteinkommenstheorie 64 Maßgeblichkeit - des Ertragsteuerrechts 69, 109, 113 ff., 117, 122, 143, 155, 159, 161, 170, 206
-
-
223
des Zivilrechts 56f., 63, 73 ff., 80, 83, 86, 88f., 91, 94ff., 99, 109ff., 122, 142, 144, 155 f., 160, 172, 174, 177, 179, 206 verlängerte 68
Mitunternehmer 138f., 143, 148ff., 154, 157, 169 Nachfolgeklausel 127ff., 145ff., 162 - Abtretungsklausel 162 - einfache 129 ff. - Einziehungsklausel 162 - qualifizierte 61, 145 ff. - Vinkulierungsklausel 162 Nachfolgeklausel, einfache 129 ff. - Abspaltungstheorie 132, 135, 141 f., 147 - Einheitstheorie 133, 136 f., 141 f., 147 - Erbengemeinschaft 129 ff., 135, 140 - erbrechtliche Lösung 131, 142, 144 - erbschaftsteuerliche Beurteilung 141 ff. - ertragsteuerliche Beurteilung 138 ff. - gesellschaftsrechtliche Lösung 131 - Mitunternehmer 138 - Nachlaßzugehörigkeit 132, 135 - Sonderbetriebsvermögen 140, 143 - Sondererbfolge 130ff., 135, 137, 139, 142, 144 - Trennungstheorie 138 f. Nachfolgeklausel, qualifizierte 61, 145 ff. - Abspaltungstheorie 147, 150 - Alleinerbe 148, 152, 156 - Durchgangserwerb 151, 159 - Einheitstheorie 147 - Erbengemeinschaft 149 - erbrechtliche Lösung 146 - erbschaftsteuerliche Beurteilung 155 ff. - ertragsteuerliche Beurteilung 148 ff. - gesellschaftsrechtliche Lösung 145 - Mitunternehmer 148 ff., 154, 157 - Nachlaßzugehörigkeit 147 - nicht qualifizierte Erben 148 ff., 153, 157
224 -
averzeichnis
qualifizierter Erbe 145, 150, 152, 156 Singularsukzession 146 f. Sonderbetriebs vermögen 153, 158 Sondererbfolge 147, 151, 153, 156 Teilungsanordnung 147 Trennungstheorie 149
Ordnungsrahmen 41, 44, 75, 81, 85 f. - der ertragsteuerlichen Bewertung 69 - des Erbrechts 59ff., 63 - des Erbschaftsteuerrechts 75, 81, 85f., 88, 92, 96f., 109, 111, 113f. 122, 142, 178 f. Ordnungsstruktur des Zivilrechts 39, 41, 44, 74, 80 Personengesellschaften 127 ff., 189 ff. - aktives Erbrecht 194 - Erwerber 189 ff., 194 ff. - Gesamthandslehre 190ff., 199f., 204 - Gesellschafts vermögen 190, 192 ff., 203 - Rechtsfähigkeit 190 ff. Prinzip des Substanzübergangs durch Rechtsträgerwechsel 55, 99, 178, 180, 189, 204, 208 Privatautonomie 45, 59, 61 Rechtsfortbildung 31,33 ff. -
Rechtsfortbildungsmethoden 35 ff.
Rechtsgrundverweisung 74 Rechtsschöpfung 33 Reduktion, teleologische 31, 36, 118, 134 f. Regelungskreis, gesetzlicher 44, 58 f., 63 Regelungslücke 35, 120, 134 f. Reinvermögenszugangstheorie 65 Schenkung 62, 65, 87, 89 ff., 99 - objektiver Tatbestand 90 - subjektiver Tatbestand 91
Schenkung unter Lebenden, siehe Zuwendung unter Lebenden Schenkungsteuer 52 - und Zivilrecht 57 Singularsukzession 146 f. Sonderbetriebs vermögen 140, 143, 153, 158 Sondererbfolge 61, 130 ff., 137, 139, 142, 144, 147, 151, 153, 156, 164 Sonderrechtsnachfolge, siehe Sondererbfolge Sozialzwecknorm 37 Stichtagsprinzip 157, 160 Tatbestand, integrierender 41, 74 f., 77, 86, 88, 95, 110, 113, 123, 178, 208 Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung 75 Theorie des fehlenden Ordnungsrahmens 41, 123 ff., 166, 178, 182, 207 Universalsukzession, siehe Gesamtrechtsnachfolge Vermächtnis 163 Verwandtenerbrecht 47 Wertungsjurisprudenz 26 Zuwendung unter Lebenden 54, 87 ff., 121 - Auslegungsrahmen 88, 92 ff., 97 - Bereicherung 92 ff. - Grundtatbestand 89, 180 - integrierender Tatbestand 88, 95 - Maßgeblichkeit des Zivilrechts 89, 91, 94 ff., 99 - mittelbare Zuwendung 91 - Ordnungsrahmen 92, 96 ff. - Steuerschuldner 176, 179 - strukturelle Abhängigkeiten 87ff., 92, 95, 97 - wirtschaftliche Betrachtungsweise 97 ff., 100